PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL
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UVK Verlag Tübingen
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GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V.Kompetenzen, Qualifikation und Karriere im Projektmanagement
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Welche Erkenntnisse liefert unsere Umfrage? | Den folgenden Beiträgen liegt eine Umfrage mit einem standardisierten Interview zugrunde, das schriftlich von unseren Interviewpartnerinnen und Interviewpartnern beantwortet wurde. Der Anspruch unserer Umfrage besteht nicht darin, wissenschaftlich gehaltvolle oder gar generalisierbare Aussagen zu gewinnen, vielmehr wollen wir unseren Lesern mit dieser Umfrage Momentaufnahmen, persönliche Einschätzungen, Erfahrungen und Meinungen von Fachleuten verfügbar machen, die seit Jahren in der Praxis stehen und die Themen Kompetenzen, Qualifizierungen sowie Karriere aus ihrer Perspektive heraus gut beurteilen können.
Unsere Umfrageergebnisse sollten nicht verallgemeinert oder zu einem Trend verdichtet werden. Unsere Umfrage, eher als Blitzlicht gestaltet, soll Inspiration und vielleicht sogar die Grundlage für die Entwicklung eigener Ideen sein, eventuell auch Bestätigungen für die eigene Vorgehensweise liefern, in jedem Fall aber zum Nachdenken und zur Diskussion anregen – darin liegt ihr Vorteil und Nutzen.
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19 projektManagement aktuell · 31. Jahrgang · 01/ 2020 DOI 10.2357/ PM-2020-0004 Aus Sicht der Praxis Kompetenzen, Qualifikation und Karriere im Projektmanagement Welche Erkenntnisse liefert unsere Umfrage? | Den folgenden Beiträgen liegt eine Umfrage mit einem standardisierten Interview zugrunde, das schriftlich von unseren Interviewpartnerinnen und Interviewpartnern beantwortet wurde. Der Anspruch unserer Umfrage besteht nicht darin, wissenschaftlich gehaltvolle oder gar generalisierbare Aussagen zu gewinnen, vielmehr wollen wir unseren Lesern mit dieser Umfrage Momentaufnahmen, persönliche Einschätzungen, Erfahrungen und Meinungen von Fachleuten verfügbar machen, die seit Jahren in der Praxis stehen und die Themen Kompetenzen, Qualifizierungen sowie Karriere aus ihrer Perspektive heraus gut beurteilen können. Unsere Umfrageergebnisse sollten nicht verallgemeinert oder zu einem Trend verdichtet werden. Unsere Umfrage, eher als Blitzlicht gestaltet, soll Inspiration und vielleicht sogar die Grundlage für die Entwicklung eigener Ideen sein, eventuell auch Bestätigungen für die eigene Vorgehensweise liefern, in jedem Fall aber zum Nachdenken und zur Diskussion anregen-- darin liegt ihr Vorteil und Nutzen. Kompetenzen für Projektmanager Agiles Projektmanagement fordert neue Kompetenzen. Neben den klassischen Kompetenzen des Projektleiters- - etwa Analysefähigkeit, souveräner Umgang mit Konflikten oder Lösungsorientierung-- werden diese agilen Kompetenzen immer wichtiger. Dazu gehören beispielsweise die starke Orientierung am Kunden-Nutzen oder psychosoziales Wissen über Individuen und soziale Systeme. Diese Erkenntnisse ergeben sich aus unserer Umfrage unter fünf Fachleuten aus Personalentwicklung und Qualifizierung. Demnach spielen allgemeine „Metakompetenzen“ eine immer wichtigere Rolle. Dazu gehören etwa die Fähigkeit, Unsicherheiten auszuhalten, sowie der Mut, neue Dinge auszuprobieren und Scheitern zu akzeptieren. Unsere Fachleute erläutern, welche Kompetenzen Projektmanager ihrer Meinung nach heute haben sollten- - und beziehen Stellung zu der Frage, in welchem Verhältnis klassische PM-Kompetenzen zu agilen PM-Kompetenzen stehen. Auch über die Kompetenzen von Berufseinsteigern oder Hochschulabsolventen für den Beruf Projektmanager geben sie Auskunft. Welche Projektmanager-Kompetenzen sind aus Ihrer Sicht erforderlich? Elke Wörner (Deutsche Bahn AG): Als Kompetenzen sehe ich: Flexibilität sowie die Fähigkeit, Unsicherheiten aushalten zu können, sowie den Mut, neue Dinge auszuprobieren, Scheitern zu akzeptieren. Wichtig sind auch eine stärkere Orientierung am Kunden-Nutzen, der Ergebnisorientierung und Teamfähigkeit . Bei Berufseinsteigern oder Hochschulabsolventen sind wünschenswert: ein Grundverständnis des Projektmanagements sowie erste projekthafte Arbeiten. Linda Kolb (SWM Stadtwerke München): Neben den methodischen und fachlichen Kompetenzen halten wir insbesondere Flexibilität, Kreativität, Analysefähigkeit, Kundenorientierung, Kommunikations-, Konflikt- und Teamfähigkeit für relevant. Gudrun Feyerabend (Akademie im Bildungswerk der Baden-Württembergischen Wirtschaft e. V.): Die Gelassenheit im Umgang mit Unklarheiten (Ambiguitätstoleranz) ist inzwischen eine Kerntugend und nicht nur eine Floskel. Psychosoziales Wissen: wie ticken Individuen und soziale Systeme, wie lassen sie sich positiv beeinflussen. Und dann Demut, Respekt, auch gute Manieren. Somit kann man sich Reportage Kompetenzen, Qualifikation und Karriere im Projektmanagement DOI 10.2357/ PM-2020-0004 31. Jahrgang · 01/ 2020 PM_aktuell_01_2020.indb 19 PM_aktuell_01_2020.indb 19 20.02.2020 10: 37: 57 20.02.2020 10: 37: 57 Reportage | Kompetenzen, Qualifikation und Karriere im Projektmanagement 20 projektManagement aktuell · 31. Jahrgang · 01/ 2020 DOI 10.2357/ PM-2020-0004 nur auf eine rein methodisch ausgerichtete Qualifizierung nicht mehr verlassen. Alice Dempel (Integrata Cegos): Geforderte Kompetenzen für Projektmanager und Mitarbeiter aus unserer Sicht sind: Methodenkompetenz, agile Vorgehensweisen, Offenheit für Veränderungen, Freude an der Teamarbeit und gleichzeitig ein hoher Grad an Selbstorganisation, Akzeptanz von Diversität im Team als Bereicherung, ausgeprägte Werte-, Kunden- und Teammitgliederorientierung, positive Fehlerkultur und Orientierung an kontinuierlicher Verbesserung, Durchhaltevermögen, hohe Produktivität und Lösungskompetenz auch in schwierigen Situationen, transparente Kommunikation, ständige Bereitschaft zur Weitergabe von Wissen und Erfahrungen. Projektmanager brauchen zusätzlich die Fähigkeit zum Dialog auf Augenhöhe mit Auftraggebern und Führungskräften. Welche Projektmanagementkompetenzen sollten Berufseinsteiger oder Hochschulabsolventen aus Ihrer Sicht heute mitbringen? Marina Zöfeld und René Binnewerg (Freie und Hansestadt Hamburg): Sehr hilfreich ist das Wissen über grundlegende Begriffe und Prozesse im Rahmen von Produktentwicklung und Projektmanagement. Besonders wichtig ist außerdem die Fähigkeit sich selbst zu organisieren. Wir würden uns auch wünschen, dass Berufseinsteiger und vor allem Hochschulabsolventen eine gewisse Demut in die ersten Projekte mitbringen; Theorie und Praxis sind ab und zu zwei verschiedene Dinge. Linda Kolb (SWM Stadtwerke München): Bei Berufseinsteigern oder Hochschulabsolventen sind Grundlagenkenntnisse im Projektmanagement von Vorteil. Unternehmensspezifika können gut auf dem Basiswissen aufbauen. Welche Rollen spielen in der Ausbildung das „klassische“ und das agile Projektmanagement? Marina Zöfeld und René Binnewerg (Freie und Hansestadt Hamburg): Wir sehen ganz allgemein derzeit zwei bestehende Wege in der Projektmanagement-Ausbildung. Zum einen die klassische Ausbildung nach IPMA oder PMI und dazu eine agile Zusatzausbildung als SCRUM Master oder Product Owner. Die Alternative ist eine rein agile Ausbildung. In diesem Fall besteht dann häufig gar kein Interesse mehr an einer klassischen Zusatzausbildung. Inwiefern dies zu besseren Projektergebnissen oder Produkten führt, wird die Zukunft zeigen. Linda Kolb (SWM Stadtwerke München): Beides hat seine Berechtigung, da das vielfältige Projektportfolio in unserem Unternehmen die ganze Bandbreite klassisch, hybrid und agil braucht. Gudrun Feyerabend (Akademie im Bildungswerk der Baden-Württembergischen Wirtschaft e. V.): Das Gewicht liegt immer noch tendenziell bei den „klassischen“ Ansätzen. Das ist sozusagen das Pflichtprogramm; agile Ansätze laufen im Kür-Programm. Mein Eindruck ist: Teilnehmer mit einer soliden Grundausbildung in den klassischen Ansätzen erlernen die agilen Methoden „on the job“. Sie schauen sich vieles von Kollegen ab oder lesen sich die Ansätze an. Einigkeit besteht darüber, dass es hilfreich ist, die gesamte methodische Klaviatur-- also klassisch und agil-- zu beherrschen, um sie kontextbezogen einzusetzen. Darum finden Sie beim Bildungswerk nur Angebote, die beide Ansätze vermitteln. Wir legen Wert darauf, diese Kompetenzen zu entwickeln; so können Projektmanager situativ entscheiden, welches Vorgehen für die Aufgabenstellung sinnvoll ist. So funktioniert heute die Ausbildung im Projektmanagement Es bleibt immer weniger Zeit, Projektmanager auszubilden. Deshalb ziehen Unternehmen und andere Organisationen alle didaktischen Register bei der Qualifizierung. Wir haben fünf Fachleute aus Personalentwicklung und Qualifizierung befragt-- und sie geben Einblick in ihre Praxis. Demnach ergänzen digitale Elemente den klassischen Präsenzlehrgang. „PM Werkstätten“ werden gegründet, um Themen wie Agilität, Fehlerkultur und Führungsverständnis tiefgreifend zu verankern. Coaching sowie modulares, arbeitsplatznahes Lernen sind offenbar verbreitet. Wie die Fachleute die Ausbildung sehen: effizient, nachhaltig und digital-- dazu geben sie Einschätzungen, Erfahrungen und Praxishinweise. Wie organisieren Sie die Ausbildung effizient und wirksam? Elke Wörner (Deutsche Bahn AG): Bei allen Seminaren sind der Praxisbezug und der Transfer in das eigene Arbeitsleben die wichtigsten Elemente. Häufig wird mit eigenen Projekten der Teilnehmer gearbeitet. Trainer agieren eher als Lernbegleiter, die die Teilnehmer auf ihrem Weg zu selbstorganisiertem Lernen begleiten. Die Teilnehmer sind stärker in den eigenen Lernprozess eingebunden und profitieren vom Wissen untereinander. Für den Praxistransfer bieten wir im Nachgang zu einigen Seminaren Coaching-Einheiten an. Linda Kolb (SWM Stadtwerke München): Die Trainings haben wir in den letzten Jahren in kleinere Module umgebaut, die sich die Projektleiter aufbauend auf das Grundlagentraining selbst zusammenstellen können. Bei der Vermittlung agiler Kompetenzen und dem agilen Mindset kommen ganz Linda Kolb SWM Stadtwerke München, Personalentwicklerin Elke Wörner Deutsche Bahn AG, Senior Produkt-/ Projektmanagerin bei DB Training, Learning & Consulting PM_aktuell_01_2020.indb 20 PM_aktuell_01_2020.indb 20 20.02.2020 10: 37: 58 20.02.2020 10: 37: 58 Reportage | Kompetenzen, Qualifikation und Karriere im Projektmanagement 21 projektManagement aktuell · 31. Jahrgang · 01/ 2020 DOI 10.2357/ PM-2020-0004 neue, auch spielerische Elemente zum Einsatz. Ein wichtiges Element in der klassischen PM Ausbildung ist die Bearbeitung realer Projekte, mit denen sich die Teilnehmer auch identifizieren können. Beispielsweise ist unser Einstiegstraining „PM Methoden“ auf zwei Tage plus ein Tag Follow-up aufgeteilt. Wenige Wochen nach dem Training steht der Trainer der Teilnehmergruppe zur Vertiefung, Reflexion und zum gegenseitigen Austausch zur Verfügung. Die weiterführenden Trainings-- klassisch oder agil-- sind vom zeitlichen Umfang her gut in den Projektalltag integrierbar. Zum Beispiel haben wir für die Zielgruppe Projektleiter ein neues Format etabliert: die PM Werkstatt. Sie ermöglicht den Projektleitern, Projektmanagement aus unterschiedlichen Blickwinkel zu betrachten und zu diskutieren. Das sind beispielsweise Themen wie Agilität, Fehlerkultur oder Führungsverständnis. Methodisch variieren wir die Veranstaltung. So versuchen wir, die Ideenvielfalt, den Wissensaustausch, die Inspiration und Vernetzung zu fördern. Gudrun Feyerabend- (Akademie im Bildungswerk der- Baden-Württembergischen Wirtschaft e. V.): Wir erklären keine Begriffe und Methoden. Wir reflektieren in den Qualifizierungen die Wirksamkeit in der Anwendung. Wie ein Gantt Chart aufgebaut wird-- dies kann man sich selbst anlesen, notfalls im Training googeln. Das gleiche gilt für Kanban, Scrum und Ähnliches. Die Krux liegt ja in der Anwendung. Genau das wird besprochen und ausprobiert. Deshalb haben die meisten Trainings einen Workshop-Charakter mit starken Anteilen an kollegialer Beratung. Dies erhöht die Sicherheit in der Anwendung. Alice Dempel (Integrata Cegos): Wir bieten neben reinen Präsenztrainings unter anderem Blended-Trainings. Das sind Präsenztrainings, die um digitale Elemente erweitert sind. Sie ermöglichen vor, während und nach dem Training eine besonders hohe und nachhaltige Transfersicherung in das Arbeitsumfeld der Teilnehmer. Auch haben wir personalisierbare, rein digitale Lernpfade mit „human interaction“. Beispiele dafür sind Themen wie Führung im Projektmanagement, effektive Teams und Zusammenarbeit. Marina Zöfeld und René Binnewerg (Freie und Hansestadt Hamburg): In unserem Bereich bilden wir klassische Projektleitungen sowie agile Scrum Master und Product Owner gemeinsam aus. Alle bekommen in den ersten Jahren beide Ausbildungen angeboten. Ziel ist es, das gegenseitige Verständnis maximal zu fördern, indem miteinander gelernt und gearbeitet wird. In den Projekten arbeiten immer Tandems zusammen, je eine klassische Projektleitung in Kombination mit einer agilen Produktentwicklung. Wir leben hybrides Arbeiten. Wir teilen sogar die Führung, um möglichst viele Facetten abzubilden. So leiten wir gemeinsam und gleichberechtigt das Digitale Labor. Diese Konstellation und dieses Konzept sind für uns das Vorbild für klassisches und agiles Arbeiten in Projekten; wir führen das Beste aus beiden Welten zusammen. Der Praxistransfer wird bei uns dadurch gefördert, dass alle Mitarbeitenden in jeder Rolle die jeweiligen Ideen, Vorschläge und Wissen ausprobieren dürfen. Wir halten nur am äußeren Rahmen und unseren Leitplanken fest. Innerhalb dieses großen Spielraums können sich alle verwirklichen. Feedback-Runden, gemeinsame Events und Retrospektiven sind für alle Projekte und Linientätigkeiten obligatorisch. Welche Chancen bringt die Digitalisierung der Weiterbildung für die Projektmanagement- Ausbildung? Elke Wörner (Deutsche Bahn AG): Die Digitalisierung bietet die Chance, dass wir bestehende Formate durch Anteile von E-Learning anreichern können. Damit sorgen wir für einen nachhaltigeren Lernerfolg. Wir rechnen damit, dass zukünftig die Nachfrage insbesondere nach arbeitsplatznahem Lernen- - Performance Support- - steigt. Aktuell machen wir die Erfahrung, dass Präsenztraining von Teilnehmern nach wie vor bevorzugt wird. Der Austausch und das Netzwerken sind hier ein großer Pluspunkt für die Teilnehmer. Gudrun Feyerabend- (Akademie im Bildungswerk der- Baden-Württembergischen Wirtschaft e. V.): Die Wissensvermittlung kann stärker individualisiert werden; dies spart Zeit und Frust. Die Eigenverantwortung der Lernenden kann tatsächlich respektiert werden. Jeder eignet sich im eigenen Rhythmus das Hintergrundwissen zu Methoden und Vorgehen an. Und damit gewinnen wir Zeit und Energie für die schwierigen Hürden auf dem Weg zum Können: etwa Sicherheit in den Entscheidungen, welche Ansätze gerade sinnvoll sind und wie sie in konkreten Fallbeispielen angewendet werden. Oder wie man für psychosoziale Stabilität sorgen kann und wie Stakeholder wirksam werden. Alice Dempel (Integrata Cegos): Wir haben beispielsweise Triggervideos als Teaser für ein Thema, Wissenstests, Erwartungsabfragen, Webinare und Videos. Zudem setzen wir etwa auf Fachartikel, E-Books oder interaktive Kurzzusammenfassungen. Fokusmodule stellen einzelne Methoden vor und ermöglichen interaktives Einüben in Gesprächssimulationen. Marina Zöfeld und René Binnewerg (Freie und Hansestadt Hamburg): Den einen oder anderen Ausbildungsinhalt kann man sicher digital oder mit E-Learning abbilden. Auch Prüfungen sind sicher anders und effizienter gestaltbar. Ganz allgemein bin ich aber ein Verfechter von „klassischer Weiterbildung“. Dazu gehört der persönliche Austausch, das praktische und händische Üben von Methoden und die Nutzung aller Sinne. Qualifizierung im agilen Projektmanagement Agiles Projektmanagement ist ein wichtiger Trend-- doch kein Ersatz für klassisches Projektmanagement. Dies gilt auch für Qualifizierung; klassisches und agiles Projektmanagement werden miteinander verzahnt. Über solche Ansätze berichten vier Fachleute aus Personalentwicklung und Qualifizierung. Wir wollten mehr über die Herausforderungen wissen, die mit der Qualifizierung von Personal für agiles Projektmanagement verbunden sind. Eine Erkenntnis: Bei der Ausbildung für Gudrun Feyerabend Akademie im Bildungswerk der Baden-Württembergischen Wirtschaft e. V., Beratung Unternehmenskunden PM_aktuell_01_2020.indb 21 PM_aktuell_01_2020.indb 21 20.02.2020 10: 37: 59 20.02.2020 10: 37: 59 Reportage | Kompetenzen, Qualifikation und Karriere im Projektmanagement 22 projektManagement aktuell · 31. Jahrgang · 01/ 2020 DOI 10.2357/ PM-2020-0004 Rollen im agilen Projektmanagement geht es nicht um Methoden, sondern um eine Veränderung des Mindsets. Welche Herausforderungen bringt derzeit die Qualifizierung von Personal für agiles Projektmanagement mit sich? Linda Kolb (SWM Stadtwerke München): Agil ist in aller Munde. Dies befeuert die Nachfrage. Das heißt: Das Trainingsangebot musste sich zügig bedarfsorientiert anpassen, sowohl qualitativ als auch quantitativ. Wichtig dabei ist, die Heterogenität unseres Unternehmens nicht aus den Augen zu verlieren. Agil ausbilden, ja- - aber ohne die klassischen Methoden zu vernachlässigen. Es geht darum, das Bewusstsein zu schaffen, welche Methoden in welchem Kontext zielführend sind. Eine Vorbedingung ist: Jeder einzelne erkennt, wie weit das für agiles Arbeiten notwendige Mindset- - etwa die Ausrichtung am Kunden, Transparenz, Vertrauen- - ausgeprägt ist im jeweiligen Unternehmens- und Wirkungsbereich. Die Qualifizierung für agiles Projektmanagement ist ein Mosaiksteinchen in einem größeren kulturellen Transformationsprozess. Dies bedeutet unter anderem für die Führungskräfte, mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern den Qualifizierungsbedarf zu ermitteln und ein zielorientiertes, in den Projektalltag integrierbares Trainingspaket zu schnüren. Alice Dempel (Integrata Cegos): Die Beratungsintensität ist hoch angesichts unterschiedlicher Voraussetzungen und Ziele der Teilnehmer. Hinzu kommt die fast zu große Angebotsvielfalt, vor allem bei den Zertifizierungsoptionen. Besonders im Zusammenhang mit Zertifizierungen gibt es einen teilweise sehr hohen wirtschaftlichen und administrativen Aufwand in der obligatorischen Zusammenarbeit mit Akkreditierungs- und Zertifizierungsorganisationen. Da geht es auch um enge und aufwendige Vorgaben durch Monopolsituation von diesen Organisationen. Und: Bei aktuell besonders gefragten Themen besteht ein Trainerengpass. Marina Zöfeld und René Binnewerg (Freie und Hansestadt Hamburg): Die uns bekannten Qualifizierungen im agilen Bereich sind maximal theoretisch. Selbst die Trainer und Coaches, so vorhanden, haben häufig auch keine langjährigen Erfahrungen in agiler Methodik. Dies stellt das Personal daher vor Herausforderungen, das theoretische Wissen in der Praxis effizient einzusetzen. Zudem können heute die wenigsten aufgrund ihrer bisherigen praktischen Erfahrung im agilen Projektmanagement ihr Handeln bewerten und optimieren. Welche Erwartungen richten angehende agile Projektmanager an die Qualifizierung? Welche Erwartungen haben Mitarbeiter mit einer agilen Rolle im Projektmanagement sowie die Arbeitgeber? Linda Kolb (SWM Stadtwerke München): Im Projektgeschäft ist die Zeit immer knapp. Das Trainingsangebot muss dies berücksichtigen. Sinnvoll ist ein modularer Ansatz mit regelmäßigen Trainingsterminen und der Möglichkeit, sich sein Ausbildungspaket individuell zusammenzustellen. Gudrun Feyerabend- (Akademie im Bildungswerk der- Baden-Württembergischen Wirtschaft e. V.): Es geht häufig nicht mehr-- oder nicht nur-- um die Vermittlung von Grundwissen in agilen Methoden. Es geht vor allem um Kompetenzen, die kulturprägend wirken und das „agile Mindset“ fördern sollen. Beispielsweise: Wie fördere ich die Übernahme von Verantwortung? Wie sorge ich für Verbindlichkeit? Wie organisiere ich Dialog und Diskussion? Wie laufen Entscheidungsprozesse jenseits von Hierarchie? Wie beeinflusse ich die Projektdynamik? Alice Dempel (Integrata Cegos): Die Erwartungen sind vergleichbar mit denen bei anderen Qualifizierungen. Es geht also um Vermittlung von Wissen (state of the art) in kurzer Zeit, so kostengünstig wie möglich, individuell bedarfsgerecht, direkt und möglichst messbar und umsetzbar in der täglichen Arbeitspraxis und um wertvolle Tipps und Tricks aus der Erfahrung der Trainer sowie Erfahrungsaustausch mit anderen Teilnehmern. Welche Bedeutung hat das unternehmerische Denken im Projektmanagement? Wie kann man diese Haltung fördern? Linda Kolb (SWM Stadtwerke München): Wichtig ist, mehr Kompetenzen einschließlich konkreter Handlungsvollmachten auf die Projektleiter zu übertragen. Das unternehmerische Verantwortungsgefühl wird zudem unterstützt durch Wertschätzung und Sichtbarkeit der Leistung sowie durch die Vernetzung innerhalb des Konzerns. Gudrun Feyerabend- (Akademie im Bildungswerk der- Baden-Württembergischen Wirtschaft e. V.): Das unternehmerische Handeln hat eigentlich die gleiche Bedeutung wie bisher: Ein Projektleiter, der die unternehmerischen Ziele nicht kennt und seine Maßnahmen nicht darauf ausrichtet, scheiterte meist auch bisher. Die agilen Ansätze setzen jedoch unternehmerisches Verhalten bei allen Projektbeteiligten voraus, da die Verantwortung mitdelegiert wird. Und somit braucht man viel Transparenz- - als Basis für das Mitdenken. Alice Dempel (Integrata Cegos): Bei Inhouse-Qualifizierungen kann die Haltung des Projektmanagers als Unternehmer zusätzlich gefördert werden, indem beispielsweise ein Mitglied der Geschäftsführung in das Training integriert wird. Das stellt die Awareness des Projekts für das Unternehmen klar und verdeutlicht die Auswirkungen bei Missachtung unternehmerischer Grundsätze. Marina Zöfeld und René Binnewerg (Freie und Hansestadt Hamburg): Die Bedeutung unternehmerischen Handelns nimmt auch bei der öffentlichen Hand zu. Es reicht heutzutage nicht mehr aus „in scope“, „in time“ und „in budget“ zu sein. Vielmehr muss sich der öffentliche Dienst als Unternehmen gegen die Konkurrenz aus der privaten Wirtschaft beweisen. Die Freie und Hansestadt Hamburg sowie der Landesbetrieb „Straßen, Brücken und Gewässer“ haben dabei die Weichen gestellt. Neben dem Verständnis, ein Kon- Alice Dempel Integrata Cegos, Produktmanagerin PM_aktuell_01_2020.indb 22 PM_aktuell_01_2020.indb 22 20.02.2020 10: 37: 59 20.02.2020 10: 37: 59 Reportage | Kompetenzen, Qualifikation und Karriere im Projektmanagement 23 projektManagement aktuell · 31. Jahrgang · 01/ 2020 DOI 10.2357/ PM-2020-0004 zern mit entsprechender Buchführung zu sein, wurde auch der IPMA Standard verpflichtend für alle IT-Projekte eingeführt. Für alle anderen Projekte gilt die verstärkte Empfehlung, diesen Standard zu nutzen. Seit diesem Jahr ist auch die agile Methode für Produktentwicklung zugelassen und für Soft- und Hardwareentwicklung vorgesehen. Diese Haltung wird gefördert durch Prozessvorgaben; in Hamburg ist dies sogar eine Verwaltungsvorschrift! Hinzu kommt das Einsetzen unter anderem von Chief Digital Officers (CDOs), die für die Planung und Steuerung der Digitalen Transformation verantwortlich sind. Die Prozesse und Rollen haben unter anderem das Ziel, diese unternehmerische Haltung zu fördern. Karriere im Projektmanagement Eigene Karrierepfade für Projektmanager sind wünschenswert. Wer sie etablieren will, hat aber möglicherweise mit Hindernissen zu kämpfen, etwa hartnäckigen Strukturen, rechtlichen Einschränkungen oder einer gewachsenen Kultur. Dies zeigt sich an den Statements von drei Fachleuten, die wir zu Karriereoptionen und Erwartungen von Projektmanagern befragt haben. Auch wollten wir wissen, wie Unternehmen und andere Organisationen die Karriere für Projektmanager attraktiv machen. Für den PM-Nachwuchs aus der Generation Y zählen beispielsweise Gestaltungsspielraum und Work-Life- Balance. Wie machen Sie die Karriere im Projektmanagement attraktiv-- im Vergleich etwa zur Linienkarriere? Linda Kolb (SWM Stadtwerke München): Im Rahmen unseres Talentmanagements ist geplant, neben der Förderung von Führungskarrieren gleichwertige Projektrollen und Expertenrollen zu etablieren. Daran gekoppelt sein werden entsprechende Entwicklungsmaßnahmen sowie entsprechende Projekterfahrung. Marina Zöfeld und René Binnewerg (Freie und Hansestadt Hamburg): Da im öffentlichen Dienst durch den gültigen Tarifvertrag die Gestaltung eines Arbeitsplatzes im organisatorischen und finanziellen Sinne sehr eingeschränkt ist, gibt es für uns drei erfolgsversprechende Ansätze. Wichtigstes Kriterium sind sinnstiftende Projekte mit Auswirkung auf und Relevanz für die Bürgerinnen und Bürger sowie die Infrastruktur, in unserem Fall in der Stadt Hamburg. Zweitwichtigstes Attraktivitätsargument ist die Möglichkeit, in innovativen und flexiblen Teams zu arbeiten und selbst viel Gestaltungsmöglichkeiten zu haben. Und drittens sind natürlich die Möglichkeiten zur persönlichen Weiterbildung und Entwicklung im Projektmanagement teilweise besser als in der Linie. Welche Hindernisse gibt es für die Verbesserung der Karrierepfade für Projektmanager oder Mitarbeiter mit einer agilen Projektmanagementrolle? Linda Kolb (SWM Stadtwerke München): Hinderlich dürfte das Loslösen von Linienaufgaben und Herauslösen aus hierarchischen Strukturen sein. Die über viele Jahrzehnte gewachsene Kultur und Struktur von Unternehmen fokussiert auf Führungskarrieren. Sie tut sich noch schwer mit den Rahmenbedingungen, die agiles Projektmanagement braucht. Alice Dempel (Integrata Cegos): Im Unternehmen gibt es eine eigene Abteilung „MTS (Managed Training Services) + International Projects“ direkt unterhalb der Geschäftsführung, die für die Abwicklung von Kundenprojekten zuständig ist. Innerhalb dieser Abteilung sind verschiedene Karriereoptionen möglich. Welche Rolle spielen die besonderen Erwartungen der „Generation Y“ hinsichtlich der Gestaltung von Projektmanagementkarrieren? Linda Kolb (SWM Stadtwerke München): Diese Generation zeichnet ein stärkerer Wunsch nach Flexibilität, Gestaltungsspielraum und Durchlässigkeit von Karrierepfaden aus. Beispielsweise könnte ein temporärer Wechsel der Rollen in (agilen) Projekten interessant sein-- oder der Wechsel in eine fachliche Führung auf Zeit, etwa vom SCRUM Master zum Product Owner. Alice Dempel (Integrata Cegos): Wenn man den durchaus unterschiedlichen Charakterisierungen der „Generation -Y“ Glauben schenkt, ist eines ihrer hervorstechenden Merkmale die Ausrichtung auf eine Work-Life-Balance. Bezogen auf Projektmanagement heißt das: „Generation Y“-Mitglieder sind aufgrund ihres meist hohen Bildungsabschlusses und ihrer Erfahrung im Umgang mit unsicheren Lebenssituationen ideal geeignet für eine Projektmanagementkarriere. Sie bringen sich dort aktiv ein und erwarten eine entsprechende Honorierung. Ein Unternehmen, das die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben durch klare Regelungen ermöglicht und tatsächlich umsetzt, hat einen eindeutigen Wettbewerbsvorteil, wenn es darum geht, Personen der „Generation Y“ für seine Karriereoptionen im Bereich Projektmanagement zu gewinnen und an sich zu binden. Eingangsabbildung: © iStock.com/ piranka Marina Zöfeld und René Binnewerg Freie und Hansestadt Hamburg, Landesbetrieb Straßen, Brücken und Gewässer, Programmleitung Georeferenzierte Projekte (GeoPro) PM_aktuell_01_2020.indb 23 PM_aktuell_01_2020.indb 23 20.02.2020 10: 37: 59 20.02.2020 10: 37: 59