Italienisch
ita
0171-4996
2941-0800
Narr Verlag Tübingen
10.2357/Ital-2020-0009
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2020
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Fesenmeier Föcking Krefeld OttChristine Michler/Daniel Reimann: Fachdidaktik Italienisch. Eine Einführung. Tübingen: Narr Francke Attempto Verlag 2019 (= narr Bachelor-Wissen.de), 341 Seiten, € 24,99 (ePdf und ePub € 19,99)
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2020
Christoph Oliver Mayer
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9 8 Buchbesprechung Christine Michler/ Daniel Reimann: Fachdidaktik Italienisch. Eine Einführung. Tübingen: Narr Francke Attempto Verlag 2019 (= narr Bachelor-Wissen.de), 341 Seiten, € 24,99 (ePdf und ePub € 19,99) Angesichts der Tatsache, dass einschlägige Einführungen in die Fachdidaktik für die Fächer Französisch und Spanisch bereits seit einigen Jahren vorliegen, füllt der von Christine Michler (Univ Bamberg) und Daniel Reimann (Univ Duisburg-Essen) gemeinsam verfasste Band zur Fachdidaktik Italienisch eine große Lücke auf dem deutschen Buchmarkt In fünf «Blöcken» und 14 «Einheiten» werden mehr oder minder alle grundlegenden Thematiken ausführlich behandelt; zum Teil sogar so ausführlich und tiefgehend, dass die Bezeichnung der Reihe, Bachelor-Wissen, hier gar nicht mehr angebracht scheint Über die zu erwartenden Inhalte, die sich in ähnlicher Form auch in anderen auf dem Markt erhältlichen Einführungen in die Fremdsprachen- Fachdidaktiken finden lassen (Methoden und Sozialformen, Medien, sprachliche Mittel, kommunikative Fertigkeiten, kulturelle Bildung etc .), hinaus legen die Verfasser eine Betrachtung der Historie und der Rahmenbedingungen des Italienisch-Unterrichts (Block I; S 1-31) vor Damit legen sie einen roten Faden, der das ganze Buch positiv durchzieht: Sie visieren die Spezifität des Italienischen als schulische Fremdsprache in Deutschland an und nutzen dabei die jeweiligen italienischen Fachtermini bzw stellen diese den Leser(inne)n zur Verfügung Am Ende des Buches wird zudem den aktuellen Entwicklungen auf dem Sektor der Differenzierung und Integration Rechnung getragen und, in einem letzten Kapitel, eine gut gelungene, aber vielleicht in diesem Rahmen doch eher entbehrliche kurze Einführung in die Methodik der Fremdsprachenforschung hinzugefügt, auch um Forschung in diesem Bereich anzuregen Ein Literaturverzeichnis und ein Sachregister runden den sehr gut lektorierten und übersichtlich aufbereiteten Band - allein die Grafiken hätten manchmal etwas schärfer gedruckt sein können - ab Inhaltlich lassen sich weitgehend diejenigen Inhalte wiederfinden, die derzeit in den Einführungskursen in die Fachdidaktik an den deutschen Universitäten vermittelt werden, wie z .B die Einbettung des Unterrichtens in den Gemeinsamen europäischen Referenzrahmen für Sprachen (GER) bzw den Referenzrahmen für plurale Ansätze zu Sprachen und Kulturen (REPA) und Bildungsstandards (Einheit 2: «Europäische, nationale und regionale Vor- DOI 10. 23 57/ Ital-2020 - 0 0 0 9 83_Italienisch_Inhalt.indb 98 19.06.20 16: 36 99 Buchbesprechung gaben», S 15-32) Gleichwohl muss man nicht an jeder Stelle mit den Vorschlägen einverstanden sein, die die Verfasser z .B hinsichtlich thematischer Desiderate geben: Warum sollte der Italienischunterricht etwa die Antike und die Renaissance (S 28), nicht aber das Mittelalter behandeln? Sind Autos, Fußball und Videospiele wirklich die einzigen Themen, die einem zur Jungenförderung einfallen (S 28, 264, 274), und erschöpft sich Geschlechtergerechtigkeit heute wirklich noch in den klassischen Gender-Kategorien? Warum vermeidet diese Einführung jegliche scheinbar heikle Thematik jenseits von Sonnenschein und Urlaub, also aktuelle italienische Politik, Klimaschutz, soziale Ungleichheiten etc ., so als ob aus den Phänomenen Berlusconi, Salvini und Co nichts gelernt werden könnte? Hier hätten problemlos kulturwissenschaftliche Forschungsergebnisse, aber auch neuere Ansätze der Fachdidaktik wie das Globale Lernen integriert werden können Lerninhalte wie -motivation müssen bzw dürfen nicht nur auf das Schöne und Gute konzentriert werden, andernfalls droht jede Krise den europäischen Geist zu gefährden und auch die Relevanz eines fremdsprachlichen Faches zumindest in Frage zu stellen In den verdienstvollen Kapiteln zur Unterrichtsgestaltung (Einheit 3; S 33-44) sowie zu «Methoden und Sozialformen» (Einheit 4; S 45-58) hätte man sich noch präzisere Hinweise für den Italienisch-Unterricht gewünscht, und auch konkrete Beispiele für das italiano in classe sowie ein Verweis auf die Praxis des Unterrichts im Zielland wären an dieser Stelle durchaus hilfreich gewesen Anderes, wie etwa der Hinweis auf die Schriftgröße bei Power Point Präsentationen (S 37), wirkt hingegen fehl am Platz Der umfassende Charakter und der (inter)disziplinäre Zugriff, mit denen genauso die Einheiten zu «Medien, Lehrwerke und Aufgabenorientierung» (Einheit 5; S 59-80), «Interaktion im fremdsprachlichen Klassenzimmer» (Einheit 6; S 81-90) und die im dritten Block untergebrachten Einheiten zu «Erstspracherwerb, Mehrsprachigkeit und Mehrsprachigkeitsdidaktik» (Einheit 7; S 91-118) oder «Sprachliche Mittel» (Einheit 8; S 119-156) realisiert wurden, sind beeindruckend, bergen aber das Risiko von Detailfehlern Symptomatisch zeigt sich das Dilemma am Thema der sprachlichen Norm: Das Plädoyer für den Einbezug der Jugendsprache in Lehrwerken ist grundsätzlich nicht abwegig (S 69), entspricht indes aber im begrifflichen Zugriff über italiano popolare nicht dem Stand der linguistischen Forschung (vgl hierzu Fresu [im Druck] 1 ) und ignoriert überdies die 1 Rita Fresu, «Dalla devianza al continuum L’italiano dei semicolti negli studi storicolinguistici: evoluzioni e linee di tendenza», in: Norm und Hybridität/ Ibridità e norma Linguistische Perspektiven/ Prospettive linguistiche, hrsg von Antje Lobin/ Sarah Dessì Schmid/ Ludwig Fesenmeier, Berlin: Frank & Timme 2020, S 249 ff 83_Italienisch_Inhalt.indb 99 19.06.20 16: 36 10 0 Buchbesprechung Problematik der schnell veraltenden Aktualität Dass sie als solche natürlich keineswegs abwegig ist, erschließt sich aus dem Kontext der Kenntnis aktueller Lehrwerke anderer (romanischer) Fremdsprachen, wenn man bedenkt, welche Relevanz das Verhältnis von Standard- und Jugendbzw Umgangssprache für das Französische als Unterrichtssprache im Gegensatz zum Italienischen und Spanischen hat Die Verfasser scheinen sich hier und an anderen Stellen (zur Aussprache S 121 bzw zum Hörverstehen S 163 ff .) für die Berücksichtigung der italiani regionali und des linguaggio giovanile auszusprechen und meinen damit also das, was man unwissenschaftlich als «Umgangssprache» bezeichnet Hier gilt es bei einer Neuauflage genauer hinzuschauen und Expert(inn)en einzubeziehen - nicht nur, weil Studierende auf Präzision in den disziplinären Wissenschaften achten müssen, sondern auch, weil Didaktik dort an Glaubwürdigkeit verliert, wo die Didaktiker(innen) ihren Gegenstand nicht auf der Höhe der Forschung vertreten Das ausführlichste Kapitel gilt, wenig überraschend, den ebenfalls im dritten Block zu «Grundlagen und Spezifika des Italienischunterrichts» angesiedelten «[k]ommunikative[n] Fertigkeiten» (Einheit 9; S 157-210), denen bei der praktischen Nutzung des Handbuches sicher mehr als nur eine oder zwei Seminarsitzungen gewidmet werden müssen Relativ kurz gehalten sind hingegen die den vierten Block zur «Kulturelle[n] Bildung im Italienischunterricht» eröffnenden Ausführungen zu «Landeskunde, inter- und transkulturelle[r] kommunikative[r] Kompetenz» (Einheit 10; S 211-224), die in sich vielleicht den strittigsten Bereich dieses Bandes darstellen Zwar werden die wichtigsten einschlägigen Ansätze angesprochen und wird die Lebensweltorientierung des Lehrstoffes vorgeschlagen (S 214), doch die von Reimann selbst vorgeschlagene Operationalisierung der drei hier als wesensverschieden verstandenen Ansätze bleibt in der gebotenen Kürze und durch ein nicht besonders erhellendes Zitat sowie ein noch weniger selbst erklärendes Schema ohne das Nachlesen des Originalartikels (von Reimann) unverständlich (S 220-221) Schon allein die apodiktische Erklärung - «Moderner Fremdsprachenunterricht integriert die verschiedenen Aspekte von Landeskunde, inter- und transkulturellem Lernen» (S 221 bzw Abb 10 .3) - bleibt erklärungsbedürftig Hier hätte ruhig der gewählte Ansatz ausführlicher und studierendengerechter erklärt werden können Sollte sich das interkulturelle, transkulturelle oder globale Lernen (der Begriff kommt übrigens nirgends vor) etwa in der kommunikativen Kompetenz erschöpfen oder gar «eng mit der Landeskunde verbunden» (S 223) sein? Oder müsste der Fremdsprachenunterricht nicht doch noch mehr erreichen wollen - Stichworte: Friedenspädagogik, Demokratieerziehung, Werteunterricht, kritische Haltung - und darüber, jenseits von Globish English, in einer digitalen Welt und einem gemeinsamen Europa seine Relevanz demonstrieren? 83_Italienisch_Inhalt.indb 100 19.06.20 16: 36 101 Buchbesprechung In Einheit 11 zu «Literatur, Film und Musik» (S 225-241) bleiben die Verfasser auffällig defensiv: Sie nennen Gründe für die abnehmende Lektüre von Ganzschriften, geben Lektüretipps (mit einem Verweis auf Klett, nicht aber auf Reclams Rote Reihe) und verankern auch Film- und Musikarbeit Das Dilemma, dass diese Medien nicht per se Teilbereiche der Fachdidaktik sind, sondern mit ihrer Hilfe alles fachliche, sprachliche und transkulturelle Wissen vermittelt und gewonnen wird, lässt die Thematik naturgemäß sehr blass erscheinen Dergestalt gelangt die Darstellung, direkt vor den Ausführungen zum Neokommunikativen Ansatz (Einheit 12; S 243-260), der insbesondere durch Lerner- und Inhaltsorientierung charakterisiert wird, und den sich anschließenden Thematiken Heterogenität, Differenzierung und Inklusion (Einheit 13; S 261-278) unter einen gewissen Rechtfertigungsdruck In den beiden letztgenannten Einheiten, ihrerseits zusammen mit den Ausführungen zur Forschungsmethodik (Einheit 14; S 279-302) Teil des Blocks «Aktuelle Entwicklungen des Italienischunterrichts und der Fachdidaktik Italienisch», wird vieles über aktuelle Diskussionen in der italienischen Fachdidaktik vorgestellt, etwa zur Fehlerkorrektur, zu Sprachzertifikaten oder zu spezifischen Förderschwerpunkten Studierende bekommen so einen guten Überblick über die Breite und Vielfalt des Faches Offen bleibt jedoch, warum der neokommunikative Ansatz in einem eigenen Kapitel erscheint und nicht als Rahmen für die Einführung insgesamt genutzt wurde, zumal Didaktik sich immer in aktuelle Strömungen einordnen muss und nie ein für alle Zeit gültiges Handbuch möglich ist Die Didaktik hat ihre eigenen Kompetenzbereiche und muss diese auch explizit hervorheben Ob es gerade für eine Einführung in die Fachdidaktik unbedingt der recht unvermittelt präsentierten Aufgaben bedurft hätte, die jedes Kapitel abschließen, sei dahingestellt, sind sie doch teilweise sehr heterogen und nicht immer klar formuliert - an einer Stelle soll etwa ein Hypertext erstellt werden (S 79), an anderer Stelle soll die Wertigkeit der Kulturkunde kommentiert werden (S 229) Hier wäre es durchaus sinnvoll gewesen, Theorie- und Praxisebene klarer zu trennen: Im Sinne einer Einführung wird zunächst deklaratives Wissen vermittelt und didaktisiert aufbereitet; dem Aufbau einer Handreichung entsprechend werden zusätzlich Übungsmaterialien beigegeben, die ganz im Sinne aktueller didaktischer Forschung zumindest teilweise den Charakter von Lernaufgaben bekommen sollen Diesem Lernkontext folgend müssten allerdings diese Aufgaben auch mit dem hier vermittelten Wissen gelöst werden können - was etwa bezüglich der Hypertext-Aufgabe praktisch nicht möglich ist Als Kompendium zum Basiswissen Fremdsprachendidaktik mit spezifischen Bezügen auf das Italienische eignet sich der Band für Studierende auch jenseits des Einführungskurses genauso wie für Lehrende an Schule und 83_Italienisch_Inhalt.indb 101 19.06.20 16: 36 102 Buchbesprechung Universität Wünschenswert wäre es gewesen, dass an der ein oder anderen Stelle nicht nur die Studien eines der beiden Verfasser derartig prominent Berücksichtigung gefunden hätten Dass der Themenbereich der Digitalisierung stark unterrepräsentiert ist, wird einigermaßen ausgeglichen durch die Online-Tools, die der Verlag zu dem Buch anbietet, unterstreicht aber auch, in welche Richtung sich die Fachdidaktik Italienisch noch entwickeln muss Dennoch liegt eine große Stärke dieser zukünftig sicherlich von Studierenden der Italienisch-Didaktik genutzten Einführung darin, dass die Darstellung stets aus einer dezidierten Position heraus erfolgt Erfreulicherweise werden so die von den Verfassern mit Material sehr verwöhnten Leser(innen) zum Nach- und Weiterdenken angeregt Insgesamt handelt es sich um ein praktisches Handbuch für das Lehramtsstudium, werden doch zahlreiche unterrichtsrelevante Tipps gegeben und immer wieder Bezüge zu den (bundes) länderspezifischen Lehrplänen hergestellt . Christoph Oliver Mayer 83_Italienisch_Inhalt.indb 102 19.06.20 16: 36