Italienisch
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Fesenmeier Föcking Krefeld OttIn memoriam Prof. Dr. Bodo Guthmüller (1937 - 2020)
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118 Mitteilungen In memoriam Prof. Dr. Bodo Guthmüller (1937 - 2020) Wir verabschieden uns von Bodo Guthmüller, der am 2 April dieses Jahres verstorben ist Mehr als 20 Jahre lang, von 1980 bis 2002, hatte er in der Nachfolge von August Buck den Lehrstuhl für französische und italienische Literatur der Marburger Philipps-Universität inne Obwohl er in seiner Lehre stets darauf bedacht war, beiden Nationalliteraturen gleichermaßen gerecht zu werden, und interessante Seminare über Ronsard, Molière oder das französische Absurde Theater veranstaltete, war es doch kein Geheimnis, dass seine geistige Heimat Italien war Genau genommen beruhte seine Tätigkeit als Wissenschaftler und Hochschullehrer auf drei soliden Säulen, denen drei Monographien in seinem Werkverzeichnis entsprechen Während seines Studiums in Marburg war Bodo Guthmüller schwerpunktmäßig der Altphilologie zugetan Seine Dissertation galt 1964 den Metamorphosen Ovids, dem «Grundbuch mythologischen Wissens», wie er es in einer späteren Arbeit definierte . 1 Das unerschöpfliche Thema ‘antiker Mythos’ begleitete ihn sein Leben lang und diente ihm als Bindeglied zwischen den verschiedenen Disziplinen Seine 1973 publizierte Habilitationsschrift, eine an Hans Robert Jauß orientierte Untersuchung über Die Rezeption Mussets im Second Empire, behandelte anhand eines französischen Sujets Grundfragen der Hermeneutik, die ihrerseits ein konstantes Thema in seinem Lebenswerk blieben Von 1974 bis 1978 durfte Bodo Guthmüller die Leitung des Deutschen Studienzentrums in Venedig übernehmen Hier schrieb er, aus dem Reichtum der italienischen Bibliotheken und Archive schöpfend, seine Abhandlung über die volkssprachlichen Ovid- Bearbeitungen: Ovidio Metamorphoseos vulgare (1981) Das Buch behandelt anhand verschiedener synchroner Rezeptionsformen den vielschichtigen Paradigmenwechsel von der scholastischen zur humanistischen Textexegese um 1500: Ein Grundlagenwerk für alle, die sich mit der Allegorese des antiken Mythos in Mittelalter und Neuzeit befassen Der 1986 erschienene Sammelband Studien zur antiken Mythologie in der italienischen Renaissance stellte hierzu noch eine sinnvolle komplementäre Ergänzung dar, diente er doch dazu, die theoretische Reflexion über Formen und Funktionen der Ovid-Rezeption anhand kürzerer anschaulicher Fallstudien (z .B über das Mythenverständnis von Dante und Boccaccio, das mythologische Festspiel an den oberitalienischen Höfen oder etwa das mythologische Bildprogramm 1 Bodo Guthmüller, Ovidio Metamorphoseos vulgare, Boppard: Boldt 1981, S 11 DOI 10. 23 57/ Ital-2020 - 0 015 83_Italienisch_Inhalt.indb 118 19.06.20 16: 36 119 Mitteilungen des Manieristen Giulio Romano im Palazzo del Te in Mantua) zu beleuchten, wobei deutlich wurde, dass die Kenntnis der von Guthmüller wiederentdeckten Vermittlertexte für die Auflösung ikonographischer Rätsel und die Entzifferung eigenwilliger Textpassagen in Malerei und Dichtung des 16 Jahrhunderts unverzichtbare Hilfestellungen bieten konnte 1994 übernahm Guthmüller von seinem Mentor August Buck die Leitung des Arbeitskreises für Renaissanceforschung, die mit der Herausgabe der Wolfenbütteler Renaissance-Mitteilungen und der Betreuung der Wolfenbütteler Arbeitsgespräche einherging Aus diesem Kontext erwuchsen in fruchtbarer Zusammenarbeit mit internationalen Renaissancespezialisten verschiedenster Disziplinen einschlägige Publikationen zu den Themen Latein und Nationalsprachen (1998), Renaissancekultur und antike Mythologie (1999), Deutschland und Italien in ihren wechselseitigen Beziehungen (2000), Dialog und Gesprächskultur (2004) oder Künstler und Literat (2007) in der Reihe Wolfenbütteler Abhandlungen zur Renaissanceforschung Allerdings wäre es eine grobe Vereinfachung, Bodo Guthmüller ausschließlich auf die Themen ‘antike Mythologie’ und ‘Renaissancehumanismus’ festlegen zu wollen Er war in der Theaterwelt Goldonis und Gozzis ebenso zu Hause wie im italienischen Neorealismus, was seine zahlreichen Aufsätze aus den 1980er und 1990er Jahren zum frühen Italo Calvino und zu Beppe Fenoglio bezeugen Bodo Guthmüller bleibt uns im Gedächtnis als ein authentischer Philologe im humanistischen Sinn Mit seinen sorgfältigen Recherchen an den Quellen der Gelehrsamkeit förderte er Handschriften, Inkunabeln und seltene Drucke zu Tage, denen bisher noch wenig Beachtung geschenkt worden war, und befragte die Texte in akribischer Feinarbeit auf ihr literarisches Eigenverständnis und ihr Wirkungspotential hin, ohne jemals die großen kulturellen Zusammenhänge aus dem Blick zu verlieren In der Rückschau wirkt sein Lebenswerk überzeugend wie aus einem Guss: Eine Phase führte folgerichtig zur nächsten, wobei die Zauberworte Mythos und Italien wie ein roter Faden in immer neuen Verwandlungen das Ganze durchziehen Heidi Marek 83_Italienisch_Inhalt.indb 119 19.06.20 16: 36
