Italienisch
ita
0171-4996
2941-0800
Narr Verlag Tübingen
10.2357/Ital-2019-0024
Es handelt sich um einen Open-Access-Artikel, der unter den Bedingungen der Lizenz CC by 4.0 veröffentlicht wurde.http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/121
2019
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Fesenmeier Föcking Krefeld Ott«I complimenti, non si sam ai quando li fanno»
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2019
Simona Fabellini
Laura Linzmeier
Il nostro contributo tratta aspetti pragmatici della comunicazione, come i complimenti o altre strategie che portano a un comportamento comunicativo adeguato. Conoscere e saper applicare queste strategie riceve un’importanza sempre maggiore nel nostro mondo globalizzato perché i parlanti devono essere preparati ad evitare situazioni imbarazzanti, equivoci e il rischio di porre fine a una conversazione involontariamente. I nostri risultati sono una sintesi di vari seminari italo-tedeschi sulla pragmatica contrastiva, ai quali hanno partecipato studenti binazionali di madrelingua sia tedesca che italiana. Il motivo per questa scelta didattica è stata l’osservazione che gli studenti vengono a contatto con contenuti pragmatici e contrastivi per la prima volta durante i loro soggiorni all’estero, quindi in situazioni comunicative reali. Gli studenti però spesso non sono adeguatamente preparati a queste situazioni, infatti i libri di testo utilizzati per lo studio delle lingue si concentrano di solito sull’acquisizione di nozioni grammaticali e/o lessicali e meno su aspetti pragmatici.
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81 S I M O N A FA B E L L I N I / L AU R A L I N Z M E I E R «I complimenti, non si sa mai quando li fanno»: Erfahrungen aus der Seminarpraxis zur kontrastiven Pragmatik mit einer deutsch-italienischen Studierendengruppe Einleitung Dass deutsche Studierende zum ersten Mal erkennen, dass sie italienische Komplimente als überenthusiastisch wahrnehmen und italienische Studierende deutsche Komplementierweisen als più blando einstufen, wird wahrscheinlich erst während ihres Auslandsaufenthaltes in Italien bzw. Deutschland geschehen. Dabei werden sie trotz guter grammatikalischer und lexikalischer Kompetenz lange im Zweifel darüber sein, wie und wann sie Komplimente einsetzen sollen. Ein Verständnis für die richtigen Formen des Komplimentierens oder anderer Formen kommunikativen Handelns zu entwickeln, ist aber in unserer heutigen sich globalisierenden Welt unumgänglich, um Fettnäpfchen, Missverständnisse oder sogar Kommunikationsabbrüche zu vermeiden. Die zahlreichen internationalen Studiengänge an den deutschen Universitäten haben zwar zu einem vermehrten Angebot an Kursen geführt, die Thematiken der interkulturellen Kommunikation und Kompetenz behandeln und auf den Auslandsaufenthalt vorbereiten. In diesen Veranstaltungen steht aber oftmals das Veranschaulichen und Erklären der kulturellen Andersartigkeit des Gastlandes im Vordergrund und nur selten wird trotz der Bezeichnung der Kurse als interkulturelle Kommunikation auf das ‘Handeln’ durch Sprache im konkreten Kontext eingegangen. Mit unserem Seminar Kontrastive Pragmatik deutsch-italienisch wollten wir diese Lücke im didaktischen Angebot füllen. Ausschlaggebend war unsere Erfahrung, dass Studierende erst im Rahmen ihrer Auslandsaufenthalte mit pragmatischen Inhalten kontrastiv und in realen kommunikativsituativen Kontexten in Kontakt kommen - und darauf nur ungenügend durch die vorhandenen Lehrbücher vorbereitet sind. Denn in den Lehrbüchern werden «kaum Fragen der Markierung, der Situationsadäquanz oder der Modalisierung gestellt, sondern eher Formeninventarien im herkömmlichen Sinne vermittelt» (Held 2009: 48). 1 Uns erschien es daher umso wichtiger, einen Rahmen zu bieten, in dem Studierende die Gelegenheit bekamen, konkrete Erfahrungen zu verarbeiten bzw. vorzubereiten und zu einem fun- 1 Vgl. hierzu auch Scialdone (2009: 283). DOI 10. 23 57/ Ital-2019 - 0 024 Italienisch_82.indb 81 20.01.20 15: 36 82 «I complimenti, non si sa mai quando li fanno» Simona Fabellini / Laura Linzmeier dierten und in der kommunikativen Praxis verankerten Wissen bezüglich der zukünftigen Sprechhandlungen zu kommen. Wir entwickelten deshalb ein Kursformat, das anders als die angesprochenen interkulturellen Kurse nicht das kulturelle Verständnis eines Gastlandes in den Mittelpunkt stellen sollte, sondern dessen Ziel es war, kommunikatives Handeln in seinen verbalen, paraverbalen, nonverbalen und pragmatischen Aspekten im konkreten Vergleich zwischen deutschen und italienischen Formen aufzuarbeiten. Mit unserem Seminar Kontrastive Pragmatik deutsch-italienisch war daher die Absicht verbunden, die Studierenden in einem Lernprozess zu begleiten, in dessen Verlauf ihnen anwendungsnahe Erklärungsmodelle angeboten wurden, sie konkrete Verhaltensweisen erproben konnten und sie zu zukünftigen erfolgreichen kommunikativen Handlungen motiviert wurden. Kontrastive Pragmatik deutsch-italienisch: Inhalt, Methodik und Auswertung Die nun folgenden Beobachtungen basieren auf Erfahrungen und Ergebnissen aus drei Seminaren zur kontrastiven Pragmatik (italienisch-deutsch), an denen sowohl Studierende aus Deutschland als auch aus Italien teilnahmen. 2 Es handelte sich hierbei um semesterbegleitende Kurse, wobei die Veranstaltungen je nach Thema und Zielsetzung zweibis vierstündig angeboten wurden. Zentraler Punkt bei der Konzeption des Kurses war die aktive Eigenarbeit seitens der Studierenden, die ihre Erfahrungen im Rahmen von kleinen Projekten in den Kurs einbringen sollten. Die Vermittlung des theoretischen Fundaments des Kurses und die Hinführung zu den einzusetzenden Methoden wurden von den Dozentinnen selbst übernommen. Selbstverständlich war es auch Sache der Dozentinnen, die Abfolge der im Kurs behandelten Themen vorzubereiten und zu vermitteln. Behandelt wurden grundlegende Theorien der Interkulturalitätsforschung wie die Kulturstandardtheorie und die jeweiligen Kulturstandards in Deutschland und Italien. Besondere Aufmerksamkeit wurde Themenstellungen der Pragmatik (Konversationsmaximen, sprachliche Höflichkeit, Sprechakte) gewidmet. Damit wollten wir dem pragmatic turn Rechnung tragen, der durch die Sprechakttheorie von Austin und Searle in den 60er-Jahren eingeleitet wurde. Durch diesen turn rückte der Fokus weg von sprachstrukturellen Problemstellungen 2 Das Seminar fand erstmalig im Wintersemester 2014/ 15 unter der Leitung von Dr. Simona Fabellini sowie im Sommersemester 2017 und 2018 unter der Leitung von Dr. Simona Fabellini und Dr. Laura Linzmeier statt. Wir danken den Teilnehmern der Kurse für ihre rege Mitarbeit und die Anregungen. Italienisch_82.indb 82 20.01.20 15: 36 8 3 Simona Fabellini / Laura Linzmeier «I complimenti, non si sa mai quando li fanno» hin zu einer kontext- und partnerorientierten Betrachtungsweise von Kommunikation als intentionales, zielorientiertes Handeln durch Sprechen (vgl. Austin 1962; Searle 1969). 3 Die Studierenden wurden damit beauftragt, die einzelnen theoretischen Aspekte praktisch zu erarbeiten und zu vertiefen. Sie beschäftigten sich hierbei mit Sprechakten wie: 1. Anreden, Begrüßen, Verabschieden 2. Bitten und Entschuldigen 3. Ablehnen und Sich-Beschweren 4. Komplimente aussprechen und annehmen. Auch Themenstellungen wie paraverbale und nonverbale Kommunikation oder Proxemik wurden angesprochen. Nach dem Vorbild des Nähe-Distanz- Modells von Koch/ Oesterreicher ([1992] 2011) wurden die kommunikativen Rahmungen systematisch variiert und jeder Sprechakt- oder Verhaltenstyp sowohl unter distanzwie nähesprachlichen Bedingungen untersucht und konkret erprobt. Weitere Merkmale der hier vorgestellten Veranstaltungsreihe waren: 1. Gruppengröße 10-20 Teilnehmer 2. Deutsche und italienische Teilnehmer 3. Ausgewogene Verteilung hinsichtlich des sprachlich-kulturellen Hintergrunds der Teilnehmer 4. Vereinzelt sogar zweisprachige Teilnehmer 5. Großer Anteil an interaktiven Einheiten (Referate mit Gruppenarbeiten, Übungen zu theoretischen Inputs, gemeinsame Analyse von Videobeispielen direkt im Kurs, Umfragen etc.). Da das Seminarmaterial von den Studierenden selbst erstellt wurde, war im Vorfeld eine engmaschige Betreuung notwendig, sowohl was die Vorbereitung des Analysematerials als auch die Durchführung, Auswertung und Darstellung ihrer Analysen betraf. Hierfür brauchte es seitens der Seminarleitung: 3 «General pragmatics is a set of strategies and principles for achieving success in communication by the use of grammar. Grammar is functionally adapted to the extent that it possesses properties which facilitate the operation of pragmatic principles» (Leech 1983: 76). Italienisch_82.indb 83 20.01.20 15: 36 8 4 «I complimenti, non si sa mai quando li fanno» Simona Fabellini / Laura Linzmeier 1. Klare Zielsetzung und Hypothesenbildung auf der Grundlage bereits vorgestellter Modelle und Theorien aus der interkulturellen und sprachkontrastiven Forschung; 2. Genaue methodische Anweisung zur Erstellung von Umfragen, Videomaterial oder ähnlichem; 4 3. Sensibilisierung für adäquate Präsentationsformen und eventuelle technische Schwierigkeiten (Aufnahmequalität, Länge der Sequenzen, Auswahl des Aufnahmeortes und der Informanten, Umgang mit Informanten, Techniken der Sicherstellung eines spontanen Verhaltens der Informanten in der Aufnahmesituation etc.). Eine der wesentlichen Herausforderungen der Seminarkonzeption, die sich durch Interaktivität, gestalterische Freiheit und Selbstverantwortung auszeichnet, bestand darin, die Studierenden dazu anzuhalten, den Fokus auf das Lernziel beizubehalten. Denn die Kreativität des methodischen Ansatzes führte teilweise dazu, dass die Seminarteilnehmer sich mehr auf das eigenverantwortliche Erstellen des Untersuchungsmaterials konzentrierten und den Blick für das Seminarziel verloren. Dies konnte durch sehr detaillierte Anweisungen und das Schaffen eines realitätsnahen Kontextes seitens der Seminarleitung vermieden werden. 5 Im Anschluss an das Seminar wurden die Studierenden zur persönlichen Einschätzung ihres Lernerfolgs befragt. Der Feedbackbogen enthielt Fragen zur Nützlichkeit der von uns vorgeschlagenen Datenerhebungsmethoden und Fragen zu der Veranschaulichung von Analysen und Ergebnissen des Seminars (s. Fazit). Positiv bewerteten die Studierenden durchgehend das selbstständige und eigenverantwortliche Arbeiten («Aktiv an dem Kurs teilnehmen») sowie den Umgang mit wissenschaftlichen Analysemethoden innerhalb und außerhalb des Kurses («wie man eine Umfrage erstellt», «Analyse der Videos im Kurs», «vor allem die praktischen Übungen»). 4 So fiel zum Beispiel auf, dass sich bereits in der Formulierung der Aufgabenstellung Einfallstore für Interferenzen öffneten und durch die Wahl der sprachlichen Mittel Antwortmuster elizitiert wurden, die der Muttersprache näher lagen. Die Anweisung, einer Person ein Kompliment auszusprechen, triggerte zum Beispiel das italienische Le/ Ti faccio i miei complimenti mit deutlichem Personenbezug. Aus diesem Grund wurde eine möglichst neutrale Formulierung gewählt, die die Aufmerksamkeit nicht automatisch auf die ‘Person’ bzw. die ‘Sache’ lenkte (Esprima un complimento! bzw. Formulieren Sie ein Kompliment! ). 5 In den meisten Fällen handelte es sich um gestellte Situationen im schriftlichen Medium, weshalb die Natürlichkeit und Spontanität der Antworten und Ergebnisse natürlich in einem gewissen Maß eingeschränkt war. Auch ließ sich im Einzelnen nicht vermeiden, dass die Studierenden ‘es besonders gut meinten’ und hyperkorrektes, zu stark reflektiertes Sprachverhalten zeigten. Italienisch_82.indb 84 20.01.20 15: 36 85 Simona Fabellini / Laura Linzmeier «I complimenti, non si sa mai quando li fanno» Ein konkretes Beispiel: verbale Höflichkeit und Komplimentieren Im Folgenden wollen wir den typischen Seminarablauf vorstellen und an einem unserer Themen, nämlich der verbalen Höflichkeit und dem Komplimentieren, vertiefen. Grundsätzlich waren alle Themeneinheiten des Kurses folgendermaßen strukturiert (Abb. 1): Fragestellung und theoretischer Input Materialsammlung und Präsentation Analyse und Auswertung Ergebnisse und Abgleich mit Theorie Abb. 1: Vermittlung theoretischer und praktischer Lehreinheiten im Seminar Kontrastive Pragmatik deutsch-italienisch Wie an dem Diagramm erkennbar gehörte die Verknüpfung von theoretischem Input, praktischer Erfahrung und eigenständiger Analyse zur Methodik des Seminars. Außerdem wurde auf Methodenvielfalt Wert gelegt, um Theorie und Praxis verzahnen zu können. Jede einzelne Methode gab die Möglichkeit, einen speziellen Aspekt einer Thematik besonders hervorzuheben. Der Einsatz unterschiedlicher Methoden konnte somit dem Erfassen der Komplexität des Themas gerecht werden. Hier ein Blick auf den konkreten Ablauf einer Seminarsitzung zu dem angesprochenen Thema (Tab. 1): Thema Wie Wer Wozu Höflichkeit und Face Theoretischer Input + Übung Seminarleitung Wissensaufbau, Bewusstmachung, Verständniserzeugung Komplimentieren Referat 1. Theor. Input Definition Kompliment, Allgemeine kulturelle Unterschiede beim Komplimentieren, Komplimente bekommen (vgl. Leech 1983) 2. Praxis Komplimente deutsch-italienisch kontrastiv mit eigener Umfrage Studierende Vertiefung von bereits eingeführtem Wissen, Selbsterfahrung und Erweiterung von (Sprach)Kenntnissen, Sensibilisierung für die Bedeutung pragmatischer Fähigkeiten in zwischenmenschlichen Kontaktsituationen Italienisch_82.indb 85 20.01.20 15: 36 86 «I complimenti, non si sa mai quando li fanno» Simona Fabellini / Laura Linzmeier Diskussionsrunde Gesamtgruppe Verknüpfung mit eigenen Erfahrungen, aus den Lernerfahrungen anderer Lernen für zukünftige Kommunikationssituationen Übungen/ Erweiterung: Abtönungs- und Abmilderungsstrategien deutschitalienisch kontrastiv Seminarleitung und Gesamtgruppe Anwendung kennengelernter sprachlicher Mittel Schriftliche Zusammenfassung der Ergebnisse (4 Wochen) Studierende Festigung und Reflexion der erlernten pragmatischen Unterschiede, wissenschaftliches Arbeiten (formale Richtlinien, Quellenarbeit, Synthese). Tab. 1: Ablauf einer Seminarsitzung zum Thema Höflichkeit/ Face und Komplimentieren italienisch-deutsch kontrastiv Theoretische Einführung In einem ersten Schritt wurde das Thema ‘Komplimentieren’ in den theoretischen Rahmen der ‘Sprachlichen Höflichkeit’ gestellt und als positive Höflichkeitsstrategie definiert (vgl. Neuland 2009: 156). Sprachliche Höflichkeit stellt laut Neuland (2009: 154) eine «Schlüsselkompetenz für die interkulturelle Kommunikation» dar. Ein Kompliment ist ein Sprechakt, der «explicitly or implicitly attributes credit to someone other than the speaker, usually the person addressed, for some ‘good’ (possession, characteristic, skill, etc.) which is positively valued by the speaker and the hearer» (Holmes 1986: 485). Daher werden Komplimente gerne - je nach Kultur in unterschiedlicher Ausprägung - als gesellschaftliches Bindemittel (vgl. convivial function, Leech 1983: 104 f.) eingesetzt und können «als prototypische Vertreter höflicher Kommunikation angesehen werden» (Ehrhardt/ Müller- Jacquier 2017: 149; vgl. auch dies. 163). 6 6 Die Komplexität dieser Thematik zeigt sich auch darin, dass unterschiedliche Ansätze in der Beurteilung dessen, was ein Kompliment überhaupt ist, bestehen. Unter anderem kann es als ‘verbales Geschenk’ (vgl. Bonacchi 2013: 141) gesehen werden, Italienisch_82.indb 86 20.01.20 15: 36 87 Simona Fabellini / Laura Linzmeier «I complimenti, non si sa mai quando li fanno» In der Literatur ist die Ansicht verbreitet, dass Komplimente kulturbezogen realisiert werden. So ist in der italienischen Kultur das Kompliment wohl «Ausdruck eigener positiver Gefühle als ‘Ich-Botschaft’ in Verbindung mit konkreten Handlungsvorschlägen» (Neuland 2009: 168). Aus der Kulturstandard-Theorie ist bekannt (vgl. Neudecker/ Siegl/ Thomas 2007), dass in Italien die ‘Beziehungsorientierung’ wesentlicher kultureller Faktor ist, was auch bei Neuland (2009: 168) auf kommunikativer Ebene als «Vergemeinschaftungs- und Bindungsstrategie» thematisiert wird. Die deutsche Kultur hingegen wird als ‘sachorientiert’ (vgl. Schroll- Machl 2 2007) beschrieben und bevorzugt «das Komplimentieren nach dem Prinzip des ‘verdienten Lobs’» (Neuland 2009: 168). Dabei ist der angemessene ‘Ton’ im höflichen sprachlichen Umgang leicht zu verfehlen, was nicht unwesentliche Konsequenzen im Miteinander nach sich ziehen kann: «Dies ist der Grund, warum gerade die vergleichende Blickrichtung von so großer Bedeutung ist und die Fremdsprachendidaktik, kontrastive Linguistik und Übersetzungstheorie die Problematik der Höflichkeit reflexiv ins Rampenlicht zu stellen hat» (Held 2009: 48). Versuchsaufbau und Analyse der Ergebnisse In einem ersten Versuch wurde kontrastiv gearbeitet: Studierende baten eine aus Deutschen und Italienern bestehende Versuchsgruppe, in der Fremdsprache (Italiener auf Deutsch und Deutsche auf Italienisch) Komplimente auszusprechen. Daraufhin wurden Studierende zur Erstellung ihres Referates dazu aufgefordert, deutsche und italienische Kommilitonen und Freunde in ihrer jeweiligen Muttersprache mit Hilfe eines Fragebogens Komplimente aussprechen zu lassen. Es wurden drei Kommunikationssituationen mit verschiedenen Parametern der Nähe bzw. Distanz abgefragt. Eine erste vorgegebene Situation war das Aussprechen eines Kompliments an einen berühmten und bewunderten Künstler anlässlich einer Vernissage. Es handelte sich somit um eine öffentliche und formelle Kommunikationssituation zwischen zwei persönlich nicht bekannten Gesprächspartnern (vgl. Neuland 2009: 158), wobei ein Gesprächspartner in Bezug auf den sozialen Rang und das Alter höher posiwobei Ehrhardt/ Müller-Jacquier (2017: 152) sagen, dass die Wirkung eines komplimentierenden Sprechaktes nicht zwangsläufig als solche beim Adressaten ankommt und somit die «Effekte […] aber kaum kontrollierbar» sind. Zur Einordnung der Komplimente in die Sprechakttheorie vgl. z.B. Austin ( 2 1975: Kap. XII Classes of Illocutionary Force). Italienisch_82.indb 87 20.01.20 15: 36 8 8 «I complimenti, non si sa mai quando li fanno» Simona Fabellini / Laura Linzmeier tioniert war. Die zweite Situation verlangte das Komplimentieren unter gleichaltrigen Freunden. In dieser eher informellen Situation bei gleichem sozialen Rang und mehr persönlicher Nähe als in der ersten galt es, der Gesprächspartnerin ein Kompliment für ihre neue Tasche auszusprechen. Eine dritte Situation verlangte das Sich-Hineinversetzen in den Kontext eines Abendessens bei Freunden und liegt damit im Formalitätsgrad zwischen Situation 1 und 2. Im Folgenden werden die Ergebnisse der kontrastiven Befragung tabellarisch vorgestellt und im Anschluss besprochen (Tab. 2-7). 7 Situation 1: Die Vernissage 1.a: Die Vernissage (formell, kontrastiv) Deutsche Italienischlerner Italienische Deutschlerner Le sue opere mi piacciono davvero tanto! Ihre Werke finde ich wirklich beeindruckend, die sind so originell! Ich bin froh, dass ich die Gelegenheit habe, Sie kennenzulernen. I suoi lavori sono bellissimi! Ich finde Ihre Werke besonders interessant und originell! Sie sind ein begabter Künstler und ich freue mich sehr, Sie kennenlernen zu können. Sono veramente contenta di conoscerla finalmente, amo i suoi lavori! Die Vorstellung hat mir sehr gefallen, besonders […]. Ich werde bestimmt die nächste Veranstaltung kommen. Sono veramente contenta di aver avuto la possibilità di partecipare a questo evento, grazie mille a Lei! È stato bellissimo. Mir gefallen ihre Werke sehr gut und deswegen bin ich froh, hier zu sein und Sie persönlich treffen zu können. Il capolavoro mi piace moltissimo! Endlich kann ich Sie treffen! Ich freue mich sehr an Ihrer Ausstellung zu sein. Wie schön Atmosphäre! Das ist einfach zu charmant! Devo esprimere un gran complimento. Mi è piaciuta tanto la mostra. Auguri! Quando posso vedere la prossima mostra? Ich wollte Ihnen gratulieren: all Ihre Werke sind wunderbar! Und ich frohe mich darüber, Sie persönlich kennenzulernen. 7 Die folgenden Beispiele wurden direkt aus den Fragebögen mit den orthographischgrammatikalischen Abweichungen übertragen. Italienisch_82.indb 88 20.01.20 15: 36 8 9 Simona Fabellini / Laura Linzmeier «I complimenti, non si sa mai quando li fanno» Mi piace moltissimo la sua arte, ammiro il suo lavoro. Ich gratuliere mich mit Ihnen für diese wunderschöne Vernissage. Ich bin so froh hier zu sein! Vielen Dank! Ich gratuliere mich, Ihre Werke sind wunderschön. Und mir gefallen sie sehr viel. Ich freue mich Sie kennenzulernen. Ich mag Ihre Werke und ich finde, dass sie wunderschön sind. Tab. 2: Die Vernissage (formell, kontrastiv) 1.b: Die Vernissage (formell, in der Muttersprache) Deutsche auf Deutsch Italiener auf Italienisch Herzlichen Glückwunsch zu Ihrer Vernissage! Ihre Werke gefallen mir sehr. Le faccio i miei più sentiti complimenti per questa splendida mostra. Io La ammiro moltissimo ed essere qui oggi è un sogno, che diventa realtà! Herzlichen Glückwunsch zu Ihrer Vernissage! Ich bin beeindruckt. Le faccio davvero i miei complimenti per la Sua mostra, i suoi quadri sono davvero spettacolari! Ihre Bilder sind wirklich toll. Ich bewundere Ihre Arbeit. Per me è davvero un onore poter conoscerLa di persona. Ho sempre ammirato la Sua genialità, la Sua costanza e il Suo talento, che per me sono fonti di incredibile ispirazione. Ich verfolge Ihre Arbeit schon länger und finde Ihre Werke sehr inspirierend. Ho trovato la mostra davvero interessante, molto di più di quanto mi aspettavo. Ho apprezzato ogni opera presente. Ich freue mich sehr, Sie persönlich kennenzulernen, denn ich bewundere Ihre Kunst sehr. Volevo complimentarmi con lei per il suo lavoro: apprezzo molto le sue opere! Ihre Vernissage ist wirklich sehr beeindruckend. Ich bin ein großer Fan Ihrer Arbeit. Buongiorno/ Buonasera è un piacere per me poterla incontrare e parlarle personalmente! Aspettavo da tanto questo momento. È proprio una bella mostra e l’atmosfera è davvero incredibile. Italienisch_82.indb 89 20.01.20 15: 36 9 0 «I complimenti, non si sa mai quando li fanno» Simona Fabellini / Laura Linzmeier Ich bin wirklich sehr beeindruckt von Ihren bisherigen Werken, ich kann kaum erwarten, was Sie sonst noch für die Zukunft geplant haben. Vorrei congratularmi con lei per i suoi splendidi lavori. È un onore per me essere qui per poter ammirare le sue opere dal vivo e conoscerLa personalmente. Wenn ich Ihnen ein Kompliment machen darf, Ihre Werke sind sehr beeindruckend. Sie bewegen mich jedes mal aufs neue. Tab. 3: Die Vernissage (formell, in der Muttersprache) Komplimentaussprechen auf Italienisch: Auf den ersten Blick fällt auf, dass die deutsche Versuchsgruppe die ‘Sache’ in den Mittelpunkt des Komplimentes stellt (le sue opere, i suoi lavori/ il suo lavoro, questo evento, il capolavoro, la mostra). Als Verben dienen hierbei amo, mi piace/ piacciono, ammiro etc. Zudem übersetzt diese Gruppe das Deutsche mir gefällt ins Italienische mit «mi piace/ piacciono» bzw. «mi è piaciuta», wodurch die eigentlich für das Italienische typische Ich-Konstruktion vermieden und dadurch die ‘Sache’ in die Subjektposition gerückt wird. In diesen Fällen bleibt die deutsche Versuchsgruppe nah an den Sprachmitteln, die im deutschen Kontext situationsadäquat sind. In einigen wenigen Fällen werden Ich-Botschaften formuliert (sono (2mal), amo), direkte Ansprachen (conoscerla), Personalisierungen (a Lei) und Glückwünsche (auguri) ausgesprochen. Auffällig ist auch in wenigen Fällen die längere Komplimentgestaltung. Diese Redemittel können als Annäherung an das italienische Muster gewertet werden, denn die muttersprachlich italienischen Beispiele belegen eine Präferenz für Ich-Botschaften (z.B. le faccio i miei più sentiti complimenti, io la ammiro, ho sempre ammirato la sua genialità, ho trovato la mostra davvero interessante, volevo complimentarmi con lei) sowie die Komplimentierung der ‘Person’ durch Objektpronomen zusätzlich zur ‘Sache’ (z.B. le faccio, conoscerla, la ammiro, complimentarmi con lei, poterla incontrare und mostra, quadri, opera, il suo lavoro). Auffällig ist auch die Länge der muttersprachlich italienisch geäußerten Komplimente (2-3 syntaktisch vollständige Sätze). Komplimentaussprechen auf Deutsch: Italienische Deutschlerner übertragen auffällig häufig typisch italienische Redemittel ins Deutsche. So verwenden sie oft Ich-Botschaften (z.B. finde ich, ich bin froh, ich finde, ich freue mich, endlich kann ich Sie treffen, ich mag). Die Komplimentierung richtet sich auf ‘Person’ und ‘Sache’ (Sie kennenzulernen, Sie kennenlernen, Sie persönlich treffen, Sie sind ein begabter Italienisch_82.indb 90 20.01.20 15: 36 91 Simona Fabellini / Laura Linzmeier «I complimenti, non si sa mai quando li fanno» Künstler und Werke, Vorstellung, Veranstaltung, Ausstellung) und wird in mehreren Sätzen ausgedrückt. Auch 1 : 1 Übersetzungen aus dem Italienischen sind zu beobachten (*ich gratuliere mich mit Ihnen, *ich gratuliere mich). Obwohl auch im Italienischen der Ausdruck congratulazioni (per) / auguri (per) geläufig ist - der dem deutschen Muster sogar näher kommt -, wird die persönlichere Ausdrucksweise bevorzugt. Dies lässt darauf schließen, dass eine adäquate pragmatisch-lexikalische Kompetenz noch nicht genügend ausgebildet ist. Stellt man diese Komplimente den Ergebnissen aus der deutschen Kontrollgruppe gegenüber, so muss man feststellen, dass die italienische Gruppe die Komplimentierart der eigenen Kultur in die Fremdsprache übertragen hat (s.o.). Belege für die wohl als typisch anzusehende deutsche Komplimentierweise der Muttersprachler sind knapp und formelhaft (Herzlichen Glückwunsch zu Ihrer Vernissage! Ich bin (wirklich sehr) beeindruckt von Ihren (bisherigen) Werken! Wenn ich Ihnen ein Kompliment machen darf […]). Selbst wenn Ich-Botschaften als persönlicher Kommentar zur Ausstellung bzw. zum Werk formuliert werden, sind diese auf die ‘Sache’ fokussiert (Ich bewundere Ihre Arbeit, Ich bewundere Ihre Kunst sehr, Ich bin ein großer Fan Ihrer Arbeit vs. la ammiro) und nicht auf den Künstler. Situation 2: Die schöne Tasche 2.a: Die schöne Tasche (informell, kontrastiv) Deutsche Italienischlerner Italienische Deutschlerner Che bella la tua borsa! È nuova? Johanna, schöne Tasche. Che bella la tua borsetta! È nuova? Dove l’ha comprato? Mi piace molto. Was für eine schöne Tasche hast Du! ! Che bella borsetta! Hey was für eine coole Handtasche hast du da? Ist sie neu? Che bella borsa nuova! Mi piace molto. Julia, coole Tasche! Che bella borsetta che hai. Dove l’hai presa? Du hast eine sehr schöne Handtasche! Es gefällt mir sehr! Wo hast du sie gekauft? Che bella la tua nuova borsetta. Ti sta molto bene. Du hast wirklich eine wunderschöne Tasche! Wo hast du sie gekauft? Che bella la borsa nuova. Dove l’hai comprata? Du hast eine so schöne Tasche! La tua borsetta nuova è veramente bella. Dove l’hai trovata? Schöne Handtasche. Ich mag sie! Tab. 4: Die schöne Tasche (informell, kontrastiv) Italienisch_82.indb 91 20.01.20 15: 36 92 «I complimenti, non si sa mai quando li fanno» Simona Fabellini / Laura Linzmeier 2.b: Die schöne Tasche (informell, muttersprachlich) Deutsche Italienischlerner auf Deutsch Italienische Deutschlerner auf Italienisch Schöne Handtasche hast du da! Woher hast du die? Ma che bella la tua borsa! Ti sta proprio bene! È di Gucci, vero? ! L’ho vista anche io l’altro giorno in negozio e me la volevo comprare! Tolle neue Tasche! Ist die neu? Ma che bella borsa che hai! È nuova? Non te l’ho mai vista prima! Schöne Handtasche! Ist die neu? Schaut echt edel aus! Wo hast die her? Wow! Giulia, la tua borsa è all’ultima moda! Le nostre amiche saranno tutte invidiose appena la vedono! Oh, schöne Handtasche! Che bella borsa che hai, sembra anche molto pratica e spaziosa! Wow, schicke Handtasche. Wo hast Du die denn her? Che bella la tua borsa! È nuova? Mi piace davvero un sacco! Die steht dir gut, die neue Tasche! Gefällt mir! Bellissima la tua nuova borsetta! Ne stavo cercando anch’io una così. Dove l’hai presa, che magari vado a vedere anch’io? Megaschöne Handtasche! Wo hast Du die her? Che bella borsetta! È nuova? Dove l’hai comprata? Wow, Deine neue Handtasche sieht echt schön aus. Wo hast Du sie denn gekauft? Tab. 5: Die schöne Tasche (informell, muttersprachlich) Komplimentaussprechen auf Italienisch: Zunächst wird deutlich, dass die deutsche Versuchsgruppe auch in dieser Situation das Objekt (la borsa) des Kompliments in das Zentrum der Aussage stellt. Daraufhin schließen sich schon fast formelhafte Fragen (z.B. È nuova? , Dove l’hai comprata? etc.) an, die wohl Interesse und Wertschätzung ausdrücken. Deutlich seltener wird der Personenbezug explizit aufgebaut (z.B. Ti sta molto bene). Vergleicht man diese Aussagen der deutschen Studierendengruppe mit denen der italienischen Muttersprachler, so fällt auf, dass die Komplimentierweisen übereinstimmende aber auch abweichende Elemente beinhalten: Auch im Italienischen werden Rückfragen oder andere formelhafte Versatzstücke formuliert (z.B. È nuova? , Dove l’hai presa? etc.), allerdings enthalten viele Komplimente einen Überraschungsmoment, der durch die individuelle Ausformulierung und Anreicherung durch z.B. Attribute (z.B. pratica e spa- Italienisch_82.indb 92 20.01.20 15: 36 93 Simona Fabellini / Laura Linzmeier «I complimenti, non si sa mai quando li fanno» ziosa, […] di Gucci, all’ultima moda etc.) entsteht. Dadurch wächst auch die Länge der Komplimente, die im Italienischen aus ca. vier Sätzen bestehen (vs. in der deutschen Gruppen lediglich aus ca. zwei Sätzen). Komplimentaussprechen auf Deutsch: Auch italienische Deutschlerner stellen das komplimentierte Objekt in den Mittelpunkt. Jedoch zeigen ihre Komplimente im Unterschied zu den deutschen Muttersprachlern die Konstruktion aus Verb haben + Subjektpronomen (z.B. Was für eine schöne Tasche hast Du! ! ). Dadurch rückt zwar das komplimentierte Objekt ins Zentrum der Aussage, der Zweck dieser Konstruktion ist jedoch ein anderer, nämlich den persönlichen Bezug zusätzlich herzustellen. Durch die Verwendung dieser Konstruktion wird die Wertschätzung - wie sie typisch für das Italienische ist - ausgedrückt, da die Verbindung des komplimentieren Objekts mit der Person hergestellt wird. Auffällig ist auch die geringe Länge der deutschen Äußerungen dieser Gruppe. Möglicherweise beruht die Knappheit zum einen auf ungenügenden Kenntnissen adäquater sprachlicher Mittel bzw. der Unsicherheit in ihrer Verwendung. Zum anderen könnte bei kompetenteren Sprechern hierin eine bewusste Anpassung an das deutsche Modell liegen, das die Italiener selbst als più blando 8 wahrnehmen. Das Kompliment wird durch diese Strategie kürzer, bleibt aber dennoch persönlich. Auf diese Weise erreichen die Komplimente der italienischen Gruppe eine überraschende Ähnlichkeit mit der deutschen Kontrollgruppe, die ebenfalls Rückfragen stellt und sich knapp ausdrückt. Die deutschen Studierenden wählen in den meisten Fällen vorzugsweise elliptische Konstruktionen (z.B. Tolle neue Tasche! , Schöne Handtasche! etc.), um sofort auf das komplementierte Objekt zu verweisen und greifen dagegen seltener auf die Konstruktion haben + Subjektpronomen zurück, um einen persönlichen Bezug herzustellen. Situation 3: Das leckere Abendessen 3.a: Das leckere Abendessen (informell, kontrastiv) Deutsche Italienischlerner Italienische Deutschlerner La cena era benissimo! Abendessen war sehr lecker, danke. 8 Der Kommentar stammt aus einer sich im Anschluss ergebenen Diskussion der an der Umfrage beteiligten Studierenden. Italienisch_82.indb 93 20.01.20 15: 36 9 4 «I complimenti, non si sa mai quando li fanno» Simona Fabellini / Laura Linzmeier La cena era benissimo, grazie! Das Essen war spitze! Vielen Dank für die Einladung! Mille grazie per la invitazione. Era Benissimo, veramente delizioso! Hey Leute, das Essen war unendlich lecker; muss ich echt sagen. È stato veramente buonissimo, grazie ancore dell’invito! Das Essen schmeckt sehr lecker, Alessandro! Grazie mille della cena! Era buonissimo! Es war alles so lecker und alles hat mir geschmeckt. È stato buonissimo. Grazie di nuovo per l’invito. Ich bin überrascht! Alles war sehr lecker. Könnt ihr mir das Rezept von dem Dessert geben? Sono piena, ma è stato buonissimo sul serio. Vielen Dank für diesen leckeren Abendessen! Alles war wirklich gut! Grazie mille per l’invito. La cena era buonissima. Mi puoi dare la ricetta? Das Essen war wirklich lecker. Ich habe super gut gegessen. Vielen Dank für alles! Ich habe eigentlich besser als im Restaurant gegessen. Alles war lecker! Tab. 6: Das leckere Abendessen (informell, kontrastiv) 3.b: Das leckere Abendessen (informell, muttersprachlich) Deutsche Italienischlerner auf Deutsch Italienische Deutschlerner auf Italienisch Es war richtig lecker, danke für’s Essen! Andrea, le tagliatelle erano squisite, veramente! Per non parlare poi del cotechino! Una delizia! E la crostata, una roba da leccarsi i baffi! Non vedo l’ora di tornare a casa tua per provare altre specialità della tua cucina. War echt mega lecker! Lob an die Köche! Und vielen Dank nochmal für die Einladung! Ehi, la cena era favolosa ragazzi! Grazie mille per l’invito! Es war wirklich sehr lecker! Anna, le tagliatelle erano buonissime ed anche il resto; non so tutte le volte che vengono da te si mangia strabene. Non hai mai pensato di aprire un ristorante? War echt voll lecker! È stata davvero una cena deliziosa, devo farvi i miei complimenti! Sono stupita. Ma quell’antipasto…? Mi dareste la ricetta? Italienisch_82.indb 94 20.01.20 15: 36 95 Simona Fabellini / Laura Linzmeier «I complimenti, non si sa mai quando li fanno» Zu euch komme ich öfter zum essen. Es war so lecker! Grazie davvero per questa buonissima cena! Era tutto delizioso! Complimenti alla cuoca! Das hat wahnsinnig lecker geschmeckt. Danke für die Einladung! Complimenti per la cena, era tutto davvero buonissimo! Ich bin so voll, aber will mehr essen, weil es so gut geschmeckt hat. Echt gut gekocht. Era tutto buonissimo, complimenti davvero! Poi dovrete passarmi le ricette! Das Essen war wirklich sehr gut. Ich habe selten so gut gegessen. La cena era spaziale, altro che ristorante! Grazie raga! Tab. 7: Das leckere Abendessen (informell, muttersprachlich) Komplimentaussprechen auf Italienisch: Typisch für das Komplimentierverhalten der deutschen Versuchsgruppe auf Italienisch sind ein generelles Bedanken für die Einladung und das Essen. Dabei wird das Essen in einigen Fällen attribuiert (z.B. delizioso, buonissimo). Wie auch in der zuvor beschriebenen Situation (‘Die schöne Tasche’) ist die Kürze der Komplimente sehr deutlich erkennbar (ca. zwei Sätze). Lediglich ein einziges Mal wird eine Rückfrage zum Abendessen gestellt zum Zweck der weiteren Interessensbekundung (Mi puoi dare la ricetta? ). Auch in der italienischen Kontrollgruppe wird sich für die Einladung bedankt und das Essen attribuiert (squisite, una delizia, una roba da leccarsi i baffi, favolosa, buonissime, spaziale). Allerdings fällt im Italienischen die lexikalische Variation auf, die natürlich möglicherweise an der muttersprachlichen Kompetenz liegt, gleichzeitig aber auch Ausdruck eines für die italienische Kultur typischen Verhaltens sein kann. Denn die Individualisierung des Kompliments scheint eine große Bedeutung im Ausdruck von Wertschätzung und Interessensbekundung zu spielen. Eine vergleichbare Funktion hat hierbei auch die verbale Zerlegung der cena in die Menübestandteile, die je einzeln und ausführlich komplimentiert werden (le tagliatelle erano buonissime ed anche il resto, le tagliatelle erano squisite, veramente! Per non parlare poi del cotechino, Ma quell’antipasto…? ). In manchen Fällen wird der verkürzende, aber auf die Gesamtheit des Menüs verweisende Ausdruck tutto verwendet (tutto delizioso, tutto davvero buonissimo). Weiterer Ausdruck von persönlicher Wertschätzung ist die individuelle Ansprache des/ der Gastgeber/ in bzw. der Gesamtgruppe (Complimenti alla cuoca, Andrea, Anna, raga). Durch diese Strategien ergeben sich zwangsläufig längere Komplimente. Italienisch_82.indb 95 20.01.20 15: 36 9 6 «I complimenti, non si sa mai quando li fanno» Simona Fabellini / Laura Linzmeier Komplimentaussprechen auf Deutsch: Italienische Muttersprachler legen auch im Deutschen Wert auf das Aussprechen des Dankes für die Einladung und das Essen. Ebenso wird das Essen attribuiert, wenn auch die lexikalische Variation - wahrscheinlich aufgrund der fremdsprachlichen Kompetenz - geringer ausfällt (lecker, spitze, gut). Da die italienischen Versuchspersonen nicht auf die Komplimentierung des Menüs verzichten wollen, dies aber wahrscheinlich in der Fremdsprache in der individuellen Zusammensetzung des Essens nicht leisten können, greifen sie auf dem Sammelbegriff alles zurück (z.B. Alles war (sehr) lecker, Alles war wirklich gut! Vielen Dank für alles! ), der aus dem Italienischen bekannt ist (s.o.). Dadurch ergeben sich zwangsläufig kürzere Aussagen. Eine Übernahme aus dem Italienischen stellt das direkte Ansprechen der Gastgeber dar (Alessandro, Hey, Leute). Auch die deutsche Kontrollgruppe bedankt sich für Einladung und Essen und attribuiert das Menü (richtig lecker, mega lecker, wirklich sehr lecker, echt voll lecker, wahnsinnig lecker, wirklich sehr gut), wobei die Komplimentierung ausschweifender ausfällt als in der Fremdsprache, was wahrscheinlich auf die muttersprachliche Kompetenz zurückzuführen ist. Attribuiert wird stets die ‘Sache’ (= Abendessen), die entweder gleich benannt wird (das Essen) oder auf die durch es bzw. das Bezug genommen wird. Hinzu kommen einige (teils ironisch interpretierbare) Zusätze (Zu euch komme ich öfter, Lob an die Köche, Ich habe selten so gut gegessen). Zusammenfassung der Ergebnisse aus den Umfragen Die Befragung in der Muttersprache hat folgende Beobachtungen, die u.a. bereits in der Literatur häufig genannt werden, bestätigt. Im Folgenden werden die geläufigsten Komplimentierstrategien tabellarisch aufgeführt (Tab. 8): Deutsche Studierende auf Deutsch Italienische Studierende auf Italienisch ‘Sache’ steht im Mittelpunkt ‘Person’ und ‘Sache’ stehen im Mittelpunkt unpersönliche Ausdrucksweisen, z.B. mir gefällt persönliche Ausdrucksweisen, z.B. durch Konstruktionen mit avere und individuelle Ansprache Ich-Botschaften seltener und als persönlicher Kommentar Ich-Botschaften häufiger und zum Ausdruck des Kompliments Kürze, z.B. durch Ellipsen, weniger lexikalische Variation Länge, z.B. durch Attribuierung und Detailwiedergabe, lexikalische Variation Tab. 8: Zusammenfassung der geläufigsten Komplimentierstrategien Italienisch_82.indb 96 20.01.20 15: 36 97 Simona Fabellini / Laura Linzmeier «I complimenti, non si sa mai quando li fanno» Durch die eigene Kultur und Sprachmittel geprägt tendierten die Studierenden zu Übertragungen aus der eigenen Muttersprache in die fremdsprachlichen Komplimentierweisen. Zum Beispiel fiel bei den deutschen Italienischlernen auf, dass sie oftmals die ‘Sache’ in den Mittelpunkt des Kompliments stellten, sich kurz und schlichter fassten und seltener Ich-Botschaften zum Ausdruck persönlicher Stellungnahme verwendeten. Auch waren 1 : 1 Übertragungen zu finden wie im Fall von mi piace für mir gefällt. Auch in der italienischen Gruppe wurden Übertragungen aus der Muttersprache ins Deutsche erkennbar: So standen ‘Person’ und ‘Sache’ im Mittelpunkt des Kompliments. Die Komplimente fielen länger aus, da u.a. auch aufwändigere Ich-Botschaften und individuelles Ansprechen gewählt wurden. Auch die typisch italienische Konstruktion che + avere übertrugen sie häufig ins Deutsche durch haben + Subjektpronomen (z.B. Ma che bella borsa che hai - Was für eine schöne Tasche hast Du! ! ). In beiden Gruppen lässt sich die mangelnde pragmatische Kompetenz beobachten: Während z.B. in der deutschen Gruppe Übertragungen aus der Muttersprache, die sowohl sprachliche Mittel sowie auch den Aufbau des Kompliments (Kürze) betreffen, auffällig sind, zeigt sich in der italienischen Gruppe, die in der Muttersprache zu mehr Länge tendiert, dies durch Ausweich- und Vereinfachungsstrategien: So werden z.B. Attribute zwar angeführt, fallen aber zu Ungunsten der lexikalischen Variation aus, und Sammelbegriffe wie alles verwendet, die lediglich die Vielfalt der italienischen ‘Detailliebe’ subsumieren. Dadurch werden die Komplimente zwangsläufig kürzer und unbeabsichtigt der deutschen Ausdrucksweise ähnlicher - wobei natürlich nicht auszuschließen ist, dass bei kompetenteren Sprechen eine bewusste Auseinandersetzung mit dem zur Kürze tendierenden typischen deutschen Modell stattgefunden hat. 9 Fazit «hat Spaß gemacht und gleichzeitig haben wir […] viel darüber nachgedacht» Der vorliegende Beitrag ist zum einen als eine Kursbeschreibung und Anregung zur Gestaltung ähnlicher Kurse in der Sprachwissenschaft zu verstehen. Denn aus den Rückmeldungen (Feedbackbogen) ergab sich, dass die Studie- 9 Wünschenswert wäre eine metasprachliche Erhebung mithilfe einer muttersprachlichen Kontrollgruppe zur Validierung der Äußerungen in der Fremdsprache. Ebenso wäre die Analyse von metasprachlichen Äußerungen zu Komplimentierweisen und ihrer Wirkung in der Fremd- und Muttersprache ein Desideratum. Italienisch_82.indb 97 20.01.20 15: 36 9 8 «I complimenti, non si sa mai quando li fanno» Simona Fabellini / Laura Linzmeier renden vom kontrastiven Ansatz des Seminars in mehrfacher Hinsicht profitierten: Viele machten sich in diesem Rahmen zum ersten Mal vertieft Gedanken darüber, dass Sprache und Kultur untrennbar miteinander verwoben sind und Kultur sprachliche Mittel prägt («Themen, worüber ich noch nicht […] nachgedacht hatte»). Durch die Sensibilisierung für kulturell geprägte sprachliche Unterschiede entwickelten sie mehr Verständnis für die jeweils andere Kultur («Respekt für die Kulturunterschiede», «Paragonare l’italiano al tedesco è stato molto interessante, soprattutto per capire meglio le due diverse culture [principalmente tedesco]»). Dem Seminar ist es somit durchaus gelungen, die Sensibilität und das gegenseitige Verständnis zu erhöhen. Bisher arbeiteten Studierende in der Regel im Fremdsprachenunterricht mit Lehrmaterialien, die u.a. «[…] situationstypische Redemittellisten zur Bewältigung von relevanten kommunikativen Höflichkeitsaufgaben» bereitstellen (Scialdone 2009: 295 f.) und «mehr Wissen über als Wissen wie» vermitteln (Scialdone 2009: 296). Dank der kontrastiven Analyse und Diskussion der Ergebnisse der selbsterstellten Umfragen hatten die Studierenden Gelegenheit, gezielter auf bestimmte pragmatische Kompetenzbereiche einzugehen und zu reflektieren, wie sie das neu erworbene Wissen im pragmatischen Kontext einsetzen können. Die Bereitstellung sprachlicher Mittel hat keinen Mehrwert, wenn nicht bekannt ist, wie diese «adressaten- und kontextgerecht» (Scialdone 2009: 296) einzusetzen sind. Zwar wird die Veranstaltung trotz ihrer zahlreichen praktischen Anteile eine vorwiegend kognitive Übung bleiben, die nicht jedes Fettnäpfchen und Missverständnis vorbeugen kann. Die Teilnehmer des Seminars werden aber auf der Basis der gewonnenen Lernerfahrungen im Nachhinein Situationen anders bewerten und somit ihre kommunikative Praxis erfolgreicher gestalten können, nicht zuletzt deswegen, weil sie in der Lage sein werden, als L2-Lerner sprachliche Zweifel sinngebend aufzulösen und sprachliche Erwartungen der Fremdsprache zu erfüllen. Es ist also zu hoffen, dass durch mehr Seminare dieser Art Studierende der Fremdsprachen dazu angeregt werden, als fremd erscheinende Ausdruckweisen anzunehmen, zu verwenden und sich auf diese einzulassen, um damit der ‘anderen’ Kultur ein Stückchen näher zu kommen. Abstract. Il nostro contributo tratta aspetti pragmatici della comunicazione, come i complimenti o altre strategie che portano a un comportamento comunicativo adeguato. Conoscere e saper applicare queste strategie riceve un’importanza sempre maggiore nel nostro mondo globalizzato perché i parlanti devono essere preparati ad evitare situazioni imbarazzanti, equivoci Italienisch_82.indb 98 20.01.20 15: 36 99 Simona Fabellini / Laura Linzmeier «I complimenti, non si sa mai quando li fanno» e il rischio di porre fine a una conversazione involontariamente. I nostri risultati sono una sintesi di vari seminari italo-tedeschi sulla pragmatica contrastiva, ai quali hanno partecipato studenti binazionali di madrelingua sia tedesca che italiana. Il motivo per questa scelta didattica è stata l’osservazione che gli studenti vengono a contatto con contenuti pragmatici e contrastivi per la prima volta durante i loro soggiorni all’estero, quindi in situazioni comunicative reali. Gli studenti però spesso non sono adeguatamente preparati a queste situazioni, infatti i libri di testo utilizzati per lo studio delle lingue si concentrano di solito sull’acquisizione di nozioni grammaticali e/ o lessicali e meno su aspetti pragmatici. Summary. The article examines pragmatic aspects of communication, like making compliments or other strategies that facilitate adequate communication. The knowledge and use of such strategies gain in importance in our globalised society, as speakers must be prepared for dealing with embarrassing situations and misunderstandings and face the risk of ending conversations involuntarily. The results presented here go back to a series of German- Italian seminars on contrastive pragmatics with participants having been German and Italian native speakers. The reason to offer these courses was the understanding that many students come into contact with pragmatic and contrastive topics only during their stay abroad, that is, in the real communicative situation. However, students are not prepared sufficiently for these situations, because in fact the course texts concentrate rather on the teaching of grammar and vocabulary of the foreign language than on these pragmatic aspects. Literatur Austin, John Longshaw ( 2 1975): How to do things with words. The William James Lectures delivered at Harvard University in 1955, Cambridge (Mass.): Harvard University Press. Bonacchi, Silvia (2013): (Un)Höflichkeit. Eine kulturologische Analyse Deutsch - Italienisch - Polnisch, Frankfurt a.M. et al.: Peter Lang Verlag. Ehrhardt, Claus/ Müller-Jacquier, Bernd (2017): «Kompliment und Komplimentieren. Begriffs- und Handlungsbestimmung», in: Ehrhardt, Claus/ Neuland, Eva (Hrsg.), Sprachliche Höflichkeit. 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