Fremdsprachen Lehren und Lernen
flul
0932-6936
2941-0797
Narr Verlag Tübingen
10.2357/FLuL-2021-0011
Es handelt sich um einen Open-Access-Artikel, der unter den Bedingungen der Lizenz CC by 4.0 veröffentlicht wurde.http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/31
2021
501
Gnutzmann Küster SchrammMarie-Françoise NARCY-COMBES, Jean-Paul NARCY-COMBES, Julie MCALLISTER, Malory LECLÈRE, Grégory MIRAS: Language Learning and Teaching in a Multilingual World. Bristol und Blue Ridge Summit: Multilingual Matters 2019, 259 Seiten [€ 269,90]
31
2021
Judith Purkarthofer
flul5010132
132 Buchbesprechungen • Rezensionsartikel DOI 10.2357/ FLuL-2021-0011 50 (2021) • Heft 1 bzw. geteilte nicht-sprachliche Erfahrung „ohne Sprache Grenzen“ überwunden zu haben (S. 229). Demgegenüber fasst der Untertitel wesentlich klarer und eindeutiger die thematische Bandbreite des vielseitigen Sammelbandes zusammen. Berlin D IANA M AAK Marie-Françoise N ARCY -C OMBES , Jean-Paul N ARCY -C OMBES , Julie M C A LLISTER , Malory L ECLÈRE , Grégory M IRAS : Language Learning and Teaching in a Multilingual World. Bristol und Blue Ridge Summit: Multilingual Matters 2019, 259 Seiten [€ 269,90] Kaleidoskope lassen uns Spiegelungen jenes Lichts sehen, das durch eine matte Scheibe fällt. In diesem Dämmerzustand bringen sie Kristalle zum Leuchten, die uns verwirrende, aber auch faszinierende Einblicke erlauben. Die Autor*innen von „Language Learning and Teaching in a Multilingual World“ möchten Projekte und Ansätze zu mehrsprachiger Bildung präsentieren, kommentieren und daraus Ideen entwickeln, die Forschende und Lehrende zur Planung, aber auch Evaluation ihrer Kurse und Projekte verwenden können. Das von den Autor*innen gewählte Bild des Kaleidoskops ist in seiner Analogie riskant, aber bei näherer Betrachtung ein sehr stimmiges. In dieser Rezension möchte ich zuerst auf die einzelnen Teile des Bandes eingehen und abschließend zur Analogie des Kaleidoskops zurückkehren. Stein auf Stein Nach einführenden Kurzkapiteln beginnen die Autor*innen eine Darstellung der sieben als relevant erachteten Felder und ihrer Referenztheorien im Teil 1 des Buches. Ausgehend von Neurophysiologie und Kognition stellen sie grundlegende Fragen des Spracherwerbs bzw. des Sprachenlernens dar, verbinden diese aber auch mit sozialer Eingebettetheit und dem Hinweis auf die Tatsache, dass Sprache oder Ausdruck und sprachliches Wissen oder Inhalt nicht voneinander getrennt werden können. In Bezug auf Bildungseinrichtungen wird hervorgehoben, dass unterschiedliche Voraussetzungen, die Alter, exposure oder auch Gehirnphysiologie betreffen, den Vergleich zwischen Erstspracherwerb und allem weiteren Sprachenlernen verunmöglichen. Für die Autor*innen, die alle im Bereich der Sprachdidaktik arbeiten, stehen die Referenztheorien im Dienste einer praktischen Sache: der Vermittlung von Sprachen in unterschiedlichen Kontexten. Die häufige Form des Fremdsprachenunterrichts in einsprachigen Klassen wird dabei durchaus kritisch gesehen bzw. bietet, so die Autor*innen, wohl nicht ideale Bedingungen zum Erlernen einer (anderen) Sprache. Sprache und Kognition werden dann auch unter dem Gesichtspunkt Mehrsprachigkeit thematisiert, wobei die sprachliche Unterscheidung zwischen individuellem Plurilingualismus und gesellschaftlichem Multilingualismus hier bereits auf eine geographische Verortung im europäischen, und speziell frankophonen, Raum schließen lässt. Die Darstellung von Mehrsprachigkeitstheorien deutet aktuelle Entwicklungen an, die jedoch nicht vertieft werden. Wie auch in den anderen Bereichen zeigt sich hier das Ziel, einen kurzen Überblick zu geben, der Relevantes aus englisch- und französischsprachigen Forschungstraditionen aufnimmt. Für vertiefende Auseinandersetzungen kann das durchaus umfangreiche Literaturverzeichnis herangezogen werden. In den weiteren Kapiteln des ersten Teils folgen die Autor*innen Zweitspracherwerbsforschung (SLA), diskutieren Kultur und Identitätstheorien und schließlich Informations- und Kommunikationstechnologien (ICTs) in ihrem Nutzen für das Sprachenlernen. Im letzten Abschnitt wird die Bedeutung von Kontext thematisiert, wobei als unmittelbare Umgebung der Klassenraum angenommen wird (Mikroebene). Auf der Mesoebene ist dieser in administrative Zusammenhänge oder soziale Netz- Buchbesprechungen • Rezensionsartikel 133 50 (2021) • Heft 1 DOI 10.2357/ FLuL-2021-0011 werke eingebettet und kann auch mithilfe von großflächigeren Erhebungen, etwa über Onlinesurveys, in Beziehung zur Makroebene gesetzt werden. Im zweiten Teil werden 37 Projekte (case studies) kurz vorgestellt, die sich mit mehrsprachiger Bildung von der Grundschule bis zur Universität beschäftigen. Nach einer Beschreibung geben die Autor*innen einen auch typografisch abgesetzten Kommentar zu einzelnen Fallstudien oder kleinen Gruppen, in dem sie auf Spezifika eingehen bzw. die Projekte weiter einordnen. Damit greifen sie auf ihre Forschungsergebnisse der letzten Jahre zurück, die sich mit unterschiedlichen Schwerpunkten stets mit Fragen von mehrsprachiger Bildung und ICTs beschäftigten. Beim Lesen der sehr unterschiedlichen Projekte kommt das Bild des Kaleidoskops unwillkürlich wieder in den Sinn: Durch die Darstellung in kurzen Beschreibungen werden die unterschiedlichen Ziele, Methoden und Effekte mehrsprachiger Bildung deutlich. Sie unterstreichen, wie groß das Feld ist, das wir wohl alle bisweilen viel zu homogen imaginieren. Einige Beiträge machen Lust, sich in die Projekte zu vertiefen (wofür die Referenzen sehr nützlich sind), und insgesamt haben es die Autor*innen geschafft, eine beeindruckende Breite zu erreichen. Im dritten Teil steht schließlich die Anwendung der Kriterien im Mittelpunkt und mittels tabellarischer Darstellungen können Praktiker*innen und Forschende ihre eigenen Projekte einordnen bzw. in der Planung mit anderen vergleichen. Der Detailgrad der Darstellung ist zwar teilweise schwer leserlich, bietet aber wirklich sehr praxisnahe Kategorien. Für die konkrete Umsetzung lassen sich die einzelnen Fragen dann wohl tatsächlich einfach beantworten. Der modellhafte Charakter fordert die Lesenden heraus, weil selbst die Verbindungen zu praktischen Beispielen (wieder) hergestellt werden müssen und kaum erzählende oder illustrative Elemente vorhanden sind. Der große Mehrwert des Buches liegt mehr in der Systematisierung als in der Werbung für mehrsprachige Bildungsmodelle. Durch das Kaleidoskop Der Band mit dem generischen Titel „Language Learning and Teaching in a Multilingual World“ hat es sich zur Aufgabe gemacht, Projekte und Ansätze zu mehrsprachiger Bildung zu präsentieren, sie zu kommentieren und daraus ein Modell für language learning environments (Sprachlernumgebungen) zu entwickeln, das Forschende und Lehrende zur Planung, aber auch Evaluation ihrer Kurse und Projekte verwenden können. Dieses praktische, sehr ambitionierte Ziel wird leider erst im Verlauf des Buches so richtig klar und dies ist im Wesentlichen schon das größte Versäumnis, das es zu beanstanden gibt. Das Bild des Kaleidoskops fügt sich allerdings auch hier nahtlos ein, wenn eben gerade die Systematik sich erst nach zahllosen Umdrehungen aus der schwer durchschaubar scheinenden, bunten Sammlung ergibt. Das Bild ist also gut gewählt, und wenn auch nicht auf den ersten Blick erschließbar, handelt es sich doch um ein sehr brauchbares Buch (mit einem dafür auch stolzen Preis). Die Präsentation des Buches ist an manchen Stellen schwerfällig, was teilweise auch ‚interkulturellen‘ Unterschieden in den Forschungstraditionen geschuldet sein könnte, aber stets gewissenhaft. Der Anspruch der Autor*innen, einen globalen Überblick zu geben, muss wirklich positiv hervorgehoben werden. Die Referenzen teilen sich etwa gleichmäßig zwischen französisch- und englischsprachigen Publikationen und es werden nicht ausschließlich Autor*innen aus Nordamerika und Europa zitiert. In den Formulierungen sehen sich die Leser*innen allerdings manchmal mit Hinweisen auf einzelne Länder „und Asien und Afrika“ konfrontiert, was in der Wahrnehmung doch für einen gewissen eurozentrischen Bias spricht. Für die geneigte Leserin öffnet allerdings schon die umfangreiche Präsenz französischsprachiger Referenzen eine Quelle neuer Lektüre, vor allem auch im Hinblick auf mehrsprachige Bildung in Frankreich und in den Ländern Westafrikas. Auch in der Projektauswahl wurde auf eine gewisse Ausgewogenheit geachtet, was teilweise Projekte herausstellt, deren innovativer Gehalt diskutabel ist - aller- 134 Buchbesprechungen • Rezensionsartikel DOI 10.2357/ FLuL-2021-0012 50 (2021) • Heft 1 dings ist dies im Sinne der Repräsentativität positiv zu bewerten, da damit eben auch weniger bekannte Projekte zur Sprache kommen. Die Sammelleistung der Autor*innen, die teilweise in den Kommentaren zur schlechten Vergleichbarkeit bzw. schwierigen Datenlage höflich durchklingt, verdient Anerkennung - wünschenswert wären allerdings noch etwas klarere Kriterien, warum es bestimmte Projekte in die Auswahl geschafft haben. Neben der umfassenden Darstellung der Projekte und der großen Zahl an Referenztheorien leidet teilweise die Tiefe bzw. erscheinen manche Zusammenhänge stark verkürzt. Zitate werden dann, bei Unkenntnis der Originaltexte, leicht missverständlich oder unterstreichen den Punkt der Autor*innen nicht angemessen. Angesichts der unterschiedlichen Schwerpunkte wird jede*r Leser*in hier eigenes Vorwissen ergänzen oder eben auch eingehender lesen. Für interessierte Forschende und Praktiker*innen in der Planung neuer Bildungsumgebungen bietet der Band jedenfalls genug weiterführenden Lesestoff, und das sogar in mehreren Sprachen. Essen J UDITH P URKARTHOFER David G ERLACH : Zur Professionalisierung der Professionalisierenden. Was machen Lehrerbildner*innen im sprachdidaktischen Vorbereitungsdienst? Tübingen: Narr 2020, 427 Seiten [78,00 € Paperback - 62,40 € E-Book] Auch wenn sich in den letzten 20 Jahren - parallel zur internationalen Entwicklung - ein zunehmendes Interesse der fremdsprachendidaktischen Forschung an der Lehrperson und ihrer Professionalisierung zeigt, fällt ein Defizit in diesem Forschungsfeld auf: Die Praxis universitärer und postuniversitärer Lehrerbildung, die handelnden Lehrpersonen, die von ihnen inszenierten Lehr- und Lernformen in Verbindung mit den fachdidaktischen Inhalten und anvisierten Kompetenzen zukünftiger Lehrkräfte, sind nach wie vor so gut wie nicht erforscht. Besonders der sogenannte Vorbereitungsdienst, eine Schlüsselphase der Lehrerbildung in Deutschland, in die alle Bundesländer seit Jahrzehnten erhebliche Mittel investieren, wurde von der bildungswissenschaftlichen und der fremdsprachendidaktischen Forschung weitgehend ignoriert. Diesem weißen Fleck wendet sich G ERLACH s Studie zu, indem sie die Personen in den Blick nimmt, die als Fachleiter*innen bzw. Ausbilder*innen die Professionalisierung der Lehrer*innen im Vorbereitungsdienst (LiV) verantworten. Das allgemeine Erkenntnisinteresse der Studie wird wie folgt formuliert „Was machen Lehrerbildnerinnen und Lehrerbildner im Vorbereitungsdienst angehender Fremdsprachenlehrkräfte? “ (S. 16) und im Laufe der Argumentation durch vier Forschungsfragen geschärft: „(1) Wie werden Lehrkräfte zu Lehrerbildner*innen? (2) Wie nehmen Lehrerbildner*innen im Vorbereitungsdienst angehender Fremdsprachenlehrkräfte ihre Position und Tätigkeit wahr? (3) Wie strukturieren“ sie „ihre Handlungspraxis? (4) Inwiefern zeigen sich in der Ausbildungspraxis der Lehrerbilder*innen Wissensstrukturen und Konzepte im Sinne einer Ausbildungsdidaktik? “ (S. 158) Theoretisch fundiert G ERLACH seine Studie, indem er unterschiedliche Bestimmungsansätze zur Professionalität und zur Professionalisierung schulischer Lehrkräfte zusammenführt. Im Kapitel 2 fokussiert er zunächst die schulpädagogische Lehrerprofessionsforschung, indem er die drei aktuell dominierenden Ansätze und die sie stützende Forschung erörtert, nämlich den strukturtheoretischen, den kompetenztheoretischen und den berufsbiographischen Bestimmungsansatz. Als besonders produktiv für die Studie, d.h. für den Versuch, die Handlungspraxis von Lehrerbildner*innen im Vorbereitungsdienst angehender Fremdsprachenlehrkräfte, ihre Orientierungen und ausbildungsdidaktischen Überzeugungen beschreibbar zu