eJournals lendemains 45/180

lendemains
ldm
0170-3803
2941-0843
Narr Verlag Tübingen
10.2357/ldm-2020-0044
Es handelt sich um einen Open-Access-Artikel, der unter den Bedingungen der Lizenz CC by 4.0 veröffentlicht wurde.http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/121
2020
45180

„Dreifach hält besser“

121
2020
Christoph Oliver Mayer
ldm451800027
DOI 10.2357/ ldm-2020-0044 27 Dossier Christoph Oliver Mayer „Dreifach hält besser“ Zur indirekten Rezeption Didier Eribons über die Werke von Édouard Louis und Annie Ernaux Didier Eribons autobiographischer Text Retour à Reims, der 2009 erstmals auf Französisch erschienen ist, wurde erst im Jahr 2016 in deutscher Übersetzung veröffentlicht (Eribon 2009, 2016) und entfaltete zu diesem Zeitpunkt eine gewisse Öffentlichkeitswirksamkeit, weil er den damals virulenten Erfolg rechtspopulistischer Parteien in Frankreich und Deutschland für ein linkes Publikum zufrieden stellend erklärte. Noch mehr Jahre, nämlich ganze 20, trennen die Erstausgabe der Réflexions sur la question gay und ihre deutsche Erstübersetzung (Eribon 1999, 2019). Bedingt durch die Verankerung in der französischen Kulturgeschichte und durch den langen Zeitraum, der auch schon seit der Neuauflage im Jahr 2012 verstrichen war, verwundert das Unverständnis nicht, das deutsche Rezensent(inn)en über die Betrachtungen zur Schwulenfrage äußerten. Dierk Saathoff schreibt summarisch, in einer allerdings im Großen und Ganzen doch sehr wohlwollenden Online-Rezension, in diesem Werk „zeigt sich Didier Eribon zwischen der Queer Theory, der Schwulenbewegung, der Soziologie und Michel Foucault so sehr hin- und hergerissen, dass ihm kaum ein folgerichtiger Gedanke gelingt“ (Saathoff 2020). Wer wie Didier Eribon als profunder Kenner der Werke Michel Foucaults und Pierre Bourdieus gilt, weiß sicherlich sehr wohl um die besondere Schwierigkeit der Rezeption soziologischer Werke, wie sie sich für die deutschsprachige Rezeption angesichts der noch hinzukommenden zeitlichen wie räumlichen (und sogar noch sprachlichen) Distanz auftut. Er wird sich aber auch bewusst sein, dass er selbst als Kultursoziologe im fortgeschrittenen Alter, zumal homosexuell, nur bis zu einem gewissen Grad Aufmerksamkeit für seine Themen erzielen kann, und zwar dann, wenn er die eigene Person in den Mittelpunkt rückt und sich als beklagenswertes Opfer im Zeichen der Scham inszeniert oder auf aktuelle politische Diskurse konkrete gern gehörte oder provokante Antworten parat hat. Noch erfolgreicher aber wäre er doch sicher, wäre er jung, weiblich, gutaussehend und charismatisch, im Optimalfall mit eigenem youtube-Kanal. Eribon hat dieses Dilemma jedoch anders gelöst, als er in La Société comme verdict eine Schule der literarischen Hontologie ausgemacht (Eribon 2013, 2017) und gefördert hat, die den Grundideen seines eigenen Werks eine breitere Rezeption gestattet. 1 Diese ‚Schule‘ besteht hauptsächlich aus den beiden im Weiteren näher betrachteten Erfolgsautoren Annie Ernaux und Édouard Louis. 28 DOI 10.2357/ ldm-2020-0044 Dossier 1. Der Eribon-Schüler Édouard Louis 1953 in Reims in eine typische Arbeiterfamilie hineingeboren, die Mutter eine Putzfrau, der Vater ein Fabrikarbeiter, beide Elternteile Wähler des Parti communiste, erfährt er selbst Beleidigungen aufgrund seiner Homosexualität, gelangt aber als einziger Akademiker in seiner Familie zum Studium nach Paris etc. Liest man unvoreingenommen den Debütroman von Édouard Louis, En finir avec Eddy Bellegueule / Das Ende von Eddy (Louis 2014, 2015), so könnte man den Eindruck bekommen, dass dieser Roman genau der eben skizzierten Biographie entspricht, welche jedoch Didier Eribons Leben gemäß dem Plot von Retour à Reims beschreibt. Diese Parallelität verwundert zwar ob des gehörigen Altersunterschieds zwischen dem 1992 in der Picardie geborenen Édouard Louis und dem fast 40 Jahre älteren Eribon. Es verblüfft allerdings weniger, wenn man die Widmung von En finir avec Eddy Bellegueule zu Rate zieht, wo Edouard Louis wiederum Retour à Reims als Initialzündung seines eigenen Werkes bezeichnet und damit seinem Freund Didier (Eribon) Respekt bekundet. Und es unterstreicht eine zentrale Botschaft Eribons: Proletarische Schwule aus der Provinz müssen weiterhin, auch noch im 21. Jahrhundert, ihr Heil in der Stadt suchen, sich von ihrer Familie distanzieren; sie erfahren jedoch durch ihr Schwulsein eine besondere alternative Möglichkeit der Intellektualisierung und Kulturalisierung. Sie erleiden oft Beleidigungen und körperliche Angriffe, werden also zu Opfern, sind früh sexualisiert und laufen Gefahr, sich in die passive Opferrolle drängen zu lassen oder aber unfreiwillig eine effeminierte Rolle einzunehmen - allesamt Argumente, die Eribons Réflexions sur la question gay bereits 1999 theoretisch entfaltet haben und die 15 Jahre später in En finir avec Eddy Bellegueule genauso wieder aufscheinen. Nun sind es aber nicht nur die Denkmuster, die das schwule Leben skizzieren, sondern es geht in Retour à Reims wie in En finir avec Eddy Bellegueule beide Male insbesondere um die proletarische Herkunft. Die besondere Prädisposition Homosexueller verschärft nur die Schieflage, die (nicht nur) in der französischen Gesellschaft zwischen den Klassen existiert. Wenn Didier Eribon in den Réflexions sur la question gay (Eribon 2019: 80) betont, dass der Aufstieg für Schwule in sozialen und künstlerischen Berufen nicht verwunderlich sei, zumal sie in diesen gesellschaftlichen Bereichen kaum Widerstände überwinden müssten und sie geradezu von der Gesellschaft dort hinein gedrängt würden, so heißt das andererseits: Es ist viel wahrscheinlicher, dass ein solcher Aufstieg Homosexuellen gelingt als (heterosexuellen) ‚Proletariern‘. Und der Logik des Bourdieu’schen Feldforschers folgend, der die Strukturen der Gesellschaft sehr gut kennen und durchschauen muss, wird in den Romanen das autobiographische Beispiel von schwulen Kindern bzw. Jugendlichen aus proletarischen Familien deshalb herangezogen, weil es ihnen diese Gesamtkonstellation ermöglicht, sowohl aus der Warte des betroffenen proletarischen Familienmitglieds zu schreiben als auch durch die besondere Chance der Homosexualität diese leichter zu überwinden und sie dadurch zu ergründen, theoretisch zu fassen und in einen literarischen Text zu transformieren. DOI 10.2357/ ldm-2020-0044 29 Dossier Betrachtet man den zweiten Roman von Édouard Louis, Histoire de la violence (dt. Im Herzen der Gewalt; Louis 2016 bzw. 2017), so fällt hier wiederum die Kombination aus realweltlicher persönlicher Bindung und intellektueller Verbundenheit auf. Didier (Eribon) erscheint textintern zusammen mit seinem jüngeren Lebensgefährten Geoffroy (de Lagasnerie) als das Freundespaar, bei dem der Protagonist Édouard Zuflucht nach seiner Vergewaltigung sucht, wobei die realweltliche Übertragung der Figur mit dem Vornamen Didier auf den Freund und Schriftstellerkollegen durch einen Dank im Paratext vom Autor explizit hergestellt wird. Zudem erkennt man im Werk eine Gesellschaftsanalyse, deren Bezug zu Bourdieu dort am deutlichsten hervortritt, wo auf die Kabylei als Ursprung des Vergewaltigers hingewiesen wird, jene Region, in der Bourdieu ja seine Soziologie begonnen hatte (Bourdieu 1958). Diese Verwandlung der hinter der Geschichte stehenden lebensweltlichen Realität, in welcher der von Édouard Louis angezeigte Täter tatsächlich Marokkaner war (Robert- Diard 2016), spricht Bände. Wo der Protagonist als Alter-Ego des Autors seine soziologischen Analysen in die Gedanken über das Handeln des Vergewaltigers integriert, ja sogar Rechtfertigungen für dessen Tun in seiner sozialen Schieflage und schwierigen Vergangenheit findet, tangiert er im Grunde den blinden Fleck der soziologischen Feldforschung, der darin besteht, dass diese zwar den Habitus der anderen lesen kann, aber vielleicht aus politischer Überzeugung daraus keine selbstschützenden Konsequenzen ziehen will. Der Text bzw. das Gesamtwerkt von Édouard Louis atmet allerdings nicht nur den Geist Bourdieus als gemeinsamen Referenzpunkt der literarischen Hontologie, sondern wirkt darüber hinaus durchaus als eine Fortsetzung bzw. Antwort darauf, was Didier Eribons Betrachtungen zur Schwulenfrage offenlassen oder nicht thematisieren wollten, und zwar in Gestalt von Aussagen zur schwulen Community heute: Sexdates, One-Night-Stands, Aids-Prävention etc. Diesbezüglich, also für die Kontinuität des Eribon’schen Werks, der sich vor allem auf literarische Referenzen wie Marcel Proust, André Gide und Jean Genet, aber auch auf Oscar Wilde, Michel Foucault und Hannah Arendt stützt, ist bei Edouard Louis wiederum bezeichnend, dass sich der deutsche Regisseur Thomas Ostermeier, nachdem er bereits 2017 zunächst in Manchester, dann in Berlin (Schaubühne) und 2018 auch in Hamburg Retour à Reims (Returning to Reims) auf die Bühne gebracht hatte, dann auch folgerichtig der Histoire de la violence (Au cœur de la violence) angenommen hat (Louis/ Ostermeier 2019). Die beiden Stück-Inszenierungen wirken wie zwei Akte oder zumindest zwei Bilder ein und desgleichen epischen Theaterstücks - ihre Aussage ist unisono eindeutig: Das arme schwule Opfer muss gegen die Gesellschaft ankämpfen und gerät aus diesem Grund in letztlich relativ harmlose, da gut ausgehende Schwierigkeiten - eine verzögerte universitäre Karriere und das melancholische Leid eines verhinderten Familienglücks (im Falle Eribons) bzw. eine Gewalterfahrung und die Vereinsamung fern der Familie (im Falle von Édouard Louis, der das Weihnachtsfest mit einem Fremden im Bett statt mit der Familie unterm Tannenbaum verbringt), aus der der Protagonist allerdings dann doch recht unbeschadet 30 DOI 10.2357/ ldm-2020-0044 Dossier hervorgeht, auch weil er als Intellektueller in der Lage ist, seine Erfahrung schriftstellerisch zu therapieren und weil er, gesellschaftskritisch eingestellt, das ihm Widerfahrene nicht einfach nur persönlich nimmt. Er sucht die Ursachen und Erklärungen für das gewalttätige Verhalten des Täters ebenso wie für die intolerante Gesellschaft; er überwindet zugleich eine mögliche Scham und das aus ihr resultierende Verschweigen und klagt stattdessen die grausamen Strukturen an. Der dritte Roman von Édouard Louis, die Annäherung an den Vater (Qui a tué mon père; Louis 2018), mit einer noch deutlicheren Verve hinsichtlich der politischen Situation in Frankreich, knüpft zusätzlich jugendkulturell an den kanadischen Regisseur und Schauspieler Xavier Dolan, dessen Film J’ai tué ma mère (2009) im Titel anklingt und dem das Werk gewidmet ist, an. Das Werk mit dem (vielleicht etwas unglücklichen) deutschen Titel Wer hat meinen Vater umgebracht (Louis 2019) bereichert den in den beiden autobiographischen Vorgängerromanen aufgenommenen Generationendialog mit Eribon im Zeichen schwuler Subkultur um gesellschaftspolitische bzw. soziologische Theorie, ganz im Sinne der politischen wie wissenschaftlichen Positionen von Eribon, und setzt sich dergestalt nur scheinbar von seinem Mentor ab, wenn er statt der in Retour à Reims endgültig vollzogenen Abkehr vom Vater, dessen Beerdigung nicht einmal besucht wird, die Hinwendung zu dem dereinst wenig Verständnis, mittlerweile jedoch Stolz über die schriftstellerischen Erfolge des Sohns zeigenden Vater zelebriert. In Wirklichkeit erklärt sich dieses relativ kurz gehaltene Werk gerade als eine Konsequenz aus dem generationalen Wandel in der französischen Gesellschaft. Edouard Louis verkörpert eine Generation, die nicht mehr gegen die Eltern als die eigentlichen Gegner rebelliert und in diesen die Ursache für die Diskriminierung sieht. Stattdessen wird der homophobe Diskurs seiner Umwelt und Familie eindeutig mit dem sozialen Stigma identifiziert, das politisch zu bekämpfen ist. Folgerichtig sind seine Ausführungen, wie genauso diejenigen Eribons, zuvörderst gegen die neoliberale französische Politik gerichtet, also gegen diejenigen - und darauf verweist das „Qui“ im Titel -, welche den (sozialen) Tod seines Vaters verschuldet haben, und als dezidiert gesellschaftspolitische Stellungnahme zu verstehen. Das Werk von Edouard Louis reflektiert, respondiert und reaktiviert also auch hier das Œuvre von Eribon. Ist das Zufall? Oder folgt das offen jener autobiographischen Motivation, die gerade Didier Eribon bei Bourdieu als blinden Fleck benennt (Eribon 2016: 154)? 2 Einerseits natürlich ja, treten Louis und Eribon in der Öffentlichkeit doch oft ‚im Doppelpack‘ auf und nehmen konkret aufeinander Bezug, sowohl in den genuin literarischen Werken als auch in öffentlichen Lesungen und wissenschaftlichen Veranstaltungen zu Fragen der Soziologie und Politik. Diese Auftritte wollen den - ob der Altersdifferenz von vornherein etwas seltsamen - Eindruck erwecken, es handele sich um eine Beziehung auf Augenhöhe. In Wirklichkeit erscheint allerdings der Ältere, also Eribon, gleichsam in allen Positionen ursächlich und als Antriebsfaktor. Eigentlich, so kann man es als Teil der ‚Heldenlegende‘ mittlerweile auf Wikipedia nachlesen, „entdeckt“ Eribon den jungen Geschichtsstudenten Édouard an der Université de Picardie (Édouard Louis 2020). Dieser gelangt daraufhin rasch an die Rue DOI 10.2357/ ldm-2020-0044 31 Dossier d’Ulm, dann an die EHESS und ist seit 2014 der Doktorand von Eribon. Er teilt sein politisches Engagement und das des Lebenspartners von Eribon, Geoffroy de Lagasnerie; die drei sind befreundet und gelten in der Pariser Intellektuellenszene als eine Art Dream-Team (Binswanger 2019). Diese positive Lesart ersetzt auch andere, nicht so schmeichelhafte oder gar bösartige Spekulationen über den Aufstieg von Édouard Louis, Erzählungen, wie sie andere Autoren zumindest unter der Hand kolportieren oder wie sie zwischen den Zeilen gelesen werden können. 3 An solchen Gerüchten mag Neid und Missgunst, mit Bourdieu gesprochen: ein Versuch, Positionen im Feld ‚mit dem Ellbogen‘ zu entscheiden, mitspielen (Bourdieu 1992); eine solche trajectoire und die blitzartige Karriere aus den tiefsten proletarischen Tiefen verwundert aber so oder so. Wie viele Studierende gibt es denn, die sozusagen ‚von null auf hundert‘ Sammelbände mit Autoren und Autorinnen internationaler Prominenz herausgeben können? Wenn gerade hinter dem hier angesprochenen, 2013 bei PUF erschienenen und 2016 nochmals aufgelegten Sammelband wiederum der Name Bourdieu aufblitzt - der Titel lautet Pierre Bourdieu. L’insoumission en héritage (Louis 2013), so vereint dieses Interesse an Bourdieu Eribon, Geoffroy de Lagasnerie und auch Annie Ernaux (neben Arlette Farge, Pierre Bergounioux, Frédéric Lordon und Frédéric Lebaron) und kreiert so etwas wie eine literarische Schule, die im Anklang an die treffenden Ausführungen in Retour à Reims als Literatur der Hontologie bezeichnet werden kann. Da sich Bourdieu gerade auch intensiv mit den Mechanismen des literarischen Feldes auseinandergesetzt hat (Bourdieu 1992) verwundert es nicht, wie geschickt Eribon und Co. sich eine neue Position im Feld erobern und damit kommerziell wie auch bei der Literaturkritik erfolgreich sind, also kulturelles Kapital anhäufen. Sie haben es sehr gut verstanden, wie sich eine solche literarische Strömung gemeinsam erfolgreicher etablieren lässt, wie man die eigenen Ideen mit Verve dergestalt in die öffentliche Debatte einführen kann. Ohne an dieser Stelle genauer über die konkreten Mechanismen sprechen zu wollen, die in Interviews, in der gezielten Nutzung sozialer Medien, im Einbringen in öffentliche Debatten etc. bestehen, ist die gezielte Vernetzung als literarische Strömung das besondere Charakterisitikum. Die Texte der Bourdieu-Schüler(innen) zeichnen sich dabei aus durch ihre dezidiert expressive Dimension. 4 Oder: „Selon Didier Eribon, le temps est venu de subvertir un ordre social racialisant, profondément inégalitaire et ethnonationalitaire à travers la synchronisation des temporalités hétérogènes des divers mouvements sociaux et la convergence des résistances à l’ordre établi“ (Boccara 2013). 2. Eribons geistige Schwester Annie Ernaux In einem anderen Werk Eribons, Gesellschaft als Urteil. Klassen, Identitäten, Wege (2013 auf Französisch und im Oktober 2017 auf Deutsch erschienen; Eribon 2017) geht es einmal mehr um Bourdieu und Foucault, aber eben auch um Annie Ernaux (geb. 1940 in Lillebonne, aufgewachsen in der Normandie in Yvetot). In diesem Werk 32 DOI 10.2357/ ldm-2020-0044 Dossier bekommt die literarische Hontologie dann auch ihren Namen. Eribon definiert die Strömung durch die Schilderung einer „Selbstanalyse“ zur Überwindung der „sozialen Scham“ und es fällt auf, dass in seiner literaturwissenschaftlichen Abhandlung das Werk von Annie Ernaux nicht nur sehr gut wegkommt, sondern als vorbildlich für diese Art der von ihm und Louis gepflegten literarischen Gesellschaftsanalyse gilt, was die Literaturwissenschaft in Gestalt von Isabelle Charpentier längst genauso für Ernaux beschrieben hat. 5 Annie Ernaux’ Lebenslauf weist durchaus Parallelen zu dem von Eribon und Louis auf. Sie ist sozusagen der Ausweis dafür, dass die literarische Hontologie sich nicht vordergründig oder ausschließlich auf die Schwulenfrage kapriziert. Vielmehr geht es darum, offen und ehrlich die Zugehörigkeit zu einer marginalisierten Gruppe auszusprechen und das schambesetzte Schweigen zu durchbrechen, verbunden mit gesellschaftlichen Emanzipationsforderungen und dem Versuch, den Leserinnen und Lesern tiefgründige Einsichten in das Funktionieren sozialer Ausgrenzung zu vermitteln. Annie Ernaux wird in eine Arbeiterfamilie hineingeboren, wenn auch ihre Eltern später einen kleinen Laden besitzen. Sie beschreibt in ihren zahlreichen autobiographischen Romanen das prototypische Aufwachsen eines Mädchens ihrer Generation und ihrer Schicht und die sukzessive Distanzierung von ihrer Herkunftsfamilie („J’ai perdu le dernier lien avec le monde dont je suis issue“, Ernaux 1988: 82). Sie lässt uns teilhaben an der Populärkultur der 1960er und 70er Jahre, erzählt in Les Armoires vides (1974), La Place (1992) oder Les Années (2008) über einen Zeitraum von mittlerweile 40 Jahren von ihrer Kindheit, ihrem Studium in Rouen und Bordeaux, ihrer Ehe (La Femme gelée, 1981) ihrem Beruf als Lehrerin, vor allem aber von ihrer Beziehung zu ihren Eltern und von deren Geschichte (vor allem in dem Roman mit dem bezeichnenden Titel La Honte, 2000). Die Anthologie Écrire la vie (2014) hat dann durchaus stark metapoetische Züge und entfaltet ihre Art zu schreiben. In Mémoire de fille (2016) kommt noch einmal verstärkt die politische Schlagseite zum Tragen, unterstützt sie politisch doch den Linken Mélenchon, sowohl 2012 als auch 2017 (Blin 2017). Ernaux legt im Grunde ihr ganzes Leben offen: der soziale Aufstieg (La Place), ihre Sexualität und Liebeserfahrungen (Passion simple, 1991; Se perdre, 2001; L’Occupation, 2002), ihre Umwelt (Journal du dehors, 1993; La Vie extérieure, 2000) wie auch intimste Erlebnisse wie eine Abtreibung (L’Événement, 2000) oder die Alzheimer-Erkrankung und der Tod der Mutter (Une femme, 1988) bis hin zur eigenen Krebserkrankung (L’Usage de la photo, 2005) werden ohne Voyeurismus und ohne Selbstmitleid zum Thema eines eher chronistischen Schreibens, das sich als zeitgeschichtliches Dokument versteht. Damit einher geht ein transpersonelles Schreiben, das den Mechanismus der Darstellung genauso enthüllt wie es das eigene Subjekt dekonstruiert. Die eigene trajectoire wird in dieser Art der Autofiktion gleichsam schonungslos entfaltet. 6 Kein Detail wird ausgespart und gerade das, was aus einer bürgerlichen Perspektive peinlich oder herabsetzend sein könnte und was sie, der der Aufstieg zur Schriftstellerin gelungen ist, für sich auch als solches empfunden hat, wird offen und ehrlich ausgesprochen. 7 DOI 10.2357/ ldm-2020-0044 33 Dossier Die Zielsetzung von Annie Ernaux besteht darin, ihre Autobiographie als exemplarisch-stellvertretenden und nicht nur als individuell-partikulären Fall darzustellen. Ihr transpersonelles Schreiben skizziert sie selbst als die adäquate Form, um ihr reales, individuelles Leben in eine allgemeingültige Literatur zu verwandeln: „J’avais besoin que ma réalité personnelle devienne de la littérature: c’est seulement en devenant de la littérature qu’elle deviendrait ‚vraie‘ et autre chose qu’une expérience individuelle“ (Ernaux 1993: 220). Das Ich wird somit durch den Prozess einer Selbstfiktionalisierung zur Stimme einer/ eines anderen oder gar von etwas anderem. Dahinter steckt ein klares Bekenntnis zum Engagement bzw. die Hoffnung auf eine kollektive Reaktion durch die Erkenntnis gesellschaftlicher Zu- und Umstände (Wroblewski 2020) gestern und heute. Dass dies auch Grenzen hat, zeigt sich dann in Les années, in der sie den 11. September 2001 als Beginn einer neuen Epoche und zugleich einer neuen Generation bezeichnet, für die sie weniger Identifikationspotenzial sieht. Es verwundert nun keineswegs, wie Ernaux mit ihrer „Gedächtnispolitik“ (Eribon 2017: 99) zu Eribons ‚Schwester im Geiste‘ wird, wie sie gleichsam die weibliche, heterosexuelle Seite der literarischen Hontologie mitübernimmt. Einerseits näher bei Eribon, was die Analyse der eigenen Person, die soziale Herkunft und die politische Positionierung anbelangt (cf. Hugueny-Léger 2017), ist sie andererseits durch den stringenten Einbezug der Populärkultur wiederum Édouard Louis nicht unähnlich. Eindeutig geht aus ihrer Biographie z. B. hervor, was selbst Louis verschweigt bzw. explizit offenlässt, nämlich dass die Partizipation an der Alltagskultur, am Fernsehen und an den Printmedien, die Voraussetzungen zur höheren Bildung schafft, dass ihr die Medien und die Populärkultur den Aufstieg in die intellektuelle Elite ermöglichen oder zumindest nicht verunmöglichen, vermitteln sie doch Allgemeinbildung, Sprach- und Weltwissen. Auffällig dabei ist, dass Ernaux genauso an der Hochkultur, die ihr auch, aber eben nicht nur durch die Schule vermittelt wird, wie an der Populärkultur partizipiert. Vielleicht ist es geradezu das Besondere an der Situation im Frankreich der 1960er und 70er Jahre, dass eine Trennung in kulturelle Welten, in eine dem Proletariat zugeschriebene Populärkultur und eine von den Eliten verwaltete Hochkultur so nicht existierte. Arthur Rimbauds Gedichte (Ernaux 2008: 71) oder Pierre Corneilles Dramen (Ernaux 2008: 86) stehen in der „société de consommation“ (Ernaux 2008: 121) gleichberechtigt neben Werbesprüchen, Jugendzeitungen und Kiri dem Clown. Ein Teil der eigenen Identität ist immer mit der niederen Herkunft verbunden: Der Vorteil besteht bzw. bestand aber darin, dass dergestalt und durch eine aufstiegs- und bildungsorientierte Gesellschaft zeitweise eine gewisse Wahl möglich war, welcher Kultur man zugehören will, so wie auch Eribon zeigt, dass der Schwule aufgrund seiner Andersartigkeit und seiner Zuneigung zum intellektuellen Milieu aus dem Gefangensein in der einen Welt ausbrechen kann, oder wie Bourdieu meint, dass der Feldforscher durch Einsichten in die Gesetze der Gesellschaft diese besser damit umzugehen und damit zu beeinflussen weiß. 34 DOI 10.2357/ ldm-2020-0044 Dossier Beispielhaft wird dies, wenn Ernaux in Les années berichtet, welche Musik sie als Jugendliche bevorzugte: „Les mots de Brel et de Brassens, comme cela de Piaf autrefois, désorientaient davantage comme s’ils avaient dû nous accompagner toute notre vie, même si on les écoutait plus tellement, l’un trop moral, l’autre aimablement anarchiste, qu’on préférait Renaud et Souchon“ (Ernaux 2008: 140). Während sie also eher Abstand nimmt vom Kanon der Chanson-Musik, spricht sie sich für diejenigen Sänger aus, die gegen das Bildungsbürgertum rebellierten und politische Kritik übten. 8 Den Kanon kennt sie aber trotzdem noch zusätzlich, so wie auch im Falle Eribons Proust, Sartre und Gide selbstverständliche Referenzautoren bleiben können. Um gegen den sozialen Stillstand argumentieren zu können, bedarf es eines Einblicks in alle Lebenswelten, der von unten unter gewissen Umständen, seien sie nun zeitbedingt oder habitus-spezifisch, möglich ist. Wenn er sich aber nicht mehr gleichsam selbstverständlich einstellt, muss, so Ernaux, die Literatur einspringen. 3. Die indirekte Rezeption Ein kurzer Rezeptionsbefund kann tatsächlich zeigen, wie gerade in Deutschland die Verbindung von Didier Eribon, Édouard Louis und Annie Ernaux funktioniert und wie, positiv wie negativ, ein solches kanonisches Einordnen in literarische Schulen abläuft. Ich beziehe mich auf einen schlichtweg als inkompetent zu bezeichnenden Verriss, den Thea Dorn in der ZDF-Sendung Literarisches Quartett vom 13.10.2017, einer Sondersendung anlässlich der Frankfurter Buchmesse, zum Besten gab. 9 Dabei sind es zwei Argumente, die die Gastgeberin der Sendung und Literatin Thea Dorn gegen die (wiederum sehr spät erfolgte und phasenweise qualitativ wirklich schwache und dadurch gegenüber dem Original weit abfallende) deutsche Übersetzung von Ernaux’ Les années anführt: Zum einen zweifelt sie, in völliger Unkenntnis der französischen Bildungslandschaft, an, dass eine Französin aus dem Proletariat zur Abiturientin werden konnte („Wie kommt es dazu, dass sie Abitur machen kann? “), was sie mit den anderen (ebenso ahnungslosen) Mitdiskutanten zu dem Argument entwickelt, die soziologische Selbstergründung sei eher unglaubwürdig. Sie selbst hatte zum anderen den Roman zuvor mit Ulla Hahns eher larmoyanten Romanautobiographien (TV-Sendung 07: 37) verglichen und damit Annie Ernaux explizit nicht in den später genannten Trend der für Thea Dorn negativ konnotierten (sie spricht von „politisch-französisch-links“) französischen soziologischen Selbstergründung eingereiht. 10 Auffällig ist aber, dass die Ablehnung des Werkes mit der erkannten Nähe zur literarischen Hontologie zu tun hat, die einer erzkonservativen Kritikerin wie Thea Dorn naturgemäß nicht gefallen kann (cf. Reiß 2018) und die sie augenscheinlich aber so verlegen macht, dass sie geradezu ein biestiges und recht unprofessionelles Bild abgibt, was wiederum allen drei hier betrachteten Autor(inn)en sicherlich gefallen hätte. Die These, die ich aus den beiden von Dorn hier ablehnend gebrauchten Argumenten ableite, ist nun die, dass ein an Foucault und Bourdieu geschulter Soziologe wie Didier Eribon genau die Notwendigkeit einer konzertierten Abwehr konservativer DOI 10.2357/ ldm-2020-0044 35 Dossier Kritiker erkannt hat, und gewisse Stellschrauben an der Rezeption seiner Hauptthesen ansetzen möchte, die die Werke der sogenannten literarischen Hontologie, insbesondere die von Annie Ernaux, aber erst recht das von Édouard Louis als ein großes Ganzes ausweisen, hinter dem sich Didier Eribon kongenial als Denker und Lenker erkennen lässt. Ohne behaupten zu wollen, dass, v. a. im Falle von Annie Ernaux, eine solche (Fern-)Steuerung tatsächlich vorliegt, kann jedenfalls die mediale Rezeption des Trios als eine bewusste Positionierung im literarischen Feld bzw. sogar als eine gezielte Positionierung des literarischen Feldes verstanden werden. Gerade in Deutschland funktioniert dies, vielleicht noch einfacher als in Frankreich, aufgrund des nur relativen Wissens um die französische Gesellschaft bzw. ihre zeitgenössische Debattenwie Alltags- und Populärkultur, relativ gut auch durch Provokation, Wiederholung und Frontbildung. Binswanger, Daniel, „Die Herrschenden haben Angst - und das ist wundervoll“, www.republik. ch/ 2019/ 01/ 12/ die-herrschenden-haben-angst-und-das-ist-wundervoll (publiziert 12.01.2019, letzter Aufruf 21.06.2021). Blin, Simon, „Le ‚lettré‘ Mélenchon et ses ‚têtes‘ militantes“, www.liberation.fr/ debats/ 2017/ 04/ 05/ le-lettre-melenchon-et-ses-tetes-militantes_1560748, (publiziert 05.04.2017, letzter Aufruf 21.06.2021). Boccara, Guillaume, „Pierre Bourdieu. 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Charpentier, Isabelle, „Les réceptions ‚ordinaires‘ d’une écriture de la honte sociale - Lecteurs d’Annie Ernaux“, in: Idées - La Revue des sciences économiques & sociales, 155, 2009, 19- 25. —, „Écrire pour ‚venger sa race‘ ou de l’usage littéraire stratégique de la sociologie… Le renouvellement de l’écriture ‚autosociobiographique‘ d’Annie Ernaux de Journal du dehors (1993) au ‚récit-fusion‘ Les Années (2008)“, in: Brahim Labari (ed.), Ce que la sociologie fait de la littérature et vice-versa, Paris, Publibook, 2014, 127-150. „Édouard Louis“, https: / / fr.wikipedia.org/ wiki/ %C3%89douard_Louis (letzter Aufruf 18.8.2020). „Edouard Louis: life with his brothers in arms and in spirit“, in: Le Monde in English, 17.8.2018, https: / / medium.com/ m-le-magazine-du-monde/ edouard-louis-life-with-his-brothers-in-armsand-in-spirit-99951352c1c2 (publiziert 17.08.2018, letzter Aufruf 21.06.2021). 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DOI 10.2357/ ldm-2020-0044 37 Dossier 3 Cf. die Beschreibung, wie Eribon und Louis 2011 ihr Lehrer-Schüler-Verhältnis im Fitness- Studio vertieften: „Every day, they went to the gym together“, cf. „Edouard Louis: life with his brothers in arms and in spirit“, in: Le Monde in English 17.8.2018, https: / / medium.com/ m-le-magazine-du-monde/ edouard-louis-life-with-his-brothers-in-arms-and-in-spirit-99951 352c1c2 (letzter Aufruf 21.06.2021). 4 In Anlehnung an Koschorke 2012, der Erzählungen als Erzählspiele auffasst und dabei repräsentionale und expressive Dimensionen von Texten unterscheidet: „Als Repräsentation macht sich die Erzählung scheinbar durchsichtig zugunsten der Darstellung einer (imaginierten) Welt; als Expression gibt sie Auskunft über Eigenschaften des Erzählers“ (Koschorke 2012: 87). 5 Gemeint ist hier Charpentier 2009 und Charpentier 2014. Der Begriff taucht später dann auch bei Komorowska 2017 auf. 6 Cf. Élise Hugueny-Léger, Annie Ernaux, une poétique de la transgression, Bern, Peter Lang, 2009; Danielle Bajomée / Juliette Dor (ed.), Annie Ernaux. Se perdre dans l’écriture de soi, Paris, Klincksieck 2011; Thomas Hunkeler / Marc-Henry Soulet (ed.), Annie Ernaux. Se mettre en gage pour dire le monde, Genève, Métis Presses, 2012. 7 Beispiel aus Les Années: „elles étaient interminables les années de masturbation“ (Ernaux 2008: 52). 8 Im Falle von Renaud zeigt sich das etwa bereits mit seinem ersten Erfolg 1968, „Crève salope! “. Bei Alain Souchon ist hier eher der angloamerikanische Musikeinfluss gemeint. 9 Abrufbar war die Sendung unter www.zdf.de/ kultur/ das-literarische-quartett/ das-literarischequartett-von-der-frankfurter-buchmesse-vom-13-oktober-2017-100.html (letzter Abruf 20.03. 2018). 10 Was im Übrigen noch negativer erscheint, wenn man die Eigengeschichte des Literarischen Quartetts mit einbezieht, wo Marcel Reich-Ranicki 2001 den angesprochenen Roman Ulla Hahns (Das verborgene Wort) öffentlichkeitswirksam verrissen hatte, cf. Borcholte 2001.