Digitales Lesen im Fremdsprachenunterricht
1014
2024
978-3-3811-0102-3
978-3-3811-0101-6
Gunter Narr Verlag
Manuela Frankehttps://orcid.org/0000-0001-6811-3560
Anne-Marie Lachmundhttps://orcid.org/0000-0002-6338-377X
10.24053/9783381101023
Das Lesen im digitalen Raum nimmt eine immer bedeutendere Rolle im Alltag von Fremdsprachenlernenden ein. Besonders in den sozialen Medien sind diese mit fremdsprachlichen authentischen Quellen konfrontiert, welche unterschiedliche Textsortenmerkmale und Besonderheiten aufweisen. Jene Besonderheiten können das Leseverstehen unterschiedlich stark beeinflussen, wobei besonders digitale Hilfsmittel den Verstehensprozess behindern oder unterstützen können. Der Band widmet sich den Potenzialen und Herausforderungen im Einsatz von digitalen Texten im Fremdsprachenunterricht und stellt Implikationen für eine Leseförderung und ein Strategientraining vor. Mit praktischen Hinweisen, welche Aufgabenformate sich für eine digitale Leseförderung in der Fremdsprache eignen, bietet der Band eine Grundlage für die Gestaltung von digitalen Lehr-Lern-Settings.
<?page no="0"?> Manuela Franke / Anne-Marie Lachmund Digitales Lesen im Fremdsprachenunterricht <?page no="1"?> Dr. Manuela Franke ist akademische Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Didaktik der romanischen Sprachen an der Universität Potsdam. Dr. Anne-Marie Lachmund ist Gastprofessorin für Didaktik der romanischen Sprachen an der Technischen Universität Dresden. <?page no="4"?> Manuela Franke / Anne-Marie Lachmund Digitales Lesen im Fremdsprachenunterricht <?page no="5"?> ISSN 2509-6036 ISBN 978-3-381-10101-6 (Print) ISBN 978-3-381-10102-3 (ePDF) ISBN 978-3-381-10103-0 (ePub) Die Kapiteleingangsbilder wurden von ChatGPT-4o generiert. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http: / / dnb.dnb.de abrufbar. DOI: https: / / doi.org/ 10.24053/ 9783381101023 © 2024 · Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5 · D-72070 Tübingen Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Alle Informationen in diesem Buch wurden mit großer Sorgfalt erstellt. Fehler können dennoch nicht völlig ausgeschlossen werden. Weder Verlag noch Autor: in‐ nen oder Herausgeber: innen übernehmen deshalb eine Gewährleistung für die Korrektheit des Inhaltes und haften nicht für fehlerhafte Angaben und deren Folgen. Diese Publikation enthält gegebenenfalls Links zu externen Inhalten Dritter, auf die weder Verlag noch Autor: innen oder Herausgeber: innen Einfluss haben. Für die Inhalte der verlinkten Seiten sind stets die jeweiligen Anbieter oder Betreibenden der Seiten verantwortlich. Internet: www.narr.de eMail: info@narr.de Elanders Waiblingen GmbH www.fsc.org MIX Papier aus verantwortungsvollen Quellen FSC ® C083411 ® <?page no="6"?> 1. 7 2. 11 2.1 11 2.2 12 2.3 17 3. 21 3.1 21 3.2 26 3.2.1 28 3.2.2 30 3.2.3 33 3.2.4 36 4. 39 4.1 39 4.1.1 41 Inhalt Einleitung: Warum und wozu digitales Lesen im Fremdsprachenunterricht? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (Digitales) Leseverstehen im Fremdsprachenunterricht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Grundlagen des Leseverstehens . . . . . . . . . . . Leseprozesse und Lesestrategien . . . . . . . . . . . Zur Relevanz der multiliteracies im Kontext des digitalen Lesens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Digitale Texte und ihre Lesarten . . . . . . . . . . . . . . . . Besonderheiten digitaler Texte . . . . . . . . . . . . Digitale Texte lesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Veränderte Lese- und Sehgewohnheiten . . . . Fokussierung der Konzentration und Aufmerksamkeit beim digitalen Lesen . . . . . . Einsatz von Lese- und Textverarbeitungsstrategien und Hilfsmitteln Multimodale semiotische Bewusstheit . . . . . . Arbeit mit digitalen Texten im Fremdsprachenunterricht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Überblick digitaler Textsorten zur fremdsprachlichen Lesekompetenzförderung Digitale nicht-literarische Texte . . . . . . . . . . . <?page no="7"?> 4.1.2 42 4.1.3 44 4.2 48 4.2.1 48 4.2.2 50 4.2.3 54 4.2.3 63 5. 69 6. 73 6.1 73 6.2 75 7. 79 Digitale literarische Texte . . . . . . . . . . . . . . . . Sonderfall: Social-Media-Beiträge und instant-messages . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Implikationen für den Fremdsprachenunterricht . . . . . . . . . . . . . . . . . Zielvorstellungen einer digitalen fremdsprachlichen Lesekompetenz . . . . . . . . . Aspekte der Textauswahl . . . . . . . . . . . . . . . . Didaktisch-methodische Entscheidungen zur Förderung des digitalen Lesens . . . . . . . . . . . . Sonderfall: Social-Media-Beiträge lesen . . . . . Fazit oder Plädoyer für eine Didaktik des digitalen Lesens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Unterrichtspraktische Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . Umgang mit Hyperlinks reflektieren (ab A2) Quellen kritisch reflektieren (ab B1) . . . . . . . . Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 Inhalt <?page no="8"?> 1. Einleitung: Warum und wozu digitales Lesen im Fremdsprachenunterricht? Der digitale Wandel in Schule und Gesellschaft hat ne‐ ben technischen Neuerungen und Auswirkungen auf ex‐ terne Kommunikationsmodi auch einen tiefgreifenden ge‐ sellschaftlichen Wendeprozess zufolge, der stark veränderte Kulturtechniken, Arbeits- und Rezeptionsweisen nach sich zieht. Mit der Technologisierung, (Massen-)Medialisierung und Globalisierung treten auch Aspekte der Mehrsprachig‐ keit und Diversität in den Fokus, die laut Kerschhofer-Puhalo (2018: 164) nicht nur aktuelle Entwicklungen und gesellschaftlichen Wan‐ del, sondern auch die veränderten Anforderungen an das Bil‐ dungswesen und die Gestaltung schulischer Leseförderung cha‐ rakterisieren. Die in den aktualisierten Bildungsstandards für die erste Fremdsprache neu eingeführte „fremdsprachenspezifische digitale Kompetenz“ (KMK 2023: 25) trägt diesem Umstand ebenfalls Rechnung und ist eng an die Lesekompetenz gekop‐ pelt. Diese ist für eine erfolgreiche Partizipation im digita‐ len Raum von zentraler Bedeutung, denn das Erlernen des Lesens spielt eine entscheidende Rolle in der Entwicklung eines Individuums und ist essenziell für die soziale, kogni‐ tive und persönliche Entfaltung. Eine solide Lesefähigkeit <?page no="9"?> trägt zur langfristigen gesellschaftlichen Handlungsfähigkeit bei, fördert das Urteilsvermögen und beeinflusst die soziale Interaktion (auch im digitalen Raum). Des Weiteren unter‐ stützt sie die Kritik- und Reflexionsfähigkeit und befähigt dazu, komplexe Themen aus verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten. Lesen wird daher als ein wichtiger Indikator für Bildungsniveau, schulischen Erfolg und Quelle lebenslangen Lernens angesehen. Es gilt als eine Schlüsselqualifikation, die fächerübergreifend relevant ist und eine Voraussetzung für die kompetente Nutzung verschiedener Medien darstellt (vgl. u.-a. Artelt & Schlagmüller 2004: 141; Oakhill et al. 2015). In unserer von digitaler und multimedialer Kommunika‐ tion geprägten Welt gewinnt das digitale im Wettstreit mit dem analogen Lesen stetig an Relevanz, da Jugendliche den primär textbasierten virtuellen Raum sowohl in ihrem au‐ ßerschulischen Alltag als auch für formelles Lernen lesend betreten und in diesem bestehen müssen (vgl. JIM-Studie, MPFS 2023). Wie die PISA-Sonderauswertung zum Lesen im 21. Jahrhundert (OECD 2021: 4) ganz zentral ergab, resultiert eine höhere Kontaktzeit mit digitalen Texten jedoch nicht automatisch in einer ausgeprägten Lesekompetenz. Für deut‐ sche Jugendliche offenbarte sich das digitale Lesen sogar als Hemmnisfaktor beim Aufbau einer ausgeprägten Lesekom‐ petenz, woran sich die Unterschiede zwischen digitalem und analogem Lesen manifestieren (siehe diesbezüglich Kapitel 3). Nachdem jahrzehntelang die Digitalisierung der Bildung - nahezu ohne Gegenwind - flächendeckend gefordert wurde und die Trägheit des Einzugs digitaler Geräte in deutsche Schulen immer wieder öffentlich breit geführte Debatten be‐ feuerte, zeigt sich nun immer häufiger eine kritische Distan‐ zierung hinsichtlich jener Überzeugungen, die nicht zuletzt mit den Empfehlungen von Schwedens Karolinska Institut zur nationalen Digitalisierungsstrategie des Bildungswesens (2023) in einer drastischen Abkehr von diesen mündete. 8 1. Warum und wozu digitales Lesen im Fremdsprachenunterricht? <?page no="10"?> Lange galt das schwedische Beispiel als Vorreiter für digitale Bildung: mit einem Verzicht auf Papier und Buch sollte eine „Bildung der Zukunft“ ab Schuleintritt ermöglicht werden, jedoch treten mit zunehmender Datenlage die Probleme und negativen Auswirkungen auf das Lernen und hier insbeson‐ dere auf die Qualität des Leseverständnisses in den Vorder‐ grund. Nicht nur für Schweden, sondern den gesamten OECD- Raum gültig, mangele es aktuell noch an didaktischen Kon‐ zepten und einer flächendeckenden Vermittlung digitaler Lesekompetenz, wodurch sich die Leseleistungen insgesamt eher verschlechterten (vgl. OECD 2021; auch Stavanger Declaration 2019). Die Auswirkungen erstrecken sich auf alle Sprachfächer, erhalten jedoch mit Blick auf den Fremd‐ sprachenunterricht eine besondere Brisanz, stellt doch das Leseverstehen die Lernenden aufgrund häufig geringerer Kenntnisse der sprachlichen Mittel vor besondere Herausfor‐ derungen, was die Vermeidung der Lektüre in der Fremdspra‐ che zufolge haben kann (vgl. u.-a. Höfler & Aspalter 2024). Der vorliegende Band möchte sich statt für einen Rück‐ gang zum gedruckten Buch für einen ausgewogenen, zielge‐ richteten Ausbau der digitalen fremdsprachlichen Lesekom‐ petenz stark machen, der die Potenziale und Grenzen des digitalen Raums reflektiert und berücksichtigt. Dabei sollen neben der Notwendigkeit der Förderung einer spezifischdigitalen Lesekompetenz besonders deren Schwierigkeiten in der Umsetzung im Klassenraum skizziert werden, um für die Herausforderungen in der methodisch-didaktischen Aufbereitung von Lehr-Lern-Arrangements zu sensibilisie‐ ren. Diese funktional und adressatengerecht zu planen und umzusetzen, setzt jedoch ein tiefgreifendes Verständnis für die veränderten Lese- und Sehgewohnheiten im Digitalen voraus, denen im Folgenden nachgegangen wird. Hierzu werden unter 2. zunächst die Grundlagen des Leseverstehens 1. Warum und wozu digitales Lesen im Fremdsprachenunterricht? 9 <?page no="11"?> im Fremdsprachenunterricht im Zusammenspiel aus Analog und Digital einhergehend mit dem Konzept der multiliteracies vorgestellt, um anschließend unter 3. Eigenschaften digita‐ ler Texte und deren Leseweisen zu diskutieren. Anhand des veränderten Einsatzes von Lesestrategien im digitalen Raum werden potenzielle Ablenkungsmechanismen präsen‐ tiert und mithilfe aktueller Studien eingeordnet, inwiefern sich diese auf das Leseverstehen auswirken können. Kapitel 4 führt die Erkenntnisse zu Implikationen für den Fremdspra‐ chenunterricht zusammen, indem Hinweise zur Auswahl von digitalen Texten und deren didaktischer Aufbereitung zum Aufbau einer fremdsprachlichen digitalen Lesekompetenz angeführt werden. Nach einem die Ergebnisse des Theorie‐ teils zusammenfassenden Fazit, das sich als Plädoyer für eine Didaktik des digitalen Lesens versteht, wird anhand zweier Beispiele aus der Unterrichtspraxis verdeutlicht, wie die digitale Lesekompetenz im fremdsprachlichen Unterricht geschult werden kann. 10 1. Warum und wozu digitales Lesen im Fremdsprachenunterricht? <?page no="12"?> 2. (Digitales) Leseverstehen im Fremdsprachenunterricht 2.1 Grundlagen des Leseverstehens Beim Lesen handelt es sich um eine zielgerichtete, selektive und antizipatorische Aktivität, mit der nicht nur intendiert wird, neues Wissen zu erlangen, sondern zu kommunizie‐ ren. Dabei werden Informationen aus dem Text extrahiert und Erwartungen an diesen gestellt, die den Verlauf des Leseprozesses beeinflussen (vgl. Bergfelder & Caspari 2008: 58; Lehrner-te Lindert 2020: 15). Nordquist (2017, zit. in Lim & Toh 2020: 24) definiert in diesem Kontext digital reading als „the process of extracting information from a text that is on a digital device“ wie beispielsweise Computer, Tablet, Smartphone und e-reader. Da sie eingebettet in ein webbasiertes Interface sind, existieren digitale Texte immer in einem modularen Netz zu anderen Texten - erkenntlich u. a. an der Praxis der Hyperlinks - weshalb eher der Plural gebraucht und also von Texten bzw. Quellen die Rede sein sollte (vgl. Philipp 2018: 24). Mit der multimedialen und synästhetischen Vielfalt steigt ebenso die Menge an Inhalten, womit sich die Rezeptionsform digitaler Quellen ändert, was eine Entwicklung neuer, adäquater Lesetechniken zur Folge hat (vgl. Bender 2020: 384 bzw. vertieft hierzu Kapitel-3). <?page no="13"?> Zwischen den Lesekompetenzen in der ersten Sprache (L1) und den anschließend erlernten Fremdsprachen (L2 und L3 etc.) besteht eine deutliche Verbindung: Personen, die bereits in ihrer L1 Schwierigkeiten beim Lesen haben, weisen ähnliche Probleme beim Lesen in der L2 oder L3 auf (vgl. Rindlisbacher 2021: 56). Bereits das im ersten Leseschritt erfolgende Extra‐ hieren von kleineren Einheiten (z. B. Wörter, Morpheme und Phrasen), das durch die Identifikation der kommunikativen Funktion derselben im Kontext der gesamten Äußerung ge‐ schieht (vgl. Tomasello 2003: 41; Lutjeharms 2007: 109-112), ist in der Fremdsprache - v.-a. im Anfangsunterricht - zusätzlich erschwert. Auch das im zweiten Schritt des Leseprozesses erfolgende Erkennen von Mustern in Teilen von oder ganzen Äußerungen stellt für Fremdsprachenlernende per se eine Herausforderung dar (vgl. ebd.). Zudem unterscheidet sich die Lesesituation zwischen der Erstsprache, der erstgelernten und den zweit- oder drittgelernten Fremdsprachen im digitalen Raum, wo insbesondere Englisch als Lingua franca vorherrscht. Die Dominanz des Englischen im Digitalen kann dazu füh‐ ren, dass das Lesen in anderen Fremdsprachen vernachlässigt wird, da die Ressourcen auf das Englische gerichtet sind. In diesem Kontext wird der Umgang mit Wörterbüchern oder On‐ line-Übersetzern, die über Tablet und Smartphone auch immer mehr Einzug in den schulischen Fremdsprachenunterricht hal‐ ten (vgl. Jolley & Maimone 2022), zu einer besonders wichtigen Fertigkeit, um effektiv und zielgerichtet die Lesekompetenz in den Fremdsprachen zu verbessern. 2.2 Leseprozesse und Lesestrategien In der heutigen Informations- und Wissensgesellschaft ist die Auswahl und Prozessierung von Informationen von zentraler Bedeutung (vgl. Leupold 2007: 226). Diese erfolgt (noch) 12 2. (Digitales) Leseverstehen im Fremdsprachenunterricht <?page no="14"?> 1 Eine Erweiterung analoger Lesemodelle um Elemente des Digi‐ talen nehmen von Brand, Eikenbusch & Mues (2023: 215) in Anlehnung an Coiro (2021: 11) und Rosebrock & Nix (2017: 16) vor. Sie beschreiben die Handlungsdimensionen bei Lehr- und Lernprozessen über digitales Lesen ausgehend von den verschiedenen Ebenen der Lektüre (Prozessebene, Subjektebene und soziale Ebene, vgl. ebd. 15) und ergänzen es durch die Anordnung der Komponenten in den einzelnen Ebenen, die beim digitalen Lesen stattfinden: Elemente des Lesekontextes, der digitalen Lesehandlung, des digitalen Textes und der Lesenden bei der Handhabung digitalen Lesens (vgl. Coiro 2021). sowohl im Analogen als auch im Digitalen vornehmlich basie‐ rend auf dem Lesen entsprechender Quellen 1 , womit Kinder und Jugendliche aktuell viel Zeit verbringen (vgl. MPFS 2023: 26; Lehrner-te Lindert 2020: 16). Damit Fremdsprachenler‐ nende autonom mit den Zielsprachen und deren -kulturen in Kontakt treten, sich über diese informieren sowie ihre sprachlichen und interkulturellen Kenntnisse erweitern, be‐ darf es entsprechend der Fähigkeit, authentische Texte lesen und verstehen zu können (vgl. Koch 2021: 39). Zu einem kom‐ petenten Umgang mit komplexen (digitalen) Texten gehört es, Informationen zu extrahieren und Schlussfolgerungen zu ziehen, gleichzeitig verbessern Lernende ihre kognitiven Fähigkeiten wie analytisches Denken, Problemlösungsfähig‐ keiten und Textverarbeitungsfertigkeiten und somit ihre Ka‐ pazität, sich in verschiedenen Kontexten zu behaupten und als mündige Bürger: innen auch im Zielsprachenland sowohl analog als auch digital-kommunikativ handlungsfähig zu sein (vgl. Bergfelder & Caspari 2008: 58). Der Aspekt der Förde‐ rung der Autonomie im Umgang mit digitalen Quellen spielt hierbei eine entscheidende Rolle (vgl. Hallet 2020: 167), denn nur mit dem erfolgreichen Einsatz von Strategien und zügig ablaufenden Leseprozessen ist eine vollwertige Partizipation im digitalen Leseraum gesichert: 2.2 Leseprozesse und Lesestrategien 13 <?page no="15"?> Zunehmend werden im Fremdsprachenunterricht autonome Lernformen integriert, die den Lernenden nicht nur ein indivi‐ duelles Erfassen des Lernstoffes ermöglichen, sondern auch das selbstständige und lebenslange Lernen außerhalb des Schulun‐ terrichts anbahnen sollen. Damit verbunden sind der Erwerb bestimmter Lerntechniken und die Bewusstmachung von Stra‐ tegien. (Elsner 2018: 37) Sowohl für das Analoge und Digitale gültig, ist Lesen als ein aktiver Vorgang zu verstehen, der erst durch die Kombination von top-down- (auch concept-driven oder knowledge-driven) und bottom-up-Prozessen (auch text-based oder data-driven processing) erfolgreich stattfindet. Bei ersteren werden basie‐ rend auf bereits vorhandenem, in Schemata gebündeltem Erfahrungs- und Weltwissen, das auch deklaratives Wissen über Vokabular, Grammatik, Intonation usw. einschließt, Hy‐ pothesen aufgestellt und fehlende Informationen ergänzt. Es findet zudem eine fortlaufende Antizipation über den weiteren Verlauf des Textes statt (vgl. Koch 2021: 37 f). Vor allem im Kontext des digitalen Lesens sind top-down-Prozesse von hoher Relevanz: Bereits Vorwissen über die Besonder‐ heiten, Entstehensprozesse und Funktion(en) von digitalen Quellen sowie bereits gemachte Erfahrungen mit denselben können beispielsweise dazu beitragen, sinnvolle Hypothesen aufzustellen und damit den Leseprozess gewinnbringend zu begleiten. Gleichzeitig können aber durch die Besonderheiten digitaler Texte (Praxis der Hyperlinks und Zersplitterung, siehe hierzu ausführlich Kapitel 3) top-down-Prozesse gestört werden, da die häufig nicht mehr gegebene Linearität digita‐ ler Texte Voraussagen über deren weiteren Verlauf erschwe‐ ren. Wie auch im analogen Raum konstruieren Leser: innen durch die Dekodierung von Wörtern, Sätzen und Textstruk‐ turen anhand textbezogener Aspekte die Bedeutung des 14 2. (Digitales) Leseverstehen im Fremdsprachenunterricht <?page no="16"?> jeweiligen Textes (vgl. Bergfelder & Caspari 2008: 58; To‐ masello 2003: 41). Dabei ist es besonders für Sprachanfän‐ ger: innen schwierig, die notwendigen Kapazitäten für das Textverständnis aufzubringen, da es einer hohen Konzentra‐ tion bedarf, um nicht vertraute „Phonem-Graphem-Korre‐ spondenzen, Wortstellungen und idiomatische Ausdrücke“ (Koch 2021: 37) zu entschlüsseln. Letzteres geschieht mitunter „langsam, Buchstabe für Buchstabe, Wort für Wort“ (ebd.; vgl. auch Blume & Nieweler 2016: 3; Nünning & Surkamp 2008: 19 f.). Im Gegensatz dazu läuft die Dekodierung bei versierten Lesenden zu großen Teilen automatisiert ab: Sie erfassen breitere Perzeptionseinheiten bzw. chunks und ori‐ entieren sich an Zusammenhängen auf sprachlicher Ebene, wie beispielsweise „temporalen und kausalen Verbindungen, die durch Konjunktionen angezeigt werden“ (Koch 2021: 37). Wie bereits angedeutet, ist für einen gelingenden Lese‐ prozess zudem der Einsatz verschiedener Lesestrategien rele‐ vant. Sowohl die erstsprachliche als auch die fremdsprachli‐ che Lesekompetenzförderung zielt entsprechend darauf ab, Lernende dabei zu begleiten, ein individuelles Repertoire an Lesestrategien zu entwickeln, die dann je nach Bedarf adaptiv verwendet werden können (vgl. Koch 2011: 7). Zu den im Fremdsprachenunterricht verbreiteten Lesestrategien, die vor, während und nach dem Leseprozess eingesetzt werden können, gehören Techniken, wie das bildliche Vorstellen des Gelesenen, das Aktivieren von bereits vorhandenem Wissen, das Aufstellen und Überprüfen von Vermutungen, das Erschließen unbekannter Wörter, das Stellen von Fragen zum Text und das Herstellen von Verbindungen zwischen dem Gelesenen und persönlichen Erfahrungen (vgl. Henseler & Surkamp 2020: 145). Philipp (2018: 112) zufolge müssen Lernende mit zunehmendem Alter ihr eigenes Repertoire verstetigen, denn: 2.2 Leseprozesse und Lesestrategien 15 <?page no="17"?> Strategien entfalten dann den größten Nutzen, wenn Lernerin‐ nen und Lerner sie für persönlich bedeutsame Ziele nutzen, sie als nützlich und effektiv empfinden und sie Strategien selbstre‐ guliert anwenden. Um komplexe Zusammenhänge erfassen und Bezüge zu an‐ deren Texten herstellen zu können, bedarf es der Entwicklung der Fähigkeit zur Textkritik (vgl. Henseler & Surkamp 2020: 144). Somit müssen Lernende nicht nur Wissen über Vokabu‐ lar, Grammatik und kulturelle Hintergründe erlangen, son‐ dern auch mit Strategien und Techniken zur Texterschließung und Informationsverarbeitung vertraut gemacht werden (vgl. Nünning & Surkamp 2008: 22). Es lassen sich drei wesentliche Herangehensweisen an Texte identifizieren, die Schüler: innen bewusst und je nach Leseziel einsetzen können sollten: globales Lesen (auch skim‐ ming), selektives Lesen (auch scanning) und detailliertes Le‐ sen. Das globale Lesen ermöglicht einen groben Überblick über den Text mit dem grundlegenden Erfassen von „(Zwi‐ schen-)Überschriften, grafischen Hervorhebungen, Bildern und Bildunterschriften“ (Koch 2021: 40), ohne vorerst den Text detailliert zu lesen. Um nach gezielten konkreten Infor‐ mationen zu suchen (z. B. zentrale Begriffe, Namen, Uhrzeiten usw.), wird ein Text gescannt. Diese beiden Lesestile werden zumeist innerhalb einer kurzen Zeitspanne ausgeübt und erfolgen oft progressiv. Beim zeitintensiven detaillierten Le‐ sen geht es darum, einen Text in seiner Gänze zu erfassen, alle Inhalte zu verstehen und auch Details nachvollziehen zu können (vgl. ebd.). Im Kontext des digitalen Lesens in einer Fremdsprache ist es entscheidend, dass Lernende nicht nur die traditio‐ nellen Lesefertigkeiten entwickeln, sondern auch digitale Lesestrategien beherrschen, denn der digitale Raum hat eine Veränderung des Leseverhaltens von Kindern und Jugend‐ 16 2. (Digitales) Leseverstehen im Fremdsprachenunterricht <?page no="18"?> lichen zufolge (vgl. z. B. Lehrner-te Lindert 2020: 16). Neben dem Scannen von Webinhalten, um relevante Informationen schnell zu finden, gilt es auch multimediale Elemente wie Bilder, Videos oder Hyperlinks deuten zu können und in den Gesamtkontext des Textes einzubinden, ohne sich im Lektü‐ reprozess zu verlieren (siehe Abschnitt 3.2). Darüber hinaus müssen Lernende auch die Fähigkeit entwickeln, digitale Werkzeuge zur Unterstützung des Verständnisses einzuset‐ zen, sei es durch die Verwendung von Online-Wörterbüchern oder Übersetzungstools (siehe Kapitel 4.2.3). Diese digitalen Lesefertigkeiten ergänzen die traditionellen und sind in der heutigen digitalen Welt unverzichtbar, um fremdsprachliche Texte effektiv zu verstehen und zu verarbeiten. 2.3 Zur Relevanz der multiliteracies im Kontext des digitalen Lesens Die auch im Fremdsprachenunterricht gültige Zielsetzung ei‐ ner Vorbereitung der Schüler: innen auf die Anforderungen ei‐ ner sich ständig ändernden, globalisierten Welt zeichnet sich durch eine Lesesozialisation aus, die durch Multimedialität, Multimodalität und Mehrsprachigkeit geprägt ist, wobei „alle uns zur Verfügung stehenden […] Medien und sprachlichen Ressourcen“ kombiniert werden, „um Sinn und Bedeutung von Texten entstehen zu lassen bzw. diese zu lesen und zu verstehen (Multiliteralität)“ (Kerschhofer-Puhalo 2018: 164; vgl. auch Hallet 2020: 167). Schüler: innen widmen sich im digitalen Raum verschiedenen Online-Ressourcen, wie beispielsweise Textnachrichten bzw. instant-messages und insbesondere sozialen Medien. Mit steigendem Alter gewin‐ nen auch E-Mails, Nachrichten-Webseiten, Foren und litera‐ rische Texte an Relevanz (vgl. Lehrner-te Lindert 2020: 16). Kombiniert werden textliche (schriftliche wie mündliche), 2.3 Relevanz der multiliteracies im Kontext des digitalen Lesens 17 <?page no="19"?> visuelle und auditive Aspekte beispielsweise in Form von Videos, Memes oder Sprachnachrichten, die sich besonders großer Beliebtheit erfreuen (vgl. Nünning & Rupp 2012: 5). Die multiliteracies-Pädagogik zielt darauf ab, Lernende zur Navigation in einer Welt zu befähigen, in der Kommunikation und Informationsverarbeitung auf vielfältige Weisen erfolgen (vgl. ÖSZ 2023: 6): Die Multimedialität der Texte und die Multimodalisierung des Unterrichts durch die Vielzahl der symbolischen Darstellungs‐ formen erfordern die Ausbildung einer entsprechenden Vielzahl von literacies (Literalitäten oder Kompetenzen), z.-B. einer elect‐ ronic literacy zum Umgang mit digitalen Medien oder einer visual literacy zum Verstehen von Bildern. (Hallet 2016: 41) Ein Kernkonzept der multiliteracies-Didaktik ist neben der kritischen Analyse von Quellen (kritische Literalität; siehe diesbezüglich auch Kapitel 4.2.3) vor allem die design-orien‐ tierte Gestaltung dieser, an der Lernende aktiv im Rahmen von gemeinschaftlichen und kollaborativen Arbeitsprozessen teilnehmen (vgl. Cope & Kalantzis 2020: xxvi). Somit wird herausgestellt, dass die Bedeutung von Texten und Medien oft vom Kontext abhängt, in dem sie verwendet werden (Sinnkontextualisierung) und eine Interpretation in verschie‐ denen sozialen, kulturellen und kommunikativen Kontexten geschehen muss (vgl. Hallet 2020: 167). Mit diesen verschiedenen Literalitäten konfrontiert, bewe‐ gen sich Schüler: innen täglich mehrere Stunden im digitalen Raum, wo sie einer diversity of languages within the bounds of nation-states, of dialects, of registers, of popular as well as high culture, and of a panoply of social languages varying according to affinity, identity, technological know-how, and professional expertise (Cope & Kalantzis 2024: 4 f.) 18 2. (Digitales) Leseverstehen im Fremdsprachenunterricht <?page no="20"?> begegnen. Eine situationsangemessene Reaktion auf diese Umstände bedarf zunächst einer Lesefähigkeit, die flexibel angepasst wird (vgl. Lehrner-te Lindert 2020: 15). Wissen als Handlung verstehend (vgl. Cope & Kalantzis 2024: 3), fokussiert die multiliteracies-Pädagogik Wissenspro‐ zesse und epistemische Handlungen, die auch für den digita‐ len Leseprozess grundlegend sind: experiencing (immersion in the realities of the world); concep‐ tualizing (theorizing the world in disciplinary terms); analyzing (critically investigating purposes and human interests that un‐ derlie knowledge); and applying (representing meaning appro‐ priately or creatively in real contexts). (ebd.) Neben kognitiven, affektiven und psychomotorischen Berei‐ chen des Lernens fördern die im obigen Zitat genannten Tätigkeiten auch eine effektive Mediennutzung, die sowohl eine handlungsbezogene und materielle als auch eine mentale Aktivität einschließt (ebd.). Dabei umfassen Multiliteracies all domains of contemporary learning, using old as well as new media of knowledge representation across all subject areas and all levels of learning. (ebd.) Nicht zuletzt in den aktualisierten Bildungsstandards für die erste Fremdsprache Englisch / Französisch wurde dies mit der neu eingeführten „fremdsprachenspezifischen digitalen Kompetenz“ (KMK 2023: 25) aufgegriffen. Mit dieser wer‐ den „kulturell geprägte Aspekte von Kommunikation“ (ebd.) in den Blick genommen, die zu einer Kompetenzentwick‐ lung zur „rezeptiven, produktiven und interaktiven Teilhabe an multimodalen Kommunikations- und Interaktionsformen (mündlich, schriftlich, visuell, Mischformen) […]“ (ebd. 26) befähigen und zur „kritisch-reflektierenden Nutzung von Möglichkeiten der Unterstützung des eigenen Fremdspra‐ chenlernens sowohl innerhalb als auch außerhalb von Schule 2.3 Relevanz der multiliteracies im Kontext des digitalen Lesens 19 <?page no="21"?> und Unterricht“ (ebd.) anregen sollen. Die Lernenden sollen „beim Lesen auf ihnen vertraute (digitale) Werkzeuge in der Regel selbstständig zurückgreifen“ (ebd. 12). Dieses Ziel ist jedoch nur dann zu erreichen, wenn digitales Lesen im Fremd‐ sprachenunterricht auch thematisiert und Lernende für die Unterschiede zum analogen Lesen sensibilisiert werden. Dies erfordert auch eine an Diversität orientierte Anpas‐ sung des Unterrichts, da sich die heterogenen Ausgangs‐ bedingungen im digitalen Raum in unterschiedlichen Aus‐ prägungen der Lesekompetenz widerspiegeln (vgl. Cope & Kalantzis 2020 zu einer reflexive pedagogy). Schulische Le‐ seförderung fokussiert sich hierbei noch stark auf analoge Formate, die „papier- und buchbezogen, größtenteils stan‐ dardsprachlich orientiert und monolingual gestaltet“ sind (Kerschhofer-Puhalo 2018: 164; auch vgl. von Brand, Eiken‐ busch & Mues 2023: 7), deren Umgangsweisen in den digita‐ len Raum transferiert werden. Die Leseforschung muss sich daher insbesondere an den medienbezogenen Handlungen der Nutzer: innen orientieren und die Erwartungen und Le‐ segewohnheiten, die die User: innen an den Text aus dem Bereich Entertainment aus ihren außerschulischen, in soziale Kontexte eingebetteten schriftbezogenen Handlungen mit‐ bringen, für den Fremdsprachenunterricht berücksichtigen. Denn an diese Vorerfahrungen schließt nun die Schule an, weshalb zunächst eruiert werden muss, wie genau digitale Texte mit ihren Besonderheiten gelesen werden. 20 2. (Digitales) Leseverstehen im Fremdsprachenunterricht <?page no="22"?> 2 Siehe für eine Definition von digitaler Kompetenz den EU Digital Competence Framework (2019 bzw. 2022), der fünf übergreifende Bereiche formuliert (z. B. information and data literacy), die jeweils verschiedene Kompetenzen und Ziele umreißen. 3 Die Termini im Zusammenhang mit der Textbegriffdebatte im Digitalen sind vielfältig: „Von digitalen literarischen Texten wird oft auch als Netzliteratur, New Media Literature, digitaler Poesie, 3. Digitale Texte und ihre Lesarten 3.1 Besonderheiten digitaler Texte Unter digitalen Bedingungen erfährt die Kulturtechnik des Lesens eine Transformation, die die Lesekompetenz somit eng an die Medienkompetenz bzw. digitale Kompetenz 2 koppelt. Insbesondere die Rezeption von Hypertext und Hypermedia unterscheidet sich von der herkömmlichen Lektüre gedruck‐ ter Bücher (vgl. Bender 2020: 385). Ein digitaler Text ist oft eine Medienkombination von Tonmaterial, Bildern, Filmen und Grafiken, wobei diese in ihrem Zusammenspiel eine Einheit ergeben, die ein anderes Miteinander der Einzelteile zu einem neuen Gesamttext schafft (vgl. Frederking 2006: 751). Zu definieren, was ein digitaler Text bzw. eine digitale Quelle ist, hat sich seit jeher als schwieriges Unterfangen erwiesen: Hille (2020: 116) zufolge ist der dem digitalen Raum inhärenten „Offenheit, Vielfalt und Dynamik“ gerecht zu werden, was in einem weiten Textbzw. Literaturbegriff 3 <?page no="23"?> Hyperfiction oder Cyberfiction gesprochen - Begriffe, die einer genaueren Betrachtung bedürfen.“ (Hille 2020: 116). resultiert. Digitale Texte umfassen mündliche Performances, die gehört werden können, sowie Medienverbünde aus ana‐ logen und hybriden Quellen, Paratexten und Games. Zu unterscheiden ist zwischen digitalisierten Quellen (z. B. ein‐ gescannten Büchern) und digitalen Quellen, die als „born digital“ (Winko 2016: 4) zu kategorisieren sind. Im Folgenden werden digitale Texte insofern vorrangig unter medialen und formalen Aspekten verstanden, da sie Spezifika des digita‐ len Raums umfassen: mithilfe von digitalen Technologien werden sie erstellt, verbreitet und konsumiert. Dabei gibt es oft Optionen, um digitale Texte interaktiv zu gestalten, wodurch es den Rezipient: innen ermöglicht wird, sich aktiv am Inhalt zu beteiligen. Bei vielen Texten im Internet erfolgt jedoch keine redaktionelle Bearbeitung vor der Publikation, weshalb diese inhaltlich und sprachlich vor diesem Hinter‐ grund einzuordnen sind. Auch die häufig bedeutendere Rolle der: des Rezipient: in bei der Lektüre digitaler Texte gilt es, zu thematisieren. So gehen die Verfasser: innen einiger digitaler Textsorten von der aktiven und sichtbaren Partizipation am Gelesenen aus, was im Internet z. B. durch Kommentare zu einem digitalen Text zum Ausdruck kommt (vgl. u. a. Freder‐ king & Krommer 2019: 10). Diese Prozesse werden unter den Begriffen der kollektiven Autor: innenschaft (social writing) sowie der gemeinschaftlichen Rezeptionshandlungen (social reading) zusammengefasst (vgl. Dannecker & Kónya-Jobs 2021: 3). Der Umgang mit Medien ist vergleichsweise weniger passiv-konsumierend als zuvor, sondern zunehmend aktiv, produktionsorientiert, spielerisch und nicht zuletzt kommu‐ nikativ-kollaborativ, ergo gemeinschaftlich geworden: „Par‐ ticipatory culture shifts the focus of literacy from one of individual expression to community involvement.“ ( Jenkins 22 3. Digitale Texte und ihre Lesarten <?page no="24"?> et al. 2009: 7, zit. in Dannecker & Kónya-Jobs 2021: 2) Die Rezipient: innenrolle verändert sich ebenfalls, da von der Seite der Leser: innen typische Funktionen von Autor: innenschaft teils übernommen werden, u. a. in Form von Selektionspro‐ zessen und der Steuerung des eigenen Lesewegs (vgl. Bender 2020: 385 f., siehe hierzu vertiefend Abschnitt 3.2). All dies macht die Rollen der Konsumierenden und Produzierenden komplexer: Da die Bedeutung eines Textes im Prozess des meaning making ko-konstruktiv durch Interaktion zwischen rezipierenden Lesenden und Textproduzent: innen und deren Intentionen und Erfahrungen entsteht, ist Lernen bzw. Wis‐ sen ein Aushandlungsprozess, der nach diesem Verständnis erst durch die gemeinsame Ko-Konstruktion entsteht. Die Grenzen zwischen Lesen und Schreiben, Autor: innen und Leser: innen, Journalist: innen und Medienkonsument: innen, Massenmedien und sozialen Medien, zwischen distinkten Textsorten (z. B. Blog und Vlog) und letztlich auch die Grenzen zwischen Lehrenden und Lernenden (z. B. durch kollaborative Lernplattformen) und oft sogar zwischen ein‐ zelnen Sprachen verschwimmen damit zusehends (vgl. Cope & Kalantzis 2015). Digitale Texte sind zudem von ihrer Rezeptionsoffenheit bestimmt. Häufig sind weder Rezeptionsrichtung noch -art vorgegeben und die Inhaltsvermittlung ist nicht abgeschlos‐ sen; schließlich können digitale Texte immer weiter fortge‐ setzt und rückwirkend geändert werden. Diese Vermischtheit zeigt sich auch in der Kombination von Information und Un‐ terhaltung in sozialen Netzwerken sowie von Mündlichkeit und Schriftlichkeit oder Poetischem und Praktischem, wie dies beispielsweise in der Werbung der Fall sein kann. Leser: innen bestimmen den Lesepfad selbst, wobei es beson‐ ders wichtig ist, einen Überblick bzw. eine Orientierung im Netz aus multiplen Quellen zu behalten: Der Verweistext wird, ähnlich den Fußnoten in einem analogen Text, von Links 3.1 Besonderheiten digitaler Texte 23 <?page no="25"?> begleitet. Im Gegensatz zu den Fußnoten, die über den Text hinaus-, dann jedoch wieder auf ihn zurückweisen, garantieren die Links keine zwingende Rückkehr zum Ausgangstext. Die lesende Person muss die Lektüre nicht real abbrechen (wie beim analogen Text), sondern durch das Anklicken anderer Verlinkungen wird die Lektüre „aufgelöst“. Gleichzeitig ordnet sich der Hypertext nicht mehr traditionell über Fußnoten anderen Texten zu, sondern verweist mittels weiterführender Links auf zusätzliche Hypertexte. Dies erschwert einen Ge‐ samtüberblick deutlich (vgl. Wanning 2017: 915). Eine weitere Besonderheit von digitalen Texten ist ihre Zer‐ splitterung: Texte werden von anderen Texten begleitet oder unterbrochen, die mit ihnen in keinem Zusammenhang ste‐ hen müssen. Daher sind andere Rezeptionsweisen notwendig. Die Rezeption kann sowohl nacheinander als auch miteinan‐ der verlaufen und die Reihenfolge im Lektürevorgang wird anhand der Montageteile bestimmt, was zu einer individuel‐ len Leseerfahrung führt (vgl. Doelker 1999: 63). Beeinträchtigt wird dies durch die potenzielle Unabgeschlossenheit von digitalen Texten, da diese stetig verändert werden können oder auch von heute auf morgen nicht mehr zugänglich sind. Ein wichtiger Aspekt bei der Wahl und Lektüre digitaler Texte, der jedoch selten in didaktischen Entscheidungen Berücksichtigung findet, ist die Genussfähigkeit von Medien. Groeben (2006: 160 f.) zufolge stellt diese den entscheidenden motivationalen Faktor für die Aufnahme und Aufrechterhal‐ tung von Medienrezeptionen dar und schlägt sich in der Suche und Auswahl von beispielsweise Webseiten nieder. Insbesondere in Schulsettings wird die Bedeutung von Unter‐ haltung und Genuss zu wenig erkannt und es überwiegt eine Distanzhaltung zu Medien, die oft auf Kritik am Eskapismus beruht. Zielführender erscheint jedoch der konsequente Ein‐ bezug von Aspekten der Rezeptionsästhetik, um zu verstehen, wie digitale Texte auf ihre Nutzer: innen wirken und welchen 24 3. Digitale Texte und ihre Lesarten <?page no="26"?> Einfluss diese Wirkung auf die Nutzung bzw. Rezeption hat. Besonders für Leser: innen mit einem negativen Selbstkonzept oder wenig bzw. negativer Leseerfahrung können digitale Le‐ semedien den Zugang zum Text erleichtern und zur Lektüre motivieren (vgl. Tveit & Mangen 2014). In diesem Kontext kommt insbesondere dem Design von Webseiten und Anwendungen eine zentrale Rolle zu (siehe auch die Ergebnisse von Franke & Lachmund 2023): Wenn ein gutes Design über den Informations- und Aussagegehalt hinwegtäuschen kann, können - unabhängig von der Quali‐ tät oder Sicherheit - äußere Parameter darüber bestimmen, ob die Quelle rezipiert und dem Inhalt gefolgt wird. Um einer rein optischen Kriterien folgenden Art der Bewertung von digitalen Texten entgegenzuwirken, ist eine neue Facette der kritischen Rezeptionskompetenz vonnöten, die die Reflexion des eigenen Medienverhaltens ermöglicht (vgl. Lim & Toh 2020: 34 f.). Denn fragt man die Schüler: innen selbst, so bevorzugen sie ein Arbeiten mit digitalen Medien, weshalb ihr Einsatz zur Motivation und Abwechslung in Erwägung gezogen werden sollte, allerdings muss gleichzeitig der Ein‐ fluss auf die Leseleistung und Textverarbeitung erkannt und abgewogen werden (vgl. Singer & Alexander 2017; auch Karolinska-Institut 2023: 4). In Anbetracht der wachsenden Verbreitung von Fake News und Desinformation gewinnt zudem eine kritische Auseinan‐ dersetzung mit Texten und ihren Aussagen und Intentionen immer mehr an Bedeutung. Außerdem wird es im digitalen Raum zunehmend schwieriger, den Kontext von Texten zu erschließen, da sie nicht immer einen Rahmen haben, der ihre grundsätzliche Ausrichtung definiert. Lernende müssen sich mit Fragen befassen wie beispielsweise: Wer hat den jeweiligen Text (wann und wozu) verfasst? In welchen Zu‐ sammenhängen bewegen sich die Verfasser: innen? Welche Intentionen verfolgt der Text? Wie seriös und faktenorientiert 3.1 Besonderheiten digitaler Texte 25 <?page no="27"?> sind die im Text enthaltenen Informationen? In welchem Kontext ist der Text veröffentlicht worden? Und welche Rolle spielte der Einsatz künstlicher Intelligenz hierbei? Die Fähigkeit, vermeintliche von tatsächlichen Fake News zu unterscheiden und Ansätze zur Desinformation schnell erfassen zu können, ist zu einer Schlüsselkompetenz gewor‐ den. Dazu gehören auch die Einbeziehung überprüfbarer Informationen und eine kritische Bewertung der Quellen, um eine fundierte Meinungsbildung zu ermöglichen. Insgesamt ist die Fähigkeit, den Kontext eines Textes zu erschließen und ihn kritisch zu hinterfragen, entscheidend für ein ange‐ messenes Verständnis und eine adäquate Interpretation von Texten; so auch im Fremdsprachenunterricht (vgl. Kräling 2021; auch Frederking & Krommer 2019). Inwiefern durch die Eigenschaften digitaler Texte die Leseprozesse und ange‐ wendeten Lesestile bei der Rezeption bestimmt werden, wird im Folgenden näher betrachtet. 3.2 Digitale Texte lesen I’m not thinking the way I used to think. I feel it most strongly when I’m reading. I used to find it easy to immerse myself in a book or a lengthy article. My mind would get caught up in the twists of the narrative or the turns of the argument, and I’d spend hours strolling through long stretches of prose. That’s rarely the case anymore. Now my concentration starts to drift after an age or two. I get fidgety, lose the thread, and begin looking for something else to do. I feel like I’m always dragging my wayward brain back to the text. The deep reading that used to come naturally has become a struggle. (Carr 2010) Wie bereits in Kapitel 3.1 beschrieben, bestehen Prinzipien digitaler Texte insbesondere in der Hypertextualität, der 26 3. Digitale Texte und ihre Lesarten <?page no="28"?> 4 Laut Philipp (2018: 115) sind mit dem Ausdruck „Lesepfade“ Wege durch, zwischen und in den Texten gemeint, wobei diese Pfade notwendigerweise durch aktives Handeln der lesenden Person zustande kommen. Nichtlinearität und der Interaktivität (vgl. Hille 2020: 117). Im Netz aus multiplen Texten, die über Hyperlinks potenziell zur Verfügung stehen, bestimmen die Lesenden ihren Lese‐ pfad 4 selbst: Mit einem Klick gelangen sie von Bildern zu Filmen, Videoclips, Memes usw., wodurch die Lektürepfade ausdifferenziert und unterschiedliche Bedeutungskonstrukti‐ onen geradezu herausgefordert werden. Was einerseits den Zugang zu einer Vielzahl an Quellen zulässt, erschwert ande‐ rerseits die Orientierung, denn so besteht die Gefahr, sich in der Fülle der Informationen zu verlieren und dadurch vor allem den (fremdsprachlichen) Leseprozess abzubrechen. Die sprachliche Komplexität zumeist nicht-didaktisierter Inhalte, denen man im digitalen Raum begegnet, stellt hierbei eine besondere Herausforderung für das fremdsprachliche Lesen dar, denn je mehr sprachliche Phänomene von den Lesenden nicht auf den ersten Blick erkannt werden können (ergo je höher die sprachliche Komplexität eines Textes ist), desto mehr verfallen sie dem „Wort-für-Wort“-Lesen (Nieweler 2017a: 122). Sprachlich kompetente und geübte Leser: innen wiederum springen mittels kurzen Augenbewegungen, den Sakkaden, von Wort zu Wort. Diese schnelle Verarbeitung wird durch direkte Worterkennungsprozesse unterstützt, ein umfassendes Verständnis hingegen ist ein Zusammenspiel aus metakognitiver Regulation und Selbstüberwachung, der Informationsbeurteilung und der gestützten Bedeutungskon‐ struktion (vgl. u.-a. Philipp 2018: 112 f.; Cho 2014). 3.2 Digitale Texte lesen 27 <?page no="29"?> 3.2.1 Veränderte Lese- und Sehgewohnheiten Nicht nur bedingt durch die Praxis der Hyperlinks haben sich die Lese- und Sehgewohnheiten sowie die Informati‐ onsaufnahme aufgrund der zunehmenden Nutzung digitaler Medien in den letzten Jahren erheblich verändert: Wie der im Zitat zu Beginn dieses Abschnitts reflektierte Transfor‐ mationsprozess des Lesens (Carr 2010) zeigt, ist die Häufig‐ keit des oberflächlichen, fragmentarischen Lesens gestiegen, während das intensive, konzentrierte Lesen für ein tiefgrei‐ fendes Verständnis des Inhalts, mit dem Texteinzelheiten erfasst werden, abgenommen hat (vgl. Shibata & Omura 2020: 7). Dies ist gültig für das Lesen sowohl in der Erstals auch in den Fremdsprachen. Neben den bereits im Analogen festgestellten Lesestrate‐ gien wie „Skimming“ und „Scanning“ (vgl. Kapitel 2.2) zeich‐ nen sich die digitalen Lesestrategien vor allem durch „Brow‐ sing“ aus, bei dem innerhalb kurzer Zeit viele verschiedene Webseiten angeklickt werden, ohne ein spezifisches Ziel zu verfolgen, sowie durch kursorisches Querlesen ausgewählter Teile eines Textes zu Orientierungs- und Überblickszwecken. Besonders häufig werden das „Keyword Spotting“ (die Suche nach Schlüsselwörtern), das nicht-lineare Lesen (d. h. das Hin- und Herspringen zwischen den Seiten über Links) und das einmalige Lesen (d. h., dass ein Text nur einmal und nicht wiederholt zum besseren Verständnis gelesen wird) beobachtet (Liu 2005: 700 f.). Dabei geht es weniger um das zielgerichtete Lesen eines ausgewählten Textes, der in der Gänze seiner kommunikativen Absicht erfasst wird. Shibata & Omura (2020: 122) sprechen in diesem Zusammenhang von shallow reading: Indem mehrere Texte parallel geöffnet, „angelesen“ und Lektüren abgebrochen werden, muss der: die Leser: in durchgehend ein text- / dokumentenübergreifendes mentales Modell bilden und bei der Lektüre neuer Texte / Ma‐ 28 3. Digitale Texte und ihre Lesarten <?page no="30"?> terialien aktualisieren, damit relativ viele Informationen ei‐ nerseits intra-, andererseits intertextuell verstanden, verar‐ beitet, verknüpft, beurteilt, aktualisiert und ggf. verworfen werden können (vgl. Philipp 2018: 60). Shibata & Omura (2020: 9) zitieren in diesem Zusammen‐ hang eine Studie von Sparrow et al. aus dem Jahr 2011, in der der sogenannte google effect festgestellt wurde: people tend to reflexively rely on the Web instead of thinking when they are faced with difficult problems, and that when they find information on the Web, they tend to memorize how to search for that information again later instead of attempting to memorizing the information itself […]. Mit der Erkenntnis, dass sich Internet-User: innen den Weg stärker einprägen als die Information abzuspeichern, nach der sie gesucht haben, heißt dies auch, dass eine Information ggf. mehrfach recherchiert werden muss. Darüber hinaus scheinen sich Leser: innen im Digitalen eher zu überschätzen (vgl. Delgado et al. 2018: 23 f.; Stavanger Declaration 2019: 1); sie versuchen, die Tiefe und Qualität der Verarbeitung durch eine erhöhte Masse an Informationen zu kompensieren, die gescannt wird. Dieses Verhalten äußert sich durch schnelles scrollen und paralleles Bearbeiten von im Browser geöffneten Tabs, was die kognitive Beanspruchung vom Lesen ablenkt (vgl. Lim & Toh 2020: 29 mit Referenz auf Proaps & Bliss 2014 sowie Wästlund, Norlander & Archer 2008). Es scheint einigen Lernenden demnach schwer zu fallen, flexibel die Lesestrategien zu wechseln und gezielt einzusetzen, um in ein detailliertes, mehrfaches und somit vertieftes Lesen zu kommen (vgl. Shibata & Omura 2020: 7). 3.2 Digitale Texte lesen 29 <?page no="31"?> 3.2.2 Fokussierung der Konzentration und Aufmerksamkeit beim digitalen Lesen Der Lese- und somit auch der Informationsverarbeitungspro‐ zess unterliegt im digitalen Raum ganz besonders Schwan‐ kungen von Konzentration und Aufmerksamkeit. In einer Studienübersicht von Leow (2019) konnte die Wichtigkeit von Aufmerksamkeit (attention), Wahrnehmung (awareness) und Prozessierungstiefe (level of processing) auf die beim Lesen ablaufenden kognitiven Prozesse nochmals herausgestellt werden (siehe hierzu auch Rindlisbacher 2021: 60 f.), die im Digitalen besonders herausgefordert werden. Nicht nur die Texteigenschaften der Hypertexte können den Lesefluss stören, sondern auch die Rezeption auf einem Bildschirm per se. In mehreren Vergleichsstudien zwischen dem Lesen auf Papier und jenem am Bildschirm von Shibata et al. (2010 und 2016) konnte festgestellt werden, dass besonders der fehlende Überblick, das augenunfreundliche Flächenge‐ fühl und das ständige Sich-Orientieren-müssen mit Scrolling und Hyperlinks zu einem veränderten Lesen führen: […] concentration, ease of understanding, and ease of remembe‐ ring content were evaluated as being higher for paper than for computer displays. (Shibata & Omura 2020: 28) Jener „Bildschirm-Unterlegenheitseffekt“ (screen inferiority effect, Delgado et al. 2018: 34) äußert sich im Vergleich zum Lesen auf Papier zusätzlich aufgrund der erhöhten Lesege‐ schwindigkeit - die sich u. a. im oft ziellosen Auf- und Abscrollen zeigt - und diverser Ablenkungsmöglichkeiten. Diese führen zu einer geringeren kognitiven Verarbeitung und einem schlechteren Memorisieren der Inhalte, da im Digitalen Strategien benötigt werden, die über das Analoge hinausgehen (vgl. Liu 2005; auch Baron 2015). 30 3. Digitale Texte und ihre Lesarten <?page no="32"?> Die Ablenkungsmöglichkeiten, die den Leseprozess stören können, sind vielfältig: neben externen Ablenkungsmöglich‐ keiten (z. B. wenn die Lernenden im Klassenraum von den Tablets oder Computern ihrer Mitschüler: innen abgelenkt sind, vgl. Karolinska-Institut 2023: 4) oder der Versuchung, einem Multitasking (v. a. in der Kombination von Computer und Smartphone) nachzugehen, gibt es vor allem zahlreiche interne virtuelle Ablenkungsmöglichkeiten. Darunter sind u. a. (audio-)visuelles ‚Aufploppen‘, Blinken von Elementen, unwillkürliches Bewegen und Switchen, das parallele Arbei‐ ten in verschiedenen Tabs oder Dokumenten, zwischen denen gewechselt wird, farblich unterlegte Hyperlinks, die es anzu‐ klicken gilt, Einbezug von Videoelementen und ganz beson‐ ders personalisierte Werbung zu zählen (vgl. Shibata & Omura 2020: 31; 113; 121). Zusammengefasst sind es jene Stimuli, die sich auf die Aufmerksamkeitssteuerung auswirken und die Orientierung im Text beeinträchtigen können: […] visual stimuli that disrupted the user’s ability to concentrate on the act of reading. For example, readers may be distracted by the blinking of a cursor, the background screen, icons, gad‐ gets, menus, toolbars etc. We named this factor disturbance of concentration. (ebd. 31). Weiterhin gibt es auch parallel ablaufende Operationen im Hintergrund, die oft nichts mit dem Lesetext zu tun haben. Mit jedem farblich anders unterlegten Hyperlink muss das Gehirn entscheiden, ob die Information relevant ist, wodurch der Lesefluss, der sogenannte „ease of immersion“ (ebd. 112), gestört wird. Das Kurzzeitgedächtnis wird unterbrochen, sobald nach dem Lesen des Hyperlink-Textes wieder zum Haupttext zurücknavigiert wird. So muss ein Satz oder Absatz noch einmal gelesen werden, was Zeit und Aufmerksamkeit kostet. Außerdem besteht die Gefahr, sich nach einem Hy‐ perlink auf den nächsten zu stürzen oder diesen bewusst 3.2 Digitale Texte lesen 31 <?page no="33"?> aufzusuchen (es nicht zu müssen, sondern zu wollen, um eine Information zu erhalten), weil schnell noch mehr Infor‐ mationen benötigt werden (vgl. Baron 2015: 120). Dies kann mit einem ständigen Wechsel zu anderen Seiten potenziell zu einem cyberwandering (vgl. Thirunarayanan 2003) führen. Wie der Begriff indiziert, ‚verlaufen‘ sich die Lernenden im digitalen Leseraum, wenn sie wahllos Hyperlinks folgen und neue Seiten sichten. Gerade das Nachschlagen in Online- Wörterbüchern, das für das Verständnis eines fremdsprach‐ lichen Lesetextes eine große Hilfe ist, kann potenziell den Lesefluss unterbrechen, was genauso für das Textverstehen hinderlich ist. Das Kopieren ganzer Textteile in flächige Übersetzungsprogramme ist hier ebenso einzuschätzen, da im Sprachenwechsel mit jeder neuen Kombination unterschied‐ licher Textteile die kognitive Verarbeitung herausgefordert ist, wodurch sich gleichermaßen die Notwendigkeit erhöht, schnell weitere Informationen zu scannen. Auch konnten Shibata & Omura (2010) feststellen, dass sprachliche Fehler schwieriger an einem Bildschirm aufzu‐ finden sind, da sie aufgrund des schnelleren Lesens eher ‚überlesen‘ werden. Diese Erkenntnis besitzt im Kontext von Fremdsprachenunterricht vor allem zur Einordnung einer verlässlichen und seriösen Quelle eine besondere Brisanz, ist es doch unabdingbar, den Lernenden korrekte Inhalte und (Modell-)Sprache anzubieten: […] many people responded that they could detect typographical errors or badly flowing text more easily when reading paper documents, that they could read faster with paper, and that they felt less eye strain with paper. (Shibata & Omura 2020: 28) Es gilt demnach, einen Überblick zu behalten - und diesen während des Lese- und Rechercheprozesses zu erhalten - und die „disturbance of concentration“ möglichst gering zu halten, die maßgeblich dafür verantwortlich ist, eine vertiefte und 32 3. Digitale Texte und ihre Lesarten <?page no="34"?> konzentrierte Lektüre zu stören und so die Behaltensleistung zu verringern (ebd. 112). Lernende können auf unendlich viele, häufig frei zugäng‐ liche digitale Ressourcen zugreifen, jedoch sind diese ggf. nicht-didaktisiert und nicht an das individuelle Sprachniveau angepasst. Mit dem fast unerschöpflichen Angebot fremd‐ sprachlicher Quellen rücken ein relevanzbasiertes Lesen mul‐ tipler Quellen (vgl. Philipp 2018) und effiziente Recherche‐ prozesse unter Abwägung des kognitiven Energieeinsatzes in den Vordergrund. Was in schulischen Settings den Lernenden an Orientierungs-, Ordnungs- und Strukturierungsarbeit ab‐ genommen wird - indem Materialien zum Einsatz kommen, die inhaltlich organisiert, vollständig, sprachlich korrekt, sinnvoll verdichtet, explizit und zumeist textsortenspezifisch und ablenkungsarm sind - muss im digitalen authentischen Raum - zwischen Unterhaltung, Wissensvermittlung, Kom‐ munikation und Werbung - von den Lernenden selbst über‐ nommen werden (vgl. Rosebrock 2020: 4; siehe Kapitel 4.1 zu digitalen Textsorten). In diesem Spannungsfeld muss Schule die Balance zwischen Instruktion und Autonomieförderung anhand der Eigenschaften der Digitalität finden. Demnach sind der Einsatz von Hilfsmitteln und die Vermittlung von Strategiewissen von großer Bedeutung. 3.2.3 Einsatz von Lese- und Textverarbeitungsstrategien und Hilfsmitteln Um einer Vermeidung der Lektüre in der Fremdsprache ent‐ gegenzuwirken und um ein fremdsprachliches Leseverstehen auch im digitalen Raum zu ermöglichen, bedarf es sowohl geeigneter allgemeiner und fremdsprachenspezifischer Lese‐ strategien, des Einsatzes von Hilfsmitteln (z. B. Wörterbü‐ cher oder Übersetzungsprogramme) sowie Strategien zur Steuerung und Kontrolle der Aufmerksamkeit als auch der 3.2 Digitale Texte lesen 33 <?page no="35"?> Textverarbeitung (z. B. Stichworte machen). Vor allem im Kontext des Anfangsunterrichts in der Fremdsprache werden geübte Lesende zu schwachen Leser: innen und sie „sind gezwungen, Strategien schwacher Lesender einzusetzen“ (Lutjeharms 2007: 112). Diese umfassen beispielsweise „er‐ wartungsgeleitete Strategien, wie Raten bzw. Inferieren, oder […] Vermeidungsstrategien, wie das Übergehen schwieriger Textstellen“ (ebd.). Allgemeine Lesestrategien bezeichnen „mentale Hand‐ lungsfolgen, die gezielt und adaptiv eingesetzt werden, um Textverstehen zu erreichen“ (Rosebrock 2018: 19). Mittels einzelner mentaler Schritte - wie z. B. einen Zusammenhang herstellen, bereits Gelesenes noch einmal überprüfen, sich einen Begriff erklären - müssen Lesestrategien ausgewählt und Schritte zielbewusst kombiniert und koordiniert werden. Laut Rosebrock (ebd.) benötigt es für diese strategische Arbeit auch Metakognition. In mehrsprachigen Umgebungen, die charakteristisch für den digitalen Raum sind (z. B. soziale Netzwerke), sind vor allem Lesestrategien zu favorisieren, die mit einer Aufmerksamkeitssteuerung zu einer verlangsamten Lektüre führen, um auf interbzw. intralinguale Transfers in den Bereichen Phonologie, Orthografie und Morphologie Wert zu legen (vgl. ebd. 12). Beim digitalen Lesen wird der Einsatz von Übersetzungs- Apps, wie Google Translate oder DeepL, immer beliebter, da sie nicht nur die unhandlichen analogen Wörterbücher ersetzen, sondern sich ein softwaregestütztes Lernen auf viele Schüler: innen motivierend auswirken kann und das Selbstvertrauen gestärkt wird (vgl. Udry & Berthele 2023a: 155 f.). Zwar verbessert sich die Qualität der Programme zunehmend, die für immer mehr Sprachen zur Verfügung ste‐ hen, allerdings wurde bisher nicht eindeutig empirisch belegt, dass Übersetzungstools das Sprachenlernen - und für den vorliegenden Band besonders relevant - das fremdsprachli‐ 34 3. Digitale Texte und ihre Lesarten <?page no="36"?> 5 Bzw. sollte die Notwendigkeit trainiert werden, die Übersetzung mit dem Original kritisch abzugleichen, auch um ggf. von der Übersetzung etwas über die Fremdsprache zu lernen. che Lesen begünstigen (vgl. ebd. 146). Bei Lee (2020) gibt es hingegen Hinweise, dass digitale Übersetzungsprogramme zum Aufbau von metalinguistischem Wissen beitragen und zu besseren Ergebnissen im fremdsprachlichen Schreiben führen. Lidström (2019: 19 f.; 22) hat in Erhebungen mit schwedischen Lehrkräften der Sekundarstufe I und II zeigen können, dass Schüler: innen Schwierigkeiten beim kritischen Deuten der Ergebnisse haben und auch sehr einfache, ihnen bekannte Wörter übersetzen lassen, worin die Lehrkräfte fehlendes Vertrauen in die eigenen sprachlichen Fähigkeiten vermuten (vgl. auch Perrin et al. 2021: 121). Der kompetente Umgang mit digitalen Wörterbüchern, der in einer Wortstatt Satzsuche liegt und einen flächendecken‐ den Einsatz von Übersetzungsprogrammen meidet, mit denen das anvisierte fremdsprachliche Lesen umgangen werden kann 5 , muss hierbei trainiert werden (siehe hierzu ausführlich die Implikationen für den Unterricht, Kapitel-4.2.3). Textverarbeitungsstrategien erfolgen im digitalen Raum anders als im analogen und sollten vor allem im Fremdspra‐ chenunterricht gezielt geschult werden (vgl. Subrahmanyam et al. 2013; Tran et al. 2013); so können Webseiten kaum digital ‚unterstrichen‘ oder Kommentare als Gedächtnisstütze am Rand verfasst werden. Es bedarf hier bei konventionellen, frei zugänglichen Quellen einer parallelen Verschriftlichung, hybrid oder digital in Form von Notizen (dabei sind Visua‐ lisierungen zu nutzen: Farben, Symbole etc.), die volitional eigenständig geführt werden (vgl. Punkt-4.2.3). Um die im Analogen gelernten Textverarbeitungsstrate‐ gien, wie das Annotieren, das Zusammenfassen und Para‐ phrasieren, auf virtuelle Umgebungen übertragen zu können, 3.2 Digitale Texte lesen 35 <?page no="37"?> müssen Lernende diese zunächst hinsichtlich ihrer Eignung im Digitalen reflektieren und überprüfen, um anschließend die je nach Textsorte und Anwendung variierenden gegebe‐ nen Möglichkeiten der Informationsspeicherung und -verar‐ beitung auszuloten: Beispielsweise ermöglichen Social Me‐ dia-Seiten Merkfunktionen, die je nach Anwendung auch unterschiedliche Ordnerfunktionen aufweisen; bei Webseiten kann mit der Lesezeichenfunktion oder Screenshots gearbei‐ tet werden. Zukünftig wird es immer wichtiger werden, kompetent mit digitalen Annotationstools umzugehen, die bei der Textver‐ arbeitung und Organisation von Informationen unterstützen. Mit diesen kann man Kommentare zu / in Webseiten verfas‐ sen, die nur für den: die Leser: in sichtbar sind, Bildschirmauf‐ nahmen vornehmen und in Bibliotheken abspeichern oder Webseiteninhalte in andere Anwendungen integrieren, die beispielsweise instant-messaging-Dienste oder Chats bereit‐ stellen. Somit wird auch das kollaborative Arbeiten, eine der wichtigsten 21st century-Fähigkeiten, gefördert und struktu‐ riert. 3.2.4 Multimodale semiotische Bewusstheit Wie bereits unter 3.1 beschrieben, sind digitale Quellen hoch‐ komplexe Gebilde, die Ton, statisches und bewegliches Bild und Schrift kombinieren können. Nachdem anschließend die veränderten Lese- und Sehgewohnheiten des digitalen Raums erörtert wurden, gilt es nun die Notwendigkeit der Förderung einer multimodalen semiotischen Bewusstheit (multimodal semiotic awareness, Lim & Toh 2020: 33 f.) herauszustellen, die besonders für das Lesen von Social-Media-Beiträgen wichtig ist. Eine multimodale semiotische Bewusstheit wird benötigt, um zu verstehen, wie digitale Texte auf ihre Nutzer: innen wirken, wie im Zusammenspiel von multimodalen Elementen 36 3. Digitale Texte und ihre Lesarten <?page no="38"?> und der Kombination und Interaktion von modes Bedeutung konstruiert wird und welchen Einfluss diese Wirkung auf die Nutzung bzw. Rezeption hat - auch um Ablenkung zu vermeiden. Kress (2014: 0) definiert mode in diesem Zusam‐ menhang als: […] a socially shaped and culturally given resource for making meaning. Image, writing, layout, speech, moving image, sound‐ track are examples of modes used in representation and commu‐ nication. Beim Lesen und / oder Verfassen multimodaler digitaler Texte müssen die Lernenden zunächst die Gestaltungsmerkmale digitaler Texte kennen, wie z.-B. ihr Layout und ihre Zusam‐ mensetzung. Bild, Text, ggf. Ton müssen in eine Beziehung zueinander gesetzt und im Sinne semiotischer Modi miteinan‐ der kombiniert werden, um die für das Publikum intendierte Botschaft zu ermitteln (vgl. z. B. Höfler 2020a). Multimodal semiotic awareness hat zum Ziel, die Bedeutung hinter den strategischen Designentscheidungen zu erkennen, die durch die verschiedenen Arrangements getroffen werden und zu verstehen, wie sie zusammenwirken, um eine kohärente Bot‐ schaft zu schaffen. Hierzu gehört auch der kritische Umgang mit Gestaltungsmerkmalen und wie diese eingesetzt werden, um ein Publikum zu überzeugen (Stichwort: Fake News). Da beim digitalen Lesen sozialer Netzwerke innerhalb von Sekunden entschieden wird, was überflogen, was selektiv bzw. intensiv gelesen und was gänzlich ignoriert wird, muss nicht nur die Aufmerksamkeit auf den Text gesteuert, sondern auch der Lesefluss verlangsamt und an ausgewählten Stellen intensiviert werden, wobei Störfaktoren ausgeblendet bzw. minimiert werden müssen (vgl. u. a. Shibata & Omura 2020: 7; Baron 2015: 120). Im Fremdsprachenunterricht muss dies zusätzlich zur sprachlichen Gestaltung, die es zu dekodieren gilt, Berücksichtigung finden, da vor allem ein Zugang über 3.2 Digitale Texte lesen 37 <?page no="39"?> modes eine sprachliche Überbrückung zu komplexen authen‐ tischen Inhalten sein kann; denn: […] die Bedeutungen eines Textes sind nicht nur aus dem sprachlichen Material, sondern auch aus anderen Modes zu erfassen, da Lesen und Schreiben eines Textes immer mit Formen multimodaler Gestaltung und Design, mit Kontexten und Ko- Texten verbunden ist. (Kerschhofer-Puhalo 2018: 175) In Anbetracht dessen ist es von entscheidender Bedeutung, ein breites Spektrum an literalen Praktiken zu vermitteln. Durch diese Praktiken sollen Lernende dazu befähigt werden, ein Verständnis dafür zu entwickeln, wie Texte mit sozialen Ereignissen und Strukturen verwoben sind, wie sie interpre‐ tiert und gehandhabt werden, welche Kontexte, Ko-Texte und Konventionen sie beeinflussen und welches Potenzial für Handlung und Bedeutung verschiedene Optionen multi‐ modaler Textgestaltung innehaben (ebd.). Die Betrachtung, Lektüre, Interpretation und Verknüpfung von Texten führen zu einer kreativen Neuschöpfung des Textes und seiner Be‐ deutung (vgl. auch Dannecker & Kónya-Jobs 2021: 3 mit Bezug auf Medienkonvergenz und Symmedialität). 38 3. Digitale Texte und ihre Lesarten <?page no="40"?> 4. Arbeit mit digitalen Texten im Fremdsprachenunterricht Basierend auf den formulierten theoretischen Überlegungen werden im Folgenden verschiedene Textsorten hinsichtlich ihrer Eignung zur Förderung des digitalen Lesens disku‐ tiert (Abschnitt 4.1) und anhand ausgewählter Beispiele Vor‐ schläge für den didaktisch-methodischen Einsatz im Unter‐ richt präsentiert (Abschnitt 4.2). Dabei werden insbesondere auch niedrige Lernjahre mit einbezogen, da u. E. die digitale Lesekompetenz von Anfang an integriert und progressiv aufgebaut werden muss, um den oben skizzierten Herausfor‐ derungen zu begegnen und den Anforderungen der aktuali‐ sierten Bildungsstandards (KMK 2023) gerecht zu werden. 4.1 Überblick digitaler Textsorten zur fremdsprachlichen Lesekompetenzförderung Die Förderung des digitalen Lesens erfordert eine differen‐ zierte Auswahl an Textsorten, die den Lernenden einen breiten Einblick in verschiedene digitale Medienformate ermöglichen, um multiliteracies bzw. multimodal semiotic awareness zu trainieren. Durch die Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Formen der digitalen Kommunikation ent‐ wickeln die Lernenden nicht nur ihre sprachlichen Fertigkei‐ <?page no="41"?> 6 Eine allgemein akzeptierte Definition von (digitalen) Textsorten liegt bisher nicht vor. Brinker, Cölfen & Pappert (2014: 13) stellen zudem die Möglichkeit der Festlegung eines allgemein gültigen Textbegriffs in Frage. In Anlehnung an Adamzik (2019: 144) gehen wir von einer Unterteilung in nicht-literarische (Ka‐ pitel 4.1.1) und literarische Texte (Kapitel 4.1.2) aus. Mit Brinker, Cölfen & Pappert (2014) verstehen wir unter nicht-literarischen Texten solche, die eine Informations-, Appell-, Obligations-, Kon‐ takt- oder Deklarationsfunktion (vgl. im vorliegenden Band 4.2.2) innehaben. Die hier vorgenommene Unterteilung muss in Hin‐ blick auf die im Digitalen stetig stattfindenden Veränderungen als dynamisch verstanden werden. ten weiter, sondern erlangen auch ein tieferes Verständnis für die Vielfalt und Komplexität der digitalen Welt, in der sie mit unterschiedlichen Sprachregistern, Stilformen und Kommunikationsweisen konfrontiert sind. Zu den möglichen Textsorten denen sie begegnen, zählen u. a. digital vorlie‐ gende Artikel (inklusive Kommentarfunktion), Blogposts und Vlogs, Social-Media-Beiträge und Chats, E-Books, Online- Nachrichten, Podcasts und interaktive Online-Inhalte. Wie im Analogen können diese grundlegend in die Kategorien nicht-literarische (4.1.1) und literarische Texte (4.1.2) unter‐ teilt werden. 6 Der digitale Raum bietet zudem beispielsweise mit Social Media jene Plattformen, auf denen Texte beider Kategorien zu finden sind - der Fokus liegt hier in der Regel auf der kommunikativen Auseinandersetzung mit dem Gelesenen (4.1.3). Im Folgenden werden ausgewählte, digitale Textsorten vorgestellt und sowohl Herausforderungen als auch Poten‐ ziale für den Einsatz im Fremdsprachenunterricht skizziert, wobei die Abgrenzungen nicht als trennscharf zu verstehen sind und im dynamischen digitalen Transformationsprozess sowohl hybride Formen als auch etwaige Neuschöpfungen zu berücksichtigen sind. 40 4. Arbeit mit digitalen Texten im Fremdsprachenunterricht <?page no="42"?> 7 Blogs können ebenfalls literarischer Natur sein, werden aber häu‐ fig auch im Kontext von Sach- und Gebrauchstexten verwendet, wie beispielsweise Reise- oder Kochblogs. Zu Literaturvermitt‐ lung durch Blogs und Vlogs vgl. Höfler (2020b). 8 Eine ausführliche Beschreibung der Struktur zweier Webseiten findet sich bei Wilke (2022: 146-161). 4.1.1 Digitale nicht-literarische Texte Digitale Sach- und Gebrauchstexte umfassen eine Vielzahl an schriftlichen Materialien, die online verfügbar sind und pri‐ mär informierenden oder instruktiven Charakter haben. Sie dienen dazu, Wissen zu vermitteln, Informationen zu liefern bzw. zu erklären oder bestimmte Handlungsanweisungen zu geben. Zu den Formaten digitaler nicht-literarischer Texte gehören Artikel, Anleitungen, (Wetter-)Berichte, Speisekar‐ ten und Kochrezepte, Nachrichten, Vlogs / Blogs 7 , technische Dokumentationen, Produktbeschreibungen, Benutzer: innen‐ handbücher, wissenschaftliche Arbeiten, Vergleichsportale (inklusive Werbeanzeigen und Rezensionen), Forenbeiträge und mehr (vgl. Nieweler 2017b: 217). Häufig sind sie auf Webseiten zu finden und decken eine breite Palette von Themen ab, darunter Wissenschaft, Technologie, Wirtschaft, Politik, Gesundheit, Bildung, Lifestyle und Unterhaltung. Digitale Sach- und Gebrauchstexte zeichnen sich oft durch ihre Aktualität, ihre leichte Zugänglichkeit und ihre Anpas‐ sungsfähigkeit an verschiedene Zielgruppen aus. Darüber hinaus können sie von einer multimedialen Anreicherung mit Bildern, Videos oder interaktiven Grafiken charakterisiert sein. Zudem verfügen sie über die klassischen Merkmale von Webseiten, wie beispielsweise Hyperlinks und Menüleisten (vgl. Franke & Lachmund 2023: 22 8 ). Die auf vielen Webseiten gegebene Möglichkeit, die Sprache umzustellen, kann dabei zwar den unmittelbaren Zugang zu gesuchten Informationen erlauben, aber gleichzeitig auch eine Gefahr für die - in der 4.1 Überblick digitaler Textsorten 41 <?page no="43"?> Schule anvisierte - Förderung des fremdsprachlichen Lesens darstellen. Mit der schier endlosen Verfügbarkeit steht den Lernenden eine Vielzahl von Themen und Inhalten zur Wahl, die somit ermöglichen, Leseinteressen zu diversifizieren und spezifi‐ sche Fachgebiete zu erkunden, wodurch auch die Lesefreude stimuliert wird. Die Verwendung von Fachbegriffen oder bestimmter Terminologie, die möglicherweise nicht sofort verständlich ist und zusätzlichen Recherchebedarf erfordert, stellt hingegen eine Herausforderung für Lernende dar (vgl. Grünewald 2017: 166 f.). Darüber hinaus kann die Beurteilung der Glaubwürdigkeit und Zuverlässigkeit von Quellen zu Schwierigkeiten führen, insbesondere wenn es sich um On‐ line-Plattformen handelt, auf denen die Qualität der Inhalte variieren kann oder sprachliche Fehler enthalten sind, die die Lernenden - insbesondere im Digitalen - nicht so leicht er‐ kennen können (vgl. Punkt 3.2.2). Die Länge und Komplexität einiger digitaler Sach- und Gebrauchstexte können ebenfalls eine Hürde darstellen, da in Hinblick auf die Aufmerksam‐ keitsspanne und die Ablenkungsmechanismen, wie sie die digitalen Lesegewohnheiten mit sich bringen, globale und suchende, ergo schnelle, Lesestile dominieren (vgl. Liu 2005). Dieser Aspekt muss bei der Wahl eines Lesetextes und dessen Lese- oder Rechercheauftrags Berücksichtigung finden. 4.1.2 Digitale literarische Texte Eine Klassifizierung digitaler literarischer Texte ist schwer umsetzbar (vgl. Wengler 2023b: 2). Wir definieren digitale literarische Texte mit Simanowski (2007) als Literatur, die im digitalen Raum entsteht und auf Intermedialität und In‐ teraktivität beruht. Diese umfassen lyrische und narrative Inhalte, die digitale Medien nutzen, um visuelle oder klangli‐ che Effekte zu erzeugen (vgl. Hermann & Horstkotte 2016: 42 4. Arbeit mit digitalen Texten im Fremdsprachenunterricht <?page no="44"?> 209). Durch die Verwendung von Animationen, Soundeffek‐ ten, interaktiven Elementen und typografischen Experimen‐ ten bieten diese Textsorten ein innovatives Lernumfeld, um sprachliche Fertigkeiten in einer authentischen digitalen Um‐ gebung weiterzuentwickeln. Zu den Vorteilen dieser Webinhalte gehört die Vielfalt der verfügbaren Medienplattformen, auf denen Netzliteratur präsentiert wird, darunter Webseiten, soziale Medien (siehe Abschnitt 4.1.3), Videospiele, VR / AR-Anwendungen und Podcasts. Eingebettet in verschiedene Formate und Kontexte können so gleichzeitig das Verständnis für kulturelle Viel‐ falt und die Anwendung der Sprache in realen Situationen gefördert werden. Durch die Verwendung von Multimedia- Elementen kann Netzliteratur das Leseerlebnis ganzheitlich bereichern und das Interesse der Lernenden wecken, aber vor allem das Verständnis vertiefen und das Engagement der Lernenden erhöhen (gezielte Förderung der Text- und Medienkompetenz, vgl. Höfler 2020a). Jedoch können bestimmte Aspekte von Netzliteratur auch Herausforderungen für Fremdsprachenlernende darstellen. Die nicht-lineare Struktur vieler netzbasierter Geschichten (vgl. z. B. Wilke 2022: 140) kann Leser: innen v. a. in der Fremdsprache vor Herausforderungen stellen, da sie nicht immer einen klaren Handlungsverlauf oder eine chronologi‐ sche Abfolge von Ereignissen aufweisen. Darüber hinaus erfordert die Integration von Multimedia-Elementen und die Navigation zwischen verschiedenen Medienformaten eine gewisse technische Kompetenz, die für einige Lernende mög‐ licherweise eine zusätzliche Hürde darstellen. Auch sprach‐ liche und kulturelle Nuancen, die in Netzliteratur - hier insbesondere poetischen Formaten - verwendet werden, kön‐ nen für Fremdsprachenlernende mit begrenzter Erfahrung in der Zielsprache schwer zu verstehen sein. Die Verwendung von umgangssprachlichen Ausdrücken, Slang und kulturel‐ 4.1 Überblick digitaler Textsorten 43 <?page no="45"?> len Referenzen kann zu Missverständnissen führen und das Sprachverständnis zusätzlich erschweren. Die ständige Ver‐ fügbarkeit von Ablenkungen und die Fülle an Informationen auf netzbasierten Plattformen erhöhen die Schwierigkeiten zusätzlich, sich auf den Lerninhalt zu konzentrieren und re‐ levante sprachliche Merkmale zu identifizieren (vgl. Punkt 3.2 zu den Schwierigkeiten des Wechsels in ein deep reading). Eine aus fremdsprachendidaktischer Sicht besonders in‐ teressante digitale literarische Textsorte stellen interaktive Geschichten dar. Sie nehmen verschiedene Formen an, dar‐ unter textadventures, interaktive Comics oder hypertextuelle Erzählungen. Diese Textsorten ermöglichen es den Leser: in‐ nen, den Verlauf der Handlung aktiv zu beeinflussen, indem sie Entscheidungen treffen oder mit dem Text interagieren (vgl. Cleger 2015: 267 f.). Diese Form der Lektüre fördert die Lesekompetenz in besonderer Weise, wenn Lernende ihre Hypothese(n) überprüfen und mittels integrierter Rückmel‐ dung (z. B. auch zusätzliche Informationen) ihren Output modifizieren (vgl. Rindlisbacher 2021: 62). Die Rückmeldung kann entweder durch eine andere Person oder im Rahmen der interaktiven Geschichten selbstständig erfolgen durch weiteren Input dank Inferenzziehung (ebd.; vgl. auch Wengler 2023b: 3). Der interaktive Charakter spricht die kreative Problemlösefähigkeit der Schüler: innen an, wodurch sich das Engagement und die Motivation bzw. die Leselust der Lernen‐ den, die sich stärker in den Lernprozess einbringen und so möglicherweise eine persönliche Verbindung zur Geschichte und den Inhalten herstellen, erhöhen kann. 4.1.3 Sonderfall: Social-Media-Beiträge und instant-messages Social-Media-Beiträge und instant-messages repräsentieren kurze Formate, die auf Plattformen, wie Facebook, Twitter 44 4. Arbeit mit digitalen Texten im Fremdsprachenunterricht <?page no="46"?> 9 Soziale Plattformen zeichnen sich zunehmend durch Differen‐ zierung hinsichtlich ihrer Zielgruppen und Spezifizierung hin‐ sichtlich ihrer Affordanzen aus. Allen gemein ist der Zugang über eine Registrierung (Konto) und eine Infrastruktur für Kom‐ munikation: Profile und Inhalte erstellen, teilen, vernetzen und kommentieren sowie chatten. Darüber hinaus gibt es Diskussi‐ ons- oder Empfehlungsplattformen, wie Yelp (vgl. Taddicken & Schmidt 2017: 10 f.). 10 Hierzu gehören auch die Micro-Blogs, wie X, die sich besonders durch sprachliche Kürze und die Anordnung in einer timeline (jetzt X), TikTok, Threads oder Instagram, mit der Öffent‐ lichkeit geteilt werden. Inhaltlich betrachtet können sie so‐ wohl informativer (z. B. Nachrichten) als auch literarischer Natur (z. B. Instapoesie) sein, weshalb sie als Mischform zu betrachten sind, da prinzipiell „Informationen aller Art mithilfe der digital vernetzten Medien anderen zugänglich zu machen“ sind (Taddicken & Schmidt 2017: 4). Hierbei stehen jedoch insbesondere Beziehungsaufbau und -pflege im Mittelpunkt. Je nach Plattform 9 sind Social-Media-Texte oft visuell ansprechend gestaltet und laden durch ihre Kürze, altersangemessene Sprache und Direktheit zur Interaktion ein (Stichwort: participatory web, Beer 2009). Daher bieten sie sich vor allem für den Einsatz im Anfangsunterricht an. Die Verwendung von Hashtags, Emojis und anderen Symbo‐ len prägt ihren Charakter und bietet zugleich Anknüpfungs‐ punkte für sprachliche Analysen und Diskussionen im Unter‐ richt (vgl. Lachmund 2024: 17 f.; i. D.). Die Möglichkeit der direkten Kommunikation über Chat- und Messenger-Dienste erweitert zudem das Spektrum der sprachlichen und multi‐ modalen Praxis (z. B. Einbezug von Bewegtbildern wie Gifs oder Memes). Häufig über soziale Netzwerke geteilt und in diesen disku‐ tiert werden Blogs (schriftbasiert) oder Vlogs (videobasiert), die zur Kategorie „Personal Publishing“ zu zählen sind 10 4.1 Überblick digitaler Textsorten 45 <?page no="47"?> auszeichnen, wodurch ein „personalisiertes Informationsradar“ im Zuge des Folgens bestimmter Profile kreiert werden kann (Taddicken & Schmidt 2017: 12). (Taddicken & Schmidt 2017: 11; Höfler 2020b). Charakteris‐ tisch hierfür sind informative oder reflektierende Inhalte zu Literatur (vgl. Berg 2022: 6 f.), Esskultur, Reiseerfahrungen etc., wodurch sie häufig den Stil von Online-Tagebüchern annehmen. Durch ihre oftmals informelle und persönliche Ausrichtung bieten sie eine vielseitige Grundlage für den Fremdsprachenunterricht: Interaktive Elemente wie Like- und Kommentarfunktionen ermöglichen eine unmittelbare Interaktion zwischen Autor: innen und Leser: innen, aber auch mit anderen Zielsprachensprecher: innen, was besonders mo‐ tivationsfördernd sein kann (vgl. Erarslan 2019: 66); sowohl Blogs als auch Vlogs präsentieren die Zielsprache oft in ihrer natürlichen und altersangemessenen Form, wodurch Lernende in Kontakt mit realistischen, sprachlichen Situatio‐ nen ihren Interessen entsprechend treten (vgl. bspw. Gonulal 2019). Vor allem Vlogs können durch Bild- und Videoelemente das Leseverstehen erleichtern und auch Lernenden niedrige‐ rer Lernjahre so den Zugang zu digitalen Texten ermöglichen. Häufig folgen Blogs und Vlogs keiner klaren Struktur, was zweifellos eine Herausforderung für Lernende darstellt. Die informelle Sprache sowie verschiedene Sprachstile, Dia‐ lekte und die in ihnen üblichen Abkürzungen können jedoch gerade für Fremdsprachenlernende anspruchsvoll sein, vor allem wenn es an Kontextwissen zur Einordnung eines Bei‐ trags fehlt (vgl. Lim & Fussell 2017: 4 f.); denn die Kürze und Fragmentierung können eine Kontextualisierung zusätzlich erschweren, sodass Lernende den Zusammenhang zwischen einzelnen Beiträgen oder Nachrichten nicht herzustellen ver‐ mögen bzw. den Gesamtinhalt kaum erfassen können. 46 4. Arbeit mit digitalen Texten im Fremdsprachenunterricht <?page no="48"?> Social-Media-Beiträge und instant-messages sind zudem eine niedrigschwellige Möglichkeit, um social reading zu praktizieren und im geschützten Raum Schule zunächst inter‐ aktive Kommunikationsfähigkeiten zu erproben. Die Schü‐ ler: innen können beispielsweise - basierend auf einer guten Lesekompetenz - lernen, auf Beiträge zu reagieren, Kommen‐ tare zu hinterlassen und an Diskussionen teilzunehmen, was ihre kommunikativen Fähigkeiten verbessert (vgl. Brocca 2020). Auf Planungsebene bringt der Einbezug von Social Media in den Unterricht folgende Besonderheiten mit sich: nicht nur ist die Innovationsgeschwindigkeit in diesem Bereich erhöht, was eine Migration von einer Plattform auf die nächste mit sich bringen mag (vgl. Taddicken & Schmidt 2017: 9); auch werden auf sozialen Netzwerken im Sekundentakt neue Inhalte hochgeladen und einem disparaten Publikum zugänglich gemacht. Durch die so erzeugte Schnelligkeit und Einmaligkeit der Informationen wird das Wiederauffinden eines Inhalts erschwert; ggf. ist ein Inhalt nur durch den im Hintergrund agierenden Algorithmus in den Feed des: er Nutzer: in geraten. Um die Beiträge festzuhalten, müssen diese (intern unter Merkfunktion oder via Screenshot) gespeichert werden. Besonders stories, die nur für einen begrenzten Zeit‐ raum auf den Kanälen zur Verfügung stehen, verschwinden wieder. Auch werden Inhalte, je nach öffentlicher Reichweite und Diskussion, gelöscht oder neu arrangiert, was das Wie‐ derauffinden eines Beitrags zusätzlich erschwert (vgl. Lach‐ mund 2024: 20 f.). 4.1 Überblick digitaler Textsorten 47 <?page no="49"?> 4.2 Implikationen für den Fremdsprachenunterricht 4.2.1 Zielvorstellungen einer digitalen fremdsprachlichen Lesekompetenz Digitale Lesekompetenz, wie wir sie verstehen, umfasst die Fähigkeit, multimodalen und multiplen Texten in der Fremd‐ sprache in digitalen Umgebungen unter Einsatz der jeweils angemessenen Lesestrategie die dem Leseziel entsprechen‐ den Informationen zu entnehmen, ohne dass der Lesefluss und die Aufmerksamkeit unterbrochen werden oder das Lese‐ verstehen eingeschränkt wird. Dies schließt auch die Anwen‐ dung metakognitiver Kontrollstrategien ein, um Ablenkun‐ gen (z. B. durch das Öffnen vieler Tabs) und cyberwandering zu vermeiden (vgl. Thirunarayanan 2003). Somit müssen Aufmerksamkeitskontrolle eingeübt und Ablenkungsmecha‐ nismen in Abhängigkeit zum gesetzten Leseziel bewusst wahrgenommen werden (vgl. Wampfler 2017: 65). Um ein Wort-für-Wort-Lesen zu vermeiden, muss - wie im analogen Raum auch - zunächst basierend auf dem Leseauftrag ermit‐ telt werden, welcher Lesestrategie es bedarf, wobei selektives und überfliegendes Lesen dominieren sollten.- Da im digitalen Raum selten eine ganze Webseite oder ein Social-Media-Post intensiv gelesen werden und stattdessen ein vernetzendes, non-lineares Lesen nötig ist, sollten auch Hyperlinks gezielt genutzt werden. Für eine zielgerichtete Bearbeitung einer Aufgabe bedarf es nicht nur der Kenntnis aller Optionen einer Plattform, Webseite oder Anwendung sowie der Fähigkeit, einen Überblick zu behalten. Um die für das Lösen der Aufgabe notwendigen Textteile zu ermitteln, müssen Lernende z. B. auch in der Lage sein, durch Fettdruck, Menüstruktur oder als Hyperlinks gekennzeichnete Schlüs‐ selwörter zu dekodieren oder die webseiteninterne Such- und 48 4. Arbeit mit digitalen Texten im Fremdsprachenunterricht <?page no="50"?> Filterfunktion zu finden und anzuwenden (vgl. die Vorschläge vom ISB 2022). Aus dem Analogen bekannte Methoden zur Lesestrukturierung (z. B. Unterteilung des Textes in Sinnab‐ schnitte) müssen zum Einsatz kommen und ein Wechseln zwischen digitalem Lesen und ggf. analoger bzw. hybrider Textverarbeitung zur Erhöhung der Metakognition vollzogen werden (vgl. Wampfler 2017: 65). Im Anschluss an die Ermittlung der für das Lösen des Arbeitsauftrags relevanten Textstellen muss für die Erschlie‐ ßung des Textes und seiner (komplexen) Inhalte und Zu‐ sammenhänge in den Modus des deep reading gewechselt werden (vgl. Stavanger Declaration 2019). Dies erfordert eine bewusste Verlangsamung des Leseprozesses, wie zum Beispiel das Zurückgehen im Text oder das Mehrfachlesen von Passagen, was permanente Metakognition voraussetzt. Aus dem Analogen übertragene Textverarbeitungs- und Le‐ sestrategien, wie das Markieren zentraler Textstellen und das Erstellen von Notizen als elaborierende Strategie, sind auch im digitalen Bereich möglich und sinnvoll (ebd.). Da Schüler: innen dazu neigen, ihre Lesefähigkeiten im Digitalen zu überschätzen, ist es wichtig, sie den eigenen Leseprozess stetig reflektieren zu lassen und ihnen kontinuierlich Feed‐ back zu geben und weitere Strategien zu vermitteln. Zum kompetenten digitalen Lesen gehört auch der zielführende Einsatz von Übersetzungsprogrammen und weiterer digitaler (textsortenspezifischer) Hilfsmittel. Im Folgenden werden Implikationen für die Auswahl digitaler Texte und deren didaktisch-methodisch begründeter Einsatz vorgestellt. Diese Implikationen verstehen sich als Reflexionsanlass und kön‐ nen somit keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben. 4.2 Implikationen für den Fremdsprachenunterricht 49 <?page no="51"?> 4.2.2 Aspekte der Textauswahl Für eine im Fremdsprachenunterricht gezielte Leseförderung müssen Lehrende zunächst die Lesegewohnheiten der ver‐ schiedenen digitalen Texte kennen, um daraus abgeleitet Leseaufträge zu formulieren, die verschiedene Lesestile ein‐ fordern. Die Auswahl impliziert die Schaffung oder Bereit‐ stellung situativer Kontexte, in denen die Vielfalt der Lesestile sinnvoll praktiziert und gefestigt werden kann (vgl. Koch 2021: 39). Die im Analogen gültigen Kriterien der Textaus‐ wahl (vgl. u. a. Nieweler 2017b: 210; 212; Henseler & Surkamp 2007: 3 f.), z. B. Schwierigkeitsgrad entsprechend dem Sprach‐ niveau der Lernenden, Authentizität und Aktualität, Berück‐ sichtigung der Interessen und Bedürfnisse der Lerngruppe, Diversität der Textarten, Textlänge usw. müssen im Digitalen um Aspekte erweitert werden, die im Folgenden diskutiert werden. a) Lernniveau Wie auch für analoge Texte gilt es zunächst eine Webseite zu wählen, die Inhalte bietet, die für den Fremdsprachenun‐ terricht relevant und die an die sprachlichen Fähigkeiten der Lernenden angepasst sind (vgl. hinsichtlich literarischer Texte im Fremdsprachenunterricht O’Sullivan & Rösler 2013: 49-53). Anhand des Ausgangsniveaus der Lernenden, also de‐ ren Erfahrungen, Kenntnisse und Nutzungsgewohnheiten di‐ gitaler Texte, die von der Lehrkraft eingeholt werden, werden Webinhalte ausgewählt, die gegebenenfalls mit zusätzlichen Unterstützungen oder Erklärungen sowie Informationen zu verschiedenen Lesestrategien - einhergehend mit einer Sen‐ sibilisierung für Unterschiede im Analogen und Digitalen - angereichert werden. Grundlegend kann je nach Leseabsicht jede Quelle genutzt werden, vor allem beim Einbezug nicht-sprachlicher Mittel: 50 4. Arbeit mit digitalen Texten im Fremdsprachenunterricht <?page no="52"?> 11 Im schulischen Unterricht müssen aktuelle Datenschutzregelun‐ gen berücksichtigt werden, sobald personenbezogene Daten abgefragt werden. Zum Datenschutz im Umgang mit sozialen Netzwerken im Unterricht siehe Kapitel-4.2.4. z. B. ist das Lesen und Kontextualisieren von Bildern einer fremdsprachlichen Webseite bereits ab A1-Niveau möglich. Betrachtet man unterschiedliche Niveaus aus der Perspektive des Leseverstehens, bieten sich mit Blick auf die Sprache unterschiedliche Typen von Quellen und Webseiten an: Für das Anfänger: innenniveau eignen sich didaktisierte Websei‐ ten, die grundlegende Vokabeln, einfache Sätze und visuelle Hilfsmittel verwenden und dabei einen spielerischen Charak‐ ter über Quizze und Comics integrieren. Für das mittlere Sprachniveau bieten sich z. B. Reise- oder Foodblogs (ebenso Vlogs) an, die Informationen über beliebte Reiseziele in kla‐ rer und verständlicher Sprache mit visueller Unterstützung bereitstellen. Ab einem fortgeschrittenen Niveau sollten so‐ wohl Nachrichtenwebseiten zum Repertoire der Lehrkraft gehören, die komplexe Fachbegriffe verwenden, als auch verschiedene Netzliteratur im Allgemeinen, z. B. Instapoesie (vgl. Lachmund 2024; Gwozdz 2021). b) Inhalt Neben der üblichen Bewertung der sprachlichen und inhaltli‐ chen Eignung eines Textes für den Fremdsprachenunterricht sollten Lehrkräfte sicherstellen, dass die Informationen einer digitalen Quelle korrekt, aktuell und (inter-)kulturell relevant sind. Dies umfasst sowohl Textbestandteile als auch die ggf. enthaltenen multimedialen Elemente (Videos, Audioaufnah‐ men, interaktive Übungen usw.). Einem Vorzug sind Quellen zu geben, die frei zugänglich sind und wenige bis keine Nutzer: innendaten erheben. 11 Die Bewertung der Inhalte von Webseiten kann jedoch herausfordernd sein, da z. B. sicher‐ 4.2 Implikationen für den Fremdsprachenunterricht 51 <?page no="53"?> gestellt werden muss, dass die präsentierten Inhalte von vertrauenswürdigen Quellen stammen (vgl. Grünewald 2017: 158). Dies erfordert oft zusätzliche Recherche, um die Glaub‐ würdigkeit der Informationen zu überprüfen, insbesondere wenn eine Quelle keine etablierte Reputation hat. Aufgrund der dynamischen Natur von Webinhalten, insbesondere in schnelllebigen Bereichen wie Nachrichten oder aktuellen Ereignissen (vgl. Hille 2020: 116), müssen Lehrkräfte zudem ständig die Aktualität der bereitgestellten Informationen ve‐ rifizieren. c) Kultur Webinhalte können kulturelle Referenzen enthalten, die für Lernende aus diversen Sprach- und Kulturkreisen möglicher‐ weise nicht verständlich sind. Wendt (1996: 136) zufolge kann alles, was nicht den bis zum jeweiligen Zeitpunkt gemachten Erfahrungen einer Person ‚entspricht‘ eine Unstimmigkeit evozieren, die die individuellen Erlebnisse grundlegend oder zumindest temporär relativieren und bezweifeln lassen und so das Leseverstehen verringern bzw. verhindern können. Vor allem bei der Lektüre im digitalen Raum, der Zugang zu Texten aus vielen verschiedenen Kulturen bietet, gilt es für kulturelle Aspekte zu sensibilisieren. Zum Beispiel könnten in einem digitalen Text metaphorische Ausdrücke, Redewendungen oder kulturell-spezifische Symbole verwen‐ det werden. Die Lernenden müssen dann ihre „Echtwelter‐ fahrungen […] zur Erklärung und Verarbeitung textueller Phänomene“ im Rahmen ihres Leseprozesses heranziehen und „textuelle Informationen in Einklang mit ihren realen Weltmodellen“ (Zerweck 2002: 222) bringen. Sie wählen und bilden „[…] in der Auseinandersetzung mit den verschiedenen ‚Kulturen‘ aktiv unterschiedliche Elemente und Facetten für ihren eigenen, individuellen Identitätsentwurf “ (Caspari & 52 4. Arbeit mit digitalen Texten im Fremdsprachenunterricht <?page no="54"?> 12 Ausführlich zu den verschiedenen Modellen des interbzw. transkulturellen Lernens siehe z.-B. Reimann 2014. Schinschke 2000: 468) aus und korrigieren im besten Fall ihre ursprüngliche Einstellung bzw. Meinung. 12 Hierzu sollte sichergestellt sein, dass die verwendete Spra‐ che und die präsentierten Inhalte kulturell sensibel sind und nicht zu Missverständnissen oder Verwirrungen führen. Demnach sollte Webseiten der Vorzug gegeben werden, die eine breite Palette von Perspektiven und Ansätzen zu einem bestimmten Thema präsentieren und bündeln, um einerseits der Heterogenität der Lernenden selbst gerecht zu werden und andererseits die Aushandlung von Meinung und Bedeu‐ tung im digitalen Raum multiperspektivisch nachvollziehen zu können. d) Gestaltung Eine benutzer: innenfreundliche Gestaltung und intuitive Na‐ vigation sind - besonders in Anbetracht des selbstbestimm‐ ten, autonomen Umgangs mit digitalen Quellen - entschei‐ dend für eine effektive Nutzung von Webseiten (nicht nur, aber auch) im Fremdsprachenunterricht. Wenn Schüler: innen sich auf einer Webseite nicht leicht zurechtfinden können, kann dies ihre Leseerfahrung beeinträchtigen und zu Frustra‐ tion bzw. zum Abbruch des Leseprozesses führen (vgl. Franke & Lachmund 2023: 27 f.). Eine klare und übersichtliche Struk‐ tur (mit Absätzen und Zwischenüberschriften) wird durch eine gut sichtbare Menüführung, farblich hervorgehobene Links und eine logische Anordnung der Inhalte erreicht. Dar‐ über hinaus sollte - um die Kompatibilität mit verschiedenen Geräten und Betriebssystemen zu gewährleisten - darauf geachtet werden, dass die Webseite responsiv ist und sich an verschiedene Bildschirmgrößen anpasst, um eine optimale 4.2 Implikationen für den Fremdsprachenunterricht 53 <?page no="55"?> Nutzung auf verschiedenen Geräten wie Desktops, Laptops, Tablets und Smartphones zu ermöglichen (Stichwort: barrie‐ refreier Zugang zu digitalen Quellen, vgl. Voß-Nakkour et al. 2023). Die meisten Webseiten enthalten Werbung oder andere Ablenkungen, die das Leseverstehen beeinträchtigen können. In Abwägung dieser müssen entsprechend Quellen ausge‐ wählt werden, die möglichst frei von störenden Werbeein‐ blendungen und anderen ablenkenden Elementen sind. Dar‐ über hinaus können Lehrer: innen den Lernenden Tipps zur Bewältigung von Ablenkungen zur Verfügung stellen, wie z. B. das Ausblenden von Werbung, an die sie im Laufe ihres Leseprozesses kontinuierlich erinnert werden. Ein weiterer Aspekt ist der Umgang mit irreführenden oder gesponserten Inhalten, die falsche oder im Sinne eines Bias verzerrte Infor‐ mationen verbreiten oder bestimmte Produkte / Ansichten bewerben. Es gilt, diese Elemente zu identifizieren und hierbei die Lernenden zu ermutigen, den Ursprung von Informatio‐ nen auf Webseiten bzw. deren Drittanbietern kritisch zu hin‐ terfragen und Originalquellen zu überprüfen. Dies erfordert ein gewisses Maß an Medienkompetenz (vgl. DigComp 2022) und kritischem Bewusstsein, das auch im Fremdsprachenun‐ terricht gefördert werden muss. 4.2.3 Didaktisch-methodische Entscheidungen zur Förderung des digitalen Lesens Um die Text-, Medien- und digitale Lesekompetenz im Fremd‐ sprachenunterricht zielgerichtet zu schulen, bedarf es ent‐ sprechend adaptierter didaktischer Lehr- und Lernsettings. Im Folgenden werden Implikationen für eine Unterrichtspra‐ xis gegeben, die Lernende an die digitale, fremdsprachliche Lektüre heranführt und ihnen sukzessive die notwendigen Strategien und Fähigkeiten vermittelt, um handelnd im di‐ 54 4. Arbeit mit digitalen Texten im Fremdsprachenunterricht <?page no="56"?> 13 Konkrete Beispiele für die gezielte Schulung von Lesestrategien im Kontext digitaler Lektüre finden sich z. B. bei ISB 2022 und ÖSZ 2023. gitalen, fremdsprachlichen Raum aktiv werden zu können und eine Medienkompetenz zu kultivieren, die durch die sys‐ tematische Vergegenwärtigung strategischer Dispositionen zur kritischen Rezeption digitaler Texte anleitet. Zu diesem Zweck werden anhand möglicher Lernziele für verschiedene Lernstände Hinweise zur Thematisierung und Sensibilisie‐ rung von bzw. für digitale Lesestrategien in Abhängigkeit zum Lernniveau (a) dargestellt. Es wird außerdem auf Mög‐ lichkeiten des Einsatzes von Hilfsmitteln (b) und auf Diffe‐ renzierungsmöglichkeiten (c) eingegangen. a) Strategientraining im Kontext des digitalen Lesens nach Anfangs- und Fortgeschrittenenniveau Die Instruktion der Lernenden hinsichtlich des Einsatzes di‐ gitaler Lesestrategien, wie etwa des Filterns und Selektierens von Informationen oder der Annotierung, manifestiert sich als maßgeblicher Determinant in Bezug auf deren Lernpro‐ zess und sukzessive Kompetenzentwicklung. Im Folgenden werden mögliche Lernziele für den Anfangs- und Fortge‐ schrittenenunterricht vorgestellt. 13 Für den Anfangsunterricht besteht das Hauptziel darin, den Lernenden ein Interesse für das Lesen fremdsprachlicher Quellen zu vermitteln und die Grundlagen für ein genuss‐ volles Lesen zu legen. Hier kann am Selbstverständnis der Lernenden als mehrsprachige Leser: innen und Mitglieder einer leseaffinen digitalen Gemeinschaft - wie sie auf Booktok oder Bookstagram kultiviert wird - angesetzt werden (vgl. Kapitel-4.2.4 zum Lesen in sozialen Netzwerken). Aufgrund der Authentizität und sprachlichen Komplexität digitaler Texte kann im Anfangsunterricht zunächst auf ein 4.2 Implikationen für den Fremdsprachenunterricht 55 <?page no="57"?> Globalverstehen oder die Suche nach gezielten Informatio‐ nen fokussiert werden, wodurch den Lernenden gleichzei‐ tig ermöglicht wird, ihre Text- und Medienkompetenz zu erweitern, indem sie mit verschiedenen digitalen Textsorten in Kontakt kommen und deren Merkmale kennenlernen (z. B. Menüleisten, Hyperlinks usw., sowie das entsprechende fremdsprachliche Fachvokabular). Dies umfasst auch die Eva‐ luation analoger Lese- und Textverarbeitungsstrategien hin‐ sichtlich ihrer Eignung für den digitalen Raum (z. B. Adaption traditioneller Markierungs- und Notizentechniken für die di‐ gitale Umgebung). Auch eine erste Sensibilisierung hinsicht‐ lich der Überprüfung der Glaubwürdigkeit digitaler Quellen kann bereits im Anfangsunterricht erfolgen, beispielsweise indem Autor: innen, Impressum oder Erscheinungskontext hinterfragt werden. Für die Lehrkraft bedeutet dies, dass Leseaufträge operationalisiert werden und die Begriffe (z. B. browsing, scanning, skimming) eingeführt und konsistent ge‐ nutzt werden (vgl. Nieweler 2017b: 219). Mit steigendem Sprachniveau und Fortschreiten des Un‐ terrichts sollen die Lernenden ihre Fähigkeiten im digitalen Lesen und der Textkritik weiterentwickeln. Dies beinhaltet neben dem Leseverstehen auch die Anwendung fortgeschrit‐ tener Strategien zur Textverarbeitung und Informationsbe‐ schaffung. Im Bereich der Lesestrategien soll ein flexibler Wechsel geübt werden. Schüler: innen müssen entsprechend lernen, „to adopt strategies of focused, critical, analytical, and deep reading for better comprehension of the text contents“ (Lim & Toh 2020: 7). Damit das Leseverstehen nicht negativ durch das Behalten von für den Text irrelevanten Inhalten - das eine hohe kognitive Belastung darstellt - beeinflusst wird, brauchen vor allem Lernende, die mit Technologien aufgewachsen sind, Strategien, um Multitasking-Aktivitäten oder das schnelle Springen von Aufgabe zu Aufgabe zu vermeiden (vgl. Salmerón et al. 2018). 56 4. Arbeit mit digitalen Texten im Fremdsprachenunterricht <?page no="58"?> Während gedruckte Texte einer Struktur folgen, die das lineare Lesen begünstigt und die Annäherung an sie entspre‐ chend erfolgt (vgl. Mangen et al. 2013), sind digitale Texte für eine non-lineare Lektüre prädestiniert. Dennoch können lineare Leseprozesse auch das Verständnis digitaler Texte po‐ sitiv beeinflussen, wenn Lernende über effektive Strategien verfügen, um ihre Aufmerksamkeit zwischen verschiedenen Medien und Informationsquellen gezielt lenken und kontrol‐ lieren zu können. Da im Digitalen häufig das Leseziel aus den Augen verloren wird, sollten die Lernenden ihren Leseprozess vorstrukturie‐ ren und organisieren. Zunächst sollte von den Lernenden das Leseziel verschriftlicht und mit Prioritäten (Abschätzung der Lesepfade, vgl. Philipp 2018) versehen werden, sodass es während der Lektüre multipler digitaler Quellen immer wieder ins Bewusstsein gerät. Sie sollten im Vorhinein ent‐ scheiden, wie sie die Informationen verarbeiten und sichern wollen (analog? hybrid? mit einem Tool? ) und wie viel Zeit sie in die Recherche und Lektüre investieren möchten-/ kön‐ nen. Zu Beginn des Leseprozesses führen die Lernenden das überfliegende Lesen aus, um entscheiden zu können, welche Bestandteile eines digitalen Textes bei der Lektüre ausgeblendet werden können, welche einer vertieften Lek‐ türe bedürfen und welche Hyperlinks weiterverfolgt werden sollen. Besonders hilfreich kann in diesem Kontext chunking sein: where the text is broken up into smaller chunks for in-depth processing of important ideas and to seek links that would take them to important information they wanted for reading comprehension (Patterson 2000, zit. in Lim & Toh 2020: 7). Auch der Umgang mit multiplen Quellen zur Vermeidung von Multitasking kann organisiert werden: Mit der Tab-Funktion des Browsers können die geöffneten Webseiten strukturiert 4.2 Implikationen für den Fremdsprachenunterricht 57 <?page no="59"?> werden. Durch Gruppierung ähnlicher Seiten in verschie‐ denen Tabs, beispielsweise für Recherchequellen, Referenz‐ material und aktuelle Aufgaben, kann die Übersichtlichkeit verbessert werden. Des Weiteren ist die Verwendung von Lesezeichen hilfreich, um wichtige Webseiten später leichter wiederzufinden. Durch die Organisation der Lesezeichen in Ordnern oder Kategorien wird der Zugriff weiter erleichtert. Zusätzlich können Browser-Erweiterungen oder -Funktionen genutzt werden, um Arbeitsbereiche einzurichten, die meh‐ rere Tabs oder Fenster zusammenfassen. Dies ermöglicht es, verschiedene Aufgaben voneinander zu trennen und schnell zwischen ihnen zu wechseln. Eine Priorisierung der geöffne‐ ten Webseiten kann entsprechend der Leseaufträge und -ziele stattfinden. Durch Festlegung, welche Seiten aktuell benötigt werden und welche später besucht oder auch geschlossen werden können, wird zudem einer kognitiven Überlastung vorgebeugt. Im Verlauf ihres Lernprozesses erweitern die Schüler: innen integrativ ihr Leseverständnis und ihre Medienkompetenz sowohl im analogen als auch im digitalen Raum und können in beiden adaptiv bestehen. Dies umfasst auch die Reflexion der bereits erlernten analogen Lesestrategien hinsichtlich ihrer Eignung für den digitalen Raum. Dabei gilt es, die spe‐ zifischen Merkmale digitaler Texte zu berücksichtigen (siehe Kapitel-3.1) und den sukzessiven Einsatz verschiedener Stra‐ tegien zu erörtern und zu reflektieren. Besonders der Wechsel in das intensive konzentrierte Lesen muss hierbei angebahnt und bewusst gemacht werden, um die Verarbeitungstiefe der Informationen zu erhöhen (vgl. Lim & Toh 2020: 5). Dies ist insbesondere deshalb von großer Relevanz, da sich gezeigt hat, dass Lernende „discard familiar print-based strategies for boosting comprehension when reading digitally“ (Lim & Toh 2020: 6; siehe auch Franke & Lachmund 2023). Durch die Beantwortung kritischer Fragen zu spezifischen Textstellen 58 4. Arbeit mit digitalen Texten im Fremdsprachenunterricht <?page no="60"?> und die Überprüfung von kontextuellen und definitorischen Informationen kann eine Verlangsamung des Leseprozesses erreicht werden (vgl. Delgado et al. 2018). Im fortgeschrittenen Niveau sollen Lernende in der Lage sein, digitale Quellen kritisch zu prüfen. Dazu sollten sie sich an diversen Indikatoren orientieren, um die Glaubwür‐ digkeit von Informationen zu bewerten. Hierzu gehören die Reputation der Autor: innen oder der Organisation bzw. In‐ stitution, die die Informationen verbreiten. Weiterhin sind die Aktualität der Informationen, die Verwendung von Quel‐ lenverweisen sowie die Überprüfung auf sachliche Fehler oder Ungenauigkeiten wichtige Parameter. Im Sinne einer Progression im Bereich der Bewertung von Quellen sollten auch die Überprüfung von URL-Domains, die Suche nach dem Impressum oder Autor: inneninformationen, Werbung oder Sponsoring auf der Webseite sowie das Erkennen von Hinweisen auf Voreingenommenheit oder Manipulation the‐ matisiert werden. Durch das Überprüfen von Quellenangaben im Vergleich zur Prüfung der Konsistenz und der Entwicklung von Internet-Diskursen können Relevanz und Aktualität von Informationen beurteilt und die Deutung multimodaler codes geübt werden (Stichwort: multimodale semiotische Bewusst‐ heit, Kapitel-3.2.4, vgl. auch Wengler 2023b: 6 f.). Das Erlernen und Anwenden linearer und tiefgehender Lesestrategien begünstigen die kritische Reflexion gelese‐ ner Inhalte (vgl. Lim & Toh 2020: 7). Gleichzeitig sollen digitale Werkzeuge, wie Übersetzungstools und Online-Wör‐ terbücher, effektiv eingesetzt werden; denn ständiges Nach‐ schauen von Begriffen oder Phrasen beeinträchtigt den Lese‐ fluss und die Leselust nachhaltig (vgl. Henseler & Surkamp 2007: 8). 4.2 Implikationen für den Fremdsprachenunterricht 59 <?page no="61"?> b) Einsatz von Hilfsmitteln Die gezielte Nutzung digitaler Wörterbücher und Überset‐ zungstools kann einen wertvollen Beitrag zur Bewältigung lexikalischer Herausforderungen beim digitalen Lektürepro‐ zess leisten (vgl. z. B. Lehrnert-te Lindert 2020: 130) und sollte gezielt geschult werden (vgl. Subrahmanyam et al. 2013; Tran et al. 2013). Zunächst muss den Schüler: innen der Unterschied zwischen einem Online-Wörterbuch (z. B. PONS, LEO) und einem Übersetzungsprogramm (z. B. Google Translate, DeepL) bekannt und bewusst sein, um abwägen zu können, welche Anwendung sich für welches Leseziel besser eignet (vgl. Udry & Berthele 2023a: 156 f.). Weiterhin sollten die Lernenden dazu ermutigt werden, zunächst Lesestrate‐ gien einzusetzen, um zu überprüfen, was ohne Hilfsmittel z. B. über den Kontext zu erschließen ist. Um nicht jedes einzelne Wort zu übersetzen, sollten die Lernenden gezielt nach Schlüsselbegriffen (z. B. durch Fettdruck gekennzeich‐ net) suchen, die für das Verständnis des Textes entscheidend sind. Da ein Erfassen des Kontextes entscheidend für das Leseverstehen ist, sollte dies über den Einsatz von digitalen Wörterbüchern trainiert werden: Um die Bedeutung eines Wortes besser zu erfassen, könnte nach Synonymen oder Beispielsätzen gesucht werden. Falls mehrere Ergebnisse zur Auswahl stehen, sollten die ergänzenden Informationen (z. B. Herkunft des Wortes, Umgangssprache etc.) zu Rate gezogen werden, welche Hinweise auf den Gebrauch in spezifischen Kontexten geben, die jedoch den Lernenden transparent sein müssen. Da Lernende besonders Schwierigkeiten im Umgang mit mehreren zur Auswahl stehenden Ergebnissen zeigen, sollten sie hier in Form von Einführungen und Checklisten begleitet und unterstützt werden (vgl. ebd. 158). Auch ein kritischer Blick auf die Grenzen der Übersetzungsmaschinen sollte gewagt werden, indem in Form von Rückübersetzungen 60 4. Arbeit mit digitalen Texten im Fremdsprachenunterricht <?page no="62"?> 14 Weitere konkrete didaktisch-methodische Beispiele im Umgang mit digitalen Wörterbüchern und Übersetzungsprogrammen bei u.-a. Bramlage (2023) und Noack-Ziegler & Pachale (2020). (besonders bei kulturell-sensiblen Begriffen und Themen, Iro‐ nie / Sarkasmus, Metaphern) oder ergänzenden Recherchen zur korrekten Interpretation des Outputs die Schwächen dargelegt werden bzw. Qualitätseinbußen abseits standardi‐ sierter Texte reflektiert werden (vgl. Wengler 2023a: 4). Anstatt (ggf. wahllos) zahlreiche Wörter oder Sätze (über Copy-and-Paste) maschinell übersetzen zu lassen, sollten Schüler: innen für einen zielgerichteten, sparsamen Umgang mit Übersetzungstools sensibilisiert werden. Die übersetzten Informationen sollten sie zur Erweiterung ihres Vokabulars notieren (vgl. Lauterman & Ackerman 2014). Übersetzungs‐ programme sollten insbesondere in der Sekundarstufe I als Ergänzung zum Wörterbuch verstanden werden, um schwie‐ rige Passagen oder ganze Sätze übertragen zu bekommen, sollte dies für das Verständnis / Leseziel nötig sein. Schü‐ ler: innen sollten sich hingegen zunächst auf ihre eigenen Fähigkeiten stützen, beispielsweise indem sie nach ihrem Lernniveau angepassten Alternativformulierungen suchen. Auch die Reflexion darüber, wie das Wörterbuch verwendet worden ist, welche Schwierigkeiten es dabei gegeben hat und wie diese überwunden worden sind, dient der Entwicklung von Strategie- und Metawissen zum Lesen und Verstehen fremdsprachlicher Texte 14 . c) Möglichkeiten der Differenzierung Digitale Medien privilegieren differenzierte, subjektive Zu‐ gänge, da die Mehrheit der Lernenden bereits Vorwissen, Routinen und Herangehensweisen im Umgang mit diesen besitzen. Mit ihrer Vielzahl von Optionen kann somit ganz besonders auf die unterschiedlichen Bedürfnisse der Schü‐ 4.2 Implikationen für den Fremdsprachenunterricht 61 <?page no="63"?> ler: innen reagiert werden. Dabei kann auf alle von Caspari & Holzbrecher (2016: 10-13) formulierten Differenzlinien ein‐ gegangen werden. Im Kontext des digitalen Lesens kann der Aufgabe, Lernsettings anzubieten, die es den Schüler: innen ermöglichen, ihren individuellen Vorgehensweisen im Lese- und Lernprozess zu folgen (Hoffmann 2010: 162), besonders effektiv nachgekommen werden, indem didaktische Formen […], die unterschiedliche Lernniveaus und Leistungsstände und damit diverse Aktivierungsstufen und Be‐ wusstseinsebenen zulassen und entsprechend fördern (ebd. 163) gestaltet werden. Digitale Texte können in verschiedenen Schwierigkeits‐ graden angeboten werden, indem einerseits verschiedene Texte zum selben Thema gegeben werden oder aber ein Text in unterschiedlichen Schwierigkeitsgraden generiert wird (z. B. mit KI-basierten Tools wie ChatGPT). Lernende können auch selbst Programme nutzen, um sich den Text in einfachere Sprache ‚umschreiben‘ zu lassen (beispielsweise mit Rewordify oder Languagetool). Dies deckt die Differenz‐ linie Leistungsfähigkeit ab, indem eine Entwicklung über den individuellen Lernfortschritt ermöglicht wird. Um den unterschiedlichen Interessen und Lernzielen der Schüler: in‐ nen zu entsprechen, können Lernende selbst relevanz- und neigungsbasiert in Zusammenhang mit ihrer Lebenswelt und ihren Erfahrungen Inhalte auswählen. Bereits die für digitale Texte typische Struktur, die sich u. a. durch weitere Verlinkungen (Hyperlinks) auszeichnet (siehe Kapitel 3.2), ermöglicht ein differenziertes Leseerlebnis, da zusätzliche Informationen zu einem bestimmten Thema erhalten werden können, wie Definitionen oder Erklärungen, die auch das Medienformat wechseln und ein ganzheitliches multimodales Lernen ermöglichen (von Text zu Bild zu (Erklär-)Video usw.). 62 4. Arbeit mit digitalen Texten im Fremdsprachenunterricht <?page no="64"?> Digitale Texte ermöglichen zudem die Integration zusätz‐ licher Unterstützungsressourcen auf individueller Basis, wo‐ durch eine „große[…] Variabilität in den Lernzeiten, Übungs- und Arbeitsformen sowie den Hilfestellungen“ (Wunsch 2006: 43) erreicht werden kann. Dies kann die Bereitstel‐ lung von interaktiven Glossaren, Vokabellisten, Erklärungen schwieriger grammatischer Konzepte, Umstellen der Web‐ seitensprache, Einsatz digitaler Wörterbücher oder Überset‐ zungstools umfassen, die den Lernenden beim Verständnis des Textes helfen (vgl. Wengler 2023a: 5). Darüber hinaus kann auf barrierefrei gestaltete, digitale Texte zurückgegriffen werden, um den unterschiedlichen Bedürfnissen von Schüler: innen gerecht zu werden, indem beispielsweise text-to-speech-Funktionen oder alternative Textbeschreibungen für Bilder bereitgestellt werden (vgl. Voß-Nakkour et al. 2023). 4.2.3 Sonderfall: Social-Media-Beiträge lesen Für das Lesen von Social-Media-Beiträgen gelten die unter 4.2.1 und 4.2.2 angeführten Aspekte, allerdings müssen die Implikationen für den Einsatz im Fremdsprachenunterricht unter besonderer Berücksichtigung der Förderung einer mul‐ timodalen semiotischen Bewusstheit erweitert werden. Soziale Netzwerke sind per se nicht für edukative oder gar Sprachlernziele designt worden, weshalb ihre plattfor‐ meigenen Affordanzen und die Nutzungsgewohnheiten der User: innen zu Unterhaltung und Kommunikation für den funktionalen Einbezug im Unterricht Berücksichtigung fin‐ den müssen. Laut Lim & Fussell (2017) werden sprachlich zu komplexe Social-Media-Texte eher übersehen (bzw. ignoriert). Einer‐ seits steht den Lernenden der Einsatz von Hilfsmitteln wie der Übersetzungsfunktion zur Verfügung, andererseits können 4.2 Implikationen für den Fremdsprachenunterricht 63 <?page no="65"?> auch über Hinweise rund um einen Beitrag Schlüsse über dessen Kontext gezogen werden, die das Verstehen fördern. Lim & Fussell (ebd. 9) zufolge helfen eine kohärente Bild-Text- Beziehung, der Einsatz von Suchstrategien (hierzu braucht man adäquate Stichworte, die man aus einem Beitrag gefiltert haben muss), um sich zu informieren als auch der Einbezug von transparenten (auch englischsprachigen) Hashtags, die ein Wiedererkennen vereinfachen und so ein Verknüpfen von disparaten Informationen zu einem zusammenhängenden Kontext ermöglichen. Außerdem beeinflussen Ortsangaben den Erschließungsprozess positiv (ebd.). Auch die Nutzung von paraverbalen Elementen, wie Emojis sowie die Quantität der Likes oder Reaktionen (z. B. ‚Solidari‐ tät‘) auf einen Beitrag dienen dazu, eine Einschätzung darüber zu ermöglichen, ob dieser eher positiv oder negativ konno‐ tiert ist. Jener erste Eindruck einer Grundstimmung zu einem Post ist ein im Digitalen notwendiger top-down-Prozess, der die Lektüre vorbereiten kann, der aber auch bereits als An‐ ker zur Entscheidung für oder gegen die Lektüre fungiert. Ein erster Eindruck ist dabei der wichtigste Pfeiler in der Entscheidung für die persönliche Relevanz eines antizipierten Inhalts. Dies impliziert, dass Lernende ein Höchstmaß an bereits strukturierten Informationen benötigen, welche von der Plattform während der Eingabe der Post-Bestandteile gesteuert werden können. Diese Informationen bieten Hin‐ weise darauf, welche Beiträge, ebenso wie welche sozialen Netzwerke, sich besser für den Fremdsprachenlernprozess eignen könnten (beispielsweise bildbasierte im Vergleich zu textlastigen Plattformen, wie Instagram im Vergleich zu X / Threads). So kann im Fremdsprachenunterricht das Rezi‐ pieren und Analysieren eines Posts geübt werden, wodurch Barrieren abgebaut werden bzw. eine Routine im Umgang mit ggf. sprachlich zu komplexen Beiträgen etabliert wird. 64 4. Arbeit mit digitalen Texten im Fremdsprachenunterricht <?page no="66"?> Laut Lim & Fussell (ebd. 5 f.) stellt eine das Lesen von fremdsprachlichen Posts begünstigende Voraussetzung eine parasoziale Verbindung mit dem: der Sender: in dar: zu wissen, wo die Person lebt, über welche Themen sie postet und was sie mögen könnte, gilt als wichtige Brücke zum Inhalt, weil ein Post so an „sozialer Attraktivität“ gewinnt. Das erhöhe die Wahrscheinlichkeit, den sprachlich ggf. zu komplexen Beitrag nicht zu ignorieren. Für die Schulpraxis bedeutet dies, dass Lehrkräfte zwar eine Empfehlung für (Sprachlern-)Konten aussprechen können oder durch den Einbezug authentischer Social-Media-Inhalte in den Unterricht im Sinne eines Gatekeepers einen Kontakt herstellen, jedoch entscheiden schließlich die ganz individuell empfundene Sympathie und Attraktivität über die emotionale Verbundenheit (affective community, Hutchison 2018). Diese liegt in der Betrachtungsweise der Schüler: innen und kann nur in geringem Maße von der Lehrkraft beeinflusst werden. Die Lehrkraft sollte jedoch Empfehlungen aussprechen für Konten, die sie selbst ggf. konsumiert, um den Schüler: innen eine Sicherheit für geprüfte Inhalte vermitteln zu können. Dementsprechend ist es auch in diesem Kontext ratsam, die Vorlieben und Interessen der Schüler: innen zu kennen, um die Empfehlungen in diese Richtung bahnen zu können. Gibt es beispielsweise innerhalb der Klasse special interest groups (z. B. im Bereich französischer Sport, Lesevorlieben), können spezifische Empfehlungen für Inhalte gegeben werden, so‐ dass ein Austausch mit Fremdsprachenlernenden weltweit angeregt werden kann, wodurch ein affinity space eröffnet wird (vgl. auch Loh & Sun 2019). Carpenter et al. (2020: 2) zufolge handelt es sich bei affinity spaces um: online and/ or offline locations where people convene due to a shared interest or endeavor. This common interest or endeavor supersedes distinctions such as age or gender that might shape 4.2 Implikationen für den Fremdsprachenunterricht 65 <?page no="67"?> users’ interactions in other spaces. In many cases, affinity spaces are related to avocations rather than vocations. However, by reducing traditional geographical, hierarchical, temporal, and institutional barriers, social media such as Instagram can facili‐ tate the creation of affinity spaces for educators rooted in shared professional affinities. Ein individualisiertes, identitätsbezogenes Lernen ist so über die Zugehörigkeit zu einer Gruppe möglich, die wie eine ‚Fan‐ gemeinde‘ funktioniert, was sich nachhaltig auf die Lernmo‐ tivation auswirken kann (indem beispielsweise den gleichen eduinfluencern, Gamern, bookfluencern etc. gefolgt wird, vgl. Lachmund 2024: 10). Besonders wenn literarisches Lesen über Social Media praktiziert wird, kommt der Mitwirkung am Text nicht nur eine hermeneutische Bedeutung zu, sondern eine ganz kon‐ krete: Schüler: innen tragen sowohl ihr Wissen und ihre Er‐ fahrungen, ihre Einstellungen und Gefühle als auch ihre Zu‐ stimmung oder Ablehnung sowie Eindrücke von der Lektüre, die sie in den literarischen Welten der sozialen Netzwerke erleben, an die im Unterricht behandelten literarischen Werke und zu lesenden Texte heran. Somit wird noch einmal mehr deutlich, dass beim fremdsprachlichen Lesen und Verstehen nicht nur rezeptive und kognitive Fähigkeiten eine Rolle spielen, sondern der Lesevorgang auch von produktiven, imaginativen, affektiven und ethischen Momenten gekenn‐ zeichnet ist (vgl. Nünning & Surkamp 2008: 13). Schließlich ist der produktionsorientierte Einsatz von So‐ cial Media, der im Rahmen eines aufgabenorientierten Un‐ terrichts (vgl. Müller-Hartmann & Schocker-von-Dithfurth 2008) in enger Begleitung der Lehrkraft aber auch der Mit‐ schüler: innen erfolgt, eine Option, die eine kontext- und dis‐ kurssensible, aber auch fehlertolerante Sprachverwendung anregen kann: Eine Möglichkeit liegt hier in Projekten, bei 66 4. Arbeit mit digitalen Texten im Fremdsprachenunterricht <?page no="68"?> denen das Lernprodukt die Dokumentation eines Prozesses ist (z. B. Lernende pflegen einen Kanal über ihren Schüler: in‐ nenaustausch, über die Biografie einer (historischen) Persön‐ lichkeit, über eine Lektüre, Stichwort: Lesetagebuch). Hierbei sollten die Optionen der Plattform und ihrer Eigenschaften ausgeschöpft werden, indem die Lernenden Hashtags für ihre Posts nutzen, Kommentare verfassen, Bild-Text-Inbezie‐ hungssetzung erproben, Feedback einholen usw., wodurch auch die digitale Medienkompetenz geschult wird. Hierzu existieren bereits vielversprechende Ideen und Ansätze sowie Leuchtturmprojekte, die zu einem Nachahmen einladen (vgl. z. B. für das Französische: Handreichung der Académie de Paris 2022). Für den Einbezug von sozialen Netzwerken in den schuli‐ schen Unterricht sind einige datenschutzrechtliche Aspekte zu berücksichtigen. Grundsätzlich erlaubt die aktuelle Daten‐ schutzlage den Einsatz von Social Media zu Unterrichtszwe‐ cken unter bestimmten Voraussetzungen: […] eine exemplarische Nutzung von Social Media Plattformen [ist] in der Schule recht unproblematisch möglich […], solange sie lediglich Unterrichtsgegenstand sind, und dabei die Privat‐ sphäre und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung gewahrt bleiben […]. (Datenschutz-Schule.info 2023: o.S.) Wenn im Rahmen von Unterricht ein Konto auf einer Platt‐ form, beispielsweise Instagram, erstellt und bespielt werden soll, müssen in der Planung einige Faktoren berücksichtigt werden: Sollten die Lernenden jünger als 15 Jahre alt sein, empfiehlt sich ein Klassenkonto, das die Lehrkraft eröffnet und verwaltet (vor allem hinsichtlich der zeitlich restriktiven Nutzung und der Verwaltung des Passworts). Generell sollten die Privatkonten der Lernenden nie im Kontext von schuli‐ schen Zwecken zum Einsatz kommen. Sind die Lernenden älter als 15 Jahre, können sie mit Pseudonym und einer 4.2 Implikationen für den Fremdsprachenunterricht 67 <?page no="69"?> junk-Mail-Adresse ein Konto eröffnen, dessen Zugangsdaten zum Schutz vor Missbrauch idealerweise die Lehrkraft erhält. Am Ende der Arbeit mit dem Konto sollte eine Abmeldung erfolgen, um die Nutzungszeit einzuschränken. Alle Vorha‐ ben für den Einsatz von Social Media im Unterricht sollten immer zunächst mit der Schulleitung und anschließend mit den Eltern abgesprochen sein (Einholen der Erlaubnis, Trans‐ parentmachung einer Netiquette und Nutzungsregeln vor allem im Umgang mit den eigenen Bildrechten). Wichtig ist, dass der Aspekt der Freiwilligkeit durchweg garantiert wird, d. h.: Wer nicht mit Instagram o. Ä. im Unterricht arbeiten möchte, darf keine Nachteile erhalten. 68 4. Arbeit mit digitalen Texten im Fremdsprachenunterricht <?page no="70"?> 5. Fazit oder Plädoyer für eine Didaktik des digitalen Lesens Insgesamt ist die Integration digitaler Lesekompetenz von entscheidender Bedeutung, damit sich Schüler: innen sicher und kompetent im digitalen Raum bewegen können. Dies ist nicht nur eine Aufgabe des Fremdsprachenunterrichts allgemein, sondern muss bereits im Erstsprachenunterricht angebahnt werden. Auch wenn die Digital Natives - wahr‐ genommen als medienkompetent qua Geburt - bereits viel Zeit in virtuellen Umgebungen verbringen, sollten sie insbe‐ sondere beim fremdsprachlichen digitalen Lesen nicht allein gelassen werden. Im Hinblick auf didaktische Überlegungen ergibt sich die Empfehlung, die Ausgangslage zu ergründen, d.-h. die verschiedenen Lesemodalitäten und Sehgewohnhei‐ ten - und hierbei auch besonders den Aspekt des Genusses digitaler Angebote -, die der digitale Raum im Unterschied zum analogen mit sich bringt, zunächst zu kennen, um daraus Formen der Vermittlung abzuleiten. Der Einfluss, den digitale Umgebungen auf das Leseverhalten (nicht die Lesezeit) der Lernenden hat, äußert sich in der Fokussierung auf zeitspa‐ rende Lesestrategien und erhöhte Ablenkungsmöglichkeiten, u. a. durch den Umgang mit multiplen Quellen. Das Lesen längerer, besonders literarischer Texte verlangt jedoch nach einer intensiven, vertieften Lektüre, die weniger der Infor‐ mationsentnahme als dem Genuss dient. Auch wenn die <?page no="71"?> Erwartungen der Schüler: innen an digitale Texte, die v. a. in außerschulische und in soziale Kontexte eingebettete Hand‐ lungen integriert sind, eher dem Bereich Unterhaltung zuzu‐ ordnen sind, bedarf es auch hinsichtlich der zu Genusszwe‐ cken stattfindenden digitalen Lektüre einer Leseförderung, die nicht rein auf analogen, papier- und buchbezogenen Formaten basiert (vgl. von Brand, Eikenbusch & Mues 2023: 7). Besonders im Umgang mit längeren Texten, denen mental aufmerksam zu folgen ist und die eine immersive Lektüre bedingen, stellt sich die Frage nach der Eignung im Digitalen. Dies bedeutet, Aufgabenstellungen zu geben, die Lesestile wie browsing, skimming und scanning bedingen (u. a. versehen mit Zeitlimits, um einem Wort-für-Wort-lesen vorzubeugen, aber auch um das Einhalten der gesetzten Leseziele zu beglei‐ ten). Hierbei sollte nicht nur eine multimodale semiotische Bewusstheit angebahnt, sondern vor allem die Möglichkeiten des digitalen Raums voll ausgeschöpft werden, wozu auch der gezielte Einsatz von Online-Wörterbüchern oder Über‐ setzungsprogrammen gehört. Diese aus den Klassenzimmern nicht zu verbannen, sondern deren Nutzen in Anbetracht von Potenzial und Grenzen auszuloten und anzuleiten und von den Übersetzungsergebnissen zu lernen, stellt einen wichti‐ gen Schritt zur digitalen Leseförderung und im weiteren Sinne zur Entwicklung einer Medienkompetenz dar. Um sicherzustellen, dass Lernende beim Lesen im digitalen Raum nicht ausschließlich auf die Erstsprache oder das Engli‐ sche als L2 zurückgreifen, ist eine ganzheitliche pädagogische Herangehensweise erforderlich. Dazu gehören die Förderung einer positiven Einstellung gegenüber Fremdsprachen, das Angebot interessanter und relevanter Lektüren in den Fremd‐ sprachen sowie die Wahrnehmung als lesendes Mitglied ei‐ ner mehrsprachigen digitalen Gemeinschaft. Besonders in Anbetracht der Möglichkeiten von social reading ermöglichen soziale Plattformen, zum Fremdsprachenlernen anzuregen 70 5. Fazit oder Plädoyer für eine Didaktik des digitalen Lesens <?page no="72"?> und dieses zu bereichern, indem sich die Lernenden als aktive Teilnehmer: innen einer mehrsprachigen Lesegemeinschaft sehen, in der es reichhaltige soziale Interaktionen zwischen den Mitgliedern gibt und in der Literatur gesellschaftlich ge‐ schätzt wird (vgl. Strommen & Mates 2004: 188). Laut Merga (2014: 472) sind insbesondere für Jüngere der Einfluss und die Interaktionen von bzw. mit Gleichaltrigen wichtig, um eine positive Einstellung zum Lesen zu entwickeln, da sie sich gegenseitig Literatur empfehlen, gemeinsam Autor: innen fol‐ gen, sich über diese austauschen und so eine nachhaltige Lesemotivation entwickeln. Generell ist dem Einsatz von Strategien mehr Bedeutung einzuräumen, denn das Navigieren und Evaluieren von In‐ formationen in digitalen Umgebungen erfordert metakogni‐ tive Kontroll-, Textverarbeitungs- und Lesestrategien, die selbst bei erfahrenen Leser: innen zu einer Überlastung des kognitiven Systems führen können (vgl. Rosebrock 2020: 12). Zusammenfassend legt dies ebenso die Notwendigkeit offen, den aktuell vertretenen neokommunikativen Ansatz der Fremdsprachendidaktik um digital-kommunikative Prin‐ zipien zu erweitern und auf diese hin zu aktualisieren, da erst durch einen kompetenten Umgang mit dem und funktionelles Agieren im digitalen Raum eine Leseförderung in der Fremd‐ sprache ermöglicht und voll ausgeschöpft werden kann. Angesichts des aktuell im deutschsprachigen Raum vertre‐ tenen starken Fokus auf die Digitalisierung in Schulen ist zu hoffen, dass neben der Bereitstellung von Hardware auch der Einzug von Lese-Software engagiert vorangetrieben wird. Diese muss Ablenkung gering halten, Textverarbeitungs‐ strategien erlauben und Multitasking (u. a. den Wechsel zu anderen Programmen limitieren) idealerweise verunmög‐ lichen. So sollten digitale Lernumgebungen geschaffen wer‐ den, die die kognitive Verarbeitung der Inhalte aktiv fördern sowie Lehrkräfte bei der Planung digitaler Lesearrangements 5. Fazit oder Plädoyer für eine Didaktik des digitalen Lesens 71 <?page no="73"?> besonders mit Blick auf adaptive Differenzierungsangebote unterstützen. Die rasante Entwicklung KI-basierter Tools und Programme verspricht eine fruchtbare Grundlage für Förderangebote im Bereich des digitalen Lesens zu sein, die über Diagnostik zur Offenlegung der Leseausgangslage hin zu zugeschnittenen Übungsangeboten nicht nur nachhaltig zum Lesen motivieren und den Weg bahnen, sondern auch dazu befähigen, die Leseerfahrungen in der Kultur der Digitalität zu teilen und Lesen als kooperative und interaktive Praxis zu verstehen und mitzugestalten. 72 5. Fazit oder Plädoyer für eine Didaktik des digitalen Lesens <?page no="74"?> 6. Unterrichtspraktische Beispiele Im Folgenden werden zwei grob skizzierte unterrichtsprakti‐ sche Beispiele zur Förderung des digitalen Lesens vorgestellt, die auf alle Fremdsprachen angewendet werden können. Einheit 1 richtet sich an Sprachanfänger: innen im zweiten Lernjahr, hier Französisch, kann aber auch für höhere Sprach‐ niveaus oder andere Sprachen adaptiert werden. Einheit 2 widmet sich einem Beispiel aus dem Englischunterricht für Lerner: innen ab Niveaustufe B1. 6.1 Umgang mit Hyperlinks reflektieren (ab A2) Im Fokus dieser Unterrichtseinheit steht die Anwendung digitaler Lesestrategien zur Vermeidung von cyberwandering anhand von Hyperlinks: Hyperlinks innerhalb des Textes for‐ dern zu permanenten Entscheidungen auf, ob eine zusätzliche Seite geöffnet werden soll. Sie sollten nicht automatisch an‐ geklickt, sondern bewusst und begründet ausgewählt werden (siehe Kapitel-3). Zu Beginn der Stunde stellt die Lehrkraft das Konzept digitaler Reiseberichte vor und erklärt, wie diese durch Hy‐ perlinks und Hashtags ergänzt werden. Alternativ kann das Vorwissen der Lernenden aktiviert und gemeinsam gesam‐ melt werden, was digitale Reiseblogs ausmacht (z. B. in Form <?page no="75"?> einer Mindmap). Bevor der digitale Text gelesen wird, sollte die Leseabsicht geklärt sein, denn die Schüler: innen müssen wissen, mit welchem Ziel sie einen Inhalt rezipieren, um ihr Leseverhalten entsprechend zu steuern (z. B. Anpassung ihrer Lesestrategien). Diese Leseziele können am Anfang festgehalten werden, um sie im Anschluss überprüfen und das Leseverhalten reflektieren zu können. Nach der Vorentlastung des Wortschatzes (z. B. durch ein Spiel) lesen die Schüler: innen einen von der Lehrkraft ausgewählten Reiseblog. Bei der ersten Begegnung mit die‐ sem sollten sich die Schüler: innen zunächst einen Überblick verschaffen, wie der Blog aufgebaut ist und ob die Lektüre entsprechend der gewünschten Leseabsicht lohnenswert ist bzw. welche (Unter-)Seiten und Abschnitte für die Lektüre infrage kommen (Einsatz von scanning und skimming). Für eine erste Orientierung sollten die Lernenden die verschiede‐ nen Seitenelemente identifizieren und sich einen Überblick über den Aufbau der Webseite verschaffen. Dafür ist es not‐ wendig, dass die Lernenden mit den entsprechenden fremd‐ sprachlichen Begriffen für wiederkehrende Strukturelemente vertraut sind, so etwa: mentions légales, à propos, accueil, lire la suite, en voir plus, liens utiles usw. Hinweise auf den Textinhalt liefern (Zwischen-)Überschriften und Bilder sowie andere optische Hervorhebungen (vgl. Kapitel-3.1 und 4.1.1). Während des Lesens sollen sie den eingebetteten Hyper‐ links folgen, um mehr über die erwähnten Orte und Sehens‐ würdigkeiten zu erfahren. Um cyberwandering zu vermeiden (vgl. Kapitel 3.2.2), sind die Lernenden dazu angehalten, nur Hyperlinks zu folgen, die direkt mit dem Reisebericht zu tun haben. Im Abgleich mit ihrer im Vorfeld formulierten Lese‐ absicht ermitteln sie die Hyperlinks, denen sie folgen wollen, um zu vertiefenden Informationen zu gelangen und notieren sie in einer digitalen Liste. Dann werden die Links geprüft und in der Liste die im Link zu findenden, für den Inhalt des Blogs 74 6. Unterrichtspraktische Beispiele <?page no="76"?> relevanten, wichtigsten Informationen notiert. Erst danach lesen die Lernenden den Reiseblog detailliert und folgen dem jeweiligen Leseauftrag der Lehrkraft. In einer sich anschließenden Gruppenarbeitsphase können die Schüler: innen sich über die Hyperlinks, denen sie gefolgt sind (oder nicht) austauschen und diskutieren, welche In‐ formationen sie dort gefunden haben, welche relevant und nützlich waren und nach welchen Kriterien sie entschieden haben, ob sie einem Hyperlink folgen oder nicht. Um die Lernenden für die Ablenkungsgefahr durch Hyperlinks zu sensibilisieren, kann es gegebenenfalls hilfreich sein, auch diskutieren zu lassen, inwiefern dieser Umgang mit Hyper‐ links den Leseprozess beeinflusst hat (individuelle Vor- und Nachteile der Methode sammeln). Hieran lässt sich eine Diskussion darüber anschließen, wie Hyperlinks - die häufig auch für Werbezwecke genutzt werden oder zu gesponserten Inhalten führen - das Verständnis und die Attraktivität von digitalen Texten beeinflussen, womit sich eine kritische Me‐ dienkompetenz schulen lässt (vgl. Kapitel-4.2.2 und 4.2.3). 6.2 Quellen kritisch reflektieren (ab B1) In der im Folgenden vorgestellten Unterrichtseinheit steht das kritische Reflektieren von digitalen Quellen anhand des Beispiels von Nachrichtenartikeln im Fokus. Zunächst stellt die Lehrkraft zwei oder mehr Nachrichtenartikel zu demselben Thema vor, die aus verschiedenen Online-Quellen stammen, für Englisch könnten dies beispielsweise BBC News und CNN sein. Die Schüler: innen werden in zwei Gruppen (oder - falls mehr Texte verglichen werden sollen - mehr) geteilt. Jede Gruppe liest jeweils einen Artikel auf ihren eigenen Endge‐ räten. Während des Lesens markieren sie wichtige Passagen, 6.2 Quellen kritisch reflektieren (ab B1) 75 <?page no="77"?> unbekannte Wörter und interessante Fakten und machen sich Notizen zu einem zuvor je nach Thema formulierten Leseauf‐ trag - dies kann analog oder digital, z. B. über Readwise oder Diigo geschehen, siehe Abschnitt 4.2.1). Der Leseauftrag sollte die Aufmerksamkeit auf die wesentlichen Informatio‐ nen im Text lenken und eine aktive Auseinandersetzung mit dem Thema anregen. Er sollte gleichzeitig bereits auf die sich anschließende Phase des Textvergleiches vorbereiten. Dies kann beispielsweise dadurch geschehen, dass die Lehrkraft die Lernenden dazu anleitet, auf Wortwahl, Ton / Absicht, dargestellte Fakten und Quellenangaben zu achten. Um das Ablenkungspotenzial - v. a. für Lernende, die Schwierigkei‐ ten haben, sich zu fokussieren, zu mindern - können Pro‐ gramme genutzt werden, die Hyperlinks, Werbung usw. aus digitalen Texten entfernen (z. B. Bionic Reading oder Ad- Blocker). Anschließend werden Paare bzw. Gruppen so gebildet, dass jeweils ein: e Schüler: in pro Text anwesend ist (bei mehr als zwei Texten bietet sich die Methode „Gruppenpuzzle“ an). Die Lernenden vergleichen die Darstellung des Themas in den Artikeln anhand spezifischer Kriterien: Wortwahl, Ton-/ Ab‐ sicht, dargestellte Fakten und Quellenangaben. Sie notieren Unterschiede in der Sprache und Terminologie, analysieren Absicht / Ton der Artikel, vergleichen die präsentierten Fak‐ ten und Daten und untersuchen die Quellenangaben. So können Unterschiede und Gemeinsamkeiten in den Texten erkannt und die Vertrauenswürdigkeit der Informationen be‐ wertet werden. Gleichzeitig wird die Lenkung der Emotionen und die Intention hinter einem Artikel durch den Ton oder die Wortwahl in den jeweiligen Beiträgen deutlich. Im Anschluss an die Gruppenarbeit kann eine Phase der Er‐ gebnispräsentation oder ein Galeriegang organisiert werden, die bzw. der mit einer von der Lehrkraft moderierten abschlie‐ ßenden Diskussion über die verschiedenen Perspektiven und 76 6. Unterrichtspraktische Beispiele <?page no="78"?> die Bedeutung von Medienkompetenz und kritischem Lesen endet. Diese abschließende Diskussion dient dazu, das Ge‐ lernte zu reflektieren und zu vertiefen sowie die Fähigkeit zur kritischen Analyse von Medieninhalten weiter zu festigen. 6.2 Quellen kritisch reflektieren (ab B1) 77 <?page no="80"?> 7. Literaturverzeichnis Académie de Paris. 2022. Guide de l’utilisation des réseaux sociaux en classe. https: / / pia.ac-paris.fr/ portail/ upload/ docs/ application / pdf/ 2021-11/ guide-rs_clemi_dane_canope_2021_version_2.pdf (26.04.2024). 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Literaturverzeichnis <?page no="94"?> MIT narr STARTER ERFOLGREICH IN DAS STUDIUM STARTEN! www.narr.de <?page no="95"?> ISBN 978-3-381-10101-6 erstes Grundlagenwerk zum digitalen Lesen im Fremdsprachenunterricht mit praktischen Hinweisen für die Umsetzung einer digitalen Leseförderung im Fremdsprachenunterricht fächerverbindend und kulturübergreifend Das Lesen im digitalen Raum nimmt eine immer bedeutendere Rolle im Alltag von Fremdsprachenlernenden ein. Besonders in den sozialen Medien sind diese mit fremdsprachlichen authentischen Quellen konfrontiert, welche unterschiedliche Textsortenmerkmale und Besonderheiten aufweisen. Jene Besonderheiten können das Leseverstehen unterschiedlich stark beeinflussen, wobei besonders digitale Hilfsmittel den Verstehensprozess behindern oder unterstützen können. Der Band widmet sich den Potenzialen und Herausforderungen im Einsatz von digitalen Texten im Fremdsprachenunterricht und stellt Implikationen für eine Leseförderung und ein Strategientraining vor. Mit praktischen Hinweisen, welche Aufgabenformate sich für eine digitale Leseförderung in der Fremdsprache eignen, bietet der Band eine Grundlage für die Gestaltung von digitalen Lehr-Lern-Settings.
