eJournals Forum Modernes Theater 32/1

Forum Modernes Theater
fmth
0930-5874
Narr Verlag Tübingen
10.2357/FMTh-2021-0006
Es handelt sich um einen Open-Access-Artikel, der unter den Bedingungen der Lizenz CC by 4.0 veröffentlicht wurde.http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/31
2021
321 Balme

Kritische Identitäten: Subversive Strategien der Inszenierung von Gender in Theater und Performance

31
2021
Miriam Dreysse
Der Aufsatz befragt zeitgenössisches Theater und Performance auf das kritische Potential der Inszenierung von Geschlechtsidentitäten. Mit Judith Butler wird von der Performativität der Geschlechtsidentität und der Möglichkeit ausgegangen, die zwingende Wiederholung der performativen Akte zu verfehlen. Verschiedene theatrale Strategien der Subversion normativer Geschlechterbilder und des binären Geschlechtermodells wie z. B. Verfremdung, Parodie, Cross-Dressing und Maskerade werden auf ihr kritisches Potential hin untersucht. Dabei zeigt sich, dass Praktiken wie Cross-Dressing in der theoretischen Literatur unterschiedlich eingeschätzt werden, und es notwendig ist, den Einzelfall zu betrachten. Gerade das Cross-Dressing erweist sich als zwiespältig, da es Gefahr läuft, die Normen, die es kritisieren will, zu bestätigen. Das kritische Potential liegt in einer Hinterfragung des „Begriffs des Originals als solchem“ (Butler) sowie in der Eröffnung von Räumen, die Ambivalenzen zulassen, Identitäten suspendieren und so das binäre Geschlechtermodell subvertieren. Dies wird möglich durch eine Verhandlung, Aneignung und Umdeutung der Konventionen ‚mit und gegen‘ die herrschende Norm.
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Kritische Identitäten. Subversive Strategien der Inszenierung von Gender in Theater und Performance Miriam Dreysse (Berlin) Der Aufsatz befragt zeitgenössischesTheater und Performance auf das kritische Potential der Inszenierung von Geschlechtsidentitäten. Mit Judith Butler wird von der Performativität der Geschlechtsidentität und der Möglichkeit ausgegangen, die zwingende Wiederholung der performativen Akte zu verfehlen. Verschiedene theatrale Strategien der Subversion normativer Geschlechterbilder und des binären Geschlechtermodells wie z. B. Verfremdung, Parodie, Cross-Dressing und Maskerade werden auf ihr kritisches Potential hin untersucht. Dabei zeigt sich, dass Praktiken wie Cross-Dressing in der theoretischen Literatur unterschiedlich eingeschätzt werden, und es notwendig ist, den Einzelfall zu betrachten. Gerade das Cross-Dressing erweist sich als zwiespältig, da es Gefahr läuft, die Normen, die es kritisieren will, zu bestätigen. Das kritische Potential liegt in einer Hinterfragung des „ Begriffs des Originals als solchem “ (Butler) sowie in der Eröffnung von Räumen, die Ambivalenzen zulassen, Identitäten suspendieren und so das binäre Geschlechtermodell subvertieren. Dies wird möglich durch eine Verhandlung, Aneignung und Umdeutung der Konventionen ‚ mit und gegen ‘ die herrschende Norm. Im deutschsprachigen Sprechtheater ist recht häufig zu beobachten, dass Inszenierungen von Dramentexten, die auf inhaltlicher Ebene Geschlechterrollen in Frage stellen, durch die Ausstattung und einen realistischen Schauspielstil auf ästhetischer Ebene Geschlechternormen reproduzieren. So werden beispielsweise in Dea Lohers Am Schwarzen See bürgerliche Normen hinterfragt, in der Uraufführung 2012 am Deutschen Theater Berlin diese Normen aber auf ästhetischer Ebene durch Kostüm, Körperhaltungen und -bewegungen, Sprechweise etc. naturalisiert. Eine solche Naturalisierung von Konventionen geschieht meist durch eine abbildende Darstellung, die auf Distanz zum Dargestellten weitgehend verzichtet. Im Fall von Andreas Kriegenburgs Loher-Inszenierung beispielsweise tragen beide Ehemänner Anzug oder Jeans und Hemd, die beiden Ehefrauen ein dünnes Kleidchen oder Rock und Bluse, die Männer sitzen breitbeinig und versuchen, ihre Gefühle im Zaum zu halten, während die Frauen die Knie zusammenpressen und weinen und schreien dürfen. All dies geschieht auf ungebrochene, realistische Weise. So werden bürgerliche Normen zwar auf der Ebene des Textes hinterfragt, nicht aber auf der Ebene der Darstellung; diese führt letztlich zu einer affirmativen Reproduktion der Konventionen. Welches aber sind die theatralen Mittel, solche konventionalisierten Zeichen zu markieren und ihre normative Macht offenzulegen? Und welche subversiven Strategien können in den darstellenden Künsten zur Auflösung des binären Geschlechtermodells beitragen? Diesen Fragen soll im Folgenden auf der Grundlage von Judith Butlers konstruktivistischer Identitätstheorie nachgegangen werden. Es kann dabei nicht darum gehen, eindeutige Antworten im Sinne klar voneinander geschiedener Kategorien zu erzielen, dafür ist das Feld der darstellenden Künste zu vielfältig und die Pluralität und Forum Modernes Theater, 32/ 1 (2021), 35 - 52. Gunter Narr Verlag Tübingen DOI 10.2357/ FMTh-2021-0006 Simultaneität der Mittel lässt ihre kategoriale Trennung widersinnig erscheinen. Dennoch wird versucht, unterschiedliche Perspektiven einzunehmen, auf diese Weise verschiedene Strategien zu benennen und, soweit möglich, voneinander zu differenzieren. Laut Butler sind die Möglichkeiten der Subversion gerade in der Performativität der Geschlechtsidentität begründet, sie liegen der Wiederholungsstruktur der performativen Akte, die die Geschlechtsidentität konstituieren, immer schon inne, denn die Wiederholung könne auch verfehlt werden: Die Möglichkeiten zur Veränderung der Geschlechtsidentität sind gerade in dieser arbiträren Beziehung zwischen den Akten zu sehen, d. h. in der Möglichkeit, die Wiederholung zu verfehlen bzw. in einer De- Formation oder parodistischen Wiederholung, die den phantasmatischen Identitätseffekt als eine politisch schwache Konstruktion entlarvt. 1 Während der Begriff der Performativität von Geschlecht sich bei Butler auf die Erzeugung von Geschlechtsidentitäten durch die zwingende Wiederholung performativer Akte bezieht, ist die Hervorbringung von Identitäten, Körperbildern und Bedeutungen auf dem Theater eine willkürliche, bewusste. Dies ermöglicht es dem Theater, die Wiederholung willentlich zu verfehlen, Identitäten zu dekonstruieren und nichtnormative Geschlechterbilder hervorzubringen. In Gender Trouble verweist Butler darauf, dass die „ subversiven Möglichkeiten von Sexualität und Identität im Rahmen der Macht selbst “ zu verorten seien, da es „ keine radikale Zurückweisung einer kulturell konstruierten Sexualität geben “ könne und wir unweigerlich in der „ Konstruktion “ gefangen seien. 2 Die kritische Aufgabe bestehe folglich darin, „ das Gesetz zu wiederholen und es dabei nicht zu festigen, sondern zu verschieben. “ 3 Auch im zeitgenössischen Theater und der Performance positioniert Kritik sich meist nicht außerhalb des zu Kritisierenden, sondern versucht, von innen oder von den Rändern her durch ‚ Verschiebungen ‘ zu wirken. Ich möchte im Folgenden einige Möglichkeiten solch verschiebender Formen der Wiederholung nachzeichnen und auf ihr subversives Potential hin untersuchen. Verfremdung Judith Butler zufolge ist die Naturalisierung der Geschlechtsidentitäten, die „ Produktion des Geschlechts als vordiskursive Gegebenheit “ , wesentlich für die Glaubhaftigkeit und Stabilität des binären Geschlechtermodells. 4 Für eine Kritik dieses Modells ist es mithin notwendig, seine „ grundlegende Unnatürlichkeit “ zu enthüllen und die Naturalisierungsprozesse als solche kenntlich zu machen. 5 Übertragen auf das Theater, entspricht diese „ Entnaturalisierung als einer kritischen Strategie “ 6 einer Verfremdung der Darstellung. Für Brecht ist „ eine verfremdende Abbildung [. . .] eine solche, die den Gegenstand zwar erkennen, ihn aber doch zugleich fremd erscheinen lässt. “ 7 In dieser Formulierung ist bereits die Problematik der Verfremdung, die auch grundsätzlich die Möglichkeiten der Kritik betrifft, ersichtlich, nämlich die Nähe zum Kritisierten. Die Verfremdung als kritische Praxis bewahrt die Norm auch immer, indem sie sie kritisiert. Sie zeigt aber auch die Veränderbarkeit der Norm: „ Verfremden heißt also Historisieren, heißt, Vorgänge und Personen als historisch, also als vergänglich darstellen. “ 8 Die Verfremdung der Darstellung eröffnet eine Distanz zwischen Betrachter*in und Betrachtetem, lässt das Dargestellte als Konstruktion kenntlich werden und ermöglicht so Kritik: 36 Miriam Dreysse Es handelt sich hierbei, kurz gesagt, um eine Technik, mit der darzustellenden Vorgängen zwischen Menschen der Stempel des Auffallenden, des der Erklärung Bedürftigen, nicht Selbstverständlichen, nicht einfach Natürlichen verliehen werden kann. Der Zweck des Effekts ist, dem Zuschauer eine fruchtbare Kritik vom gesellschaftlichen Standpunkt zu ermöglichen. 9 Auch Brecht spricht von einer Wiederholungsstruktur: „ Die Vorführung des Straßendemonstranten hat den Charakter der Wiederholung [. . .]. Folgt die Theaterszene hierin der Straßenszene, dann verbirgt das Theater nicht mehr, daß es Theater ist. “ 10 Die Verfremdung macht also deutlich, dass es sich bei der Darstellung um eine Wiederholung handelt, anstatt die Illusion eines Originals zu erzeugen. Dies tut sie, indem sie die Wiederholung ‚ unterbricht ‘ , wie Brecht sagt: Der Straßendemonstrant unterbricht, so oft es ihm möglich erscheint, seine Imitation mit Erklärungen. Die Chöre und projizierten Dokumente des epischen Theaters, das Sich-direkt-an-die-Zuschauer-Wenden seiner Schauspieler sind grundsätzlich nichts anderes. 11 Die Unterbrechung der Handlung, aber auch der Einheit von Schauspieler*in und Rolle und letztlich auch der Identität der Rolle selbst hat eine distanzierende Wirkung und vermag, die Geschlossenheit der Repräsentation aufzubrechen und damit auch einen Möglichkeitsraum für Anderes zu eröffnen. Ähnlich wie Butler geht es Brecht dabei letztlich um eine Infragestellung des Originals als solchem; Darstellung wie Dargestelltes werden als historische Konstruktion und damit als veränderbar ausgewiesen. Verfremdende Mittel spielen im zeitgenössischen Theater eine wichtige Rolle. Auch für eine kritische Reflexion normativer Geschlechterrollen werden sie häufig eingesetzt. 12 Stereotype werden beispielsweise durch Übertreibung oder Isolation ausgestellt und auf diese Weise entnaturalisiert. So verwirrt z. B. Frank Castorf geschlechtliche Zuschreibungen durch Übertreibung und Montage. Schauspielerinnen tragen hohe Pumps und enge Röcke, verwenden aber gleichzeitig klischierte Zeichen für Männlichkeit wie breitbeinige Posen, energische Körperbewegungen oder eine laute, tiefe Stimme. Umgekehrt wirkt etwa Hermann Beyer in Das Duell (Volksbühne Berlin 2013) als einziger Mann neben acht Schauspielerinnen äußerst mütterlich. Auf diese Weise wird die Verbindung von Anatomie und Geschlechtsidentität unterbrochen und Mütterlichkeit als biologische Eigenschaft der Frau denaturalisiert. Die Übertreibung als Form der Verfremdung kann aber auch affirmativ wirken, da die Normen, die kritisiert werden sollen, zugleich reproduziert werden. So schreibt Butler, es gebe „ Grenzen der Entnaturalisierung als kritischer Strategie “ 13 und „ keinerlei Garantie, dass ein Bloßstellen des naturalisierten Status der Heterosexualität zu deren Umsturz führen wird. “ 14 Im Gegenteil könnten entnaturalisierende Parodien heterosexuelle Normen erneut idealisieren, ohne sie in Frage zu stellen. Ähnlich wie die Ironie, brauchen auch die Übertreibung und andere verfremdende Mittel ein ‚ cutting edge ‘ , um politisch subversiv zu wirken. Doris Leibetseder bezieht sich mit diesem Begriff auf Linda Hutcheon, der zufolge Ironie, im Unterschied z. B. zu Metapher oder Metonymie, ein ebensolches „ edge “ habe und auch Menschen „ on edge “ bringen könne. 15 Hutcheon zufolge ist diese Kante oder Schärfe der Ironie bewertend, hat aber auch eine grundlegende Ambiguität zur Folge, da die Ironie zwei verschiedene Bedeutungen zum Oszillieren bringe. Leibetseder betont, dass „ für eine subversive Ironie die eindeutige Erkennbarkeit des ‚ cutting 37 Kritische Identitäten. Subversive Strategien der Inszenierung von Gender in Theater und Performance edge ‘ mit einer politischen Schärfe vorhanden sein “ müsse, und dass es sich bei dieser Schärfe um eine „ politische Nachricht “ mit Bewertung handle. 16 Ambiguität reicht Leibetseder zufolge nicht aus, um politisch subversiv zu wirken. 17 Die Möglichkeit einer solchen politischen Schärfe liegt beispielsweise in der Reflexion auf inhaltlicher Ebene. Dies geschieht etwa, wenn in Tod eines Praktikanten von René Pollesch (Volksbühne Berlin 2008) drei Darstellerinnen in weißen, rauschenden Brautkleidern auftreten, auf denen ihre Abendgagen in Euro-Beträgen aufgedruckt sind, und sie über ihren Status als Frau und Schauspielerin sowie über Fragen der Repräsentation diskutieren. Die Brautkleider werden hier durch ihre Isolation aus einem möglichen narrativen Kontext (es geht im Text an keiner Stelle um Heirat) als Zeichen exponiert. Die aufgedruckten Eurobeträge brechen romantisierende Assoziationen zum Thema Braut und können als Verweis auf die Objekthaftigkeit der Frau im Kontext bürgerlicher Vorstellungen von Weiblichkeit und heterosexueller Ehe gesehen werden. Als Abendgagen der Schauspielerinnen sind sie zugleich Zeichen kapitalistischer Werteökonomie und der Arbeitsbedingungen am Theater. Die Diskussionen der Darstellerinnen über Identität, Repräsentation und heterosexuelle Normativität brechen das im Kostüm zitierte bürgerliche Frauenbild zusätzlich. Pollesch markiert sowohl inhaltlich als auch durch die entpsychologisierende Spielweise normalisierende Annahmen über Identität und Sexualität. 18 Durch sprunghafte Textmontagen, stimmliche Brüche und figurenunabhängige Textverteilung erzeugt er eine verfremdende Diskontinuität. In Die Welt zu Gast bei reichen Eltern (Thalia Theater Hamburg 2007) wird beispielsweise der Text der „ Mutter “ von unterschiedlichen Schauspieler*innen gesprochen, so dass die Bindung des Mütterlichen an den anatomisch weiblichen Körper unterbrochen wird. Darstellerische Zeichen für Geschlechtsidentität wechseln teilweise von einem Satz zum anderen und werden durch verfremdende Brüche ausgestellt. So variiert etwa Sophie Rois in einer Szene von Diktatorengattinnen (Volksbühne Berlin 2008) beständig zwischen einer männlichen Rolle mit markant tiefer Stimme und einer weiblichen Rolle mit mädchenhaft hoher Stimme. 19 Beide Rollen werden dabei nicht verkörpert, sondern distanziert und ironisch gebrochen. Das ‚ cutting edge ‘ liegt hier sowohl in einem parodistischen Ausstellen stereotyper Geschlechterbilder als auch in der Erzeugung eines ambivalenten Körpers, der binäre Zuschreibungen hinterfragt und, im Zusammenspiel mit den beiden anderen Schauspielerinnen, die Kohärenz von anatomischem Geschlecht, Geschlechtsidentität und Begehren suspendiert. Geschlechterparodie Die Schauspieler*innen in den Inszenierungen von René Pollesch bedienen sich oft parodistischer Mittel, um Geschlechterstereotype auszustellen und die Norm der Heterosexualität zu hinterfragen. Butler sieht die Geschlechterparodie (gender parody) als eine wesentliche Strategie, die Performativität der Geschlechtsidentität offenzulegen. Sie offenbare, so Butler, dass die „ ursprüngliche Identität, der die Geschlechtsidentität nachgebildet ist, selbst nur eine Imitation ohne Original ist “ . 20 Während Parodie in Folge der Renaissance-Poetik lange Zeit als eine verspottende Nachahmung verstanden wurde, wird sie im 20. Jahrhundert - vor allem seit den Schriften Bachtins - in den Kontext der Intertextualität eingeordnet. Als eine Form der Intertextualität steht sie dem Originaltext nicht unbedingt diametral oder verspottend gegenüber, sondern wird vielmehr als ein 38 Miriam Dreysse ‚ Nebengesang ‘ begriffen, der das Original durch eine Debzw. Neukontextualisierung verändert. 21 Linda Hutcheon greift in ihrer Theory of Parody auf poststrukturalistische Begrifflichkeiten zurück und nennt die Parodie eine „ repetition with a difference “ oder auch „ imitation with critical ironic distance “ . 22 Ähnlich wie Butler sieht sie in einer solchen „ Wiederholung mit einer Differenz “ , also mit einer gewissen Verschiebung, Möglichkeit für Kritik. 23 Unabhängig davon, ob eine Parodie ein abwertender Gegen- oder ein nicht wertender Nebengesang ist, bestätigt sie, ähnlich wie die Verfremdung, immer auch das Original, indem sie es wiederholt. Butler zufolge wirkt die Parodie nur dann subversiv, wenn sie den „ Begriff des Originals als solchem “ in Frage stellt. 24 Wie ist das im Theater möglich? Eine Geschlechterparodie kann durch überzogene oder auf andere Art verfremdende Darstellungsweisen erfolgen. Insofern ist es nicht möglich, eine eindeutige Trennlinie zwischen parodistischen und verfremdenden Mitteln zu ziehen. Gruppen wie She She Pop, Fräulein Wunder AG oder Swoosh Lieu legen die Konstruktion von Geschlechtsidentitäten offen, indem sie Zeichen für Rollenklischees isolieren, dekontextualisieren, inhaltlich reflektieren, sie widersprüchlich montieren und mit ihnen spielen. So tragen Swoosh Lieu in Who Cares (Mousonturm Frankfurt 2016), einer Aufführung, die sich mit Sorgearbeit beschäftigt, Kleidungsstücke wie Smoking, Abendkleid, Diadem und Zylinder sowie Prothesen wie künstliche Brüste oder einen Dildo und stellen stereotype Posen nach. Die Versatzstücke werden widersprüchlich montiert, indem sie von einer Performerin an die nächste weitergegeben werden. Die Schwangere im Arbeitsoverall trägt mit einem Mal Diadem und wechselt von einer Pose der Mütterlichkeit zu einer der aggressiven Männlichkeit. Die Dame im Reifrock trägt plötzlich Kopftuch und ballt die Faust, diejenige im Smoking erhält den Heiligenschein der Madonna und eine Hiphop-Geste. In der nächsten Szene sind von den Kleidungsstücken nur noch Fragmente übrig: Unter dem Kleid der Madonna sind die Brüste abgebunden, aus dem Smoking schaut ein Dildo, das Dekolleté des Abendkleides erweist sich als Brustprothese, der schwangere Bauch als künstlich. Gerade die Montage der Prothesen, zumal der Phallusprothese, parodiert die Vorstellung einer originären Geschlechtsidentität und damit auch den Begriff des Originals als solchem. 25 Eine besonders häufige Methode der Geschlechterparodie im Theater sind Formen des Cross-Castings und Cross-Dressings. Cross-Dressing „ Cross-Dressing is about gender confusion “ , schreibt Marjorie Garber in ihrer breit angelegten Studie zu Transvestismus, 26 und seit Judith Butlers Gender Trouble gilt Drag als exemplarische Strategie, die Konstruiertheit der Geschlechtsidentität sichtbar zu machen. Auf dem Theater hat Cross-Dressing und Cross-Casting eine Tradition, die bis in die Antike zurückgeht, nicht zuletzt aufgrund des Darstellungsverbots für Frauen in vielen Epochen. Dennoch stellt es auch eine Möglichkeit dar, Identitätskonstruktionen selbstreflexiv zu thematisieren und mit kulturell festgeschriebenen Geschlechterrollen zu spielen. Auf seine denaturalisierenden Effekte hat Alisa Solomon in ihrer Analyse des Cross-Dressings bei Shakespeare hingewiesen. Ihr zufolge ist das Mittel des Cross- Dressings wesentlich für die anti-illusionistische Theaterpraxis und stellt die Vorstellung eines natürlichen Selbst im Inneren des Körpers in Frage: The non-illusory stage, then, provides a heightened space for examining what post- 39 Kritische Identitäten. Subversive Strategien der Inszenierung von Gender in Theater und Performance modern theorists call the ‘ discursiveness ’ of identity formation [. . .] In addition, the modern idea that there is an ultimate ‘ authentic ’ or ‘ natural ’ self that is bound to or contained within the body is called into question by a self-consciously transvestic stage practice. 27 Für Judith Butler ist der „ Transvestit “ die zentrale Figur der Geschlechterparodie, die Praxis der Travestie führe die Performativität von Geschlecht vor Augen: „ Indem die Travestie die Geschlechtsidentität imitiert, offenbart sie implizit die Imitationsstruktur der Geschlechtsidentität als solcher - wie auch ihre Kontingenz. “ 28 Der „ Transvestit “ stehe für die imitative Struktur von Geschlecht überhaupt, für „ Geschlecht-als- Drag “ . 29 Bereits in Gender Trouble stellt Butler fest, dass Parodie oder Travestie nicht an sich subversiv sei. 30 In Bodies that matter führt sie aus, dass „ es keine zwangsläufige Verbindung zwischen drag und Subversion gibt und dass drag so gut im Dienst der Entnaturalisierung wie der Reidealisierung übertriebener heterosexueller Geschlechtsnormen stehen kann “ 31 . Wesentlich für eine subversive Wirkung sei, dass die Imitationsstruktur von Geschlecht sichtbar gemacht, der Begriff des Originals an sich in Frage gestellt und der „ Anspruch der Heterosexualität auf Natürlichkeit und Ursprünglichkeit “ bestritten werde. 32 In der Folge von Butler wird Transvestismus in den Kulturwissenschaften immer wieder diskutiert und auf seine subversiven Potentiale hin befragt. Einen kritischen Blick gerade auf die Praxis der Mann-zu-Frau- Travestie als Bestätigung patriarchalisch geprägter Geschlechterbilder wirft die amerikanische Performance-Theoretikerin Peggy Phelan anhand Jennie Livingstons Film Paris is Burning, den auch Butler untersucht. Phelan sieht hier das Bild der Weiblichkeit eher bestätigt denn subvertiert, da die Cross- Dresser der Logik der Zeichen nicht entkommen könnten und das Bild der Weiblichkeit in der Imitation zwar als Konstruktion ausstellten, es aber zugleich auch reproduzierten und seine Macht bestätigten: „ Unavoidably complicitous with the thing they try to denounce, the walkers [. . .] find themselves caught in the tight logic of the commodified sign “ . 33 Und auch bell hooks sieht in der Travestie des Films eine „ idealisierte, fetischisierte Vision von Weiblichkeit “ , und zwar von weißer Weiblichkeit. Der Film stelle Weißsein in keiner Weise in Frage und reproduziere den „ starren phallischen Blick “ heterosexueller Männer. 34 Auf den grundlegenden Unterschied von weiblicher und männlicher Maskerade hat Judith Halberstam in ihrer Untersuchung weiblicher Maskulinitäten hingewiesen. Während Weiblichkeit in der westlichen Kultur immer schon mit Künstlichkeit assoziiert werde und deshalb Mann-zu-Frau- Drag auch in der Mehrheitskultur vorkomme, werde Männlichkeit als grundsätzlich „ nonperformativ “ , als natürliche Eigenschaft des biologischen Mannes angesehen. 35 Aus diesem Grund komme die männliche Maskerade in der Mainstream-, aber auch der Subkultur verhältnismäßig selten vor, die Angst vor einem Sichtbarmachen der Theatralität von weißer Männlichkeit sei zu groß. 36 Die ambivalente Wirkung von Travestie als sowohl Evokation als auch Eindämmung und Verschleierung kultureller Angst untersucht Marjory Garber in Vested Interests. Auch für Garber stellt der Transvestismus die Idee des Originals in Frage und weist Identität als Zeichen aus: „ Das aber ist das subversive Geheimnis des Transvestismus, dass eben nicht der Körper der Urgrund ist, sondern das Symbol “ . 37 Neben dieser subversiven hat der Transvestit aber laut Garber auch eine normative, die Kultur stabilisierende Funktion, indem er die kulturelle Angst vor der Artefakthaftigkeit des männ- 40 Miriam Dreysse lichen Körpers verdrängt und zugleich „ den Eintritt in die Symbolwelt markiert “ . 38 Für Marjorie Garber stellt der Transvestit als „ das Dritte “ die Kategorien von Männlichkeit und Weiblichkeit ebenso wie das binäre Denken an sich in Frage: „ Für mich ist deshalb einer der wichtigsten Aspekte des Transvestismus die Weise, in der er die allzu leichtgewichtigen Vorstellungen von Binarität in Zweifel zieht und die Kategorien von ‚ weiblich ‘ und ‚ männlich ‘ in Frage stellt “ . 39 Ihr zufolge ist das „ Dritte “ eine „ Artikulationsweise, eine Art, einen Möglichkeitsraum zu beschreiben. Drei stellt die Idee vom einen in Frage: von Identität, von Selbst-Genügsamkeit, von Selbst-Kenntnis. “ 40 Angesichts dieser unterschiedlichen Einschätzungen des Cross-Dressings scheint es notwendig, bezogen auf Theater und Performance konkrete Beispiele zu betrachten, da es auch hier, wie Jenny Schrödl feststellt, „ keine notwendigerweise politische Strategie “ ist, sondern durchaus widersprüchlich eingesetzt wird. 41 Ein Regisseur, der häufig mit Mitteln des Cross-Dressings arbeitet, ist Nicolas Stemann. Vor allem in seinen Inszenierungen von Texten Elfriede Jelineks verwendet er Cross-Dressing, um die Darstellung zu verfremden und Normen zu parodieren. Charakteristisch für seine Jelinek-Inszenierungen ist ein fragmentarischer, selbstreflexiver Stil, der die Diskontinuität des Textes bezüglich Narration und Identität mit theatralen Mitteln weiterführt und beispielsweise die Einheit von Rolle und Schauspieler*in aufbricht. Identitäten werden als Effekte theatraler Mittel ausgestellt. In seiner Uraufführung von Jelineks Ulrike Maria Stuart (Thalia Theater Hamburg 2006) treten als „ Prinzen im Tower “ zu Beginn der Aufführung männliche Schauspieler in Frauenkleidern auf. Die Kostüme sind offensichtlich unpassend und unfertig: Das weiße Kleid von Felix Knopp ist zu lang und zu weit, das giftgrüne Kleid von Sebastian Rudolph sitzt schief und zu eng, mit den hohen Absätzen kann er nicht laufen. Die Langhaarperücke hat er noch unter den Arm geklemmt, als er durch den Vorhang hindurch auf die Vorbühne geschubst wird. In der Hand hält er Textblätter, von denen er im Folgenden den Text abliest. Er spricht dabei abwechselnd als „ Prinzen im Tower “ und als „ Ulrike “ . Für die Rolle der Ulrike setzt er sich hastig die Perücke auf, zieht sich einen Trenchcoat über und spricht mit verstellter, sehr hoher, teils schriller Stimme. Als Prinz zieht er Perücke und Trenchcoat schnell aus, wendet sich zur anderen Seite und spricht mit tiefer oder kindlich verzerrter Stimme. Im weiteren Verlauf der Szene streiten sich die drei Schauspieler, wer die Rolle der „ Mutter “ spielen darf, für die alle Perücke und Trenchcoat dabeihaben. Dieser Prolog der Inszenierung verhandelt die Frage des Verhältnisses von Text und Aufführung, die Unmöglichkeit, Jelineks Text, der aus bis zu vierzehnseitigen Monologen besteht, auf die Bühne zu bringen. Dabei wird der Akt der Repräsentation durch das offensichtliche Rollenspiel hinterfragt. Das Cross-Dressing ist Teil dieser antiillusionistischen Strategie; es soll nicht die Illusion von Weiblichkeit erzeugen, sondern es werden männliche Schauspieler gezeigt, die männliche Schauspieler spielen, die mit stereotypen Zeichen Weiblichkeit darzustellen versuchen. Die Verfremdung erfolgt mittels mangelnder Perfektion einerseits, durch Übertreibung der Stereotype, wie z. B. die schrille Stimme, andererseits. Wir haben es hier also mit einer Entnaturalisierung von Geschlechteridentität zu tun. Weiblichkeit wird als Konstruktion entlarvt und man könnte argumentieren, dass im weiteren Verlauf der Aufführung sämtliche Identitäten dekonstruiert und auf diese Weise die Imitationsstruktur von Geschlecht offengelegt wird. Gleichzeitig bleiben Zweifel: Reproduzieren diese stereo- 41 Kritische Identitäten. Subversive Strategien der Inszenierung von Gender in Theater und Performance typen Darstellungen nicht, trotz aller Verfremdungseffekte, ebenjene Weiblichkeitsnormen, die sie kritisieren wollen? Denn auch wenn hier keine Normen idealisiert werden, so bleibt doch das biologische Geschlecht der Schauspieler letztlich gesetzt, der männliche Körper mit Bartstoppeln und Beinbehaarung bleibt gleichsam das Original, von dem aus die Parodie erfolgt, und zwar als „ unkritische Aneignung einer stereotypen Geschlechterrolle [. . .], die aus dem Repertoire der Heterosexualität stammt “ , wie Butler die feministische Kritik an der Travestie erläutert. 42 Ähnliches lässt sich auch in anderen Inszenierungen beobachten, in denen Frauenrollen auf parodistische Weise von Männern gespielt werden, wie zum Beispiel Michael Thalheimers Was ihr wollt von Shakespeare (Deutsches Theater Berlin 2008). Auch hier werden Weiblichkeitsbilder nicht idealisiert, sondern fragmentarische Zeichen für Weiblichkeit wie lange Röcke, Blusen und Perücken oder einzelne, weiblich wirkende Gesten verwendet. Gleichzeitig wird die Männlichkeit des Schauspielerkörpers nicht in Zweifel gezogen, sodass letztlich von einem unhinterfragten Original ausgegangen, die „ nonperformative nature of masculinity “ also bestätigt wird. 43 Interessant werden in dieser Aufführung Momente, in denen durch die Vermischung verschiedener Zeichen geschlechtlich uneindeutige Wirkungen entstehen. Dies geschieht etwa, wenn Stefan Konarske, als Viola visuell mit eher zurückhaltenden Zeichen für Weiblichkeit wie einem kleinen Ohrring, einem Damenhandschuh ausgestattet, in der Spielweise zwischen männlich und weiblich konnotierten Zeichen so oszilliert, dass eine geschlechtliche Festlegung unmöglich ist und auf diese Weise auch die Existenz eines geschlechtlich eindeutigen Schauspieler*innenkörpers in Zweifel gezogen wird. 44 Mit Antke Engel kann ein solches Verfahren als „ Strategie der VerUneindeutigung “ verstanden werden, die „ dominante Ordnungen [unterbricht], ohne selbst normative Schließungen vorzunehmen “ und so „ das Identitätsprinzip und die Binarität “ unterläuft. 45 Eine solche Uneindeutigkeit lässt sich im Fall der Mann-zu-Frau-Travestie wesentlich seltener beobachten als bei weiblichen Schauspielerinnen, die männliche Rollen spielen, wie etwa Jana Schulz als Macbeth in Karin Henkels Inszenierung von 2011 (Münchner Kammerspiele) oder Susanne Wolff als Othello in Jette Steckels Inszenierung von 2009 (Deutsches Theater Berlin). Beide entziehen sich durch ihre Spielweise eindeutiger geschlechtlicher Zuschreibungen und subvertieren so die Norm. Es scheint, als würde auch im 21. Jahrhundert noch die Feststellung von Mary Ann Doane von 1982 gelten: „ Männlicher Transvestismus ist Anlaß zum Lachen, weiblicher Transvestismus lediglich ein weiterer Anlaß zum Begehren. “ 46 Wobei aus heutiger Sicht die von Doane vorgenommene Wertung umzukehren wäre, denn die Ambivalenz, die im weiblichen Transvestismus erzeugt wird, richtet sich, anders als die Filme, auf die sie sich bezieht, nicht nur an den männlichen Zuschauer, sondern löst das Begehren gerade aus der binären Geschlechterlogik und schafft Raum für vielfältige Formen des Begehrens jenseits der Heteronormativität. Mit einer anderen Form des Cross-Dressings haben wir es in einer Choreographie von Eszter Salamon zu tun, Reproduction aus dem Jahr 2004. Sie arbeitet weniger mit offensichtlich parodistischen Mitteln, wie Stemann und Thalheimer das tun, als mit ambivalenten Zeichen, die zu einer Verunsicherung der Zuschauer*innen führen, da sie nicht in das binäre Schema herkömmlicher Geschlechterkategorien passen. Kleidung, Frisuren, Gesichtsbehaarung, Bewegungen und Posen der Tänzer*innen werden in dieser Aufführung widersprüchlich mon- 42 Miriam Dreysse tiert und brechen sich immer wieder gegenseitig, sodass eindeutige Zuschreibungen unmöglich sind und die eigenen Wahrnehmungsautomatismen hinterfragt werden. Im zweiten Teil der Aufführung wird dabei unter anderem mit Schamkapseln gearbeitet, wodurch beispielsweise weiblich wirkende Frisuren, Kostüme und Accessoires mit einer auffallend deutlichen Wölbung im Schritt kombiniert werden. Auf diese Weise wird die Kohärenz von anatomischem Körper, Sexualität und Geschlechtsidentität unterbrochen, Sexualität losgelöst von Geschlechtsidentität lesbar und darüber hinaus die Frage nach dem Status der Zeichen selbst aufgeworfen. Wer imitiert wen? Was ist echt, was nicht? Was ist unter den Schamkapseln? Nach Marjorie Garber ist die Schamkapsel theatrales Zeichen für die „ Sorge über die Künstlichkeit und Abnehmbarkeit der Männlichkeit “ 47 . Während der Transvestismus traditionellerweise - und auch im Fall von Stemanns Ulrike Maria Stuart oder Thalheimers Was ihr wollt - die Künstlichkeit des Frauenkörpers zur Schau trägt und damit laut Garber die kulturelle Sorge über die Künstlichkeit der Männlichkeit maskiert, wird in Reproduction die Künstlichkeit beider Geschlechter vorgeführt. Es ist eine Travestie, die die Existenz eines Originals radikal in Frage stellt, die Imitationsstruktur von Geschlecht offenlegt und auch den „ Anspruch der Heterosexualität auf Natürlichkeit und Ursprünglichkeit “ bestreitet, wie Butler dies für subversive Formen des Drag fordert. 48 Unter dem Codpiece verbirgt sich nichts, es ist ein Schein, der Bedeutung nicht ausdrückt, sondern als Effekt erzeugt. Eine solche Hinterfragung der Vorstellung eines Originals ist, wie Garber von einem transvestischen Theater sagt, auch als eine „ Kritik an der Möglichkeit von Repräsentation überhaupt “ zu verstehen. 49 Reproduction erzeugt ambivalente, widersprüchliche Körperbilder und entsubstantialisiert jede Geschlechtsidentität. Es wird im Sinne Garbers ein „ Möglichkeitsraum “ erzeugt, der „ Binarität in Zweifel zieht “ und Raum für ein „ Drittes “ schafft. 50 Es sind die Ambivalenzen oder „ VerUneindeutigungen “ (Engel), welche - gerade ohne eine ‚ eindeutige Erkennbarkeit ‘ oder ‚ politische Nachricht ‘ , wie Leibetseder sie fordert 51 - die binäre Geschlechterlogik zu subvertieren vermögen. Maskerade Cross-Dressing lässt sich auch als eine Form der Maskerade begreifen. 52 Die Maskerade in Reproduction lässt sich nicht aufdecken, hier gibt es nur die Masken, aber sie maskieren keine eigentliche Identität. Hinter der Maske ist nur eine weitere Maske; und so wird auch beim Applaus die Maske nicht gelüftet. Die Assoziation von Weiblichkeit mit Maskerade, Verstellung und Täuschung ist ein wiederkehrender Topos der bürgerlichen Moderne seit Rousseau. 1926 verwendet die Psychoanalytikerin Joan Rivière den Begriff der Maskerade bezogen auf die Inszenierung von Weiblichkeit in einem Aufsatz, der unter dem Titel „ Womanliness as a Masquerade “ erscheint. 53 Sie beschreibt in ihrer Fallstudie eine Patientin, die eine männliche Rolle einnimmt, um mit ihrem Vater konkurrieren zu können, und eine weibliche, um keine Bedrohung für den Vater darzustellen. Auf Interesse ist der Aufsatz im Kontext der konstruktivistischen Identitätstheorie Ende des 20. Jahrhunderts aufgrund eines kurzen Abschnitts gestoßen. Rivière schreibt: Der Leser mag sich nun fragen, wie ich Weiblichkeit definiere und wo ich die Grenzen zwischen echter Weiblichkeit und ‚ Maskerade ‘ ziehe. Ich behaupte gar nicht, dass es diesen Unterschied gibt; ob natürlich oder aufgesetzt, eigentlich handelt es sich um ein und dasselbe. 54 43 Kritische Identitäten. Subversive Strategien der Inszenierung von Gender in Theater und Performance Joan Rivière bezeichnet mit dem Begriff der Maskerade mithin die Inszenierung von Geschlechtsidentität unabhängig von einem ‚ natürlichen ‘ Geschlecht und löst ihn damit aus dem essentialistischen Zuschreibungssystem. Judith Butler wendet sich in ihrer ersten Studie zur Performativität der Geschlechtsidentität Gender Trouble dem Begriff der Maskerade unter Hinzuziehung von Rivières Aufsatz zu. Sie fragt nach den beiden Möglichkeiten, diesen Begriff im Kontext der Identitätskonstitution zu verstehen: Einerseits kann die Maskerade als performative Hervorbringung einer sexuellen Ontologie verstanden werden, d. h. als reine Erscheinung, die sich selbst überzeugend als Sein darstellt. Andererseits kann die Maskerade als Verleugnung eines weiblichen Begehrens gelesen werden, die eine vorgängige ontologische Weiblichkeit voraussetzt, die durch die phallische Ökonomie regelmäßig nicht repräsentiert wird. 55 Gehe man von letzterem aus, so müsse eine kritische Auseinandersetzung auf die Enthüllung des unterdrückten weiblichen Begehrens zielen, während in ersterem Fall „ eine kritische Reflexion auf die Geschlechter-Ontologie als parodistische (De)Konstruktion “ folgen müsse, die die Unterscheidung zwischen Sein und Schein in Frage stelle. 56 In einem Fall haben wir es mit der gängigen Vorstellung einer Maske zu tun, die ein Maskiertes verdeckt, das enthüllt werden kann, und das gemeinhin als das Eigentliche angesehen wird. Im anderen Fall haben wir es mit der Vorstellung zu tun, dass die Maskerade eine Identität erst hervorbringt. Bekanntlich folgt Butlers Argumentation dieser letzteren These. Die Maskerade verhüllt ihr zufolge nicht ein wahres Selbst, sondern bringt Identität ebenso wie die Illusion eines solchen Selbst erst performativ hervor. Im illusionistischen Theater, das mit abbildenden Mitteln arbeitet, dienen Maskeraden dazu, eine Rollenidentität zu stiften, ohne dabei die Existenz einer ‚ echten ‘ Identität hinter der Maske in Frage zu stellen. Die Schauspielmethode der Verkörperung fußt zudem auf dem Ausdrucksmodell, das äußere Zeichen als Ausdruck einer inneren Wahrheit begreift. In Aufführungen, die mit verfremdenden Mitteln arbeiten, werden Maskeraden hingegen in ihrer Zeichenhaftigkeit ausgestellt, Bedeutung wird als Effekt der Zeichen ausgewiesen und Identitäten als vorgängig präsente in Frage gestellt. Solche Maskeraden ermöglichen es, „ eine Distanz zum Bild herzustellen “ , eine Funktion der Maskerade, wie Doane sie für den Film konstatiert. 57 Auch hier aber bleibt häufig, wie wir am Beispiel von Stemann und Thalheimer gesehen haben, der männliche Schauspielerkörper als originaler unangetastet. In der zeitgenössischen Performance hingegen wird oft mit der Ununterscheidbarkeit von Maskerade, Rolle und Performer*in gearbeitet und damit das Verhältnis von Maske und Kern, Äußerem und Inneren grundlegend hinterfragt. Dabei werden, so Jenny Schrödl, durch Verkleidung, Verwandlung, Vermischung und Verzerrung „ Zonen der Veruneindeutigung von Geschlechtlichkeit “ geschaffen, die sich eindeutigen geschlechtlichen Positionen widersetzen und eine maßgebliche Strategie queerer Kritik in zeitgenössischer Performance darstellen. 58 Ein Beispiel hierfür sind die Performances von Antonia Baehr. Für Abecedarium Bestiarium. Portrait of Affinities in Animal Metaphors (2013) hat Antonia Baehr Freundinnen und Freunde gebeten, ein kurzes Stück über ein ausgestorbenes Tier, mit dem sie sich in irgendeiner Weise verbunden fühlen, für sie zu entwickeln. Dabei steht jedes Tier für einen Buchstaben des Alphabets: D wie Dodo, S wie Stellersche Seekuh oder T wie Tasma- 44 Miriam Dreysse nischer Tiger. Die Aufführung findet in einem offenen und weitgehend leeren Raum statt, in dem die Zuschauer*innen sich frei bewegen können. Antonia Baehr tritt mit Kurzhaarschnitt, in Dreiteiler und Herrenschuhen auf. Sie führt die Zuschauer*innen im Laufe der Aufführung an verschiedene Stationen, an denen sie, nach einer kurzen Einführung, die einzelnen Stücke präsentiert. Immer wieder verschwimmen dabei sowohl die Grenzen zwischen Mensch und Tier als auch zwischen männlich und weiblich. Antonia Baehr gurrt und prustet, fiept und singt, spricht und jammert, sie schlägt mit den Flügeln, stakst wie ein Storch, wälzt sich genüsslich am Boden. Kostüm und Frisur sind deutlich männlich konnotiert, während ihr Name und ihre Stimme, mit der sie die Einführungen zu den einzelnen Tieren spricht, weiblich sind. Auch ihre rot lackierten Fingernägel sind Zeichen für Weiblichkeit. An den Stationen vermischen sich die Zeichen bis zur Unkenntlichkeit. So holt sie unter Y für Yangtsee River Dolphin ihren Bauch hervor, lässt ihn über den Hosenbund fallen, zieht eine Lederjacke über und stellt sich breitbeinig an ein Mikrophon, in das sie dann hohe, sphärisch klingende Töne singt. Für T wie Tasmanischer Tiger zieht Baehr sich einen Tierkopf über, sodass das Bild konservativer Männlichkeit gebrochen und mit dem ihm Anderen kontrastiert wird. Dies wird verstärkt, wenn Baehr auf alle viere geht und sich dann masturbierend auf dem Boden wälzt. Von Band erzählt eine Frauenstimme die Geschichte des letzten Tasmanischen Tigers, der 1936 in einem australischen Zoo starb und bis zu seinem Tod fälschlicherweise für ein männliches Tier gehalten wurde. Erst nach ihrem Tod stellte sich heraus, dass sie ein Weibchen war. Das Thema der Geschlechtsidentität als System der Kategorisierung wird so auch inhaltlich verhandelt. Die Frauenstimme spricht von dem Tier/ Mann/ Baehr als „ sie “ , zugleich verschwimmen auf der Darstellungsebene die Grenzen zwischen tierischen, menschlichen, geschlechtlichen Identitäten. Wenn der letzte Tasmanische Tiger dann als Stoffkadaver von einem Haken hängt, werden auch die Ausschlussmechanismen, die mit Identitätssetzungen einher gehen, sichtbar. Der Tasmanische Tiger, aus menschlicher Perspektive ohnehin ein Zwischenwesen, da er sowohl Tiger als auch Beuteltier ist, kann in dem Bestreben nach Normierung und Kategorisierung nur verkannt und schließlich getötet werden. Fixierbare Identitäten werden auch durch den Wechsel zwischen den Performerpersönlichkeiten Antonia Baehr und Werner Hirsch hinterfragt. So zieht Baehr sich unter C wie Culebra Island Amazon of Puerto Rico Plateauschuhe mit hohen Nietenabsätzen und einen Bart aus Federn an und stellt sich mit tiefer Stimme als Werner Hirsch vor. Zu Auszügen aus Patriarchal Poetry von Gertrude Stein tanzt Baehr/ Hirsch mit einem gebastelten Papagei an der Leine durch das Publikum: „ Patriarchal she said what is it I know what it is it is I know I know [. . .] “ . 59 Während Hirschs Stimme weiterhin tief ist, wirken die Tanzbewegungen teilweise männlich, teilweise weiblich, sodass binäre Kategorien verschwimmen und keine eindeutige geschlechtliche Position ausgemacht werden kann. Eine solche Form des ‚ mixed Drag ‘ unterminiert die Vorstellung biologisch verankerter Geschlechtsidentitäten grundlegend und kann darüber hinaus auch als „ produktive[r] Alternativentwurf anderer Geschlechtlichkeit und Sexualität “ verstanden werden. 60 Werner Hirsch ist Antonia Baehrs zweite Performerpersönlichkeit. Antonia Baehr und Werner Hirsch treten als unterschiedliche Performer*innen auf, beide, sowohl Baehr als auch Hirsch, werden auf Baehrs Homepage als eigenständige Personen aufgeführt. Der Wechsel zwischen den beiden 45 Kritische Identitäten. Subversive Strategien der Inszenierung von Gender in Theater und Performance Figuren erfolgt in Abecedarium unvermittelt, aber sichtbar. Eine solche „ Ausstellung des Prozesses der Verwandlung “ ist Jenny Schrödl zufolge wesentlich für Offenlegung der Imitationsstruktur geschlechtlicher Identität. 61 Beide Figuren sind Maskeraden, die keinen wahren Kern verbergen, sondern momenthafte Identitäten performativ hervorbringen, und beide sind nicht eindeutig in das binäre Mann-Frau-Schema einzuordnen. Baehr stellt auf diese Weise zum einen die Performativität und Kontingenz von Geschlechtsidentität aus, zum anderen öffnet sie ihre Darstellung auf andere Möglichkeiten von Identität und Begehren, auf „ Spielräume des Entkommens “ aus Zweigeschlechtlichkeit und Heterosexualität. 62 Werner Hirsch hat bei „ C “ aufgrund der verstellten Stimme und der nietenbesetzten Schuhe parodistische Züge, die die Figur jedoch keinesfalls ins Lächerliche ziehen. Vielmehr wird sie als ein Drag-King inszeniert, der mit widersprüchlichen Zeichen ausgestattet ist und die Künstlichkeit von Männlichkeit vorführt. Es handelt sich um eine Form des Cross-Dressing, die dieses in der Schwebe lässt und dadurch versucht, die Wiederholung zu verschieben, ohne binäre Kategorien zu reproduzieren. Da Baehr nicht eindeutig als biologische Frau, die einen Mann spielt, auftritt, sondern sowohl als Antonia Baehr als auch als Werner Hirsch die Zeichen und ihren Körper ambivalent werden lässt, löst sie in Butlers Sinne tatsächlich „ Geschlechter-Unordnung “ 63 aus und hinterfragt das Original als solches. Die Hinterfragung des Originals erfolgt auch durch die Vervielfältigung der Autorschaft. Baehr spricht nicht nur mit multiplen Stimmen und Körpern, sondern löst auch die Idee des originalen Texts ebenso wie der individuellen, souveränen Autorschaft auf. Das Konzept des individuellen Autors, wie es sich seit der Renaissance in enger Verbindung mit dem neuzeitlichen Werkbegriff entwickelte, begreift den Autor als Schöpfer eines originalen Kunstwerks, und er ist dem Konzept nach männlich. Indem sie unterschiedlichste Menschen Texte schreiben lässt, unterminiert Baehr sowohl dieses Konzept männlicher Autorschaft als auch die Idee eines originalen Kunstwerks. Diese Strategie wendet sie auch in Lachen an (Aubervilliers 2008). Für Lachen hat Antonia Baehr Freundinnen und Freunde gebeten, ihr Partituren des Lachens zu schicken, die sie in der Performance von einem Notenständer vorträgt. Diese Konzertsituation betont einerseits die musikalischen Qualitäten des Lachens als Klang, verfremdet das Lachen aber auch, indem sie es aus jedwedem semantischen Kontext isoliert. Sie lacht ohne Grund, ohne inhaltliche oder psychologische Motivation. Die Lacher beginnen und enden unvermittelt, Pausen zwischen ihnen sind klar gesetzt, Baehrs Mimik ist bis auf das Lachen völlig ausdruckslos. Das Lachen selbst rückt in das Zentrum der Aufmerksamkeit, als stimmlicher und körperlicher Akt, als Material, als Klang. Und dabei fällt auf, dass das Lachen ansteckend ist, auch wenn man nichts über den Grund des Lachens weiß. Das Lachen selbst steckt an, bald lacht der ganze Saal. Das Lachen erscheint als performativer Akt schlechthin: Nicht als Ausdruck eines Inneren, sondern als ein körperlicher Akt, der im Vollzug den Affekt, für den es gemeinhin als Ausdruck gilt, erst erzeugt. Die gängige Vorstellung des Verhältnisses von innen und außen, von Gefühl und seinem Ausdruck, wird zunichte gemacht. Es ist gleichsam eine Maskerade, die keine Substanz verbirgt oder enthüllt, sondern sie erst als Effekt hervorbringt. Und dies gilt gleichermaßen für die Geschlechtsidentität: Baehr tritt in einem schwarzen Dreiteiler, Herrenschuhen und Kurzhaarschnitt auf. Ihr Erscheinungsbild entspricht konventioneller Männlichkeit, ihr Name und die Stimme, in der sie die Einführung gibt, klingen weiblich. Im Laufe der Performance changieren die Stimmen, Klänge und 46 Miriam Dreysse Töne, die sie erzeugt, zwischen den Geschlechtern, oft gibt es plötzliche Brüche, die die Zuschreibungen suspendieren. Und so gibt die Stimme in dieser Performance keinem biologischen Geschlecht Ausdruck, sondern erzeugt multiple Körper und einen Raum zwischen den Geschlechtern. 64 Blickregime Maskeraden sind an die Wahrnehmung geknüpft, sie bringen Identitäten in einem Wechselspiel von Produktion und Rezeption hervor. Die feministische Theoriebildung setzt sich seit den 1970er Jahren mit den Wahrnehmungsverhältnissen auseinander, die in der patriarchalischen Gesellschaft Geschlechterbilder erzeugen und konnte zeigen, dass der Blick des Betrachters in der abendländischen Kunst strukturell gesehen ein männlicher ist. Mit der Autonomisierung des weiblichen Aktbilds und dem Verschwinden des männlichen Betrachters aus dem Bild in der frühen Neuzeit entwickelte sich ein voyeuristischer Blick auf den weiblichen Körper, der diesen zum Objekt macht. 65 Kennzeichen des voyeuristischen Blicks sind - Freud zufolge - die räumliche Distanz und die Tatsache, dass er selber nicht gesehen werden will. Laura Mulvey analysiert 1975 diese Blickverhältnisse bezogen auf den Film und untersucht die filmischen Mittel, die die Frau als Objekt eines männlichen Blicks inszenieren. 66 In der Folge beschäftigen sich Mary Ann Doane und andere Filmtheoretikerinnen mit der Frage, welche Rolle die weibliche Zuschauerin in dem patriarchalen Blickdispositiv einnimmt und untersuchen Möglichkeiten, die binäre Aufteilung der Blickpositionen, an denen auch Mulvey letztlich festhält, aufzulösen. 67 bell hooks problematisiert in den frühen 1990ern den Blick der schwarzen Zuschauerin als Opposition zu hegemonialen Repräsentations- und Blickstrukturen. 68 Auch wenn man inzwischen weitgehend davon abgekommen ist, die Blickstrukturen gerade in Theater und Performance nach einem binären, dem biologischen Geschlecht folgenden Schema zu betrachten, so ist die Analyse der Blickverhältnisse bezogen auf Macht und Lust des Schauens und Angeschautwerdens doch weiterhin aktuell, und zwar sowohl in der theaterwissenschaftlichen Auseinandersetzung als auch in der darstellerischen Praxis. 69 Bereits in der frühen feministischen Performancekunst der 1960er Jahre setzen sich Künstlerinnen explizit mit den Blickverhältnissen auseinander, die die Kunst und die Darstellung des weiblichen Körpers in ihr prägen. Sie arbeiten dabei in erster Linie mit der Inszenierung des eigenen Körpers und reflektieren so das Verhältnis von Subjekt und Objekt des Blicks, von Künstlersubjekt und Material, Körper und Bild. Als eine der ersten hinterfragt Yoko Ono in ihrer Performance Cut Piece von 1964 den (männlichen) Blick auf das Kunstobjekt Frau. Ono sitzt schweigend auf der Bühne, eine große Schere vor sich, die Zuschauer*innen dürfen sich ein Stück ihrer Kleidung herausschneiden und mit nach Hause nehmen. Am Ende hält sie nurmehr die Reste ihres BHs mit ihren Händen fest, einige Kleidungsfetzen liegen noch neben ihr. Diese gewalttätige Entblößung ihres Körpers macht den strukturellen Gewaltzusammenhang von weiblichem Körper und männlichem Blick, von Kunstobjekt und Betrachter deutlich. Auch andere Künstlerinnen, wie z. B. Carolee Schneemann, Adrian Piper oder VALIE EXPORT, benutzen in den 1960ern und 70ern ihren eigenen Körper als Material, um zugleich Subjekt und Objekt des künstlerischen Prozesses zu sein. Sie hinterfragen die Zurichtungen des weiblichen Körpers durch das Konzept der männlichen Autorschaft und durch einen männlich konfigurierten Zuschauerblick. Piper reflektiert in 47 Kritische Identitäten. Subversive Strategien der Inszenierung von Gender in Theater und Performance ihren Performances zudem das Verhältnis von Geschlecht und ‚ Rasse ‘ , so etwa in Mythic Being von 1973, in der sie als schwarzer Mann durch New York läuft und Sätze wie „ I embody everything you most hate and fear “ vor sich hinmurmelt. Dem konventionellen Dualismus ‚ männlicher Künstler - weibliches Objekt ‘ setzen alle Künstlerinnen dieser Zeit die selbstbestimmte Inszenierung ihres eigenen Körpers entgegen und reflektieren ihn als Effekt eines performativen Prozesses von Produktion und Rezeption. Auf diese Weise gelingt es ihnen, die binäre Geschlechterlogik zu unterlaufen und auf andere Blickkonfigurationen zu öffnen. Auch in den bildenden und darstellenden Künsten der Gegenwart setzen sich Künstler*innen mit dem Verhältnis des eigenen Körpers und seiner Wahrnehmung auseinander und machen den Wahrnehmungsrahmen sichtbar, der die Konstruktion des Körpers bestimmt. Dabei werden Körpernormen und Rollenbilder reflektiert. So inszeniert sich beispielsweise Julischka Stengele in ihren Installationen und Performances häufig nackt und hinterfragt dabei normative Vorstellungen von Körper, Schönheit, Identität und Geschlecht. In Musenaufstand 1 (2017) steht sie nackt auf einer Drehscheibe in der Mitte des Publikums und spricht über das Anschauen und Angeschautwerden sowie die Kategorisierungen, die dabei vorgenommen werden: „ Maybe it ’ s time to speak about your gaze instead of my weight? “ In installativen Arbeiten präsentiert sie sich in der Art abendländischer Aktmalerei und befragt auf diese Weise Normen der Weiblichkeit und Darstellungskonventionen. In Not for Oscar, einer Performance von 2017, sitzt Stengele nackt auf einem Podest in der Mitte des Raums und küsst ihren eigenen Körper. Nach jedem Kuss trägt sie neuen Lippenstift auf, sodass die Küsse sichtbare Abdrücke auf ihrer Haut hinterlassen. Sie betont auf diese Weise die skulpturalen Qualitäten ihres Körpers, hinterfragt den Status des weiblichen Körpers als Kunstobjekt und übernimmt zugleich selbst die Autorschaft. Im zweiten Teil der Performance lädt sie das Publikum ein, einzeln zu ihr zu kommen und ihr einen Kuss zu geben. Die Zuschauer*innen sollen sie um Erlaubnis bitten und können wählen, welches Körperteil sie küssen wollen. Auf diese Weise entspinnen sich kleine Dialoge, die aus dem eindeutigen Blickregime des ersten Teils Begegnungen werden lassen. Normierungen, Kategorisierungen und Diskriminierungen werden durch diese konkreten Begegnungen suspendiert. Da ihr Körper aufgrund seiner Fülle den normativen Vorstellungen offensichtlich widerspricht, verfehlt diese Form der Selbstdarstellung in Butlers Sinne die Wiederholung und subvertiert herrschende Normen. Indem Stengele einen ‚ anderen ‘ Körper inszeniert, ermöglicht sie auch einen anderen Blick auf ihn, legt gleichzeitig diskriminierende Blickregime offen und damit auch gesellschaftliche Ein- und Ausschlüsse. Die dialogische Blickstruktur des zweiten Teils bricht mit diesen Regimen und ermöglicht die Konstitution anderer, nicht der binären Logik von Subjekt und Objekt gehorchender Körper- und Subjektbilder. Resignifikationen Viele der angeführten Beispiele arbeiten mit dem Mittel der Resignifikation. Judith Butler entwickelt diesen Begriff in Körper von Gewicht anhand einer Diskussion des Films Paris is burning von Jennie Livingston (1991). Sie bezieht sich dabei auf eine „ neue Ausarbeitung von Verwandtschaft “ durch die Verwendung von Begriffen wie „ Mütter “ , „ Kinder “ , „ bemuttern “ etc. durch die porträtierten schwulen Männer. 70 Eine solche Aneignung und „ Resignifikation der glei- 48 Miriam Dreysse chen Begriffe, die unseren Ausschluß und unsere Verwerflichkeit herbeiführen “ vermöge es, deren normative Macht zu brechen und schaffe den „ diskursiven und sozialen Raum für Gemeinschaft “ für diejenigen, die von der herrschenden Kultur ausgeschlossen sind. 71 Später nennt Butler den Begriff „ queer “ als Beispiel für die widerständige Kraft einer solchen „ sozialen und politischen Resignifikation “ . 72 Es handele sich um ein Zitieren in Form von Nachahmung, Übertreibung und Umkehrung, die aus der homosexuellenfeindlichen Anrufung die „ diskursive Basis für eine Opposition “ mache. Dafür sei Theatralität oder Übertreibung notwendig: „ Die übertriebene Geste ist entscheidend für die Bloßstellung des homosexuellenfeindlichen ‚ Gesetzes ‘ , das die Begriffe seiner eigenen verwerflich machenden Strategien nicht mehr kontrollieren kann. “ 73 Auch wenn Butler sich auf sprachliche Äußerungen bezieht, so kann man die Strategie der Resignifikation doch auf andere Zeichensysteme übertragen. So findet etwa bei Pollesch eine Resignifikation nicht nur auf verbaler Ebene durch die Bezeichnung „ Mutter “ für männliche Schauspieler statt, sondern ebenso durch das Kostüm, das sich Konventionen aneignet, um sie durch Verfremdung zu brechen und umzukehren. Auch Stengeles Theatralisierungen der konventionellen Blickanordnung kehren diese gleichsam um und gestalten sie neu als Begegnungen auf Augenhöhe. Antke Engel betont, unter Resignifikation sei „ ein permanenter Prozess zu verstehen, der nicht am Ergebnis (angeeignet), sondern an der fortdauernden Praxis (aneignen) orientiert ist “ 74 . Diese Prozessualität ist für alle erwähnten Aufführungen von Bedeutung, da sie die Arbeit mit und gegen normierte Zeichen, Bilder, Körper im Prozess vorbzw. durchführen. Besonders deutlich wird dies etwa in Baehrs Abecedarium mit ihrem ständigen Oszillieren zwischen Identitäten, Zuschreibungen, Deutungen und Umdeutungen. 75 Eine prozessuale Auseinandersetzung ‚ mit und gegen ‘ herrschende Normen kann mit José Esteban Munoz auch als „ Disidentification “ begriffen werden: „ Disidentification is the third mode of dealing with dominant ideology, one that neither opts to assimilate within such a structure nor strictly opposes it; rather, disidentification is a strategy that works on and against dominant ideology. “ 76 Als ein „ third term “ neben Identifikation und „ Counteridentification “ könne die Disidentifikation der Binarität entgehen. 77 Munoz bezieht sich sowohl auf soziale Realitäten als auch auf die Performancekunst. „ Disidentification “ sei ein „ performative mode of tactical recognition “ des dominanten Diskurses durch Minderheitensubjekte, namentlich Queers of Color, um diesem und der eigenen Subordination zu widerstehen. Munoz ‘ Überlegungen sind nicht zuletzt angesichts der engen Verflechtungen von ‚ Rasse ‘ und Geschlechtsidentität auch im zeitgenössischen Theater aufschlussreich. 78 Anhand der Performances von Vaginal Davis zeigt er, wie sie sich rassistische und sexistische Stereotype aneignet, sie mit parodistischen Mitteln reflektiert, und dabei gerade die intersektionalen Verflechtungen der Diskurse offenlegt und Bedeutungen von ‚ Rasse ‘ , Geschlecht und Identität verschiebt. Der Widerstand gegen die Norm funktioniert - ähnlich wie im Fall von Butlers Resignifikation - durch Aneignung und Umdeutung: „ Disidentification is about recycling and rethinking encoded meaning. “ 79 Die Möglichkeiten solcher Arbeit ‚ mit und gegen ‘ die herrschende Ideologie, mit den Mitteln der Aneignung und Umdeutung, sind, wie wir gesehen haben, vielfältig. Sie laufen immer Gefahr, die Normen, die sie kritisieren wollen, zu bestätigen. Sie vermögen es aber auch, wie an Eszter Salamon oder Antonia Baehr deutlich wurde, Räume 49 Kritische Identitäten. Subversive Strategien der Inszenierung von Gender in Theater und Performance zu eröffnen, die im Sinne einer Disidentifikation Identitäten suspendieren und Entwürfe von Geschlechtlichkeit, Begehren und Sexualität jenseits von Binarität anbieten. Abschließende Überlegungen Theater und Performance zeichnen sich durch die Vielfalt und Gleichzeitigkeit der verwendeten Mittel und Formen aus. Für eine kritische Wirkung greifen unterschiedliche, auch und gerade widersprüchliche Elemente ineinander. Insofern verwundert es nicht, dass das Vorhaben, verschiedene subversive Strategien zu benennen, nur mit Einschränkungen umgesetzt werden kann. Grundlegende kritische Verfahren wie die Verfremdung finden sich auch in anderen Formen der Kritik wie etwa der Parodie. Die Maskerade wiederum kann, ebenso wie das Cross-Dressing, als eine Form der Geschlechterparodie gesehen werden. Zudem erscheint es fast widersinnig, Kategorisierungen vornehmen zu wollen für Möglichkeiten, Kategorien zu hinterfragen und uneindeutig werden zu lassen. Dies wird auch bei der Zuordnung der Beispiele zu den verschiedenen Begriffen deutlich. Andererseits vermögen Differenzierungen und auch ein Perspektivwechsel, wie er mit der Verwendung unterschiedlicher Begrifflichkeiten einhergeht, die Komplexität widerständiger Strategien vor Augen zu führen, und Differenzierungen öffnen stets Lücken für Anderes. Die verschiedenen Facetten der Uneindeutigkeit entziehen sich eindeutiger Benennung, der Versuch ihrer Beschreibung vervielfältigt aber vielleicht auch das Denken über sie und mit ihnen. Anmerkungen 1 Judith Butler, Das Unbehagen der Geschlechter, Frankfurt a. M. 1991, S. 207. 2 Ebd., S. 57. 3 Ebd. 4 Ebd., S. 24. 5 Ebd., S. 218. 6 Judith Butler, Körper von Gewicht. Die diskursiven Grenzen des Geschlechts, Frankfurt a. M. 1997, S. 137. 7 Bertolt Brecht, Gesammelte Werke 16, Schriften zum Theater 2, Frankfurt a. M. 1967, S. 680. 8 Bertolt Brecht, Gesammelte Werke 15, Schriften zum Theater 1, Frankfurt a. M. 1967, S. 302. 9 Brecht, Gesammelte Werke 16, S. 553. 10 Ebd., S. 548. Kursiv im Original. 11 Ebd., S. 554. 12 Zur Verfremdung als genderkritische Strategie in Theatertexten s. Franziska Bergmann, Die Möglichkeit, dass alles auch ganz anders sein könnte. Geschlechterverfremdung in zeitgenössischen Theatertexten, Würzburg 2015. 13 Butler, Körper von Gewicht, S. 137. 14 Ebd., S. 317. 15 Linda Hutcheon, Irony ’ s Edge. The Theory and Politics of Irony, London/ New York 1994, S. 35. 16 Doris Leibetseder, Queere Tracks. Subversive Strategien in der Rock- und Popmusik, Bielefeld 2010, S. 32. 17 Ebd., S. 40 f. 18 Vgl. Miriam Dreysse, „ Heterosexualität und Repräsentation. Markierungen der Geschlechterverhältnisse bei René Pollesch “ , in: Gaby Pailer und Franziska Schößler (Hg.), Geschlechter Spiel Räume, Amsterdam 2011, S. 357 - 370. 19 Zur Inszenierung der Stimme bei Pollesch vgl. Jenny Schrödl, „ Schreiarien und Flüsterorgien. Stimmen als Oberflächenphänomene im Theater René Polleschs “ , in: Gruppe Oberflächenphänomene (Hg.), Mehr als Schein. Ästhetik der Oberfläche in Film, Kunst, Literatur und Theater, Zürich/ Berlin 2008, S. 117 - 129. 20 Butler, Unbehagen der Geschlechter, S. 203. 21 Traditionell wurde die Parodie aufgrund des griechischen ‚ para ‘ als Gegengesang verstanden. Vgl. Metzler Lexikon Literatur- und Kulturtheorie, hg. von Ansgar Nünning, Stuttgart 2004, S. 512. 50 Miriam Dreysse 22 Linda Hutcheon, A Theory of Parody. The Teachings of 20 th Century Art Forms, London 1985, S. 37. 23 Hutcheons Konzept der Parodie verdeutlicht auch die Nähe von Parodie und Verfremdung, da die Parodie nicht länger als eine Form der Verhöhnung gedacht wird. Das Verhältnis des Brechtschen Konzepts der Verfremdung zur Parodie wird auch in der Literaturwissenschaft diskutiert, vgl. Norbert Oellers, „ Das Ernste Spiel der Kunst. Brechts ‚ Die heilige Johanna der Schlachthöfe ‘“ , in: Michael Klein et. al. (Hg.), Literatur der Weimarer Republik. Kontinuität - Brüche, Innsbruck 2002, S. 109 - 125. 24 Butler, Unbehagen der Geschlechter, S. 203. 25 Zum Dildo als subversivem Element vgl. Leibetseder, Queere Tracks, S. 297 - 306. 26 Marjorie Garber, Vested Interests. Cross- Dressing and Cultural Anxiety, London 1993, S. 390. 27 Alisa Solomon, Re-Dressing the Canon, Essays on Theatre and Gender, London 1997, S. 40. 28 Butler, Unbehagen der Geschlechter, S. 202. 29 Butler, Körper von Gewicht, S. 316. 30 Butler, Unbehagen der Geschlechter S. 204. 31 Butler, Körper von Gewicht, S. 178. 32 Ebd. 33 Peggy Phelan, Unmarked. The Politics of Performance, London/ New York 1996, S. 107. 34 bell hooks, „ Brennt Paris? “ , in: bell hooks, Black Looks. Popkultur, Medien, Rassismus, Berlin 1994, S. 179 - 193, hier S. 182. 35 Judith Halberstam, Female Masculinity, Durham/ London 1998, S. 234. 36 Ebd., S. 236. 37 Marjorie Garber, Verhüllte Interessen. Transvestismus und kulturelle Angst, Frankfurt a. M. 1993, S. 524. 38 Ebd., S. 496. 39 Ebd., S. 23. 40 Ebd. 41 Jenny Schrödl, „ Gender Performances. Theaterwissenschaftliche Perspektiven und Problematiken “ , in: etum 1: 1 (2014), S. 33 - 52, hier S. 41. 42 Butler, Unbehagen der Geschlechter, S. 202. 43 Halberstam, Female Masculinity, S. 235. 44 Katharina Rost sieht in der von Konarske erzeugten Körperlichkeit Effekte von Queerness; Katharina Rost, „ Cross-Dressing und Queerness auf der Bühne. Konvention versus Irritation “ , in: Friedemann Kreuder, Ellen Koban und Hanna Voss (Hg.), Re/ produktionsmaschine Kunst. Kategorisierungen des Körpers in den darstellenden Künsten, Bielefeld 2017, S. 193 - 203. 45 Antke Engel, Wider die Eindeutigkeit. Sexualität und Geschlecht im Fokus queerer Politik der Repräsentation, Frankfurt a. M. 2002, S. 163. 46 Mary Ann Doane, „ Film und Maskerade, Zur Theorie des weiblichen Zuschauers “ , in: Liliane Weissberg (Hg.), Weiblichkeit als Maskerade, Frankfurt a. M. 1994, S. 66 - 89, hier S. 77. 47 Garber, Verhüllte Interessen, S. 181. 48 Butler, Körper von Gewicht, S. 178. 49 Garber, Verhüllte Interessen, S. 496. 50 Ebd., S. 23. 51 Leibetseder, Queere Tracks, S. 32. 52 Zur Differenzierung von Transvestismus, Mixed Drag und Maskerade vgl. Schrödl, „ Gender Performances “ , S. 39 - 46. 53 Joan Rivière, „ Womanliness as a Masquerade “ , in: International Journal of Psychoanalysis X (1929), S. 303 - 313. 54 Joan Rivière, „ Weiblichkeit als Maskerade “ , in: Weissberg (Hg.), Weiblichkeit als Maskerade, S. 34 - 47, hier S. 39. 55 Butler, Unbehagen der Geschlechter, S. 79 f. 56 Ebd., S. 80. 57 Doane, „ Film und Maskerade “ , S. 86. 58 Jenny Schrödl, „ Wider eindeutige Geschlechtlichkeit. Formen und Spielräume des Entkommens in Gender & Queer Performances “ , in: Nicole Kandioler, Ulrich Meurer und Vrääth Öhner (Hg.), escape. Strategien des Entkommens. Onlinepublikation 2015, http: / / escape.univie.ac.at/ widereindeutige-geschlechtlichkeit/ , S. 5. [Zugriff am 18. 05. 2020] 59 Gertrude Stein, „ Patriarchal Poetry “ , in: The Yale Gertrude Stein, New Haven 1980, S. 106 - 146, hier S. 124. 60 Schrödl, „ Gender Performances “ , S. 44. 61 Ebd., S. 41. 51 Kritische Identitäten. Subversive Strategien der Inszenierung von Gender in Theater und Performance 62 Schrödl, „ Wider eindeutige Geschlechtlichkeit “ , S. 2. 63 Butler, Unbehagen der Geschlechter, S. 39. 64 Zur Subversion von Gender durch die Stimme vgl. Jenny Schrödl, „ Vokale Travestien, Zu stimmlichen Geschlechterperformances auf der Bühne “ , in: Doerte Bischoff und Martina Wagner-Egelhaaf (Hg.), Mitsprache, Rederecht, Stimmgewalt. Genderkritische Strategien und Transformationen der Rhetorik, Heidelberg 2006, S. 377 - 396 und Miriam Dreysse, „ Die stimmliche Konstruktion und Dekonstruktion von Geschlechteridentitäten auf der Bühne, “ in: Hans-Peter Bayerdörfer (Hg.), Stimmen, Klänge, Töne. Synergien im szenischen Spiel, Tübingen 2002, S. 81 - 92. 65 Daniela Hammer-Tugendhat, „ Jan van Eyck. Autonomisierung des Aktbildes und Geschlechterdifferenz “ , in: Kritische Berichte 3 (1989), S. 78 - 99, hier S. 90. 66 Laura Mulvey, „ Visuelle Lust und narratives Kino “ , in: Weissberg, Weiblichkeit als Maskerade, S. 48 - 65. 67 Doane, „ Film und Maskerade “ . 68 bell hooks, „ Der oppostionelle Blick. Schwarze Frauen als Zuschauerinnen “ , in: bell hooks, Black Looks, S. 145 - 165. 69 Zu der theaterwissenschaftlichen Perspektive siehe Adam Czirak, Partizipation der Blicke. Szenerien des Sehens und Gesehenwerdens in Theater und Performance, Bielefeld 2012. 70 Butler, Körper von Gewicht, S. 192. 71 Ebd., S. 193. 72 Ebd., S. 318. 73 Ebd., S. 319. 74 Antke Engel, „ Aneignung/ Umarbeitung/ VerUneindeutigung “ , in: Bildpunkt, Zeitschrift der IG Bildende Kunst, "Aneignen", Sommer 2007. 75 Einschränkend ist zu erwähnen, dass Engel den Begriff auf eine soziale Praxis über einen längeren Zeitraum bezieht. Betrachtet man eine einzelne Theateraufführung als Teil sozialer Praxis, so wie auch Butler dies im Fall des Films Paris is burning tut, kann man den Begriff dennoch übertragen. 76 José Esteban Muñoz, Disidentifications. Queers of Color and the Performance of Politics, Minneapolis 1999, S. 11. 77 Ebd., S. 97. 78 Vgl. Miriam Dreysse, „ Weiße Haut und schwarze Schminke, Verflechtungen von Geschlecht und ‚ Rasse ‘ im deutschsprachigen Theater “ , in: Olivia Evert et al. (Hg.), Theater als Kritik, Bielefeld 2018, S. 347 - 355. 79 Muñoz, Disidentifications, S. 31. 52 Miriam Dreysse