eJournals Italienisch 41/81

Italienisch
ita
0171-4996
2941-0800
Narr Verlag Tübingen
10.2357/Ital-2019-0001
Es handelt sich um einen Open-Access-Artikel, der unter den Bedingungen der Lizenz CC by 4.0 veröffentlicht wurde.http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/61
2019
4181 Fesenmeier Föcking Krefeld Ott

Come l'Italia pensa l'Europa

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2019
Michael Schwarze
ita41810001
1 Come l’Italia pensa l’Europa Wir leben in Zeiten, in denen europäische Krisen medial allgegenwärtig sind: Man denke an die Krise der Institutionen der Europäischen Gemeinschaft, die Auswirkungen politisch-ökonomischer Krisen in vielen Ländern Europas und das allgemeine Erstarken europhober Populismen . Gleichzeitig ist die eklatante Unfähigkeit zu beobachten, angesichts der Herausforderungen nationalen, europäischen und globalen Ausmaßes gemeinsame Positionen zu finden . Bei den mal emphatischen, mal verzagten, mal polemischen Wehklagen über die vielfältigen Reibungsflächen im heutigen Europa wird freilich allzu leicht vergessen, dass die Idee Europa spätestens seit dem späten Mittelalter in Anbetracht der Zerstrittenheit der europäischen Mächte und ihrer machtpolitischen Ansprüche häufig nicht viel mehr als eine Projektion war Gleichwohl - oder besser: gerade deshalb - sind Konzeptionalisierungen Europas nach wie vor Gegenstand geisteswissenschaftlicher Forschungen . Sie gehen davon aus, dass es historische Konstellationen, sprachliche Praktiken, philosophische Entwürfe sowie literarische und künstlerische Konstruktionen sind, mittels derer wir Lebenswirklichkeiten in erheblichem Maße überhaupt erst erzeugen . Die Geisteswissenschaften tragen zu den Diskussionen um Europa dabei derzeit vor allem im Kontext der Globalisierungsdebatten bei: Die einen halten an der Tradition eines emphatischen Europa-Begriffs mit dem Argument fest, der Rest der Welt eigne sich das kulturelle Erbe Europas, angefangen mit der klassischen Antike, bis heute an und forme es weiter . Europa sei damit auch in globaler Perspektive das eigentliche «Weltkulturerbe» (Hilmar Hoffmann) . Dem stehen kulturwissenschaftliche Ansätze gegenüber, die konsequent der Tatsache Rechnung tragen wollen, dass unser Kontinent seit dem Ende des 19 . Jahrhunderts sukzessive seine dominierende Position in der Welt eingebüßt hat . Anschließend an den Postkolonialismus und das Paradigma einer globalen Verflechtungsgeschichte verzichten sie auf kohärenzbildende Europa- Erzählungen und quittieren die «Provinzialisierung Europas» (Dipesh Chakrabarty) mit einer Revision der eurozentrischen «Selbstgeschichtsschreibung rückwärts bis zu ihren Anfängen» (Albrecht Koschorke) . Im Sinne einer Entwestlichung eines als marginal betrachteten Europa rücken dabei Logiken der De- und Exzentrierung oder Vergleiche von Fremd- und Selbstwahrnehmungen von Europa in das Zentrum des Interesses Die vier Aufsätze, die den Themenschwerpunkt dieses Faszikels bilden und die anlässlich des Italientags 2017 an der Universität Konstanz entstanden, gehen einen dritten Weg: Sie untersuchen Formen der innereuropäischen Selbstvergewisserung und fragen anhand von Einzelfallstudien danach, welche sprachlichen oder literarischen Entwürfe und welche politischen Diskurse in Italien dazu dienten und dienen, die komplexen Realitäten der penisola in ein Verhältnis zu einem Europa zu setzen, das vielfach als fern oder fremd, wenn nicht gar als inexistent wahrgenommen wurde . Das Thema «Wie Italien Europa denkt» trägt auf diese Weise zu einer Historisierung bei, welche die genannten Großnarrative von der weltkulturellen Einheit bzw . der provinziellen Marginalität Europas notwendigerweise ergänzt . Denn nur differenzierte Kenntnisse über spezifisch italienische Perspektiven auf Europa erlauben es, etwaige Unterschiede sachgerecht einzuordnen, anstatt sie a priori als störend auszublenden, polemisch zu dämonisieren oder gesellschaftspolitisch zu instrumentalisieren Michael Schwarze DOI 10. 23 57/ Ital-2019 - 0 0 01 Italienisch_81.indb 1 02.07.19 14: 05