Vox Romanica
vox
0042-899X
2941-0916
Francke Verlag Tübingen
10.2357/VOX-2020-030
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Kristol De StefaniVolker Noll, Das amerikanische Spanisch. Ein regionaler und historischer Überblick, 4. Auflage, Berlin/Boston (de Gruyter) 2019, xviii + 171 p. (Romanistische Arbeitshefte 46)
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Carolin Patzelt
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407 Vox Romanica 79 (2020): 403-410 DOI 10.2357/ VOX-2020-28 taktischen, semantischen und pragmatischen Faktoren. Deswegen wird DOM mittlerweile von vielen Autoren als ein multifaktorielles Phänomen betrachtet. Der theoretische Kunstgriff von Egetenmeyer besteht nun darin, dass er die kontextuellen Faktoren der DOM auf den kompositionellen semantischen Gehalt der von ihm besprochenen Verben und insbesondere ihrer Komplemente zurückführt. Im Unterkapitel Ein neuer Ansatz für die Beschreibung der DOM wird als Modell, das den Grad der Komplexität von konzeptuellen Einheiten bestimmbar macht (136), James Pustejovskys Generatives Lexikon als Analyseinstrument eingeführt 10 . Als Repräsentationsebene besonders im Fokus steht, aufgrund ihrer Eignung zur Analyse von nominalen Argumenten, die Qualia-Struktur. Diese bildet alle möglichen Bedeutungen eines Konzepts ab und umfasst den konstitutiven, den formalen, den telischen und agentiven Faktor. Aus der Kombinatorik dieser Qualia wiederum leitet sich die Typologie der Konzepte ab, welche natürlich, funktional oder komplex sein können. Komplexe Typen sind laut Pustejowsky logisch polysem, verfügen also über mehrere Lesarten, welche in einem einzigen Konzept verbunden sind. In der konkreten Rede können jedoch über generative Verfahren einzelne Qualia hervorgehoben und damit eine bestimmte Lesart erzwungen werden 11 . Zwischen natürlichen und funktionalen Typen einerseits und komplexen Typen andererseits setzt nun Egetenmeyer den semantischen Split an, welche eine morphosyntaktische Markierung auslöst: Komplexe Typen würden markiert, natürliche oder funktionale nicht. Zur Illustration möge ein in der einschlägigen Literatur oft zitiertes Beispiel dienen, welches den Kontrast besonders gut illustriert (156): [Beispiel 52a] El profesor reemplaza el libro. ‘Der Lehrer ersetzt das Buch (durch ein anderes)’. [Beispiel 52b] El profesor reemplaza al libro. ‘Der Lehrer tritt an die Stelle des Buches’. (156) Bisherige Analysen interpretieren die Präsenz des Markers in [52b] meist dahingehend, dass damit eine Art Äquivalenz zwischen Buch und Lehrer ausgedrückt werde und das Buch über eine höhere Agentivität verfüge als in [52a] 12 . Egetenmeyers Analyse des Beispielpaars postuliert nun, dass der komplexe Typ ‘Buch’ zwei Faktoren in sich vereine, nämlich die physische Entität und den Informationsgehalt. Interpretiere man [52a], werde aber zwingend nur eine der beiden Funktionen aktiviert, nämlich entweder nur die physische (beim Griff ins Bücherregal) oder nur die informationelle (bei der Ersetzung auf einer Leseliste). Nur bei [52b] sei sowohl der Informationsträger als auch der Informationsgehalt davon betroffen, dass der Lehrer an ihre Stelle tritt, diese komplexe und damit automatisch abstraktere Lesart verlange den Marker. Egetenmeyer betont, dass sein kompositioneller Ansatz die bestehende 10 J. p usteJovsky , The generative lexicon, Computational Linguistics 17 (1991): 409-41. 11 A. b lank , Einführung in die lexikalische Semantik für Romanistik , Tübingen 2001: 108 spricht in solchen Fällen nüchterner von Kontextvarianz. 12 Cf. M. w eissenrieder , Variable uses of the direct object marker a , Hispania 73 (1990: 227); M. G arCía , Differentielle Objektmarkierung bei unbelebten Objekten im Spanischen , Berlin/ Boston 2014: 59; J. k abatek , Wohin strebt die differentielle Objektmarkierung im Spanischen? , Romanistisches Jahrbuch 67 (2016: 223s). Besprechungen - Comptes rendus Besprechungen - Comptes rendus 408 Vox Romanica 79 (2020): 403-410 DOI 10.2357/ VOX-2020-28 Agentivitätshypothese nicht falsifiziert, hält seine Analyse aber für grundlegender und operationalisierbarer. Bezüglich der Theorie ist dieser Aussage zuzustimmen: Besonders im Umgang mit markierten unbelebten Objektreferenten ist der Ansatz vielversprechend und erlaubt einen neuen Blick auf bestehende Fragestellungen. Da aber die deskriptive Tragfähigkeit des Ansatzes nur datenbasiert belegbar sei (246), widmet der Autor, wie bereits oben in der Zusammenfassung erwähnt, den zweiten Teil des Buches der empirischen Überprüfung seines Ansatzes. Das dafür hinzugezogene ADESSE- Korpus besticht durch die Annotation einer ganzen Reihe syntaktischer und semantischer Merkmale, auch für die Untersuchung nützlicher Basisontologien wie belebter Entitäten, Konkreta, Abstrakta und Propositionen. Sein Umfang ist aber relativ klein, was sich nachteilig auf die Repräsentativität auswirkt und gegebenenfalls führt, dass seltenere Konstruktionstypen bestimmter Verben im Korpus fehlen. So ist auch die geringe Gesamtzahl von insgesamt 854 relevanten Okkurrenzen über 22 untersuchte Types kaum ausreichend, um quantitative Effekte zu erhärten 13 . Das Ordnungsprinzip der Abstufung nach Transitivitätsgraden bringt kaum Ordnung in das diffuse Gesamtbild, und selbst bei den frequenteren Verben ist es angebracht, sich nicht nur auf die tabellarische Zusammenfassung (422) zu verlassen: So ist den beiden häufigsten Types coger 14 und abandonar gemeinsam, dass ihre Argumente mehrheitlich nicht markiert werden (< 10%), aber erst der Blick in die jeweiligen Teilkapitel verrät, dass die Gründe dafür unterschiedlich sind: So beziehen sich die unmarkierten Instanzen von abandonar ausschliesslich (400-07) auf Orte oder abstrakte Zustände, die verlassen werden, während bei coger zumindest eine Reihe von belebten Referenten unmarkiert bleiben, darunter auch ein menschlicher (340-47). Etwas deutlichere Evidenz zugunsten des kompositionellen Ansatzes liefert die Analyse nach Nominalklassen: So werden zum Beispiel Berufsbezeichnungen deutlich seltener markiert als andere Objekte mit menschlichem Denotat, einen Umstand, den der Autor auch anhand konkreter Beispiele überzeugend darauf zurückführt, dass die Referenten oft auf einen funktionalen Typ reduziert werden, wenn man sie über ihren Beruf bezeichnet. Die fallweise qualitative Analyse stellt zweifelsohne eine Stärke der Arbeit dar, birgt aber unter den gegebenen theoretischen Annahmen auch das Risiko einer fehlenden Objektivität bei der Interpretation der Daten, wie die folgenden beiden Beispiele zeigen: [Beispiel 10] Tú, que eres tan científico, dedícate a estudiar por qué proceso químico despierta la memoria a las cosas tristes si olvidamos tan pronto las alegres … ( J. a ldeCoa , Porque éramos jóvenes ) (291). [Beispiel 161] Para la abuela, las flores no se secaban sino que las consumía la nostalgia de un cielo amplísimo y azul, y no había flores marchitas sino mutiladas o enfermas … 13 Es wird denn auch von vornherein auf eine Überprüfung der statistischen Signifikanz verzichtet (280). 14 Die Untersuchung beschränkt sich, wie einleitend angemerkt, auf europäisches Spanisch, entsprechend wird die Suche in der ADESSE-Datenbank auch auf in Spanien produzierte Korpusdaten beschränkt. 409 Vox Romanica 79 (2020): 403-410 DOI 10.2357/ VOX-2020-28 Algunas mañanas Miguel … observaba con qué celo trataba la abuela a sus flores. (i. m artínez de p isón , La ternura del dragón ) (396). Die relevanten Konstruktionen sind in beiden Beispielen syntaktisch isomorph: Auf einen Relativanschluss mittels w-Phrase ( por qué proceso / con qué celo ) folgt ein Nebensatz mit der markierten Konstituentenfolge Verb - Subjekt - Objekt. In beiden Nebensätzen ist das Objekt markiert, Egetenmeyer interpretiert die Markierung aber auf unterschiedliche Art und Weise. Die DOM in [10] wird syntaktisch erklärt: Das … ein Abstraktum denotierende a -markierte Objekt … ist eine Ausnahme von den im Korpus gezeigten Ikonizitätsrelationen. Das Objekt ist nicht-komplexen Typs. Seine Markierung stellt einen grammatischen Reflex dar und verdeutlicht formal, welche der beiden adjazenten NPs Subjekt bzw. Objekt ist (484). Bei [161] hingegen sei die Präsenz des Markers die Folge semantischer Komplexität. Ausschlaggebend für diese Interpretation ist offenbar der vorangegangene Kontext, in welchem von der Sehnsucht der Blumen nach dem blauen Himmel die Rede war: [In Beispiel 161] wird der Basistyp des Konkretums (natürlicher Typ) angereichert. Wie der Kontext zeigt, erachtet die vom Subjekt denotierte Entität das Objektdenotat nicht als rein physische Entität, sondern schreibt ihr überdies eine Gefühlsebene zu … (482). Zur Beurteilung des heuristischen Werts dieser Analyse ist darauf abzustellen, dass die DOM in [161] ungeachtet des menschlichen Subjektdenotats ebenso mit der syntaktischen Umgebung erklärt werden könnte wie in [10] 15 . Dass sie hier (und in anderen, ähnlich gelagerten Beispielen wie [54a] (161), [38] (318) oder [241] (479)) dennoch semantisch begründet wird, legt ein Bias des Autors zugunsten des von ihm selbst vorgeschlagenen Erklärungsansatzes offen. Dabei ist zu betonen, dass eine dekompositionelle Herleitung der DOM in [10] introspektiv gut begründbar ist, gar nicht anders begründet werden kann. Der statistische Nachweis einer höheren Beschreibungsadäquatheit, welche Egetenmeyer für sein Modell reklamiert, kann allerdings auf diese Art nicht gelingen. Kaum zusätzliche empirische Erkenntnisse liefert schliesslich die experimentelle Untersuchung der DOM, welche die Korpusuntersuchung ergänzt. Hier sollte einerseits mittels eines Reaktionszeittestes der Verarbeitungsaufwand der markierten und unmarkierten Strukturen gemessen werden, die den Testpersonen als auditive Stimuli vorgelegt wurden. Andererseits wurden die Probanden gebeten, in einem Auswahltest Sätze einem von zwei Bildern zuzuordnen, wobei davon ausgegangen wird, dass markierten Objekten ein ikonisch komplexeres Bild entspricht. Dass die Ergebnisse hier fast durchweg inkonklusiv ausfallen, dürfte an Defiziten auf gleich mehreren Ebenen liegen. So orientiert sich der Autor bei der Konzeption der Items weitgehend an Korpusbeispielen und verpasst damit die Gelegenheit, etwa in Anlehnung an die Beispiele aus dem Theorieteil klare und einfache Oppositionen zu schaffen, 15 Dies gilt im übrigen ganz unabhängig davon, ob man die syntaktische Struktur als für die DOM konstitutiv ansieht oder nicht, cf. zu dieser Frage L. l ópez , Indefinite Objects, Choice Functions and Differential Marking , Boston 2012. Besprechungen - Comptes rendus Besprechungen - Comptes rendus 410 Vox Romanica 79 (2020): 410-415 DOI 10.2357/ VOX-2020-29 die kontextuelle Störfaktoren weitestgehend ausschliessen. Bei der Umsetzung der Experimente fehlt ein Protokoll, welches ein Priming der Versuchspersonen wirksam verhindert, indem ihnen etwa Gegenbeispiele (265, d. h. äquivalente Items mit und ohne Markierung) im gleichen Versuch vorgelegt werden, im Falle des Reaktionstests gar ohne Randomisierung der Reihenfolge, weil die Items in einen konstruierten Dialog eingebettet sind. Vor allem aber ist die Hypothesenbildung unklar, was zu ad-hoc -Interpretationen der Ergebnisse verleitet. So geht der Autor beim Reaktionszeitexperiment zunächst davon aus, dass ein nicht-komplexer Typ … zu einer schnelleren Reaktion führen [sollte] (264), kommt dann aber, als sich der umgekehrte Effekt einstellt, zu folgender Erklärung: Die demgegenüber experimentell gezeigte Tendenz bei den Nominalobjekten könnte nun dafür sprechen, dass bestimmte Faktoren die Konzeptualisierung überlagern und sich stärker auf die Verarbeitung auswirken als die Komplexitätsdivergenz. Es wäre die Morphosyntax zu nennen, insofern eine Markierung gewissermaßen zu eindeutigeren Verhältnissen führt (432). Es versteht sich von selbst, dass sich auf diese Art kein empirischer Beweis führen lässt, weder für noch gegen den vertretenen Analyseansatz. Zusammenfassend lässt sich ein durchmischtes Fazit ziehen: Ein neuer, vielversprechender theoretischer Ansatz zum spanischen Verbalanschluss im allgemeinen und zur Beschreibung der DOM im speziellen soll überprüft werden durch empirische Methoden, die in manchen Punkten überzeugen, in vielen aber nicht. Diesbezüglich die Spreu vom Weizen zu trennen, wäre nicht nur im Interesse des Autors gelegen, sondern auch in der Verantwortung der Reihenherausgeber. Kombiniert mit einer Straffung der Argumentation, die bisweilen redundant oder langfädig daherkommt, hätte das ein leserfreundliches 16 , kompakteres Format ermöglicht. Trotzdem ist dem Beitrag die Rezeption zu wünschen, die er aufgrund seiner Originalität und seines umfassenden Ansatzes verdient. Philipp Obrist https: / / orcid.org/ 0000-0002-6789-9466 ★ a ne b erro / b eatriz F ernÁndez / J on o rtiz de u rbina (ed.), Basque and Romance . Aligning Grammars, Leiden/ Boston (Brill) 2019, 356 p. ( Grammars and Sketches of the World’s Languages 7) Este libro es una colección de nueve artículos descriptivos y teóricos sobre varios rasgos morfosintácticos de la lengua vasca en comparación con los de lenguas romances vecinas, fundamentalmente español, francés, pero también gascón. Consta, además, de una introducción (1-13) y dos útiles índices, uno de autores (347-50) y otro temático (351-56). Entre sus 16 Nur am Rande erwähnt werden soll, dass auch der Satz des Buches stellenweise die gebotene Sorgfalt vermissen lässt: So fehlt bereits im Inhaltverzeichnis (IX) an drei Stellen der erforderliche Kursivdruck.
