eJournals Forum Modernes Theater 31/1-2

Forum Modernes Theater
fmth
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Narr Verlag Tübingen
10.2357/FMTh-2020-0004
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2020
311-2 Balme

Methodologische Diskurse der aktuellen Probenforschung - Zwischenbericht aus einer (noch jungen) Forschungsdisziplin in der Theaterwissenschaft

31
2020
Tamara Yasmin Quick
Im Rahmen dieses Beitrags sollen die zentralen Fragestellungen, Erkenntnisse sowie ‚Praxis-Tipps’ aus der Arbeitskonferenz „Methodologische Diskurse der aktuellen Probenforschung“ als Zwischenbericht des stetigen ‚Work-in-Progress’ der Methodengenese in der aktuellen Theaterprobenforschung zusammengefasst und im Kontext des lebendigen Diskurses einer vermehrt praxeologisch ausgerichteten Theaterwissenschaft diskutiert werden. Die Konferenz wurde im April 2019 unter der Leitung von David Roesner und Tamara Yasmin Quick am Institut für Theaterwissenschaft der LMU München veranstaltet, um den (inter-)disziplinären Erfahrungsaustausch unter den Kolleg*innen der Probenforschung insbesondere hinsichtlich der methodologischen Herangehensweisen anzuregen. Das Ziel der Konferenz bestand in der gezielten Bündelung und Explikation des bisherigen Wissens über die Erforschung von Theaterproben. Dabei wurden die Dynamiken und Modalitäten des physischen und sozialen ‚Feldzugangs’ ebenso befragt wie die Datenerhebung im Feld, die Dokumente der Probenforschung, die Datendokumentation, -verarbeitung und -analyse sowie ethnographische Schreibprozesse.
fmth311-20039
Methodologische Diskurse der aktuellen Probenforschung - Zwischenbericht aus einer (noch jungen) Forschungsdisziplin in der Theaterwissenschaft Tamara Yasmin Quick (München) Im Rahmen dieses Beitrags sollen die zentralen Fragestellungen, Erkenntnisse sowie ‚ Praxis- Tipps ‘ aus der Arbeitskonferenz „ Methodologische Diskurse der aktuellen Probenforschung “ als Zwischenbericht des stetigen ‚ Work-in-Progress ‘ der Methodengenese in der aktuellen Theaterprobenforschung zusammengefasst und im Kontext des lebendigen Diskurses einer vermehrt praxeologisch ausgerichteten Theaterwissenschaft diskutiert werden. Die Konferenz wurde im April 2019 unter der Leitung von David Roesner und Tamara Yasmin Quick am Institut für Theaterwissenschaft der LMU München veranstaltet, um den (inter)disziplinären Erfahrungsaustausch unter den Kolleg*innen der Probenforschung insbesondere hinsichtlich der methodologischen Herangehensweisen anzuregen. Das Ziel der Konferenz bestand in der gezielten Bündelung und Explikation des bisherigen Wissens über die Erforschung von Theaterproben. Dabei wurden die Dynamiken und Modalitäten des physischen und sozialen ‚ Feldzugangs ‘ ebenso befragt wie die Datenerhebung im Feld, die Dokumente der Probenforschung, die Datendokumentation, -verarbeitung und -analyse sowie ethnographische Schreibprozesse. Die Probenforschung im Rahmen der szenischen Künste stellt derzeit ein sehr relevantes, jedoch noch junges Forschungsfeld dar, das sich zu einem bemerkenswert großen Anteil aus aktuell durchgeführten oder kürzlich abgeschlossenen Dissertations- und Habilitationsprojekten gestaltet und so als ein progressives Interessensfeld einer jungen, vermehrt praxeologisch ausgerichteten Theaterwissenschaft beschrieben werden könnte. 1 Dabei steht nicht nur die Theaterprobe selbst als Forschungsgegenstand im Fokus der Betrachtung. Vielmehr kann der Theaterprobenprozess auch als ein dynamischer Ort der Entwicklung und Entstehung zahlreicher ästhetischer Phänomene, künstlerischer Praktiken sowie kollektivkreativer, interaktiver Produktionsräume innerhalb der spezifischen sozialen Wirklichkeit des Theaters verstanden werden. Melanie Hinz und Jens Roselt formulieren in der von ihnen herausgegebenen Sammelpublikation Chaos und Konzept 2 die kreative Dynamik von Probenprozessen als sich gegenüberstehende Spannungsfelder: Auf der Probe prallen Konzepte und Ideen auf Körper und Konditionen. Räume und Zeiten der Probe versprechen dabei eine Ordnung, die durch dynamische Probenprozesse stets in Unordnung gebracht wird. Interessant werden so die Verwirbelungen von Zeitdruck, Raumvorgaben, Erfindungsreichtum, Interpretationen und Lösungen, die Aufschluss darüber geben, wie Vorgänge der Hervorbringung und Entstehung als Kreation und Destruktion vonstattengehen. 3 Konzeption und Improvisation stehen sich dabei ebenso gegenüber wie Vision und Pragmatik, Prozesse des Suchens und Entwerfens ebenso wie des Wiederholens und Verwerfens. Lucas Herrmann 4 beschreibt darüber hinaus Forum Modernes Theater, 31/ 1-2 (2020), 39 - 63. Gunter Narr Verlag Tübingen DOI 10.2357/ FMTh-2020-0004 [. . .] ein Wechselverhältnis von Intentionalität und Emergenz 5 , wodurch sich die Probenarbeit nicht nur in einem Spannungsfeld von Individualität und Kollektivität bewegt, sondern auch vor dem Hintergrund einer Wechselbeziehung von Vorhersehbarkeit und Unvorhersehbarkeit ereignet. Das Zusammenspiel dieser Spannungsfelder und Wechselverhältnisse konstituiert nicht nur den theatralen, sondern vor allem auch den sozialen Prozess im Sinne einer ästhetischen Kommunikation. 6 Das korrespondiert stark mit Hajo Kurzenbergers Verständnis von Theater als ‚ sozialer ‘ Kunstform, die nur in Gemeinschaft mit anderen Menschen funktionieren kann, da es beim kollektiven Prozess des Theaters und der theatralen Aufführung in gleichem Maße um das Gelingen sozialer wie ästhetischer (performativer) Hervorbringungen gehe. 7 Darüber hinaus kann in einem erweiterten Verständnis von Kurzenbergers Beschreibung der Theaterprobe als einem „ Möglichkeitsraum “ 8 - insbesondere hinsichtlich der probenspezifischen Prozesse des Suchens, Ausprobierens und Verwerfens, in dem „ das Fragmentarische und Präsentische der Theaterprobe in gesteigerter Weise erlebbar [wird] “ 9 - die Theaterprobe in der Probenforschung nicht nur als ein Möglichkeitsraum der künstlerisch forschenden Praxis ausgemacht werden. Vielmehr kann sie auch als ein epistemologischer Raum begriffen werden, in dem Wissen ‚ über ‘ eine künstlerische Praxis, ein ästhetisches Phänomen oder eine kreativ-produktive Interaktionsform aus einer Außenbzw. Zwischenperspektive gewonnen werden kann und eine multiperspektivische Untersuchung theaterwissenschaftlicher Forschungsfragen ermöglicht. Katarina Kleinschmidt hinterfragt in ihrer Dissertation Artistic Research als Wissensgefüge. Eine Praxeologie des Probens im zeitgenössischen Tanz 10 kritisch die Vorstellungen von Kunstwissen als ein ‚ anderes Wissen ‘ - ein nicht-sprachliches bzw. nicht-diskursives Wissen - und führt die Tendenz zur „ Mystifizierung “ tänzerischen Wissens auf die Dominanz rezeptionsästhetischer tanzwissenschaftlicher Positionen zurück. 11 Diese Mystifizierung als die Vorstellung einer ‚ Unmöglichkeit ‘ der intellektuellen Durchdringung der künstlerischen Produktionsprozesse durch Außenstehende sucht insbesondere Gay McAuleys Titel Not Magic But Work 12 humorvoll zu ‚ entzaubern ‘ . Auch Annemarie Matzke thematisiert im Kontext der „ Mystifizierung künstlerischen Schaffens “ 13 , dass dieser gerade im Rahmen einer gezielten Erforschung von Proben- und Geneseprozessen - also einer Offenlegung und Analyse der Faktur von theatralen Prozessen - entgegengewirkt werden könne und müsse. Methodisch haben sich hierfür bisher qualitative Forschungsdesigns mit Herangehensweisen der Ethnographie als besonders vielversprechend herauskristallisiert, um das spezifische Wissen 14 offenzulegen, das auf Theaterproben implizit kursiert und expliziert wird, ‚ künstlerisch forschend ‘ im Laufe des Probenprozesses generiert, wiederholt, gespeichert, ‚ enkorporiert ‘ 15 und schließlich während der Aufführung wieder und wieder memoriert wird. Dennoch befindet sich die Entwicklung einer gegenstandsangemessenen, verbindlichen und zugleich dynamischen Methodologie zur Erforschung von Theaterproben noch recht am Anfang. Desiderat: ‚ Grundlagenforschung ‘ der Theaterprobenforschung So wird immer wieder der Ruf unter den probenerforschenden Theaterwissenschaftler*innen nach einem disziplinären und dezidiert auch interdisziplinären Austausch laut, um den ‚ Work-in-Progress ‘ der Methodengenese explizit für die Theaterpro- 40 Tamara Yasmin Quick benforschung gemeinsam voranzubringen. Denn die Theaterprobenforschung gebärt sich als ein genuin interdisziplinär ausgerichtetes Forschungsfeld: Methodologische Herangehensweisen aus anderen Wissenschaftsdisziplinen werden adaptiert und auf die Bedürfnisse und Eigenheiten dieses Forschungsgebiets angepasst. Durch den kollegialen Dialog kann von den bereits gesammelten Erfahrungen und gewonnenen Erkenntnissen in dieser aufstrebenden Forschungsdisziplin profitiert werden und eine kollektive methodologische Ausarbeitung wird ermöglicht. Hinz und Roselt formulieren mit „ Wenn sich die Probenforschung als Zweig der Theaterwissenschaft etablieren soll, müssen auch die methodischen Herausforderungen einer Probenanalyse geklärt werden. “ 16 ein grundlegendes Forschungsdesiderat. Denn die Adaption ethnographischer Forschungsstrategien aus den Sozialwissenschaften, der Anthropologie und Ethnologie kann der Theaterwissenschaft zwar als praktikable Zwischenlösung für die Erforschung von Theaterproben dienen. Die soziale, ästhetische und auch institutionelle Wirklichkeit des Theaters ist jedoch zu spezifisch und die Theaterprobenforschung gleichzeitig zu „ virulent “ in der gegenwärtigen Theaterwissenschaft, wie Bettina Brandl-Risi und Clemens Risi in München 17 anschaulich formulierten, als dass auf Dauer auf einen disziplinären Diskurs hinsichtlich einer Methodologie der aktuellen Probenforschung verzichtet werden könnte. Arbeitskonferenz zu methodologischen Diskursen der aktuellen Probenforschung in München Zum Austausch von Erfahrungen mit den Kolleg*innen, zur gebündelten Sammlung und Diskussion des bisherigen Wissens über die Erforschung von Theaterproben insbesondere hinsichtlich methodologischer Herangehensweisen sowie zur Sondierung des Forschungsfeldes, das durch die probenforschenden Wissenschaftler*innen verkörpert und gestaltet wird, veranstalteten wir am 5. und 6. April 2019 eine Arbeitskonferenz am Institut für Theaterwissenschaft der Ludwig-Maximilians-Universität München, die sich unter der Leitung von David Roesner und mir dezidiert dem Thema „ Methodologische Diskurse der aktuellen Probenforschung “ verschrieb. Zentrale Fragestellungen und Herausforderungen der aktuellen Probenforschung, die im Rahmen der Arbeitskonferenz erörtert werden sollten, schließen u. a. den Zugang zum Feld der Theaterprobe ein, die sich grundsätzlich der Öffentlichkeit entzieht und traditionell einen „ Schutzraum “ 18 für die Beteiligten darstellt, die Datenerhebung im Feld der Theaterprobe, die Datendokumentation, -speicherung sowie -katalogisierung, die Dokumente der Probenforschung, die Verarbeitung und Analyse derselben sowie mehrstufige Schreibprozesse in der Datenerhebung und Datenverarbeitung bis hin zur finalen wissenschaftlichen Veröffentlichung der Forschungsergebnisse. Am ersten Konferenztag stellten die Referent*innen ihre jeweiligen Forschungsprojekte mit besonderem Fokus auf die darin verwendeten Methoden vor. Der zweite Konferenztag, als ‚ round table ‘ konzipiert, widmete sich ausschließlich der Reflexion der vortägigen Vorträge, wobei die Diskussion anhand eines Leitfadens durch die Gastgeber*innen moderiert wurde, um im Kollektiv eine Art ‚ bestpractice-paper ‘ zu entwickeln. Es stellte sich jedoch heraus, dass die Zeit für eine ‚ best-practice ‘ noch nicht reif ist oder auch nie sein wird, da sich die Methoden zur Erforschung von Theaterproben einem Feld anpassen müssen, welches sich im stetigen Werden und Wandel befindet. Dennoch waren wir uns einig, dass ein Ergebnisbericht sinnvoll ist, um den aktuellen ‚ Status quo ‘ der Probenforschung ge- 41 Methodologische Diskurse der aktuellen Probenforschung bündelt darzustellen und unser je individuelles Wissen über die Theaterprobe zusammenzuführen. 19 (Inter)disziplinärer Blick auf den Stand der aktuellen Probenforschung Eine kurze Sondierung des Forschungsstandes erscheint mir hier vor dem Einstieg in die Diskussion lohnend, um an den bestehenden Diskurs anknüpfen zu können. Dabei fällt auf, dass diametral entgegengesetzt zur Anzahl der bereits erschienenen Publikationen zum Thema der weitestgehend blinde Fleck einer dezidierten Reflexion der bereits ‚ erprobten ‘ Strategien und methodologischen Herangehensweisen zur Erforschung von Proben steht. Hier besteht ein großer Nachholbedarf hinsichtlich einer Explikation des Wissens über die Probenforschung. Ebenso wie Matzke im Proben und der Probenforschung eine „ Polyperspektivität “ 20 hinsichtlich des Verhältnisses zwischen der Gegenwart des Prozesses und der Nachträglichkeit der Beschreibung erkennt, lohnt sicherlich auch ein Blick auf bereits veröffentlichte Forschungsarbeiten zu Theaterproben, um deren methodische Herangehensweisen retrospektiv zu reflektieren und Modifizierungen für zukünftige Probenforschungsprojekte daraus abzuleiten. Gay McAuley zieht für ihre Probenforschung 21 Clifford Geertz ‘ Konzept der „ Dichten Beschreibung “ 22 heran. Als teilnehmende Beobachterin je über den gesamten Probenzeitraum hinweg entwickelte sie am Center of Performance Studies der University of Sydney audiovisuelle Dokumentationssysteme; auf die Anwesenheit des*r akademischen Probenforscher*in kann ihrer Meinung nach jedoch trotz ausgefeilter Kameraaufnahmen nicht verzichtet werden: Die Herausforderung des ständigen Wechsels des*r Probenforscher*in zwischen Innen- und Außensicht der Produktion - zwischen Teilnahme bzw. Teilhabe an der sozialen Gruppe der Probengemeinschaft einerseits und der nötigen Distanz und eigenen Reflexion des Geschehens auf der anderen Seite - stelle gleichzeitig auch eine spezifische Qualität der ethnographischen Probenforschung dar. 23 In ihrer einschlägigen Publikation Not Magic But Work: An Ethnographic Account of a Rehearsal Process 24 beschreibt sie mit Hilfe ‚ dichter Beschreibung ‘ einen einzigen sechswöchigen Probenprozess en détail, wobei sie auch Zusatzinformationen zum Stück, zu den Künstler*innen sowie Audio- und Textdokumente aus dem Produktionsprozess miteinbezieht. Dieses Vorgehen ist lose verwandt mit Josette Férals methodischer Idee einer Genealogie von Theaterproduktionen, wobei diese weniger ethnographisch als philologisch und dokumentenbasiert ausgerichtet ist. 25 Es werden in der sogenannten Genetic Research alle Daten, die mit einer Theaterproduktion in Zusammenhang stehen - seien es die verschiedenen Stadien einer Textfassung, das Regiebuch, technische Protokolle, audiovisuelle Daten aus der Probe, Notizen des*r wissenschaftlichen Beobachter*in, aber auch von allen weiteren Beteiligten, Interviews, Gespräche usw. - mit einbezogen, um eine Theaterproduktion in ihrer Gesamtheit erfassen und verstehen zu können. 26 In den bereits erwähnten und zurecht viel beachteten Publikationen von Matzke, Hinz und Roselt sowie Kurzenberger liegt der Fokus vermehrt auf der Theaterprobe als ‚ Forschungsgegenstand ‘ per se, auf Dynamiken des Probierens - Matzke arbeitet mit den drei sich überlagernden Dispositiven Prüfung, Versuch und Übung - und auf künstlerischen Arbeitsweisen unterschiedlicher Regisseur*innen und Künstlerkollektive, insbesondere bei Hinz und Roselt und Kurzenberger. Für das Schreiben über Proben müssen dabei häufig auch neue Formen 42 Tamara Yasmin Quick der Verschriftlichung gefunden werden. So stellt Matzke beispielsweise in ihrem Aufsatz „ Das Theater auf die Probe stellen. Kollektivität und Selbstreflexion in den Arbeitsweisen des Gegenwartstheaters “ 27 einzelne Feldnotizen bzw. Einträge aus einem Probentagebuch - wie aus einem Hinweis an einer Stelle im Aufsatz abgeleitet werden kann 28 - als kleine Intros vor den folgenden Textabschnitt, allerdings ohne auf diese zwischengeschobene abweichende Textsorte genauer einzugehen oder sie zu kommentieren. Wir können aber vermuten, dass ihre Analysen zu den Arbeitsweisen im Gegenwartstheater aus einer Probenbeobachtung entstanden sind, während der u. a. Probentagebücher geführt wurden. Unklar bleibt jedoch, in welchem Forschungssetting die Datenerhebung erfolgt ist, ob noch andere Dokumentationsstrategien konsultiert wurden oder wie die erhobenen Daten letztlich verarbeitet und ausgewertet worden sind. Einen etwas konkreteren Einblick in ihre Methode der Probenforschung - die Kameraethnographie - gibt Geesche Wartmann in Chaos und Konzept. Als Datenerhebungssetting beschreibt sie: „ Die Probenforscherin war (mit einer weiteren Forscherin) als wissenschaftliche Beobachterin mit Kamera, Tonaufzeichnungsgerät und Stift bei ausgewählten Proben anwesend. “ 29 Kameraethnographisch arbeitet ebenso Maximilian Krug in seinem Dissertationsprojekt, beklagt jedoch in seinem Aufsatz „ Collecting Audio- Visual Data of Theatre Rehearsals. (Non-) Intrusive Practices of Preparing Mobile Eye- Tracking Glasses during Ongoing Workplace Interactions “ 30 ausdrücklich ein Defizit an wissenschaftlicher Beschäftigung mit dem Prozess der Datenerhebung in Theaterproben. Er experimentiert neben der audiovisuellen Datenaufnahme durch unterschiedlich positionierte Kameras im Raum auch mit einer Datenerhebung durch ‚ Eye-Tracking Glasses ‘ , die die Fokussierung des zu beobachtenden Geschehens miterfassen. Anna Wessel beschreibt in ihrem Aufsatz „ Methodische Aspekte sprechwissenschaftlicher Probenforschung “ 31 sehr detailliert und anschaulich, sogar unter Einbeziehung ausgewählter Ausschnitte ihres Probentagebuches, ihre Datenerhebung mittels ethnographischer Feldforschung mit aktiv-teilnehmender, offener und unstrukturierter Beobachtung sowie ihre Datenaufbereitung durch qualitative Analysemethoden des Codierens, orientiert an die ‚ Grounded Theory ‘ . Eine Besonderheit in ihrer Reflexion: Es werden auch praktische Fragen berücksichtigt, wie u. a. die Wahl eines geeigneten Probentagebuchformats, der Aufnahmegeräte, Fragen die Datenschutzgrundverordnung betreffend sowie ethischmoralischer Natur. Wessels sprechwissenschaftlicher Forschungsfokus liegt auf der Interaktion zwischen Regisseur*innen und Schauspieler*innen im künstlerischen Kontext, was Auswirkungen auf den Transkriptionsstil hat, der über eine rein inhaltlichsemantische Transkription weit hinausgeht. Axel Schmidt führt eine solche erweiterte Transkription inklusive detaillierter Skizzen und Analysen eindrucksvoll u. a. in seinen Publikationen Spiel oder nicht Spiel? Zur interaktiven Organisation von Übergängen zwischen Spielwelt und Realwelt in Theaterproben 32 sowie dem Aufsatz „ Prefiguring the future. Projections and preparations within theatrical rehearsals “ 33 vor. Er arbeitet mit einem interaktionsanalytischenmultimodalen Zugang zur Probenforschung - als methodisches Setting möglicherweise auch für die theaterwissenschaftliche Probenforschung interessant - und bedient sich in der Datenauswertung Methoden der Konversations- und der Sequenzanalyse. Katarina Kleinschmidt widmet ihren methodologischen Herangehensweisen an die Probenforschung im zeitgenössischen Tanz und den damit verbundenen Herausforderungen eine ausführliche Reflexion in der Einleitung ihrer Dissertation Artistic Re- 43 Methodologische Diskurse der aktuellen Probenforschung search als Wissensgefüge. 34 Sie arbeitete triangulierend mit teilnehmender Beobachtung, Interviews sowie Diskurs- und Bewegungsanalysen und begleitete so über vier Jahre hinweg diverse Tanzproduktionen und Workshops. 35 Die qualitative Datenerhebung erfolgte in Form von Notizen, Beobachtungsprotokollen, Memos, Video- und Audioaufnahmen. 36 Die Datenanalyse wurde durch Verfahren des offenen Codierens und eines anschließenden empirischen Gegenlesens der Daten in Form von wiederholten, vergleichenden Lese- und Schreibprozessen durchgeführt. 37 „ Die auf diese Weise generierten Daten dienen als Korrektiv, um die entstandenen Kategorien immer wieder kritisch zu befragen, aufzubrechen und auf ihre Wirksamkeit für eine ganze Bandbreite an Beispielen hin zu prüfen. “ 38 Des Weiteren fertigte Kleinschmidt im Rahmen von mehrstufigen Schreibprozessen ‚ Vignetten ‘ und ‚ dichte Beschreibungen ‘ an, um durch diese konstruierten Dokumente Spezi fika von Proben exemplarisch auf ihre Wissensmuster hin zu analysieren und zu theoretisieren. 39 Insgesamt einen sehr guten Überblick und eine Art Leitfaden zur ethnographischen Feldforschung bietet das Buch Ethnografie: Die Praxis der Feldforschung 40 , das von Georg Breidenstein, Stefan Hirschauer, Herbert Kaltoff und Robert Nieswand herausgegeben worden ist. Sowohl praktische Prozesse des Feldeinstiegs, der Datenerhebung, der Datenverarbeitung wie auch der Präsentation der Ergebnisse werden darin einleuchtend und fachungebunden dargestellt, sodass ein Transfer auf das Feld der Theaterprobe gut möglich ist. Dieses Handbuch ist mangels disziplinärer Alternativen aus der theaterwissenschaftlichen Forschung mittlerweile zu einer Art ‚ Standardwerk ‘ für die Theaterprobenforschenden geworden, was sich auch in den zahlreichen Verweisen und Zitationen während der Münchner Konferenz widerspiegelte. Im Folgenden sollen nun die zentralen Punkte, Fragestellungen, ‚ Praxis-Tipps ‘ und Ergebnisse der Arbeitskonferenz zusammengefasst und im Kontext des lebendigen Diskurses einer vermehrt praxeologisch ausgerichteten Theaterwissenschaft diskutiert werden. Dabei versuche ich auch stellenweise, das Format unserer Arbeitskonferenz transparent zu machen und orientiere mich strukturell und stilistisch insbesondere an der Abschlussdiskussion. Der ‚ Feldzugang ‘ Sobald die Entscheidung über das Forschungsdesign - eine probenethnographische ‚ Feldstudie ‘ - feststeht, stellt sich die Frage, wie als Wissenschaftler*in Zugang zu einem theatralen Probenprozess zu bekommen ist, wenn man noch nicht ohnehin durch eine künstlerische Doppelfunktion bereits in das Feld integriert ist, beispielsweise als Dramaturg*in, Performer*in, Assistent*in oder Hospitant*in. Proben stellen die spezifische Arbeitssituation des Theaters dar - so argumentiert Matzke vor dem Hintergrund des Arbeitsbegriffs in ihrer Monographie Arbeit am Theater - , in denen Möglichkeiten der szenischen Verwirklichung ausprobiert werden und denen genuin etwas Vorläufiges inhärent ist. 41 So dienen Probenräume den szenischen Akteur*innen als „ Schutzräume “ 42 für ihre „ Findungsprozesse “ 43 , die nicht selten sehr intim und sensibel sind. Dennoch werde aber der „ Mythos Theaterprobe “ manchmal auch mehr nach außen aufgebaut als nötig, relativiert Lisa Großmann. „ Häufig ist es gar kein Problem für die Künstler*innen, wenn auf den Proben noch eine weitere Person sitzt, die sich für ihre künstlerische Arbeit interessiert. “ Im Gegenteil, der persönliche Kontakt werde sogar zu den wissenschaftlichen Beobachter*innen gesucht und im Laufe des Probenprozesses baue sich meist 44 Tamara Yasmin Quick ein Vertrauen auf, da die Arbeit des jeweils anderen geschätzt werde und ihr mit großem Interesse begegnet würde. Das macht deutlich: „ [D]er Zugang ist nicht bloß eine physische, er ist eine soziale Angelegenheit, “ 44 wie es auch prägnant in Die Praxis der Feldforschung formuliert ist. Natürlich komme es aber immer auf das jeweilige Feld und seine Hierarchien an, gibt Axel Schmidt zu bedenken. Dabei stelle sich auch immer die Frage, über welchen Weg der Zugang gesucht würde: ‚ top down ‘ oder ‚ bottom up ‘ ? Breidenstein et. al. vermerken bezüglich der Modalitäten und Dynamiken des Feldzugangs: Der Feldzugang ist also Bestandteil der Forschung, und zwar deshalb, weil das Feld in der Art und Weise, wie es mit dem kontaktsuchenden Ethnografen umgeht, Auskunft über sich selbst erteilt. Man kann etwa relativ schnell erkennen, wie hierarchisch das Feld organisiert ist, ob die Teilnehmer sich trauen, etwas zu sagen oder ob sie lieber auf die höhere Ebene hinweisen, ob Beobachtungen institutionell vorgesehen sind oder eher nicht. 45 Ja š Otrin empfiehlt insbesondere für das institutionalisierte Stadt- und Staatstheatersystem die Variante ‚ top down ‘ , da die meisten Theaterinstitutionen noch immer hierarchisch mit einer Intendanz an der Spitze organisiert seien. Schmidt argumentiert weiter, dass es auch eine große Rolle spiele, welche Methoden der Datenerhebung verwendet würden und welchen „ Invasivitätsgrad “ diese mit sich brächten. Auch hier zeige sich nochmal deutlich, wie hermetisch oder auch wie offen ein Feld sei, wie auf wissenschaftliche Beobachter*innen reagiert werde und welche Methoden der Datenerhebung akzeptiert würden: „ Die Art des Feldzugangs ist eine starke Erkenntnisquelle über das Feld “ , so Schmidt. Doch was ist überhaupt das ‚ Feld ‘ ? „ Ist die Probe selbst das Feld, oder ist sie vielmehr etwas, in dem sich das Feld artikuliert? “ , wirft Schmidt als Frage auf. Lisa Großmann und Stefanie Husel machen in diesem Zusammenhang stark, dass dies gerade der Charakteristik des ethnographischen Arbeitens entspreche, dass sich das Feld erst durch die Forschungsfrage definieren ließe, sich die Forschungsfrage aber gleichzeitig erst im Feld finde. Die Feldbildung und Perspektivfindung stellen in ihrer konstruktiven Wechseldynamik entscheidende Bestandteile des probenethnographischen Forschungsprozesses dar, sie konstituieren sich gegenseitig. Otrin bestärkt dies durch seine eigene Erfahrung: „ Man sollte immer berücksichtigen, dass ein anderer Aspekt, der zunächst gar nicht im Interessensfokus stand, durch das Feld bedingt in den Mittelpunkt rücken kann. Dagegen darf man sich nicht verschließen. “ Dennoch ist es auch nicht möglich, völlig voraussetzungslos in die Feldforschung zu starten, vermutet Roesner. Zumindest ein loses, generelles Erkenntnisinteresse an Einzelaspekten stelle die Voraussetzung für die eigene Positionierung im Feld dar. Zudem sollte man über Möglichkeiten der Begrenzung des Feldes nachdenken - beobachtet man ausschließlich die Theaterproben oder weitet man das Feld beispielsweise auf die Probenpausen, konzeptionelle Gespräche oder die gesamte Institution im Verhältnis zum Produktionsprozess o. Ä. aus? Großmann schlägt im Paper des Arbeitskollektivs für multiperspektivische Praxisforschung in den Künsten eine Differenzierung zwischen der ‚ Probe ‘ und dem ‚ Probenprozess ‘ vor, um eine Abgrenzung des Feldes vom künstlerischen Prozess vorzunehmen und die einzelne Probe vom Prozessualen und dem ‚ Dazwischen ‘ innerhalb eines künstlerischen Produktionsprozesses zu unterscheiden. 46 45 Methodologische Diskurse der aktuellen Probenforschung Positionierung im Feld Das Gespräch konkretisiert sich nun auf die unterschiedlichen Methoden und Perspektiven der Probenbeobachtung, das ‚ soziale ‘ Verhalten während des Feldzugangs und mögliche Strategien der Hilfestellung: Wie positioniert man sich als externe*r Wissenschaftler*in im sozialen Gefüge der Theaterprobe, beobachtet man aktiv-teilnehmend oder nicht-teilnehmend, können sogenannte Gatekeeper den Zugang vielleicht erleichtern, wie in Die Praxis der Feldforschung vorgeschlagen: Durch eine offene Kommunikation der Gatekeeper rechnen Teilnehmer mit der Ethnografin und wundern sich nicht über ihre Anwesenheit; der andere Fall nährt oft Misstrauen und Verdacht, was vom Ethnografen in vielen Gesprächen erst aus der Welt geschafft werden muss. 47 Dass sich der soziale Feldzugang durch Gatekeeper „ kollegialisieren “ lässt, kann ich aus eigener Erfahrung bestätigen. Dies erleichtert die Positionierung im Feld sehr, da so die eigene Anwesenheit zumindest durch die Feldmitglieder nicht mehr grundlegend in Frage gestellt wird - Fragen bezüglich der eigenen Positionierung, des Grades der Assimilierung, der Enkorporierung in das Feld, der Bereitschaft und Reflexion des ‚ Going native ‘ und der stetigen Befremdung der eigenen Position beschäftigen eine*n Probenforscher*in meist ohnehin schon mehr als genug. Eine günstige Voraussetzung für die Theaterprobenforschung sei darüber hinaus, dass Proben generell Orte der Beobachtung, des Mitschreibens und des Diskurses sind, sodass sich Probenforscher*innen nach einer ersten Einführung meist relativ unbehelligt auf der Probe als Teil des Produktionsteams bewegen können, stellen wir in der Diskussion fest. Die Praktiken der ethnographischen Probenforscher*innen unterscheiden sich im Operativen nicht fundamental von denen der anderen beobachtenden Feldteilnehmer*innen wie z. B. der Hospitant*innen, Assistent*innen, Dramaturg*innen oder des Regieteams selbst. Eine unnötige Distanzierung zwischen Feld und Feldforscher*in kann zudem vermieden werden, indem die Methoden der Datenerhebung an jene des Feldes angeglichen werden, empfiehlt Großmann. Schreibt das Feld beispielsweise ausschließlich handschriftlich mit, ist es sinnvoll, als Probenforscherin auch den mobilen Computer zuhause zu lassen, um die Aufmerksamkeit des Feldes nicht unangenehm durch Tippgeräusche zu erregen. Roesner bemerkt in diesem Zusammenhang, dass der Feldzugang - ebenso wie später auch das Verhalten im Feld - immer ein Balanceakt aus Versprechungen und Zugeständnissen sei, da die Gefahr bestehe, den Zugang wieder zu verlieren, was das Scheitern des gesamten Forschungsvorhabens nach sich ziehen kann. Ich würde jedoch argumentieren, dass sich daraus zeitweise auch eine seltsame Schieflage aus Dankbarkeit und fast devotem Verständnis dem Feld gegenüber auf der einen Seite und einer gewissen Indifferenz des Feldes gegenüber der*m Theaterprobenforscher*in auf der anderen Seite ergibt. Korrespondierend dazu pointierte auch Anna Königshofer bei der Jahrestagung der Gesellschaft für Theaterwissenschaft 2018 in ihrem Vortrag „ Wenn die Dramaturgie zur Frage der Technik wird: Rimini Protokolls Produktion Top Secret International als komplexes Steuerungssystem “ 48 : „ Während für die Forschenden das Zugeständnis, am Probenprozess teilnehmen zu können, von zentraler Bedeutung ist, erscheint den Feldmitgliedern ein solches Zugeständnis häufig als gering, da sie an Beobachter*innen auf der Probe gewöhnt sind. “ 49 Dennoch lohne die Frage, inwieweit man als Feldforscher*in dem Feld etwas zurückgeben kann bereits beim Feldzugang, um dem Verhältnis zwischen dem 46 Tamara Yasmin Quick „ Parasitären “ und „ Symbiotischen “ konstruktiv zu begegnen, so Roesner. Auf Grund der „ offensichtlichen Tatsache, dass Proben selbst ein Feld des Experimentierens sind, gibt es hier viele Möglichkeiten, teilnehmende Beobachtung als Teil solcher Prozesse von vorneherein einzuplanen “ 50 , schlägt Jonas Tinius in seinem Paper zur Münchner Arbeitskonferenz vor. ‚ Practice-as-Research ‘ und Theaterprobenforschung? Anna Wessel weist darauf hin, dass nicht nur die äußere Positionierung der Forscher*innenrolle entscheidend für den Erfolg des Forschungsvorhabens ist, sondern auch die eigene innere Positionierung zum Feld: Wie sehr bleibt man in der reinen Beobachter*innenrolle, wie sehr will man sich selbst in den Probenprozess integrieren, wie verschiebt sich vielleicht auch das Verhältnis von einer anfangs rein externen Beobachtung hin zu einer schrittweisen aktiv-teilnehmenden Beobachter*innenrolle? Welche Möglichkeiten der aktiven Teilnahme am Probenprozess gibt es, die auch im Sinne einer praktischen Forschung (auch als ‚ practice-as-research ‘ bzw. künstlerische Forschung bekannt) genutzt werden könnten? Roesner greift diesen Punkt auf, um eine mögliche ‚ Autoethnographie ‘ im Rahmen von Theaterprobenforschung als Methode zu diskutieren. Was bedeutet es, wenn die eigene praktische, womöglich auch künstlerische Arbeit durch eine autoethnographische methodische Herangehensweise zum Feld erklärt wird, um durch das praktische Tun etwas über ein ästhetisches Phänomen oder eine künstlerische Praxis herauszufinden? „ Ergeben sich durch eine solch intrinsische Position mit einer dezidierten Introspektive keine Interessenkonflikte “ , fragt Otrin? Großmann kann aus ihrer zweitweisen Doppelrolle als Wissenschaftlerin und Theatermacherin berichten, dass die Reflexion, die ständige eigene Befremdung im Feld und eine abstrakte Antizipation diverser Perspektiven im Feld nötig seien, um autoethnographische Probenforschung seriös betreiben zu können. Gleichzeitig kann die künstlerische Auseinandersetzung mit der Probenforschung aber ein sehr fruchtbarer Weg sein, um den Blick auf das Material zu weiten, z. B. im Rahmen einer ‚ Lecture Performance ‘ , wie Großmann dies bereits künstlerisch-forschend erprobt hat. Kleinschmidt beschreibt, dass ihre Doppelrolle im Feld als Dramaturgin und Wissenschaftlerin u. a. auch den Vorteil mit sich brachte, dass sie als Wissenschaftlerin dadurch „ auch [Zugang] zu jenen Gesprächen, Proben und informellen Treffen in Krisenmomenten [hatte], die meist nur dem engsten Kreis der Beteiligten offenstehen. “ 51 Kleinschmidt argumentiert weiterhin bezüglich des Forschungsdesigns: [Q]ualitative Forschungsmethoden [eignen sich] besonders auch für Forschende, die wie ich als Dramaturgin und Tänzerin bereits einen Teil des Feldes bilden, und bieten ihnen ‚ Objektivierungsstrategien ‘ , um sich von der Teilnehmer*innenperspektive zu lösen. Eine weitere dieser Strategien bestand darin, wiederholt „ Theaterperspektive “ und „ Rekonstruktion disparater Teilnehmerperspektiven “ aufeinander zu beziehen. 52 Die Prozesse der Perspektivierung, Assimilierung und auch der eigenen Enkorporierung in das Feld müssen stets kritisch befragt werden, doch gleichzeitig steckt darin auch eine ganz spezifische Qualität der Probenforschung. McAuley beschreibt, dass “ the balance between empathic involvement and disciplined detachment ” 53 die Probenforschung konstituieren und spricht sich dezidiert gegen den Versuch aus, die eigene Beobachter*innenposition zu leugnen. Dementsprechend argumentiert auch Lucas Herrmann in seinem Paper: 47 Methodologische Diskurse der aktuellen Probenforschung Es reicht nicht die bloße Anwesenheit, etwa im Sinne eines Zuschauens, sondern Probenrezeption scheint mit einer Partizipation am künstlerischen Prozess verbunden zu sein. 54 [. . .] Diese Teilhabe am künstlerischen Prozess zieht ihre eigenen methodischen Problematiken nach sich, da neben dem ästhetischen Prozess der Inszenierungsentwicklung auch soziale Prozesse, die die Zusammenarbeit der Probenbeteiligten betreffen, in den Blick geraten. 55 ‚ Going native ‘ : Datenerhebung und Verhalten im Feld Die Methoden der Datenerhebung im Feld der Theaterprobe sowie die Herausforderungen bezüglich des Verhaltens des*r Probenforscher*in im Feld - also ein produktives ‚ Eintauchen ‘ in das Feld samt seiner spezifischen Praktiken und diversen sozialen Dynamiken hinsichtlich eines erkenntnisbringenden, kontrollierten ‚ Going native ‘ - standen während der Arbeitskonferenz in München insbesondere in unserem Interesse. Der Anthropologe Jonas Tinius, der selbst als teilnehmender Beobachter viel auf Theaterproben „ herumhängt “ 56 und auch Teil des Arbeitskollektivs für multiperspektivische Praxisforschung in den Künsten ist, betont in seinem Video-Keynote-Vortrag, dass es in der Theaterprobenforschung nicht die ‚ eine ‘ verbindliche Methode der Feldpraxis gebe, sondern vielmehr eine dynamische, „ sich konstant im Dialog mit einem ‚ Feld ‘ rekalibrierende Ansammlung an Methoden “ . Dies stelle eine generelle Eigenart der Ethnographie dar, denn auch in der Anthropologie, den Sozialwissenschaften oder der Ethnologie werde nicht die immer gleiche, erprobte Methode verwendet. Vielmehr handle es sich im methodologischen Diskurs in der Ethnographie immer mehr um eine „ Herangehensweise, die wiederum diverse Methoden beinhalten kann, wie z. B. die teilnehmende Beobachtung, statistische Erfassung oder audiovisuelle Dokumentation. “ Die große Chance, die die Erforschung von Theaterproben mithilfe von ethnographischen Herangehensweisen birgt, bestehe darin, dass ein Blick in grundsätzlich nicht für die Öffentlichkeit bestimmte Prozesse möglich werde, der den Diskurs über künstlerische Arbeitsweisen und Praktiken sowie die Genealogie bestimmter Ästhetiken aus einer Innensicht weiten und schärfen könne, auch wenn „ eine komplett ‚ objektive ‘ Beschreibung eines künstlerischen Prozesses aufgrund der partiellen Perspektiven und subjektiven Wahrnehmungen aller Teilnehmenden dabei wahrscheinlich nie möglich sein wird oder sollte “ , argumentiert Tinius. In Die Praxis der Feldforschung wird in diesem Zusammenhang beispielsweise auch das Verfahren der „ Intensivierung der Beobachtung “ vorgeschlagen, das nach Möglichkeit - nicht jedes Feld eignet sich dafür - durchgeführt werden kann, um durch Variationen in der Beobachtungshaltung zumindest eine schrittweise Annäherung an eine ‚ objektive ‘ Beobachtung zu tangieren und auch Erkenntnisse über die Beobachtbarkeit des Feldes zu gewinnen. Beobachtungsintensivierung meint hier 1) Wiederholungen von Beobachtungen zu anderen Zeitpunkten durchzuführen - das wäre im Kontext der Theaterproben beispielsweise im Rahmen einer weiteren Probenethnographie eines anderen Probenprozesses möglich, 2) die Mobilisierung des*r Beobachter*in hinsichtlich der ‚ äußerlichen ‘ Position im Feld - beispielsweise könnte zu einem späteren Zeitpunkt in der Beobachtung das gezielte ‚ Shadowing ‘ 57 einzelner Akteur*innen eingesetzt werden - , 3) die Fokussierung auf Teilaspekte in der wiederholten Beobachtung und 4) Seitenwechsel bezüglich eines ‚ innerlichen ‘ Perspektivwechsels. 58 In Anbetracht der ständigen ‚ Neukalibrierung ‘ unterschiedlicher Methoden für 48 Tamara Yasmin Quick unterschiedliche Felder stellt sich nun die Frage, aus welchen Wissenschaftsbereichen methodologische Herangehensweisen für die Theaterprobenforschung adaptiert werden können - wir sprachen in der Abschlussdiskussion sogar von einem „ Wildern “ in anderen Forschungsdisziplinen - und wie trans- und interdisziplinäre Expertisen in die Theaterprobenforschung integriert werden können. Als besonders naheliegend werden neben der teilnehmenden Beobachtung mit Feldnotizen und Probenprotokollen die Methode der dichten Beschreibung nach Clifford Geertz, die Methode des narrativen Interviews und offenen, informellen Gesprächs wie auch Methoden der Audioaufnahme, der Kameraführung, Bildkomposition und des Videoschnitts diskutiert. Die besondere Krux hinsichtlich der Frage, welche Daten eines Probenprozesses nun mit Hilfe welcher Methoden erhoben werden können sowie die damit einhergehenden Schwierigkeiten und Herausforderungen fasst Matzke in Arbeit am Theater zusammen: Für den Theaterwissenschaftler, der einen Probenprozess begleitet, ergeben sich spezifische Schwierigkeiten. Durch die Dauer des Probenprozesses, durch das Fehlen eines klar gesetzten Rahmens potenziert sich die Problematik der Auswahl des Materials. Aber auch der soziale Prozess stellt eine begleitende Analyse in Frage. Die Proben beschränken sich nicht darauf, Aufführungen zu sein. Viele Entscheidungen werden außerhalb des Probenraums getroffen. Noch stärker als in der Aufführung ist der Analysierende mit dem Problem konfrontiert, etwas zu verpassen und niemals einen umfassenden Blick auf den Prozess zu bekommen. Wie die Aufführung ist der Probenprozess in seiner Vollständigkeit unbeschreibbar. 59 Vor diesem Hintergrund ergänzt Roesner in der Abschlussdiskussion, auch korrespondierend zu Tinius, dass eine neutrale und umfassende Form der Dokumentation gar nicht möglich sei, da jede Dokumentation, ob Video, Audio oder ausschließlich in Form von Feldnotizen und daraus erstellten Probenprotokollen, bereits eine Auswahl sei, die Spuren auf dem Datenmaterial hinterlasse. Dies gilt, würde ich ergänzen, vor allem für die diversen ethnographischen Schreibprozesse, die bereits auf der Theaterprobe Spiegelungen epistemologischer Prozesse des Begreifbar- und Begrifflichmachens dessen, was da gerade passiert, darstellen und dadurch wiederum Denkprozesse anregen. In Die Praxis der Feldforschung wird die besondere Herausforderung des ethnographischen Schreibens beschrieben: Die besondere Bedeutung des Schreibens in der Ethnografie liegt [. . .] darin, dass im schreibenden Beobachten zugleich eine sprachliche Erschließung von Phänomenen stattfindet, die noch gar nicht in schriftlicher Form vorliegen, sondern erst durch die Beschreibungen zur Sprache gebracht werden. 60 Die enorme Signifikanz und Notwendigkeit von Feldnotizen für die ethnographische Theaterprobenforschung bestätigen wir einstimmig in unseren Diskussionen. Großmann und ich weisen zusätzlich auf die Vorteile des Führens eines zusätzlichen Probentagebuches 61 hin, das es ermöglicht, die Entwicklungen der Theaterproben in größeren Bögen zu erfassen und Raum für Fragestellungen, Anekdoten, Überlegungen und erste Hypothesen zulässt. Das Führen eines Probentagebuches während der kurzen ‚ Feldausstiege ‘ nach Probenende kann auch dem Befremden der eigenen Person und der eigenen Beobachtungen bereits während des Feldaufenthaltes dienen und ist nach meiner Erfahrung gerade in der Retrospektive nach dem endgültigen Feldausstieg sehr wertvoll zu studieren, da die eigenen Erkenntnisprozesse und schrittwei- 49 Methodologische Diskurse der aktuellen Probenforschung sen sprachlichen Konkretisierungen im Akt der Verschriftlichung wiederum Aufschluss auf die prozessualen Entwicklungen der künstlerischen Produktion einer Inszenierung geben können. Schmidt und Wessel arbeiten zudem, quasi als eine ‚ on the fly ‘ -Sortierung und Katalogisierung des erhobenen Audio- und Videomaterials, bereits während der Theaterprobe mit einer sogenannten Matrix, sodass in tabellarischer Form eine Probensequenz gleich mit Timecode und wenigen beschreibenden Stichpunkten festgehalten werden kann. Das erleichtert die anschließende Datensichtung und Materialauswertung entscheidend. Diese vorläufige Beschreibung des erhobenen Materials bedeutet jedoch nicht, dass die Forschungsfrage schon feststehen muss, da die Matrizen ausschließlich der unmittelbaren, ergänzenden Systematisierung des Materials dienen, nicht jedoch eine generelle Notationsstruktur ersetzen können. Zu Technik und Techniken der Datenerhebung Die Diskussion machte deutlich, dass auch die technischen Anforderungen und Herausforderungen der Datenerhebung im Feld der Theaterprobe nicht zu vernachlässigen sind. Was ist hinsichtlich des Equipments zu beachten, welche praktischen Techniken haben sich als besonders vielversprechend erwiesen, von welchen Tipps aus den Felderfahrungen der Kolleg*innen können wir profitieren? Wessel betont, dass die Auswahl der Dokumentationsmittel, seien es Audioaufnahmegeräte, Kameras oder ein passendes Notizbuch, sehr relevant für das Gelingen des Forschungsvorhabens sein kann. Dabei ist schon vorab zu entscheiden, in welcher Qualität Audio- und Videodaten mitgeschnitten werden sollen, welche Perspektiven eingefangen werden sollen und wie viele Aufnahmegeräte benötigt werden bzw. überhaupt zur Verfügung stehen. Dopplungen als Backups können insbesondere bei eventuellen Datenpannen sehr wertvoll werden. Großmann pflichtet bei und empfiehlt, sich vor dem Feldeinstieg auf jeden Fall ausführlich Gedanken über das Handling der Dokumentationswerkzeuge zu machen, um diese nach Möglichkeit dem Feld anpassen könnte. Maximilian Krug, der u. a. mit Schmidt und Wessel in regelmäßigem Austausch im Rahmen von sogenannten Datensitzungen steht, schreibt dazu in „ Collecting Audio-Visual Data of Theatre Rehearsals “ : Within the theatre setting, researchers must carefully decide when and where to place their recording devices without disturbing the often intimate rehearsal processes or without contributing to the anyway tense time pressure of theatre productions. 62 Schmidt, der hauptsächlich mit Kameradokumentationen arbeitet, weist auf das praktische Faktum hin, dass die meisten technischen Geräte Strom brauchen und deshalb die örtlichen Gegebenheiten bereits vor dem eigentlichen Beobachtungsbeginn überprüft werden sollten. Das betrifft auch Fragen der Positionierung von Kameras und Audioaufnahmegeräten, die eigene lokale Positionierung, die Überprüfung der Speicher- und Akkukapazitäten, des Schreibwerkzeugs - digital wie analog - sowie der Licht- und Akustikverhältnisse im Probenraum. Er empfiehlt darüber hinaus, vorab schon Probeaufnahmen vor Ort zu machen, um gegebenenfalls das Dokumentationssetting zu modifizieren sowie eine Checkliste für den Feldaufenthalt abzuarbeiten, eventuell sogar eine sogenannte Feldtasche zu packen, in der neben Ersatzakkus, Speicherkarten und Ladegeräten auch Verlängerungskabel, Schreib- 50 Tamara Yasmin Quick utensilien und - das fügt Wessel als besonderen ‚ Expert*innentipp ‘ hinzu - Gaffer Tape Platz finden. Roesner kommt auf die Unterscheidung zwischen der Kameraaufzeichnung als „ supplement of memory “ 63 auf der einen Seite und der dezidierten ‚ Kameraethnographie ‘ auf der anderen Seite zu sprechen, wie sie beispielsweise die Filmemacherin Elisabeth Mohn zusammen mit Geesche Wartemann am Helios Theater machte. 64 Das Blickinteresse rückt hier in den Fokus, denn in der Kameraethnographie wird nicht versucht, durch eine Totale eine möglichst lückenlose und ‚ objektive ‘ audiovisuelle Dokumentation vorzunehmen. Vielmehr wird durch das Auswählen von Bildausschnitten schon im Feld eine audiovisuelle Interpretation der Theaterprobe ‚ geschrieben ‘ , die die Beobachter*innenposition miterzählt. Zum Stichwort Bildauswahl und Perspektivierung der videographischen Dokumentation von Theaterproben wirft Ekaterina Trachsel ein, dass auch eine Vogelperspektive in manchen Fällen sehr aufschlussreich sein kann. Überhaupt sei es heute in einem Zeitalter der Digitalisierung und des stetigen technischen Fortschritts keine unüberwindbare Herausforderung mehr, ungewöhnliche Kameraperspektiven hervorzubringen, beispielsweise mit Hilfe von GoPros und Mobiltelefonverknüpfungen. Ebenso wichtig wie die qualitative Datenerhebung im ethnographischen Theaterprobenforschungsprozess ist deren Speicherung und systematische Katalogisierung. Es muss geklärt werden, zu welchem Zweck die Daten erhoben werden, was sie leisten müssen. Dienen sie ausschließlich als Erinnerungsstütze oder werden sie als Primärquelle weiterverarbeitet und womöglich sogar veröffentlicht? Welches Dateiformat und welche Qualität sind für die weitere Verarbeitung notwendig oder gewünscht, und wie werden sie zur erleichterten Sichtung und Auswertung sortiert? Schmidt empfiehlt hierfür ‚ sprechende Namen ‘ bei der Abspeicherung des Materials. Ich selbst berichte, dass ich für jeden Probenprozess ein intuitiv verständliches Benennungssystem der Einzeldaten entwickelt habe, das meist das zeitliche Datum und ein Kürzel der Art der Probe beinhaltet sowie einen kurzen Hinweis auf die Beteiligten gibt. Das haptische Hantieren mit der Kamera, dem Audioaufnahmegerät oder den Schreibutensilien im Feld, die allabendlichen Speicherungs- und Benennungsprozesse, die Transkription von Feldnotizen sowie auch das Verfassen eines Probentagebucheintrags dienen zudem der Reflexion der verwendeten Forschungspraktiken und der Rekapitulation der ästhetischen und sozialen Probengeschehnisse während des Feldaufenthaltes und setzen Prozesse der eigenen Befremdung in Gang. Dieses ständige Changieren zwischen ‚ going native ‘ und (temporärem) ‚ coming home ‘ , Teilnahme und Distanz sei vor allem deshalb so entscheidend für den ethnographischen Probenprozess, da die Ethnographie [. . .] in erster Linie eine Art von Forschung [ist], die ‚ in der Anwesenheit und mit denjenigen Menschen ‘ stattfindet, über deren Leben und Praktiken man forscht; und nicht nur eine Erforschung der Objekte, Texte, oder Praktiken, die sie produzieren oder hervorbringen, 65 betont Tinius. Deshalb ist die Transparenz der Forschungspraktiken dem Feld gegenüber nicht nur eine Frage des Respektes, sondern auch eine Frage der Ethik, der Moral und des Vertrauens. Als Theaterprobenforscher*innen bekommen wir exklusive Einblicke in intime und fragile künstlerische Prozesse und erheben sensible personenbezogene Daten, die grundsätzlich nicht von den Künstler*innen zu trennen sind. Nicht nur, da durch die neue Europäische Datenschutzgrundverordnung seit Mai 2018 das Thema Datenschutz in den Köpfen präsen- 51 Methodologische Diskurse der aktuellen Probenforschung ter ist und die Menschen für die Frage, welche Daten über sie gesammelt und gespeichert werden, sensibilisiert wurden, ist ein offener Umgang mit dem erhobenen Datenmaterial innerhalb des Feldes unumgänglich. Im Diskurs mit den Beteiligten über Probenprozesse und die unterschiedlichen Beobachtungen und Wahrnehmungen setzen neue Erkenntnisprozesse auf beiden Seiten ein, die sowohl die künstlerische als auch die wissenschaftliche Arbeit anregen können. Dabei müsse die eigene Beobachter*innenposition aber stets kritisch hinterfragt werden, denn: „ Das Theater ist ein Feld, das hoch reflexiv ist, und die Theatermacher wissen meist sehr genau, was sie da machen “ , warnt Husel. Die Gefahr hinter der großen Chance des persönlichen, interaktiven Feldkontakts bestehe laut Husel darin, die Außenperspektive zu verlieren und am Ende womöglich nur noch das zu sehen, was die Theatermacher*innen in ihrer Arbeit sehen (wollen). Um dieser Gefahr zu entgehen, sei zum einen die bereits mehrfach betonte eigene Befremdung unerlässlich, zum anderen könne dies aber auch durch disziplinäre und transdisziplinäre ‚ Datensitzungen ‘ - dazu noch genauer im Folgenden - mit feldfremden Kolleg*innen aufgefangen werden. ‚ Coming home ‘ : Feldausstieg und Datenverarbeitung „ Nach der Forschung ist vor der Forschung “ , so könnte man die Prozesse der ethnographischen Theaterprobenforschung auch beschreiben, denn auf den Feldausstieg folgt die Sichtung, Aufarbeitung, Auswahl, Analyse, Auswertung und schließlich die Präsentation der Forschungsdaten. Im Folgenden möchte ich mich den Dokumenten der Theaterprobenforschung, den multiplen Transformations-, Übersetzungs- und Schreibprozessen der Theaterprobenforschung vor dem Hintergrund der Hervorbringung unterschiedlicher Narrative, den Methoden der Datenanalyse, auch hinsichtlich der Verwendung von QDA-Software, und schließlich dem ethnographischen Format der Datensitzungen widmen. Die Dokumente der Probenforschung „ Dokumente sind immer auch Dokumente einer Bemühung. Sie dokumentieren eine Interpretations- und Aufzeichnungsleistung. “ , betont Großmann. Dabei seien Dokumente immer etwas „ Gemachtes “ , sagt sie weiterhin mit Verweis auf Daniela Hahns Sammelpublikation Beyond Evidence. Das Dokument in den Künsten 66 . Denn Schriftstücke - wir haben bereits über Feldnotizen, Probenverlaufsprotokolle, Probentagebucheinträge und systematisierende Matrizen gesprochen - , Fotos - vom Probenraum oder dem Dokumentationssetting - und audiovisuelle Mitschnitte - Videound/ oder Audioaufnahmen der Theaterproben, audio(visuell) begleitete Interviews oder offene Gespräche mit den Beteiligten - seien nicht per se ‚ Dokumente ‘ , sondern müssen erst als solche definiert werden. Doch wer erstellt diese Dokumente der Probenforschung? Und was wird letztendlich aus der Theaterprobe als Dokument in den wissenschaftlichen Diskurs und die forschende Praxis herausgetragen und als Dokument bezeichnet? Wie und wann entstehen die Theaterproben-Dokumente, welche Prozesse stellen die Voraussetzung dafür dar? Anhand welcher Art von Dokumenten werden letztendlich die Analysen und Auswertungen in der wissenschaftlichen Aufbereitung gemacht? Mit den Primärdokumenten, mit sekundär daraus hergestellten Transkriptionen, oder anhand sogenannter Fallkollektionen, wie dies z. B. beim interaktionsanalytischenmultimodalen Zugang von Schmidt vorgeschlagen wird? 52 Tamara Yasmin Quick Schmidt empfiehlt, zunächst grundlegend zu unterscheiden zwischen ‚ Felddokumenten ‘ und ‚ Dokumenten des Feldes ‘ , das heißt Dokumenten, die das Feld selbst herstellt und so meist aus einer künstlerischen und intrinsischen Perspektive Auskunft über den Probenprozess und auch die spätere Aufführung geben. Großmann bezeichnet diese in der Diskussion auch als Dokumente, die als Teil des Probenprozesses entstanden sind und diesem quasi inhärent sind, wie z. B. das Regiebuch. Diesen ‚ Dokumenten des Feldes ‘ fallen andere Funktionen zu als den ethnographisch erstellten ‚ Felddokumenten ‘ . Sie entstehen aus einem anders perspektivierten Erkenntnisinteresse und weisen somit auch andere Leerstellen oder blinde Flecken auf als die ‚ Felddokumente ‘ , woraus sich produktive und erkenntnisreiche Reibungspunkte ergeben können. Eine Sammlung aller zur Verfügung stehender Dokumente, die im Rahmen eines Probenprozesses entstehen, sollte deshalb nicht auf Grund voreiliger Entscheidungen über die Forschungsfrage und Quellenauswahl verpasst werden. Besonders komplex, aber auch vorteilhaft, kann die Forscher*innenposition in diesen Zusammenhang werden, wenn eine Doppelrolle zu leisten ist, z. B. als Dramaturg*in / Performer*in / Kurator*in ‚ und ‘ als Wissenschaftler*in. Husel betont, dass wir uns bei der Arbeit mit Felddokumenten immer darüber im Klaren sein müssen, dass wir als wissenschaftliche Beobachter*innen der Theaterprobe im Moment der Datenerfassung zu Autor*innen werden, die starke Setzungen durch die Auswahl, was dokumentiert wird, vornehmen. Korrespondierend dazu schrieb ich in meinem Konferenzpaper „ Die Probe als epistemologischer Möglichkeitsraum? “ 67 : Schon im Moment der allerersten Verschriftlichung von nicht-sprachlichen Ereignissen auf der Probe in Sprache in Form von Feldnotizen passiert ein Transformationsprozess, der ein eigenes Narrativ 68 hervorbringt, denn der mediale Wechsel des Kommunikationskanals von einem nichtsprachlichen, flüchtigen Probenmoment in ein dokumentierbares, bleibendes Schriftstück geht nicht ohne einen „ multiplen Übersetzungsprozess “ 69 und eine Interpretation der wahrgenommenen Ereignisse in das diverse Medium Sprache einher. 70 Weiterhin wird in Die Praxis der Feldforschung beschrieben: Ethnografen [. . .] wechseln von der körperlichen Teilhabe und der Mündlichkeit [bzw. auch von nonverbalen, visuellen oder akustischen Prozessen] zur Schriftlichkeit, von der Interaktion Vieler zu einer einsamen Interaktion mit den eigenen Notizen. 71 Und McAuley in „ Towards an Ethnography of Rehearsal “ : There is no way to present the process, whether in print or on film, without transforming it into a story of some kind [. . .], there is no such thing as a neutral frame or a story without point-of-view. Whatever narrative point of view is adopted is inevitably going to influence the interpretation and colour the analysis. 72 Matzkes Begriff der „ Polyperspektivität des Probens “ 73 kommt hier wieder zum Tragen, da jeglicher Versuch, Proben zu beschreiben und zu analysieren, unvollständig bleiben muss. „ [D]as Verhältnis der Gegenwart des Prozesses und der Nachträglichkeit der Beschreibung [beinhaltet] immer Auswahl und Ausschluss [. . .]. “ 74 Die verschiedenen Zeitkonzepte, die innerhalb von Theaterproduktionen wirken - der Probenzeitraum, Wiederholvorgänge auf Proben, die Aufführung als flüchtige Zeitkunst, vertragliche Arbeitszeiten, die innerhalb der begrenzten Produktionszeit und der Spielpläne eingehalten und disponiert werden müssen 75 - , beziehen 53 Methodologische Diskurse der aktuellen Probenforschung sich somit auch auf eine Achronologie, die in der Probenforschung vorliegt. 76 Mit Hahn gesprochen, „ verschiebt sich der Fokus von der Frage, ‚ was ‘ Dokumente zeigen, auf die Frage danach, ‚ wie ‘ Dokumente zeigen. “ 77 Dokumente „ stiften [nicht nur] einen Bezug zur Wirklichkeit, vergegenwärtigen ein (vergangenes) Ereignis und stellen Evidenzen her “ , 78 was vor dem Hintergrund des in der Theaterwissenschaft vorherrschenden Derrida'schen Wiederholungsbegriffs eine unbedingte Voraussetzung für die wissenschaftliche Erforschung flüchtiger Theaterproben darstelle, 79 sondern gäben vor allem auch Zeugnis darüber ab, wer die Dokumente erstellt und mit welchen „ Versprechen ein Dokument gemacht werde “ 80 , so Großmann. Schmidt betont des Weiteren, dass wir uns bei der Analyse der Probendokumente immer im Klaren darüber sein müssen, dass nicht das flüchtige Probenmoment analysiert wird bzw. werden kann, sondern das ‚ Datum ‘ , das zu Rekonstruktionszwecken generiert worden ist, den eigentlichen Analysegegenstand darstellt. Das bedeutet, dass beispielsweise das Probenvideo, die Audioaufnahme oder das Transkript in Dialog mit der eigenen Erinnerung, Memos, Aussagen der Beteiligten und Dokumenten aus dem Feld analysiert wird, nicht jedoch die Probe per se. Dieses Bewusstsein sei wichtig für einen reflektierten Umgang mit den Dokumenten. Schreibprozesse in der Probenforschung Mehrstufige Schreibprozesse stellen das zentrale Moment der Theaterprobenforschung dar, da sie sich durch alle Forschungsschritte ziehen: das Schreiben von Feldnotizen auf der Probe, das Erstellen von Probenverlaufsprotokollen und „ Beschreibungen “ 81 aus den Feldnotizen heraus sowie das Verfassen von Probentagebucheinträgen nach den Proben, Transkriptionsvorgänge von Audio- und Videomaterial nach dem Probenprozess, das Verfassen von Memos und die Verschriftlichung von Fragestellungen und Hypothesen im Analyseprozess, und schließlich die Literarisierung zur wissenschaftlichen Veröffentlichung der Forschungsergebnisse. Dabei ist all diesen Schreibmomenten eines gemein: Sie stellen Erkenntnisprozesse dar, denn die Verbalisierung von multimedialen, flüchtigen Phänomenen, wie sie auf Theaterproben zu beobachten sind, in Sprache, d. h. deren ‚ Begrifflich-Machung ‘ , steht meines Erachtens nach gleichzeitig auch für die Prozesse eines ‚ Begreifbar-machens ‘ durch ein ‚ In-Worte-fassen ‘ . Ludwig Wittgenstein schreibt der Sprache eine entscheidende Rolle bei der Definition von Verständnisgrenzen zu, denn an Stellen, an denen die Sprache versagt, ende auch die Sinnhaftigkeit des Gedachten. 82 Benennungsvorgänge können meiner Meinung nach in diesem Verständnis als Beschreibungs- und Kategorisierungsvorgänge verstanden werden, denen etwas ‚ Eroberndes ‘ anheim ist. Neues Wissen aus der Theaterprobe wird in diesem übertragenen Sinne ‚ erobert ‘ und durch Schreibprozesse zugänglich gemacht. Großmann spricht auch von einem „ Erschreiben der Probe “ im Feld. 83 So lassen sich womöglich aus den Feldaufzeichnungen heraus Rückschlüsse auf Findungsprozesse innerhalb des Probenprozesses und des Forschungsprozesses schließen, da künstlerische wie soziale wie wissenschaftliche Erkenntnisprozesse auch anhand einer ‚ Begriffsfindungsentwicklung ‘ nachvollzogen werden können. Schreibprozesse können (nicht nur, aber ganz besonders auch in der ethnographischen Theaterprobenforschung) als ‚ epistemologische Schreibprozesse ‘ beschrieben werden, auch korrespondierend zu Hirschauers Formulierung des „ Ruminierens “ 84 als schreibendes und intensivierendes Memorieren. Wessel ergänzt, 54 Tamara Yasmin Quick dass es zudem aufschlussreich sein kann, auf einer Metaebene zu untersuchen, wie sich die eigenen Analysetexte, die dann im Auswertungsprozess entstehen, im Laufe der Zeit verändern und somit auch Konkretisierungsprozesse der eigenen Forschungsfrage nachzeichnen. Mitglieder des Arbeitskollektivs für multiperspektivische Praxisforschung in den Künsten beschreiben darüber hinaus ihre kollektiven Schreibübungen, mit denen die unterschiedlichen Vorstellungen abgleichbar werden, die unterschiedliche Leser*innen von Verschriftlichungen haben. Ein Text werde dann in die Gruppe gegeben mit unterschiedlichen ‚ Übungsaufgaben ‘ wie beispielsweise der Wechsel in ein anderes Tempus oder einen anderen Modus, um dann im Kollektiv zu diskutieren, was es mit dem Text macht, wenn dieser beispielsweise plötzlich im Konjunktiv formuliert ist. Clemens Risi ergänzt, dass auch die Übersetzung in eine andere Sprache manchmal helfen könne, um Texte inhaltlich zu schärfen. Reflexions- und Befremdungsprozesse im disziplinären Austausch auch während aktiver Schreibphasen stellen zentrale Korrektivmomente in der Ethnographie dar, fasst Husel zusammen. Möglichkeiten der Datenverarbeitung und Veröffentlichung Nach der Materialsichtung und -auswahl sowie, falls notwendig, der Aufbearbeitung von Primärdokumenten in Sekundärdokumente in Form von Transkripten oder geschnittenen Audio- und Videosequenzen, stellt sich die Frage nach geeigneten methodologischen Herangehensweisen zur Analyse dieser Dokumente. Bisher haben sich hierfür Sequenzanalysen, die qualitative Inhaltsanalyse nach Mayring 85 und v. a. die Grounded Theory 86 durchgesetzt, die mir persönlich durch ihre zyklische Dynamik und ihre durchgängig induktive Herangehensweise im Codieren sehr passend zur Analyse von Theaterarbeit zu sein scheint, da sie in ihrer Offenheit, ihrem stetigen Modus des Werdens, Suchens, Vergleichens und Neuüberprüfens fast wie ein Äquivalent zur Probenarbeit wirkt. Ein mehrstufiges induktives Codierverfahren kann durch das Material leiten und sowohl die Forschungsfrage aus dem Feld und den daraus erstellten Dokumenten formulieren, als auch Theorien daraus ableiten und schließlich zur Beantwortung der Forschungsfrage führen. Parallel zum Codieren und Subcodieren werden Memos verfasst, die Fragen, Hypothesen und Zwischenerkenntnisse innerhalb des Forschungsprozesses kommentieren. Schmidt pflichtet bei, dass die offenen Codierverfahren der Grounded Theory für ethnographische Forschungsdesigns sehr fruchtbar sein können, da die schrittweise Fokussierung aus dem Material heraus die Erkenntnisprozesse während der Auswertung mitvollziehen kann; das stellt einen großen Vorteil dieser Methodologie im Vergleich zu deduktiveren Analysemethoden dar. Denn die Fragen und Hypothesen würden im Laufe der Zeit „ immer spezifischer, da man aus dem Material heraus lernt, immer mehr weiß und daraus Interessen entwickelt “ , so Schmidt. QDA-Software Roesner warf auch die Frage nach geeigneter Software auf, welche die Datenauswertung möglicherweise erleichtern könnte, sei es bei der Transkription von Audio- und Videomitschnitten, bei der Synchronisierung multimodaler Dokumente und Zusammenstellung im Rahmen von Fallkollektionen oder bei der Codierung und Analyse von Schriftstücken. Wessel und Schmidt haben in diesem Bereich bisher die meiste Expertise 55 Methodologische Diskurse der aktuellen Probenforschung innerhalb unserer Konferenzgruppe entwickeln können. So berichtet Wessel von ihren Erfahrungen mit den Programmen f4 transkript, f4 analyse und MAXQDA: f4 nutze ich zum Transkribieren, teilweise auch zum Codieren, aber eher als Zwischenschritt. Zur Sortierung und Organisation empfehle ich MAXQDA, da darin auch die lexikalische Suchfunktion nach einzelnen Wörtern sehr hilfreich ist. Zudem können auch Videodateien hochgeladen werden. Es ist sehr wichtig, sich Gedanken darüber zu machen, welche Programme für das je spezifische Forschungsvorhaben helfen können und was diese für mich leisten sollen. Unbedingt zu beachten ist auch, dass die Transkripte aus der Analysesoftware dann auch wieder exportiert werden müssen. 87 Schmidt verweist weiterführend auf die Website des Leibniz-Instituts für deutsche Sprache in Mannheim, auf der noch weitere Programme für den qualitativen Forschungsprozess besprochen werden, wie z. B. FOL- KER 88 , das am Institut entwickelt worden ist und von Schmidt auch persönlich zur Transkription genutzt wird. In einigen Programmen ist mittlerweile auch eine Spracherkennungssoftware integriert, die bei Transkriptionen helfen kann. Diese sei jedoch noch nicht ganz ausgereift und noch ungenau, sodass die anschließende Korrekturphase die Zeitersparnis wieder aufwiege, warnt Wessel. Nicht unterschätzt werden solle auch der körperliche Vorgang des Transkribierens, betont Wessel weiterhin, denn dadurch erschließe sich das Material nochmal auf eine ganz andere Weise, „ wenn es einmal komplett durch die eigenen Finger läuft “ . Datensitzungen: Dynamiken des Befremdens In Momenten, in denen ein implizites, schon unterbewusst gewordenes Wissen aus dem Theaterprobenprozess in Frage gestellt wird, beispielsweise in der Diskussion der Dokumente mit feldfremden Kolleg*innen im Rahmen von Datensitzungen, können sich weitere Spezifika hinsichtlich ästhetischer, prozessualer oder interaktiver Dynamiken der sozialen Wirklichkeit des Theaterprobenprozesses offenbaren, deren größtes Potenzial darin besteht, eigene blinde Flecke aufzudecken sowie die eigene Perspektive auf das Material zu variieren. Cordula Schwarze beschreibt in Formen und Funktionen von Topoi 89 die kollektive Arbeitsmethode einer Datensitzung als [. . .] einen methodisch kontrollierten Prozess, in dem Fragen aus der Auseinandersetzung mit dem Material in Expertengruppen diskutiert werden. Diese Gruppe löst in der Sitzung kriteriengeleitet, kommunikativ und zielorientiert gemeinsam eine Aufgabe. Das Kennzeichen von Datensitzungen [. . .] sind zum einen der ungeschützte Umgang mit dem Material und zum anderen das der Gesprächsanalyse gemeinsame sequenzanalytische Vorgehen unter verschiedenen Fragestellungen. 90 Ergänzend dazu formuliert Husel: Das Kunststück, das Praxis-Theoretikerinnen [. . .] leisten müssen, besteht einerseits darin, die Praxis nicht abstrakt/ theoretisch zu überfrachten, sie aber andererseits auch nicht aus einer unreflektierten Teilnehmerperspektive nachzuerzählen. Hierbei treffen sich die Ansprüche von Praxistheoretikern mit denen von Ethnographinnen - und in beiden Fällen bietet sich ein Verfahren an, das sowohl zu intensiver Verwicklung, wie auch zu emphatischer Distanzierungs- und Befremdungsleistung bereit ist. 91 Husel konstatiert weiter, dass Datensitzungen das A und O in der ethnographischen Forschung seien, denn darin werde das Material immer wieder kalibriert. Die Rückmeldung der Kolleg*innen diene als Kor- 56 Tamara Yasmin Quick rektiv und helfe, die Offenheit gegenüber dem Material nicht abzulegen, da so immer wieder reflexive Prozesse des Befremdens in Gang gesetzt würden, die eine Qualität ethnographischen Arbeitens seien. Dabei werde auch der gesamte Forschungsprozess transparent gemacht und mitreflektiert. Auch Wessel kann bereits auf mehrere Datensitzungen mit weiteren Kolleg*innen - u. a. mit Axel Schmidt, Monika Messner und Maximilian Krug - zurückblicken und beschreibt: Die Ausschnitte, die in den Datensitzungen besprochen werden, sind meist sehr kurz und detailfokussiert. Das müssen nicht nur Videodaten, sondern können auch Audiomitschnitte, Feldnotizen oder anderen Formen der Verschriftlichung von Felddaten sein. Über diese kurzen Ausschnitte diskutieren wir 90 bis 120 Minuten im Plenum unter einer bestimmten Fragestellung, die von den Datengeber*innen vorbereitet wird. Wenn die Fragestellung sehr konkret ist, kann sehr detailliert an und mit den Daten gearbeitet werden. Dabei ist es sehr fruchtbar, nochmal eine Fremdperspektive auf sich wirken zu lassen. 92 Schmidt kontextualisiert Wessels Beschreibung weiter durch den Hinweis, dass es sich bei dieser Art von Datensitzung um eine Arbeitsmethode aus der Konversationswissenschaft handelt. Es gebe allerdings ganz unterschiedliche Herangehensweisen an Datensitzungen. Beispielsweise könnten diese auch vollkommen interdisziplinär und heterogen durchgeführt werden. Das Format sei davon abhängig, was man sich von so einer Datensitzung erhofft. Immer sei es jedoch entscheidend, dass der/ die Datengeber*in die Diskussion in Bezug auf die Fragestellung der Sitzung gezielt lenke. #In der Diskussion wurde auch angesprochen, dass es sich bei der Probenforschung offensichtlich um ein Thema handelt, das Erfahrungen und eine gewisse Expertise fordert. Die Fragestellungen, der disziplinäre Kontext und die Auswahl der Datensitzungsgruppe sei daher genauso entscheidend wie eine gezielte Auswahl des Materials. Eine Dokumentation der Datensitzung in Form eines Protokolls oder einer Audioaufzeichnung habe sich darüber hinaus als sehr sinnvoll erwiesen, um mit den Erkenntnissen aus der Sitzung anschließend produktiv weiterarbeiten zu können. Möglichkeiten der wissenschaftlichen Veröffentlichung Wie können nun aber die Ergebnisse aus diesen vielschrittigen Analyseverfahren zu einem wissenschaftlichen Text literarisiert werden? Gibt es alternative Publikationsformate, die auf die Spezifika der Theaterprobenforschung reagieren? Braucht die Theaterprobenforschung vielleicht sogar andere Formate des Schreibens und Präsentierens, wie beispielsweise eine Mediendissertation? Roesner weist auf die Grundproblematik der Theaterwissenschaft hin, dass wir es bei Aufführungen wie auch bei Theaterproben mit Gegenständen bzw. Forschungsfeldern zu tun haben, die sich nicht ausschließlich sprachlich artikulieren, sondern durch viele verschiedene Sinne wahrgenommen werden können und müssen. Von Karl Heinz Hörning wird in Experten des Alltags. Die Wiederentdeckung des praktischen Wissens pointiert: „ Wenn aber Sprache als zentrales Ausdrucks- und Verständnismittel in den Hintergrund rückt, haben wir (als Praktiker) das Problem, diese Alltagspraktiken ‚ zum Sprechen ‘ zu bringen [. . .]. “ 93 Großmann berichtet von ihren Erfahrungen mit einer Online-Publikation, die die Integration von Anschauungsmaterial leichter ermöglichte als eine Printvariante - es gehe ja auch immer um eine adäquate „ Inszenierung des Materials “ . Eine sich im englischsprachigen Raum langsam verbrei- 57 Methodologische Diskurse der aktuellen Probenforschung tende Möglichkeit, den Leser*innen multimediales Forschungsmaterial auch im Rahmen einer Printpublikation zugänglich zu machen, bestehe in einem Link oder QR- Code, der im Buch abgedruckt werde und zu einer Website mit zugehörigem Anschauungsmaterial zur Printpublikation führe, ergänzt Roesner. Schmidt argumentiert hinsichtlich der wissenschaftlichen Schreibprozesse, dass es einen großen Unterschied mache, ob man Beobachtungen verbalisiere - das passiere eher in einem Vergangenheitsmodus, da diese Beobachtungen im Feld vollzogen worden sind - oder ob man Transkripte, Audio- oder Videoaufnahmen beschreibe, die dem*r Wissenschaftler*in präsent vorliegen - diese würden eher in einem Gegenwartsmodus formuliert werden. Eine weitere Herausforderung bestehe laut Schmidt darin, dass man häufig dazu tendierte, „ intentionalistisch “ zu schreiben, also den Handlungen der beobachteten Personen eine Intention zuweisend, ohne jedoch zu prüfen, ob diese Intention in der jeweiligen Situation tatsächlich der Aktion zu Grunde lag. Diese stilistischen Gefahren seien unbedingt in den Formulierungen wissenschaftlicher Publikationen über ethnographische Forschungsdesigns zu beachten. ‚ Recycling ‘ des erhobenen Materials? In Zeiten, die von Nachhaltigkeitsdebatten einerseits und datenschutzrechtlichen Neuerungen andererseits geprägt sind, stellt sich natürlich auch im theaterwissenschaftlichen Kontext die Frage nach dem Umgang mit dem erhobenen Datenmaterial aus ethnographischen Forschungsdesigns. Lucas Herrmann, der Probendokumentationen bereits für die Akademie der Künste Berlin durchgeführt hat, mit dem erklärten Ziel, diese zu archivieren, stellt zur Diskussion, ob Probenmaterial nicht vielleicht generell auch für andere Wissenschaftler*innen eine interessante Quelle sein könnte und Probendokumente womöglich in einem zentralen Archiv aufbewahrt werden sollten, um sie anderen Wissenschaftler*innen oder auch Künstler*innen und Biograph*innen zugänglich zu machen. Cordelia Chenault pflichtet bei, dass der Wert des erhobenen Materials unschätzbar für die Wissenschaftsgemeinde wäre. Allerdings handelt es sich bei jedem einzelnen Forschungsprojekt bereits um Datenmassen, die auch Platz fordern, so ein Einwand. Wo wäre ein zentraler Ort? Wer hätte Interesse an einer Sammlung, analog zu z. B. der Initiative für die Archive des freien Theaters e. V. 94 Dies ziehe des Weiteren aber auch rechtliche Herausforderungen 95 nach sich, da mit der potenziellen Weitergabe an Dritte die Kontrolle über das Material aus den Händen gegeben würde, warnt Schmidt. Über ein System zur Limitation und Kontrolle des Zugangs und der Weitergabe der Originaldaten müsste dringend nachgedacht werden, um die Theaterkünstler*innen und auch die Theaterprobenforschung rechtlich zu schützen. Ausblick Das Theater ist ein sich stetig veränderndes, fortentwickelndes und zugleich in höchstem Maße pluralistisches Feld, sowohl ästhetisch und institutionell, als auch bezüglich der Produktionsprozesse und -verhältnisse. So muss sich eine ethnographisch ausgerichtete Theaterprobenforschung hinsichtlich ihrer methodologischen Herangehensweisen ebenso flexibel gestalten, um sich dem jeweiligen Feld assimilieren zu können. Denn, wie auch Breidenstein et. al. für sämtliche ethnographische Forschungsdesigns zusammenfassen: [Eine] Forschungsstrategie lässt sich nur bedingt methodisieren. Gefordert ist viel- 58 Tamara Yasmin Quick mehr eine Sensitivität, der sich die ethnografische Vorgehensweise unterordnet: Mit ihr reagieren Beobachter flexibel und anpassend auf die Erfordernisse ihres Feldes und dessen Teilnehmer. 96 Im Rahmen der Münchner Arbeitskonferenz „ Methodologische Diskurse der aktuellen Probenforschung “ konnten wir im Plenum viele bereits erprobte Möglichkeiten der methodologischen Herangehensweise bei der Erforschung von Theaterproben diskutieren, von den Erfahrungen der Kolleg*innen lernen und profitieren und unser junges Forschungsfeld gemeinsam in einer produktiven, konstruktiven und sehr kollegialen Atmosphäre und vielen Gesprächen reflektieren und sondieren. Als ein Ergebnis der Konferenz können wir nun einen aktuellen Forschungsstand dieser praxeologisch ausgerichteten Disziplin innerhalb der Theaterwissenschaft als eine strukturierte Zusammenführung und Diskussion der zentralen Fragen, die sich Probenforschende zu stellen haben, als einen Zwischenbericht vorstellen. Die Betonung liegt hier bewusst auf der Vorläufigkeit und dem ‚ Work-in-Progress ‘ des methodologischen Diskurses. Es soll und kann keine Methode oder ‚ best-practice ‘ als finale Lösung definiert werden. Die kollektive Forschungsleistung der Theaterprobenforschung wird auch in Zukunft weiterhin darin bestehen, gezielte Leitfragen zur jeweils eigenen Methodenfindung zu generieren und ein offenes Modell methodologischer Herangehensweisen zu entwickeln, das dem Forschungsfeld gerecht wird. Anmerkungen 1 Forschungsarbeiten und Veröffentlichungen umfassen u. a. Annemarie Matzke, Arbeit am Theater. Eine Diskursgeschichte der Probe, Bielefeld 2012; Stefanie Husel, Grenzwerte im Spiel, Bielefeld 2014; Katarina Kleinschmidt, Artistic Research als Wissensgefüge. Eine Praxeologie des Probens im zeitgenössischen Tanz, München 2018; Alex Flynn und Jonas Tinius (Hg.), Anthropology, Theatre, and Development: The Transformative Potential of Performance, Basingstoke und New York 2015; Jonas Tinius, „ Art as Ethical Practice: Anthropological Observations On and Beyond Theatre “ , in: World Art 7/ 2 (2015), S. 227 - 251, Jonas Tinius, „ Was für ein Theater! Überlegungen zum Spielfeld zwischen ethnographischer Praxis und performativer Kunst “ , in: Berliner Blätter. Ethnographische und Ethnologische Beiträge, 68 (2015), S. 30 - 42; Cordelia Chenault, Beyond Regietheater: The Oper Frankfurt Behind the Curtain, 1979 - 2015, Stony Book University New York 2016; Lucas Herrmann, Die Dokumentation von Theaterproben. Eine interdisziplinäre Methodenreflexion, Universität Hildesheim 2018; Ja š Otrin, Proben am Theater als ‚ On the job ‘ -Personalentwicklungsmaßnahmen, Ludwig-Maximilians- Universität München 2019; aktuelle Promotionsprojekte werden u. a. von Lisa Großmann an der Universität der Künste Berlin, Maximilian Krug an der Universität Duisburg-Essen, Rahel Leupin an der Roskilde Universitet in Dänemark, Anna Königshofer an der Leuphana Universität Lüneburg, Monika Messner an der Paris-Londron-Universität in Salzburg, Tamara Yasmin Quick an der Ludwig-Maximilians-Universität München und Anna Wessel an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg durchgeführt. 2 Melanie Hinz und Jens Roselt (Hg.), Chaos und Konzept: Proben und Probieren im Theater, Berlin 2011. 3 Melanie Hinz und Jens Roselt, „ Poetiken des Probierens “ , in: Hinz und Roselt (Hg.), Chaos und Konzept, S. 8 - 13, hier S. 8. 4 Lucas Herrmann, „ Vom methodischen Umgang mit Rahmungsstrategien bei der Probendokumentation “ , Paper zur Arbeitskonferenz Methodologische Diskurse der aktuellen Probenforschung, München 2019. 5 Vgl. Hajo Kurzenberger, Der kollektive Prozess des Theaters: Chorkörper - Probengemeinschaften - kollektive Kreativität, Bielefeld 2009, S. 9. 59 Methodologische Diskurse der aktuellen Probenforschung 6 Herrmann, „ Vom methodischen Umgang mit Rahmungsstrategien bei der Probendokumentation “ , S. 7. 7 Kurzenberger, Der kollektive Prozess des Theaters, S. 7, 10. 8 Ebd., S. 13, 16. 9 Ebd., S. 16. 10 Kleinschmidt, Artistic Research als Wissensgefüge. 11 Ebd., S. 76 f. 12 Gay McAuley, Not Magic But Work: An Ethnographic Account of a Rehearsal Process, Nachdruck, Manchester 2012. 13 Matzke, Arbeit am Theater, S. 281. 14 Vgl. dazu auch das von Barbara Gronau als Sprecherin geleitete DFG-Graduiertenkolleg Das Wissen der Künste an der Universität der Künste Berlin, https: / / www.udk-berlin. de/ forschung/ temporaere-forschungseinrichtungen/ dfg-graduiertenkolleg-das-wissen-der-kuenste/ [Zugriff am 17. 09. 2019]. 15 Matzke spricht hier von der „ Einübung körperlicher Praktiken im Sinne eines ‚ performativen Wissens ‘“ , vgl. Matzke, Arbeit am Theater, S. 281. 16 Hinz und Roselt, „ Poetiken des Probens “ , S. 11. 17 Bettina Brandl-Risi und Clemens Risi, Keynote-Vortrag „ Probenprozesse in der Oper als Szenarien der Hervorbringung von Wissen über zukünftige Aufführungen. Methodische Heraus- und Anforderungen “ bei der Arbeitskonferenz Methodologische Diskurse der aktuellen Probenforschung, München 2019. 18 Matzke, Arbeit am Theater, S. 88. 19 Mein besonderer Dank gilt den Beteiligten der Arbeitskonferenz - Bettina Brandl-Risi, Cordelia Chenault, Dominik Frank, Lisa Großmann, Lucas Herrmann, Stefanie Husel, Katarina Kleinschmidt, Ja š Otrin, Clemens Risi, David Roesner, Axel Schmidt, Anne Schuh, Jonas Tinius, Ekaterina Trachsel, Anna Volkland und Anna Wessel - für ihre Expertise und ihre Offenheit, diese disziplinär und interdisziplinär zu teilen. Die folgenden Zitationen, jeweils namentlich ausgewiesen, entstammen allesamt der Abschlussdiskussion am 6. April 2019, wenn nicht anders gekennzeichnet. Die gedankliche Arbeit der Beteiligten dieser Arbeitskonferenz bildet im Sinne eines Kollektivprozesses die Grundlage des vorliegenden Artikels. 20 Matzke, Arbeit am Theater, S. 113. 21 McAuley, Not Magic But Work; Gay McAuley: „ Towards an Ethnography of Rehearsal “ , in: New Theatre Quarterly, 14/ 53 (1998), S. 75 - 85. 22 Clifford Geertz, Dichte Beschreibung: Beiträge zum Verstehen kultureller Systeme, Frankfurt am Main 1983. 23 McAuley, Not Magic But Work, S. 5 ff. 24 Ebd. 25 Josette Féral, „ Introduction: Towards a Genetic Study of Performance - Take 2 “ , in: Theatre Research International, 33/ 3 (2008), S. 223 - 233. 26 Vgl. auch das Forschungsprojekt The Didascalic Imagination unter der Leitung von Luk Van den Dries, http: / / dighum.uantwerpen. be/ didascimagination [Zugriff am 17. 09. 2019]. 27 Annemarie Matzke, „ Das Theater auf die Probe stellen. Kollektivität und Selbstreflexivität in den Arbeitsweisen des Gegenwartstheaters “ , in: Beate Hochholdinger-Reiterer et. al. (Hg.), Arbeitsweisen im Gegenwartstheater, Berlin 2015, S. 15 - 33. 28 Ebd., S. 29. 29 Geesche Wartemann, „ Experimentierfelder. Eine kameraethnographische Studie zum Modell des Helios Theaters, das Publikum im Probenprozess zu beteiligen “ , in: Hinz und Roselt (Hg.), Chaos und Konzept, S. 242 - 261, hier S. 242. 30 Maximilian Krug, „ Collecting Audio-Visual Data of Theatre Rehearsals. (Non-)Intrusive Practices of Preparing Mobile Eye-Tracking Glasses during Ongoing Workplace Interactions “ , Paper zur International Conference of Conversation Analysis, Loughborough University 2018. 31 Anna Wessel, „ Methodische Aspekte sprechwissenschaftlicher Probenprozessforschung “ , in: Kati Hannken-Illjes et. al. (Hg.), Stimme - Medien - Sprechkunst, Baltmannsweiler 2017. 32 Axel Schmidt, Spiel oder nicht Spiel. Zur interaktiven Organisation von Übergängen 60 Tamara Yasmin Quick zwischen Spielwelt und Realwelt in Theaterproben, Mannheim 2014. 33 Axel Schmidt, „ Prefiguring the future. Projections and preparations within theatrical rehearsals “ , in: Arnulf Deppermann und Jürgen Schreeck (Hg.), Time in Embodied Interaction. Synchronicity and sequentiality of multimodal resources, Amsterdam 2018, S. 231 - 260. 34 Kleinschmidt, Artistic Research als Wissensgefüge. 35 Ebd., S. 38. 36 Ebd., S. 45. 37 Ebd., S. 45 f. 38 Ebd., S. 46. 39 Ebd., S. 47. 40 Breidenstein et. al., Ethnografie. Die Praxis der Feldforschung, Konstanz und München 2013. 41 Ebd., S. 87. 42 Ebd., S. 88. 43 Sandro Zanetti, „ Proben auf dem Papier “ , in: Hinz und Roselt (Hg.), Chaos und Konzept, S. 171 - 189, hier S. 172. 44 Breidenstein et. al., Die Praxis der Feldforschung, S. 50. 45 Ebd., S 59. 46 Lisa Großmann, Katarina Kleinschmidt, Anne Schuh, Ekaterina Trachsel, Anna Volkland, „ Was ist die Probe? Vorschläge für ein ‚ engagiertes ‘ Feldforschen in den szenischen Künsten “ , Kollektiv-Paper zur Arbeitskonferenz Methodologische Diskurse der aktuellen Probenforschung, München 2019, S. 2. 47 Breidenstein et. al., Die Praxis der Feldforschung, S. 59. 48 Anna Königshofer: „ Wenn die Dramaturgie zur Frage der Technik wird: Rimini Protokolls Produktion Top Secret International als komplexes Steuerungssystem “ , Vortrag vom 9. 11. 2018 an der Jahrestagung der Gesellschaft für Theaterwissenschaft Theater und Technik 2018 in Düsseldorf. 49 Ebd. 50 Jonas Tinius, „ Die Ethnografie als Methode der Theaterwissenschaften? “ , Paper zur Arbeitskonferenz Methodologische Diskurse der aktuellen Probenforschung, München 2019. 51 Kleinschmidt, Artistic Research als Wissensgefüge, S. 46. 52 Ebd., S. 47; vgl. auch Thomas Alkemeyer et. al., „ Kritik der Praxis. Plädoyer für eine subjektivierungstheoretische Erweiterung der Praxistheorien “ , in: Thomas Alkemeyer et.al. (Hg.), Praxis denken. Konzepte und Kritik, Wiesbaden 2015, S. 25 - 50, hier S. 28. 53 McAuley, „ Towards an Ethnography of Rehearsal “ , S. 77. 54 Herrmann, „ Vom methodischen Umgang mit Rahmungsstrategien bei der Probendokumentation “ , S. 2. 55 Ebd., S. 3. 56 Jonas Tinius, „ Die Ethnografie als Methode der Theaterwissenschaften? “ , S. 4. 57 Vgl. u. a. Karsten Müller, Julia David und Tammo Straatmann, „ Qualitative Beobachtungsverfahren “ , in: Gabriele Naderer und Eva Balzer (Hg.), Qualitative Marktforschung in Theorie und Praxis. Grundlagen - Methoden Anwendungen, Wiesbaden 2011, S. 313 - 344. 58 Vgl. Breidenstein et. al., Die Praxis der Feldforschung, S. 79 f. 59 Matzke, Arbeit am Theater, S. 105. 60 Breidenstein et. al., Die Praxis der Feldforschung, S. 35; vgl. dazu auch Stefan Hirschauer, „ Ethnografisches Schreiben und die Schweigsamkeit des Sozialen. Zu einer Methodologie der Beschreibung “ , in: Zeitschrift für Soziologie, 30/ 6 (2001), S. 429 - 451, hier S. 429 f. 61 Vgl. zu ‚ Probentagbuch ‘ auch ebd., S. 440. 62 Maximilian Krug, „ Collecting Audio-Visual Data of Theatre Rehearsals “ , S. 1. 63 McAuley, „ Towards an Ethnography of Rehearsal “ , S. 76. 64 Vgl. Wartemann, „ Experimentierfelder “ , S. 242 - 261. 65 Jonas Tinius, „ Die Ethnografie als Methode der Theaterwissenschaften? “ , S. 8; vgl. auch Sharon Macdonald, „ Ethnography in the Science Museum “ , in: David Gellner und Eric Hirsch (Hg.), Inside Organizations: Anthropologists at Work, Oxford 2001, S. 77 - 96, hier S. 78. 66 Daniela Hahn (Hg.), Beyond Evidence. Das Dokument in den Künsten, Paderborn 2016. 67 Tamara Yasmin Quick, „ Die Probe als epistemologischer Möglichkeitsraum? “ , Paper zur Arbeitskonferenz Methodologische Dis- 61 Methodologische Diskurse der aktuellen Probenforschung kurse der aktuellen Probenforschung, München 2019. 68 Vgl. dazu auch Hirschauer, „ Ethnografisches Schreiben und die Schweigsamkeit des Sozialen “ , S. 434 f: „ Das Transkript schafft also nicht eine Kopie [. . .], sondern ein ‚ Original ‘ (d. h. einen Referenten) für den Diskurs seiner [. . .] Beobachter. Das soziale Original und seine ‚ primäre Sinnstruktur ‘ ist eine kunstvolle [. . .] Reifikation einer beständigen Reinterpretation der Zeit. “ . 69 Breidenstein et.al., Die Praxis der Feldforschung, S. 95. 70 Quick, „ Die Probe als epistemologischer Möglichkeitsraum? “ , S. 9. 71 Ebd., S. 95. 72 McAuley, „ Towards an Ethnography of Rehearsal “ , S. 81. 73 Matzke, Arbeit am Theater, S. 113. 74 Ebd., S. 113. 75 Ebd., S. 237 ff. 76 Quick, „ Die Probe als epistemologischer Möglichkeitsraum? “ , S. 9. 77 Vgl. Hahn, Beyond Evidence, S. 10. 78 Ebd., S. 9. 79 Lisa Großmann, „ Die Dokumente der Probenforschung “ , Paper zur Arbeitskonferenz Methodologische Diskurse der aktuellen Probenforschung, München 2019. 80 Ebd. 81 Zur Dialektik des ‚ registrierenden ‘ und des ‚ rekonstruierenden ‘ Schreibens in der Ethnographie vgl. Hirschauer, „ Ethnografisches Schreiben und die Schweigsamkeit des Sozialen “ , S. 432 ff. 82 Ludwig Wittgenstein, „ Tractatus logicophilosophico “ , Tagebücher 1914 - 1916, in: Werkausgabe, Bd. 1 [8], Frankfurt a. M. 1964. 83 Vgl. hierzu auch Hirschauer, „ Ethnografisches Schreiben und die Schweigsamkeit des Sozialen “ , S. 431. 84 Ebd., S. 441 f. 85 Vgl. u. a. Philipp Mayring und Thomas Fenzl, „ Qualitative Inhaltsanalyse “ , in: Nina Baur und Jörg Blasius (Hg.), Handbuch Methoden der empirischen Sozialforschung, Wiesbaden 2019, S. 633 - 648. 86 Vgl. u. a. Anselm L. Strauss und Juliet Corbin, Grounded Theory. Grundlagen qualitativer Sozialforschung, Nachdruck, Weinheim 1996. 87 Anna Wessel während der Abschlussdiskussion der Arbeitskonferenz Methodologische Diskurse der aktuellen Probenforschung, München 2019. 88 Thomas Schmidt: „ FOLKER. Effizientes Transkribieren von Gesprächen “ , http: / / www1.ids-mannheim.de/ fileadmin/ prag/ Programmbereich_Muendliche_Korpora/ FOLKER_2014_01.pdf [Zugriff am 30. 08. 2019]. 89 Cordula Schwarze, Formen und Funktionen von Topoi, Frankfurt am Main 2010. 90 Ebd., S. 105. 91 Stefanie Husel, „ Vom Proben (und) Erforschen “ , Paper zur Arbeitskonferenz Methodologische Diskurse der aktuellen Probenforschung, München 2019, S. 8. 92 Anna Wessel während der Abschlussdiskussion der Arbeitskonferenz Methodologische Diskurse der aktuellen Probenforschung, München 2019. 93 Karl Heinz Hörning, Experten des Alltags. Die Wiederentdeckung des praktischen Wissens, Weilerswist 2001, S. 192. 94 Initiative für die Archive des Freien Theaters e. V., http: / / www.theaterarchiv.org/ [Zugriff am 30. 08. 2019]. 95 Gerade vor dem Hintergrund der neuen Europäischen Datenschutzgrundverordnung seit Mai 2018 ist dies nahezu unmöglich zu leisten. Die grundsätzliche Bereitschaft und Offenheit vieler Theatermacher*innen gegenüber der Wissenschaft wurde durch diese rechtliche Modifizierung ohnehin befragt, da diese nicht nur für den Schutz der eigenen personenbezogenen Daten sensibilisierte, sondern auch eine allgemeine Skepsis schürte. Dem Akt des Unterschreibens einer Einwilligungserklärung wohnt offensichtlich etwas sehr Formelles, Verbindliches und womöglich auch Bedrohliches inne, dem nur durch gegenseitiges Vertrauen im Feld entgegengewirkt werden kann. Müssten Wissenschaftler*innen erklären, dass die personenbezogenen Daten aus dem Probenprozess nicht nur der eigenen Forschung dienen werden, sondern auch unbekannten Dritten, könnte die Bereitschaft auf 62 Tamara Yasmin Quick Seiten der Theaterschaffenden rapide abnehmen, was im schlimmsten Fall das frühzeitige Ende des aufstrebenden Zweiges der Theaterprobenforschung bedeuten würde. 96 Breidenstein et. al., Die Praxis der Feldforschung, S. 9. 63 Methodologische Diskurse der aktuellen Probenforschung