Italienisch
ita
0171-4996
2941-0800
Narr Verlag Tübingen
10.2357/Ital-2019-0029
Es handelt sich um einen Open-Access-Artikel, der unter den Bedingungen der Lizenz CC by 4.0 veröffentlicht wurde.http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/121
2019
4182
Fesenmeier Föcking Krefeld OttFabio Massimo Bertolo/Marco Cursi/Carlo Pulsoni: Bembo ritrovato. Il postillato autografo delle Prose (Scritture e libri del medioevo; 18), Roma: Viella 2018, 335 Seiten, € 60,00
121
2019
Rafael Arnold
ita41820128
128 Kurzrezensionen Erzeugnissen stärker erforschter Zeitgenossen ebenbürtig war. Er wird als «kundige[r] Teilnehmer am von der Antike und Petrarca abhängigen mainstream des Quattrocentro» (S. 247) etabliert und kann als solcher innerhalb der Literaturgeschichte Italiens einen Platz für sich beanspruchen. Tobias Roths Studie wiederum ist vorerst der erste Rang als neues Standardwerk zu den Sonetten Pico della Mirandolas zuzusprechen, mit dessen Ergebnissen sich die künftige Lyrikforschung zu Pico zuerst auseinandersetzen sollte. Lukas Hermann Fabio Massimo Bertolo/ Marco Cursi/ Carlo Pulsoni: Bembo ritrovato. Il postillato autografo delle Prose (Scritture e libri del medioevo; 18), Roma: Viella 2018, 335 Seiten, € 60,00 Die Editionsgeschichte der Prose de la volgar lingua von Pietro Bembo (1470-1547), eines der Schlüsseltexte der italienischen Literatur- und Sprachgeschichte, ist längst wohlbekannt: Die editio princeps, die ziemlich genau dem überlieferten Autographen (Vat. Lat. 3210) entspricht, erschien 1525 in Venedig bei Giovanni Tacuino; 1 1538 folgte eine veränderte Ausgabe bei Francesco Marcolini in Venedig und schließlich wurde - ein Jahr nach dem Tod des Autors - mit einer Einleitung Benedetto Varchis 1548 eine nochmals veränderte Ausgabe in Florenz bei Torrentino herausgegeben. Eine sensationelle Wiederentdeckung hat nun neuen Wind in die Bembo-Forschung gebracht, denn erst vor kurzem wurde ein Exemplar der editio princeps mit handschriftlichen Anmerkungen und Korrekturen des Autors selbst wiederentdeckt, das jetzt, nach eingehender Untersuchung, im Verlag Viella ediert vorliegt. Bei den Herausgebern handelt es sich um den Buchwissenschaftler Fabio Massimo Bertolo, bis 2006 Professor für Buchgeschichte an der Universität Cassino, Marco Cursi, Professor für Lateinische Paläographie an der Universität « Federico II » (Napoli) und Carlo Pulsoni, Professor für Romanische Philologie an der Universität Perugia. Bekanntlich war Pietro Bembo unermüdlich, wenn es um die sprachliche und stilistische Verbesserung seiner eigenen Werke ging, und nicht weniger war er es in Bezug auf Petrarcas Cose volgari und Dantes Terze rime (Divina Comedia), die er unter Hinzuziehung verschiedener Manuskripte (im 1 Pietro Bembo (2001 [1525]), Prose della volgar lingua. L’editio princeps del 1525 riscontrata con l’autografo Vaticano latino 3210, a cura di Claudio Vela, Bologna: CLUEB. DOI 10. 23 57/ Ital-2019 - 0 029 Italienisch_82.indb 128 20.01.20 15: 36 129 Kurzrezensionen Falle Petrarcas möglicherweise sogar des Ms. Vat. Lat. 3195) und mit der größten editorischen Sorgfalt bei Aldo Manuzio in Venedig (1501 bzw. 1502) herausgegeben hatte. Der Grundsatz unaufhörlichen Verbesserns gilt in besonderem Maße für seine Prose, die er zeitlebens überarbeitete. Die bislang vorliegenden Ausgaben stellen also gewissermaßen jeweils eine Momentaufnahme dar, sie hatten immer nur vorläufig Anspruch auf Gültigkeit. Bereits der editio princeps (üblicherweise « P » genannt) war eine Liste mit Errata angefügt worden, was zeigt, dass zwischen der Drucklegung und vor der Auslieferung ein gründlicher Korrekturgang stattgefunden hatte. Bembos Prose stellten folglich immer ein Werk in fieri dar. Der Band rekonstruiert die Geschichte des wiederentdeckten Exemplars, das die Herausgeber mit « P » bezeichnen, so weit wie möglich: Nach dem Tod Bembos gelangte es in den Besitz seines Testamentsvollstreckers Carlo Gualteruzzi. Aus der eleganten Bindung des Exemplars und dem eigens dafür angefertigten edlen Schuber mit aufgeprägtem Wappen konnte auf den folgenden Besitzer geschlossen werden: Marco Foscarini (1696-1763), der von 1737 bis 1740 Botschafter der Serenissima in Rom war, 1754 zum Mitglied der Accademia della Crusca und acht Jahre später zum Dogen seiner Geburtsstadt gewählt wurde. In den 50er Jahren des 20. Jahrhunderts tauchte es im antiquarischen Buchhandel in Mailand auf. Wie eine inwendige Notiz der Antiquarin Carla Marzoli zeigt, erkannte sie mit gutem Gespür, dass die handschriftlichen Einträge von Bembo selbst stammten. Das Exemplar gelangte schließlich in den Besitz einer namentlich nicht genannten Privatperson (S. 13-17). Der Band liefert weiterhin eine kodikologische und paläographische Beschreibung von P1 (S. 123-129), die durch eine Untersuchung verschiedener handschriftlicher Zeugnisse Bembos ergänzt wird. Das wiederentdeckte Exemplar und die darin enthaltenen handschriftlichen Ergänzungen wurden modernsten technischen Untersuchungsmethoden unterzogen, die es erlauben, mehr zu sehen, als menschliche Augen es vermögen. Anhand von 52 hoch aufgelösten - fast durchgehend farbigen - Reproduktionen handschriftlicher Einträge aus verschiedenen Ausgaben und Quellen gewinnen die Leser einen verblüffenden Eindruck von den Originalen. Den Kern des Bandes stellt die Analyse und Diskussion der einzelnen Bemerkungen Bembos dar, die Abschnitt für Abschnitt - gemäß der Einteilung von Dionisotti - erfolgt (S.-25-121). Dabei ist ein Vergleich mit den auf die editio princeps folgenden Ausgaben möglich, die direkt darunter abgedruckt stehen. Auf diese Weise kann man unter anderem nachvollziehen, wie die Herausgeber des Cinquecento mit den Anmerkungen Bembos umgingen. Tatsächlich wurden die handschriftlichen Bemerkungen Bembos in der Auflage von Marcolini (M) aus dem Jahr 1538 nur teilweise umgesetzt, Italienisch_82.indb 129 20.01.20 15: 36 130 Kurzrezensionen einige weitere dann in der postumen Ausgabe 1548 von Torrentino (T). In dem anzuzeigenden Band werden die Änderungswünsche des Autors minutiös nachverfolgt und es wird jeweils verzeichnet, ob sie respektiert wurden oder nicht. Nicht immer fällt es - trotz fachgerechter Erklärung der Editionskriterien zu diesem Buchkapitel (S. 24) - auf Anhieb ganz leicht, zu verstehen, was die unterschiedlichen Markierungen (fett, kursiv, Setzung runder und eckiger Klammern, Verwendung von einfachen und doppelten Asterisken u.a.) bedeuten. Zudem ist die Angelegenheit stellenweise doch recht vertrackt, da Bembo seine Korrekturanweisungen zum Teil selbst wieder zurücknahm, indem er sie durchstrich und eine andere Variante notierte, um in einigen Fällen zur ursprünglichen zurückzukehren - und Zweifel selbst noch an der endgültigen Form gehabt zu haben schien. Als Beispiel sollen hier die Wortformen « quistione » (Vat. Lat. 3210), « questione » (P), « quistione » (P1), « quistione » (M und T) angeführt werden. Ähnlich liegt der Fall bei « domane » (Vat. Lat. 3210 - wie auch bei Boccaccio), « domani » (P), « domane » (P1), « domani » (M u. T), woraus die Herausgeber des vorliegenden Bandes schließen, dass die Editoren des Cinquecento Bembos ausdrücklichen Willen zuweilen ignorierten bzw. in diesem Fall weder der Autorität Boccaccios noch derjenigen Bembos nachgaben und stattdessen die bis heute gültige Form « domani » druckten. Bembo schrieb seine Korrekturen in einigen Fällen als Interlinear-, in anderen Fällen als Marginalglossen auf die Buchseiten. Dazu bediente er sich eines speziellen Markierungssystems, mit dem er die zu ändernden Stellen ober- oder unterhalb kennzeichnete, um dann am Seitenrand unter Wiederaufnahme der jeweiligen Markierung seine Ersetzungen, Änderungen oder Ergänzungen zu notieren. Dieses Notationssystem wird von den Autoren im Detail erklärt (S. 159-176). Bembos Korrekturen lassen sich verschiedenen Typen zuordnen: Tippfehler (z. B. « neturo » , recte: « neutro » ; « migliot » , recte: « miglior » ), Groß-/ Kleinschreibung ( « Iddio » / « iddio » ), Vokaländerungen, Einfügung oder Tilgung von Geminaten, Änderungen in Bezug auf die Verbmorphologie ( « ho visto » , was nach Bembos Auffassung besser « ho veduto » heißen sollte), lexikalische Ersetzungen oder Ergänzungen und zusätzliche Verweise auf Literaturstellen (in den Werken Dantes, Petrarcas, Boccaccios, Brunetto Latinis und Giovanni Villanis), die allesamt eingehend von den Herausgebern diskutiert werden. Ohne jeden Zweifel richtet sich dieses Buch an Liebhaber Bembos oder solche Leser, die ein professionelles Interesse an philologischen Details haben. Andere mögen sich wundern über so viel « Mikrologie » , um A.W. Schlegels Formulierung aufzugreifen für die Filigranarbeit an Manuskript und Text, die kritischen Editionen vorausgehen muss. Im Fall des veneziani- Italienisch_82.indb 130 20.01.20 15: 36 131 Kurzrezensionen schen Humanisten ist dieser mikrologische Blick umso mehr gerechtfertigt, als er es erlaubt, die manchmal minimalen Änderungen sowie das Vor und Zurück von Bembos Korrekturwünschen nachzuvollziehen und so einen tiefen Einblick in sein sich stets weiterentwickelndes Sprachdenken, das nirgends halt machte, zu gewinnen. Der Band schließt mit einer Textversion der Prose auf der Grundlage von Bembos Bemerkungen in P1, wie sie dem kritischen Grammatiker zum Zeitpunkt seiner handschriftlichen Einträge vorgeschwebt haben mag ( « Le Prose secondo l’ultima volontà d’autore » ; S. 219-316). Vielleicht hätte er aber auch an dieser Version kurz darauf wieder manches zu beanstanden gefunden. Gilt bislang die Ausgabe von Carlo Dionisotti (1960/ 2 1966) als die maßgebliche, so wünscht man sich nun eine kritische Neuedition, die sämtliche Varianten Wort für Wort berücksichtigt. Es wäre verwunderlich, wenn die drei Herausgeber des Bembo ritrovato bei dem Enthusiasmus, den sie ihrem Gegenstand entgegenbringen, nicht längst an eine solche gedacht hätten. Vielleicht werden wir rechtzeitig zum 500. Jubiläumsjahr der Prose damit beschenkt. Rafael Arnold Nicola De Blasi: Ciao, Bologna: il Mulino 2018, 163 Seiten, € 13,00 Nicola De Blasi, der an der Universität «Federico II» in Neapel Italienische Sprachwissenschaft lehrt, hat ein sowohl informatives wie unterhaltsames Buch über das gewissermaßen emblematische Grußwort Ciao geschrieben, das heutzutage international bekannt und sogar außerhalb Italiens in einigen Ländern gebräuchlich ist. Was aber ist sein etymologischer Ursprung und wie verbreitete es sich im Laufe der Zeit? Selbst in Italien hat es sich erst im 20. Jahrhundert, genauer gesagt erst nach dem 2. Weltkrieg gegen konkurrierende Wörter wie allègher, cerea (Piemont) oder allegri - um nur einige zu nennen -, durchsetzen können. Seinen Durchbruch feierte es 1959 beim Festival von San Remo, wo Domenico Modugno und Johnny Dorelli den ersten Preis mit ihrem Lied «Piove» gewannen, dessen Refrain «Ciao, ciao, bambina» weltbekannt geworden ist. Der etymologische Ursprung des Wortes Ciao aus dem mittellateinischen sclavum , einer Variante von slavum ist unstrittig. Seit dem 8. Jahrhundert wurde es als Demonym verwendet und diente zur Bezeichnung der Slawen. Allerdings ist damit die Frage, wie daraus ein weithin verbreiteter Gruß werden konnte, noch lange nicht beantwortet. DOI 10. 23 57/ Ital-2019 - 0 0 3 0 Italienisch_82.indb 131 20.01.20 15: 36
