Meinungsfreiheit im Sport
Verbote und Grenzen für Athlet:innen bei Olympischen Spielen
1016
2023
978-3-3811-0372-0
978-3-3811-0371-3
UVK Verlag
Christof Seeger
Michael Veddern
Linda Reszczynski
10.24053/9783381103720
Das Buch befasst sich mit der Frage, ob Athlet:innen politische Meinungen äußern dürfen. Angesichts der zunehmenden Bedeutung der Menschenrechte wird der Sport, vor allem im Rahmen von Sportgroßveranstaltungen, immer mehr in kontroverse Diskussionen über seine Verantwortung für gesellschaftlichen Wandel verwickelt. Im Zentrum der Debatte steht die Regel 50.2 der Olympischen Charta, die lange jegliche Meinungsäußerungen während Olympischer Spiele im Grundsatz verbot. Trotz der - u.a. auf Druck von Athlet:innen - zuletzt erfolgten Teil-Liberalisierung, bleiben weiter wichtige Fragen offen.
Die Autor:innen untersuchen verschiedene Standpunkte zu diesem Thema und unterstreichen ihre Erkenntnisse durch empirische Analysen von Social-Media-Kommentaren sowie durch Aussagen von Wintersportkonsument:innen. Die Ergebnisse zeigen, dass respektvolle Meinungsäußerungen von Athletinnen an wichtigen Orten durchaus positiv bewertet werden können und einen wertvollen Beitrag zur Vermittlung olympischer Werte leisten können.
<?page no="0"?> ISBN 978-3-381-1037 1-3 war Geschäftsführer eines mittelständischen Zeitungsverlages, bevor er 2005 als Professor an die Hochschule der Medien in Stuttgart wechselte. Er lehrt unter anderem zu Themen der Personalführung und des Managements. 2021 begründete er die Vertiefungsrichtung Sportkommunikation im Master Crossmedia Publis- Das Buch befasst sich mit der Frage, ob Athlet: innen bei Sportgroßveranstaltungen politische Meinungen äußern dürfen. Angesichts der zunehmenden Bedeutung der Menschenrechte wird der Sport immer mehr in kontroverse Diskussionen über seine Verantwortung für gesellschaftlichen Wandel verwickelt. Im Zentrum der Debatte steht die Regel 50.2 der Olympischen Charta, die lange jegliche Meinungsäußerungen während Olympischer Spiele im Grundsatz verbot. Trotz der - u.a. auf Druck von Athlet: innen - zuletzt erfolgten Teil-Liberalisierung, bleiben weiterhin wichtige Fragen o en. Das Buch beinhaltet - neben den rechtlichen Rahmenbedingungen - verschiedene Standpunkte zu diesem Thema und unterstreichen ihre Erkenntnisse durch empirische Analysen von Social-Media-Kommentaren sowie durch Aussagen von Wintersportkonsument: innen. Die Ergebnisse zeigen, dass respektvolle Meinungsäußerungen von Athletinnen an wichtigen Orten durchaus positiv bewertet werden und einen wertvollen Beitrag zur Vermittlung olympischer Werte leisten können. Seeger / Veddern / Reszczynski Meinungsfreiheit im Sport Christof Seeger / Michael Veddern / Linda Reszczynski Meinungsfreiheit im Sport Verbote und Grenzen für Athlet: innen bei Olympischen Spielen <?page no="1"?> Meinungsfreiheit im Sport <?page no="2"?> Prof. Christof Seeger war Geschäftsführer eines mittelständischen Zei‐ tungsverlages, bevor er 2005 als Professor an die Hochschule der Medien in Stuttgart wechselte. Er lehrt unter anderem zu Themen der Personalfüh‐ rung und des Managements. 2021 begründete er die Vertiefungsrichtung Sportkommunikation im Master Crossmedia Publishing & Management an der HdM. Prof. Dr. Michael Veddern ist Professor für Medien- und Verlagsrecht an der Hochschule der Medien (HdM) in Stuttgart. Zuvor hat er als Rechts‐ anwalt in Hamburg sowie als wissenschaftlicher Mitarbeit am Institut für Informations-, Telekommunikations- und Medienrecht der Universität Münster gearbeitet. Linda Reszczynski ist Absolventin des Master-Studiengangs Crossmedia Publishing & Management an der Hochschule der Medien Stuttgart mit Vertiefung Sportkommunikation. Sie ist Assistentin der Geschäftsführung mit Schwerpunkt Marketing und Kommunikation in einem Sportverein. Die Reihe Sport & Kommunikation greift die Tatsache auf, dass Kommunikationsthemen im Sport immer wich‐ tiger werden. In Breitensportvereinen und Verbänden, aber auch in professionellen Sportorganisationen werden Kompetenzen, vor allem in der digitale Kommunikation und im Austausch mit Mitgliedern, Athlet: innen, Fans und Sponsoren, zukünftig benötigt. Die ausgewählten Bandthemen bieten eine verständ‐ liche und fundierte Einführung für Studierende aus den Bereichen Sport‐ kommunikation, Sportjournalismus, Sportökonomie und -marketing und der Kommunikations- und Medienwissenschaft. Aber auch Praktiker: innen können einen fundierten Mehrwert daraus ziehen. <?page no="3"?> Christof Seeger / Michael Veddern / Linda Reszczynski Meinungsfreiheit im Sport Verbote und Grenzen für Athlet: innen bei Olympischen Spielen UVK Verlag · München <?page no="4"?> DOI: https: / / doi.org/ 10.24053/ 9783381103720 © UVK Verlag 2023 ‒ ein Unternehmen der Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5 · D-72070 Tübingen Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikro‐ verfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Alle Informationen in diesem Buch wurden mit großer Sorgfalt erstellt. Fehler können dennoch nicht völlig ausgeschlossen werden. Weder Verlag noch Autor: innen oder Heraus‐ geber: innen übernehmen deshalb eine Gewährleistung für die Korrektheit des Inhaltes und haften nicht für fehlerhafte Angaben und deren Folgen. Diese Publikation enthält gegebenenfalls Links zu externen Inhalten Dritter, auf die weder Verlag noch Autor: innen oder Herausgeber: innen Einfluss haben. Für die Inhalte der verlinkten Seiten sind stets die jeweiligen Anbieter oder Betreibenden der Seiten verantwortlich. Internet: www.narr.de eMail: info@narr.de CPI books GmbH, Leck ISSN 2752-1303 ISBN 978-3-381-10371-3 (Print) ISBN 978-3-381-10372-0 (ePDF) ISBN 978-3-381-10373-7 (ePub) Umschlagmotiv: © shironosov · iStockphoto Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbib‐ liografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http: / / dnb.dnb.de abrufbar. www.fsc.org MIX Papier aus verantwortungsvollen Quellen FSC ® C083411 ® <?page no="5"?> 9 1 11 2 17 2.1 17 2.2 20 2.3 21 3 23 3.1 24 3.2 25 3.3 26 3.4 28 3.5 29 3.6 31 4 35 4.1 35 4.2 36 4.3 37 4.4 38 5 41 5.1 42 5.2 44 5.3 45 5.3.1 46 5.3.2 50 5.3.3 52 5.4 55 Inhalt Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sport, Politik und Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das kontroverse Verhältnis von Sport und Politik . . . . . . . Olympische Spiele und Politik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die gesellschaftspolitische Bedeutung des Sports . . . . . . . . Die Olympische Bewegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sportspezifische und übergeordnete Ziele . . . . . . . . . . . . . . Die Olympische Charta . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Organisationsstruktur und Aufgaben des IOC . . . . . . . . . . . Das IOC in der Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bekenntnis zu Menschenrechten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sportgroßereignisse als Medienereignis . . . . . . . . . . . . . . . . Proteste und Meinungsäußerungen von Athlet: innen . . . . . . . . . . Merkmale und Formen sportbezogenen Protests . . . . . . . . Medienvermittelte Proteste . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ausgewählte Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Auswirkungen sportbezogenen Protests . . . . . . . . . . . . . . . Meinungsfreiheit im internationalen Spitzensport . . . . . . . . . . . . Internationale Dimension der Menschenrechte . . . . . . . . . . Europäische Dimension der Menschenrechte . . . . . . . . . . . Meinungsfreiheit als zentrales Menschenrecht . . . . . . . . . . Die wichtigsten Kodifizierungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Inhaltliche Ausgestaltung des Schutzes . . . . . . . . . . . . . . . . Weltweiter Zustand der Meinungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . Die Autonomie der Sportverbände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . <?page no="6"?> 6 59 6.1 59 6.2 60 6.3 61 6.4 62 6.5 64 6.6 66 7 69 7.1 69 7.2 72 7.3 74 7.4 76 7.5 78 7.5.1 80 7.5.2 84 7.5.3 86 7.5.4 88 7.6 89 7.6.1 90 7.6.2 93 7.6.3 94 7.7 96 7.7.1 96 7.7.2 96 7.7.3 97 7.7.4 98 8 101 8.1 102 8.2 103 8.3 104 8.3.1 104 Das IOC und Prinzipien der Meinungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . International-rechtliche Dimension des IOC . . . . . . . . . . . . Bindung an internationale Menschenrechtskonventionen? Rechtlicher Status des IOC . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schweizer Ordre public und Meinungsfreiheit . . . . . . . . . . Rolle der internationalen Menschengerichtsbarkeit . . . . . . Recht des Ausrichterstaates . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Meinungsäußerungen von Athlet: innen (Regel 50.2) . . . . . . . . . . . Bisheriger Gehalt von Regel 50 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Globale Athletenkonsultationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anpassungsempfehlungen zu Regel 50.2 . . . . . . . . . . . . . . . Aktuelle Leitlinien und praktische Umsetzung . . . . . . . . . . Standpunkte der Verbände, Athletenvereinigungen und Menschenrechtsorganisationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Regel 50.2 und Prinzipien der Meinungsfreiheit . . . . . . . . . Regel 50.2 und Olympische Werte und Prinzipien . . . . . . . Regel 50.2 und politische Neutralität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Reformvorschläge zu Regel 50.2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bewertung der Diskussion und Argumente . . . . . . . . . . . . . Widerspruch zu weltweiten Menschenrechten? . . . . . . . . . Widerspruch zu Olympischen Werten und Prinzipien? . . . Begründbarkeit mit politscher Neutralität? . . . . . . . . . . . . Zusammenfassende Bewertung der Empfehlungen . . . . . . Kollektive Botschaften in den Zeremonien . . . . . . . . . . . . . Plattform für individuelle Meinungsbekundungen . . . . . . . Pauschalverbote: Spielfeld, Podium etc. . . . . . . . . . . . . . . . . Anpassung von Regel 50.2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wirkungen politischer Äußerungen von Athlet: innen . . . . . . . . . Untersuchungsgegenstand: Winterspiele 2022 in Peking . . Forschungsdesign . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Inhaltsanalyse von Social-Media-Kommentaren . . . . . . . . . Auswahl des Untersuchungsmaterials . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 Inhalt <?page no="7"?> 8.3.2 109 8.3.3 110 8.4 121 8.4.1 121 8.4.2 122 8.4.3 130 9 135 9.1 136 9.2 139 9.3 141 145 Kategoriales System . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Auswertung und Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bewertung durch Sportkonsument: innen . . . . . . . . . . . . . . . Online-Befragung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Auswertung und Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusammenfassende Interpretation der Ergebnisse . . . . . . . Schlussfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gesellschaftspolitische Debatte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rechtliche Einordnung und Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . Sportpolitische Debatte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Inhalt 7 <?page no="9"?> Vorwort Wir freuen uns, Ihnen den zweiten Band der Reihe „Sport und Kommu‐ nikation“ mit einem sehr aktuellen und relevanten Kernthema der „Mei‐ nungsäußerung von Athlet: innen“ im Sport vorstellen zu dürfen. Basis dieser Veröffentlichung war die Abschlussarbeit von Linda Reszczynski im Master Crossmedia Publishing & Management in der Vertiefungsrichtung Sportkommunikation an der Hochschule der Medien in Stuttgart. Es hat sich bei der Bearbeitung des Manuskripts an vielen Stellen ge‐ zeigt, wie komplex sich diese Thematik verhält - vor allem wenn eine transdisziplinäre Perspektive von Kommunikationswissenschaften und den Rechtswissenschaften eingenommen wird. Aus diesem Grund erheben wir auch keinen Anspruch auf die Vollständigkeit der Darstellungen, sondern wollen es dabei belassen, einen umfassenden Überblick über ein Themen‐ feld zu geben, welches in Zukunft noch zu einem weiteren öffentlichen Diskurs und wissenschaftlichen Auseinandersetzungen führen wird. Unsere theoretischen Einordnungen und Standpunkte haben wir noch mit eigenen empirisch erhobenen Daten unterfüttert. Die Auswirkungen der Digitalisierung der Medien und der damit ver‐ bundenen Erweiterung von Publikationsmöglichkeiten wirft manche Frage nach dem Status quo und den bisherigen Praktiken, gerade auch in Bezug auf die individuellen Meinungsäußerungen von Athlet: innen auf, und es scheint sich hier eine neue Dynamik zu entwickeln. Wir sind uns einig, dass gerade auch aus wissenschaftlicher Sicht, der ein oder andere Punkt vielleicht nicht vertiefend genug behandelt worden ist, und freuen uns deshalb auch auf Anregungen und Anmer‐ kungen seitens unserer Leserschaft. Deshalb haben wir die Mailadresse sportkommunikation@uvk-muenchen eingerichtet und sind dankbar für je‐ den Austausch und Hinweis. Stuttgart, im August 2023 Prof. Christof Seeger Prof. Dr. Michael Veddern Linda Reszczynski <?page no="11"?> 1 Die getroffenen Aussagen beziehen sich häufig in gleicher Hinsicht auch auf das Para‐ lympische Komitee, das eine Vielzahl von Athlet: innen mit körperlicher Behinderung repräsentiert, sowie auch auf die Paralympischen Spiele, soweit dies für die Aussage erforderlich ist. 1 Einleitung Das System des Sports befindet sich in einem intensiven Austausch mit vielen weiteren relevanten Teilsystemen der Gesellschaft. Dies gilt z. B. für die Wirtschaft, für Massenmedien, das Bildungs- und Erziehungssystem und die Politik. Vor allem von Sportfunktionär: innen wird die Idee des „unpolitischen Sports“ vehement verteidigt. Ein zunächst nachvollziehbares Hauptargument ist, den Sport und die große mediale Aufmerksamkeit von Sportgroßveranstaltungen nicht von gesellschaftlichen und politischen Kräften instrumentalisieren zu lassen, um politische oder aber auch andere Botschaften abseits des Sports zu kommunizieren. Gerade die Olympischen Spiele 1 sind, als eine der größten Sportveran‐ staltungen, für derartige Intentionen prädestiniert. Olympia genießt eine weltweite Aufmerksamkeit und bietet eine riesige Plattform für den Sport und seine Randbereiche. Die Olympischen Spiele werden auch zunehmend als ein gesellschaftliches und politisches Ereignis angesehen - es geht längst nicht mehr nur um das reine Sporttreiben, den internationalen sportlichen Wettbewerb und den olympischen Gedanken. Die Bühne wird mittlerweile zunehmend von staatlichen und nicht-staatlichen Akteur: innen außerhalb des Sports benutzt, um kommerzielle und nicht-kommerzielle Botschaften zu verbreiten. Diese Veränderungen sind sichtbar und werden immer häufiger diskutiert. Wie politisch die Olympischen Spiele mittlerweile sind und wie politisch sie sein dürfen, sind Kritikpunkte am Vorgehen des Internationalen Olym‐ pischen Komitees, insbesondere auch in der Wahl des Veranstaltungsortes. Aufgrund ihres herausragenden Aufmerksamkeitswerts wird den Olympi‐ schen Spielen eine besondere Stellung im internationalen Sport beigemes‐ sen. Um eine politische Instrumentalisierung der Spiele zu vermeiden und die sich aus der historischen Tradition ergebende politische Neutralität zu wahren, verbietet das Internationale Olympische Komitee (IOC) im Rahmen der Regel 50.2 der Olympischen Charta jede „Art von Demonstration oder politischer, religiöser oder rassistischer Propaganda“ bei den Olympischen <?page no="12"?> Spielen. Der Fokus während der Wettkämpfe und offiziellen Zeremonien soll ausschließlich auf die Leistungen der Athlet: innen gerichtet sein und die internationale Einheit bewahren. Vor dem Hintergrund bis heute bestehender Diskriminierungen von Min‐ derheiten, zwischenstaatlicher Systemkonflikte und in Anbetracht des welt‐ weiten Kriegsgeschehens, erscheint die Regel zunächst sinnvoll und ver‐ ständlich. Die beschriebenen gesellschaftlichen Verhältnisse und Konflikte führten in den letzten Jahren jedoch vermehrt zu politischen Artikulationen von Demokratie- und Bürgerrechtsbewegungen, wie z. B. Solidaritätsbe‐ kundungen für die Black-Lives-Matter-Bewegung oder Demonstrationen zugunsten allgemeiner Geschlechtergerechtigkeit. Gesellschaftlich hat dies eine erhöhte Aufmerksamkeit für die Einhaltung von Menschenrechten hervorgerufen. Der Sport bleibt davon nicht unberührt, wobei vor allem die individuelle Rolle von Athlet: innen als Träger: innen politischer Meinungs‐ bekundungen im Fokus steht. In dieser Hinsicht kann Regel 50.2 der Olympischen Charta daher auch als Beeinträchtigung des Rechts auf freie Meinungsäußerung der Athlet: innen aufgefasst werden. Darüber hinaus wird die Legitimität der Regel auch unter gesellschaftspolitischen Gesichtspunkten in Frage gestellt, da dem Sport, insbesondere auf internationaler und olympischer Ebene, eine Viel‐ zahl gesellschaftlicher Ziele attestiert wird. Im Mittelpunkt stehen dabei mutmaßliche Funktionen für Integration, Toleranz, Frieden, Respekt und Völkerverständigung. Athlet: innen wird aufgrund ihrer Vorbildfunktion und Präsenz in den Massenmedien von vielen Seiten die bedeutende Auf‐ gabe zugeschrieben, diesen demokratischen Werten Rechnung zu tragen und somit gesellschaftliche Orientierung zu bieten. Durch entsprechende Meinungsäußerungen besteht demnach die Möglichkeit, Aufmerksamkeit für politische oder gesellschaftsrelevante Themen zu erzeugen und somit sozialen Wandel anzuregen. Ausgehend einiger Empfehlungen der IOC-Athletenkommission, die aus einer weltweiten Athletenkonsultation resultieren, hat das IOC vor den Olympischen Sommerspielen 2021 in Tokio Lockerungen der Regel 50.2 beschlossen. Demnach werden - trotz weiterhin unveränderten Wortlauts der Regel - respektvolle Meinungsäußerungen von Athlet: innen akzeptiert, solange diese nicht während offizieller Zeremonien, während des Wettbe‐ werbs und im Olympischen Dorf stattfinden. Insbesondere bei Athleten‐ vereinigungen und Menschenrechtsorganisationen stößt die Regel jedoch weiter auf Kritik, da sie weiterhin Einschränkungen des Rechts auf freie 12 1 Einleitung <?page no="13"?> Meinungsäußerung enthält. Besonders im Vorfeld der im Februar 2022 ausgetragenen Winterspiele in Peking, die ohnehin aufgrund der Menschen‐ rechtssituation in China Gegenstand von Diskussionen waren, lebte die Debatte wieder auf. Auch wenn die Meinungsfreiheit keine für den IOC unmittelbar verbindliche Rechtsquelle des Völkerrechts ist, stellt sich die Frage nach der Berechtigung des IOC, über die Regel 50.2 die Rechte der Athlet: innen, insbesondere auch in ihrer Funktion als Identitätsfigur und Vorbilder, zu beschränken. In diesem Buch beschäftigen wir uns daher mit der Frage, inwieweit der internationale (Spitzen-)Sport politisch neutral sein sollte und befassen uns, aufbauend auf der grundsätzlichen Debatte, mit der Zulässigkeit politischer Meinungsäußerungen von Athlet: innen im Rahmen Olympischer Spiele. Im Mittelpunkt des Erkenntnisinteresses steht daher folgende Leitfrage: Inwiefern ist der Meinungsfreiheit von Athlet: innen während der Olym‐ pischen Spiele sowohl unter der Berücksichtigung rechtlicher und gesellschaftspolitischer Rahmenbedingungen als auch in Anbetracht der gesellschaftlichen Stellung und Verantwortung von Athlet: innen Geltung zu verschaffen? Durch ihre juristische, politische und gesamtgesellschaftliche Dimension bewegt sich die Untersuchung in einem interdisziplinären Spannungsfeld, welches in seiner Gesamtheit bisher wenig beachtet wird. Während sich die Sportwissenschaft zurecht auf die Betrachtung sportpraktischen Handelns fokussiert, ist die gesellschaftspolitisch-rechtliche Perspektive erst jüngst Gegenstand von wissenschaftlichen Arbeiten. Mittlerweile beschäftigen sich einige Studien mit der politischen Dimension von Sportgroßveranstal‐ tungen. Weitere Forschungsarbeiten befassten sich im Rahmen der Olym‐ pischen Spiele 2008 in Peking zudem mit der Menschenrechtssituation in China und der Berichterstattung während der Spiele (Pieper 2011, Poerner 2009). Ferner war die Sicht der deutschen Bevölkerung auf die Olympischen Spiele sowie das Image des IOC Teil wissenschaftlicher Untersuchungen (Scheu 2020). Neben bereits erforschten gesellschaftlichen Einflussmög‐ lichkeiten und Untersuchungen zur Vorbildfunktion von Athlet: innen im Allgemeinen, gehen aus der bisherigen Forschung zudem konkrete Formen und Motive sowie mögliche Konsequenzen und Auswirkungen politischer 1 Einleitung 13 <?page no="14"?> Positionierungen von Profisportler: innen hervor (Mensing 2019; Hollnagel 2020). Die Auseinandersetzung mit der Zulässigkeit politischer Meinungsäuße‐ rungen von Athlet: innen unter besonderer Berücksichtigung rechtlicher und gesellschaftspolitischer Rahmenbedingungen findet im Rahmen der eingangs erläuterten Debatte über Regel 50.2 der Olympischen Charta und der damit verbundenen weltweiten Athletenkonsultation zwar verstärkt statt, dennoch ist sie bisher nur bedingt Teil wissenschaftlicher Forschung. Bei der Betrachtung der mit den allgemeinen Zielen des olympischen Sports mutmaßlich einhergehenden gesellschaftlichen Verantwortung von Athlet: innen, sollen zudem bereits vorhandene Erkenntnisse zu Reaktionen von Sportrezipient: innen auf politische Positionierungen von Sportler: innen als Forschungsgrundlage dienen. Ausgehend davon erfolgt zunächst eine kritische Betrachtung in Form einer systematischen Analyse der einschlägigen gesellschaftspolitischen und rechtlichen Rahmenbedingungen. Daran schließt sich eine Analyse der verschiedenen Standpunkte, die im Rahmen der Reformdebatte um die Regel 50.2 Olympische Charta vertreten werden, an, um Antworten auf die Frage zu geben, inwiefern Regel 50.2 der Olympischen Charta im Widerspruch zu weltweiten Rechtsprinzipien steht. Der Fokus wird insbesondere auf das Recht auf freie Meinungsäußerung und die Olympischen Werte selbst gelegt. Sind die geforderten Einschränkungen von Meinungsäußerungen mit der Erklärung politischer Neutralität seitens des IOC überhaupt begründbar? Und sind die verkündeten Empfehlungen zur Anpassung der Regel 50.2 Olympische Charta angemessen bzw. ausreichend? Die theoretische Argumentation wird anhand von konkreten Beispielen von Meinungsäußerungen während der Olympischen Winterspiele 2022 in Peking in der Praxis untersucht. In China herrscht ein autoritäres Re‐ gime, Menschenrechtsverletzungen und die Überwachung der Bevölkerung gehören seit langer Zeit zum Staatssystem, die Umweltverschmutzung ist gravierend und das Wintersportereignis fand in einem Land statt, in dem Schnee selten ist. In der internationalen und der deutschen Berichterstattung wurden die aktuelle chinesische gesellschaftliche und politische Situation auch in Zusammenhang mit der sportlichen Berichterstattung vor und während der Olympischen Spiele 2022 thematisiert. Auch wurde auf die un‐ genügende Menschenrechtssituation und weitere Missstände aufmerksam gemacht. Die Medien können an dieser Stelle für die Olympischen Spiele ihre bedeutungsvolle und relevante Rolle wahrnehmen und nutzen, um 14 1 Einleitung <?page no="15"?> zu gesellschaftlichen und politischen Themen in China im Rahmen der Sportberichterstattung zu berichten. In diesem Kontext soll daher auch die Relevanz der medial vermittelten politischen Kommunikation von Athlet: innen während der Berichterstat‐ tung über die Olympischen Spiele 2022 Gegenstand der geführten Diskus‐ sion sein. Dabei interessiert uns besonders folgende Fragestellung: Wie wird während der Berichterstattung zu Olympia 2022 von ausge‐ wählten Nachrichtenseiten politisch im Rahmen ihrer Sportberichter‐ stattung im Zusammenhang mit Meinungsäußerungen von Athlet: in‐ nen kommuniziert und welche Wirkung erzielen die vermittelten Meinungsbekundungen von Athlet: innen bei den Rezipient: innen? Die Auseinandersetzung mit dieser Frage soll zeigen, ob und, wenn ja, wel‐ che Wirksamkeit das Zusammenspiel sportlicher und politischer Berichter‐ stattung im Zusammenhang mit Meinungsäußerungen von Athlet: innen tatsächlich hat. Wir beschränken uns dabei bewusst auf die Berichterstattung von ausge‐ wählten Nachrichtenportalen im Internet, obwohl andere Mediengattungen ebenfalls über die Olympischen Spiele berichten. Wir tun dies vor dem Bewusstsein, dass Internetmedien den Rundfunk - sowohl subjektiv als auch objektiv - als Medium mit dem höchsten Gewicht für die öffentliche Meinungsbildung abgelöst haben (Die Medienanstalten 2022). Zur Beurteilung der praktischen Relevanz von Meinungsäußerungen von Athlet: innen wird ein empirischer Ansatz gewählt, der zunächst eine inhaltsanalytische Betrachtung von Social-Media-Kommentaren von Ath‐ let: innen vorsieht. Diese Betrachtung soll Aufschluss darüber geben, inwie‐ fern Meinungsäußerungen von Athlet: innen während der Olympischen Winterspiele in Peking Einfluss auf die Diskussionen in sozialen Netzwer‐ ken nehmen. Dabei werden auch die Reaktionen von Nutzer: innen in der Anschlusskommunikation der ausgewählten Social Media-Plattform (Instagram) untersucht. Vertiefende Erkenntnisse ergeben sich zusätzlich aus der direkten quan‐ titativen Befragung von Wintersportkonsument: innen. Dies gibt einen Ein‐ blick, welche Bedeutung Meinungsäußerungen von Athlet: innen aus Sicht der Gesellschaft haben und wie diese bewertet werden. 1 Einleitung 15 <?page no="16"?> Die gesellschafts- und sportpolitisch zu führende Debatte über Meinungs‐ äußerungen von Athlet: innen, insbesondere während Sportgroßveranstal‐ tungen, befindet sich erst am Anfang. Das Ziel dieser Veröffentlichung ist es, eine Orientierung und Sensibilisierung für diesen Themenkomplex zu schaffen. 16 1 Einleitung <?page no="17"?> 2 Sport, Politik und Gesellschaft Die Beziehung zwischen Sport, Politik und Gesellschaft ist einerseits sehr faszinierend, aber auch sehr komplex. Bulgrin (2014) formuliert sogar, dass eine systematische wissenschaftliche Untersuchung der Zusammenhänge bisher kaum stattgefunden hat. Im Grunde sind, zumindest inszenierte Sportgroßereignisse, schon in der Antike ein Unterfangen mit politischer Intension gewesen. Das reine Kräftemessen und der Wettkampf in antiken Zivilisationen hatte zunächst zum Ziel, Männer für den Kampf auf den Schlachtfeldern zu trainieren. Aber schon die politische Elite im antiken Griechenland oder im antiken Rom haben sportliche Wettkämpfe inszeniert, um einerseits die eigene Überlegenheit zu demonstrieren, aber auch um das Volk zu unterhalten. Im Laufe der Zeit haben sich vor allem internationale Sportgroßereignisse wie die Olympischen Spiele oder Fußball-Weltmeister‐ schaften zu wichtigen öffentlichen Plattformen entwickelt, um politische Themen aufgrund der medialen Aufmerksamkeit und der großen Öffent‐ lichkeit zu addressieren. Der politische Charakter entsteht durch die Einflussnahme von gesell‐ schaftlichen Trägern und Organisationen, verbunden mit Motiven und Interessen, die außerhalb der eigentlichen Wettkampforientierung liegen (Lösche 2002). Aber auch wenn verschiedene Schwerpunkte gesetzt werden, so gibt es dennoch große gemeinsame Interessensbereiche der jeweiligen Gesellschaft, z. B. Themen der Gesundheit, der Schule oder des Freizeitver‐ haltens (Rösch 1980), die einer ständigen Dynamik unterliegen und abhängig von aktuellen politischen Ereignissen, aber auch der Historie sind (Lösche 2010). Sportpolitik kann demnach weit gefasst werden und ist „ein auf die Gestaltung und/ oder Instrumentalisierung des Sports gerichtetes Handeln von Akteuren aus den Bereichen Politik, Sport und Gesellschaft“ (Groll 2005, S.-61). 2.1 Das kontroverse Verhältnis von Sport und Politik Der Sport hat in den zurückliegenden Jahrzehnten einen grundlegenden Wandel erfahren. Insbesondere Sportgroßveranstaltungen haben sich zu gesamtgesellschaftlichen Ereignissen entwickelt, die mit großer öffentlicher Wirkung in verschiedene Lebensbereiche hineinwirken und gleichzeitig <?page no="18"?> äußeren Einflüssen unterworfen sind (Mittag 2021). An dieser Stelle werden die Interessenskonflikte sehr schnell deutlich. Aus der reinen Sportperspek‐ tive ist es wünschenswert und nachvollziehbar, dass es sich um einen politisch neutralen Bereich handeln sollte, der unabhängig von ökonomi‐ schen und politischen Einflussnahmen existiert. Andererseits sind große Sportereignisse auch eine wirtschaftliche und zunehmend geographische Herausforderung. Sponsorengelder sind zwingend, um Infrastrukturmaß‐ nahmen, die Durchführung und vieles mehr zu finanzieren. Für die Aus‐ tragungsländer sind Sportgroßveranstaltungen eine Chance, sich auf der Bühne der Weltöffentlichkeit zu präsentieren, und haben demnach eine hohe Symbolkraft für die austragenden Nationen. So bietet die Austragung dem Gastland die Chance, positive Vorstellungen zu bestärken und neue positive Assoziationen zu erzeugen (Schallhorn 2017). Politiker und andere Interessensgruppen nutzen deshalb die Veranstaltung und die damit ver‐ bundene mediale Aufmerksamkeit, um ein positives Signal an die eigene Bevölkerung und an andere Nationen zu senden. Schwier (2006) erwähnt dabei das Konzept des „Nation Building“ und bezieht sich dabei auf eine nationale Stabilisierungs- und Identifikationsfunktion. Das verfolgte Ziel ist die Stärkung des Zusammengehörigkeitsgefühls und der nationalen Identität. Dies stellt eine wichtige Grundlage für den Aufbau eines positiven Nationalgefühls dar, um sich mit den Werten und Traditionen der eigenen Nation zu identifizieren (Gleich 2008). Auf der politischen Ebene steht dabei nicht nur die Orientierung an der eigenen Bevölkerung im Vordergrund, es wird vielmehr ein Fokus daraufgelegt, wie man von anderen Nationen wahrgenommen wird. Dieses Nation Branding ist von zentralem politischem Interesse. Dabei handelt es sich um „a process by which a nation’s images can be created, mo‐ nitored, evaluated and proactively managed in order to improve or enhance the country’s reputation among a target international audience“ (Fan, 2010: S. 101). Insbesondere Regierungen haben ein besonderes Interesse diesen Prozess aktiv zu gestalten und das eigene Land im bestmöglichen Licht darzustellen, um über die Sportveranstaltung hinaus positive Auswirkungen als Wirtschaftspartner oder Tourismusziel zu erzielen und die Attraktivität des Landes zu erhöhen (Knott/ Fyall/ Jones 2015). Die politischen Bestrebungen sind dabei keinesfalls neu. Mit den Olympi‐ schen Spielen 1972 in München sollte die nationalsozialistische Vergangen‐ heit der ebenfalls im Sinne eines politischen Nation Brandings stark miss‐ brauchten Olympischen Spiele 1936 in Berlin in den Hintergrund gerückt 18 2 Sport, Politik und Gesellschaft <?page no="19"?> werden. Die Olympischen Spiele 1988 in Südkorea sollten ein hochtechno‐ logisches, modernes Austragungsland zeigen und westliche Botschaften in den Norden von Korea senden. Australien nutzte die Olympischen Spiele 2000 als Gelegenheit, um sich als attraktives Tourismusziel zu inszenieren. Vor allem die mediale Berichterstattung und die Visualisierung von Botschaften ist dabei ein sehr wichtiger Punkt. Kritiker befürchten indessen, dass der Sport als Kernprodukt immer mehr in den Hintergrund rückt und zunehmend im Konflikt mit der Politik steht. Lüschen (1996) stellt anhand von drei Perspektiven die Wechselwirkun‐ gen von Sport, Politik und Gesellschaft wie folgt dar: (1) Sport in der Politik Dabei wird in erster Linie der Stellenwert des Sports im politischen System und somit die Instrumentalisierung des Sports für allgemeine gesellschaft‐ liche und politische Ziele beschrieben. So instrumentalisieren z. B. Politiker den Sport, um ihre Bekanntheit und ihr Ansehen zu steigern. In besonders gravierender Form geschieht dies häufig innerhalb totalitärer Systeme, wenn der Sport als ein Hilfsmittel für Propaganda und Machterhaltung eingesetzt wird. Doch auch staatenübergreifende oder staatenunabhängige Vereinigungen und Organisationen, wie z. B. das IOC, versuchen immer wieder, politische Entscheidungen hinsichtlich politischer Konfliktsituatio‐ nen zu treffen oder die öffentliche Diskussion zu beeinflussen. Diese Per‐ spektive kann dadurch erweitert werden, dass Sport als politisches Symbol verstanden wird, bei dem das sportpraktische Geschehen im Sinne eines symbolischen Ausdrucks von gesellschaftlichen Strukturen angesehen wird (Güldenpfennig 2002). In Bezug auf die Instrumentalisierung des Sports müssen demnach nicht zwangsläufig negative Aspekte gemeint sein. Auch in Bezug auf Völkerverständigung, Integration und Toleranz gegenüber anderen Kulturen und Gesellschaften kann von einer Instrumentalisierung des Sports gesprochen werden (Pieper 2011). (2) Politik im Sport Diese Perspektive beschreibt hauptsächlich das politische Einwirken gesell‐ schaftlicher Interessen auf das sporteigene System bzw. dessen Kontrolle von außen. (National-)staatliche Institutionen setzen den Sport beispiels‐ weise als Mittel ein, um Druck auf andere Staaten auszuüben, indem sie 2.1 Das kontroverse Verhältnis von Sport und Politik 19 <?page no="20"?> Boykotte oder Sanktionen als mögliche Maßnahmen erwägen. Unter dem Deckmantel des Sports kann zudem Diplomatie auf zwischenstaatlicher Ebene betrieben werden, wie dies beispielsweise die Annäherung von Nord- und Südkorea im Kontext Olympischer Spiele zeigt (Groll 2005). (3) Politische Struktur und Organisation des Sports Diese Perspektive weist auf die Parallelen der politischen Strukturen von Sportorganisationen und Staaten hin. Sport als institutionelles System - also als Gesamtheit der gesellschaftlichen Träger des Sports, seiner Organisationen und deren Beziehungen zu anderen gesellschaftlichen und staatlichen Institutionen - hat insofern einen politischen Charakter, als dass es innerhalb dieser Organisationen um Macht und Einfluss gehen kann (Mensing 2019). Neben staatlichen und sportlichen Institutionen geraten innerhalb dieser Betrachtung auch weitere Akteure in den Mittelpunkt, die untereinander im Wettbewerb um den Einfluss auf den Sport stehen. Insbesondere die Wechselwirkungen zwischen Wirtschaft, Staat und Sport können einzelne sportpolitische Entscheidungen beeinflussen. Erweitert wird dieses Interak‐ tionsgeflecht um die immer einflussreicher werdenden Medien (Ihle 2017). 2.2 Olympische Spiele und Politik Gerade Sportgroßereignisse wie die Olympischen Spiele bilden angesichts ihrer weltweiten medialen Aufmerksamkeit eine Projektionsfläche für po‐ litische Interessen (Mittag 2018). Für die ausrichtenden Nationen sind sie neben sportlichem Prestige auch als Motor touristischer und infrastruktu‐ reller Maßnahmen sowie als Möglichkeit der Imagesteigerung und des volkswirtschaftlichen Nutzens attraktiv. Durch Identifikations- und Integ‐ rationseffekte können Sportgroßveranstaltungen zudem zur Förderung des gesamtgesellschaftlichen Zusammenhalts beitragen. Nicht zuletzt sind sie auch Bühne für politische Inszenierungen und Proteste. In einer Zeit, in der die informative Vermittlung politischer Inhalte durch emotionale Darstellungsformen ergänzt wird, versucht die Politik ihre Botschaften auch im Kontext von Unterhaltungsformaten zu platzieren, in dem sich auch die Olympischen Spiele bewegen (Ihle 2017). 20 2 Sport, Politik und Gesellschaft <?page no="21"?> Das Interesse politischer Akteure, die Spiele in den Dienst eigener politischer Ziele zu stellen, prägt die gesamte olympische Geschichte: Die bereits erwähnten Olympischen Spiele 1936 im nationalsozialistischen Deutschland, erste Boykottbewegungen nach dem Ungarischen Volksauf‐ stand in Melbourne 1956, ein Boykott Afrikas 1976 in Montreal, Boykott und Gegenboykott der Großmächte in Moskau 1980 und Los Angeles 1984, Proteste seitens der afroamerikanischen Bürgerrechtsbewegung in Mexico City 1968 sowie der palästinensische Terroranschlag in München 1972 sind einige Beispiele, die zeigen, dass die Olympischen Spiele keinen politischen Freiraum darstellen (Filzmaier 2004). In jüngster Vergangenheit wird im Kontext der Olympischen (Winter-) Spiele in Peking oder Sotschi jedoch die Devise des „unpolitischen Sports“ immer wieder, vorwiegend durch Vertre‐ ter: innen autoritärer Regime, hervorgehoben. Streppelhoff (2014) stellt fest, dass bereits in den Anfängen des IOCs Bestrebungen, die Spiele frei von Politik zu halten, zu finden sind. Eine Entwicklung ist auf den privat orga‐ nisierten Sport in England zurückzuführen, der die Olympische Bewegung beeinflusste und von der Ablehnung staatlicher Einmischung geprägt war. Darüber hinaus führte der Versuch der Vereinnahmung des Sports durch kommunistische Regierungen zu Abwehrreaktionen innerhalb des eher im westlich-bürgerlichen Milieu verankerten Sports, den der IOC lange Zeit verkörperte. Drittens wurde vor allem bei dem ehemaligen IOC-Präsidenten Avery Brundage das Bestreben deutlich, Sport mit Kunst gleichzustellen und somit eine Parallele der politischen Neutralität herzustellen. Heutzutage versteht sich das IOC satzungsgemäß zwar nicht mehr als unpolitische Organisation, dennoch beansprucht der seit 2013 amtierende IOC-Präsident Thomas Bach politische Neutralität für das IOC: „Das IOC hat kein politisches Mandat, es ist politisch neutral, ohne apolitisch zu sein.“ (zitiert nach Streppelhoff 2014). Das IOC ist laut Bach also politisch, wobei es jedoch darum geht, friedensstiftend zu wirken. Staatspolitisch möchte das IOC neutral handeln. Ob dies in der Praxis jedoch tatsächlich so umgesetzt werden kann, wird angesichts der Bedeutung der Olympischen Spiele und der Kooperation des IOC mit Staaten vielfach bezweifelt (Streppelhoff 2014). 2.3 Die gesellschaftspolitische Bedeutung des Sports Neben der politischen Dimension liegt dem Sport auch eine ausgeprägte gesellschaftliche Komponente zugrunde, die ihn dazu verleitet, als sozialer 2.3 Die gesellschaftspolitische Bedeutung des Sports 21 <?page no="22"?> Akteur der Zivilgesellschaft zu agieren. Über das gesellschaftspolitisch erwünschte Leistungsprinzip und die gesundheitlichen Auswirkungen hin‐ aus, werden dem Sport von verschiedener Seite positive Funktionen inner‐ halb der Gesellschaft beigemessen, aus denen seine Sinnhaftigkeit, seine Berechtigung und seine Notwendigkeit abgeleitet werden. Im Mittelpunkt stehen dabei die mutmaßlichen Funktionen für die Integration gesellschaft‐ licher Randgruppen und die Achtung von Toleranz und Menschenrechten. Weltfrieden, Bildung und Erziehung sowie die Resistenz gegen Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Homophobie, zählen außerdem zu den gesell‐ schaftspolitischen Zielen des Sports. Er soll somit die Prinzipien des respekt‐ vollen Zusammenlebens und der Völkerverständigung fördern, die für das Gelingen einer modernen demokratischen Gesellschaft unabdingbar sind (Gebauer 2020; Digel 2014; Herzog 2010). Alle Beteiligten, insbesondere Sportverbände als primäre Vertreter des Spitzensports, bekennen sich in der Regel zu den genannten Grundwerten sowie der gesellschaftspolitischen Bedeutung des Sports und wollen diese durch ihr Handeln fördern (Zentrum für Menschenrechte und Sport e. V. 2023a). Auch Athlet: innen kommt in ihrer Vorbildfunktion die bedeutende Aufgabe zu, ihr Verhalten an den etablierten Werten auszurichten, um somit gesellschaftliche Orientierung zu bieten (Haut 2014). Die oben genannten gesellschaftlichen Funktionen des Sports legen eine gezielte politische Förderung zumindest nahe. Neben der Förderung von Trainer: innen und Athlet: innen könnte sich eine gezielte Sportpolitik auf viele weitere Strukturen des Sportsystems beziehen: Sportstätten, Sport‐ veranstaltungen, die Organisation der Sportverwaltung sowie die Sportbe‐ richterstattung sind weitere politikrelevante Felder (Digel 2014). Je weiter eine solche sportbezogene Wertekommunikation fortschreitet, um so mehr wird sich allerdings auch die Frage nach der schwierigen Grenzziehung zwischen einer verantwortungsvollen Förderung konsensualer gesellschaft‐ licher Werte und eines gesellschaftliche Gruppen überfordernden Aktivis‐ mus stellen, der den eigentlichen Sportwettkampf in den Hintergrund rückt. 22 2 Sport, Politik und Gesellschaft <?page no="23"?> 3 Die Olympische Bewegung Als Wegbereiter der Olympischen Spiele der Neuzeit, die erstmals 1896 in Athen stattfanden, gilt Pierre de Coubertin (1863-1937). Auf ihn geht auch die ideologische Fundierung der Olympischen Bewegung - der Olympismus - zurück. Coubertin widmete sich der Reform der Jugenderziehung in Frank‐ reich und sorgte dafür, dass der Sport Einzug in das französische Schulpro‐ gramm erhielt. Sein Ziel: Erziehung durch Sport. Mit der Wiedereinführung der Olympischen Spiele sollte demnach eine Plattform geschaffen werden, um die kulturelle und erzieherische Bedeutung des Sports für die Gesell‐ schaft zu fördern. Die harmonische Entwicklung körperlicher, geistiger und moralischer Eigenschaften sowie das Streben nach sportlicher Bestleistung standen dabei im Mittelpunkt. Zudem sollte der fair geführte, länder- und kulturübergreifende Wettbewerb der Völkerverständigung dienen und so einen Beitrag zur Förderung weltweiten Friedens leisten. Schnell wurden die Olympischen Spiele der Neuzeit zu einem der bedeutendsten Sporter‐ eignisse des 20. Jahrhunderts. Seit jeher soll der Olympismus durch das IOC als oberstes Führungsgremium der Olympischen Bewegung verbreitet werden (Das Olympische Museum: Abteilung für Bildung und Kultur 2013; Molzberger 2021). Die Olympischen Spiele der Neuzeit zeichnen sich durch eine konti‐ nuierliche Entwicklung aus. Dies zeigt sich in der steigenden Anzahl teilnehmender Athlet: innen, der Wettkämpfe, der Zuschauer: innen sowie der eingesetzten Medien und diverser Kommunikationskanäle, die über die Spiele berichten. Sportgroßereignisse im Allgemeinen, aber gerade auch die Olympischen Spiele haben sich durch eine Art Gigantismus ausgezeichnet, indem die Inszenierungen rund um die Wettkämpfe, die Wettkampfstätten und die mediale Aufmerksamkeit immer größer geworden sind. Dieser Prozess scheint zunehmend in der Kritik zu stehen. Immer häufiger gibt es Kritiker: innen, die vor allem die fortschreitende Ausdifferenzierungen der Spiele in Frage stellen sowie die Umweltverträglichkeit und die Nachhaltig‐ keit thematisieren. Das IOC hat sich daher eine Straffung des Programms und der Kosten sowie die Förderung der Nachhaltigkeit der Spiele auf die Agenda gesetzt (DOSB 2023). <?page no="24"?> 3.1 Sportspezifische und übergeordnete Ziele Neben der Organisation, Entwicklung und Koordinierung sportlicher Wett‐ kämpfe (Regel 2.2 Olympische Charta), bestehen die sportspezifischen Zielsetzungen der Olympischen Bewegung damals wie heute darin, die Erziehung der Jugend durch den Sport zu fördern und dabei Fairness und Moral sowie ein respektvolles Miteinander sicherzustellen (Wassong 2018). Auch der Kampf gegen Manipulation von Wettkämpfen und politischen oder kommerziellen Missbrauch des Sports schreiben sich die Verfechter der Olympischen Bewegung auf die Fahne. Ferner wird der Gesundheits‐ schutz der Athlet: innen, die Förderung guter Trainingsbedingungen und Chancengleichheit in der Welt des Sports sowie die Verbesserung der Sportinfrastruktur beabsichtigt (IOC 2022a). Exzellenz Universalität und Solidarität Sicherstellung der Einzigartigkeit und der regelmäßigen Feier der Olympischen Spiele Die Athlet: innen in den Mittelpunkt stellen Förderung des Sports und der olympischen Werte in der Gesellschaft, mit Schwerpunkt auf jungen Menschen Freundschaft Respekt Einheit in der Vielfalt Autonomie und Good Governance Nachhaltigkeit Errichtung einer besseren Welt durch den Sport OLYMPISMUS IST EINE LEBENSPHILOSOPHIE, DIE DEN SPORT IN DEN DIENST DER MENSCHHEIT STELLT VISION WERTE MISSION ARBEITS- PRINZIPIEN Abb. 1: Werte und Prinzipien der Olympischen Bewegung (Quelle: eigene Darstellung nach Armbruster/ Besio 2021, S.-424 und IOC 2022a) Das Bestreben der Olympischen Bewegung lässt sich jedoch nicht allein auf sportspezifische Zielsetzungen beschränken: Dem ersten Grundprinzip der Olympischen Charta zufolge gilt der Olympismus vielmehr als „Lebensstil […], der auf der Freude an Leistung, auf dem erzieherischen Wert des guten Beispiels, der gesellschaftlichen Verantwortlichkeit sowie auf der Achtung universell gültiger fundamentaler moralischer Prinzipien aufbaut“. Der Sport soll dabei in den Dienst der Menschheit gestellt werden und als Mittel der Förderung weltweiten Friedens dienen (Regel 2.4 Olympische Charta). 24 3 Die Olympische Bewegung <?page no="25"?> Darüber hinaus fördert das IOC beispielsweise Programme zur Bekämpfung sozialer Ungleichheit oder Armut und visiert einen verantwortungsvollen Umgang in Umweltbelangen an (Das Olympische Museum Abteilung für Bildung und Kultur 2013). Abb. 1 ist eine Zusammenfassung der Prinzipien und Werte der Olympischen Bewegung zu entnehmen. 3.2 Die Olympische Charta Die Olympische Charta wurde erstmals im Jahr 1908 veröffentlicht und stellt das Regelwerk der Olympischen Bewegung dar. Im Laufe der Zeit erfuhr sie zahlreiche Anpassungen, ist jedoch im Kern auf den Gründer und langjährigen Präsidenten des IOC, Pierre de Coubertin, zurückzuführen (Hofmeister 1974). Sie dient als institutionelle und rechtliche Grundlage sowie als zentrales Verfassungsdokument, das die wichtigsten Grundprinzi‐ pien und Durchführungsbestimmungen beinhaltet (DOSB 2023). Die Charta umfasst neben der Präambel die grundlegenden Olympischen Prinzipien, die insgesamt 61 Olympischen Regeln sowie dazugehörige Erläuterungen. Sie definiert die Grundprinzipien und -elemente der Olympischen Bewe‐ gungen, die Organisationsstruktur und Kompetenzen des IOC sowie dessen Verhältnis zu den NOCs, internationalen Sportverbänden, dem jeweiligen Olympischen Organisationskomitee und den weiteren olympischen Akteu‐ ren (Hofmeister 1974). Auch die im Mittelpunkt der Untersuchung stehenden Athlet: innen unterliegen den Regelungen der Olympischen Charta. Voraussetzung für eine Teilnahme an den Olympischen Spielen ist stets, dass die Teilneh‐ mer: innen sowohl die Bedingungen der Olympischen Charta als auch ihres nationalen Sportverbandes einhalten. Dementsprechend erklären sie mit der Unterzeichnung des Anmeldeformulars zu den Olympischen Spielen, zugleich der Olympischen Charta, dem World Anti-Doping Code und dem Kodex der Olympischen Bewegung zur Verhinderung der Manipulation von Wettkämpfen verpflichtet zu sein (By-law to Rule 44.4-6 Olympische Charts). Ferner unterwerfen sie sich für den Fall von Streitigkeiten im Zusammenhang mit den Regeln der Olympischen Charta der exklusiven Rechtsprechung des - ebenfalls in der Schweiz (Lausanne) ansässigen - -internationalen Sportschiedsgerichts CAS (Court of Arbitration for Sport). D. h. eine Überprüfung von Entscheidungen des IOC über die Anwendung und Auslegung der Olympischen Charta, einschließlich der Meinungsäu‐ 3.2 Die Olympische Charta 25 <?page no="26"?> ßerungen von Athlet: innen betreffenden Regel 50.2, erfolgt nicht durch staatliche Gerichte, sondern allein durch die private Schiedsgerichtbarkeit des CAS (By-law to Rule 44.6 und Regel 61.2 Olympische Charta). Aus Sicht des IOC bietet dies den Vorteil schneller, spezialisierter und einheitlicher Entscheidungen über Auslegung und Anwendung der Olympischen Charta. Den Athlet: innen sind hiermit hingegen weitestgehend Rechtsschutzmög‐ lichkeiten durch staatliche Gerichte unter Berücksichtigung sie ggf. schüt‐ zender völkerrechtlicher oder staatlicher Rechtsnormen entzogen oder nur in Ausnahmefällen zu erlangen (s. Kapitel 6). 3.3 Organisationsstruktur und Aufgaben des IOC Das IOC ist Hüter der Olympischen Spiele und Kopf der Olympischen Bewegung. Es fungiert als Schnittstelle für die Zusammenarbeit zwischen allen olympischen Akteuren, einschließlich der Athlet: innen, des jeweiligen Organisationskomitees für die Olympischen Spiele und den weiteren olym‐ pischen Partnern wie öffentliche und private Einrichtungen, die Vereinten Nationen (UN) sowie andere internationale Organisationen (IOC 2022b). Ein wesentlicher Unterschied zwischen dem IOC und anderen internatio‐ nalen Sportorganisationen ist die Auswahl und Ernennung der Mitglieder nach dem Kooptationsprinzip. Darüber hinaus erkennt das IOC nur einen internationalen Verband pro Sportart an, der mitverantwortlich für die betreffende Sportart ist und dessen Regelwerk mit der Olympischen Charta in Einklang stehen muss. Dieses sogenannte Ein-Verbands-Prinzip verleiht dem IOC bei der Organisation des olympischen Sportbetriebs eine Mono‐ polstellung, die die einheitliche Bestimmung von Wettkampfregelungen ermöglicht (Eichel 2013; Fechner et al. 2020). Gleichzeitig erkennt das IOC ausschließlich ein Nationales Olympisches Komitee (NOC) pro Land an. In Deutschland nimmt der Deutsche Olym‐ pische Sportbund (DOSB) die Aufgaben des Nationalen Olympischen Ko‐ mitees wahr. Gemäß seiner Satzung obliegt es dem DOSB, den Sport in Deutschland zu fördern, zu koordinieren und ihn in überverbandlichen Angelegenheiten gegenüber der Gesellschaft, dem Staat sowie anderen (Sport-)Institutionen im In- und Ausland zu repräsentieren. Darüber hinaus bestimmt er die Athlet: innen, die an den olympischen Wettkämpfen unter der deutschen Flagge antreten dürfen (Fechner et al. 2020). 26 3 Die Olympische Bewegung <?page no="27"?> Im eigentlichen Sinn sind die Olympischen Spiele Wettkämpfe zwischen Athlet: innen in Einzel- oder Mannschaftswettbewerben, nicht zwischen Ländern (Regel 6.1 Olympische Charta). Die Sommer- und Winterspiele werden - mit Ausnahme der Unterbrechung des herkömmlichen Rhythmus durch die Covid-19-Pandemie - alle zwei Jahre abwechselnd ausgetragen. Das NOC des entsprechenden Gastgeberlandes stellt dabei ein Organisati‐ onskomitee, dem die Organisationsverantwortung über die Olympischen Spiele zukommt (Wassong 2018). Durch die besondere Bedeutung der Olympischen Spiele, sowohl in sport‐ licher als auch in politischer Hinsicht, wird dem IOC als Inhaber aller mit den Olympischen Spielen zusammenhängenden Rechte eine herausgehobene Stellung im internationalen Sport zugeschrieben (Eichel 2013). Aktuell steht der DOSB-Gründungspräsident Thomas Bach als Präsident des IOC an der Spitze der internationalen Sportbewegung (DOSB 2023), der das IOC nach außen und innen repräsentiert (Regel 20 Olympische Charta). Als eines der wichtigsten Organe des IOC neben dem Präsidenten gilt die Session (Vollversammlung der IOC-Mitglieder), die das höchste Entscheidungsorgan darstellt. Sie entscheidet insbesondere über die Anerkennung und den Ausschluss von Internationalen Sportverbänden und NOCs sowie über den Austragungsort der Olympischen Spiele. Weiterhin werden im Rahmen der Session das Exekutivkomitee und der Präsident gewählt. Durch das Recht, die Olympische Charta zu ändern, verfügt die Session über legislative Kompetenz in Bezug auf die gesamte Olympische Bewegung (Preuß 2021). Dem IOC gehören weiterhin Fachausschüsse (Kommissionen) an, die nach Sachgebieten geordnet über anstehende Fragen beraten. Zum Teil werden diese durch externe Experten erweitert. Die Athletenkommission nimmt dabei insofern eine Sonderstellung ein, als dass sie überwiegend aus Athlet: innen besteht, die nicht vom Präsidenten ernannt, sondern von anderen Athlet: innen gewählt wurden (Hofmeister 1974). Zur Verfolgung von Verstößen gegen Regeln der Olympische Charta kann das IOC zudem Disziplinarkommissionen bilden. Die möglichen Sanktionen reichen von Sperren, Disqualifikationen bis zu finanziellen Sanktionen (Regel 59.2 Olym‐ pische Charta). Die Aufgaben des IOC sind in Regel 2 der Olympischen Charta festge‐ schrieben: Sie bestehen darin, sowohl die Ethik im Sport und die Erziehung der Jugend durch Sport zu fördern sowie den Geist des Fairplay in sportli‐ chen Aktivitäten durchzusetzen. Die Tatsache, dass ethische Aspekte noch vor der Organisation und Durchführung der Spiele genannt werden, lässt 3.3 Organisationsstruktur und Aufgaben des IOC 27 <?page no="28"?> darauf schließen, dass die Aufgabe des IOC in erster Linie darin besteht, die Vermittlung von Fairness und Moral zu fördern und ein respektvolles Miteinander sicherzustellen (Wassong 2018). Darauf folgt unter anderem die Aufgabe, den Sport in den Dienst der Menschheit zu stellen, dadurch den Frieden zu fördern und Maßnahmen zu ergreifen, um die Unabhängigkeit und die politische Neutralität der Olympischen Bewegung zu wahren. Auch der Kampf gegen Manipulation von Wettkämpfen und politischen oder kommerziellen Missbrauch des Sports fällt in den Aufgabenbereich des IOC. Ziel ist es außerdem, Initiativen zu fördern, die Sport, Kultur und Bildung miteinander verbinden (IOC 2022a). Das IOC wird vollständig privat finanziert und ist auf Beiträge kom‐ merzieller Partner angewiesen. In Verbindung mit verschiedenen Formen des Sponsorings zählen dabei die Fernsehübertragungen der Olympischen Spiele bzw. die Vermarktung der entsprechenden Medienrechten zu den wichtigsten Einnahmequellen (IOC 2022b). 3.4 Das IOC in der Kritik Wie die vorangegangenen Ausführungen zeigen, ist die Olympische Bewe‐ gung geprägt durch eine stark ideologische, strukturelle, gesellschaftliche, wirtschaftliche, ethische und politische Komplexität. Der Erhalt und die Um‐ setzung ihrer eigenen Zielsetzung gilt als große Herausforderung, der sich das IOC auf den verschiedenen Ebenen stellen muss (Wassong 2018). Beson‐ ders in der jüngeren Vergangenheit konnte sich das IOC dabei nicht immer positiv auszeichnen. Kommerzialisierung, Gigantismus und Profitgier sind Begriffe, die in Bezug auf das IOC immer wieder genannt und diskutiert werden (Hochleitner 2016). Das Fehlen moralischer Kraft wird dabei stark kritisiert. Während sich das IOC als eine demokratische und im Interesse der Athlet: innen handelnde Organisation beschreibt, lässt bereits der Prozess der Auswahl der Führungsebene des IOC nach dem Kooptationsprinzip eine Missachtung demokratischer Grundsätze erkennen. Durch die Umsatzstärke und die strukturelle Komplexität mit gegenseitigen Abhängigkeiten, erge‐ ben sich außerdem Risiken von Machtmissbrauch und Korruption bei der Planung und Durchführung der Olympischen Spiele (Hochleitner 2016). Die Kritik setzt sich in ethisch fragwürdigen Entscheidungen auf operativer Ebene fort, bei denen der IOC dem Druck medialer und wirtschaftlicher 28 3 Die Olympische Bewegung <?page no="29"?> Einflüsse in Bezug auf klimatische oder gesundheitliche Nachteile der Athlet: innen nicht immer standzuhalten scheint. All das hat in den vergangenen Jahren bei den Konsument: innen des olympischen Sports zu Vertrauensverlusten in das IOC geführt. Bemühun‐ gen europäischer Städte, sich für Olympia zu bewerben, stoßen auf Wi‐ derstand seitens der Bevölkerung (Hochleitner 2016; Emrich et al. 2014). Wiederholt wurden die Olympischen Spiele in den vergangenen Jahren daher an Länder vergeben, die von autokratischen Regimen regiert werden oder als defekte Demokratien gelten. Um dem Image-Verlust dennoch ent‐ gegenzuwirken, verstärken internationale Sportverbände, Gastgeberländer und Sponsor: innen ihre Anstrengungen zur Veränderung der öffentlichen Wahrnehmung der Veranstaltung (Starke et al. 2018). Ein Versuch, wieder mehr Glaubwürdigkeit und Vertrauen aufzubauen, ist das 2014 vom IOC entwickelte Positionspapier „Agenda 2020“ bzw. „Agenda 2020+5“. Darin geht es vor allem um Transparenz innerhalb von Bewerbungsprozessen, finanzielle Rahmenbedingungen bei der Austragung Olympischer Spiele, Nachhaltigkeit und den Anti-Doping-Kampf. Auch die Rechte und Pflichten der Athlet: innen sollten zukünftig gestärkt werden (Hochleitner 2016). Gleichzeitig tauchten in der öffentlichen Diskussion jedoch Stimmen auf, die der Agenda das Außerachtlassen demokratischer Rechte und staatlicher Gesetze vorwerfen (Zeyringer 2016). 3.5 Bekenntnis zu Menschenrechten Viele Herausforderungen und Problemstellungen des Sports stehen in Verbindung zu Menschenrechten. Dazu gehören z. B. Fälle von Diskrimi‐ nierung, schwierige Rahmenbedingungen in Austragungs- oder Teilneh‐ merländern, Doping oder die Einschränkungen von Meinungsäußerungen der Athlet: innen im Wettkampfumfeld. In den vergangenen Jahren fanden Menschenrechte in Sport und in der Sportpolitik vermehrt Beachtung. International wird von einflussreichen Organisationen des Sports zuneh‐ mend eine Sorgfaltspflicht in Bezug auf Menschenrechte eingefordert. Als Ausgangspunkt gelten dabei die UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte (UNGP). In den UNGP werden Unternehmen dazu ange‐ halten, die Universalität der Menschenrechte anzuerkennen und menschen‐ rechtliche Sorgfalt in ihre Geschäftstätigkeit aufzunehmen (Zentrum für Menschenrechte und Sport e.-V. 2023b). 3.5 Bekenntnis zu Menschenrechten 29 <?page no="30"?> Das IOC setzt sich mit der Verfassung der Olympischen Charta einen normativen Rahmen für ein verantwortungsvolles und grundsätzlich men‐ schenrechtskonformes Handeln: „Ziel des Olympismus ist es, den Sport in den Dienst der harmonischen Entwicklung der Menschheit zu stellen, um eine friedliche Gesellschaft zu fördern, die der Wahrung der Menschen‐ würde verpflichtet ist“ (Olympische Charta: Nr. 2 der fundamentalen Prin‐ zipien des Olympismus). Ferner wird in den grundlegenden Prinzipien des Olympismus auf die Ausübung von Sport als Menschenrecht hingewiesen. Demnach muss jeder Mensch die Möglichkeit zur Ausübung von Sport ohne Diskriminierung jeglicher Art und im olympischen Geist haben […]“, was ein „gegenseitiges Verstehen im Geist von Freundschaft, Solidarität und Fairplay“ voraussetzt (Prinzip Nr. 4). In Grundprinzip Nr. 6 wird die Unver‐ einbarkeit von Diskriminierung „eines Landes oder einer Person aufgrund von Rasse, Religion, Politik, Geschlecht oder aus sonstigen Gründen“ mit der „Zugehörigkeit zur Olympischen Bewegung“ explizit betont. Im Rahmen des 2014 vom IOC entwickelten Positionspapiers „Agenda 2020“, später ergänzt durch „Agenda 2020+5“, verpflichtet sich das IOC darüber hinaus, die Achtung der Menschenrechte innerhalb seines täglichen Handelns zum Tragen zu bringen. Hierzu hat das IOC jüngst einen strategi‐ schen Rahmen mit verschiedenen Aktionsfeldern formuliert (IOC Strategic Framework on Human Rights 2022). Im Zuge dessen sollen Menschenrechte auch bei der angekündigten Reform der Olympischen Charta einen stärke‐ ren Niederschlag als bisher finden. Beabsichtigt ist zudem, die Rechte und Pflichten von Athlet: innen zu stärken, einschließlich einer Überprüfung der Regel 50.2 für Meinungsäußerungen von Athlet: innen im olympischen Wettkampfumfeld (IOC: Annual Report 2022). Auch in den Auswahlverfahren für die Austragungsorte sowie insbeson‐ dere in den Host-Verträgen des IOC mit den Ausrichtern Olympischer Spiele nimmt das Thema der Menschenrechte inzwischen - anders als noch bei den Olympischen Spielen 2022 in Peking (IOC: Host City Contract XXIV Olympic Winter Games in 2022) - einen exponierteren Platz ein. In den Host-Verträgen mit den Ausrichtern findet sich nunmehr eine ausdrückliche Menschrechtsklausel, die die Ausrichter zur Einhaltung von Menschen‐ rechtsprinzipien und zur Entwicklung einer Menschenrechtsstrategie mit entsprechenden Aktionsplänen verpflichtet (IOC Strategic Framework on Human Rights 2022, S. 30; IOC: Host Contract Principles. Games of the XXXIII Olympiad 2024, Ziff. 13.2; IOC: Olympic Host Contract Principles of the XXXV Olympic Games 2032, Ziff. 13.2; zu deren Umsetzung Aktions‐ 30 3 Die Olympische Bewegung <?page no="31"?> pläne zu entwickeln sind IOC: Host City Contracts Requirements XXXIIII Olympiad; Host City Contract Requirements XXXV Olympic Games). Für die Jugend-Olympiade 2024 in Gangwon (Südkorea) hat zudem erstmals ein eigens gebildetes Menschenrechtskomitee eine Human Rights Charta beschlossen (IOC: Annual Report 2022). Darüber hinaus sollen bei der künftigen Vergabe und Durchführung von Olympischen Spielen Menschen‐ rechtsfragen insgesamt eine größere Rolle spielen. Trotz der in verschiedener Hinsicht erkennbaren Aktivitäten des IOC zugunsten einer stärkeren Berücksichtigung von Menschenrechten in den Auswahlverfahren und Host-Verträgen mit den Ausrichtern, die u. a. in der stärker werdenden Kritik der vergangenen Jahre begründet sein mag, ist eine umfassende und unabdingbare Selbstbindung des IOC an Menschenrechte weiterhin nicht erkennbar. Sie brächte aus Sicht des IOC auch das Dilemma mit sich, dass eine Vielzahl von (autoritären) Staaten dann von vornherein nicht mehr als Austragungsort Olympischer Spiele in Betracht käme. Es ist davon auszugehen, dass Menschenrechte daher nur ein Punkt auf einer Liste von mehreren Auswahlkriterien zur Vergabe von Olympischen Spielen sein dürften. 3.6 Sportgroßereignisse als Medienereignis Die Olympischen Spiele können als eines der größten Medienereignisse der Welt bezeichnet werden (Billings et al., 2018; Roche, 2006). Die Sommer- und Winterspiele sowie die Paralympics erreichen nach wie vor hohe Zu‐ schauerzahlen. Internationale, aber auch nationale TV-Sender tätigen große Investitionen, um die Olympischen Spiele auf den verschiedenen Medienka‐ nälen zu übertragen. In jüngerer Zeit stand vor allem die Digitalisierung im Fokus. Die Auswirkungen von sozialen Medien, neuen Medienplattformen oder Streamingdiensten im Zusammenhang mit einem geänderten Medien‐ nutzungsverhalten verändern auch die bisherigen Mechanismen, die sich vor allem auch im Konzept von Owned-Media zeigen (vgl. Seeger et al. 2023). Bei der medialen Darstellung von Sportereignissen spielen neben der sportlichen Berichterstattung über die Wettkämpfe immer häufiger auch weitere Themenfelder, z. B. der Politik eine Rolle. Dabei werden große Teile der Kommunikationsarbeit von den Massenmedien erbracht, die ihre „Infor‐ mationen dauerhaft an ein großen, unabgeschlossenes Publikum verbreiten“ (Strohmeier 2004, S. 27). Der Sport stellt für die Medien ein unverzichtbares 3.6 Sportgroßereignisse als Medienereignis 31 <?page no="32"?> Ressort dar, das von breiten Bevölkerungsschichten verfolgt wird und eine hohe Publikumsnachfrage generiert, welche wiederum für ökonomische Ziele eingesetzt werden können. Man kann - zumindest im Spitzensport - deshalb von einer intersystemischen Beziehung zwischen Sport, Medien, Wirtschaft und Politik sprechen, deren Basis immer die rezipientenseitige Nachfrage ist. Grundlage dieses dynamischen Entwicklungsprozesses ist die zunehmende Ökonomisierung des Sports, aber auch die Kommerzialisierung der Mediensysteme (Schwier/ Schauerte 2008; Bertling 2009). Diese Prozesse begünstigen zudem eine stärkere Ausrichtung auf unterhaltende Elemente in der Sportberichterstattung (Bertling 2009; Schultz/ Arke 2015). Sportgroßereignisse, wie die Olympischen Spiele, haben sich in den vergangenen Jahren auch deshalb immer mehr zu Unterhaltungsprogram‐ men entwickelt, den Sport und Medien für sich zu nutzen wissen (Bert‐ ling/ Schierl, 2020). So liegt die Zahl der Fernsehzuschauer: innen meist deutlich über der Zahl der Vor-Ort-Zuschauer: innen. Heinecke (2014) kommt daher zu dem Schluss, dass Sport immer weiter von den Medien durchdrungen wird, wie dies auch in der Mediatisierungstreppe (Vowe/ Dohle 2018) zu erkennen ist. Dieser Prozess hat sich vor allem während der COVID-19-Pandemie gezeigt, wie u. a. bei den Olympischen Sommerspielen 2021 in Tokio zu erkennen war, und hat in der nachpandemischen Ära weiterhin Bestand. Die Berichterstattung über Sport sichert den Medien nicht nur Einschalt‐ quoten und Zuschauer, sondern schafft auch eine Verknüpfung zwischen Wirtschaft, Sport und Medien, da die Interessen dieser Bereiche sich gegen‐ seitig überschneiden. Ein Vorteil dabei ist, dass der Sport kontinuierlich aktualisierte Inhalte liefert, über die langfristig berichtet werden kann (Loo‐ sen 2004). Die Berichterstattung über Sportgroßereignisse hat Ähnlichkeit mit der alltäglichen Sportberichterstattung. Die Berichterstattung über den Sport und insbesondere Sportgroßveranstaltungen hat eine Relevanz, die die Medien dazu auffordert, auch über politische Hintergründe zu berichten. Allerdings zeigt sich auch in der Berichterstattung über Massenmedien, dass Hintergrundberichterstattung, politische Themen oder kontrovers disku‐ tierte Aspekte im Zusammenhang mit dem Ausrichterland oder gesellschaft‐ liche Themen eher im Vorfeld zu den sportlichen Wettkämpfen stattfinden und nicht während der Austragung der eigentlichen Spiele (Beck 2017). Nach Beginn der sportlichen Wettkämpfe findet eine kritische Berichterstattung kaum mehr - oder zumindest deutlich reduziert-- statt. 32 3 Die Olympische Bewegung <?page no="33"?> Neben den Sportler: innen selbst nutzen auch Trainer: innen und Funktio‐ när: innen immer häufiger die mediale Aufmerksamkeit, um sich selbst und den Sport durch eine möglichst positive Berichterstattung zu inszenieren. Gerade die Ausrichter einer Sportgroßveranstaltung haben eine hohe Er‐ wartung an die mediale Berichterstattung, um positiv wahrgenommen zu werden und Assoziationen mit dem Ausrichterland im eigenen Sinne zu be‐ einflussen (Schallhorn 2017). Besonders deutlich wird dies beispielsweise bei der Eröffnungsfeier von Olympischen Spielen, die geradezu vor Symbolik und Botschaften trotzt, und bei der die mediale Reichweite bewusst genutzt wird, um intendierte Botschaften zu platzieren. Sportveranstaltungen sind dabei zu mediatisierten Ereignissen geworden und werden auch mediengerecht organisiert (Strohmeier 2004). Es ist des‐ halb nachvollziehbar, dass die beteiligten Akteure gerne die Deutungshoheit in den Medien behalten wollen und die Absicht besteht, möglichst positive Akzente in den Medien zu setzen. Zwar haben auch in der Vergangenheit die Massenmedien immer wieder investigativ recherchiert und über kritische Themen mit einer journalistischen Professionalität berichtet, was aber - im Sinne der Ausrichter und des IOC - einigermaßen kalkulierbar war. Im Zuge der Individualisierung der digitalen Medien wird die individuelle Meinungsäußerung von Athlet: innen oder anderen Stakeholdern über so‐ ziale Netzwerke häufiger zu beobachten sein. Klassischerweise haben die Massenmedien den notwendigen Einfluss, um über die Berichterstattung Einfluss auf Entscheidungen oder die öffentliche Meinung zu nehmen. Dies ist in der Vergangenheit auch über die Berichterstattung in den Qualitäts‐ medien erfolgt. Das Publikum hat ein gesteigertes Interesse an Hintergrundinformatio‐ nen über den Sport hinaus. Immer häufiger besteht eine große Nachfrage nach Umweltthemen, sozialen und gesellschaftlichen Themen wie Rassis‐ mus oder Diskriminierung. 3.6 Sportgroßereignisse als Medienereignis 33 <?page no="35"?> 4 Proteste und Meinungsäußerungen von Athlet: innen Athlet: innen wird aufgrund ihrer Medienpräsenz eine große gesellschaftli‐ che Vorbildfunktion zugeschrieben (Mensing 2019). Eine Umfrage der EBS Universität (European Business School) aus dem Jahr 2011 zeigt, dass die befragten Personen den Athlet: innen einen mittleren bis hohen Einfluss beimessen. Die Sportler: innen sind demnach eine Orientierungshilfe für gesellschaftskonformes Verhalten, gefolgt von der Funktion als Identifika‐ tionsfigur und dem Engagement in sozialen Projekten (Statista Research Department 2011). Zur Stärkung der Identifikation mit den Sportler: innen können dabei öffentliche Meinungsäußerungen oder auch Proteste beitra‐ gen. Vor allem wenn diese im Rahmen einer großen Öffentlichkeit, in der Regel bei Sportgroßveranstaltungen, geäußert werden. 4.1 Merkmale und Formen sportbezogenen Protests „Protest“ kann zunächst als eine öffentliche, oft spontane und temperament‐ volle Bekundung des Missfallens oder der Ablehnung definiert werden (Duden 2022). Das Ziel öffentlicher Proteste ist es meist, allgemeine Auf‐ merksamkeit zu wecken, Zustimmung zu finden und Unterstützung für das eigene Anliegen zu erlangen. Eine Sonderform stellt dabei der sportbezogene Protest dar. In einem sportlichen Kontext stehen meist politische oder sozial motivierte Meinungsäußerungen und Aktionen im Vordergrund. Dabei geht es häufig um den öffentlichen Einspruch gegen bestehende Verhältnisse oder geplante politische Vorhaben und Entscheidungen (Mittag 2011). Man kann zwei Arten von Protesten im Sport unterscheiden: Zum einen Protestereignisse, bei denen es im engeren Sinne nicht um sportliche Inter‐ essen geht, sondern der Sport vielmehr als Plattform für politischen oder sozialen Protest dient. Hierzu zählen beispielsweise Proteste in Bezug auf Menschenrechte (z. B. die Isolierung von Südafrika während der Apartheid), religiös motivierte Proteste, sozial motivierte Solidarisierungen (z. B. bei Massenentlassungen im Bergbau) oder nationale Boykotte (z. B. westlicher Staaten der Olympischen Sommerspiele in Moskau 1980). Andererseits gibt es den Protest, bei dem sportliche Interessen im Zentrum stehen und der <?page no="36"?> Anlass des Protests unmittelbar mit Sport verbunden ist, wie z. B. Streiks von Profisportler: innen zur Durchsetzung besserer Bedingungen oder Fa‐ naktivitäten gegen Kommerzialisierungstendenzen (z. B. Fanproteste gegen den Abbau von relativ günstigen Stehplätzen zugunsten teurer Sitzplätze in Fußballstadien) (ebd.). Zu den Hauptakteuren sportbezogenen Protests zählen Anhänger: innen und Sportler: innen, wohingegen sich die Aktivitäten von Vereinen und Verbänden eher auf formale Konfliktregulierungsmechanismen konzentrie‐ ren (Hangebrauck 2020; Mittag 2011). Mit dem Bedeutungszuwachs von Online-Medien für die öffentliche Meinungsbildung haben sich zudem neue Formen des Protests ergeben. So spielen vor allem soziale Netzwerke eine immer größere Rolle, wenn es um Meinungsäußerungen von Sportler: innen geht. 4.2 Medienvermittelte Proteste Aufgrund des medialen Aufmerksamkeitswerts von Sportgroßveranstaltun‐ gen wie der Olympischen Spiele, der das Einflusspotenzial von Athlet: innen auf Rezipient: innen überhaupt ermöglicht, sollten im Hinblick auf die politi‐ sche Dimension von Sportereignissen auch kommunikationswissenschaft‐ liche Erkenntnisse berücksichtigen werden (Ihle 2017). Die Entwicklung des Sports zu einem bedeutsamen gesellschaftlichen Ereignis, das für eine funktional immer stärker ausdifferenzierte Gesellschaft ein gemeinsames Identifikationspotenzial bietet, stellt Anlass, Ort und Bezugspunkt für ge‐ sellschaftliche Kommunikation dar (Mittag 2021). Als ein in diesem Zusammenhang besonders relevanter kommunikati‐ onswissenschaftlicher Ansatz gilt die Agenda-Setting-Theorie. Sie wurde erstmals 1972 durch Maxwell McCombs und Donald Shaw aufgestellt und untersucht. Der Grundgedanke der Theorie ist es, dass die Berichterstat‐ tung der Massenmedien einen Einfluss auf die Aufmerksamkeit und die Wahrnehmung des Publikums zu bestimmten Problemen hat. Berichten Medien also intensiv über ein bestimmtes Thema, nehmen die Rezipient: in‐ nen es auch verstärkt als wichtiges Thema wahr und beeinflussen somit die Relevanz und den öffentlichen Diskurs darüber (Bonfadelli/ Friemel 2017). Demzufolge zeigen Ergebnisse aus Studien zum Länderimage nach Sportgroßereignissen beispielsweise, dass die Fernsehzuschauer: innen die politischen Probleme oder gesellschaftlichen und sozialen Defizite eines 36 4 Proteste und Meinungsäußerungen von Athlet: innen <?page no="37"?> Ausrichterlandes durch entsprechende Berichterstattung bewusster wahr‐ nehmen (Schallhorn 2020). Darüber hinaus wird durch die Massenmedien vorzugsweise über Er‐ eignisse und Themen berichtet, die mit prominenten Personen aus unter‐ schiedlichsten Interessengruppen verbunden sind. Bei Äußerungen von Sportler: innen zu politischen oder gesellschaftsrelevanten Themen bestehen demnach - vor allem ihm Rahmen von Sportgroßveranstaltungen - große Chancen, dass diese medien- und öffentlichkeitswirksam sind (Maurer 2017). Neben journalistischen Nachrichtenmedien, die eine zentrale Funktion im Agenda-Setting-Prozess tragen, spielen auch soziale Netzwerke eine immer größere Rolle für die politische Kommunikation, da über diese Einzelpersonen, wie z. B. Sportler: innen, gegenüber einer großen Zahl von Menschen direkt in Konkurrenz zu den Agenden anderer Medien oder Kommunikatoren treten sowie diese oder die Öffentlichkeit möglicherweise beeinflussen können, was zusätzlich die Relevanz von sozialen Medien für den sportbezogenen Protest von Athlet: innen erklärt. 4.3 Ausgewählte Beispiele Proteste haben im Sport bereits eine lange Tradition: Die Olympischen Spiele von Mexiko im Jahr 1968 liefern eines der bekanntesten Beispiele, bei dem Athlet: innen die Spiele als Protestplattform nutzten. Mit dem Symbol der Black-Power-Bewegung, einem über die rechte Faust gezogenen schwarzen Handschuh und erhobenem Arm, machten die beiden Sprint-Me‐ daillengewinner John Carlos und Tommie Smith bei der Siegerehrung auf Rassismus und die Unterdrückung der afroamerikanischen Gesellschaft in den Vereinigten Staaten aufmerksam. Das IOC schloss die beiden Athleten daraufhin wegen Respektlosigkeit gegenüber der Nationalhymne, die wäh‐ rend der Ehrung gespielt wurde, von den Olympischen Spielen aus, wodurch sie auf entsprechende Fördergelder verzichten mussten. Der Protest erregte weltweites Aufsehen und wurde erst Jahrzehnte später als Beitrag zur Gleichberechtigung anerkannt (Mittag 2011). Ein weiterer Beleg dafür, dass die Aufmerksamkeit für eine Protestaktion durch den Faktor Prominenz deutlich gesteigert werden kann, zeigt die Geschichte des US-Boxers Muhammad Ali. Nach seinem Goldmedaillen-Ge‐ winn bei den Olympischen Spielen 1960 galt er als einer der populärsten 4.3 Ausgewählte Beispiele 37 <?page no="38"?> Sportler: innen der Vereinigten Staaten. Entsprechend großes Aufsehen erregte er demnach, als er 1964 den Militärdienst in Vietnam verweigerte, woraufhin ihm nicht nur sein Weltmeistertitel aberkannt, sondern auch die Boxlizenz entzogen wurde. Erst 1971 wurde das Gerichtsurteil wieder aufgehoben. Obwohl es sich bei der Kriegsdienstverweigerung nicht um einen inszenierten Protest handelte, wurde Mohammed Ali damit zu einer Symbolfigur der afroamerikanischen Protestbewegung in den USA (ebd.). Später sind es vor allem Protestaktivitäten für Demokratiebewegungen, die im Sportumfeld für Schlagzeilen sorgen. Als im Jahr 2009 mehrere iranische Fußballnationalspieler in einem WM-Qualifikationsspiel grüne Schweißbänder trugen, um sich damit für den heimischen Oppositionsfüh‐ rer und die mit ihm verbundene Demokratiebewegung zu bekennen, wurden sie mit Sanktionen des eigenen Verbands konfrontiert (Mittag 2011). Große Aufmerksamkeit erregten in jüngster Vergangenheit auch die US-Sportler: innen Megan Rapinoe (Fußball) und Colin Kaepernick (Ameri‐ can Football), die sich in Form eines Kniefalls während der Nationalhymne gegen Rassendiskriminierung und Polizeigewalt positionierten (Zeit Online 2016). 4.4 Auswirkungen sportbezogenen Protests Aus der bisherigen Forschung resultieren bereits einige Thesen zur Wirk‐ samkeit sportbezogenen Protests: Da es sich bei Sport um ein universales Phänomen handelt, wird sportbezogener Protest von besonders vielen Menschen wahrgenommen und hat das Potenzial, zahlreiche Menschen zu erreichen, die sich sonst nicht besonders für politische und soziale Themen interessieren. Er gilt demnach als sehr effektiv und wirkungsvoll. Die Haltung gegenüber einem solchen Protest ist meist subjektiv und abhängig von der persönlichen politischen Einstellung. Darüber hinaus wird ange‐ nommen, dass sportbezogener Protest als gesellschaftlich-politisches „Früh‐ warnsystem“ (Hangebrauck 2020, S. 48) dienen kann, indem er bestehende soziale und politische Missstände aufzeigt. Auf Grundlage von Interviews mit politisch engagierten Athlet: innen konnten außerdem Dimensionen des Sports identifiziert werden, die gleichzeitig in der Gesellschaft präsent sind und somit beide Systeme verbinden. Demnach kann der Sport als Anreiz für sozialen Wandel dienen (Hangebrauck 2020; Mensing 2019). 38 4 Proteste und Meinungsäußerungen von Athlet: innen <?page no="39"?> Wie die aufgeführten Beispiele zeigen, können die Konsequenzen, die Athlet: innen in Folge ihrer Proteste zu erwarten haben, gravierend sein. Die Monopolstellung von Verbänden führt zu einer Machtposition mit starkem Gefälle gegenüber den Sportler: innen (Zeyringer 2021). Dabei reichen die Auswirkungen von der Druckausübung bis hin zu konkreten Sanktionen, durch Lizenzentzug, Kürzung oder Streichung von Fördermitteln bis hin zum Ausschluss von Wettbewerben. Sanktionen im Sinne einer Disqualifi‐ kation können der Karriere der Sportler: innen ernsthaft schaden. Zwar existieren verbandsinterne Rechtsschutzmöglichkeiten, dennoch riskieren Sportler: innen in einigen Fällen ihren Beruf, wenn sie sich mit dem Verband überwerfen (Fechner et al. 2020). Für die Athlet: innen ist es meist der Höhepunkt in ihrer sportlichen Karriere, an Großveranstaltungen wie den Olympischen Spielen teilnehmen zu können. Viele nehmen dafür körperliche, soziale und finanzielle Belas‐ tungen auf sich. Ihre Erfolge können sie in das Zentrum der öffentlichen Aufmerksamkeit rücken und ihre Vermarktungs- und Einnahmemöglich‐ keiten erhöhen (Starke et al. 2018; Krüger 2021). In dieser finanziellen Ab‐ hängigkeit liegt ein weiterer möglicher Grund, weshalb viele Athlet: innen von der Äußerung persönlicher Ansichten, die möglicherweise nicht vom entsprechenden Werbepartner unterstützt werden oder aufgrund möglicher Kritik unerwünscht sind, absehen. Auch die fundamentale Angst vor sozialer Ablehnung (Neubaum et al. 2019) kann eine Ursache für die Zurückhaltung vieler Sportler: innen sein. Diesen negativen Folgen für Athlet: innen stehen jedoch auch posi‐ tive Auswirkungen von Meinungsäußerungen gegenüber: Forschungser‐ gebnisse lassen vermuten, dass politische Positionierungen von Profisport‐ ler: innen einen deutlich positiven Einfluss auf deren Image haben können. Dies zeige sich besonders stark, wenn sich die Athlet: innen kritisch äußern, was darauf hindeutet, dass sich Sportrezipient: innen mündige Sportler: in‐ nen durchaus wünschen (Mensing 2019). 4.4 Auswirkungen sportbezogenen Protests 39 <?page no="41"?> 5 Meinungsfreiheit im internationalen Spitzensport So wie die Ausübung von Sport selbst ein Menschenrecht ist (IOC: Funda‐ mental Principle Nr. 4 of Olympism), kommt der Geltung von Menschen‐ rechten im Spitzensport auch im Übrigen eine fundamentale Rolle zu. In den vergangenen Jahrzehnten fanden Menschenrechte in Sport und Sportpolitik vermehrt Beachtung. Anlass hierfür war die lange zunehmende, zuletzt aber auch schwieriger gewordene Integration von Menschenrechten in verschiedene internationale Politikbereiche. Für die Sportpolitik sind dabei insbesondere die Organisation der Vereinten Nationen für Bildung, Wissenschaft und Kultur (UNESCO), der UN-Menschenrechtsrat und in Europa zusätzlich der Europarat zu nennen. Eine Gruppe von Nichtregie‐ rungsorganisationen (NGOs) und Athletenvertretungen hat sich zudem zur „Sport & Rights Alliance“ für die Stärkung von Menschenrechten im Sport zusammengeschlossen (Zentrum für Menschenrechte und Sport e. V. 2023a). Wie in Kapitel 3.5 ausgeführt, wird dem IOC eine menschenrechtliche Verantwortung zugeschrieben. Im Folgenden sollen daher zunächst die für den Geltungsumfang von Menschenrechten im internationalen Kontext, im internationalen Spitzensport und bei Olympischen Spielen relevanten Rechtsgrundlagen aufgezeigt werden. Im Mittelpunkt steht dabei das Recht auf freie Meinungsäußerung, seine weltweite Bedeutung und Durchsetzung sowie die zugehörigen Schranken. Aus ihnen ergeben sich aktuelle Heraus‐ forderungen für internationale Sportverbände und -wettbewerbe, zu denen auch der Konflikt rund um die Zulässigkeit politischer Meinungsäußerun‐ gen von Athlet: innen - nicht zuletzt und vor allem bei den Olympischen Spielen - zählt. Auch wenn die Autonomie der Sportverbände Ausdruck von Freiheitsprin‐ zipien und eine unabdingbare Voraussetzung für die Organisation weltweiter, auf dem Prinzip von Fairness und Gleichbehandlung fußenden Sportwettbe‐ werben ist, kann sie in Bezug auf Menschenrechte Probleme verursachen. Vor allem dann, wenn die autonom durch die Verbände erlassenen Verbands‐ richtlinien oder Maßnahmen in Konflikt mit zwischenstaatlichem und staat‐ lichem Recht stehen. Um die Frage der Bindung an Menschenrechte und die hervorgehobene Meinungsfreiheit seitens des IOC und ihre Geltung im <?page no="42"?> 2 Jedenfalls soweit man die AEMR nicht - was von entscheidenden Akteuren abgelehnt wird - als völkerrechtlich verbindliches Gewohnheitsrecht anerkennt. Rahmen Olympischer Spiele zu beantworten, sind dabei insbesondere die internationalen Grundlagen der Menschenrechte und Meinungsfreiheit, die rechtlichen Bezüge des IOC zu zwischenstaatlichem und staatlichem Recht, die rechtliche Einbettung des IOC in das Sitzlandrecht der Schweiz sowie das Rechtssystem des Austragungsstaates der Olympischen Spiele zu betrachten. 5.1 Internationale Dimension der Menschenrechte Die Meinungsfreiheit zählt zu den ältesten und bedeutendsten Menschrech‐ ten. Menschenrechte fußen auf der aufklärerischen Idee unveräußerlicher, universeller und fundamentaler Rechte von Individuen, die neben Gleich‐ heit vor allem individuelle - und damit auch gesellschaftliche - Freiheit garantieren. Sie sind kein seitens von Staaten oder Herrschenden gewährtes Privileg, sondern gelten von Beginn an, aus sich heraus und als grundle‐ gendes Prinzip, jederzeit sowie überall, und können niemandem entzogen werden. Alle Staaten haben sie in ihrer Rechtsordnung und über Gerichte zu gewährleisten und zu schützen. Weltweiten Ausdruck fand diese Zielsetzung erstmals nach Ende und unter dem Eindruck der fürchterlichen Verbrechen des Zweiten Weltkriegs 1948 in der von der Generalversammlung der Vereinten Nationen angenommenen und bis heute grundlegenden „Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte“ (AEMR). Die Idee unveräußerlicher Menschenrechte stößt - ebenso wie die Zielsetzung der AEMR - in der Realität auf erhebliche Schwierigkeiten: Entgegen ihrem ideengeschichtlichen, ubiquitären und universellen Selbst‐ verständnisses sind Menschenrechte in der weltweiten Rechtspraxis nicht vollständig anerkannt. Auch wenn in den letzten fast 80 Jahren nach Ende des Zweiten Weltkrieges erhebliche Fortschritte erzielt wurden, existieren weiterhin gewichtige Schutzlücken. So kommt der AEMR, soweit Staaten diese nicht in ihre Verfassungen übernommen oder als innerstaatliches Recht anerkannt haben, keine umfassende Verbindlichkeit zu (Bundeszen‐ trale für politische Bildung 2018). Daher setzte die AEMR von 1948 eher ein weltpolitisches Ziel im Sinne eines zu erreichenden Ideals, als das sie einen völkerrechtlich verbindlichen und weltweiten Mindeststandard an Menschenrechten schafft. 2 42 5 Meinungsfreiheit im internationalen Spitzensport <?page no="43"?> Für die Frage einer völkerrechtlichen Verbindlichkeit von Menschenrech‐ ten bedeutsamer ist daher der 1966 von der Generalversammlung der UN beschlossene und 1976 in Kraft getretene „Internationale Pakt über bürgerliche und politische Rechte“ (UN-Zivilpakt), welcher durch den zur gleichen Zeit erklärten „Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte“ (UN-Sozialpakt) ergänzt wird. Während sich der UN-Sozialpakt der verbindlichen Schaffung wirtschaftlich-sozialer Rechte wie der Berufsfreiheit und sicherer Arbeitsbedingungen widmet, garantiert der UN-Zivilpakt grundlegende Menschenrechte wie das Recht auf Leben, persönliche Freiheit und - in Art. 19 - den Schutz der Meinungsfreiheit. Die überwiegende Zahl aller Staaten hat den UN-Zivilpakt ratifiziert und für sich als verbindlich anerkannt. Allerdings gibt es auch einige gewichtige Staaten, wie China, Saudi-Arabien, Kuba und Nordkorea, die eine völkerrechtliche Verbindlichkeit des UN-Zivilpakt ablehnen oder ihn bisher nicht anerkannt haben (UN Treaty Collection, Chapter IV.4). In Bezug auf den IOC von Bedeutung ist noch, dass die Schweiz, als Sitzland des IOC, den UN-Zivilpakt - ebenso wie alle EU-Staaten - ratifiziert hat und damit an ihn gebunden ist (Schweizerische Eidgenossenschaft: UN-Zivilpakt 2022). Wichtig im hier interessierenden Zusammenhang ist zudem das ergän‐ zende Erste Fakultativprotokoll zum UN-Zivilpakt: Es eröffnet die Möglich‐ keit von Individualbeschwerden zum UN-Menschenrechtsausschuss, soweit die ratifizierenden Staaten ihre menschenrechtlichen Verpflichtungen aus dem UN-Zivilpakt verletzen. Auch wenn nicht alle an den UN-Zivilpakt gebundenen Staaten das Erste Fakultativprotokoll ratifiziert haben, sind es insgesamt doch deutlich mehr als hundert. Zu diesen zählt die überwiegende Zahl europäischer Staaten (s. UN Treaty Collection, Chapter IV.5). Die Schweiz als Sitzland des IOC hat das Erste Fakultativprotokoll hingegen nicht für sich als verbindlich anerkannt (Schweizerische Eidgenossenschaft: UN-Zivilpakt 2022). Auch wenn sich beachtliche Teile der Welt über den UN-Zivilpakt ei‐ ner Bindung an Menschenrechte und den Beschwerdemöglichkeiten zum UN-Menschenrechtsausschuss unterworfen haben, bleibt die Durchsetzung in der Praxis eine Herausforderung: Angesichts einer beachtlichen Zahl autoritärer Staaten, die ihren aus dem UN-Zivilpakt folgenden Verpflichtun‐ gen nicht oder nur unzureichend nachkommen, oder - wie die bedeutende Wirtschaftsmacht China - diesen gar nicht erst ratifiziert haben, sind Men‐ schenrechte in bedeutenden Teilen der Welt „eine anzustrebende Utopie von einer Welt in Gleichheit, Gerechtigkeit und Frieden“ (Zentrum für 5.1 Internationale Dimension der Menschenrechte 43 <?page no="44"?> Menschenrechte und Sport e. V. 2023c). Hinzukommt, dass die Umsetzung von Menschenrechten und deren Schutz in den einzelnen Staaten sehr unterschiedlich ausfallen kann und sie nicht selten in unangemessener Konkurrenz zu anderen staatlichen Zielen stehen, obwohl das Primat der Menschenrechte an sich außer Frage steht. 5.2 Europäische Dimension der Menschenrechte In weiten Teilen Europas ist die Menschenrechtssituation insgesamt eindeu‐ tiger und gefestigter. Sie in den Blick zu nehmen, ist für die Meinungsfreiheit von Athlet: innen bei Olympischen Spielen von Relevanz, da Sitzland des IOC die Schweiz ist. Von größter Bedeutung für den Menschenrechtsschutz in Europa ist der 1949 gegründete „Europarat“, der eine eigene, außerhalb der Europäischen Union stehende internationale Organisation ist. Mit der ein Jahr nach seiner Gründung beschlossenen „Europäischen Menschenrechts‐ konvention“ (EMRK) hat der Europarat einen eigenen Menschrechtsstan‐ dard geschaffen. An diesen sind alle 46 Mitgliedstaaten des Europarats, einschließlich aller EU-Staaten sowie viele weitere europäische Staaten einschließlich der Türkei gebunden. Nur wenige europäische Staaten gehö‐ ren ihm nicht (mehr) an: So sind Weißrussland und der Vatikanstaat nie Mitglieder gewesen (Europarat: Unsere Mitglieder 2023). Russland hat seine, seit 1996 bestehende Mitgliedschaft im Zuge des Überfalls auf die Ukraine im März 2022 verloren bzw. zurückgegeben und ist damit aus dem Geltungsbe‐ reich der EMRK ausgeschieden (Europarat: Russische Förderation 2022). Die Schweiz als Sitzland des IOC ist hingegen Mitglied des Europarats und an die EMRK gebunden (Schweizerische Eidgenossenschaft: EMRK und EGMR 2023). Für den Menschenrechtsschutz und den Schutz der Meinungsfreiheit im Speziellen kommt dem Europarat vor allem deshalb eine besondere Bedeutung zu, da unter seinem Dach mit dem im Jahr 1959 gegründeten „Europäischen Gerichtshof für Menschenrecht“ (EGMR) ein wirkmächtiges Gericht für den Schutz von Menschenrechten zur Verfügung steht. Mit einer im Jahr 1998 in Kraft getretenen großen Reform wurde er in ein mit hauptberuflichen Richtern besetztes, permanent tagendes und jeder‐ mann offenstehendes Gericht umgewandelt. Vor diesem können Einzelper‐ sonen, Personengruppen und nicht-staatliche Organisationen unmittelbare Individualbeschwerden gegen jegliche Verletzung ihrer in der EMRK ge‐ 44 5 Meinungsfreiheit im internationalen Spitzensport <?page no="45"?> schützten Menschenrechte erheben. Die Entscheidungen des Europäischen Menschengerichtshofs, der für sich in Anspruch nimmt, einen an der Praxis orientierten, effektiven Rechtsschutz zu gewährleisten (z. B. EGMR, Urt. v. 13.051980, 6694/ 74, Ziffer 33), sind von den Mitgliedstaaten des Europarats als verbindlich anzuerkennen und umzusetzen. Seit seiner Aufwertung hat der EGMR eine Vielzahl bedeutender Entscheidungen - nicht zuletzt für die in Art. 10 EMRK niedergelegte Meinungsfreiheit - getroffen (Europarat: EGMR). Innerhalb der Europäischen Union (EU) garantiert zusätzlich die „EU-Charta der Grundrechte“ (EU-Charta) einen umfassenden Grundrechts‐ schutz, deren Katalog an Grundrechten über die EMRK hinausgeht. Auch die EU-Charta gewährleistet in Art. 11 einen Schutz der Meinungsfreiheit, welcher grundsätzlich im Sinne von Art. 10 EMRK zu verstehen und auszu‐ legen ist (Art. 52 Abs. 3 EU-Charta). Die EU-Charta bindet sämtliche Organe der EU sowie der EU-Mitgliedstaaten, soweit diese EU-Recht umsetzen oder anwenden (Art. 51 EU-Charta). Im Gegensatz zur EMRK sind die Grundrechte aus der EU-Charta allerdings nicht in einem individuellen Beschwerdeverfahren einklagbar, aber durch den Europäischen Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) und alle anderen, über EU-Recht entschei‐ denden-nationalen-Gerichte zu beachten (EUR-Lex: EU-Charta). Aufgrund der fehlenden Möglichkeit einer Individualbeschwerde zum EuGH kommen der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) und dem Europäischen Menschengerichtshof (EGMR) für den individuellen Schutz durch Menschenrechte die größere Bedeutung zu. Zudem ist die Schweiz als Sitzland des IOC weder unmittelbar noch mittelbar an die EU-Charta gebunden, da sie weder EU-Mitglied ist noch die Charta sonst als verbindlich anerkannt hat. Die auf Basis der EMRK ergangenen Entschei‐ dungen des EGMR sind für die Schweiz als Sitzland des IOC hingegen bindend (Schweizerische Eidgenossenschaft: EMRK und EGMR 2023). 5.3 Meinungsfreiheit als zentrales Menschenrecht Zu den Menschenrechten zählen - neben Gleichheitsgarantien - bürgerli‐ che und politische Freiheits- und Beteiligungsrechte sowie wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte. Das Recht auf Meinungsfreiheit und Zugang zu Information ist Teil der politisch-bürgerlichen Menschenrechte. Es ist als Grundrecht in den Verfassungen der meisten Länder sowie - wie vorstehend 5.3 Meinungsfreiheit als zentrales Menschenrecht 45 <?page no="46"?> 3 Das humanitäre Völkerrecht beinhalt das im Kriegsfalle geltende Völkerrecht. gezeigt - in mehreren völkerrechtlichen Dokumenten festgeschrieben. Zu den wichtigsten gehören die bereits angesprochene „Allgemeine Erklärung der Menschenrechte“ (AEMR) der UN von 1948, der „Internationale Pakt über bürgerliche und politische Rechte“ (UN-Zivilpakt) von 1966 sowie die „Europäische Menschenrechtskonvention“ (EMRK) aus dem Jahr 1950. Die Meinungsfreiheit gilt zugleich als Leitprinzip und Grundbedingung rechtsstaatlich-demokratischer Gesellschaften und Staaten, welche ohne individuelle Freiheit und Entfaltungsmöglichkeit nicht denkbar sind. 5.3.1 Die wichtigsten Kodifizierungen Meinungsfreiheit, die wir heute in vielen Bereichen als selbstverständ‐ lich annehmen, ist das Ergebnis von langen, oftmals konfliktbehafte‐ ten Prozessen. Deshalb ist es sinnvoll, die wichtigsten Regelungen zur Meinungsfreiheit in historischen, internationalen und europäischen Men‐ schenrechtsabkommen sowie sonstigen völkerrechtlich relevanten Do‐ kumenten aufzuzeigen. Die Darstellung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, so sind z. B. Bestimmungen aus dem humanitären Völker‐ recht 3 nicht enthalten. Bereits in der außerordentlich wirkmächtigen „Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte“ von 1789 im Rahmen der Französischen Revolution kommt das Recht auf Meinungsfreiheit in seiner hervorgehobenen Bedeu‐ tung zum Ausdruck: Artikel 11: Die freie Mitteilung der Gedanken und Meinungen ist eines der kostbarsten Menschenrechte. Jeder Bürger kann also frei schreiben, reden und drucken unter Vorbehalt der Verantwortlichkeit für den Missbrauch dieser Freiheit in den durch das Gesetz bestimmten Fällen. Die ausdrückliche Betonung - je nach Übersetzung - als eines der „kostbars‐ ten“ bzw. „vornehmsten Menschenrechte“ hat das deutsche Bundesverfas‐ sungsgericht in seinem berühmten „Lüth“-Urteil (BVerfG, Urt. v.15.01.1958, 1 BvR 400/ 51) zur Auslegung der Meinungsfreiheit in Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG 46 5 Meinungsfreiheit im internationalen Spitzensport <?page no="47"?> ausdrücklich aufgegriffen und erläuternd hinzugefügt: Als „unmittelbarster Ausdruck der menschlichen Persönlichkeit“ sei die Meinungsfreiheit letzt‐ lich „die Grundlage jeder Freiheit überhaupt“. Die Formulierung der Meinungsfreiheit in der französischen Menschen‐ rechtserklärung von 1789 lässt aber bereits erkennen, dass die Meinungs‐ freiheit nie grenzenbzw. schrankenlos, sondern in bestimmten und be‐ gründeten Fällen durch Gesetze oder bei missbräuchlicher Verwendung einschränkbar war bzw. ist. Nur wenige Jahre später haben die Vereinigten Staaten von Amerika 1791 als weiteren wichtigen Meilenstein die „Bill of Rights“ in Form von 10 Zusatzartikeln zur amerikanischen Verfassung von 1787 verabschiedet (Zusatzartikel 1 (First Amendment) der Bill of Rights vom 25. September 1789). Nach dessen Ersten Zusatzartikel ist es dem Kongress verboten, Gesetze zu erlassen, die die Redefreiheit einschränken: Zusatzartikel 1: Der Kongress darf kein Gesetz erlassen, das die Ein‐ führung einer Staatsreligion zum Gegenstand hat, die freie Religions‐ ausübung verbietet, die Rede- oder Pressefreiheit oder das Recht des Volkes einschränkt, sich friedlich zu versammeln und die Regierung durch Petition, um Abstellung von Missständen zu ersuchen. In der im Jahr 1803 getroffenen Grundentscheidung „Marbury vs. Madison“ urteilte der U.S. Supreme Court zudem, dass die in einem Rechtsstreit anzuwendenden Gesetze im Einklang mit der Verfassung sein müssten. Dies wird als Grundlage der modernen Verfassungsgerichtsbarkeit, Herrschaft des Rechts sowie individuellen Einklagbarkeit von Grundrechten - wie der Meinungsfreiheit - angesehen (Wilms 1999). Wie oben dargestellt, hat die Meinungsfreiheit vor allem nach dem Zwei‐ ten Weltkrieg Eingang in diverse internationale Menschenrechtsabkommen erhalten. Zentraler Ausgangspunkt weltweiter Regelungen zur Meinungs‐ freiheit ist Art. 19 der „Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte“ (AEMR) von 1948. Er hat die Meinungsfreiheit als weltweit von allen UN-Mitgliedern anzustrebendes Menschenrecht festgeschrieben. Artikel 19: Jeder hat das Recht auf Meinungsfreiheit und freie Mei‐ nungsäußerung; dieses Recht schließt die Freiheit ein, Meinungen 5.3 Meinungsfreiheit als zentrales Menschenrecht 47 <?page no="48"?> ungehindert anzuhängen sowie über Medien jeder Art und ohne Rücksicht auf Grenzen Informationen und Gedankengut zu suchen, zu empfangen und zu verbreiten. Auch wenn die AEMR von einigen Staaten und Gerichten als Gewohnheits‐ recht anerkannt wird, bleibt Art. 19 aus einer weltweiten Perspektive - wie oben für die AEMR insgesamt dargestellt - formal nicht bindendes Völkerrecht (Soft Law) im Sinne einer politischen Willenserklärung der Staatengemeinschaft. Erst die Konkretisierung in dem von einer Großzahl von Staaten anerkannten UN-Zivilpakt von 1966 machte die Gewährung des Rechts auf freie Meinungsäußerung für diese völkerrechtlich verbindlich (Bundeszentrale für politische Bildung 2018). Die nach Art. 19 UN-Zivilpakt zu gewährende Meinungsfreiheit und ihre Schranken lauten wie folgt: Artikel 19 (1) Jedermann hat das Recht auf unbehinderte Meinungsfreiheit. (2) Jedermann hat das Recht auf freie Meinungsäußerung; dieses Recht schließt die Freiheit ein, ohne Rücksicht auf Staatsgrenzen Informationen und Gedankengut jeder Art […] sich zu beschaf‐ fen, zu empfangen und weiterzugeben. (3) Die Ausübung der in Absatz 2 vorgesehenen Rechte ist mit besonderen Pflichten und einer besonderen Verantwortung ver‐ bunden. Sie kann daher bestimmten, gesetzlich vorgesehenen Einschränkungen unterworfen werden, die erforderlich sind (a) für die Achtung der Rechte oder des Rufs anderer; (b) für den Schutz der nationalen Sicherheit, der öffentlichen Ord‐ nung (ordre public), der Volksgesundheit oder der öffentlichen Sittlichkeit Schwachpunkt von Art. 19 UN-Zivilpakt bleibt, dass - wie oben dargestellt - einige Staaten, wie z. B. China als Ausrichter der XXIV. Olympischen Winterspiele 2022 und der XXIX. Sommerspiele 2008 in Peking, weiterhin nicht an den UN-Zivilpakt gebunden sind. Zudem ist den gebundenen Staaten die genaue Definition der Reichweite der Meinungsfreiheit sowie deren Verhältnis zu wirtschaftlich-sozialen Rechten und die Auslegung 48 5 Meinungsfreiheit im internationalen Spitzensport <?page no="49"?> 4 Über die Reichweite der Bindung der Unterzeichnerstaaten an die Entscheidungen des UN-Menschenratsauschusses herrschen zwischen den Staaten und sowie Jurist: innen Uneinigkeiten (Payandeh 2020, S.-125) der Schranken überlassen. Lediglich die etwas mehr als 100 Unterzeichner‐ staaten des ergänzenden Ersten Fakultativprotokolls haben sich in einem gewissen, aber nicht streng verbindlichen Umfang 4 der Interpretation des UN-Menschrechtsausschusses unterworfen (Payandeh 2020). Auch in weiteren UN-Menschenrechtsabkommen, wie der UN-Kinder‐ rechtskonvention oder der UN-Behindertenrechtskonvention, ist das Recht auf Meinungsfreiheit für die spezifischen Regelungsbereiche dieser Ab‐ kommen formuliert (GIZ 2014). Zudem beinhalten verschiedene regionale Menschenrechtsabkommen das Recht auf Meinungsfreiheit und Zugang zu Informationen. Zu nennen sind insbesondere die Amerikanische Men‐ schenrechtskonvention (Art. 13), die Arabische Charta der Menschenrechte (Art. 32) und die afrikanische Banjul Charta (Art. 9). In Asien ist das Recht auf Meinungsfreiheit in Art. 23 der nicht rechtsverbindlichen ASEAN Menschenrechtserklärung genannt. Diese regionalen Menschenrechtsab‐ kommen ergänzen die internationalen Abkommen häufig durch besondere Anliegen, die sich aus spezifischen historischen und kulturellen Erfahrun‐ gen ergeben (GIZ 2014). Je mehr internationale Abkommen das Recht der freien Meinungsäußerung - verbindlich - anerkennen, umso mehr verfängt die Argumentation eines völkerrechtlichen Gewohnheitsrechts. Allerdings wird spätestens die faktische Durchsetzung weiterhin dort scheitern, wo einzelne Staaten wie China eine völkerrechtliche Bindung generell ableh‐ nen oder ein verbindlicher Rechtsschutz durch Gerichte oder sonstige anerkannte Spruchkörper nicht zu erlangen ist. Aufgrund der Möglichkeit von Individualbeschwerden zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) könnte vor allem die in Art. 10 EMRK garantierte Meinungsfreiheit von besonderer Bedeutung sein. Denn sie wirft die Frage auf, ob und inwieweit die Bindung der Schweiz und ihrer Gerichte an die EMRK auf das dem Sitzlandrecht der Schweiz unterliegende Verbandsrecht des IOC durchschlägt (s. u.). Die in Art. 10 EMRK niedergelegte Meinungsfreiheit lautet zunächst wie folgt: 5.3 Meinungsfreiheit als zentrales Menschenrecht 49 <?page no="50"?> Artikel 10 (1) Jede Person hat das Recht auf freie Meinungsäußerung. Die‐ ses Recht schließt die Meinungsfreiheit und die Freiheit ein, Informationen und Ideen ohne behördliche Eingriffe und ohne Rücksicht auf Staatsgrenzen zu empfangen und weiterzugeben. Dieser Artikel hindert die Staaten nicht, für Radio-, Fernseh- oder Kinounternehmen eine Genehmigung vorzuschreiben. (2) Die Ausübung dieser Freiheiten ist mit Pflichten und Verantwor‐ tung verbunden; sie kann daher Formvorschriften, Bedingungen, Einschränkungen oder Strafdrohungen unterworfen werden, die gesetzlich vorgesehen und in einer demokratischen Gesellschaft notwendig sind für die nationale Sicherheit, die territoriale Unversehrtheit oder die öffentliche Sicherheit, zur Aufrechter‐ haltung der Ordnung oder zur Verhütung von Straftaten, zum Schutz der Gesundheit oder der Moral, zum Schutz des guten Rufes oder der Rechte anderer, zur Verhinderung der Verbreitung vertraulicher Informationen oder zur Wahrung der Autorität und der Unparteilichkeit der Rechtsprechung. 5.3.2 Inhaltliche Ausgestaltung des Schutzes Der zentrale Bezugspunkt der Meinungsfreiheit ist die freie politische Rede. In den Grundrechtsordnungen wird dieser ein besonderer Schutz zuerkannt. Ebenso wie das Bundesverfassungsgericht und der U.S. Supreme Court, sieht auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte wenig Spielraum für Meinungsbeschränkungen, wenn es um politische Rede oder um Ange‐ legenheiten öffentlichen Interesses geht (Hong 2020). Oder - wie es das Bundesverfassungsgericht formuliert - unterliegt insbesondere der Bereich der öffentlichen Meinungsbildung „einer grundsätzlichen Vermutung für die Freiheit der Rede in allen Bereichen“ (BVerfG, Urt. v. 15.01.1958, 1 BvR 400/ 51). Die Meinungsfreiheit lässt zunächst alle Meinungen - gleich welchen Inhalts - zu und dient nicht zuletzt dem Schutz andersdenkender Min‐ derheiten (Hong 2020). Geschützt sind Sprache, Schrift, Zeichensprache in jeglicher Form, aber auch nonverbale Kommunikationsformen wie Bil‐ der und Kunstobjekte. Stellen Äußerungen Angriffe auf demokratische 50 5 Meinungsfreiheit im internationalen Spitzensport <?page no="51"?> 5 Vgl. auch BVerfG, Urt. v. 15.01.1958, 1 BvR 400/ 51, wonach die Schranken der Meinungs‐ freiheit „im Lichte der Bedeutung“ des Grundrechts im Zweifel eng zu interpretieren sind. Grundwerte (z. B. Gewaltfreiheit, offener Diskurs, Toleranz, Pluralismus) oder Grundrechte anderer (z. B. Persönlichkeitsrechte) dar, ergibt sich jedoch ein Spannungsverhältnis: Ein rechtstaatlich-demokratisches oder individuelles Gut, persönliche Ehre etc. wird zugunsten eines anderen beeinträchtigt, so dass zu erörtern ist, ob im Einzelfall die betroffenen demo‐ kratisch-rechtstaatlichen oder individuellen Rechtsgüter auf der einen oder die Meinungsfreiheit auf der anderen Seite zurückzutreten haben (Struth 2019). Insoweit ist die Meinungsäußerung immer auch mit Pflichten und Verantwortung verbunden. Im Rahmen der Schranken der Meinungsfreiheit (siehe insbesondere Art. 19 Abs. Abs. 3, Art. 20 UN-Zivilpakt; Art. 10 Abs. 2 EMRK) kann sie daher nach einer zu treffenden Rechtsgüterabwägung, welche der besonderen Bedeutung der Meinungsfreiheit Rechnung trägt, beschränkt sein (GIZ 2014). 5 Die Freiheit der Meinungsäußerung ist somit im Einklang und in Ab‐ wägung mit anderen Menschenrechten geschützt. Ihre Grenzen liegen insbesondere in der Verletzung der persönlichen Ehre anderer Menschen (Beleidigungen, Erniedrigungen und Verleumdungen) oder dem Schutz ihrer körperlichen Unversehrtheit. Einschränkungen des Rechts auf freie Meinungsäußerung nach Artikel 19 Absatz 3 des UN-Zivilpaktes haben vor allem folgende Voraussetzungen zu erfüllen. Sie müssen (UN-Menschen‐ rechtsausschuss, Allgemeine Bemerkungen Nr.-34, Ziff. 21 ff.): • vorhersehbar, zugänglich und in klarer, nicht willkürlicher Weise ge‐ setzlich geregelt sein, • geeignet und notwendig zur Erreichung legitimer Zwecke wie die Ach‐ tung der Rechte oder des Rufs Anderer bzw. zum Schutz der nationalen Sicherheit, der öffentlichen Ordnung, der Gesundheit der Bevölkerung oder der Moral (notwendig bedeutet, es gibt kein milderes Mittel als die Einschränkung), • verhältnismäßig sein, was bedeutet, dass jede Einschränkung eine sorgfältige Abwägung zwischen dem Recht auf Meinungsfreiheit auf der einen und dem zu schützenden Interesse auf der anderen Seite verlangt, 5.3 Meinungsfreiheit als zentrales Menschenrecht 51 <?page no="52"?> • nicht-diskriminierend sein, d. h. dürfen nicht an Rasse, Geschlecht, Sprache, Religion, politische oder sonstige Meinung, nationale oder soziale Herkunft oder sonstigem Status geknüpft sein, • den Kerngehalt der Meinungsfreiheit wahren, d. h. wesentliche und grundlegende Aspekte der Meinungsfreiheit dürfen nicht ausgehöhlt werden. Einschränkungen sind zudem immer für den Einzelfall zu begründen. Je stärker die öffentliche Meinungsbildung beschränkt wird, desto höher der Anspruch an die Rechtfertigung (Hong 2020). Nicht zulässig sind Ein‐ schränkungen, die die Durchsetzung oder Befürwortung eines Mehrpartei‐ ensystems, demokratischer Grundsätze oder Menschenrechte verhindern. Insbesondere unzulässig sind Einschränkungen, die sachbezogene und das öffentliche Interesse betreffende Kritik an Personen der Öffentlichkeit und vor allem Politiker oder politische oder gesellschaftliche Zustände unterbinden. Einschränkungen müssen zudem den universellen Charakter der Menschenrechte sowie das prinzipielle Diskriminierungsverbot (Art. 26 UN-Zivilpakt, Art. 14 EMRK) berücksichtigen (UN-Menschenrechtsaus‐ schuss: Allgemeine Bemerkungen Nr.-34, Ziffer Nr.-26; GIZ 2014). Bei der Erarbeitung der Schrankenregelungen in Artikel 19 Absatz 3 des UN-Zivilpaktes setzten sich Vertreter einer generelleren Fassung durch. Im Rahmen der EMRK wurde in Artikel 10 Absatz 2 hingegen ein speziel‐ lerer Ausnahmekatalog erarbeitet. Dieser enthält mehrere Kriterien, die im UN-Zivilpakt nicht ausdrücklich erwähnt sind. Nichtsdestotrotz legt der Europäische Gerichtshof (EGMR) die Schranken der Meinungsfreiheit vergleichbar zu den oben genannten Voraussetzungen aus (ECHR: Guide on Art. 10 ECHR). 5.3.3 Weltweiter Zustand der Meinungsfreiheit Obwohl die Meinungsfreiheit nach Art. 19 AEMR ein weltweites Menschen‐ recht darstellt, wurde der in dieser Hinsicht bindende UN-Zivilpakt bislang nicht von allen Staaten ratifiziert, wodurch die Meinungsfreiheit weltweit nicht überall gewährleistet wird (UN Treaty Collection, Chapter IV.4). Fak‐ tisch ausschlaggebend ist daher neben der Ratifizierung des UN-Zivilpakt, ob die Meinungsfreiheit in den jeweiligen nationalen Verfassungen oder einem überstaatlich bindenden Rechtsdokument wie die EMRK zugunsten aller dem Geltungsbereich unterworfenen Individuen oder Personenverei‐ 52 5 Meinungsfreiheit im internationalen Spitzensport <?page no="53"?> nigungen verbürgt und über das ihnen zur Verfügung stehen Rechtsspre‐ chungssystem faktisch, effektiv und ohne negative Konsequenzen für die Schutzsuchenden durchsetzbar ist. Insoweit geht die Anerkennung und Existenz einer nationalen oder überstaatlichen Garantie der Meinungsfrei‐ heit nicht zwingend mit ihrem effektiven Schutz einher, wenn es keine über- oder innerstaatlichen Durchsetzungsmöglichkeiten gegenüber den staatlichen Gewalten oder gegenüber einer freiheitsfeindlich eingestellten Gesellschaft gibt. So verbieten Regierungen häufig die öffentliche Auseinan‐ dersetzung mit ihrer Politik oder verwehren den Bürger: innen den Zugang zu Informationen. Die Non-Profit-Organisation „Civicus“, die sich als weltweites Bündnis der Zivilgesellschaft versteht, bildet ein Netzwerk von Organisationen auf lokaler, nationaler, regionaler und internationaler Ebene ab. Sie erhebt aktuelle Daten über den weltweiten Zustand der zivilgesellschaftlichen Freiheiten, insbesondere den Grundrechten auf Vereinigung, friedliche Versammlung und freie Meinungsäußerung. „Civicus“ analysiert dafür in 197 Staaten, inwieweit diese Rechte geachtet und aufrechterhalten werden und teilt sie in die Kategorien „geschlossen“, „unterdrückt“, „beschränkt“, „beeinträchtigt“ oder „offen“ ein (Civicus 2023b). 28,5 % geschlossen 42,2 % unterdrückt 3,2 % offen 11,3 % beeinträchtigt 14,9 % beschränkt Abb. 2: Anteile der Weltbevölkerung nach Zustand der Zivilgesellschaft (Quelle: über‐ setzte Darstellung von Civicus 2023a) 5.3 Meinungsfreiheit als zentrales Menschenrecht 53 <?page no="54"?> Der Bericht „People Power Under Attack 2022“ zeigt, dass die Zahl der Men‐ schen, die in Staaten mit erheblichen Einschränkungen der Bürgerrechte leben, ca. 85-% der Weltbevölkerung beträgt China, Saudi-Arabien, Turkmenistan und 24 weitere Länder fallen in die schlechteste Einstufung („geschlossen“). Behörden inhaftieren regelmä‐ ßig Menschen, wenn sie versuchen, ihre Grundfreiheiten auszuüben und sich kritisch gegenüber der Regierung äußern. Dabei haben viele dieser Länder die Meinungsfreiheit ebenfalls als Grundrecht in ihren Verfassungen verankert, wie z. B. die Volksrepublik China oder auch die Türkei. In der Praxis wird dieses Grundrecht jedoch nicht - oder nur sehr unzureichend --geschützt (Civicus 2023b). In Europa existieren die meisten „offenen“ Länder (siehe Abb. 3), doch Jahr für Jahr stellt „Civicus“ Anzeichen für eine ernsthafte Verschlechterung fest, wie zuletzt z. B. in Russland, aber auch in anderen europäischen Staaten wie Griechenland und im Vereinigten Königreich, wenn auch auf einem insgesamt deutlich besseren Niveau. Am besten schneiden die skandinavischen und einige mitteleuropäische Länder ab sowie Kanada, Neuseeland und Uruguay. Besorgniserregend sind die Verschlechterungen für den zivilgesellschaftlichen Raum in Afrika. Eine Übersicht über die Einstufung der verschiedenen Länder bietet Abb. 3 (Civicus 2023b). Abb. 3: Weltweiter Zustand der Zivilgesellschaft (Quelle: Civicus 2023b) 54 5 Meinungsfreiheit im internationalen Spitzensport <?page no="55"?> 5.4 Die Autonomie der Sportverbände Beim internationalen Sportrecht handelt es sich um einen Querschnitts‐ bereich, der sich in erster Linie mit grenzüberschreitenden, unter gewis‐ sen Umständen aber auch mit innerstaatlichen Rechtsfragen des Sports auseinandersetzt (Fechner et al., 2020). Aufgrund der für Sportverbände und -organisationen geltenden Vereinsautonomie, dürfen diese ihre Ange‐ legenheiten (Wettkampfregeln, Organisationsnormen, Gerichtsbarkeiten, Rechtsschutzmöglichkeiten usw.) weitestgehend eigenverantwortlich in Form von Satzungen, Vereinsordnungen sowie Beschlüssen regeln. Wegen der daraus resultierenden Vielzahl an eigenständigen und sich zum Teil überlagernden Normsystemen existiert kein einheitliches Sportverbands‐ recht (ebd.). Durch das grundsätzlich geltende Ein-Platz-Prinzip stellt das Recht der internationalen Sportverbände im Verhältnis zu den Regelungen der nationalen Verbände regelmäßig das höherrangige Recht dar ( Jung 2017). Durch die Wechselwirkungen verschiedener Rechtsebenen besteht im in‐ ternationalen Sportrecht ein Spannungsverhältnis, das durch ein Zwei-Säu‐ len-Modell geprägt ist. Zu beachten ist einerseits die lex sportiva internatio‐ nalis, die sich auf die durch das staatliche Recht eingeräumte Autonomie der internationalen Sportverbände bezieht. Da der Sport jedoch stetigen Berüh‐ rungen mit der sozialen, wirtschaftlichen und rechtlichen Welt außerhalb der Sportorganisationen ausgesetzt ist, unterliegt er andererseits auch der zweiten Säule, der lex extra sportiva. Diese beschreibt das (zwischen-)staat‐ liche Recht, das unmittelbar oder mittelbar auf den Verband oder die unter seiner Hoheit stattfindenden sportlichen Betätigungen anzuwenden ist ( Jung 2017; Wax 2009; Cherkeh 2020). Somit basiert das internationale Sportrecht auf der Synergie und nicht selten auch der Kollision von (zwischen-)staatlichem Recht sowie den Bestimmungen der internationalen oder nationalen Sportverbände. Deutlich wird dies z. B. im Bereich der Sportgerichtsbarkeit, wo auf Verbandsebene beschlossene Sanktionen im Widerspruch zu rechtsstaatlichen und insbe‐ sondere in Verfassungsordnungen oder überstaatlichem Recht verankerten Grundsätzen stehen können (Cherkeh 2020). So werden die Besonderheiten des Sports, wie etwa die sozialen, erzieherischen und kulturellen Funktio‐ nen, häufig zur Rechtfertigung freiheitsbeschränkender Maßnahmen im Rahmen der Verbandsregelungen angeführt (Eichel 2013). Durch die Freiheit staatlicher Regulierung werden zudem Korruptionsfälle begünstigt (Schade 5.4 Die Autonomie der Sportverbände 55 <?page no="56"?> 2020). Die Auflösung des Spannungsverhältnisses zwischen verbandsspezi‐ fischem und staatlichem Recht gehört daher zu den größten Schwierigkeiten des Sportrechts (Fechner et al. 2020). In einer ausführlichen Analyse von Florian Jung zum Verhältnis des inter‐ nationalen Sportverbandsrechts zum (zwischen-)staatlichen Recht kommt dieser zu folgenden Erkenntnissen: Zwar können internationale Sportver‐ bände oder -organisationen in funktioneller Hinsicht Ähnlichkeiten zu einem Staat aufweisen, da sie in sportlichen Bereichen Staatsorganen vorbehaltene Funktionen übernehmen und jeder Sachverhalt über einen räumlichen oder persönlichen Anknüpfungspunkt innerhalb eines Staates verfügt. Dennoch weisen sie keine Staatlichkeit auf, da sie weder über ein Staatsgebiet und ein konstituierendes Staatsvolk verfügen noch Staatsge‐ walt ausüben (zum Staatsbegriff Jellinek 1913). Weiter sind internationale Sportverbände auch nicht als internationale Organisationen mit originärer Rechtsetzungskompetenz einzuordnen, da ihre Gründung auf private und nicht auf staatliche Initiativen zurückzuführen ist. Völkerrechtlich kann ein internationaler Sportverband daher als nichtstaatliche Organisation klassi‐ fiziert werden. Damit ist er kein Völkerrechtssubjekt mit eigener Rechtsetzungskompetenz. In Anbetracht dieser Überlegungen kann festgehalten werden, dass das internationale Sportverbandsrecht Selbstregulierungsan‐ sprüche nur im (zwischen-)staatlichen Ordnungsrahmen beanspruchen kann und rechtsstaatliche Grundsätze zu wahren hat. Im Konfliktfall ist das (zwischen-)staatliche Recht des Sitzstaates des internationalen Verbands dem eigenen Verbandsrecht überzuordnen, insbesondere wenn die öffentli‐ che Sicherheit und Ordnung, der sog. „Public ordre“, bedroht wird. Verstoßen die autonom gesetzten Verbandsregelungen gegen staatliches Recht, können diese vor nationalen Gerichten angefochten werden ( Jung 2017; Wax 2009). Jung verdeutlicht jedoch auch, dass das Prinzip des Vorrangs staatlichen Rechts die Einheitlichkeit des internationalen Sportrechts beeinträchtigt. Wettkampfleistungen ließen sich nur vergleichen, so Jung, wenn auch die Sanktionshoheit über das festgesetzte Regelwerk grundsätzlich einheitlich ausgeübt werde. Das staatliche Recht steht damit vor der schwierigen Her‐ ausforderung, dem transnationalen Charakter von Sportverbandsnormen gerecht zu werden. Daher ist nicht selten umstritten, inwieweit der Staat in Konfliktfällen eingreifen darf oder muss ( Jung 2017). Letztlich bleibt festzuhalten, dass internationale Sportverbände über den Sitzstaat und ihre nationale Organisationsform in ein nationales Rechts- und Gerichtssystem eingebunden sind und bleiben. Grundlegende Prinzipien 56 5 Meinungsfreiheit im internationalen Spitzensport <?page no="57"?> der Verfassungsordnungen oder völkerrechtlicher Bindungen lassen sich demnach nicht vollständig beiseiteschieben. Dies gilt nicht nur, aber erst recht in Bereichen, in denen das verbandseigene Recht selbst entsprechende Prinzipien wie die Meinungsfreiheit formuliert oder sich an diese gebunden sieht. Schließlich können auch andere überstaatliche Organisationen, seien es Verbände oder international agierende Konzerne, nicht losgelöst von selbst festgelegten Prinzipien sowie den nationalen Rechtssystemen ihrer Sitzstaaten und deren völkerrechtlichen Bindungen agieren. Warum dies ausgerechnet im Bereich der internationalen Sportverbände und gegenüber den der Verbandshoheit unterliegenden Sportler: innen, die gegenüber den Verbänden regelmäßig einem besonders starken Machtge‐ fälle ausgesetzt sind, prinzipiell anders sein sollte, ist mit Blick auf die Logik rechtlicher Hierarchien kaum nachzuvollziehen. Insbesondere in Fällen, in denen Sportler: innen aus Staaten stammen, denen gegenüber der Sitzstaat des Verbandes völkerrechtlich verbindliche Bindungen an grundlegende Prinzipien eingegangen ist oder sich der Verband selbst aufgrund seines Verbandsrechts diesen Prinzipien verbunden sieht, spricht viel dafür, dass die staatlichen Organe und Gerichte des Sitzstaates den Sportler: innen im Zweifel zur Seite zu stehen haben. 5.4 Die Autonomie der Sportverbände 57 <?page no="59"?> 6 Das IOC und Prinzipien der Meinungsfreiheit Aufbauend auf den vorangegangenen Darstellungen soll das rechtliche Um‐ feld des Internationalen Olympischen Komitees näher beleuchtet werden, da dessen Regelungen zur Meinungsfreiheit im Mittelpunkt der weiteren Untersuchungen stehen. Das IOC beschreibt sich in seiner Charta selbst als internationale, nichtstaatliche und nicht gewinnorientierte Organisation in Form einer Vereinigung mit Rechtspersönlichkeit nach Schweizer Zivilrecht (Regel 15.1 Olympische Charta). In dieser eher unklaren Selbsteinordnung und der historischen Entwicklung lässt sich durchaus das Bestreben des IOC erkennen, sich nicht konkret auf eine Rechtsform oder Rechtsordnung festlegen zu wollen (Eichel 2013). Vor dem Hintergrund des Ersten Welt‐ kriegs und der völkerrechtlichen Neutralität der Schweiz verlegte Pierre de Coubertin 1915 den Sitz des IOC von Paris nach Lausanne, um insbesondere die Neutralität der Olympischen Bewegung zu schützen (Guex 2017). Der Rechtsstatus des IOC spielt eine entscheidende Rolle für die im Rahmen der Untersuchung zu klärende Frage, inwieweit das IOC bei der Aufstellung und Anwendung seines Verbandsrechts sowie bei der Durch‐ führung Olympischer Spiele an Prinzipien der Meinungsfreiheit gebunden ist. Dabei kann sich die Bindung einerseits aus seinem selbst gesetzten Verbandsrecht oder aber aus dem überstaatlichen oder staatlichen Rechts‐ rahmen, in den das IOC eingeordnet ist, ergeben. Im Folgenden sollen vor allem die Bindungen des IOC an die Meinungsfreiheit aufgrund überstaatli‐ chen und staatlichen Rechts erörtert werden, da eine - über ein allgemeines Bekenntnis hinausgehende - strenge verbandsrechtliche Bindung an die Meinungsfreiheit bisher nicht besteht. Ob die vom IOC zuletzt in seiner Human Rights-Strategie (IOC: Strategic Framework on Human Rights 2022) eingeschlagene Richtung hierin mündet, bleibt abzuwarten. 6.1 International-rechtliche Dimension des IOC Die rechtliche Einordnung des IOC, dessen Kernaufgabe in der Organisation und Durchführung Olympischer Winter- und Sommerspiele besteht, ist - wie bereits allgemein für Internationale Sportverbände thematisiert - kom‐ plex und lässt graduell unterschiedliche Sichtweisen zu. Ähnlich wie Staaten verfügt das IOC über eigene Symbole, Flaggen, Hymnen und Zeremonien. <?page no="60"?> Auch etabliert das IOC über sein Verbands- und Wettkampfrecht einen inter‐ national wirksamen Rechtsrahmen. Unter diesem kommen Vertreter: innen nationaler Verbände, Athlet: innen und Publikum auf internationaler Ebene nach den einheitlichen Regeln des Verbandsrechts zusammen bzw. tragen olympische Wettkämpfe aus. Letzteres sogar mit dem hohen und von der UN offiziell unterstützten Anspruch, für Zeiten der Olympiaden Frieden zu wahren (IOC: Olympic Truce Resolutions). Auch verfügt das IOC über ein eigenes, international wirkendes Justiz‐ system: Die Ethikkommission des IOC kann bei Verstößen gegen den Ethik-Code Disziplinarmaßnahmen verhängen. Für sonstige Regelverstöße - z. B. von Athlet: innen entgegen Regel 50.2 Olympische Charta getätigte Meinungsbekundungen - besteht die Möglichkeiten zur Bildung von Dis‐ ziplinarkommissionen zur Verhängung von Disziplinarmaßnahmen. Und schließlich dient das vom IOC initiierte Court of Arbitration of Sport (CAS), welches als Stiftung nach Schweizer Recht organisiert ist und seinen Sitz ebenfalls in der Schweiz (Lausanne) hat, als Schiedsgericht für internationale Streitigkeiten im Bereich des Sports und insbesondere für Streitigkeiten im Zusammenhang mit den Olympischen Spielen (Art. 60.2 Olympische Charta). Insoweit ist das CAS sowohl letzte Instanz für die Sportgerichts‐ barkeit der nationalen Sportverbände als auch Schiedsgericht für die Strei‐ tigkeiten internationaler Sportverbände einschließlich der Olympischen Spiele. So können z. B. Athlet: innen vor dem CAS eine Überprüfung von Disziplinarmaßnahmen beantragen. 6.2 Bindung an internationale Menschenrechtskonventionen? Aufgrund der international-rechtlichen Dimension des IOC sowie des CAS, der die Verbandsregeln des IOC in seiner Schiedsgerichtsbarkeit anzuwen‐ den hat, könnte sich die Frage stellen, ob nicht sogar eine unmittelbare Bindung an völkerrechtliche Prinzipien der Meinungsfreiheit in Art. 19 UN-Zivilpakt oder Art. 10 EMRK besteht. So ist das IOC zunächst durchaus Partei verschiedener völkerrechtsähnlicher Abkommen mit Staaten oder mit anderen nationalen oder internationalen Organisationen z. B. über die Aus‐ richtung und Durchführung der Olympischen Spiele (Gastgeberverträge), über bestimmte, diplomatenähnliche Privilegien der IOC-Mitglieder, den rechtlichen Schutz der Olympischen Symbole sowie das Abkommen über 60 6 Das IOC und Prinzipien der Meinungsfreiheit <?page no="61"?> den World Anti-Doping-Code von 2003, zuletzt aktualisiert 2021 (NADA Deutschland, World Anti-Doping Code). Auch gibt es staatenähnliche Ko‐ operationen zwischen der UN und dem IOC (IOC: Cooperation with the UN). Seit 2009 genießt der IOC zudem bei der UN-Generalversammlung einen Beobachterstatus (UN-Generalversammlung: Resolution 64/ 3 v. 19.10.2009). Im Jahr 2014 bestätigte die UN-Generalversammlung zudem ausdrücklich in einer weiteren Resolution ihre Unterstützung für die „Unabhängigkeit und Autonomie des Sports und die Mission des Internationalen Olympischen Komitees als federführende Organisation der olympischen Bewegung“ (UN-Generalversammlung, Resolution 69/ 6 v. 10.11.2014). Dennoch: Das IOC ist - ebenso wie das CAS - weder Vertragspartei des UN-Zivilpaktes noch Mitglied des Europarates, so dass es weder an die internationalen Verbürgungen der Meinungsfreiheit in Art. 19 UN-Zivilpakt oder Art. 10 EMRK gebunden ist noch Adressat von Auslegungshinweisen des UN-Menschenrechtsrats oder Beschwerdegegner vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) sein kann. Dies ergibt sich auch daraus, dass das IOC ebenso wie andere internationale Sportverbände (siehe Kapitel 5.4) mangels Staatsgebiet, Staatsvolk und Staatsmacht völ‐ kerrechtlich kein Staat ist. Zusammengefasst lässt sich also eine einem Staat gleichgestellte völkerrechtliche Anerkennung des IOC sowie eine unmittelbare Bindung an internationale Prinzipien der Meinungsfreiheit, wie sie in den genannten zwischenstaatlichen Abkommen festgelegt sind, nicht feststellen. 6.3 Rechtlicher Status des IOC Das IOC ist und bleibt somit eine internationale Nichtregierungsorganisa‐ tion (NGO) eigener Art, die ihren Sitz in der Schweiz (Lausanne) hat, nach Schweizer Vereinsrecht organisiert ist und allein über eine Rechtspersön‐ lichkeit nach Schweizer Recht verfügt (Regel 15.1 Olympische Charta). Wie viele andere internationale Sportverbände unterliegt das IOC dem vergleichsweisen liberalen Schweizer Vereinsrecht (Wassong 2018; Schade 2020). Dieses beruht auf der verfassungsmäßig garantierten Vereinigungs‐ freiheit (Art. 23 Schweizer Bundesverfassung) und der privatrechtlich ver‐ ankerten Vereinsautonomie, wobei die auf dieser Basis erlassenen Vereins‐ satzungen mit der grundsätzlichen Wertordnung des Schweizer Rechts, einschließlich den in Art. 16 Bundesverfassung und Art. 10 EMRK festge‐ 6.3 Rechtlicher Status des IOC 61 <?page no="62"?> legten Prinzipien der Meinungsfreiheit, in Einklang sein sollten (vgl. Art. 35 Bundesverfassung). Eine besondere Bedeutung hat der Sitz in der Schweiz zudem für die Zuständigkeiten staatlicher Schweizer Gerichte. Da das IOC keinen völkerrechtlichen Status besitzt, ist seine internatio‐ nale Tätigkeit als privater Schweizer Verein nur durch das Internationale Privatrecht (IPR) abgesichert. Vor dem Hintergrund, dass das IOC interna‐ tionale Beziehungen unterhält und sich mitunter in sportspezifische An‐ gelegenheiten einzelner Staaten einmischt, erscheint dies bemerkenswert. Indem das IOC z. B. von den Ausrichterstaaten der Spiele fordert, dass sich nationales Recht nahtlos den Regelungen der Olympischen Charta unterzuordnen habe, spricht es sich in gewisser Weise Rechte einer über den Staaten stehenden Organisation zu (Hofmeister 1974; Baare-Schmidt 1983). Gegenüber der Schweiz genießt das IOC indes als internationale Or‐ ganisation aufgrund eines im Rahmen des Schweizer Gaststaatsgesetzes abgeschlossenen Abkommens tatsächlich bestimmte Privilegien (Schwei‐ zer Eidgenossenschaft: Abkommen v. 01.11.2000), welche das IOC von verschiedenen Vorgaben des Schweizer Rechts befreit und seinen Vertretern einen diplomatenähnlichen Status verleiht. Dennoch ist die Bindung des IOC an das Schweizer Recht nicht vollständig aufgehoben und besteht z. B. im Bereich des Arbeits-, Datenschutz-, Umwelt- und teilweise auch Steuerrechts sowie der öffentlichen Sicherheit und Ordnung (sog. „Ordre public“) fort. In der rechtlichen Organisation und der formalen und inhalt‐ lichen Beschlussfassung bleibt das IOC also - bei aller Autonomie - an grundlegende Prinzipien des Schweizer Rechts gebunden und muss sich prinzipiell in dessen Rechtsrahmen fügen. Ein wichtiges Einfallstor für eine mittelbare Bindung des IOC an Menschenrechte und Prinzipien der Meinungsfreiheit könnte dabei vor allem der Ordre public des Schweizer Sitzstaatsrechts sein. 6.4 Schweizer Ordre public und Meinungsfreiheit Nach dem Schweizer Gesetz über das Internationale Privatrecht sind inter‐ nationale Schiedssprüche von in der Schweiz ansässigen Schiedsgerichten vor dem Schweizer Bundesgericht anfechtbar, wenn der „Entscheid mit dem Ordre public [der Schweiz] unvereinbar ist“ (Artt. 190 Abs. 2 lit. e), 191 IPRG i. V. m. Art. 5 Abs. 2 UNÜ). Da sich die Teilnehmer: innen der Olympischen Spielen der Schiedsgerichtsbarkeit des ebenfalls in der Schweiz ansässigen 62 6 Das IOC und Prinzipien der Meinungsfreiheit <?page no="63"?> CAS unterwerfen (By-law to Rule 44.6 und Regel 61.2 Olympische Charta), dürfen die sie betreffenden, auf Basis der Olympischen Charta ergangenen Schiedssprüche des CAS folglich nicht gegen den Schweizer Ordre public verstoßen. Ein Verstoß gegen den Ordre public liegt dabei vor, wenn der Entscheid „fundamentale Rechtsgrundsätze verkennt und daher mit der wesentlichen, weitgehend anerkannten Wertordnung schlechthin unverein‐ bar ist, die nach in der Schweiz herrschender Auffassung Grundlage jeder Rechtsordnung bilden sollte“ (BGE, Urt. v. 04.10.2010, 4A_612/ 2009, 6.1). Zu diesen unverzichtbaren Bestandteilen der Schweizer Rechtsordnung wird man u. a. die menschenrechtlichen Verbürgungen der Meinungsfreiheit zählen müssen (für dt. Recht: BGH, Beschluss v. 19.07.2018, IX ZB 10/ 18; all‐ gemein: Steiner 2013; Kahlert 2023), wie sie in Art. 16 der Schweizer Verfas‐ sung festgelegt sind und sich zudem aus den völkerrechtlichen Bindungen der Schweiz über Art. 19 UN-Zivilpakt und Art. 10 EMRK ergeben. Stünden daher Disziplinarmaßnahmen aufgrund der Olympischen Charta und hierzu ergangene Schiedssprüche des CAS in einem Widerspruch zu den Wertun‐ gen der Meinungsfreiheit, könnten die betroffenen Athlet: innen hiergegen eine Beschwerde beim Schweizer Bundesgericht einlegen. Insoweit entfaltet die Meinungsfreiheit zwar keine unmittelbare Wirkung gegenüber dem IOC und dessen Verbandsrecht, kann sich aber mittelbar über das Schweizer Internationale Privatrecht auf Anwendung und Auslegung der Olympischen Charta und hierzu ergangene Schiedsentscheidungen des CAS auswirken. Die Erfolgsaussichten von Beschwerden gegen Schiedssprüche des CAS sollten aber nicht überschätzt werden (Bleistein & Degenhart 2015, 1354): Die Schweizer Rechtspraxis gegenüber internationalen Organisationen und Schiedssprüchen gilt als sehr liberal (MK-Adolphsen 2022: UNÜ, Art. 5 Rn. 68). So zeigen die Erfahrungen im Zusammenhang mit Schiedssprüchen des CAS, dass das Schweizer Bundesgericht sehr zurückhaltend in der Fest‐ stellung von Ordre public-Verstößen ist (BGE, Entscheidung v. 20.02.2018, 4A_260/ 2017; BGE, Entscheidung v. 20.12.2016, 4A_32/ 2016; BGE, Entschei‐ dung v. 13.12.2016, A_116/ 2016). Verstöße gegen den Ordre public sollen erst dann zum Tragen kommen, wenn sie schwerwiegend oder unerträglich sind. Dies soll dem internationalen Sportverbandsrechts innerhalb des Schweizer Rechtssystems eine möglichst weitgehende Geltung verschaffen (allgemein zur Sportgerichtsbarkeit: Adolphsen 2004). 6.4 Schweizer Ordre public und Meinungsfreiheit 63 <?page no="64"?> 6 Wie der Fall Pechstein zeigt (BVerfG, Beschluss v. 03.06.2022, 1 BvR 2103/ 16), können ggf. noch über Rechtsordnungen von Drittstaaten Rechtsschutzmöglichkeiten gegen‐ über Disziplinarmaßnahmen von internationalen Sportverbänden aufgrund deren Ordre public bestehen. Dies soll angesichts der hier eingenommenen internationalen Perspektive aber nicht weiter vertieft werden. Die Athlet: innen lässt die Spruchpraxis trotz des ohnehin schon starken Machtgefälles gegenüber IOC und nationalen Sportverbänden indes weit‐ gehend ungeschützt. 6 6.5 Rolle der internationalen Menschengerichtsbarkeit Angesichts seines Selbstverständnisses als internationale NGO und der beanspruchten Zuständigkeiten des IOC auf zwischenstaatlicher Ebene lässt sich seine Tätigkeit nicht gänzlich auf sein Verbandsrecht und den - zurückhaltend angewendeten - Schweizer Rechtsrahmen beschränken. Auch die internationale Menschengerichtsbarkeit könnte Schutzmechanis‐ men gegenüber Sanktionen gegen Olympionik: innen wegen Meinungsäu‐ ßerungen bieten, soweit der Rechtsweg über den CAS und das Schweizer Bundesgericht erfolglos erschöpft wurde. Eine mögliche Individualbeschwerde vor dem UN-Menschenrechtsaus‐ schuss auf Basis der Meinungsfreiheit in Art. 19 UN-Zivilpakt scheidet allerdings aus: Erstens, weil die Entscheidungen des Menschenrechtsaus‐ schusses nicht bindend, sondern von den betroffenen Staaten nur als Auslegungshinweise zu berücksichtigen sind. Und zweitens hat die hier interessierende Schweiz das Erste Fakultativprotokoll zum UN-Zivilpakt nicht ratifiziert (Schweizerische Eidgenossenschaft: UN-Zivilpakt). Sie kann daher nicht Beschwerdegegner vor dem UN-Menschrechtsausschuss sein. Anders ist es im Fall des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR), welcher einen Rechtsweg gegenüber staatlichem Handeln der Schweiz einschließlich seiner Gerichte bietet. Berücksichtigt das Schwei‐ zer Bundesgericht bei Überprüfung von Schiedssprüchen des CAS nicht ausreichend Wertungen der EMRK, kann dies Anlass für eine Individualbe‐ schwerde von Athlet: innen vor dem EGMR sein (EGMR, Urt. v. 02.10.2018, 40575/ 10, 67474/ 10, Rn. 64 ff.). Allerdings übt der EGMR seine Rechtspre‐ chung gegenüber der internationalen Sportschiedsgerichtsbarkeit auch nur sehr zurückhaltend aus. So deutet er Schiedsklauseln, mit denen sich Sport‐ ler: innen den Entscheidungen eines Schiedsgerichts unterwerfen, tenden‐ 64 6 Das IOC und Prinzipien der Meinungsfreiheit <?page no="65"?> ziell als konkludenten Verzicht auf Prinzipien der EMRK. Auch dies soll der Einheitlichkeit der Regelinterpretation und Rechtssicherheit bei inter‐ nationalen Sportwettbewerben dienen (EGMR, Urt. v. 02.10.2018, 40575/ 10, 67474/ 10, Rn. 98). Erfolge der Abschluss von Schiedsklauseln hingegen „unfreiwillig“, weil die betroffenen Sportler: innen keine Wahl zwischen der Unterwerfung unter eine Schiedsgerichtsbarkeit, z. B. des CAS, oder dem Verbleiben im staatli‐ chen Rechtsprechungssystem hatten, bleibe eine grundsätzliche Bindung des Schweizer Bundesgerichts an Prinzipien der EMRK bestehen. Hierbei folgt der EGMR allerdings einem sehr eigenen Verständnis von Unfreiwil‐ ligkeit. Diese ergebe sich nicht schon daraus, dass die Teilnahme an einem Sportwettbewerb - wie den Olympischen Spielen - von der Unterwerfung unter ein Schiedsgericht abhängig gemacht werde. Vielmehr komme es darauf an, ob die Ablehnung der Schiedsklausel und damit der Teilnahme am Sportwettbewerb dem/ der Athlet: in faktisch die Lebensgrundlage entziehe (so bejaht im Fall Pechstein wegen einer verhängten Dopingsperre im Zusammenhang mit einer Zwangsschiedsklausel: EGMR, Urt. v. 02.10.2018, 67474/ 10, Rn. 109 ff.). Aus Sicht der olympischen Athlet: innen, die in sehr unterschiedlicher Weise an der Grenze zwischen Profi- und Amateursport agieren, muss es seltsam erscheinen, dass die Grenze der Freiwilligkeit und damit der Anwendbarkeit von Menschenrechten der EMRK von der Bedeutung der Sportausübung für ihren Lebensunterhalt abhängt; sie sich den Schutz der Meinungsfreiheit also - in einem übertragenen Sinne - erst verdienen müs‐ sen. Den Auftrag des EGMR, die Europäische Menschenrechtskonvention gegenüber den Unterzeichnerstaaten wie der Schweiz praktisch, wirksam und autonom zum Tragen zu bringen (Nettesheim 2023, Einleitung Rn. 26), erfüllt dies jedenfalls nur unvollkommen. Hinzu kommt, dass selbst bei Bejahung einer fortbestehenden Bindung an Prinzipien der EMRK nicht klar ist, ob und inwieweit diese nur für die Garantie von Verfahrensrechten wie die Öffentlichkeit des Verfahrens (Art. 6 EMRK) oder auch für den materiellen Gehalt von Grundrechten wie der Meinungsfreiheit (Art. 10 EMRK) gilt. Damit verbleiben im Bereich der internationalen Sportschiedsgerichts‐ barkeit - insbesondere gegenüber Sportler: innen, die für das Bestreiten ihres Lebensunterhalts nicht auf die Olympischen Spiele angewiesen sind, aber dennoch eine hohe ideelle Motivation zu einer Olympia-Teilnahme haben - menschenrechtsfreie Räume. Und dies, obwohl ein Schutzbedürfnis vor 6.5 Rolle der internationalen Menschengerichtsbarkeit 65 <?page no="66"?> allem bei der Ausrichtung von Olympischen Spielen in autoritären Staaten unverkennbar ist und nicht zuletzt auch den völkerrechtlichen Verpflichtun‐ gen der Schweiz entspräche (s. o.). Umso mehr kommt es darauf an, welche Sensibilität das IOC gegenüber Prinzipien wie der Meinungsfreiheit in der Olympischen Charta und insbesondere der im Zentrum der Diskussionen stehenden Regel 50.2 aufbringt. 6.6 Recht des Ausrichterstaates Eine Rolle neben dem Verbandsrecht des IOC und dem Sitzstaatsrecht der Schweiz spielt bei Olympischen Spielen auch das Recht des Ausrichterstaa‐ tes. Aus dem exklusiven (geistigen) Eigentumsrecht an den Olympischen Spielen ergibt sich für das IOC zunächst die alleinige Verfügungsgewalt über alle mit den Spielen zusammenhängenden Rechte. In Bezug auf die Durchführung der Olympischen Spiele überträgt das IOC im Host-Vertrag zwar die Verantwortung auf die Ausrichter, die ihrerseits rechtlich und organisatorisch in nationalstaatliche Strukturen eingebettet sind, bleibt diesen gegenüber jedoch grundsätzlich weisungsbefugt und legt ihnen gleichzeitig die Unabhängigkeit externer Einflüsse auf (Hofmeister 1974). Nichtsdestotrotz bleibt die Ausrichtung der Olympischen Spiele - trotz weitgehender Verbandsautonomie und Freiheit in der Ausgestaltung der Spiele und Wettbewerbe - grundsätzlich in das nationale Rechtssystem des Ausrichterstaates eingebunden. Eine vollständig losgelöste Überstaatlich‐ keit ist ebenso wie für die Verbandsorganisation auch für die Ausrichtung der Spiele abzulehnen. Die Ausrichtung Olympischer Sommer- und Winterspiele findet rechtlich daher an der Schnittstelle des Verbandsrechts des IOC, des Verbands- und Sitzstaatsrechts der Schweiz und nicht zuletzt auch dem Recht des Ausrichterstaates statt. Hinzu treten die Rechts- und Wertvorstellungen der die Athlet: innen entsendenden Staaten. Angesichts der Kollision verschie‐ dener Rechtskreise und Wertvorstellungen sind Konflikte unübersehbar: Die Autonomie des Sports wird seitens des IOC zwar als unabdingbare Notwendigkeit erachtet, da diese die Aufrechterhaltung der Werte des Sports und des Olympismus sichere. Durch Entwicklungen wie die Einflechtung der Olympischen Spiele in nationale Propagandaerzählungen, die staatliche Einflussnahme auf NOCs oder die Infragestellung der Autorität oder Inte‐ 66 6 Das IOC und Prinzipien der Meinungsfreiheit <?page no="67"?> 7 Gem. Art. 35 Verfassung der Volksrepublik China gewährt diese zwar prinzipiell auch ein Grundrecht der Meinungsfreiheit. Wie die weiteren Grundrechte der Verfassung hat sich dieses aber den Interessen des Staates, der Gesellschaft und dem Kollektiv unterzuordnen (Art. 51). grität des IOC, stellt die Wahrung der Autonomie in den letzten Jahrzehnten jedoch vor große Herausforderungen (Mittag 2021). Dabei ist das Konflikt- und Spannungspotential umso größer, je weiter die rechtlichen Rahmenbedingungen voneinander und vom weithin völ‐ kerrechtlich etablierten Rechtsrahmen abweichen. Für das Menschenrecht der Meinungsfreiheit kommt dies vor allem dann zum Tragen, wenn der Ausrichterstaat - wie im Fall von China 7 - grundlegende Menschenrechte nicht völkerrechtlich bindend anerkennt (s. o. zum UN-Zivilpakt) oder sie in der Praxis nicht gewährleistet. Dann bleibt Athlet: innen für Meinungsäuße‐ rungen - aufgrund zu befürchtender oder sogar angedrohter Repressionen durch den Ausrichterstaat - im Zweifel nur der Rahmen, den Regel 50.2 Olympische Charta ihnen innerhalb des am ehesten geschützten Raumes der olympischen Wettkampfstätten belässt. Deshalb ist die Ausgestaltung und Anwendung von Regel 50.2 Olympische Charta gerade auch mit Blick auf autoritäre Ausrichterstaaten von besonderer Bedeutung. Darüber hinaus wäre das IOC gut beraten, sich klar zum völkerrechtlich etablierten Menschenrechtsrahmen einschließlich der Meinungsfreiheit zu bekennen und diesen zu einem maßgeblichen Kriterium von Entscheidun‐ gen über die Ausrichtung von Olympischen Spielen zu machen. Eine in dieser Hinsicht strikte bzw. propagierte Neutralität trägt im Angesicht auto‐ ritärer Ausrichterstaaten stets die Gefahr einer übermäßigen Instrumentali‐ sierung und Nationalisierung der Spiele und einer mindestens mentalen, den fairen Wettbewerb beeinträchtigenden Einschüchterung von Athlet: innen in sich. Insoweit ist eine Neutralität in Menschenrechtsfragen eine Illusion und schadet der olympischen Idee eines freien und fairen Sportwettbewerbs zwischen Athlet: innen aller Nationen der Welt. 6.6 Recht des Ausrichterstaates 67 <?page no="69"?> 7 Meinungsäußerungen von Athlet: innen (Regel 50.2) Wie einige der in Kapitel 4.3 beschriebenen Beispiele politischer Positionie‐ rung durch Athlet: innen zeigen, können die Reaktionen der Sportverbände oft drastisch ausfallen. Entsprechend werden auch vorab eingereichte An‐ träge häufig abgewiesen, wie etwa bei den Olympischen Winterspielen 2014 in Sotschi: So wurde z. B. ein Antrag auf das Tragen eines Trauerflors ukrainischer Athlet: innen, um den Opfern politischer Demonstrationen in Kiew zu gedenken, durch das IOC offenkundig abgelehnt (Faut 2014). Auch das Tragen eines Handschuhs in Regenbogenfarben der Snowboarderin Cheryl Maas, die damit ihre Missbilligung des russischen Anti-Homosexu‐ ellen-Gesetzes Ausdruck verleihen wollte, wurde als unangemessen ange‐ sehen (ebd.). Das IOC bezieht sich bei derartigen Entscheidungen häufig auf die Regel 50 der Olympischen Charta, die vor allem in Anbetracht der Olympischen Winterspiele in Peking 2022 wieder verstärkt in der Kritik stand. 7.1 Bisheriger Gehalt von Regel 50 Vor dem Hintergrund des Kalten Kriegs, konkurrierender Nationen und Bürgerrechtsbewegungen, stammen die ersten ausdrücklichen Maßnah‐ men gegen politische Äußerungen bei den Olympischen Spielen aus den 1960er-Jahren (Faut 2014). Mittlerweile legt die Regel 50.2 fest: Keine Art von Demonstration oder politischer, religiöser oder rassisti‐ scher Propaganda ist an olympischen Stätten, Austragungsorten oder in anderen Bereichen erlaubt. Das IOC erklärt den Sinn der Regel 50.2 damit, an den olympischen Stätten weltweite politische, religiöse oder weltanschauliche Konflikte vermeiden zu wollen. Sie soll sicherstellen, dass der Fokus insbesondere während der Wettkämpfe und der offiziellen Zeremonien auf die Leistungen der Athlet: innen gerichtet ist, um diese sowie die internationale Einheit zu wür‐ <?page no="70"?> digen. Zudem soll die politische Neutralität der Spiele gewährleistet werden. Auch im Olympischen Dorf - der Unterkunft der Athlet: innen während der Spiele - soll die Regel respektvolle Bedingungen für das Zusammenleben aller Athlet: innen bieten. Darüber hinaus solle Regel 50.2 verhindern, Sport‐ ler: innen durch öffentlichen Druck in Positionen zu bringen, in denen sie sich gezwungen sehen, zu nationalen oder internationalen Themen Stellung zu beziehen (IOC Athletes‘ Commission: Rule 50.2 Guidelines - Olympic Winter Games 2022; DOSB 2020). In der Olympischen Charta geht der Regel 50.2 zunächst Regel 50.1 voraus, die eine übermäßige Kommerzialisierung der Spiele verhindern soll: Außer in Ausnahmefällen, die von der IOC-Exekutive genehmigt wer‐ den können, ist keinerlei Reklame oder andere Werbung in oder über den Stadien, Austragungsorten oder anderen Wettkampfstätten, die als Teil der olympischen Stätten anzusehen sind, erlaubt. Gewerbliche Einrichtungen und Werbezeichen sind weder in den Stadien, an den Austragungsorten noch in anderen Sportanlagen-erlaubt. Für ein besseres Verständnis der Regel 50.2 ist zunächst eine Definition der Begriffe „Demonstration“ und „Propaganda“ vorzunehmen: „Demons‐ trationen“ bezeichnen meist öffentliche Versammlungen, die öffentliche Aufmerksamkeit und Unterstützung für bestimmte Forderungen bezwe‐ cken. In pluralistischen Demokratien gelten sie insbesondere als Mittel zur Einflussnahme für diejenigen, die mit den Handlungen eines Systems oder der herrschenden Mehrheit unzufrieden sind (Beckord 2013). „Propaganda“ meint die systematische Verbreitung politischer oder welt‐ anschaulicher Ansichten mit dem Ziel, das allgemeine Bewusstsein der Öffentlichkeit oder gesellschaftlicher Gruppen gezielt zu beeinflussen. Cha‐ rakteristisch für Propaganda ist, dass sie eine Thematik nicht aus verschie‐ denen Blickwinkeln darlegt und Meinung und Information vermischt. Der Begriff „Propaganda“ wird dabei oft in Bezug auf Beeinflussungsstrategien in autoritären und totalitären Staaten verwendet. Auch in Bezug auf Krieg setzen Politiker: innen und Militärs häufig Propaganda ein, um z. B. die eigene Bevölkerung von einem solchen zu überzeugen (Bundeszentrale für politische Bildung 2011). 70 7 Meinungsäußerungen von Athlet: innen (Regel 50.2) <?page no="71"?> Um zu verdeutlichen, welche Art von Demonstration oder Propaganda von der Regel 50.2 betroffen sein können, nennt das IOC entsprechende Beispiele: Dabei wird unter anderem das demonstrative Verlassen einer Sportstätte aufgeführt, da der/ die Gegner: in des/ der Athlet: in einer verfein‐ deten Nation angehört. Des Weiteren tritt die Regel 50.2 z. B. bei Bekennt‐ nissen zu rechtspopulistischen Vereinigungen bei Siegerehrungen in Kraft. Oder ein/ e Schwimmer: in gehe mit in Regenbogenfarben lackierten Finger- und Fußnägeln an den Start, was in diverse Kameraeinstellungen hohe Aufmerksamkeit erzeuge. Außerdem wird das Beispiel eines drittplatzierten Marathonläufers genannt, der beim Zieleinlauf eine Fahne mit einer politi‐ schen Botschaft mit sich trägt, wodurch ihm mehr Aufmerksamkeit gelte als dem Sieger. Oder ein/ e Medaillengewinner: in trage bei Olympischen Spielen in einem Land, welches die Meinungs- und Pressefreiheit unterdrücke, bei der Siegerehrung ein T-Shirt mit dem Schriftzug „#free press“ (DOSB 2020). Da die Bühne des Sports Athlet: innen jedoch auch Möglichkeiten bietet, durch Solidaritätsbekundungen und politische oder soziale Proteste Auf‐ merksamkeit für persönliche Anliegen zu erzeugen, wird die Legitimität der Regel 50.2 in Bezug auf die Beeinträchtigung des Rechts auf freie Mei‐ nungsäußerung sowie die Stärkung von Menschenrechten im olympischen Sport immer wieder in Frage gestellt und diskutiert. Infolgedessen wandte sich die IOC-Athletenkommission bei der Ausarbeitung neuer Richtlinien zu Regel 50.2 bereits im Jahr 2019 an die Athletengemeinschaft. Diese Richtlinien sollten Klarheit über die bestehenden Möglichkeiten schaffen, wie Athlet: innen ihre Meinung bei den Olympischen Spielen äußern können und wo dies explizit verboten ist. Das Ergebnis: Respektvolle und mit den Olympischen Werten im Einklang stehende Meinungsäußerungen von Athlet: innen werden akzeptiert, solange diese nicht während offizieller Ze‐ remonien (Medaillenzeremonien, Eröffnungs- und Abschlusszeremonien), während des Wettbewerbs auf dem „Spielfeld“ und im Olympischen Dorf stattfinden. Zudem haben Athlet: innen bei Pressekonferenzen, Interviews, über eigene Kanäle der sozialen Medien sowie in den offiziellen Medien‐ zentren und in den Mixed Zones der Sportstätten die Möglichkeit für freie Meinungsäußerungen. Verstöße gegen die Regel 50.2 werden individuell bewertet und dementsprechend bestraft (IOC AC Rule 50.2 Guidelines - Olympic Winter Games 2022 in Beijing 2021). 7.1 Bisheriger Gehalt von Regel 50 71 <?page no="72"?> 7.2 Globale Athletenkonsultationen Im Mai 2020 lösten die Black-Lives-Matter-Ereignisse in den USA neue Diskussionen um die Regel 50.2, ihren Zweck und ihre Auswirkungen auf Athlet: innen aus aller Welt aus. Im Juni 2020 veröffentlichte der IOC-Exe‐ kutivrat daraufhin eine Resolution gegen Diskriminierung. Darin setzt sich das IOC für die Nichtdiskriminierung als einen der Grundpfeiler der Olympischen Bewegung ein. Nach der Veröffentlichung der Resolution wurde die IOC-Athletenkommission beauftragt, eine Athletenkonsultation zum Thema Meinungsäußerungen durchzuführen, um Rückmeldungen zu den aktuellen Leitlinien einzuholen und zusätzliche Möglichkeiten zu erkunden, wie die Athlet: innen den in der Olympischen Charta verankerten Grundprinzipien Ausdruck verleihen können (IOC 2020). Der Konsultationsprozess der IOC-Athletenkommission begann im Juni 2020 in Form von Gesprächen mit den einzelnen Athletenkommissionen der jeweiligen Nationalen Olympischen Komitees (NOCs) und Internatio‐ nalen Sportverbänden, um Schlüsselfragen im Zusammenhang mit Athle‐ tendemonstrationen zu erörtern und Rückmeldungen zu den erarbeiteten Leitlinien zu sammeln. Den NOCs wurde zuvor nahegelegt, die Athlet: innen in ihrem lokalen Umfeld separat zu befragen und die Ergebnisse anschlie‐ ßend mitzuteilen. Daraufhin gingen einige schriftliche Stellungnahmen nationaler Athletenkommissionen ein, die in Kapitel 7.5 näher betrachtet werden. Anschließend wurde eine globale Umfrage gestartet, bei welcher sich über 3.500 Athlet: innen aus 185 NOCs und den 41 olympischen Sportarten beteiligten. Das Meinungsforschungsinstitut „Publicis Sport & Entertainment“ wurde beauftragt, die Studie durchzuführen. Außerdem wurde sie vom „Schweizer Kompetenzzentrum Sozialwissenschaften“ (FOR S) begleitet. Auch die Schweizer Anwaltskanzlei „Lenz & Staehelin“ (L&S) wurde für entsprechende Einschätzungen hinzugezogen (IOC AC Athlete Expression consultation report 2021). Im Folgenden sollen die wichtigsten Ergebnisse der Befragung, wie sie im „IOC AC Athlete Expression consultation report 2021“ veröffentlicht wurden, zusammengefasst werden: Insgesamt reichten die Antworten der Athlet: innen von der Befürwor‐ tung der Einführung zusätzlicher Möglichkeiten für Athlet: innen, ihre Meinung während der Spiele zu äußern, bis hin zur Unterstützung der Regel 50 in ihrer derzeitigen Form. Unabhängig davon, ob zusätzliche Möglichkeiten der Meinungsäußerung befürwortet wurden oder nicht, hielt 72 7 Meinungsäußerungen von Athlet: innen (Regel 50.2) <?page no="73"?> die Mehrheit der Athlet: innen es nicht für angemessen, auf dem Spielfeld (70 %), bei offiziellen Zeremonien (70 %) oder auf dem Podium (67 %) persönliche Meinungen zu äußern. Die Beteiligten hielten es am ehesten für angebracht, dass Athlet: innen ihre persönlichen Ansichten in den Medien, bei Pressekonferenzen und in den Mixed Zones äußern. Grundsätzlich ergab die Befragung, dass eher eine gemeinsame Verbrei‐ tung von Botschaften zur Förderung der Olympischen Werte und des Olympischen Friedens gegenüber individuellen Äußerungen zu einem be‐ stimmten Thema zu bevorzugen sind. Unter den neuen Möglichkeiten, die im Rahmen der Befragung vorgeschlagen wurden, wurde ein Moment der Solidarität gegen Diskriminierung während der Eröffnungsfeier und das gemeinsame Verbreiten von Botschaften in Bezug auf Inklusion und Solidarität auf dem Spielfeld als geeignet betrachtet. Bei der Interpretation der Ergebnisse ist allerdings zu berücksichtigen, dass der Anteil der gegebenen Antworten aus verschiedenen Nationen stammt und teilweise ein unterschiedliches Verhältnis zu demokratischen Grundwerten zugrunde gelegt werden muss (Publicis Sport & Entertainment 2021): • China: 14-% • USA: 7-%. • Japan: 6-% • Frankreich: 5-% • Deutschland, Kanada, Großbritannien: je 4 % • Australien: 3-% • Südkorea: 3 % • Italien; Spanien: je 2 % • 174 weitere NOCs: 46-% Dementsprechend werden im Ergebnisbericht von „Publicis Sport & Enter‐ tainment“ einige Antworten separat nach Nationen aufgeschlüsselt. Dies zeigt, dass vor allem chinesische und russische Athlet: innen es für unange‐ messen halten, dass Athlet: innen im Olympischen Dorf, auf dem Podium, bei der Eröffnungsfeier oder auf dem Spielfeld individuelle Ansichten zu politi‐ schen Themen äußern. Während diese Ansicht in Bezug auf die Eröffnungs‐ feier und das Spielfeld von Athlet: innen der anderen Nationen mehrheitlich geteilt wird, ist dies hinsichtlich des Olympischen Dorfs und des Podiums nicht immer der Fall. Unter den teilnehmenden Athlet: innen aus den USA, Deutschland und Kanada liegt der Anteil, der Meinungsäußerungen im 7.2 Globale Athletenkonsultationen 73 <?page no="74"?> Olympischen Dorf ablehnt, bei unter 40 %. Meinungsäußerungen auf dem Podium werden von teilnehmenden Athlet: innen aus Südkorea und Kanada ebenfalls nicht mehrheitlich abgelehnt. Insgesamt spricht sich nur die Hälfte aller Teilnehmenden gegen Meinungsäußerungen im Olympischen Dorf aus (Publicis Sport & Entertainment 2021). Diese Ergebnisse lassen vermuten, dass die zivilgesellschaftlichen Sys‐ teme innerhalb der verschiedenen Nationen im Zusammenhang mit dem Antwortverhalten der Athlet: innen stehen können. Besonders westlich-de‐ mokratische Nationen zeigen sich der Thematik der Meinungsäußerung aufgeschlossener, als sich aufgrund der Ausführungen des IOC zu den Gesamtergebnissen vermuten lässt. 7.3 Anpassungsempfehlungen zu Regel 50.2 Aus den durch die IOC-Athletenkommission erhobenen Konsultationser‐ gebnissen gingen letzten Endes folgende Empfehlungen zur Anpassung der Regel 50.2 hervor, die im April 2021 von der IOC-Exekutive uneingeschränkt gebilligt wurden (IOC Athletes’ Commission’s recommendations on Rule 50 fully endorsed by the IOC Executive Board 2021; Deutscher Kanu-Verband 2021). Im Kern umfassen Sie folgende Empfehlungen: (1) Mehr Möglichkeiten zur Meinungsäußerung bei Olympischen Spielen schaffen: • Bei Eröffnungs- und Schlussfeiern: Die Bedeutung von Solidarität, Ein‐ heit und Nicht-Diskriminierung sollte bei Eröffnungs- und Schlussfeiern stärker hervorgehoben werden. Außerdem soll der Olympische Eid angepasst und um die Themen Inklusion und Nicht-Diskriminierung ergänzt werden. • Im Branding des Olympischen Dorfes: Gemeinsame Botschaften sollten im Branding des Olympischen Dorfs enthalten sein, um die Themen Frieden, Respekt, Solidarität, Inklusion und Gleichberechtigung zu be‐ tonen. • Durch die Friedenswand: Das Konzept hinter der Gestaltung der Frie‐ denswand im Olympischen Dorf ist die Anerkennung von Vielfalt und Harmonie. Die Athlet: innen sollten stärker auf diese Möglichkeit im 74 7 Meinungsäußerungen von Athlet: innen (Regel 50.2) <?page no="75"?> Olympischen Dorf aufmerksam gemacht werden, um hier ihre Unter‐ stützung für diese Werte zum Ausdruck bringen zu können. • Durch die Athletenbekleidung: Den Athlet: innen sollte Athletenbeklei‐ dung mit gemeinschaftlichen Botschaften zur Verfügung gestellt wer‐ den. Die vorgeschlagenen Worte sind: Frieden, Respekt, Solidarität, Inklusion und Gleichberechtigung. • Durch eine Social-Media-Kampagne und digitale Botschaften in der Präsentation von Sportarten: Zusammen mit der Athletengemeinschaft soll auf die gemeinsamen Werte Frieden, Respekt, Solidarität, Inklu‐ sion und Gleichberechtigung aufmerksam gemacht werden. Außerdem sollen digitale Botschaften rund um die gemeinsamen Werte in die Präsentation der Sportarten in den Wettkampfstätten integriert werden. (2) Mehr Möglichkeiten zur Meinungsäußerung außerhalb der Olympischen Spiele schaffen: Athlet: innen soll außerhalb der olympischen Wettbewerbe eine Plattform zur Verfügung gestellt werden, um Themen, die ihnen wichtig sind, disku‐ tieren und hervorheben zu können. Die Meinungsäußerungen sollen dabei immer respektvoll sein und im Einklang mit den Olympischen Werten stehen. (3) Das Podium, das Spielfeld und die offiziellen Zeremonien schützen: Das Podium, das Spielfeld und die offiziellen Zeremonien sollen vor jeglicher Art von Protesten und Demonstrationen oder vor Handlungen, die als solche wahrgenommen werden, geschützt werden. (4) Klarheit über Sanktionen schaffen: Die derzeitige Praxis in den IOC-Disziplinarverfahren gemäß der Re‐ gel-50-Richtlinien des IOC soll fortgeführt werden. Demnach sind Verstöße gegen den aktuellen Absatz 2 der Regel 50 von Fall zu Fall zu prüfen, um ein ordnungsgemäßes Verfahren und die Verhältnismäßigkeit der Sanktionen sicherzustellen. Die IOC-Athletenkommission empfiehlt der juristischen Kommission, zu gegebener Zeit die Bandbreite der Sanktionen zu klären, 7.3 Anpassungsempfehlungen zu Regel 50.2 75 <?page no="76"?> die bei einem Verstoß gegen die Regel verhängt werden können, wobei der Kontext jedes einzelnen Falles zu berücksichtigen ist. (5) Mehr Informationen zu Regel 50 bereitstellen: Informationen über den Zweck und den Anwendungsbereich von Regel 50.2 sowie über die Möglichkeiten, wie die Olympischen Werte und der Grundsatz der Nicht-Diskriminierung von allen Beteiligten umgesetzt und gefördert werden können, sollen erweitert und bereitgestellt werden. (6) Regel 50 in zwei Regeln teilen und die Klarheit von Regel 50.2 verbessern: Da die Kombination von Regel 50.1 und Regel 50.2 Unklarheiten über den Anwendungsbereich und Zweck von Regel 50 hervorrufen kann, sollen sie in zwei eigenständige Regeln aufgeteilt werden. Außerdem soll mehr Klarheit zum Umfang von Regel 50.2 geschaffen werden. 7.4 Aktuelle Leitlinien und praktische Umsetzung Die von der IOC-Athletenkommission präsentierten Empfehlungen zur Anpassung der Regel 50.2 sollten beginnend mit den Olympischen Sommer‐ spielen in Tokio 2020 (pandemiebedingt 2021) berücksichtigt werden. Im Hinblick auf die Olympischen Winterspiele 2022 in Peking wurde die For‐ mulierung der Leitlinien für die Regel 50.2 nochmals präzisiert. Sinngemäß lauteten die Leitlinien wie folgt (Deutscher Kanu-Verband 2021): Während der Olympischen Spiele haben die Athlet: innen über folgende Kanäle und in folgenden Situationen die Möglichkeit, ihre Meinung zu äußern: • in der Mixed Zone in Gesprächen mit den Medien- • im International Broadcasting Centre (IBC) oder im Main Media Centre (MMC) in Gesprächen mit den Medien • bei Pressekonferenzen am Veranstaltungsort oder im MMC- • in Interviews- • bei Teamsitzungen- • in traditionellen Medien oder digitalen Medien- • über soziale Medienkanäle- 76 7 Meinungsäußerungen von Athlet: innen (Regel 50.2) <?page no="77"?> • auf dem Spielfeld vor Beginn des Wettkampfs (d. h. nach Verlassen des Vorbereitungsbereichs oder während der Vorstellung des/ der einzelnen Athlet: in oder der Mannschaft) Die Äußerungen müssen dabei im Einklang mit den Grundprinzipien des Olympismus stehen und dürfen sich weder direkt noch indirekt gegen Men‐ schen, Länder, Organisationen und deren Würde richten. Jegliches Verhal‐ ten, das Diskriminierung, Hass, Feindseligkeit oder das Potenzial für Gewalt darstellt oder signalisiert, ist demnach verboten. Als störend gelten z. B. Äu‐ ßerungen während der Nationalhymne eines/ einer anderen Athlet: in oder einer anderen Mannschaft oder deren Vorstellung. Darüber hinaus sind Mei‐ nungsäußerungen während offizieller Zeremonien (einschließlich olympi‐ scher Medaillenzeremonien, Eröffnungs- und Abschlusszeremonien), wäh‐ rend des Wettbewerbs auf dem „Spielfeld“ und im Olympischen Dorf in jedem Fall unzulässig (Deutscher Kanu-Verband 2021). Werden diese Vorgaben nicht eingehalten, kann ein Disziplinarverfah‐ ren des IOC gemäß der Olympischen Charta eingeleitet werden. Bei der Beurteilung solcher Fälle gibt das IOC vor, volle Transparenz walten lassen und das Recht auf Anhörung zu respektieren. Der IOC-Disziplinarkommis‐ sion, die die Anschuldigung und ihre Folgen bewertet, soll zudem ein/ e Athletenvertreter: in angehören, der/ die Mitglied der IOC-Athletenkommis‐ sion ist. Bei der Bewertung und der Festlegung möglicher disziplinarischer Konsequenzen sollen außerdem folgende Faktoren berücksichtigt werden (Deutscher Kanu-Verband 2021): • das Ausmaß der durch das Verhalten verursachten Störung auf dem Spielfeld, während einer offiziellen Zeremonie oder im Olympischen Dorf • ob die Äußerung eine nach den internationalen Menschenrechtsnormen verbotene Befürwortung von nationalem, rassistischem oder religiösem Hass darstellt, die zu Diskriminierung, Feindseligkeit oder Gewalt an‐ stiftet • ob disziplinarische Maßnahmen erforderlich sind, um die legitimen Interessen und Werte des-Olympismus zu schützen • ob die Äußerung ein einmaliges Ereignis war • ob der/ die Teilnehmer: in gegen den ein Disziplinarverfahren eingeleitet wurde, die Handlung freiwillig oder auf Veranlassung oder unter Druck einer anderen Person, Organisation oder Einrichtung vorgenommen hat • ob sich andere Teilnehmer: innen über die Äußerung beschwert haben 7.4 Aktuelle Leitlinien und praktische Umsetzung 77 <?page no="78"?> Eine endgültige Änderung bzw. Überarbeitung der Regel 50 der Olympi‐ schen Charta soll vorgenommen werden, nachdem die Empfehlungen bei den Olympischen Spielen in Tokio und in Peking umgesetzt worden sind, um entsprechende Erfahrungen berücksichtigen zu können. Innerhalb des im September 2022 veröffentlichten IOC-Rahmenplans für Menschenrechte ist eine Überarbeitung bzw. Überprüfung des Wortlauts von Regel 50 zwischenzeitlich bis zum Jahr 2024 angesetzt (IOC Strategic Framework on Human Rights 2022, S.-27). 7.5 Standpunkte der Verbände, Athletenvereinigungen und Menschenrechtsorganisationen Die nachfolgende Evaluation verschiedener Standpunkte innerhalb der bereits erläuterten Debatte rund um die Legitimation der Regel 50.2 der Olympischen Charta stützt sich auf die schriftlichen Erklärungen der Athle‐ tenkommissionen verschiedener NOCs und IFs, die im Rahmen der weltwei‐ ten Athletenkonsultation eingeholt wurden. Im Hinblick auf verschiedene rechtliche und gesellschaftspolitische Argumentationsstränge soll dadurch beurteilt werden, inwiefern die in Kapitel 7.3 beschriebenen Empfehlungen zur Anpassung der Regel 50.2 angemessen und deren Begründung gerecht‐ fertigt ist. Die schriftlichen Erklärungen verschiedener NOCs und IFs sind in Form offizieller Stellungnahmen, Positionspapieren oder als Pressemitteilungen zum Teil öffentlich zugänglich. Sie konzentrieren sich auf Schlüsselthemen im Zusammenhang mit Athletenprotesten und die Ergebnisse der Konsulta‐ tionen, die innerhalb der nationalen Athletengemeinschaften durchgeführt wurden und somit die Ansichten der Athlet: innen des entsprechenden Landes widerspiegeln sollen. Die Standpunkte folgender NOCs und IFs bzw. deren Athletenkommissi‐ onen wurden in die Untersuchung aufgenommen: • Australian Olympic Committee • Canadian Olympic Committee • Chinese Olympic Committee • French Olympic Committee • German Olympic Sports Confederation (DOSB) • National Olympic Committee of Lithuania • New Zealand Olympic Committee 78 7 Meinungsäußerungen von Athlet: innen (Regel 50.2) <?page no="79"?> • Olympic Federation of Ireland • Russian Olympic Committee • Slovak Olympic and Sport Committee • United States Olympic and Paralympic Committee (USOPC) • sowie vereinzelte nicht öffentlich zugängliche Erklärungen, bei denen lediglich der Verwendung einiger Ausschnitte in Rahmen des „IOC Ath‐ letes‘ Commission Reports“ zugestimmt wurde: NOCs aus Papua-Neu‐ guinea, der Türkei, der Ukraine und Südkorea Kein Zugriff bestand auf die Stellungnahmen der NOCs aus Belgien, Lesotho, Mexiko und Namibia. Als weitere an der Debatte beteiligten Akteure konnten außerdem ein‐ zelne Athletenvereinigungen und Menschrechtsorganisationen identifiziert werden, die teilweise schon vor Bekanntgabe der vom IOC geplanten Ath‐ letenkonsultation Anforderungen an eine Änderung der Regel 50.2 stellten. In die Untersuchung miteinbezogen wurden die Standpunkte der interna‐ tionalen Athletenvereinigung „Global Athlete“ und des Vereins „Athleten Deutschland e. V.“, der die Interessen deutscher Athlet: innen repräsentiert. Außerdem wurden Stellungnahmen des „UNSW Australian Human Rights Institute“ (Forschungsinstitut der University of New South Wales) und dem „Centre for Sports & Human Rights“ berücksichtigt. Darüber hinaus soll auch die offizielle Begründung der IOC-Athletenkommission für die Anpas‐ sungsempfehlungen zu Regel 50.2 in die Analyse miteinbezogen werden. Die Auswahl der Quellen erfolgte nach ihrer Relevanz hinsichtlich des Forschungsinteresses. Wenn es um den Sport und seinen kulturellen, sozialen und (gesellschafts-)politischen Kontext geht, erweisen sich bei der Recherche deutschsprachiger wissenschaftlicher Literatur verschiedene Werke der Autoren Sven Güldenpfennig und Klaus Zeyringer als relevant, die sich in ihren Ansichten nicht immer einig sind. Zwar setzen sich die beiden in erster Linie mit dem Verhältnis von Sport und Politik, der politischen Neutralität des Sports und der Haltung von Sportorganisationen auseinander, dennoch lassen sich aus diesem Kontext ebenfalls Argumente für die Diskussion ableiten. Die Darstellung der Standpunkte erfolgt unter der Fragestellung, inwie‐ fern die Regel 50.2 der Olympischen Charta - insbesondere das pauschale Verbot von Meinungsäußerungen an bestimmten Schlüsselorten - im Wi‐ derspruch zu weltweiten Rechtsprinzipien und den Olympischen Werten selbst steht. Außerdem soll beurteilt werden, ob Einschränkungen von 7.5 Standpunkte der Verbände, Athletenvereinigungen und Menschenrechtsorganisationen 79 <?page no="80"?> Meinungsäußerungen im Kontext der Olympischen Spiele mit der Erklärung politischer Neutralität seitens des IOC begründbar sind. Dazu werden zunächst die einschlägigsten Argumentationen und Anforderungen der genannten Akteure gegenübergestellt. 7.5.1 Regel 50.2 und Prinzipien der Meinungsfreiheit Im Rahmen der eigenen Stellungnahme zu den Empfehlungen zur Anpas‐ sung der Regel 50.2 (IOC AC Athlete Expression consultation report 2021) stellt das IOC zunächst klar, dass es die freie Meinungsfreiheit vollumfäng‐ lich unterstütze. Neben den Rückmeldungen der NOCs habe man sich auch die Meinung von Menschenrechts- und Sportrechtsexperten eingeholt. Darin würde deutlich, dass die Meinungsfreiheit trotz der allgemeinen Anerkennung als grundlegendes Menschenrecht nicht absolut sei und mit Pflichten und Verantwortung einhergehe. Unter engen Rahmenbedingun‐ gen könne sie daher eingeschränkt werden. Damit jede: r Einzelne die Ein‐ schränkungen verstehen und sich entsprechend verhalten könne, müssten diese klar definiert sein. Das IOC ist der Auffassung, dass die Regel 50.2 diese Anforderungen erfülle, zumal sie durch die zugehörigen Leitlinien hinsichtlich des zeitlichen und geographischen Geltungsbereichs weiter spezifiziert würde. Das IOC erklärt weiterhin, dass die Meinungsfreiheit, abgesehen von der zeitlichen und örtlichen Begrenzung, nicht eingeschränkt sei, wenn man bedenke, dass die Olympischen Spiele nur alle vier Jahre für 16 Tage stattfinden. Eine Rechtfertigung für die Beschränkungen, wie sie in Regel 50.2 festge‐ legt sind, ergebe sich außerdem aus den folgenden Gründen (ebd.): • Aus Respekt vor den Mitstreiter: innen und ihrer sportlichen Leistung: Ein/ e Sportler: in, der/ die auf dem Spielfeld Ruhm erlangt hat, habe das Recht, diese Leistung zu feiern, ohne dass diese durch die Aktivitäten und das Verhalten anderer überschattet wird. • Aus Schutz der Universalität der Spiele: Die Äußerung politischer Mei‐ nungen an Schlüsselorten oder in Schlüsselmomenten der Olympischen Spiele könne einzelne Athlet: innen oder Nationen davon abhalten, an den Spielen teilzunehmen, sie auszurichten oder sie zu übertragen. • Zur Förderung der Einheit durch den Sport im Olympischen Dorf und auf dem Spielfeld: Würden die Spiele zu einer potenziellen Tribüne für die internationale oder nationale Zurschaustellung politischer, reli‐ 80 7 Meinungsäußerungen von Athlet: innen (Regel 50.2) <?page no="81"?> giöser oder sozialer Standpunkte, bestehe die Gefahr von Konflikten zwischen Athlet: innen. • Aus Schutz und zur Gewährleistung der politischen Neutralität der Olympischen Spiele. • Der Schwerpunkt der Spiele läge dadurch weiterhin auf der Feier des Sports, der Olympischen Werte und der Leistungen der Athlet: innen. • Niemand würde in die Lage versetzt, sich für die Legitimität einer Sache gegenüber einer anderen entscheiden zu müssen. • Aus Schutz der Sportler: innen vor äußerem Druck, öffentlich zu einem Thema Stellung beziehen zu müssen. Die Einschränkung der Meinungsfreiheit durch Regel 50.2 der Olympischen Charta sei daher der am wenigsten einschneidende Weg, um die genannten Interessen zu schützen. Im Rahmen der IOC-Athletenkonsultation hatte die DOSB-Athletenkom‐ mission den Verein „Athleten Deutschland e. V.“ mit der Erarbeitung einer entsprechenden Positionierung beauftragt. Diese wurde daraufhin durch eine Arbeitsgruppe bestehend aus sechs Athlet: innen, unterstützt durch einen Menschenrechtsexperten, entwickelt. Im Ergebnis kam man zu dem Schluss, dass Spitzensportler: innen als Bürger: innen anerkannt werden müssten, denen die freie Entwicklung und Äußerung einer Mei‐ nung zustünde. In Anbetracht „der Bedeutung der Meinungsfreiheit für die Entwicklung einer freiheitlichen demokratischen Gesellschaft“ sollten sich Athlet: innen „jederzeit zu den Werten einer freiheitlich-demokratischen Gesellschaft bekennen können, auch im Wettbewerbsumfeld“. Das Verbot von Meinungsäußerungen orientiere sich „weder an gesetzlichen Vorgaben noch an einschlägigen internationalen Rechtsprinzipien“. Das Recht auf freie Meinungsäußerung sei „ein wertvolles Gut, dessen Einschränkung nur aus schwerwiegenden Gründen akzeptiert werden“ könne. Unter den deutschen Sportler: innen herrsche Einigkeit darüber, „dass das Eintreten für die Menschenrechte und die positive Wirkung der Meinungsfreiheit mehr wiegen sollten, als die Angst vor möglichen Zwistigkeiten“. Insbesondere Personen, die mit Unterdrückung konfrontiert sind, könne nicht das Recht abgesprochen werden, dagegen zu protestieren (Athleten Deutschland e. V. 2020a). Für das US-amerikanische olympische Komitee, das USOPC, wurde durch den „Team USA Council on Racial and Social Justice“ eine Stellungnahme erarbeitet, der bereits eine in Zusammenarbeit mit John Carlos erarbeitete 7.5 Standpunkte der Verbände, Athletenvereinigungen und Menschenrechtsorganisationen 81 <?page no="82"?> Stellungnahme vorausging. In Anbetracht dieser beiden Statements ist das USOPC der Auffassung, dass Regel 50.2 der Olympischen Charta die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen verletze, die den weltweiten Schutz der freien Meinungsäußerung garantiere und für das gesellschaftliche und individuelle Wohlergehen unerlässlich sei (USOPC 2020). Ebenso erklärt das New Zealand Olympic Committee in seiner Stellung‐ nahme, Regel 50.2 stehe im Widerspruch zu dem Recht auf freie Meinungs‐ äußerung (New Zealand Olympic Committee/ AC 2021). Die Athletenkommissionen des litauischen, chinesischen, russischen, irischen sowie kanadischen NOCs halten sich in ihren Aussagen in Bezug auf einen möglichen Verstoß der Regel 50.2 gegen das Recht auf freie Meinungs‐ äußerung vergleichsweise eher zurück (National Olympic Committee of Lithuania/ AC 2021; Chinese Olympic Committee/ AC 2020; Russian Olympic Comittee/ AC 2021; Olympic Federation of Ireland 2020; Canadian Olympic Committee/ AC 2020). Klarer positioniert sich dahingegen die slowakische Athletenkommission: Sie unterstützt die Argumentation des IOC und zeigt sich mit den bestehen‐ den Gelegenheiten zur Meinungsäußerung rund um die Olympischen Spiele zufrieden (Slovac Olympic & Sports Committee/ AC 2020). Zusätzlich ist festzuhalten, dass die Stellungnahmen der slowakischen, li‐ tauischen, russischen und chinesischen Athletenkommissionen vergleichs‐ weise kurz ausfallen. Die internationale von Athlet: innen geführte Bewegung „Global Athlete“ sowie die Menschenrechtsorganisation „Centre for Sports & Human Rights“ reagieren auf die Rechtfertigung der Regel 50.2 des IOC empört: Das Vorschreiben, wann, wo und was die Athlet: innen sprechen dürften, unter‐ drücke das Recht auf freie Meinungsäußerung. Insbesondere das olympische Podium stelle ein Medium der Kommunikation mit der Welt dar. Die Athlet: innen werden daher aufgefordert, die Menschenrechtserklärung der Vereinten Nationen als Leitfaden für ihre Entscheidung zu nutzen, wann und wo sie das Recht wahrnehmen, für Ungleichheit und Menschenrechte einzustehen. Darüber hinaus habe „Global Athlete“ die Umfrage des IOC von unabhängigen sozialwissenschaftlichen Forschungsexpert: innen über‐ prüfen lassen, die zu dem Ergebnis kamen, dass die angewandte Forschungs‐ methodik fehlerhaft sei. Es seien die Minderheiten, auf deren Schutz die Meinungsfreiheit insbesondere abziele und denen in dieser Debatte Gehör 82 7 Meinungsäußerungen von Athlet: innen (Regel 50.2) <?page no="83"?> verschafft werden müsse, was im Rahmen der Umfrage nicht gelungen sei (Global Athlete 2021; Centre for Sport & Human Rights 2021). In einem offenen Brief, verfasst von Expert: innen aller Kontinente, die sich mit Überschneidungen von Menschrechten, sozialer Gerechtigkeit und Sport befassen, sowie mehr als 20 Organisationen und eine Gruppe aktiver und ehemaliger olympischer und paralympischer Athlet: innen, wird die Führung des IOC ebenfalls aufgerufen, ihren Kurs in Bezug auf Regel 50.2 zu überdenken. Dies sei notwendig, um ein Engagement für Menschenrechte und soziale Integration in der Olympischen Bewegung zu demonstrieren. Die Fortschritte, die das IOC hinsichtlich dieser Thematik bisher gemacht habe, werden zwar begrüßt, dennoch würden die Empfehlungen zur An‐ passung der Regel nicht als Bekenntnis zur Meinungsfreiheit angesehen. Das aktuelle Regelwerk stelle eine Unterdrückung dar, die systematisch auf Athlet: innen aus Minderheitengruppen abziele, die die Olympischen Spiele als Plattform sehen, um auf Ungerechtigkeiten in ihren Heimatländern und auf der ganzen Welt aufmerksam zu machen. Die Argumente für die Recht‐ fertigung der Regel 50.2 würden nicht von einem Engagement gegen Men‐ schenrechtsverletzungen und damit für die Wahrung der Menschenwürde von Sportler: innen zeugen. Dem IOC wird außerdem vorgeworfen, dass die Perspektive von Menschenrechtsexpert: innen im Konsultationsbericht der IOC-Athletenkommission nicht angemessen vertreten sei (Muhammad Ali Center 2021). Zudem müssten einige der empirischen Daten in Frage gestellt werden: Der Bericht enthalte keine Informationen über ethnische Demografie und die Schritte, die unternommen wurden, um die Gültigkeit und Vertrauens‐ würdigkeit der Daten sicherzustellen. Infolgedessen wird in Frage gestellt, dass die Befragung tatsächlich den strengsten wissenschaftlichen Standards entspricht. Das IOC hätte weiterhin versäumt, klar genug zu formulieren, was die konsultierten Menschenrechtsexpert: innen dazu qualifiziert habe, ihre Expertise in diesem Fall beizusteuern. Lösungen für die Verletzung der Menschenrechte und der Gefährdung der Menschenwürde müssten in erster Linie die Stimmen derjenigen in den Mittelpunkt stellen, die von solchen Verletzungen unverhältnismäßig stark betroffen seien. Dies sei nicht ausreichend umgesetzt worden (ebd.). 7.5 Standpunkte der Verbände, Athletenvereinigungen und Menschenrechtsorganisationen 83 <?page no="84"?> 7.5.2 Regel 50.2 und Olympische Werte und Prinzipien Ein weiterer Vorwurf, der in mehreren Stellungnahmen der NOCs geäußert wird, liegt in dem vermeintlichen Widerspruch der Einschränkungen von Meinungsäußerungen durch die Regel 50.2 „zu den proklamierten Werten der Sportverbände“ (DOSB Athletenkommission 2020). So ist beispielsweise auch das USOPC der Auffassung, dass das Recht der Athlet: innen, für ethnische und soziale Gerechtigkeit einzutreten, eindeutig mit den grundle‐ genden Olympischen Werten übereinstimme. Die Einschränkung von Mei‐ nungsäußerungen, insbesondere wenn sie von Athlet: innen aus historisch unterrepräsentierten und Minderheiten getätigt würden, trage dahingegen zur Entmenschlichung der Athlet: innen bei, was im Widerspruch zu den zentralen Olympischen Werten stehe (USOPC 2020). Das IOC selbst vertritt in seinem Report die Ansicht, dass Regel 50.2 im Zusammenhang mit den Grundprinzipien des Olympismus gelesen werden müsse und erwähnt dabei insbesondere das zweite grundlegende Prinzip: „Ziel des Olympismus ist es, den Sport in den Dienst der harmonischen Entwicklung der Menschheit zu stellen, um eine friedliche Gesellschaft zu fördern, die der Wahrung der Menschenwürde verpflichtet ist.“ (Olympische Charta: Grundlegende Prinzipien des Olympismus, Grundprinzip 2). Das IOC sieht demnach gerade in den Olympischen Werten und Prinzipien ein Argument für die Rechtfertigung der Regel. Das chinesische NOC ist ebenfalls der Meinung, dass Äußerungen von Athlet: innen, insbesondere auf dem Spielfeld, dem Podium und im Olym‐ pischen Dorf, von der Leistung anderer Sportler: innen ablenken sowie die Vermittlung der Olympischen Werte beeinträchtigen würden (Chinese Olympic Committee/ AC 2020). Das russische NOC befürchtet, dass Mei‐ nungsäußerungen von Athlet: innen zu Unruhen und Interessenkonflikten führen könnten, was dem Geist der Olympischen Bewegung widerspräche (Russian Olympic Committee/ AC 2021). Das NOC aus Papua-Neuguinea weist außerdem darauf hin, dass der größtmögliche Respekt für alle Ath‐ let: innen ein zentraler Wert des IOC sei, weshalb insbesondere das Spielfeld und die Zeremonien neutral bleiben sollten (IOC AC Athlete Expression consultation report 2021). „Athleten Deutschland“ setzt dem entgegen, dass nicht die Unterdrü‐ ckung des Austauschs über kulturelle Unterschiede und politische Auffas‐ sungen, sondern Sportler: innen, die friedlich und respektvoll politisch 84 7 Meinungsäußerungen von Athlet: innen (Regel 50.2) <?page no="85"?> Stellung beziehen, Einheit und Verständigung vermitteln würden (Athleten Deutschland e.-V. 2020b). Um einen möglichst breiten Überblick über die vorherrschenden Mei‐ nungen innerhalb der Debatte zu geben, lohnt sich auch ein Blick in die Fachliteratur, die sich mit dem kulturellen, sozialen und (gesellschafts-)po‐ litischen Kontext des Sports auseinandersetzt. So widmet sich der Germanist und Literaturkritiker Klaus Zeyringer in seinen Publikationen mitunter dem Profisport in der modernen Gesellschaft, der Kritik an der Kommerzialisie‐ rung des Sports und der Geschichte der Olympischen Spiele. In Bezug auf politische Proteste bei den Olympischen Spielen schreibt er: „Die Olympier behaupten, ihre Bewegung trete überall für Menschen‐ rechte und Demokratie ein, der olympische Geist ziele auf eine univer‐ selle pädagogische Wirkung. In ihrem Reich der fünf Ringe mochten sie jedoch keine politischen Proteste zulassen. Dass ihre Großevents zur internationalen Imagepflege benutzt werden und mitunter wie in Sotschi ein falsches Schaufenster politischer Normalität und Ruhe vorspiegeln, verstehen sie offenbar nicht als Politik. […] Bei den Jugend‐ spielen betreibt das IOC ein Bildungsprogramm, aber das olympische Subjekt hat unmündig anzutreten. Im Moment der Spiele werden im abgehobenen Sportraum Athleten und Publikum zu Olympiabürgern, die sich nach den Regeln des IOC in dessen undemokratischem Umfeld zu verhalten haben. Sie sind aufgefordert, das Ethos der Bewegung anzunehmen, das allerdings im IOC selbst in vielen Fällen nicht befolgt wird.“ (Zeyringer 2016: S.-428) Zeyringer wirft dem IOC demnach mangelnde gesellschaftliche Verantwort‐ lichkeit vor. Sein Handeln stehe selbst viel zu oft im Widerspruch zu den proklamierten Werten der Olympischen Bewegung, was das Verbot von Meinungsäußerungen von Athlet: innen heuchlerisch erscheinen lasse. Im Gegensatz dazu grenzt der Sportwissenschaftler Sven Güldenpfennig die vermeintlich verteidigungswürdigen kulturellen Werte des Sports von gesellschaftspolitischen Werten ab, um so einen begründeten Legitimations‐ rahmen für die begrenzte gesellschaftliche Mitverantwortung und Partei‐ nahme der Sportpolitik zu finden (Güldenpfennig 2017: S.-202-220). 7.5 Standpunkte der Verbände, Athletenvereinigungen und Menschenrechtsorganisationen 85 <?page no="86"?> 7.5.3 Regel 50.2 und politische Neutralität Aus den vorangegangenen Ausführungen lässt sich ferner die Debatte um die politische Neutralität des olympischen Sports ableiten, auf die sich das IOC auch in der Rechtfertigung der Regel 50.2 bezieht (IOC AC Athlete Ex‐ pression consultation report 2021). Während Zeyringers Ausführungen die Überzeugung einer unauflöslichen Verbindung zwischen Sport und Politik widerspiegeln, spricht Güldenpfennig von „sportwidrigen Übergriffen poli‐ tischer Mächte auf Sportereignisse und -institutionen“ (Güldenpfennig 2017, S. 202-220), die es zu kritisieren gelte. Er verlange „den Protagonisten der olympischen Welt“ keine politische Korrektheit ab, sondern sieht diese eher als Opfer politisch unkorrekten Handelns. Der Verzicht auf Parteinahme in allgemeinpolitischen Konflikten müsse der Sport erbringen, damit „seine Handlungs- und Entwicklungsspielräume nachhaltig gewährleistet werden“ (ebd.: S.-217f.) könnten: „Für jeden, der für sich in Anspruch nehmen möchte, die Sportidee zu schätzen und die Regeln für das Zustandekommen und Gelingen ihrer Ereignisse zu respektieren, verbietet sich, politische Botschaften im Kern jener Ereignisse zu platzieren. […] Wer allerdings nicht bereit ist, jene Wertschätzung und jenen Respekt aufzubringen, schuldet der Gesellschaft eine Antwort auf die Frage, was ihn dazu veranlasst und berechtig, ausgerechnet den wenig politik-affinen, ja eher politik-aller‐ gischen Sportplatz auszuwählen, um darauf sein (Un-)Wesen zu treiben.“ (Ebd., S.-207) Davon ausgehend stellt sich Güldenpfennig die Frage, ob die Autonomie des Sports, die im Interesse seiner spezifischen Leistung für die Gesell‐ schaft wünschenswert sei, nicht partielle Freistellungen von der generel‐ len Geltung allgemeingesellschaftlicher Normen rechtfertigen könne (ebd., S. 217f.). Die „Kunst sportpolitischen Handelns und seine einzige Möglich‐ keit erfolgsversprechenden friedenspolitischen Handelns“ bestehe darin, „sich auf ein Zustandekommen seiner eigenen Ereignisse zu konzentrieren, innerhalb und trotz einer weiterhin unheilen Welt […]“ (Güldenpfennig 2015, S.-432-434). In seiner Stellungnahme weist das IOC ferner auf seine Aufgabe hin, „Maßnahmen zu ergreifen, um die Einheit der Olympischen Bewegung zu 86 7 Meinungsäußerungen von Athlet: innen (Regel 50.2) <?page no="87"?> stärken, deren Unabhängigkeit zu schützen und die Autonomie des Sports zu wahren“ (Regel 2.5 Olympische Charta) sowie „gegen jeden politischen oder kommerziellen Missbrauch des Sports und der Athleten vorzugehen“ (Regel 2.11 Olympische Charta). Auch Athlet: innen sollten demnach durch das Unterlassen von Meinungsäußerungen zu politischen oder gesellschaftsre‐ levanten Themen dazu beitragen, dass die Spiele politisch neutral bleiben. Anknüpfend an die geführte Kerndebatte, inwiefern der Sport politisch ist, wird im Rahmen der Konsultationen zu Regel 50.2 auch über die Notwendigkeit der Beschränkung der Meinungsfreiheit von Sportler: innen zur Wahrung politischer Neutralität der Spiele geurteilt: Das slowakische NOC schließt sich dabei der erläuterten Haltung des IOC an und betont, dass die Spiele politisch neutral bleiben müssten, um zu gewährleisten, dass der Fokus während der Spiele ausschließlich auf den sportlichen Leistungen und der Feier der Olympischen Werte liege (Slovac Olympic & Sports Committee/ AC 2020). Auch das russische NOC ist der Ansicht, dass die Olympischen Spiele ein internationales Sportfest seien, welches nicht als Plattform für Protestbewegungen genutzt werden dürfe (Russian Olympic Committee/ AC 2021). Etwas liberaler zeigt sich das kanadische NOC, das lediglich die Beibehaltung einzelner neutraler bzw. geschützter Räume für den Erfolg der Olympischen Spiele als entscheidend ansieht (Canadian Olympic Committee/ AC 2020). Gegenteiliger Meinung sind erneut der DOSB und das USOPC: Das Verbot von Meinungsäußerungen durch die Regel 50.2 der Olympischen Charta sei aus Sicht des DOSB „mit der sportinternen Erklärung ‚politischer Neutrali‐ tät‘ keinesfalls begründbar“ (DOSB Athletenkommission 2020). Das USOPC ergänzt, dass die deklarierte Neutralität des Sports dazu beitrage, ungerechte Machtverhältnisse im internationalen Sport zu verstärken (USOPC 2020). „Global Athlete“ bezeichnet den Verweis auf die politische Neutralität der Spiele als heuchlerisch, da das IOC die Politik selbst konsequent zu ihrem Vorteil nutze (Global Athlete 2020). Im Rahmen des bereits erwähnten offenen Briefes verschiedener Menschenrechtsexperten wird diesbezüglich geäußert, dass Neutralität niemals neutral sei. Als ein Spiegelbild der gesamten Gesellschaft sei der Sport nicht resistent gegen soziale Missstände. Neutral zu bleiben, bedeute anhaltende Ungerechtigkeit zu unterstützen (Muhammad Ali Center 2021). 7.5 Standpunkte der Verbände, Athletenvereinigungen und Menschenrechtsorganisationen 87 <?page no="88"?> 7.5.4 Reformvorschläge zu Regel 50.2 Insgesamt sprechen sich die Athletenkommissionen der NOCs aus der Slowakei, Litauen, Papua-Neuguinea, der Türkei und der Ukraine für eine Beibehaltung der Regel 50.2 in ihrer derzeitigen Form aus. Jede Art von Protesten, Demonstrationen oder Propaganda könne die Erfahrungen der Athlet: innen negativ beeinflussen, insbesondere auf dem Podium, auf dem Spielfeld und im Olympischen Dorf (Slovac Olympic & Sports Commit‐ tee/ AC 2020). Das russische NOC spricht sich zusätzlich entschieden gegen eine Schwächung der Vorschriften aus (Russian Olympic Committee/ AC 2021). Auch das Chinesische NOC zeigt sich einverstanden mit der Auf‐ rechterhaltung der Regel. Die bereits bestehenden Möglichkeiten, die das IOC den Athlet: innen bietet, sich zu äußern, seien ausreichend (Chinese Olympic Committee/ AC 2020). Das NOC aus Südkorea ist der Ansicht, die Athlet: innen würden über ihre Social-Media-Kanäle eine ausreichende Medienaufmerksamkeit erlangen, sodass sie ihre unabhängigen Kanäle durchaus nutzen könnten, um ihren politischen Überzeugungen Ausdruck zu verleihen (IOC AC Athlete Expression consultation report 2021). Einige Athletenkommissionen, wie z. B. die des irischen oder australi‐ schen NOC, fordern dahingegen eine Lockerung und Überarbeitung der Regelungen, um respektvollen und friedlichen Protest an Schlüsselorten zuzulassen. Formen des Protests, die das Podium und das Spielfeld nicht betreffen, würden dabei allerdings stark bevorzugt (New Zealand Olympic Committee/ AC 2021; Olympic Federation of Ireland 2020). „Athleten Deutschland e. V.“ ist dahingegen überzeugt, dass die „inspi‐ rierende Kraft“ der Athlet: innen ihre größte Wirkung während des Wett‐ kampfes oder bei Siegerehrungen entfalte. Ihnen in diesen Momenten die Möglichkeit zu verbieten, „gesellschaftliche Veränderungen anzuregen“, wird stark kritisiert (Athleten Deutschland e.-V. 2020b). Der DOSB zeigt sich - trotz der Forderung einer Konkretisierung der Regel - der Tatsache bewusst, dass „keine Verletzung der Ehre und Würde anderer durch Meinungsäußerungen hinnehmbar“ sei (DOSB Ath‐ letenkommission 2020). Eine Revision der Regel müsse „hinreichend spezi‐ fizierte, möglichst geringe und angemessen begründete Einschränkungen der Meinungsäußerungen von Athlet: innen beinhalten“ (ebd.). Mögliche Begründungen könnten „die bewusste Verbreitung von Unwahrheiten“, „die Verletzung der Rechte anderer“, „Hassrede“ und „die explizite Unterstützung politischer Parteien oder Gruppierungen“-sein (ebd.). 88 7 Meinungsäußerungen von Athlet: innen (Regel 50.2) <?page no="89"?> Das USOPC sowie das neuseeländische, australische und das kanadische NOC sprechen sich ebenfalls für die Unterscheidung zwischen spalterischen Handlungen und dem Recht, friedlich und ethisch korrekt gegen rassistische und soziale Ungerechtigkeiten zu protestieren, aus. Darüber hinaus wird ein klar definierter Rahmen gefordert, wie Verstöße gegen Regel 50.2 bewertet und Sanktionen verhängt werden (USOPC 2020). Darauf bezieht sich auch das „UNSW Australian Human Rights Institute“ und bemängelt, dass die Olympische Charta zwar drastische Strafen vorsehe, aber kein Verfahren, wie ein Verstoß zu überprüfen sei oder was ein Verstoß nach sich ziehe. Es wird ein Ansatz empfohlen, der den Grad des Verstoßes und die damit verbundenen Folgen für die jeweilige Stufe des Verstoßes klar definiert (UNSW Australian Human Rights Institute o.-J.). Der DOSB spricht sich ebenfalls für eine klar definierten Sanktionspra‐ xis aus, die „prozessseitig international verankerte Standards und Regel‐ werke“ berücksichtige. Athlet: innen, die mit einer Äußerung möglicher‐ weise die Grenzen der Meinungsfreiheit überschritten, solle „ein faires Verfahren durch ein unabhängiges Gremium stattgegeben werden“ (DOSB Athletenkommission 2020). Das IOC selbst erklärt, dass die Leitlinien zu Regel 50.2 genügend Spiel‐ raum böten, um bei Verstößen verhältnismäßige Sanktionen zu verhängen. Auch wenn die durch Regel 50 auferlegten Einschränkungen zu pauschal erscheinen mögen, entstünden erhebliche Schwierigkeiten, wenn eine Or‐ ganisation wie das IOC zwischen zulässigen und unzulässigen Anliegen unterscheiden müsste. Aus diesem Grund werde eine pauschale Neutrali‐ tätspolitik als angemessene und verhältnismäßige Lösung angesehen (IOC AC Athlete Expression consultation report 2021). 7.6 Bewertung der Diskussion und Argumente Abschließend sollen die zuvor erläuterten Standpunkte zusammenfassend bewertet werden, um beurteilen zu können, ob die durch die IOC-Athle‐ tenkommission verkündeten Empfehlungen zur Anpassung der Regel 50.2 (siehe Kapitel 7.3) und deren Begründung gerechtfertigt und angemessen sind. Zu diesem Zweck werden die drei am häufigsten genannten Argu‐ mente der Diskussion im Hinblick auf das Erkenntnisinteresse der Untersu‐ chung diskutiert. Die Beurteilung der herausgearbeiteten Meinungen und Standpunkte findet unter anderem auf Basis der erarbeiteten theoretischen 7.6 Bewertung der Diskussion und Argumente 89 <?page no="90"?> Grundlagen statt. Aufgrund der vielen kollidierenden Prinzipien und An‐ sichten ist das Ziel dabei nicht, die Regel 50.2 eindeutig zu befürworten oder abzulehnen. Vielmehr soll eine Tendenz zugunsten der plausibleren Sicht auf die Thematik bei Betrachtung der drei Hauptargumente zum Ausdruck gebracht werden (Dornis et al. 2019). 7.6.1 Widerspruch zu weltweiten Menschenrechten? Obwohl Staaten die primären Rechtssubjekte der internationalen und na‐ tionalen Menschenrechtsinstrumente sind, können private Einrichtungen, internationale Organisationen und nichtstaatliche Akteure indirekt an diese Instrumente gebunden sein (IOC AC Athlete Expression consultation report 2021). Dies gilt insbesondere dann, wenn sie in ein staatliches Rechtssystem, wie das IOC in das Sitzstaatsrecht der Schweiz, eingebettet sind (siehe Kapitel 6). Zunehmend wird außerdem die Auffassung vertreten, dass - in Übertragung der Intentionen der UN-Leitprinzipien für Unternehmen und Menschenrechte (UNGP) - eine menschenrechtliche Sorgfaltspflicht umsatzstarker Organisationen des Sports besteht (Zentrum für Menschen‐ rechte und Sport e.-V. 2023b). Als weltweiter Maßstab für Menschenrechte, der auch für die Schweiz als Sitzstaat des IOC verbindlich ist, wird - neben der AEMR - vor allem der UN-Zivilpakt und dessen Regelung zur Meinungsfreiheit in Art. 19 herangezogen (siehe Kapitel 5). Vor allem nach Ansicht von Athletenvereinigungen und Menschrechtsorganisationen vorwiegend westlich-demokratischer Staaten und deren NOCs, stimmt das Regelwerk des IOC, das mit Regel 50.2 Einschränkungen von Meinungsäu‐ ßerungen durch Athlet: innen bei Olympischen Spielen vornimmt, nicht mit den Intentionen der Schranken der Meinungsfreiheit aus Artikel 19 Absatz 3 UN-Zivilpakts überein (s.-o.). Um darüber urteilen zu können, müssen zunächst die darin beschriebenen Schrankenregelungen der Meinungsfreiheit nochmals genauer betrachtet werden (siehe Kapitel 5.3.2): Den Ausgangspunkt bildet dabei die Annahme, dass alles, was die Meinungsäußerung behindert, sanktioniert, einschränkt oder abhält, grundsätzlich in die Freiheit der Meinungsäußerung eingreift und somit unzulässig ist. Beschränkungen des Rechts auf freie Meinungs‐ äußerung nach Artikel 19 Absatz 3 UN-Zivilpakt müssen daher bestimmte Bedingungen erfüllen. Sie müssen einerseits notwendig sein für die Ach‐ tung der Rechte oder des Rufs Anderer bzw. für den Schutz nationaler Sicherheit, öffentlicher Ordnung, der Gesundheit der Bevölkerung oder der 90 7 Meinungsäußerungen von Athlet: innen (Regel 50.2) <?page no="91"?> Moral. Notwendig bedeutet hierbei, dass kein schwächeres Mittel als die Einschränkung dieses Rechts eingesetzt werden kann. Darüber hinaus müs‐ sen Einschränkungen der Meinungsfreiheit verhältnismäßig sein. Das heißt, jede Einschränkung beansprucht eine behutsame Abwägung zwischen dem Recht auf Meinungsfreiheit auf der einen und einem schützenswerten Interesse auf der anderen Seite (GIZ 2014). Zudem darf der Kerngehalt des Grundrechts nicht ausgehölt werden. In der Erklärung des IOC werden Gründe genannt, die schützenswert seien und damit die Notwendigkeit der Einschränkungen in Regel 50.2 rechtfertigen sollen: Dazu zählen z. B. der unbeeinträchtigte Wettbewerb, Respekt vor den Mitstreiter: innen und ihrer sportlichen Leistung sowie die Förderung der Einheit durch den Sport und der Harmonie im Olympi‐ schen Dorf (IOC AC Athlete Expression consultation report 2021). Diese Begründungen implizieren, dass Meinungsäußerungen von Athlet: innen zu direkten Auswirkungen und Konflikten unter den Sportler: innen führen oder den fairen Sportwettbewerb beeinträchtigen. Dabei ist jedoch zu beachten, dass die Redefreiheit immer mit menschenrechtlichen Sorgfalts‐ pflichten und Verantwortung verbunden ist, wobei von deren Einhaltung und nicht deren Missachtung stets ausgegangen werden sollte. Gerade dort, wo der wesentliche Zweck der olympischen Spiele, nämlich der faire Sportwettkampf und der grundsätzliche Respekt vor den Leistungen anderer Athlet: innen beeinträchtigt würde, dürften Meinungsbekundungen daher ohnehin nur zurückhaltend und grundsätzlich respektvoll ausgeübt werden; wobei der Sportwettkampf sicherlich den sensibelsten Bereich darstellt. Auch Artikel 20 des Zivilpaktes, der Kriegspropaganda und jedes Ein‐ treten für nationalen, rassischen oder religiösen Hass verbietet, müsste immer in Verbindung mit einer solchen Verantwortung gelesen werden. Meinungsäußerungen müssten zudem stets den universellen Charakter der Menschenrechte sowie das prinzipielle Diskriminierungsverbot berück‐ sichtigen. Eine verantwortungsbewusste und respektvolle Ausübung der Meinungsfreiheit sollte somit das Risiko von Konflikten unter Athlet: innen in Folge von Meinungsäußerungen verringern, wodurch vor allem die Notwendigkeit einer im Wortlaut umfassend formulierten Einschränkung von Meinungsäußerungen in Regel 50.2 grundsätzlich in Frage gestellt werden kann. Darüber hinaus werden seitens des IOC weitere Gründe für Einschrän‐ kungen genannt, die indirekte Auswirkungen von Meinungsäußerungen verhindern sollen: Dazu zählt z. B. der Schutz der Universalität der Spiele. 7.6 Bewertung der Diskussion und Argumente 91 <?page no="92"?> Die Äußerung politischer Meinungen an Schlüsselorten der Olympischen Spiele könne einzelne Athlet: innen oder Nationen davon abhalten, an den Spielen teilzunehmen, sie auszurichten oder sie zu übertragen. Außerdem würden Athlet: innen in die Lage versetzt, sich für die Legitimität einer Sache gegenüber einer anderen entscheiden zu müssen. Auch der Schutz der Sportler: innen vor äußerem Druck, öffentlich zu einem Thema Stellung nehmen zu müssen, wird genannt (IOC AC Athlete Expression consultation report 2021). Auch wenn diese Sorgen auf den ersten Blick nicht unberechtigt erschei‐ nen, ist in diesen Fällen jedoch einerseits eine Abwägung mit den positiven Wirkungen in Anbetracht der „Bedeutung der Meinungsfreiheit für die Entwicklung einer freiheitlichen demokratischen Gesellschaft“ (DOSB Ath‐ letenkommission 2020) und die Stärkung der Menschenrechte als solche unerlässlich. Andererseits genießen Sportler: innen selbstverständlich auch eine negative Meinungsfreiheit, also das Recht keine Meinung äußern zu müssen. Problematisch ist eine solche Argumentation aber vor allem deshalb, weil sie in erster Linie Rücksicht nimmt auf Empfindlichkeiten autoritärer Staaten, die - häufig entgegen eigener völkerrechtlicher und verfassungsrechtlicher Verpflichtungen - nicht bereit sind, Menschenrechte und die Meinungsfreiheit zu gewährleisten und gerade deshalb die „Neu‐ tralität der Spiele“ betonen. Insoweit werden die geringsten bzw. nicht bestehende menschenrechtliche Standards zum Maßstab erhoben, um die Rechte aller einzuschränken. Gerade für Athlet: innen aus Minderheiten‐ gruppen, die die Olympischen Spiele als Plattform nutzen könnten, um auf soziale Missstände aufmerksam zu machen, können die Einschränkungen durch Regel 50.2 einen unterdrückenden Charakter aufweisen. Zweifel an der Verhältnismäßigkeit dieser durch das IOC angeführten Gründe für die Einschränkungen der Meinungsfreiheit sind daher angebracht. Wird der äußerst restriktive Wortlaut von Regel 50.2 im liberalen Ver‐ ständnis der zuletzt angewendeten Freiräume lassenden Leitlinien interpre‐ tiert, konzentrieren sich die stärksten Einschränkungen auf das Spielfeld, das Olympische Dorf, die olympische Medaillenverleihung sowie die offizi‐ ellen Zeremonien. Dies sei - nach Ansicht des IOC - der am wenigsten einschneidende Weg, um die genannten Interessen zu schützen. Darüber hinaus gebe es für Athlet: innen außerhalb der eingeschränkten Bereiche vielfältige Gelegenheiten zur Meinungsäußerung (IOC AC Athlete Expres‐ sion consultation report 2021). Jedoch kann insbesondere das Vorschreiben, wann und wo Athlet: innen sprechen dürfen, als schwerwiegender Eingriff 92 7 Meinungsäußerungen von Athlet: innen (Regel 50.2) <?page no="93"?> in die Meinungsfreiheit angesehen werden. Dass gerade an den Orten, an denen Meinungsäußerungen besonders wirkmächtig sein könnten, jeg‐ liche Art von Meinungsäußerungen verboten ist - selbst solche, die mit Olympischen Werten im Einklang stehen - lässt die Einschränkung zu pauschal erscheinen. Dazu kommen in der Vergangenheit beobachtete strenge Sanktionen für respektvolle und friedliche Proteste an diesen Orten, deren Verhältnismäßigkeit darüber hinaus hinterfragt werden kann. 7.6.2 Widerspruch zu Olympischen Werten und Prinzipien? Das IOC definiert den Olympismus in der Olympischen Charta als „Lebens‐ stil […], der auf der Freude an Leistung, auf dem erzieherischen Wert des guten Beispiels, der gesellschaftlichen Verantwortlichkeit sowie auf der Achtung universell gültiger fundamentaler moralischer Prinzipien aufbaut“ (Olympische Charta: Grundlegende Prinzipien des Olympismus, Grundprin‐ zip 1). Ziel ist es, eine friedliche Gesellschaft zu fördern, einen Beitrag zur Völkerverständigung zu leisten und junge Menschen im Sinne von Freundschaft, Solidarität und Fairplay ohne jegliche Diskriminierung zu erziehen (DOSB 2023). Ausgehend davon stützt sich das IOC in Bezug auf die Rechtfertigung der Regel 50.2 auf die Wahrung des Respekts unter den Athlet: innen, die Feier der sportlichen Leistungen, den Schutz der Universalität der Spiele und die Förderung der Einheit durch den Sport (IOC AC Athlete Expression consultation report 2021); wobei die „Achtung universell gültiger fundamentaler moralischer Prinzipien“ kaum anders als eine ausdrückliche Bezugnahme auf Menschenrechte einschließlich der Meinungsfreiheit verstanden werden kann, wie sie als universelles morali‐ sches Leitprinzip in der AEMR erklärt wurden. Daher lässt sich schon im Ansatz kein grundsätzlicher Widerspruch zwischen der Meinungsfreiheit und Olympischen Werten erkennen. Die Frage ist daher vielmehr, wo - ins‐ besondere im Bereich der besonders schützenswerten Bereiche (Wettkampf, Podium, Zeremonien, olympisches Dorf) - die Grenze zu unzulässigen Meinungsbekundungen verläuft. Die Achtung der Menschenwürde und freiheitlich-demokratischer Werte ist dabei - im Einklang mit den Leitlinien zu Regel 50.2 - ohnehin stets vorausgesetzt. Dass vor allem das Spielfeld und das Podium Orte darstellen, an denen die sportliche Leistung der Athlet: innen im Zentrum der Aufmerksamkeit stehen sollen, rechtfertigt daher nicht schon von Vornherein ein pauschales Verbot von Meinungsäußerungen und insbesondere dann nicht, wenn diese 7.6 Bewertung der Diskussion und Argumente 93 <?page no="94"?> mit den Olympischen Werten vereinbar sind. Zweifelsfrei kann bereits das Zustandekommen des olympischen Wettbewerbs zwischen Athlet: innen verschiedener Herkunft als Vorbild einer friedlichen Gesellschaft gelten, wobei der Fokus stets auf den Sport und den Respekt für die Leistun‐ gen der Sportler: innen gerichtet ist. Gerade durch die besonders große Medienöffentlichkeit auf dem Podium und auf dem Spielfeld kann das Eintreten für Menschrechte oder demokratische Werte im besten Fall einen gesellschaftlichen Wandel anregen. Gleiches gilt für das Argument, dass einzelne Athlet: innen oder Nationen ohne Einschränkungen von Meinungs‐ äußerungen davon absehen würden, an den Spielen teilzunehmen. Durch die Möglichkeit, über die Feier der sportlichen Leistung hinaus für Frieden und Gerechtigkeit einzustehen und somit die Olympischen Werte öffentlich‐ keitswirksam an alle Beteiligten und Zuschauer: innen vermitteln zu können - was ohnehin in der Zielsetzung der Olympischen Bewegung verankert ist - sollte dies riskiert werden. Bei der Eröffnungs- und Schlussfeier der Olympischen Spiele, die schon gar nicht auf sportlichen Wettkampf und erbrachte Leistungen fokussiert sind, sollte dies erst recht gelten. Die Befürchtung, dass Meinungsäußerungen insbesondere auf dem Spiel‐ feld und im Olympischen Dorf zu Interessenkonflikten von Athlet: innen rivalisierender Länder oder Bevölkerungsgruppen führen könnten (IOC AC Athlete Expression consultation report 2021), erscheint zunächst nicht unberechtigt. Handelt es sich dabei jedoch um einen friedlichen und respekt‐ vollen Austausch über kulturelle Unterschiede und politische Auffassungen, kann dies Ausdruck von Einheit und Völkerverständigung sein, auch wenn die Grenzziehung im Einzelfall schwierig sein mag. Das Verbot für Ath‐ let: innen, ihre Ansichten während der Spiele frei zu äußern, insbesondere wenn sie aus unterrepräsentierten oder unterdrückten Minderheiten stam‐ men oder Solidaritätsbekundungen für diese ausdrücken möchten, kann diese daran hindern, als gutes Beispiel voranzugehen und gesellschaftli‐ che Verantwortung als mündige Athlet: innen zu übernehmen und damit den erzieherischen Charakter der Spiele zu stärken oder sportpolitische Missstände breitenwirksam zu thematisieren und damit dem ggf. Schein übertünchender offizieller Inszenieren auf Augenhöhe entgegenzutreten. 7.6.3 Begründbarkeit mit politscher Neutralität? In den Olympischen Prinzipien manifestiert sich ebenso das Bestreben, die politische Neutralität der Olympischen Bewegung zu wahren und zu 94 7 Meinungsäußerungen von Athlet: innen (Regel 50.2) <?page no="95"?> fördern. Dies bringe mit sich, gegen jeden politischen oder kommerziellen Missbrauch des Sports und der Athlet: innen vorzugehen (Regel 2.5 und 2.11 Olympische Charta). Da der Schutz der politischen Neutralität vom IOC als gesonderter Grund für die Regel 50.2 genannt wird, soll auch dessen Legitimität genauer betrachtet werden: In erster Linie sind die Olympischen Spiele ein internationales Sporter‐ eignis, das nicht beabsichtigt eine Plattform für Protestbewegungen und politische Aussagen zu bieten. Angesichts dessen gilt es einerseits, sie vor allgemeinpolitischen Konflikten sowie vor der Gefahr der politischen Instrumentalisierung und Inszenierung zu schützen. Die friedliche Durch‐ führung der Spiele per se kann dabei als Vorbild für gesellschaftliches und politisches Verhalten angesehen werden. Die Beibehaltung politisch neutra‐ ler bzw. friedlicher Orte scheint daher im Grundsatz zunächst nachvollzieh‐ bar. Andererseits lässt sich der Schaden, der durch politische Äußerungen entstehen könnte, durch respektvolle und friedliche Meinungsäußerungen insbesondere im Einklang mit den Olympischen Werten begrenzen. In Zeiten der Unterdrückung, der im Bereich wesentlicher Freiheitsrechte aktuell circa 85 % der Weltbevölkerung ausgesetzt sind (Civicus 2023a; siehe Kapitel 5.3.3), kann Neutralität auch Ausdruck eines Privilegs sein, das nur denjenigen zukommt, die nicht von ihr betroffen sind. Die Verantwor‐ tungsträger: innen sollten daher hinterfragen, ob der Sport als ein Abbild der Gesellschaft sozialen und gesellschaftlichen Missständen ausweichen darf und ob eine erzwungene Neutralität von Athlet: innen, insbesondere in Menschenrechte berührenden Fragen, nicht in Wahrheit einer faktischen Manifestierung dieses unbefriedigenden Zustands Vorschub leistet und damit gerade nicht neutral im Sinne der „Achtung universell gültiger fun‐ damentaler moralischer Prinzipien“ i. S. d. Grundprinzips 1 der Olympischen Werte ist. Gemäß den Vorgaben des UN-Zivilpaktes ist die Einschränkung der Meinungsfreiheit zudem unzulässig, wenn sie sich auf die Prinzipien einer einzelnen Tradition beruft (UN-Menschenrechtsausschuss, Allgemeine Be‐ merkungen Nr. 34, Ziff. 32; GIZ 2014). Da die politische Neutralität der Olympischen Bewegung als eine solche Tradition angesehen werden kann, ist Regel 50.2 auch unter diesem Gesichtspunkt zu hinterfragen. 7.6 Bewertung der Diskussion und Argumente 95 <?page no="96"?> 7.7 Zusammenfassende Bewertung der Empfehlungen Auf Grundlage der vorangegangenen Ausführungen soll abschließend beur‐ teilt werden, inwieweit die Empfehlungen (siehe Kapitel 7.3) zur Anpassung der Regel 50.2 der Olympischen Charta angemessen und deren Begründung gerechtfertigt sind: 7.7.1 Kollektive Botschaften in den Zeremonien Zunächst kann festgehalten werden, dass das kollektive und durch das IOC organisierte Verbreiten einheitlicher Botschaften zur Unterstützung Olympischer Werte sowie die Einführung eines Moments der Solidarität gegen Diskriminierung bei der Eröffnungs- und Schlussfeier (Empfehlung 1) grundsätzlich zu begrüßen sind. Dennoch können die Glaubwürdigkeit und die Ausdruckskraft solcher Aktionen im Vergleich zu persönlichen Stellung‐ nahmen von Athlet: innen in Frage gestellt werden. Da gemeinsam kommu‐ nizierte offizielle Botschaften im Zusammenhang mit den Olympischen Werten sehr pauschaler und plakativer Natur sein werden, können sie den Wert individueller Meinungsbekundungen nur graduell ersetzen. Einerseits kann man ihnen nicht jeglichen Wert absprechen, insbesondere wenn Sie pro Menschenrechte und Olympischer Werte formuliert sind. Andererseits dürfen Sie nicht als Begründung dienen, darüber hinausgehende individuelle Meinungsbekundungen von Athlet: innen von vornherein vollständig zu untersagen. 7.7.2 Plattform für individuelle Meinungsbekundungen Die Errichtung weiterer Plattformen außerhalb der Olympischen Spiele, auf denen Athlet: innen Ansichten zu politischen oder gesellschaftsrelevanten Themen zum Ausdruck bringen können (Empfehlung 2), ist zunächst grund‐ sätzlich zu begrüßen. In diesen Maßnahmen kann durchaus das Bestreben des IOC erkannt werden, die Meinungsfreiheit und entsprechende olympi‐ sche Prinzipien zu stärken und die Interessen der Athlet: innen vertreten zu wollen. Aber auch die geschaffenen Plattformen können keine Rechtferti‐ gung für absolute Einschränkungen der Meinungsfreiheit an anderen Orten oder in anderen Kontexten sein. Zumal die speziell geschaffenen Plattfor‐ men außerhalb der Olympischen Spiele voraussichtlich nicht das gleiche Maß an Aufmerksamkeit erreichen können, wie gezielt gesetzte individuelle 96 7 Meinungsäußerungen von Athlet: innen (Regel 50.2) <?page no="97"?> Meinungsbekundungen an olympischen Orten. Einschränkungen an olym‐ pischen Orten sind daher stets - unabhängig von zusätzlich geschaffenen Möglichkeiten für Meinungsäußerungen - im Wege der Abwägungen unter Berücksichtigung der Bedeutung der Meinungsfreiheit und unter Wahrung von Verhältnismäßigkeitsprinzipien zu begründen. 7.7.3 Pauschalverbote: Spielfeld, Podium etc. Den zentralen Streitpunkt innerhalb der Diskussionen stellt die dritte Empfehlung dar: Das pauschale Verbot von Meinungsäußerungen auf dem Podium, während der Eröffnungs- und Schlussfeiern, auf dem Spielfeld und im Olympischen Dorf. Diese Einschränkungen stützen sich im Wesentlichen auf die oben diskutierten drei Hauptargumente (Kapitel 7.6). Ein Ergebnis der Diskussion ist, dass die Gleichstellung dieser vier Orte zu pauschal ist und jeder für sich zu betrachten und im Einzelfall abzuwägen ist; wobei das „Spielfeld“ als olympischer Kernort mit Blick auf die Fairness des olym‐ pischen Wettkampfs der schützenswerteste Ort ist; gefolgt vom Podium, dem Ort der zentralen Leistungshonorierung der Sieger: innen; gefolgt von den Zeremonien als den zentralen und gemeinsamen Feierlichkeiten der Olympischen Spiele; und zuletzt dem Olympischen Dorf, als Unterkunft während der Olympischen Spiele, in dem die Athlet: innen sich im Alltag der Spiele permanent begegnen und untergebracht sind. Das Olympische Dorf ist schon deshalb nicht mit den anderen Orten vergleichbar, da hier einerseits keine starke Außenwirkung erzielt wird und andererseits dem Pauschalverbot von Meinungsäußerungen eine im Vergleich zu den anderen Orten völlig andere zeitliche Dimension zukommt. Einschränkungen der Meinungsäußerungen sind in Bezug auf diese Schlüsselmomente und -orte daher sorgfältig abzuwägen und nicht - auch in nicht in Bezug auf das besonders sensible Spielfeld - pauschal zu untersagen, insbesondere wenn sie der Anerkennung von Menschenrechten dienen oder im Einklang mit Olympischen Werten stehen. Bei der notwendigen Abwägung ist stets auch der Kontext und die Wirkmächtigkeit von Mei‐ nungsäußerungen an den jeweiligen Orten zu berücksichtigen, solange im Kern die Fairness des Wettkampfs und die grundsätzlich ungetrübte Hono‐ rierung der individuellen Leistungen im Rahmen der Medaillenverleihung auf dem Podest gewahrt bleibt. Um diesen Zielen gerecht zu werden und für die Athlet: innen Berechenbarkeit zu schaffen, sollte explizit, beispielhaft 7.7 Zusammenfassende Bewertung der Empfehlungen 97 <?page no="98"?> und nicht abschließend festgelegt werden, auf welche Art und in welcher Weise Meinungsäußerungen an diesen Orten möglich sind. Das IOC ist der Auffassung, dass erhebliche Schwierigkeiten entstünden, wenn eine Organisation wie das IOC zwischen zulässigen und unzulässigen Anliegen unterscheiden müsste. Abgesehen davon, dass Schwierigkeiten bei Grenzziehungen und Einzelfallabwägungen kein Argument für Pauschal‐ verbote sein können und erst recht nicht für so eine potente Organisation wie das IOC, sind in der vierten Empfehlung zu Regel 50.2 bereits als Grenzen Meinungsäußerungen erwähnt, die nationalen, rassistischen oder religiösen Hass darstellen und zu Diskriminierung, Feindseligkeit oder Gewalt anstiften. Demnach und durch den Verweis auf Olympischen Grund‐ prinzipien, mit denen die Äußerungen im Einklang stehen sollen, versucht sich die IOC-Athletenkommission bereits an Konkretisierungen zwischen zulässigen und unzulässigen Meinungsbekundungen. Einen Ansatz für Präzisierungen liefert auch der DOSB bzw. „Athleten Deutschland e. V.“, welcher Meinungsäußerungen einschränken würde, die eine „bewusste Verbreitung von Unwahrheiten“, eine „Verletzung der Rechte anderer“, „Hassrede“ oder „die explizite Unterstützung politischer Parteien oder Gruppierungen“-ausdrücken (Athleten Deutschland 2020). 7.7.4 Anpassung von Regel 50.2 In der jetzigen Fassung ist Regel 50.2 Olympische Charta mit Blick auf die Meinungsfreiheit schon deshalb nicht haltbar, da ihr Inhalt als gene‐ relles Verbot der Meinungsäußerung formuliert ist. Im Einklang mit dem Verständnis von Menschenrechten - und dem generellen Bekenntnis des IOC in seinen Grundprinzipien zu den fundamentalen universellen mora‐ lischen Prinzipien - wäre vielmehr zunächst ein generelles Bekenntnis zur Meinungsfreiheit von Athlet: innen innerhalb der als „Verfassung“ der Olympischen Bewegung dienenden Olympischen Charta angezeigt. Erst im zweiten Schritt müssten dann die Definitionen der allgemeinen Schran‐ ken der Meinungsfreiheit insbesondere im Einklang mit dem allgemeinen UN-Zivilpakt sowie der besonderen Schranken, die sich aus dem Wesen der Olympischen Spiele und Werte ergeben, erfolgen. Nicht ausreichend ist insoweit auch die bisherige Praxis der Formulierung von Leitprinzipien für Meinungsbekundungen anstelle der expliziten Festschreibung der Mei‐ nungsfreiheit in der Charta selbst, da den Leitlinien nicht die gleiche Rechtsqualität wie der Olympische Charta zukommt. 98 7 Meinungsäußerungen von Athlet: innen (Regel 50.2) <?page no="99"?> Zu begrüßen ist grundsätzlich, dass sich die IOC-Athletenkommission um die Schaffung von Klarheit bei den Sanktionen bemüht, die z. B. bei unangemessenen Beeinträchtigungen des Wettkampfs drohen. Dabei heißt es, dass Sanktionen ggf. von Fall zu Fall anhand der Bedingungen des Ein‐ zelfalls abzuwägen sind. Eine solche Einzelfallabwägung steht im Einklang mit den generellen Prinzipien der Meinungsfreiheit, da so ein ausreichender Abwägungsspielraum gewahrt wird und Kontext und Schwere jedes einzel‐ nen Falles berücksichtigt werden können. Andererseits geben definierte Kriterien, die bei einer Festlegung von disziplinarischen Konsequenzen zu berücksichtigten sind, Orientierungspunkte für Athlet: innen, um die Tragweite ihrer Handlungen besser einschätzen zu können. Vor dem Hintergrund, dass auch Nationen mit undemokratischen bzw. autoritären Systemen, in denen der Meinungsfreiheit keine oder nur einge‐ schränkte Geltung verschafft wird, an den Spielen teilnehmen oder diese sogar künftig erneut ausrichten, gilt es, in der Charta Athlet: innen im Hin‐ blick auf zulässige Meinungsäußerungen besonderen Schutz zuzusichern. Außerdem sollte explizit kein/ e Athlet: in verpflichtet sein, sich öffentlich äußern zu müssen. Die Bereitstellung vertiefender Informationen über den Umfang, den Zweck und den Anwendungsbereich der neu formulierten Regeln zur Meinungsäußerung, wie sie in der fünften und sechsten Empfehlung der IOC-Athletenkommission angeraten und in den Leitlinien grundsätzlich praktiziert sind, bietet zusätzlich einen geeigneten Rahmen, um Berechen‐ barkeit in Form erläuternder Hinweise herzustellen. Die mutmaßliche Befürchtung des IOC, mit derart neu formulierten Regeln selbst zum Gegenstand von Protesten zu werden, ist dabei in Kauf zu nehmen und wird letztlich einer athletengerechten Weiterentwicklung der Olympischen Bewegung dienlich sein. 7.7 Zusammenfassende Bewertung der Empfehlungen 99 <?page no="101"?> 8 Wirkungen politischer Äußerungen von Athlet: innen In ihren Stellungnahmen weisen einige der im Rahmen der IOC-Athleten‐ konsultation befragten NOCs auf die gesellschaftliche Verantwortung und Vorbildfunktion der Athlet: innen hin. Insbesondere der DOSB und das USOPC berufen sich auf diesen Aspekt: Athlet: innen hätten „große inspi‐ rative Kraft“ und könnten „wichtige Impulsgeber: innen für gesellschaftli‐ chen Wandel“ sein (DOSB Athletenkommission 2020). Sie müssten „ihre öffentliche Sichtbarkeit im Rückgriff auf die eigene Meinungsfreiheit für Äußerungen von gesellschaftlicher Relevanz nutzen können“ (ebd.). Durch Meinungsäußerungen könnten sie „[…] womöglich mehr als alle anderen Akteure im Sport […] einen entscheidenden Beitrag zur Umsetzung der gesellschaftlichen Zielsetzungen von IOC und DOSB sowie zur Stärkung freiheitlich-demokratischer Grundordnung leisten“ (ebd.). Sportler: innen solle ermöglicht werden, so das USOPC, der Welt über den Sport hinaus Hoffnung zu geben, dass die Stimme ein wirkungsvolles Mittel für Verän‐ derungen darstellen könne (USOPC 2020). Die sich daraus ergebende These, dass Athlet: innen als Identifikationsfi‐ guren und aufgrund ihres hohen Einflusspotenzials eine gesellschaftliche Verantwortung tragen, die es erfordert, sich bei Olympischen Spielen öffent‐ lich politisch zu positionieren, soll im Folgenden durch zwei aufeinander aufbauende empirische Forschungsschritte überprüft werden. Dadurch soll die Untersuchung der gesellschaftspolitischen Relevanz von Meinungsäu‐ ßerungen von Athlet: innen weiter vertieft werden. Den Untersuchungsge‐ genstand für die Empirie bilden die Olympischen Winterspiele 2022 in Peking. Ziel der Untersuchung ist es, herauszufinden, inwiefern Meinungsäu‐ ßerungen von Athlet: innen während der Olympischen Winterspiele in Peking Einfluss auf die Diskussionen in sozialen Netzwerken haben können, um daraus Rückschlüsse auf das gesellschaftliche Einflusspotenzial von Athlet: innen ziehen zu können. Im Vordergrund der Analyse steht die Untersuchung der Anschlusskommunikation an Medienbeiträge in sozialen Netzwerken. Genauer sollen Reaktionen der Nutzer: innen innerhalb der Kommentare zu entsprechenden Beiträgen sportjournalistischer Medien betrachtet werden. Durch die Herausarbeitung einzelner Argumentationsstränge <?page no="102"?> sollen Aussagen darüber getroffen werden, welche Meinungen und Positionen in den Bewertungen der Proteste vertreten sind. Ferner soll ein gesellschaftliches Stimmungsbild in Bezug auf die Beur‐ teilung von Meinungsäußerungen von Athlet: innen eingeholt werden. Dies soll Aufschluss darüber geben, inwiefern Athlet: innen als Identifikationsfi‐ guren eine Verantwortung tragen, die es nahelegt, bei Olympischen Spielen öffentlich zu politischen oder gesellschaftsrelevanten Themen Stellung nehmen zu können, um den Haltungen einer modernen und demokratischen Gesellschaft Geltung zu verschaffen. Im Zuge dessen sollen zudem Gründe für eine mögliche Befürwortung oder Ablehnung politischer Positionierun‐ gen von Athlet: innen sowie konkrete Standpunkte zur Regel 50.2 der Olympischen Charta erhoben werden. 8.1 Untersuchungsgegenstand: Winterspiele 2022 in Peking Im Jahr 2015 erhielt die chinesische Hauptstadt Peking den Zuschlag für die im Februar 2022 stattfindenden Olympischen Winterspiele. Durch die bereits 2008 in Peking ausgetragenen Sommerspiele gilt sie somit als welt‐ weit erste Stadt, die sowohl die Sommerals auch die Winterausgabe der Olympischen Spiele ausgerichtet hat (IOC 2022c). Mit der stets wachsenden Wirtschaft und dem gestiegenen kulturellen Selbstbewusstsein Chinas, bot sich mit den Olympischen Winterspielen 2022 ein Anlass, sich als Weltmacht präsentieren zu können. Bereits im Vorfeld der Austragung waren die Olym‐ pischen Winterspiele Gegenstand politischer Diskussionen. Aufkommende Boykott-Forderungen erreichten im November 2021 ihren Höhepunkt, als es um das plötzliche Verschwinden der chinesischen Tennisspielerin Peng Shuai ging. Diese hatte zuvor behauptet, von einem ehemals hoch‐ rangigen chinesischen Beamten sexuell missbraucht worden zu sein. Das scheinbar inszenierte Wiederauftauchen gab weiteren Anlass zu Empörung und Besorgnis. Vor dem Hintergrund von Menschenrechtsverletzungen an Uigur: innen und Tibeter: innen waren die öffentlichen Diskussionen von der Frage geprägt, ob das autoritär regierte China zu Recht Gastgeber der Olympischen Spiele sein könne. Demzufolge entschlossen sich die USA im Dezember 2021 zu einem diplomatischen Boykott der Spiele. Nationen wie Australien, Neuseeland, Kanada und Großbritannien schlossen sich dem an (Pak Lei Chong/ Kloet 2022). 102 8 Wirkungen politischer Äußerungen von Athlet: innen <?page no="103"?> Dass die Winterspiele 2022 seitens des IOC und China als nachhaltige Spiele betitelt wurden, wurde von Expert: innen kritisch betrachtet: Skige‐ biete wurden in großem Umfang mit Kunstschnee ausgelegt, Strecken für die alpinen Wettbewerbe wurden in den Songshan-Nationalpark gebaut und ganze Dörfer mussten umgesiedelt werden (statista Research Department 2022). Darüber hinaus waren zu den Spielen aufgrund der weltweiten CO‐ VID-19-Pandemie keine ausländischen Zuschauer: innen zugelassen. Diese konnten die Olympischen Spiele ausschließlich über Medien verfolgen (Pak Lei Chong/ Kloet 2022). In Bezug auf Meinungsäußerungen von Athlet: innen entstand angesichts der kritischen Menschenrechtssituation in China eine Drohkulisse, die durch den stellvertretenden Generaldirektor für internationale Beziehungen des Organisationskomitees, Yang Shu, im Rahmen einer Pressekonferenz im Vorfeld der Spiele verstärkt wurde: „Jede Äußerung, die sich mit dem olympischen Geist deckt, wird sicherlich geschützt sein. Jedes Verhalten oder Äußerungen, die sich dagegen richten, können mit einer bestimmten Bestrafung geahndet werden, insbesondere wenn sie chinesische Gesetze oder Regeln verletzen.“ (Yang Shu, zitiert nach Schweizer 2022) Die Anhäufung dieser kritischen Umstände ließ dementsprechend auch die Debatte rund um die Rechtfertigung der Regel 50.2 der Olympischen Charta aufleben, weshalb die nachfolgenden Untersuchungen angesichts der Olympischen Winterspiele 2022 in Peking durchgeführt wurden. 8.2 Forschungsdesign Die notwendigen Erkenntnisse sollen zunächst mittels einer vorwiegend qualitativen Inhaltsanalyse gewonnen werden. Dabei werden Kommentare von Social-Media-Nutzer: innen zu entsprechend ausgewählten Beiträgen sportjournalistischer Medien betrachtet. Ziel ist es, einzelne Elemente dieser Kommentare eindeutigen und voneinander klar abgrenzbaren Dimensionen zuzuordnen, um dadurch formale und inhaltliche Merkmale systematisch beschreiben zu können (Kuckartz 2018). Die inhaltsanalytische Betrachtung bietet im Vergleich zu Interviews oder realen Gruppendiskussionen den Vorteil, dass innerhalb der Kommentare eine sehr große Anzahl an Kommu‐ nikatoren und Meinungen vorliegt. 8.2 Forschungsdesign 103 <?page no="104"?> Um die Erkenntnisse der inhaltsanalytischen Betrachtung von Social-Me‐ dia-Kommentaren weiter zu vertiefen und mittels quantitativer Daten zu operationalisieren, wird die Untersuchung in einem zweiten Schritt durch eine gezielte Befragung - deutschsprachiger - Wintersportkonsument: in‐ nen ergänzt. Dazu sollen diese in Bezug auf die vergangenen Winterspiele 2022 in Peking befragt werden, welche Bedeutung und welchen Einfluss Meinungsäußerungen von Athlet: innen für sie haben und wie sie diese im Rahmen von Olympischen Spielen bewerten. Die Erhebung vorwiegend quantitativer Daten mittels Wirkungs- und Meinungsfragen soll ein Stim‐ mungsbild zur Beurteilung von Meinungsäußerungen von Athlet: innen liefern. 8.3 Inhaltsanalyse von Social-Media-Kommentaren Im Folgenden wird der Ablauf der inhaltsanalytischen Betrachtung von Social-Media-Kommentaren zu Beiträgen sportjournalistischer Medien be‐ schrieben. Dazu wird zunächst die Auswahl des Untersuchungsmaterials sowie das zugrundeliegende kategoriale System erläutert. Abschließend werden die Ergebnisse der Untersuchung vorgestellt und entsprechende Erkenntnisse abgeleitet. 8.3.1 Auswahl des Untersuchungsmaterials Das Untersuchungsmaterial wurde auf der Social-Media-Plattform Insta‐ gram erhoben. Mit über zwei Milliarden aktiver/ n Nutzer: innen weltweit - davon circa 29 Millionen in Deutschland - ist die Plattform des So‐ cial-Media-Konzerns „Meta Platforms“ ein führendes und beliebtes soziales Medium, auf dem Fotos und Videos erstellt und anschließend ausgewählten Abonnent: innen oder der breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden können (Lohmeier 2023). Ausschlaggebend für die Auswahl von Instagram war zudem die durchschnittliche Engagementrate von Sportmedien auf Instagram, die im Jahr 2021 1,13 % betrug, was laut eines Branchenreports des Social-Media-Benchmarking-Anbieters „socialinsider“ das vierthöchste Engagement der 35 untersuchten Branchen ist. Auf anderen Plattformen, wie z. B. Facebook und Twitter (nunmehr X), war die durchschnittliche Engagementrate von Sportmedien deutlich geringer (socialinsider.de). 104 8 Wirkungen politischer Äußerungen von Athlet: innen <?page no="105"?> Unabhängige Nachrichtenmedien spielen bei der Verbreitung von In‐ formationen über Veranstaltungen wie die Olympischen Spiele eine zen‐ trale Rolle. Insbesondere öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten sind be‐ auftragt, das Publikum auf Grundlage pädagogischer und bürgerlicher Erwägungen mit politischen Nachrichten zu versorgen (Starke et al. 2018, S. 101). Aus diesem Grund wurden thematisch passende Beiträge des Insta‐ gram-Accounts der Marke „ARD Sportschau“ als Untersuchungsobjekte her‐ angezogen, die über eine politische Positionierung eines/ einer Sportler: in während der Olympischen Winterspiele 2022 berichten. Da die ARD (neben dem ZDF und dem Privatsender Eurosport) über die Übertragungsrechte der Olympischen Spiele in Peking verfügte, konnte angenommen werden, dass diese über ihre Social-Media-Kanäle über alle Geschehnisse berichten würde. Der offizielle Instagram-Account der Sendung „ARD Sportschau“, die federführend vom Westdeutschen Rundfunk betreut wird, verspricht die „wichtigsten Ergebnisse, emotionale Geschichten und Videos aus der Welt des Sports“ (ARD Sportschau 2022a). Vorab wurden Kriterien für die Art von Beiträgen festgelegt, die einer tieferen Untersuchung unterzogen werden sollten. Der Rahmen für diese Kriterien wurden dabei relativ breit gefasst. Demzufolge wurden in erster Linie Beiträge betrachtet, in denen von einer Meinungsäußerung von akti‐ ven Athlet: innen während der Olympischen Spiele berichtet wird. Ob diese in einem - laut Olympischer Charta - erlaubten oder unerlaubten Rahmen stattfanden, sollte zunächst nicht berücksichtigt werden. Ob die Äußerung einen national-, welt- oder sportpolitischen Gegenstand thematisiert, war ebenfalls nicht von Relevanz. Neben Meinungsäußerungen selbst, sollten auch Beiträge in Betracht gezogen werden, die sich mit der Debatte rund um das Thema Meinungsäußerungen von Athlet: innen befassen. Davon ausgehend belief sich der Untersuchungszeitraum auf die Dauer der Olympischen Spiele (04.02.-20.02.2022) und Paralympischen Spiele (04.03.-13.03.2022) inklusive einer Woche Vor- und Nachlaufzeit, um auch eine mögliche Vor- und Nachberichterstattung über die Debatte rund um Meinungsäußerungen von Athlet: innen berücksichtigen zu können. Somit erstreckte sich der Untersuchungszeitraum vom 28.01.2022 bis zum 20.03.2022. Insgesamt wurden sechs Beiträge, die den vorab definierten Kriterien entsprachen, durch den Account „sportschau“ veröffentlicht. Einer dieser Beiträge thematisierte die grundsätzliche Diskussion über die Zulässigkeit von Meinungsäußerungen im Rahmen der Olympischen Spiele, basierend 8.3 Inhaltsanalyse von Social-Media-Kommentaren 105 <?page no="106"?> auf zwei gegensätzlichen Aussagen des IOC-Präsidenten Thomas Bach und des deutschen TV-Experten und ehemaligen Biathleten Arnd Peiffer (ARD Sportschau auf Instagram, Beitrag vom 04.02.2022). Ein weiterer beschäftigte sich ebenfalls mit Meinungsäußerungen während der Spiele, speziell bezo‐ gen auf die Situation der taiwanesischen Athlet: innen, die sich aufgrund des Konflikts zwischen der Republik Taiwan und der Volksrepublik China durch chinakritische Äußerungen in besonders große Gefahr begeben hätten (ebd., Beitrag vom 10.02.2022). Drei weitere Beiträge berichteten über verschie‐ dene Protestaktionen von ukrainischen Athlet: innen und eines polnischen Athleten gegen den zu diesem Zeitpunkt bereits drohenden russischen Angriffskrieg in der Ukraine (ebd., Beiträge vom 11.02.2022, 28.02.2022, 05.03.2022). Darüber hinaus wurde in einem weiteren Beitrag über die Äußerung eines deutschen Biathleten im Voraus der Spiele berichtet, der Kritik an der Vergabe der Spiele an China und den Veranstaltern der Spiele übte (ebd., Beitrag vom 04.02.20222). Durch eine bewusste Stichprobenwahl wurden stellvertretend für die verschiedenen Thematiken und im Hinblick auf die Anzahl der Kommentare drei Beiträge ausgewählt, die der endgültigen Untersuchung unterzogen wurden. Die Beiträge und die zugehörigen Kommentare der gewählten Stichprobe wurden zur Einheitlichkeit der Untersuchung am 24.03.2022 sichergestellt und werden im Folgenden kurz vorgestellt: Beitrag 1: Der deutsche Biathlet Erik Lesser kritisiert den Bau von Wettkampfstätten in einer Bergregion in Peking sowie die Kommerzialisierung des (olympischen) Sports Der deutsche Biathlet Erik Lesser veröffentlichte auf seinem Instagram-Ac‐ count ein Foto, das ihn auf der eigens für die Spiele in Zhangjiakou errichte‐ ten Biathlon-Anlage zeigt, die in der eigentlich schneearmen Bergregion im Nordwestens Pekings gebaut wurde. „Es ist wirklich schön hier draußen… Aber zu wissen, wie diese Gegend zuvor ausgesehen hat, macht mich so traurig. All das für drei Wochen“, kommentierte er diese Umstände (Erik Lesser, zitiert nach ARD Sportschau 2022b). Auch Umweltschützer hatten vor den Spielen den Bau der Wettkampfstätten in der Bergregion kritisiert (ebd.). Darüber hinaus sorgte Erik Lesser mit einer weiteren Aktion für Auf‐ merksamkeit: Auf einem Foto, auf dem zwei Merchandise-Artikel, bedruckt mit dem Olympia-Werbeslogan „Solidarität, Inklusion, Gleichheit, Frieden, 106 8 Wirkungen politischer Äußerungen von Athlet: innen <?page no="107"?> Respekt“, zu sehen waren, ersetzte er den Aufdruck mit den Worten „Geld, Geld, Geld, mehr Geld“ und spielte damit mutmaßlich auf die Kommerziali‐ sierung der Spiele und der Olympischen Bewegung an (ARD Sportschau auf Instagram, Beitrag vom 02.02.20222). Wie in Abb. 4 ersichtlich, berichtete die „sportschau“ in ihrem Instagram-Beitrag über diese Aktionen. Abb. 4: ARD Sportschau auf Instagram, 02.02.2022 (Beitrag 1) Beitrag 2: Der ukrainische Skeletoni Wladislaw Heraskewitsch protestiert während des olympischen Wettkampfes für Frieden und gegen einen russischen Angriffskrieg in der Ukraine Der ukrainische Skeleton-Pilot Wladislaw Heraskewitsch zeigte nach sei‐ nem dritten Wettkampf-Lauf im Zielbereich des Eiskanals von Yanqing ein Plakat in den Landesfarben der Ukraine mit der Aufschrift „No war in Ukraine“ (‚Kein Krieg in der Ukraine‘) in die TV-Kamera. Zum Zeitpunkt des Protests (11.02.2022) wurde bereits ein militärischer Angriffskrieg Russlands in der Ukraine befürchtet (ARD Sportschau 2022c). Während hierbei im Hinblick auf Regel 50.2 der Olympischen Charta zunächst von einem vermeintlich unerlaubten Protest ausgegangen wurde, da dieser während eines Wettkampfes stattfand, teilte das IOC jedoch später mit, dass Wladislaw Heraskewitsch nicht mit Konsequenzen zu rechnen habe. Die Botschaft Heraskewitschs sei ein genereller Aufruf für Frieden, was mit den Olympischen Werten im Einklang stehe (ZDF 2022). 8.3 Inhaltsanalyse von Social-Media-Kommentaren 107 <?page no="108"?> Abb. 5: ARD Sportschau auf Instagram, 11.02.2022 (Beitrag 2) Beitrag 3: IOC-Präsident Thomas Bach rechtfertigt Regel 50.2 der Olympischen Charta, „Sportschau“-Experte Arnd Peiffer kritisiert dies scharf Im Vorfeld der Olympischen Winterspiele äußerte sich der IOC-Präsident Thomas Bach über die Meinungsfreiheit und die Regeln des IOC, die Athlet: innen während der Wettkämpfe und Siegerehrungen politische Mei‐ nungsäußerungen verbieten: „Wenn ein Schauspieler in einem Theater Hamlet spielt, fragt sich auch keiner, ob er während des Stücks politische Meinungen äußern kann.“ (Thomas Bach, zitiert nach ARD sportschau 2022d). Der deutsche Biathlon-Olympiasieger und „Sportschau“-Experte Arnd Peiffer kritisierte Thomas Bach daraufhin scharf und widersprach der Ansicht Bachs, die Olympischen Spiele seien unpolitisch. China könne bei den Spielen "die eigene Stärke betonen“, während Athlet: innen „nur eine Statistenrolle" zukäme. Thomas Bach mache sich damit „zum Komplizen eines Systems, das Menschenrechte nicht achtet“ (Arnd Peiffer, zitiert nach ARD sportschau 2022d). Wie in Abb. 6 ersichtlich, berichtet die „sportschau“ in ihrem Instagram-Beitrag über diese Aussagen. 108 8 Wirkungen politischer Äußerungen von Athlet: innen <?page no="109"?> Abb. 6: ARD Sportschau auf instagram, 04.02.2022 (Beitrag 3) Mit der Auswahl dieser drei Beiträge können nun verschiedene Arten von Meinungsäußerungen im Kontext der Olympischen Spiele untersucht wer‐ den. Dabei wird sowohl eine Protestaktion thematisiert, die im Vorfeld der Spiele stattfand und einen eher sportbezogenen Protest aufweist (Beitrag 1), als auch eine Meinungsäußerung während eines Wettkampfes, die einen eher national- und zugleich weltpolitischen Bezugspunkt hat (Beitrag 2). Darüber hinaus kann durch die Untersuchung von Beitrag 3 gezielt die Diskussion rund um das Thema Meinungsäußerungen von Sportler: innen betrachtet werden. Durch die Eingrenzung der Stichprobe hat die Untersuchung keinen An‐ spruch auf Repräsentativität, dennoch sollen gewisse Trends und Tendenzen aufgezeigt werden. Der Forschungsanspruch besteht hauptsächlich darin, Argumente zu verstehen, neue Zusammenhänge herzustellen und aus dem Einzelfall heraus auf größere Zusammenhänge zu schließen. Es werden daher Einzelfälle herangezogen, die tiefere Einblicke in die vorherrschenden Diskussionen geben sollen. 8.3.2 Kategoriales System Auf Grundlage des Erkenntnisinteresses wurde ein Kategoriensystem er‐ stellt, in dem die zu untersuchenden Merkmale der Kommentare zu den zuvor beschriebenen Beiträgen definiert wurden. Merkmalsträger sind dabei sowohl die ausgewählten Beiträge (Beitragsebene), als auch die einzelnen Nutzer-Kommentare (Kommentarebene). Während des Codiervorgangs 8.3 Inhaltsanalyse von Social-Media-Kommentaren 109 <?page no="110"?> wurden diesen entsprechend ihren Merkmalsausprägungen festgelegte Codes zugeordnet, um später messbare Ergebnisse ableiten zu können. Die Untersuchung fokussiert sich auf die isolierte Analyse einzelner Bei‐ träge und Kommentare und stellt vereinzelt Relationen zwischen den Ana‐ lyseeinheiten her. Sie vereint qualitative und quantitative Untersuchungs‐ elemente und somit sowohl formale als auch inhaltliche Analyseebenen. Dementsprechend ist das kategoriale System insgesamt viergeteilt: Die erste Analysedimension erhebt die Beitragsebene. Sie umfasst die Unter‐ suchung struktureller Merkmale des Beitrags, wie das Veröffentlichungsdatum und die Anzahl von Likes und Kommentaren sowie das Beitrags-Format. Die zweite Dimension ist auf die Kommentare bezogen und umfasst zunächst formale Kategorien wie den Rang des Kommentars - ob es sich also um einen Kommentar (Top-level-Kommentar) oder einen Antwortkommen‐ tar (Sub-level-Kommentar) handelt. Auch die ablesbaren Reaktionen auf den Kommentar werden festgehalten (Likes und weitere Antworten). Außerdem sind die Bestandteile des Kommentars (Text, Emojis etc.) und die Sprache von Interesse. Anschließend wird die Kommentarebene inhaltlich untersucht, um Er‐ kenntnisse über die erwirkten Reaktionen zu gewinnen. Die Kategorien gehen dabei der Frage nach bestimmten Inhalten, einzelnen Argumenten sowie der Diktion der Aussagen nach. Eine Erweiterung der inhaltlichen Untersuchung der Kommentare um evaluative Kategorien sollte außerdem Aufschluss über die Bewertung der im Beitrag thematisierten Aussagen und Handlungen geben. Dazu sollte der Grad der Ablehnung oder Zustimmung zu den entsprechenden Aussagen oder Handlungen erfasst werden. Das Material wurde daraufhin sequenziell durchgearbeitet und den thematischen Kategorien zugeordnet. Nach dem ersten Codierdurchgang wurde das kategoriale System nochmals ausdifferenziert und infolgedessen einem zweiten Codiervorgang unterzogen, um eine möglichst reliable Da‐ tengrundlage zu gewährleisten (Braunecker 2021, S.-106). 8.3.3 Auswertung und Ergebnisse Anhand der Zahlencodes, die den verschiedenen Merkmalen bei der forma‐ len und evaluativen Untersuchung zugeordnet wurden, wurden die quanti‐ tativen Untersuchungsergebnisse unter Anwendung geeigneter Techniken der deskriptiven und explorativen Statistik ausgewertet. Die qualitativen 110 8 Wirkungen politischer Äußerungen von Athlet: innen <?page no="111"?> Daten wurden mit Hilfe der Software MaxQDA einer kategorienbasierten inhaltlichen Auswertung und Zusammenhangsanalyse unterzogen. Zu den ausgewählten Beiträgen konnten zum Zeitpunkt der Speicherung insgesamt 441 Kommentare (inklusive Sub-level-Kommentare) festgestellt werden. Mit 261 Kommentare weist Beitrag 3 (Bach und Peiffer) die größte Anzahl an Kommentaren auf. Zu Beitrag 1 (Lesser) wurden 120 Kommentare hinterlassen. Mit 60 Kommentaren wurden zu Beitrag 2 (Heraskewitsch) am wenigsten Kommentare erfasst (siehe Abb. 7). Beitrag 3 (Bach und Peiffer) bot somit für die Nutzer: innen den größten Anlass für eine Interaktion in Kommentar-Form. Die Tatsache, dass es sich bei Thomas Bach, Arnd Peiffer und auch bei Erik Lesser im Gegensatz zu Wladislaw Heraskewitsch um Personen deutscher Nationalität handelt, die für die deutschsprachigen Nutzer: innen möglicherweise von besonderem Interesse sind, könnte in dieser Hinsicht eine Rolle spielen. 120 60 261 0 50 100 150 200 250 300 Post 1 (Lesser) Post 2 (Heraskewitsch) Post 3 (Bach und Peiffer) Anzahl der Kommentare Abb. 7: Anzahl der Kommentare je Beitrag (eigene Darstellung) Alles in allem flossen 420 der 441 erfassten Kommentare in die Untersu‐ chung ein. Kommentare, die offensichtlich von Softwarerobotern stammen, aufgrund von falscher Rechtschreibung und Grammatik nicht untersucht werden konnten oder thematisch keinerlei Bezug zum geposteten Inhalt hatten, wurden von der Untersuchung ausgeschlossen. Im Durchschnitt beläuft sich die Länge eines Kommentars auf 19 Wörter. Darüber hinaus wurde der Anteil der Sub-level-Kommentare an der Gesamtzahl der Kommentare je Beitrag ermittelt: Mit 6,94 % ist der Anteil 8.3 Inhaltsanalyse von Social-Media-Kommentaren 111 <?page no="112"?> der Sub-level-Kommentare bei Beitrag 3 (Bach und Peiffer) am geringsten. Bei Beitrag 1 (Lesser) ist er mit 19,33 % etwas höher. Bei über der Hälfte (58,93 %) der Kommentare handelt es sich dahingegen bei Beitrag 2 (He‐ raskewitsch) um Sub-level-Kommentare. In diesem Fall gab es demnach sehr häufig direkte Bezugnahmen auf einzelne Kommentare, was auf eine angeregte Diskussion unter den Nutzer: innen schließen lässt. Auf einen Top-level-Kommentar, auf den geantwortet wurde, gab es im Durchschnitt vier Sub-level-Kommentare. Im Vergleich zu den Kommentaren verteilt sich die Anzahl der Likes je Beitrag dahingegen anders (siehe Abb. 8): Beitrag 1 (Lesser) wies zum Zeitpunkt der Speicherung mit 19.680 Likes die größte Anzahl auf, gefolgt von Beitrag 2 (Heraskewitsch) mit insgesamt 11.230. Mit 8.953 Likes ließ sich zu Beitrag 3 (Bach und Peiffer) die geringste Anzahl dokumentieren. Diese Gegensätzlichkeit lässt vermuten, dass Inhalte von Beiträgen, die wenig Zustimmung in Form von Likes erhalten, dafür eher zu Äußerungen in Form von Kommentaren anregen. Ob damit Ablehnung zum Ausdruck gebracht wurde, soll in einem späteren Schritt überprüft werden. 19.680 11.230 8.953 0 2.000 4.000 6.000 8.000 10.000 12.000 14.000 16.000 18.000 20.000 Post 1 (Lesser) Post 2 (Heraskewitsch) Post 3 (Bach und Peiffer) Anzahl der Likes Abb. 8: Anzahl der Likes je Beitrag (eigene Darstellung) Nicht nur die Beiträge an sich, sondern auch einzelne Kommentare können auf der Plattform Instagram mit Likes versehen werden. Bei allen der drei untersuchten Beiträge konnten durchschnittlich über fünfzehn Likes pro Kommentar festgestellt werden. Dies zeigt, dass sich einige Nutzer: innen nicht nur mit dem Beitrag an sich, sondern auch mit den verfassten Kom‐ mentaren auseinandersetzten. 112 8 Wirkungen politischer Äußerungen von Athlet: innen <?page no="113"?> Grundsätzlich lässt sich aus diesen Ergebnissen bereits ableiten, dass die untersuchten Beiträge zu Interaktionen zwischen Nutzer: innen in sozialen Netzwerken führten. Ob diese in ihrem Umfang auffallend ausgeprägt sind, lässt sich allein hieraus jedoch nicht eindeutig schließen. Die Plattform Instagram bietet außerdem die Funktion, innerhalb von Kommentaren Accounts anderer Nutzer: innen zu verlinken. Daraufhin bekommt der/ die verlinkte Nutzer: in eine Benachrichtigung, über die er/ sie direkten Zugriff auf den Beitrag und den Kommentar hat. Diese Funktion eignet sich beispielsweise gut für Sub-level-Kommentare, in denen auf die Aussage eines/ einer bestimmten Nutzer: in reagiert wird. Im Vergleich der einzelnen Beiträge konnte bei Beitrag 2 (Heraskewitsch) bei über der Hälfte der Kommentare mindestens eine Erwähnung festgestellt werden. Die Anteile bei den anderen beiden Beiträgen sind deutlich kleiner (Beitrag 1: 17,65 %; Beitrag 2: 5,31 %). Daraus lässt sich eine erhöhte Interaktion zwischen den Nutzer: innen in den Kommentaren zu Beitrag 2 ableiten. Innerhalb der drei Kommentare konnten direkte Verweise auf eine andere Website dokumentiert werden. Diese stammen unter anderem auch von den Betreibern des Instagram-Accounts „sportschau“ selbst. Sie verweisen auf Anfrage von Nutzer: innen auf weitreichendere Berichterstattungen zu einem innerhalb der Kommentare diskutierten Thema auf der Homepage der „ARD Sportschau“. Im Rahmen dieses Community-Managements wur‐ den zusätzliches Wissen vermittelt und weitere Anknüpfungspunkte für Diskussionen geschaffen. Im Zentrum der Untersuchung lag die Analyse der Kommentare mit Text‐ anteil (91,9 %). Wie durch die Auswahl deutschsprachiger Beiträge zu vermuten ist, wurden die Kommentare überwiegend in deutscher Sprache verfasst (98,19 %). Darunter befinden sich auch Kommentare mit der zusätzlichen Verwendung von Anglizismen, Dialekt oder (häufig in der deutschen Jugend‐ sprache) etablierten englischen Ausdrücken. Lediglich fünf rein englischspra‐ chige Kommentare konnten dokumentiert werden. Zwei weitere Kommentare beinhalten die Kombination englischer und russischer Sprache. Im Rahmen der Auswertung inhaltlicher und evaluativer Kategorien wurde in einem ersten Schritt die Art des Inhalts der Kommentare festgehal‐ ten, um diese zu strukturieren und die weitere Auswertung zu erleichtern. Im Sinne des Erkenntnisinteresses wurde dabei zunächst zwischen Bewer‐ tungen der Protestaktionen in Beitrag 1 und 2, Bezugnahmen zur Aussage von Thomas Bach in Beitrag 3 sowie Bezugnahmen zur Aussage von Arnd Peiffer in Beitrag 3 unterschieden. 8.3 Inhaltsanalyse von Social-Media-Kommentaren 113 <?page no="114"?> Im Folgenden werden zunächst die Bewertungen der Protestaktionen in Beitrag 1 und 2 näher betrachtet: Innerhalb der Bewertungen der Protest‐ aktion in Beitrag 1 (Lesser) konnte bei der Mehrheit der Kommentare eine Befürwortung (68,52 %) festgestellt werden (siehe Abb. 9). Gleiches gilt für die Bewertung der Aktion in Beitrag 2 (Heraskewitsch) (83,34 %). Eine Ab‐ lehnung der Aktion konnte bei 16,67 % der Bewertungen zu Beitrag 1 (Lesser) festgestellt werden, während 14,81 % die Aktion teilweise ablehnen. Von Letzterem wurde ausgegangen, wenn die Aktion zwar nicht grundsätzlich negativ bewertet, eine andere Maßnahme jedoch als sinnvoller erachtet wird. Unter den Bewertungen der Aktion in Beitrag 2 (Heraskewitsch) war dies nur innerhalb eines Kommentars der Fall. Eine klare Ablehnung der Protestaktion in Beitrag 2 konnte nicht festgestellt werden. 17% 15% 68% B ewertung der Protestaktion in B eitrag 1 (L esser) Nutzer: in lehnt Aktion ab Nutzer: in lehnt Aktion eher ab Nutzer: in befürwortet Aktion 17% 83% Bewertung der Protestaktion in Beitrag 2 (Heraskewitsch) Nutzer: in lehnt Aktion ab Nutzer: in lehnt Aktion eher ab Nutzer: in befürwortet Aktion n = 6 n = 48 Abb. 9: Bewertungen der Protestaktionen in Beitrag 1 und 2 (eigene Darstellung) Anschließend sollten die Gründe für die Befürwortung oder Ablehnung der Protestaktionen in Beitrag 1 und 2 ermittelt werden, sofern diese innerhalb der Kommentare zum Ausdruck gebracht wurden. Dabei ist zu beachten, 114 8 Wirkungen politischer Äußerungen von Athlet: innen <?page no="115"?> dass sich innerhalb eines Kommentars häufig verschiedene Argumente finden lassen. Insgesamt konnten demnach sieben unterschiedliche Argu‐ mentationsstränge herausgearbeitet werden. Der am häufigsten genannte Grund für eine Ablehnung der Aktion in Beitrag 1 (Lesser) ist die Ansicht, dass Erik Lessers Kritik am Bau der Wettkampfstätten in China sowie der Kommerzialisierung des olympischen Sports im Widerspruch zu seinem eigenen Verhalten stehe, da er dennoch an den Spielen teilnehme und somit das angeprangerte Fehlverhalten der Veranstalter: innen unterstütze. Im Zusammenhang damit wurde häufig auch argumentiert, dass der Boykott der Spiele als Sportler: in ein stärkeres Zeichen darstelle als eine solche Pro‐ testaktion. Vereinzelt wurde außerdem behauptet, dass die Konsequenzen, die Erik Lesser in Folge der Aktion drohen könnten, nicht im Verhältnis zu der positiven Wirkung der Aktion stünden: „auch wenns richtig is … glaub kaum das er sich mit sowas ein gefallen tut … [sic]“. Darüber hinaus wurde konstatiert, dass der Protest zum Zeitpunkt der Aktion keinen Sinn habe und der Sport kurz vor bzw. während der Spiele im Fokus stehen sollte: „Es bringt doch nicht [sic] mehr zum jetzigen Zeitpunkt über diese Spiele zu diskutieren. Die Vergabe an China fand bereits vor einigen Jahren statt. Das hätte man verhindern müssen […] Jetzt sollten sich alle (Sportler, Medien und wir Bürger) auf die Spiele freuen und den Sportlern die Daumen drücken. Wenn alles vorbei ist, können wir wieder diskutieren.“ Gründe für die Befürwortung der Aktionen in Beitrag 1 und 2 wurden kaum genannt. Es handelt sich meist um eine reine Beipflichtung. Vereinzelt wurde jedoch argumentiert, dass es wichtig sei, die Aufmerksamkeit der Spiele für einen solchen Protest zu nutzen und sich somit von Korrupti‐ onsvorwürfen und Menschenrechtsverletzungen im Rahmen der Spiele zu distanzieren: „[…] und dennoch sollte man - gerade weil der Sport auch z. T. die einzige Möglichkeit besitzt, Dinge aufzuzeigen, die falsch laufen - als Sportler bei diesen Spielen nicht Teil dieses korrupten und menschen‐ unwürdigen Apparates werden.“ Die überwiegend positive Bewertung der Aktionen in den Beiträgen 1 und 2 lässt ferner auch auf eine Übereinstim‐ mung mit der vermittelten Botschaft der Sportler schließen. Da sich Beitrag 3 nicht mit einer konkreten Protestaktion von Athlet: in‐ nen auseinandersetzt, sondern die Debatte rund um Meinungsäußerungen von Athlet: innen thematisiert, ist hierbei die Bewertung der Aussagen von Thomas Bach und Arnd Peiffer von Interesse. In diese Betrachtung flossen lediglich Inhalte ein, bei denen eine direkte Auseinandersetzung mit dem Inhalt der jeweiligen Aussagen erkennbar war. Bloße Vorwürfe, 8.3 Inhaltsanalyse von Social-Media-Kommentaren 115 <?page no="116"?> Beleidigungen oder anderweitige Äußerungen, die sich ausschließlich auf die jeweilige Person beziehen, wurden dabei nicht berücksichtigt. Die Untersuchung ergab, dass innerhalb der 245 Kommentare zu Beitrag 3 insgesamt 85-mal Bezug zu der Aussage von Thomas Bach genommen wurde. Die Anzahl an Bezugnahmen zur Aussage von Arnd Peiffer beläuft sich auf 21. Daraus lässt sich schließen, dass die Aussage von Thomas Bach deutlich mehr Diskussionspotenzial bot. Die evaluative Analyse ergab, dass die große Mehrheit der Bezugnahmen zu Thomas Bachs Aussage von Ablehnung dieser gegenüber geprägt ist (89,41 %). Unter den Bezug‐ nahmen zu der Aussage von Arnd Peiffer zeugt der Großteil (95,24 %) dahingegen von Zustimmung (siehe Abb. 10). Dies lässt vermuten, dass die Kommentarfunktion von Nutzer: innen überwiegend zur Bekundung von Ablehnung und Kritik als für den Ausdruck von Zustimmung genutzt wird. Aufgrund der Gegensätzlichkeit der beiden Aussagen, kann bei einer Ablehnung der Aussage Bachs auf die Zustimmung zur Aussage Peiffers geschlossen werden. Die Nutzer: innen teilen demnach Peiffers Ansicht, dass der olympische Sport eng mit der Politik verbunden sei und Athlet: innen sich in dieser Hinsicht nicht unterzuordnen hätten. Als einer der am häufigsten genannten Gründe für eine Ablehnung der Aussage Bachs wurde die Behauptung aufgeführt, dass ein Vergleich zwischen Sport und Theater, den Thomas Bach in seiner Aussage aufstellt, unpassend sei. Anders als behauptet, sei es auch in einem Theater nicht verboten, politische Äußerungen zu tätigen, was durchaus auch häufig im Rahmen politischer oder gesellschaftskritischer Stücke in Anspruch genommen würde. Auch die in Folge von politischen Meinungsäußerungen verhängten Sanktionen seitens des IOC ließen sich innerhalb des Vergleichs zur Theaterbranche nicht wiederfinden. Der Olympische Wettbewerb sei ferner nicht mit einer Theater-Aufführung vergleichbar, da es sich bei einer solchen meist um eine vorab festgelegte Inszenierung handele, während die Geschehnisse im Rahmen der Spiele schwer abzusehen und real seien. Auch die Tatsache, dass die Olympischen Spiele in einem undemokratischen Land stattfänden, welches außergewöhnlich viele Anlässe für politische Äußerungen biete, ließe einen solchen Vergleich nicht zu. Ein weiterer häufig aufgeführter Grund für die Ablehnung der Behaup‐ tung von Thomas Bach ist die angebliche Profitgier des IOC, die ihn zu einer solchen Aussage und dem entsprechenden Umgang mit Meinungsäu‐ ßerungen von Athlet: innen verleite: „[…] Eine absolute Frechheit, was sich Spitzenfunktionäre aktuell leisten und die Sportler sind leider nur noch ihre 116 8 Wirkungen politischer Äußerungen von Athlet: innen <?page no="117"?> 89% 7%4% Bewertung der Aussage von Thomas Bach in Beitrag 3 Nutzer: in lehnt Aussage Bach ab Nutzer: in lehnt Aussage Bach eher ab Nutzer: in stimmt Aussage Bach zu n = 85 5% 95% Bewertung der Aussage von Arnd Peiffer in Beitrag 3 Nutzer: in lehnt Aussage Peiffer ab Nutzer: in lehnt Aussage Peiffer eher ab Nutzer: in stimmt Aussage Peiffer zu n = 21 Abb. 10: Bewertungen der Aussagen von Thomas Bach und Arnd Peiffer in Beitrag 3 (eigene Darstellung) Marionetten für immer vollere Taschen…“. Hintergrund dafür ist die An‐ nahme, dass die Olympische Bewegung die Unterstützung einiger Geldgeber verlieren würde, wenn im Rahmen der Spiele öffentlich negativ über diese oder deren Machenschaften gesprochen würde: „Was redet dieser Mann? ? Er macht doch nur Bücklinge vor allen, die Kohle rüberreichen. Korrupter gehts dich [sic] nicht. Er sollte zurücktreten. Langsam ist er nicht mehr tragbar.“ Diesen Anschuldigungen sind meist auch Korruptionsvorwürfe gegenüber Thomas Bach und dem IOC zu entnehmen: „Herr Bach! Der olympische Gedanke ist immer im Sinne der Allgemeinheit und für den Sport und das gemeinsame Erleben. Finanzielle Interessen stehen normalerweise nicht im Vordergrund! Hier ist die Sache im Laufe der Zeit aus dem Ruder gelaufen. Bestechlichkeit regiert dieses Genre. Gut, dass wir aufgeklärte Sportler haben, die Ihnen ein wertvoller Spiegel sein sollten. Üben Sie Selbstkritik! “ Aus den oben genannten Ausführungen entsteht außerdem der Vorwurf, dass Sportler: innen nur noch Spielball der (finanziellen) Interessen des IOC 8.3 Inhaltsanalyse von Social-Media-Kommentaren 117 <?page no="118"?> seien und deren Belange und Rechte daher missachtet würden. Im Folgenden sollen einige Beispiele aufgeführt werden: „Da hört man ja die Meinung des Präsidenten, die Athleten sind nur Schauspieler in einem von ihm inzinierten [sic] Stück […].“ „Bachs' [sic] Äußerung lässt tief blicken: Die Puppen sollen tanzen und die Klappe halten! “ „Der olympische Gedanke, ein Event, gemacht gedacht für Alle [sic] ist leider nur noch eine Propaganda-Show für Machtinhaber und Funktio‐ näre. Athleten und Zuschauer so scheint es [sic] ein Anhängsel.“ Des Weiteren konnten das Außerachtlassen von Menschenrechten und ethisch verwerfliches Handeln seitens des IOC als weitere entscheidende Gründe für die Ablehnung der Aussage Bachs festgemacht werden. Daraus ergibt sich der Einwand, dass das Einstehen für Menschrechte nicht mit politischen Äußerungen gleichgesetzt werden könne. Mit dem Verbot von Meinungsäußerungen während der Spiele würden außerdem die Augen vor Menschenrechtsverletzungen verschlossen, aufgrund derer politische Äußerungen unabdingbar seien. Zusätzlich wird die Vergabe der Spiele an China im Zuge dieser Äußerungen stark kritisiert: „[…] China tritt Menschenrechte mit Füßen so gut sie können und der tut so als wäre das ein kindergeburtstag [sic] […]“. Einige Nutzer: innen bezogen sich in der negativen Bewertung der Aus‐ sage zudem auf deren Widerspruch mit dem Olympischen Gedanken. Die Vermutung eines finanziellen Hintergrunds der Aussage sowie das vermeintliche Verbot der Völkerverständigung wurden dabei als Beispiele aufgeführt: „[…] Die olympischen Spiele sollen ja völkerverbindend sein. Da gehört es einfach dazu, auch über die Themen reden zu können.“ Der Aussage von Thomas Bach wurde außerdem das Argument ent‐ gegengebracht, dass das IOC selbst in vielerlei Hinsicht politisch (und korrupt) agiere und die Olympischen Spiele instrumentalisieren lasse: „Es [die Olympischen Spiele] wird als Bühne genutzt bzw. sogar missbraucht, um sich als politische Kraft zu zeigen oder etwa nicht? Es ist in den letzten Jahren eine reine Machtdemonstration der Austragungsländer geworden! “ Zudem wurde der Wunsch geäußert, dass das IOC selbst klarer Stellung zu Konfliktthemen beziehen solle: „Herr Bach, ihr Job ist es die olympischen Spiele so auszurichten, dass sich die Sportler gar nicht erst um solche Themen kümmern müssen […]“. 118 8 Wirkungen politischer Äußerungen von Athlet: innen <?page no="119"?> In vereinzelten Bewertungen wird die Aussage Bachs im Kern jedoch auch nachvollzogen. Die Erlaubnis von Meinungsäußerungen von Athlet: innen vor und nach einem Wettkämpf müsse dabei jedoch die Voraussetzung sein: „Klar muss sich keine: r während einer Performance zu etwas Politischem äußern. Aber außerhalb der Bühne muss es erlaubt sein. Für alle Menschen! “ Innerhalb der zustimmenden Bewertungen konnten außerdem folgende Argumente ermittelt werden: Athlet: innen hätten sich in erster Linie auf die sportliche Leistung zu fokussieren. Der Sport müsse zudem nicht für Fehler der Politik einstehen. Des Weiteren wurde geäußert, dass eine solche Aussage den Olympischen Gedanken schütze, für den politische Neutralität, Frieden und Freundschaft eine zentrale Rolle spiele. Politische Meinungsäu‐ ßerungen könnten diese Werte in den Hintergrund rücken lassen: „Gebe ihm [Thomas Bach] recht [sic]. Sport soll Sport bleiben und ist nich [sic] schuld an dem, was Politiker für Fehler machen [sic]. Sport soll verbinden und nicht trennen. Früher hat sich die Jugend zum Sport getroffen haben sich ausgetauscht und Spaß und Freundschaften geknüpft, die über Jahrzehnte gehalten hat [sic] […].“ Innerhalb der Bewertungen der Aussage von Arnd Peiffer wurde nur selten ein Grund für die Befürwortung oder Ablehnung aufgeführt. In den meisten Fällen handelt es sich um reine Beipflichtungen. Lediglich für die Zustimmung zur Aussage ließ sich eine Argumentationslinie herausarbei‐ ten: Die Behauptung Peiffers, der Sport sei eng mit der Politik verzahnt, wird in vereinzelten Kommentaren gestützt, indem darauf hingewiesen wird, dass das IOC selbst politisch handle und der Zusammenhang von Sport und Politik daher nicht abgestritten werden könne. Dabei kommt erneut der Vorwurf zum Ausdruck, das IOC agiere aus Macht- und Profitgier und habe selbst ein weltweites politisches Netzwerk. Weitere Text-Passagen, die nicht als Bewertung der Aktion in Beitrag 1 und 2 oder als Bewertung der Aussagen in Beitrag 3 gekennzeichnet werden konnten, wurden zunächst der Kategorie „anderweitige Themen“ zugeord‐ net oder konnten aufgrund fehlender Forschungsrelevanz nicht klassifiziert werden. Daraufhin wurden diesen entsprechende Themenschwerpunkte zugeordnet: Innerhalb der Kommentare mit „anderweitigen Themen“ zu Beitrag 3 (Bach und Peiffer) konnten besonders häufig Aussagen zur Person Thomas Bach erfasst werden. Weitere beschäftigen sich mit dem Thema „Boykott der Spiele“ oder dem „Austragungsort China“. Außerdem konn‐ ten Aussagen zu den Themen „Kommerzialisierung des Sports/ Profitgier des IOC“, „Korruptionsvorwürfe gegenüber dem IOC“, „Verhältnis von 8.3 Inhaltsanalyse von Social-Media-Kommentaren 119 <?page no="120"?> (olympischem) Sport und Politik“, „kritische Berichterstattung über die Olympischen Spiele“ und „Doping“ erfasst werden. Die Berichterstattung über die Protestaktion von Biathlet Erik Lesser in Beitrag 1 löste neben konkreten Bewertungen dieser vor allem einen Diskurs über mögliche Konsequenzen seiner Protestaktion aus. Außerdem wurde über China als Austragungsort und einen möglichen Boykott der Spiele diskutiert. Vereinzelt gab es Bezugnahmen zu den Themen „Menschenrechte in China“, „Kommerzialisierung des Sports/ Profitgier IOC“, „Korruptions‐ vorwürfe gegenüber dem IOC“ sowie „Verhältnis von (olympischem) Sport und Politik“. Innerhalb der Kommentare mit „anderweitigen Themen“ zu Beitrag 2 (Heraskewitsch) dominieren Aussagen zum Angriffskrieg in der Ukraine. Hinzu kommen im Vergleich zu Beitrag 1 (Lesser) außerdem Aussagen in Bezug auf die „kritische Berichterstattung über die Olympischen Spiele in den Medien“. Vereinzelt ließen sich Aussagen zu den Themen „Weltge‐ schichte“ und „Olympischer Gedanke“ erfassen. Die Ausführungen zeigen, dass die Berichterstattung über Protestaktio‐ nen von Athlet: innen neben der Auseinandersetzung mit der Aktion an sich auch Diskussionen über eine Vielzahl weiterer gesellschaftsrelevanter Themen auslöst, die mit der entsprechenden Botschaft zusammenhängen. Um zuletzt auch auf die durch die Beiträge ausgelösten Emotionen sowie auf den „Tonfall“ innerhalb der Diskussionen schließen zu können, wurden alle Kommentare auf ihre Diktion, also die ‚Ausdrucksweise‘ bzw. den ‚Stil des Geschriebenen‘, untersucht. Damit dies nicht zu stark von subjektiven Wahrnehmungen beeinflusst wird, wurden die Bestimmungen - wenn mög‐ lich - in Zusammenhang mit den innerhalb der Kommentare verwendeten Emojis vorgenommen. Eine Aussage bzw. eine Sinneinheit innerhalb eines Kommentars konnte dabei auch mehrere verschiedene Ausdrucksweisen vorweisen. War die Bestimmung der Diktion nicht möglich, da die Ironie einer Aussage beispielsweise nur bedingt oder nicht nachweisbar war, wurden entsprechende Passagen von der Untersuchung ausgeschlossen. Innerhalb der Kommentare zu Beitrag 1 (Lesser) überwiegen bestärkende bzw. lobende Aussagen gegenüber Erik Lesser und dessen Protestaktion. Zudem konnten einige beschuldigende Aussagen mit einer eher vorwurfs‐ vollen bzw. anklagenden Ausdrucksweise festgestellt werden. Darüber hin‐ aus wurden Aussagen mit einem hämischen oder bedauernden Tonfall dokumentiert. Vereinzelt waren im Gegensatz zu den Kommentaren der 120 8 Wirkungen politischer Äußerungen von Athlet: innen <?page no="121"?> anderen beiden Beiträge auch amüsierte Ausdrucksweisen erkennbar, in welchen sich die Verfasser: innen belustigt zeigten. Die Aussagen zu Beitrag 2 (Heraskewitsch) zeugen überwiegend von sach‐ licher Ausdrucksweise, die nicht von Gefühlen bestimmt, sondern lediglich auf den thematisierten Sachzusammenhang bezogen ist. Doch auch hier ließ sich häufig ein vorwurfsvoller bzw. anklagender Tonfall erkennen, ebenso wie einige bestärkende bzw. lobende oder auch bedauernde Aussagen. Die Aussagen zu Beitrag 3 (Bach und Peiffer) werden von einem vorwurfs‐ vollen bzw. anklagenden Stil dominiert. Hinzu kommen im Gegensatz zu den anderen beiden Beiträgen einige abfällige bzw. despektierliche sowie auch vereinzelt beleidigende und wütende Aussagen. Auf der anderen Seite ließen sich einzelne explizit freundliche Aussagen feststellen, was innerhalb der Kommentare zu Beitrag 1 und 2 nicht der Fall ist. Die Emotionen, auf die durch die Bestimmung der Diktion innerhalb der verschiedenen Aussagen geschlossen werden kann, sind vielfältig. Die unter‐ suchten Beiträge lösten demnach sowohl sachlichen Austausch und Zuspruch als auch Artikulationen anklagenden oder beleidigenden Charakters aus. 8.4 Bewertung durch Sportkonsument: innen Zur Erweiterung der Erkenntnisse aus der inhaltsanalytischen Untersu‐ chung von Social-Media-Kommentaren, wird die Studie durch eine gezielte Befragung von (deutschsprachigen) Wintersportkonsument: innen ergänzt. Nachfolgend wird zunächst das Vorgehen erläutert, bevor dann die Ergeb‐ nisse dargestellt werden. 8.4.1 Online-Befragung Die Befragung richtet sich gezielt an Wintersportbegeisterte, wodurch eine Stichprobenerhebung unter Menschen gewährleistet werden soll, die Interesse an Olympischen Winterspielen und damit aufgrund der zum Zeitpunkt der Befragung jüngst ausgerichteten Spiele in Peking auch eine Meinung zur vorliegenden Thematik aufbringen. Alter und Geschlecht spielen dabei eine untergeordnete Rolle. Stellvertretend wurde dazu eine zufallsgesteuerte Teilerhebung (nicht repräsentativ) durch eine bewusste Auswahl der Stichprobe vorgenommen (Möhring/ Schlütz 2019). Der Frage‐ bogen wurde demnach über einen entsprechenden Umfrage-Link in diver‐ 8.4 Bewertung durch Sportkonsument: innen 121 <?page no="122"?> sen zielgruppenspezifischen Wintersport-Foren und Social-Media-Gruppen auf der Plattform Facebook verbreitet. Die Erhebung erfolgte nach dem Stattfinden der Olympischen und Paralympischen Spiele in Peking im Zeitraum vom 09.04.2022 bis zum 11.05.2022. Der Fragebogen wurde dabei innerhalb neun verschiedener Facebook-Fan-Gruppen und drei Fan-Foren verbreitet. Bei der Auswahl der Facebook-Gruppen wurde auf eine möglichst hohe Mitgliederzahl geachtet. Dabei gerieten vorwiegend Gruppen mit Biathlon- und Skisprung-Bezug in den Fokus. Die Mitgliederzahlen reichten von 360 bis 12.707 Mitgliedern in den unterschiedlichen Gruppen und Foren. Je nach Antwortverhalten enthielt der Fragebogen bis zu 24 verschiedene Fragen; überwiegend mit vorgegebenen Antwortmöglichkeiten. 8.4.2 Auswertung und Ergebnisse Insgesamt nahmen 117 Personen an der Befragung teil. Durch die Verteilung des Fragebogens innerhalb wintersportspezifischer Foren und Social-Me‐ dia-Gruppen ist das Interesse an Wintersport unter den Befragten im Schnitt dementsprechend „eher groß“. Auch für die Olympischen Spiele bringen die Befragten überwiegend „eher großes“ bis „sehr großes“ Interesse auf. Fälle, bei denen sowohl das Interesse an Wintersport als auch an den Olympischen Spielen klar verneint wurde, wurden aus der Untersuchung ausgeschlossen (dabei handelt es sich lediglich um zwei Fälle). In die Auswertung gingen somit 100 vollständig ausgefüllte sowie 5 unvollständige (mind. 50 % der Fragen beantwortet) Fragebogen ein. Darüber hinaus ergab sich auch ein durchschnittlich „eher großes“ Interesse am Themenfeld Politik unter den Teilnehmenden. Es kann demnach davon ausgegangen werden, dass die ursprünglich anvisierte, mit der Thematik vertraute Zielgruppe erreicht wurde und die Antworten von entsprechender Qualität zeugen. Anhand der erhobenen soziodemographischen Daten wurde auch die Verteilung von Merkmalen wie Alter, Geschlecht und Bildungsabschluss innerhalb der Stichprobe überprüft. Diese besteht demnach aus einer mehr‐ heitlich männlichen Teilnehmeschaft (62 %) mit einem Durchschnittsalter zwischen 30 und 39 Jahren. Im Schnitt kann innerhalb der Stichprobe von einem höheren Bildungsniveau ausgegangen werden. Wurde das Interesse an Olympischen Spielen als „durchschnittlich“, „eher groß“ oder „sehr groß“ angegeben, wurde das Mediennutzungsverhalten der befragten Personen ermittelt. Das klassische Fernsehen sowie Sport- und 122 8 Wirkungen politischer Äußerungen von Athlet: innen <?page no="123"?> News-Seiten im Internet zählen zu den Medien, über die sich die Teilneh‐ menden am meisten informieren (Fernsehen: 23,8 %; Sport-/ News-Seiten im Internet: 14,46 %). Darüber hinaus sind auch Zeitungen und Zeitschriften (11,45 %) sowie Social-Media-Kanäle von Athlet: innen bevorzugte Medien, um sich über die Olympischen Spiele zu informieren. Gruppen und Foren in sozialen Medien (3,92-%) sowie Podcasts (2,11-%) schneiden insgesamt eher schlecht ab. Abb. 11 zeigt die beliebtesten Inhalte, die im Rahmen der Olympischen Spiele konsumiert werden. Die sportlichen Wettkämpfe stoßen dabei auf das größte Interesse. Darauf folgen Hintergrundberichterstattung, Interviews und die Eröffnungs- und Schlusszeremonien. Pressekonferenzen und Sieger‐ ehrungen sind für die Teilnehmenden vergleichsweise weniger interessant. Diese Ergebnisse lassen vermuten, dass politische Meinungsäußerungen von Athlet: innen während oder kurz vor/ nach dem Wettkampf - zumindest in der Live-Berichterstattung - besonders große Aufmerksamkeit erlangen können. 49% 6% 10% 11% 3% 21% Was interessiert dich an den Olympischen Spielen am meisten? die sportlichen Wettkämpfe Siegerehrungen Eröffnungs- und Schlusszeremonie Interviews Pressekonferenzen Hintergrundberichterstattung n = 176 Abb. 11: Interesse an spezifischen Inhalten, die während Olympia konsumiert werden können (eigene Darstellung) Wie in Abb. 12 ersichtlich, ist die Mehrheit der Befragten der Meinung, dass ihr/ e Lieblingssportler: in abgesehen von den sportlichen Leistungen ein Vorbild für die Gesellschaft ist. Dies unterstreicht die Existenz einer Vorbildfunktion von Athlet: innen, deren Verhalten und Einstellung bezüg‐ lich gesellschaftsrelevanter oder politischer Themen sich auch auf ihr 8.4 Bewertung durch Sportkonsument: innen 123 <?page no="124"?> Image auswirken könnte. Ähnliche Erkenntnisse bringt eine Studie der EBS Universität aus dem Jahr 2011 hervor, die den Einfluss von Sportstars in verschiedenen Bereichen untersuchte. Dabei ergab sich ein besonders hoher Einfluss im Bereich „Orientierungshilfe für gesellschaftskonformes Verhalten“. Außerdem wurde Sportler: innen in ihrer Funktion als Identifi‐ kationsfigur ein großer Einfluss beigemessen (Statista Research Department 2011). 5% 3% 16% 40% 36% Ist dein/ e deiner Lieblingssportler: in abgesehen von den sportlichen Leistungen ein Vorbild für die Gesellschaft? nein eher nein weiß nicht eher ja ja n = 105 Abb. 12: Gesellschaftliche Vorbildfunktion von Athlet: innen (eigene Darstellung) Werden die Teilnehmenden allerdings explizit gefragt, ob in erster Linie nur die sportliche Leistung von Athlet: innen oder auch deren Einstellung zu politischen und gesellschaftsrelevanten Themen von Interesse ist, variieren die Antworten stark. Schlussendlich überwiegt der Anteil derer, für die in erster Linie die sportliche Leistung im Fokus steht (38,1 %), gegenüber dem Anteil, für den auch die politische Einstellung von großem Interesse zu sein scheint (29,52 %). Rund 33 % zeigten sich unentschieden. Dies lässt vermuten, dass sich die beiden Interessen für viele der befragten Personen nicht unbedingt ausschließen. In erster Linie steht möglicherweise die sportliche Leistung im Vordergrund, dennoch besteht gleichzeitig ein Interesse an der Meinung der Athlet: innen zu gesellschaftsrelevanten Themen. 124 8 Wirkungen politischer Äußerungen von Athlet: innen <?page no="125"?> Im weiteren Verlauf der Befragung wurde den Teilnehmenden ein aktu‐ elles Beispiel politischer Positionierung eines Athleten bei den Olympischen Winterspiele 2022 in Peking vorgelegt. Wie bereits beschrieben, handelte es sich dabei um den ukrainischen Skeletoni Wladislaw Heraskewitsch, der gegen einen Krieg in seinem Heimatland protestierte. Wird das Antwort‐ verhalten derjenigen betrachtet, die eingangs angaben, die Winterspiele in Peking mindestens „gelegentlich“ verfolgt zu haben, lässt sich feststellen, dass über die Hälfte (60,76 %) dieser von der Protestaktion mitbekommen hatte. Insgesamt gab jedoch über die Hälfte (63,81 %) der Gesamtheit aller Befragten an, noch nichts davon mitbekommen zu haben. Der Unterschied ist nicht signifikant (χ 2 (1, N = 107) = 1.831, p = 0.176) und es kann darauf geschlossen werden, dass die Botschaft auch außerhalb der aktiven Rezipi‐ enten verteilt wurde. Etwa 34 % der Befragten, die bereits von der Aktion erfahren hatten, gaben an, sich im Nachgang mit anderen Personen im persönlichen Bekanntenkreis oder in sozialen Netzwerken darüber ausge‐ tauscht zu haben. Ein aus der Protestaktion resultierender gesellschaftlicher Diskurs fand demnach begrenzt statt. Allerdings muss bei diesem konkreten Beispiel davon ausgegangen werden, dass der gesellschaftliche Diskurs über den Angriffskrieg in der Ukraine zu diesem Zeitpunkt hauptsächlich oder zumindest auch durch eine Vielzahl anderer Geschehnisse und die darüber geführte Berichterstattung ausgelöst und geprägt wurde. Knapp die Hälfte aller Befragten (49,52 %) gab zudem an, dass sie die Aktion zum Nachdenken anregt habe. Demnach kann vermutet werden, dass Meinungsäußerungen von Athlet: innen durchaus eine persönliche Auseinandersetzung der Konsument: innen mit der entsprechenden Thema‐ tik hervorrufen können. Dem Wunsch nach mehr Meinungsäußerungen von Athlet: innen bei den Olympischen Spielen in Peking (z. B. zu Themen wie Diskriminierung, Menschenrechte usw.) schloss sich ebenso die Hälfte (52,38 %) aller Befragten an. Abb. 13 zeigt, wie politische Meinungsäußerungen von Athlet: innen im Rahmen Olympischer Spiele unter den Befragten grundsätzlich bewertet wurden. Wie die vorangegangenen Ausführungen bereits vermuten lassen, wird dabei ersichtlich, dass die Mehrheit dies „eher“ oder „voll und ganz“ befürwortet. 8.4 Bewertung durch Sportkonsument: innen 125 <?page no="126"?> 14% 14% 19% 30% 23% Befürwortest du es, dass sich Athlet: innen im Rahmen der Olympischen Spiele öffentlich politisch positionieren oder lehnst du es ab? lehne ich voll und ganz ab lehne ich eher ab teils/ teils befürworte ich eher befürworte ich voll und ganz n = 105 Abb. 13: Meinung zu politischen Positionierungen von Athlet: innen bei Olympia (eigene Darstellung) Im weiteren Verlauf der Befragung wurden mögliche Gründe für die Be‐ fürwortung oder Ablehnung von politischen Meinungsäußerungen von Athlet: innen ermittelt. In drei Punkten sind sich dabei jeweils über die Hälfte der Befragten einig: 1. Athlet: innen tragen eine gesellschaftliche Verantwortung, die es er‐ fordert, die Aufmerksamkeit bei Olympischen Spielen für politische Positionierungen zu nutzen, sofern dies friedlich, ethisch korrekt und respektvoll geschieht (z. B. Proteste gegen Diskriminierung oder soziale Ungerechtigkeit usw.). 2. Die Aussage, dass durch die Veranstaltung der Olympischen Spiele bereits Werte wie Vielfalt, Solidarität, Respekt und Freundschaft aus‐ gestrahlt werden und es darüber hinaus keiner Meinungsäußerungen einzelner Athlet: innen bedarf, stößt mehrheitlich auf Widerspruch. 3. Der Großteil der Befragten ist der Meinung, dass Athlet: innen die Olym‐ pischen Spiele mit Protesten nicht für gesellschaftspolitische Zwecke missbrauchen würden. Nicht ganz so einig waren sich die Teilnehmenden bei der Einschätzung der Gefahr, dass Athlet: innen durch Meinungsäußerungen die Bühne der Spiele für Propaganda oder Diskriminierung missbrauchen könnten. Ebenfalls re‐ 126 8 Wirkungen politischer Äußerungen von Athlet: innen <?page no="127"?> lativ ausgeglichen sind die Meinungen in Bezug auf die politische Neutralität der Spiele und den ausschließlichen Fokus auf die sportlichen Leistungen der Sportler: innen. Eine knappe Mehrheit sprach sich jedoch für die genannten Aspekte aus. Die Zustimmung zu der Aussage, dass Meinungsäußerungen von Athlet: innen bei den Olympischen Spielen nur dann zu befürworten seien, wenn sie inhaltlich unmittelbar mit dem Sport verbunden sind, variiert ebenfalls. Die Mehrzahl stimmte der Aussage jedoch „eher nicht“ oder „gar nicht“ zu. Insgesamt ist festzustellen, dass die Meinungen in Bezug auf mögliche Gründe für die Befürwortung oder Ablehnung von politischen Meinungs‐ äußerungen von Athlet: innen schwanken. Ausgehend von den genannten Tendenzen lässt sich aus den Umfrageergebnisse schließen, dass Athlet: in‐ nen die Aufmerksamkeit für friedliche, respektvolle und ethisch korrekte Meinungsäußerungen nutzen sollten. Sie können sogar notwendig sein, da Werte wie Vielfalt, Respekt und Solidarität durch die Veranstaltung der Spiele noch nicht ausreichend vermittelt werden. Die Positionierungen der Sportler: innen müssen inhaltlich nicht unmittelbar mit dem Sport verbunden sein. Grundsätzlich sollte bei den Olympischen Spielen jedoch der Fokus auf den Leistungen der Athlet: innen liegen. Eine separate Betrachtung des Antwortverhaltens derjenigen, die zuvor angaben, Meinungsäußerungen von Athlet: innen grundsätzlich „eher“ oder „voll und ganz“ abzulehnen, ergab folgende Erkenntnisse: Die Mehrheit dieser Personen (86,96 %) legt großen Wert auf die Wahrung der politischen Neutralität und den Fokus auf die sportlichen Leistungen der Athlet: innen. Die Gefahr eines Missbrauchs der Spiele für Propaganda und Diskriminie‐ rung wurde vermehrt (52,18 %) hoch eingeschätzt. Knapp über die Hälfte (56,52 %) ist außerdem der Meinung, dass bei den Olympischen Spielen bereits Werte wie Vielfalt, Solidarität und Respekt ausgestrahlt werden, weshalb es keiner persönlichen Meinungsäußerungen von Athlet: innen be‐ darf. Sie sehen darin mehrheitlich (56,52 %) einen Missbrauch der Spiele für gesellschaftspolitische Zwecke. Rund 74 % würden dies jedoch befürworten, wenn die Positionierungen unmittelbar mit dem Sport in Verbindung stehen (z.-B. Kritik an Führungseliten oder der zunehmenden Kommerzialisierung des Sports). Die Analyse der Standpunkte innerhalb der Debatte um die Regel 50.2 der Olympischen Charta (siehe Kapitel 7.5) brachte hervor, dass vor allem bezüglich der Einschränkungen der Meinungsfreiheit bei offiziellen Zere‐ monien und während des Wettkampfes verschiedene Meinungen vorherr‐ 8.4 Bewertung durch Sportkonsument: innen 127 <?page no="128"?> schen. Nachdem den Teilnehmenden dafür zunächst einige Informationen zur Regel 50.2 der Olympischen Charta bereitgestellt wurden, sollten sie nachfolgend angeben, ob Athlet: innen ihrer Meinung nach während der Olympischen Spiele die Möglichkeit haben sollten, ihre Ansichten auch bei offiziellen Zeremonien oder während des Wettkampfes auf dem „Spielfeld“ deutlich zu machen. Die Meinungen unter den Umfrage-Teilnehmenden gingen dabei eben‐ falls weit auseinander: Während sich in Bezug auf die Zulässigkeit von Meinungsäußerungen bei offiziellen Zeremonien rund 28 % unsicher sind, halten sich die Anteile der Befürwortung und der Ablehnung im Gleich‐ gewicht. Auch der Zulässigkeit von Meinungsäußerungen während eines Wettbewerbs steht rund ein Viertel der Befragten unschlüssig gegenüber. Eine Mehrheit von etwa 43 % lehnt dies ab, was sich mit der mehrheitlichen Meinung deckt, dass die sportlichen Leistungen, denen an solchen Schlüs‐ selorten besonders viel Bedeutung zukommt, stets im Mittelpunkt stehen sollten. Im Vergleich zu den Ergebnissen der IOC-Athletenkonsultation be‐ steht unter den befragten Wintersportkonsument: innen insgesamt weniger Ablehnung in Bezug auf Meinungsäußerungen an den genannten Schlüs‐ selorten. Dies mag daran liegen, dass diese im Gegensatz zu den Athlet: innen nicht persönlich von hieraus möglicherweise resultierenden Ablenkungen bei sportlichen Leistungen betroffen wären. Für Konsument: innen könnte dies hingegen sogar den Unterhaltungswert der Spiele verstärken. Der im Rahmen der Umfrage aufgestellten Behauptung, dass ein von den Veranstaltern organisiertes Hervorheben gemeinsamer Werte (wie z. B. Frie‐ den, Respekt, Gleichberechtigung) bei der Eröffnungs-/ Schlussfeier, in sozia‐ len Medien oder auf der Athletenbekleidung - wie es in den Empfehlungen der IOC-Athletenkommission zur Anpassung der Regel 50.2 vorgeschlagen wird - einflussreicher und glaubhafter als Meinungsäußerungen einzelner Athlet: innen sei, verliehen nur rund 26 % der Befragten Zustimmung. Die Mehrheit (45 %) stimmte dem eher oder gar nicht zu, während sich 29 % unentschieden zeigten. 128 8 Wirkungen politischer Äußerungen von Athlet: innen <?page no="129"?> 45% 29% 26% Ein von den Veranstaltern organisiertes Hervorheben gemeinsamer Werte ist einflussreicher und glaubhafter als Meinungsäußerungen einzelner Athlet: innen. stimme eher/ gar nicht zu teils/ teils stimme eher/ völlig zu n = 100 Abb. 14: Einfluss und Glaubwürdigkeit eines von den Veranstaltern organisierten Hervor‐ hebens Olympischer Werte (eigene Darstellung) Zuletzt sollten sich die Teilnehmenden ihre/ n Lieblingssportler: in ins Ge‐ dächtnis rufen und angeben, ob ihnen bekannt ist, dass diese/ r sich in seiner/ ihrer Karriere als Spitzensportler: in und Person der Öffentlichkeit schon einmal politisch geäußert oder positioniert hat. Dadurch sollte ein Rückbezug zu der eingangs gestellten Frage bezüglich der gesellschaftlichen Vorbildfunktion von Athlet: innen stattfinden. Unter den Teilnehmenden, die in ihrem/ er Lieblingssportler: in abgesehen von der sportlichen Leistung ein Vorbild für die Gesellschaft sehen, gaben etwa 68 % an, dass sich diese/ r auch schon einmal politisch geäußert oder positioniert hat. Diese Schnittmenge stützt erneut die Vermutung, dass Athlet: innen ihre Fans mit politischen Meinungsäußerungen nachhaltig beeinflussen können und sich diese positiv auf ihr Image auswirken können. Abschließend hatten die Teilnehmenden die optionale Möglichkeit, in einem offenen Kommentarfeld persönliche Anmerkungen zu hinterlassen, was von zehn Personen in Anspruch genommen wurde. Innerhalb dieser Aussagen wird beispielsweise dem IOC die „politische Verantwortung“ zugewiesen, „wenn es darum geht, ethisch, moralisch oder nachhaltig seiner Vorbildfunktion gerecht zu werden (z. B. bei der Vergabe von Spielen an Nationen mit antidemokratischen [sic] Systemen, dem Verbrauch an 8.4 Bewertung durch Sportkonsument: innen 129 <?page no="130"?> schützenswerter Natur oder menschenunwürdigen Arbeitsbedingungen)“. Zwei weitere Kommentare greifen diesen Aspekt auf und kritisieren zum einen das IOC und die NOCs, die das Vorleben von Werten vermissen ließen. Zudem wurde der Vorwurf zum Ausdruck gebracht, dass es sich „die Veranstalter und Komitees zu einfach [machen], indem sie sich darauf berufen, ein Wettbewerb sei prinzipiell unpolitisch und soll die Einheit der Nationen unterstreichen“. Der eigentliche Grund liege nach Aussagen des/ der Teilnehmenden in der „Profitmaximierung dadurch, dass die Veran‐ staltung nicht aneckt. Denn wie können Großveranstaltungen überhaupt unpolitisch sein? Man denke als Extrembeispiel an die Olympischen Spiele 1936“. 8.4.3 Zusammenfassende Interpretation der Ergebnisse Die - nicht vollständig repräsentativen - Untersuchungsergebnisse der in‐ haltsanalytischen Betrachtung von Social-Media-Kommentaren lassen ver‐ muten, dass Berichterstattungen über politische Meinungsäußerungen von Athlet: innen in sozialen Netzwerken signifikante Interaktionen zwischen Nutzer: innen auslösen und somit öffentliche Diskussionen beeinflussen können. Außerdem legen die Ergebnisse die Vermutung nahe, dass beson‐ ders bei Protestaktionen, die eine nationalbzw. weltpolitische Thematik zum Gegenstand haben, einen intensiven Austausch zwischen einzelnen Nutzer: innen hervorrufen. Darüber hinaus werden die untersuchten Protestaktionen von den be‐ fragten Nutzer: innen mehrheitlich befürwortet und gewürdigt. Dennoch stoßen sie auch auf Ablehnung, die sich meist in einem widersprüchlichen Verhalten des Sportlers in Bezug auf die vermittelte Botschaft äußert. Ein Boykott der Spiele als Sportler: in wird außerdem als ein stärkeres bzw. konsequenteres politisches Zeichen angesehen. Weiterhin wird vereinzelt vertreten, dass die Konsequenzen, die den Sportlern in Folge der Aktionen drohen könnten, nicht im Verhältnis zu den positiven Wirkungen des Protests stünden. Die Berichterstattung über die Protestaktionen lösen demzufolge neben der Auseinandersetzung mit den vermittelten Botschaften vor allem einen Diskurs über mögliche Konsequenzen für die Athleten und die Sinnhaftig‐ keit eines Boykotts der Spiele aus. Des Weiteren werden Diskussionen zu einer Vielzahl weiterer gesellschaftsrelevanter Themen angeregt, die mit den entsprechenden Botschaften zusammenhängen. Zudem konnte 130 8 Wirkungen politischer Äußerungen von Athlet: innen <?page no="131"?> beobachtet werden, dass im Rahmen des Community-Managements des Account-Betreibers zusätzliches Wissen vermittelt wird, wodurch weitere Anknüpfungspunkte für Diskussionen geschaffen werden. Auch die Emotionen, von denen die Anschlusskommunikation an die untersuchten Meinungsäußerungen geprägt ist, sind vielfältig. Die Protest‐ aktionen der Athleten lösten demnach - je nach Thema und Art des Protests - sowohl sachlichen Austausch und Zuspruch als auch anklagende oder beleidigende Äußerungen aus. Außerdem konnte festgestellt werden, dass der Debatte über Meinungs‐ äußerungen von Athlet: innen große Diskussionspotenziale innewohnen, wobei die Auffassung eines unpolitischen Sports und die Unerwünschtheit von Meinungsäußerungen der Athlet: innen überwiegend abgelehnt wird. Im Zuge dessen wird vor allem der Vorwurf geäußert, die kritische Haltung des IOC in Bezug auf Meinungsäußerungen von Athlet: innen gründe sich auf Profitgier bzw. die Befürchtung, finanzielle Unterstützung zu verlieren, wenn im Rahmen der Spiele öffentlich negativ über das Handeln des IOC oder dessen Partner gesprochen würde. Diese Anschuldigungen gehen häu‐ fig mit Korruptionsvorwürfen gegenüber dem IOC und seinen Akteur: innen einher. Auch das Außerachtlassen von Menschenrechten und die Gegen‐ sätzlichkeit dieser Haltung und dem Olympischen Gedanken werden bean‐ standet. Ferner wird dem IOC selbst in vielerlei Hinsicht politisches Agieren vorgeworfen, wodurch es die Olympischen Spiele instrumentalisiere(n) (lasse). Grundsätzlich spiegelt sich innerhalb der Diskussionen die generelle öffentliche Kritik wider, der das IOC immer wieder ausgesetzt ist. Auf der anderen Seite wird jedoch auch der Standpunkt vertreten, Athlet: innen hätten sich in erster Linie auf die sportliche Leistung zu fokussieren, wodurch auch der Olympische Gedanke sowie das Streben nach politischer Neutralität, Frieden und Freundschaft gefördert würde. Um die Erkenntnisse zur Beurteilung und Wirkung von Meinungsäuße‐ rungen von Athlet: innen bei den Olympischen Winterspielen 2022 in Peking zu erweitern, wurde in einem zweiten Schritt der empirischen Forschung eine - ebenfalls nicht vollständig repräsentative - Online-Befragung unter Wintersportkonsument: innen durchgeführt. Die Untersuchungsergebnisse bestärken die Vermutungen, dass eine Vorbildfunktion von Athlet: innen existiert und Fans durch politische Meinungsäußerungen von Athlet: innen nachhaltig beeinflusst werden. Die Konfrontation mit dem Beispiel einer politischen Positionierung bei den Olympischen Spielen 2022 in Peking ergab, dass die Berichterstattung über die Protestaktion des ukrainischen 8.4 Bewertung durch Sportkonsument: innen 131 <?page no="132"?> Skeletoni Wladislaw Heraskewitsch zwar den Großteil der Konsument: in‐ nen der Spiele erreichte, ein weiterführender Austausch der Rezipient: innen mit anderen Personen über die Protestaktion jedoch nur teilweise und begrenzt stattfand. Dafür ließ sich feststellen, dass die Aktion eine persön‐ liche Auseinandersetzung der User: innen mit der entsprechenden Thematik hervorrufen konnte, was die Vermutung eines hohen Einflusspotenzials politischer Meinungsäußerungen von Athlet: innen stützt. Ferner legen die Umfrageergebnisse nahe, dass zwar das Hauptaugen‐ merk auf der sportlichen Leistung der Athlet: innen liegt, gleichzeitig aber auch ein nicht unerhebliches Interesse an den Meinungen der Athlet: in‐ nen zu gesellschaftsrelevanten Themen besteht. Grundsätzlich werden Meinungsäußerungen von Athlet: innen durch die Befragten überwiegend positiv bewertet, was die Ergebnisse des ersten Forschungsschritts bestätigt. Da Ergebnisse ähnlicher Studien aus der Vergangenheit entgegengesetzte Tendenzen aufweisen (Zeppenfeld 2022), lässt sich ein Einstellungswan‐ del innerhalb der Gesellschaft vermuten, möglicherweise hervorgerufen durch politische, soziale und gesellschaftliche Veränderungen sowie eine verstärkte Politisierung infolge innergesellschaftlicher und internationaler Konflikte. Bei Betrachtung der hier vorliegenden Untersuchungsergebnisse lässt sich festhalten, dass jedenfalls von den befragten Personen mehrheit‐ lich der Standpunkt vertreten wird, dass Athlet: innen die Aufmerksamkeit der Olympischen Spiele durchaus für friedliche, respektvolle und ethisch korrekte Meinungsäußerungen nutzen sollten. Diese könnten sogar not‐ wendig sein, da Werte wie Vielfalt, Respekt und Solidarität durch die Veranstalter: innen der Spiele noch nicht ausreichend vermittelt bzw. von den Befragten als weniger glaubhaft eingestuft werden. Auch dies deckt sich mit den Ergebnissen der inhaltsanalytischen Betrachtung der ausgewählten Social-Media-Kommentare. Nicht zuletzt aufgrund der vorherrschenden Kritik an der Vergabe der Spiele an China und den dort vorherrschenden Menschenrechtsverletzun‐ gen, hätten sich einige der Befragten sogar weitere Meinungsäußerungen von Athlet: innen bei den Olympischen Spielen gewünscht. Da diese Ansicht jedoch nicht von allen geteilt wird, kann aber vermutet werden, dass den Athlet: innen - trotz einer grundsätzlichen Befürwortung von Meinungsäu‐ ßerungen - keine verpflichtende Verantwortung diesbezüglich beigemessen wird. Die hauptsächlichen Gründe für eine Ablehnung politischer Meinungs‐ äußerungen von Athlet: innen - insbesondere wenn diese nicht unmittelbar 132 8 Wirkungen politischer Äußerungen von Athlet: innen <?page no="133"?> mit dem Sport in Verbindung stehen - liegen in der Wertschätzung der politischen Neutralität und der ausschließlichen Fokussierung auf die sport‐ lichen Leistungen der Sportler: innen, was sich ebenfalls mit den Ergebnissen des ersten Forschungsschritts deckt. Abschließend muss darauf hingewiesen werden, dass die getroffenen Aussagen durch die vorwiegende Betrachtung deutschsprachiger Medien‐ beiträge sowie die Befragung deutschsprachiger Wintersportkonsument: in‐ nen von freiheitlich-demokratischen Sichtweisen geprägt sind. Die Er‐ gebnisse der Athlet: innenbefragung durch die IOC Athletenkommission indizieren, dass die Haltung in Bezug auf Meinungsäußerungen von Athlet: innen durchaus abhängig vom Zustand der zivilgesellschaftlichen Freiheiten innerhalb eines Landes bzw. der grundsätzlichen politischen Ausrichtung einer Person sein könnte 8.4 Bewertung durch Sportkonsument: innen 133 <?page no="135"?> 9 Schlussfolgerungen Angesichts weltweiter Proteste gegen Rassismus, bestehender Systemkonf‐ likte zwischen Staaten und einem zunehmenden Fokus auf Menschenrechte und soziale Gerechtigkeit, findet sich auch die olympische Welt des Sports in kontroversen Diskussionen über ihre Rolle für die Förderung gesellschaft‐ lichen und politischen Wandels wieder. Eine dieser Diskussion dreht sich um die Meinungsfreiheit von Athlet: innen im Kontext Olympischer Spiele und insbesondere die Legitimität der Verbote und Beschränkungen, die sich aus Regel 50.2 der Olympischen Charta ergeben. Danach ist „jede Art von Demonstration oder politischer, religiöser oder rassistischer Propaganda“ bei den Olympischen Spielen untersagt, um den Fokus auf die sportlichen Leistungen zu legen sowie den Olympischen Frieden und die politische Neutralität der Spiele zu wahren. Zwar legt das IOC diese Regelungen - auf Empfehlung der IOC-Athletenkommission - inzwischen weniger streng aus. Demnach werden Meinungsäußerungen von Athlet: innen, die im Einklang mit den Olympischen Werten stehen, grundsätzlich akzeptiert bzw. nicht sanktioniert, solange diese nicht während offizieller Zeremonien, während des Wettbewerbs auf dem Spielfeld und im Olympischen Dorf stattfinden. Allerdings blieb der Wortlaut von Regel 50.2 selbst bisher unverändert; auch wenn mögliche Änderungen von Seiten des IOC seit Längerem in Aussicht getellt sind. Die Diskussionen über die Geltung und Reichweite der Meinungsfreiheit von olympischen Athlet: innen bot Anlass, diese unter rechtlichen sowie sport- und gesellschaftspolitischen Gesichtspunkten einzuordnen und zu bewerten sowie die Legitimität der Regel 50.2 zu hinterfragen. Dies insbe‐ sondere auch vor dem Hintergrund, dass insbesondere dem olympischen Sport eine Vielzahl gesellschaftspolitischer Ziele attestiert und Athlet: innen häufig eine gesellschaftliche Vorbildfunktion zugesprochen wird. Auf der Grundlage einer kritischen Betrachtung der verschiedenen Standpunkte, die im Rahmen der Debatte insbesondere um Regel 50.2 der Olympischen Charta weltweit vertreten werden, wurden hierzu unter Rückbezug auf relevante Rechtsgrundlagen sowohl die juristische als auch die gesellschaftspolitische Perspektive der Thematik vertiefend untersucht. Mittels zwei ergänzender - nicht vollständig repräsentativer - empirischer Forschungsschritte wurde zudem die Relevanz von durch etablierte Me‐ <?page no="136"?> dien vermittelte Meinungsäußerungen von Athlet: innen für öffentliche Diskussionen sowie deren gesellschaftliche Verantwortung beleuchtet. Die Ergebnisse und Schlussfolgerungen, die sich für die rechtliche Einordnung und Bewertung sowie die gesellschaftliche und sportpolitische Debatte ergeben, sollen nachfolgend überblicksartig dargestellt werden. Infolge der starken ideologischen, wirtschaftlichen, strukturellen, ethischen und politischen Prägung der Olympischen Bewegung, den Besonderheiten der Meinungsfreiheit und der international-rechtlichen Einbettung des Themas ergibt sich hierbei ein komplexes Gesamtbild. 9.1 Gesellschaftspolitische Debatte Mit der Wiedereinführung der Olympischen Spiele der Neuzeit 1894 hat Pierre de Coubertin eine Institution und Plattform erschaffen, um die kulturelle und erzieherische Bedeutung des Sports für die Gesellschaft zu fördern. Denn die positiven Eigenschaften des Sports für die Gesellschaft über den sportlichen Wettkampf hinaus sind unbestritten. Im Mittelpunkt stehen dabei die mutmaßlichen Funktionen für die Integration gesellschaft‐ licher Randgruppen und die Achtung von Toleranz und Menschenrechten. Weltfrieden, Bildung und Erziehung sowie die Resistenz gegen Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Homophobie zählen gemeinhin ebenfalls zu den gesellschaftspolitischen Zielen des Sports. Er soll somit die Prinzipien des respektvollen Zusammenlebens und der Völkerverständigung fördern, die für das Gelingen moderner demokratischer Gesellschaft unabdingbar sind (Gebauer 2020; Digel 2014; Herzog 2010). Das Bestreben der Olympischen Bewegung lässt sich vereinfacht ausge‐ drückt als eine Art Grundhaltung und „Lebensstil“ ausdrücken, in dem es um gegenseitigen Respekt, um gesellschaftliche Verantwortung und die Achtung von grundsätzlichen moralischen und ethischen Prinzipien gehen. Der Sport soll dabei in den Dienst der Menschheit gestellt werden und als Mittel der Förderung weltweiten Friedens dienen (Regel 2.4 Olympische Charta). Politiker, die Wirtschaft und andere Interessengruppen nutzen die mit den Olympischen Spielen verbundene mediale Aufmerksamkeit, um vom wei‐ terhin nicht zu unterschätzenden positiven Image der Spiele zu profitieren. Vor allem Ausrichterländer haben ein besonderes Interesse, diesen Prozess aktiv zu gestalten und das eigene Land auf der Weltbühne im bestmöglichen 136 9 Schlussfolgerungen <?page no="137"?> Licht darzustellen, um von den Auswirkungen als Wirtschaftspartner oder Tourismusziel zu profitieren und die Attraktivität des Landes insgesamt zu erhöhen (Knott et al. 2015). So bietet die Austragung dem Gastland die Chance, positive Vorstellungen zu bestärken und neue positive Assoziatio‐ nen zu erzeugen (Schallhorn 2017). Dass auf die Inszenierung und die Medienagenda daher aus verschiedenen Richtungen Einfluss genommen wird, ist eine logische Konsequenz. Hierin besteht aber auch die Gefahr, dass der Sport in den Hintergrund rückt und andere intendierte Botschaften aufmerksamkeitsstark positioniert werden. Bei den Zuschauern wird ein solcher Prozess, vor allem wenn Staaten mit totalitären oder autokratischen Systemen Sportgroßereignisse austragen, zunehmend kritisch gesehen und zumindest in westlichen Staaten auch diskutiert. Vielfach werden dann auch hinter den Entscheidungen des IOC manipulative oder korrupte Entscheidungen bei der Planung und Durchführen der Olympischen Spiele vermutet. Dies führt letztlich zu einem Vertrauensverlust in die Institution des IOC. Hier bemüht man sich durch die Veränderung der öffentlichen Wahrnehmung um ein positives Image. Durch die digitalen Medien und die wachsende Bedeutung von Social-Me‐ dia-Kanälen rücken Athlet: innen immer mehr in den Fokus und steigern ihre Medienpräsenz durch Berichterstattung in den klassischen Massenmedien, aber auch durch eigene Medienkanäle. Dies bedeutet, dass die Athlet: innen einen wachsenden Einfluss auf die Themensetzung einer öffentlichen Dis‐ kussion erhalten. Dadurch ändern sich für die Athlet: innen die Formen des Protests oder der indivduellen Meinungsäußerung. Die Athlet: innen sind sich ihrer exponierten Position zunehmend bewusst und haben längst verstanden, dass sie als eine Art Influencer: in wirken können, um durch ihre eigene Meinungsäußerung Menschen zu erreichen, die sich außerhalb des sportlichen Kontexts evtl. weniger für politische und soziale Themen interessieren. Für die klassischen Massenmedien erfordert diese neue Rolle von Ath‐ let: innen ein Umdenken: Während früher die Medienagenda weitestgehend von den Journalist: innen und den Medienunternehmen gesteuert werden konnte, muss man heute konstatieren, dass auch einzelne Athlet: innen Themen für einen öffentlichen Diskurs setzen können, in dem auf den Owned-Media-Kanälen Posts veröffentlicht werden. Darauf müssen die klassischen Medien zunehmend reagieren - und tun dies auch. Athlet: innen könnten demnach „Agenda-Setter“ für gesellschaftsrelevante Themen sein. 9.1 Gesellschaftspolitische Debatte 137 <?page no="138"?> Sportrezipient: innen wünschen sich zunehmend mündige Athlet: innen, die sich zu Fragen der Zeit äußern und eine eigene Meinung vertreten. Kritische Sportler: innen profitieren, zumindest in der öffentlichen Wahr‐ nehmung, davon, indem sie ihr persönliches Image stärken. Dies zeigen auch die Ergebnisse der durchgeführten Studie. Die Betrachtung von Social-Me‐ dia-Kommentaren legen die Vermutung nahe, dass Berichterstattungen über politische Meinungsäußerungen von Athlet: innen in sozialen Netzwerken signifikante Interaktionen zwischen Nutzer: innen zu vielfältigen sportge‐ zogenen und gesellschaftlichen Themen auslösen und somit öffentliche Diskussionen beeinflussen können. Außerdem zeigen die Ergebnisse, dass besonders bei Protestaktionen, die eine nationalbzw. weltpolitische The‐ matik zum Gegenstand haben, ein intensiver Austausch zwischen einzelnen Nutzer: innen initiiert werden kann. Die untersuchten Protestaktionen wurden von den User: innen bzw. befragten Personen mehrheitlich befürwortet und gewürdigt. Zum Teil stoßen sie aber auch auf Ablehnung, die sich meist in einem widersprüch‐ lichen Verhalten des Sportlers in Bezug auf die vermittelte Botschaft äußert, da ein Boykott der Olympischen Spiele konsequenter gewesen wäre. Die Auffassung eines unpolitischen Sports und die Unerwünschtheit von Meinungsäußerungen der Athlet: innen wurde in der Befragung von Sportkonsument: innen dennoch überwiegend abgelehnt. Es gibt aber auch den Standpunkt, dass Athlet: innen sich ausschließlich auf die sportliche Leistung konzentrieren sollten. Diese Meinung ist aber deutlich weniger häufig aufgetreten. Auch über die konkret untersuchten Protestaktionen hinaus bestätigt die Online-Befragung von Sportkonsument: innen mehrheitlich, dass Athlet: in‐ nen die Aufmerksamkeit der Olympischen Spiele durchaus für friedliche, respektvolle und ethisch korrekte Meinungsäußerungen nutzen sollten. Diese könnten sogar notwendig sein, da Werte wie Vielfalt, Respekt und Solidarität durch die Veranstalter: innen der Spiele noch nicht ausreichend vermittelt bzw. von den Befragten als weniger glaubhaft eingestuft werden. Auch dies deckt sich mit den Ergebnissen der inhaltsanalytischen Betrach‐ tung der ausgewählten Social-Media-Kommentare zu den untersuchten Protestaktionen. Die empirischen Untersuchungsergebnisse bestärken zudem die Vermu‐ tungen, dass eine Vorbildfunktion von Athlet: innen existiert und sie Fans durch politische Meinungsäußerungen nachhaltig beeinflussen können. Hinzu kommt eine vermutlich große Reichweite unter sportinteressierten 138 9 Schlussfolgerungen <?page no="139"?> Konsument: innen, auch wenn ein weiterführender Austausch der Rezipi‐ ent: innen mit anderen Personen über die Protestaktion nur teilweise und begrenzt stattfand. Dafür ließ sich feststellen, dass die Aktion eine persön‐ liche Auseinandersetzung der User: innen mit der entsprechenden Thematik hervorrufen konnte, was die Vermutung eines hohen Einflusspotenzials politischer Meinungsäußerungen von Athlet: innen stützt. Ferner legen die Umfrageergebnisse nahe, dass zwar das Hauptaugen‐ merk auf der sportlichen Leistung der Athlet: innen liegt, gleichzeitig aber auch ein nicht unerhebliches Interesse an den Meinungen der Athlet: in‐ nen zu gesellschaftsrelevanten Themen besteht. Grundsätzlich werden Mei‐ nungsäußerungen von Athlet: innen durch die Befragten überwiegend posi‐ tiv bewertet, was wiederum die Ergebnisse des ersten Forschungsschritts bestätigte. Da Ergebnisse ähnlicher Studien aus der Vergangenheit entge‐ gengesetzte Tendenzen aufweisen, könnte dies einen Einstellungswandel innerhalb der Gesellschaft vermuten lassen. Nicht zuletzt aufgrund der vorherrschenden Kritik an der Vergabe der Spiele an China und den dort vorherrschenden Menschenrechtsverletzun‐ gen, hätten sich einige der Befragten sogar weitere Meinungsäußerungen von Athlet: innen bei den Olympischen Spielen gewünscht. Da diese Ansicht nicht von allen geteilt wird, kann vermutet werden, dass den Athlet: innen - trotz einer grundsätzlichen Befürwortung von Meinungsäußerungen - im Allgemeinen keine verpflichtende Verantwortung diesbezüglich beigemes‐ sen wird. Zuletzt ist zu betonen, dass die den Untersuchungsrahmen vorgebenden Olympischen Winterspiele im Gegensatz zu den Sommerspielen weniger Popularität genießen. Dies lässt vermuten, dass die Effekte von Meinungs‐ äußerungen bei Sommerspielen deutlich ausgeprägter sind. 9.2 Rechtliche Einordnung und Bewertung Die Ausrichtung Olympischer Sommer- und Winterspiele findet rechtlich an der Schnittstelle des Verbandsrechts des IOC, des Verbands- und Sitzstaats‐ rechts der Schweiz und nicht zuletzt auch dem Recht des Ausrichterstaates statt. Hinzu treten die Rechts- und Wertvorstellungen der die Athlet: innen entsendenden Staaten. Angesichts der Kollision verschiedener Rechtskreise und Wertvorstellungen sind Konflikte unvermeidbar. Die Autonomie des Sports wird seitens des IOC zwar als unabdingbare Notwendigkeit erachtet, 9.2 Rechtliche Einordnung und Bewertung 139 <?page no="140"?> da diese die Aufrechterhaltung der Werte des Sports und des Olympismus sichere. Durch Entwicklungen wie die Einflechtung der Olympischen Spiele in nationale Propagandaerzählungen, die staatliche Einflussnahme auf NOCs oder die Infragestellung der Autorität oder Integrität des IOC, ist die Wahrung der Autonomie in den letzten Jahrzehnten jedoch vor große Herausforderungen gestellt (Mittag 2021). Auch wenn die Autonomie der Sportverbände Ausdruck von Freiheits‐ prinzipien und eine unabdingbare Voraussetzung für die Organisation weltweiter, auf dem Prinzip von Fairness und Gleichbehandlung fußenden Sportwettbewerben ist, kann sie gerade in Bezug auf Menschenrechte Pro‐ bleme verursachen. Vor allem dann, wenn die autonom durch die Verbände erlassenen Verbandsrichtlinien oder Maßnahmen in Konflikt mit zwischen‐ staatlichem oder staatlichem Recht stehen. Um die Frage der Bindung an Menschenrechte und die Meinungsfreiheit seitens des IOC und ihre Geltung im Rahmen Olympischer Spiele zu beantworten, sind dabei insbesondere die internationalen Grundlagen der Menschenrechte und Meinungsfreiheit, die rechtlichen Bezüge des IOC zu zwischenstaatlichem und staatlichem Recht und die rechtliche Einbettung des IOC in das Sitzlandrecht der Schweiz zu betrachten. Das Konflikt- und Spannungspotential ist umso größer, je weiter die rechtlichen Rahmenbedingungen voneinander und vom weithin völker‐ rechtlich etablierten Rechtsrahmen abweichen. Für das Menschenrecht der Meinungsfreiheit kommt dies vor allem dann zum Tragen, wenn der Aus‐ richterstaat grundlegende Menschenrechte nicht völkerrechtlich bindend anerkennt oder sie in der Praxis nicht gewährleistet. Dann bleibt Athlet: in‐ nen für Meinungsäußerungen - aufgrund zu befürchtender oder sogar angedrohter Repressionen durch den Ausrichterstaat - im Zweifel nur der Rahmen, den Regel 50.2 Olympische Charta ihnen innerhalb des am ehesten geschützten Raumes der olympischen Wettkampfstätten belässt. Deshalb ist die Ausgestaltung und Anwendung von Regel 50.2 Olympische Charta gerade auch mit Blick auf autoritäre Ausrichterstaaten von besonderer Be‐ deutung. Die Olympische Charta sollte deshalb einen normativen Rahmen setzen, der zugunsten von Athlet: innen die Prinzipien der Meinungsfreiheit zum Tragen bringt, wie sie völkerrechtlich weitgehend etabliert sind. Dies nicht zuletzt auch deshalb, um einen akzeptablen Verhaltenskodex für Ath‐ let: innen zu schaffen, den sie mit der Unterzeichnung des Anmeldeformulars schließlich akzeptieren müssen. 140 9 Schlussfolgerungen <?page no="141"?> Eine Überprüfung von Entscheidungen des IOC über die Anwendung und Auslegung der Meinungsäußerungen von Athlet: innen verbietenden Regel 50.2 erfolgt grundsätzlich nicht durch staatliche Gerichte, sondern durch die private Schiedsgerichtbarkeit des CAS. Aus Sicht des IOC bietet dies den Vorteil schneller, spezialisierter und einheitlicher Entscheidungen über Auslegung und Anwendung der Olympischen Charta. Den Athlet: innen sind hiermit allerdings Rechtsschutzmöglichkeiten durch staatliche Gerichte unter Berücksichtigung sie schützender völkerrechtlicher oder staatlicher Rechtsnormen weitestgehend entzogen oder nur in Ausnahmefällen zu erlangen. Das IOC ist - ebenso wie das in seinen Angelegenheiten urteilende Sportschiedsgericht CAS - weder Vertragspartei des UN-Zivilpaktes noch Mitglied des Europarates, so dass es weder unmittelbar an die internatio‐ nalen Verbürgungen der Meinungsfreiheit in Art. 19 UN-Zivilpakt oder Art. 10 EMRK gebunden ist, noch Adressat von Auslegungshinweisen des UN-Menschenrechtsrats oder Beschwerdegegner vor dem Europäischen Ge‐ richtshof für Menschenrechte (EGMR) sein kann. Auch über den Umweg des Schweizer Sitzstaatsrechts ist bei Sanktionen durch den IOC für Athlet: innen ein Rechtsschutz vor dem Schweizer Bundesgericht oder EGMR nicht oder nur schwer erreichbar. Damit verbleiben im Bereich der internationalen Sportschiedsgerichts‐ barkeit zweifelhafte menschenrechtsfreie Räume. Und dies, obwohl ein Schutzbedürfnis vor allem bei der Ausrichtung von Olympischen Spielen in autoritären Staaten unverkennbar ist und nicht zuletzt auch den völker‐ rechtlichen Verpflichtungen der Schweiz, als Sitzland des IOC, entspräche. Umso mehr kommt es darauf an, welchen Raum das IOC den Prinzipien der Meinungsfreiheit innerhalb der Olympischen Charta verschafft. 9.3 Sportpolitische Debatte Aufgrund der zunehmenden Politisierung, Ökonomisierung und Instrumen‐ talisierung des Sports und Olympischer Spiele erweist sich die Vorstellung, dass der Sport unpolitisch und neutral sein soll, als zunehmend unrealistisch. In den vergangenen Jahren fanden insbesondere Menschenrechte in Sport und in der Sportpolitik vermehrt Beachtung. International wird von einflussreichen Organisationen des Sports vermehrt eine Sorgfaltspflicht in 9.3 Sportpolitische Debatte 141 <?page no="142"?> Bezug auf Menschenrechte eingefordert. Als Ausgangspunkt gelten dabei die UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte (UNGP). Ein Versuch des IOC, in den letzten Jahren verloren gegangene/ s Glaub‐ würdigkeit und Vertrauen wiederzugewinnen, sind insbesondere die seit 2014 vom IOC in den Positionspapieren „Agenda 2020“ bzw. „Agenda 2020+5“ entwickelten Maßnahmen. Im Zuge dieser Bemühungen hat das IOC auch ein „Strategic Framework on Human Rights 2022“ entwickelt, um Menschenrechte in verschiedener Hinsicht verstärkt zum Tragen zu bringen. In diesem Zusammenhang ist auch eine Überprüfung der Regel 50.2 Olympische Charta angekündigt. Auch in den Auswahlverfahren für die Austragungsorte sowie insbesondere in den Host-Verträgen des IOC mit den Ausrichtern der Olympischer Spiele nimmt das Thema der Menschenrechte inzwischen - anders als noch bei den Olympischen Spielen 2022 in Peking --einen hervorgehobenen Platz ein. Dennoch wird dem IOC weiter vorgeworfen, dass das Potenzial, sich zu den Menschenrechten zu bekennen, noch nicht vollumfänglich ausge‐ schöpft bzw. in der Praxis nicht ausreichend umgesetzt werde. Trotz der in verschiedener Hinsicht erkennbaren Aktivitäten des IOC zugunsten einer stärkeren Berücksichtigung von Menschenrechten ist eine umfassende und unabdingbare Selbstbindung des IOC an Menschenrechte weiterhin nicht erkennbar. Sie brächte aus Sicht des IOC auch das Dilemma mit sich, dass eine Vielzahl von (autoritären) Staaten dann von vornherein nicht mehr als Austragungsort Olympischer Spiele in Betracht kämen. Menschenrechte werden daher mit gewisser Wahrscheinlichkeit nur eines von mehreren Auswahlkriterien und Olympische Spiele in autoritären Staaten nicht aus‐ geschlossen bleiben. Ein wesentlicher Teil der Diskussion dreht sich um die Einschränkungen von Meinungsäußerungen, die sich aus Regel 50.2 Olympische Charta ergeben. Da die Bühne des Sports Athlet: innen Möglichkeiten bietet, durch Solidaritätsbekundungen und politische oder soziale Proteste eine große Aufmerksamkeit für persönliche und gesellschaftliche Anliegen zu erzeugen, wird die Legitimität der Regel 50.2 in Bezug auf die Beeinträch‐ tigung des Rechts auf freie Meinungsäußerung sowie die Stärkung von Menschenrechten im olympischen Sport immer wieder in Frage gestellt und diskutiert. Infolgedessen hat die IOC-Athletenkommission im Anschluss an eine Erhebung unter Athlet: innen Empfehlungen für mehr Freiheiten für Meinungsäußerungen im Rahmen Olympischer Spiele entwickelt. Diese von der IOC-Exekutive bestätigten Richtlinien sollten Klarheit über die 142 9 Schlussfolgerungen <?page no="143"?> bestehenden, teils erweiterten Möglichkeiten schaffen, wie Athlet: innen ihre Meinung bei den Olympischen Spielen äußern können und wo dies explizit verboten ist. Eine Überprüfung und ggf. Änderung der Regel 50 der Olympischen Charta soll aber erst vorgenommen werden, nachdem die Erfahrungen hiermit bei den Olympischen Spielen in Tokio und in Peking evaluiert sind. Die fortbestehenden Einschränkungen der Meinungsfreiheit implizieren, dass Meinungsäußerungen von Athlet: innen zu direkten Auswirkungen und Konflikten unter den Sportler: innen führen oder den fairen Sportwett‐ bewerb beeinträchtigen. Dabei ist jedoch zu beachten, dass die Redefreiheit immer mit menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten und Verantwortung verbunden ist, wobei von deren Einhaltung und nicht deren Missachtung ausgegangen werden sollte. Gerade dort, wo der wesentliche Zweck der Olympiade, nämlich der faire Sportwettkampf und der grundsätzliche Respekt vor den Leistungen anderer Athlet: innen beeinträchtigt würde, dürften Meinungsbekundungen daher ohnehin nur zurückhaltend und grundsätzlich respektvoll ausgeübt werden; wobei der Sportwettkampf sicherlich den sensibelsten Bereich darstellt. Problematisch ist das vom IOC angeführte Argument der Notwendig‐ keit „politischer Neutralität“, weil es in erster Linie Rücksicht nimmt auf Empfindlichkeiten autoritärer Staaten, die - häufig entgegen eigenen völ‐ kerrechtlichen oder verfassungsrechtlichen Verpflichtungen - nicht bereit sind, Menschenrechte und insbesondere Meinungsfreiheit zu gewährleisten und gerade deshalb die „Neutralität der Spiele“ betonen. Insoweit werden die geringsten bzw. nicht bestehende menschenrechtliche Standards zum Maßstab erhoben, um die Rechte aller einzuschränken. Entsprechendes gilt für das Argument, dass einzelne Athlet: innen oder Nationen ohne Einschränkungen von Meinungsäußerungen davon absehen würden, an den Spielen teilzunehmen. Gerade für Athlet: innen aus Minderheitengruppen, die die Olympischen Spiele als Plattform nutzen könnten, um auf soziale Missstände aufmerksam zu machen, können die Einschränkungen durch Regel 50.2 einen unterdrückenden Charakter aufweisen. Verbote für Athlet: innen, Meinungen frei zu äußern, insbesondere wenn sie aus unterrepräsentierten oder unterdrückten Minderheiten stammen oder Solidaritätsbekundungen für diese ausdrücken möchten, können diese ferner daran hindern, als gutes Beispiel voranzugehen und gesellschaftliche Verantwortung als mündige Athlet: innen zu übernehmen und damit den erzieherischen Charakter der Spiele zu stärken oder sportpolitische Miss‐ 9.3 Sportpolitische Debatte 143 <?page no="144"?> stände breitenwirksam zu thematisieren. Die Verantwortungsträger: innen sollten daher hinterfragen, ob der Sport als ein Abbild der Gesellschaft sozialen und gesellschaftlichen Missständen ausweichen darf und ob eine erzwungene Neutralität von Athlet: innen, insbesondere in Menschenrechte berührenden Fragen, nicht in Wahrheit einer faktischen Manifestierung menschensrechtsfeindlicher Zustände Vorschub leistet und damit gerade nicht neutral im Sinne der „Achtung universell gültiger fundamentaler moralischer Prinzipien“ i.S.d. Grundprinzips 1 der Olympischen Werte ist. Einschränkungen der Meinungsäußerungen sind in Bezug auf Schlüssel‐ momente und -orte daher sorgfältig abzuwägen und nicht - auch in nicht in Bezug auf das besonders sensible Spielfeld - pauschal zu untersagen, insbesondere wenn sie der Anerkennung von Menschenrechten dienen oder im Einklang mit Olympischen Werten stehen. Bei der notwendigen Abwägung ist auch der Kontext der Äußerung und die Wirkmächtigkeit von Meinungsäußerungen an den jeweiligen Orten zu berücksichtigen, solange im Kern die Fairness des Wettkampfs und die grundsätzlich ungetrübte Honorierung der individuellen Leistungen im Rahmen der Medaillenver‐ leihung auf dem Podest gewahrt bleibt. Um diesen Zielen gerecht zu werden und für die Athlet: innen Berechenbarkeit zu schaffen, sollte explizit, beispielhaft und nicht abschließend festgelegt werden, auf welche Art und Weise Meinungsäußerungen an diesen Orten möglich sind. Das IOC ist der Auffassung, dass erhebliche Schwierigkeiten entstünden, wenn eine Organisation wie das IOC zwischen zulässigen und unzulässigen Anliegen unterscheiden müsste. Schwierigkeiten bei Grenzziehungen und Einzelfallabwägungen können jedoch kein Argument für Pauschalverbote für Meinungsäußerungen sein; erst recht nicht für eine potente Organisation wie das IOC. Auch die mutmaßliche Befürchtung des IOC, mit derart neu formulierten Regeln selbst zum Gegenstand von Protesten zu werden, sollte in Kauf genommen werden; zumal derartige Meinungsbekundungen die Weiterentwicklung der Olympischen Bewegung positiv befördern könnten. 144 9 Schlussfolgerungen <?page no="145"?> Literaturverzeichnis Adolphsen, J. (2004). Grundfragen und Perspektiven der Sportschiedsgerichtsbar‐ keit. Zeitschrift für Schiedsverfahren, 2004, 169-175. Adolphsen, J. (2022). UNÜ Art. 6 [Verfahren bei Antrag auf Aufhebung eines Schiedsspruches]. in: Rauscher, T., & Krüger, W. Münchener Kommentar zur Zivilprozessordnung mit Gerichtsverfassungsgesetz und Nebengesetzen. Band-3 (6. Auflage). C.H. Beck. ARD Sportschau. (2022b). Biathlet Lesser kritisiert Olympia-Macher und Prämien-Sys‐ tem | sportschau.de. Abgerufen 28. Juni 2022, https: / / www.sportschau.de/ olympi a/ dpa-lesser-kritisiert-bau-von-wettkampfstaette-und-olympia-macher-story-sp -100.html ARD Sportschau. (2022a). 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Trotz der - u.a. auf Druck von Athlet: innen - zuletzt erfolgten Teil-Liberalisierung, bleiben weiterhin wichtige Fragen o en. Das Buch beinhaltet - neben den rechtlichen Rahmenbedingungen - verschiedene Standpunkte zu diesem Thema und unterstreichen ihre Erkenntnisse durch empirische Analysen von Social-Media-Kommentaren sowie durch Aussagen von Wintersportkonsument: innen. Die Ergebnisse zeigen, dass respektvolle Meinungsäußerungen von Athletinnen an wichtigen Orten durchaus positiv bewertet werden und einen wertvollen Beitrag zur Vermittlung olympischer Werte leisten können. Seeger / Veddern / Reszczynski Meinungsfreiheit im Sport Christof Seeger / Michael Veddern / Linda Reszczynski Meinungsfreiheit im Sport Verbote und Grenzen für Athlet: innen bei Olympischen Spielen
