Italienisch
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Narr Verlag Tübingen
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2019
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Fesenmeier Föcking Krefeld OttFlorenz. Das Gemeinwesen und das Wort der Dichter
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2019
Karl Philipp Ellerbrock
Con l’esempio di Firenze, il saggio discute il ruolo che nel Due e Trecento si attribuiva alla lingua come fondamento della comunitá. Per il cronista Giovanni Villani, il toponimo della città di Firenze è espressione della capacità dei suoi abitanti di trovare un consenso linguistico. Dante, nella sua analisi del conflitto fra ghibellini e guelfi, fa leva proprio su quell punto in cui la fiducia nella lingua come garanzia di pace è messa in dubbio. In questa luce, la Commedia figura da progetto di ristabilimento della fiducia nella funzione mediativa della parola in opposizione alle violenza. Nella sua introduzione als Decameron Boccaccio si rifà alla riflessione di Dante: egli descrive la peste come una crisi linguistica profonda, a cui contrappone il raccontare come forma costitutiva della collettività dei mortali. L’esempio di una scritta anonima nella sala tribunale dell’Arte della Lana a Firenze consente infine di evidenziare il sapere specific della poesia, capace di smascherare un uso del linguaggio che minaccia di corrompere la comunità nelle sue basi fondamentali. La conclusione valuta le letture a riguardo della funzione civilizzatrice che in seno alle città viene attribuita al volgare nella poesia italiana delle origini.
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35 K A R L P H I L I P P E L L E R B R O C K Florenz. Das Gemeinwesen und das Wort der Dichter* 0. «Fiorenza», den klingenden, alten Namen, der sich gegen die Bezeichnungen «Caesaria» und «piccola Roma» durchgesetzt habe, führt der Chronist Giovanni Villani Anfang des 14. Jahrhunderts auf eine Legende zurück: Nicht Julius Caesar, so ein Dekret des römischen Senats, sondern der Stifter des prächtigsten öffentlichen Gebäudes sollte den Namen der nach der Zerstörung von Fiesole neu entstandenen Siedlung bestimmen dürfen. Als im ehrgeizigen Wettstreit der Bürger alle Gebäude gleichzeitig fertig gestellt werden und kein Einzelner als Namensgeber in Frage kommt, verständigt man sich mit der Zeit auf die Bezeichnung «Fiorenza». 1 Der Name der Stadt, so Villani, wird weder von einem Einzelnen gefunden noch von oben herab verordnet, sondern er ergibt sich aus dem Einvernehmen («consenzienti») aller Bürger. In frappierender Ähnlichkeit zu dem, wie im 20. Jahrhundert der Begründer der modernen Linguistik, Ferdinand de Saussure, das sprachliche Zeichen als Ergebnis stillschweigender Übereinkunft bestimmt hat, 2 verstetigt und bewährt sich «Fiorenza» im Gebrauch einer allen gemeinsamen Sprache, dem volgare. Konsensfähig ist der neue Name deshalb, weil er, anders als «Caesaria», nicht autoritär auf einen bestimmten Sinn festgelegt ist, sondern verschiedene Gründungserzählungen integriert, in denen sich die in der Stadt lebenden Menschen wiederfinden können. Als Gegenentwurf zur Sprachverwirrung von Babel, mit der die Nuova Cronica angehoben hatte, erzählt Villani die Neugründung von Florenz als einen * Für Edoardo Costadura. 1 Nuova Cronica, II, 1. Zitiert nach Villani 2007, I, S. 61-62: «I detti signori, per avanzare l’uno l’edificio dell’altro, con molta sollecitudine si studiavano, ma in uno medesimo tempo per ciascuno fu compiuto; sicché nullo di loro ebbe aquistata la grazia di nominare la città a sua volontà, sì che per molti fu al cominciamento chiamata la piccola Roma. Altri l’appellavano Floria, perché Fiorino fu ivi morto, che fu il primo edificatore di quello luogo, e fu in opera d’arme e in cavalleria fiore, e in quello luogo e campi intorno ove fu la città edificata sempre nasceano fiori e gigli. Poi la maggiore parte degli abitanti furono consenzienti di chiamarla Floria, sì come fosse in fiori edificata, cioè con molte delizie. […] Ma poi per lungo uso del volgare fu nominata Fiorenza: ciò s’interpreta spada fiorita.» 2 de Saussure 2013, S. 170-175. DOI 10. 23 57/ Ital-2019 - 0 021 Italienisch_82.indb 35 20.01.20 15: 36 36 Florenz. Das Gemeinwesen und das Wort der Dichter Karl Philipp Ellerbrock sprachlichen Einigungsprozess. 3 «Fiorenza» wird zum Inbegriff der Vergesellschaftung im Medium der Sprache. Dieses Vertrauen in die Sprache als Fundament gesellschaftlicher Ordnung, als Garantin der pax urbana, sieht sich im Florenz des ausgehenden Mittelalters verschiedenen Gefährdungen ausgesetzt. Es sind dies vor allem der über Jahrzehnte anhaltende blutige Streit zwischen Papst- und Kaisertreuen, die verheerende Pestepidemie von 1348 sowie Anfeindungen von Innen in Gestalt der Korruption. Aus solchen Konstellationen der Gefährdung allerdings, so soll hier gezeigt werden, beziehen die Dichter des Trecento erst den Ansporn, mit ihren Werken einen neuen Raum der Verständigung über kollektive Belange zu eröffnen. Gegenüber den administrativen oder politisch-institutionellen Begründungsformen kommunaler Identität, wie im Sitzungssaal der Richter und Notare, die sich unter dem «Idealbild einer von Zünften regierten Stadt» versammeln, 4 gegenüber auch religiösen Identifikationsmustern, wie dem Schutzpatronat der Heiligen Reparata, die als erste Namensgeberin der Kathedrale ihre Obhut über Florenz walten lässt, 5 soll hier die besondere Funktion aufgezeigt werden, die dem in formaler Anstrengung hervorgebrachten und reflektierten ‘Wort der Dichter’ für das Gemeinwesen zukommt. Die Schlüsselrolle der Dichtung und das besondere Potential fiktionaler Texte für die Emergenz städtischer Öffentlichkeit gilt es anhand von drei Beispielen zu verfolgen: 1. Dantes Analyse der Ursachen für den Konflikt zwischen Ghibellinen und Guelfen; 2. Boccaccios Aufwertung des Erzählens in Zeiten der Pest; 3. Die entwaffnende Replik auf Feinde der Gerechtigkeit in anonymen Versen der Florentiner Wollweberzunft. Überlegungen zur Sprachkonzeption schließen den Aufsatz ab. 1. Im Paradiso, dem dritten Teil seiner im Exil verfassten Commedia, lässt Dante Alighieri (1265-1321) seinen Urahnen, den Kreuzritter Cacciaguida degli Elisei (ca. 1091-1148), nostalgisch auf das Florenz des 12. Jahrhunderts zurückblicken: 3 Nuova Cronica, I, 2. Vgl. auch die entsprechenden Miniaturen in dem Band Il Villani illustrato 2005. 4 Wartenberg 2015, S. 115. Das Gewölbefresko ist dort abgebildet als Tafel 7. 5 In der ausgemalten Initiale eines Messbuchs von 1493 ist Santa Reparata dargestellt, wie sie ein Modell der Florentiner civitas in Händen hält. Vgl. Tacconi 2005, S. 173-174. Die Initiale aus dem Codex Edili 109 der Biblioteca Medicea Laurenziana, fol. 310r, ist dort abgedruckt als Tafel 21. Italienisch_82.indb 36 20.01.20 15: 36 37 Karl Philipp Ellerbrock Florenz. Das Gemeinwesen und das Wort der Dichter Fiorenza dentro da la cerchia antica, ond’ella toglie ancora e terza e nona, si stava in pace, sobria e pudica. (Par. XV, 97-99) 6 Eingefriedet innerhalb der mathildischen Stadtmauern, die zu Cacciaguidas Lebzeiten erweitert wurden, 7 liegt ein längst verblühtes Florenz, das Dante aus dem Blickwinkel der Ewigkeit als Idealzustand von Zivilisation erscheinen lässt. Dem Althergebrachten («antica» 97 ) entspricht qua Reim die Unverderbtheit der Sitten («pudica» 99 ). Die wohlgeordneten Verhältnisse innerhalb der Stadt klingen in den Glockenschlägen an («e terza e nona» 98 ), die Gebets- und Arbeitszeiten regeln und dem Geschehen im städtischen Raum eine Form verleihen. Cacciaguidas Florenz, im Paduaner Codex 67 als menschenleere Agglomeration von Gebäuden dargestellt, 8 ist ein harmonisches Ganzes, eine den Ereignissen vorgängige Abstraktion. Ähnlich wie in der homerischen Schildbeschreibung der Ilias dominiert hier das «Durativ- Zuständliche». 9 Das Imperfekt «si stava» 99 ist ein klassisches Hintergrund- Tempus. 10 Es erzeugt, erzähltechnisch gesprochen, eine Spannung: Welches neu einsetzende Ereignis trennt die in Frieden liegende Stadt von ihrem Untergang? Während die zeitgenössische Geschichtsschreibung den Konflikt zwischen Ghibellinen und Guelfen auf die Eskalation eines Festbanketts in Campi, einem kleinen Ort vor Florenz, und auf die nachfolgende Ermordung des Grafen Buondelmonte auf dem Ponte Vecchio am Ostermontag 1216 zurückführt, 11 ist es in Dantes Analyse ein einziger fataler Satz, der die selbstgenügsame Einheit von Cacciaguidas Florenz zerstört. Es sind die Worte «Capo ha cosa fatta»/ «Erledigt ist erledigt», 12 die ein gewisser Mosca de’ Lamberti bei Beratungen in der Kirche Santa Maria Sopra Porta 13 6 Wir geben nur den Anfang der berühmten Rede Cacciaguidas wieder. Der Text wird hier und im Folgenden zitiert nach Dante Alighieri 1994. Für Spezialliteratur zu den hier besprochenen Textstellen vgl. die Bibliografia Dantesca Internazionale, online verfügbar unter dantesca.ntc.it. 7 Vgl. den «Grundriss von Florenz», den Philalethes seiner Commedia-Übersetzung beigegeben hat. Er ist abgedruckt in: Costadura/ Ellerbrock 2015, Kat. 59. 8 Padua, Biblioteca del Seminario, Codex 67, fol. 255v. Abgedruckt in: Brieger/ Meiss/ Singleton 1969, II, S. 470. 9 Primavesi 2002, S. 199. 10 Zur Reliefgebung vgl. Weinrich 2001 [ 1 1964], S. 115-134. 11 Für eine Analyse des Banketts, wie es in der Cronica fiorentina geschildert wird, vgl. Najemy 2008, S. 11-20. 12 Zur Semantik von «Capo ha cosa fatta» vgl. den Tesoro della Lingua Italiana delle Origini, s.v. «cosa»: «‘una cosa fatta non può essere disfatta’, cioè riesce al suo capo, al suo effetto». 13 Vgl. Giannarelli 2002, S. 63. Italienisch_82.indb 37 20.01.20 15: 36 3 8 Florenz. Das Gemeinwesen und das Wort der Dichter Karl Philipp Ellerbrock gesprochen haben soll, um die Ermordung Buondelmontes anzuregen. Für diesen einen, in Florenz bis heute als Sprichwort geläufigen Satz 14 kommt Mosca in die Hölle, wenigstens in Dantes Hölle. Tief unten im achten Kreis ruft die Figur dem Pilger entgegen: […] «Ricordera’ ti anche del Mosca, che disse, lasso! , ‘Capo ha cosa fatta’, che fu mal seme per la gente tosca». (Inf. XXVIII, 106-108) Natürlich wurde der Parteienstreit zwischen Guelfen und Ghibellinen in erster Linie durch Akte der rohen Gewalt zementiert, 15 aber Dantes Analyse geht tiefer. In der Gegenüberstellung von fare und dire weist er darauf hin, dass Florenz nicht zuletzt an dem zugrunde gegangen ist, was jemand gesagt hat («che disse, lasso! » 107 ). Bereits Chiaro Davanzati, ein Dichter des Duecento, hatte in einer Kanzone gefragt, wer zuerst das Wort «Partei» oder «Teilung» ausgesprochen habe: Chi ’m prima disse partte fra li tuo’ filgli, tormentato sia 41-42 . 16 Darauf liefert Dante die Antwort. Die Versehrung von Moscas Körper im Höllenraum straft weniger seine tätliche Beteiligung am Mordanschlag als die Gewalt, die er dem Gemeinwesen, dem corpo civile, durch seinen Ausspruch angetan hat. Empfindlicher noch als die Gewalttätigen werden bei Dante die Säer von Zwietracht bestraft, weil sie ihre Rede dazu einsetzen, um gesellschaftlichen Zusammenhalt zu gefährden. Wie kann aber ein bloßer Satz wie «Capo ha cosa fatta» ein gewachsenes Gemeinwesen zu Fall bringen? Dante legt Mosca eine schon antik verbürgte Sentenz, Factum infectum fieri non potest, 17 in den Mund, die eigentlich, so in den römischen Rechtsmaximen, verhindern soll, dass mehrfach über ein und denselben Vorfall prozessiert wird. 18 Von Mosca wird der juristische Lehrsatz ganz im Gegenteil dazu gebraucht, um eine neue Gewalt- 14 Vgl. Raddi 2006, S. 74. 15 Indem er den Mord an Buondelmonte mit einem Opfer vergleicht, das Mars dargebracht wird, perspektiviert der Kreuzritter Cacciaguida den Wendepunkt in der Florentiner Geschichte als einen Rückfall in pagan-unerleuchtete Vorstellungen von Hingabe. Vgl. Par. XVI, 145-147: «Ma conveniesi, a quella pietra scema/ che guarda ’l ponte, che Fiorenza fesse/ vittima ne la sua pace postrema». Im Zuge der Christianisierung von Florenz hatte Johannes der Täufer den römischen Kriegsgott als Schutzpatron abgelöst (Inf. XIII, 143-144), von dem sich allerdings eine Statue auf dem Ponte Vecchio erhalten hatte. Vgl. Gebhardt 2007, S. 205-210. 16 Davanzati 2004. 17 Leone 2005. 18 Steiner 2009, S. 209. Italienisch_82.indb 38 20.01.20 15: 36 39 Karl Philipp Ellerbrock Florenz. Das Gemeinwesen und das Wort der Dichter tat anzustoßen. Die Pervertierung der Maxime Factum infectum fieri non potest tritt darin hervor, dass Mosca nicht etwa ein schon Geschehenes (den Streit von Campi) ad acta legt, sondern eine erst noch auszuführende Handlung (den Mord an Buondelmonte) rhetorisch als eine «cosa fatta», eine so gut wie erledigte Sache vorstellt. Der juristische locus communis wird von ihm in einen trügerischen common sense umgewendet. Zur Perfidie von Moscas Rhetorik gehört, dass er nicht explizit dazu auffordert, Buondelmonte zu ermorden, sondern dass seine Zuhörer in Santa Maria Sopra Porta das destruktiv Gemeinte selbst zusammensetzen müssen. Moscas Satz birgt einen «mal seme» für das Gemeinwesen, die Möglichkeit einer unkontrollierten Ausbreitung des Bösen in einer kaum merklich umgemünzten, in ihr Gegenteil verkehrten Redensart. In dem gefährlichen Scheinkonsens von «Capo ha cosa fatta» steckt das schwerwiegende Missverständnis, die Abkehr vom ausgleichenden Wort könne je einen kollektiven Konflikt innerhalb der Kommune beheben. Mosca wird im Inferno dafür bestraft, dass er gerade eine besonders geschlossene sprachliche Form, die prägnante Sentenzhaftigkeit von «Capo ha cosa fatta» dazu nutzt, um die Gewalt als ein Form stiftendes Prinzip auszugeben, mittels dessen die verloren gegangene Einheit zurück zu gewinnen sei. Indem Dante die Geburt von Florenz als gespaltener Stadt auf einen Niedergang kommunaler Redekunst 19 zurückführt, trifft er eine grundsätzliche Aussage über das Verhältnis von Sprache und Gesellschaft. Als einprägsam-anschauliches Gedächtnisbild 20 führt die Figur Moscas die Mechanismen des demagogisch vereinnahmten Wortes vor Augen, das sich auf den Erkenntnis- und Vermittlungsanspruch von Sprache beruft, tatsächlich aber den Schritt zum fare intendiert und die Zerstörung des Gemeinwesens bewirkt. Wie steht es um Dantes eigenen Beitrag zur Befriedung seiner Heimatstadt, die ihn 1302, als späte Folge der Zungensünde von Santa Maria Sopra Porta, verbannt und für den Fall seiner Rückkehr mit der Todesstrafe belegt hatte? Die Begegnung mit Mosca im Inferno jedenfalls endet denkbar unversöhnlich, ja die Replik des Pilgers vergrößert noch sein Leiden: E io li aggiunsi: «E morte di tua schiatta»; per ch’elli, accumulando duol con duolo, sen gio come persona trista e matta. (Inf. XXVIII, 109-111) 19 Vgl. zu ihrer Bedeutung Artifoni 2011. 20 Weinrich 1994, S. 26. Italienisch_82.indb 39 20.01.20 15: 36 4 0 Florenz. Das Gemeinwesen und das Wort der Dichter Karl Philipp Ellerbrock Mag die der Seele gleich einer zusätzlichen Verletzung beigebrachte Antwort des Pilgers auch im Kontext der achten bolgia ihren Platz haben, wo sie nun tatsächlich das letzte Wort in der Sache Mosca spricht, so könnte Dantes eigene Auffassung von Sprache kaum gegensätzlicher zu dem Geist sein, der aus den Worten «E morte di tua schiatta» spricht. Sätze wie diesen oder die Schmähreden auf Florenz - wie die ironische Umwendung einer stolzen Inschrift des Bargello in ein Bild der Imposanz von Florenz als Höllenstadt 21 - vorschnell mit der Aussage der Commedia gleichzusetzen, hieße den Text zu fragmentieren, anstatt ihn in seiner integrativen Gesamtanstrengung zu würdigen. Mit den drei Jenseitsreichen hält Dante der von Mosca symbolisierten «città partita» 22 eine neue Ganzheit entgegen. Indem er die Folgen von Moscas Satz plastisch ausmalt, tritt Dante gewissermaßen zwischen die Parteien und eröffnet seinen Lesern die Möglichkeit zu jener kritischen Distanznahme in der Sprache, die Moscas ersten Zuhörern in Santa Maria Sopra Porta nicht beschieden war. Deshalb verstehe ich auch Dantes berühmte Prophetie, er werde dereinst über dem Taufstein des Baptisteriums den Lorbeerkranz empfangen, 23 nicht, wie mitunter zu lesen, als selbstgerechten Triumph oder als Gestus der Genugtuung, sondern als Ausdruck von Verbindlichkeit, als Versprechen, im Medium der Dichtung an den Ort spiritueller Erneuerung und ziviler Zugehörigkeit par excellence, 24 in die Mitte der Florentiner Bürgerschaft zurückzukehren. 2. Auch für den zweiten großen Dichter des Trecento, den Kaufmannssohn Giovanni Boccaccio (1313-1375), bleibt Florenz der zentrale Bezugspunkt von Dichtung. In den 100 Erzählungen seines Decameron, das programmatisch mit dem Wort «umana» anhebt, erscheint die Stadt nicht mehr aus der Perspektive des Jenseits, sondern aus der innerweltlichen Nah-Ferne des contado, der Hügel vor Florenz. Hierhin hat sich eine zehnköpfige brigata zurückgezogen, um abseits der in Florenz wütenden Pest zu leben und einander an zehn Tagen jeweils zehn Novellen zu erzählen. Unter diesseitigen 21 Inf. XXVI, 1-3 «Godi, Fiorenza, poi che se’ sì grande/ che per mare e per terra/ batti l’ali/ e per lo ’nferno tuo nome si spande! ». Nach Petersen 2011, S. 30 «verhöhnt [Dante] den territorialen Größenwahn seiner Heimatstadt». Die Zeile 18 der auf 1255 datierten Inschrift lautet: «que mare, que terram, que totum possidet orbem». Mac- Cracken 2001, S. 5-8. 22 So der Pilger im Dialog mit dem Gefräßigen Ciacco in Inf. VI, 61. 23 Par. XXV, 7-9: «con altra voce omai, con altro vello/ ritornerò poeta, e in sul fonte/ del mio battesmo prenderò ’l cappello». 24 Vgl. Keen 1997. Italienisch_82.indb 40 20.01.20 15: 36 41 Karl Philipp Ellerbrock Florenz. Das Gemeinwesen und das Wort der Dichter Vorzeichen 25 bewahrheitet sich die gesellschaftliche Funktion von Literatur also erneut in einer Krisensituation. Vor schweren Hungersnöten, Überschwemmungen, Bankenkrisen und großflächigen Bränden, die die Stadt in der ersten Jahrhunderthälfte heimsuchen, erfasst Boccaccio die Pest von 1348 als größte Bedrohung des Florentiner Gemeinwesens in seiner Zeit. Ausschlaggebend ist dafür allerdings nicht allein die Dezimierung der Florentiner Bevölkerung, die innerhalb weniger Monate um die Hälfte auf etwa 50.000 zurückging. 26 Anknüpfend an Dante nimmt Boccaccio vielmehr die Gefährdung der sprachlichen Grundlagen des Zusammenlebens zum eigentlichen Ausgangspunkt seiner literarischen Schöpfung. Kein Einzelner hat in Boccaccios Florenz dem Gemeinwesen den Samen böser Rede eingepflanzt, sondern eine gefährliche Epidemie bedroht hier gesellschaftlichen Zusammenhalt. Über die Verbreitungswege der Pest heißt es in der berühmten, an literarischen Vorbildern der Antike geschulten 27 Eröffnung des Decameron: «il parlare e l’usare cogli infermi dava a’ sani infermità o cagione di comune morte» (Dec., I, Intro, 15) 28 Man kann mit Gewinn den römischen Geschichtsschreiber Titus Livius heranziehen, der in seiner Pestschilderung festhält, wie der bloße Kontakt mit den Kranken («contagio ipsa») zur Ausbreitung der Epidemie beiträgt. 29 Mit parlare und usare hebt Boccaccio Gespräch und Umgangsformen hervor. Man kann diese Aussage nicht nur so verstehen, wie die einschlägige Übersetzung nahelegt, 30 dass sich die Krankheit in der physischen Nähe zu den 25 Barolini 1983, S. 521: «From its first clause, indeed from its first word, the Decameron signals its non-transcendence: ‘Umana cosa è aver compassione degli afflitti’, begins the author, locating us in a rigorously secular context and defining its parameters». 26 Pinto 2016, S. 59. 27 Grimm 1965. 28 Der Text wird hier und im Folgenden unter Angabe des jeweiligen Abschnitts zitiert nach Boccaccio 1985. 29 Titus Livius, Ab urbe condita, III, 6: «Ea conluvio mixtorum omnis generis animantium et odore insolito urbanos et agrestem confertum in arta tecta aestu ac vigiliis angebat, ministeriaque in vicem ac contagio ipsa volgabant morbos.»/ «Dieses Gemenge von Lebewesen aller Art nebeneinander setzte durch den gewohnten Gestank den Städtern zu und dem Mann vom Land, der in engen Behausungen zusammengepfercht war, durch Hitze und Schlaflosigkeit und die gegenseitigen Dienstleistungen und auch der bloße Kontakt verbreiteten die Krankheit». Zitiert nach Titus Livius 1987, S. 326-327. 30 Der deutsche Text wird zitiert nach Boccaccio 2012: «das Gespräch und der Umgang mit den Kranken übertrugen die Krankheit und den gemeinsamen Grund zu sterben auf die Gesunden». Italienisch_82.indb 41 20.01.20 15: 36 42 Florenz. Das Gemeinwesen und das Wort der Dichter Karl Philipp Ellerbrock Kranken überträgt, sondern in ihr eine erhellende Reflexion über gesellschaftliche Ausschlussprozesse erkennen. Die Gesunden («[i] sani») schrecken vor dem Umgang mit den Kranken («[gli] infermi») zurück, weil sie befürchten, schon das an sie gerichtete oder von ihnen empfangene Wort («il parlare»), der soziale Umgang («l’usare») mit ihnen, könne sie selbst krank und im Tod mit ihnen gemein machen («comune morte»). Die Verbform «dava» wird hier nicht nur im Sinn von ‘anstecken’ oder ‘übertragen’ sondern auch im Sinn von ‘eine Vorstellung vermitteln’, im Sinne von dare paura, gebraucht. Es steht hier also eine Übertragung zur Debatte, die metonymischer Natur ist: Eindrucksvoll zeigt Boccaccio, wie die Angst vor dem Tod - in Florenz wie an anderen Orten - dazu neigt, in eine Angst vor den Kranken umzuschlagen. Mit parlare und usare werden den Florentiner Bürgern die gesellschaftlichen Bindungskräfte von Sprache suspekt. Die Florentiner ziehen sich in der Folge in ihre Häuser zurück, wo sie sich in sprachloser Isolation einschließen, «racchiudendosi […] senza lasciarsi parlare o volere […] alcuna novella sentire». 31 Boccaccio stellt das Sterben des Einzelnen wie des Gemeinwesens als einen schleichenden Prozess des Verstummens dar, der sich im Versagen städtischer Institutionen, in der Missachtung von Gesetzen 32 und im Ausbleiben von Gottesdiensten 33 zeigt. Der Erzähler beschreibt die Vergeblichkeit ärztlicher Ratschläge, 34 die stumme Hilflosigkeit der Wenigen, die den Sterbenden beistehen, 35 die wortlos vom Tod eines Nachbarn kündende Verwesung der Leichname. 36 «Wir vernehmen nichts anderes als ‘die Soundso sind tot’ oder ‘die liegen im Sterben’, und hören von allen Seiten Jammern und Weinen». 37 Selbst die in der Volkssprache symptomatisch auftretenden Wörter gavoccioli ‘Pestbeulen’ 38 und becchini ‘Totengräber’ 39 umschreiben behelfsmäßig nurmehr die Auflösung der Formen. Körperlich-gesellschaftlicher Zerfall und Niedergang der Sprache gehen Hand in Hand. Anders als der zeitgenössische Maler Ambrogio Lorenzetti nimmt Boccaccio die Allgegenwärtigkeit des Todes auch nicht zum Anlass, seiner Pestschilderung eine Allegorie der Erlösung einzuschreiben. 40 31 Dec., I, Intro, 20. 32 Id., 23. 33 Id., 35. 34 Id., 13. 35 Id., 28. 36 Id., 37. 37 Id., 58. 38 Id., 10. 39 Id., 35. 40 Zur «Allegoria della Redenzione» (ca. 1338) vgl. den Katalog Ambrogio Lorenzetti 2017, S. 290-297. Italienisch_82.indb 42 20.01.20 15: 36 4 3 Karl Philipp Ellerbrock Florenz. Das Gemeinwesen und das Wort der Dichter Mit der Totenstille eines der gemeinsamen Sprache wie der Frohen Botschaft beraubten Florenz schafft Boccaccio erst den Hintergrund, von dem er die Erneuerung des Wortes im Zeichen der Dichtung absetzen kann: «un martedí mattina, non essendovi quasi alcuna altra persona, uditi li divini ufici […], si ritrovarono sette giovani donne tutte l’una all’altra o per amistà o per vicinanza o per parentado congiunte […]. Le quali, […] per caso in una delle parti della chiesa [di Santa Maria Novella, K.P.E.] adunatesi, quasi in cerchio a seder postesi, dopo più sospiri lasciato stare il dir de’ paternostri, seco della qualità del tempo molte e varie cose cominciarono a ragionare.» (Dec., I, Intro, 52) In der Dominikanerkirche Santa Maria Novella, einem Zentrum der scholastischen Theologie und Philosophie wie auch der volkssprachlichen Predigt, 41 ist mit dem Verklingen der Liturgie («li divini ufici») und der Gebete («il dir de’ paternostri») eine Stille eingetreten, die vom neu einsetzenden Gespräch, dem syntaktisch hinausgezögerten und herausgehobenen «ragionare» der brigata ausgefüllt werden kann. Es erklingt keine Pestpredigt, keine Oratio ad plebem de mortalitate, wie sie von Zyprian und Gregor dem Großen überliefert ist, sondern mit Pampineas Vorschlag, auf das Land zu ziehen, erfüllt stattdessen eine Idee von Literatur als Form der Geselligkeit den sakralen Raum: Bei der brigata novellante handelt es sich, wie Lucia Battaglia Ricci erläutert, um ein Thema höfischer Dichtung, das prominent der Maler Buonamico Buffalmacco in seinen Pisaner Triumph des Todes integriert hatte. Anders als auf diesem Fresko, wo die Todesallegorie die jungen Leute in der Idylle des Gartens unmittelbar bedroht, begeben sie sich im Decameron in einen Garten, um dem allgegenwärtigen Tod zu entrinnen. 42 Der Auszug der lieta brigata aus Santa Maria Novella in die schöne toskanische Landschaft verweist auf die Möglichkeiten der Dichtung angesichts der Vergänglichkeit irdischen Seins. Um die hervorragende Rolle besser zu erkennen, die Boccaccio innerhalb der Kommune für die Literatur reklamiert, muss man sich vor Augen führen, dass er mit der detailreich ausgemalten Meidung der Kranken, dem Ausbleiben von Krankenpflege und Begräbnisriten, nicht bloß einen von Thukydides 41 So große Resonanz fanden die Predigten der Dominikaner, dass 1244 der Platz auf der Ostseite der Kirche vergrößert werden musste, um dem Andrang standzuhalten. Vgl. Davidsohn 1908, IV, S. 466. 42 Battaglia Ricci 2000, S. 173. Das Fresko ist dort abgebildet als Tafel 1. Zum Fresko vgl. Wille 2002. Italienisch_82.indb 43 20.01.20 15: 36 4 4 Florenz. Das Gemeinwesen und das Wort der Dichter Karl Philipp Ellerbrock über Lukan bis Lukrez verbürgten Topos der Pestschilderungen, die Verwirrung der Bräuche, variiert, 43 sondern gewissermaßen ins Herz des Florentiner Selbstverständnisses trifft: «l’un fratello l’altro abbandonava e il zio il nepote e la sorella il fratello e spesse volte la donna il suo marito; e, che maggior cosa è e quasi non credibile, li padri e le madri i figliuoli, quasi loro non fossero, di visitare e di servire schifavano.» (Dec., I, Intro, 27) Dass im Gegensatz zu dieser Beschreibung die Barmherzigkeit das städtische ‘Image’ von Florenz maßgeblich definierte, kann man beispielsweise an der «Aufnahme der aus Siena verstoßenen Armen» gut erkennen, wie sie im Specchio umano des Getreidehändlers Domenico Lenzi dargestellt ist. 44 Folgt man dem Historiker John Henderson, so bewirkte die Pest in Florenz gerade nicht den Verlust der Barmherzigkeit, sondern im Gegenteil eine Blüte mildtätiger Einrichtungen, von Krankenhäusern und Bruderschaften wie der Misericordia, der heutigen Loggia del Bigallo, 45 die sich aus Spenden und Nachlässen finanzierten. 46 Matteo Villani, der nach dem Pest-Tod seines Bruders Giovanni 1348 - gleichsam in einem Akt der pietas - dessen Schilderung der Stadtgeschichte fortsetzt, 47 hebt die große Solidarität der Bürger hervor, die während der Pest zwar Angst haben, sich aber bald eines Besseren besinnen («ciascuno si ravide»), um einander beizustehen. 48 Besonders in Zeiten der Prüfung stehen die Florentiner, so ihr Selbstbild, zusammen. Ganz im Gegensatz dazu schildert Boccaccio mit größter Eindringlichkeit, wie «ein Bruder den andern, der Onkel den Neffen, die Schwester den Bruder, die Ehefrau ihren Mann, Väter und Mütter ihre Kinder» während der Pest im Stich lassen. In der besonderen Syntax («la sorella il fratello», «la donna il marito» usw.) bezieht sich Boccaccio auf Ovid zurück, der aber auch nicht das Auseinanderfallen, sondern gerade die Festigung familiärer Bande während der Pest auf Aegina beschreibt: 43 So bereits bei Thukydides 1993, S. 257: «Wenn sie nämlich in der Angst einander mieden, so verdarben sie in der Einsamkeit» (II, 51). 44 Partsch 1981, Tafel V. 45 Zur «Madonna della Misericordia» (1342) vgl. Krüger 2007. 46 Henderson 2014. 47 Vgl. Enciclopedia Dantesca, a cura di Umberto Bosco, Rom 1984, s.v. «Villani, Matteo». 48 Villani 1995, I, 12: «E molti altri, i quali di dispuosono alla morte per servire i loro parenti e amici malati, camparono avendo male, e assai non l’ebbono continovando quello servigio; per la qual cosa ciascuno si ravide, e cominciarono sanza sospetto ad aiutare e servire l’uno l’altro; onde molti guarirono, ed erano più sicuri a servire li altri.» Italienisch_82.indb 44 20.01.20 15: 36 4 5 Karl Philipp Ellerbrock Florenz. Das Gemeinwesen und das Wort der Dichter […] quotiens pro coniuge coniunx, pro gnato genitor, dum verba precantia dicit, non exoratis animam finivit in aris, inque manu turis pars inconsumpta reperta est! (Met. VII, 589-592) 49 Die in der engen Beiordnung sowie durch Alliteration («pro gnato genitor») bzw. durch Figura etymologica («pro coniuge coniunx») hervorgehobenen Bande der pietas werden bei Ovid erst durch den Tod jäh auseinander gerissen. Boccaccio hingegen lässt die Bande christlicher Nächstenliebe, wie sie in den Evangelien als Werke der Barmherzigkeit niedergelegt und in den wohltätigen Einrichtungen von Florenz institutionalisiert sind, 50 bereits im Leben zerfallen, um nunmehr eine andere Form der Fürsorge, nämlich das Erzählen, an ihre Stelle treten zu lassen. Man kann sehen, wie die vom Chronisten für die Zeit der Pest bestätigte («servire l’uno l’altro»), von Boccaccio hingegen verneinte («l’un fratello l’altro abbandonava» 51 ) Gegenseitigkeit, von der jedes Gemeinwesen lebt, erst im spontan einsetzenden Gespräch der brigata erneut aufkeimt: «seco […] cominciarono a ragionare» 52 . Erst aus einer erneuerten Sprachauffassung heraus, die den karitativen Wert des Erzählens herausstellt, ist für Boccaccio eine Rückkehr in die Stadt als Schauplatz vieler Novellen möglich. Die Prosa selbst wird in ihren Möglichkeiten der Pathoserzeugung, ihrem Gemeinschaft stiftenden Potential vorgestellt. Anders als für den Zeitgenossen Francesco Petrarca (1304-1374), der die Pest in erster Linie als Katastrophe des seinen Bindungen entrissenen Ich begreift («Heu michi, quid patior? » 53 ), ist die Epidemie für Boccaccio eine denkbar kollektive Angelegenheit. Das Erzählen ist kein Selbstgespräch, keine Rede «Ad se ipsum» wie bei Petrarca, sondern es interessiert, wie der Miniator einer französischen Handschrift in der Gegenüberstellung von Garten und Stadt unterstreicht, 54 in seinem konstruktiven Beitrag zu einer Neubegründung der civitas nach der Pest. Der unter dem Eindruck der Epidemie 49 Ovid 1994, S. 370-371: «Wie oft starb ein Ehemann, während er für seine Frau, ein Vater, während er für seinen Sohn betete, an dem unerbittlichen Altar; und in der Hand fand man noch ein unverbranntes Weihrauchkorn! » 50 Vgl. auch Helas 2013. 51 Dec., I, Intro, 27. 52 Id., 52. 53 Francesco Petrarca, «Ad se ipsum»/ «An sich selbst» (Epist. Metr. I, 14), in: Petrarca 2004, S. 104-109. 54 Le Livre des Cent Nouvelles de Jehan Bocace de Certald, traduction de Laurent [de Premierfait], 15. Jahrhundert, Paris, Bibliothèque nationale de France, Manuscrit Français 129, fol. 1r, erreichbar über gallica.bnf.fr. Italienisch_82.indb 45 20.01.20 15: 36 4 6 Florenz. Das Gemeinwesen und das Wort der Dichter Karl Philipp Ellerbrock gesteigerten Einsicht in die «comune morte», 55 in die Gemeinsamkeit aller Menschen im Tod, begegnet Boccaccio mit der «Vergesellschaftung des Vergnügens». 56 Nicht nur den Florentinern gibt das Decameron ihre Sprache zurück. Es spricht die Sprache aller Sterblichen, der Kranken wie der Gesunden. 3. Nach besonders namhaften Dichtern soll abschließend den vergleichsweise wenig bekannten, anonymen Versen die Aufmerksamkeit gelten, die auf einem Fresko im Palagio dell’Arte della Lana, dem ehemaligen Zunftsitz der Wollweber, zu lesen sind. Die Arte della Lana gehörte im 14. Jahrhundert, als in Florenz der Textilhandel blühte, zu den arti maggiori. Ihr hohes Prestige spiegelt sich in der Lage ihres repräsentativen Sitzes in unmittelbarer Nähe des Mercato Vecchio, gegenüber der als Kornspeicher und Ort der Marienverehrung genutzten Loggia des alten Klostergartens Orto San Michele, auf halber Strecke zwischen Dom und Signoria und umgeben von Geschäften und Warenlagern der Kaufmannsgilde in der Via Calimala. In der Sala Mazzoni, wo heute die italienische Dante-Gesellschaft tagt, hat sich auf der Nordwand ein Fresko von «Brutus als gutem Richter» erhalten, das nach einem Brand in den 1330er Jahren entstand. 57 Um die Gestalt des ersten Konsuls von Rom errichten vier Tugendallegorien eine Art «Schutzwall» 58 und verteidigen ihn gegen Anfeindungen. Ähnlich wie im Thema der «Gerupften Kommune», von dem Stadtrufer und Glockengießer Antonio Pucci auch in Form eines Sonetts gestaltet, 59 bedrohen hier Partikularinteressen das Fundament des Gemeinwesens. Es sind im Uhrzeigersinn Arrogante (der Anmaßende), Lusingatore (der Schmeichler), Corruttore (der Bestechende) und Uomo occulto (der Heimtückische). Sie werden von den vier Kardinaltugenden Fortezza (Tapferkeit), Prudenza (Klugheit), Giustizia (Gerechtigkeit) und Temperanza (Mäßigung) abgewehrt. 60 Die nur noch im oberen Teil des Freskos erhaltenen Schriftrollen enthalten die dem Richter vorgetragenen Forderungen der sich nähernden Laster sowie die Erwiderungen der Tugenden. Die volkssprachlichen Verse, die jeweils aus zwei Dreizeilern (Forderung und Erwiderung) bestehen, lassen sich auf der Grundlage von Handschriften wie dem Codex II.II.146 in der Biblioteca Nazionale 55 Dec., I, Intro, 15. 56 Harrison 2010, S. 128. 57 Das Fresko ist farbig abgedruckt in Wartenberg 2015, Tafel 12. 58 Ruck 1989, S. 118. 59 Pucci 1980. 60 Zur Deutung der Figuren vgl. Breschi 2011. Zum «uomo occulto», auch als «Ängstlicher» aufgefasst, vgl. ebd., S. 119. Italienisch_82.indb 46 20.01.20 15: 36 47 Karl Philipp Ellerbrock Florenz. Das Gemeinwesen und das Wort der Dichter Centrale rekonstruieren, die zugleich von ihrer zeitgenössischen Verbreitung außerhalb des Zunftsitzes zeugen. Der Korrupte, im Fresko rechts oben mit einem prall gefüllten Geldbeutel zu sehen, formuliert folgendes Ansinnen: Io posso meritar ben chi mi serve, onde se giudicate quel ch’i’ cheggio non ne varrà alcuno di voi di peggio. (Va) 61 Die in den Versen ausgestellte rhetorische Strategie des Korrupten besteht darin, dass er insinuiert, wen immer reichlich entlohnen zu können, der sich in seine Dienste begebe. Kein einzelner Zunftrichter ist hier direkt angesprochen, sondern der Korrupte richtet sich im Plural («voi») an ein Kollektiv. Die Pronomina «chi» und «alcuno» bleiben hinsichtlich ihrer genauen Referenz unbestimmt. Sie werfen sozusagen eine Schlinge aus, in die der Versuchte leicht hineingeraten kann. Mit valere di peggio ‘schlecht dastehen’ bedient sich der Korrupte einer merkantilen Wendung, von der er annimmt, dass die zu Richtern ihrer Zunft gewählten Textilhändler sie bestens verstehen. Er stellt sich die juristische Urteilsfindung als ein kommerzielles Geschäft vor, das nicht durch das Abwägen von Recht und Unrecht zustande kommt, sondern von der finanziellen Potenz des Klägers oder des Angeklagten («Io posso») abhängig ist. Die Bestechlichkeit artikuliert sich außerdem in einer korrumpierten Vorstellung von Kausalität («onde»), die nicht auf juristischer Argumentation, sondern in fragwürdiger Ableitung auf Regeln des Geldes beruht. Diesem Versuch, das partikulare Interesse («quel ch’i’ cheggio») durchzusetzen und das Rechtswesen durch subtile manipulative Tricks zu vereinnahmen, tritt nun Iustitia selbst entgegen: Tu sse’ di morte vergognosa degno, ché qui giudicio per or non si vende, ma quello ch’è suo a ciascheun si rende. (Vb) Die Gerechtigkeit hat die rhetorische Strategie des Corruttore, durch Formen der Vagheit («chi mi serve», «alcun di voi») mit den Richtern ins Geschäft zu kommen, erkannt. Sie entlarvt ihn, indem sie ihn in der zweiten Person direkt anspricht («Tu sse’»). Die Gerechtigkeit interessiert nicht, was er kann («posso»), sondern was er ist («sse’»). Der fragwürdigen Argumentation des Corruttore («onde se giudicate») begegnet sie mit der stichhaltigen Begründung («ché»), dass vor Gericht nicht das Interesse des Einzelnen, 61 Der Text wird hier und im Folgenden zitiert nach der kommentierten kritischen Ausgabe von Breschi 2011, S. 128-130. Italienisch_82.indb 47 20.01.20 15: 36 4 8 Florenz. Das Gemeinwesen und das Wort der Dichter Karl Philipp Ellerbrock sondern der abwägende Ausgleich verschiedener Interessen zur Debatte steht. Das Prinzip der Rechtsprechung, ohne Ansehen der Person zu verfahren, tritt plastisch in den unpersönlichen Formen («non si vende», «si rende») hervor. Das über die Korruption verhängte Urteil lautet auf Schmähung und Tod («morte vergognosa»), sie verdient den permanenten Ausschluss aus dem Gemeinwesen. Corruttore und Giustizia finden in ihrem Dialog keine gemeinsame Basis, eher stehen sie sich unvereinbar gegenüber. Obwohl im Versmaß des endecasillabo verfasst, sind die Dreizeiler nicht wie bei Dante über den fortgesetzten Reim miteinander verbunden, sondern über Paarreime («cheggio» : «peggio», «vende» : «rende») voneinander isoliert. Wie schon erwähnt, lassen sich die Verse im Gerichtssaal der Wollweber keinem einzelnen Dichter zuordnen. Dafür verdeutlichen sie aber geradezu archetypisch die Präsenz und den hohen Stellenwert der volkssprachlichen Dichtung im öffentlichen Raum. Dass sie in ihrer anschaulichen Analyse der sprachlich-rhetorischen Mechanismen von Recht und Unrecht auf die reiche Tradition volkssprachlicher Dichtung zurückgreifen, zeigt besonders gut der Dialog von Arrogante und Fortezza, im Bild unten links: Arrogante: I’ veggo ben com’io ricevo torto, ma se morte per caso non m’afretta questo non passerà sanza vendetta! (IIIa) Fortezza: Se tu sapessi come e’ s’à per nulla ogni furïa qui, ogni minaccia, sapresti che ’l dir tuo te solo impaccia. (IIIb) Die Rede des Arrogante, dessen Rache für die unterstellte ungerechte Behandlung nicht auf sich warten lassen will, nimmt im Reimwortpaar «afretta» : «vendetta» ein Stück des Dante zugeschriebenen Fiore auf, einer Sammlung von Sonetten, die den altfranzösischen Roman de la Rose zum Gegenstand haben. Das Reimwortpaar, in der frühen Dichtung eine gängige Form der Bezugnahme auf thematisch verwandte Texte, ruft das allegorische Gespräch Amors mit den Tugenden im Rosenroman auf, die versichern, die Liebe gegen die Anfeindungen durch Reichtum zu beschützen: S’uomini ricchi vi fanno damaggio, vo’ avete ben chi ne farà vendetta: non fate forza s’ella non s’afretta, ché no’ la pagherén ben de l’oltraggio. (LXXXVI, 1-4) 62 62 Der Text folgt der Ausgabe Il Fiore e il detto d’amore 2012, S. 137, Hervorhebungen K.P.E. Italienisch_82.indb 48 20.01.20 15: 36 4 9 Karl Philipp Ellerbrock Florenz. Das Gemeinwesen und das Wort der Dichter Der Amor abverlangten Geduld im sicheren Sieg über den Reichtum («Non fate forza») steht im Gerichtssaal das ungeduldige Drängen des Arrogante gegenüber. Auch die Antwort der Tapferkeit, nach der die Anmaßung stets auf sich selbst zurückfallen werde («’l dir tuo te solo impaccia»), führt zu Dante zurück. In der Gegenüberstellung von «’l dir tuo» und «te solo» formuliert sie einen contrapasso, wie er im Buche, nämlich im Inferno steht, wo er als Prinzip der Vergeltung die Seelen straft. 63 Auch das Wort «impaccia» ist dantesker Prägung. Im 22. Höllengesang bezieht es sich auf die Teufel, die aus eigener Dummheit in einen See aus siedendem Pech gefallen sind, wo sie nunmehr gemeinsam mit den Betrügern, die sie eigentlich quälen und bestrafen sollen, in der Patsche stecken. 64 Im alten merkantilen Zentrum von Florenz, in unmittelbarer Nähe zum alten römischen Forum, am ehemaligen Kreuzungspunkt der Hauptstraßen Cardo und Decumanus, weisen die Verse in ihrem zitathaften Montagecharakter 65 darauf hin, dass der Palagio dell’Arte della Lana als Sitz einer der wichtigsten Florentiner Zünfte ein Umschlagplatz nicht nur für gewebte Stoffe, sondern auch für poetische Gewebe war. Mit «’l dir tuo» hebt der anonyme Dichter die Bedeutung des Wortes und dessen kritische Reflexion im Medium der Dichtung für den Kommerz der Menschen, die Abläufe innerhalb des städtischen Raums, hervor. Er begibt sich selbst in ein Gespräch mit zeitgenössischen Autoren, wie auch seine Verse in verschiedenen Handschriften zirkulierten und etwa in den sog. Chiose Selmi herangezogen wurden, um Dantes Begegnung mit Lucius Brutus im Limbus zu erklären. 66 Diese Form der Intertextualität verweist auf die kooperative Anstrengung der Dichter von «Fiorenza», im Dialog miteinander einen Raum literarischer Öffentlichkeit hervorzubringen. 4. Dem Wort der Dichter kommt für das Florentiner Gemeinwesen des Spätmittelalters eine tragende, ja eine es mit begründende Funktion zu. Wir leben nicht in Cacciaguidas Utopie einer Stadt, in deren klangliche Struktur das Wort als Träger von Differenz noch nicht eingedrungen war. Der sprachliche Umgang, parlare und usare der Menschen untereinander ist, wie in Ambro- 63 Der Begriff «contrapasso» (Inf. XXVIII, 142) wird von dem Troubadour Bertran de Born gebraucht, der in seinem Sirventes «Ar ve la coindeta sazos» die Schönheiten der Schlacht lobt und im selben Höllenkreis wie Mosca de’ Lamberti anzutreffen ist. Zu Bertran de Born vgl. Fajen 2008. 64 Inf. XXII, 151 («E noi lasciammo lor così ’mpacciati»). 65 Breschi 2011, S. 135 spricht von einem «centone». 66 Hierzu bereits Morpurgo 1933, S. 11-12. Italienisch_82.indb 49 20.01.20 15: 36 50 Florenz. Das Gemeinwesen und das Wort der Dichter Karl Philipp Ellerbrock gio Lorenzettis berühmter Stadtdarstellung, 67 eine gesellschaftliche Tatsache. Die Dichter sind es, die dies erkennen und reflektieren. In seiner Novelle über den Eremiten Filippo Balducci, der seinen in Einsamkeit aufgezogenen Sohn erstmals vom Monte Senario nach Florenz führt, parallelisiert Boccaccio das Betreten der Stadt mit dem Eintritt in die Sprache: «Quivi il giovane veggendo i palagi, le case, le chiese e tutte l’altre cose delle quali tutta la città piena si vede […] si cominciò forte a maravigliare, e di molte domandava il padre che fossero e come si chiamassero.» (Dec., IV, Intro, 19) Nicht schon mit der bloßen Identifikation («che fossero»), sondern erst mit der Kenntnis ihrer durch Übereinkunft erlangten Bezeichnungen («come si chiamassero») lernt der Junge diejenigen Koordinaten kennen, die es ihm ermöglichen, sich in der Stadt zu orientieren. Hatte Dante dem Vorgang des inurbarsi erhaben-mystische Konnotationen verliehen, 68 hebt Boccaccio für den Eingang in die Stadt ein weltliches Interesse an den geltenden sprachlichen Regeln hervor. Beiden Dichtern gemeinsam ist das, was man ein «ziviles Engagement», verstanden als vorpolitische und kritische Reflexion über die Sprache als Basis des Zusammenlebens nennen könnte. Die Tatsache, dass sich diese Reflexion nicht, wie etwa in der zeitgenössischen Schrift über das Gemeinwohl De bono comune des Dominikanischen Theologen Remigio dei Girolami, 69 in der grammatica, d.h. auf Latein vollzieht, sondern einer romanischen Volkssprache zugetraut wird, weist zugleich auf einen paradigmatischen Wandel der zugrunde liegenden Auffassung von Sprache hin. Die hier behandelten dichterischen Texte erlauben es nämlich, mit Jacques Le Goff und Jean-Claude Schmitt gesprochen, die Herausbildung einer parola nuova zu verfolgen, einer neuen Auffassung vom Wort, das sich in 67 Zur «Allegorie der Guten Regierung» im Palazzo Pubblico von Siena vgl. Blume 2000. 68 Dante beschreibt das wortlose Erstaunen des Bergbewohners, der zum ersten Mal in die Stadt eintritt (Purg. XXVI, 67-69, vgl. auch Par. XXXI, 31-42). Die Glosse des frühen Dante-Kommentators Benvenuto da Imola ruft die Passage des Decameron in den Sinn: «licet enim possit intelligi de quolibet montano primo veniente ad urbem, tamen specialiter poeta intelligit de montano habitante in alpibus Florentiae, qui prima vice qua venit Florentiam videns excelsa palatia, homines civiles, mirabiles sirenes, non satiatur visu, et videns tot numquam visa obstupescit»/ «Es kann dies auf jedweden Gebirgsbewohner bezogen werden, der zum ersten Mal in die Stadt kommt, oder aber der Dichter meint insbesondere jenen Bergbewohner, der in den Bergen von Florenz lebt, der, wenn er erstmals nach Florenz kommt und die hoch aufragenden Gebäude, die kultivierten Menschen und die außerordentlichen Reize sieht, sich nicht satt sehen kann und dem es, wenn er das erste Mal so viel nie Gesehenes erblickt, die Sprache verschlägt». Der Kommentar ist zugänglich über das Dante Dartmouth Project, dantelab.dartmouth.edu/ reader. 69 Vgl. die Beiträge in den Kongressakten Il Bene Comune 2011. Italienisch_82.indb 50 20.01.20 15: 36 51 Karl Philipp Ellerbrock Florenz. Das Gemeinwesen und das Wort der Dichter den italienischen Kommunen und, wie wir gesehen haben, insbesondere in «Fiorenza» aus seiner metaphysischen Verankerung zu lösen beginnt, um zunehmend auf seine innerweltliche Nützlichkeit hin befragt zu werden. 70 Die Sprache gilt Dante als Geschenk Gottes. Sie ist aber auch, wie es in einer Passage des Convivio heißt, jenes Verbindende, in dem der Kern des Gesellschaftlichen begründet liegt: «E così lo volgare è più prossimo quanto è più unito, che uno e solo è prima ne la mente che alcuno altro, e che non solamente per sé è unito, ma per accidente, in quanto è congiunto 71 con le più prossime persone, sì come con li parenti e con li propri cittadini e con la propria gente.» (Conv., I, xii, 5) 72 Das Wort gente, das man mit ‘Volk’ oder ‘Leute’ übersetzen kann, transportiert hier übrigens keinesfalls die Vorstellung einer Überlegenheit der einen Gemeinschaft oder der einen Sprache. Dante verweist vielmehr auf die sprachlichen Grundlagen der Zivilisation, auf die nach dem akzidentellen Faktum der Geburt gleich an welchem Ort sich stellende Herausforderung, sich mit den Mitmenschen zu verständigen, eine gemeinsame Sprache zu finden. Dieser immer neuen Aufgabe haben die Florentiner Dichter des 14. Jahrhunderts am Beginn des europäischen Humanismus einen bleibenden Dienst erwiesen. Ihre Werke auf der Grundlage wissenschaftlicher Forschung lesbar zu halten und der Gegenwart zu vermitteln, ist Aufgabe der Italianistik und der Romanischen Philologie. Abstract. Con l’esempio di Firenze, il saggio discute il ruolo che nel Due e Trecento si attribuiva alla lingua come fondamento della comunità. Per il cronista Giovanni Villani, il toponimo della città di Firenze è espressione della capacità dei suoi abitanti di trovare un consenso linguistico. Dante, nella sua analisi del conflitto fra ghibellini e guelfi, fa leva proprio su quel punto in cui la fiducia nella lingua come garanzia di pace è messa in dubbio. In questa luce, la Commedia figura da progetto di ristabilimento della fiducia nella funzione mediativa della parola in opposizione alla violenza. Nella sua introduzione al Decameron Boccaccio si rifà alla riflessione di Dante: egli descrive la peste come una crisi linguistica profonda, a cui contrappone il 70 Le Goff/ Schmitt 1979. 71 Das selbe Wort fällt auffälligerweise auch in der oben zitierten Szene der zufälligen - akzidentellen - Begegnung von sieben Florentinerinnen in der Kirche Santa Maria Novella (Dec., I, Intro, 52). 72 Dante Alighieri 1996, S. 60-61. Italienisch_82.indb 51 20.01.20 15: 36 52 Florenz. Das Gemeinwesen und das Wort der Dichter Karl Philipp Ellerbrock raccontare come forma costitutiva della collettività dei mortali. L’esempio di una scritta anonima nella sala tribunale dell’Arte della Lana a Firenze consente infine di evidenziare il sapere specifico della poesia, capace di smascherare un uso del linguaggio che minaccia di corrompere la comunità nelle sue basi fondamentali. La conclusione valuta le letture a riguardo della funzione civilizzatrice che in seno alle città viene attribuita al volgare nella poesia italiana delle origini. Summary. This paper discusses the fundamental role attributed to language in the 13th and 14th century, taking as an example the name of the city of Florence. For the chronicler Giovanni Villani, the name of Florence in itself expresses the capacity to find a linguistic consensus. Dante, in his analysis of the conflict between the groups of ghibellini and guelfi, refers to this problem, when he questions trust in language as a guarantor for peace. In this light, the Commedia appears as a project for the stabilisation of the trust in the mediative function of the word, in opposition to violence. Boccaccio in the introduction to his Decameron takes up this reflection of Dante: he describes the plague as a profound linguistic crisis, set against the narration as a constitutional form of the collectivity of mortals. By the example of an anonymous text in the Sala tribunale dell’Arte della Lana in Florence, finally, the particular knowledge about the poem becomes evident, able to reveal and expose such a use of language that threatens the fundamental basis of a community, just like the rhetoric of corruption does. The conclusion evaluates the three analyses with regard to the civilising functions that are attributed to the volgare in the first Italian poetry in the Cities. Bibliographie Ambrogio Lorenzetti, a cura di Alessandro Bagnoli, Roberto Bartalini, Max Seidel, Milano 2017. Artifoni, Enrico: «L’oratoria politica comunale e i ‘laici rudes et modice literati’», in: Christoph Dartmann/ Thomas Scharff/ Christoph Friedrich Weber (Hrsg.), Zwischen Pragmatik und Performanz. Dimensionen mittelalterlicher Schriftkultur, Turnhout 2011, S. 237-262. Barolini, Teodolinda: «The Wheel of the Decameron», in: Romance Philology 36, 1983, S. 521-539. Battaglia Ricci, Lucia: Ragionare nel giardino. 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