eJournals Fremdsprachen Lehren und Lernen 50/1

Fremdsprachen Lehren und Lernen
flul
0932-6936
2941-0797
Narr Verlag Tübingen
10.2357/FLuL-2021-0004
Es handelt sich um einen Open-Access-Artikel, der unter den Bedingungen der Lizenz CC by 4.0 veröffentlicht wurde.http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/31
2021
501 Gnutzmann Küster Schramm

Sprachliches Selbstkonzept dual-immersiv unterrichteter Schülerinnen und Schüler

31
2021
Johanna Fleckenstein
Sandra Preusler
Jens Möller
flul5010050
DOI 10.2357/ FLuL-2021-0004 50 (2021) • Heft 1 J OHANNA F LECKENSTEIN , S ANDRA P REUSLER , J ENS M ÖLLER * Sprachliches Selbstkonzept dual-immersiv unterrichteter Schülerinnen und Schüler Abstract. Two-way immersion programs educate L1 speakers of a majority language with native speakers of a minority language while providing instruction in both languages. Learners’ verbal selfconcepts in such programs has rarely been investigated. In the present study, we compared self-concepts in German (as the majority language) and English (as a third language) of N = 617 pupils of the ninth grade plus all other 15-year-olds (in analogy to PISA) at a dual-immersive school (the State European School Berlin, SESB) with a representative comparison group of N = 2,672 pupils from mainstream schools. Multivariate regression analyses showed that both verbal self-concepts were higher at SESB, particularly for adolescents who grew up speaking only German (monolinguals). Verbal self-concepts were strongly associated with language skills in the two subjects. We will discuss the results with regard to reference group effects. 1. Einleitung Die meisten Analysen bilingualer Unterrichtsprogramme haben die schriftsprachlichen Leistungen der Schülerinnen und Schüler in den Mittelpunkt gestellt. Motivationale Effekte bilingualer Unterrichtsprogramme wurden dagegen eher selten untersucht (vgl. aber L ASAGABASTER 2011), obwohl sich gezeigt hat, dass diese Variablen Leistungsentwicklungen beeinflussen und die Entwicklung positiver Überzeugungen zum Fachlernen ein eigenständiges Unterrichtsziel ist (vgl. K LIEME 2008; M ÖLLER et al. 2020). Im vorliegenden Beitrag geht es um das sprachliche Selbstkonzept in dualer Immersion. In dualen Immersionsprogrammen werden zwei Unterrichtssprachen (Verkehrs- und Minderheitensprache, z.B. Deutsch und Türkisch) möglichst gleichberechtigt im Verhältnis 50 : 50 verwendet, um Kinder und Jugendliche in beiden * Korrespondenzadressen: Dr. Johanna F LECKENSTEIN , Leibniz-Institut für die Pädagogik der Naturwissenschaften und Mathematik, Abteilung Erziehungswissenschaft und Pädagogische Psychologie, Olshausenstraße 62, 24118 K IEL E-Mail: fleckenstein@leibniz-ipn.de Arbeitsbereiche: Schriftsprachliche Kompetenzen, Formatives Assessment und Feedback, Mehrsprachigkeit und bilingualer Unterricht M.A. Sandra P REUSLER und Prof. Dr. Jens M ÖLLER , Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, Institut für Pädagogisch-Psychologische Lehr- und Lernforschung, Olshausenstraße 75, 24118 K IEL E-Mail: spreusler@ipl.uni-kiel.de; jmoeller@ipl.uni-kiel.de Arbeitsbereiche: Motivation und Selbstkonzept, Bilinguales Lernen, Diagnostische Kompetenz Sprachliches Selbstkonzept dual-immersiv unterrichteter Schülerinnen und Schüler 51 50 (2021) • Heft 1 DOI 10.2357/ FLuL-2021-0004 Sprachen zu fördern. Damit handelt es sich nach einer in der Literatur gängigen Definition um eine Form der Immersion, da der Anteil fremdsprachlicher Instruktion in Sachfächern mindestens 50% einnimmt (vgl. D ALTON -P UFFER 2011, G ENESEE 2004); zudem werden beide Sprachen im schulischen Umfeld zur Kommunikation auch außerhalb des Unterrichts verwendet. 2. Selbstkonzept Leistungsbezogene Selbstkonzepte werden oft als fachspezifische Fähigkeitseinschätzungen betrachtet, die Schülerinnen und Schüler aufgrund von (Kompetenz-)Erfahrungen in Schulfächern erwerben. Diese Erfahrungen und Bewertungen sind entscheidend geprägt durch die Urteile signifikanter Anderer, insbesondere der Lehrkräfte und durch konkrete Leistungsrückmeldungen (vgl. S HAVELSON / H UBNER / S TANTON 1976). Die besondere theoretische und praktische Bedeutung leistungsbezogener Selbstkonzepte ergibt sich aus einer Vielzahl von Untersuchungen, in denen gezeigt werden konnte, dass diese Personenmerkmale leistungsthematisches Verhalten erklären und vorhersagen können (vgl. Metaanalyse von M ÖLLER et al. 2020). Es besteht weitgehender Konsens darüber, dass akademische Selbstkonzepte Lernprozesse in der Schule fördern (vgl. H ELMKE / VAN A KEN 1995; M ARSH 1990; M ÖLLER / K ÖLLER 2001). Um die Entwicklung schulischer Leistungen und damit verbundener motivationaler Präferenzen und Selbsteinschätzungen zu analysieren, wird häufig das erweiterte Erwartungs-Wert-Modell nach E CCLES (1994; W IGFIELD / E CCLES 2000) genutzt, das neben dem subjektiven Wert als zentrale Einflussgröße von Lern- und Leistungsverhalten die Erwartung, dass ein Lernprozess erfolgreich sein wird, als Wahrscheinlichkeit ausmacht. Zur Erwartungskomponente zählen im engeren Sinne Kompetenzüberzeugungen wie das fachbezogene Selbstkonzept. Als fachbezogenes Selbstkonzept wird die mentale Repräsentation der Begabung der eigenen Person in einer Domäne beschrieben (M ÖLLER / T RAUTWEIN 2015). Aussagen wie „In Englisch bin ich einfach nicht so begabt wie viele meiner Mitschülerinnen und Mitschüler“ kennzeichnen etwa das Selbstkonzept der fremdsprachlichen Begabung (vgl. A RENS et al. 2020). Die Leistung in einem Fach und das fachbezogene Selbstkonzept stehen in komplexer Beziehung zueinander. Meist werden wechselseitige Effekte der Variablen angenommen: So kann zum einen das Selbstkonzept Lernleistungen vorhersagen und erklären (vgl. M ÖLLER et al. 2014; R ETELSDORF et al. 2014; W IGFIELD , E CCLES et al. 2020). V ALENTINE / D U B OIS / C OOPER (2004) berichteten in einer Meta-Analyse positive Effekte der Selbsteinschätzungen auf künftige Leistungen, auch wenn die vorherigen Leistungen kontrolliert wurden, und bestätigten damit die im self-enhancement- Ansatz angenommenen Einflüsse des Selbstkonzepts auf nachfolgende Leistungen. Solche Effekte gehen zum Teil darauf zurück, dass Schülerinnen und Schüler mit hohen Erwartungen an ihre Leistungsfähigkeit mehr Zeit mit entsprechenden Aufgaben verbringen (vgl. W IGFIELD / E CCLES 1992). Zum anderen ist das Selbstkonzept der 52 Johanna Fleckenstein, Sandra Preusler, Jens Möller DOI 10.2357/ FLuL-2021-0004 50 (2021) • Heft 1 Begabung stark von den Leistungen der Schülerinnen und Schüler abhängig. So zeigten die meta-analytischen Befunde von M ÖLLER et al. (2020; vgl. auch M ÖLLER et al. 2009) eine durchschnittliche Korrelation von r = .56 zwischen Leistungen und Selbstkonzepten im selben Schulfach (in Bezug auf Fremdsprachen ergaben sich ebenfalls Korrelationen um r = .60). Entsprechend gehen Vertreterinnen und Vertreter des so genannten skill-development-Ansatzes davon aus, dass verbesserte Leistungen zu positiveren Selbstkonzepten führen. In Bezug auf bilinguale Unterrichtsprogramme gibt es nur wenige belastbare Erkenntnisse zum sprachlichen Selbstkonzept (vgl. R UMLICH 2014; Z AUNBAUER et al. 2013). Daher wird hier im Zusammenhang mit der Evaluation eines Programms der Zweiwegimmersion untersucht, wie fachbezogene Selbstkonzepte bei Zweiwegimmersion und an Vergleichsschulen ausfallen. Zunächst soll in den aktuellen Forschungsstand zu Selbstkonzepten in bilingualen Programmen, insbesondere bei der Zweiwegimmersion, eingeführt werden. 2.1 Selbstkonzepte im immersiven Unterricht Warum sollte immersiver Unterricht einen Einfluss auf das Selbstkonzept in sprachlichen Fächern haben? Zunächst sollten bessere Leistungen zu höherem Selbstkonzept führen, wie im Regelschulsystem bereits vielfach gezeigt wurde (vgl. M ÖLLER et al. 2014; R ETELSDORF et al. 2014; W IGFIELD , E CCLES et al. 2020). Da die sprachlichen Leistungen in immersiven Programmen meist besser sind als an Regelschulen, sollten auch die sprachbezogenen Selbstkonzepte höher ausfallen als an den Regelschulen. Zudem gelten bilinguale Programme als besonders sprachzentriert und betonen daher konzeptionell die Bedeutung des Sprachlichen. Da die Schülerinnen und Schüler um die besonderen sprachlichen Anforderungen im immersiven Unterricht wissen, könnte ein basking in reflected glory-Effekt auftreten, nach dem fachbezogene Selbstkonzepte davon profitieren, dass Lernende sich als Angehörige einer besonderen Gruppe mit höherem Leistungsniveau begreifen, was wiederum zu positiven Selbst- und Facheinschätzungen führen kann (vgl. M ARSH 2006; M ÖLLER / T RAUTWEIN 2015, spezifisch für CLIL-Programme vgl. D ALTON -P UFFER / S MIT 2013; R UMLICH 2014). Auch verlangt immersiver Unterricht durch den Einsatz einer oder mehrerer Fremdsprachen als Unterrichtssprachen eine deutlich intensivere Auseinandersetzung mit Sprachen insgesamt. Aus einer stärkeren kognitiven Verarbeitung können positive Effekte auf Selbstkonzepte resultieren (vgl. Befunde zur kompetenz- und motivationsförderlichen Wirkung kognitiver Aktivierung vgl. z.B. A LONSO -T APIA / P ARDO 2006; S TEFANOU et al. 2004). Schließlich sind im immersiven Unterricht der Einsatz zusätzlicher Materialien und eine besonders abwechslungsreiche Unterrichtsgestaltung beobachtet worden (vgl. A LLEN 2004), was eine verstärkte kognitive Aktivierung durch den Unterricht und damit wiederum Selbstkonzepte fördern mag. Die Zugehörigkeit zu einer leistungsstärkeren Gruppe wie einer Immersionsklasse könnte aber auch Nachteile für das Selbstkonzept in den Sprachen mit sich bringen, da die Referenzgruppe ebenfalls leistungsstärker ist. Wie Studien zum big fish little Sprachliches Selbstkonzept dual-immersiv unterrichteter Schülerinnen und Schüler 53 50 (2021) • Heft 1 DOI 10.2357/ FLuL-2021-0004 pond-Effekt zeigten, sank das Selbstkonzept in einer leistungsstärkeren Referenzgruppe wegen der Gelegenheiten zu ungünstigen sozialen Aufwärtsvergleichen: Eine Schülerin in einem leistungsstarken immersiven Unterrichtsprogramm könnte also auch ein niedrigeres sprachliches Selbstkonzept für sprachliche Fächer aufweisen als eine gleich leistungsstarke Schülerin in einer weniger leistungsstarken Regelschule. Zudem könnte gerade das Selbstkonzept in der Mehrheitssprache niedriger sein als an Regelschulen, da in der dualen Immersion Deutsch als Instruktionssprache insgesamt seltener ist, da verschiedene Fächer in einer Partnersprache unterrichtet werden. Sprachspezifische motivationale Effekte auf das Selbstkonzept sind in Bezug auf die Zweiwegimmersion kaum untersucht worden, daher wird hier zur Ableitung der Hypothesen auch auf Befunde aus CLIL-Programmen und aus der Einwegimmersion zurückgegriffen. Unterschiede im Selbstkonzept von immersiv und monolingual unterrichteten Schülern wurden bisher insbesondere für die als Unterrichtssprache verwendete Fremdsprache belegt. P ETERS , M AC F ARLANE und W ESCHE (2004) beobachteten bei Schülerinnen und Schülern der fünften und sechsten Jahrgangsstufe einen Unterschied im Fremdsprachenselbstkonzept zugunsten immersiv unterrichteter Personen. Ihre qualitative Befragung ergab zudem eine Zunahme des fremdsprachlichen Selbstkonzepts im Laufe eines Schuljahres. In der Untersuchung von B AKER und M AC I NTYRE (2000) zeigten immersiv unterrichtete Schülerinnen und Schüler der zehnten bis zwölften Jahrgangsstufe ein höheres Fremdsprachenselbstkonzept verglichen mit Schülerinnen und Schülern im Regelunterricht. Der Vorteil wurde damit begründet, dass der intensivere Kontakt mit der Fremdsprache im immersiven Unterricht die fremdsprachliche Leistung verbessert und dadurch die Einschätzung der eigenen Fremdsprachenkompetenz steigt. Dieselbe Untersuchung kam auch zu dem Schluss, dass das Selbstkonzept in der Erstsprache für immersiv und monolingual unterrichtete Schülerinnen und Schüler vergleichbar war. Bei deutlich jüngeren Kindern fand sich ein Gruppenunterschied im erstsprachlichen Selbstkonzept zugunsten immersiv unterrichteter Grundschülerinnen und -schüler am Ende der zweiten, nicht aber der dritten Jahrgangsstufe (vgl. Z AUNBAUER et al. 2013). Bei R UMLICH (2014) war das Selbstkonzept im Fach Englisch bei CLIL-Teilnehmenden deutlich höher als bei den Vergleichsgruppen ohne CLIL. Allerdings war das Selbstkonzept bereits zu Beginn des CLIL-Programms höher. Das Selbstkonzept war also möglicherweise bereits als Selektionsinstrument in das Programm hinein wirksam (vgl. R UMLICH 2016). Z AUNBAUER et al. (2013) zeigten in ähnlicher Weise ein höheres Ausgangsniveau im Englischselbstkonzept bei Einwegimmersion. Für das Englischselbstkonzept ließ sich in beiden Gruppen anschließend dieser Vorsprung halten. In der Meta- Analyse von L O und L O (2014) ergab sich ein signifikanter Unterschied zugunsten der immersiv unterrichteten Schülerinnen und Schüler für das Selbstkonzept in der L2. Auch M EARNS / D E G RAAFF / C OYLE (2017) betonen, dass ebenso wie bei den Leistungen Selektionseffekte ebenfalls bei der Motivation berücksichtigt werden müssen. Schülerinnen und Schüler mit höherem Selbstkonzept dürften mit größerer Wahrscheinlichkeit bilinguale Programme wählen als Schülerinnen und Schüler mit niedrigerem Selbstkonzept. Tatsächlich fanden die Autorinnen und Autoren motivationale 54 Johanna Fleckenstein, Sandra Preusler, Jens Möller DOI 10.2357/ FLuL-2021-0004 50 (2021) • Heft 1 Vorteile der bilingual Unterrichteten, hielten es aber für plausibel, dass es sich eher um Vorab-Unterschiede als um Effekte von CLIL handele. L ASAGABASTER (2011) zeigte, dass Schülerinnen und Schüler in CLIL in Bezug auf Einstellungen zum Fach Englisch positivere Werte zeigten als an Vergleichsschulen (vgl. auch die längsschnittliche Studie von S AN I SIDRO / L ASAGABASTER 2019). Insgesamt deuten die Befunde daraufhin, dass bilinguale Programme mit positiveren Einstellungen und Selbstkonzepten zum Fremdsprachenlernen einhergehen. Oft blieben dabei aber mögliche Selektionseffekte unbeachtet, zudem sind die Stichproben meist klein. Des Weiteren bezogen sich die Studien in der Regel auf die Selbstkonzepte in der Fremdsprache, die als Instruktionssprache im bilingualen Unterricht verwendet wird - Studien zum Selbstkonzept in einer Sprache, die im bilingualen Schulprogramm konventionell als Fremdsprache unterrichtet wird (wie z.B. Englisch im deutsch-türkischen Immersionsprogramm), und zum Selbstkonzept in der Mehrheitssprache gibt es nicht. 2.2 Zweiwegimmersion Bei der Zweiwegimmersion werden zwei Sprachen möglichst gleichberechtigt als Instruktionsmedium im Verhältnis 50 : 50 verwendet. Schülerinnen und Schüler mit der Mehrheitssprache als L1 werden gemeinsam mit Schülerinnen und Schülern, die eine Minderheitensprache als L1 (die sogenannte Partnersprache) sprechen, unterrichtet. So ist etwa an der Staatlichen Europaschule Berlin (SESB) die Unterrichtssprache in manchen Fächern die L1 einer Gruppe von Schülerinnen und Schülern, in anderen Fächern ihre L2, im Fremdsprachenunterricht (z.B. Englisch) für beide Schülerinnen- und Schülergruppen eine L3. Während in den USA duale Immersionsprogramme für die Partnersprachen Spanisch und Englisch am häufigsten sind (vgl. H OWARD / S UGARMAN / C HRISTIAN 2003; G ÒMEZ / F REEMAN / F REEMAN 2005), sind in Deutschland neben der SESB (vgl. M ÖLLER et al. 2017), die deutsch-sorbische Schule (vgl. G ANTEFORT 2013) oder die bilingualen Grundschulklassen in Hamburg (vgl. G OGO - LIN / N EUMANN / R OTH 2003, 2007; D UARTE 2011) zu erwähnen. Die SESB setzt duale Immersion mit insgesamt neun Sprachkombinationen um (Deutsch kombiniert mit entweder Englisch, Französisch, Griechisch, Italienisch, Polnisch, Portugiesisch, Russisch, Spanisch oder Türkisch). So werden beispielsweise an einem Standort der SESB mit Griechisch als Partnersprache Naturwissenschaften in Griechisch und Mathematik auf Deutsch unterrichtet, so dass die Unterrichtssprache dem Konzept nach für jeweils die eine Hälfte der Klasse die L1 und für die andere Hälfte die L2 ist (vgl. B AKER 2011; L INDHOLM -L EARY 2001). Englisch wird (natürlich mit Ausnahme des Deutsch-Englischen Programms) als L3 unterrichtet. Für duale Immersionsprogramme zeigten sich international in large scale-Studien positive Effekte auf schulische Leistungen (vgl. im Überblick K IM / H UTCHISON / W INSLER 2015; K RASHEN 2005; zur SESB M ÖLLER et al. 2017). Insbesondere scheinen Angehörige einer Minderheitensprache von dualer Immersion zu profitieren, was ihre Kompetenzen in der Mehrheitssprache angeht (vgl. T HOMAS / C OLLIER 2002). Ins- Sprachliches Selbstkonzept dual-immersiv unterrichteter Schülerinnen und Schüler 55 50 (2021) • Heft 1 DOI 10.2357/ FLuL-2021-0004 gesamt zeigt die Evaluation der SESB ähnliche deutschsprachige Lesekompetenzen der Schülerinnen und Schüler mit Deutsch als L2 an der SESB wie monolingual unterrichtete Vergleichsklassen, obwohl der deutschsprachige Input an der SESB (wegen des partnersprachlichen Unterrichts in vielen Fächern) deutlich reduziert ist (vgl. P REUSLER et al. 2019). Zudem zeigten Schülerinnen und Schüler mit der L1 Deutsch in den Klassenstufen 4 und 9 beachtliche Leistungen in den Partnersprachen (zur 4. Jahrgangsstufe vgl. B AUMERT et al. 2017; zur 9. Jahrgangsstufe vgl. F LECKENSTEIN et al. 2017). Die Analysen bestätigten die native language-Hypothese (vgl. L INDHOLM -L EARY / H OWARD 2008), nach der Erstsprachige die Zweitsprachigen in der jeweiligen Sprache interindividuell übertreffen. Das bedeutet, dass Schülerinnen und Schüler mit Deutsch als L1 in den deutschsprachigen Tests überlegen sind, während Schülerinnen und Schüler mit der Partnersprache als L1 in den partnersprachigen Tests überlegen sind. Dieser Effekt war in der Verkehrssprache Deutsch weniger ausgeprägt als in der Minderheitensprache. Die Daten bestätigten auch die der Mehrheitssprachen-Hypothese: Schülerinnen und Schüler erzielten unabhängig von ihrer L1 intraindividuell deutlich höhere Leistungen in der Verkehrssprache als in den Partnersprachen. Im Englischen waren die Neuntklässler an der SESB den Vergleichsgruppen in konventionellen Programmen ohne bilingualen Unterricht deutlich überlegen (vgl. F LECKENSTEIN et al. 2017). Diese Überlegenheit zeigte sich erwartungsgemäß insbesondere im deutsch-englischsprachigen Programm der SESB, in dem das Leseverständnis im Englischen von Schülerinnen und Schülern mit der L1 Deutsch längsschnittlich von der vierten bis zur sechsten Klassenstufe um mehr als 1,5 Standardabweichungen über dem der konventionell unterrichteten Schülerinnen und Schüler lag (vgl. B AUMERT / K ÖLLER / L EHMANN 2012). Aber auch in den anderen Programmen lagen die durchschnittlichen Englischleistungen - unabhängig vom sprachlichen Hintergrund - weit über denen von Regelschülerinnen und -schülern. 3. Entwicklung der Fragestellung Die geschilderten, meist positiven Befunde zu motivationalen Variablen stammen vor allem aus der Einwegimmersion und dem CLIL-Unterricht. Zur Zweiwegimmersion gibt es bislang kaum Studien zur Ausprägung von Selbstkonzepten. Hier dominieren Studien zu Einstellungen gegenüber den bilingualen Programmen, die oft recht positiv ausfallen (vgl. Y ANG / L EUNG / T ONG 2018). Studien, die das Selbstkonzept in der Verkehrssprache Deutsch und in der Drittsprache Englisch zeigen, fehlen bislang. Die Evaluation der SESB ermöglicht entsprechende Analysen. Der unterschiedliche Sprachhintergrund der Schülerinnen und Schüler in der Zweiwegimmersion führt zu unterschiedlichen Ausgangslagen für die beiden Sprachen Deutsch und Englisch, zu denen hier Daten vorliegen: Während Englisch als L3 für alle Schülerinnen und Schüler in der Zweiwegimmersion (lässt man das Deutsch- Englische Sprachprogramm mit Englisch als Partnersprache unberücksichtigt) und an 56 Johanna Fleckenstein, Sandra Preusler, Jens Möller DOI 10.2357/ FLuL-2021-0004 50 (2021) • Heft 1 den Vergleichsschulen eine Fremdsprache darstellt, ist Deutsch zwar für alle Schülerinnen und Schüler die außerschulische Verkehrssprache, für manche an der SESB und an den Vergleichsschulen aber ihre L1 und für andere ihre L2. Für die Fächer Deutsch und Englisch (als Fremdsprache) erwarten wir auf der Basis der vorliegenden Befunde und Überlegungen folgende Ergebnisse: Die Selbstkonzepte in den sprachlichen Fächern Deutsch und Englisch sind an der SESB insgesamt höher als an den Vergleichsschulen. Da die Leistungen an der SESB in Englisch deutlich besser waren als an den Vergleichsschulen, ist aufgrund der positiven Korrelation zwischen Leistung und Selbstkonzept von einer höheren Ausprägung motivationaler Variablen an der SESB auszugehen. Zudem stellt die SESB eine sprachorientierte Schulform dar - Schülerinnen und Schüler in der Zweiwegimmersion sollten sich selbst generell eine höhere Sprachkompetenz zuschreiben und so auch in Deutsch ein höheres Selbstkonzept aufweisen. Zudem sollten Schülerinnen und Schüler, die nicht mit Deutsch als Erstsprache aufgewachsen sind, ein niedrigeres Selbstkonzept aufweisen - sowohl im Vergleich mit Schülerinnen und Schülern, die mit Deutsch von Beginn an monolingual deutschsprachig aufgewachsen sind, als auch im Vergleich mit bilingual Aufgewachsenen. Insbesondere sollten Schülerinnen und Schüler, die nicht mit Deutsch als Erstsprache aufgewachsen sind, an der SESB höhere Werte erzielen als an Vergleichsschulen. Wir gehen davon aus, dass die genannten Unterschiede nicht vollständig durch Selektionseffekte, die durch Kontrollvariablen berücksichtigt werden, erklärbar sind. Angenommen wird also, dass insgesamt an der SESB höhere Selbstkonzepte für Deutsch und Englisch vorliegen (Hypothese 1 zum Haupteffekt der Schulform), dass nicht-deutschsprachig Aufgewachsene niedrigere Selbstkonzepte für Deutsch und Englisch zeigen als die anderen Sprachgruppen (Hypothese 2 zum Haupteffekt der Schulform) und dass die nichtdeutschsprachig Aufgewachsenen an der SESB höhere Selbstkonzepte haben als an den Vergleichsschulen (Hypothese 3 zur Interaktion Schulform x Sprachhintergrund). 4. Methode 4.1 Stichprobe Analog zur BERLIN-Studie (M AAZ et al. 2013) besteht die Untersuchungspopulation der vorliegenden EUROPA-Studie in der Sekundarstufe aus allen Schülerinnen und Schülern, die eine 9. Klasse besuchten, plus alle 15-jährigen Schülerinnen und Schüler der verbliebenen Jahrgänge der Sekundarstufe (dieses Vorgehen ermöglicht einen Anschluss sowohl an den IQB-Ländervergleich [9. Klassen] als auch an die PISA- Stichprobe [15-Jährige]). Im Frühsommer 2014 wurden an allen Standorten der SESB in der Sekundarstufe I Vollerhebungen der definierten Untersuchungspopulation durchgeführt. Da nach § 9 des Berliner Schulgesetzes (S ENATSVERWALTUNG FÜR B ILDUNG , J UGEND UND F AMILIE 2004) alle ausgewählten Schülerinnen und Schüler zur Teilnahme an der Evaluation verpflichtet waren, fielen die Ausschöpfungsquoten Sprachliches Selbstkonzept dual-immersiv unterrichteter Schülerinnen und Schüler 57 50 (2021) • Heft 1 DOI 10.2357/ FLuL-2021-0004 sehr hoch aus. Die realisierte Stichprobe an der SESB betrug bei den Schülerinnen und Schülern der neunten Klassenstufe und 15- Jährigen N = 617 (Ausschöpfungsquote: 98.2%). Für eine detaillierte Aufschlüsselung der Teilnahmequoten nach Subgruppen vgl. F LECKENSTEIN et al. 2017. Als Vergleichsgruppe steht die für die neunte Jahrgangsstufe plus die 15-jährigen Berliner Schülerinnen und Schüler die repräsentative Stichprobe der BERLIN-Studie (M AAZ et al. 2013) mit N = 2672 Schülerinnen und Schülern zur Verfügung. Angaben zum sprachlichen Hintergrund in den beiden Stichproben können den Tabellen 1 und 2 (  S. 59-60) entnommen werden. 4.2 Instrumentierung Selbstkonzept Deutsch und Englisch: Das fachspezifische Selbstkonzept wurde in Deutsch mit acht Items und in Englisch mit vier Items erfasst (Beispielitem: „Ich bin gut in Deutsch/ Englisch“). Die internen Konsistenzen (Cronbachs Alpha) lagen zwischen .77 und .90. Sprachlicher Hintergrund: Der sprachliche Hintergrund der Schülerinnen und Schüler wurde mit der Frage „Welche Sprache(n) hat Ihr Kind, für das Sie den Fragebogen ausfüllen, in der Familie zuerst gelernt? “ über die Angaben der Eltern bzw. Erziehungsberechtigten erhoben. Mehrfachantworten waren erlaubt. Im Folgenden verwenden wir die Gegenüberstellung von drei Sprachgruppen. Zur Sprachgruppe „monolingual deutschsprachig“ werden alle Schülerinnen und Schüler gezählt, die von Geburt an monolingual deutschsprachig aufgewachsen sind. Zur Sprachgruppe „bilingual“ gehören die Schülerinnen und Schüler, die neben Deutsch noch eine andere Sprache (an der SESB die Partnersprache) von Geburt an gelernt haben. In die Sprachgruppe „monolingual nicht-deutschsprachig“ fallen alle monolingual aufgewachsenen Schülerinnen und Schüler, deren L1 nicht die deutsche Sprache ist. Englisch ist für alle Schülerinnen und Schüler eine Fremdsprache (das deutsch-englische Sprachprogramm an der SESB mit Schülerinnen und Schülern, die Englisch als L1 oder L2 sprechen, ist von den Analysen ausgeschlossen). Deutsch ist für alle Schülerinnen und Schüler Verkehrssprache und für die Schülerinnen und Schüler, die monolingual nicht-deutschsprachig aufgewachsen sind, ebenfalls eine Fremdsprache. Leistungen: Die deutschsprachigen Tests zum Leseverständnis wurden im Rahmen der BERLIN-Studie administriert. Eingesetzt wurden Aufgaben aus den in PISA 2006 verwendeten vier Booklets (7, 11, 12, 13), die in einem Multi-Matrix-Design variiert wurden. Der Test zum Leseverständnis bestand aus 28 Items und erreichte eine gute Reliabilität von r EAP/ PV = .88. Die Aufgaben des Englischtests wurden dem Ländervergleich 2009 entnommen (K ÖLLER / K NIGGE / T ESCH 2010). Der Englischtest umfasste 82 Items und erreichte eine sehr hohe Reliabilität von r EAP/ PV = 0.93. Demographische Variablen: Der familiale Hintergrund wurde mit dem Sozialstatus beschrieben. Als Indikator des sozioökonomischen Hintergrunds wurde der International Socio-Economic Index of Occupational Status (ISEI; G ANZEBOOM et al. 58 Johanna Fleckenstein, Sandra Preusler, Jens Möller DOI 10.2357/ FLuL-2021-0004 50 (2021) • Heft 1 1992) verwendet, wobei jeweils der höhere Wert der beiden Elternteile zugrunde gelegt wurde (HISEI). Abitur: Im Elternfragebogen wurde erfasst, ob ein Elternteil das Abitur erreicht hat.Geschlecht: Das Geschlecht der Teilnehmerinnen und Teilnehmer wurde mit 0 = männlich, 1 = weiblich kodiert. Kognitive Grundfähigkeiten: Die kognitiven Grundfähigkeiten der Jugendlichen wurden mit den Untertests „Verbales und figurales Schlussfolgern“ des KFT erfasst (vgl. H ELLER / P ERLETH 2000). Die Reliabilitäten der beiden Testteile betragen r (WLE) = 0.73 bzw. r (WLE) = 0.87. Eingangsleistung (Gesamtnote Grundschule): Als Eingangsleistung wurde die Durchschnittsnote des Übergangzeugnisses von der Grundschule einbezogen. 4.3 Analytisches Vorgehen Zusätzlich zu einer deskriptiven Auswertung getrennt für beide Fächer (vgl. Tabellen 1 und 2,  S. 59-60) wurde ein regressionsanalytisches Vorgehen zur Analyse der Daten gewählt. Dieses erfolgte in drei Schritten (vgl. Tabellen 3 und 4,  S. 61-62): Zunächst wurde ein Gesamtvergleich des Selbstkonzepts an der SESB und den monolingual unterrichtenden Vergleichsschulen vorgenommen. Anschließend wurde in einem zweiten Schritt die individuelle Perspektive der Schülerinnen und Schüler eingenommen, indem deren Selbstkonzepte unter Berücksichtigung des Sprachhintergrunds untersucht wurden. Normatives Referenzniveau sind hier die durchschnittlichen Selbstkonzepte von monolingual deutschsprachig aufgewachsenen Schülerinnen und Schülern an monolingual unterrichtenden Vergleichsschulen. In diesen Modellen stellen die mittleren Werte von Schülerinnen und Schülern mit Deutsch als L1 das Referenzniveau dar, an dem das Selbstkonzept an der SESB ohne Berücksichtigung der potenziellen Selektivität des Programms gemessen wird. Im dritten Schritt betrachteten wir die Variablen anhand von sogenannten value added-Modellen, in denen relevante Fähigkeits- und Herkunftsmerkmale der Schülerinnen und Schüler in Rechnung gestellt wurden. Bei diesen Vergleichen wurde kein absoluter, sondern ein relativer Gütemaßstab angelegt, der die unterschiedlichen Eingangsvoraussetzungen von Schülerinnen und Schülern berücksichtigt. In den Analysen wurde somit eine institutionsspezifische Perspektive eingenommen, die einen fairen Vergleich der Selbstkonzepte zwischen Schulen ermöglicht. Es wurde damit der Nettoeffekt der Beschulung an der SESB untersucht, der Rückschlüsse auf das Selbstkonzept pro Schultyp bei durchschnittlichen Leistungen, kognitivem und sozioökonomischem Hintergrund der Schülerinnen und Schüler zulässt. In der EUROPA-Studie sind Schulen oder Klassen die Stichprobeneinheiten, in denen Schülerinnen und Schüler entweder insgesamt oder durch Zufallsausfall in die Untersuchung aufgenommen wurden. Deshalb werden im Folgenden zur korrekten Schätzung sogenannte robuste Standardfehler (rSE) verwendet (Huber-White-Schät- Sprachliches Selbstkonzept dual-immersiv unterrichteter Schülerinnen und Schüler 59 50 (2021) • Heft 1 DOI 10.2357/ FLuL-2021-0004 zer oder Sandwich-Standardschätzer; vgl. W HITE 1980), die in der Regel eine größere Varianz aufweisen als die konventionellen Standardfehler. Fehlende Werte auf den für die Analysen genutzten Variablen wurden multipel imputiert (vgl. S CHAFER / G RAHAM 2002). Die Ergebnisse werden nach den Regeln von R UBIN (1987) integriert. Zur Überprüfung der praktischen Bedeutsamkeit statistisch signifikanter Differenzen zwischen den Gruppen werden Effektstärken in Einheiten der Standardabweichung (Cohen‘s d) berichtet. Zur Prüfung der Hypothesen wurden für beide Fächer in Modell 1 (vgl. Tabellen 3 und 4) das Selbstkonzept in absoluter Höhe zwischen Schülerinnen und Schülern der SESB und Vergleichsschulen verglichen. In Modell 2 wurde zusätzlich der Sprachhintergrund berücksichtigt, dabei wurden auch Interaktionen zwischen Schulform und Sprachhintergrund berechnet. Schließlich bezieht Modell 3 die Hintergrundvariablen Testleistungen, Geschlecht, kognitive Grundfähigkeiten, den sozioökonomischen Hintergrund und als Eingangsleistung die Note in der Grundschule ein. 5. Ergebnisse 5.1 Deskriptive Analysen Die Tabellen 1 und 2 zeigen die deskriptiven Statistiken für die Selbstkonzepte in Englisch und Deutsch. Orientiert man sich an gängigen Konventionen (d ≈ 0.2 entspricht einem kleinen Effekt) zur Beschreibung von Effektstärken, gibt es meist sehr kleine bis kleine Unterschiede zwischen SESB und Vergleichsschulen. Relativ bedeutsam sind die Unterschiede in beiden Fächern im Selbstkonzept zugunsten der SESB insgesamt sowie zuungunsten der monolingual nicht-deutschsprachig Aufgewachsenen. Zudem scheinen an der SESB die monolingual deutschsprachig Aufgewachsenen in beiden Fächern zu profitieren. Das als Referenzniveau gewählte Selbstkonzept der monolingual deutschsprachig Aufgewachsenen an Vergleichsschulen wird in Englisch nur von den nicht-deutschsprachig Aufgewachsenen an den Vergleichsschulen nicht ganz erreicht. In Deutsch erreichen die monolingual nichtdeutschsprachig Aufgewachsenen an beiden Schulformen dieses Referenzniveau nicht. SESB Vergleichsschulen N M SD N M SD d Gesamt 541 3.13 0.71 3289 3.02 0.81 0.14 Monolingual Deutsch 106 3.27 0.70 1770 2.98 0.81 0.36 Monolingual nichtdeutsch 169 3.05 0.70 620 2.96 0.83 0.11 Bilingual 266 3.14 0.71 901 3.14 0.77 0.00 Tab. 1: Selbstkonzept im Fach Englisch: Deskriptive Statistiken für die Sprachgruppen: Stichprobengrößen, Mittelwerte, Standardabweichungen und Effektstärken 60 Johanna Fleckenstein, Sandra Preusler, Jens Möller DOI 10.2357/ FLuL-2021-0004 50 (2021) • Heft 1 SESB Vergleichsschulen N M SD N M SD d Gesamt 617 3.14 0.53 3289 3.07 0.54 0.14 Monolingual Deutsch 126 3.22 0.54 1770 3.08 0.54 0.26 Monolingual nichtdeutsch 182 2.97 0.50 620 2.98 0.55 -0.02 Bilingual 310 3.21 0.52 901 3.11 0.53 0.19 Tab. 2: Selbstkonzept im Fach Deutsch: Deskriptive Statistiken für die Sprachgruppen: Stichprobengrößen, Mittelwerte, Standardabweichungen und Effektstärken 5.2 Regressionsanalytische Befunde 5.2.1. Selbstkonzept im Fach Englisch Tabelle 3 (  S. 61) zeigt die regressionsanalytischen Befunde für das Selbstkonzept im Fach Englisch. Das Selbstkonzept war nach Berechnungsmodell 1 an der SESB signifikant höher als an den Vergleichsschulen, was die Annahme unserer Hypothese für die nicht-adjustierten Werte bestätigte. Wurde in Modell 2 der Sprachhintergrund zusätzlich berücksichtigt, blieb dieser Befund erhalten. Zudem erzielten bilingual Aufgewachsene signifikant höhere Werte als die beiden anderen Sprachgruppen. Die beiden Gruppen monolingual Aufgewachsener unterschieden sich im Selbstkonzept nicht. Beide Haupteffekte wurden von einer Interaktion ausdifferenziert. Während das Selbstkonzept der bilingual Aufgewachsenen an der SESB hin zum niedrigeren Niveau an den Vergleichsschulen signifikant sank, schrieben sich monolingual deutschsprachig Aufgewachsene an der SESB signifikant höhere Fähigkeiten in der englischen Sprache zu als an den Vergleichsschulen. Auch bei Kontrolle der Hintergrundvariablen in Modell 3 blieb insgesamt der positive Effekt der Schulform SESB auf das Selbstkonzept im Fach Englisch erhalten, der allerdings deutlich nach Sprachgruppen variierte. Für die Sprachgruppen zeigte sich ein unerwarteter Effekt: Durch die Kontrolle der Hintergrundvariablen zeigten hier die monolingual nicht-deutschsprachig und die bilingual Aufgewachsenen höhere Selbstkonzepte als die monolingual deutschsprachig Aufgewachsenen. Dies galt aber nur für die Vergleichsschulen, wie die negativen Interaktionen anzeigen. Die monolingual deutschsprachig aufgewachsenen Schülerinnen und Schüler profitierten somit vom Unterricht der SESB, wenn man die Kontrollvariablen statistisch einbezog. Betrachtet man in Modell 3 die Kontrollvariablen, so zeigte sich ein höheres Selbstkonzept im Fach Englisch für Schülerinnen und Schüler mit besseren Englischleistungen. Insgesamt fand sich, wie in Hypothese 1 vermutet, ein höheres fachliches Selbstkonzept in Englisch an der SESB. Entgegen Hypothese 2 ergab sich kein auf niedrigere Werte der monolingual nicht-deutschsprachig Aufgewachsenen abzielender Haupteffekt des sprachlichen Hintergrunds und auch nicht der in Hypothese 3 erwar- Sprachliches Selbstkonzept dual-immersiv unterrichteter Schülerinnen und Schüler 61 50 (2021) • Heft 1 DOI 10.2357/ FLuL-2021-0004 tete Effekt der höheren Werte für die Schülerinnen und Schüler, die monolingual nicht-deutschsprachig aufgewachsen sind und an der SESB unterrichtet werden. Modell 1 Modell 2 Modell 3 Konstante 3.02 (0.03)** 2.98 (0.03)** 2.99 (0.04)** Schulprogramm (SESB=1) 0.11 (0.05)* 0.29 (0.10)** 0.16 (0.08)* monolingual nicht deutschsprachig -0.02 (0.05) 0.13 (0.05)* Bilingual 0.16 (0.05)** 0.22 (0.04)** SESB* monolingual nicht deutschsprachig -0.20 (0.12) -0.27 (0.11)* SESB*bilingual -0.30 (0.10)* -0.36 (0.09)** Geschlecht (weiblich=1) -0.05 (0.03) Kognitive Grundfähigkeiten -0.14 (0.02)* Eingangsleistung (Gesamtnote Grundschule) 0.03 (0.02) Rezeptive Kompetenzen Englisch 0.46 (0.02)** Sozioökonomischer Hintergrund 0.00 (0.02) Abitur Eltern -0.01 (0.04) R 2 0.00 (0.00) 0.01 (0.00)** 0.22 (0.01)** **p < .01; *p < .05 Tab. 3: Lineare multiple Regression des Selbstkonzepts im Fach Englisch auf das Schulprogramm, den sprachlichen Hintergrund und die Kontrollvariablen: z-standardisierte bzw. dummy-kodierte Prädiktoren; unstandardisierte Koeffizienten (Standardfehler) 62 Johanna Fleckenstein, Sandra Preusler, Jens Möller DOI 10.2357/ FLuL-2021-0004 50 (2021) • Heft 1 Modell 1 Modell 2 Modell 3 Konstante 3.07 (0.02)** 3.08 (0.02)** 2.98 (0.03)** Schulprogramm (SESB=1) 0.07 (0.04) 0.14 (0.07)* 0.10 (0.06) monolingual nicht deutschsprachig -0.10 (0.04)** 0.03 (0.03) Bilingual 0.03 (0.03) 0.11 (0.03)** SESB* monolingual nicht deutschsprachig -0.15 (0.08) -0.16 (0.08)* SESB*bilingual -0.05 (0.06) -0.11 (0.06) Geschlecht (weiblich=1) 0.13 (0.02)** Kognitive Grundfähigkeiten -0.07 (0.01)** Eingangsleistung (Gesamtnote Grundschule) -0.02 (0.02) Lesekompetenz Deutsch 0.20 (0.02)** Sozioökonomischer Hintergrund 0.02 (0.02) Abitur Eltern 0.00 (0.04) R 2 0.00 (0.00) 0.02 (0.01)* 0.15 (0.02)** **p < .01; *p < .05 Tab. 4: Lineare multiple Regression des Selbstkonzepts im Fach Deutsch auf das Schulprogramm, den sprachlichen Hintergrund und die Kontrollvariablen: z-standardisierte bzw. dummy-kodierte Prädiktoren; unstandardisierte Koeffizienten (Standardfehler) 5.2.2 Selbstkonzept im Fach Deutsch Das Selbstkonzept im Fach Deutsch war nach Modell 1 an der SESB nicht signifikant höher als an den Vergleichsschulen. Wurde in Modell 2 aber der Sprachhintergrund zusätzlich berücksichtigt, zeigte sich ein höheres Selbstkonzept an der SESB. Zudem wiesen monolingual nicht-deutschsprachig Aufgewachsene niedrigere Selbstkonzepte auf. Anders als im Fach Englisch wurden beide Haupteffekte nicht signifikant durch Interaktionen ausdifferenziert. Bei Kontrolle der Hintergrundvariablen in Modell 3 zeigten die höheren Werte der Schulform SESB und die niedrigeren Werte der monolingual nicht-deutschsprachig Aufgewachsenen auf das Selbstkonzept im Fach Deutsch keine signifikanten Unterschiede mehr an. Bei Kontrolle u.a. der Deutschleistungen ergab sich ein höheres Selbstkonzept der bilingual Aufgewachsenen. Zudem ergab sich ein signifikanter Interaktionseffekt zulasten der monolingual nicht-deutschsprachig Aufgewachsenen an der SESB. Wurde in Modell 3 der Einfluss der Kontrollvariablen betrachtet, so zeigte sich für Schülerinnen ein höheres Selbstkonzept im Fach Deutsch als für Schüler, sowie für Schülerinnen und Schüler mit besseren Deutschleistungen. Sprachliches Selbstkonzept dual-immersiv unterrichteter Schülerinnen und Schüler 63 50 (2021) • Heft 1 DOI 10.2357/ FLuL-2021-0004 Insgesamt fand sich ein höheres Selbstkonzept im Fach Deutsch an der SESB, wenn für Sprachgruppen, nicht aber wenn für Hintergrundvariablen kontrolliert wurde (teilweise Bestätigung für Hypothese 1). Ebenso finden sich die in Hypothese 2 postulierten niedrigeren Selbstkonzepte der Schülerinnen und Schüler, die nicht von Beginn an Deutsch gelernt haben. Die Schülerinnen und Schüler, die bilingual oder monolingual nicht-deutschsprachig aufgewachsen sind, hatten an der SESB eher niedrigere als höhere Selbstkonzepte als an den Vergleichsschulen (keine Bestätigung für Hypothese 3). 6. Diskussion Die Frage nach der Ausprägung motivationaler Variablen in bilingualen Unterrichtsprogrammen ist bislang nur selten untersucht worden. In der vorliegenden Studie wurden Selbstkonzepte von Schülerinnen und Schülern eines Zweiwegimmersionsprogramms mit denen aus Vergleichsschulen in zwei sprachlichen Fächern (Englisch und Deutsch) gegenübergestellt. Bei der Interpretation der Befunde sollte deutlich getrennt werden, ob diese ohne oder mit Kontrollvariablen zustande gekommen sind. Will man wissen, ob die Selbstkonzepte an den beiden Schulformen für die drei Sprachgruppen unterschiedlich hoch sind, benötigt man die Kontrollvariablen nicht. Soll dagegen diskutiert werden, welchen Beitrag die Schulformen über die Kontrollvariablen hinaus leisten, müssen deren Effekte einbezogen werden. Beide Varianten führen hier für das Selbstkonzept zu unterschiedlichen Ergebnissen. Dabei ergaben sich für das Selbstkonzept die angenommenen Vorteile an der SESB in beiden Fächern. Damit werden die Annahmen und Befunde von R UMLICH (2016) gestützt, wonach die Teilnahme an besonderen Schulprogrammen wie CLIL oder Zweiwegimmersion mit der Annahme höherer sprachlicher Fähigkeiten verbunden ist. Diese Unterschiede könnten als basking in reflected glory-Effekte interpretiert werden und auch aufgrund der positiven Einstellungen gegenüber Sprachen in diesen Klassen verstärkt werden. Unklar bleibt, ob die höheren sprachlichen Selbstkonzepte eher mit der Selektion bzw. der selektiven Aufnahme in die Programme verbunden sind (vgl. R UMLICH 2016) oder Ergebnisse der bilingualen Programme sind. Für Englisch heißt dies, dass das Selbstkonzept für eine L3 an einer sprachbetonten Schulform wie der SESB, an der bereits zwei andere Sprachen als Instruktionssprachen verwendet werden, höher ausfällt als an Regelschulen. Für Deutsch kann man sagen, dass an der SESB ein hohes Selbstkonzept in der Mehrheitssprache entsteht, obwohl diese Sprache seltener als Instruktionssprache eingesetzt wird als an Regelschulen. Die positiven Befunde in Bezug auf das Selbstkonzept zeigten sich aber entgegen den Erwartungen vor allem für die monolingual deutschsprachig Aufgewachsenen. Von einem generellen Fördereffekt für die monolingual nicht-deutschsprachig Aufgewachsenen an der SESB kann somit nicht gesprochen werden. Die Selbstkonzepte sind im Übrigen in beiden Fächern sehr ähnlich hoch, was 64 Johanna Fleckenstein, Sandra Preusler, Jens Möller DOI 10.2357/ FLuL-2021-0004 50 (2021) • Heft 1 wiederum darauf verweist, dass eher die sozialen Vergleiche der Leistungen in der Bezugsgruppe das Selbstkonzept prägen und weniger die absoluten Leistungsstände, die in Deutsch deutlich höher liegen als in Englisch (vgl. F LECKENSTEIN et al. 2016; P REUSLER et al. 2019). Interessant ist, was die Kontrolle durch die Hintergrundvariablen in Bezug auf die Effekte ausmacht. Die Analysen zeigten, dass die monolingual nicht-deutschsprachig Aufgewachsenen die niedrigsten Werte im Selbstkonzept in beiden Fächern und Schulformen insgesamt haben; diese scheinen allerdings vor allem durch ihre ungünstigeren Leistungen und andere Eingangsbedingungen verursacht: Kontrolliert man für die Leistungen, schreibt sich diese Gruppe beispielsweise in Englisch ähnlich hohe Begabungen zu wie die monolingual deutschsprachig Aufgewachsenen. Dieser Befund könnte als Überschätzung der eigenen Begabungen interpretiert werden. Er gilt in geringerem Maße an der SESB als an den Vergleichsschulen, möglicherweise in Übereinstimmung mit dem big fish little pond-Effekt wegen des leistungsstärkeren Umfelds an der SESB. Zu den Kritikpunkten an unserer Studie zählt sicher ihr querschnittlicher Charakter. Die Entwicklung der Selbstkonzepte in der dualen Immersion zu untersuchen, war uns leider nicht möglich. Es ist denkbar, dass zu einem Zeitpunkt in der 9. Klasse bereits viele motivationale Unterschiede zwischen den Schulformen eingeebnet sind, etwa durch Effekte der bereits jahrelang bestehenden Referenzrahmen und -erfahrungen. Ein weiterer Kritikpunkt könnte sein, dass wir motivationale Selektionseffekte nicht erfassen konnten. Möglicherweise ist das Selbstkonzept für Sprachen bereits vor der Einschulung unterschiedlich ausgefallen und war mitentscheidend für die Einschulung an die SESB, wie R UMLICH (2014) für CLIL-Programme zeigen konnte. Allerdings konnten wir zahlreiche mögliche Selektionsprozesse einbeziehen, indem mehrere wichtige Hintergrundvariablen als Kontrollen einbezogen wurden wie etwa die Leistungen oder der familiäre Hintergrund. Bedauerlich ist schließlich, dass wir die Selbstkonzepte in den neun Partnersprachen der SESB nicht in die Analysen einbeziehen konnten, da wir sie an den Vergleichsschulen nicht erheben konnten. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die duale Immersion an der SESB nicht nur in Bezug auf die Leistungen ihre Ziele erreicht, sondern die Schülerinnen und Schüler auch für das Lernen in den Fächern Englisch und Deutsch mit einem mindestens vergleichbar hohen Selbstkonzept ausstattet. Dabei kann eher von einem basking in reflected glory-Prozess als vom big fish little pond-Effekt gesprochen werden. Meist wird das Referenzniveau der deutschsprachig aufgewachsenen Schülerinnen und Schüler an den Vergleichsschulen auch beim Selbstkonzept erreicht. Bedacht werden sollte, dass sich ähnlich wie bei den Leistungen kein automatischer motivationaler Förderprozess für die monolingual nicht-deutschsprachig Aufgewachsenen in dualen Immersionsprogrammen einstellt. Ähnlich wie bei den sprachlichen Leistungen profitieren auch beim Selbstkonzept die Schülerinnen und Schüler, die mit Deutsch als L1 aufwuchsen, in besonderem Maße. Diese Befunde sprechen dafür, dass die Entwicklung eines hohen Selbstkonzepts auch mit einer positiven Leistungsentwicklung einhergeht. Lehrkräfte sollten aller- Sprachliches Selbstkonzept dual-immersiv unterrichteter Schülerinnen und Schüler 65 50 (2021) • Heft 1 DOI 10.2357/ FLuL-2021-0004 dings darauf achten, neben der Leistung auch das sprachliche Selbstkonzept bei ihren Schülerinnen und Schülern differenziell zu fördern. Dies gilt nicht nur aber auch im Rahmen von Immersionsprogrammen. Das sprachliche Selbstkonzept von Schülerinnen und Schülern kann darunter leiden, dass die Mehrheitssprache Deutsch als L2 erworben wurde - sofern in derselben Klasse auch Schülerinnen und Schüler mit Deutsch als L1 lernen. 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