eJournals Italienisch 42/83

Italienisch
ita
0171-4996
2941-0800
Narr Verlag Tübingen
10.2357/Ital-2020-0013
Es handelt sich um einen Open-Access-Artikel, der unter den Bedingungen der Lizenz CC by 4.0 veröffentlicht wurde.http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/61
2020
4283 Fesenmeier Föcking Krefeld Ott

Nicola Turi (Hrsg.): Raccontare la guerra. I conflitti bellici e la modernità. Firenze: Firenze University Press 2017, 436 Seiten, € 19,90

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2020
Andreas Haarmann
ita42830111
111 Kurzrezensionen Mancher mag Sciascia einen fatalistischen Abgesang auf die Gesellschaft vorwerfen Dem ist entgegenzuhalten, dass Sciascia die Theologie der Macht ebenso wie die damit verbundene Vereinnahmung der Sprache luzide erkannt hat Dabei ist es gerade die bereits angesprochene Mystifizierung, die das arcanum imperii nährt und so die Effekte der Macht verstärkt Sciascia gelingt es, diese nichtfassbaren Verstrickungen und die Naturalisierung der Macht intelligibel zu machen Einige mögen darin Pessimismus erkennen, andere die Luzidität eines Moralisten So auch Albertina Fontana («‘Forse una speranza non c’è’ Ulrich Schulz-Buschhaus incontra Leonardo Sciascia»), die sich Ulrich Schulz-Buschhaus’ Auseinandersetzung mit Sciascia widmet Der Verfasser der wegweisenden Studien zum Kriminalroman, die in der Komparatistik längst zum Kanon gehören, attestiert dem sizilianischen Schriftsteller eine «tecnica del crescente infittirsi di oscurità» (S 214), eine den Leser irritierende «tecnica del chiaroscuro» (ebd .), die letztlich das Scheitern des Protagonisten an solch einem Szenario nachvollziehbar werden lässt Ob es nun besser ist, Unabwendbares zu akzeptieren und sich in Resignation zu üben - mit Voltaires Candide gesprochen: «Travaillons sans raisonner […]; c’est le seul moyen de rendre la vie supportable» 1 - oder aber sich damit auseinanderzusetzen, diesen Schluss muss jeder für sich allein ziehen Nel paese di Cunegonda liefert uns in jedem Falle nicht nur neue Erkenntnisse der Sciascia-Forschung, sondern erlaubt uns auch, die Werke des sizilianischen Intellektuellen mit neuen Augen zu lesen Sieglinde Borvitz Nicola Turi (Hrsg.): Raccontare la guerra. I conflitti bellici e la modernità. Firenze: Firenze University Press 2017, 436 Seiten, € 19,90 Das vierjährige Centenario des Ersten Weltkrieges hat über die Dauer seiner Kommemoration auf verschiedenen Wegen in die öffentliche Wahrnehmung gedrängt Es hat teils in Vergessenheit geratene Literaten mit Neuauflagen und thematischen Sammelbänden an die Oberfläche unseres Kurzzeitgedächtnisses gespült, zu zahllosen Dokumentationen und Verfilmungen Anlass gegeben, ja sogar zu einer Art ‘kleinem Historikerstreit’ um die äußerst verkaufsstarke Neubewertung der Kriegsschuld angeregt (Die 1 Voltaire, Candide ou l’Optimisme, Stuttgart: Reclam 1997, S 149 DOI 10. 23 57/ Ital-2020 - 0 013 83_Italienisch_Inhalt.indb 111 19.06.20 16: 36 112 Kurzrezensionen Schlafwandler) Zudem gab es den Anreiz zu einer unüberschaubaren Anzahl wissenschaftlicher Veröffentlichungen zum Verhältnis von Krieg, Literatur und Erinnerungskultur, zu denen auch der vorliegende Band zu zählen ist Erfreulicherweise überschreitet er jedoch die Grenzen einer pflichtschuldigen ‘Gedenkpublikation’ zum Ersten Weltkrieg, indem er einen weit umfangreicheren zeitlichen Rahmen absteckt, der zurückreicht in die Mitte des 19 Jahrhunderts und sich bis hin zu Gegenwartskonflikten erstreckt Der Herausgeber möchte eine «galleria, inevitabilmente non esaustiva» von Autoren und Texten aufbieten, die im gewählten Zeitraum «direkt oder indirekt» mit dem Krieg befasst waren Die ersten zwei von vier Teilen sind den «guerre degli italiani» gewidmet und behandeln die Gattungen Roman und Tagebuch einerseits sowie Essayistik, Reportage und Dichtung andererseits Dass schon der erste Teil mit seinen neun Beiträgen rund die Hälfte der Gesamtseitenzahl beansprucht, ist ein erster, wenngleich auch noch begründbarer Hinweis auf das eher unausgewogene Gesamtbild der in Aussicht gestellten Galerie Gleich der erste Beitrag von Luigi Weber führt mit Carlo Salsas Roman Trincee in einen derjenigen Texte ein, die offenbar zu Unrecht vergessen wurden Weber ordnet das Werk in einer umfassenden Einleitung in die italienische und europäische Weltkriegsliteratur ein, betont sogleich seine Sonderstellung innerhalb des doch beträchtlichen Gesamtwerkes Salsas und hebt anschaulich die Einzigartigkeit der Figurenzeichnung des autofiktionalen Protagonisten hervor Weitere Aufsätze setzen sich mit namhaften Kriegschronisten wie Calvino, Dessì, Fenoglio und Gadda auseinander, erst der zweite Teil des Bandes hält auch Überraschungen bereit, etwa mit einer Untersuchung zu Leopardis «filosofia della guerra» und ihren Parallelen zum Denken René Girards oder einer ebenso anspruchsvollen wie kenntnisreichen Studie zur Dichtung des frühen Zanzotto Spätestens der kurze dritte, außeritalienischen Kriegsschauplätzen gewidmete Teil «La guerra è altrove» offenbart jedoch die konzeptuellen Mängel des Bandes und wird bezeichnenderweise eingeleitet von einem Beitrag des Herausgebers zu Chinua Achebe, der die Hauptthematik allenfalls am Rande berührt Der darauffolgende Aufsatz zu Goffredo Parise verrät gleich zu Beginn, dass er mit seinem Fokus auf der journalistischen Arbeit Parises mit gleichem Recht im zweiten Teil seinen systematischen Ort hätte finden können Droht auch der vierte und letzte Teil des Bandes, «Narrare per immagini», mit Blick auf Comic, Film und Theater noch diffuser zu geraten, so bleiben die darin enthaltenen Beiträge der übergeordneten Fragestellung, die der Buchtitel immerhin insinuiert, doch enger verbunden als manch andere: I conflitti bellici e la modernità verharren hier nicht in stummer Nebenordnung, es wird vielmehr näher bestimmt, in welchem 83_Italienisch_Inhalt.indb 112 19.06.20 16: 36 113 Kurzrezensionen Verhältnis sie zueinander stehen und wie sich die Darstellung des Krieges in der Formensprache der Moderne wandelt Während Gianni Olla den (über-) ambitionierten Versuch unternimmt, diesen Wandel über den Zeitraum von knapp 200 Jahren hinweg anhand unterschiedlicher Genres und in verschiedenen Kulturräumen weitschweifig nachzuzeichnen und damit im Dokumentarischen stecken bleibt, vermittelt Flavia Crisanti vor dem Hintergrund der Kriegsthematik eine sehr gut gelungene Einführung in das ‘engagierte’ italienische Gegenwartstheater, seine Ursprünge, Akteure («narr-attori») und Erzählweise Der Band versammelt in der Mehrheit Beiträge, die in (guter) Erinnerung bleiben Die hier vorgebrachte Kritik, die sich in der Hauptsache auf das Fehlen eines Leitgedankens richtet, könnte somit auch der starken Ausdifferenzierung des wissenschaftlichen Feldes und seiner Methoden geschuldet sein, die es manchmal erschwert, zwei Menschen zu finden, die sich zu einem Thema etwas Substantielles zu sagen haben Auf der anderen Seite zeigt sich, dass mit Isnenghi (vgl auch Italienisch 80, 2018) und Casadei - um nur zwei Exponenten zu nennen - konsensfähige Ausgangspunkte für Überlegungen zum behandelten Themenkomplex gegeben sind Wer von dem Band keine gebündelte Untersuchung eines Korpus miteinander vergleichbarer Primärtexte erwartet, sondern bereit ist, sich in der eher rhizomatischen Ordnung auf die Suche nach neuen Lektüreanreizen zu begeben, wird von ihm bestimmt nicht enttäuscht werden Andreas Haarmann Donatella Troncarelli/ Matteo La Grassa: La didattica dell’italiano nel contatto interculturale. Bologna: il Mulino 2018, 229 pp., € 22,00 Il presente volume si propone una disamina dei contesti educativi istituzionali in cui, in seguito ai movimenti migratori che caratterizzano le società odierne, ha luogo il contatto linguistico e culturale tra italiano e lingue straniere Come illustrato nell’introduzione (pp 7-11), l’obiettivo perseguito dagli autori consiste nell’offrire a educatori, mediatori e docenti di italiano a stranieri elementi conoscitivi e spunti di riflessione riguardo alla didattica dell’italiano in realtà plurilingui, pluriculturali e plurilivello Volendo fornire un quadro sommario dei contenuti, in questa sede si accenna brevemente agli argomenti affrontati nelle due parti del volume La prima parte (pp 13-91), divisa in due capitoli, è dedicata all’insegnamento dell’italiano nel contatto interculturale in Italia Dal momento che il gruppo DOI 10. 23 57/ Ital-2020 - 0 014 83_Italienisch_Inhalt.indb 113 19.06.20 16: 36