Digitalisierung im Controlling
Transformation der Unternehmenssteuerung durch die Digitalisierung
0703
2023
978-3-3811-0302-7
978-3-3811-0301-0
UVK Verlag
Ulrich Sailer
10.24053/9783381103027
Die Digitalisierung führt seit einigen Jahren zu drastischen Veränderungen im Controlling, was zu großen Chancen, aber auch zu Herausforderungen führt. In der Controlling-Community herrscht hierzu vielfach noch Unwissenheit und Unsicherheit. Dabei geht es nicht nur um neue digitale Technologien, sondern auch um neue Prozesse und Strukturen in der Planung, der Steuerung und dem Reporting. Dadurch verändern sich die Rollenbilder der Controller wie auch die notwendigen Kompetenzen. Das gesamte Themengebiet ist durch die rasante Entwicklung schwer zu überschauen.
Mit diesem Buch wird ein fundierter Überblick über den aktuellen Stand des digitalen Controllings in der Unternehmenspraxis gegeben. Es werden praxisnahe Einblicke in die neuen Themen gewährt, diese werden in die bestehenden Controllingprozesse eingeordnet und ihre Potenziale werden bewertet.
<?page no="0"?> ISBN 978-3-381-10301-0 <?page no="1"?> Digitalisierung im Controlling <?page no="2"?> Prof. Dr. Ulrich Sailer ist Professor an der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen. Er leitet den Masterstudiengang Controlling und beschäftigt sich insbesondere mit dem Nachhaltigkeitscontrolling und mit der Digitalisierung im Controlling. In der Lehre immer am Zahn der Zeit zu sein, wird in unserer schnelllebigen Zeit immer mehr zur Herausforderung. Mit unserer neuen fachübergreifenden Reihe nuggets präsentie‐ ren wir Ihnen die aktuellen Trends, die Forschung, Lehre und Gesellschaft beschäftigen - wissenschaftlich fundiert und kompakt dargestellt. Ein besonderes Augenmerk legt die Reihe auf den didaktischen Anspruch, denn die Bände sind vor allem konzipiert als kleine Bausteine, die Sie für Ihre Lehrveranstaltung ganz unkompliziert einsetzen können. Mit unseren nuggets bekommen Sie prägnante und kompakt dar‐ gestellte Themen im handlichen Buchformat, verfasst von Expert: innen, die gezielte Information mit fundierter Analyse verbinden und damit aktuelles Wissen vermitteln, ohne den Fokus auf das Wesentliche zu verlieren. Damit sind sie für Lehre und Studium vor allem eines: Gold wert! So gezielt die Themen in den Bänden bearbeitet werden, so breit ist auch das Fachspektrum, das die nuggets abdecken: von den Wirtschaftswissenschaf‐ ten über die Geisteswissenschaften und die Naturwissenschaften bis hin zur Sozialwissenschaft - Leser: innen aller Fachbereiche können in dieser Reihe fündig werden. <?page no="3"?> Ulrich Sailer Digitalisierung im Controlling Transformation der Unternehmenssteuerung durch die Digitalisierung UVK Verlag · München <?page no="4"?> DOI: https: / / doi.org/ 10.24053/ 9783381103027 © UVK Verlag 2023 ‒ ein Unternehmen der Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5 · D-72070 Tübingen Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Ver‐ vielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Alle Informationen in diesem Buch wurden mit großer Sorgfalt erstellt. Fehler können dennoch nicht völlig ausgeschlossen werden. Weder Verlag noch Autor: in‐ nen oder Herausgeber: innen übernehmen deshalb eine Gewährleistung für die Korrektheit des Inhaltes und haften nicht für fehlerhafte Angaben und deren Folgen. Diese Publikation enthält gegebenenfalls Links zu externen Inhalten Dritter, auf die weder Verlag noch Autor: innen oder Herausgeber: innen Einfluss haben. Für die Inhalte der verlinkten Seiten sind stets die jeweiligen Anbieter oder Betreibenden der Seiten verantwortlich. Internet: www.narr.de eMail: info@narr.de CPI books GmbH, Leck ISSN 2941-2730 ISBN 978-3-381-10301-0 (Print) ISBN 978-3-381-10302-7 (ePDF) ISBN 978-3-381-10303-4 (ePub) Bildmotiv: © jiefeng jiang iStockphoto Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http: / / dnb.dnb.de abrufbar. www.fsc.org MIX Papier aus verantwortungsvollen Quellen FSC ® C083411 ® <?page no="5"?> 1 9 1.1 9 1.2 10 1.3 13 2 15 2.1 15 2.2 19 3 23 3.1 23 3.2 27 4 31 4.1 32 4.2 35 4.3 40 4.4 44 4.5 49 5 53 5.1 53 5.2 56 6 63 6.1 63 6.2 66 7 69 7.1 69 Inhalt Digitale Transformation und digitalisiertes Controlling . . . . . . . . Digitale Transformation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Auswirkungen des digitalen Wandels auf das Controlling Aufgaben des Controllings . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Handlungsfelder des digitalen Controllings . . . . . . . . . . . . . . . . . . Framework des digitalen Controllings . . . . . . . . . . . . . . . . . Readyness-Check: Stand und Ziele der Controller . . . . . . . Digitalisierungsstrategie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Digitalisierungsstrategie des Controllings . . . . . . . . . . . . . . Controlling der digitalen Transformation . . . . . . . . . . . . . . Planung und Steuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Campus-Planung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Treiberbasierte Planung und Steuerung . . . . . . . . . . . . . . . . Forecasting . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Modellierung und Simulation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vergleich der Planungs- und Steuerungsansätze . . . . . . . . . Reporting . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Reporting Factory . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Self-Service-Reporting und Visual Analytics . . . . . . . . . . . . Prozesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Process Mining . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Robotic Process Automation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Business Analytics . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Datenanalytische Denkweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . <?page no="6"?> 7.2 75 7.3 81 8 89 8.1 89 8.2 94 99 103 Praktische Umsetzung von Business Analytics . . . . . . . . . . Machine Learning . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rollenbilder und Kompetenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rollenbilder im digitalisierten Controlling . . . . . . . . . . . . . . Digitale Controller-Kompetenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Register . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 Inhalt <?page no="7"?> Vorwort Fragt man Controller zum Stand der Digitalisierung, sind die Antworten sehr unterschiedlich. Manche stehen ganz am Anfang, andere lernen aus Pilotprojekten und einige wenige arbeiten bereits in ganzheitlich digitali‐ sierten Controlling-Abteilungen. Als Ziele der Digitalisierung wurden vor einigen Jahren vor allem die Effizienzsteigerung und Prozessautomatisie‐ rung genannt. Deutlich an Bedeutung gewonnen hat mittlerweile die Frage, wie die Digitalisierung die Wirksamkeit des Controllings steigern kann. Digitale Methoden und Tools ermöglichen auch in einem komplexen Umfeld eine effektive Unternehmenssteuerung. Hierzu dienen das Forecasting, trei‐ berbasierte Simulationen, Selfservice-Reporting, Business Analytics, Visual Analytics, Robotics und der Einsatz Künstlicher Intelligenz. Dabei ist die Digitalisierung keinesfalls nur eine Frage von Tools. Erfolgskritisch ist das Management der digitalen Transformation mit der Einbindung der Mitarbei‐ ter und der Weiterentwicklung der Unternehmenskultur und Organisation. Durch die Digitalisierung verändern sich die Rollen und die notwendigen Kompetenzen der Controller. Diese sind gut beraten, diese Herausforderun‐ gen anzunehmen, digitale Kompetenzen zu entwickeln und ihre Rolle im Unternehmen aktiv zu gestalten. Dieses Buch zeigt die wichtigsten digitalen Handlungsfelder des Controllings auf und bietet Controlling-Praktikern wie Studierenden das grundlegende Wissen zur Digitalisierung des Control‐ lings. Über Fragen, Kritik und Anmerkungen zu meinem Buch freue ich mich. Schreiben Sie mir: ulrich.sailer@hfwu.de Prof. Dr. Ulrich Sailer Professor für Controlling und Nachhaltigkeit Leiter des Masterstudiengangs Controlling Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen Sigmaringer Str. 25 72622 Nürtingen ulrich.sailer@hfwu.de www.hfwu.de <?page no="9"?> 1 Digitale Transformation und digitalisiertes Controlling 1.1 Digitale Transformation Netflix war eine Online-Videothek und verschickte Millionen von DVDs, bevor es mit Streaming-Diensten startete und den Kunden datenbasiert Filme empfahl. Paketlieferanten informieren Kunden in Echtzeit über den Lieferstatus und Bankgeschäfte werden überwiegend online getätigt statt in der Filiale. Leistungsfähige digitale Technologien verändern zahlreiche Lebensbereiche. Jede Stufe der industriellen Revolution befeuerte Fantasien und führte zu Befürchtungen. Als bei der ersten industriellen Revolution Ende des 18. Jahrhunderts mechanische Produktionsanlagen eingeführt wurden, die durch Wasser und Dampfkraft angetrieben wurden, befürchtete man eine Verelendung der Arbeiterklasse. Die zweite industrielle Revolution zu Beginn des 20. Jahrhunderts führte unter Ausnutzung elektrischer Energie und Fließbändern zu einer arbeitsteiligen Massenproduktion. Ab den 1970er Jahren führte der Einsatz der IT in der dritten industriellen Revolution zu einer starken Automatisierung der Produktion. Aktuell befinden wir uns der vierten industriellen Revolution, die durch eine internetbasierte Vernetzung von Maschinen, Sensoren und Menschen gekennzeichnet ist. Die Digitalisierung betrifft nicht nur die Industrie, sondern umfasst sämtli‐ che Unternehmensbereiche, Branchen und das private Lebensumfeld. Die digitale Transformation führt zu digitalisierten Geschäftsmodel‐ len, in denen der Kundennutzen durch digitale Technologien gesteigert oder überhaupt erst ermöglicht wird. Dies sind beispielsweise: • Freemium-Modelle mit kostenloser, werbefinanzierter Basisversion und bezahlpflichtiger Vollversion (z.-B. Spotify, Netflix) • On-Demand-Modelle, bei denen Leistungen gegen Bezahlung genutzt werden können (z. B. Amazon Video, upwork zur Jobvermittlung für Freelancer) • E-Commerce-Modelle (z.-B. Amazon, Zalando) <?page no="10"?> • Marktplatz-Modelle als Plattform für Verkäufer und Käufer (z. B. eBay, Uber) • Sharing-Modelle, um Produkte oder Dienstleistungen gegen Bezahlung zu nutzen (z.-B. Airbnb, Zipcar) • Ökosystem-Modelle, die für Kunden zahlreiche Dienstleistungen über verschiedene Plattformen anbieten, wofür deren Daten gesammelt und genutzt werden (z.-B. Google, Alibaba, Apple, Amazon) Neben der Entwicklung neuer Geschäftsmodelle werden durch die Digi‐ talisierung auch Geschäftsprozesse optimiert und damit effektiver und effizienter: • Kunden können Produkte online konfigurieren und bestellen • Kunden können den Lagerbestand von Produkten online einsehen und kennen somit die Lieferfähigkeit • eingehende Rechnungen werden in Unternehmen automatisch erfasst, mit der Bestellung abgeglichen und bezahlt • Fabriken und Produktionsanlagen werden als digitale Zwillinge entwi‐ ckelt und optimiert, bevor sie gebaut werden • repetitive Prozesse werden digital abgebildet und automatisch ausge‐ führt Um die Potenziale digitaler Technologien zu heben, braucht es neben einem hohen technischen Sachverstand auch Kreativität, Veränderungsbe‐ reitschaft und finanzielle Mittel. Die Technologie soll einen Kundennutzen stiften, zu Einsparungen und zu besseren Ergebnissen führen. 1.2 Auswirkungen des digitalen Wandels auf das Controlling Nicht nur in den Produkten, Dienstleistungen und Geschäftsmodellen führt die Digitalisierung zu drastischen Veränderungen, auch hinter den Kulissen, in der Steuerung der Unternehmen. Neue digitale Technologien und erste erfolgreiche Pilotanwendungen führten vor einigen Jahren im Controlling nicht nur zu Euphorie, sondern auch zu Befürchtungen. Teils drängte sich der Eindruck auf, man werde überflüssig---die Maschine übernimmt. Das Neue war noch ungewiss, man kannte sich mit den Technologien, Methoden und Werkzeugen nicht aus und war verunsichert, wie sich die Rolle der Controller verändern wird. Hat man für den klassischen 10 1 Digitale Transformation und digitalisiertes Controlling <?page no="11"?> Controller zwischen automatisierten Shared-Service-Centern, roboterge‐ steuerten Prozessen und hochspezialisierten Data Scientists überhaupt noch Verwendung? Andererseits beklagen Controller seit Jahren, dass sie durch manuelle Tätigkeiten an Systemen, Prozessen und Daten von einer wirkungsvollen Unterstützung des Managements abgehalten werden. Die operativen Zwänge haben Controller seit jeher daran gehindert, als Business Partner zu fungieren und damit spürbaren Nutzen zu stiften. Man war mehr Zahlenlieferant als Navigator oder Berater. Die Digitalisierung bietet somit die Chance, die Wirkung des Controllings zu steigern. Die digitale Transformation des Controllings ist nicht als einmaliges Projekt, sondern als Prozess zu verstehen. Es gibt keine Hinweise, dass die dynamische Entwicklung neuer Technologien, Werkzeuge und Methoden zukünftig nachlässt. Die Nutzung digitaler Chancen ist vielmehr eine Dau‐ eraufgabe. Somit werden mehr und besser ausgebildete Controller benötigt, die Analytics-Methoden beherrschen, über hervorragende Geschäftskennt‐ nisse verfügen, mit Treibermodellen Simulationen durchführen und das Management auf Augenhöhe beraten. Aufgaben werden anspruchsvoller und digitale Methoden können die Unternehmenssteuerung wirksamer unterstützen. Repetitive Aufgaben lassen sich hingegen durch Maschinen ersetzen. Die Rollenbilder und Kompetenzprofile verändern sich. Die Digitalisierung im Controlling ist insgesamt schwierig zu überbli‐ cken. Neue Technologien und Werkzeuge sind wenig bekannt oder werden widersprüchlich bewertet. Teils fällt es schwer sich vorzustellen, wie ein digitales Werkzeug im eigenen Unternehmen genutzt werden kann und welche Voraussetzungen hierfür gegeben sein müssen. Software-Anbieter tragen nicht immer zu einem realistischen Blick auf die tatsächlichen digi‐ talen Potenziale bei. Der Fokus ist häufig stärker auf die Technik gerichtet und weniger auf Kultur, Mindset und Change-Prozesse. In den Fachmedien finden sich erfolgreiche digitale Leuchtturmprojekte von zumeist großen Unternehmen. Für die Masse mittelständischer Unternehmen sind diese oft schwer erreichbar oder nicht passend. Es ist notwendig, die Potenziale eines digitalisierten Controllings in Bezug auf das eigene Unternehmen transparent darzustellen. Auf dieser Grundlage können die eigene Position bestimmt, Bedürfnisse gebildet, notwendige Voraussetzungen interpretiert und Lösungen erarbeitet werden. Inhaltliche Veränderungen durch die Digitalisierung im Controlling werden insbesondere in folgenden Feldern erwartet (vgl. Spieler 2017; Kieninger, Mehanna und Michel 2015): 1.2 Auswirkungen des digitalen Wandels auf das Controlling 11 <?page no="12"?> • steuerungsrelevante Daten sollen aus dem umfangreichen Datenbe‐ stand extrahiert und in Handlungsempfehlungen übersetzt werden • Daten sollen für die Zukunft Relevanz haben und weniger für die Vergangenheit: proaktiv statt reaktiv, prognostizierend statt analytisch • Predictive Analytics und Machine-Learning liefern quantifizierte, zu‐ kunftsorientierte Informationen anstatt qualitativer Expertenschätzungen • Fokus auf Maßnahmenpläne statt auf Dokumentation • Forecasts ersetzen nicht die Planung, sondern es sollen Maßnahmen entwickelt werden, um die Lücke zwischen Plan und Forecasts zu schließen • datenanalytisch fundierte Treibermodelle verschaffen eine hohe Trans‐ parenz und bieten eine objektive Entscheidungsgrundlage • Detailtiefe und Genauigkeit nur im notwendigen Umfang, ansonsten sollte Schnelligkeit dominieren • Berichte und Analysen sind flexibel, automatisiert und ad-hoc zu erstel‐ len und nicht nur nach definierten Routinen • unternehmensübergreifende Datennetze stärken die Integration in die Wertschöpfungskette Die Controlling-Prozesse sind unterschiedlich gut geeignet, digitale Tech‐ nologien zu nutzen. Abbildung 1.1 zeigt, welche Teilprozesse sich für die Digitalisierung eignen. Abb. 1.1: Wie stark wirkt sich die Digitalisierung auf die einzelnen Controlling-Teilprozesse aus? (Quelle: Grönke und Ahr 2017, S.-135) 12 1 Digitale Transformation und digitalisiertes Controlling <?page no="13"?> In der strategischen Planung kann die Analysephase wirkungsvoll digi‐ tal unterstützt werden, weniger aber die Abstimmung der Strategie mit den Stakeholdern. Die operative Planung und die Erstellung der Budgets lassen sich digitalisieren, die Festlegung der Planungsprämissen und die Kommunikation hingegen nicht. Ein Paradebeispiel der Digitalisierung im Controlling ist die automatisierte Erstellung von Forecasts. Ein großes Digitalisierungspotenzial liegt zudem im Reporting. Die Bewertung der berichteten Informationen und die Ableitung von Maßnahmen ist hingegen Aufgabe der Business Partner und Manager. (vgl. Kirchberg und Müller 2016, S.-90ff.) 1.3 Aufgaben des Controllings „Controlling der Digitalisierung“ vs. „Digitalisierung des Control‐ lings“ - in diesem Buch geht es um das Zweitgenannte. Ausgangspunkt der Digitalisierung bilden dabei die originären Aufgaben des Controllings und nicht das technisch Mögliche. Die digitalen Methoden und Techniken sollen die Controller dabei unterstützen, die Aufgaben besser zu erfüllen. Entlang dieser Aufgaben ist zu unterscheiden, wie die digitalen Potenziale genutzt werden sollen. Die International Group of Controlling (IGC) beschreibt die Aufga‐ ben der Controller folgendermaßen: „Controller… 1. gestalten und begleiten den Managementprozess der Zielfindung, Pla‐ nung und Steuerung, sodass jeder Entscheidungsträger zielorientiert handelt. 2. sorgen für die bewusste Beschäftigung mit der Zukunft und ermöglichen dadurch, Chancen wahrzunehmen und mit Risiken umzugehen. 3. integrieren die Ziele und Pläne aller Beteiligten zu einem abgestimmten Ganzen. 4. entwickeln und pflegen die Controlling-Systeme. Sie sichern die Daten‐ qualität und sorgen für entscheidungsrelevante Informationen. 5. sind als betriebswirtschaftliches Gewissen dem Wohl der Organisation als Ganzes verpflichtet.“ (International Group of Controlling 2017, S.-12f.) 1.3 Aufgaben des Controllings 13 <?page no="14"?> In den Anfangsjahren der Digitalisierung im Controlling wurde zumeist die Effizienzsteigerung als Ziel genannt. Digitalisierung wurde als Automa‐ tisierung verstanden, die manuelle Arbeitsschritte ersetzt. Auch wenn dies nach wie vor ein relevantes Kriterium für die Digitalisierung ist, so hat doch das Ziel der Effektivitätssteigerung an Bedeutung gewonnen (vgl. Glaum und Meyer 2022, S. 12). Wettbewerbsvorteile erlangt man nicht nur durch Kosteneinsparungen, sondern vor allem durch die Weiterentwicklung von Wertschöpfungsketten, Produkten und Geschäftsmodellen. 14 1 Digitale Transformation und digitalisiertes Controlling <?page no="15"?> 2 Handlungsfelder des digitalen Controllings War Controlling jemals analog? Im Controlling werden seit jeher digitale Werkzeuge genutzt. Und dennoch verändert sich auch das Controlling durch die digitale Transformation enorm. Doch zuerst muss ein einheitliches Verständnis davon entwickelt werden, was die Digitalisierung des Con‐ trollings umfasst. Im folgenden Abschnitt wird ein Framework des digitalen Controllings vorgestellt, das im Netzwerk Digitales Controlling mit zehn großen mittelständischen Unternehmen entwickelt wurde. 2.1 Framework des digitalen Controllings Beim Aufbau des Netzwerks Digitales Controlling trat zu Beginn die Frage auf, was unter der Digitalisierung des Controllings zu verstehen ist. Zwar waren einzelne Schlagwörter, wie etwa Analytics, Dashboards, Prozessautomatisierung oder Forecasts allen präsent, doch was gehört insgesamt dazu und in welchem Verhältnis stehen diese Themenfelder zueinander? In prozessualer Sicht ist zu klären, ob diese Themen in einer bestimmten Reihenfolge bearbeitet werden sollen. Müssen bestimmte Auf‐ gaben erfüllt sein, bevor andere angegangen werden? Gibt es Felder, in denen sich die Digitalisierung besonders lohnt und andere, die zwar in aller Munde sind, doch oftmals enttäuschen? Bei den Netzwerkteilnehmern handelt es sich um zehn große mittel‐ ständische Unternehmen, überwiegend aus dem produzierenden Gewerbe mit Sitz in Süddeutschland. Die Umsätze liegen zwischen 100 Millionen und drei Milliarden Euro. Mehrere Unternehmen sind in Familienhand, eines ist Tochtergesellschaft eines US-amerikanischen Unternehmens, eines hat eine chinesische Muttergesellschaft und eines ist in der Hand einer Private-Equity-Gesellschaft. Die verschiedenen Perspektiven auf ein digitalisiertes Controlling wur‐ den zusammengetragen, diskutiert und sortiert. Es sollte ein Bild entstehen, das jeder vor Augen hat, wenn über Digitalisierung gesprochen wird. Dieses Framework wurde zugleich genutzt, um durch eine Selbsteinschätzung den aktuellen Stand der Digitalisierung im Controlling umfänglich zu erfassen. Dies schaffte eine transparente Ausgangssituation. Ebenso wurde nach <?page no="16"?> den kurzbis mittelfristigen Zielen gefragt, wodurch eine Prioritätenliste aufgestellt wurde. Es wurde deutlich, wo die Unternehmen bereits gut sind, wo sie in den nächsten 1-2 Jahren Fortschritte sehen wollen und wo erst mit einer längeren Frist Erfolge angestrebt werden. Das erarbeitete Framework in Abbildung 2.1 umfasst folgende Hand‐ lungsfelder: Planung und Steuerung Business Analy�cs Prozesse Repor�ng Digitalisierungsstrategie Rollenbilder und Kompetenzen Basis: Datenmanagement, Data Governance, Organisa�on und digitales Mindset Abb. 2.1: Handlungsfelder des digitalen Controllings (Quelle: eigene Abbildung) Nachfolgend wird ein Überblick über die Themenfelder gegeben, die in Ka‐ pitel 3 bis 8 behandelt werden. Die im untersten Feld als Basis bezeichneten Inhalte werden ausschließlich hier beschrieben. Digitalisierungsstrategie (3. Kapitel) Diese gibt den generellen Weg vor, wie die Potenziale der Digitalisierung im Controlling erschlossen werden sollen. Notwendig ist hierfür eine Vi‐ sion, also eine fundierte Vorstellung von einem zukünftig digitalisierten Controlling. Neben der Digitalisierung des Controllings ist auch die digitale Transformation des Unternehmens vom Controlling zu begleiten. 16 2 Handlungsfelder des digitalen Controllings <?page no="17"?> Planung und Steuerung (4. Kapitel) Digitalisierte Geschäftsmodelle, Produkte und Wertschöpfungsketten er‐ möglichen und erfordern andere Planungs- und Steuerungsprozesse. Die traditionelle Planung lässt sich durch Campus-Konzepte, durch ein Frontloa‐ ding, durch die Fokussierung auf Treiber, durch Forecasts und Simulationen weiterentwickeln. Die bisher dominierende reaktiv-analytische Steuerung wandelt sich zunehmend zu einer proaktiv-prognostizierenden Steuerung. Reporting (5. Kapitel) Eine hohe Datenverfügbarkeit sowie benutzerfreundliche und leistungs‐ starke Tools verändern das Reporting auf vielfältige Weise. Standardberichte können automatisiert und effizient in Reporting-Factories erstellt werden. Self-Service-Reports stellen interaktiv und individuell steuerungsrelevante Informationen mittels Dashboards zur Verfügung. Prozesse (6. Kapitel) Process-Mining-Software extrahiert Prozessinformationen und visualisiert tatsächliche Prozessabläufe, die analysiert und optimiert werden können. Robotic Process Automation (RPA) sind Werkzeuge, um repetitive, fehler‐ anfällige und zeitraubende Prozesse zu automatisieren. Business Analytics (7. Kapitel) Der automatisierte Einsatz statistischer Methoden erweitert den Informati‐ onsgewinn aus internen und externen Daten. Qualitativ hochwertige Daten, statistische Algorithmen und handhabbare Softwaretools ermöglichen eine empirische Fundierung von Entscheidungen. Rollenbilder und Kompetenzen (8. Kapitel) Die Rolle der Controller wird sich in digitalisierten Unternehmen verändern. Neben der Rolle des Business Partners werden in großen, digitalisierten Unternehmen weitere Ausdifferenzierungen von Controller-Rollen vorge‐ nommen. Die Spezialisierung der Controller erfordert zugleich auch eine Weiterentwicklung der Kompetenzen. 2.1 Framework des digitalen Controllings 17 <?page no="18"?> Datenmanagement und Data Governance Wesentliche Voraussetzung einer Digitalisierung des Controllings ist ein professionelles Datenmanagement, eine hohe Datenverfügbarkeit und eine gute Datenqualität. Die technische Ebene des Datenmanagements muss durch eine organisatorische und regulatorische Ebene, die Data Governance, begleitet werden. Die Bereitstellung von Daten ist im Hinblick auf Quali‐ täts-, Sicherheits- und Prozessstandards wie auch unter Beachtung des Datenschutzes zu gewährleisten. Data Governance stellt ein Rahmenwerk mit Regeln und Richtlinien für den Umgang mit Daten dar. Ohne ein funktionierendes Datenmanagement, in technischer und organisatorischer Hinsicht, lassen sich digitale Potenziale nicht heben. (vgl. Bundi und Keimer 2019, S.-62; Langmann 2019, S.-32ff.) Organisation Die Organisation des Controllings umfasst zwei Ebenen: • Stellung des Controllings innerhalb des Unternehmens • Organisation der Controlling-Abteilung Die Automatisierung repetitiver Tätigkeiten erlaubt deren Zentralisierung. Hierdurch können Kosten gesenkt und die Qualität gesteigert werden. Zudem verändern die neuen Controller-Rollen die Organisation des Con‐ trollings. Der Business Partner wird dezentral nahe am Management an‐ gesiedelt sein, wohingegen Expertenfunktionen zentral gebündelt werden (z. B. Controlling-Hubs zur Bündelung von Spezialwissen in IT, Statistik und Data Science). Digitales Mindset Ein Mindset beschreibt die Haltung bzw. Einstellung zu einem Thema. Im Zusammenhang mit der Digitalisierung ist eine positive Grundhaltung dieser gegenüber zu verstehen. Dies setzt ein Verständnis über die Inhalte der Digitalisierung voraus und schließt auch das Interesse und die Neugierde für die digitale Entwicklung ein. Das digitale Mindset als Teil der Unterneh‐ menskultur fördert die digitale Transformation. Vom digitalen Mindset sind die digitalen Skills zu unterscheiden. Unter digitalen Skills versteht man die digitalen Kompetenzen, also die Fähigkeit, mit digitalen Werkzeugen umzugehen. 18 2 Handlungsfelder des digitalen Controllings <?page no="19"?> 2.2 Readyness-Check: Stand und Ziele der Controller Die Befragung des Netzwerks Digitales Controlling gibt einen Einblick in den aktuellen Stand und die Ziele der Digitalisierung des Controllings. Bei der Frage nach der praktischen Bedeutung der verschiedenen Handlungs‐ felder wurden null Punkte für unwichtige und bis zu drei Punkte für sehr wichtige Themen vergeben. Die Befragungsergebnisse sind in Abbildung 2.2 dargestellt. 2,3 1,8 1,0 1,7 2,3 2,5 1,0 0,8 1,3 2,0 1,5 1,7 2,5 2,0 Abb. 2.2: Bedeutung verschiedener Handlungsfelder des digitalen Controllings (Quelle: eigene Abbildung) Die Handlungsfelder wurden bei der Befragung gegenüber Abbildung 2.1 zum Teil noch verfeinert. So wurde das Handlungsfeld „Planung und Steuerung“ in die vier Bereiche Budgetierungsverfahren, treiberbasierte Steuerung, Simulation und Forecasting aufgeteilt. Das Handlungsfeld „Pro‐ zesse“ teilt sich in Process Mining und Robotic Process Automation auf. Dem Reporting und den digitalen Kompetenzen wurde die größte Be‐ deutung beigemessen, gefolgt von der Digitalisierungsstrategie und Fore‐ casting. Durch ein digitalisiertes Reporting erhoffen sich viele deutliche Effizienzsteigerungen, da dies als sehr zeitintensiv beurteilt wird. Es wird aber auch die Erhöhung der Effektivität genannt, etwa durch Dashboards 2.2 Readyness-Check: Stand und Ziele der Controller 19 <?page no="20"?> und Self-Service-Lösungen. Durch automatisierte Forecasts soll ein rascher Blick in die Zukunft ermöglicht werden, was insbesondere bei dynamischen Umweltänderungen und rasch veralteten Plänen bedeutsam ist. Überra‐ schend waren die geringe Bedeutung der treiberbasierten Steuerung, des Process Minings und der RPA. In Interviews mit den Unternehmen wurde hingegen ein großes Interesse an RPA geäußert. Die Bedeutung wurde dennoch als gering angegeben, weil über den tatsächlichen Nutzen vielfach noch Unklarheit besteht. Dies gilt auch für die treiberbasierte Steuerung. Dabei sind Treibermodelle eine Voraussetzung für Simulationen und auto‐ matisierte Forecasts. Bei der Befragung des Ist-Stands konnten die Unternehmen zwischen einem Punkt (sehr schwache Ausprägung) und bis zu vier Punkten (profes‐ sionelle Umsetzung) vergeben. Eine gute oder bereits professionelle Umset‐ zung bescheinigten sich die Unternehmen in keinem der Handlungsfelder. Ein Wert von 2,5 entspricht einer mittelmäßigen Ausprägung. Der Ist-Stand findet sich in Abbildung 2.3. 2,1 2,0 1,6 1,9 1,9 2,3 1,4 1,3 1,3 2,1 2,4 2,3 1,9 2,6 Abb. 2.3: Ist-Stand der Handlungsfelder des digitalen Controllings (Quelle: eigene Abbil‐ dung) 20 2 Handlungsfelder des digitalen Controllings <?page no="21"?> Das digitale Mindset wurde im Durchschnitt am stärksten bewertet. Diese entspricht einer mittelmäßigen Aufgeschlossenheit der Digitalisierung ge‐ genüber. Auch bei der Organisation und der Entwicklung neuer Rollenbilder erfolgten bereits erste Schritte. Die Digitalisierung des Reportings, dem eine hohe Bedeutung zugemessen wird, wurde von mehreren Unternehmen bereits angestoßen. Die digitalen Kompetenzen sind noch schwach ausge‐ prägt, obwohl sie als sehr bedeutsam erachtet werden. Auch andere Studien bestätigen, dass Digitalisierungskompetenzen in Controlling und Finanzen, abgesehen von großen Unternehmen, häufig noch gering sind (vgl. Glaum und Meyer 2022, S. 24). Sehr geringe Fähigkeiten bestehen bei Business Analytics, im digitalen Prozessmanagement und bei der treiberbasierten Steuerung. Die Fähigkeiten zur Digitalisierung des Controllings sind insgesamt noch schwach ausgeprägt. In einigen Handlungsfeldern fehlt zudem ein vertiefter Einblick, um die Potenziale zuverlässig einzuschätzen. Es wird der Bedarf gesehen, diese Fähigkeiten rasch zu steigern. Die Unternehmen wurden befragt, welche Steigerung der Fähigkeiten in eher kurzer Frist, etwa in zwei Jahren, und in längerer Frist, in etwa fünf Jahren, angestrebt wird. Die Ergebnisse finden sich in Abbildung 2.4. 2,1 2,0 1,6 1,9 1,9 2,3 1,4 1,3 1,3 2,1 2,4 2,3 1,9 2,6 3,1 2,7 2,3 2,4 3,3 3,3 1,9 1,9 2,0 3,0 3,0 2,7 2,6 3,3 3,6 3,6 2,6 2,9 3,7 3,9 2,6 2,9 2,7 3,7 3,4 3,4 3,0 3,7 Ist 2,1 Ziel 2 Jahre 3,1 Ziel 5 Jahre Abb. 2.4: Ziele für die Entwicklung der Handlungsfelder des digitalen Controllings (Quelle: eigene Abbildung) 2.2 Readyness-Check: Stand und Ziele der Controller 21 <?page no="22"?> In sämtlichen Handlungsfeldern sollen die Fähigkeiten stark gesteigert werden. Nahezu durchgehend wird beim digitalisierten Reporting ein äu‐ ßerst professionelles Niveau angestrebt. Ebenfalls ein hohes Niveau wird bei der Digitalisierungsstrategie, der Budgetierung, dem Datenmanagement und dem digitalen Mindset erwartet. Die größte Steigerung ist aber beim Forecasting geplant, wo gegenwärtig nur geringe Fähigkeiten bestehen. Starke Steigerungen werden zudem bei der Budgetierung, dem Reporting, den RPA und dem Datenmanagement erwartet. Dies erfordert weitreichende Maßnahmen in der Personalentwicklung und in der Akquise von entspre‐ chend ausgebildeten Mitarbeitern. Die befragten Unternehmen streben insgesamt eine sehr umfangreiche digitale Transformation des Controllings an. Nachdem die Handlungsfelder des digitalen Controllings aufgezeigt und ihre praktische Bedeutung und Ziele dargelegt wurden, werden diese in den folgenden Kapiteln behandelt. 22 2 Handlungsfelder des digitalen Controllings <?page no="23"?> 3 Digitalisierungsstrategie Bei der Digitalisierungsstrategie sind zwei Ansätze zu unterscheiden: • Digitalisierungsstrategie des Controllings • Controlling der digitalen Transformation Es ist zum einen der grundsätzliche Weg zu entwickeln, wie im Controlling die digitalen Potenziale gehoben werden. Zum anderen unterstützt das Controlling die digitale Transformation des Unternehmens durch Planung, Koordination, Kontrolle und Steuerung. 3.1 Digitalisierungsstrategie des Controllings Die Digitalisierungsstrategie des Controllings ist Teil der Controlling-Stra‐ tegie und zugleich Bestandteil der Unternehmensstrategie sowie der un‐ ternehmensweiten Digitalisierungsstrategie. Die Funktionalstrategien sind mit der Unternehmens- und der Digitalisierungsstrategie verwoben, wie Abbildung 3.1 zeigt. Unternehmensstrategie Digitalisierungsstrategie Einkaufsstrategie Produk�onsstrategie Vertriebsstrategie IT-Strategie Controllingstrategie ... Abb. 3.1: Unternehmensstrategie, Digitalisierungsstrategie, Funktionalstrategien (Quelle: eigene Abbildung) <?page no="24"?> Die Controlling-Strategie ist, wie auch die Vertriebsstrategie oder die IT-Strategie, eine funktionale Strategie, die der Unternehmensstrategie untergeordnet ist. Sie soll die Unternehmensstrategie unterstützen. Zur Gestaltung der digitalen Transformation des Unternehmens werden häufig Digitalisierungsstrategien als Teil der Unternehmensstrategie entwickelt. Hierdurch wird eine übergreifende Klammer über die Maßnahmen der Digi‐ talisierung in sämtlichen betrieblichen Funktionen gelegt. Wenn beispiels‐ weise die Produktion digitalisiert wird, ist dies auch für die Beschaffung und den Vertrieb relevant. Zwischen der Controlling-Strategie und der Digitalisierungsstrategie des Controllings gibt es große Überschneidungen, so dass zwischen diesen oftmals nicht differenziert wird. Wesentliche Teile der zukünftigen Heraus‐ forderungen im Controlling basieren schließlich auf der Digitalisierung. Strategieentwicklung Die Strategie beschreibt den grundsätzlichen, längerfristig ausgerichteten Weg hin zur Vision. Ausgangspunkt ist damit die Vision als ein angestrebtes Zielbild, über das im Unternehmen ein gemeinsames Verständnis besteht. Die Zielvorstellung ist aber oftmals noch unklar. Die Potenziale digitaler Methoden und Werkzeuge sind teils nicht bekannt und sie ändern sich. Di‐ gitalisierungsstrategien werden daher häufig iterativ entwickelt, abhängig vom bereits erreichten Reifegrad der Digitalisierung. Ausgangspunkt der Strategieentwicklung ist eine fundierte Standort‐ bestimmung des Controllings. Diese kann beispielsweise mit Hilfe des Business Model Canvas erfolgen. Anschließend lassen sich strategische Ansätze aus einer SWOT-Analyse generieren. Ausgangsanalyse: Business Model Canvas Zur Analyse der Ausgangslage bietet sich das Business Model Canvas an. Dabei wird nicht das Geschäftsmodell des Unternehmens betrachtet, sondern das Geschäftsmodell des Controllings. Das Business Model Canvas eignet sich durch eine Verringerung der Komplexität und eine übersichtliche Visua‐ lisierung für die gemeinsame Erarbeitung der relevantesten Bestandteile der Controlling-Tätigkeit (vgl. Osterwalder und Pigneur 2011, Laturnus und Sailer 2020, S.-56f.) Das Controlling stellt seine Tätigkeit transparent dar: Welchen Nutzen stiftet das Controlling, wer sind die Kunden des Controllings, wie ist die Beziehung zu diesen, welches sind die wichtigsten Tätigkeiten, Ressourcen 24 3 Digitalisierungsstrategie <?page no="25"?> und Partner? Es wird ein unternehmerischer und selbstkritischer Blick auf die eigene Tätigkeit gerichtet. Dabei sind auch die Nutzer des Controllings in die Erarbeitung einzubinden, um das Selbst- und Fremdbild abzugleichen. Der Wechsel auf die Ebene eines Business Models fördert den strategischen Blick und zwingt zugleich zu detaillierten und verbindlichen Festlegungen. Dies stellt eine geeignete Ausgangslage für die Entwicklung einer Digitalisie‐ rungsstrategie im Controlling dar. Ein Beispiel für ein Business Model Canvas einer Controlling-Abteilung zeigt Abbildung 3.2. Schlüsselpartner • Datenerhebende Personen/ Rechnungswesen • dezentrale Controller bzw. zentrale Controllingabteilung • IT-Abteilung • So�wareanbieter Kundensegmente • Geschä�sleitung • mi�lere Managementebene • Fachebene • Profit-/ Cost- Center • Buchhaltung, Steuerberater, Wirtscha�sprüfer Wertangebote • Aussagekrä�iges Repor�ng • Strategische und opera�ve Planung • Forecasts • Inves��ons- und Wirtscha�lichkeitsrechnung • Handlungsempfehlungen • Sparringspartner/ kaufmännisches Korrek�v • Budgetverwaltung Schlüsselressourcen • Daten • BI-Systeme • kompetente Mitarbeiter Kostenstruktur • Personalaufwand • IT-Kosten, So�warelizenzen • Arbeitsaussta�ung • Weiterbildung Impact (Einnahmequellen) • Sicherstellung betriebswirtscha�lich fundierter Entscheidungen • Single source of truth • Transparenz über ökonomische, sowie ökologische und soziale Aspekte des Unternehmens Schlüsselak�vitäten • Daten konsolidieren, strukturieren, verdichten, visualisieren, analysieren • Management beraten Kundenbeziehungen • Vertrauen • automa�sierte Dienstleistungen • Serviceorien�erung Kanäle • Regelberichte • Besprechungen • Planungsrunden • Dashboards Abb. 3.2: Beispiel eines Business Model Canvas der Controlling-Abteilung (Quelle: eigene Abbildung, angelehnt an Laturnus und Sailer 2020, S.-56) SWOT-Analyse Bei der Erstellung des Business Model Canvas werden Stärken und Schwä‐ chen aufgedeckt. Zugleich lassen sich aus der digitalen Transformation und aus dem unternehmerischen Umfeld Risiken und Chancen identifizieren. Damit sind die vier Felder einer SWOT-Analyse beschrieben. Die gegen‐ wärtigen Stärken und Schwächen des Controllings und die zukünftigen Chancen und Risiken stellen eine maßgebliche Grundlage für die Digitali‐ sierungsstrategie dar (vgl. Laturnus und Sailer 2020, S. 57). Abbildung 3.3 zeigt beispielhaft die SWOT-Analyse einer Controlling-Abteilung. 3.1 Digitalisierungsstrategie des Controllings 25 <?page no="26"?> Abb. 3.3: Beispiel einer SWOT-Analyse des Controllings (Quelle: eigene Abbildung) Generierung von Strategien Durch eine Kombination der Stärken und Schwächen jeweils mit den Chancen und Risiken, lassen sich strategische Maßnahmen ableiten. Die Kombination der Inhalte der SWOT-Analyse aus Abbildung 3.3 kann zu folgenden strate‐ gischen Ansätzen führen, die in Abbildung 3.4 aufgeführt sind. Stärken Schwächen Chancen 1) + a) Schulungsoffensive zum Erlernen digitaler So�waretools 3) + b) Weiterentwicklung der Controlling- Rollenbilder hin zum Business Partnering 3) + c) Entwicklung eines Inves��onsplans zur Digitalisierung des Controllings 4) + a) Kompensa�on der Kompetenzmängel durch anwenderfreundliche So�waretools 6) + b) Etablierung eines Business-Partnering- Ansatzes, um Manager besser zu informieren 5) + c) Entwicklung neuer Prozesse und Einsatz digitaler Tools zur Op�mierung der Planung Risiken 1) + f) Steigerung der A�rak�vität für junge Controller durch die digitale Ausrichtung 2) + d) Ergänzung der Pläne um Forecasts, die mi�els hoher Datenqualität und - verfügbarkeit erstellt werden 1) + e) Entwicklung und Einsatz effizienzsteigernder digitaler Methoden 4) + f) Entlastung von Rou�neaufgaben, um Zeit für die Datenanalyse zu gewinnen 5) + 6) + e) Beziehungen und Kanäle zu den Nutzern des Controllings stärken, um das Wertangebot zu verdeutlichen 5) + d) Flexibilisierung und En�einerung der Planung, Au�au einer treiberbasierten Planung Abb. 3.4: Beispiel einer Strategieentwicklung aus der SWOT-Analyse des Controllings (Quelle: eigene Abbildung) 26 3 Digitalisierungsstrategie <?page no="27"?> Die aus der SWOT-Analyse generierten Strategieansätze sind zu ordnen und zu bewerten, um sie anschließend in einen Maßnahmenkatalog zu überführen. Dieser ist die Grundlage für die Strategieumsetzung. 3.2 Controlling der digitalen Transformation Bei der digitalen Transformation von Unternehmen werden in verschiede‐ nen betrieblichen Funktionen, wie in der Produktion, der Logistik oder im Vertrieb, digitale Technologien genutzt. Zwar ist der Ausgangspunkt die Technologie, doch verändern sich hierdurch auch die Arbeitsweise, die Geschäftsprozesse, die erbrachten Leistungen und der Kundennutzen. Neben der technologischen Dimension ist auch die kulturelle Dimension bedeutsam, da sich für Mitarbeiter und Stakeholder beträchtliche Verände‐ rungen ergeben können. Die digitale Transformation ist kein Selbstzweck, sondern sie muss dem Unternehmen konkrete Vorteile bieten. Es handelt sich um Investitionen in Form von Geld, Personen und Zeit und diese müssen sich rentieren. Das Controlling hat bei der digitalen Transformation für Transparenz zu sorgen, die Rationalität der Entscheidungen sicherzustellen und muss die Aktivitäten in den verschiedenen Unternehmensbereichen koordinieren. Die digitale Transformation erstreckt sich insbesondere auf drei Bereiche: • Transformation von Geschäftsprozessen Geschäftsprozesse werden digitalisiert, um veränderte Kundenanforde‐ rungen zu bedienen, um sie effizienter zu gestalten und um Kosten ein‐ zusparen. Die technologische Basis bilden beispielsweise ERP-Systeme oder cloudbasierte Lösungen, um die Supply-Chain und Produktionsab‐ läufe zu optimieren. • Transformation des Geschäftsmodells Bestehende Geschäftsmodelle werden weiterentwickelt oder neu ent‐ worfen. Es werden neuartige Leistungen erbracht, wofür Kompetenzen erworben und Wertschöpfungspartner benötigt werden. • Organisatorische und kulturelle Transformation Die Transformation erfordert neue Aufgaben, die zu aufbau- und ablauforganisatorischen Anpassungen führen. Data Scientists oder Cloud-Experten müssen strukturell und kulturell integriert werden, 3.2 Controlling der digitalen Transformation 27 <?page no="28"?> andere Tätigkeiten entfallen. Ein agiles Mindset fördert die Bereitschaft für Veränderungen. Rolle der Controller Die digitale Transformation von Unternehmen wird zumeist aus einer technologischen Perspektive initiiert. Veränderte Wertschöpfungsprozesse und Geschäftsmodelle stehen im Fokus. Die Anwendung im Controlling steht beim Management zumeist nicht an erster Stelle. Entsprechend haben sich auch die Controller oftmals nicht als Treiber der Digitalisierung des Unternehmens gesehen (vgl. Tattyrek und Waniczek 2018, S. 113). Das Con‐ trolling als Rationalitätssicherer und Koordinator der Unternehmens‐ entwicklung sollte bei der digitalen Transformation aber eine gestaltende Rolle einnehmen und den Change-Prozess steuern. Die Unternehmensplanung verdeutlicht, wo Handlungsbedarf besteht, um die Ziele zu erreichen. Das Controlling erhält hierdurch frühzeitig Signale für notwendige Veränderungen. Die Rolle des Controllings ist es, durch Planung, Szenarien und Analysen Veränderungsbedarf frühzeitig zu identifizieren, das Management hierfür zu sensibilisieren, die Entwicklung von Maßnahmen anzustoßen und die Transformation zu begleiten. Bei der Steuerung von Transformationsprozessen übernimmt der Controller zunehmend die Rolle eines Change Agents. Dieser „treibt Veränderungs‐ prozesse, die Nutzung neuer Technologien und die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle voran“ (Schäffer und Brückner 2019, S.-21). Neben der Aufdeckung und Initiierung von Veränderungsprozessen ist es zugleich Aufgabe der Controller, die Auswirkungen neuer Geschäfts‐ prozesse und Geschäftsmodelle transparent darzustellen und deren Wirt‐ schaftlichkeit zu bewerten. Für das Management muss ersichtlich sein, welchen Wertbeitrag die Maßnahmen der Digitalisierung stiften. Digitale Geschäftsmodelle müssen schlüssig und wirtschaftlich tragfähig sein. Letzt‐ lich handelt es sich hierbei um komplexe Investitionsentscheidungen, die im Controlling analysiert und bewertet werden müssen. Für neue, digitale Geschäftsmodelle sind geeignete Steuerungskonzepte zu entwickeln und Steuerungsgrößen, KPIs, zu identifizieren. Verhaltensebene der Transformation Transformationen sind nicht nur auf der Sachebene zu begleiten, sondern auch auf der Verhaltensebene. Stakeholder haben möglicherweise Beden‐ 28 3 Digitalisierungsstrategie <?page no="29"?> ken und sehen Gefahren, ob Veränderungen geeignet sind, die Ziele zu erreichen. Mitarbeiter mögen befürchten, dass die Digitalisierung die eigene Tätigkeit ersetzt oder dass aufgrund fehlender digitaler Kompetenzen ein Bedeutungsverlust einhergeht. In der Rolle als Change Agent dürfen sich Controller nicht nur auf die Sachebene beschränken, sondern müssen auch die Verhaltensebene einbinden. Hierfür ist Empathie, Vernetzung und Kommunikation bedeutsam. Da diese Kompetenzen in der traditionellen Controller-Rolle selten erwartet wurden, besteht für die Rolle als Change Agent oftmals noch Entwicklungsbedarf. (vgl. Schöning und Mendel 2021, S.-53f.) Laut Harvard Business Review scheitern bereits seit Jahrzehnten rund 60-70% aller organisatorischen Change-Projekte. Ursächlich scheint dabei weniger das fehlende Know-how zu sein, wie Change-Projekte durchzu‐ führen sind, sondern nicht ausreichende Managementkapazitäten. Eine Auslagerung der Tätigkeiten hin zu Beratern und Personalexperten scheint nicht erfolgreich zu sein (vgl. Ashkenas 2013). Die Transformation ist entsprechend eng im Management einzubetten. Phasenmodell von Veränderungsprozessen Ein hilfreicher und etablierter Ansatz zur Steuerung von Veränderungspro‐ zessen ist das Phasenmodell von Lewin. Dieses wurde durch Kotter anschließend weiter untergliedert (vgl. Kotter 2015). Der Ansatz von Lewin und Kotter stellt sich folgendermaßen dar: • Unfreeze: bestehende Denkmuster und Handlungsweisen werden hin‐ terfragt, die Notwendigkeit von Veränderungen wird erarbeitet - ein Gefühl für Dringlichkeit erzeugen - eine Führungskoalition errichten - Entwicklung einer Vision und Strategie - Vision des Wandels kommunizieren • Move: Veränderungen werden durchgeführt bzw. implementiert - Mitarbeiter befähigen - schnelle Erfolge erzielen • Refreeze: der neue Zustand wird stabilisiert und institutionell veran‐ kert - Erfolge konsolidieren, weitere Veränderungen einleiten - neue Ansätze in der Kultur verankern 3.2 Controlling der digitalen Transformation 29 <?page no="30"?> Die acht Stufen des Phasenmodells betreffen nicht nur die Controller, aber es gibt typische Aufgabenschwerpunkte. Ein Schwerpunkt des Controllings liegt bei der Analyse und beim Aufdecken notwendiger Veränderungen, wofür die Unternehmensplanung eine wichtige Grundlage darstellt. Die Analyse umfasst Veränderungen im Umfeld wie auch des eigenen Unter‐ nehmens. Aus zukünftig veränderten Erwartungen der Kunden und dem Abgleich mit den Kompetenzen des Unternehmens kann ein Anpassungs‐ bedarf abgeleitet werden. Prognosen helfen dabei, die Dringlichkeit dieser Maßnahmen abzuschätzen und das Management von der Notwendigkeit von Veränderungen zu überzeugen. Bei der Umsetzung der Maßnahmen sind die Controller für die Planung verantwortlich. Um die Veränderungsbereit‐ schaft aufrecht zu erhalten, sollten auch kurzfristige Erfolge eingeplant werden. Die anschließende Stabilisierung, die Sicherstellung der weiteren Umsetzung und die Institutionalisierung des Neuen stellt einen weiteren Aufgabenschwerpunkt für die Controller dar. Hierbei spielt das laufende Reporting eine große Rolle. Controller können in der Rolle als Change Agent den Wandel hin zu einem digitalisierten Unternehmen somit wirksam unterstützen. Literaturempfehlungen Bleiber, R. (2021): Controlling in digitalen Geschäftsmodellen, Freiburg/ Mün‐ chen/ Stuttgart. Deloitte (2018): Controlling digitaler Geschäftsmodelle. Evolution oder Disruption in den Controlling-Organisationen? , online: https: / / www2.deloitte.com/ de/ de/ pa ges/ finance-transformation/ articles/ controlling-digitale-geschaeftsmodelle.html , Abruf: 05.02.2023. Laturnus, M./ Sailer, U. (2020): Digitalisierungsstrategie im Produktionscontrolling. Ein Praxisbeispiel des Landmaschinenherstellers AGCO/ Fendt, Controller Maga‐ zin, Heft 4, S.-54-61. Sailer, U. (2021): Digitalisierung des Controllings durch Business Analytics, in: Detscher, S.: Digital Management & Marketing, Wiesbaden, S.-567-592. 30 3 Digitalisierungsstrategie <?page no="31"?> 4 Planung und Steuerung Die operative Planung bzw. Budgetierung ist ein Dauerthema in vielen Unter‐ nehmen. Selten findet man Manager und Controller, die mit dem bestehenden Planungssystem rundum zufrieden sind. Typischen Kritikpunkte sind: • Starrheit der Pläne, die häufig bereits bei der Verabschiedung veraltet sind • operative Pläne entstehen losgelöst von der Strategie und fokussieren auf kurzfristige Ergebnissteigerung • hoher zeitlicher und personeller Aufwand • Pläne sind zu detailliert, zu umfangreich und für die jeweiligen Bereiche optimiert, so dass sie bereichsübergreifend nicht passen • Pläne stellen nicht die erwartete Zukunft dar, da Mitarbeiter Reserven einplanen und Ressorts sich egoistisch optimieren • es stehen Finanzdaten, nicht aber Maßnahmen im Fokus Wird die Planung vorrangig für die retrospektive Bewertung von Teams und Mitarbeitern genutzt, ist es nicht verwunderlich, dass die Planung als Grundlage der Unternehmenssteuerung versagt. Der eigentliche Zweck besteht schließlich darin, mit der Planung die Zukunft zu durchdenken und damit bessere Entscheidungen zu treffen. Better Budgeting (bzw. die „Moderne Budgetierung“ des ICV oder „Advanced Budgeting“ von Horváth & Partners) und Beyond Budgeting sind in der Literatur wie auch in der Controlling-Community umfassend diskutiert und bewertet worden. Oftmals sind Verbesserungen umgesetzt worden, so dass die Planung als akzeptabel angesehen wird. (Bei Rieg 2015 werden die Budgetierungsmethoden fundiert beschrieben und bewertet.) In einem VUCA-Umfeld stoßen auch optimierte Planungen an Grenzen. Aber gerade dort ist Planung notwendig, schließlich sollen Pläne nicht die Zukunft vorhersagen, sondern auf die Zukunft vorbereiten. Jüngst wird vermehrt vorgeschlagen, stärker auf Forecasts auszuweichen. Diese vermögen die Zukunft besser vorherzusagen als die Planung. Der Blick in die erwartete Zukunft kann die Planung zwar nicht ersetzen, aber die Entscheidungsfindung unterstützen. Die Planung enthält im Vergleich zum Forecast eine Gestaltungsabsicht und geht über die reine Fortschreibung der Vergangenheit hinaus. <?page no="32"?> Seit wenigen Jahren werden zunehmend verschiedene digitale Tools und Methoden eingesetzt, um die Planung und Steuerung zu optimieren. Hierbei sind Konzepte wie die Campus-Planung, die treiberbasierte Planung, Forecasts sowie Simulationen zu nennen. Diese Ansätze unterstützen bzw. bedingen sich zum Teil gegenseitig. Diese werden nachfolgend vorgestellt. 4.1 Campus-Planung Die Campus-Planung ist ein organisatorischer Ansatz zur Durchführung der Planung. Dabei treffen sich Führungskräfte zumeist auf der Ebene der Bereichsleitung zu Planungsworkshops, um gemeinsam in einem mehr‐ stufigen Verfahren die Jahresplanung bereichsübergreifend zu erstellen. Basierend auf einem gemeinsamen Verständnis der Rahmenbedingungen und kollektiv geplanter Maßnahmen soll der Plan vom gesamten Manage‐ ment getragen werden. Im Gegensatz zur traditionellen Budgetierung wer‐ den nicht zuerst Budgets aufgestellt und anschließend in den operativen Bereichen Maßnahmen diskutiert, die im Rahmen der Budgets liegen. In der Campus-Planung ist die Reihenfolge umgekehrt: es werden Lücken zum Unternehmensziel identifiziert, geeignete Maßnahmen diskutiert und danach wird das notwendige Budget bestimmt. Digitale Technologien unterstützen dabei eine effektive Durchführung. Die Campus-Planung zeichnet sich durch folgende Merkmale aus: • Die Planung erfolgt top-down in etwa drei Planungsrunden. Dazwi‐ schen werden bereichsintern die Anforderungen geprüft, um auch das Know-how dezentraler Einheiten einzubinden. Es erfolgt jedoch keine detaillierte Ausplanung. • Die Planungsrunden fokussieren auf die wesentlichen Hebel für den unternehmerischen Erfolg, nicht auf die Details. • Im Vordergrund steht die Diskussion der Maßnahmen und das Erreichen der obersten Finanzziele. • Die Teilnehmer der Planungsrunden bekennen sich persönlich zu den vereinbarten Zielen und Maßnahmen. • Die Bereichsleiter setzen die Vereinbarung innerhalb ihres Bereichs um. • Bei Bedarf kann in den Bereichen abschließend eine detaillierte Auspla‐ nung erfolgen. In dynamischen Bereichen wird hierauf verzichtet. 32 4 Planung und Steuerung <?page no="33"?> Ein hilfreicher Einstieg in die Campus-Planung wird durch die Verbindung der strategischen mit der operativen Planung erreicht. Das erste Jahr der mehrjährigen strategischen Planung dient als Eckpunkt für die operative Planung. Hierbei wird auch von einem Frontloading gesprochen. Damit kann die häufig bemängelte Lücke zwischen den beiden Planungsebenen geschlossen werden. Die strategische Planung gewinnt an Bedeutung, da sie nun für die operative Planung verbindliche Ziele vorgibt. Durch das Frontloading werden die Ziele nicht aus der operativen Per‐ spektive definiert, sondern in einem vorgelagerten, qualitätsgesicherten Prozess. Diese werden auf Geschäftseinheiten heruntergebrochen, damit sie zu den Verantwortungsbereichen der Teilnehmer der Campus-Planung pas‐ sen. Damit wird der häufig bemängelte Knetprozess aus mehreren iterativen Planungsrunden verhindert. Der Fokus der operativen Planung verschiebt sich von der Diskussion, was erreicht werden kann, auf die Frage, wie das Ziel erreicht wird. Es wird eine an Maßnahmen ausgerichtete Planung erstellt. Schließlich liegt die Expertise von Mitarbeitern bei der Entwicklung von Maßnahmen und nicht von Finanzkennzahlen. Die Übersetzung von Maßnahmen in Finanzkennzahlen ist Aufgabe des Controllings. Zwischen dem durch das Frontloading vorgegebenen Ziel und dem gegenwärtigen Aufsatzpunkt der Planung besteht eine Lücke. Hierauf wirken bereits absehbare Veränderungen der Rahmenbedingungen sowie initiierte Maßnahmen, wie Abbildung 4.1 zeigt. Aufsatzpunkt bekannte veränderte Basis- Maß- Maß- Maß- Zielwert aus dem Ist Einmaleffekte Rahmen- Szenario nahme 1 nahme 2 nahme x (Frontloading) bedingungen erwartete Entwicklungen im bestehenden Geschä�smodell geplante Maßnahmen Abb. 4.1: Maßnahmenfokussierte Unternehmensplanung (Quelle: eigene Abbildung, an‐ gelehnt an Gerdemann, Rauh und Tran 2019, S.-42) 4.1 Campus-Planung 33 <?page no="34"?> Einmaleffekte können beispielsweise durch das Auslaufen eines langjähri‐ gen Liefervertrags oder durch die Markteinführung einer neuen Produkt‐ generation planerisch bereits erfasst werden. Hieraus ergibt sich ein Ba‐ sis-Szenario. Weiterhin bestehende Differenzen zum Ziel sind während der Campus-Planung mit Maßnahmen zu versehen. Aufgabe der Controller ist dabei, die finanziellen Auswirkungen der Maßnahmen aufzuzeigen. Dies hat bereits während der Campus-Planung zu erfolgen und nicht als langwierige Planungsrechnung im Anschluss. Eine sehr schnelle, wenn auch nicht vollständig genaue Information, lässt sich über Treibermodelle entwickeln. Simulationen und Forecasts können hierfür genutzt werden. Forecasts sind hilfreich, um die Entwicklung des bestehenden Geschäfts zu prognostizieren. Diese sind datenbasiert und nicht Gegenstand von Verhandlungen. Simulationen eignen sich für die Abschätzung der Wir‐ kungen neuer Maßnahmen. Für diese liegen oftmals keine historischen Daten vor, auf denen Forecasts aufbauen. Bewertung der Campus-Planung • ausgewogenes Verhältnis von Top-down-Planung und Einbindung der operativ tätigen Bereiche • Beschleunigung der Planung und Ressourcenersparnis • Stärkung der Verantwortung der Bereichsleiter und verbindliche Ver‐ einbarung der Absprachen im Management • Fokus wird von der Planung der Finanzen auf Maßnahmen gerichtet, wofür Simulation eine gute Diskussionsbasis schaffen • die treiberbasierte Planung lenkt den Blick auf die wesentlichen, erfolgs‐ relevanten Faktoren • Verhinderung einer Silo-Planung und Förderung einer integrierten, konsistenten Gesamtplanung • Verhinderung planungstaktischen Verhaltens • Verbindung der operativen Planung mit der strategischen Planung • das Controlling muss eine treiberbasierte Planung entwickeln, automa‐ tisierte Forecasts erstellen und Simulationen durchführen 34 4 Planung und Steuerung <?page no="35"?> Praxisbeispiel: Deutsche Bahn Schenker Rail Deutschland (DB SR D) „Die Anzahl der an der Planung beteiligten Mitarbeiter wurde, vergli‐ chen mit dem alten Prozess, um zwei Drittel reduziert, die Planung selbst auf wesentliche Steuerungshebel fokussiert. Zusätzlich tragen eng aufeinander abgestimmte und verbindliche Zeitpläne dazu bei, dass die Planungskernphase auf nur einen Monat verkürzt werden konnte. Trotz der deutlichen zeitlichen und inhaltlichen Fokussierung - die Campus-Meilensteine werden ohne große zeitliche Puffer bindend terminiert - haben die Planergebnisse eine hohe Belastbarkeit, da sämtliche Planzahlen mit konkreten Maßnahmen hinterlegt sind und sich das Management Team persönlich und gemeinsam zu den Zahlen verpflichtet. Durch den neuen Ansatz ist es der DB SR D gelungen, die Steuerungsfähigkeit im wettbewerbsintensiven und dynamischen Logistikmarkt in einigen Punkten entscheidend zu verbessern.“ (Rösler, Ehlken und Rauh 2015, S.-64) Literaturempfehlungen Ehlken, J./ Neumann-Giesen, A. (2015): Idee, Nutzen und Anwendung der Cam‐ pus-Planung, in: Controlling & Management Review, 59 (1), S.-48-53. Gerdemann, R./ Rauh, A./ Tran, K. (2019): Planung mit richtigem Fokus, in: Control‐ ling & Management Review, 7, S.-40-46. Rösler, C./ Ehlken, J./ Rauh, A. (2015): Campus-Planung bei der DB Schenker Rail Deutschland, in: Controlling & Management Review, 59 (1), S.-60-65. Schäffer, U. (2015): „Die Entscheidungsträger sitzen sich am Tisch direkt gegenüber“. Im Dialog mit Michael Wilkens, in: Controlling & Management Review, 59 (1), S. 54-59. 4.2 Treiberbasierte Planung und Steuerung Die treiberbasierte Planung besteht schon länger, gewinnt aber durch ein zunehmend als dynamisch empfundenes Umfeld und durch leistungsfähige und benutzerfreundliche Softwaretools an Bedeutung. Insbesondere für das mittlere und obere Management bieten treiberbasierte Modelle eine hilfreiche Entscheidungsunterstützung. 4.2 Treiberbasierte Planung und Steuerung 35 <?page no="36"?> Zur Steuerung von Unternehmen sollen gut verständliche Kennzahlen genutzt werden, die einen wesentlichen Einfluss auf den Erfolg haben. Es ist weder sinnvoll noch möglich, sämtliche Kennzahlen zu erfassen, um den Erfolg zu 100 % zu erklären. Diese sollten zudem nicht wie in einer Checkliste zusammenhangslos gesammelt werden. Vielmehr sind sie in einem Modell, welches mittels Ursache-Wirkungs-Beziehungen den Erfolg erklärt, einzubinden. Modelle enthalten bekanntermaßen weniger Faktoren als die Realität. Damit können sie die Realität zwar nicht voll‐ ständig beschreiben, dafür sind sie aber verständlicher. Voraussetzung ist, dass ein Modell sämtliche wesentlichen Faktoren enthält, die für eine Fragestellung relevant sind. Modelle sind damit ein Instrument, die Realität besser zu verstehen und zu gestalten. Ein Treibermodell erklärt, wie der Erfolg des Unternehmens entsteht. Dementsprechend sind sämtliche wesentlichen Faktoren und Kennzahlen aufzunehmen und im Sinne des Geschäftsmodells miteinander zu verbin‐ den. Das Modell verdeutlicht, wie das Unternehmen aus betriebswirtschaft‐ licher Sicht funktioniert. Durch die Variation einzelner Faktoren lassen sich Simulationen durchführen und deren Auswirkungen auf Kennzahlen entdecken. (vgl. Kappes und Schentler 2015, S.-158) Es stellt sich die Frage, weshalb eine weniger genaue Treiberplanung aufge‐ stellt werden soll, wenn doch sämtliche Unternehmensdaten auf detaillierter Ebene vorliegen. Die äußerst granularen Daten aus den BI-Systemen sind für unternehmensweite, übergreifende Entscheidungen wenig bedeutsam. Das Modell ist mit irrelevanten Details überfrachtet, intransparent und sugge‐ riert eine Scheingenauigkeit. Wirksame Stellhebel werden durch ein Übermaß feiner Daten verschleiert und Simulationen und Forecasts sind nicht mehr durchführbar. Die Rolle als effektiver Business Partner kann vom Controlling so nicht ausgeübt werden (vgl. Isbruch et al. 2016, S. 755). Granulare Daten helfen dem Kostenstellenverantwortlichen, dienen zur Kalkulation oder der Bestimmung der Leistungsverrechnung. Für grundlegende Managementent‐ scheidungen sind diese Daten oftmals wenig hilfreich. Auf der anderen Seite des Spektrums werden dem Management stark komprimierte Daten in Form der GuV, der Deckungsbeitragsrechnung und der Bilanz zur Verfügung gestellt. Diese Daten sind häufig zu stark verdichtet, um einzelne Entscheidungen zu treffen. Auf dieser Ebene lassen sich Fragen, wie sich etwa eine höhere Produktqualität auf den Erfolg auswirkt oder ob ein Produkt durch ein Nachfolgemodell ersetzen werden soll, nicht beantworten. Für die Bewertung unternehmerischer Maßnahmen 36 4 Planung und Steuerung <?page no="37"?> werden Daten mittlerer Granularität benötigt. Hierfür reicht es in al‐ ler Regel auch aus, wenn diese mit einer 80-90prozentigen Genauigkeit beantwortet werden können. Abbildung 4.2 ordnet Treibermodelle einem mittleren Detailierungsgrad zu. Buchhalterische Ergebnisgrößen • GuV • Bilanz Treibermodelle Detaillierte Controlling-Berichte • Gemeinkostenrechnung • Projekt-/ Au�ragskostenrechnung • Marktergebnisrechnung • inhaltliche Erklärung von Abweichungen der finanziellen Kennzahlen • wirkliche Performance wird deutlich • Fokus auf die Stellhebel zur Performance-Steigerung • Grundlage für �efergehende Analysen mit opera�v Verantwortlichen Abb. 4.2: Treibermodelle als mittlere Detaillierungsebene (Quelle: eigene Abbildung, angelehnt an Kappes und Schentler 2015, S.-160) Die treiberbasierte Planung ist ein agiles Instrument, das direkt im Ma‐ nagement-Meeting wie auch bei der Campus-Planung genutzt wird. Es können Szenarien gebildet oder Simulationen durchgeführt werden: • Szenarien beschreiben eine Entwicklung oder zukünftige Zustände, die sich aus verschiedenen Annahmen ergeben. Durch diese „Was-wäre-wenn-Analyse“ werden die Auswirkungen der Annahmen verdeutlicht, Chancen und Risiken werden erkannt und die Entschei‐ dungsfindung wird unterstützt. • Simulationen helfen dabei, ein Modell und dessen Wirkungsweisen zu entdecken. Das Verhalten komplexer Systeme wird nachgebildet und mit Hilfe mathematischer Modelle analysiert. Daraus lassen sich Vorhersagen treffen, die für Entscheidungen genutzt werden können. Entscheidungen fallen damit nicht nur auf Basis subjektiver Erfahrungen, sondern daten- und modellbasiert. 4.2 Treiberbasierte Planung und Steuerung 37 <?page no="38"?> Identifikation von Treibern und Entwicklung von Treibermodellen Treibermodelle zeigen auf, wie sich Treiber als Eingangsgrößen auf den Erfolg auswirken. Dabei ist zwischen zwei Typen von Treibern zu unter‐ scheiden: • Direkte Treiber stehen in einem mathematisch-funktionalen Zusam‐ menhang zur Erfolgsgröße. Beispiel: aus Veränderungen der Absatz‐ menge oder Beschaffungspreise lassen sich die Auswirkungen auf den Erfolg berechnen. • Indirekte Treiber wirken auf die direkten Treiber. Die Beziehung lässt sich oftmals nicht als mathematische Funktion beschreiben. Beispiel: Auswirkungen der Konjunktur oder die Wettbewerbssituation auf die direkten Treiber Absatzmenge oder Beschaffungspreise (vgl. Barkalov 2015, S.-41). Auf Basis fundierter Geschäftskenntnisse können Experten aus den Fachabteilungen und Controller erfahrungsbasiert Treiber identifizieren. Ergänzend dazu können Treiber auch durch Analyseverfahren wie Re‐ gressions- oder Korrelationsanalysen entdeckt werden. Algorithmen helfen dabei, bisher unbekannte Zusammenhänge aufzudecken und geben zugleich einen Einblick in die Stärke der Wirkung. Allerdings ist zu beachten, dass nicht hinter jeder Korrelation auch eine Kausalität steckt. Mit guter Geschäftskenntnis sollte dies aber bewertet werden können. Treibermodelle entstehen durch die Verknüpfung der direkten Treiber mit den betrieblichen Erfolgsgrößen, wie etwa Umsatz, Gewinn, Cashflow oder Kosten. Anschließend werden die indirekten Treiber mit den direkten Treibern verbunden, indem die Wirkungsbeziehungen erfahrungs- oder datenbasiert nachvollziehbar und ggf. funktional beschrieben werden. In Abbildung 4.3 ist ein Treibermodell schematisch dargestellt. Der Einsatz von Treibermodellen erfordert die Unterstützung durch geeignete Tools. Nicht die vollständige Datenerfassung eines traditionel‐ len BI-Systems ist entscheidend, sondern eine Ad-hoc-Unterstützung in Managementmeetings: die Rechenlogiken der Treibermodelle müssen abge‐ bildet sein, um Szenarien zu erstellen und um Simulationen vorzunehmen. Unterschiedliche Diskussionsstände müssen gespeichert werden und eine Visualisierungsoberfläche soll Entscheidungen transparent machen. In den Abschnitten 4.3 und 4.4 wird hierauf näher eingegangen. 38 4 Planung und Steuerung <?page no="39"?> Ergebnisgröße Indirekte Treiber • Zinssätze • BIP-Entwicklung • Poli�k • Gesetze • Regulierungen • Mitarbeiterzufriedenheit • Kundenzufriedenheit • … Direkte Treiber Opera�ve KPIs Mathema�sche Zusammenhänge Kausale Zusammenhänge Strategie Umfeld Geschä�smodellspezifika Finanzielle Steuerungslogik / + x x _ Abb. 4.3: Schematischer Aufbau eines Treibermodells (Quelle: eigene Abbildung, ange‐ lehnt an Kappes und Schentler 2015, S.-164) Bewertung der treiberbasierten Planung • Manager können nichtfinanzielle Treiber besser einschätzen als finan‐ zielle Wirkungen, dies ist anschließend die Aufgabe der Controller • in einem dynamischen Umfeld kann die treiberbasierte Planung die klassische Budgetierung ersetzen • finanzielle Daten sind Spätindikatoren (eine abnehmende Produktqua‐ lität zeigt sich erst zeitlich verzögert in sinkenden Umsätzen und Ge‐ winnen), Abweichungen bei Treibern erlauben einen früheren Eingriff direkt auf die Ursachen • die Identifikation und Diskussion über Treiber und Maßnahmen führt zu einer Versachlichung und Entpolitisierung von Planung und Steuerung • Treibermodelle sind Voraussetzung für die Erstellung von Szenarien, die Ermittlung von Forecasts und die Durchführung von Simulationen • das Reporting ist effizienter, auf Treiber fokussiert und macht Zusam‐ menhänge ersichtlich Praxisbeispiel: Ensinger GmbH „Geschäftsmodellspezifische Treibermodelle bilden Wirkungszusam‐ menhänge zwischen internen und externen Einflussgrößen und den (finanziellen) Ergebnisgrößen ab. Das Management erhält Transparenz 4.2 Treiberbasierte Planung und Steuerung 39 <?page no="40"?> darüber, welche Treiber den zukünftigen Unternehmenserfolg wesent‐ lich beeinflussen und wie sich diese über den Planungs- und Fore‐ castzeitraum entwickeln. Der Schwerpunkt von Durchsprachen liegt weniger auf der Diskussion von Ergebnisgrößen, sondern stärker auf der Fragestellung, wie die wesentlichen Treiber durch Maßnahmen optimiert werden können. Bereiche planen keine „abstrakten“ Ergeb‐ nisgrößen mehr, sondern bekannte Einflussgrößen aus der operativen Steuerung.“ (Graf und Schmitz 2018, S.-33) Literaturempfehlungen Barkalov, I. (2015): Effiziente Unternehmensplanung: weniger Aufwand, mehr Flexibilität, mehr Geschäftserfolg, Wiesbaden. Duckstein, R. (2020): Von digitalen Hilfsmitteln zur digitalen Methodik, in: Keimer, I./ Egle, U.: Die Digitalisierung der Controlling-Funktion, Wiesbaden, S. 123-139. Isbruch, F./ Renner, N./ Möller, K./ Berendes, K./ Wunder, P. (2016): Treiberbasierte Planungs- und Simulationsmodelle im Controlling, Controlling - Zeitschrift für erfolgsorientierte Unternehmenssteuerung, 12, S.-755-764. Kappes, M./ Schentler, P. (2015): Planung und Steuerung auf Basis von Treibermo‐ dellen, in: Hováth, P./ Michel, U.: Controlling im digitalen Zeitalter: Herausfor‐ derungen und Best-Practice-Lösungen, Stuttgart, S.-157-179. 4.3 Forecasting Forecasts beziehen sich häufig auf die Abschätzung zukünftiger Absatzmen‐ gen, wodurch die Produktion, der Personaleinsatz und die Beschaffung daran ausgerichtet werden können. Zugleich erlauben diese einen Ausblick auf die wirtschaftliche Lage und die Finanzergebnisse. Traditionell werden Forecasts durch die Befragung kundiger Mitarbeiter erstellt. Vertriebs‐ mitarbeiter schätzen auf Basis ihrer Erfahrung und Kundenrückmeldungen die zukünftige Absatzmenge. Damit fließen aktuelle Ereignisse im Markt in die Prognose ein, doch dies ist zeitaufwändig und es können beabsichtigt oder unbeabsichtigt Verzerrungen auftreten. Dabei verursachen schlechte Forecasts deutliche wirtschaftliche Schäden: Marktpotenziale werden nicht 40 4 Planung und Steuerung <?page no="41"?> ausgeschöpft, Kunden nicht beliefert, unnötige Lagermengen aufgebaut und erhöhte Kosten verursacht. Gute Forecasts helfen, das Material in der richtigen Menge zu beschaffen, Produktionsüberschüsse, Fehlmengen, personelle Überbzw. Unterbesetzungen und Liquiditätsengpasse zu ver‐ meiden. Die Kunden-, die Mitarbeiterzufriedenheit und der finanzielle Erfolg werden gesteigert. (vgl. Fuchs und Tischler 2022, S. 14f.; Mehanna, Tatzel und Vogel 2016, S.-504f.) Forecasts werden zunehmend datenbasiert und automatisiert erstellt. Haben sich Algorithmen bewährt, um in Daten aus der Vergangenheit Muster zu erkennen, können diese für Vorhersagen genutzt werden. Unter stabilen Umfeldbedingungen sind automatisiert ermittelte Forecasts den subjektiven Schätzungen zumeist überlegen. Bei einem bewährten Einsatz automatisierter Forecasts wird teils die Erwartung geäußert, man könne mit den Forecasts die Planung ersetzen, schließlich seien sie genauer. Hierin liegt jedoch ein Missverständnis: • Forecasts sagen aus, was voraussichtlich kommt • Planungen sagen aus, was kommen soll In der Planung steckt ein Gestaltungswille, Pläne geben eine anspruchs‐ volle Zielrichtung vor. Ein ambitionierter Plan fordert Unternehmen heraus, sich weiterzuentwickeln und kreativ zu sein. Diese Entscheidungen werden die Zukunft verändern und nicht einfach die Vergangenheit fortschreiben. Wird hingegen ein Forecast als Ziel angenommen, muss in etwa das Gleiche wie bisher gemacht werden, um diesen zu erreichen - mehr steckt im Forecast nicht (vgl. Rieg 2018, S. 27; Kappes und Leyk 2018, S. 4; Kappes und Brosig 2022, S.-20). Forecasts können die Planung sinnvoll ergänzen, nicht aber ersetzen. Auf Forecasts kann die Planung aufsetzen und ad-hoc durchgeführte Fore‐ casts erlauben flexibles Handeln. Forecasts können in den Planungsprozess integriert werden, wodurch dieser verkürzt, beschleunigt und flexibilisiert werden kann. (vgl. Kappes und Leyk 2018, S.-5ff.) Forecasts müssen die subjektiven Schätzungen von Mitarbeitern zu‐ dem nicht ersetzen, sie können diesen als Grundlage dienen. Manuelle Korrekturen können sinnvoll sein, wenn Sondereffekte vorliegen, die in den aus der Vergangenheit erkannten Mustern nicht enthalten sind. Es können auch Biases, bei subjektiven Schätzungen auftretende kognitive Ver‐ zerrungen, begrenzt werden. Aber auch bewusst verzerrte Prognosen, die aus opportunistischen Gründen zu optimistisch oder zu pessimistisch sind, 4.3 Forecasting 41 <?page no="42"?> werden verhindert. Praktische Erfahrungen zeigen, dass persönlich vorge‐ nommene Schätzungen, die durch maschinell erstellte Forecasts unterstützt werden, zu besseren Ergebnissen führen. Vertrauen und Akzeptanz werden gesteigert, wenn automatisierte Forecasts die Entscheider unterstützen und nicht ersetzen (vgl. Mayer, Meinecke und Fehr 2022, S.-60). Praktische Anwendungsfelder Abbildung 4.4 zeigt beispielhaft Anwendungsfelder für ein Forecasting: Finanzen/ Controlling • Automa�sierte GuV- Prognosen auf Bereichs- und Konzernebene • Erstellung eines 5-Jahres- Finanzplans mit verschiedenen Szenarien • Vorbelegung der GuV- Planung mit Überschreibungsfunk�on, Abhängigkeiten zwischen bes�mmten Posi�onen • Cashflow-Prognose • Monatliche automa�sche Jahresendprognose, GuV inkl. Treiber (z.B. Absatzmengen). • Planung zukün�iger Projekte inkl. Finanzplanung für den Erfolg der Projekte Branchenspezifika • Vorhersage von Forschungszuschüsse • Vorhersage von Prämien • Vorhersagen von Betrugsfällen • Vorhersage der Energieversorgung (Verbrauch, Stromerzeugung usw.) • Vorhersage von CO 2 - Emissionen • Vorhersage von Versicherungstarifen • Vorhersage von Verkehrsengpässen und Auslastung öffentlicher Verkehrsmi�el Personal • Vorhersage des Personalbestands • Vorhersage der Auswirkungen des Wachstums auf z. B. Vollzeitstellen, IT-Ausgaben, … • Strategische Planung der Rekru�erung, Einstellung, Schulung und des Personals • Vorhersage der Gehaltsentwicklung • Vorhersage der Mitarbeiterfluktua�on Produk�on/ Logis�k • Vorhersage des Zeitpunkts eines Ausfalls oder einer Ausfallzeit in einer Produk�onsanlage • Verbesserung der Vorplanung des Materialbedarfs • Vorhersage von Lagerbeständen und Ar�kelbedarf auf der Grundlage geplanter Produk�onsau�räge • Preismodelle auf der Grundlage der Versandkosten in der Logis�kbranche zum Ausgleich saisonaler Schwankungen und Kostenspitzen Vertrieb/ Marke�ng • Absatz- und Umsatzprognosen • Prognosen auf Basis von Geoinforma�onssystemen für Verbrauchermark�rends • Vorhersage von Kundenabwanderung, Cloud- Umsatz und Neukunden • Planung von Telefonkampagnen Abb. 4.4: Praktische Anwendungsfelder des automatisierten Forecastings (Quelle: eigene Abbildung, angelehnt an Fuchs und Tischler 2022, S.-18) In Massengeschäften mit einer großen Anzahl an Daten, wie etwa beim Online-Versandhandel, können häufig sehr zuverlässige Muster in den Daten erkannt werden, die zu genauen Prognosen führen. Im Anlagen- und Projektgeschäft, wo es um wenige Kunden und Produkte oder Dienstleis‐ tungen geht, sind Prognosen auf vergleichbarer Weise nicht möglich. Jedoch können Forecasts die Erfolgswahrscheinlichkeit eines Angebots ermitteln. Dies sollte nicht allein dem Bauchgefühl einzelner Mitarbeiter überlassen werden. Zumeist haben Angebote lange Vorlaufzeiten, es gibt zahlreiche Kontaktpunkte, Verhandlungsrunden, Vertragsgespräche und Testrunden, bis es zum Vertragsabschluss kommt. Aus diesem Prozess können Daten gewonnen werden, die für oder gegen einen erfolgreichen Vertragsabschluss sprechen. Mittels der logistischen Regression können Ausprägungen der Einflussfaktoren identifiziert werden, um erfolgreiche von nicht erfolgrei‐ chen Fällen zu separieren. (vgl. Provost und Fawcett 2017, S.-257ff.) 42 4 Planung und Steuerung <?page no="43"?> Bewertung des Forecastings (vgl. Fuchs und Tischler 2022, S.-14) • Beschleunigung und Flexibilisierung der Planung • Steigerung der Planungsqualität • unterjährige Forecasts dienen als Basis der kurzfristigen Steuerung • geringe Akzeptanz durch die Nutzer, wenn das Zustandekommen des Forecasts, der Algorithmus, nicht verstanden wird • automatisierte Forecasts sind objektiver und sachlicher, da die Informa‐ tionsbasis breiter und transparenter ist • Forecasts führen zu früheren Informationen, wodurch mehr Handlungs‐ möglichkeiten bestehen • Automatisierung der Forecasts führt zu Kosten- und Ressourcenerspar‐ nissen, sie können häufiger und schneller durchgeführt werden • bei hoher Umweltdynamik verlieren Muster in vergangenen Daten an Bedeutung und die Vorhersagequalität leidet Die bedeutsamsten Hinderungsgründe für die Einführung automatisierter Forecasts sind fehlendes Know-how, unzureichende personelle und finan‐ zielle Ressourcen sowie fehlende Daten und eine schlechte Datenqualität. Auch das fehlende Vertrauen und die Ungewissheit über den Nutzen der Ergebnisse erweisen sich begrenzende Faktoren (vgl. Fuchs und Tischler 2022, S.-21). Literaturempfehlung Fuchs, C./ Tischler, R (2022): Predictive Planning and Forecasting, in: https: / / barc.com/ de/ research/ predictive-planning-and-forecasting-on-the-rise/ , Abruf: 01.03.2023. Kappes, M./ Leyk, J. (2018): Digitale Planung, Controlling - Zeitschrift für erfolgs‐ orientierte Unternehmenssteuerung, 6, S.-4-12. Kappes, M./ Brosig, S. (2022): Mit 4 großen Veränderungen Planung und Forecasting wirkungsvoll gestalten, Controller Magazin 2, S.-18-24. Keimer, I./ Egle, U. (2020): Die Digitalisierung der Controlling-Funktion: Anwen‐ dungsbeispiele aus Theorie und Praxis, Wiesbaden. Mayer, J./ Meinecke, M./ Fehr, A. (2022): Rethink Forecasting, Controlling & Ma‐ nagement Review 2, S.-56-61. 4.3 Forecasting 43 <?page no="44"?> 4.4 Modellierung und Simulation Eine weitere Methode zur Verbesserung der Steuerung in dynamischen Märkten sind auf Ursache-Wirkungsmodellen basierende Simulatio‐ nen. Für komplexe Fragestellungen kann ein solches Modell erstellt wer‐ den, um daraus Entscheidungen abzuleiten. Ein Ursache-Wirkungsmodell kann etwa ein Treibermodell für die Planung und Steuerung sein, es ist aber für sehr viel mehr Fragestellungen einsetzbar. Es können beispielsweise die Liquiditätssteuerung, die Produktionssteuerung, die Prozessoptimierung, die Personalbeschaffung, Risikoanalysen oder die Vertriebssteuerung bear‐ beitet werden. Wie auch beim Forecasting nutzt man Modelle, die alle wesentlichen Faktoren für Entscheidungen enthalten. Diese Begrenzung macht Modelle handhabbar und nutzbar. In einem komplexen Umfeld würde das Streben nach Vollständigkeit ansonsten nur zu einer Scheingenauigkeit führen. Worin unterscheidet sich die Erstellung eines Ursache-Wirkungsmo‐ dells mit anschließender Simulation von der automatisierten Mus‐ tererkennung? Die Erstellung eines Modells ist immer dann hilfreich, wenn keine geeigneten historischen Daten zur Verfügung stehen, aus denen sich Muster erkennen lassen. Entweder ist eine Fragestellung neuartig oder eine Entscheidung ist vor veränderten Rahmenbedingungen zu treffen. Historische Daten stellen in diesen Fällen keine hilfreiche Unterstützung dar. Die Methodik der Modellierung, der Simulation und daraus abgeleiteter Prognosen sind spätestens seit der COVID-19-Pandemie allseits bekannt. Wie sich Infektionswellen ausbreiten, konnte nicht durch historische Daten vorausgesagt werden, da es solche nicht gab. Daher wurden, wie in den Na‐ turwissenschaften üblich, möglichst realistische Ursache-Wirkungsmodelle erstellt. Aber auch hier werden, sofern sinnvoll, reale Daten genutzt, um das Modell zu unterstützen. Die Unterschiede zwischen der modellbasierten Simulation und der Mustererkennung durch Machine Learning sind in Abbildung 4.5 darge‐ stellt. 44 4 Planung und Steuerung <?page no="45"?> Modellierung und Simula�on Gegenstand ist das reale System: Das Ursache-Wirkungsmodell wird mit Fachexperten erstellt und basiert auf kausalen Beziehungen. Simula�onen zeigen mögliche Entwicklungen auf, ebenso können Maßnahmen simuliert werden, um bestmögliche Ergebnisse zu erreichen. • Dynamik von Systemen wird erfasst. • Das Modell spiegelt das Expertenwissen wider. • Es werden Entwicklungen sichtbar, die in historischen Daten nicht enthalten sind. • Auswirkungen von Entscheidungen werden im Modell sichtbar, vergleichbar mit einem Flugsimulator. Für bestmögliche Entscheidungen können Op�mierungen vorgenommen werden. • Risiken lassen sich durch Monte-Carlo-Simula�onen aufzeigen. • Simula�onsergebnisse können in Dashboards visualisiert werden. Machine Learning und Mustererkennung Gegenstand sind die Daten eines realen Systems: Data Scien�sts untersuchen historische Daten, um Muster zu erkennen. Entdeckt werden Korrela�onen, denen aber keine kausale Beziehung zugrunde liegen muss. Die Muster werden genutzt, um mit Hilfe von Vorhersagen Entscheidungen zu treffen. • Zusammenhänge ergeben sich direkt aus den Daten. Die Muster zeigen, was in historischen Daten vorhanden ist. • Moderne So�waretools entdecken Muster schnell und zuverlässig. • In einem stabilen Umfeld können Muster für Entscheidungen genutzt werden. • Zusammenhänge können nicht immer erklärt werden (Blackbox). Aufgrund mangelnden Vertrauens des Managements werden die Erkenntnisse teils nicht genutzt. • Erkannte Muster und Zusammenhänge können bei der Ursache- Wirkungsmodellierung genutzt werden. Abb. 4.5: Modellierung und Machine Learning im Vergleich (Quelle: eigene Abbildung, angelehnt an Anylogic 2023) Softwaretools zur Modellierung und Simulation Zur Erstellung von Modellen und der Durchführung von Simulationen sind geeignete Softwaretools auf der Basis von System Dynamics notwendig, wie etwa: • Silico (https: / / www.silicoai.com) • Valsight (https: / / valsight.com/ de/ ) • Dynaplan Smia (https: / / www.dynaplan.com/ de) • iModeler (https: / / www.know-why.net) Tabellenkalkulationsprogramme wie Excel erweisen sich aus folgenden Gründen als wenig geeignet (vgl. Isbruch u.-a. 2016, S.-756f.): • keine visuelle Darstellung der Zusammenhänge, es besteht nur eine Sicht auf die Daten • nicht-lineare Zusammenhänge und Zeitverzögerungen sind nicht oder nur erschwert darstellbar • keine übersichtliche Darstellung bei einer Vielzahl von Szenarien und Variationen von Stellhebeln • bei Veränderungen im Modell muss das komplexe Formelwerk ange‐ passt werden 4.4 Modellierung und Simulation 45 <?page no="46"?> • Excel-Tabellen stellen für Entscheider eine Blackbox dar • große Modelle sind fehleranfällig Modellierungstools zeichnen sich durch eine anschauliche Darstellung der Ursache-Wirkungsbeziehungen und der funktionalen Zusammenhänge von Faktoren aus. Modelle erfordern zwar ein mathematisches Grundverständ‐ nis, lassen sich aber ohne Programmierkenntnisse erstellen und können in Fachabteilungen genutzt werden. Es können Szenarien entwickelt und Simulationen berechnet werden, die in Dashboards visualisiert werden. In Managementmeetings können diese unmittelbar für Entscheidungen genutzt werden. Praxisbeispiel: Silico Es wird ein mit dem Tool Silico erstelltes Modell gezeigt, bei dem mittels Simulationen optimale Entscheidungen abgeleitet werden. Folgendes Beispiel aus dem Personalcontrolling zeigt in einem Ursa‐ che-Wirkungsmodell die Entwicklung des Mitarbeiterbestands. Die Anzahl an Mitarbeitern soll erhöht werden, wobei das Erreichen der Zielgröße von verschiedenen Faktoren abhängt. Es sind die begrenzten Kapazitäten und die Dauer der Personalbeschaffung zu beachten sowie die laufende Fluktuation. Kosten entstehen durch die Personaleinstellung, die Fluktuation und durch Umsatzausfälle aufgrund einer unzureichenden Anzahl an Mitarbeitern. Das Modell ist in Abbildung 4.6 dargestellt. Um die geplante Mitarbeiteranzahl möglichst kostengünstig zu errei‐ chen und zu halten, können verschiedene Parameter variiert werden. Es kann die Kapazität zur Personalbeschaffung erhöht, die Dauer bis zum Personaleinsatz verändert oder die Fluktuation durch Maßnahmen zur Steigerung der Mitarbeiterzufriedenheit verringert werden. Abbildung 4.7 zeigt das Dashboard des Modells, bei dem die drei Handlungsfelder durch Schieberegler variiert werden können. Die Auswirkungen werden sowohl graphisch als auch quantitativ unmittelbar angezeigt. 46 4 Planung und Steuerung <?page no="47"?> Kapazität Dauer Personalbeschaffung Personalbeschaffung MA-Zufriedenheit Schulnote Fluktuationsrate % Abb. 4.6: Modell zur Personalbeschaffungsplanung (Quelle: eigene Abbildung, erstellt mit dem Tool Silico) Abb. 4.7: Simulations-Dashboard zur Personalbeschaffungsplanung (Quelle: eigene Abbildung, erstellt mit dem Tool Silico) 4.4 Modellierung und Simulation 47 <?page no="48"?> Wurde in der Vergangenheit kontrovers diskutiert, ob die Kapazitäten zur Personalbeschaffung aufgestockt werden müssen, lässt sich dies im Modell nun simulieren. Mittels Schieberegler lassen sich verschiedene Maßnahmen so kombinieren, dass ein bestmögliches Ergebnis erzielt wird. Die finanziellen Auswirkungen verschiedener Szenarien werden in einem weiteren Dashboard aufgezeigt. Mittels der Schieberegler können einzelne Faktoren so justiert werden, um die kostengünstigste Variante zu entdecken. Abb. 4.8: Simulations-Dashboard zu den Kosten der Personalbeschaffung (Quelle: eigene Abbildung, erstellt mit dem Tool Silico) Das Modell stellt einen digitalen Zwilling der realen Entwicklung des Personalstands dar. Mit diesem lassen sich bestmögliche Entscheidun‐ gen ableiten, die anschließend praktisch umgesetzt werden können. Zur Durchführung von Simulationen sind drei Arbeitsschritte notwendig: • Erstellung des Modells: Aufstellung der Ursache-Wirkungsbeziehungen einer Fragestellung mit verschiedenen fachkundigen Beteiligten • Quantitative Fundierung: Erstellung funktionaler Zusammenhänge zwi‐ schen Faktoren, basierend auf Daten oder Expertenmeinungen • Simulation und Entscheidungsfindung: Experimentelle Simulationen, um bestmögliche Optionen aufzudecken Bewertung der Modellierung und Simulation • Auswirkungen von Entscheidungen werden in einem digitalen Zwilling sichtbar, bevor sie getroffen werden • Simulationen können direkt im Management-Meeting anschaulich durchgeführt werden, Entscheidungen lassen sich unmittelbar treffen 48 4 Planung und Steuerung <?page no="49"?> • in komplexen Situationen können nachvollziehbare Entscheidungen getroffen werden, die ohne Modell unverständlich sind • das Modell führt zu einem gemeinsamen Problemverständnis • Simulationen bewirken große Lerneffekte und führen zu besseren Ent‐ scheidungen • visuelle Darstellungen in Dashboards fördern das Verständnis und die Kommunikation • kumulierte Effekte von Risiken werden identifiziert, nicht nur Einzelri‐ siken • die Qualität der Ergebnisse hängt von der Qualität des Modells ab Literaturempfehlung Kappes, M./ Klehr, D. (2020): Simulation und Szenario-Modellierung als Kerninstru‐ ment der Unternehmenssteuerung, in: Gleich, R. (Hrsg.): Controlling Challenge 2025: agil, digital, effektiv, Freiburg/ München/ Stuttgart, S.-121-131. Meyer, M./ Spitzner, J. (2019): Was leisten Simulationen für die zukunftsorientierte Steuerung? , in: Controlling, Sonderausgabe Frühjahr 2019, S.-40-45. Oehler, K. (2017): Simulation im Controlling: Möglichkeiten und Chancen durch moderne Werkzeuge und Predictive Analytics, in: Gleich, R./ Grönke, K./ Kirch‐ mann, M./ Leyk, J.: Strategische Unternehmensführung mit Advanced Analytics, München, S.-63-86. Romeike, F./ Spitzner, J. (2013): Von Szenarioanalyse bis Wargaming: betriebswirt‐ schaftliche Simulationen im Praxiseinsatz, Weinheim. Tran, K./ Navratil, F. (2020): Adaptive Unternehmenssteuerung: Mit modernen Tech‐ nologien die Anpassungsfähigkeit von Geschäftsmodellen erhöhen, in: Gleich, R. (Hrsg.): Controlling Challenge 2025: agil, digital, effektiv, Freiburg/ Mün‐ chen/ Stuttgart, S.-185-198. 4.5 Vergleich der Planungs- und Steuerungsansätze In diesem Kapitel wurden mit den Elementen: • Campus-Planung • Treiberbasierte Planung • Forecasts • Modellierung und Simulation 4.5 Vergleich der Planungs- und Steuerungsansätze 49 <?page no="50"?> Ansätze für eine digitalisierte Planung und Steuerung vorgestellt. In Tabelle 4.1 wird dieser von den herkömmlichen Budgetierungsansätzen abgegrenzt. - Traditionelle Budgetierung Better Budgeting Beyond Budgeting Digitalisierte Planung und Steuerung Detaillie‐ rung mittel bis hoch eher niedrig eher niedrig sehr hoch Entschei‐ dungspro‐ zess jährlicher Pla‐ nungsprozess unterjährig roll‐ ierender Pla‐ nungsprozess quartalsweise rollierende Hochrechnun‐ gen kurzfristig durch treiberbasierte Pla‐ nung, Forecasts und Simulationen Überwa‐ chung monatliche Ab‐ weichungsana‐ lyse monatliche Ab‐ weichungsana‐ lyse rollierende mo‐ natliche Abwei‐ chungsanalyse rollierende, auch situative Abwei‐ chungsanalyse Szenarien keine wenige, einfa‐ che Szenarien wenige, einfa‐ che Szenarien viele, komplexe Szenarien IT-Unter‐ stützung Excel Planungstool dezentral Excel, zentral Pla‐ nungstool integrierte Platt‐ form für Planung und Performance Management Automati‐ sierungs‐ grad minimal mittel, Nutzung von Statistiken dezentral ge‐ ring, zentral mittel, Nutzung externer Daten hoch, komplexe Statistik, Analy‐ tics, Machine Le‐ arning Kosten- Nutzen schlecht, hoher Planungsauf‐ wand, geringer Nutzen mittel, niedriger bis mittlerer Aufwand bei mittlerem Nut‐ zen mittel, mittle‐ rer Aufwand bei mittlerem Nutzen gut, geringer Pro‐ zessaufwand bei umfassenden Steuerungsimpul‐ sen, aber Anfangs‐ investition typischer Einsatz, Beispiel bei stabilen Rah‐ menbedingun‐ gen und vielfälti‐ gen Systemen, z.-B. standardi‐ sierte Massen‐ produktion bei mittlerer Dy‐ namik und über‐ sichtlicher Orga‐ nisation, z.-B. KMU in wettbe‐ werbsintensiven Branchen bei hoher Dy‐ namik und ein‐ fachen Organi‐ sationen, z.-B. Startups breites Anwen‐ dungsfeld, auch bei hoher Dyna‐ mik, z.-B. Mittel‐ stand bis Konzern mit digital reifem Controlling Tabelle 4.1: Planungsansätze im Vergleich (Quelle: angelehnt an Kappes und Leyk 2018, S.-5, eigene Ergänzungen) Die vier Ansätze einer digitalisierten Planung und Steuerung sind dazu geeignet, zahlreiche Planungsmängel zu beheben. In Abbildung 4.9 finden sich 50 4 Planung und Steuerung <?page no="51"?> links häufig in der Praxis genannte Planungsmängel (vgl. BARC 2018, S. 12) und rechts zugeordnet die geeigneten Ansätze zur Behebung der Mängel. Ursache-Wirkungszusammenhänge beachten Planungsprozesse verkürzen Planungsprozesse technisch besser unterstützen auf steuerungsrelevante Größen fokussieren Forecas�ng automa�sieren Ad-hoc-Forecasts schneller erstellen Unsicherheit und Dynamik berücksich�gen Knappheit der Ressourcen entgegenwirken Planungsfrequenz erhöhen bei Lücken konkrete Maßnahmen ableiten Campus-Planung Modellierung und Simula�on Forecasts Treiberbasierte Planung Abb. 4.9: Lösungsansätze für Planungsmängel (Quelle: eigene Abbildung) Die vier Lösungsansätze optimieren nicht nur bestehende Budgetierungs‐ verfahren, sondern stärken die Unternehmenssteuerung insgesamt. Die Methodik ist auch da robust, wo aufgrund hoher Dynamik und einer großen Systemvielfalt Unternehmen bisher nur schlecht steuerbar waren. Im Vergleich zu den herkömmlichen Budgetierungsverfahren ist die digitale Budgetierung in Abbildung 4.10 rechts oben anzusiedeln. Systemdynamik Systemvielfalt hoch niedrig niedrig hoch Tradi�onelle Budge�erung Beyond Budge�ng Be�er Budge�ng Abb. 4.10: Budgetierungsmethode nach Systemdynamik und Systemvielfalt (Quelle: eigene Abbildung, angelehnt an Weber und Schäffer 2022, S.-323) 4.5 Vergleich der Planungs- und Steuerungsansätze 51 <?page no="53"?> 5 Reporting Der im zweiten Kapitel vorgestellte Readyness Check zeigte die große Bedeutung der Digitalisierung des Reportings. Hier ist der Handlungsdruck im Controlling groß, da die Erstellung von Berichten zeitintensiv ist. Neben der Effizienzsteigerung soll durch verständlichere und schnellere Reports auch die Effektivität gesteigert werden, um das Management bestmöglich mit Informationen zu versorgen. Am herkömmlichen Berichtswesen wird vielfach Kritik geübt (vgl. Gräf und Isensee 2013, S.-78): zu geringe Effizienz: zu geringe Effektivität: • zu viele Reports • zu viele Kennzahlen • zu hoher Detaillierungsgrad • unstrukturierte Daten • unzureichende Prozesse • fehlende Automatisierung • für die Steuerung nicht relevant • fehlende Kommentare • Dominanz finanzieller Daten • schlechte Visualisierung • manuelle Schnittstellen • geringer Zukunftsbezug Zentralisierte Reporting Factories, Self-Service-Reporting mittels Dashbo‐ ards und Visual Analytics sollen die Kritik beheben. 5.1 Reporting Factory Eine Reporting Factory ist eine Organisationseinheit, bei der Aufgaben der Reporterstellung zentralisiert werden. Bei dezentraler Erstellung von Reports werden Skaleneffekte unzureichend genutzt und repetitive Aufga‐ ben häufig manuell erledigt. Reports sind uneinheitlich und Kennzahlen können in verschiedenen Geschäftsbereichen abweichend definiert sein. Dies erschwert das Zusammenführen verschiedener Reports. Abbildung 5.1 stellt die dezentrale Berichtserstellung der Reporting Factory gegenüber. <?page no="54"?> Abb. 5.1: Dezentrale Berichtserstellung vs. Reporting Factory (Quelle: eigene Abbildung) Die große Belastung im Controlling durch die Berichtserstellung fördert die Bereitschaft für organisatorische Veränderungen. Durch die Entlastung soll zukünftig die Rolle des Business Partners intensiver wahrgenommen wer‐ den. Den Effizienzvorteilen einer Standardisierung und Automatisierung stehen jedoch die geringere Individualisierung und Flexibilität sowie eine Formalisierung gegenüber. Aufbau einer Reporting Factory Bei der Errichtung einer Reporting Factory sind sämtliche Teilschritte der Be‐ richtserstellung, von der Datengenerierung bis zur Informationsbereitstellung, zu definieren. Abbildung 5.2 zeigt die Teilschritte, die in das Datenmanagement, die Berichtserstellung und die Kommunikation unterteilt sind. Abb. 5.2: Teilaufgaben der Berichtserstellung (Quelle: eigene Abbildung, angelehnt an Taschner 2013, S.-42) 54 5 Reporting <?page no="55"?> Große Teile der Berichtserstellung lassen sich automatisieren. Die dunkel eingefärbten Felder 2 bis 10 eignen sich besonders für eine Digitalisierung. Ausgangspunkt ist das Datenmanagement mit der Erstellung eines inte‐ grierten Data-Warehouse über sämtliche Geschäftsbereiche und Funktionen hinweg im Sinne eines „Single-Point-of-Truth“. Nicht selten bestehen in Geschäftsbereichen unterschiedliche IT-Systeme, die mit Hilfe automa‐ tisierter Schnittstellen verknüpft werden müssen. Der Prozess zur Bericht‐ serstellung kann mittels RPAs automatisiert werden und künstliche Intel‐ ligenz kann die Plausibilität der Informationen überprüfen, analysieren und kommentieren. Zur Berichtserstellung können interaktive Dashboard-Tools genutzt werden, die eine Informationsbeschaffung in Echtzeit und visuelle Analysen ermöglichen. Die Aufdeckung des Informationsbedarfs und die Beratung des Managements sind Aufgaben des Business Partnerings. Nach erfolgreicher Inbetriebnahme einer Reporting Factory ist oftmals zu beobachten, dass noch weitere Controlling-Tätigkeiten zentralisiert werden. Durch die Bündelung von Experten-Know-how in einem Center of Excellence können die Potenziale der Digitalisierung besser gehoben werden. Unternehmensweit konsistente Daten sowie die Integration exter‐ ner und unstrukturierter Daten schaffen die Grundlage für anspruchsvolle Analyseverfahren und für die Nutzung Künstliche Intelligenz. Dies ist das Aufgabengebiet von Data Scientists, die ebenfalls an zentraler Stelle gebündelt werden können. Die Bündelung des Reporting-Know-hows in einer zentralen Einheit kann somit Ausgangspunkt für eine weitere Zentra‐ lisierung von Controlling-Funktionen sein. (Stoffers, Karla und Kaufmann 2022, S.-953ff.) Bewertung der Reporting Factory • Effizienzsteigerung durch Prozessautomatisierung und Skaleneffekte • Effektivitätssteigerung durch Standardisierung von Kennzahlen, eine erhöhte Transparenz und Harmonisierung von Prozessen und Inhalten • Bündelung des Reporting-Know-hows in einem Center of Excellence, Datenverfügbarkeit und Datenqualität werden gesteigert, Ressourcen besser gesteuert, Innovationen werden forciert • Akzeptanzprobleme in dezentralen Einheiten aufgrund geringer Indivi‐ dualisierung und Flexibilität, Gefahr der Entwicklung von Schattenre‐ portings • Zahlen kommen von der Zentrale, das Bewusstsein für deren Entste‐ hung und die Verantwortungsübernahme können darunter leiden 5.1 Reporting Factory 55 <?page no="56"?> Literaturempfehlung Schmitz, M./ Lawrenz, A./ Schneider, C. (2022): Center of Expertise Controlling/ Re‐ porting Factory 2.0, in: Becker, W./ Ulrich, P. (Hrsg.): Handbuch Controlling, 2. Auflage, Wiesbaden, S.-745-776. Schönherr, M./ Wehrum, K. (2020): Reporting im digitalen Wandel, in: Controller Magazin 3, S.-37-41. Stoffers, P./ Karla, J./ Kaufmann, J. (2022): Digitalisierung von Management-Repor‐ ting-Prozessen - Ein technologieorientiertes Reifegradmodell zum Einsatz in KMU, in: HMD-Praxis der Wirtschaftsinformatik, 3, S.-940-961. 5.2 Self-Service-Reporting und Visual Analytics Reports erreichen das Management traditionell als statische Berichte, zu‐ meist als in pdf´s umgewandelte PowerPoint-Präsentationen, die aus Ex‐ cel-Tabellen und zugehörigen Visualisierungen erstellt wurden. Zunehmend ersetzen Unternehmen diese durch Dashboards. Wie in einem Cockpit wer‐ den die relevanten Informationen auf dem Bildschirm visuell anschaulich dargestellt. Die Daten können laufend aktualisiert und vom Management eigenständig aufgerufen werden. Einzelne Dashboards können dabei eine große Anzahl an pdf-Berichtsseiten ersetzen. Es findet ein Wechsel vom Push-Prinzip, bei dem das Management nach Fertigstellung des Berichts mit diesen versorgt wird, zum Pull-Prinzip statt. Die Reports werden von den Nutzern aktiv aufgerufen, wenn die Informationen benötigt werden. Controller, welche die Dashboards zur Verfügung stellen, benötigen ein gutes Geschäftsverständnis, um sämtliche entscheidungsrelevanten Daten empfängerorientiert und verständlich zur Verfügung zu stellen. Die notwen‐ digen Daten sind daher mit der Zielgruppe auf der Basis von Use Cases zu entwickeln. Maßgeblich sind die Informationen, die für Entscheidungen benötigt werden und eine Darstellung, die Missverständnisse und unnötigen Interpretationsaufwand vermeiden. Der Mehrwert von Dashboards liegt in der Interaktion, dem Self-Ser‐ vice. Der Betrachter kann in Dashboards nahezu intuitiv Informationen auswählen und Analysen durchführen. Auswahlmöglichkeiten und Drill‐ down-Funktionen erlauben vielfältige Analysemöglichkeiten und enthalten eine große Informationsdichte. 56 5 Reporting <?page no="57"?> Definition Self-Service-Reporting Die Möglichkeit des End Users, eigene Reports und Analysen im Rahmen einer abgestimmten IT-Architektur und einer standardisierten Datenba‐ sis zu erstellen. Es sind zwei Ausprägungen von Self-Service-Reporting zu unterschei‐ den: • Managed-Self-Service umfasst vorgegebene Dashboards, innerhalb derer in einem vordefinierten Rahmen Analysen durchgeführt werden können. • Reiner Self-Service bedeutet, dass in Fachabteilungen eigenständig Analysen durchgeführt und Dashboards genutzt werden. Dem Anwen‐ der werden hierfür aufbereitete Daten zur Verfügung gestellt. Hierbei werden leistungsstarke visuelle Tools genutzt, die Analysen erleichtern und Einsichten ermöglichen, die bei einer tabellarischen Darstellung von Zahlen nicht ersichtlich sind. Hierbei spricht man von Visual Analytics. Visual Analytics ist eine Methode zur Analyse großer Datenmengen. Dabei entdecken nicht die Algorithmen die Muster, sondern der Analyst durch die Betrachtung unterschiedlicher Datenvisualisierungen. Soft‐ waretools unterstützen diesen, Daten schnell, flexibel und anschaulich zu betrachten. Der Analyseprozess ist interaktiv, denn der Mensch lenkt diesen auf der Suche nach Antworten auf geschäftspolitische Fragen. Dabei können Drilldowns und Drillthroughs durchgeführt werden, es können Filter gesetzt, verschiedene Visualisierungstechniken genutzt und auch einfache Analytics-Methoden wie Trendfortschreibungen oder Clusterings durchgeführt werden. Es handelt sich somit um einen aktiven Analysepro‐ zess, der sich von der reinen Betrachtung visualisierter Informationen in einem pdf-Bericht oder in einem Dashboard unterscheidet. Tools, wie etwa Tableau, ermöglichen Visual Analytics auf benutzerfreundlichen Oberflä‐ chen per Drag-and-Drop-Bedienung und können Anwendern bestmögliche Analysemethoden vorschlagen. Diese Tools werden sowohl im Controlling als auch durch erfahrene Fachanwender in der Produktion, der Logistik oder im Personalwesen genutzt. Visual Analytics erfordert neben der Kenntnis dies Tools auch gute Daten- und Geschäftskenntnisse. 5.2 Self-Service-Reporting und Visual Analytics 57 <?page no="58"?> Datenvisualisierung Die Form der Visualisierung hat einen entscheidenden Einfluss auf die Wahrnehmung und Verständlichkeit von Informationen. Controller sollten die grundlegenden Prinzipien der Visualisierung kennen, damit Informatio‐ nen richtig, schnell und ohne Irritationen verstanden werden. Hierfür kann man sich an den Regeln zur visuellen Darstellung von Daten orientieren, wie etwa am International Business Communication Standard (IBCS) des IBCS-Instituts (vgl. www.ibcs.com). Für die Visualisierung und die Gestaltung der Interaktion in Dashboards bestehen ebenfalls bewährte Methoden, die in der Literatur beschrieben sind (vgl. Kirk 2019; Wilke 2020; Kohlhammer, Proff und Wiener 2018). Anwendung von Dashboards Ein Wechsel vom pdf-Bericht zu Dashboards und zum Self-Service-Re‐ porting ist angezeigt, wenn das Management häufig nach Analysen fragt, wenn Berichte regelmäßig zu Rückfragen führen und erweiterte Berichte gewünscht werden. Die Informationsbedürfnisse werden individueller, das Controlling kann aus kapazitativen Gründen aber nicht für jeden Berichts‐ empfänger individuelle Analysen durchführen und Berichte erstellen. Aus diesem Dilemma, dass Standardreports unzureichend und Individualanaly‐ sen nicht möglich sind, lässt sich der Trend hin zum Self-Service-Reporting und zu Dashboards erklären. Der Wunsch mancher Manager nach weitreichenden und vielfältigen Analysemöglichkeiten birgt auch Gefahren. Dies erfordert eine gute Kenntnis der Daten und der Kennzahlen, um sie korrekt interpretieren zu können. Teils wurde beobachtet, dass aufgrund der fehlenden Detail‐ kenntnis Informationen missinterpretiert werden. In Besprechungen disku‐ tieren dann Manager über Zahlen und nicht über Inhalte. Der Wunsch nach einer möglichst großen Freiheit an Analysen erfordert vertiefte Con‐ trolling-Kenntnisse. Wo diese Kenntnisse fehlen, sollten Business Partner beraten oder Freiheitsgrade im Dashboard beschränkt werden. Self-Service bedeutet somit keinesfalls No-Service! Das Controlling stellt ein effektives Werkzeug zur Verfügung, das eine fundierte Betreuung des Managements und des Tools erfordert. Es handelt sich nicht um eine Verlagerung von Controlling-Tätigkeiten auf Manager. 58 5 Reporting <?page no="59"?> Im Softwaremarkt gibt es verschiedene Tools zur Erstellung von Dash‐ boards. Bedeutsam sind hierbei etwa Tableau, Microsoft PowerBI oder SAP Analytics Cloud. Es lassen sich verschiedene Datenquellen einbinden, unterschiedliche Visualisierungen und interaktive Dashboards erstellen. Diese können zudem auf das jeweilige Medium des Nutzers angepasst werden, so dass die Darstellung etwa auf einem Laptop, auf einem Tablet oder Smartphone optimal angezeigt wird. Self-Service-Funktionalitäten • Auswahl verschiedener visueller Darstellungen • Quickinfos zeigen detaillierte Informationen durch Berühren mit der Maus oder per Touchfunktion • Filterfunktionen: Selektion von Produkten, Kundengruppen, Kosten‐ stellen,-… • interaktive Filterfunktion: Diagramme eines Dashboards sind inter‐ aktiv verknüpft, Filter werden zeitgleich in allen Diagrammen ange‐ wendet • Einbindung von Hyperlinks: Produktkataloge, Marktinformationen, Landkarten,-… sind innerhalb des Dashboards abrufbar • Betrachtung verschiedener Zeitperioden mit Hilfe von Slidern • Selektion einzelner Länder, Regionen,-… auf Karten • Analytics-Methoden: Trends fortschreiben, Clustering, Szenarien durchspielen, Entscheidungen simulieren • Durchführung von Ad-hoc-Analysen per Drag and Drop Praxisbeispiel: Tableau Abbildung 5.3 zeigt beispielhaft ein Dashboard für den Vertrieb. Das im Screenshot geöffnete Auswahlmenü erlaubt, das Dashboard nach Regionen, nach Segmenten, … anzuzeigen. Das Beispiel ist der Webseite von Tableau Public entnommen. Unter dem angegebenen Link kann das Dashboard geöffnet und interaktiv genutzt werden. 5.2 Self-Service-Reporting und Visual Analytics 59 <?page no="60"?> Abb. 5.3: Tableau-Dashboard zur Vertriebssteuerung (Quelle: Tableau, in: https: / / public.ta bleau.com/ app/ profile/ tableau.for.sales.analytics/ viz/ SalesGrowthDashboard/ GrowthRate s, Abruf: 30.03.2023) Bewertung von Dashboards • Dashboards machen Daten sichtbar und verständlich, mobil und in Echtzeit • Datenanalysen werden visuell unterstützt • einfache Bedienung per Drag & Drop ohne Programmierkenntnisse • interaktive Nutzung unterstützt datenbasierte Entscheidungen und för‐ dert die Entwicklung einer Datenkultur • Controlling muss am Nutzer orientierte Dashboards zu Verfügung stellen und diese aktuell halten • die Vielfalt der Interaktions- und Analysemöglichkeiten darf Nutzer nicht überfordern, der Freiheitsgrad muss auf den Nutzer abgestimmt sein 60 5 Reporting <?page no="61"?> Literaturempfehlung Nagel, D./ Heinicke, X./ Börner, X./ Günther, T./ Fischer, A. (2021): Mehr Durchblick mit Visual Business Analytics, Controlling & Management Review, 8, S.-52-57. Hofer, P./ Perkhofer, L./ Mayr, A. (2020): Interaktive Big Data Visualisierungen - Potenzial für das Management Reporting, in: Keimer, I./ Egle, U. (Hrsg.): Die Digitalisierung der Controlling-Funktion, Wiesbaden, S.-159-187. Kirk, A. (2019): Data Visualisation. A Handbook für Data Driven Design, 2nd Edition, London. Schönherr, M./ Wehrum, K. (2020): Reporting im digitalen Wandel, in: Controller Magazin, 3, S.-37-41. 5.2 Self-Service-Reporting und Visual Analytics 61 <?page no="63"?> 6 Prozesse Die Digitalisierung soll dabei helfen, manuelle Prozesse zu automatisieren und damit ihre Effizienz und Zuverlässigkeit zu steigern. Eine bedeutsame Technologie ist hierbei die Robotic Process Automation (RPA). Bevor man Prozesse jedoch automatisiert, müssen diese identifiziert werden. Prozesse verlaufen in der Praxis oftmals anders als ursprünglich geplant. Im Zeitverlauf passen sie sich an veränderte Rahmenbedingungen an und werden zunehmend intransparent. Mit Hilfe des Process Mining werden Prozesse transparent gemacht. 6.1 Process Mining Process Mining ist eine Technik, bei der systematisch die in IT-Systemen entstehenden Logdateien von Geschäftsprozessen ausgewertet werden. Die Dateien enthalten das automatisch geführte Protokoll, das im Prozess‐ ablauf erstellt wird und diesen dokumentiert. Hiermit können Prozesse rekonstruiert, visuell dargestellt und statistisch ausgewertet werden. Durch die digitalen Spuren lassen sich tatsächliche Prozessabläufe nachvoll‐ ziehen. Abweichungen von geplanten Prozessen, Prozessstörungen und Leistungseinbußen werden aufgedeckt. Solche Analysen werden mit Hilfe spezialisierter Softwaretools wie etwa Celonis Process Mining, UiPath oder Signavio Process Intelligence durchgeführt. Process Mining ist dem Data Mining zuzuordnen, bei dem aus großen Datenmengen Erkenntnisse in Form von Mustern gewonnen werden. Anwendungsfelder des Process Mining sind: • Aufdecken und visualisieren von Prozessen: erkennen von Ineffizienzen und Optimierungsmöglichkeiten • Abgleich eines tatsächlichen Prozesses mit dem Soll-Prozess: bedeutsam für die Auditierung von Prozessen, Identifikation nicht regelkonformen Verhaltens (z.-B. Einhaltung des Vier-Augen-Prinzips) • Kontinuierliche Überwachung von Prozessen: Reports machen in Echt‐ zeit auf Abweichungen aufmerksam, so dass diese korrigiert werden können <?page no="64"?> Damit ist das Process Mining eine Ergänzung zum klassischen Prozessma‐ nagement, mit dem die Steuerung und Optimierung von Geschäftsprozes‐ sen verfolgt wird. Erst in den letzten Jahren hat Process Mining in den Unternehmen an Bedeutung gewonnen. Dies ist neuen Softwaretools zu verdanken, die große und heterogene Datenmengen analysieren können und anwendungsfreundlicher sind. (vgl. Brenner, Lesch und Zander 2020, S.-96) Beispiel: Celonis Process Mining (CPM) „CPM bietet einen explorativen Ansatz, um Schwachstellen in Prozes‐ sen zu finden: Über einen Schieberegler auf der Benutzeroberfläche verändert der Anwender die visualisierte Prozesskomplexität und wählt so zum Beispiel den häufigsten Prozessablauf oder die komplette Visua‐ lisierung aller momentan ablaufenden Vorgänge aus. Der Anwender kann bei Bedarf alle dazugehörigen Einzelbelege oder -vorgänge abru‐ fen. Unterschiedliche Filter helfen, zum Beispiel den Verlauf einzelner Rechnungen, Bauteile oder Lieferanten zu verfolgen. So kann man zielgerichtet immer tiefer in die Prozessvarianten eintauchen, bis eine Fehlerquelle oder ein Optimierungspotenzial identifiziert ist.“ (IT-On‐ linemagazin, https: / / it-onlinemagazin.de/ process-mining-beispiele-und -anwendungsfaelle/ , Abruf: 16.04.2023) Abbildung 6.1 zeigt einen Screenshot der CPM-Software zum Rech‐ nungsprozess. Neben dem Prozesses finden sich statistische Auswertun‐ gen. Einsatzfelder im Controlling • Prozesscontrolling: Unterstützung bei der Überwachung von Prozessen mittels Prozesskennzahlen und Sicherstellung der Prozessperformance • Analyse von Prozessen und Initiierung von Optimierungen im Control‐ ling und in Fachabteilungen • Durchführung von Benchmarkvergleichen • Optimierung der Prozesskostenrechnung: Prozesse ermitteln und mo‐ netäre Bewertung mittels beteiligter Kostenstellen • Bewertung des Aufwands von Produktvarianten 64 6 Prozesse <?page no="65"?> Abb. 6.1: Process Mining mit Celonis (Quelle: IT-Onlinemagazin, in: https: / / it-onlinemagazi n.de/ process-mining-beispiele-und-anwendungsfaelle/ celonis-process-mining-screenshot -p2p/ , Abruf: 16.04.2023) Bewertung • Unterschied zwischen beschriebenen und gelebten Prozessen wird deut‐ lich • einfaches Verständnis der Prozessabläufe durch die visuelle Darstellung, Schwächen im Prozess werden kommunizierbar • hoher Automatisierungsgrad begrenzt manuellen Analyseaufwand • es können nur Prozesse analysiert werden, die automatisch Daten generieren, nicht aber manuelle Tätigkeiten Literaturempfehlung: Brenner, M./ Lesch, B./ Zander, F. (2020): Process Mining: Controlling-Instrument zur Optimierung von Geschäftsprozessen, in: Gleich, R. (Hrsg.): Controlling Challenge 2025: agil, digital, effektiv, Freiburg/ München/ Stuttgart, S.-93-106. Reinkemeyer, L. (2020): Process Mining in Action. Principles, Use Cases and Outlook, Cham. 6.1 Process Mining 65 <?page no="66"?> 6.2 Robotic Process Automation Robotic Process Automation (RPA) sind Softwareanwendungen, auch als Softwareroboter oder vereinfacht als Bots bezeichnet, die Geschäftsprozesse automatisch durchführen können. Aufgabe der RPA ist es, die Prozesse system- und softwareübergreifend auszuführen, wie es ansonsten Mit‐ arbeiter machen. Die bestehenden IT-Systeme werden nicht umgebaut, sondern mit dem Bot verbunden. Anhand von Entscheidungsregeln werden menschliche Arbeitsschritte nachgeahmt. Hierfür eignen sich Prozesse, die regelbasiert und repetitiv in großer Anzahl ablaufen und bei denen strukturierte Daten digital vorliegen. Erste Anwendungsfelder waren die Debitoren- und Kreditorenbuchhaltung sowie die Rechnungserfassung samt Prüfung von Duplikaten. Zunehmend finden sich auch im Controlling Anwendungsfelder. Einsatzfelder von RPA im Controlling sind beispielhaft (vgl. Wenning und Przytulla 2020, S.-11): • Datenbeschaffung aus heterogenen Quellen und unterschiedlichen Sys‐ temen, Aufbereitung und Plausibilisierung für die Berichtserstellung • Stammdatenpflege • Erstellung von Einzelplänen und Budgets • Zusammenfassung und Konsolidierung von Einzelplänen • Kostenallokation: Umlage der Sekundärkostenstellen auf Primärkosten‐ stellen und Verrechnung auf Kostenträger • Periodenerfolgsrechnung RPA sind nicht nur schneller als die manuelle Bearbeitung, sondern sie arbeiten unter konstanten Rahmenbedingungen fehlerfrei und permanent. Dabei ist die Einführung von RPA keine rein technische Angelegenheit, sondern erfordert prozessuale und organisatorische Anpassungen. Vorteile der RPA • Effizienzsteigerung: schnelle und pausenlose Bearbeitung, insbesondere bei repetitiven Aufgaben in hoher Anzahl, beispielsweise bei zeitkriti‐ scher Erstellung von Reports • Qualitätssteigerung: geringe Fehlerraten und Dokumentation • Überbrückung noch nicht vollständig integrierter und harmonisierter IT-Landschaften mit System- und Medienbrüchen 66 6 Prozesse <?page no="67"?> • begrenzter Umsetzungsaufwand im Vergleich zu einer Anpassung des ERP-Systems und verschiedener Softwaretools • für untergeordnete, funktionsspezifische Prozesse, die nicht zu den betrieblichen Kernprozessen gehören und für die nur begrenzte IT-Res‐ sourcen zur Verfügung stehen, stellen RPA hilfreiche und kostengüns‐ tige Werkzeuge dar Gefahren und Hemmnisse der RPA (vgl. Nuhn und Schulze 2020, S. 85; Wenzel 2020, S.-44ff.) • RPA gelten als Brückentechnologie, die rasche Effizienzsteigerungen ermöglichen, doch werden heterogene Systemlandschaften und unzu‐ reichende Schnittstellen zementiert. Per Workaround werden die Sym‐ ptome behoben, nicht aber die Ursachen. Zukünftige Systemkonsolidie‐ rungen werden dadurch gegebenenfalls erschwert. • RPA-Softwaretools richten sich stärker an Fachals an IT-Abteilungen. Eher geringe Anforderungen an IT und Programmierung sollen Fachab‐ teilungen befähigen, selbständig Prozessoptimierungen vorzunehmen. Darunter kann die IT-Governance leiden: es entstehen IT-Risiken, Dop‐ pelarbeiten, Kopfmonopole. • Werden keine End-to-end-Prozesse bearbeitet, sondern nur Teile von Prozessketten, die eine große Arbeitslast abnehmen, können fragile und in Einzelteile zerlegte intransparente Prozesse entstehen. • RPAs müssen gewartet und bei Veränderungen im Prozess und in angrenzenden Systemen angepasst werden. RPA sind nicht generell bei ineffizienten oder fehleranfälligen Prozessen einzusetzen. Eine Lösung kann oftmals schon darin liegen, dass Prozesse überarbeitet oder bestehende Softwaretools optimiert und ergänzt wer‐ den. Teils helfen organisatorische Maßnahmen, wie etwa die Zuteilung eindeutiger Verantwortlichkeiten. Prozesse, die an verschiedenen Stellen im Unternehmen anfallen, können gebündelt oder ausgelagert werden. Und manchmal können Prozesse auch gekürzt oder gar gestrichen werden. Bevor also RPAs eingesetzt werden, sollten die teils einfacheren Optionen überprüft werden. (vgl. Langmann und Turi 2020, S.-25) 6.2 Robotic Process Automation 67 <?page no="68"?> Literaturempfehlung Langmann, C./ Turi, D. (2020): Robotic Process Automation (RPA) - Digitalisierung und Automatisierung von Prozessen, Wiesbaden. Nuhn, H./ Schulze, M. (2020): Robotic Process Automation im Controlling: Ergeb‐ nisse einer empirischen Studie, in: Gleich, R. (Hrsg.): Controlling Challenge 2025: agil, digital, effektiv, Freiburg/ München/ Stuttgart, S.-79-90. Wenning, A./ Przytulla, G. (2020): Robotic Process Automation im Controlling, Rethinking Finance, 3, S.-9-16. Wenzel, S. (2020): Robotic Process Automation - das Altsystem von morgen oder doch Beschleuniger digitaler Transformation? , Rethinking Finance, 3, S.-43-48. 68 6 Prozesse <?page no="69"?> 7 Business Analytics „Wir ertrinken in Informationen und hungern nach Wissen.“ ( John Naisbitt) 7.1 Datenanalytische Denkweise Die Analyse von Daten ist eine wesentliche Aufgabe der Controller. Durch die Digitalisierung steht eine außerordentlich große Menge an Daten, Big Data, zur Verfügung. Dies umfasst neben internen auch externe Daten und sowohl strukturierte als auch unstrukturierte Daten. Um in dieser großen Datenmenge Muster zu erkennen und relevante Informationen zu gewinnen, erfolgt die Analyse mittels Machine-Learning-Algorithmen. (vgl. Sailer 2021, S.-580) Business Intelligence und Business Analytics Die Analyse unternehmensrelevanter Daten wird als Business Analytics bezeichnet. Seiter definiert dies folgendermaßen: Definition Business Analytics „Das Ziel von Business Analytics ist es, Problemstellungen im gesamten Managementzyklus von Planung, Steuerung und Kontrolle evidenzba‐ siert zu lösen. Evidenzen, verstanden als begründete und objektive Einsichten in einen Sachverhalt, werden durch Daten mittels Algorith‐ men aus den Bereichen Statistik, Data Mining und Machine Learning gewonnen.“ (Seiter 2017, S.-1) Seit den 1990er Jahren wird das Sammeln und Analysieren von Daten als Busi‐ ness Intelligence (BI) bezeichnet. BI-Systeme und Tools sind die typischen Werkzeuge für Controller. Es werden Daten gesammelt, verwaltet, extrahiert und ausgewertet. Daraus entstehen Berichte und Entscheidungsvorlagen für das Management. Zahlreiche Anbieter erweitern diese Tools mittlerweile <?page no="70"?> um Business-Analytics-Funktionen. Die Abgrenzung von Business Analytics und Business Intelligence erfolgt in der Praxis und in der Literatur nicht einheitlich. Nach Davenport und Harris ist Business Analytics Teil der Busi‐ ness Intelligence (vgl. Davenport und Harris 2007, S. 7f.). Business Analytics nutzt faktenbasierte statistische und quantitative Analysen zur Erstellung von Erklärungs- und Prognosemodellen. „The questions that analytics can answer represent the higher-value and more proactive end of this spectrum“ (Davenport und Harris 2007, S.-7). Abbildung 7.1 zeigt beispielhaft Methoden und Fragestellungen aus Business Intelligence und Business Analytics. Abb. 7.1: Business Intelligence und Business Analytics (Quelle: eigene Abbildung, ange‐ lehnt an Davenport und Harris 2007, S.-8) Business Analytics ist zukunftsgerichtet, enthält anspruchsvollere Metho‐ den und Algorithmen und benötigt umfassendere Daten. Controller sind mehrheitlich damit beschäftigt, vergangenheitsorientierte Abweichungsa‐ nalysen durchzuführen. In einer Befragung von 87 Führungskräften aus dem Controlling durch Camelot Management Consultants sagen nur 16 %, dass sie aktuell mehr Zeit damit verbringen, zukunftsgerichtete Daten zu interpretieren. Dies streben hingegen 71 % für die Zukunft an. Und 75 % sagen, dass sie aktuell mehr Zeit mit der Erstellung der Berichte verbringen als mit der Analyse der Inhalte (vgl. Spieler und Waßmer 2017, S.-17) Weitere Begriffe aus der Datenanalyse • Data Science wird im Zusammenhang mit der Analyse großer Daten‐ mengen genannt. Es geht darum, aus Daten verwertbares Wissen zu 70 7 Business Analytics <?page no="71"?> generieren, ohne dass dies in einem betriebswirtschaftlichen Kontext stehen muss. Wendet man Data Science in der Betriebswirtschaft an, spricht man von Business Analytics (vgl. Seiter 2017, S.-20). • Data Mining ist in Anlehnung an Seiter ein Element von Business Analytics. Es werden automatisiert Daten extrahiert, um Informationen zu gewinnen, die einen Sachverhalt beschreiben. Data Mining kann somit der Descriptive Analytics zugeordnet werden (vgl. Seiter 2017, S.-21). • Machine Learning umfasst statistische Verfahren, ohne dass der Anwender eine bestimmte Methodik vorgibt. Machine-Learning-Algo‐ rithmen erlernen anhand von Beispieldaten und unter Vorgabe eines konkreten Ziels selbst, wie die Daten bestmöglich ausgewertet werden, um hilfreiche Muster zu erkennen (vgl. Seiter 2017, S.-21f.). • Künstliche Intelligenz (KI, AI) ist ein Teilgebiet der Informatik, die intelligentes Problemlösungsverhalten erforscht. Dabei werden Compu‐ tersysteme entwickelt, die Aufgaben lösen können, wie sie auch ein Mensch durch Nutzung seiner Intelligenz löst (vgl. Lackes 2023). Analytics Reifegradmodell Die praktischen Einsatzgebiete von Business Analytics werden oftmals nach ihrem Reifegrad unterschieden. Dabei steigt mit zunehmendem Reifegrad der Nutzen einer Analyse. Hierfür sind mehr Daten und eine höhere Analysekom‐ petenz notwendig. Abbildung 7.2 zeigt die vier Stufen des Reifegradmodells. Abb. 7.2: Business Analytics Reifegradmodell (Quelle: eigene Abbildung in Anlehnung an McNellis, 2019) 7.1 Datenanalytische Denkweise 71 <?page no="72"?> Descriptive Analytics beschreibt die Entwicklung der Vergangenheit bis zur Gegenwart, was auch bei einem traditionellen Monatsreport die Regel ist. Daten werden in einem Kontext zur Verfügung gestellt, wodurch das Verständnis erleichtert wird. Beispielsweise werden Ist-Daten den Plan-Da‐ ten und den Vorjahresdaten gegenübergestellt oder die Absatzentwicklung wird mit der Marktentwicklung verglichen. Um die aktuelle Lage rasch und zuverlässig zu erfassen, bedient man sich wichtigen Leistungsindikatoren, den KPIs. Ergänzt das Controlling die Berichte um Kommentare, erhalten die Be‐ richtsempfänger Erklärungsansätze, damit sie hieraus geeignete Schlüsse ziehen können. Der Kommentar gibt zum Beispiel eine Begründung, weshalb die Istvon den Plan-Zahlen abweichen und basiert auf Analysen der Controller. Diese sind der Diagnostic Analytics zuzuordnen. Solch eine diagnostische Ursachenanalyse kann beispielsweise durch einen Drilldown oder Drillthrough erfolgen. Beim Drilldown wird, ausgehend von einer übergeordneten Sicht, schrittweise auf eine Detailebene gewech‐ selt, um Erkenntnisse zu gewinnen. Liegt etwa der Umsatz unter den Erwartungen, kann durch einen Drilldown ermittelt werden, bei welchem Produkt, in welcher Region, bei welchem Verkäufer und durch welchen Kunden die Differenz aufgetreten ist. Drillthrough bedeutet, dass ver‐ schiedene Auswertungen miteinander verknüpft werden. Beispielsweise können umfangreiche Tabellen durch die Verknüpfung mit einer Heat‐ map-Funktion kritische Daten anschaulich darstellen. Unterschiedliche Darstellungen und die Betrachtung aus verschiedenen Perspektiven er‐ weitern die Einsicht. Predictive Analytics ermöglicht, zukünftige Entwicklungen vorherzu‐ sagen. Machine-Learning-Algorithmen nutzen historische Daten, um Mus‐ ter und damit Trends zu erkennen. Es ist also nicht allein der Algorithmus, der zu Ergebnissen führt, sondern auch das maschinelle Lernen. Durch große Datenmengen und benutzerfreundliche Software hat Predictive Analytics in den letzten Jahren enorm an Bedeutung gewonnen. Nicht mehr nur Sta‐ tistiker mit Programmierkenntnissen können die Prognosen durchführen, sondern sogenannte No-Code-Software mit graphischer Benutzeroberflä‐ che erlaubt Fachanwendern, Prognosen zu erstellen. Dies erfordert dennoch gute Methodenkenntnisse, jedoch keine Programmierkenntnisse. Eine Stufe über Predictive Analytics befindet sich Prescriptive Analy‐ tics. Es bietet nicht nur einen Ausblick auf das, was kommen mag, sondern zeigt zugleich mögliche Auswirkungen verschiedener Maßnahmen auf. Das 72 7 Business Analytics <?page no="73"?> Analysetool zeigt beispielsweise nicht nur auf, dass zukünftig mit einem Umsatzrückgang zu rechnen ist, sondern es schlägt auch Gegenmaßnahmen vor. Korrelation und Kausalität Die angemessene Interpretation der datenanalytisch gewonnenen Erkennt‐ nisse setzt fundiertes Methodenwissen voraus. Ein typischer Fehler ist die Verwechslung von Korrelation und Kausalität. Entwickeln sich zwei Variable im Zeitverlauf ähnlich, weist die Datenanalyse eine hohe Korrelation zwischen diesen Variablen auf. Es entsteht der Verdacht, dass es zwischen diesen Variablen auch eine inhaltliche Abhängigkeit, eine Ursache-Wirkungsbeziehung gibt. Hierüber sagt die Korrelation allerdings nichts aus. Beispiel: Korrelation und Kausalität Der Marketingleiter legt in einer Budgetbesprechung mit dem Ma‐ nagement folgende Daten vor, mit denen er eine weitere Erhöhung des Marketingbudgets begründet. Abb. 7.3: Marketingbudget und Absatzmenge (Quelle: eigene Abbildung) 7.1 Datenanalytische Denkweise 73 <?page no="74"?> Das Marketingbudget ist über die Jahre hinweg angestiegen und auch der Absatz hat sich erhöht. Da es das Ziel des Marketings ist, den Absatz zu steigern, scheint genau dieses in der Vergangenheit gut funktioniert zu haben. Die Chance, dass der Marketingleiter ein höheres Budget erhält, steht nicht schlecht. Tatsächlich sieht man nur zwei ähnlich ver‐ laufende Kurven, aus denen eine deutlich positive Korrelation berechnet werden könnte. Damit ist bewiesen, dass die Kurven ähnlich verlaufen. Eine Kausalität kann nur inhaltlich begründet werden. Teilt der Con‐ troller dem noch neuen Marketingleiter mit, dass das Marketingbudget in der Vergangenheit stets prozentual zum geplanten Umsatz angesetzt wurde, da man sich über die richtige Höhe immer unsicher war, ändert sich die Ursache-Wirkungsbeziehung. Die Absatzmenge beeinflusst das Marketingbudget und die Argumentation des Marketingleiters wäre hinfällig. Die Neigung, hinter ähnlich verlaufenden Entwicklungen eine Kausalität zu vermuten, ist ein häufig beobachteter Bias, der als „Spurious Relation‐ ship“ bezeichnet wird. Verlaufen A und B ähnlich, könnte sowohl A B beeinflussen oder umgekehrt. Es könnte auch ein unbekanntes C geben, das sowohl A als auch B beeinflusst. Oder aber es gibt überhaupt keinen Einfluss und die Ähnlichkeit ist reiner Zufall. Im Internet finden sich zahlreiche solcher Beispiele. Abbildung 7.4 zeigt die Entwicklung der Scheidungsrate im US-Bundesstaat Maine und den Pro-Kopf-Konsum von Margarine in den USA. Über zehn Jahre ergibt sich eine fast vollständige Korrelation von 99,26%. 4,95 per 1.000 8 lbs 4,62 per 1.000 6 lbs 4,29 per 1.000 4 lbs 3.96 per 1.000 2 lbs 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2 008 2009 Scheidungsrate im US-Bundesstaat Maine Pro-Kopf-Konsum von Margarine in den USA Korrela�on des Pro-Kopf-Konsums an Margarine und der Scheidungsrate im US-Bundesstaat Maine beträgt über einen Zeitraum von 10 Jahren 99,26% Abb. 7.4: Spurious Relationship (Quelle: eigene Abbildung, angelehnt an Vigen 2023) 74 7 Business Analytics <?page no="75"?> Datenanalytische Arbeitsweise Aus Daten Erkenntnisse zu gewinnen, die einen geschäftspolitischen Nut‐ zen stiften, ist häufig mit Unsicherheit belegt. Erhält man belastbare Ergebnisse, reichen Umfang und Qualität der Daten hierfür aus, hat man die richtigen Methoden benutzt, gibt es in den Daten erkennbare Muster, die zu Einsichten führen? Schließlich stellt sich bei jeder Analyse histori‐ scher Daten die Frage, welche Aussagekraft sie für die Lösung zukünftiger Probleme haben. Wenn sich Umfeldbedingungen verändert haben, ist die Vergangenheit kein guter Prädiktor für die Zukunft. Die Arbeit mit Daten ist durch viele Unsicherheiten geprägt und dies wirkt sich auf die Arbeitsweise aus. Business Analytics ist nicht damit zu vergleichen, wie eine neue Software entwickelt wird. Die Anforderungen, was die Software leisten muss, sind vorgegeben und stellen den Ausgangspunkt der Softwareentwicklung dar. Bei der Datenanalyse ist das Ergebnis unbekannt. Man hat eine Vermutung, eine Hypothese, und erkennt erst am Ende, ob diese bestätigt oder widerlegt wird. Oder man erkennt am Ende, dass die Daten, die Untersuchungsme‐ thodik oder die Algorithmen nicht geeignet sind, zu einem Ergebnis zu führen. Das Vorgehen entspricht somit nicht dem eines Programmierers, sondern dem eines Forschers. Nicht umsonst wird die Tätigkeit einer statistischen Datenanalyse als Data Science bezeichnet. Es ist eben Science, eine Wissenschaft. 7.2 Praktische Umsetzung von Business Analytics Die Anwendung von Business Analytics erfordert eine fundierte Methodik, eine geeignete Softwareunterstützung sowie Kenntnisse der Statistik. Untersuchungsmethodik Das Vorgehen bei der Datenanalyse erfolgt in der Praxis häufig anhand des CRISP-DM-Standards (Cross-Industry Standard Process for Data Mining), der in Abbildung 7.5 dargestellt ist. 7.2 Praktische Umsetzung von Business Analytics 75 <?page no="76"?> Abb. 7.5: CRISP-DM: Standard-Prozess-Modell für Data Mining (Quelle: Chapman u.-a. 2000, S.-13) Ausgangspunkt einer Datenanalyse ist das „Business Unterstanding“. Erst wenn das Geschäftsmodell und die konkreten Geschäftsprozesse bekannt sind, können betrieblich relevante Fragestellung abgeleitet werden. Im folgenden Schritt, dem „Data Understanding“, werden Daten gesammelt, gesichtet und ihre Qualität wird bewertet. In der „Data Preperation“ wer‐ den Daten bereinigt, angereichert und transformiert. Hieraus soll sich der finale Datensatz ergeben, der für die Berechnungen genutzt wird. Die ist eine sehr aufwändige Phase, die bis zu 80 % der gesamten Projektzeit einnimmt. Beim „Modeling“ werden die Daten mit Machine-Learning-Tools und ver‐ schiedenen statistischen Algorithmen ausgewertet und in der „Evaluation“ werden die Rechenergebnisse nach ihrer Aussagekraft und ihrer Qualität bewertet. Bei unzureichenden Ergebnissen wird der Prozess abgebrochen und mit einem angepassten Geschäftsverständnis neu gestartet. Fällt die Evaluation positiv aus, werden die Ergebnisse in der „Deployment“-Phase 76 7 Business Analytics <?page no="77"?> dem Management zur Verfügung gestellt oder in Regelprozesse integriert. (vgl. Provost und Fawcett 2017, S.-52ff.) Software Business Analytics erfordert die Unterstützung durch geeignete Software‐ tools, von denen es eine Vielzahl für unterschiedliche Ansprüche gibt. Diese Tools unterscheiden sich durch die Komplexität in der Bedienung, durch notwendige Kenntnisse und individuelle Anpassungsmöglichkeiten. Es können vier grundlegende Typen von Softwarelösungen unterschieden werden. • Open-Source-Programmiersprachen wie R oder Python enthalten umfangreiche Modellierungsbibliotheken für jegliche Analytics-An‐ wendungen. Sie erfordern gute Programmier-, IT- und Statistikkennt‐ nisse, setzen eine fundierte Anwendungserfahrung voraus, sind sehr leistungsfähig und beliebig individualisierbar. • Statistiksoftware von Softwarekonzernen wie IBM Watson Studio, SAS Visual Data Mining and Machine Learning oder SAP Business Technology Plattform stammen entweder aus klassischen Werkzeugen für Statistiker oder von ERP-Tools, die um Machine-Learning-Algorith‐ men erweitert wurden. Zur Bedienung sind keine Programmiersprachen notwendig, sondern sie wurden als Low-Code- oder als No-Code-Soft‐ ware entwickelt. Per Drag-and-Drop können Algorithmen eingesetzt werden, teilweise können sogar natürlichsprachliche Fragen gestellt werden (Conversational Analytics). Diese lizenzpflichtigen Tools stellen entsprechenden Support durch die Hersteller und kooperierende Bera‐ tungsgesellschaften sicher. • Visuelle Analytics Tools wie KNIME oder Rapidminer sind spezia‐ lisierte Analyticsanwendungen, die sehr leistungsfähig und dennoch über eine visuelle Steuerung zugleich nutzerfreundlich sind. Einfache Anwendungen können bereits nach kurzer Zeit durchgeführt werden. Benutzerfreundliche Oberflächen und vordefinierte, visuelle Workflows für spezifische Anwendungsfälle erleichtern den Zugang. Diese Tools können sowohl von Data Scientists als auch von Mitarbeitern aus Fach‐ abteilungen genutzt werden, für die ein vereinfachtes Nutzer-Interface eingerichtet werden kann. Für individuelle Anforderungen bieten diese Tools Schnittstellen zu R oder Python. 7.2 Praktische Umsetzung von Business Analytics 77 <?page no="78"?> • BI-Tools wie Power BI, Tableau, SAP Analytics Cloud oder Board haben ihren Schwerpunkt zwar in der retrospektiven Analyse, werden aber zu‐ nehmend um Business-Analytics-Funktionen erweitert. Das Spektrum der eingebundenen Algorithmen ist allerdings noch gering. Die Erwei‐ terung von Planungs- und Reporting-Tools um Analytics-Funktionali‐ täten bieten den Vorteil integrierter Lösungen, die ohne Schnittstelle auch von Planern und Berichtserstellern genutzt werden können. Statistikkenntnisse Mittels Drag-and-Drop können statistische Berechnungen veranlasst wer‐ den, ohne dass der Anwender die Formeln und Arbeitsweisen kennt. Pro‐ funde Statistikkenntnisse sind dennoch notwendig. Für die Problemstellung sind geeignete Algorithmen auszuwählen und die Berechnungsergebnisse sind vor dem Hintergrund der betrieblichen Fragestellung richtig zu in‐ terpretieren. Zur Bemessung der Qualität der Ergebnisse sind wiederum statistische Methoden notwendig. Schließlich ist bei veränderten Rahmen‐ bedingungen einzuschätzen, ob die Analysemethodik noch angemessen ist. Datennutzung in der Praxis Folgende beiden Beispiele zeigen, wie Unternehmen beim erstmaligen Einsatz von Business Analytics vorgegangen sind und wie sie dies bewerten. Beispiel: Produktmixplanung bei McDonald´s Deutschland (vgl. Horstenkamp und Göbel 2019, S.-10ff). Herausforderung: Verfügbarkeit der Produkte in den Filialen sicherstellen, zugleich über‐ schüssige verderbliche Waren begrenzen. Hierfür ist die tägliche Nach‐ frage je Produktart und Filiale vorherzusagen. Vorgehen: Die Bearbeitung erfolgte mit dem CRISP-DM-Prozess. Ausgangspunkt ist ein fundiertes Geschäftsverständnis. Ohne dieses lässt sich die Be‐ deutung von Daten nicht bewerten und Informationen können nicht interpretiert werden. Der mehrstufige Bearbeitungsprozess erfolgte iterativ, so dass gewonnene Erkenntnisse für eine Veränderung oder Optimierung früherer Phasen genutzt werden konnten. 78 7 Business Analytics <?page no="79"?> Vor der Auswahl relevanter Daten wurden Studien recherchiert, um Einflussfaktoren in der Systemgastronomie zu identifizieren. Diese wurden um interne Erfahrungen ergänzt. Für den Absatz relevante Informationen waren einerseits externe Daten (z. B. Wochentage, Feier‐ tage, saisonale Schwankungen, Ferien, große gesellschaftliche Events, Gehaltseingang) und andererseits interne Daten (z. B. saisonale Speise‐ karte, Standort, Preisnachlässe, Rabattaktionen, Werbung). Bereits aus diesen Daten konnten Muster erkennt werden, wie etwa Wochenprofile oder steigende Nachfrage beim Gehaltseingang zum Monatswechsel. Berechnung: Die vorliegenden Trainingsdaten wurden mit Hilfe verschiedener Ma‐ chine-Learning-Algorithmen ausgewertet, um Vorhersagen zu ermit‐ teln. Als Software wurde R Studio benutzt. Die Eignung eines Algorith‐ mus wurde anhand der Testdaten überprüft. Dabei wurde erkannt, dass Algorithmen nicht für alle Produktgruppen gleichermaßen geeignet sind. Die Qualität der Ergebnisse wurde durch Hypothesentests über‐ prüft und anschließend wurden iterativ Optimierungen vorgenommen. Neben der Genauigkeit der Vorhersage spielte für die Entscheidung, welcher Algorithmus genutzt werden soll, auch dessen Verständlich‐ keit, Bedien- und Anpassbarkeit durch die Controlling-Mitarbeiter eine wichtige Rolle. Der Algorithmus der neuronalen Netze wurde als komplex und wenig verständlich beurteilt und daher trotz guter Vorhersageergebnisse verworfen. Die Entscheidung fiel für die lineare Regression und die Zeitreihenanalyse aus. Ergebnisse: Bei einer reinen Fortschreibung von Vorjahreswerten sind Abweichun‐ gen bei der Vorhersage des Produktabsatzes von bis zu 35 % aufgetreten. Die berechneten Prognosen konnten die Abweichungen auf 6 % verrin‐ gern. Die Planung des Produktmixes wurde deutlich verbessert und Risiken wurden reduziert. Das Controlling wurde zusätzlich von manu‐ ellen Tätigkeiten wie der Datenaufbereitung und dem Hochrechnen entlastet. Dafür müssen nun die durch den Algorithmus berechneten Ergebnisse auf Plausibilität überprüft werden und es müssen zukunfts‐ gerichtete Daten ergänzt werden, wie etwa Ferientermine oder große Sportereignisse. 7.2 Praktische Umsetzung von Business Analytics 79 <?page no="80"?> Beispiel: Umsatzprognosen bei der Deutschen Post International (vgl. Deipenbrock, Landewee und Sälzer 2019, S.-45ff.) Herausforderung: Monatlich wird je Geschäftsfeld eine Umsatzprognose mit Zeithorizont bis Jahresende erstellt. Hierfür wurden Ist-Daten hochgerechnet, um ka‐ lendarische Informationen und um bereits bekannte Effekte korrigiert. Durch das Produktmanagement wurden diese Daten überprüft und bei Bedarf angepasst. Im Durchschnitt wurde der Umsatz in der Vergan‐ genheit um rund 4 % zu konservativ geschätzt. Dies lässt vermuten, dass in den Geschäftsfeldern Sicherheitspuffer eingebaut wurden. Im Vergleich zu anderen Geschäftsbereichen der Deutschen Post war diese Abweichung überdurchschnittlich, weshalb geprüft wurde, ob durch Predictive Analytics bessere Ergebnisse erzielt werden können. Vorgehen: Unter Anwendung des CRISP-DM-Prozesses wurden langjährige his‐ torische Umsatzdaten gesichtet und um bekannte Sondereffekte, wie etwa Streiks, korrigiert. Als historische externe Daten dienten die monatlichen Arbeitstage, Schulferien, internationale Briefwahlen und Wetterdaten. Berechnung: Die Anwendung verschiedener Algorithmen erfolgte mit der Program‐ miersprache Python. Daten aus 12 Jahren wurden je Teilgeschäftsfeld mit fünf Algorithmen analysiert, um Vorhersagen zu treffen. Es wurden zwei Formen von Regressionsmodellen und drei Formen von Entschei‐ dungsbäumen genutzt. Die letzten 1,5 Jahre dienten als Testdaten, um die mit den Trainingsdaten „trainierten“ Algorithmen auf ihre Vorher‐ sagequalität hin zu prüfen. Ergebnisse: Die automatisiert berechneten Vorhersagen waren in sechs von sieben Geschäftsfeldern genauer als die manuelle Prognose. Teils wurde die Abweichung fast halbiert, teils ergaben sich geringe Verbesserungen und in einem Geschäftsfeld war die manuelle Vorhersage deutlich überlegen. Der Grund liegt an relevanten Informationen, über die das Produktmanagement verfügt, die in den historischen Daten aber nicht enthalten sind. Es gab zudem nicht einen Algorithmus, der in allen 80 7 Business Analytics <?page no="81"?> Geschäftsfeldern zu den besten Ergebnissen führte, sondern es wurden Unterschiede zwischen den Geschäftsfeldern deutlich. Es muss daher für jedes Geschäftsfeld der passende Algorithmus angewendet werden. Im Zeitverlauf hatten sich die Prognosen nochmals verbessert, da das Modell mit weiteren Daten angereichert wurde. Das Controlling verwendet die berechneten Vorhersagen nicht direkt als monatliche Umsatzprognose, sondern diese werden den Produktma‐ nagern als Entscheidungshilfe zur Verfügung gestellt. Damit wird dem Umstand Rechnung getragen, dass immer wieder Sondereffekte auftre‐ ten, die in den historischen Daten nicht enthalten sind. Dies können beispielsweise Entscheidungen von Großkunden oder Marketingmaß‐ nahmen sein. Stark subjektive und zu konservative Schätzungen werden verhindert und für den Austausch mit den Fachbereichen steht den Controllern eine fundierte Prognose zur Verfügung. 7.3 Machine Learning Machine Learning Algorithmen sind statistische Methoden, um aus histo‐ rischen Daten Erkenntnisse zu gewinnen. Diese kann man nutzen, um zukünftige Entwicklungen abzuschätzen (z. B. Regression), um Objekte zu differenzieren (z. B. Entscheidungsbaumverfahren) oder um ähnliche Objekte zu gruppieren (z. B. Clusteranalyse). Es wird ein Überblick über die wichtigsten Methoden gegeben, die im Controlling verwendet werden (vgl. Provost und Fawcett, 2017; Ng und Soo, 2018). Klassifikationsanalysen Eine Grundgesamtheit wird mit Hilfe eines geeigneten Algorithmus, etwa des Entscheidungsbaumverfahrens, anhand ihrer Merkmale passenden Kategorien zugeordnet. Die Kategorien sind vorgegeben, aber es ist nicht bekannt, wie und anhand welcher Kriterien man die Gesamtheit bestmöglich auf die Kategorien verteilt. Dies schafft der Algorithmus. Anhand der vorliegenden Trainingsdaten kombiniert er die verschiedenen Merkmalsau‐ sprägungen so lange, bis das bestmögliche Ergebnis erzielt wird. Dabei wird jeweils eine Gesamtheit anhand eines Merkmals in zwei Gruppen aufgeteilt. Ziel ist, dass am Ende reine Gruppen entstehen. 7.3 Machine Learning 81 <?page no="82"?> Abb. 7.6: Klassifikationsanalyse (Quelle: eigene Abbildung, angelehnt an Ng und Soo 2018, S.-112) Beispielsweise können damit Kunden in verschiedene Gruppen unterteilt werden, bei denen unterschiedliche Marketingmaßnahmen durchgeführt werden. Es können Kunden danach unterschieden werden, welche Werbe‐ maßnahme sie bekommen oder ob ihnen ein Vorzugsangebot gemacht werden soll. Der Machine-Learning-Algorithmus entdeckt die Kriterien, anhand derer die Kunden bestmöglich auf die verschiedenen Kategorien verteilt werden. Kunden erhalten somit eine auf sie zugeschnittene Werbe‐ maßnahme. Als weitere Beispiele können Kunden unterschiedlich lange Zahlungsziele gewährt werden oder Bewerber werden nach ihrer Eignung selektiert. Assoziationsanalyse Die Assoziationsanalyse deckt Verbindungen zwischen Objekten innerhalb eines Datenbestands auf. Ein typisches Beispiel ist die Warenkorbanalyse. Ergibt sich aus den Daten, dass bestimmte Produkte häufig gemeinsam gekauft werden, liegt eine Assoziation vor. Das Ausmaß der Assoziation kann mittels verschiedener Maße quantifiziert werden. Wenn ein Kunde ein Produkt gekauft hat, können ihm weitere Kaufempfehlungen für assoziierte Produkte unterbreitet werden. Auch für die Anordnung von Produkten im Supermarkt oder im Onlineshop kann die Assoziationsstärke genutzt 82 7 Business Analytics <?page no="83"?> werden. Weitere Anwendungsfelder sind die Preis- und Produktpolitik sowie die Beschaffungs- und die Produktionsplanung. Abbildung 7.7 zeigt beispielhaft die Produkte eines Warenkorbs und die Stärke der Assoziation. Abb. 7.7: Assoziationsanalyse (Quelle: eigene Abbildung) Clustering Beim Clustering werden ähnliche Objekte in mehrere homogene Gruppen zusammengefasst. Welche Gruppen dies sind und durch welche Merkmale sie sich unterscheiden, ist im Gegensatz zur Klassifikation vorab nicht be‐ kannt, sondern Teil des Ergebnisses. Es sollen in den Daten neue homogene Gruppen identifiziert werden. Bei der Klassifikation wurden hingegen die Objekte vorgegebenen Klassen zugeordnet. Durch die Berücksichtigung unterschiedlicher Merkmale und durch Variation der Anzahl an Gruppen wird nach einer Aufteilung gesucht, die dem Ziel homogener Gruppen bestmöglich gerecht wird. Welche Bedeutung und welchen Nutzen die einzelnen Gruppen haben, ergibt nicht das Clustering, sondern eine weitere, anschließende Analyse. Ein häufig benutzter Algorithmus ist das k-Means-Clustering, wobei k für die Anzahl der Cluster steht. In einem guten Cluster liegen die einzelnen Datenpunkte möglichst dicht beieinander und somit möglichst nah um das Clusterzentrum. Theoretisch könnten durch eine sehr große Anzahl an Clustern jeweils homogene Cluster separiert werden. Im Extremfall würde jedes Objekt ein eigenes Cluster bilden, was aber dem Ziel der Analyse widerspricht. Die Entdeckung größerer homogener Gruppen war schließlich der Zweck der Untersuchung, um diese jeweils gleichartig zu behandeln. Die Auswahl eines hilfreichen Analyseergebnisses stellt daher zumeist einen Kompromiss zwischen der Anzahl der Cluster und der Homogenität dar. 7.3 Machine Learning 83 <?page no="84"?> Beispielsweise können durch das Clusteringverfahren Kunden danach differenziert werden, ob sie treu bleiben oder ob sie abwandern und ob sie pünktlich bezahlen oder säumig werden. Hat man ein Cluster treuer Kunden, sollten weitere Analysen die Merkmale dieser Kunden aufdecken (z. B. Alter, Geschlecht, Einkommen). Produktionsanlagen können nach ihrer Ausfallwahrscheinlichkeit segmentiert werden und Lieferanten können nach ihrer Bedeutung geclustert werden. Beispiel In Abbildung 7.8 stellen die Kreise Kunden dar, die nach ihrer Attrakti‐ vität, gemessen am Umsatz und Gewinn, geclustert wurden. Für jedes Cluster können unterschiedliche Kundenbindungsmaßnahmen durchge‐ führt werden. Für das Cluster mittelgroßer Kunden, bei denen Verluste realisiert werden, sollten keine Maßnahmen durchgeführt werden. Gewinn Umsatz Abb. 7.8: Clusteranalyse nach der Kundenattraktivität (Quelle: eigene Abbildung, erstellt mit Tableau) Im Cluster mit unattraktiven Kunden sollten weitere Analysen durch‐ geführt werden, um typische Merkmale dieser Kunden zu identifizieren. 84 7 Business Analytics <?page no="85"?> Damit könnten Maßnahmen angepasst oder zukünftige Geschäftsbezie‐ hungen mit diesen Kunden ausgeschlossen werden. Forecasts Forecasts wurden bereits im vierten Kapitel bei den Planungs- und Steue‐ rungssystemen behandelt. Typische Methoden sind hierbei die Regressions- oder Zeitreihenanalyse. Bei der Zeitreihenanalyse wird die zeitliche Ent‐ wicklung einer abhängigen Variablen betrachtet. Dies findet sich zum Beispiel in einem Aktienchart, bei dem die Zeit der Prädiktor und der Aktienkurs die Zielvariable ist. Visuell lassen sich Forecasts durch eine Trendlinie darstellen. Praktisch relevant ist dies etwa für die Absatzpro‐ gnose bei saisonalen Schwankungen. Die Regressionsanalyse nutzt einen in der Vergangenheit beobachteten funktionalen Zusammenhang zwischen einer verursachenden, unabhängigen Variablen, dem Prädiktor, und einer resultierenden bzw. abhängigen Größe, der Zielvariablen. Kennt man diese Funktion, lassen sich zukünftige Entwick‐ lungen prognostizieren. Wurde beispielsweise anhand historischer Daten erkannt, dass eine Erhöhung der Werbeausgaben um 10 % den Umsatz um 1 % gesteigert hat, kann das Wissen um diesen Zusammenhang auch für Progno‐ sen und zukünftige Entscheidungen genutzt werden. Absatzmengen können auch in Abhängigkeit von Wettbewerbspreisen oder von der Konjunktur prognostiziert werden. Die Absatz- und Umsatzprognosen können wiederum genutzt werden für die Beschaffungsplanung, für die Personaleinsatzplanung, die Preispolitik, die Marketingplanung oder die Finanzplanung. Beispiele für die lineare Regression finden sich in Abbildung 7.9: Abb. 7.9: Beispiele einer linearen Regression (Quelle: eigene Abbildung) 7.3 Machine Learning 85 <?page no="86"?> In beiden Fällen liegen identische Regressionsgeraden vor. Diese ermitteln sich aus einem möglichst geringen Abstand zu den einzelnen Datenpunkten - dies entspricht der Methode der kleinsten Quadrate. Dennoch unterschei‐ den sich die Einzelereignisse, aus denen sich die Regressionsgeraden bilden, deutlich. Bei einem hohen linearen Zusammenhang zwischen unabhängigen und abhängigen Variablen können Vorhersagen recht genau getroffen werden. Die einzelnen Datenpunkte liegen im linken Diagramm eng um die Gerade. Auswirkungen einer Veränderung von X auf die abhängige Variable Y lassen sich recht präzise vorhersagen. Ist X beispielsweise die Anzahl der Vertriebsmitarbeiter und Y die Absatzmenge, können die Auswirkungen einer Erhöhung oder Verringerung der Anzahl an Vertriebsmitarbeitern auf die Absatzmenge zuverlässig prognostiziert werden. Im rechten Diagramm liegen die Einzelereignisse breit gestreut um die Regressionsgerade. Zwar wirkt sich im Durchschnitt eine Veränderung von X auf Y gleich aus wie im linken Diagramm, doch können im Einzelfall starke Abweichungen entstehen. Ein Forecast fällt hier deutlich unzuverlässiger aus. Neben den zahlreichen Einsatzzwecken von Business Analytics sollten auch deren Grenzen und Herausforderungen bekannt sein (vgl. Provost und Fawcett 2017, S.-257ff.). • Daten liegen nicht einfach vor, sondern sind aufwändig zu beschaffen und aufzubereiten, damit sie nutzbar sind. • Der Datenbedarf für Predictive Analytics geht in der Regel weit über den Datenumfang einer operativen Planung hinaus. • Daten werden für bestimmte Zwecke aufbereitet und können nicht ohne weiteres für andere Zwecke genutzt werden. • In Daten muss laufend investiert werden, insbesondere für die Beschaf‐ fung externer Daten. • Predictive Analytics schreibt die Vergangenheit fort. Bei stabilen Mus‐ tern kann das hilfreich sein, in dynamischen Zeiten aber nicht. • Daten sind erst dann nützlich, wenn die dahinterliegende Busi‐ ness-Frage verstanden wurde. • Auf eine Korrelation folgt nicht automatisch eine Kausalität. • Modelle dürfen nicht mit vollständigen historischen Daten aufgebaut werden (Overfitting). • Analytics-Ergebnisse sind für viele Manager nicht nachvollziehbar und werden daher nur eingeschränkt genutzt. 86 7 Business Analytics <?page no="87"?> Integration in das Controlling Business Analytics erfordert Kompetenzen, über die viele Controller nur unzureichend verfügen: statistische Methodenkenntnisse, IT- und Da‐ ten-Know-how sowie teilweise auch Programmiersprachen. Hierin liegen die Stärken der Data Scientists. Controller bilden die Schnittstelle zwi‐ schen den geschäftsrelevanten Fragestellungen und den Data Scientists. Die aus den Daten gewonnenen Erkenntnisse müssen auf ihre unternehmeri‐ sche und betriebswirtschaftliche Relevanz bewertet und dem Management verständlich gemacht werden. Controller sollte daher die Methoden und Arbeitsweisen der Data Scientists kennen und als Business Partner das Bindeglied zum Management bilden. Durch eine zunehmend stärker datenanalytisch fundierte Ausbildung des Controlling-Nachwuchses, aber auch durch zahlreiche Weiterbildungsange‐ bote, befähigen sich diese zunehmend für Business Analytics. Bedeutsam ist dabei die Weiterentwicklung der Analytics-Softwaretools. Diese erlauben durch Drag-and-Drop-Funktionen auch ohne Programmierkenntnisse um‐ fangreiche Analysen durchzuführen. Für komplexe Anforderungen werden jedoch Data Scientists benötigt. Anforderungen an Controller • Controller sollen über eine datenanalytische Denkweise verfügen, die fundamentalen Konzepte der Data Science kennen, ohne selbst Data Scientist zu sein. • Der betriebliche Nutzen von Business Analytics muss bewertet werden können und der erforderliche Ressourcenbedarf muss bekannt sein. • Gegenüber Predictive Analytics bestehen im Management häufig fal‐ sche oder unrealistische Erwartungen. Controller sollten für Klarheit sorgen. • Das Data-Science-Team ist bei betriebswirtschaftlichen Themen durch das Controlling zu steuern und die Kommunikation hin zum Manage‐ ment ist sicherzustellen. • Investitionen in Data-Science-Projekte müssen beurteilt werden, insbe‐ sondere im Hinblick auf die betriebswirtschaftliche Relevanz. 7.3 Machine Learning 87 <?page no="88"?> Literaturempfehlung Mehanna, W./ Tatzel, J./ Vogel, P. (2018): Business Analytics im Controlling. Fünf Anwendungsfelder, Controlling, Spezialausgabe, S.-39-45. Ng, A./ Soo, K. (2018): Data Science - was ist das eigentlich? Algorithmen des maschinellen Lernens verständlich erklärt, Berlin. Provost, F./ Fawcett, T. (2017): Data Science für Unternehmen - Data Mining und datenanalytisches Denken praktisch anwenden, Frechen. Sailer, U. (2022): Digitalisierung des Controllings durch Business Analytics, in: Det‐ scher, S. (Hrsg.): Digitales Management und Marketing. So nutzen Unternehmen die Marktchancen der Digitalisierung, Wiesbaden, S.-567-592. Seiter, M. (2023): Business Analytics. Wie Sie Daten für die Steuerung von Unter‐ nehmen nutzen, 3. Auflage, München. Schlatter, D./ Stoll, C./ Möller, K. (2020): Predictive Analytics erfolgreich implemen‐ tieren, Controlling, 1, S.-58-64. 88 7 Business Analytics <?page no="89"?> 8 Rollenbilder und Kompetenzen 8.1 Rollenbilder im digitalisierten Controlling Der digitale Wandel der Unternehmen, neue Steuerungskonzepte, Metho‐ den, Systeme und Tools verändern die Rolle der Controller. Diese unterstützen die digitale Transformation der Geschäftsmodelle und der Wertschöpfung, sie steuern zunehmend proaktiv mit Hilfe von Predictive Analytics, sie nutzen KI, automatisieren Prozesse mittels RPA, erstellen Self-Service-Dashboards und beraten das Management. Die Tätigkeit der Controller wird heterogener, so dass verschiedene Rollenbilder und neue Fähigkeiten entwickelt werden müssen. Das Rollenbild eines Controllers beschreibt seine wichtigsten Aufgaben, Funktionen und die notwendigen Fähigkeiten. Rollenbilder sind damit ein wichtiger Bestandteil der Organisation des Controllings. Sie geben den Controllern und Beteiligten eine wichtige Orientierung und stellen die Grundlage für die Personaleinstellung und -entwicklung dar. Entwicklung des Controllings Noch vor wenigen Jahren gab es kritische Stimmen zur zukünftigen Be‐ deutung von Controllern. Teils wurden Ängste geäußert, dass die Auto‐ matisierung Controller überflüssig mache. Aufgaben werden in Shared Service Centern zentralisiert, Prozesse werden durch RPAs automatisiert, Data Scientists und Algorithmen generieren Informationen und Self-Ser‐ vice-Reporting macht die regelmäßige Berichtserstellung überflüssig. Es entsteht Verunsicherung, wenn die digitalen Methoden und Werkzeuge nicht beherrscht werden. Zunehmend wurde erkannt, dass die komplexer werdende Steuerung und anspruchsvolle Werkzeuge in einem großen Umfang sehr gut ausge‐ bildete Controller benötigen. Auch der demographische Wandel führt zu einem größeren Bedarf an Nachwuchskräften im Controlling, die jedoch knapp sind. Die Automatisierung repetitiver Tätigkeiten kann dabei helfen, knappe Controlling-Ressourcen für wertvolle Aufgaben der Analyse und Beratung zu sichern. Das Controlling kann durch die Vielzahl verfügbarer <?page no="90"?> Informationen und durch neue technische Lösungen seine Wirksamkeit, die Effektivität, weiter steigern. Auch die Anforderungen des Managements steigen. Es werden präzise Forecasts erwartet, Simulationen mit Echtdaten sollen ad hoc erfolgen und digitale Zwillinge von Prozessen sollen die Unternehmenssteuerung verbes‐ sern. Der Systemaufbau und deren laufende Weiterentwicklung erfordern zusätzliche Kapazitäten. Self-Service ist zudem keine reine Verlagerung der Aufgaben vom Controlling hin zum Management. Die Erstellung der Tools, die Aktualisierung, die Beratung und der Austausch mit dem Management wie auch die Sicherstellung korrekter Daten führen zu zusätzlichen Aufga‐ ben. Neben dem steigenden Informationsbedarf im Management und den steigenden Serviceerwartungen nimmt der Umfang IT-naher Aufgaben zu, das Business Partnering wird bedeutsamer, hinzu kommen Aufgaben des Change-Managements und die Anwendung neuer Tools. Die Aufgaben und die Rolle der Controller verändern sich und die hierfür notwendigen Kompetenzen werden umfangreicher und anspruchsvoller. (vgl. Losbichler und Ablinger 2018, S.-49ff.) Business Partner und Experte Bereits seit Jahren streben zahlreiche Controlling-Bereiche eine Weiterent‐ wicklung hin zum Business Partnering an. Nicht wenige Unternehmen haben seither die Controller in zwei Rollen aufgeteilt. Dies ist einmal der Experte, der operative Aufgaben wie die Kostenrechnung, die Kalkulation sowie Planung und Reporting verantwortet. Die Tätigkeit ist stark zahlen‐ lastig und verlangt eine hohe Detailgenauigkeit. Auf der anderen Seite steht der Business Partner, der im engen Austausch mit dem Management beratend tätig ist, Ideen entwickelt und das Steuerungssystem optimiert. Diese Tätigkeit ist proaktiver, kommunikativer und unternehmerischer als die des Experten. Diversifizierung der Controller-Rollen Stark digitalisierte Unternehmen haben die Controller-Rollen bereits weiter ausdifferenziert. Insbesondere bei größeren Unternehmen ist der Business Partner nur ein Rollenbild neben anderen (vgl. Schäffer und Weber 2021, S. 56). Tabelle 8.1 zeigt die seit 2021 bei Bosch umgesetzten Controller-Rol‐ len. 90 8 Rollenbilder und Kompetenzen <?page no="91"?> Beispiel: Controller-Rollen bei Bosch Business Partner • Beratung des Managements • Schnittstelle zu operativen Einheiten Business Analyst • beschafft und analysiert Daten • erstellt zielgruppenspezifische Reports/ Dashboards Subject Matter Expert • Fachexperten für bestimmte Themen (z.-B. Transfer‐ preise, M&A), die Fachbereiche temporär unterstützen Governor • Entwicklung und Überwachung konzernweit geltender Regelungen und Standardprozesse Data Scientist • spezialisierte IT-und Statistik-Experten, die mittels neu‐ artiger Methoden und Technologien Forecasts und Sze‐ narien erstellen Tabelle 8.1: Controller-Rollen bei Bosch (Quelle: Möbus, Kirschmann und Florian 2022, S.-51f.) Bezogen auf betriebswirtschaftliche Kompetenzen sowie auf Kompetenzen in der IT und Statistik lassen sich diese Rollen folgendermaßen zuordnen: Abb. 8.1: Zuordnung der Controller-Rollen nach betriebswirtschaftlicher und IT-/ Statisti‐ kexpertise (Quelle: eigene Darstellung, angelehnt an Georgopoulus und Georg 2021, S.-72) 8.1 Rollenbilder im digitalisierten Controlling 91 <?page no="92"?> BASF hat bereits 2015 Zielvorstellungen entwickelt, wie das Controlling die Chancen der Digitalisierung zukünftig nutzen soll. Für die Jahre 2020 und 2025 wurden dabei folgende Meilensteine beschrieben: Stand 2015 Meilenstein 2020 Meilenstein 2025 Umsetzung der „Repor‐ ting & Analytics Strate‐ gie“ und „Future Consoli‐ dation“ eingeleitet Marktorientierte Ge‐ schäftssteuerung und Zielsetzung ermöglicht Operative Planung und Strategien der strategi‐ schen Geschäftseinheiten aufeinander abgestimmt Business Partnering im Controlling etabliert Controlling Services auf‐ gebaut Umfassende Personalent‐ wicklung in der Control‐ ling Community etabliert „Big Data“-Nutzung und Change-Manage‐ ment eingeführt Benutzer sind begeistert von der integrierten funktionsübergreifenden Berichterstattung und Geschäftsanalyse operative Sicht und Marktsicht sind abge‐ stimmt Zielsetzung wird durch treiberbasierte Szena‐ rio-planung unterstützt Controller arbeiten mit klar definierten Rollen in Business, Governance und Services zusammen Effektive funktionsüber‐ greifende Personalent‐ wicklung implementiert Die Nutzung von „Big Data“-Konzepten, Infor‐ mationen und Technolo‐ gien ist im Controlling Standard, und auch dar‐ über hinaus Treiberbasierte Planung und Forecasting auf Basis von Predictive Analytics Controlling Community treibt permanente Pro‐ zess- und Geschäftsmo‐ dellinnovation voran, um den Wertbeitrag für die BASF-Gruppe zu maxi‐ mieren Alle Karrieremuster in den verschiedenen Con‐ trolling-Rollen werden hoch geschätzt Tabelle 8.2: Zielbild des Controllings der BASF (Quelle: Seufert und Kruk 2017, S.-156, eigene Übersetzung) Im Meilenstein 2025 sollen vier Controller-Rollen mit folgenden Ausprägun‐ gen umgesetzt sein: Beispiel: Controller-Rollen bei BASF Business Partner • agiert unternehmerisch • Beratung in sämtlichen Finance-Themen • Wandel unterstützen und vorantreiben Service Expert • Prozesse effektiv und effizient durchführen • laufende Verbesserung der Workflows • Durchführung von Controlling-Schulungen und Unterstützung 92 8 Rollenbilder und Kompetenzen <?page no="93"?> Guardian • Risikomanagement • Beratung zu Governance-Themen • Durchführung interner Prozesskontrollen Pathfinder • Trends und Technologien auskundschaften • Koordination zwischen Business und Data Scientists • Steuerung der Controlling-Transformation Tabelle 8.3: Controller-Rollen bei BASF (Quelle: Seufert und Kruk 2017, S.-156ff.) Bei der Entwicklung und Umsetzung neuer Controller-Rollen sind folgende Schritte zu beachten: Vorgehen zur Entwicklung neuer Controller-Rollen • Zusammenstellung eines heterogenen Projektteams aus verschiedenen Geschäftsbereichen, Funktionen und Hierarchieebenen • interne und externe Quellen recherchieren • Stakeholderanalyse zur Identifikation der zukünftigen Erwartungen an Controller • Entwicklung von Rollenbildern • mehrstufige iterative Präzisierung mit Stakeholdern • Rollenbeschreibungen, Definition der wichtigsten Aufgaben und Ablei‐ tung eines Kompetenzprofils, Definition von Mindestausprägungen • organisatorische Einbindung und Schnittstellen klären • rollenspezifische Trainingspläne entwickeln • Implementierungs- und Kommunikationskonzept entwerfen • geeignete Mitarbeiter identifizieren, Besetzung und Weiterentwicklung Die Besetzung der neuen Rollen beschreibt Bosch folgendermaßen: „Die Zuordnung der neuen Rollen für die weltweit 4.000 Controller erfolgte im Rahmen der jährlichen Mitarbeitergespräche zum Jahreswechsel 2020/ 2021. Dabei wurden im persönlichen Gespräch die veränderten Anfor‐ derungen diskutiert und das relevante rollenspezifische Trainings-Curricu‐ lum im global verfügbaren HR-System entsprechend zugewiesen. Dadurch wird sichergestellt, dass gemeinsam identifizierte Steigerungspotenziale zur Erlangung des definierten Ziel-Kompetenzprofils strukturiert und zeitnah geschlossen werden.“ (Grandi und Möbus 2021, S.-7) Neue und weiterentwickelte Rollenbilder gehen mit neuen und veränder‐ ten Kompetenzen einher. Diese sind Inhalt des folgenden Abschnitts. 8.1 Rollenbilder im digitalisierten Controlling 93 <?page no="94"?> Literaturempfehlung Georgopoulos, A./ Georg, S. (2021): Anforderungen an das Controlling: Auswirkun‐ gen von Big Data und Digitalisierung auf das zukünftige Kompetenzprofil des Controllers, Wiesbaden. Grandi, S./ Möbus, M. (2021): Controller of the Future: People make the Difference, Controller Magazin, 6, S.-4-7. Möbus, M./ Kirschmann, D./ Florian, S. (2022): Neue Controller-Profile für die digitale Zukunft, Controlling & Management Review, 2, S.-50-54. Schäffer, U./ Weber, J. (2021): Die Digitalisierung steht weiter im Mittelpunkt. Die Veränderung des Controllings im Spiegel der vierten WHU-Zukunftsstudie, Controlling, 1, S.-50-57. Seufert, A./ Kruk, K. (2017): Digitale Transformation und Controlling: Herausfor‐ derungen und Implikationen dargestellt am Beispiel der BASF, in: Gleich, R./ Grönke, K./ Kirchmann, M./ Leyk, J. (Hrsg.): Konzerncontrolling 2020: zu‐ künftige Herausforderungen der Konzernsteuerung meistern, Freiburg/ Mün‐ chen/ Stuttgart, S.-141-163. 8.2 Digitale Controller-Kompetenzen Durch die Einführung von Enterprise-Resource-Planning-Systemen (ERP), etwa ab dem Jahr 2000, wurden Controller von zahlreichen Auf‐ gaben entlastet. Dadurch wurde zunehmend propagiert, dass Controller vermehrt die Rolle von Business Partnern einnehmen sollen. Sie sollten bessere Geschäftskenntnisse haben und ihre Kommunikationsfähigkeiten ausbauen. Dies sind für das Business Partnering bedeutsame Kompetenzen. Die Entwicklung dieser neuen Kompetenzen verlief größtenteils deutlich langsamer als ursprünglich erhofft. Damit werden auch die Rollenbilder nicht so ausgefüllt, wie dies erwartet wurde. „Die zentrale Erfahrung der vergangenen Jahrzehnte lässt sich entsprechend wie folgt zusammenfassen: Ja, das durchschnittliche Kompetenzprofil des Controllers hat sich verän‐ dert, aber die Entwicklung des kollektiven Sets an Wissen und Fähigkeiten geht nur langsam voran“ (Schäffer und Brückner 2019, S. 15). Dieses Miss‐ verhältnis betrifft insbesondere die Kompetenzen über nichtfinanzielle Kennzahlen, das Geschäftsverständnis, strategisches Know-how und Verän‐ derungsmanagement. Auch bei den neuen notwendigen Kenntnissen aus der Digitalisierung zeigt sich, dass diese noch unzureichend ausgeprägt sind. 94 8 Rollenbilder und Kompetenzen <?page no="95"?> Dies gilt etwa bei der Analyse von Big Data, bei der Anwendung statistischer Methoden oder beim digitalen Mindset (vgl. Schäffer und Brückner 2019, S.-15). Zu den notwendigen Kompetenzen in einem digitalisierten Control‐ ling bestehen mittlerweile viele Beiträge in der praxisnahen Controlling-Li‐ teratur. Diese sind zumeist empirisch hergeleitet. Dabei muss das grundsätz‐ liche Kompetenzprofil von Controllern nicht neu erfunden werden, da die Kernaufgaben der Rationalitätssicherung, der Informationsversorgung und der Koordination auch in einem digitalen Umfeld gelten. Der Ansatz eines Kompetenzprofils für digitale Controller, der hier vorgestellt wird, stammt von Egle und Keimer (vgl. Egle und Keimer 2018, S.-49ff.). Abb. 8.2: Kompetenzprofil des digitalen Controllers (Quelle: in Anlehnung an Egle und Keimer 2018, S.-51) Es zeigt sich, dass im Vergleich zu den traditionellen Controller-Kompe‐ tenzen insbesondere das innovationsfreudige digitale Mindset, die Fähig‐ keit, große Datenmengen zu analysieren und die Anwendung statistischer Kenntnisse an Bedeutung gewinnt. Die neuen digitalen Anforderungen müssen durch das Controlling in die bestehenden Führungskonzepte inte‐ griert werden. Dies erfordert Lern- und Veränderungsbereitschaft. Beispiel‐ 8.2 Digitale Controller-Kompetenzen 95 <?page no="96"?> haft verändern sich die Kompetenzfelder durch folgende Anforderungen (vgl. Egle und Keimer 2018, S.-52f.): • Controlling-Fachwissen Integration nichtfinanzieller Wertreiber in die Steuerung, Automatisie‐ rung von Controlling-Prozessen durch RPA, Erweiterung der Steuerung durch automatisierte Forecasts, Entwicklung eines Self-Service-Repor‐ tings, Einführung einer Campus-Planung, Umgang mit Kosten- und Erlösmodellen digitaler Services und Anpassung des Steuerungskon‐ zepts, Entwicklung von „Online-Kennzahlen“, Weiterentwicklung der Controlling-Organisation • Business-Wissen Kenntnis digitaler Geschäftsmodelle und digitalisierter Wertschöp‐ fungsketten, Plattform-Business, Veränderungsmanagement, agile Ma‐ nagementmethoden, Identifikation von finanziellen und nicht-finanzi‐ ellen Werttreibern • IT-Wissen Grundkenntnis der IT-Architektur, Gewinnung und Aufbereitung von Big Data, integrierte Controlling-Tools, Dashboard-Tools, IT-Gover‐ nance, Entwicklung und Potenziale neuer digitaler Technologien, Steue‐ rung der IT-Ressourcen, Einsatz von RPA • Leistungskultur Kommunikation auf Augenhöhe mit dem Management, Teamfähigkeit, Storytelling, Überzeugungs- und Durchsetzungsfähigkeit, Umgang mit Unsicherheit und Komplexität, ganzheitliche und systemische Denk‐ weise • Data-Science-Fachwissen Business Analytics, CRISP-DM, Machine Learning Algorithmen, Um‐ gang mit Citizen-Data-Science-Tools, Entwicklung, Berechnung und Interpretation statistischer Modelle, zielgruppenorientierte Visualisie‐ rungen, Aufbau von Dashboard-Lösungen Diese Kompetenzen einer digitalisierten Unternehmenssteuerung sind un‐ ternehmensindividuell abzustimmen und vom Controlling insgesamt abzu‐ decken, nicht von jedem Controller. Ausschlaggebend für die Zuordnung von Kompetenzen auf einen Controller ist dessen Rollenbild. Die Kompe‐ tenzen sind sowohl in der Weiterbildung als auch in der Personalbeschaffung zu beachten. 96 8 Rollenbilder und Kompetenzen <?page no="97"?> Literaturempfehlung Egle, U. / Keimer, I. (2018): Kompetenzprofil „Digitaler Controller“, Controller Ma‐ gazin, 5, S.-49-53. Georgopoulos, A./ Georg, S. (2021): Anforderungen an das Controlling: Auswirkun‐ gen von Big Data und Digitalisierung auf das zukünftige Kompetenzprofil des Controllers, Wiesbaden. Schäffer, U./ Brückner, L. (2019): Rollenspezifische Kompetenzprofile für das Con‐ trolling der Zukunft, Controlling & Management Review, 7, S.-14-30. Schöning, S./ Mendel, V. 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