eJournals lendemains 45/178-179

lendemains
ldm
0170-3803
2941-0843
Narr Verlag Tübingen
10.2357/ldm-2020-0038
Es handelt sich um einen Open-Access-Artikel, der unter den Bedingungen der Lizenz CC by 4.0 veröffentlicht wurde.http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/121
2020
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PATRICIA A. GWOZDZ / MARKUS LENZ (ED.): LITERATUREN DER WELT. ZUGÄNGE, MODELLE, ANALYSEN EINES KONZEPTS IM ÜBERGANG, HEIDELBERG, WINTER (BEITRÄGE ZUR NEUEREN LITERATURGESCHICHTE, 376), 2018, 495 S.

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Elena Messner
ldm45178-1790233
DOI 10.2357/ ldm-2020-0038 233 Comptes rendus Marie-Odile Germain, dans „Quelques notes sur l’histoire du ‚fonds Aragon‘“ (125- 127) fait le bilan des „différents avatars de son aventureuse existence“, et Olivier Wagner, son collègue du Département des Manuscrits de la BNF , s’entretient avec Luc Vigier sur „les gisements oubliés du fonds Aragon/ Triolet“ (83-88). Le conservateur évoque „une tendance lourde de la recherche en sciences humaines“ qui menace la pratique de la critique génétique, „une exigence de rapidité et d’accès immédiat“ (84). Si les documents ne sont pas accessibles sous forme numérisée, ils sont souvent délaissés, faute de temps et de persévérance. Ce dossier Aragon de la revue Genesis donne un bel aperçu de l’importance du fonds d’un des plus grands écrivains français du XX e siècle et de l’état actuel et des moyens de la critique génétique dont le développement fut en partie lié à la donation d’Aragon en 1977 - on ne s’étonnera pas que le texte de Marie-Odile Germain date du cinquantenaire de l’ ITEM en 2018. Les contributions montrent possibilités et limites de cette approche qui privilégie les „avant-textes“, elles permettent de pénétrer „l’atelier“ d’un écrivain qui a érigé le mentir-vrai en concept essentiel de la/ sa littérature. La critique génétique n’a peut-être pas l’exclusivité d’„un nouveau type de légitimité scientifique“ (30), comme l’espère Pierre-Marc de Biasi, car sur ce sujet, c’est Iouri Lotman qui continue d’avoir raison: „Le modèle artistique est toujours plus large et plus vivant que son interprétation, et l’interprétation n’est toujours possible que comme approximation“. 4 Mais l’approximation (génétique), sans pour autant pouvoir reconstituer „l’expérience et la connaissance de notre temps dans son ensemble“, voulues par le donateur, nous permet cependant des interprétations plus larges et plus vivantes, impossibles sans elle. De l’avoir prouvé par l’exemple et à partir de perspectives diverses et complémentaires et de l’avoir excellemment illustré est le grand mérite de ce dossier. Wolfgang Asholt (Osnabrück/ Berlin) ------------------ PATRICIA A. GWOZDZ / MARKUS LENZ (ED.): LITERATUREN DER WELT. ZUGÄNGE, MODELLE, ANALYSEN EINES KONZEPTS IM ÜBERGANG, HEIDELBERG, WINTER (BEITRÄGE ZUR NEUEREN LITERATURGESCHICHTE, 376), 2018, 495 S. Gegen den Singular, so ließe sich die Ausgangsidee des 495 Seiten starken, von Patricia Aneta Gwozdz und Markus Alexander Lenz herausgegebenen Sammelbandes Literaturen der Welt auf einen Leitspruch zusammenführen. Denn diese Idee besteht darin, wie der Untertitel es auch festhält, sich auf „Zugänge“, „Modelle“ und „Analysen“ (hier dominiert der anvisierte Plural) eines „Konzepts im Übergang“ (hier wird auf den Singular zurückgegriffen) zu fokussieren. Diesem Bekenntnis zum Plural, zur Vielfalt, Vielstimmigkeit oder Komplexität hinsichtlich theoretischer Konzeptionen und Modelle schließen sich alle Beiträge des Bandes an, wie auch die meisten 4 Iouri Lotman, La structure du texte artistique, Paris, Gallimard, 1973, 114. 234 DOI 10.2357/ ldm-2020-0038 Comptes rendus darunter eine explizite Auseinandersetzung mit der zentralen Fragestellung des Bandes verfolgen. Der 2018 publizierte Sammelband schreibt sich in die internationale Debatte rund um den Begriff der ‚Weltliteraturen‘ ein, die der Realität von weltweiten Migrationsprozessen (auf AutorInnenseite), verstärkte Transmedialität bzw. Digitalisierung (die Produktionsseite betreffend) und globalisierten Zirkulationsprozessen (die Distribution, Rezeption bzw. den Konsum von Literaturen betreffend) sowie deren Folgen für die literaturwissenschaftliche Theoriebildung beizukommen versucht. In der Einleitung weisen der Herausgeber und die Herausgeberin darauf hin, dass der Band auf eine kritische Fundierung einer pluralisierenden Öffnung der Literaturwissenschaften auf die „Literaturen der Welt“ abzielt und nicht darauf, einen „vereinheitlichenden Singular“ als Normierungs- oder Kanonisierungs-Kategorie festzulegen. Sie formulieren auch explizit, dass das „Sprechen und Schreiben von Literatur im Singular, das im deutschsprachigen Raum als lange bekannte Problematik diskutiert wurde, in seiner politischen Relevanz für die weitere Homogenisierung eines diskursiven Weltzusammenhangs, der global zum größten Teil in englischer Sprache aufrechterhalten wird, noch nicht voll erkannt worden zu sein“ scheint, zumindest nicht „in vielrezipierten anglo-amerikanischen und französischen Publikationen“. In diesem Zusammenhang betonen Herausgeber und Herausgeberin auch die Momente der „Relationalität und Erweiterung“, im Gegensatz zur bloßen Bestätigung eines bereits etablierten geistesgeschichtlichen Kanons. Im Einleitungstext geben sie einen knappen Überblick über jüngste Modelle und global rezipierte Aktualisierungen des Begriffs der ‚Weltliteratur‘, etwa das Konzept der ‚World Literature‘ oder ‚global literature‘ (D. Damrosch), der ‚république mondiale des lettres‘ bzw. des ‚international literary space‘ (P. Casanova), oder Überlegungen von G. Sapiro und J. David. Sie erwähnen auch die Verwendung des Begriffs ‚Literaturen der Welt‘ in nicht-akademischen Zusammenhängen (W. v. Einsiedel, W. Rössig), die keine konzeptionelle oder theoretische Absicht hatten. Des Weiteren werden theoretische Überlegungen und Reflexionen, des Komparatisten Ottmar Ette zitiert, nicht zuletzt jene zu ‚Literaturen ohne festen Wohnsitz‘, ein Begriff, der zum geflügelten Wort geworden sind. Da der Band Ette auch gewidmet ist und die Beiträge auf eine 2016 abgehaltene Jubiläums-Konferenz zu seinem 60. Geburtstag zurückgehen, wird das Buch außerdem mit einer von Dieter Ingenschay berührendpersönlich verfassten „Hommage“ an Ottmar Ette abgeschlossen, die den Titel „Von der selva negra nach Sanssouci: Stationen einer vita activa“ trägt (467sqq.). Dem Jubilar sind auch einzelne Texte ausdrücklich gewidmet, zudem beziehen sich viele der Artikel explizit auf sein Theorie- und Gedankengebäude. Die erste Sektion des Bandes widmet sich der ‚Weltliteratur‘ als historischem Begriff. Eingeleitet wird sie durch einen Aufsatz von Andreas Keller, der diesem - ausgehend von seiner goetheschen Prägung - mit einem (Rück-)Blick in die Frühe Neuzeit nachspürt. Es folgt der Beitrag Wolfgang Asholts, in dem er die Frage zu beantworten versucht, ob Literaturen der Welt avantgardistisch sein können bzw. ob die Avantgarde in Kanonisierungsversuchen der zu globalen oder auch zu postkolonialen Literaturen Forschenden ihren Platz findet. Die einleitende Sektion wird von DOI 10.2357/ ldm-2020-0038 235 Comptes rendus Joseph Jurts Aufsatz abgeschlossen, der deutlich macht, dass für die im Band geführte Debatte Goethes Prägung des Begriffs immer noch ein maßgeblicher Referenzpunkt bleibt. Jurt arbeitet die Entstehung und Ausgestaltung dieser Idee einerseits im Hinblick auf Goethes persönliche geistige Entwicklung heraus, etwa im Kontext seiner Zusammenarbeit mit der französischen Zeitschrift Le Globe, die für seine Idee der ‚Weltliteratur‘ wichtig war; aber auch im Hinblick auf die kulturellen und politischen Gegebenheiten bzw. kursierenden Ideen im damaligen Deutschland, etwa die vorherrschende Vorstellung einer „Übersetzer-Nation“ Deutschland (68), oder der „weltbürgerlichen Dimension der deutschen Klassik“ (70). Die zweite Sektion mit dem Titel „Macht: Politiken der Literatur(Wissenschaft) und globale Hierarchien der Literatur“ rückt Machtstrukturen bzw. globale Hierarchien in den Vordergrund. Die Betrachtungen von Markus Messling fokussieren u. a. auf Edouard Glissants oder Ottmar Ettes theoretische Überlegungen zu Globalisierungsprozessen sowie auf die Romane von Thomas Lehr oder der Kamerunerin Léonora Miano. Der Beitrag von Gesine Müller thematisiert die internationale bzw. globale Rezeption und die globalen Mechanismen der Distribution und Zirkulation des Werkes von Gabriel García Márquez in Spanien, Frankreich, den USA sowie in Indien und in China. Claude Coste setzt den Schwerpunkt auf historisch bedingte, postkoloniale (Stichwort: Frankophonie) bzw. auf ökonomisch bedingte Marginalisierung von Sprachräumen. Zudem gibt Susan Arndt in dieser Sektion eine spannende kritische Relektüre kanonischer Texte wie etwa Aristoteles’ Theorie der Sklaverei, Eschenbachs Parzival, ein Text, der als Markierung christlicher Symbolik der Hautfarbe interpretiert wird, oder Shakespeares The Tempest, ein Text, den sie aus dem Blickwinkel der Postcolonial Studies interpretiert. Auch eine kurze parallele Lektüre der kritisch-literarischen Beschäftigung mit Shakespeare-Texten durch eine Autorin wie Zadie Smith wird hier thematisiert. Anne Kraume legt im darauffolgenden Beitrag einen Fokus auf die inhaltlich-thematischen Aspekte von Literaturen der Welt - und zwar sowohl in (reise-)literarischen oder auch performativen Werken von Milo Rau, Mario Varga Llosa, Joseph Conrad, André Gide und Éric Vuillard. Die Annäherungen dieser Autoren an südamerikanische oder afrikanische kolonisierte Länder werden als künstlerische Reflexion über die Ursachen und Folgen globaler Handelsbeziehungen an der Schnittstelle von Kolonialismus, Imperialismus, Ausbeutung und Krieg interpretiert. Es folgt die Sektion „Sprache: Welten-(Über)-Setzer“, in der alle Beiträge Fragen nach Sprache, Übersetzungen und Neuinterpretationen thematisieren, dabei mit dem Schwerpunkt auf hispanophone Literatur, der sich den Forschungsschwerpunkten des Jubilars Ette verdankt. Hier finden sich im Beitrag von Julio Ortega, der von der Herausgeberin Gwozdz übersetzt wurde, Analysen zu Inca Garcilaso; deutsche Übersetzungen von Márquez’ Hundert Jahre Einsamkeit werden im Beitrag von Albrecht Buschmann thematisiert. Und im Beitrag von Liliana Weinberg, übersetzt von Markus Lenz und dezidiert Ottmar Ette gewidmet, wird auf Alfonso Reyes’ Notas sobre la inteligencia americana fokussiert. 236 DOI 10.2357/ ldm-2020-0038 Comptes rendus Die vierte Sektion, „Vergleich: Relationale Lektüren und das rhizomatische Wissen der Texte“, umfasst Beiträge an den Schnittstellen zwischen Literaturen und bildenden Künsten, wobei kunst-, medien- oder auch medizinwissenschaftliche Aspekte in den Vordergrund treten. Die Sektion wird vom Beitrag der Herausgeberin Gwozdzd eingeleitet. Sie zentriert diesen rund um ein close reading der Texte von William Faulkner und José Lezama Lima und zeigt auf, welche (Bedeutungs-)Schichten sich durch Berücksichtigung anatomischer bzw. medizinhistorischer, aber auch mathematischer oder physikalischer Bezüge, in Verbindung mit bild-, geistes- und kunstwissenschaftlichen Theorien in Texten freilegen lassen. Hans-Peter Wagner untersucht Herman Melvilles Klassiker Moby Dick unter Einbeziehung von kunst- und medienwissenschaftlichen Aspekten, wobei ihm der Rhizom-Begriff als roter Faden einer netzwerktheoretischen und von visuellen Darstellungen inspirierten Literaturanalyse dient. Es folgt der Beitrag von Gertrud Lehnert, der bereits im Titel eine kreative Verknüpfung von ‚querem‘ Text und ‚Queer‘ als Analysekategorie vornimmt. Am Beispiel von Jeannette Wintersons Written on the Body und Anne Garrétas Sphinx geht sie der Frage nach, wie ‚queer‘ als narratives Ereignis realisiert werden kann (und zwar nicht nur als Thema, sondern als integrales Element des Erzählens). Dem lässt sie Beispiele aus Kunst und Literatur folgen, die sich den Praktiken der Löschung, der Imitation, der Kopie und der Maskerade verschrieben haben. Darunter finden sich auch Anwendungsbeispiele, die sich selbst nicht als queere Kunstproduktion definieren, etwa Kunst oder Literatur von Robert Rauschenberg und Elizabeth Barrett Brownings Sonette, die (selbst vorgebend, Übersetzungen zu sein) später zunächst in transformierender Übersetzung von Rilke ‚imitiert‘ und schließlich von Christian Hawkey und Uljana Wolf kreativ und verrätselnd-parodistisch umgeschrieben wurden. Ein letzter Beispieltext ist Michalis Pichlers Appropriierung von Mallarmés Gedichten. Julian Drews schließt diese Sektion mit einer systemtheoretisch inspirierten Analyse ab, die auf Intermedialität bzw. auf Film und Kunst fokussiert. In der letzten Sektion des Bandes, „Raum: Architektur und Bewegung literarischer Landschaften der Theorie“ rückt die Analyse spatialer Konfigurationen von Literatur in den Vordergrund, und zwar im zweifachen Sinne: es wird sowohl die Frage danach gestellt, wie sich der Raum auf Literaturen, aber auch, wie Literaturen selbst dynamisierend auf den Raum wirken können. Diesen Buchabschnitt leitet der Jubilar Ottmar Ette mit einem Beitrag zur Konzeption einer „Landschaft der Theorie“ ein, die er auf lustvoll theoretischen, geradezu literarischen Überlegungen zu einer „Landschaft des Meeres“ bzw. zu „überfluteten Landschaften der Karibik“ gründet (letztere finden sich auch im Titel des Beitrags festgehalten). Es folgt der Artikel von Corinne Fournier Kiss in Übersetzung von Florian Berger, die eine vergleichende Lektüre des poetischen Innenraums als Emblem der Krise des Wohnens bei Balzac und Bulgakov gibt, und jener von Jean-Marc Besse in Übersetzung von Markus Lenz mit seiner Problematisierung des Landschaftsbegriffs bzw. der Historizität von Raumorganisation, allesamt Fragen, die er mit Fokus auf Alexander von Humboldt stellt. Franck Hofmann kommt mit einem Fokus auf architekturphilosophische Konzepte zu DOI 10.2357/ ldm-2020-0038 237 Comptes rendus Wort. Yvette Sánchez liefert Überlegungen zu transarealen Kommunikationsprozessen am Beispiel des Fußballstadions und Patrick Suter solche zu einem dynamischen Raumbegriff im Schreiben Michel Butors. Insgesamt ermöglicht der Band folglich eine kreative, vielseitige Auseinandersetzung mit theoretischen Modellen zu globalisierten Literaturprozessen oder der Literarisierung des Globalen. Allerdings: So sehr der Band sich dafür einzusetzen versucht, dass die Schlüsselbegriffe des ‚Weltliterarischen‘ nicht mehr dazu dienen mögen, bloß bestätigend-affirmative und konservierend-kanonisierende Prozesse im Sinne der Etablierung eines ‚Best-of‘-Prinzips zu vertreten, so wenig kommt er in einem zentralen Punkt über die bloße Ausformulierung seiner Ziele hinaus. Leider sind nämlich die Erweiterung bzw. die Sichtbarmachung von durch Marginalisierung global unsichtbar gemachter Literaturen nur bedingt eine Stärke des Bandes. Denn die vertretenen BeiträgerInnen wirken und werken allesamt im sog. westeuropäischen Feld bzw. sind vorrangig WissenschaftlerInnen, die aus dem deutsch-, französisch-, spanisch- oder englischsprachigen Feld stammen. So bleibt das Versprechen, das Vorwort und Klappentext geben, nur teilweise erfüllt, denn es gelingt dem Band nicht, seine zur zentralen Fragestellung erhobene Problematik in der Form auch selbst umzusetzen, wie er es intendiert, etwa den Blick weg von dominierenden Feldern und Konzeptionen, hin auf sog. ‚kleinere Sprachen‘ der sog. ‚Peripherie‘ und auf als marginalisiert oder peripher erlebte Kultur- oder Literaturräume zu lenken. Als Beispiel sei der geografisch sich in Europa weithin erstreckende slawischsprachige Raum (bzw., philologisch formuliert, die slawistisch fokussierten Disziplinen) zu nennen, der im Band weder in Form von zitierten Konzepten oder Theorien noch in Form von Anwendungsbeispielen Eingang findet - mit Ausnahme des Beitrags von Kiss, die als einzige Komparatistin im Band neben der romanistischen auch eine slawistische Ausbildung hat und in ihrem Beitrag auf Bulgakovs internationalen Klassiker und Bestseller fokussiert. Dabei gäbe es gerade in der russischen, aber auch in der zentral- und südosteuropäischen Literatur- und Kulturwissenschaft innovative Rezeptions- und Reaktualisierungsprozesse des Begriffes der ‚global literatures‘ zu beobachten, die konstruktiv verfolgt wurden. Ansätze von aus der Slawistik erwachsenden Debatten werden etwa von Susi K. Franks Arbeiten zum (post-)sowjetischen Weltliteraturdiskurs bzw. zu Postkolonialismus und den slawischen Literaturen, oder im 2018 von Diana Hitzke und Miriam Finkelstein herausgegebenen Band Slavische Literaturen der Gegenwart als Weltliteratur. Hybride Konstellationen (Innsbruck University Press) diskutiert, in dem vorrangig slawisch-deutsche Texte nach Kategorien wie Mehrsprachigkeit, Zirkulation, Übersetzung und Transkulturalität oder Verflechtung analysiert werden. Zudem fällt insbesondere das Fehlen von BeiträgerInnen aus dem asiatischen und afrikanischen Raum bzw. aus den Asien- und Afrikawissenschaften auf. Literatur aus afrikanischen Ländern etwa wird fast ausschließlich unter dem Blickwinkel der Frankophonie ins Zentrum gerückt, z. B. in den Beiträgen von Coste; und der Kontinent selbst rückt nur gefiltert durch europäisch-komparatistische Perspektiven ins 238 DOI 10.2357/ ldm-2020-0039 Comptes rendus Bild, etwa in Form von Analysen deutsch- oder romanischsprachiger Texte zu diesem Kontinent, z. B. im Beitrag von Kraume. Durch die starke Fokussierung auf westeuropäische Kontexte bleibt der Begriff des ‚Weltliterarischen‘ hier auch in einem westeuropäisch-abendländischen und christlichen framing verhaftet. Der Band reproduziert die Logiken des globalen Marktes und die hegemonialen Verhältnisse zwischen literarischen Feldern, die sich auch in den hierarchischen Verhältnissen zwischen traditionellen akademischen (west-) europäischen Disziplinen widerspiegeln. Er leistet somit kaum Widerstand gegen die Unsichtbarmachung einer enormen Zahl an Philologien bzw. Literaturen oder Sprachen. Zudem werden, wenn auch oftmals aktualisierend bzw. dekonstruierend gelesen, zu einem großen Teil Werke männlicher Autoren besprochen, die eine durch Jahrhunderte andauernde Kanonisierung Fixbestandteile einer Kunst-, Philosophie- und Literaturgeschichte geworden sind, wodurch zusätzlich der Eindruck erhalten bleibt, das ‚Weltliterarische‘ bzw. die globalen Literaturen seien und blieben auf ein Geschlecht beschränkt. Umso wichtiger sind die vereinzelten gendertheoretisch versierten Beiträge im Band. Die genannten Schwachpunkte entwerten weder einzelne Beiträge noch den insgesamt spannenden und relevanten Band im Gesamten. Sie zeigen aber seine Gemachtheit bzw. seine wissenschaftliche Situiertheit als ein im westlichen Europa und im traditionell komparatistischen Kontext entstandener Sammelband auf. Dennoch: Informations- und Innovationsgrad der versammelten Beiträge sind hoch. Die konsequente interdisziplinäre Vielfalt vermittelt erfrischend neue Perspektiven und eine Pluralität im Sinne von Inter- und Transdisziplinarität ist die eigentliche große Stärke des Bandes, in dem Literatur- und Kulturwissenschaft, Historiographie, Medien- und Raumwissenschaften mit Übersetzungswissenschaft, Soziologie und Genderforschung verbunden werden. Beeindruckend ist auch die übersetzerische (Zusatz-) Arbeit, die vielen Artikeln zu Grunde liegt. Ohne dies explizit als Ziel zu formulieren, ist der Band somit auch zukunftsweisend für die Disziplin der Komparatistik, die längst als fortschrittlichste Disziplin im Hinblick auf Analysen der ‚Globalen‘ oder der ‚Welt-‘ Literaturen gilt. Elena Messner (Klagenfurt) ------------------ CARLA SCHELLE / CHRISTOPHE STRAUB / CAROLA HÜBLER / FRÉDÉRIQUE MON- TANDON / MAMADOU MBAYE (ED.): INNOVATIONEN UND TRANSFORMATIONEN IN SCHULE, UNTERRICHT UND LEHRERBILDUNG. EMPIRISCHE STUDIEN UND VERGLEICHE ZU SENEGAL, TOGO, BURKINA FASO, FRANKREICH UND DEUTSCHLAND, MÜNSTER / NEW YORK, WAXMANN, 2020, 238 S., ILL. Der Sammelband ist auf Basis einer langjährigen Kooperation und eines internationalen Kolloquiums zu Innovation und Transformation in Schule, Unterricht und Lehrerbildung im frankophonen Nord- und Westafrika entstanden, das 2018 an der