eJournals Vox Romanica 77/1

Vox Romanica
vox
0042-899X
2941-0916
Francke Verlag Tübingen
10.2357/VOX-2018-015
Es handelt sich um einen Open-Access-Artikel, der unter den Bedingungen der Lizenz CC by 4.0 veröffentlicht wurde.http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/121
2018
771 Kristol De Stefani

Johannes Funk, Sprachkritik und Lexikographie. Eine vergleichende Untersuchung französischer und spanischer Wörterbücher mit dem Schwerpunkt auf den Akademiewörterbüchern, Heidelberg (Universitätsverlag Winter) 2017, ii + 220 p. (Studia Romanica 207)

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2018
Sonja  Schwedler-Stänglhttps://orcid.org/https://orcid.org/0000-0002-5190-147X
vox7710271
271 Besprechungen - Comptes rendus Vox Romanica 77 (2018): 271-282 DOI 10.2357/ VOX-2018-015 futur non temporel de l’italien comme une variante diachroniquement plus avancée par rapport au futur épistémique du français» (320). Tatsächlich hat das italienische Futur Funktionen wie der Ausdruck des Konzessiven, die es im Französischen nicht hat. Schliesslich untersucht G. J. Barceló das Futur im Okzitanischen (323-36). Dort verhält es sich meistens so, wie in der Sprache mit der die langue d’oc im engsten Kontakt steht, dem Französischen. Alle Beiträge zusammen zeigen die Vielfalt der Funktionen des Futurs in den romanischen Sprachen. Dabei sind gewisse Überschneidungen und Wiederholungen natürlich nicht zu vermeiden. Nach jedem Beitrag findet sich außerdem eine Bibliographie für Leserinnen und Leser, die sich mit einem der behandelten Aspekte vertieft auseinandersetzen wollen. Andreas Schor https: / / orcid.org/ 0000-0003-0380-5616 ★ Johannes Funk, Sprachkritik und Lexikographie. Eine vergleichende Untersuchung französischer und spanischer Wörterbücher mit dem Schwerpunkt auf den Akademiewörterbüchern, Heidelberg (Universitätsverlag Winter) 2017, ii + 220 p. (Studia Romanica 207) Die vorliegende Arbeit Sprachkritik und Lexikographie entspricht, in geringfügig veränderter Form, der 2016 eingereichten Dissertation des Autors, welche im Rahmen des Projekts «Europäische Sprachkritik Online» (ESO) der Universität Heidelberg unter der Betreuung von Sybille Große entstand (7). Ausschlaggebend für Funks Fragestellung ist das Spannungsverhältnis zwischen der einflussreichen Stellung von Wörterbüchern einerseits und dem sprachbewertenden Urteil, das von ihrem Diskurs, aber auch von ihrem Erstellungsprozess ausgehen kann. Dass weder Wörterbuchbenutzer noch -autoren solche «mitgelieferten» Werturteile bewusst wahrnehmen müssen, ändert für Funk nichts am grundsätzlichen Wirkpotential und insofern stellt sich ihm die Frage, wie Wörterbuchautoren als Sprachkritiker konkret agieren, um die Sprecherwahrnehmung innerhalb der Dichotomie richtig vs. falsch zu lenken. Dazu untersucht das Buch allgemeinsprachliche spanische und französische Wörterbücher insbesondere der Akademien. Die Hispano- und die Frankophonie scheinen für eine Fallstudie prädestiniert, da hier sowohl die traditionell gefestigte Autorität von Sprachpflege-Institutionen als auch das öffentliche Interesse an sprachlichen Debatten besonders ausgeprägt sind. Funk stellt seine Betrachtungen aus zwei quasi entgegengesetzten Blickwinkeln an, indem er die Diskursanalyse innerhalb der WB 1 (87-148) mit Untersuchungen zu den Gegebenheiten ihrer Erstellung (148-222) kombiniert. Schließlich gelangt er zu der Behauptung, dass alle WB in gewisser Hinsicht sprachkritisch seien, wobei dies dahingehend differenziert werden müsse, dass sprachkritische Wertung ein Kontinuum darstelle und es gleichzeitig unmöglich sei, jegliche Subjektivität auszuschließen (229). Um zu untersuchen, «inwiefern dem Benutzer durch die Wörterbuchautoren und besonders durch die Akademien für das Französische und Spanische ein bereits bewerteter und wertender Ausschnitt aus der Sprachwirklichkeit vorgelegt wird und woran dies festgemacht werden 1 Abkürzungsverzeichnis am Ende des Beitrags. 271 282 015 272 Besprechungen - Comptes rendus Vox Romanica 77 (2018): 271-282 DOI 10.8357/ VOX-2018-015 kann» (19), führt Funk den aus der Germanistik übernommenen Begriff der Sprachkritik als geeignetes Instrument ein. Er begründet dies mit der Implikation linguistischer und laienlinguistischer Akteure sowie mit dem Schwerpunkt auf dem wertenden Element, welche dem Konzept eigen seien. Sprachkritik lasse demnach die gesellschaftspolitische Dimension von Sprachreflexion stärker hervortreten als Sprachlenkung oder Sprachpflege, die eher auf allgemeine und diachrone Aspekte von Normierungsprozessen verwiesen (30). Funk geht es aber gerade um die konkrete Manifestation von wertender Sprachreflexion bzw. Sprachkritik wie sie explizit und implizit durch lexikographische Referenzwerke transportiert wird. Laut Definition der Forschergruppe ESO ist Sprachkritik als «Praxis wertender Sprachreflexion» (35) zu verstehen, die in … veröffentlichte[n] oder öffentlich zugängliche[n] Äußerungen, in denen Sprecherinnen oder Sprecher - explizit oder implizit - eine bestimmte Spracheinstellung oder ein bestimmtes Sprachverhalten als angemessene oder unangemessene Norm festsetzen bzw. durchzusetzen versuchen … (35) zum Ausdruck kommt. In ihrer Theoriebildung zur Sprachreflexion nimmt die Romanistik u. a. Bezug auf H. Kloss und damit auf die Unterscheidung zwischen interner bzw. einzelsprachlicher und externer bzw. auf den Sprachstatus bezogener Einflussnahme, wodurch gleichzeitig eine Zuordnung der Akteure hinsichtlich ihrer sprachlichen Kompetenz stattfindet. Der Versuch, «die ganze Spannweite linguistischer und laienlinguistischer Sprachreflexion zu erfassen» (23) ist nach Funks Einschätzung in romanistischen Arbeiten bisher nur selten gemacht worden 2 . Inhaltlich scheint z. B. Lebsanft 1997 der o. g. Definition von Sprachkritik nahe zu kommen, jedoch verwendet er die Termini Sprachbewertung und Sprachpflege, worin er Dieckmann 1980 entspricht, der das Wort Sprachkritik wegen der «notorischen, semantischen Überbelastung» vermeidet (31). In Deutschland ist der Begriff im Zuge einer Debatte entstanden, die in den 1950er Jahren zwischen dem Germanisten P. von Polenz und einigen Schriftstellern - die sich gegen «vergiftete Wörter» und die Trennung von langue und parole wehrten - ausgetragen wurde. Inhärent geblieben sei dem heutigen Verständnis von Sprachkritik neben der o. g. Bandbreite der Akteure v. a. ein häufig moralisch-ethischer Ausgangspunkt (32-33). Sprachkritische Textsorten sind laut Funk wie normative Textsorten solche, die Norm beschreiben und/ oder bewerten, wobei sprachkritisch stärker auf das wertende Moment verweise als normativ (36-37). Er geht davon aus, dass in diesem Zusammenhang die Normauffassung von WB-Autoren noch nicht genügend berücksichtigt worden sei 3 , ebenso wie die Nachdrück- 2 Zurecht zählt Funk hierzu nicht Gauger 1995 (Kap. 3, 29-61), da dort das Thema Sprachkritik nicht aus (einzelsprachlich-)romanistischer Sicht behandelt wird. Einige romanistische Beiträge, die auch terminologisch Funks Sprachkritik verwenden, nennt er allerdings ebensowenig (cf. dazu die Schlussbemerkungen dieser Besprechung). Auf Gauger 1995 verweist Funk im Zusammenhang mit der Systematisierung verschiedener Formen von Sprachkritik nach ihrer Ausrichtung (philosophisch, moralisch, literarisch, phonologisch usw.), zusammen mit von Polenz’ Klassifizierung nach Bezugsbereichen (Sprachverwendung, Sprachkompetenz, Sprachsystem usw.) (36 N28). 3 Funk zitiert Grosse 2017: 53: «avant de s’imposer comme norme implicite et d’être reconnue comme norme (explicite), l’élaboration d’une norme s’annonce souvent d’abord par des commentaires 273 Besprechungen - Comptes rendus Vox Romanica 77 (2018): 271-282 DOI 10.2357/ VOX-2018-015 lichkeit und Ausgestaltung des normativen Diskurses (38-39). Die Einordnung von WB als deskriptive oder präskriptive Vertreter der Textsorte macht er ferner von der Prämisse abhängig, dass rein deskriptive WB aufgrund einer stets vorhandenen Perspektivität 4 nicht realisierbar seien, u. a. aufgrund der nicht gänzlich objektivierbaren Gewinnung sprachlicher Daten (42). Laut Gardt 2002: 39-58 ist es zulässig, ab einem bestimmten Punkt von Objektivität zu sprechen, wenn man von einem Kontinuum zwischen Sprachkritik und Sprachwissenschaft ausgehe (43). Indirekt normierend wirkt sich Funk zufolge außerdem die leserseitige Erwartungshaltung bzw. Unterordnung gegenüber dem WB aus sowie das Prestige der Herausgeber («Normativität deskriptiver Wörterbücher» 5 ) (41). Funks Untersuchung der «Schnittmenge von Lexikographie und Sprachkritik» (44) stellt nun aber die WB-Autoren (Linguisten oder Laien 6 ) und deren metasprachlich wertende Aussagen in den Mittelpunkt. Wörterbücher nennt er «Akteure im weitesten Sinne», die nicht nur als wichtigstes Mittel der Akademien zur Verbreitung sprachkritischer Ansichten, sondern «auch als Verweisinstanzen für wiederum andere sprachkritische Akteure fungieren» (49-50). Dass Wörterbücher mitunter sprachkritische Beurteilungen enthalten, zeigt laut Funk bereits ein prüfender Blick in den DAF oder andere Referenzwerke und wird anhand der Diskursanalyse (87-148) weiter konkretisiert. Die Tatsache jedoch, dass das bei der WB-Erstellung gefallene Urteil über aufzunehmende oder zu verwerfende Elemente nicht allein über die Darstellung im WB nachvollziehbar ist, macht für ihn die Berücksichtigung der WB-Arbeit (148-213) ebenso relevant. Ein Zitat von A. Rey erläutert, warum Selektion eine Form von verdeckt präskriptivem Verhalten sein kann (51 N57): En effet, le ton du dictionnaire, sa rhétorique prescriptive ou évaluatrice, doit être soigneusement distingué de la construction du modèle normatif. Tel lexicographe peut condamner avec vigueur certains écarts, mais tolérer plus de variations que tel autre, qui gardera un discours calme et bienveillant en éliminant tout ce qui gêne. (Rey 1983: 544) Angesichts der Perspektivität jeder lexikographischen Arbeit geht es Funk vor allem darum, zu ermitteln, wie weit WB-Autoren die vorhandenen Objektivierungsmöglichkeiten tatsächlich ausschöpfen (51). In diesem Zusammenhang weist er auf zwei grundlegende Unterschiede zwischen den beiden Akademien hin: die Académie française (AF) besteht fast ausschließlich aus Nichtlinguisten und ist in viel geringerem Maß mit außereuropäischen Partnerakademien vernetzt (53) als die Real Academia Española (RAE). Funks Analyse des WB-Diskurses berücksichtigt neben den metasprachlichen Aussagen auch die potentiell wertende Reihenfolge von Bedeutungsangaben und - an der Schnittstelle zwischen Mikro- und Makrostruktur - von Lemmata bzw. degruppierten Varianten (57). Der mehrheitlich elliptische Stil innerhalb der WB-Artikel wird stellenweise durch ausformulierte Kommentare «aufgelockert» (54). Als «hauptsächliche Gestalt der expliziten Maniou des jugements subjectifs puis par des conseils ou des recommandations de type ‹normatif›». 4 Funk verweist auf Ripfel 1989: 202. 5 Funk zitiert Wiegand 1986: 72-101. 6 Funk meint hier mit Laien solche WB-Autoren, die keine explizit sprachwissenschaftliche Ausbildung bzw. keine entsprechenden lexikologischen/ -graphischen Kenntnisse besitzen; dazu zählen z. B. Schriftsteller (cf. DAF, DRAE) und Gymnasiallehrer (cf. DAF), die sich der WB-Arbeit widmen. 274 Besprechungen - Comptes rendus Vox Romanica 77 (2018): 271-282 DOI 10.8357/ VOX-2018-015 festationen von Sprachkritik im Wörterbuch» stehen die Kommentare im Mittelpunkt von Funks Diskursanalyse, welche er anhand von Beispielen aus DAF, PR, DPD und DRAE durchführt. Dennoch betont er, dass das Auftreten von Sprachkritik nicht grundsätzlich an die eine oder andere Position in der Mikrostruktur gebunden sei, weshalb er Kommentare lediglich als «besondere Form» sieht, die einen Raum für (intensive) Sprachkritik eröffne, diese jedoch nicht enthalten müsse (60). Am Beispiel von aérobic im PR zeigt sich, dass Sprachkritik auch vom Abkürzungsverzeichnis ausgehen kann, z. B. wenn eine Markierung (hier «anglic.») Lexeme als (noch) Fremdwörter bzw. «überflüssige» Entlehnungen kennzeichnet und damit gegenüber (schon) Lehnwörtern bzw. «sinnvollen» Entlehnungen abwertet 7 (57). Im DAF werden zweierlei Kommentarformen unterschieden: fett gedruckte remarques normatives mit der Funktion, mauvais usage zu kennzeichnen (61) und Kommentare ohne typographische Hervorhebung, die jedoch nicht minder normativ zu verstehen sind und daher ebenfalls auf Sprachkritik hin untersucht werden (64). Auch Kommentare im PR tragen den Namen remarque, wobei sie hier zusätzlich mit «rem.» gekennzeichnet sind (65). Metasprachliche Kommentare im DRAE erweisen sich aufgrund der gehäuften Verwendung wenig variierender Abkürzungen («U. m. en América», «U. para …» usw.) als nur bedingt in die Analyse integrierbar und werden separat behandelt. Als spanisches Vergleichskorpus zum DAF kommt statt dem DRAE der DPD zum Einsatz, welcher als - ebenfalls von der RAE herausgegebenes - WB für Zweifelsfälle einen beispielhaften sprachkritischen und zugleich weniger elliptischen Diskurs aufweist (67). Auf Sprachkritik im lexikographischen Arbeitsprozess sind Funk zufolge bisher nur vereinzelte Arbeiten näher eingegangen, etwa Rey 1983: 543 und Hausmann 1989: 649-57; zugleich stellt er fest, dass die «lemmabezogene Normierung» in der Forschungsliteratur immer wieder mit wertender Sprachreflexion in Verbindung gebracht wird (68). Auch Funk selbst kommt in einer Pilotstudie zur WB-Arbeit am DCLEA zu dem Schluss, dass die Wahl von Lemmata und Bedeutungen sowie die Markierungspraxis viel Interpretationsspielraum lassen und besonders häufig diskutiert werden (83-84). Der rund 140 Seiten umfassende Analyseteil (87-228) bietet zahlreiche wichtige Befunde; folgende Beispiele sollen einen Eindruck der Bandbreite von Funks «Spurensuche» vermitteln. Im ersten Teil («Sprachkritik im Wörterbuch», 87-148) stellt Funk die Ergebnisse der Diskursanalyse vor. Hinsichtlich des sprachlichen Bezugsbereichs von Kommentaren zeigt sich, dass alle drei WB (DAF, PR und DPD) - parallel zu den konventionellen Markierungskürzeln - auch die Kommentarform für Gebrauchsbeschränkungen nutzen (91): DAF s. corréler: «ne s’emploie qu’en statistique» PR s. gratis: «ressenti comme familier» DPD s. maillot: «frecuente en países como Chile y la Argentina» Adverbiale Frequenzangaben haben mitunter eine die Sprachkritik «stützende» Funktion: Die im DPD anzutreffenden Frequenzangaben zwischen den Extremen siempre und nunca sind laut 7 Im Abkürzungsverz. des PR steht, dass «anglic.» dem Lemma nur nachgestellt werde, wenn es sich um ein «mot … employé en français et critiqué comme emprunt abusif ou inutile …» handle. 275 Besprechungen - Comptes rendus Vox Romanica 77 (2018): 271-282 DOI 10.2357/ VOX-2018-015 Funk zwar nicht per se wertend, aber die feine und unsystematische Abstufung (z. B. mucho menos, a veces, a menudo, muy a menudo, casi siempre) sieht er als Indiz dafür, dass ihnen keine genauen Grenzwerte zugrunde liegen (110-11). Bestimmte Konstruktionen dienen im DAF scheinbar dazu, das Zugehörigkeitsverhältnis der Autoren relativ zum Adressaten-Kreis der betreffenden Norm zu modulieren (cf. on + 3. P. Sing. vs. il est + Adjektiv) (96). Verneinung in Verbindung mit «neutralen» Verben stellt besonders im PR das zentrale Mittel dar, um (insgesamt sehr zurückhaltend) Sprachkritik zum Ausdruck zu bringen (cf. s. os: «ne se dit pas des poissons») (98-99). Bei den verbalen Elementen fällt auf, dass im DAF die remarques normatives eher präskriptive Verben (wie devoir, ne pas devoir usw.), die übrigen Kommentare eher deskriptive Verben (wie s’employer, s’écrire usw.) enthalten. Für die im DPD vorgefundene Wertung weist Funk mit Schmitt 1990: 37-39 auf die möglicherweise «doppelte» Nutzung von Formen wie se prefiere, se admite, se recomienda usw. hin: Zusätzlich zum wertenden Bedeutungsgehalt hätten solche «Vollzugsverben» die illokutionäre Funktion, die «prätendierte Autorität der sich als Institution zur Verteidigung des Spanischen verstehenden Academia als legitim erscheinen zu lassen». Da normalerweise nur Autoritäten solche performativen Verben für ihre Aussagen nutzen, scheint die Institution bereits allein durch den Sprechakt «legitimiert» (101). Im DRAE-Diskurs findet Funk wie erwartet nur wenige Fälle möglicher Sprachkritik und sieht am ehesten in der Verneinung von Verben wie decir und usar ein Indiz (118). Mit Schmitt 2001: 463 geht er in diesem Zusammenhang auf die Problematik des Sprachgebrauchs als Verweisinstanz ein: Mit verschiedenen Formen von usar oder decir werde ein «stillschweigendes Einvernehmen» impliziert, wodurch objektiv präsentierte «Aussagen über den uso pragmatisch Direktiven darstellen, sich dem Sprachgebrauch (von wem auch immer) anzupassen» (118). Aus dem Phänomen, dass explizit normative WB normalerweise auf Frequenzangaben verzichten, leitet Funk ab, dass «verdeckt normative» WB sie als vordergründig deskriptives Mittel verwenden könnten, um Präferenzen auszudrücken; auch beim DRAE sei dies denkbar, zumal es in seinem Diskurs sonst so gut wie keine Anhaltspunkte für Sprachkritik gebe (120). Als weiteres potentiell sprachkritisches Element im DRAE nennt er die pragmatisch-syntaktische Kontextualisierung durch die Angabe von contornos (cf. «Dicho especialmente de …») (117). Auf einer Skala zwischen «annähernd deskriptiv» und «eindeutig präskriptiv» ordnet Funk die untersuchten WB vorläufig so ein: DRAE am linken (deskriptiven) Rand, PR (mit deskriptivem Anspruch und wenigen eindeutig wertenden Elementen) etwas weiter rechts, aber immer noch links der Mitte, DPD und DAF hingegen (stark sprachkritisch) eindeutig im rechten Teil des Kontinuums. Dem DPD hält er im Vergleich zum DAF zugute, dass er sich mehr um Begründungen für seine Empfehlungen bemühe (123-24); zudem sei die habla culta als Zielnorm weniger präskriptiv als der bon usage (wegen der immanenten Opposition zum mauvais usage) (220). Die Kommentare in DAF und PR betrachtet Funk dann nochmals im Lichte der remarqueurs-Tradition in Frankreich. Obwohl Kommentare in den WB keine zentrale Rolle spielen, stellen sie sich gerade durch ihr unregelmäßiges und «fremdartiges» Auftreten besonders prominent dar, indem sie in allgemein verständlicher Form typische Problemfälle aufgreifen (129- 30). Ausgehend von diesem Punkt in Funks Analyse lässt sich erneut feststellen, dass im WB-Diskurs der Sprechakt eine wichtige Rolle spielen kann: Nicht nur, wenn es darum geht, 276 Besprechungen - Comptes rendus Vox Romanica 77 (2018): 271-282 DOI 10.8357/ VOX-2018-015 Norm einer unpersönlichen, «natürlichen» Instanz zuzuschreiben und dadurch als gegeben darzustellen (cf. Formen von decir, usar usw., 118) oder mit verdeckten Direktiven zu operieren (cf. se prefiere usw., 101), sondern auch, wenn durch «lebensnah» formulierte Äußerungen die Gültigkeit im Alltagsbewusstsein der Leser verankert werden soll, wie im Fall des ausformulierten Kommentars. Im DAF-Kommentar treffen die beiden letztgenannten Mechanismen wirkungsvoll aufeinander, da die Bezeichnung remarque der jeweiligen Aussage zusätzliche Autorität verleiht. Einen weiteren interessanten Aspekt bezüglich der DAF-remarques spricht Funk mit Bouverot 2004: 292 an: «Le dictionnaire se doit de répondre à l’attente des lecteurs soucieux de la norme». Unterschiede zwischen den remarques in verschiedenen WB sind also u. a. auf unterschiedliche Zielgruppen zurückzuführen (125). Die letzte auf den WB-Diskurs bezogene Untersuchungsebene widmet Funk dem Eurozentrismus und vergleicht am Beispiel der geographischen Markierungen die jeweilige Einbindung der Gesamthispanophonie bzw. -frankophonie in den Akademie-WB und im DCLEA. Dem DRAE - dessen «panhispanische» Qualität von der RAE stets hervorgehoben wird - diagnostiziert er neben zahlreichen Fortschritten v. a. bei der Zuordnung bzw. Unterordnung von geographischen Varietäten gegenüber (Regional-)Standards einige Schwächen. Zwar hat man die Markierung «esp.» für exklusiv peninsulare Varianten eingeführt, doch werden nach wie vor spanische Dialektismen oft mit lateinamerikanischen (Regional-)Standardvarianten de facto gleichgesetzt (137-38). Funk kritisiert außerdem, dass manchmal indirekt über die Markierung als Archaismus («desus.») in Kombination mit Kommentaren wie «U. en Ecuador» eine Abwertung gegenüber dem peninsularen Standard vorgenommen wird (140). Immerhin lässt sich ein deutliches Bewusstsein solcher Problematiken im Vorwort der 23. Auflage (2014) feststellen, wo nunmehr von «geographischen» statt von «diatopischen» Markierungen die Rede ist (140). Wesentlich mehr Verbesserungsbedarf sieht Funk in Sachen Eurozentrismus beim DAF, wobei er einräumt, dass hier der metalexikographische Anspruch und derjenige der Benutzer auch weniger hoch angesetzt sei als beim DRAE (143-44). Obwohl die Öffnung des DAF gegenüber der außereuropäischen Frankophonie von einigen Linguisten (etwa J. Pruvost) durchaus positiv bewertet wird (144), ist sie nach Funks Einschätzung lediglich «als wahrnehmbare Größe vorhanden», nicht aber als systematischer Modernisierungsversuch (148). Das Markierungssystem des DCLEA geht, wie Funk ausführt, einen alternativen Weg. Als Standardspanisch wird hier ein (panhispanisches) Korrekturmodell angenommen, wie es für die Kommunikation von Personen mittlerer und höherer Bildung zur Anwendung kommt (141): Nicht eine homogene, funktionale Varietät ist damit gemeint, keine «Supernorm», sondern eine Vielzahl von Normen mit großen Übereinstimmungen. Da die größten Diskrepanzen im Bereich der Lexik auftreten, wäre es laut Porto Dapena 2007: 47-48 wenig sinnvoll, nur den gemeinsamen Wortschatz zu verzeichnen, weil dann (aus onomasiologischer Sicht) nicht alle Bereiche abgedeckt würden (143). Deshalb müsse im DCLEA beides enthalten sein: léxico común und variedad normativa. Der Grundsatz, nur das als unmarkiert zu verzeichnen, was wirklich von allen Varietäten geteilt wird, sei allerdings nicht immer umsetzbar, da der spanische Wortschatz in seiner Verbreitung noch nicht ausreichend erfasst und ohne vorherige Beschreibung jeder einzelnen Norm keine Basis für eine klare Trennung der Standardvarietäten gegeben sei (142-43). 277 Besprechungen - Comptes rendus Vox Romanica 77 (2018): 271-282 DOI 10.2357/ VOX-2018-015 Um Sprachkritik im lexikographischen Arbeitsprozess geht es im zweiten Teil der Analyse (148-213). Funk nutzt je nach Einsicht in die jeweilige WB-Arbeit unterschiedliche Untersuchungsmethoden. So werden fehlende Daten, etwa zu internen sprachkritischen Debatten, «ersetzt» durch Rückschlüsse, die sich aus den Organisationsstrukturen, der Qualifikation der Mitarbeiter oder auch aus der diachronen Betrachtung älterer Protokolle ergeben. Trotz der konsequent deskriptiven Konzeption des DCLEA besteht Funk zufolge bei dessen Erstellung das Problem, dass Entscheidungen «größtenteils korpusbasiert getroffen werden» und der resultierende Interpretationsspielraum unweigerlich zu subjektiven Entscheidungen führe (167). In den Anmerkungen (notas ocultas) der DCLEA-Mitarbeiter sieht er gleichzeitig seine These bestätigt, dass es in jedem lexikographischen Prozess schwer objektivierbare Entscheidungen gebe, was im Verbund mit der grundsätzlichen Mitwirkung der Textsorte WB an Normierungsprozessen sprachkritisches Potential bedeute (167). Welche Rolle Sprachkritik bei der WB-Arbeit am DRAE spielt, wird (mangels vollständiger Akteneinsicht) u. a. anhand der äußeren Gegebenheiten der WB-Arbeit rekonstruiert (169). Für Sprachkritik im internen Diskurs sowie für die eingeschränkte Ausnutzung von Objektivierungsmöglichkeiten spricht z. B. das Spannungsverhältnis zwischen técnicos und creadores innerhalb der RAE, für Deskriptivität hingegen die Nutzung der modernen Datenbank CREA 8 als wichtigste Arbeitsgrundlage sowie das aus rund 40 Lexikographen und Informatikern bestehende Instituto de lexicografía, welches für die WB-Arbeit an der Basis verantwortlich ist und über weitreichende Kompetenzen verfügt (171). Insgesamt schließt Funk aus seinen Beobachtungen, dass angesichts der zur Verfügung stehenden Mittel eine über den Status quo hinausgehende Verwirklichung deskriptiver Ziele im DRAE möglich wäre (194-95). Im Fall des DAF spricht Funk von relativ sicheren Rückschlüssen auf stattfindende Sprachkritik im Erstellungsprozess. Wieder kommt die Qualifikation der Mitwirkenden entscheidend zum Tragen: Die Tatsache, dass in den Reihen der Compagnie so gut wie keine Linguisten (cf. técnicos) zu finden sind, stellt sich nochmals verschärft dar, wenn Funk diejenigen Organe und Abläufe beschreibt, von denen die eigentliche WB-Arbeit abhängt (197-201). Dass der Service du Dictionnaire, der die «Reorganisation» des DAF vorantreiben soll, aus Gymnasiallehrern (professeurs agrégés) besteht und hauptsächlich auf andere Wörterbücher zurückgreift; dass einzelne Vertreter regelmäßig mit einer zugeteilten Lemmastrecke (cahier) vor der Commission du Dictionnaire oder der scéance quasi zum Rapport erscheinen und Hélène Carrère d’Encausse dabei die jeweilige Definition laut vorliest, oder, dass im Plenum höchstens eine halbe Stunde pro Woche der DAF-Arbeit gilt - all dies untermauert Funks Einschätzung einer deutlich abnehmenden Ausstrahlung der Académie und ihres Wörterbuchs innerhalb Frankreichs und der Frankophonie. Weitere Hinweise auf sprachkritische Einflussnahme innerhalb der AF geben öffentliche Stellungnahmen ihrer Mitglieder, was am Beispiel der Debatte um das Lexem dangerosité deutlich wird, die Funk anschaulich nachzeichnet 9 (208-13). 8 Der CREA enthält «insgesamt 155 Millionen ‹registros› der geschriebenen (90%) und der gesprochenen (10%) Sprache. Die Verteilung der Texte zwischen Spanien und Lateinamerika beträgt jeweils 50 % …» (171). 9 Beteiligt waren u. a. M. Druon, B. Quemada und F. J. Hausmann. Erst auf einen Beitrag der medizinischen Schwester-Akademie hin wurde das Wort von Druon widerwillig als eventuell in den DAF 278 Besprechungen - Comptes rendus Vox Romanica 77 (2018): 271-282 DOI 10.8357/ VOX-2018-015 Hinsichtlich der Normkonzeptionen der Autoren als Hintergrund der untersuchten WB (213- 23) sieht Funk bei der RAE die klare Abkehr vom Purismus zugunsten des unidad-Gedankens wie er auch weitgehend im DRAE-Diskurs umgesetzt wird (214). Im DPD zeige das Vorwort zwar ein Bewusstsein für das Wirkungspotential wertender Aussagen an, doch verwirkliche der WB-Diskurs die Absicht der «respuestas matizadas» gerade in variationellen Fragen nicht durchgehend (217). Besonders weit klaffen Selbstdarstellung und WB-Diskurs laut Funk im Fall des DAF auseinander: Die eindeutig wertenden Anteile des DAF stünden in klarem Widerspruch dazu, dass die AF präskriptive Absichten weitgehend abstreitet (218-21). Der PR wiederum begreift sich in erster Linie als Instanz, «die den Bereich der Lexik möglichst umfassend beschreiben soll» (221), gibt aber auch zu, gelegentlich Empfehlungen auszusprechen, die allerdings klar als solche kenntlich gemacht seien. Dass trotz dieses Grundsatzes sprachkritische Eingriffe auch im PR nicht immer transparent sind, zeigt eine von Funk aufgegriffene Untersuchung von Schafroth 2014: 129. Bei näherer Betrachtung einiger der daraus entnommenen Beispiele (repousser für ‘remettre à plus tard’; contacter für ‘prendre contact avec qqn’) drängt sich die Vermutung auf, dass das normbezogene Markierungssystem im PR (hier mit der Bemerkung emploi critiqué) darauf abzielt, den Einfluss des Englischen auch im Bereich wenig offensichtlicher Entlehnungsformen wie Calques zu erfassen und durch die implizite Gleichsetzung mit diastratisch niedrig markierten Varianten zu bremsen. Ein weiteres sprachkritisches Merkmal des PR, das in gewissem Widerspruch zur Selbstdarstellung durch die Autoren steht, liegt in der Kennzeichnung fautif, die laut Schafroth «einen Sprachgebrauch ausweise, der gleichzeitig als populaire gelten könne» (221-22). Im Schlusskapitel seiner Untersuchung (229-35) macht Funk folgende Hauptaussagen: 1) Alle WB sind in gewisser Hinsicht sprachkritisch, wobei sich diese Behauptung nur aufrecht erhalten lässt mit dem Hinweis auf wichtige Feststellungen, die im Lauf der Untersuchung gemacht wurden (229): a) Sprachkritische Wertung muss als Kontinuum aufgefasst werden. b) Es ist unmöglich, jegliche subjektiven Vorgehensweisen und Wertungen aus der lexikographischen Arbeit auszuschließen; die Klassifizierung hängt also von der Ausschöpfung der Objektivierungsmöglichkeiten ab. c) Wörterbüchern jeglicher Klassifizierung kommt aufgrund der Benutzererwartung Autorität und damit Verantwortung zu. 2) Die abschließende Einordnung der untersuchten WB auf einem Kontinuum zwischen Deskriptivität und Sprachkritik stellt sich etwa wie folgt dar 10 (232): aufzunehmendes Element akzeptiert, allerdings mit der «Drohung», es dann mit einer Markierung zu versehen (213). 10 Die graphische Darstellung ist so nicht im Buch vorhanden, sondern wurde hier veranschaulichend eingefügt. Deskriptivität Sprachkritik DCLEA DRAE PR DPD DAF 279 Besprechungen - Comptes rendus Vox Romanica 77 (2018): 271-282 DOI 10.2357/ VOX-2018-015 Dabei unterscheidet sich der DRAE vor allem bezüglich des Ausarbeitungsprozesses vom DCLEA, während der Diskurs in beiden Fällen etwa gleich zu werten ist. Die transparente Selbstdarstellung des PR spricht trotz subjektiver bzw. (stark) sprachkritischer Elemente für eine schwerpunktmäßig deskriptive Einordnung. Der DPD versucht, als Instanz hinter dem Sprachgebrauch (als Normgeber) zurückzutreten und befindet sich daher trotz deutlich sprachkritischer Einordung nicht ganz am rechten Rand des Kontinuums. Der DAF zeigt sich sowohl im Diskurs als auch im Arbeitsprozess als Instanz eindeutig sprachkritisch wertend. Bemerkungen: Im Folgenden seien einige Vorzüge und Kritikpunkte hinsichtlich des vorliegenden Werks genannt. Ein herausragendes Merkmal ist die empirische und analytische Vielseitigkeit, mit welcher der Autor Ergebnisse unterschiedlicher Ebenen in kohärente Feststellungen überführt. Sowohl im metalexikographischen Kontext als auch für die Sprachnormendiskussion ergeben sich daraus wertvolle Anknüpfungspunkte. Durch die vertiefte Diskussion exemplarischer Sachverhalte und mitunter durch induktive Ansätze leistet das Buch auch einen methodologischen Beitrag zu den o. g. Forschungsbereichen, zumal die grundsätzliche Übertragbarkeit der umgesetzten Methoden klar hervortritt. Dass Funk die Germanistik auf den Plan ruft, um in seinen Untersuchungsgegenstand einzuführen, ist sicherlich in mehrerlei Hinsicht von Bedeutung. Hervorzuheben ist die schlüssige Darlegung, dass das Modell von Kloss 1978 bzw. darauf aufbauende Beschreibungen von Sprachreflexion trotz ihrer Bedeutung für die Romanistik auch gewisse Nachteile haben, wenn es darum geht, die Gesamtheit sprachlicher Werturteile, vor allem in ihren Manifestationsformen, zu erfassen. Funks Behauptung, dass «das Konzept der ‹Sprachkritik›, trotz der breiten theoretischen Basis in der Germanistik, bisher weder auf das Französische noch auf das Spanische angewandt wurde» (21) ist allerdings etwas zu kategorisch, denn es gibt z. B. von Langenbacher-Liebgott 1992: 17-34 einen Beitrag, der unter der Bezeichnung Sprachkritik die hier vorgestellten Begriffsinhalte bezüglich des Französischen und Spanischen untersucht 11 . Auch rein inhaltliche Annäherungen an den Sprachkritik-Begriff dürften insgesamt in der romanistischen Sprachwissenschaft etwas zahlreicher sein als von Funk wahrgenommen (26- 32) 12 . Davon unbenommen bleibt Funks Leistung, im Rahmen einer Monographie den Sprachkritik-Begriff in die romanistische Metalexikographie einzubetten und daran eine umfassende Untersuchung von Bezugsbereichen, Ausgangspunkten, Motivationen und Implikationen lexikographischer Sprachkritik in französischen und spanischen Standardwerken anzuschließen. Insbesondere die Bedeutung der Wörterbucharbeit als nicht zu unterschätzendes Korrelat zum 11 Cf. auch den Sammelband von Dahmen et al. 2017, der im vorliegenden Werk nicht mehr berücksichtigt werden konnte. 12 Schon Rey 1972: 16s. geht auf Sprachbewertung durch verschiedene Instanzen der frz. Sprachgemeinschaft ein. A. Jaffe 2005: 79-97 befasst sich mit laienlinguistischer Sprachbewertung anhand einer soziolinguistischen Untersuchung zum Sprachgebrauch in korsischen Radiosendungen. Im Zusammenhang mit der perzeptiven (Varietäten-)Linguistik ergeben sich weitere Anknüpfungspunkte (cf. Krefeld/ Pustka 2010 und Krefeld 2014). 280 Besprechungen - Comptes rendus Vox Romanica 77 (2018): 271-282 DOI 10.8357/ VOX-2018-015 Wörterbuchdiskurs konnte Funk überzeugend darlegen. Dies gewinnt noch an Bedeutung, wenn man sich vor Augen hält, dass prinzipiell alle Sprecher sowohl Akteure als auch Rezipienten von Sprachkritik sind. Es leuchtet auch ein, dass im Deutschen kein anderer Begriff existiert, der diesen Aspekt eindeutig und in jedem Kontext beinhaltet. Welche Ausdrucksmöglichkeiten Romanisten in anderen Sprachen für denselben Inhalt bevorzugen, ist allerdings eine andere Frage und es würde sich lohnen, die einzelsprachliche Transposition eines Begriffes wie Sprachkritik in eine andere Disziplin (hier von Germanistik zu Romanistik) durch die systematische Suche nach terminologischen Brücken v. a. zu den romanischen Sprachen bzw. zur Bildung entsprechender gelehrter Wörter (cf. dia- + …) zu ergänzen 13 . Eindrücklich sind Funks Nachforschungen zu den Organisationstrukturen der Sprachakademien im Zusammenhang mit der WB-Arbeit (170-95, 195-213). Wer einmal versucht hat, sich einen gesicherten Überblick über die Abläufe innerhalb der AF zu verschaffen, wird zustimmen, dass dies schwerlich anhand von Sekundärliteratur zu bewerkstelligen ist. Dank Funks aktueller, persönlicher Recherche vor Ort (cf. Quellenverzeichnis über Gespräche, 245) bietet sich dem Leser die seltene Möglichkeit eines «virtuellen Rundgangs» durch diese undurchdringlich erscheinenden Institutionen. Aus Funks Feststellungen lässt sich denn auch die wichtige Erkenntnis ableiten, dass die von WB-Autoren getroffenen Entscheidungen trotz schwieriger Quellenlage nicht nur als abstrakte Größe in metalexikographische Überlegungen einfließen sollten, sondern durchaus konkreter Untersuchungen bedürfen. Die Pilotstudie zur Entstehung des DCLEA (141-43) macht deutlich, welche Tragweite (meta)lexikographische Ansätze haben können, wenn versucht wird, sie «zu Ende zu denken». An der Zugehörigkeit zur Textsorte Dissertation mag es liegen, dass die integrale Lektüre des Buches gleichzeitig Bedingung und Hürde ist, will man die von Funk aufgezeigten Zusammenhänge sinnvoll mit vorhandenen Kenntnissen und Fragestellungen in Abgleich bringen. Die Vernetzung und wissenschaftliche Verwertung der in Dissertationen geleisteten Arbeit ließe sich wohl deutlich steigern, wenn parallel dazu jeweils ein Paper oder Abstract veröffentlicht und online verfügbar gemacht würde, das den innovativen Kern der Monographie herausstellt und wichtige Schlüsselwörter enthält. Die Verwertbarkeit der Inhalte betreffen auch folgende Monita des vorliegenden Werks: 1. Dem uneingeweihten Leser, den Funk inhaltlich und stilistisch sehr gut mitnimmt, käme manchmal eine stärkere, sinnfälligere Absatzgliederung entgegen, besonders dort, wo mehrere Unterkapitel auf wiederkehrende Gesichtspunkte eingehen und ein entsprechendes Layout die Kerninformation quasi in bereits mitgedachte slots einrücken und dadurch leichter zugänglich machen würde (z. B. 92), oft aber auch schlicht der besseren Lesbarkeit wegen (z. B. 125). 2. Einige Formulierungen sind nicht ganz eindeutig bzw. erklärungsbedürftig (z. B. 52 N59 14 ), was auch für den wiederholt verwendeten Terminus Briefsteller gilt (z. B. 96), der meines Erachtens nicht vorausgesetzt werden kann. 13 Am Rande geht Funk z. B. in N22 (31) darauf ein: «Für Sprachkritik liegt die Übersetzung ‹crítica del lenguaje› nahe, eine Bezeichnung, die auch im Zusammenhang mit der feministischen Sprachkritik des Spanischen auftritt». Cf. auch Schöntag 1998: 124s., «Diaevaluative Markierungen». 14 Cf. «unterliegt Sprachkritik aber nicht nur der negativen oder positiven Beurteilung» (meine Hervorhebung). Die Rede ist von der Sprachkritik als Agens (der Bewertung), weswegen das gewählte Verb irreführend ist. 281 Besprechungen - Comptes rendus Vox Romanica 77 (2018): 271-282 DOI 10.2357/ VOX-2018-015 3. Für die Handhabung stellt das fehlende Abbildungsverzeichnis sowie der Verzicht auf Nummerierung der verwendeten Beispiele ein klares Defizit dar. Während sich Letzteres erst im Schlusskapitel (229-35) störend auswirkt, wo auf Beispiele (ohne Angabe der jeweiligen Stellen) zurückverwiesen wird, sollte man auf die Diagramme, welche jeweils einen willkommenen Überblick geben, jederzeit schnell zurückgreifen können. Sprachkritik und Lexikographie synthetisiert erfolgreich eine Reihe bisher «weit verstreuter» Forschungsansätze in einem innovativen Beitrag zur romanistischen Metalexikographie einerseits und zur Normdiskussion andererseits. Passend zum Thema der Arbeit zeugt Funks Diskurs von dem Bewusstsein, dass explizites und deskriptives Verhalten (Transparenz) auch in der Metalexikographie bzw. in der Sprachwissenschaft tout court von größter Bedeutung ist. Die Lektüre ist nicht nur informativ, sondern auch inspirierend, indem sie erneut das Potential der Lexikographie im Zusammenhang mit zentralen Fragen der Sprachwissenschaft aufzeigt. Zudem führt das Buch vor, wie entscheidend empirische Studien im tatsächlichen Umfeld metasprachlicher Textproduktion die Ergebnisse der reinen Korpusanalyse bereichern und vervollständigen können. In diesem Sinne stößt das vorliegende Werk sicherlich auch Überlegungen zur Beschreibung weiterer Diskurstraditionen an, etwa im Bereich der Grammatikographie, der diachronen Entwicklung von didaktischen Referenzwerken oder der vulgarisation (sprach-)wissenschaftlicher Inhalte durch die Massenmedien. Sonja Schwedler-Stängl https: / / orcid.org/ 0000-0002-5190-147X Abkürzungen AF = Académie française CREA = Corpus de referencia del español actual DAF = Dictionnaire de l’Académie française DCLEA = Diccionario «Coruña» de la lengua española actual DPD = Diccionario panhispánico de dudas DRAE = Diccionario de la Real Academia Española ESO = Europäische Sprachkritik Online PR = Petit Robert RAE = Real Academia Española WB = Wörterbuch/ Wörterbücher Bibliographie Bouverot, D. 2004: «Les remarques dans quelques dictionnaires d’aujourd’hui», in: P. Caron (ed.), Les Remarqueurs sur la langue française du XVIe siècle à nos jours, Rennes: 287-92 Dahmen, W. et al. (ed.) 2017: Sprachkritik und Sprachberatung in der Romania. Romanistisches Kolloquium 30, Tübingen Gauger, H.-M. 1995: Über Sprache und Stil, München Grosse, S. 2017: Les manuels épistolographiques français entre traditions et normes, Paris Kloss, H. 2 1978: Die Entwicklung neuer germanischer Kultursprachen seit 1800, Düsseldorf Lebsanft, F. 1997: Spanische Sprachkultur. Studien zur Bewertung und Pflege des öffentlichen Sprachgebrauchs im heutigen Spanien, Tübingen Dieckmann, W. 1980: «Sprachlenkung/ Sprachkritik», in: H.-P. Althaus/ H. Henne/ H. E. Wiegand (ed.), Lexikon der germanistischen Linguistik, Tübingen: 508-15 282 Besprechungen - Comptes rendus Vox Romanica 77 (2018): 282-285 DOI 10.8357/ VOX-2018-016 Gardt, A. 2002: «Sprachkritik und Sprachwissenschaft. Zur Geschichte und Unumgänglichkeit einer Einflussnahme», in: J. Spitzmüller/ K. S. Roth/ B. Leweling/ D. Frohning (ed.), Streitfall Sprache - Sprachkritik als angewandte Linguistik? , Bremen: 39-58 Hausmann, F. J. 1989: «Die Markierung im allgemeinen einsprachigen Wörterbuch. Eine Übersicht», in: F. J. Hausmann/ O. Reichmann/ H. E. Wiegand/ L. Zgusta (ed.), Wörterbücher. Ein internationales Handbuch zur Lexikographie, Berlin/ New York: 649-57 Jaffe, A. 2005: «Corse radiophonique élaboré et évaluation populaire: perspectives corses sur le purisme linguistique», Langage et société 112: 79-97 Krefeld, T./ Pustka, E. 2010: Perzeptive Varietätenlinguistik, Frankfurt am Main Krefeld, T. 2014: Perzeptive Linguistik. Phonetik, Semantik, Varietäten, Stuttgart Langenbacher-Liebgott, J. 1992: «Sprachkritische Beiträge in französischen und spanischen Zeitungen», RJ 43: 17-34 Porto Dapena, J. A. et al. 2007: El Diccionario «Coruña» de la lengua española actual. Planta y muestra, A Coruña Rey, A. 1972: «Usages, jugements et prescriptions linguistiques», Langue française 16: 4-28 Rey, A. 1983: «Norme et dictionnaires (domaine du français)», in: E. Bédart (ed.), La norme linguistique, Québec: 541-69 Ripfel, M. 1989: «Die normative Wirkung deskriptiver Wörterbücher», in: F. J. Hausmann et al. (ed.), Wörterbücher. Ein internationales Handbuch zur Lexikographie, Berlin/ New York: 189- 207 Schafroth, E. 2014: Französische Lexikographie. Einführung und Überblick, Berlin/ Boston Schmitt, C. 1990: «Bemerkungen zum normativen Diskurs in der Grammatik der Real Academia Española», in: W. Settekorn (ed.), Sprachnorm und Sprachnormierung. Deskription. Praxis. Theorie, Wilhelmsfeld: 27-43 Schmitt, C. 2001: «Sprachnormierung und Standardsprachen», in: G. Holtus/ M. Metzeltin/ C. Schmitt (ed.), LRL 1.2: Methodologie, Tübingen: 435-92 (bei Funk irrtümlich als 335-92 zitiert) Schöntag, R. 1998: Diasystematische Markierungen in einsprachigen Wörterbüchern des Französischen, München Wiegand, H. E. 1986: «Von der Normativität deskriptiver Wörterbücher. Zugleich ein Versuch zur Unterscheidung von Normen und Regeln», in: H. Sitta (ed.), Sprachnormen in der Diskussion. Beiträge vorgelegt von Sprachfreunden, Berlin/ New York: 72-101 Dacoromania Marius Sala/ Liliana Ionescu-Ruxăndoiu (ed.), Istoria limbii române, vol. 1, Bucure şti (Editura Univers Enciclopedic Gold) 2018, 902 p. La publication d’un traité académique d’histoire de la langue roumaine était attendue depuis longtemps, étant donné que le dernier, paru sous les auspices de l’Académie Roumaine, date déjà d’à peu près une cinquantaine d’années (A. Rosetti et al. (ed.), Istoria limbii române, 2 vol., Bucure ş ti 1965-69). Cette attente s’explique surtout par la valorisation de nouveaux acquis dans le domaine des linguistiques diachronique et diatopique roumaines qui ont essentiellement contribué à la clarification de certains faits de langue insuffisamment connus ou même ignorés auparavant. Dès le début, il faut préciser que nous avons sous nos yeux un ouvrage collectif dont les coordinateurs sont des spécialistes reconnus pour leurs contributions significatives à la description des anciens stades de la langue roumaine. Il s’agit du regretté académicien M. Sala et de 282 285 016