eJournals Fremdsprachen Lehren und Lernen 50/2

Fremdsprachen Lehren und Lernen
flul
0932-6936
2941-0797
Narr Verlag Tübingen
10.2357/FLuL-2021-0021
Es handelt sich um einen Open-Access-Artikel, der unter den Bedingungen der Lizenz CC by 4.0 veröffentlicht wurde.http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/91
2021
502 Gnutzmann Küster Schramm

Bedarfsanalysen im Unternehmenskontext - Verfahren und Schwierigkeiten

91
2021
Hong Cai
flul5020101
50 (2021) • Heft 2 DOI 10.2357/ FLuL-2021-0021 H ONG C AI * Bedarfsanalysen im Unternehmenskontext - Verfahren und Schwierigkeiten Abstract. Needs analysis is widely used for vocationally oriented foreign language teaching. The article focuses on methodological issues in needs analysis in companies from a practical perspective. Following a brief review of the development of needs analysis from a cross-national and cross-language perspective, the article introduces the latest research on concepts, procedures and methods in performing needs analysis. Furthermore, it discusses the difficulties concerning needs analysis based on the author’s own experience and the viewpoints of other researchers in doing the research under specific contextual constraints. The aim of this article is to shed light on requirements for researchers or teachers and get them prepared for foreign language needs analysis in the job-related context. 1. Überblick über Bedarfsanalysen für Fremdsprachenunterricht Die Bedarfsanalyse, „the systematic collection and analysis of all information necessary for defining and validating a defensible curriculum“ 1 (B ROWN 2016: 4), ist als Forschungsverfahren zur Curricula-Planung im Fremdsprachenunterricht stark anwendungsbezogen, aber die Handhabung von Bedarfsanalysen in der Praxis wird noch nicht gründlich erforscht. Der vorliegende Beitrag beschäftigt sich vor allem mit der Frage, welche Schwierigkeiten Forschenden bei der Durchführung von Bedarfsanalysen im Unternehmenskontext vorstehen können. Insofern wird im Folgenden zuerst die Entwicklung der Bedarfsanalysen im fremdsprachen-didaktischen Bereich chronologisch dargestellt. Anschließend werden im zweiten Teil methodologische Diskussionen in Bezug auf Arbeitsverfahren der Bedarfsanalysen kurzgefasst. Im Rahmen des Verfahrensablaufs (vor-während-nach) geht der dritte Abschnitt auf einige allgemeine Schwierigkeiten bei Bedarfsanalysen in Unternehmen ein. Zum Schluss wird ein Ausblick auf die Entwicklung in diesem Forschungsfeld gegeben. * Korrespondenzadresse: Dr. Hong C AI , German Department, Shanxi University, Wucheng Road 102, T AIYUAN 030006, Shanxi Provinz, China. E-Mail: sophiecaihong@hotmail.com Arbeitsbereiche: DaF, Bedarfsanalyse, berufsbezogener Fremdsprachenunterricht. 1 Aufgrund des Ursprungs und grundlegender Beiträge zum Thema „Bedarfsanalyse“ aus der englischsprachigen Literatur werden im vorliegenden Beitrag viele englische Begriffe und Zitate verwendet. Für eine bessere Nachvollziehbarkeit und Lesbarkeit werden Schlagwörter und wichtige Zitate im Original auf Englisch (z.T. auch neben deutschen Übersetzungen) angeführt. 102 Hong Cai DOI 10.2357/ FLuL-2021-0021 50 (2021) • Heft 2 Der Einsatz von Fremdsprachenbedarfsanalysen zum Unterrichtszweck stammt aus der ESP/ LSP-Forschung (English/ Language for Specific Purposes). In der englischsprachigen Forschung fokussierten die ersten Beiträge zum Thema Bedarfsanalysen in den 1970er Jahren auf ESP-Unterricht 2 (vgl. W EST 1994: 1). Später werden Bedarfsanalysen zwar auch für allgemeinen Sprachenunterricht eingesetzt, allerdings wesentlich weniger erforscht als für berufsbezogene Kurse (vgl. O NDER O ZDEMIR 2018: 1). Die Diskussionen über Bedarfsanalysen im deutschsprachigen Raum und in China bauen beide auf den Forschungsgrundlagen im ESP-Kontext auf. In Deutschland kamen die ersten Untersuchungen 3 zur Vermittlung des Fremdsprachenbedarfs ungefähr in den 1960er Jahren in ERFA 4 -Unternehmen zustande (vgl. V OGT 2011: 160). Später finden Bedarfsanalysen ihre Anwendung vor allem in der Berufs- und Weiterbildung und in den letzten Jahren zunehmend im berufsorientierten DaZ- Unterricht (vgl. C AI 2017: 42). In China werden Bedarfsanalysen zum Zweck des Fremdsprachenunterrichts erst gegen Ende der 1990er Jahren eingeführt (vgl. C AI 2019: 161). Die Forschungsbeiträge konzentrieren sich hauptsächlich auf den berufsvorbereitenden Fremdsprachenunterricht (für pre-service-Lernende) an Hochschulen. Somit zeigen sie, ähnlich wie die Beiträge in der englischsprachigen und deutschsprachigen Forschung, eine starke Berufsorientierung. Die Entwicklungsgeschichte von Bedarfsanalysen ist als eine ständige Interaktion zwischen Praxis und Theorie zu betrachten. Die Aufbereitung der Bedarfsanalysen in verschiedenen Regionen ist auf den Ursprung und die Veränderungen des Fremdsprachenbedarfs in der Wirtschaft zurückzuführen: in den 1960-70er Jahren in den USA und in Europa aufgrund des wirtschaftlichen Aufbaus nach dem Zweiten Weltkrieg sowie der Regionalisierung wie z.B. der Gründung der EWG 5 und in China durch die sich vertiefende Öffnung des Marktes vor dem Hintergrund des WTO-Eintritts Chinas am Ende der 1990er Jahre. Gleichzeitig spiegeln Bedarfsanalysen Forschungsinteressen und Forschungsstand im Bereich Angewandter Linguistik und Fremdsprachendidaktik wider. Schließlich bildet die aktuelle Forschung stets den Rahmen für die Möglichkeiten dessen, was genau, auf welche Art und Weise und mit welcher Zielsetzung analysiert werden kann und wird. In diesem Sinne ist eine Weiterentwicklung der Bedarfsanalysen an bestehenden Studien zu beobachten, die erstens durch einen Wechsel von Forschungsparadigmen (vgl. C AI 2017: 54) und zweitens durch einen methodischen Wandel gekennzeichnet ist. In den 1980er Jahren etwa wird der Forschungsgegenstand der Bedarfsanalysen 2 In der ersten Hälfte der 1970er Jahren konzentrierten sich die Beiträge auf EOP (English for Occupational Purposes) und in der zweiten Hälfte auf EAP (English for Academic Purposes). 3 W EBER / B ECKER / L AUE (2000: 9) deuten an, dass Bedarfsanalysen im Bildungsbereich bereits mit der Rezeption des Situationsqualifikationsansatzes (R OBINSOHN 1969) am Ende der 1960er Jahre häufig durchgeführt wurden. 4 Der ERFA-Ring ist ein Unternehmensverbund und steht für „Erfahrungsaustauschring Fremdsprachenlabor Wirtschaft“ (vgl. V OGT 2011: 160). Heute heißt das Netzwerk „Erfahrungsaustausch-Wirtschaft-Sprache“. 5 Europäische Wirtschaftsgemeinschaft. Bedarfsanalysen im Unternehmenskontext - Verfahren und Schwierigkeiten 103 50 (2021) • Heft 2 DOI 10.2357/ FLuL-2021-0021 allmählich von einer linguistischen Orientierung hin zu Aspekten der Kommunikation, Aufgaben und Kompetenzen erweitert, in Analogie zum Aufschwung der kommunikativen, aufgabenorientierten sowie interkulturellen Ansätze im Fremdsprachenunterricht (vgl. H UHTA et al. 2013: 14; L ONG 2005b: 2-4). Mit dem steigenden Interesse an empirischer Forschung im linguistischen und fremdsprachlichen Wissenschaftsdiskurs werden seit der Mitte der 1990er Jahre zunehmend komplexe (qualitative/ gemischte), aufgabenorientierte (vgl. L ONG 2005a) und triangulierte Methoden (vgl. V OGT 2011: 165f.; S ERAFINI / L AKE / L ONG 2015) für Bedarfsanalysen eingesetzt. Laut einer Untersuchung zu Bedarfsanalysen für ESP-Kurse zwischen 1984 und 2014 kommen S ERAFINI / L AKE / L ONG (2015: 16) zu dem Ergebnis, dass die neueren Bedarfsanalysen (2000-2014) gegenüber den ersten Bedarfsanalysen (1984-1999) ein wachsendes methodologisches Bewusstsein sowie eine verbesserte methodische Kompetenz der Forschenden belegen. In der folgenden Tabelle wird die Entwicklung der Bedarfsanalysen mit wichtigen Zeitangaben zusammenfassend dargestellt. Zeit 1960 1970 1980 1990 2000 seit 2010 Untersuchungen erste NAs 6 in Dtld. erste NAs in ESP Einsatz in general language teaching Ende der 1990er Jahre: Einführung in China Anwendung der theoretischen Erkenntnisse; wissenschaftlich konzipiert und durchgeführt Beispielsstudien in ERFA- Unternehmen ELTDU (1970) A LLWRI - GHT (1982) N ORDPROJEKT - GRUPPE (1998) W EBER / B ECKER / L AUE (2000): PROLANG, L ONG (2005a), C OWLING (2007), G RÜNHAGE -M ONETTI (2010), H UHTA et al. (2013) Theorie keine Definitionsdiskussion zunehmender Fokus auf Verfahren und Qualität Verfahren und Methoden undurchsichtige, methodisch nicht solide Forschungsdesigns Beginn des methodidischen Wandels: Erweiterung des Forschungsgegenstandes komplexe, aufgabenorientierte, triangulierte Methoden wichtige Werke über Arbeitsverfahren kaum R ICHTERICH / C HANCEREL (1977/ 1980); M UNBY (1978); H UTCHISON / W ATERS (1987) B ENESCH (1996, 1999): kritischer Ansatz; D UDLEY - E VANS / S T J OHN (1998): multiperspektivische Definition G RÜNHAGE - M ONETTI et al. (2000); L ONG (2005a): aufgabeorientierter Ansatz; B ROWN (2006, 2009) V OGT (2011); W EISSENBERG (2012); H UHTA et al. (2013); L ONG (2015); B ROWN (2016); C AI (2017) Tab. 1: Entwicklung der Bedarfsanalysen 6 NA steht für needs analysis. 104 Hong Cai DOI 10.2357/ FLuL-2021-0021 50 (2021) • Heft 2 2. Methodologische Entwicklung der Bedarfsanalysen Wie oben skizziert war die Durchführung der ersten Bedarfsanalysen selten wissenschaftlich begleitet. Die unzureichende theoretische Auseinandersetzung mit dem Thema Bedarfsanalyse ist den Forscher*innen bereits in den 80er Jahren aufgefallen, wie z.B. Y ALDEN (1987, zit. nach W EST 1994: 2). Etwas später weist S EEDHOUSE (1995: 60) auf die Schwierigkeiten der Lehrkräfte hin, welche praktische Anweisungen benötigten, um Bedarfsanalysen für ihre Kursplanung zu praktizieren. Insofern plädiert L ONG (2005a: 2; 2005b: 20) angesichts des Forschungsstands im ESP- Bereich dafür, dass generalisierbare methodologische Diskussionen im Vergleich zu Projektberichten dringend gefördert werden sollten, um qualitative Ansprüche an Bedarfsanalysen aus der komplexen Praxis der Wirtschaft und des Fremdsprachenunterrichts zu befriedigen. Dieser Forschungsmangel beschränkt sich nicht allein auf den ESP-Bereich. Im deutschsprachigen Raum wird wegen der fehlenden Verbindung zwischen den meisten quantitativ-produktbezogenen Untersuchungen und der Curriculum-Planung dazu aufgerufen, das Forschungsinteresse bei Bedarfsanalysen auf die Erstellung von handhabbaren, generalisierbaren oder übertragbaren Verfahren umzustellen (vgl. W EBER / B ECKER / L AUE 2000: 9f.). Auch in China wird bemängelt, dass durch den Fokus auf die Praxis von Bedarfsanalysen die theoretische Diskussion zu kurz komme, was die konzeptionelle Entwicklung von Bedarfsanalysen behindere (vgl. N I / L IU 2006: 21). Vor diesem Hintergrund widmen sich folgende Arbeiten der systematischen Theoriebildung der Bedarfsanalysen (in chronologischer Reihenfolge): B ENESCH (1996, 1999), D UDLEY -E VANS / S T J OHN (1998), L ONG (2005a), B ROWN (2006, 2009, 2016), H UHTA et al. (2013), V ANDERMEEREN (1998), G RÜNHAGE -M ONETTI et al. (2000), V OGT (2011), W EISSENBERG (2012) und C AI (2017). Hinsichtlich des Verfahrens werden Grundkonzepte zur „Analyse“ des „Bedarfs“, also das Definieren und das Beschreiben des Bedarfs, jeweils in B ROWN (2016) und C AI (2017) zusammengefasst. Die wesentlichen Ansätze aus den beiden Arbeiten lassen sich in die folgenden drei Kategorien gliedern: Bedarfsanalysen im Unternehmenskontext - Verfahren und Schwierigkeiten 105 50 (2021) • Heft 2 DOI 10.2357/ FLuL-2021-0021 Tab. 2: Ansätze der Bedarfsanalysen 7 Übersetzt und überarbeitet von der Verfasserin. 8 Kritische Bedarfsanalysen werden später auch als „rights analysis“ bezeichnet (B ENESCH 1999). Bedarfsanalysen, die sich mit einem konkreten Forschungsgegenstand befassen, werden in B ROWN (2016: 19f.) als elf „analysis strategies/ analysis options“ betrachtet. Diese sind „Target-situations use analyses, Target-situation linguistic analyses, Target-situation learning analyses, Present-situation analyses, Gapanalyses, Individual-differences analyses, Rights analyses, Classroom-learning analyses, Classroomteaching analyses, Means analyses, Language audits“. Fokus der Verfahren Ansatz 7 Merkmal Kategorie 1 (vgl. B ROWN 2016: 13-16) aufgrund Definitionen des Bedarfs (1) der demokratische Ansatz: das von den meisten Lernenden/ Stakeholdern Verlangte quantitative Forschungsdesigns (2) der Diskrepanz-Ansatz: der Mangel oder die Lücke zwischen Zielsituationen und aktuellen Situationen auf der Basis von linguistischorientierten Annahmen (3) der analytische Ansatz: das nächste Lernziel im Lernprozess, definiert als Bedarf zukunftsorientiert, aus Sicht des Fremdsprachenerwerbs (4) der diagnostische Ansatz: necessities, das Notwendige Prognose aus einer praktischen oder einer Lehrer-Perspektive Kategorie 2 (vgl. C AI 2017, auf der Basis von B ENESCH 1996) Einstellungen zu Gegebenheiten sowie zur Deckung des Bedarfs aus Sicht der Forschenden (1) der deskriptive Ansatz: umfassende Beschreibungen von kontextuellen Informationen sowie deren Auswirkungen auf den Bedarf  eine eher statistische, passive Annahme  die Anpassung der Sichtweise auf die Gegebenheiten (2) der kritische Ansatz 8 : Anerkennung der subjektiven Einflüsse und der sozialen Hierarchien von Stakeholdern bei Bedarfsanalysen  eine praktische, realistische Vorgehensweise  die aktive und kritische Auseinandersetzung mit Rahmenbedingungen und ungleichgewichtigen Machtverhältnissen Kategorie 3 Zeitpunkt und Rhythmus bei der Durchführung von Bedarfsanalysen der prozessorientierte Ansatz (vgl. C AI 2017, auf der Basis von D UDLEY -E VANS / S T J OHN 1998; W EISSENBERG 2012) eine enge Verbindung zu Curricula 106 Hong Cai DOI 10.2357/ FLuL-2021-0021 50 (2021) • Heft 2 Zu einer praktischen Handhabung werden die oben genannten Ansätze aus vorhandenen Forschungsdesigns der Bedarfsanalysen generalisiert. Die Ansätze in der ersten Kategorie fokussieren auf den Inhalt des Lernens/ des Unterrichts, während sich die Konzepte der zweiten Gruppe durch die unterschiedlichen Rollen der Forschenden hinsichtlich der möglichen Maßnahmen zur Deckung des Bedarfs unterscheiden. Der letzte, der prozessorientierte Ansatz, zeichnet sich hingegen durch den Einbezug des Qualitätsmanagements aus. An dieser Stelle ist zu betonen, dass sich die Konzepte, unabhängig von ihrer Zuordnung oder Reihenfolge, in allen Kategorien nicht gegenseitig ausschließen, sondern miteinander in einer Bedarfsanalyse kombiniert vorkommen können (vgl. B ROWN 2016: 17; C AI 2017: 63). In Hinblick auf den Arbeitsverlauf kann das Verfahren von Bedarfsanalysen grob in zwei Teilprozesse eingeteilt werden: Datenerhebung und Datenauswertung (vgl. W EISSENBERG 2012: 4). Noch detaillierter listet B ROWN (2009: 271) drei Arbeitsphasen und insgesamt zehn Schritte auf. Später wird die Handhabung 9 überarbeitet und in folgende sieben Schritte gegliedert: 1. Vorbereitung (1) Definition des Bedarfs (2) Festlegung von dem Untersuchungsumfang und Untersuchungsschwerpunkten (3) Auswahl und Sequenz der Methoden zur Datenerhebung mit Rücksicht auf Einflussfaktoren 2. Durchführung (4) Datenerhebung: Handhabung der einzelnen Methoden, Strategien sowie Ansprüche an Methodenkompetenzen (5) Datenanalyse und Interpretation: Triangulation und Validation 3. Anwendung der Ergebnisse (6) Anwendung der Ergebnisse im Curriculum: Bedarfsbeschreibung und klassifikation, Strategien zur Integration der Ergebnisse in ein Curriculum (7) Bericht: Gültigkeit, Zusammenfassung und Bedeutung der Untersuchung (vgl. B ROWN 2016) Auf jeden Arbeitsschritt geht B ROWNS Arbeit (2016) ausführlich ein. Damit ist sie bisher die vollständigste methodische Einführung, die den gesamten Ablauf der Bedarfsanalyse von der Vorbereitung über die Konzeption bis zur Durchführung schildert. Darüber hinaus wird die Curricula-Entwicklung aus einer holistischen Perspektive (vgl. H UHTA et al.: 2013) einbezogen. Im Vergleich dazu konzentriert sich L ONG (2005b) auf die Auswahl und Sequenz der Methoden zur Datenerhebung sowie die Interaktion zwischen Methoden und Informationsquellen. Die Studien von V OGT (2011) und H UHTA et al. (2013) präsentieren exemplarische Beispiele von Bedarfsanalysen mit GeR-basierten Instrumenten (E UROPARAT 2001). 9 Die Arbeit von B ROWN (2016) ist im ESP-Kontext angesiedelt. Im vorliegenden Beitrag liegt der Schwerpunkt auf dem Verfahren der Bedarfsanalyse, deswegen werden die Schritte unabhängig von der Zielsprache generalisiert. Bedarfsanalysen im Unternehmenskontext - Verfahren und Schwierigkeiten 107 50 (2021) • Heft 2 DOI 10.2357/ FLuL-2021-0021 3. Einsatz im Unternehmenskontext aus der Perspektive der Forschenden Wenn die unsystematischen theoretischen Grundlagen bzw. die ungleichmäßige Entwicklung von Bedarfsanalysen lange Zeit als Schwierigkeit galten, sollten die im letzten Abschnitt dargestellten Verfahren und Positionen helfen, die Optionen im Handlungsfeld Bedarfsanalysen aufzuzeigen und arbeitstechnische Hinweise zu geben. Dieser Abschnitt fokussiert die Umsetzung der theoretischen Kenntnisse in die Praxis. Dabei geht es hauptsächlich um Schwierigkeiten 10 in der Praxis, die bei der Konzeption bzw. Durchführung von Bedarfsanalysen und bei der Anwendung von den Ergebnissen im Unternehmenskontext auftreten können. Schwierigkeiten im Verfahren der Bedarfsanalyse, wie z.B. zu wenig Probanden, beschränkte Auswahl von Methoden oder bei der Durchführung gescheiterte Interviews, werden bisher in der Forschung zu Bedarfsanalysen wenig explizit thematisiert. In Bedarfsanalysen werden sie oft zur Vorstellung des Forschungsdesigns überblickartig zusammengefasst, denn bei veröffentlichten Studien handelt es sich normalerweise um gelungene Untersuchungen, die Projektbefunde zum Bedarf vorstellen. Gescheiterte Versuche werden kaum diskutiert. In Werken zur empirischen Forschung werden sie meistens unter einzelnen Methoden kontextneutral, d.h. weder im Zusammenhang mit Bedarfsanalysen noch im Unternehmenskontext, erläutert. Einen Transfer von methodischen Kenntnissen auf einen spezifischen Kontext müssen Forschende selbst vornehmen. Aus diesem Grund gibt der nachfolgende Teil zuerst einen Überblick über mögliche Einschränkungen bei Bedarfsanalysen und geht danach speziell auf prototypische Schwierigkeiten bei Bedarfsanalysen in Unternehmen ein. 3.1 Klassifikation potenzieller Einschränkungen bei Bedarfsanalysen In der englischsprachigen Literatur wird der Begriff „Einschränkungen“ (constraints) (vgl. B ROWN 2009; 2016 als Fortsetzung von S INGH 1983; H UTCHINSON / W ATERS 1987; W EST 1994: 4; ) genutzt, um auf mögliche Schwierigkeiten zur Umsetzung von Bedarfsanalysen in spezifische Kontexte zu deuten. Diese Einschränkungen typisiert B ROWN (2016: 38) in drei Gruppen: (1) situative Einschränkungen, darunter Einflüsse von Gesellschaft, Politik, [verfügbaren] Ressourcen und Rahmenbedingungen 11 (society, politics/ policy, resource, curriculum) 10 Der Begriff „Schwierigkeiten“, in der Bedeutung von Problemen oder Hindernissen, wird hier anstatt anderer evtl. positiv konnotierten Synonymen wie „Herausforderungen“ oder „Einschränkungen“ (constraints) (B ROWN 2016) aufgeführt, um die Wichtigkeit möglicher Einflussfaktoren für Forschungserfolge hervorzuheben. 11 Im Folgenden wird der Begriff „Rahmenbedingungen“ als Ersatz für die englische Bezeichnung „curriculum“ weiterverwendet, da die Letztere im vorliegenden Beitrag bezüglich der deutschen Bezeichnung „Curriculum“ im Sinne von Kursplanung verwirrend wirkt. 108 Hong Cai DOI 10.2357/ FLuL-2021-0021 50 (2021) • Heft 2 (2) [Einflüsse von] Stakeholdern, darunter vor allem Lernenden, Lehrkräften und der lokalen Verwaltung mit ihren ethnographischen Eigenschaften, Hintergründen, Kompetenzen und Einstellungen zu Bedarfsanalysen usw. (3) theoretische Einschränkungen, die in dem Fall vorkommen, wenn Stakeholder verschiedene Meinungen von fremdsprachendidaktischen Ansätzen und Lehrplänen vertreten und miteinander nicht übereinstimmen können Diese Klassifikation richtet sich vor allem auf den jeweiligen Ursprung der Einflussfaktoren: Beispielsweise beziehen sich situative Einschränkungen auf externe Gegebenheiten aus dem Umfeld, während es sich bei Stakeholdern um personenabhängige Faktoren handelt. Mit theoretischen Einschränkungen werden indirekte Einflüsse von Fremdsprachentheorien über beteiligte Stakeholder auf Bedarfsanalysen thematisiert. Da Bedarfsanalysen „kontextspezifisch“ (situation-specific) (vgl. P URPURA et al. 2003: 9, zit. nach B ROWN 2009: 273) sind, sind eingesetzte Verfahren und Methoden an lokale Kontexte anzupassen (vgl. S ERAFINI / L AKE / L ONG 2015: 11). Die nachfolgende Diskussion befasst sich hauptsächlich mit situativen Einschränkungen von dem Unternehmenskontext auf Bedarfsanalysen. 3.2 Schwierigkeiten bei Bedarfsanalysen im Unternehmenskontext Der Fremdsprachenbedarf in Unternehmen ist das am meisten erforschte Gebiet im Bereich ESP oder des berufsbezogenen Fremdsprachenunterrichts. In diesem Teil wird versucht, Schwierigkeiten bei Bedarfsanalysen im allgemeinen Unternehmenskontext durch Erkenntnisse der Verfasserin (C AI 2017) 12 exemplarisch vorzustellen. Hinzugezogen werden auch Einträge aus der betreffenden Literatur und Berichte von zwei chinesischen Expertinnen 13 , die im Dezember 2020 bezüglich ihrer Erfahrungen mit empirischen Untersuchungen 14 in Unternehmen telefonisch interviewt wurden. 3.2.1 Zugang zu Unternehmen In der Vorbereitungsphase stellt sich der Zugang zu Unternehmen, nämlich zu Informationen über die Fremdsprachenkommunikation in Unternehmen, als die erste und eine wesentliche Schwierigkeit dar, besonders wenn eine Bedarfsanalyse nicht im 12 In diesem Projekt wurde der Fremdsprachenbedarf von 30 chinesischen Mitarbeiter*innen aus insgesamt 20 Branchen und 17 Abteilungen online erfragt. Darunter arbeiteten 27 Befragte an einem deutschen Unternehmen (Hauptsitz in Deutschland). Geographisch gesehen arbeiteten 63% der Befragten in Deutschland und 37% in China. Zum Triangulationszweck wurden in der Bedarfsanalyse neben der Online-Befragung noch Experteninterviews, Jobanzeigenanalysen und eine Forumsdiskussion durchgeführt. 13 Frau Prof. Jingping W ANG und eine Expertin Y, deren Name bei der Veröffentlichung anonymisiert wurde. 14 In der Arbeit von W ANG (2007) haben zwei Studierende unter ihrer Betreuung den mehrsprachigen Sprachengebrauch in Unternehmen aus deutschsprachigen Ländern hinsichtlich der Berufsperspektive Germanistikabsolventen in China untersucht. Die Untersuchungen der Expertin Y fokussieren auf den interkulturellen Aspekt des Fremdsprachenbedarfs in Unternehmen. Bedarfsanalysen im Unternehmenskontext - Verfahren und Schwierigkeiten 109 50 (2021) • Heft 2 DOI 10.2357/ FLuL-2021-0021 Auftrag von Unternehmen durchgeführt wird. In fast allen Ansätzen von Bedarfsanalysen (s. Tab. 2, S. 105) sind spezifische kontextuelle Informationen unerlässlich, wie z.B. Informationen über Ziel- und aktuellen Situationen (Target- und Present-situation analyses) im Diskrepanz-Ansatz und im deskriptiven Ansatz sowie Informationen über Machtverhältnisse der Stakeholder (rights analysis) im kritischen Ansatz. Die Verfügbarkeit der Informationsquellen beeinflusst stark das Forschungsdesign, indem sie bestimmt, wieviel, welche und wie detailliert Daten erhoben werden. Bei L ONG (2005b: 25) werden fünf Informationsquellen zusammengefasst: Literatur, Lernende, Lehrkräfte/ Angewandte Sprachwissenschaftler (als Forschende), Fachexpert*innen und triangulierte Informationsquellen. Für Bedarfsanalysen im Unternehmenskontext sind Mitarbeiter*innen normalerweise Lernende und gleichzeitig Insider*innen/ Fachexpert*innen hinsichtlich der Arbeitsstruktur, arbeitsplatzbezogener Aufgaben usw. Sie sind wesentliche und primäre Quellen für authentische Informationen. Aus diesem Grund spielen die Beteiligung und die Unterstützung von Unternehmen für eine gelungene Bedarfsanalyse eine große Rolle. In B ROWNS (2016) Klassifikation gehört der Zugang zu Informationsquellen zu Ressourceneinschränkungen (resource constraints), die zu situativen Einschränkungen zählen. Bei der Anwerbung von Informanten ist eine gute Verbindung mit Unternehmen von Vorteil, was eine soziale Ressource darstellt. Durch Vertrauen oder auch Vermittlung von vertrauten persönlichen Kontakten kann „eine Menge Überzeugungsarbeit“ (a lot of persuasive work) (V ANDERMEEREN 2003: 16) vermieden werden. Im Vergleich dazu erzielt das anonyme Anschreiben ohne konkreten Adressaten oft nur Zufallserfolge: In der Studie von C AI (2017) betrug die Rücklaufquote der Online-Umfrage ca. 6% bei über 100 Anschreiben; W ANG (2007) bestätigt ebenfalls aus ihrer Erfahrung, durch die E-Mailanfrage an Firmen im AHK-Register in Peking am Anfang nur wenige Feedbacks erhalten zu haben; eine größere Untersuchung vom Institut für Bildungsforschung der Wirtschaft in Österreich erzielte eine Rücklaufquote von fast 10% bei insgesamt 26.817 Anfragen (vgl. A RCHAN / D ORNMAYR 2006). In einer solch großen Studie können also trotz niedriger Antwortrate auch repräsentative Stichproben gewonnen werden. Bei einer kleinen Stichprobe ist hingegen die Triangulation für valide Ergebnisse erforderlich wie z.B. durch den Einsatz von mixed methods (s. Abschnitt 3.2.2). Bestimmte Werbetechniken wie eine persönliche Kontaktaufnahme bzw. ein Gespräch können dabei helfen, die Rücklaufquote zu erhöhen. In der Studie von C AI (2017) wurde das Vorgehen später auf die Kontaktvermittlung durch Bekannte umgestellt. W ANG (2007) erklärte zum Ergebnis der Datenerhebung (103 Antworten von 600 Fragebögen), dass die Studierenden später die meisten Unternehmen durch persönliche Gespräche auf Messen befragt hätten. Expertin Y plädiert aufgrund ihrer reichen Erfahrung im Interviewen von Angehörigen in mehr als 80 Unternehmen für ein persönliches (face-to-face) Treffen, bei dem eine vertrauensvolle Beziehung leichter als per Telefongespräch aufgebaut werden könne. Der Unterschied sei besonders beim Umgang mit vorher unbekannten Gesprächspartnern*innen zu spüren. Neben der Form der Kontaktaufnahme ist auch der Inhalt des Anschreibens von 110 Hong Cai DOI 10.2357/ FLuL-2021-0021 50 (2021) • Heft 2 großer Bedeutung, um fremde Unternehmen zur Teilnahme an einer wissenschaftlichen Studie zu bewegen. 15 Auf Vorschlag von H EIDENREICH (2017, zit. nach C AI 2017: Anhang 408) sollten Forschende im Interesse der Unternehmen den Sinn der Studie für die Unternehmen und für die Wirtschaft gut begründen. Die Reaktion der Unternehmen bleibt dann realistisch abzuwarten: Während einige Unternehmen, besonders die großen, keine Kapazität für ständige Anfragen haben könnten, so H EIDENREICH (vgl. ebd.: 409), freuten sich manche Unternehmen laut Expertin Y darüber, wenn sich Forschungsfragen aus ihrem betrieblichen Alltag ergäben und unterstützten die Forschung gerne. Expertin Y gibt zu, dass jungen Akademiker*innen im Vergleich zu ihren älteren Kolleg*innen tendenziell weniger soziale Ressourcen zur Verfügung stünden. Jedoch sollte diese Herausforderung nicht abschrecken, denn Kompetenz, Ressourcen oder Forschungserfahrung erwirbt man durch eine bewusste, konsequente und langfristige Beschäftigung mit dem Thema. Diese Erkenntnis lässt sich aus der positiven Erfahrung der Expertin Y beim Umgang mit Unternehmen herauskristallisieren. 3.2.2 Einsatzmöglichkeit von Mixed-methods-Designs Die Unterstützung von Unternehmen wirkt sich nicht nur auf die Kontaktaufnahme am Anfang einer Bedarfsanalyse, sondern auch auf deren Durchführung und die Curricula-Planung aus. Gute Kontakte zu Unternehmen führen nicht unmittelbar zu zuverlässigen und validen Daten. Der Einsatz von mixed methods (vgl. D UDLEY - E VANS / S T J OHN 1998: 133-137; H UHTA 2002: 21, zit. nach G RÜNHAGE -M ONETTI 2010: 15) und Triangulationen von Methoden und Informationsquellen (vgl. L ONG 2005b: 32; S ERAFINI / L AKE / L ONG 2015: 12) werden zur Validierung der Daten befürwortet und haben sich als nützlich erwiesen. Wie viele und welche Methoden zum Einsatz kommen können und dürfen, darf nicht theoretisch allein auf methodischen Überlegungen basieren und hängt zusätzlich stark von der Unterstützung von dem jeweiligen Unternehmen ab. Auf der Basis des Methodenkomplexes aus der Fachliteratur wird ein Überblick von 21 Methoden bei C AI (2017: 86-88) gegeben. Diese Methoden sollten nach genauer Erwägung ihrer Methodenspezifik ausgewählt und in bestimmter Reihenfolge eingesetzt werden (s. Abschnitt 2, Schritt 3). Im Allgemeinen gilt das Prinzip 16 „offene vor geschlossenen Methoden“ (open before closed) (S ERAFINI / L AKE / L ONG 2015: 13), z.B. stehen (unstrukturierte) Interviews zwecks eines Überblicks zum Thema oder der Formulierung von Hypothesen vor Umfragen oder vor Tests zum Belegen oder Widerlegen der Hypothesen. Auch wenn keine sorgfältige Sequenz möglich ist, hilft eine umfassende Datenerhebung, die Datenqualität zu verbessern. Beispielsweise wurde in der Umfrage bei C AI (2017: 190) nach Kommunikationspart- 15 Vgl. auch K AUFMANN / G RÜNHAGE -M ONETTI (2003: 45f.). 16 L ONG (2005b: 33f.) erläutert das Prinzip ausführlich mit einem Beispielsablauf (graphische Darstellung vgl. C AI 2017: 93). Bedarfsanalysen im Unternehmenskontext - Verfahren und Schwierigkeiten 111 50 (2021) • Heft 2 DOI 10.2357/ FLuL-2021-0021 nern*innen in verschiedenen Sprachen gefragt. Eine Befragte gab an, mit mehreren Gesprächspartnern*innen in Englisch, aber nur mit einem Gesprächspartner auf Deutsch zu kommunizieren. Eine realistische Interpretation der Daten ist mithilfe von umfangreichen Informationen über die Kommunikationssituation möglich: Diese Befragte arbeitet als Assistentin eines deutschen Managers in einem deutschen Unternehmen in China. Der eine Kommunikationspartner in deutscher Sprache war ihr Chef und sie übernahm die Rolle seines „Mundes und Ohres“ am Arbeitsplatz. Die Schwierigkeit bei der Datenerhebung liegt trotz der Wichtigkeit von dem Mixed-methods-Design darin, dass im Unternehmenskontext nicht zu viele Methoden zur Anwendung kommen dürften, sondern nur beschränkte Methoden seitens der Unternehmen zugelassen werden, am häufigsten Fragebogen und Interview (vgl. L ONG 2005b: 37, 39; 2015: 150, 154; V OGT 2011: 160). Bei der Auswahl von Methoden geht es meistens nicht darum, welche Methode besser bzw. effektiver wäre, sondern welche Methode überhaupt unter den gegebenen Umständen anwendbar erscheint. Abgesehen von ausreichender Zeit und adäquaten Ressourcen (vgl. L ONG 2005b: 33) haben Unternehmen bei Anfragen zur Datenerhebung normalerweise Bedenken hinsichtlich des Schutzes ihrer geschäftlichen Informationen. „Während es einige Unternehmen ermöglichen, mit den Arbeitskräften zu sprechen und sich ein Bild der Arbeitsaufläufe zu machen, verweigern sich andere aus Gründen der Sicherheit [von Unternehmensinformationen] u.a.“ (K AUFMANN / G RÜNHAGE -M ONETTI 2003: 45, Ergänzung H.C.). Beispielsweise scheiterte die geplante teilnehmende Beobachtung am Arbeitsplatz in der Studie von C AI (2017) trotz Unterstützung der Kontaktperson an einer Genehmigung auf der Managementebene. Ähnlich war eine authentische Audio-/ Videoaufzeichnung über den betrieblichen Alltag im Leonardo- Projekt „PROLANG“ nicht erfolgreich (vgl. W EBER / B ECKER / L AUE 2000: 70). Außer der Datenerhebung unterliegt die Veröffentlichung von Befunden der Bedarfsanalysen strengen Vorschriften von Unternehmen hinsichtlich der Informationssicherheit, sodass viele betriebsintern durchgeführte Studien gar nicht publiziert werden dürfen. Das bedeutet zur Theoriebildung im Bereich der Bedarfsanalyse, dass vor allem die Kontextspezifik sowohl bei der Bewertung bestehender Studien als auch bei der Generalisierung von methodologischen Erkenntnissen nicht außer Acht gelassen werden darf. Lediglich Hinweise auf Forschungslücken, prototypische Forschungsdesigns sowie Arbeitsschritte oder die Betonung der Methodenkompetenz der Forschenden reichen nicht aus, um theoretische Kenntnisse erfolgreich in die Praxis umzusetzen. Nicht nur die Interaktion zwischen Methoden und Informationsquellen (vgl. L ONG 2005b: 64), sondern auch die zwischen Methoden und spezifischen Untersuchungssituationen sollte vor Untersuchungen gründlich überlegt und evtl. erforscht werden. Schließlich ist es sinnvoll, in empirischen Studien wichtige Entscheidungen beim Forschungsdesign nachvollziehbar zu beschreiben, besonders wenn der Fokus auf den Arbeitsverfahren von Bedarfsanalysen liegt. Auch explizite Reflexionen gescheiterter Versuche können Anregungen zu weiteren Arbeiten in ähnlichen Kontexten liefern. Auf der Handlungsebene sollten Forschende deswegen erstens den Unternehmen 112 Hong Cai DOI 10.2357/ FLuL-2021-0021 50 (2021) • Heft 2 entgegenkommen und sich fest an Formalitäten, Vorschriften und die Geheimhaltungspflicht halten. Zweitens sollte man sich vor der Untersuchung umfassend über das Unternehmen informieren, das Ziel und den Forschungsumfang inhaltlich gut überlegen, Strategien einsetzen oder auch selbst entwickeln, um möglichst viele ausreichend spezifische Informationen für eine realitätsnahe Interpretation des Bedarfs zu sammeln. Außerdem ist ein kritischer, aktiver und flexibler Umgang mit spezifischen Praxissituationen bei Bedarfsanalysen im Unternehmenskontext hilfreich, das heißt, bei der Anwendung von bestimmten Ansätzen die Rahmenbedingungen zu prüfen, praktisch vorzugehen, nach Kooperations- und Veränderungsmöglichkeiten zu suchen und auch während der Untersuchung das Forschungsdesign bei Bedarf zu modifizieren bzw. umzugestalten. 3.3 Ansprüche auf die Curriculum-Planung Zum Schluss ist die Planung und Durchführung eines Fremdsprachentrainings (s. Abschnitt 2, Schritt 6), das auf den Ergebnissen der Bedarfsanalyse basiert, aufgrund des Zugangsproblems (s. Abschnitt 3.2.1) schwer zu realisieren. Beispielsweise war in der Studie der Verfasserin (C AI 2017) kein einzelner Fremdsprachenkurs im Anschluss an die Bedarfsanalyse planbar, sodass lediglich Curriculum-Vorschläge auf der Basis der Bedarfsanalyse entwickelt wurden. Diese Schwierigkeit erklärt zum Teil die Problematik von Bedarfsanalysen in Bezug auf die fehlende inhaltliche Kopplung von Bedarfsanalysen mit der Curricula-Planung (s. Abschnitt 2; H UHTA et al. 2013: 3f.; T ULKKI / H UHTA 2007: 2). Nach Bedarfsanalysen ist einerseits aus Unternehmenssicht meistens zu erwägen, ob sich ein maßgeschneidertes Kursangebot lohnt und ob eine kostengünstigere, schnellere und effektivere Lösung 17 als ein Trainingsprogramm verfügbar wäre, wie z.B. Einstellung von Muttersprachler*innen oder Einsatz von Dolmetscher*innen. Im Vergleich zu der Teilnahme an einem allgemeinen Sprachtraining wie z.B. „Wirtschaftsdeutsch B1“ an einer Sprachbildungsinstitution beansprucht die Konzeption eines spezifischen Trainings einen hohen Zeit- und Arbeitsaufwand und ist somit kostenintensiv. Ein bedarfsgerechtes Fremdsprachentraining hat aber den Vorteil, dass die Lernenden zielgerichtet auf die Bewältigung von bestimmten Kommunikationsaufgaben vorbereitet werden können und nicht selbst die erlernten Sprachkenntnisse an spezifische Praxissituationen anpassen müssen. Andererseits ist zu berücksichtigen, dass bei der Bewertung einer fremdsprachlichen Trainingsmaßnahme weniger die Qualität einer Bedarfsanalyse als die sprachlichen Leistungen der Lernenden im Vordergrund steht. Jedoch kann der Einsatz von Bedarfsanalysen keine Erhöhung der sprachlichen Leistungen der Lernenden garantieren. Neben Bedarfsanalysen und Curricula wird ein Kurserfolg noch zum großen Teil durch die Motivation, die regelmäßige Teilnahme und die Mitarbeit der Lernen- 17 Mehr zu Fremdsprachenmanagement-Strategien im Umgang mit Fremdsprachenbedarf s. C ILT (2006: 6, 14). Bedarfsanalysen im Unternehmenskontext - Verfahren und Schwierigkeiten 113 50 (2021) • Heft 2 DOI 10.2357/ FLuL-2021-0021 den bestimmt, in diesem Fall der weiterzubildenden Mitarbeiter*innen. Zeitmangel und berufliche Auslastung zählen oft zu Gründen einer gescheiterten Weiterbildung. Beispielsweise äußert sich ein Unternehmensexperte dazu, dass nur ungefähr 20% der Weitergebildeten ihre Trainingsziele erreichen könnten (vgl. H OU 2015: Anhang 42). Das ungünstige Preis-Leistungs-Verhältnis, d.h. hohe Kosten und großer Aufwand bei wenigem Gewinn, würde die Zugangsproblematik bei Bedarfsanalysen in Unternehmen verschlimmern. Hingegen könnten erfolgreiche Kurse Unternehmen zur Beteiligung an ähnlicher Forschung motivieren und einen positiven Beitrag zur Entwicklung von Bedarfsanalysen leisten. 4. Ausblick Durch die Auseinandersetzung mit Verfahren und Schwierigkeiten bei Bedarfsanalysen bietet der vorliegende Beitrag einen Einblick in die Praxis der fremdsprachendidaktischen Forschung im berufsbezogenen Kontext. Mit Kenntnissen über mögliche Forschungseinschränkungen in spezifischen Kontexten können Forschende sich vor der Erarbeitung eines Forschungsprojekts darauf einstellen, unnötige Arbeit ersparen und vernünftige und realistische Forschungsziele setzen (vgl. B ROWN 2016: 55). Mit der fortschreitenden Entwicklung der Methodik von Bedarfsanalysen werden erhöhte Ansprüche an Forschende und Lehrkräfte gestellt, die Bedarfsanalysen durchführen wollen oder müssen. Erstens sollten Forschende und Durchführende von Bedarfsanalysen auf der individuellen Ebene Grundkenntnisse über Konzepte, Ansätze und Verfahren der Bedarfsanalyse erwerben und sich mit der jeweiligen Praxissituation (z.B. Unternehmen, Krankenhäuser, Behörden) bekannt machen. Zweitens sollten Forschende in diesem Feld eine umfassende Methodenkompetenz aufweisen, d.h. nicht nur die Anwendung einzelner Methoden beherrschen, sondern auch den Einsatz einer oder mehrerer Methoden hinsichtlich der Methoden-Informanten-[Kontext]-Interaktion (vgl. L ONG 2005b: 61). Darüber hinaus sind eine holistische Perspektive und methodische Flexibilität bei der Bedarfsanalyse stets von Vorteil, damit durch den methodischen Einsatz oder eine spontane Notbzw. Korrekturmaßnahme das Forschungsziel weiterverfolgt und das Forschungsdesign ggf. angepasst werden kann. Im ganzen Ablauf der Bedarfsanalysen von der Kontaktaufnahme mit Unternehmen bis zur Entwicklung von Curricula muss das übergeordnete Interesse der Unternehmen im Vordergrund stehen. Um die Anwendungsbereiche von Bedarfsanalysen zu erweitern und ihr Potenzial voll auszuschöpfen, sind einerseits kontextuelle Faktoren der Bedarfsanalysen ins Forschungsspektrum einzubeziehen. Wie für den berufsbezogenen Fremdsprachenunterricht, der im Laufe der Entwicklung im Bereich Fremdsprachenunterricht allmählich als eigenständiges Fach etabliert ist, sind Merkmale der Bedarfsanalysen in Bezug auf die Theoriebildung und die praktische Handhabung je nach der Kontextspezifik zu generalisieren. Andererseits ist auf der institutionellen Ebene die Kooperation von Unternehmen mit Hochschulen zu verstärken. In einer Welt mit sich rasant ver- 114 Hong Cai DOI 10.2357/ FLuL-2021-0021 50 (2021) • Heft 2 ändernden Marktbedingungen und somit ständig neuen Herausforderungen an Bildung und Forschung kann ein reger Austausch dabei helfen, dass Forschende mit praxistauglichen Forschungsergebnissen Unternehmen zufriedenstellen können und gleichzeitig Zugang zu Unternehmen bzw. zu authentischen Informationen erhalten. Dadurch wird ein gesunder Kreislauf entstehen, in dem die Erkenntnisse aus der Forschung in die Praxis umgesetzt werden und gleichzeitig die Theoriebildung zugunsten einer nachhaltigen Entwicklung durch Erprobungen in der Praxis überprüft bzw. bereichert wird. Zu guter Letzt ist zu ergänzen, dass Bedarfsanalysen im Unternehmenskontext keinesfalls nur Schwierigkeiten bereiten. Im Vergleich zu Bedarfsanalysen im allgemeinen oder berufsvorbereitenden Fremdsprachenunterricht sind Mitarbeiter*innen im Unternehmenskontext den pre-service-Lerner*innen an Schulen und Hochschulen überlegen, da sie oft ein klares Bild über ihre zu bewältigenden Aufgaben haben und eine starke Motivation und Zielorientierung beim Lernen zeigen, was die erwähnten Schwierigkeiten gewissermaßen ausgleicht. Vielmehr geht es hier um die Wahrnehmung und Generalisierung von Erkenntnissen aus einer reflektierenden Sicht über die Methodik der Bedarfsanalysen. 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