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Community-based Tourism

Gemeinschaft, Kultur und Tourismus

0527
2024
978-3-3811-0382-9
978-3-3811-0381-2
UVK Verlag 
Kerstin Heuwinkel
10.24053/9783381103829

Tourismus und Gesellschaft verantwortungsvoll gestalten Ebenso wie Gesellschaft und Gemeinschaft verändert sich der Tourismus. Globale Krisen, schwindende Ressourcen und veränderte Anforderungen an das Reisen motivieren zum Umdenken. Und: Auch die Bevölkerung vieler Urlaubsregionen möchte Tourismus mitgestalten und von diesem profitieren. Der Community-based Tourism wird als Gegenpol zum Massentourismus beschrieben. Kerstin Heuwinkel stellt das spannende Konzept sowie konkrete Formen in ihrem Buch vor und zeigt Möglichkeiten sowie Grenzen auf. Eine zum Nachdenken anregende Lektüre für Studierende der Tourismus- und Sozialwissenschaften, für die Praxis, NPOs und NGOs sowie für Reisende.

<?page no="0"?> mit Fallbeispielen und Checklisten ISBN 978-3-381-10381-2 Dr. Kerstin Heuwinkel ist Professorin an der htw saar, Hochschule für Technik und Wirtschaft des Saarlandes. Sie lehrt nachhaltiges Tourismusmanagement, Tourismussoziologie und Kulturmanagement. Tourismus und Gesellschaft verantwortungsvoll gestalten Ebenso wie Gesellschaft und Gemeinschaft verändert sich der Tourismus. Globale Krisen, schwindende Ressourcen und veränderte Anforderungen an das Reisen motivieren zum Umdenken. Und: Auch die Bevölkerung vieler Urlaubsregionen möchte Tourismus mitgestalten und von diesem profitieren. Der Community-based Tourism wird als Gegenpol zum Massentourismus beschrieben. Kerstin Heuwinkel stellt das spannende Konzept sowie konkrete Formen in ihrem Buch vor und zeigt Möglichkeiten sowie Grenzen auf. Eine zum Nachdenken anregende Lektüre für Studierende der Tourismus- und Sozialwissenschaften, für die Praxis, NPOs und NGOs sowie für Reisende. Heuwinkel Community-based Tourism Kerstin Heuwinkel Communitybased Tourism Gemeinschaft, Kultur und Tourismus <?page no="1"?> Community-based Tourism: Gemeinschaft, Kultur und Tourismus <?page no="2"?> - - - - - Dr. Kerstin Heuwinkel ist Professorin an der htw saar, Hochschule für Technik und Wirtschaft des Saar‐ landes. Sie lehrt nachhaltiges Tourismusmanagement, Tourismussoziologie und Kulturmanagement. <?page no="3"?> Kerstin Heuwinkel Community-based Tourism: Gemeinschaft, Kultur und Tourismus <?page no="4"?> DOI: https: / / doi.org/ 10.24053/ 9783381103829 © UVK Verlag 2024 ‒ Ein Unternehmen der Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5 · D-72070 Tübingen Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikro‐ verfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Alle Informationen in diesem Buch wurden mit großer Sorgfalt erstellt. Fehler können dennoch nicht völlig ausgeschlossen werden. Weder Verlag noch Autor: innen oder Heraus‐ geber: innen übernehmen deshalb eine Gewährleistung für die Korrektheit des Inhaltes und haften nicht für fehlerhafte Angaben und deren Folgen. Diese Publikation enthält gegebenenfalls Links zu externen Inhalten Dritter, auf die weder Verlag noch Autor: innen oder Herausgeber: innen Einfluss haben. Für die Inhalte der verlinkten Seiten sind stets die jeweiligen Anbieter oder Betreibenden der Seiten verantwortlich. Internet: www.narr.de eMail: info@narr.de CPI books GmbH, Leck ISBN 978-3-381-10381-2 (Print) ISBN 978-3-381-10382-9 (ePDF) ISBN 978-3-381-10383-6 (ePub) Umschlagabbildung: © Imgorthand ∙ iStockphoto Autorinnenportrait: © Mats Karlsson (für htw saar) Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http: / / dnb.dnb.de abrufbar. www.fsc.org MIX Papier aus verantwortungsvollen Quellen FSC ® C083411 ® <?page no="5"?> 7 1 9 2 15 3 29 3.1 30 3.2 39 3.3 45 3.4 48 3.5 56 3.6 64 3.7 78 4 81 4.1 82 4.2 94 4.3 100 4.4 108 4.5 109 4.6 115 5 119 5.1 120 5.2 125 5.3 141 5.4 145 5.5 153 5.6 154 Inhalt Wer liest schon ein Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Warum lese ich dieses Buch? Eine Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . Was mache ich hier? Einige Geschichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Worum geht es? Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gemeinschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kultur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tourismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tourist: innen und touristisches Handeln . . . . . . . . . . . . . . . Die Folgen des Reisens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verantwortung, Menschenrechte und Empowerment . . . . Aktualität des Themas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Worüber reden wir? Begriffe und Konzepte . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Konzepte des CBT . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Berücksichtigung - Interessen und Empowerment . . . . . . . Benefit - Das wirtschaftliche Modell . . . . . . . . . . . . . . . . . . Begegnung - Der soziale Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bewertung und Werte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zwischenfazit: Dynamisches 5-B-Modell . . . . . . . . . . . . . . . Wer macht mit? Motive, Absichten, Strukturen . . . . . . . . . . . . . . . Community members - Wer sind die locals? . . . . . . . . . . . . Reisende . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tourismuswirtschaft: Mehr als ein Geschäft? . . . . . . . . . . . Mittler: Tourguides . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Digitale Plattformen: Ein weiteres Geschäft? . . . . . . . . . . . NGOs, NPOs: Inzwischen auch ein Geschäft? . . . . . . . . . . . <?page no="6"?> 5.7 155 5.8 157 5.9 158 6 161 6.1 161 6.2 166 7 173 179 193 196 200 201 Hochschulen etc. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Regulierung und Gestaltung des Angebots . . . . . . . . . . . . . Zwischenfazit: Zu viele Interessen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Worauf muss ich achten? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Eine bessere Form des Reisens oder Voyeurismus? . . . . . . . How to? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wie geht es weiter? Fazit und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Websites mit Checklisten und anderen Instrumenten . . . . . . . . . . . . . . . Register . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abbildungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tabellenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 Inhalt <?page no="7"?> Wer liest schon ein Vorwort „Wherever you go becomes a part of you somehow.“ Anita Desai Dieses Buch weicht in der Zielsetzung von anderen Lehrbüchern ab, da es Fragen und keine Antworten in den Mittelpunkt stellt. Die Community ist beliebt - sowohl in der Wissenschaft mit der scien‐ tific community als auch im Alltag mit zahlreichen Online-, Gardening-, Do-it-Yourself-Communities. Meine Community gibt mir Halt und ist vor allem ein Gefühl des Miteinanders und der Verbundenheit. Wir teilen Werte und gemeinsam verfolgen wir Ziele. Durch die regelmäßigen Interaktionen werden vertrauensvolle Beziehungen aufgebaut. Soziolog: innen haben genau diese Eigenschaften als Merkmale einer Gruppe definiert. Der Begriff Gruppe klingt jedoch antiquiert und wird auch für eine Mengenangabe (mehrere Menschen) oder eine Gruppierung (Kategorie) verwendet. Community hingegen ist modern, lebendig und digital. Was aber hat Community mit Community-based Tourism (CBT) zu tun? Kann diese (alternative) Form des Tourismus tatsächlich von Nachbarschaf‐ ten und Dorfgemeinschaften organisiert, verwaltet und zum Nutzen aller Mitglieder vermarktet werden? Ganz ohne Tourismusexpertise? Ist CBT dasselbe wie Tourismus in einer Community? Wieso werden Touren in Stadtgebieten, die offiziell als Slum oder Township bezeichnet werden, inzwischen auch als Community-based Tourism bezeichnet? Darf ich als Reisende solch ein Angebot nutzen oder ist es Voyeurismus? Um diese und weitere Fragen zu beantworten, wird in → Kapitel 1 zunächst auf Verschiebungen im Tourismus eingegangen. Um sich der Viel‐ zahl von Ausprägungen des Begriffs Community-based Tourism zu nähern, werden in → Kapitel 2 einige Geschichten erzählt. Im Mittelpunkt stehen ein Schuster in Barcelona, Rachel und Juma in Kapstadt sowie eine Insel im Titicacasee. Da es sich hier um ein Lehrbuch handelt, folgt mit → Kapitel 3 ein stärker theoretisch ausgerichteter Teil mit einer Klärung von Konzepten und Theorien zu Gemeinschaft, Kultur und touristischem Handeln. Erst in → Kapitel 4 steht das eigentliche Thema Community-based Tourism im Fokus. Es wird ein Modell vorgestellt, welches den zentralen Begriff der Be‐ teiligung (participation) in vier weitere Begriffe - Berücksichtigung, Benefit, <?page no="8"?> Begegnung und Bewertung - aufteilt. Ausgehend von dem 5-B-Modell folgt in → Kapitel 5 eine Analyse der Motive und Absichten von Akteur: innen wie locals, Reisenden, Tourismuswirtschaft und vermittelnden Organisatio‐ nen, z. B. Non-Profit-Organisationen sowie der Verflechtungen zwischen ihnen. Um zukünftig mit den sichtbar gemachten Verflechtungen sowohl als Reisende als auch als CBT-Aktive verantwortungsvoll(er) umgehen zu können, bietet → Kapitel 6 einige Checklisten und Instrumente an. Auch wenn → Kapitel 7 den Titel „Fazit und Ausblick“ trägt, finden sich in diesem keine Antworten, sondern Verweise auf Fragen, die größer und älter sind als die in diesem Buch gestellten, bspw. danach, wer wir sind. Wer ich bin - so wurde während des Schreibens wieder sehr deutlich - hängt nicht zuletzt von den Personen ab, die mich umgeben und begleiten. Deswegen widme ich dieses Buch den Menschen, die ich Familie nenne. Darüber hinaus bedanke ich mich bei den vielen anderen, die mit mir über ihr Verständnis von Community sprachen sowie bei meinem Lektor Rainer Berger für die vertrauensvolle Zusammenarbeit. Köln, Februar 2024 Kerstin Heuwinkel 8 Wer liest schon ein Vorwort <?page no="9"?> 1 Warum lese ich dieses Buch? Eine Einführung Communities sind in. Sowohl in der Wirtschaft als auch in der Wissenschaft und im täglichen Leben ist die Rede von der oder meiner Community, in welcher sich Menschen begegnen, austauschen und vertrauensvoll un‐ terstützen. Auch im Tourismus wird mit Communities als Erlebnis und Community-based Tourism (CBT) als alternative und bessere Form des Reisens geworben. Aus tourismussoziologischer Perspektive ist danach zu fragen, was dahintersteckt. Es sollte versucht werden (deutend) zu verste‐ hen, was Menschen in Communities suchen, was ihnen demzufolge fehlt und wie die Tourismuswirtschaft damit umgeht. Da CBT die traditionellen Pfade des Tourismus verlässt und in die Lebenswelten von Menschen in gemeinschaftlichen Gefügen vordringt und diese gemäß touristischer Vorstellungen und Blicke verändert, müssen die Konsequenzen analysiert und diskutiert werden. Es besteht die Herausforderung, Verantwortung für die durch CBT initiierten Veränderungen zu übernehmen und wenn möglich negative Folgen zu verhindern. Eine Voraussetzung dafür ist eine fundierte Analyse struktureller Verschiebungen im Tourismus. Strukturelle Verschiebungen Tourismus verändert sich ebenso wie Gesellschaft (Heuwinkel, 2023). Auch wenn der Urlaub (und manche Geschäftsreise) weiterhin ein Gegengewicht zum Alltag darstellt, kann das Weiter-So der letzten Jahre nicht aufrecht‐ erhalten bleiben. Das liegt weniger an einem (wünschenswerten) morali‐ schen Umschwenken der Tourismuswirtschaft als an weltweiten Krisen, schwindenden Ressourcen und einem steigenden Selbstbewusstsein vieler Länder, die lange Zeit „bereist“ wurden, ohne in die Gestaltung des Reisens einbezogen zu sein. Ein weiterer Aspekt ist, dass zunehmend Menschen aus Ländern reisen, die lange Zeit nicht oder nur zeitlich sehr begrenzt reisen konnten. Das prominenteste Beispiel dafür ist China. Hinzu kommen Länder wie Indien, Brasilien und Südafrika. Ebenso gewinnt die Tourismuswirtschaft in Regio‐ nen an Bedeutung, die nicht zu den klassischen Urlaubsländern zählen. Ein Beispiel ist Usbekistan. Schließlich finden sich Prognosen, die davon ausgehen, dass klimatische Veränderungen, insbesondere Hitzewellen in <?page no="10"?> 1 Der Begriff Akteur: in wird sowohl für Individuen als auch für überindividuelle Akteure wie Gruppen und Organisationen verwendet. Deswegen kommt die Schreibweise Akteur: in zur Verwendung. Zentral- und Südeuropa zu einer Verschiebung der Reiseziele in Richtung nördlicher Regionen führen. Durch den beschriebenen Wandel verändert sich die Verteilung und damit auch die Rolle der einzelnen Länder und Regionen. Die regionale Verschiebung geht einher mit Anspruchs- und Verhaltens‐ änderungen. Die von Poon (2003) vor Jahrzehnten beschriebenen hybriden Tourist: innen sind inzwischen - zumindest in den Erwartungen - mul‐ tioptional. Mit steigender Reiseerfahrung erhöhen sich die Ansprüche. Die digitale Transformation erhöht Anforderungen an die Erlebnisse und Reizschwellen werden erhöht, was sich in der steigenden Nachfrage nach extremen Aktivitäten beim Reisen zeigt. In Ergänzung zu Veränderungen auf der Nachfrageseite kommt es zu strukturellen Verschiebungen der Angebote. Neben international agieren‐ den Großkonzernen und vielen nationalen und regionalen kleinen und mitt‐ leren Unternehmen bestimmen zunehmend Akteur: innen 1 das touristische Angebot, die nicht in der Tourismuswirtschaft im engen Sinne angesiedelt sind. Dazu zählen insbesondere Non-Governmental Organisationen (NGOs) und Non-Profit-Organisationen (NPOs) sowie Einzelpersonen oder auch lokale Gemeinschaften (Communities) und Einheimische oder Ortsansässige (locals). Die Einbeziehung von Einheimischen Die Einbeziehung von Einheimischen erfolgt aus unterschiedlichen Mo‐ tiven. Zum einen ist die Betrachtung der soziokulturellen Folgen eine Säule der Nachhaltigkeit, die seitens der Tourismuskritik bereits seit den 1970er-Jahren adressiert worden ist (Krippendorf, 1982). Zum anderen fordern locals und Communities selbst eine größere Beteiligung, da die negativen Folgen des Tourismus einen immensen Einfluss auf die Lebens‐ bedingungen haben und stellenweise Lebensgrundlagen zerstört werden. Die durch den Tourismus generierten ökonomischen Effekte können die nachteiligen Folgen für Umwelt und Gesellschaft nicht länger ausgleichen. Schließlich steigt der Anteil der Reisenden, die nach Kontakt, Authentizi‐ tät und Gemeinschaft (als Gegenpol zur Einsamkeit? ) suchen, auch wenn die 10 1 Warum lese ich dieses Buch? Eine Einführung <?page no="11"?> 2 Diese zynisch anmutende Argumentation findet sich durchgängig in der Diskussion um die besondere Eignung der Tourismuswirtschaft für weibliche Beschäftigung (Heuwinkel, 2021a). Gründe recht unterschiedlicher Natur sind und von ethischen Ansprüchen bis hin zum Ich-zentrierten Suchen nach dem besten Bildmotiv für Instagram reichen. Abb. 1: Anspruchsgruppen Community-based Tourism (eigene Darstellung) Tourismuswirtschaft NPOs, NGOs etc. Reisende Locals Communitybased Tourism Umweltschutz und Biodiversität Entwicklungszusammenarbeit Abb. 1: Anspruchsgruppen Community-based Tourism (eigene Darstellung) Tourismus, Armut und Entwicklung Tourismus wird in der Literatur häufig als eine Art Wundermittel für die wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung strukturschwacher und „armer“ Regionen definiert und kritisch reflektiert (Scheyvens, 2012). Das Argument lautet, dass im Gegensatz zu anderen Wirtschaftszweigen und Industrien die Anforderungen an Infrastrukturen und damit verbundene Investitionen gering sind. Es müssen keine Fabriken gebaut und Produkti‐ onsmittel an schlecht zugängliche Orte transportiert werden. Eine schöne Natur scheint als Attraktion zu reichen und das Fehlen von Komfort kann sogar als Luxus vermarktet werden. Darüber hinaus besteht die Tendenz, die Arbeit im Tourismus als wenig anspruchsvoll zu beschreiben, so dass auch in Regionen mit einem geringen Bildungsniveau geeignete Arbeitskräfte gefunden werden können 2 . Für die anspruchsvolleren Tätigkeiten jedoch 1 Warum lese ich dieses Buch? Eine Einführung 11 <?page no="12"?> werden Menschen aus Ländern mit einem höheren Bildungsniveau ebenso importiert wie hochwertige Produkte, die im Land nicht verfügbar sind. Idealerweise handelt es sich bei dieser Vorgehensweise nur um eine vorüber‐ gehende Lösung bis durch entsprechende Capacity-Building-Maßnahmen im Land bzw. in der Region ausreichend qualifizierte Menschen „verfügbar“ sind. Ein Blick in Statistiken zu Beschäftigungszahlen im Tourismus, zu Qualifikationsmaßnahmen und der Arbeitsqualität im Tourismus trübt diese Hoffnungen (Winchenbach, Hanna & Miller, 2019). Community-based Tourism Der Begriff Community-based Tourism (CBT) kann als Klammer für Touris‐ mus, der lokale Gemeinschaften einschließt bzw. aus diesen hervorgeht gesehen werden (Ishihara, 2020). CBT wird seit den 1990er-Jahren als eine nachhaltige Form des Reisens und als Gegenmodell zum Massentourismus, beschrieben. Zahlreiche Studien haben allerdings gezeigt, dass es weder eine qualitative noch quantitative Alternative zum klassischen Tourismus ist (Goodwin, 2016). Die Idee der Einbeziehung von Communities in das Tourismusgeschäft hat seinen Reiz. Wie aber können lokale Initiativen, getragen von Menschen, die weder die Expertise noch die finanziellen Möglichkeiten haben, gegen einen Wirtschaftszweig antreten, die jährlich Milliarden erwirtschaftet und getragen ist von multinationalen Konzernen? „CBT can […] be defined as tourism owned and/ or managed by communities and intended to deliver wider community benefit.“ (Goodwin & Santili, 2009, S.-12) Community-based Tourism ist in vielen Fällen zu einem Asset geworden, welches ähnlich wie natürliche Ressourcen in Tourismusprodukte integriert wird und darüber hinaus das Gewissen von Anbietenden und Reisenden beruhigt. Einige Beispiele zeigen jedoch, dass CBT eine Lebensgrundlage für Men‐ schen schafft und Non-Profit-Organisationen finanziert. Da das Spenden‐ verhalten sich in den letzten Jahren massiv verändert hat, bieten sich touristische Produkte als ergänzende Finanzierungsquelle an. (vgl. BAP in →-Kapitel 2) Wie so oft im Tourismus kann nicht pauschal geurteilt werden, ob CBT mehr Vor- oder Nachteile bringt. Entscheidend ist hierbei vor allem die Frage: Wem bringt CBT Vorteile zu wessen Nachteil? Um dieses zu 12 1 Warum lese ich dieses Buch? Eine Einführung <?page no="13"?> analysieren, müssen die Menschen hinter den touristischen Angeboten sichtbar gemacht werden. Vor diesem Hintergrund ist eine kritische Betrachtung erforderlich, die Möglichkeiten und Grenzen aufzeigt. Es sind Reflexionen und Gespräche mit Betroffenen erforderlich, um Effekte sichtbar zu machen und diese im Anschluss gemeinsam differenziert zu bewerten. Ausgehend von den Ergebnissen der Analyse können Strategien entwickelt werden, um CBT so zu gestalten, dass die Community und die in ihr lebenden Menschen nicht nur als Kulisse dienen. Ziel des Buches ist die Formulierung von Fragen, die entscheidend für die Gestaltung von CBT sind. Während für einige Bereiche Antworten und Modelle definiert werden können, sind viele andere nur schematisch abgesteckt. Ebenfalls finden sich widersprüchliche Aussagen, die daraus resultieren, dass die beteiligten Akteur: innen eigene und oft konträre Ziele verfolgen. Darüber hinaus bestehen in vielen Fällen deutliche ökonomisch, sozial und kulturelle bedingte Machunterschiede und darauf resultierende Abhängigkeiten, die eine offene Kommunikation erschweren. Leitfragen Die folgenden Fragen geben die Struktur des Buches vor: ● Was ist mit Community gemeint und welche Erwartungen verbinden Menschen damit? ● Was hat Community-based Tourism (CBT) mit Community zu tun? ● Was ist der Unterschied zwischen Community-based Tourism, Tourism in Communities und Tourism for Communities? ● Wie unterscheiden sich Community-based Tourism in ländlichen Regio‐ nen und in Städten? ● Welche Bilder und Stereotype transportiert Community-based Tourism? ● Welche Gestaltungsmöglichkeiten bestehen im Umfeld des Commu‐ nity-based Tourism und wer sind die verantwortlichen Akteur: innen? Abgrenzung Dieses Buch unterscheidet sich in Aufbau und Inhalt bewusst von anderen Büchern zum Community-based Tourism, die - primär in englischer Sprache - zahlreich vorliegen. Der Ansatz der Formulierung von Fragen wurde 1 Warum lese ich dieses Buch? Eine Einführung 13 <?page no="14"?> bereits vorgestellt. Im Mittelpunkt stehen die Sensibilisierung, die Schaffung von Aufmerksamkeit, die Entwicklung einer kritischen Haltung und die Aktivierung der Leser: innen. Ein zweiter Unterschied besteht in der Gewichtung von Theorie und Pra‐ xis. In dem hier vorliegenden Buch stehen theoretische und konzeptionelle Überlegungen im Vordergrund, welche die gesellschaftlichen Grundlagen des Community-based Tourism beleuchten. Dieser tourismussoziologische Ansatz soll als Ergänzung für die Vielzahl geografischer und entwicklungs‐ politischer Ansätze dienen. Drittens sind die in → Kapitel 2 vorgestellten Geschichten sehr viel kürzer und mit einer anderen Intention als die klassischen Case Studies (Walia, 2020) verfasst. Die nachfolgenden Geschichten dienen der Abbildung verschiedener Sichten und sollen eine Annäherung an unterschiedliche Motive und Bedürfnisse ermöglichen. Schließlich folgt das Buch einer kritischen Perspektive, die zum Nachdenken anregen will. 14 1 Warum lese ich dieses Buch? Eine Einführung <?page no="15"?> 3 Die Auswahl basierte auf eigenen Besuchen und Erfahrungen vor Ort und reduziert sich somit auf wenige Regionen. Ergänzend zu den hier vorgestellten Beispielen wurden Case Studies aus der Literatur analysiert. Eine umfangreiche Sammlung an Case Studies bietet das von Walia editierte The Routledge Handbook of Community Based Tourism Management (2020). 2 Was mache ich hier? Einige Geschichten Community-based Tourism (CBT) ist vielfältig und durch die enge Kopplung mit Gesellschaft und Kultur zahlreichen Einflüssen und Veränderungen unterworfen. In diesem Kapitel werden Geschichten von Einzelpersonen, von Organisationen und Regionen erzählt, die einen Eindruck von Inhalten und Folgen dessen vermitteln, was als CBT bezeichnet wird. Im Mittelpunkt steht eine Annäherung an das Thema und keine repräsentative Abbildung des CBT  3 . Lernergebnisse dieses Kapitels ● Sie haben ein erstes Verständnis dafür entwickelt, welche Vorstel‐ lungen mit Reisen verbunden sind, die unter dem Begriff des Community-based Tourism (CBT) subsumiert werden. ● Sie haben mit der Reflexion über das Phänomen CBT begonnen. ● Sie sind in der Lage, erste zentrale Elemente und Akteur: innen von CBT zu benennen. Ein Schuster in Barcelona - Die Begegnung Die nachfolgende Begegnung fand vor 30 Jahren in Barcelona statt und damit zu einem Zeitpunkt als CBT noch kein großes Thema war. Die Autorin verbrachte einige Monate in Barcelona und als sich die Schuhsohle eines Schuhs löste, musste sie sich nach einem Schuster umsehen. Im Stadtteil Gràcia fand sie eine kleine Schusterwerkstatt, die heute als sehr authentisch beschrieben werden würde. Es war nicht das erste Geschäft und auch nicht die erste Begegnung mit einem Einheimischen. Dennoch unterschied sich der Besuch beim Schuster deutlich von den zuvor gemachten Begegnungen, da der Schuster nach eigener Aussage noch nie mit einer Deutschen oder <?page no="16"?> anderen Tourist: innen zu tun hatte, da diese nur Dinge ansehen, die für Reisende interessant sind. Ein Schuster gehörte seiner Meinung nach nicht dazu. Nach dieser Aussage rief er seine Enkelinnen, die im Hinterzimmer spielten, damit sie die Frau aus dem Ausland sehen konnten. Rachel - Die Öffnung des Privaten Rachel Qangiso wurde vor etwa 80 Jahren geboren. Seit einigen Jahren hat sie ihr Haus für Homestays geöffnet. In einem Gespräch beschrieb sie ihre Geschichte und die Zufälle, die dazu geführt haben, dass sie seit einigen Jahren Mahlzeiten und Übernachtungen anbietet. Ursprünglich hatte sie als Köchin für ein Ehepaar aus der Schweiz gearbeitet. Ihre Kochkünste sprachen sich herum und ein Nachbar schlug vor, in ihrem Haus Essen anzubieten. Diese Idee weitete sich dazu aus, dass sie freie Räume für Übernachtungen anbot. Der Schritt, die Türen ihres Hauses für Weiße zu öffnen, war ein tief emotionales Erlebnis, da zu Zeiten der Apartheid Weiße ohne Erlaubnis Wohnungen und Häuser betreten hatten und viel Leid angerichtet hatten. Mit den Jahren hat Rachel sich jedoch daran gewöhnt und viele der Gäste haben weiterhin Kontakt mit ihr. Die Einnahmen nutzt sie für die Familie und für sich sowie für Menschen in ihrem Umfeld, die Hilfe benötigen. Die Vermittlung erfolgt über persön‐ liche Empfehlungen. Ein Bekannter hat angeboten, sie beim Online-Marke‐ ting zu unterstützen. Rachel bevorzugt aber die persönliche Vermittlung. Die Frage nach Konflikten beschrieb Rachel zurückhaltend, wenn sie sagte, dass auch ihre Nachbarinnen inzwischen Mahlzeiten und Übernach‐ tungen anbieten und man sich seitdem nicht mehr so häufig privat trifft. Juma - Mit Street Art und Fahrrädern zum Frieden finden Juma Mkwela - geboren in Malawi und aufgewachsen in Simbabwe - beschreibt sich als Künstler mit einem großen Herzen und einer Leidenschaft für seine verschiedenen Communities. Nachdem er vor politischen, sozialen und wirtschaftlichen Unruhen geflohen war, zog Juma in der Hoffnung auf eine bessere Zukunft nach Südafrika. Dort wurde er Opfer der fremdenfeind‐ lichen Angriffe. Beim Nachdenken über seine Erfahrungen, erkannte Juma nach eigenen Aussagen, dass viele fremdenfeindliche Handlungen auf einen Mangel an Bildung und Verständnis für andere Kulturen zurückzuführen sind. Es entstand die Idee, Führungs- und Entwicklungsprogramme zu ver‐ 16 2 Was mache ich hier? Einige Geschichten <?page no="17"?> binden. Im Jahr 2009 lernte Juma den berühmten südafrikanischen Straßen‐ künstler Freddy Sam kennen. Die Inspiration, die sich aus der Begegnung mit Freddy ergab, sowie das wachsende öffentliche Interesse an Straßenkunst führten zur Gründung von Juma Art Tours. Die Fußball-Weltmeisterschaft brachte eine wesentliche Veränderung in sein Leben. Adidas als einer der Hauptsponsoren investierte in künstlerische Projekte in Woodstock, Kapstadt. Inzwischen bietet Juma unterschiedliche Aktivitäten und Touren in Khayelitsha an. Dazu gehören ein Gartenprojekt, ein Fahrradverleih, ein Café als Treffpunkt und auf Wunsch auch Kochkurse. Die in der Community stattfindenden Aktivitäten haben nach Jumas Aussagen eine positive Wirkung auf das Umfeld, weil sie zeigen, dass etwas verändert werden kann. Die künstlerische Gestaltung führt zu einer Aufwer‐ tung des Stadtteils Woodstock und soll nun auch in Khayelitsha fortgesetzt werden. Das Fahrradprojekt hat Juma mit kostenlosen Fahrradkursen für Frauen verbunden, damit diese mobiler werden können. Im Fahrradgeschäft sind junge Menschen beschäftigt. Abb. 2: Woodstock Street Art (eigene Aufnahme) 2 Was mache ich hier? Einige Geschichten 17 <?page no="18"?> Abb. 3: Khaltsha Cycles (eigene Aufnahme) 18 2 Was mache ich hier? Einige Geschichten <?page no="19"?> 4 Grundlage für diesen Abschnitt war die Zusammenarbeit mit der Grootbos Foundation in den Jahren 2015 bis 2020 (Heuwinkel et al., 2020). Grootbos - Mit Fußball den Fynbos retten 4 Grootbos Private Nature Reserve (Grootbos) in Gansbaai, Südafrika ist heute eines von weltweit zehn Global Ecosphere Retreats (GER) und gilt als Vorzeigeprojekt für nachhaltigen Tourismus, der sowohl Naturschutz als auch Gesellschaft und lokale Ökonomie berücksichtigt. Weder dieser Status noch die Spezialisierung auf Tourismus waren intendiert. Beim Kauf des Grundstücks und in den ersten Jahren des Betriebs wurden einfache Unterkunftsmöglichkeiten, um Bekannte zu beherbergen und Einnahmen zu generieren. Im Vordergrund stand die Erschließung der Tier- und vor allem der Pflanzenwelt, von denen viele nur in dieser Region wachsen können. (Endemiten) 1995 fiel die Entscheidung, das Modell der Beherbergung zu verändern und Luxus-Unterkünfte im Fünf-Sterne Bereich anzubieten. 2003 wurde die Grootbos Foundation als Stiftung gegründet, die seitdem die Umwelt- und Sozialprojekte durchführt. Was mit dem Schutz der Fynbos begann, hat zu zahlreichen Projekten und Tochtergesellschaften geführt, z. B. der Football Foundation 2008. Das Green Futures Horticulture and Life Skills College wurde gegründet und bot das erste Programm in Südafrika an, das darauf abzielte, arbeitslose Ju‐ gendliche vor Ort auszubilden. Die Ausbildung kombiniert Grundwissen im Gartenbau heimischer Pflanzen und grundlegende Kompetenzen (life skills) wie Computerkenntnisse und den Erwerb einer learner licence (Vorstufe des Führerscheins). Community - als drittes Element der Vier-C-Strategie mit Conversation, Culture, Community und Commerce - adressiert die Tatsache, dass die Mehrheit aller Projekte durch Bedürfnisse der Communities angestoßen wird. Zu den Projekten gehören die Ausbildung von Fachkräften in den Be‐ reichen Gartenbau, Hauswirtschaft und Service. Die Masakhane Community Farm bietet landwirtschaftliche Ausbildung und Raum für die lokale Ge‐ meinschaft, um ihre eigenen Lebensmittel anzubauen, die sie zur Ergänzung ihrer Ernährung oder zum Verkauf verwenden können. Ein wesentlicher Aspekt ist die Stärkung von Frauen (female empowerment), da diese häufig alleinstehend und für die Kinder verantwortlich sind. Ausreichende und gute Ernährung sind drängende Probleme. Die Grootbos Foundation bietet 2 Was mache ich hier? Einige Geschichten 19 <?page no="20"?> auch außerschulische Sportaktivitäten und Umweltbildungsprogramme so‐ wie ein High-School-Programm mit 20 lokalen Grundschulen und sechs lokalen Schulen an (Stand 2021). „Our Vision: The Conservation of the Cape Floral Kingdom and the upliftment of the communities therein.“ (Grootbos Foundation, 2023) Grundlage für die Ermittlung der Bedürfnisse der Communities sind regel‐ mäßige Befragungen sowie Gespräche mit Entscheider: innen innerhalb der Community. Eine Herausforderung sind komplexe Machstrukturen inner‐ halb der Communities, die fehlende Integration mancher Personengruppen sowie Konkurrenz zwischen den drei Communities. Uthando (Love) South Africa - Netzwerke aufbauen Uthando Social Development Projects, South Africa, kurz Uthando (Love) definiert sich als Dachorganisation, die existierende Community-Develop‐ ment-Projekte unterstützt, indem sie auf diese aufmerksam macht, Spenden generiert und mit dem Tourismus verknüpft. Zunehmend werden eigene Projekte, u. a. der Bau einer Schule, initiiert und realisiert. Aufmerksamkeit erreicht Uthando (Love) einerseits durch Marketing- und Kommunikations‐ maßnahmen. Neben der Website nutzt Uthando Newsletter, die Teilnahme an Konferenzen, die persönliche Ansprache von Einzelpersonen und Unter‐ nehmen sowie die Durchführung von Events, um auf sich und aktuelle Projekte aufmerksam zu machen. Die zweite Herangehensweise besteht im Angebot von Touren, die als respectful, life-changing Philanthropic Educati‐ onal Excursions beschrieben werden. Bausteine der Exkursionen sind von Uthando geförderte Projekte. Um als Projekt infrage zu kommen, müssen einige Anforderungen erfüllt sein, u. a. muss das Projekt Community-based, als Non-Profit-Organisation offiziell registriert sein und einen jährlichen Bericht über Aktivitäten und Finanzen vorlegen. Ebenfalls muss der Nutzen für die Community nachgewiesen werden. Beispiele für Projekte sind Com‐ munity-Gärten, kulturelle Projekte (Gesang, Tanz, Malerei), Kindergärten und Schulen. „Uthando seeks to connect tourism, a catalyst, to community development projects that uplift those in need.“ (Uthando, 2023, o. S.) Die zentralen Personen bei Uthando sind James Fernie (Founding Director) und Xolani Maseko (Philantrophic Guide). Die Exkursionen sind preislich 20 2 Was mache ich hier? Einige Geschichten <?page no="21"?> im oberen Segment angesiedelt und viele Teilnehmer: innen übernachten in Vier- oder Fünf-Sterne-Hotels und sehen die Exkursion als sinnvolle Ergänzung zum Aufenthalt. BAP SA - Mit Touren und Malkursen Kunsttherapie finanzieren Während Uthando (Love) und die Grootbos Foundation beide seit mehreren Jahren fest mit dem Tourismus verbunden sind und die Geschäftstätigkeiten entsprechend gestaltet haben, hat das Butterfly Art Project in Vrygrong, Kapstadt, erst im Frühjahr 2023 mit einer intensiven Auseinandersetzung mit touristischen Aktivitäten begonnen. Das BAP besteht seit mehr als zehn Jahren (2011) und bietet in einem Gebäude direkt neben der Primary School (ähnlich einer Grundschule, aber oft die einzige Schulbildung) sowohl kunst‐ therapeutische Kurse als auch grundlegende Programme für Kinder an, die aus unterschiedlichen sozialen Gründen keine Schule besuchen können (Love Bugs). Ein zentraler Ansatz des BAP ist neben der therapeutischen Arbeit mit Kindern die Ausbildung von Art Facilitators aus den Communities heraus, um dort Fähigkeiten und Kompetenzen zu entwickeln. Nachdem die Finanzierung (Personal, Material, Ausstattung der Gebäude) über zehn Jahre über Spenden finanziert wurde, führt verändertes Spenden‐ verhalten zu einem Umdenken und der Suche nach anderen Einnahmemög‐ lichkeiten. Es besteht die Überlegung, die sporadischen Nachfragen nach einem Besuch des BAPs und eine Führung durch das Umfeld als separate Leistung über eine Non-Profit-Company anzubieten. Die dort generieten Einnahmen würden nach Abzug der Kosten in das BAP fließen. Unsicherheiten bestehen vor allem im Bereich der Vermarktung und der praktischen Umsetzung. Besondere Vorsicht ist geboten, da die eigentliche Arbeit mit den Kindern nicht gestört werden soll und diese unbedingt geschützt werden müssen. Seitens der Community wurden bereits Erwar‐ tungen formuliert, was im Rahmen der Tour besucht wird, wer partizipieren und profitieren möchte. 2 Was mache ich hier? Einige Geschichten 21 <?page no="22"?> 5 Die Anregung zu diesem Abschnitt stammt von Christian Baumgartner, der seit vielen Jahren u.-a. im Bereich des CBT lehrt, forscht und Projekte umsetzt. CBT Kirgistan - Ein Netzwerk von CBT-Projekten 5 CBT Kirgistan gilt als Vorzeigemodell für räumlich verteilten Commu‐ nity-based Tourism in einem Land, das durch traditionelle semi-nomadische Lebensweisen geprägt ist. Das Vorhaben besteht seit mehr als 20 Jahren und wurde zu Beginn primär über Gelder der Schweizer Entwicklungszu‐ sammenarbeit finanziert. Die Kyrgyz Community Based Tourism Association „Hospitality Kyrgyzs‐ tan“ (KCBTA) fungiert als Dachverband für im Land verteilte Commu‐ nity-Projekte von denen die meisten sowohl Übernachtungen als auch Verpflegung und Wanderungen anbieten. Ziel des Verbandes ist es, die Lebensbedingungen in abgelegenen Bergregionen durch die Entwicklung eines nachhaltigen Ökotourismusmodells zu verbessern, indem die lokalen Natur- und Erholungsressourcen verantwortungsvoll genutzt werden. Die KCBTA mit Sitz in der Hauptstadt Bischkek ist ein Dachverband, der 15 verschiedene Communities (CBT-Gruppen) vereint. Baumgartner und Pöllabauer (2021) formulieren fünf Gründe für den Erfolg von CBT in Kirgistan: ● Gastfreundschaft ● nomadischer Lebensstil als Attraktion ● langsame und partizipative Gestaltung des CBT inklusive Schulungen und Coaching ● Gründung eines Dachverbandes sowie ● eine vergleichsweise stabile politische Lage und der politische Wille zur Förderung des Tourismus. 22 2 Was mache ich hier? Einige Geschichten <?page no="23"?> Abb. 4: CBT-Projekte in Kirgistan (Quelle: Website, 2023) Abb. 4: CBT-Projekte in Kirgistan (Website, 2023) Bayahibe - Hoffen auf den anderen Tourismus Auch wenn in der Dominikanischen Republik zahlreiche Initiation zu einem anderen Tourismus existieren, dominiert weiterhin der Massentourismus, zum Teil mit sehr ambitionierten Plänen in Richtung des Umweltschutzes. Fast alle Tourist: innen sind in Resorts am Strand untergebracht und Aus‐ flüge werden mit großen Reisebussen realisiert. Bayahibe ist ursprünglich ein Fischerort und am frühen Morgen liegen noch einige Holzboote am Strand. Geprägt ist das Bild jedoch von modernen Booten, die im Uferbereich und im flachen Wasser liegen und den Zugang zum Wasser versperren. Die Boote sind alle mit ein bis zwei starken Motoren ausgestattet, damit die Gäste, die gegen 10 Uhr aus den Reisebussen steigen, schnell zur Insel Saona gebracht werden können. Diese ist vom Aussehen her das, was viele Menschen aus der Bacardi Werbung kennen und tatsächlich ist der 2 Was mache ich hier? Einige Geschichten 23 <?page no="24"?> Konsum von Alkohol eine der wenigen möglichen von den Tourist: innen genutzten Aktivitäten auf der Insel. Während die meisten Tourist: innen auf dieser Insel sind, besuchen nur wenige Individualreisen Bayahibe, um dort ein Schnorchel- oder Tauchtour zu beginnen. Kleinere Pensionen bieten Zimmer an und Einheimische versuchen, Souvenirs zu verkaufen. In Interviews beschrieben sie die Versuche, vom Tourismus zu profitieren, der aber fast komplett an ihnen vorbeifließt. Ähnlich sieht es mit dem nahegelegenen Nationalpark Cotubanamá aus, der nur selten besucht wird, obwohl die Höhlen ein großes touristisches Potenzial haben. Um diese in Kombination mit den Ansätzen der Einheimischen zu verbinden, müsste vieles kombiniert, koordiniert und entwickelt werden. Wie das gelingen kann, zeigt ein Zusammenschluss von 14 Provinzen im Norden des Landes (el Cibao) (TCS, 2023). Abb. 5: Wartende Reisebusse (eigene Aufnahme, 2023) 24 2 Was mache ich hier? Einige Geschichten <?page no="25"?> Abb. 6: Wegweiser Bayahibe (eigene Aufnahme, 2023) Thailand Community-based Tourism Institute - Sustainable Leader Potjana Suansri gilt als Pionierin des CBT in Asien, da sie vor mehr als 30 Jahren in diesem Bereich aktiv wurde. Zunächst als Sozialarbeiterin beschäftigt, erkannte sie früh die Möglichkeiten des Tourismus für die Landbevölkerung. In einem Interview mit Sustainable Leaders in Tourism (→ Kasten) beschreibt sie die Entwicklungen und Veränderungen des CBT hinsichtlich der Zielsetzungen, der Anspruchsgruppen und vor allem der Ausgewogenheit von sozialen, ökonomischen und ökologischen Zielsetzun‐ gen. „We considered ‘benefits’ holistically: social, cultural, economic and environ‐ mental. I wondered how tourism in villages could foster mutual respect and cross-cultural learning: a paradigm shift from customer-service provider to the host-guest relationship.“ (Interview: Suansri, 2019) Neben Projekten in Thailand war sie auch in einigen afrikanischen Ländern (z. B. Gambia) in CBT-Projekte eingebunden und stellt fest, dass es trotz 2 Was mache ich hier? Einige Geschichten 25 <?page no="26"?> regionaler Unterschiede einige zentrale Elemente für den Erfolg von CBT gibt. Phasen des CBT (basierend auf Suansri, 2019) 1980-1990 | Initiierung des Responsible Ecological Social Tours Project (REST) in einer Zeit, in der die thailändische Regierung die Arbeit von NGOs weder förderte noch wertschätzte. „We helped community members to design tours which challenged public misperceptions that all local, ‘hilltribe’ communities were engaging in slash and burn agriculture. The tours helped visitors to have a more nuanced understanding of sustainable and unsustainable practices.“ 1994-1997 | Es werden CBT Touren für Thailänder: innen angeboten, damit diese mehr von ihrem Land und der Kultur verstehen. Da keine Reiseveranstalter Interesse an CBT haben, wird REST als Reisveran‐ stalter registriert. 1998-2003 | Erfahrungen und Begegnungen mit Einheimischen (lo‐ cals) werden auch für internationale Reisende interessant und es werden unterschiedliche Quellmärkte und Zielgruppen angesprochen (Familien, Senior: innen, Volunteers und Studierende). Die Tourism Authority of Thailand (TAT) sieht CBT weiterhin maximal als Nischen‐ markt. 2004-2013 | Trends wie responsible tourism und Voluntourism sowie andere Formen, die Lernen und Erfahrungen in den Mittelpunkt stellen erhöhen die Nachfrage nach CBT. Außerdem zeichnen sich Vorteile des CBT gegenüber anderen Formen des Tourismus ab. „Telling their stories to visitors stimulated pride and sense of belonging among local communities, generated extra income and promoted cultural exchange among guests and hosts.“ In Zusammenarbeit mit dem Thailand Research Fund gründete REST das Thailand Community Based Tourism Institute (CBT-I), eine For‐ schungs- und Entwicklungsorganisation, die CBT-Projekt- und Pro‐ duktentwicklung, Vernetzung und Marketing unterstützt. Seit 2014 | Etablierung und Ausweitung von CBT ausgehend von einem holistischen Ansatz der Kultur, Umwelt und Wirtschaft mitein‐ ander verbindet. 26 2 Was mache ich hier? Einige Geschichten <?page no="27"?> „As CBT has become more mainstream, government and NGOs have jumped on the CBT bandwagon with a narrower focus on quantity and economic benefits. As a result, a significant number of new, weak desti‐ nations have been developed without a holistic, balanced understanding of the CBT concept; without learning from past work; without working closely with local communities; and without considering local realities of supply and demand.“ Aufgabe: Recherchieren Sie nach dem aktuellen Status des CBT-I und analysieren Sie, wie mit der steigenden Nachfrage umgegangen wird. Taquile Island, Peru - Alles unter (weiblicher) Kontrolle? Taquile Island weist im Gegensatz zu den zuvor beschriebenen Beispielen als geografische Besonderheit auf, dass es sich um eine Insel im seit 1972 als UNESCO Weltkulturerbe definierten Titicacasee handelt. Damit ist eine eindeutige Abgrenzung einschließlich einer einfach zu kontrollierenden Zugangsbeschränkung möglich. Das auf der Insel seit Generationen ausge‐ übte Kunsthandwerk der textilen Gestaltung wurde 2005 in die Liste des intangiblen kulturellen Welterbes aufgenommen. Taquile Island wurde von der UNWTO als Best Tourism Village (→ Abbildung 7) ausgewählt. In einigen Dokumenten finden sich Aussagen dazu, dass die Kontrolle des Zusammenhalts der Community stark durch Frauen geprägt ist. Abb. 7: Logo Best Tourism Village Abb. 7: Logo Best Tourism Village Abb. 8: Die Stadt ist unser Garten Abb. 8: Die Stadt ist unser Garten 2 Was mache ich hier? Einige Geschichten 27 <?page no="28"?> Community Gärten in Deutschland - Himmelbeet und Neuland e. V. Nach Beispielen aus weit entfernten Ländern führt das letzte Beispiel nach Berlin und Köln, Deutschland. Gemeinschaftsgärten als gemeinschaftlich genutzte Grundstücke zum Anbau von Gemüse und anderen Pflanzen oder auch zum Halten von Bienen und Hühnern werden zunehmend in Städte integriert. Neben ökologischen Gründen sind diese Gemeinschaftsgärten auch Orte der Begegnung, der Integration und des Lernens. Ziel ist es, die Städte wieder zu grünen und lebenswerten Orten zu machen (→ Abbildung 8). Die touristische Nutzung steht noch nicht im Vordergrund, wird aber von einigen Vereinen als Gartentouren angeboten. Die Prinzessinnengärten in Berlin waren als Ort im Lonely-Planet-Reiseführer verzeichnet, als sie noch am Moritzplatz lagen. Fazit Die vorgestellten Beispiele zeigen deutliche Unterschiede hinsichtlich des touristischen Angebots, des Verständnisses von Community und der Einbe‐ ziehung derselben. In den meisten der beschriebenen Fälle sind es entweder Einzelpersonen, die innerhalb einer Community etwas anbieten - die Com‐ munity also für sich nutzen - oder Organisationen, die einzelne Projekte unterstützen. Es entsteht der Eindruck, dass tatsächlich von der Community initiierte und getragene Projekte die Seltenheit sind. Ob das nur an der hier vorgenommenen Auswahl liegt oder noch weitere konzeptionelle Gründe hat, wird in →-Kapitel 4 untersucht werden. 28 2 Was mache ich hier? Einige Geschichten <?page no="29"?> 3 Worum geht es? Grundlagen In diesem Kapitel steht die Klärung einiger zentraler Begriffe und Zusam‐ menhänge im Vordergrund, da sie die Voraussetzung bilden, Communitybased Tourism (CBT) zu verstehen. Ein erster Begriff ist Gemeinschaft sowie der englische Begriff Commu‐ nity. Dabei muss berücksichtigt werden, dass eine wörtliche Übersetzung aufgrund von unterschiedlichen gesellschaftlichen Voraussetzungen nicht einfach möglich ist. Eine Dorfgemeinschaft im ländlichen Raum ist etwas anderes als eine Veedelsgemeinschaft oder ein Kiez in einer Großstadt. Noch auffälliger ist der Unterschied zu familiär oder religiös begründeten Gemeinschaften. Während in der Umgangssprache nicht zwischen Gemeinschaft und Gesellschaft unterschieden wird, ist der Übergang von der Gemeinschaft zur Gesellschaft ein zentrales Element der Soziologie (vgl. Tönnies, 2005). Auch der manchmal verwendete Begriff der Gemeinde ist nicht eindeutig, da dieser im Deutschen zumeist mit einer Kirchen- oder Glaubensgemeinde assoziiert wird. Ähnlich herausfordernd verhält es sich mit dem Begriff Kultur, da dieser in Abhängigkeit vom fachlichen Hintergrund sehr unterschiedlich interpre‐ tiert wird. Allein die Debatte über den Wandel der Kulturbegriffe bietet ausreichend Material für ein eigenständiges Buch (vgl. exemplarisch Yousefi & Braun, 2016). Ein wenig einfacher sieht es aus, wenn über Tourismus gesprochen wird, da die UNWTO (United Nations World Tourism Organization) eine weltweit akzeptierte Definition zur Verfügung stellt. Ob diese den aktuellen Veränderungen der Tourismuswirtschaft standhält, wird in diesem Buch an unterschiedlichen Stellen diskutiert (vgl. exemplarisch →-Kapitel 5). Ausgehend von diesen drei zentralen Begriffen wird auf touristisches Handeln sowie die Folgen des Reisens eingegangen. Letztere sind in Kom‐ bination mit der Forderung nach einem verantwortungsvollen Umgang mit Ressourcen die Grundlage für ein Umdenken im Tourismus hin zu einer fairen Verteilung des Nutzens und der Nachteile, die das Reisen mit sich bringt. Auch wenn der Begriff des Community-based Tourism bereits seit 1960 verwendet wird, ist der grundlegende Diskurs - die Frage worauf Tourismus basiert - aktueller denn je. <?page no="30"?> Lernergebnisse dieses Kapitels ● Sie können die Begriffe Gemeinschaft, Kultur, Tourismus, touris‐ tisches Verhalten und Folgen des Tourismus erläutern. ● Sie sind für die Relevanz von Gemeinschaft und Kultur als zentra‐ les Element des Tourismus sensibilisiert. ● Sie sind in der Lage, mögliche Folgen des Tourismus auf Umwelt, Kultur, Gesellschaft und Wirtschaft zu beschreiben und mit Zahlen zu belegen. ● Sie verstehen, wie sich aus den Folgen des Tourismus für Umwelt, Gesellschaft und Wirtschat die Forderung nach einer alternativen Form des Reisens ableitet ● Sie können die Bedeutung von Verantwortung im Kontext von Menschenrechten im Tourismus qualifiziert diskutieren. 3.1 Gemeinschaft Der Begriff der Gemeinschaft ist ein klassischer soziologischer Begriff und beschreibt eine Einheit, in der Menschen zusammenleben und sich sowohl miteinander als auch mit der Gemeinschaft verbunden fühlen. Sowohl Zugehörigkeit, Zuständigkeiten und Abhängigkeiten als auch Gren‐ zen und Möglichkeiten sind durch diese Einheit gegeben. Beispiele für Gemeinschaften sind Großfamilien und Dorfgemeinschaften sowie Vereine und Nachbarschaften. Traditionen, gemeinsame Geschichte(n) und Werte verbinden die Mitglieder einer Gemeinschaft. Max Weber (1988, 21 f.) hat zwischen der Vergesellschaftung und der Ver‐ gemeinschaftung als heterogene Formen sozialer Beziehungen unterschie‐ den. Vergemeinschaftung beruht Weber zufolge auf „subjektiv gefühlter … Zusammengehörigkeit der Beteiligten“, Gesellschaft auf der Verknüpfung von Interessen. Während Menschen als Individuen Teile einer Gemeinschaft und die Beziehungen moralisch aufgeladen sind, besteht eine Gesellschaft aus Akteur: innen, die Interessen verfolgen und die Option haben, die Gesellschaft zu verlassen. Neben menschlichen Akteur: innen sind ebenfalls Institutionen und Organisationen Elemente von Gesellschaft. Gemeinschaften waren in Europa viele Jahrhunderte das dominierende Modell des Zusammenlebens und wurden durch die Entstehung von Städ‐ 30 3 Worum geht es? Grundlagen <?page no="31"?> ten, größerer Mobilität und veränderten Familienkonstellationen durch Gesellschaften ersetzt. Bei letzteren basieren die Verbindungen zwischen den Menschen nicht auf Abstammung und räumlicher Nähe, sondern auf Austauschbeziehungen, gemeinsamen Interessen und Verträgen (Wey‐ man, 2020). Gesellschaft beschreibt zudem im europäischen Kontext oft Nationalstaaten im Gegensatz zu ethnischen oder Sprachgemeinschaften. Letztere können deutlich von politischen Grenzen abweichen. So existieren in Spanien zahlreiche Sprachgemeinschaften, einige von ihnen haben als Region Autonoma (autonome Region: u. a. Baskenland, Galicien, Katalonien) eine politische Form, andere wie die Sprachengemeinschaft Valencianisch nicht. Im Gegensatz zu diesen Sprachgemeinschaften innerhalb eines Natio‐ nalstaates erstreckt sich die Bantu-Sprachengemeinschaft über eine Vielzahl von Ländern der Subsahara. Die beiden Formen Gemeinschaft und Gesellschaft sollten jedoch weder als Gegensätze noch als Entwicklungsstufen - von der traditionellen Ge‐ meinschaft hin zur (post-)modernen Gesellschaft - verstanden werden. Viel‐ mehr sind es zwei idealtypische Modelle menschlicher Zusammenschlüsse. In der Realität überlappen die Formen und stehen in einer Wechselwirkung und Abhängigkeit. So ist eine Gesellschaft ohne gemeinschaftliche Basis nicht stabil und rein auf Verbundenheit basierte Gemeinschaften ohne Vor‐ teile bei der Durchsetzung eigener Interessen sind ebenfalls nicht vorstellbar. Auch sollte vorsichtig mit Attribuierungen - liberal, frei, modern und kalt (Gesellschaft) im Gegensatz zu traditionell, gebunden, rückständig und warm (Gemeinschaft) - umgegangen werden. Interessant ist in diesem Zusammenhang die von Tönnies vorgenommene Zuordnung von Gemein‐ schaft zu Frauen und von Gesellschaft zu Männern. Damit wird eine gesellschaftlich konstruierte genderbasierte Dichotomie aufgegriffen, die nicht nur typisch für das 19. Jahrhundert war, sondern auch heute noch wirksam ist (vgl. dazu Heuwinkel, 2021a, S. 165 ff.). Zusammenfassend betont der Begriff Gemeinschaft eine emotionale, wertebasierte und dauerhafte Verbindung von Menschen, in die sich Men‐ schen persönlich einbringen, während bei Gesellschaften der Fokus auf der Durchsetzung von Interessen beruht. Welche der beiden Formen „besser“ für einen Menschen ist, kann nicht pauschal bewertet werden. Beziehungen jeder Art unterscheiden sich und es ist abhängig vom Individuum, in welchem Umfeld es sich wohl- und geborgen fühlt. Für die einen ist es das Apartment im Hochhaus, für andere die WG-Wohnung oder das Zimmer bei den Eltern. 3.1 Gemeinschaft 31 <?page no="32"?> Darüber hinaus finden sich zeitliche Schwankungen hinsichtlich der Wertigkeit von Gemeinschaft. Eine Studie aus dem Jahr 2022 stellt eine Rückkehr der Nachbarschaft fest (Stiftung für Zukunftsfragen, 2022). Denkübung | Betrachten Sie die Wohnung, das Haus und die Nach‐ barschaft, in der Sie wohnen. Wie viele Menschen kennen Sie vom Sehen und namentlich? Mit wem sind Sie befreundet und wen würden Sie um Hilfe bitten? Haben Sie den Kontakt frei gewählt oder ist es selbstverständlich, dass Sie die Nachbar: innen kennen? Haben Sie schon einmal woanders gewohnt, wo die Situation deutlich anders war? Wenn ja, welche Situation bevorzugen Sie? Community, Communitas und Kommunitarismus Für den englischen Begriff Community findet sich im Deutschen neben der Gemeinschaft auch die Übersetzung Gemeinde. Dieser Begriff ist jedoch für den Bereich des CBT wenig geeignet, da er tendenziell mit einer religiösen oder Glaubensgemeinschaft verbunden ist. Im Bereich der Politik wird vor diesem Hintergrund zumeist von Kommunen gesprochen. Diese bilden die kleinsten politischen Verwaltungseinheiten in Deutschland. Ein weiterer soziologischer bzw. anthropologischer Begriff, der Zusam‐ menschlüsse zwischen Menschen und damit verbundene Vorgänge be‐ schreibt, ist Communitas. Dieser geht auf Victor Turner (1989) zurück und ist ein Element der Betrachtung von Phasen, die Menschen durchlaufen, wenn sie heranwachsen. Arnold van Gennep (1986) beschrieb, dass Gesell‐ schaften aus verschiedenen Gruppierungen (Alter, Status, Religion, Beruf, Territorium etc.) bestehen und dass die Zugehörigkeiten von Individuen im Laufe des Lebens wechseln. Anlässe für einen Wechsel sind tief eingreifende Einschnitte im Leben, wie beispielsweise Geburt, Pubertät, Heirat, Tod, das Ergreifen eines Berufs oder auch geografische Veränderungen. Jeder Wechsel bedeutet sowohl für das Individuum als auch für die Gesellschaft eine Störung. Übergangsriten dienen dazu, den Wechsel zu stabilisieren und Störungen aufzufangen. Turner griff das von van Gennep beschriebene Konzept der Phasen und Übergangsriten auf und ergänzte es um die Schwellenphase. Er wählte den Begriff der Liminalität und damit verbunden der Communitas. Diese ist eine Anti-Struktur zur ansonsten gültigen Gesellschaftsstruktur (Societas). 32 3 Worum geht es? Grundlagen <?page no="33"?> In der liminalen Phase findet eine wesentliche Veränderung statt. Die Individuen haben sich aus ihrer Position in der Societas gelöst und noch keine neue eingenommen. Sie bilden gemeinsam mit anderen, die ebenfalls ohne Statusmerkmale sind, einen neuen Zusammenschluss. In der liminalen Phase sind die üblichen Normen nicht mehr gültig. Es entsteht eine Struk‐ turlosigkeit, die sich allerdings aus der Societas heraus definiert und somit eine Anti-Struktur in Bezug auf die Struktur der Societas bildet. Die Communitas ist somit ambivalent, da sie einerseits die etablierte Ordnung hinterfragt. Andererseits bietet sie Raum für die Entwicklung neuer Ideen und die kreative Entfaltung der Individuen. Beides kann die Gesellschaft nutzen, um sich zu verändern und zu entwickeln. Wichtig ist, dass das normwidrige Verhalten gegenüber der Societas innerhalb der Communitas eine Normerfüllung bedeutet. Somit ist auch die Communitas kein normfreier Raum. Dieser Aspekt ist dem Bereich der Devianz (→ Box) zuzuordnen. Wissen │ Devianz Devianz oder auch abweichendes Verhalten ist ein essentielles und sowohl theoretisch als auch empirisch behandeltes Forschungsfeld in der Soziologie. Der Begriff Devianz beschreibt von der Norm abwei‐ chendes Verhalten, wobei Devianz und Norm bzw. Konformität beide durch soziale Prozesse bestimmt und bedingt sind. So existieren in allen menschlichen Zusammenschlüssen Verhaltensweisen, die als „normal“ angesehen werden. Variationen von der Norm werden bis zu einem gewissen Grad akzeptiert. Wann eine Variation als deviantes Verhalten bezeichnet wird, ist gesellschaftlich bedingt und abhängig vom Kontext. Zum Weiterlesen: Becker, 2014; Heuwinkel, 2023; Lamnek, 2013; Sack, 2020. Laut Turner (1989) sind in modernen Gesellschaften liminale Phänomene institutionalisiert und Liminalität ist fest in die Struktur eingebaut. Viele Beispiele kommen aus dem künstlerischen Bereich, z. B. Theater, Zirkus und Kabarett sowie die Rolle der Künstler: in und des Clowns oder auch Feste wie der Karneval. Das Konzept der Liminalität kann auf den Tourismus übertragen werden. Der Aufenthalt an einem ungewohnten Ort entspricht einer Umwandlungs‐ 3.1 Gemeinschaft 33 <?page no="34"?> phase mit vom Alltag abweichenden Normen. Die Phase beginnt mit Ritua‐ len der Lösung vom Alltag (z. B. Reisevorbereitungen wie Kofferpacken). Während der Reise sind Menschen von den üblichen Verpflichtungen befreit und es gelten neue Verhaltensregeln. Nach der Rückkehr erfolgt eine von ritualisierten Handlungen begleitete Wiedereingliederung (z. B. Tapas-Abend nach der Rückkehr aus Spanien mit Freund: innen). In der Literatur findet sich im Zusammenhang mit Tourismus der Begriff liminoide - schwellenähnliche - Phase (Turner, 1989). Zu diesen gehören kulturelle Veranstaltungen wie Konzerte, Sportevents, aber auch bestimmte Konsumformen, z.-B. Winterschlussverkauf-Shoppen. Denkübung | Ist Community-based Tourism eine institutionalisierte Form von Liminalität, in der Zugehörigkeit zu Gemeinschaft und das Erleben von Zugehörigkeit gesucht wird? Ein Ansatz könnte sein: Wenn früher auf Reisen die Lösung vom Alltag und Freiheit angestrebt wurden, wird heute vielleicht auf das Erleben von Halt, Struktur, Familie und Freundschaft gehofft. In den 1990er-Jahren wurde als ein weiterer sozial-philosophischer bzw. politischer Begriff, der verschiedene Formen gesellschaftlichen Zusammen‐ halts beschreibt, über Kommunitarismus diskutiert. Ausgehend von der Feststellung, dass insbesondere die US-amerikanische Gesellschaft durch ei‐ nen überzogenen Individualismus an Zusammenhalt verliert und Menschen nicht mehr gemeinsam die Freizeit verbringen (Putnam, 2000), erfolgte eine Debatte über den Zusammenhalt von Gesellschaften. Wenn Community im soziologischen Sinne der Gemeinschaft primär Verbundenheit beschreibt, müssen in Ergänzung zu den beschriebenen klas‐ sischen soziologischen Modellen auch weitere Formen gesellschaftlicher Konstellationen betrachtet werden, die auf einer gefühlten Verbundenheit beruhen, ohne dass familiäre oder nachbarschaftliche Beziehungen gegeben sind. In der Wissenschaft wird gerne von der Scientific Community gesprochen, um einen inhaltlich-fachlichen Verbund zu beschreiben. Neben der inhalt‐ lich-fachlichen Nähe werden ebenfalls geteilte Normen und Werte sowie ein Konsens bezogen auf bestimmte Themen wie beispielsweise Klimawandel oder das Verständnis von Kultur adressiert. 34 3 Worum geht es? Grundlagen <?page no="35"?> Communities of Practice (COP) beschreiben Gruppen innerhalb von Unternehmen und Organisationen oder auch darüber hinausgehend, die Expert: innen zu einem spezifischen Thema aber mit unterschiedlichen Hintergründen zusammenbringen. Beispielsweise können Personen aus den Abteilungen Produktentwicklung, Marketing und Qualitätsmanagement am Thema Kundenbindung arbeiten. Organisationsübergreifend könnten sich Menschen aus der Praxis und aus der Wissenschaft vernetzen. Im Mittel‐ punkt der COPs stehen Lernprozesse, die sich aus der Zusammenführung unterschiedlicher Perspektiven ergeben. „The collaborative learning process of ‘thinking together’, we argue, is what essentially brings Communities of Practice to life and not the other way round.“ (Pyrko, Dörfler & Eden, 2017, S.-390) Der Begriff der Community enthält somit einen starken Bezug zur Stärkung durch Zusammenschlüsse und durch gemeinsam geteilte Werte und Ziele. Das zeigt sich auch in der Verbindung des Begriffs Community mit Dimensionen der Diversität. So wird beispielsweise von der Queeren Com‐ munity gesprochen, um Menschen mit einer nicht-binären Genderidentität zu adressieren und zu betonen, dass sie sowohl eine Lebenswirklichkeit als auch ein Anliegen teilen. Vorteile von Gemeinschaft: Vertrauen und soziales Kapital Die Debatte um die beiden Begriffe Gemeinschaft und Gesellschaft adres‐ siert die klassischen soziologischen Fragestellungen: „Wie ist soziale Ord‐ nung möglich und was hält gesellschaftliche Strukturen zusammen? “ (in Anlehnung an Weber, 1980; Durkheim, 1983; Simmel, 1992). Die Antworten darauf sind vielfältig und hängen maßgeblich vom zugrundeliegenden Menschenbild ab. Eine Theorie, die Menschen als nutzenmaximierende Wesen versteht, wird Zusammenschlüsse ökonomisch erklären, während emotionsgeleitete Wesen als nach Nähe suchend gedeutet werden (vgl. exemplarisch Schimank, 2007). Warum schließen sich Menschen in Gruppen und größeren Gebilden zusammen? Sozialpsychologische Theorien (vgl. zum Einstieg Stürmer, 2009 und Stürmer & Siem, 2022) bieten Erklärungsansätze für die Entstehung von Zusammenschlüssen. So fällt zunächst auf, dass Menschen in allen Gesell‐ 3.1 Gemeinschaft 35 <?page no="36"?> schaften Gruppen bilden und es scheint ein angeborenes Bedürfnis zur Gruppenbildung zu existieren. Ein Grund dafür, dass der Zusammenschluss Individuen und der Gruppe Vorteile bringt, ist, dass sich die Mitglieder einer Gruppe gegenseitig unter‐ stützen, schützen und in den Fähigkeiten ergänzen können. Weiterhin wird der Austausch von Gütern und anderen Ressourcen erleichtert. Somit dient die Zugehörigkeit der individuellen und kollektiven Bedürfnisbefriedigung und bringt einen ökonomischen Nutzen resp. führt die Zugehörigkeit in einer Gruppe dazu, dass Menschen innerhalb dieser Gruppe sich eher unterstützen (vgl. dazu Theorie zum prosozialen Handeln nach Schwartz & Howard, 1982). Die eben beschriebene Bedürfnisbefriedigung ist jedoch nur ein Grund dafür, dass Menschen eine Gruppe im soziologischen Verständnis bilden. Die Sozialpsychologie untersucht Effekte von Gruppenzugehörigkeit wie beispielsweise die Stärkung der sozialen Identität in Verbindung mit Kate‐ gorisierungsprozessen. Durch die Zugehörigkeit zu einer Gruppe, die eigene Annahmen und Vorstellungen teilt und bestätigt, erfolgt eine Bestätigung. Oder es kommt zu einer Anpassung der Einstellungen, um eine Konformität mit der Gruppe zu erreichen. Komplexe Kategorisierungsprozesse führen dazu, dass die Ingroup als positiv und die Outgroup negativer bewertet wird, was zu einer Aufwertung der Ingroup und als Konsequenz dem Selbstbild führt. Problematisch ist in diesem Kontext die Abwertung der Outgroup bis hin zur Rechtfertigung von Gewalt gegen diese. Kollektivgüter (public and common goods) Wenn es um den Zusammenschluss von Menschen und die Vorteile dessel‐ ben geht, muss auch über Besitz und Eigentum gesprochen werden. Es kann grob zwischen privaten und kollektiven Gütern unterschieden werden. Während private Güter einzelnen Personen zugeordnet sind und diese über die Verwendung entscheiden können, zeichnen sich Kollektivgüter durch andere Merkmale aus. Sie werden häufig vom Staat, Städten oder anderen öffentlichen Institutionen angeboten und die Nutzung erfolgt gleichzeitig durch mehrere Personen. Auch können einzelne Personen nicht von der Nutzung ausgeschlossen werden. Typische Beispiele sind die Straßenbeleuchtung und -reinigung oder die nationale Verteidigung. Der grundlegende Gedanke ist, dass niemand von der Nutzung ausgeschlossen 36 3 Worum geht es? Grundlagen <?page no="37"?> werden soll, unabhängig davon, ob ein Beitrag (z. B. Steuern und Abgaben) geleistet wird oder nicht. Im Englischen findet eine weitere Unterscheidung in public goods und common goods statt (Sabzalieva & Quinteiro, 2022). Während public goods sich bei der Nutzung nicht aufbrauchen und somit keine Rivalität der Nutzenden besteht, werden common goods durch die Nutzung reduziert und unter Umständen aufgebraucht. Beispiele für letzteres sind Fische in einem Teich oder auch der frei verfügbare Platz am Strand. Die Regelung der Nutzung und die Einschränkung, um den Bestand zu sichern, erfolgt über Gewohnheiten, Traditionen oder auch Abstimmungsprozesse. Ergänzend kommen global common goods als Begriff hinzu. Diese haben ebenso wie die public goods die Merkmale der Nicht-Ausschließbarkeit und der Nicht-Rivalität. Sie besitzen als weiteres Merkmal einen grenzüber‐ schreitenden Nutzen und damit verbunden ein öffentliches Interesse, was den common goods entspricht. Beispiele sind Menschenrechte, weltweite Umweltschutzmaßnahmen oder die Antarktis. Die Herausforderung besteht bei allen Kollektivgütern in der Finanzie‐ rung, insbesondere dann, wenn Gelder knapp sind. Weiterhin besteht un‐ terschiedliches Interesse an Kollektivgütern. Beispielsweise sind öffentliche Sportanlagen nur für die Menschen von direktem Interesse, die Sport trei‐ ben. Andere nicht Sportinteressierte müssen den Mehrwert wie beispiels‐ weise eine sinnvolle Beschäftigung für Kinder und Jugendliche erkennen, um die entsprechenden Ausgaben zu respektieren (vgl. dazu insbesondere Olson, 2012). Art und Umfang von Kollektivgütern sind eng verbunden mit der Auf‐ fassung davon, was ein Staat zu leisten hat und welche Aufgaben von der öffentlichen Hand organisiert und finanziert werden sollten. Auch wenn der Eindruck entsteht, dass die finanzielle Ausstattung ein zentrales Element ist, darf nicht übersehen werden, dass politische Interessen einen erheblichen Einfluss auf die Verteilung von Geldern haben, beispielsweise hinsichtlich der Wertschätzung von Kultur und Bildung (vgl. dazu exemplarisch IESALC, 2023). In diesem Kontext beschreibt der Begriff meritorische Güter solche Angebote, die von der öffentlichen Hand angeboten werden, weil diese einen Mehrwert darin für die Gesellschaft sieht. Beispiele sind die Bereiche Kultur, Kreativität und Bildung. In Staaten und Regionen, in denen bislang wenige öffentliche Güter angeboten werden, besteht ein direkter Bezug zum Aufbau touristischer 3.1 Gemeinschaft 37 <?page no="38"?> Infrastrukturen, etwa, wenn in einer Destination Straßen gebaut werden, die auch der Öffentlichkeit einen Mehrwert bringen. Kritisch ist die aus‐ schließliche Nutzung von Infrastrukturen durch Tourist: innen. Beispiele sind Krankenhäuser in Nepal für Bergsteiger: innen, nicht frei zugängliche Strandabschnitte in der Dominikanischen Republik oder auch für den alltäglichen Gebrauch überdimensionierte Sportstadien (vgl. zur kritischen Betrachtung von langfristigen Effekten der Olympischen Spiele: Malhado & Arau, 2017). Liquid Modernity Während soziale Identität und Kollektivgüter auf Zusammenhalt und Ab‐ hängigkeiten fokussieren, beschreibt das Konzept der Liquid Modernity oder der fluiden Gesellschaft eine Auflösung gesellschaftlicher Strukturen. Bauman (2003) setzt damit an, dass sich einerseits Dichotomien innerhalb der Gesellschaft auflösen und durch ein Kontinuum ersetzt werden. So ist die klare für den Tourismus zentrale Unterscheidung zwischen Zuhause und In der Ferne oder auch Alltag und Urlaub weniger stark ausgeprägt als in früheren Zeiten. Bauman geht von einer globalen Konsumgesellschaft aus, in der die zentrale Aufgabe von Menschen die des Konsumierens ist. Die Gesellschaft ist nicht mehr stabil, sondern geprägt durch kontinuierliche Transformationen und Entwicklungsprozesse. Bauman benutzt Tourist: in oder Tourismus als Metapher für das Leben in der Liquid Modernity, in welcher Menschen losgelöst von Strukturen agieren. Sie sind nur vorübergehend an einem Ort und das Gesetz des Wiedersehens (Luhmann, 2000) greift nicht mehr. Bauman beschreibt Tou‐ rist: innen resp. Menschen als konsumierende Wesen (consumerism), die neue, unbekannte Erfahrungen suchen. Wenn diese gemacht sind, besteht kein weiteres Interesse an dem Ort und es werden neue Erfahrungen angestrebt. Daraus resultierend besteht keine Notwendigkeit darin, Beziehungen und Regeln für den Umgang miteinander zu etablieren. Eine weitere Kon‐ sequenz des consumerism ist der Übergang von einem langsam entwickelten Verlangen (desire) zu kurzfristig formulierten Wünschen (wish). Dadurch gewinnen Werbung, Marken und andere Symbole an Bedeutung, weil sie kurzfristige Impulse sind, die Handlungen motivieren. Im Tourismus sind es die touristischen Attraktionen, die Aufmerksamkeit erregen und Wünsche kreieren, da sie eine neue Erfahrung versprechen. Allerdings werden auch 38 3 Worum geht es? Grundlagen <?page no="39"?> diese Attraktionen und Erlebnisse abgehakt und sie hinterlassen keine Spuren. Vor diesem Hintergrund ist es verständlich, dass beim Reisen nach intensiven und teils extremen Erlebnissen wie einem Bungee-Sprung, dem Tauchen mit Haien oder dem Besuch einer durch Armut geprägten Gegend, gesucht wird. Bauman betont jedoch, dass trotz der Suche nach Herausforderung und Erfahrung, nach Sicherheit gesucht und Gefahren durch Vertrautheit abgesichert wird. „The right proportion of genuine or pretended ›otherness‹, source of pleasurable experience of novelty, challenge and adventure, and reassuring familiarity, source of the security feeling, that’s the name of the tourist game these days.“ (Bauman, 2003, S.-213). Zusammenfassend zeigt sich, dass der Begriff der Gemeinschaft und damit auch der Community eng verbunden mit einem gefühlten Zusammenhalt, mit individuellem und kollektiven Nutzen und ebenfalls mit Identität ist. Weiterhin verändert sich die Bedeutung von Gemeinschaft ergänzend zu individuellen Vorlieben in Abhängigkeit von gesellschaftlichen Zuständen. Phasen der Nähe wechseln sich mit Phasen der Distanz ab. Aktuell befinden wir uns in einer Zeit der gesuchten Nähe mit einer hohen Wertschätzung von zwischenmenschlichen Verbindungen wie sie in der Gemeinschaft und Familie zu finden sind. 3.2 Kultur Kultur ist seit langem ein zentraler Leitbegriff in den Sozial- und Geistes‐ wissenschaften und findet in den Wirtschaftswissenschaften ebenfalls seit Jahren eine große Aufmerksamkeit, beispielsweise im Kontext von Unter‐ nehmenskulturen oder interkultureller Kommunikation und ihrer Relevanz für Wirtschaftsbeziehungen. Wenig überraschend wird der Begriff Kultur sehr unterschiedlich verwendet und bezogen auf den Tourismus finden sich Beispiele wie Kulturlandschaft, Kulturtourismus, Reisekultur oder Kulturfestival. Bei den genannten Beispielen ist der Bezug zum Tourismus offensichtlich. Ergänzend spielen indigene Kulturen eine wichtige Rolle, wenn es um die Kreation von Erlebnissen geht. 3.2 Kultur 39 <?page no="40"?> Der wissenschaftliche Umgang mit Kultur stellt eine Herausforderung dar, da bereits bei der Klärung des resp. der Kulturbegriffe beginnt. Scherle et al. (2024) verweisen auf eine Vielzahl von Dichotomien im Bereich der Kultur. So wird erstens Kultur der Natur gegenübergestellt. Von Menschen geschaffene Bauwerke werden von natürlichen abgegrenzt. Zu fragen ist hier, ob Menschen kein Teil von Natur sind bzw. was unter Natur verstanden werden muss, um Menschen aus dieser auszuschließen. Zweitens werden vornehmlich positiv bewertete Hochkulturen von negativ besetzter Massen- und Populärkultur abgegrenzt. Diese Gegenüberstellung findet sich sowohl zwischen einzelnen Bereichen - Oper versus Musical - als auch innerhalb der Bereiche - Slow Food versus Fast Food. Ein Blick in einzelne Bereiche macht deutlich, wie sehr die Zuordnung und Wertung von gesellschaft‐ lichen Zuständen abhängig ist. Prominente Beispiele sind der Jazz und Graffiti. So verändert sich die Bewertung der genannten Bereiche nicht nur im Laufe der Zeit, sondern auch in Abhängigkeit von der Gesellschaft. Während Graffiti in vielen Ländern inzwischen als Kunstform akzeptiert und ausstellungstauglich ist, gilt es in Spanien weiterhin als strafbar und gesellschaftlich unerwünscht. Eine dritte Unterscheidung bezieht sich auf das geistig-intellektuelle versus das materiell-technologische Verständnis von Kultur. Während erstes positiv bewertet wird, gilt die zweite Form als eine zweckgerichtete und sinnentleerte Form. Kulturelle Beschreibungen gehen oft einher mit Vorstellungen und Wer‐ tungen des Globalen Nordens. Bourdieu (1987) erklärt mit dem Konzept des kulturellen Kapitals, dass und wie Kultur (in unterschiedlichen For‐ men, vor allem als Bildung, erlernte Verhaltensweisen und Objekte) eine Distinktion ermöglicht. Die verwendeten Begriffe können zur Abgrenzung eingesetzt werden, da sie die Existenz von Unterschieden suggerieren und manifestieren. Der enge Begriff von Kultur ist außerdem mit der Annahme stabiler und einheitlicher Strukturen sowie einer Unveränderlichkeit von Normen, Werten und Rollen als zentralen Elementen von Kultur verbunden. Wertewandel und Rollenspiel belegen das Gegenteil und sie zeigen, dass Kultur nicht losgelöst von menschlichem Handeln betrachtet werden sollte. Zusammenfassend hat der Kulturbegriff im engen Verständnis lange Zeit als Möglichkeit zur Abgrenzung (Distinktion) und damit verbunden einer Ausgrenzung gedient. Ein wichtiges Element im Zusammenhang mit einer Öffnung des Kultur‐ begriffs ist der cultural turn. Dieser beschreibt einen Paradigmenwechsel innerhalb verschiedener Wissenschaften mit der Konsequenz, dass nicht 40 3 Worum geht es? Grundlagen <?page no="41"?> mehr nur von einem engen, starren Kulturbegriff, sondern von Kulturbe‐ griffen gesprochen wird (Lackner & Werner, 1998). Im Vordergrund stehen Lebensäußerungen von Menschen in unterschiedlichen Kontexten - sowohl das Suchen von Ostereiern im Garten als auch der Besuch der Aufführung von Mozarts Requiem in Wien oder ein Technofestival in Berlin gehören dazu. Kultur wird durch menschliches Handeln bestätigt und geschaffen, wobei bereits existierende kulturelle Praktiken als Orientierung dienen. „Demzufolge wird Kultur als der von Menschen erzeugte Gesamtkomplex von Vorstellungen, Denkformen, Empfindungsweisen, Werten und Bedeutungen auf‐ gefasst, der sich in Symbolsystemen materialisiert. Einer solchen Begriffsbestim‐ mung zufolge sind nicht nur materiale (z. B. künstlerische) Ausdrucksformen zum Bereich der Kultur zu zählen, sondern auch die sozialen Institutionen und mentalen Dispositionen, die die Hervorbringung solcher Artefakte überhaupt erst ermöglichen.“ (Nünnig, 2009, o. S.) Seit den 1990er-Jahren hat sich ein Kulturbegriff durchgesetzt, der um‐ fassender und inklusiver ist bzw. wird von mehreren Kulturbegriffen in Abhängig von Disziplin und Kontext ausgegangen (→ Zitat). Im Mittel‐ punkt steht ein umfassendes Verständnis für menschliches Verhalten und Lebensäußerungen im Alltag, in der Freizeit und auf Reisen. Kultur ist als Prozess zu konzeptualisieren, der von menschlichen Handlungen abhängt und durch sie Bedeutung erlangt (Sarma, 2012). Diese sind nie als etwas absolutes, sondern als dynamisches Element zu sehen, das idealerweise nicht bewertet werden sollte. „Die Kultur kann in ihrem weitesten Sinne als die Gesamtheit der einzigartigen geistigen, materiellen, intellektuellen und emotionalen Aspekte angesehen wer‐ den, die eine Gesellschaft oder eine soziale Gruppe kennzeichnen. Dies schliesst nicht nur Kunst und Literatur ein, sondern auch Lebensformen, die Grundrechte des Menschen, Wertsysteme, Traditionen und Glaubensrichtungen.“ (Deutsche UNESCO-Kommission, 1983, S.-121) „Culture is the fabric of meaning in terms of which human beings interpret their experience and guide their action; social structure is the form that action takes, the actually existing network of social relations. Culture and social structure are then but different abstractions from the same phenomena.“ (Geertz, 1973, S. 145) Die Erweiterung des Kulturbegriffs beeinflusst das Verständnis interkultu‐ reller Begegnungen (zwischen Ländern) um transkulturelle Begegnungen 3.2 Kultur 41 <?page no="42"?> (innerhalb von Ländern). Wie schon Simmel (1992) beschrieb, findet eine Begegnung mit dem Unbekannten statt, wobei das Fremde immer subjektiv und in Abhängigkeit von Aspekten wie Gruppenzugehörigkeit und Stärke der eigenen Identität konstruiert wird. Auswirkungen von Begegnungen zwischen Kulturen werden in unter‐ schiedlichen Modellen (Thiem, 1994), u. a. unter dem Begriff der Akkultu‐ ration (→ Box: Akkulturation) beschrieben. Wissen │ Akkulturation Akkulturation beschreibt die Übernahme und Aneignung kultureller Elemente aus einer anderen Kultur durch persönliche Begegnungen. Steigende räumliche Mobilität, z. B. durch Migration und Tourismus erhöht die Kontakte. Neben Normen, Werten und Deutungsmustern werden ebenfalls Verhaltensweisen übernommen und die eigenen wer‐ den abgeändert. Akkulturation hat mehrere Ausprägungen. Im unter‐ schiedlichen Maße werden kulturelle Praktiken beibehalten, variiert oder auch neue Formen übernommen (Berry, 2017). Kultur und Wirtschaft Kultur hat neben der sozialen Dimensionen, die sich in Distinktion und Be‐ gegnung zeigen, ebenfalls eine hohe ökonomische Relevanz, da Einnahmen generiert werden. Neben den direkt generierten Einnahmen hat der Kultur‐ bereich wichtige Effekte bezogen auf Beschäftigung. Darüber hinaus liegt der Anteil beschäftigter Frauen im Kulturbereich in vielen europäischen Ländern (21 von 28 Ländern) höher als in anderen Branchen (Gallelli, 2022). Kultur als meritorisches Gut wird in vielen Ländern von der öffentlichen Hand (in Deutschland durch Kommunen, Landes- und Bundesgelder) ge‐ fördert. Ähnlich wie die Bereiche Bildung und Gesundheit basiert diese Förderung auf der Annahme, dass die genannten Bereiche einen Mehrwert für alle bieten. Untersuchungen (Tian et al., 2018) zeigen darüber hinaus Zusammenhänge zwischen einem kreativen Umfeld und der Fähigkeit eines Landes zur Innovation. Mit dem wachsenden Verständnis für die Rolle, die Kultur und Kreativität für die wirtschaftliche Entwicklung spielen können, verändert sich jedoch die Sichtweise auf die Finanzierung des Kultur- und Kreativsektors. Es wird stärker auf den wirtschaftlichen Ertrag 42 3 Worum geht es? Grundlagen <?page no="43"?> der staatlichen Ausgaben geachtet. Auch wird die Bedeutung privater Investoren wichtiger. Infolgedessen hat sich ein komplexeres System der finanziellen Unterstützung für die Kultur- und Kreativwirtschaft entwickelt, das öffentliche, private und philanthropische Finanzierungen und Investi‐ tionen umfasst. Kulturtourismus Die zuvor skizzierten Debatten um den Kulturbegriff beeinflussen das Verständnis von Kulturtourismus und damit ebenfalls von Community-based Tourism. Dieser findet sich häufig im Kulturtourismus eingeordnet, da zentrale Elemente a) das Erleben von Kultur(en) - zumeist mit einem ungeklärten Kulturbegriff - sowie b) interkulturelle Begegnung sind. So erweist sich auch der Kulturtourismus als ein ausgesprochen mehrdeutiges Phänomen. Dieses zeigt sich bereits bei einer Betrachtung verschiedener Definitionen von Kulturtourismus. Die aus dem Jahr 1976 stammende Formulierung des International Council on Monuments and Sites (ICOMOS) (1976) adressiert die Erkundung von Monumenten und Sehenswürdigkeiten und darauf aufbauend deren Pflege und Erhalt. Dieses wird vor allem durch den sozioökonomischen Nutzen legitimiert. Hier wird die beschriebene Sicht auf Kultur als ein materielles Substrat schützenswerter Relikte offensicht‐ lich. Auch die oft zitierte Definition von Richards (1996) stellt kulturelle Attraktionen in den Mittelpunkt von Kulturtourismus. Als wichtige Ergän‐ zung betont Richards jedoch, dass Reisende nicht nur Attraktionen sehen wollen, sondern zusätzlich Informationen und Erlebnisse außerhalb des gewohnten Umfeldes suchen. Vor diesem Hintergrund betont er die Erkun‐ dung des Neuen und Unbekannten. Treibende Kräfte sind insbesondere die kulturellen Bedürfnisse (cultural needs) der Kulturreisenden, die sich von den Bedürfnissen anderer Tourist: innen unterscheiden. Demnach muss im Kulturtourismus den individuellen Interessen oder auch Motiven von Menschen in besonderem Maße Rechnung getragen und das Spektrum kul‐ turtouristischer Objekte deutlich erweitert werden. Nicht die - vermeintlich - objektive Attraktion, sondern vielmehr das individuelle Erlebnis und Erleben bis hin zur meaningful experience (Du Cros & McKercher, 2020, S. 4) entscheiden über die kulturtouristische Relevanz. „Cultural tourism is a type of tourism activity in which the visitor’s essential motivation is to learn, discover, experience and consume the tangible and 3.2 Kultur 43 <?page no="44"?> intangible cultural attractions/ products in a tourism destination.“ (UNWTO, 2020, o. S.) Ein zentraler Aspekt ist in diesem Zusammenhang Authentizität, sprich die Einschätzung, dass es sich um ein echtes Erlebnis handelt. Eine weitere Entwicklung, die genauer betrachtet werden sollte, ist eine vor allem seit den 1990er-Jahren forcierte Konsumorientierung des Kulturtourismus. Diese zeigt sich unter anderem in Begriffen wie cultural consumption, cultural goods und cultural industries, die sich nicht nur parallel, sondern symbiotisch mit dem (Massen)tourismus entwickelten (Richards, 1996, S.-18ff.). Der Begriff creative tourism (Richards, 2019) fügt einen weiteren wich‐ tigen Aspekt zur Erschließung des konzeptionellen Selbstverständnisses von Kulturtourismus hinzu. Demnach subsumiert creative tourism auch die kulturelle Betätigung von Reisenden im Idealfall gemeinsam mit den local communities. Diese Verbindung soll sowohl die touristische Erfahrung als auch die Lebensqualität vor Ort erhöhen, indem Angebote unter besonderer Berücksichtigung lokaler Besonderheiten entwickelt werden. Dabei werden vor allem zwei Aspekte ersichtlich: einerseits eine starke Erlebnisorientie‐ rung, andererseits eine zunehmende Fokussierung auf Humankapital und wissensbasierte Branchen, wobei Letzteres in einem direkten Zusammen‐ hang mit der sogenannten creative class steht (Florida, 2014). Die Einbezie‐ hung der local communities - im Sinne von Partizipation resp. empowerment - verweist wiederum direkt auf den Community-based Tourism. Wissen │ Experience Experience (Erfahrung oder auch Erlebnis) spielt seit den 1980er-Jahren sowohl in der Konsumierendenforschung als auch in der Tourismuswis‐ senschaft eine wichtige Rolle. Pearce & Zare (2017, S. 62) definieren experience als „a social episode tracking its flow over space and over time“. Mit dem Orchestermodell macht Pearce (2011) deutlich, dass sen‐ sorische, affektive, kognitive, Verhaltens- und Beziehungskomponenten adressiert werden müssen, um eine umfassende Erfahrung zu ermögli‐ chen. Dieses Modell beruht auf psychologischen und soziologischen Annahmen zum Wesen von Menschen. MacCannell wies bereits 1973 auf die enge Verknüpfung hin. „I have claimed that the structure of this social space is intimately linked to touristic attitudes, and I want 44 3 Worum geht es? Grundlagen <?page no="45"?> to pursue this: the touristic way of getting in with the natives is to enter into a quest for authentic experiences, perceptions, and insights.“ (MacCannell, 1973, S.-602). Aus wirtschaftswissenschaftlicher Sicht ist ein Blick auf die durch den Kulturtourismus generierten Umsätze relevant. Der Wert des weltweiten Kulturtourismus wird auf mehr als eine Billion US-Dollar geschätzt, und die UNWTO geht davon aus, dass 40 Prozent der internationalen Touristen‐ ankünfte auf Auslandsreisen entfallen, die im Rahmen ihres Aufenthalts an einem Kulturbesuch oder einer kulturellen Aktivität teilnehmen (World Tourism Organization, 2018). Deutlich geringer ist der Anteil, wenn eine kulturelle Aktivität als primäre Motivation vorausgesetzt wird. In diesem Fall finden sich Zahlen zwischen fünf und zehn Prozent (Steinecke, 2007). Der Kulturtourismus überschneidet sich mit vielen anderen touristischen Nischen (CBI, 2021). Beispiele sind Kulinarik- und Sporttourismus. Das Profil der klassischen Kulturtourist: innen zeichnet sich durch fol‐ gende Aspekte aus: hohes Bildungs- und Kulturniveau, Interesse an lokalen Aspekten, Sorge um die Umwelt, Wertschätzung kultureller Unterschiede, große Reiseerfahrung, Wertschätzung von Qualität und Komfort, Interesse an Begegnungen mit der lokalen Bevölkerung und deren Kenntnis. Sie sind also in der Lage und bereit, für kulturelle Begegnungen und Erlebnisse zu zahlen, aber sie sind sehr anspruchsvoll. Mit einer Ausweitung des Kultur‐ begriffes verändern sich die Zielgruppen hin zu Menschen, die Interesse an Begegnungen und weniger an Besichtigungen von Objekten haben. Daraus resultierend ergeben sich neue Anforderungen an die Gestaltung kulturtouristischer Angebote. Es gilt, Geschichten zu erzählen und Bezüge herzustellen. 3.3 Tourismus Tourismus ist ein vielschichtiges Phänomen, das sowohl einen Wirtschafts‐ zweig als auch individuelles Handeln umfasst. Daraus resultierend finden sich zahlreiche Definitionen und Auflistungen von Elementen des Touris‐ mus. Auch wenn die Definition der World Tourism Organization (UNWTO) (2008) in der Tourismuswirtschaft und -wissenschaft eine breite Zustim‐ mung findet, ist es doch hilfreich, auf andere Definitionen und Verständnisse 3.3 Tourismus 45 <?page no="46"?> zu blicken. So umfasst Tourismus nicht nur zahlreiche Leistungserbringende aus dem privaten und öffentlichen Bereich, sondern auch Akteur: innen der Zivilgesellschaft und Menschen in ihrem privaten Umfeld. Diese Heteroge‐ nität wird in der Definition touristischer Produkte deutlich. Definition | Tourism Product „A tourism product is a combination of tangible and intangible elements, such as natural, cultural and man-made resources, attractions, facili‐ ties, services and activities around a specific center of interest which represents the core of the destination marketing mix and creates an overall visitor experience including emotional aspects for the potential customers. A tourism product is priced and sold through distribution channels and it has a life-cycle.“ (World Tourism Organization, 2018, S.-18) Obwohl die UNWTO Definition eine gute Arbeitsgrundlage für statistische Zwecke ist, bietet sie keine Erklärung für das Warum des Reisens. Die vermeintlichen Motive des Reisens sind streng genommen eher Zwecke oder Reiseformen. Was aber genau a) dahintersteckt und b) was da eigentlich vor sich geht, wenn Reisende und Dienstleistende sowie Einheimische sich begegnen, ist nicht geklärt. Die Tourismussoziologie bietet eine Vielzahl von Ansätzen, die diese Fragen beantworten können (Heuwinkel, 2023). Demnach kann Tourismus unterschiedlich interpretiert werden. Cohen (1984) hat verschiedene Konzepte des Tourismus zusammengestellt und die wesentlichen Aussagen zu acht Ansätzen zusammengefasst. 1. Tourismus als kommerzialisierte Gastfreundschaft: Demnach entwickelt sich Tourismus durch die Standardisierung und Kommerzialisierung von Gastfreundschaft. Die traditionelle Gast-Gast‐ geber: in Beziehung umfasst temporäre Rollen und damit einen definier‐ ten Status für den Gast während des Aufenthalts. Die Kommerzialisie‐ rung führt zu einer Veränderung der Beziehung und der Rollen. 2. Tourismus als demokratisiertes Reisen: Die demokratisierte Expansion des ehemals der Aristokratie vorbehal‐ ten Reisens fokussiert auf die Veränderungen des Reisens an sich und auf die daraus resultierenden Veränderungen der Bedeutung der Reisenden. 46 3 Worum geht es? Grundlagen <?page no="47"?> 3. Tourismus als moderne Freizeitbeschäftigung: Tourismus wird bei dieser Betrachtung als eine von vielen Freizeitbe‐ schäftigungen angesehen. Freizeit ist demnach eine Zeit ohne Verpflich‐ tungen, die dazu dient, dass Menschen sich entspannen. Demnach hat Tourismus keine tiefere kulturelle Bedeutung, sondern ist nur eine Option von vielen. Diese funktionale Betrachtung entspricht makroso‐ ziologischen Ansätzen. 4. Tourismus als moderne Form des traditionellen Pilgerns: Bei diesem Konzept wird eine strukturelle Parallele zum Pilgern gesehen. Tourist: innen befinden sich auf einer heiligen Reise und suchen nach Sinn resp. Erlösung. Demzufolge hat Tourismus eine tieferliegende strukturelle Bedeutung, die aufgedeckt werden kann. 5. Tourismus als Ausdruck grundlegender kultureller Motive: Tourismus hat eine tiefere kulturelle, symbolische Bedeutung. Der Sinn des Reisens kann nicht von außen, sondern nur von innen erforscht werden. Die Sicht der Beteiligten muss eingenommen und ihr Verhalten dementsprechend gedeutet werden. Aus methodischer Sicht ist ein komparativer Ansatz zu wählen, damit kulturspezifische Varianten des Tourismus erkannt werden können. 6. Tourismus als Akkulturation: Bei diesem Konzept liegt der Schwerpunkt bei der Betrachtung der Folgen, die sich aus der Interaktion zwischen Tourist: innen und Ein‐ heimischen für die Einheimischen ergeben. Gerade in abgelegenen Gegenden sind Tourist: innen häufig Vertreter: innen fremder Kulturen und ihre Präsenz hat Auswirkungen auf die heimische Kultur. 7. Tourismus als ethnische Beziehung: Vertreter: innen dieses Ansatzes sehen Tourismus als Element ethnischer Beziehungen. Ethnische Identitäten können vor diesem Hintergrund analysiert werden. 8. Tourismus als Neokolonialismus: Eine Darstellung des Tourismus als Neokolonialismus fokussiert auf die Ausbildung und Verstärkung von Abhängigkeiten zwischen entwickel‐ ten und weniger entwickelten, zwischen Metropolen und peripheren Gegenden. Demnach werden durch Tourismus die alten imperialisti‐ schen Strukturen und Verhältnisse weitergeführt. Tourist: innen wählen je nach ihrem Reisezweck unterschiedliche Formen des Reisens. Manche reisen für ein Wochenende in eine Stadt in der 3.3 Tourismus 47 <?page no="48"?> Nähe, um Freund: innen und Bekannte zu besuchen, während andere auf andere Kontinente reisen und dort einige Wochen bleiben. Die Gründe, warum Menschen reisen, sind sehr vielschichtig und vereinen Aspekte wie Entspannung, Abenteuer, Flucht aus dem Alltag oder Spaß mit der Familie. Manche Menschen sind an Kultur interessiert, während andere gerne den ganzen Tag am Strand verbringen. Die beschriebene Vielschichtigkeit erfordert eine intensive Auseinander‐ setzung mit Tourist: innen und ihrem Handeln. 3.4 Tourist: innen und touristisches Handeln Tourist: innen stehen regelmäßig in der Kritik und es gibt viele Menschen, die nicht als solche bezeichnet werden möchten. Dennoch erreichten schon im Sommer nach den umfassenden Reisebeschränkungen sowohl Ankünfte und Übernachtungen als auch Tourismusausgaben die Werte aus den Jahren vor der Pandemie. Demnach reisen Menschen wie gewohnt und der Anteil derer, die das Reiseverhalten einschränken bzw. durch die Wahl von Mobili‐ tät und Unterkunft anpassen, ist noch begrenzt. Individuelle Aufwendungen und Kosten in Kombination mit fehlendem Wissen und nicht ausreichenden Angeboten stehen einer Verhaltensänderung im Weg. Wissen │ Tourismuskritik Kritik am Tourismus und insbesondere an Tourist: innen ist fast so alt wie das Reisen selbst. So hält sich die Unterscheidung in traveler und tourist oder Reisende und Tourist: innen hartnäckig. Das gilt sowohl für wissenschaftliche Arbeiten und journalistische Darstellungen als auch für Alltagsvorstellungen von Menschen. Problematisch ist diese Heran‐ gehensweise deswegen, weil die Begriffe eng mit Wertungen wie „gut“ und „schlecht“ oder „oberflächlich“ und „anspruchsvoll“ verbunden sind. Letzteres wirkt nicht nur auf die Einschätzung und Wertschätzung des Tourismus, sondern auch auf die damit verbundene Forschung. Wegen der hohen gesellschaftlichen Bedeutung, die Tourismus hat, wäre die Etablierung einer kritischen, differenzierten und sozialwissen‐ schaftlich basierten Forschung dringend erforderlich. Eine differenzierte Betrachtung und Analyse einzelner Handlungsfelder bietet Kirstges, 2020. 48 3 Worum geht es? Grundlagen <?page no="49"?> Da sich touristisches Handeln auf ein Gegenüber bezieht, kann es als soziales Handeln im soziologischen Sinn verstanden werden. Soziales Handeln ist solches Handeln, „welches seinem von dem oder den Handelnden gemeinten Sinn nach auf das Verhalten anderer bezogen wird und daran in seinem Ablauf orientiert ist“ (Weber, 1980, S. 1). Somit haben gesellschaftliche Zustände und typische Praktiken einen großen Einfluss. Ein Blick in die tourismuswissenschaftliche Literatur (vgl. Holloway & Humphreys, 2020) zeigt bezogen auf Elemente des touristischen Handelns die folgenden Begriffe, die immer wieder genannt werden: ● Bedürfnisse & Wünsche, ● Motivation & Entscheidung, ● Einstellungen & Verhalten, ● Erfahrungen & Erwartungen. Diese Begriffe haben sowohl einen starken (sozial)psychologischen Bezug als auch eine gesellschaftliche und kulturelle Dimension. Auch sind sie von Lebensstil und -situation sowie dem Milieu beeinflusst. Wissen │ Lebensstil und Milieu Der Lebensstil gibt eine bestimmte Richtung für die Ausgestaltung der persönlichen Geschichte und der Identität vor. Er enthält ein Set von Einstellungen und Verhaltensweisen. Laut Giddens (1991) können Menschen verschiedene Lebensstilsektoren (lifestyle sectors) aufbauen und darin ihre Identität gegenüber unterschiedlichen Zuschauer: innen zur Geltung bringen. Der Lebensstil beschreibt kulturelle Vorlieben und erlaubt eine Abgrenzung gegenüber anderen Personen. Ein weiterer Begriff ist Milieu. Ein Milieu fasst eine Menge von Menschen mit ähnlichen Lebensauffassungen, Wertorientierungen und Einstellungen zu Arbeit, Konsum, Familie und Partnerschaft zusammen. Milieu und Lebensstil bedingen einander und werden oft synonym verwendet. Während der Begriff Milieu jedoch auf die Gruppierung und relative stabile Werte fokussiert, setzt Lebensstil beim Individuum und relativ leicht zu verändernden Formen des Äußeren an. Empirische Studien, z.-B. Sinus-Milieus, zeigen eine Vielfalt an Lebens‐ stilen und Milieus. 3.4 Tourist: innen und touristisches Handeln 49 <?page no="50"?> Holloway und Humphreys (2020, S. 58ff.) weisen auf den Unterschied zwischen needs, wants und motivation hin. Er beginnt mit dem Begriff need (Bedürfnis) und die ungenaue alltägliche Verwendung des Begriffs. Need suggeriert eine tatsächliche Notwendigkeit und keinen kurzfristigen Wunsch (wish) oder ein Verlangen (desire), das durch die Konsumgesell‐ schaft kreiert wird. Problematisch ist die Bewertung der Notwendigkeit. Holloway sieht nur eine sehr limitierte Zahl an Reisen als Notwenigkeit, wie beispielsweise eine Reise, um einen körperlichen oder seelischen Einbruch zu vermeiden. Zu diskutieren ist in diesem Kontext die Frage, wer über die Notwendigkeit zu entscheiden hat und wie zwischen Notwendigkeit und Laune unterschieden werden kann. Selbst bei grundlegenden Bedürfnissen wie Nahrung und Schutz ist eine Bewertung nicht trivial, da Hunger auf unterschiedliche Weisen gestillt werden kann und in modernen Konsumge‐ sellschaften Nahrung viel mehr als die Aufnahme von Nährstoffen ist. Nah‐ rung ist sowohl ein Statussymbol als auch ein Element der Gemeinschaft. In modernen Überflussgesellschaften ist oft nicht der Mangel, sondern der Überfluss an (falscher) Nahrung zu einem Problem geworden, das sich zu einem Markt entwickelt hat, der Milliarden umsetzt (Statista, 2023). Das Reisen kann je nach Ausgestaltung verschiedene Bedürfnisse abde‐ cken. Diese reichen von der eingangs genannten erforderlichen körperli‐ chen und geistigen Erholung über den Wunsch nach Zugehörigkeit und Nähe bis zu sozialer Anerkennung und der Umsetzung von Kreativität. Darüber hinaus können wiederkehrende Reisen ein Gefühl von Sicherheit geben. Der Urlaubsort ist bekannt und kontrollierbar, während die Welt immer unüberschaubarer wird. Ähnlich kann der Trend hin zum eigenen Wohnmobil oder etwas davon abweichend das Vanlife erklärt werden. Der Van ist ein eigener sicherer und überschaubarer Kosmos, aus dem heraus die Welt erkundet werden kann. Der Besitz des Vans garantiert Freiheit (Oesterle & Aschauer, 2021). Insbesondere der Wunsch nach Selbstverwirklichung (self-actualisation) wird durch die Tourismusbranche adressiert. Bestandteile dessen sind Mo‐ ral, Bedeutung, einen Sinn im Leben finden oder auch die eigenen Potenziale nutzen. Denkübung | Die gemachten Aussagen beziehen sich alle auf Maslows Bedürfnishierarchie (1987), die ein häufig genutztes Modell für die Strukturierung von Bedürfnissen ist. Maslow arbeitete mehrere Jahr‐ 50 3 Worum geht es? Grundlagen <?page no="51"?> zehnte an diesem Modell und hat 1987 das ursprüngliche Modell mit fünf Ebenen um drei weitere (kognitive, ästhetische und transzendentale Bedürfnisse) ergänzt. Außerdem hat er klargestellt, dass weder alle Bedürfnisse immer vollständig erfüllt sein müssen, noch dass eine strenge Hierarchie existiert. Wo würden Sie den Wunsch, Menschen in anderen Ländern während des Urlaubs (einer Reise) zu helfen und Gutes zu tun, einordnen? Wieso ist die Verbindung von Freiwilligenarbeit und Urlaub für viele Menschen interessant? Wie fühlen Sie sich, wenn Sie jemandem helfen? Warum ist es attraktiver, in einem Land des Globalen Südens zu „helfen“ als in der Nachbarschaft? Auf der Website Radiaid ( 🔗 https: / / www.radiaid.com/ ) wird intelligent mit Motiven und Stereotypen des Volunteerings gespielt. Maslow untersuchte anhand der Biografien von einflussreichen Men‐ schen, wie Motivation und Persönlichkeit zusammenhängen und wie Menschen dazu gebracht werden können, zu wachsen. Pearce (2005) hat in vielen seiner Arbeiten Maslows Bedürfnishierarchie aufgegriffen und auf das Reisen übertragen und angepasst. Ein zentrales Konzept ist die Reisekarriere (travel career), die eine Abfolge von Bedürfnissen mit Erfahrungen und Lernprozessen kombiniert. Moscardo (2011) liefert mit der Thematisierung des Well-Beings eine wichtige Ergänzung, da sie angenommene Effekte des Reisens untersucht und in Verbindung zu den ursprünglichen Bedürfnissen setzt. Zusammenfassend ist bereits die Unterscheidung von Wünschen und Be‐ dürfnissen kaum möglich. Damit aus Wünschen die handlungsrelevante Motivation wird, an einen bestimmten Ort zu reisen und dieses auch umzusetzen, sind weitere Prozesse erforderlich. So muss erkannt werden, dass ein Reiseziel dazu geeignet ist, die wahrgenommenen Wünsche zu erfüllen. Die Annahme, welcher Ort und welche Aktivitäten das gewünschte Ergebnis bringen, hängt von bereits gemachten Erfahrungen und persönli‐ chen Vorlieben ab. Die Motivationsforschung versucht, die individuelle Ebene zu verlassen und wiederkehrende Reisemotive (themes) zu definieren. 3.4 Tourist: innen und touristisches Handeln 51 <?page no="52"?> Wissen │ Motivation und Motive Die Begriffe Motivation und Motive werden oft nicht deutlich vonein‐ ander unterschieden. Motivation beschreibt die Gesamtheit der Bedin‐ gungen, die zu einer tatsächlichen Handlung führen und Menschen dazu bringen, aktiv zu werden. Motivation ist somit ein Prozess, der u. a. durch Neugier, Kreativität oder auch von außen gesetzte Anreize initiiert und beeinflusst wird. Motive sind der Grund resp. die Gründe des Handelns. Sie beschreiben individuelle Besonderheiten und die persönlich bedingten Triebfedern des Wollens. Stärkere Motive verdrängen schwächere und insbesondere der Umgang mit widersprüchlichen Motiven bedeutet eine Herausfor‐ derung. Einen guten Einstieg in dieses komplexe Thema bieten Schmalt und Langens, 2009. Die Liste möglicher Reisemotive ist sehr umfangreich und unterscheidet sich von Untersuchung zu Untersuchung. Während Crompton (1979) neun Motive erarbeitet, nennt Ryan (1998) elf. Reisemotive werden häufig in Kategorien zusammengefasst. So unterscheidet Crompton soziopsycholo‐ gische und kulturelle Kategorien. McIntosh et al. (1995) unterscheidet zwi‐ schen physischen, kulturellen, zwischenmenschlichen sowie Status- und Prestige-Motiven. Das Problem mit diesen Kategorien ist, dass viele von ihnen zutreffen und keines ausschließlich ist. So neigt der hybride oder new tourist (Poon, 2003) dazu, verschiedene und manchmal sogar widersprüchli‐ che Aktivitäten zu kombinieren, z.-B. Haitauchen und Meditation. Welche Reise letztendlich gewählt wird, hängt zu einem erheblichen Maß von gesellschaftlichen, ökonomischen und sozialen Rahmenbedingen ab. Auch zu diesem Forschungsbereich (oft unter dem Begriff der Pull-Faktoren diskutiert), variieren die Aussagen. Wichtige Elemente sind Attraktionen, die Ausstattung der Destination mit geeigneter Beherbergung und anderer von individuellen Bedürfnissen abhängiger Ausstattung, Erreichbarkeit und Zugang sowie ein als positiv bewertetes Image (Holloway & Humphreys, 2020, S. 61). Untersuchungen zu Anforderungen, die sich aus besonderen Reisemotiven ergeben, zeigen deutliche Unterschiede zwischen den Anfor‐ derungen an Destinationen (Heuwinkel & Venter, 2018). 52 3 Worum geht es? Grundlagen <?page no="53"?> Denkübung │ Erinnern Sie sich an Ihre letzten Reisen? Wieso sind Sie gereist? Was haben Sie gesucht und erwartet? Erstellen Sie eine Liste mit Erwartungen, die Sie bereits auf Reisen hatten. Welche davon wurden erfüllt? Welche nicht? Was waren die Gründe dafür? Sehen Sie sich die Bilder an: Was suchen die dort abgebildeten Men‐ schen? Wieso reisen sie deswegen an einen anderen Ort? Abb. 9: Im Wasser (eigene Aufnahme) Abb. 10: In Galicien (eigene Aufnahme) 3.4 Tourist: innen und touristisches Handeln 53 <?page no="54"?> Abb. 11: Am Cap (eigene Aufnahme) In Ergänzung zur individuellen Betrachtung des touristischen Handelns ist es hilfreich, Segmente zu betrachten. Eine Herangehensweise ist die Marktsegmentierung, die versucht, den Bedarf zu aggregieren. Auch hier bieten sich mehrere Herangehensweisen. Oft werden die folgenden Variablen genutzt: ● geografische Variablen: Wo leben die Tourist: innen? Es kann nach Kontinent, Land, Region und Stadt mit den damit verbundenen Besonderheiten differenziert werden. Wie aufwendig sind An- und Abreise? Wie lange dauert die Reise, wie werden welche Transportmittel genutzt und wie häufig muss umgestiegen werden. Gibt es Zeitunterschiede? Wie ähnlich ist das 54 3 Worum geht es? Grundlagen <?page no="55"?> Klima und ist mit Anpassungsschwierigkeiten zu rechnen, z. B. extreme Hitze oder Kälte. ● demografische Variablen: Alter, Gender, Familienstand, Lebenssituation, Einkommen, Berufstä‐ tigkeiten, Bildung, ethnischer und religiöser Hintergrund, Lebensstil, Milieu. Seit einigen Jahren werden geo-demografische Daten genutzt. Bei diesen handelt es sich um eine weitere Aufschlüsselung von demo‐ grafischen Daten auf Wohngebiete. ● psychografische Variablen: Welche Einstellungen und persönlichen Merkmale haben die Personen. Einen großen Einfluss hat, in welchem Umfeld Menschen aufgewachsen sind (Bezugsgruppen: Familie und Freund: innen), was sie erreichen wol‐ len (Referenzgruppe: Vorbilder, berühmte Personen, Influencer: innen). ● Verhaltensvariablen: Wie und welche Produkte werden konsumiert? Aspekte sind Häufig‐ keit, Anzahl, Vertriebswege und Informationsquellen. Auch wenn es möglich ist, Motive aus dem Konsumverhalten abzuleiten und anhand von Variablen Personengruppen mit ähnlichen Bedürfnissen zu bilden, besteht immer noch eine große Unsicherheit hinsichtlich der Bewertung der Reise. Ob und inwieweit die wahrgenommenen Bedürfnisse erfüllt worden sind, ist nicht objektiv feststellbar. Hinzu kommt, dass die meis‐ ten Reisen mit hohen Erwartungen verknüpft und eine Enttäuschung ungern eingestanden wird. Neben Motiven beeinflussen sowohl Einstellungen als auch Erwartungen und Erfahrungen das touristische Handeln. Das Spannungsfeld zwischen Einstellungen und Verhalten (attitude behaviour gap) bildet einen eigen‐ ständigen Forschungsbereich, in dem vor allem die Diskrepanz zwischen den Einstellungen und dem tatsächlichen Verhalten thematisiert wird. So zeigen Untersuchungen aus Bereichen wie gesundheitliche Prävention und Ernährungsumstellung, dass ein gewünschtes Verhalten resp. eine dieses bedingende Verhaltensänderung auch dann nicht umgesetzt wird, wenn ein Mensch die entsprechende Einstellung entwickelt hat. Entscheidend sind u. a. Selbstwirksamkeit und flankierende Kontrollen. Für den Tourismus ist dieser Aspekt insbesondere im Bereich des verantwortungsvollen und nachhaltigen Reisens relevant. Tourismuswissenschaftliche Studien zeigen, dass der Anteil der Menschen, die verantwortungsvoll reisen wollen, deut‐ 3.4 Tourist: innen und touristisches Handeln 55 <?page no="56"?> lich höher ist als derer, die es umsetzen (vgl. exemplarisch Juvan & Dolnicar, 2014 und Schmücker, Sonntag & Günther, 2019). Die Erklärung dafür liegt einerseits in der Komplexität von Einstellungen. Diese umfassen neben Überzeugungen und Prozessen der Wahrnehmung auch eine emotional und kulturell bedingte Wertung (Kahneman & Riis, 2005). Theorien des geplanten Verhaltens machen deutlich, wie die Umset‐ zung des gewünschten Verhaltens beispielsweise durch Programme gestärkt werden kann (Fishbein & Ajzen, 1977). Zwei weitere Einflussgrößen sind Erfahrungen und damit verbundene Erwartungen. Mit steigender Reiseerfahrung verändern sich die Erwartun‐ gen, die gestellt werden und es ist schwieriger etwas Neues und Unbekannte zu entdecken oder die Qualität der bisherigen Erfahrungen zu erreichen. Die Bedeutung von Erwartungen und die enge Kopplung mit Emotionen in der Phase der Reisevorbereitung wird (→ Kapitel 4) im konkreten Anwendungsfeld des CBT dargestellt. Zusammenfassend ist der Bereich des touristischen Handelns ein For‐ schungs- und Anwendungsbereich, der zwar ausgehend von soziologischen und psychologischen Theorien und Modellen einige Bereiche ausleuchtet, vieles bleibt aber weiterhin im Verborgenen und undurchschaubar. Wenn demnach bereits die Beschreibung und das deutende Verstehen im Sinne von Max Weber (1980) eine Herausforderung darstellen, erscheint der Wunsch, Einfluss auf das Handeln zu nehmen fast aussichtslos. Angesichts der immensen Folgen des Reisens (→ folgende Abschnitte) ist ein Handeln jedoch erforderlich. 3.5 Die Folgen des Reisens Reisen ist wie zuvor beschrieben, eine menschliche Tätigkeit, die wie jedes andere Handeln Spuren hinterlässt. Eine Betrachtung des Umfeldes touristischen Handelns zeigt Folgen (impact) für Wirtschaft, Natur, Kultur und Gesellschaft sowie für die reisende Person an sich. Ökonomische Potenziale und Leakage-Effekt Ein Grund für das große Interesse am Tourismus als Wirtschaftszweig, ist das ökonomische Potenzial. Ein Blick in Statistiken von UNWTO (2023) und OECD (2023) zeigt für viele Regionen in der Welt eine Erholung und ein 56 3 Worum geht es? Grundlagen <?page no="57"?> Erreichen der Zahlen von 2019, so dass von hohen ökonomischen Effekten auch nach der Pandemie ausgegangen werden kann. Diese ergeben sich aus direkten und indirekten Einnahmen, durch die Schaffung von Arbeits‐ plätzen und den Ausbau von Infrastrukturen. Manche Statistiken weisen Werte aus, die in den Bereich von Milliarden reichen. So ist regelmäßig zu lesen, dass Tourismus einen Anteil von zehn Prozent des weltweiten Brut‐ toinlandsprodukt BIP (→ Box: Bruttoinlandsprodukt) ausmacht und dass einer von zehn Jobs (200 Millionen) im Tourismus zu finden ist. Weiterhin wird die Tourismusbranche als Wachstumsbranche beschrieben und es wird bspw. für Europa von einem jährlichen Wachstum ausgegangen (UNWTO, 2023). Die durch die Pandemie verursachten Reisebeschränkungen haben in den Jahren 2020 bis 2022 für erheblichen Einbrüche gesorgt. Allerdings zeigte sich bereits im Sommer 2023 wieder eine ähnlich hohe Reiseintensität. Wissen │ Bruttoinlandsprodukt Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) ist ein Element der Volkwirtschaftlichen Gesamtrechnung und beziffert den Wert von Waren und Dienstleistun‐ gen, die im Inland hergestellt wurden mit Ausnahme von solchen, die für die Produktion weiterer Produkte und Dienstleistungen benötigt werden. Die Berechnung erfolgt in den jeweiligen Preisen und preisbe‐ reinigt, um Preiseinflüsse herauszurechnen. Eine Berechnung kann an der Produktion (Verteilungsseite) oder an der Nachfrageseite ansetzen. (Statistisches Bundesamt, 2023) In einigen Quellen finden sich jedoch regelmäßig Zweifel an den oben genannten Zahlen, da die Datenlage nicht zuverlässig und statistische Erfassungen nicht trivial sind (vgl. exemplarisch Holloway & Humphreys, 2020, S.-110-114). So besteht eine grundsätzliche Problematik in der Ableitung von Daten aus amtlichen Statistiken und volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen, die für die Berechnung der wirtschaftlichen Effekte des Tourismus benötigt werden. In vielen Ländern definieren amtliche Wirtschaftsstatistiken Tou‐ rismus als Querschnittsbranche und nicht als eigenständigen Wirtschafts‐ zweig. Während Einnahmen aus Beherbergung und Transport in die Desti‐ nation direkt erfasst werden können, sind Aussagen zu den durch Reisende getätigten Ausgaben in Bereichen wie Gastronomie, Shopping, Sport und 3.5 Die Folgen des Reisens 57 <?page no="58"?> Kultur immer bis zu einem gewissen Maße geschätzt - trotz aller Modelle (vgl. dazu die Debatte um Tourismus-Satellitenkonto (TSA)). Ein weiterer Grund für Ungenauigkeiten ist der hohe Anteil an informel‐ ler Arbeit (informality). Der informelle Sektor umfasst Personen, die auf eigene Rechnung außerhalb des formellen Sektors arbeiten, mitarbeitende Familienangehörige sowie Personen, die ohne formellen Vertrag arbeiten. Die in diesem Bereich tätigen Menschen haben keinerlei rechtliche Basis, die das Arbeitsverhältnis und -bedingungen absichert. Die Beschäftigung erfolgt zumeist auf Tages- oder Wochenbasis und kann jederzeit beendet werden. Die systematische Erfassung des informellen Sektors als jener, der nicht in offiziellen Statistiken erfasst wird, ist eine große Herausforderung und ein Beispiel für die Unsichtbarkeit vieler gesellschaftlichen Ungleich‐ heiten aufgrund fehlender Daten (vgl. Bonnet et al. 2019). Sowohl die UN 2030 Agenda for Sustainable Development (UN, 2015) als auch die ILO Recommendation 204 (ILO, 2015) definieren die statistische Erfassung des informellen Sektors sowie die Entwicklung von Indikatoren als zentrale Ziele für eine gerechte Entwicklung des Tourismus. Selbst wenn die genannten Zahlen tatsächlich erwirtschaftet werden, muss in einem nächsten Schritt die Verteilung der Einnahmen diskutiert werden. So ist beispielsweise der Leakage-Effekt im Tourismus sehr hoch (→ Box: Leakage-Effekt ). Um die ökonomischen Effekte für verschiedene Anspruchsgruppen zu bewerten, sind die folgenden Fragen zu stellen: 1. Wer profitiert von den Einnahmen resp. wie groß ist der Anteil der Gelder, die aus dem Land herausfließen? 2. Auf welcher Basis erfolgt die Verteilung und wie fair ist diese? 3. Wie ist die Qualität der Arbeitsplätze hinsichtlich der Höhe des Ein‐ kommens, der rechtlichen Absicherung und der Möglichkeiten zur Weiterentwicklung? 4. Wie erfolgt die Verteilung der Arbeitsplätze und wie gerecht ist diese? Wissen │ Leakage-Effekt Der Leakage-Effekt beschreibt, dass ein signifikanter Anteil der gene‐ rierten Einnahmen nicht im Land verbleibt und dort in die Wirtschaft einfließt, sondern in andere Länder fließt. Beispiele dafür sind Produkte für Tourist: innen, die nicht im Land verfügbar sind und deswegen 58 3 Worum geht es? Grundlagen <?page no="59"?> importiert werden müssen oder wenn Hotels und Restaurants im aus‐ ländischen Besitz sind. Zur Erklärung der wirtschaftlichen Auswirkungen des Tourismus wird nachfolgend auf Exporte und Importe des Tourismus eingegangen. Außer‐ dem müssen die Begriffe Einkommen, Beschäftigung, Zahlungsbilanz sowie Investitionen und Entwicklung geklärt werden. Import bezieht sich auf das Geld, das Tourist: innen im Ausland ausgeben. Wenn z. B. eine deutsche Person nach Kapstadt reist und dort 10.000 ZAR für Unterkunft, Essen und Aktivitäten ausgibt, beträgt der deutsche Import 10.000 ZAR (616 Euro). Der Export ist das Geld, das ein Zielland (das Land, in dem eine Person das Geld ausgibt) einnimmt, z. B. beträgt der südafrikanische Export 10.000 ZAR (616-Euro). Eine weitere wichtige Einnahmequelle neben den direkten Einnahmen sind Tourismussteuern. Diese werden zumeist in Zusammenhang mit Über‐ nachtungen erhoben und pro Nach und Person erhoben. Die Verwendung der Steuern ist unterschiedlich geregelt. Das erwirtschaftete Einkommen wird für die Bezahlung von Mieten und Waren ausgegeben, z. B. kauft ein Restaurant Zutaten für die Mahlzeiten. Der größte Teil des Einkommens wird für die Zahlung von Löhnen und Gehältern benötigt, da der Tourismus eine Dienstleistungsbranche ist. Das Tourismuseinkommen ist Teil des Volkseinkommens. Der Anteil, der durch den Tourismus erwirtschaftet wird, ist unterschiedlich hoch. In einigen karibischen Ländern trägt er bis zu 98 Prozent bei, in einigen osteuropäischen Ländern nur drei Prozent. Eine weitere wichtige wirtschaftliche Auswirkung des Tourismus ist die Schaffung von Arbeitsplätzen. Je nach Quelle findet man Zahlen zwischen 100 und 300 Millionen Arbeitsplätzen. In einigen Ländern sind 20 Prozent aller Arbeitsplätze mit dem Tourismus verbunden (ILO, 2022). Was die Stärkung der Rolle der Frau angeht, so ist die Beschäftigungs‐ quote von Frauen im Tourismus sehr hoch, in einigen Sektoren liegt sie bei bis zu 70 Prozent (UNWTO, 2019). Dennoch sind viele Arbeitsplätze im informellen Sektor angesiedelt, saisonal und in Teilzeit. Das bedeutet, dass die Arbeitsplätze saisonalen und konjunkturellen Schwankungen un‐ terworfen sind, die Bezahlung und die Karrieremöglichkeiten gering sind. Der Tourismus muss diese Probleme angehen, um eine positive Wirkung für alle zu erzielen. Um die Potenziale des Tourismus für die Frauenförderung 3.5 Die Folgen des Reisens 59 <?page no="60"?> und Gendergerechtigkeit umzusetzen, bedarf es eines kritischen Umgangs mit den Strukturen und insbesondere Machtkonstellationen im Tourismus (Heuwinkel, 2024). Ein weiterer Aspekt, der berücksichtigt werden sollte, ist, dass ökonomi‐ sche Einnahmen Investitionen voraussetzen und Ressourcen benötigt wer‐ den. Wenn die Mittel fehlen, um grundlegende touristische Infrastrukturen zu finanzieren, fehlen die Grundlagen für wirtschaftliche Entwicklungen. Diese Thematik steht in einem engen Zusammenhang mit finanzieller Förderung und Krediten. Abschließend kann die Generierung von Einnahmen starke Auswirkun‐ gen auf soziale Strukturen haben, bspw., wenn Frauen ein Einkommen generieren und sich als Konsequenz aus einer Beziehung lösen. Dieser Zusammenhang wird weiter unten im Abschnitt Gesellschaft und Kultur eingehender diskutiert. Umwelt und natürliche Ressourcen Die (möglichen) positiven wirtschaftlichen Auswirkungen des Reisens sind nur eine Betrachtungsebene des Tourismus. Diesen müssen Umweltauswir‐ kungen gegenübergestellt resp. mit diesen abgeglichen werden. Touristische Handlungen wirken sich auf alle Bereiche der Umwelt aus. Die Tourismuswirtschaft benötigt Ressourcen (Wasser, Energie, Boden usw.) und erzeugt Abfälle und Emissionen von Luftschadstoffen. Eine vom deutschen Umweltbundesamt (UBA) 2002 in Auftrag gegebene Studie bietet eine qualitative Bewertung der Umweltauswirkungen entlang der touristischen Dienstleistungskette. Bei der An- und Abreise kommt es insbesondere zum Verbrauch von Primärenergie, zum Ausstoß von klima‐ schädlichen Emissionen, zur Luftverschmutzung und zu Lärmemissionen. Die Beherbergung wirkt sich sehr vielfältig auf die Umwelt aus, insbeson‐ dere bei der Flächennutzung, und die Freizeitaktivitäten haben einen starken Einfluss auf die biologische Vielfalt. Der Grad der Auswirkungen ist immer abhängig von der konkreten Ausgestaltung (z. B. der Größe des Hotels). Die in der Tabelle dargestellten Werte geben eine Tendenz an. Das UBA arbeitet an der Entwicklung von Indikatoren, um die Werte messbar und vergleichbar zu machen. Sehr gut untersucht und dokumentiert sind die Klimaeffekte des Tourismus, die sich vor allem durch den mit dem Reisen verbundenen Verkehr ergeben (UBA, 2023). 60 3 Worum geht es? Grundlagen <?page no="61"?> An- und Abreise Beherber‐ gung Gastrono‐ mie Freizeit Vor- und -nachberei‐ tung Verbrauch von Primärenergie +++ ++ + + - Treibhauseffekt +++ ++ + + - Biodiversität + + + +++ - Flächenver‐ brauch ++ +++ + - - Abfallaufkom‐ men - ++ ++ + + Wasserverbrauch - ++ + - - Gewässerbelas‐ tung - ++ + - - Tab. 1: Umweltauswirkungen (basierend auf UBA, 2002) Die Umweltauswirkungen sind in den Tourismusgebieten und weltweit sichtbar, werden jedoch weiterhin ignoriert oder nur zögerlich adressiert. Auch in der tourismuswissenschaftlichen Debatte besteht Uneinigkeit dar‐ über, wie ökologische Nachhaltigkeit umgesetzt werden kann. Ein Bereich, der zunehmend adressiert wird, ist der Zusammenhang zwischen Klima‐ wandel und Tourismus, da der durch den touristisch bedingten Verkehr verursachte Ausstoß von Kohlendioxid (CO 2 ) einen hohen Anteil an der CO 2 -Emission hat. Dabei fallen Reisen mit dem Flugzeug besonders ins Gewicht, aber auch die Reisen mit Pkw, Reisebus und Schiff Ausgehend von den Daten der Reiseanalyse zeichnet sich ab, dass mehr als die Hälfte aller Reisenden Interesse an einem nachhaltigen Reisen hat (Kuhn et al. 2023). Die tatsächliche Handlung erfolgt wie bereits diskutiert nicht. Beispielsweise kompensieren nur fünf Prozent der Urlaubsreisenden den CO 2 -Ausstoß (Kuhn et al. 2023, S. 11). Eine Möglichkeit, wie die Lücke zwischen Einstellung und Verhalten geschlossen werden kann, ist die Umgehung der Freiwilligkeit durch das Einpreisen in den Flug- oder auch Beherbergungspreis. Mit der Buchung wird automatisch kompensiert. 3.5 Die Folgen des Reisens 61 <?page no="62"?> Beispiel │ Studiosus Studiosus kompensiert seit 2022 zusätzlich zu den CO 2 -Emissionen der Bus-, Bahn- und Schiffsfahrten auf den Reisen ebenfalls die Flüge in die und in den Zielgebieten sowie Hotelübernachtungen und die Verpflegung. Um dieses zu erreichen, werden die Treibhausgase, die beim Flug, durch Transporte im Zielgebiet, Übernachtungen und Ver‐ pflegung entstehen, in den Geldbetrag umgerechnet, der benötigt wird, um dieselbe Menge Treibhausgase in Klimaschutzprojekten an anderer Stelle einzusparen. Neben den CO 2 -Emissionen werden zusätzlich an‐ dere relevante Treibhausgase, wie Methan und Lachgas kompensier, indem ihre Klimawirksamkeit auf CO 2 -Emissionen umgerechnet wird. Man spricht in diesem Fall von CO 2 -Äquivalenten oder CO 2 e. Konkret fließen die Gelder in den Bau von Biogasanlagen in Nepal. Ein weiteres Beispiel ist Hauser Exkursionen. Auch wenn die Kompensation von CO 2 -Emissionen einen Ausgleich ermög‐ licht, reicht dieses allein nicht aus, um ein nachhaltiges Reisen zu realisieren. In den Destinationen sind die Reduktion und Kompensation von CO 2 -Emissionen nur eines von vielen Handlungsfeldern. Gleiches gilt für die Beherbergung und die Gastronomie. Gesellschaft und Kultur Neben den ökologischen und wirtschaftlichen Auswirkungen hat der Tou‐ rismus ebenfalls soziokulturelle Folgen. Diese ergeben sich vor allem deswe‐ gen, weil Reisende nicht nur mit den im Tourismus beschäftigten Menschen interagieren, sondern - in zunehmendem Maße - mit der einheimischen Bevölkerung, die weder gefragt noch vorbereitet oder geschult wird. Im Idealfall können erstens die Begegnungen und Interaktionen zwischen Tourist: innen und Einheimischen zu gegenseitigem Verständnis und Re‐ spekt führen. Dieses könnte sogar die internationalen Beziehungen stabili‐ sieren und zu Frieden führen (vgl. exemplarisch zu Frieden und Tourismus, Wintersteiner, 2019). Zweitens kann das Interesse der Reisenden und Be‐ suchenden an einem Reiseziel, der Kultur, Geschichte und Gesellschaft das Bewusstsein für diese Werte vor Ort stärken und somit das Selbstbe‐ wusstsein und unter Umständen die Lebensqualität der Einheimischen 62 3 Worum geht es? Grundlagen <?page no="63"?> steigern (DITF, 2024). Holloway und Humphrey (2020, S. 120) verweist auf alte Stadtzentren, Hafengebiete und Kulturerbestätten, die nur deshalb restauriert wurden, um Tourist: innen anzuziehen. Auf diese Weise werden Einnahmen erzielt, und auch die Anwohnenden können von der Renovie‐ rung profitieren. Drittens können Touristensteuern und andere Einnahmen, die an die lokale Regierung und die Behörden fließen, in Schulen und andere öffentliche Infrastrukturen investiert werden. Schließlich erweitern und verbessern im Tourismus involvierte Einheimische ihre Kommunikations- und Sprachkenntnisse, um mit den Besuchenden zu interagieren. Kinder und Jugendliche könnten neue Rollenmodelle kennenlernen. Die genannten Punkte beschreiben eine Idealvorstellung der Tourist: in‐ nen-Einheimischen-Interaktion, die von beidseitigem Interesse, ausgewo‐ genen Machtbalancen und einem respektvollen Umgang ausgeht. In den meisten Fällen ist Tourismus jedoch nicht auf Interaktion ausgelegt, sondern auf Konsum, der die Einheimischen und ihre Kultur miteinschließt. Sie werden zu einem Teil der Kulisse und tragen zum Erlebnis bei. Zu berücksichtigen ist weiterhin, dass Begegnung zwischen Menschen aus unterschiedlichen Kulturkreisen und mit divergierenden Normen und Werten eine Herausforderung bedeutet. Sehr oft fühlen sich Einheimische durch für sie unbekannte Verhaltensweisen beleidigt und beschämt. Bei‐ spiele hierfür sind der Alkoholkonsum in muslimischen Gemeinschaften, unangemessene Kleidung und unhöfliches Verhalten im Allgemeinen. Für Menschen aus Ländern mit einer ausgeprägt hohen Gastfreundlichkeit ist es nur schwer möglich, die Gäste zu kritisieren oder diese abzulehnen. Darüber hinaus wird Kultur an die Erwartungen der Reisenden adaptiert und dementsprechend inszeniert. Die Ausbeutung der einheimischen Bevöl‐ kerung und das gesteigerte Interesse an echtem und authentischem Leben stellen eine Bedrohung für die Einheimischen dar. Je mehr der Tourismus die Tourismusgebiete verlässt und das Alltagsleben erkundet, desto mehr sollte auf die Auswirkungen geachtet werden. Wenn Tourist: innen in pri‐ vate Bereich eindringen, wenn sie Kindergärten, Schulen und Pflegeheime besuchen und wenn sie in Airbnb- oder anderen Privatunterkünften über‐ nachten, haben ihre Anwesenheit und ihr Verhalten enorme Auswirkungen auf diese Menschen, die oft nicht gefragt werden, ob sie bereit sind, Teil des Tourismus zu sein. Da touristische Einnahmen in vielen Gegenden der Welt die zentrale Einnahmequelle bilden, sind die beschriebenen Interaktionen eingebettet in wirtschaftliche Abhängigkeiten. 3.5 Die Folgen des Reisens 63 <?page no="64"?> Zusammenfassend lässt sich sagen, dass eine Strategie für das Manage‐ ment der soziokulturellen Auswirkungen des Tourismus benötigt wird. Erste Ansätze dazu finden sich in der Debatte um Menschenrecht, Verantwortung und Empowerment (Stärkung der Einheimischen). 3.6 Verantwortung, Menschenrechte und Empowerment Wie zuvor beschrieben können der Tourismus als Branche und das Reisen als Summe menschlicher Handlungen sowohl positive als auch negative wirt‐ schaftliche Auswirkungen haben. Das Gleiche gilt für die ökologischen und soziokulturellen Folgen. Die Erreichung positiver Effekte oder zumindest die Minimierung negativer Folgen bedingt eine Haltung, die ein Bewusstsein für die Folgen des Reisens und daraus resultierend die Bereitschaft zu einem verantwortungsvollen Handeln umfasst. Maßgeblich ist dabei, dass ökono‐ mischer Erfolg nicht losgelöst von anderen Aspekten betrachtet werden darf und dass sich Unternehmen, Organisationen und Einzelpersonen ihrer Handlungsfähigkeit bewusstwerden. Das Zitat von Goodwin (→ Zitat) steht zu Beginn seines Buches über verantwortungsvollen Tourismus (2016) und macht deutlich, dass wir - als Reisende, Dienstleistende und Wissenschaft‐ ler: innen - entscheiden, was Tourismus ist. „Tourism is what we make of it.“ (Goodwin, 2016, S.-1) Die Übernahme von Verantwortung ist eine Haltung gegenüber dem Tou‐ rismus als einer besonderen Form des Konsums. Es ist in diesem Kontext wenig hilfreich, diesen Aspekt zu ignorieren. Zwar kann sich in Einzelfällen zwischen Tourist: innen und Leistungsgerbringenden oder Einheimischen ein freundschaftliches Verhältnis ergeben, aber solange eine Person für die Leistung bezahlt und eine andere von den Einnahmen abhängig ist, ist die Beziehung geprägt durch die Logik des Zahlens. Diese Logik des Zahlens muss jedoch mit Werten wie Respekt, Dankbarkeit und Toleranz angerei‐ chert werden. Ob und wie dieses in der Tourismuswirtschaft umgesetzt werden kann, ist eng geknüpft an Vorstellungen von Unternehmenskultur und -ethik. Ziel sollte es sein, die Entwicklung und Produktion von touristischen Dienstleistungen und Produkten sowie den Konsum (das Erleben) derselben verantwortungsvoll zu gestalten. Bislang gilt im Tourismus jedoch vor allem 64 3 Worum geht es? Grundlagen <?page no="65"?> die Aussage, dass alles erlaubt ist, weil es ja nur einmal im Jahr ist (Heuwin‐ kel, 2023). Die dem Tourismus immanente Abweichung und Aufforderung zum Loslassen und Vergessen geht oft einher mit einer Leugnung von Verantwortung. Verstärkt wird dieses durch das Gefühl der Dominanz und Macht basierend auf einer (kurzfristigen) finanziellen Überlegenheit (selbst wenn die Reise durch einen Kredit finanziert wurde). Tipp │ White Lotus In der ersten Staffel der Serie White Lotus freunden sich Belinda und Tanya an. Tanya ist begeistert von Belindas therapeutischen Fähigkeiten und schlägt ihr vor, sich selbstständig zu machen. Belinda schreibt einen Business-Plan und wartet darauf, diesen Tanya zu zeigen. Diese hat allerdings einen Mann kennengelernt, mit dem sie die Abende verbringt. Bei der letzten Begegnung zieht sie ihr Angebot mit dem Hinweis zurück, dass sie nicht wieder eine transaktionale Beziehung erleben möchte. Sie legt Belinda Geld auf den Tisch und ignoriert, als sie noch einmal zurückkommt, um ihre Sonnenbrille zu holen, Belindas Tränen. Auch in anderen Szenen werden Machtverhältnisse zwischen Gästen und Mitarbeitenden (teils recht zynisch) reflektiert. Eine weitere Herausforderung in der Realisation eines verantwortungs‐ vollen Tourismus besteht darin, dass viele Bausteine der touristischen Dienstleistungskette auf frei zugängliche und gemeinschaftlich genutzte Ressourcen zugreifen (→ Kapitel 3.1 Public Good). Als Konsequenz sind Maßnahmen zu Pflege, Schutz und Kontrolle, die stets einhergehen mit Aufwendungen und unter Umständen eine Einschränkung der Nutzung erfordern, schwer umzusetzen. Eine erste Schwierigkeit ergibt sich aus der Frage, wer zuständig ist und mit dem Schutz beauftragt werden kann. Zweitens kommt es zu Konflikten zwischen Anspruchsgruppen, bspw., wenn öffentliche Bereiche überfüllt sind. In Städten kommt es zunehmend zu Sperrungen von Straßen und Plätzen aus Sicherheitsbedenken. 3.6 Verantwortung, Menschenrechte und Empowerment 65 <?page no="66"?> Wissen │ Verantwortungsethik Verantwortung ist ursprünglich ein juristischer Begriff, der zu einem re‐ ligiös-moralischen und dann grundlegend ethischem Begriff ausgewei‐ tet und umgewandelt wurde. Als Folge finden sich mehrere Deutungen. Max Weber (1992) hat den Begriff der Verantwortungsethik eingeführt und von der Gesinnungsethik unterschieden. Damit betont er, dass nicht die gute Absicht, sondern die Folgen des Handelns betrachtet werden müssen, um das Handeln zu bewerten. Als Maxime der Verantwortungs‐ ethik soll gelten, dass Menschen für die (voraussehbaren) Folgen ihres Handelns aufkommen können und sollen. Zentrale Annahmen sind, dass die Welt offen und damit durch mensch‐ liches Handeln gestaltbar und veränderbar ist. Weiterhin erfolgt die Bewertung nicht allein bezogen auf das Subjekt, sondern bezogen auf den gemeinsamen Mittelwert der Folgen mit dem Ziel der Schaffung einer menschenwürdigen Welt. Voraussetzungen sind Willens- und Handlungsfreiheit sowie das er‐ forderliche Können und Normen des Handelns. Menschen müssen demnach in der Lage sein, sowohl ihr Können als auch die möglichen Folgen zu erkennen und zu bewerten. Weiterhin muss die Bereitschaft gegeben sein resp. das Bewusstsein dafür geschaffen werden, dass bei einem Scheitern oder bei negativen Folgen das Subjekt die Schuld trägt. Verantwortung wird als dreidimensionales Konstrukt beschrieben. Das handelnde Subjekt muss für etwas einer dritten Instanz gegenüber Rechenschaft ablegen. Objekt der Verantwortung sind konkrete unmit‐ telbare Handlungsfolgen, die andere Personen oder Sachen betreffen. Von Verantwortlichkeit wird gesprochen, wenn eine Person mit kon‐ kreten Aufgaben betraut wird. Neben der Verantwortung einzelner Personen wird die Verantwortung von Institutionen insbesondere und der Gesellschaft diskutiert. Quellen: Prechtl, P. & Burkard, F. P. (Hrsg.). (2016). Metzler Philosophie Lexikon. Springer-Verlag. 🔗 https: / / www.ethik-lexikon.de/ Ein Aspekt, der im Zusammenhang mit Verantwortung ebenfalls diskutiert werden sollte, ist die Problematik des minimalen individuellen Beitrags zu einem globalen Problem. Da der Anteil der Einzelnen so gering ist, besteht 66 3 Worum geht es? Grundlagen <?page no="67"?> in der Motivation eine große Herausforderung. Typische Argumente sind dabei, dass das Flugzeug ohnehin fliegt oder dass es den Reiseveranstalter nicht stören wird, wenn eine Person eine Reise nicht bucht. Das daraus resultierende Dilemma ist, dass nur wenige Personen das Handeln ändern. Wenn alle es täten, könnten viele Probleme gelöst werden. Schließlich können persönliche und kulturelle Unterschiede ein Hin‐ dernis dafür sein, sich verantwortlich zu fühlen und verantwortungsvoll zu handeln. In Abhängigkeit vom in der Sozialisation übernommenen Menschenbild fühlen sich Menschen mehr oder weniger für ihr Handeln verantwortlich resp. fühlen sie eine Verantwortung für ihr persönliches und familiäres Umfeld (Hofstede, 2011). Der Begriff „verantwortungsvoller Tourismus“ wird unterschiedlich in‐ terpretiert. Tourism Concern (Barnett, 2008) hat die folgenden Punkte als Elemente des verantwortungsvollen Tourismus aufgeführt: 1. Nachhaltige Nutzung von Ressourcen 2. Reduktion von Überkonsum und Müll 3. Erhalt von Diversität 4. Einbeziehung von Tourismus in Planungen 5. Unterstützung lokaler Wirtschaft 6. Einbeziehung lokaler Wirtschaft 7. Beratung mit Anspruchsgruppen und Öffentlichkeit 8. Ausbildung der Mitarbeitenden 9. Verantwortungsvolle Vermarktung von Tourismus 10. Forschung Die adressierten Punkte beziehen sich sowohl auf ökologische (1, 2, 3) ökonomische (5, 6) und soziale (7, 8) Aspekte als auch auf die Gestaltung und das Management (4, 9, 10) von Tourismus. In der Berlin Declaration on Transforming Tourism (2017) wird die Ver‐ bindung zwischen nachhaltigem und verantwortungsvollem Tourismus formuliert. Demnach ist ein nachhaltiger Tourismus nur möglich, wenn verantwortungsvoll mit der lokalen Bevölkerung umgegangen und ihre Bedürfnisse berücksichtigt werden. „Only tourism that contributes to the improvement of the well-being of local people, dignity of workers, environmental integrity as well as the elimination of exploitation, inequalities and poverty, is a meaningful option for sustainable 3.6 Verantwortung, Menschenrechte und Empowerment 67 <?page no="68"?> 6 Die Vollversammlung der UN hat 2015 insgesamt 17 Ziele für Nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals, SDGs) verabschiedet. Das SDG 5 adressiert Gender‐ gerechtigkeit, SDG 4 Hochwertige Bildung, SDG 8 Menschenwürdige Arbeit und Wirtschaftswachstum, SDG 16 Frieden, Gerechtigkeit und starke Institutionen, SDG 17 Partnerschaften zur Erreichung der Ziele. Die UNWTO hat die SDGs aufgegriffen, in ihre Strategie übernommen und die Plattform Tourism for SDGs aufgebaut. development. If it ignores this responsibility it is a threat to development, rather than a tool.“ (Berlin Declaration, 2017, o. S.) Die Initiative Transforming Tourism (Transforming Tourism Initiative (TTI)) ist eine Initiative von Nichtregierungsorganisationen (NGOs), die Aktivi‐ täten rund um das Thema Tourismus und Agenda 2030 aufgreift und zusammenführt. Im Mittelpunkt steht eine Analyse und Umsetzung der 17 SDGs 6 im Tourismus. Die Akteur: innen verbinden eine tourismuskritische mit einer zivilgesellschaftlichen Perspektive. Im 2017 veröffentlichten Com‐ pendium on Tourism in the 2030 Agenda werden Strategien und Beispiele für eine Umsetzung gezeigt. Der 2023 veröffentlichte Zwischenbericht deckt auf, dass keines der für den Tourismus relevanten SDGs bislang erreicht wurde. In → Kapitel 4 wird untersucht werden, welchen Beitrag Communitybased Tourism leisten kann. Menschenrechte im Tourismus Die Menschenrechtskonvention der Vereinten Nationen (United Nations UN) von 1948 formuliert die Rechte eines jeden Menschen und umfasst 30 Artikel (UN, 2023). Dazu gehören für den Tourismus zentrale Rechte, wie das Recht zu reisen oder zur Versammlungsfreiheit. Neben den für Reisende abzuleitenden Rechten ergeben sich jedoch auch Verpflichtungen für die Tourismuswirtschaft hinsichtlich ihres Umgangs mit Mitarbeitenden und Einheimischen oder auch für Reisende im Umgang mit Einheimischen. Vor diesem Hintergrund überrascht es, dass ein direkter Bezug zu den UN-Menschenrechten nur zögerlich von der Tourismuswirtschaft aufgegrif‐ fen wird. Es finden sich einige Unternehmen (z. B. Studiosus 2007), die freiwillig dem UN Global Compact beitraten und sich verpflichteten, die Kriterien zu Menschenrechten, Arbeitsbedingungen, Umweltschutz und Antikorruption einzuhalten. Einen großen Einfluss hatten die Guiding Prin‐ ciples on Business and Human Rights (2011) des Menschenrechtskomitees der 68 3 Worum geht es? Grundlagen <?page no="69"?> Vereinten Nationen. Die Ruggie-Prinzipien (benannt nach dem Verfasser) adressieren die Umsetzung der menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht (Due Dilligence) von Unternehmen. Eine große Herausforderung bestand in der Formulierung von Prinzipien, die eine Umsetzung von Menschenrechten garantieren sollten. Als Leitprinzipien wurden Schutz, Respekt und Wie‐ dergutmachung ausgewählt. Um eine ordnungsgemäße Umsetzung der Prinzipien zu garantieren, müssen diese in Rahmenbeschlüsse von interna‐ tionalen und nationalen Institutionen überführt, in nationale Aktionspläne übertragen und anschließend von der Praxis für das eigene Arbeitsumfeld operationalisiert werden. Dass es sich um einen sehr langwierigen Prozess handelt, wird allein durch die Nennung der beteiligten Akteur: innen deut‐ lich. Ein essentieller Schritt für die Umsetzung der Menschenrechte ist eine Bestandanalyse und damit verbunden die Aufdeckung von Menschenrechts‐ verletzungen im Tourismus einschließlich der Benennung von Opfern. Die systematische Analyse hat beteiligte Akteur: innen und betroffene Personen aufzudecken. Ebenfalls muss geklärt werden, welche Stakeholder Verant‐ wortung übernehmen und im Anschluss Einfluss ausüben können. Eine 2014 im Auftrag des Bundesministeriums für Internationale Zusam‐ menarbeit (BMZ) von der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusam‐ menarbeit (GIZ) beauftragte Studie zum Themenbereich „Menschenrechte und Tourismus“ untersuchte systematisch Fälle von Menschenrechtsver‐ letzungen im Tourismus (Baumgartner et al. 2015; Baumgartner, 2017). Es stellte sich heraus, dass besonders häufig das Recht auf angemessene Lebensstandards (Wohnen, Nahrung, Essen) und das Recht auf menschen‐ würdige Arbeit verletzt wurde. Eine große Anzahl von Fällen bezog sich auf Gemeinschaften (Communities), die komplett umgesiedelt wurden, weil das Land für touristische Bauprojekte benötigt wurde. Die Studie zeigt auch, dass sogenannte Verfahrensrechte besonders oft betroffen sind. Bei diesen handelt es sich um Rechte, die eine Beteiligung ermöglichen. Dazu gehören das Recht auf Information ebenso wie das Recht auf die Beteiligung an Entscheidungsprozessen. In vielen Fällen wird das grundlegende Recht auf Schutz vor Diskriminierung missachtet. Betroffene der Menschenrechts‐ verletzungen sind sowohl im Tourismus beschäftigte Personen als auch Einheimische. Einheimische sind nicht nur von dem oben genannten Land‐ raub betroffen, sondern auch durch eine Verschlechterung der Versorgung mit Wasser durch konkurrierende Nutzung oder steigende Preise und ver‐ änderte Lebensbedingungen. Deutlich zeigte sich die Betroffenheit bereits 3.6 Verantwortung, Menschenrechte und Empowerment 69 <?page no="70"?> benachteiligter Bevölkerungsgruppen wie Frauen und Mädchen, Kinder (→ Abschnitt unten) und indigene Bevölkerung. Letztere erfahren zwar durch die UN Deklaration zum Recht der indigenen Bevölkerung (United Nations Declaration on the Rights of Indigenous Peoples UNDRIP) beson‐ deren Schutz (United Nations, 2007), der jedoch vielfach nicht umgesetzt wird. Tipp │ Cultural Survival Die Organisation Cultural Survival fördert bereits seit 1972 die Rechte indigener Bevölkerungsgruppen und Communities und unterstützt sie beim Erhalt ihrer Kultur und Lebemsweisen. Die in den USA registrierte Non-Profit-Organisation wird von Menschen mit indigenem Hinter‐ grund geleitet. Vision: „Cultural Survival envisions a future that respects and honors Indigenous Peoples' inherent rights and dynamic cultures, deeply and richly interwoven in lands, languages, spiritual traditions, and artistic expression, rooted in self-determination and self-governance.“ (Cultural Survival, 2023) Cultural Survival dokumentiert Menschenrechtsverletzungen sowie die Verletzung der Rechte indigener Bevölkerungsgruppen basierend auf der UN Deklaration zum Recht der indigenen Bevölkerung und dem Übereinkommen 169 der Internationalen Arbeitsorganisation ILO (Übereinkommen über eingeborene und in Stämmen lebende Völker in unabhängigen Ländern, 1989). In vielen Berichten wird der Zusammen‐ hang mit touristischen Aktivitäten deutlich, bspw. die Zerstörung von Flora und Fauna oder die Diskriminierung und sexuelle Ausbeutung indigener Frauen und Mädchen (Cultural Survival Oktober 2023). 🔗 https: / / www.culturalsurvival.org/ Hinsichtlich der Verursacher: innen von Menschenrechtsverletzungen zeichnet sich eine Beteiligung von lokalen, nationalen und internationalen Institutionen (Behörden und Verbände) und Wirtschaftsunternehmen ab, die häufig gemeinsam agieren. Cole (2017) illustriert die Verflechtung am Beispiel vom Umgang mit Wasser am Beispiel von Indonesien. Sie berück‐ sichtigt insbesondere die Auswirkungen von Wasserverknappung auf das Leben von Frauen (gender-water-tourism nexus). Tourist: innen verstoßen 70 3 Worum geht es? Grundlagen <?page no="71"?> insbesondere im Umfeld sexueller Ausbeutung gegen Menschenrechte so‐ wie bei der Verletzung der Privatsphäre. Hinzu kommen diskriminierende Äußerungen und Handlungen insbesondere gegenüber Mitarbeitenden in der Beherbergung (Baumgartner et al., 2015). Neben der systematischen Erfassung von Menschenrechtsverletzungen erfolgte in der Studie eine Analyse der Einflussmöglichkeiten von Stake‐ holdern sowie die Erarbeitung und Bewertung möglicher Maßnahmen hinsichtlich ihrer Wirksamkeit. Neben den bereits genannten Konventionen der UN und der ILO haben sowohl UNWTO (UNWTO Code of Ethics) als auch OECD Rahmenwerke geschaffen, die Menschenrechte im Tourismus schützen sollen. Der Hauptkritikpunkt ist neben der Vagheit vieler Aussagen insbesondere die fehlende Verbindlichkeit in Kombination mit einer gerin‐ gen Anzahl von Prüfmechanismen. Die Verfasser der Studie verweisen auf Beispiele, in denen Tourismusunternehmen (internationaler Hotelkonzern) und Gewerkschaft sich bilateral auf die Umsetzung und Achtung von Menschenrechten der Beschäftigten geeinigt haben. Da Reiseveranstalter sowohl verschiedene Dienstleister zusammenfassen und anbieten als auch in unterschiedlichen Ländern aktiv sind, können sie eine zentrale Rolle bei der Gestaltung des Tourismus übernehmen. Ein prominentes Beispiel ist Kuoni, die 2012 eine Verpflichtungserklärung über die Menschenrechte implementierte und darüber hinaus gemeinsam mit anderen Reiseveranstal‐ tern und NGOs die Plattform Roundtable Human Rights in Tourism (→-Box: Roundtable) gründete. Wissen │ Roundtable Human Rights in Tourism Der Roundtable Human Rights in Tourism ist ein gemeinnütziger Verein nach deutschem Recht. Es handelt sich um eine internationale Initiative, die unterschiedliche Stakeholder zusammenbringt, um Menschenrechte im Tourismus zu fördern. Zu den Mitgliedern gehören u. a. Reiseveran‐ stalter, Verbände und Vereine. Auf der Website werden Publikationen, weiterführende Links und Instrumente wie das Get Started Tool angebo‐ ten. 🔗 https: / / www.humanrights-in-tourism.net/ Die vorgestellte Studie ist nur eine von vielen, welche die oben bereits adressierte besondere Betroffenheit von Frauen und Mädchen im Tourismus 3.6 Verantwortung, Menschenrechte und Empowerment 71 <?page no="72"?> einhergehend mit der Verletzung ihrer Rechte adressiert (vgl. Publikationen von Tourism Concern, Tourism Watch und Equations). Frauenrechte im Tourismus Ausgehend von der zuvor formulierten besonderen Betroffenheit von Frauen und Mädchen wird in diesem Abschnitt ergänzend zu den Men‐ schenrechten auf die Situationen der Rechte von Frauen im Tourismus eingegangen. Eine wichtige Erweiterung der UN Menschenrechte erfolgte durch die 1979 verabschiedete United Nations Convention on the Elimination of All Forms of Discrimination against Women (CEDAW), auch bekannt als Inter‐ national Bill of Women’s Rights (Internationale Charta der Rechte von Frauen). Vor dem Hintergrund eines hohen Anteils weiblicher Beschäftig‐ ter im Tourismus und der immensen Auswirkungen des Tourismus auf die Lebensbedingungen von Frauen wird die Relevanz verständlich. Zen‐ trale Handlungsfelder sind die Verhinderung von Diskriminierung und die Erreichung von Gleichstellung und Gleichbehandlung, der Umgang mit Intersektionalität (→ Box), Genderstereotype sowie die Rolle von Frauen (und Mädchen) im Kontext von Kriegen, Klimawandel und Krankheiten. Wissen │ Intersektionalität „Unter Intersektionalität wird […] verstanden, dass soziale Kategorien wie Gender, Ethnizität, Nation oder Klasse nicht isoliert voneinander konzeptu‐ alisiert werden können, sondern in ihren ,Verwobenheiten‘ oder ,Überkreu‐ zungen‘ (intersections)“. (Walgenbach, 2021, o. S.) Empfehlung: Weitere Informationen finden sich im Portal Intersekti‐ onalität: 🔗 http: / / portal-intersektionalitaet.de Auch nach mehr als 40 Jahren zeigen aktuelle Statistiken (z. B. zu ungleicher Bezahlung, fehlendem Zugang zu Bildung und häuslicher Gewalt), dass geforderte Umsetzungen in Politik, Wirtschaft und Alltag nur stockend ge‐ lingen und sich im Gegenteil in vielen Ländern sogar eine Verschlechterung der politischen, ökonomischen und sozialen Position von Frauen abzeichnet (UN 2023; UN Women, 2023). 72 3 Worum geht es? Grundlagen <?page no="73"?> 7 Die Türkei war eines der ersten Länder, das die Konvention unterzeichneten und 2021 das erste, das sie verließ. 8 Die Formulierung des Schutzes vor häuslicher Gewalt schließt alle Gender mit ein. Der Europarat initiierte die 2011 verabschiedete und 2018 (für Deutsch‐ land) in Kraft getretene Istanbul 7 Konvention (Übereinkommen des Euro‐ parats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt) (Council of Europe, 2011). Dabei handelt es sich um ein Abkommen zum besseren Schutz von Frauen und Mädchen, in dem sich die Unterzeichnerstaaten verpflichten, Gewalt gegen Frauen 8 zu bekämpfen. Das erfordert, dass die Mitgliedstaaten ihre Gesetzgebung dementsprechend reformieren. Tipp │ UN Women Gesetzestexte sowie weitere Publikationen zu unterschiedlichen The‐ menfeldern finden Sie in der Digitalen Bibliothek der United Nations Women: 🔗 https: / / www.unwomen.org/ en/ digital-library Detaillierte Informationen zur Umsetzung der Istanbul Konvention in Deutschland finden Sie auf der folgenden Website: 🔗 https: / / unwomen.de/ die-istanbul-konvention/ Die UNWTO (2019) hat den zweiten Global Report on Women in Tourism veröffentlicht. Im Mittelpunkt der Betrachtungen stehen die folgenden fünf Punkte, die jeder neben dem SDG 5 (Sustainable Development Goals, Gender Equality) mindestens ein weiteres SDG adressieren. 1. Beschäftigung (employment): SDG 5, SDG 8 2. Unternehmertum (entrepreneurship): SDG 5, SDG 8, SDG 16 3. Bildung und Ausbildung (education): SDG 4, SDG 5, SDG 8 4. Führung, Politik und Entscheidungsfindung (leadership): SDG 5, SDG 16 5. Gemeinschaft und Zivilgesellschaft (community): SDG 5, SDG 16, SDG 17 Der Bericht liefert für jeden der fünf genannten Bereiche Daten und Erkenntnisse sowie Praxisbeispiele. Dabei werden die Regionen Afrika, Asien und Pazifik, Europa, Lateinamerika und Karibik separat betrachtet. 3.6 Verantwortung, Menschenrechte und Empowerment 73 <?page no="74"?> Bei der Analyse einzelner Sparten stehen verschiedene Aspekte im Mittel‐ punkt. So sind die Themen digitale Plattformen und Technologien noch zu entwickelnde Bereiche. Bei den Handlungsfeldern Beherbergung und Reiseveranstalter steht im Vordergrund, die bereits existierenden gender‐ basierten Unterschiede (u. a. gender pay gap = ungleiche Bezahlung für Frauen und Männer) zu reduzieren. Community-based Tourism kann als Querschnittsindustrie gesehen werden, die neben kulturellen, sportlichen und regional-spezifischen Aktivitäten ebenfalls die Beherbergung umfasst. Der sehr optimistisch formulierte Bericht der UNWTO sollte um aktuelle Zahlen auf dem oben bereits genannten Themenfeld Gendergerechtigkeit und Gendergleichheit ergänzt werden. So zeigen Daten zu ungleicher Bezahlung, zu Hierarchien und zu sexueller Belästigung am Arbeitsplatz deutlich, wie stark die vermeintlich frauendominierte Tourismusbranche durch Diskriminierung und Ungleichheit geprägt ist (vgl. Cole, 2018; Enloe, 2014; Heuwinkel, 2021a; Heuwinkel, 2024). Gesellschaftlich konstruierte Strukturen und Verhaltensweisen prägen und dominieren den Tourismus trotz des hohen Anteils weiblicher Beschäf‐ tigter. So finden sich mehr Männer im (besser angesehenen und bezahlten) Technikbereich und mehr Frauen im (schlechter angesehenen) Servicebe‐ reich. Ebenfalls existieren hierarchische Anordnungen innerhalb einzelnen Berufsfelder (Pilot/ Flugbegleiterin, Hoteldirektor/ Zimmermädchen). Diese finden eine Fortsetzung innerhalb der Führungsetagen. Es handelt sich somit um ein durchgängiges Muster, das im Sinne Bourdieus (2020) Gesellschaft organisiert und Vorstellungen von Menschen hinsichtlich ihrer Fähigkeiten prägt. Aitchinson et al. (1999) beschrieben bereits vor mehr als 20 Jahren diese horizontale und vertikale genderbasierte Segregation. Kinderrechte und Schutz von Kindern Der Schutz von Kindern weltweit hat seit 1989 eine rechtliche Verankerung in Form der UN-Kinderrechtskonvention (UNICEF, 2023). Diese formuliert die besonderen Rechte von Kindern ausgehend von ihren Bedürfnissen und Interessen. Zu diesen gehören insbesondere das Recht auf Freizeit, das Recht auf Bildung und das Recht auf Schutz vor Gewalt. 74 3 Worum geht es? Grundlagen <?page no="75"?> 9 Laut UNICEF gilt jeder Mensch als Kind, der das achtzehnte Lebensjahr noch nicht vollendet hat, es sei denn, die Volljährigkeit tritt nach dem auf das Kind anzuwendenden Recht früher ein. Wissen │ Get Started Tool Der Roundtable Human Rights in Tourism bietet auf der Website eine Risikoanalyse entlang der touristischen Wertschöpfungskette an. Reise‐ veranstalter, Transportunternehmen, Beherbergung, Gastronomie und Aktivitäten können separat betrachtet werden. Eine länderspezifische Analyse ist ebenfalls möglich. Die Abbildung zeigt einen Ausschnitt möglicher negativer Folgen und Rechtsverletzungen in der Beherber‐ gung. Abb. 12: Screenshot Roundtable Human Rights in Tourism (2023) Die Tourismusbranche dringt tief in die Lebenswirklichkeit von Kindern und Jugendliche vor und es kommt regelmäßig zu einer Verletzung der Rechte von Kindern (ECPAT, 2016). Ein erster Bereich umfasst Kinderarbeit 9 . So 3.6 Verantwortung, Menschenrechte und Empowerment 75 <?page no="76"?> 10 Bei Kindern (Personen unter 18 Jahren) sollte grundsätzlich von sexueller Ausbeutung (SECTT = sexual exploitation of children in travel and tourism) und nicht von Sex- oder Prostitutionstourismus gesprochen werden, um eine Abgrenzung zur (in manchen Ländern) legalen Prostitution hervorzuheben. Opfer sind sowohl weibliche als auch männliche Kinder. Touristische Infrastrukturen und Besonderheiten des Tourismus sind zentrale Elemente der Ausweitung sexueller Ausbeutung (ECPAT 2016, 2020). werden Kinder durch Unternehmen oder die Familie zur Arbeit verpflichtet und damit vom Schulbesuch abgehalten. Hinzu kommen schlechte Arbeits‐ bedingungen und fehlende Absicherungen. Besonders schwerwiegend ist der Bereich der sexuellen Ausbeutung 10 im Umfeld des Tourismus und touristischer Infrastrukturen (Vizcaino et al., 2020). Die Datenlage in den genannten Bereichen ist lückenhaft und es muss von einer hohen Dunkel‐ ziffer ausgegangen werden (Tourism Watch, 2016). Im Kontext des Community-based Tourism muss insbesondere auf die zusätzliche Gefährdung von Kindern geachtet werden, da viele Angebote den Besuch von Privaträumen oder auch von Kindergärten, Schulen und Freizeiteinrichtungen umfassen. Wissen │ ECPAT Deutschland e. V. ECPAT Deutschland ist ein bundesweiter Zusammenschluss von 28 Institutionen und Gruppen und ein Mitglied von ECPAT Internatio‐ nal, einer internationalen Kinderrechtsorganisation mit Sitz in Bang‐ kok/ Thailand. Dem Netzwerk gehören inzwischen 124 Mitglieder in 104 Ländern an (Stand: Februar 2023). Die Arbeit des Vereines und seiner Mitgliedsorganisationen wird vom Grundsatz geleitet, dass jedes Kind Anspruch auf umfassenden Schutz vor allen Formen der kommerziellen Ausbeutung und des sexuellen Missbrauchs hat. ECPAT Deutschland setzt sich dafür ein, dass die UN Konvention über die Rechte der Kinder eingehalten wird, Ursachen von Missachtung aufgezeigt und Verstöße mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln verfolgt werden. ECPAT Deutschland engagiert sich in verschiedenen Arbeitsbereichen (Politik, Justiz, Wirtschaft und Bildung) und führt in Zusammenarbeit mit staatlichen und nichtstaatlichen Organisationen Kampagnen und Projekte zur Sensibilisierung der Öffentlichkeit, Entwicklung von Prä‐ ventivmaßnahmen, Schaffung von rechtlichen Grundlagen zum Schutz der Kinder durch (ECPAT Deutschland, 2023). 76 3 Worum geht es? Grundlagen <?page no="77"?> SDGs als Rahmen für den Tourismus? Die Agenda 2030 und die Sustainable Development Goals (SDGs) finden zunehmend Berücksichtigung in unterschiedlichen gesellschaftlichen Berei‐ chen. Sowohl im Bildungsbereich (Bündnis für nachhaltige Entwicklung an Schulen) als auch in der Wirtschaft unter dem Stichwort der ESG-Berichter‐ stattung (Environmental, Social and Corporate Governance) dienen die SDGs als Rahmen. Nachhaltiger Tourismus ist in der Agenda 2030 an drei Stellen explizit genannt. Es handelt sich dabei um die SDGs 8 (Menschenwürdige Arbeit), 12 (Nachhaltiger Konsum und Produktion) und 14 (Life below water). Da es sich beim Tourismus jedoch um eine Querschnittsbranche handelt, sollten alle SDGs als relevant erachtet und systematisch adressiert werden. Die Transforming Tourism Initiative hat 2016 ein Kompendium veröffentlicht, das Möglichkeiten aufzeigt (TTI, 2017). Die UNWTO stellt ebenfalls dar, welchen Beitrag Tourismus zu den einzelnen SDGs leisten kann (UNWTO Tourism 4 SDGs). Als grundlegende Bedingungen für die Umsetzung der Agenda 2030 werden die Implementierung des Frameworks, angemessene Finanzierung und Investitionen in Infrastrukturen, Technologien und Men‐ schen (human resources) formuliert. Der Blick auf diese Formulierungen macht die von TTI in der Berlin Declaration (→ vgl. oben) formulierten Kritik verständlich. Der Zwischenbericht der UN zu den 17 SDGs und den 169 Unterzielen ist sehr ernüchternd (UN, 2023). Bei mehr als der Hälfte der Ziele wurde die geplante Umsetzung nicht ansatzweise erreicht. Besonders massiv ist dieses in den Bereichen Armut, Hunger, Klima- und Umweltschutz. Hinzu kommt die steigende Anzahl kriegerischer Konflikte, welche die Lebensgrundlagen von Menschen zerstört. 3.6 Verantwortung, Menschenrechte und Empowerment 77 <?page no="78"?> 11 Hinweis: Über kurz oder lang werden das alle Menschen sein, da die Auswirkungen nicht auf einzelne Regionen reduziert werden können. Abb. 13: SDGs (UN, 2023) Die Bilanz für den Tourismus fällt ebenso schlecht aus. Die Stellungnahmen zu den SDGs 4, 8, 10, 11, 12, 13, 15 und 16 a, b. c zeigen neben den Schwachstellen auch Möglichkeiten auf (Tourism Watch, 2023). An vielen Stellen wird deutlich, dass nur durch ein Umdenken und eine Transformation des Tourismus die Ziele erreicht werden können. Wesentlich sind gemeinsame und abgestimmte Handlungen und vor allem die Einbeziehung derer, die vom Tourismus und den Folgen desselben auf Umwelt, Wirtschaft und Gesellschaft besonders betroffen sind 11 . 3.7 Aktualität des Themas Die in diesem Kapitel dargestellten Hintergründe von Gesellschaft und Gemeinschaft, Kultur und Kulturtourismus, Tourismus und touristischem Handeln sowie den Folgen des Reisens stecken das Feld ab, in dem Community-based Tourism angesiedelt ist. Es zeigen sich mindestens vier Anspruchsgruppen, welche jeweils eigene Vorstellungen, Bedürfnisse und Interessen mit CBT als Synonym für eine andere Form des Reisens verbin‐ den: 78 3 Worum geht es? Grundlagen <?page no="79"?> 1. Reisende, die nach Nähe, Verbundenheit und dem echten Leben suchen. Viele von ihnen wollen sich vom negativ besetzten Mainstream Touris‐ mus absetzen. 2. Tourismusunternehmen resp. die Tourismuswirtschaft als System, die Bedürfnisse in Produkte überführen, welche die lokale Bevölkerung miteinschließen. 3. Lokale Bevölkerung, die (ungefragt) Element des Tourismus werden und mit den Folgen des Reisens konfrontiert sind. 4. NGOs und NPOs, die den Tourismus anders gestalten möchten, um negative Folgen zu minimieren oder von diesem zu profitieren. Die Fülle der - teils gegensätzlichen - Anforderungen ist bereits ein Grund dafür, warum CBT inzwischen viel Kritik erfährt und Menschen sich enttäuscht zeigen. Fraglich ist jedoch, ob das an dem Konzept des CBT oder an den falschen resp. überzogenen Erwartungen liegt. Um das zu klären, wird im nächsten Kapitel das grundlegende Konzept bzw. CBT als Sammelbegriff vorgestellt. Dabei wird sich herausstellen, dass ein großer Unterschied zwischen Theorie und Praxis besteht (Trejos & Chiang, 2009; Rodrigues & Prideaux, 2018) und eine Anpassung des Konzepts erforderlich ist. Denkübung │ Nutzen Sie das Get Started Tool vom Roundtable Human Rights in Tourism ( 🔗 https: / / www.humanrights-in-tourism.net/ get-st arted). Wählen Sie zwei Leistungserbringer aus der touristischen Wert‐ schöpfungskette (value chain) aus ( 🔗 https: / / www.humanrights-in-to urism.net/ analyse-risks), z. B. Food & Beverage/ Restaurants. Lesen Sie die Beschreibung der möglichen Folgen für Communities (Community Impact). Diese ist unter Umständen nicht für alle Leistungserbringer formuliert. Überlegen Sie sich als nächstes Maßnahmen, um negativen Folgen zu reduzieren. Wählen Sie dann die Option Learn more und lesen Sie die Angaben zu einem der Best-Practice-Beispiele. Gleichen Sie die dort beschriebene Lösung mit den von Ihnen entwickelten Maßnahmen ab. Aus tourismussoziologischer Sicht handelt es sich um ein äußerst relevantes Thema, da es auf die Grundfragen des menschlichen Zusammenlebens und -wirkens verweist. Für die Tourismuswissenschaft und dort insbesondere 3.7 Aktualität des Themas 79 <?page no="80"?> für den Bereich der touristischen Nachhaltigkeitsforschung (Tourism Sus‐ tainability Research) zeigt eine Meta-Analyse (Roberts et a., 2022), dass CBT-Themen wie Residents’ perspective (11,7 Prozent der Artikel) und Community-based operations (10,7 Prozent der Artikel) einen hohen Anteil ausmachen. Im nächsten Kapitel wird das resp. die Konzepte des CBT vorgestellt. 80 3 Worum geht es? Grundlagen <?page no="81"?> 4 Worüber reden wir? Begriffe und Konzepte In den ersten drei Kapiteln erfolgte eine Annäherung an das Thema Com‐ munity-based Tourism (CBT). Die beschriebenen Beispiele sowie die Klärung zentraler Elemente - u. a. Community, Kultur, Tourismus und Verantwor‐ tung - haben ein erstes Verständnis für den Bereich des CBT geschaffen. Es wurde bereits deutlich, dass CBT in einem sehr anspruchsvollen Bereich angesiedelt ist und sehr komplexe Probleme adressiert. In diesem Kapitel stehen sowohl das zentrale Konzept des CBT als auch die Bausteine desselben im Mittelpunkt. Nach einer Vorstellung von mit dem CBT verbundenen Begriffen und Definitionen sowie einer Darstel‐ lung der geschichtlichen Entwicklung wird auf die fünf Bs: Beteiligung, Berücksichtigung, Benefit, Begegnung und Bewertung eingegangen. Diese wurden ausgehend von vorliegender Literatur und bezugnehmend auf relevante Modelle wie das Drei-Säulen-Modell der Nachhaltigkeit oder das Modell von Rozemeijer et al. (2001) zur Bewertung von CBT für dieses Buch entwickelt. Lernergebnisse dieses Kapitels ● Sie haben ein Verständnis für die Vielfältigkeit des Begriffs Com‐ munity-based Tourism (CBT) entwickelt und können die Verwen‐ dung kritisch reflektieren. ● Sie sind in der Lage, CBT als Strategie und als einzelne Projekte in Relation zu ökologischen, ökonomischen, gesellschaftlichen und politischen Zielen zu setzen. ● Sie können das Konzept des Community-based Tourism ausgehend vom Oberbegriff der Beteiligung erläutern und weiter in die Elemente Berücksichtigung, Benefit, Begegnung und Bewertung unterteilen. ● Sie haben einen kritischen Blick für die mit CBT verbundenen Erwartungen vor dem Hintergrund etablierter touristischer und gesellschaftlicher Praktiken entwickelt. <?page no="82"?> 4.1 Die Konzepte des CBT Community-based Tourism (CBT) ist kein klar abgegrenzter Begriff, sondern dient als ein Oberbegriff (umbrella term), der eine Vielzahl von touristischen Angeboten und Aktivitäten umfasst, die sich dadurch hervorheben, dass die Interessen der lokalen Bevölkerung berücksichtigt werden (Ishihara, 2020). Damit verbunden sind die Annahmen, dass erstens CBT vorwiegend positive Effekte für die Bevölkerung hat und zweitens die Reisenden eine andere Art von Erlebnis (→ Box: Experience in Kapitel 3.2) und Interaktion suchen. Daraus resultierend findet oft eine Abgrenzung vom Pauschal- und Massentourismus statt (vgl. exemplarisch Armstrong, 2012; Lwoga, 2019). Die damit verbundene pauschale Abwertung des standardisierten und kommodifizierten Tourismus und die ebenfalls pauschale Aufwertung des CBT ist verkürzt. So wenig wie der Massentourismus immer vor allem negative Auswirkungen hat, ist CBT automatisch gut für Bevölkerung, Umwelt und lokale Wirtschaft (vgl. dazu Mundt, 2011). Die Kontrastierung ist eine Fortsetzung der Debatte um Reisende im Gegensatz zu Tourist: innen (→-Box: Reisende und Tourist: innen). Wissen │ Reisende und Tourist: innen Seitdem das Reisen u. a. durch entsprechende Infrastrukturen für eine große Anzahl von Menschen ermöglicht wurde, werden Reisende und Tourist: innen nicht nur gegenübergestellt, sondern auch bewertet: Rei‐ sende sind die „guten“ und Tourist: innen die „schlechten“ Menschen, die unterwegs sind. Interessanterweise erfolgt diese Bewertung immer aus Sicht der Guten und ermöglicht somit eine Distinktion der wenigen von der Masse. Die Soziologie (vgl. exemplarisch Bourdieu, 1987) bietet sehr gute Erklärungsansätze für dieses Phänomen, das eng mit Macht verbunden ist, an. Eine Vielzahl früher Arbeiten zum Tourismus (vgl. exemplarisch Boors‐ tin, 1964 oder Turner & Ash, 1975) beschreibt Tourist: innen als eine Masse oberflächlicher, leicht zu befriedigender Wesen, die sich nur zu gerne von der Tourismuswirtschaft betrügen lassen. Tourist: innen sind in diesen Beschreibungen ignorant und haben kein Interesse an einem echten Kontakt zu den Einheimischen. Die Reisenden hingegen - so wird pauschal festgestellt - haben Interesse an Land und Kultur, können fremde Kulturen verstehen und sinnvoll agieren. 82 4 Worüber reden wir? Begriffe und Konzepte <?page no="83"?> Macca (2023) schreibt in seinem Blog An Adventurous World: „Travellers care about the culture and societies they are visiting. Travellers care about the people they are meeting, both locals and foreigners alike. Travellers care about the way they travel, they want to discover and explore but in a sustainable way. Travellers just care.“ Er bezieht sich auf die innere Haltung und meint, dass diese bei Reisenden im Gegensatz zu Tourist: innen eine ist, die ein Interesse einschließt. Der Ausdruck „I care“ beschreibt ein Bewusstsein für das Umfeld und eine Bereitschaft das eigene Verhalten anzupassen, sich zu kümmern. Darüber hinaus wird angenommen, dass auch die Fähigkeit dazu gegeben ist, möglichst „gut“ zu reisen. Gerade letzteres beruht jedoch auf einem Trugschluss: Nur weil ein Mensch sich für ein Land und eine Kultur interessiert und meint, sich gut zu verhalten, muss das nicht unbedingt so sein. Unter Umständen hat das gut gemeinte Verhalten negativere Folgen als ein nicht reflektiertes Handeln. Weiterhin ist fraglich, ob und wie von außen die erwähnte Einstel‐ lung des I care festgestellt werden kann. Sind alle Personen, die eine Pauschalreise buchen automatisch uninteressiert und alle Backpacker interessiert? Was muss bewertet werden: Die Absicht, das Handeln oder die intendierten und nicht-intendierten Folgen des Handels? Diese und weitere Fragen gehören in den Bereich der Moraltheorien und zeigen, wie eng Tourismus mit großen Fragen verbunden ist. Ein weiteres aktuelles Beispiel für diese Gegenüberstellung äußerte der Bürgermeister von Mont St. Michel in einem Interview: Während Besuchende resp. Reisende die Stadt fotografieren, fotografieren Tou‐ rist: innen nur sich selbst. Er nutzt die Gegenüberstellung jedoch nicht, um zu werten, sondern um verschiedene Ansprüche und den Umgang damit zu zeigen (Die Zeit vom 12. August 2023). Die Vielschichtigkeit des Begriffs CBT zeigt sich u. a. darin, dass er häufig in Zusammenhang mit anderen Formen des Tourismus genannt wird oder auch als Synonym gilt. Beispiele sind: ● Begriffe, die auf Einstellung, Verhaltensweisen und Folgen fokussie‐ ren: Responsible, sustainable, fair, philantrophic, participatory, capacity buil‐ ding tourism. Die neuste Ausprägung ist der regenerative tourism. 4.1 Die Konzepte des CBT 83 <?page no="84"?> ● Begriffe, die Lebensumstände betonen: Slum, township, favela, (pro) poor tourism. ● Begriffe, die das Setting beschreiben: Nature, ecological, rural, wildlife, indigenous, authentic tourism. ● Begriffe, die auf Aktivitäten verweisen: Creative, cultural tourism. Oft werden die genannten englischen Begriffe auch in der deutschspra‐ chigen Literatur verwendet. Das liegt u. a. daran, dass deutschsprachige Entsprechungen holprig klingen (z. B. Armutsvierteltourismus, Kreativtou‐ rismus) oder dass sie nicht den Sinn des englischen Begriffs wiedergeben. So ist, wie eingangs bereits beschrieben, der deutsche Begriff der Nachhal‐ tigkeit enger mit ökologischen Aspekten verbunden, als es Sustainability ist. Ein Beispiel für einen deutschen Begriff, der keine englische Entsprechung hat, ist sanfter Tourismus. Die vier oben genannten Gruppen können weiter zusammengefasst werden: Erstens in verhaltensbezogene Begriffe und zweitens in Setting-be‐ zogene Aspekte. Verhalten Setting Responsible, sustainable, fair, participa‐ tory, capacity building tourism / die neu‐ este Ausprägung ist der regenerative tourism. ▶ Einstellungen der Reisenden Slum, township, favela, (pro) poor tourism. ▶ urbane Räume Creative, cultural tourism. ▶ Aktivitäten der Reisenden - Nature, ecological, rural, wildlife, indige‐ nous, authentic tourism. ▶ ländlicher Raum - Tab. 2: CBT-Begriffe (eigene Zusammenstellung) In vielen Fällen wird der Begriff recht flexibel verwendet und in der Literatur variieren die Definitionen in Länge und Inhalt. „[…] managed and owned by the community, for the community“ (Asker et al., 2010, S.-2). „[CBT is] where the local community has substantial control over, and involve‐ ment in, its development and management, and a major proportion of the benefits 84 4 Worüber reden wir? Begriffe und Konzepte <?page no="85"?> remain within the community.“ (WWF, 2001, zitiert in Goodwin & Santili, 2009, S.-11) „Community-based tourism (CBT) refers to tourism that involves local commu‐ nities, occurs on lands, and is based on their cultural attractions and the natural assets found in their areas.“ (Nelson, 2004, S.-2) „Community-based tourism (CBT) is a form of tourism that involves tourists visi‐ ting and experiencing local community’s cultural and natural heritage resources, where the community has a substantial control over, and involvement in their development and management, and where a major proportion of the benefits remain within the community.“ (Lwoga, 2019, S.-409) „CBT can [..] be defined as tourism owned and/ or managed by communities and intended to deliver wider community benefit.“ (Goodwin & Santili, 2009, S.-12) „CBT is a strategy to enhance community development through tourism where community members are the owners and managers of the tourism projects/ ven‐ tures. In other words, community members maintain control of tourism develop‐ ment (including tourism facilities, services and decision-making) within their areas.“ (Giampiccoli et al., 2014, S.-1155) „Urlaub in kleineren Gemeinschaften, abseits vom (Massen-)Tourismus, mit dem Ziel, in engeren Kontakt mit der einheimischen Bevölkerung zu kommen und deren Leben, Kultur und Umwelt kennen zu lernen - das ist "Community Based Tourism" (CBT).“ (Tourism Watch, 2011, o. S.) Die am häufigsten verwendeten Schlagwörter sind Beteiligung oder Parti‐ zipation, Empowerment, Entwicklung und kollektive Vorteile für die lokale Gemeinschaft. Die zentrale Idee ist, dass Tourismus, der auf lokalen Bege‐ benheiten und Ressourcen beruht und massive Auswirkungen auf diese hat, zum Nutzen derselben gestaltet sein sollte. Definition für dieses Buch | Community-based Tourism Community-based Tourism ist ein Sammelbegriff für Tourismus, der die Interessen der lokalen Bevölkerung berücksichtigt, diese in Planung, Durchführung und Verwertung einbezieht und zum Nutzen derselben beiträgt. 4.1 Die Konzepte des CBT 85 <?page no="86"?> Nicht geklärt ist der Begriff der Community. Es fällt auf, dass viele Defini‐ tionen von local communities sprechen und damit sowohl einen räumlichen Bezug als auch eine Abgrenzung über die Lokalität herstellen. Demnach ist lokale Ansässigkeit im Kontext des CBT ein Kriterium für eine Community. In Fällen der Ansiedlung des CBT im ländlichen Raum ist eine Abgrenzung relativ einfach über die Grenzen des Dorfes resp. Ortes erreichbar. Die Kar‐ ten (→ vgl. Abb. 14 und 15) zeigen das Dorf Kotschkor (ca. 10.000 Menschen), das in der Region Naryn und 45 km entfernt von der nächsten Stadt liegt. Es weist eine CBT-Struktur mit einer Informationsstelle, Gasthäusern, dem Verkauf von Souvenirs und dem Startpunkt für geführte Wanderungen oder Ausflüge mit dem Pferd auf. Noch eindeutiger ist die Abgrenzung im Falle der Community auf der Insel Taquile (→-Kapitel 2 Geschichte). Abb. 14: Kotschkor (kirg.: • • • • • • •••••••••••• Quelle: OpenStreetMap) Abb. 14: Kotschkor (kirg.: Кочкор) (OpenStreetMap) 86 4 Worüber reden wir? Begriffe und Konzepte <?page no="87"?> Abb. 15: CBT in Kotschkor(Quelle: OpenStreetMap) Abb. 15: CBT in Kotschkor (OpenStreetMap) Wenn es sich jedoch um urbane Räume handelt, wird die räumliche Eingren‐ zung komplizierter und es kommen als wichtige Kriterien das Gefühl der Verbundenheit und ein Bewusstsein über die Verbindung hinzu. In solchen Fällen findet der Begriff der Nachbarschaft (neighbourhood) Verwendung. Prominente Beispiele sind CBT-Angebote in Townships wie Langa und Khayelitsha (→-Beispiele Rachel und Juma in Kapitel 2). Abb. 16: Langa, Kapstadt (Quelle: OpenStreetMap) Abb. 16: Langa, Kapstadt (OpenStreetMap) 4.1 Die Konzepte des CBT 87 <?page no="88"?> Abb. 17: Khayelitsha, Kapstadt (Quelle: OpenStreetMap) Abb. 17: Khayelitsha, Kapstadt (OpenStreetMap) Lange Zeit wurde CBT in direkten Bezug zu Developing Countries (→-Box) gesetzt, da für diese der Tourismus eine größere wirtschaftliche Bedeutung als für Länder mit umfassenden Industrie- und Wirtschaftssystemen hat. Wissen │ Developing Countries und Globaler Süden Es finden sich unterschiedliche Sammelbegriffe, die den wirtschaft‐ lich-technischen Entwicklungsstand von Staaten beschreibt. Der Begriff Entwicklungsland wurde in der Zeit zwischen 1950 und 1970 für Staaten verwendet, die einen geringen Entwicklungsstand hatten. Kriterien waren u. a. Infrastruktur (Wirtschaft, Bildung, Gesundheit), Lebensstan‐ dard und Arbeitslosenquote. Seit 1970 wird von weniger entwickelten Ländern und am wenigsten entwickelten Ländern gesprochen. Das Development Assistance Committee (DAC) der OECD veröffentlicht alle drei Jahre eine Liste, die Staaten ausgehend vom Pro-Kopf-Einkommen in vier Kategorien einordnet. Kritisch an den Begriffen und an der daraus resultierenden Einteilung ist die Dominanz der Perspektive von Industrienationen, die wirtschaft‐ 88 4 Worüber reden wir? Begriffe und Konzepte <?page no="89"?> lichen Wachstum in den Mittelpunkt stellen. Dadurch werden andere Aspekte wie beispielsweise extreme Einkommensunterschiede in einem Land (vgl. Gini-Koeffizient) nicht berücksichtigt. Alternative Begriffe, die sich von der Zentrierung auf Industrienationen lösen und auf die globalen Zusammenhänge sowie Benachteiligung im globalen Kontext verweisen sind „Globaler Süden“ und „Globaler Norden“. Auch wenn viele Länder des Globalen Südens geografisch auf der Südhalbkugel liegen, betont der Begriff die wirtschaftlich, politische oder gesellschaftliche Benachteiligung und Marginalisierung. Dement‐ sprechend gehören Australien und Neuseeland nicht zum Globalen Süden, sondern zum Globalen Norden. Zum Weiterlesen: Development Assistance Committee (DAC): 🔗 https: / / www.oecd.org/ dac/ development-assistance-committee/ Gini-Koeffizient: 🔗 https: / / www.diw.de/ de/ diw_01.c.413334.de/ gini-koeffizient.html Liste der Länder des Globalen Südens: 🔗 http: / / www.fc-ssc.org/ en/ partnership_program/ south_south_coun tries Die Fallbeispiele in (→ Kapitel 2 Einige Geschichten) haben bereits gezeigt, dass sich die geografische Verteilung von CBT in den letzten Jahren deutlich verschoben hat. Gründe und Folgen dafür werden in (→ Kapitel 7) disku‐ tiert. Ein Blick in die Geschichte des CBT deckt einige Entwicklungslinien auf, die entscheidend für ein Verständnis der Möglichkeiten und Herausforde‐ rungen des CBT sind. Geschichte In Abhängigkeit vom Verständnis von Community-based Tourism können Anfänge unterschiedlich datiert werden. In der Literatur (Ishihara, 2020) werden häufig Aktivitäten der Vereinten Nationen (UN) und anderer Hilfs‐ organisationen aus den 1960er- und 1970er-Jahren als Start genannt. Es handelt sich dabei nicht um Tourismusvorhaben, sondern um Projekte 4.1 Die Konzepte des CBT 89 <?page no="90"?> zur Förderung und Entwicklung lokaler Gemeinschaften im Globalen Süden. Diese gehen einher mit dem Ansatz des Community-based Natural Resource Management (→ Box). Hilfs- und Entwicklungsprojekte wurden in kleineren Gemeinschaften (small-scale communities) verankert und setzten damit direkt vor Ort an. Diese Perspektive entwickelte sich zum wichtigsten Ansatz der Entwicklungsarbeit in den 1990er-Jahren. Wissen │ Community-based Natural Resource Management Community-based Natural Resource Management (CBNRM) ist ein de‐ zentraler Ansatz, der Bedürfnisse lokaler Gemeinschaften mit dem Schutz der dortigen Natur verbindet. Natürliche Ressourcen sollen durch die Gemeinschaft nachhaltig bewirtschaftet werden. Der Großteil der Projekte ist in offiziellen Schutzgebieten angesiedelt. Die dortigen natürlichen Ressourcen dürfen unter Berücksichtigung formaler Auflagen von den Einheimischen genutzt werden. Der Nutzen motiviert zum Schutz der Natur. Beispiel eines von der GIZ geförderten Projekts in Namibia: 🔗 https: / / www.giz.de/ en/ worldwide/ 60440.html Das Vorgehen der Grootbos Foundation (→ Kapitel 2) entspricht dem CBNRM. Vorgänger für CBNRM ist das Third System Project der IFDA International Foundation for Development Alternatives, das eine Verankerung von Entwicklungsprojekten in local spaces und der primary community sieht (Friedmann, 1992). Die soeben vorgestellte Entwicklungslinie setzt bei einem Verständnis von CBT an, das wirtschaftliche Entwicklung und die Förderung der einheimi‐ schen Bevölkerung in den Mittelpunkt stellt. Die zweite Entwicklungslinie geht einher mit der Entwicklung des Tou‐ rismus hin zum Massentourismus in den 1970er- und 1980er-Jahren und den damit verbundenen höheren Belastungen für die Umwelt und die lokale Bevölkerung. Daraus ergab sich die Debatte um Nachhaltigkeit. Diese bezog sich sowohl auf den Schutz der Umwelt als auch auf die Gestaltung der Beziehung von Einheimischen und Tourist: innen. Während die ökologischen Belastungen und die ökonomischen Poten‐ ziale dabei oft im Mittelpunkt standen, erfolgte unter dem Begriff des 90 4 Worüber reden wir? Begriffe und Konzepte <?page no="91"?> alternative tourism, die Diskussion um die Berücksichtigung der sozio-kultu‐ rellen Dimension und der verantwortungsvollen Gestaltung der Interaktion von Reisenden und Einheimischen (Lanfant & Graburn, 1992). Die lokale Bevölkerung sollte nicht wie bisher als ein passives Element betrachtet wer‐ den, das durch Tourismus beeinflusst ist, sondern als aktive und gestaltende Kraft. „The local society is no longer taken as passive but a capable of accepting or rejecting the dominant model or of coming up with its own.“ (Lanfant & Graburn, 1993, S.-111) Peter E. Murphy wies 1985 auf die besondere und mehrfache Bedeutung von Communities für den Tourismus hin. Sowohl Produkte und Dienstleistungen als auch das Image einer Destination hängen maßgeblich davon ab, wie die Einheimischen agieren und kooperieren. Mit Ausnahme von völlig abgeschotteten Resorts findet ein großer Teil touristischer Aktivitäten im öffentlichen Raum statt und nutzt öffentliche Infrastrukturen (→ Kapitel 3.1 Gemeinschaft und Public Goods). In den Aufbau und Erhalt fließen lokale Gelder ein und es kommt zu Begegnungen zwischen Einheimischen und Tourist: innen. Beispielsweise werden kulturelle und Sportveranstaltungen, Märkte, Parks und Friedhöfe von beiden Gruppen besucht. Schließlich sind die Einheimischen diejenigen, die mit den Folgen des Tourismus in der Destination leben müssen, während Tourist: innen bei Bedarf neue Ziele aufsuchen können. Das wesentliche Merkmal von CBT-Produkten ist, dass die lokale Bevölkerung diese ausgewählt haben und am Markt positionieren möchten. Murphy entwickelte ausgehend von diesem Ansatz einen Managementplan für CBT (→-Kapitel 4.6 Governance). „[…] it [the tourism product] is one which the community, as a whole, wishes to present to the tourism market.“ (Murphy, 1985, S.-37) Ein kritischer Hinweis bezieht sich darauf, dass viele Projekte in einem Umfeld stattfinden, das besondere Bedingungen aufweist und dass diese zu wenig berücksichtigt werden (Timothy, 1999, Tosun, 2000). Lanfant und Graburn (1992) sahen diesen Aspekt ebenfalls kritisch, wenn sie diskutierten, wer den Diskurs um alternative tourism initiiert und dominiert. Neue Aufmerksamkeit erhielt der Bereich der sozialen Folgen in den 2010er-Jahren durch die Debatte des Overtourismus. Diese fokussiert auf die Belastungen der Bevölkerung und die sich daraus formierenden Protest‐ bewegungen. Ein großer Unterschied zu den zuvor beschriebenen Entwick‐ 4.1 Die Konzepte des CBT 91 <?page no="92"?> lungen besteht in der geografischen Ansiedlung: So stehen beim Overtourism mit Orten wie Venedig, Barcelona, Lissabon und Berlin vor allem Städte des Globalen Nordens im Vordergrund und nicht wie bislang ländliche Gegenden im Globalen Süden. Ein weiterer Unterschied besteht im Umgang mit Tourismus: Während CBT die Einbeziehung von Communities in den Tourismus sowie die Inter‐ aktion fordert, ist ein Ziel der Overtourism-Debatte die Abschottung vom Tourismus resp. Tourist: innen. Eine letzte Entwicklungslinie setzt schon sehr früh - etwa um 1850 - an. Diese fokussiert auf den Besuch von Gegenden, die durch Armut geprägt sind. Steinbrink (2012, 2016) hat diesen Bereich sehr intensiv erforscht. Er sieht Anfänge des slum tourism oder auch slumming im Besuch von städtischen Armutsvierteln bereits im viktorianischen London und in ei‐ nigen US-amerikanischen Städten in den 1920er-Jahren. Die Suche nach Differenz, nach neuen Eindrücken und andererseits nach einer Bestätigung stereotyper Annahmen über die Welt sind zentrale Elemente dieser Form des Tourismus des Tourismus. So haben die meisten Tourismusformen historische Vorläufer. Steinbrink sieht slum tourism in die Tradition des „[…] tourist gaze at the poverty of Others” (Steinbrink, 2012, S. 6). Slums werden als die Gegend der Anderen, des Gegensatzes und des Dunklen konstruiert. Das an sich nicht fassbare Phänomen der Armut wird durch den Raum slum konkretisiert, visualisiert und damit fassbar gemacht. Das Andere konstituiert sich in Abhängigkeit vom Kontext auf unterschiedliche Arten. Während es im viktorianischen London das Unmoralische und in vielen Gegenden des Globalen Südens die Armut ist, verweist Steinbrink auch auf den Gegensatz von global (Reisende) und lokal (Community). Dieser Hinweis könnte noch präzisiert werden um fluide, losgelöste und haltlose versus verankert, tradiert und gefestigt. Dieser Gedanke wird in (→ Kapitel 5.2 weiter diskutiert werden. „[…] the slum was always construed and experienced as ‘the other side of the city’ and as the ‘place of the Other’.“ (Steinbrink, 2012, S.-17) Eine Besonderheit der letzten Entwicklungslinie ist, dass diese vor allem die Sicht der Reisenden und deren Motivation betrachtet und die Belange der Community nicht berücksichtigt. Im Gegensatz scheinen die Linien der wirtschaftlichen Entwicklung und der Nachhaltigkeit zu einem größeren Maße auf diese einzugehen. Die Armutslinie hat jedoch hohe Relevanz, da sie den Kern des CBT aufdeckt: die Potenziale für die Tourismuswirtschaft 92 4 Worüber reden wir? Begriffe und Konzepte <?page no="93"?> ausgehend vom touristischen Motiv des Anderen. Ohne dieses - so kann vermutet werden - gäbe es keinen CBT. Die fünf Bs des Community-based Tourism Ausgehend von den Definitionen und der Geschichte des CBT zeigt sich die Forderung nach einer Beteiligung (participation) der Community als das zentrale Element des CBT. Der Begriff Beteiligung adressiert jedoch unter‐ schiedliche Dimensionen, die vom Element der Einbeziehung des Anderen über eine grundlegende Aufmerksamkeit für Belange der Bevölkerung bis hin zur Befähigung derselben zur aktiven politischen Interessensvertretung und der Kontrolle von Finanzen reicht. Um diese und andere Dimensionen differenziert betrachten zu können, empfiehlt sich die separate Analyse der folgenden vier Komponenten: 1. Berücksichtigung der Interessen der lokalen Bevölkerung sowie des natürlichen Umfeldes (politisch), 2. die faire Verteilung des generierten Benefits an alle Beteiligten und Betroffenen sowie eine faire Verteilung der Kosten (ökonomisch), 3. die Begegnung zwischen Reisenden und lokaler Bevölkerung (sozial), 4. die Bewertung der Projekte. Die vier Unterbegriffe zeigen Bezüge zu politischen, ökonomischen, ökolo‐ gischen oder sozialen Prozessen und bilden damit deutlich die Dimensionen der Nachhaltigkeit ab. In den nächsten Unterkapiteln werden die Begriffe separat erläutert. Abb. 18: 5-B-Modell des Community-based Tourism (eigene Darstellung) Bewertung Berücksichtigung Begegnung Benefit Beteiligung Abb. 18: 5-B-Modell des Community-based Tourism (eigene Darstellung) 4.1 Die Konzepte des CBT 93 <?page no="94"?> 12 Der Begriff Partizipation wird ebenfalls in anderen Bereichen wie der Gesundheitsför‐ derung, der Integration geflüchteter Menschen, Inklusion und der Pädagogik (Kinder‐ tagesstätten und Schulen) verwendet. 4.2 Berücksichtigung - Interessen und Empowerment Das erste B (Berücksichtigung) bildet die politische Perspektive ab und beschreibt, ob und wie unterschiedliche Interessen berücksichtigt werden. Ein zentrales Element davon sind die in → Kapitel 3.6 diskutierten Men‐ schenrechte. Unter dem Begriff der politischen Partizipation 12 werden Formen und Möglichkeiten von Mitgliedern einer Gemeinschaft zur Teilhabe, Einfluss‐ nahme und Interessensdurchsetzung diskutiert. Im Mittelpunkt steht die Frage, wie die Mitglieder ihre Wünsche und Ideen formulieren und in politische Institutionen und Prozesse einbringen können. Motiviert ist dieser Ansatz erstens durch Gestaltungsgrundsätze von Demokratien, die auf die Einflussnahme von Bürger: innen ausgerichtet sind. Zweitens soll durch die Beteiligung für Gerechtigkeit, Innovation und kulturelle Verständigung innerhalb verschiedener Bevölkerungsgruppen gesorgt und drittens staatliche Steuerungsprobleme gelöst werden. Partizi‐ pation dient sowohl der Stärkung der Persönlichkeit als auch der Integration und Aushandlung moralischer Vorstellungen und sollte bereits Element der (früh)kindlichen Erziehung sein (Betz, Gaiser, & Pluto, 2010). Denkübung | Lesen Sie noch einmal kritisch den obigen Absatz: Welche Perspektive dominiert bei den Formulierungen? Welche Annahmen, z. B. über Demokratie, Persönlichkeit, Entwicklung von Kindern, wer‐ den vorausgesetzt? Welche Rahmenbedingungen müssen für politische Partizipation gegeben sein? Wer initiiert Partizipation? Wie schätzen Sie die Übertragbarkeit auf andere Kulturen ein? Partizipation findet sich in unterschiedlichen Ausprägungen einschließlich einer Nicht-Partizipation. Eines der ersten Modelle zur Partizipation stammt von Arnstein (1969), die für ihr Modell (ladder of citizen participation) die Metapher einer Leiter mit acht Sprossen - Manipulation und Therapie, Information, Beratung und Vermittlung sowie Partnerschaft, Machtübertra‐ gung und Kontrolle - wählte. Ihr Artikel fokussiert auf die Stärkung der Handlungsfähigkeit, der Kontrolle und vor allem der Macht der Bürger: in‐ 94 4 Worüber reden wir? Begriffe und Konzepte <?page no="95"?> nen. Arnstein macht deutlich, dass die im Zentrum stehende Umverteilung von Macht zugunsten der bisher ausgeschlossenen Bevölkerungsgruppen einhergeht mit Widerständen der bislang Machthabenden. Sie betont, dass die Stufen der Information, Beratung und Vermittlung nur Alibifunktionen (tokenism) sind. Erst mit Partnerschaft, Machtübertragung und Kontrolle durch Bürger: innen kommt es tatsächlich zur Partizipation. „[…] that citizen participation is a categorical term for citizen power. It is the redistribution of power that enables the have-not citizens, presently excluded from the political and economic processes, to be deliberately included in the future.“ (Arnstein, 1969, S.-216) Die von Arnstein definierten Stufen wurden sowohl in kleinere Einheiten zusammengefasst als auch um weitere Stufen ergänzt (Callahan, 2007). Oft wird nur zwischen Information, Deliberation und Kollaboration unterschie‐ den. Im ersten Fall werden Personen möglichst verständlich und transparent informiert. Sie haben jedoch nicht die Möglichkeit, Änderungen vorzu‐ schlagen. Im Gegensatz dazu ist die Einflussnahme bei der Deliberation vorgesehen. Die Meinungen werden gehört und beeinflussen im Idealfall die Entscheidung. Kollaboration bedeutet schließlich, dass Entscheidungen nur gemeinsam oder allein durch die betroffenen Personen umgesetzt werden. Die Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) unterscheidet zwischen a) Information der Bürger: innen über an‐ stehende Entscheidungen und deren Grundlagen, b) Beratung anstehender Entscheidungen mit Bürger: innen und c) Mitentscheidung der Bürger: innen (OECD, 2001). Übertragen auf den Community-based Tourism bedeutet Partizipation, dass mit einer Berücksichtigung der Community Veränderungen im Be‐ reich der Machtverteilung einhergehen, was neben einer ökonomischen Umverteilung unter Umständen auch eine Entscheidung gegen touristische Aktivitäten beinhalten kann, wenn die Community sich dagegen ausspricht. Während bei der auf Bürger: innen bezogenen Partizipation die Machtver‐ schiebungen innerhalb eines Staates geschehen, verändert CBT-Partizipa‐ tion das Verhältnis zwischen wirtschaftlichen Akteur: innen, die in den meisten Fällen aus verschiedenen Ländern stammen. Hinzu kommt bei der klassischen räumlichen Verteilung des CBT eine Hinterlegung mit der Beziehung zwischen Globalem Norden und Globalem Süden, was ebenfalls klar definierte Machtverteilungen umfasst. Somit müsste Partizipation im 4.2 Berücksichtigung - Interessen und Empowerment 95 <?page no="96"?> CBT gleich mehrere Machtunterschiede ausgleichen. Viele von diesen sind historisch gewachsen und tief in Kulturen verankert (Heuwinkel, 2019). Empowerment Partizipation setzt stillschweigend voraus, dass die zu beteiligenden Per‐ sonen in der Lage sind, mitzuwirken und mitzuentscheiden. Das erklärt, warum Debatten um Partizipation den Begriff Empowerment einschlie‐ ßen. Empowerment beschreibt einen Prozess, in dem Menschen Kontrolle über ihr Leben erhalten. Sie erkennen Zusammenhänge und können diese kritisch betrachten, um selbständig Entscheidungen zu treffen und erforder‐ liche Änderungen zu initiieren. Wesentlich dabei ist die gesellschaftliche Verankerung und die Veränderung von Machtstrukturen (Friedmann, 1992). Wissen │ Begriffsgeschichte und Kritik Der Begriff Empowerment wurde in den 1970er-Jahren durch soziale Be‐ wegungen in den USA, insbesondere Black Empowerment, geprägt. Ein zentrales Konzept (Freire, 2015) ist der Übergang von einem dominierten Bewusstsein (dominated consciousness) zu einem kritischen Bewusstsein (critical consciousness). Dieses soll durch Erziehung und Bildung in Kombination mit einer Umgestaltung der Bedingungen erfolgen (from understanding to acting). Dieser Ansatz wurde sowohl im Bereich der Entwicklungspolitik als auch vom Feminismus aufgenommen und er‐ hielt im Kontext von Women‘s Empowerment im Globalen Süden an Kraft. Zentral ist die Forderung nach umfassenden sozialen, politischen, kulturellen und wirtschaftlichen Veränderungen. Später fand eine enge Kopplung der Begriffe Empowerment und Armut statt (World Bank, 2000, S.-39): „[…] empowerment means enhancing the capacity of poor people to influ‐ ence the state institutions that affect their lives, by strengthening their participation in political processes and local decision-making.“ Die sich anschließende inflationäre und unspezifische Verwendung des Begriffs sowie die enge Kopplung mit Armut aber auch mit individuellen Interessen sind zentrale Kritikpunkte und haben dazu geführt, dass Em‐ powerment als ein auf gesellschaftliche Machtverhältnisse veränderndes 96 4 Worüber reden wir? Begriffe und Konzepte <?page no="97"?> Konzept an Kraft verloren hat. Calvès (2000) macht diese u. a. daran deutlich, dass inzwischen auch Bücher und Kurse zum Empowerment von Hunden angeboten werden. Empowerment im Sinne einer Machtumverteilung adressiert verschiedene Bereiche, die u. a. psychologische, soziale und politische Elemente umfassen (Friedmann, 1992): Eine erste Forderung bezieht sich auf die Stärkung der Persönlichkeit der einzelnen Mitglieder und der Entwicklung der Überzeu‐ gung etwas bewirken zu können. Die Community muss informiert sein und Zusammenhänge erkennen können, um dann ausgestattet mit den entsprechenden Ressourcen Entscheidungen treffen zu können. Bezogen auf den Tourismus bedeutet das, die Entwicklung eines Wissens über die Tourismuswirtschaft, über politische Zusammenhänge und nicht zuletzt auch über die Tourist: innen, ihre Kultur, Sprache und Interessen. Um sich in politische Prozesse einbringen zu können, muss ein Zugang zu diesen geschaffen werden. Politische Strukturen sowohl innerhalb der Community, der Region, des Landes und international sind so zu gestalten, dass die Community Einfluss nehmen kann. Viele lokale Gemeinschaften sind jedoch nicht ansatzweise so organisiert, dass sie Interessen formulieren und ein‐ bringen können. Hinzu kommt, dass nur in wenigen Ländern die Beteiligung lokaler Gemeinschaften institutionalisiert ist bzw. dass die verfügbaren Verfahren bekannt sind und genutzt werden. Denkübung | Informieren Sie sich über das politische System der BRD und die Möglichkeiten der Beteiligung auf lokaler Ebene. Stichworte sind formelle und informelle Beteiligungsverfahren, Informationsfrei‐ heit, Bürger: innenforum, Losverfahren, Planungsverfahren, Petitionen und Volksgesetzgebung. Welche Möglichkeiten existieren und wie wer‐ den diese genutzt? Kennen Sie eines dieser Verfahren oder waren Sie bereits an einem beteiligt? Umfassende Informationen bieten die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unter dem Stichwort Bürgerbeteiligungsverfah‐ ren. 4.2 Berücksichtigung - Interessen und Empowerment 97 <?page no="98"?> Bundeszentrale für politische Bildung - Stichwort: Partizipation: 🔗 https: / / www.bpb.de/ shop/ buecher/ schriftenreihe/ 136213/ partizipat ion/ Mehr Demokratie: 🔗 https: / / www.mehr-demokratie.de OECD Database of Representative Deliberative Processes and Instituti‐ ons: 🔗 https: / / bit.ly/ 3Enkn3Y Immer wichtiger werden die Bereiche der informationstechnischen Kom‐ petenzen und der (wirtschaftlichen) Ressourcen. Diese Punkte werden im nächsten Unterkapitel detailliert vorgestellt (→ Kapitel Benefit). Tabelle 3 zeigt die genannten Formen von Empowerment. Was in der Tabelle fehlt, ist die Darstellung von Abhängigkeiten. So muss einerseits betrachtet werden welche Konsequenzen ein fehlendes psychologisches Empowerment hat. Wie sollen Menschen, die nicht gelernt haben, für sich zu sprechen, ihre poli‐ tischen Interessen vertreten oder wie sollen Menschen, die von Ungleichheit profitieren dazu gebracht werden, andere zu stärken? Weiterhin scheinen das politisch und das wirtschaftliche Empowerment auf einer Ebene zu stehen. Zu hinterfragen ist in diesem Zusammenhang jedoch, wie politische und wirtschaftliche Macht aufgebaut wird und welchen Einfluss letztere auf erste hat. Die wechselseitigen Abhängigkeiten von politischem und wirtschaftlichem System sind Gegenstand der politischen Ökonomie und der Ökonomisierungsforschung, die eine Vielzahl von Theorien umfasst (vgl. exemplarisch Lemke, Ritzi, & Schaal, 2014). Eine kritische Perspektive hebt hervor, dass es sich um die Überlappung von Systemen mit völlig unterschiedlicher Logik handelt (vgl. exemplarisch Marx, 2020). Demnach dominiert in vielen Fällen das wirtschaftliche System und prägt mit dem Streben nach individueller Nutzenmaximierung den politischen Bereich, der primär auf das Gemeinwohl ausgerichtet sein sollte. Somit müssten Bemü‐ hungen zum Empowerment und Partizipation eine umfassende politische Analyse durchgeführt werden. 98 4 Worüber reden wir? Begriffe und Konzepte <?page no="99"?> Empowerment Tourismusbezug psychologisch • Selbstbewusstsein und Selbstvertrauen • geschätzt werden • Motivation, Interesse und Enthusiasmus • Freiheit des Denkens sozial • Informationen und Aufbau von Wissen • Bewusstsein und Verständnis von Problemfeldern • Fähigkeiten und Kompetenzen • Unterstützung, Partnerschaft, Freundschaft politisch • hörbar und sichtbar werden (having a voice) • Teilnahme an politischen Prozessen • aktiv werden • Networking und Lobbying technologisch • IT-Wissen und Fähigkeiten • Zugang zu IT-Infrastrukturen • Unterstützung bei der IT-Nutzung ökonomisch • geschäftliche Perspektiven (business opportunities) • Beschäftigung • Zugang zu Ressourcen • Zugang zu Krediten und Förderprogrammen • faire Verteilung von Gewinnen Tab. 3: Typen von Empowerment (auf Basis von Kunasekaran & Kumar, 2020, S.-486) Die Berücksichtigung von Interessen adressiert neben den Mitgliedern der Community auch die Umwelt und die natürlichen Ressourcen. Dieser Punkt wird in der Literatur unterschiedlich behandelt. Während Rosenmeijer et al. (2001) die Einbeziehung ökologischer Fragen durch den Begriff des nachhal‐ tigen CBT betont, findet dieses Themenfeld in vielen anderen Darstellungen keine Berücksichtigung. Damit von CBT im engen Sinne gesprochen werden kann, muss die Community sowohl über die grundsätzliche Beteiligung als auch über Art, Umfang, Ausgestaltung des CBT entscheiden. In allen anderen Fällen kann maximal von Tourism in Communities (TiC) oder Tourism with Communities (TwC) gesprochen werden. Zusammenfassend sollten die folgenden Fragen CBT leiten: ● Welche Interessen hat die Community? ● Was sind die Voraussetzungen dafür, dass Interessen erkannt und formuliert werden? 4.2 Berücksichtigung - Interessen und Empowerment 99 <?page no="100"?> ● Wenn sich Interessen innerhalb der Community widersprechen: Wie können Kompromisse gefunden werden? ● In welcher Relation stehen die Bedürfnisse der Community zum natür‐ lichen Umfeld? 4.3 Benefit - Das wirtschaftliche Modell Auch wenn wie im vorherigen Unterkapitel beschrieben die Beteiligung der Community im Sinne einer Berücksichtigung von Interessen eigentlich das zentrale Kriterium und der erste Schritt der Entwicklung von CBT sein sollte, stehen beim CBT oft wirtschaftliche Aspekte - der Benefit - im Vordergrund. Diese Tatsache ist auf die enge Kopplung von Community-based Tourism mit (wirtschaftlicher) Entwicklung zurückzuführen (→ Kapitel 4.1 Geschichte CBT). Es dominiert das klassische ökonomische Modell von Produktion und Profit in Verbindung mit der Idee, dass sich eine Community durch die Verbesserung der wirtschaftlichen Situation - ob Einzelner oder der Gesamtheit wird zu diskutieren sein - auch insgesamt besserstellt bzw. die im Land und in der Region generierten Einnahmen auch dort verbleiben (→-Box: Leakage-Effekt →-Kapitel 3.5). In der Literatur zum CBT werden mögliche wirtschaftliche Effekte be‐ schrieben, die von der Generierung von Einnahmen über die Investition in Infrastrukturen bis zur Schaffung von Arbeitsplätzen reicht (Armstrong, 2012). Generierung von Einnahmen Ein grundlegender und scheinbar einfach umzusetzender Gedanke ist die Generierung von Einnahmen durch die Öffnung von Communities für Tourismus und Tourist: innen. Der Ansatz geht von Strukturen aus, die eine klare (räumliche) Trennung zwischen touristischen und nicht-touristischen Gebieten aufweisen. Typische Beispiele sind Länder mit einigen Tourismus‐ zentren und im Gegensatz dazu (ländliche) Räume, die nicht touristisch erschlossen sind (→ vgl. dazu Geschichte in diesem Kapitel). Hinzu kommen urbane Räume, in denen Tourismus auf bestimmte Areale beschränkt ist. Sowohl der mengenmäßige Anstieg von Reisen als auch die Suche nach Tourismus abseits der etablierten Wege verändert diese Ordnungen und führt zu einer Ausweitung der touristischen Aktionsräume. 100 4 Worüber reden wir? Begriffe und Konzepte <?page no="101"?> Es liegt nahe, die veränderten Strukturen inwertzusetzen, indem Ange‐ bote für Reisende in bisher nicht erschlossene Gebiete oder Stadtteile geschaffen werden. Die Leistungen können sich auf Ausflüge und Touren beschränken oder zur Entwicklung touristischer Angebote wie Verpflegung, Unterhaltung und Beherbergung, reichen. Weitere Optionen sind der Ver‐ kauf von Souvenirs, Getränken und Nahrungsmitteln oder das Angebot von Dienstleistungen wie die Vermietung von Fahrrädern. Eine weitere Option sind Aktivitäten mit locals wie das gemeinsame Kochen und Essen oder die Herstellung von Handwerk. → Tabelle 4 listet exemplarisch mögliche Einnahmequellen auf und zeigt, dass bereits auf der lokalen Ebene mehrere Akteur: innen involviert sind. Noch nicht berücksichtigt sind Transportunternehmen, Reiseveranstalter, Destinationsmanagementorganisationen (DMO) und Hotels. Während die ersten beiden zentrale Anlaufstellen im Quellgebiet sind, vermitteln DMOs und Hotels in der Destinationen zwischen Tourist: innen und Angeboten in der Community. Für die Vermittlung werden üblicherweise Provisionen verlangt, die in einem Bereich zwischen 10 und 20 Prozent liegen. Eine wich‐ tige Rolle spielen in Abhängigkeit von der Ausgestaltung und räumlichen Ansiedlung verschiedene Transportunternehmen wie klassische Taxiunter‐ nehmen oder Dienste wie Uber und Bolt. Diese werden insbesondere im Kontext von Touren in Townships genutzt, wenn von der Nutzung des Mietwagens abgeraten wird, oder wenn unwegsame Gegenden erreicht werden müssen. Aktivität Generierung von Einnah‐ men für: Weitere Optionen Tour zu Fuß Tourguide Transport zum Start der Tour, Organisationen oder Per‐ sonen, die besucht wer‐ den Tour mit dem Fahrrad Tourguide Fahrradverleih Transport zum Start der Tour, Organisationen oder Per‐ sonen, die besucht wer‐ den Tour mit dem Bus Tourguide Organisationen oder Per‐ sonen, die besucht wer‐ den 4.3 Benefit - Das wirtschaftliche Modell 101 <?page no="102"?> Verkauf von Lebensmit‐ teln Hersteller: innen der Le‐ bensmittel, Verkäufer: innen Tourguides und andere Vermittler: innen Verkauf von Souvenirs Hersteller: innen der Sou‐ venirs, Verkäufer: innen Tourguides und andere Vermittler: innen Workshop: Kochen Anbietende des Kurses Lebensmittel Vermittler: innen Workshop: Handwerk Anbietende des Kurses Material Vermittler: innen Workshop: Garten Anbietende des Kurses Garten, Material Vermittler: innen Homestay (Übernach‐ tung) Anbietende der Über‐ nachtung Vermittler: innen Tab. 4: Generierung von Einnahmen (eigene Darstellung) Ergänzende Elemente dieser Strukturen sind Plattformen wie Airbnb und Booking.com. Diese bieten seit einigen Jahren passend zu den Buchungen oder auch als separate Leistungen Aktivitäten an, die sich durch Authenti‐ zität und Begegnungen mit locals auszeichnen. Details werden in → Kapitel 5.5 beschrieben und es wird untersucht, wer von dieser Zusammenarbeit profitiert. Wissen │ Networking Eine Stärke von Uthando SA (→ Kapitel 2) ist die Expertise von James Fernie sowie seine bereits etablierten Netzwerke. Da er einige Jahre bei Reiseveranstaltern arbeitete, verfügt er sowohl über das Wissen über die Tourismuswirtschaft als auch über Kontakte, die er nutzen kann. Im Gegensatz muss das BAP sowohl tourismusspezifisches Wissen als auch Kontakte in die Branche aufbauen. Das alles muss parallel zu der eigentlichen Arbeit der NPO erfolgen (vgl. →-Kapitel 5.6). Zusammenfassend bieten sich zwar theoretisch mehrere Einnahmequellen an, es zeichnen sich aber bereits mehrere Abhängigkeiten von anderen 102 4 Worüber reden wir? Begriffe und Konzepte <?page no="103"?> 13 Dieses Phänomen ist ebenfalls im Umfeld von Airbnb und anderen Vermittlern privater Wohnräume zu beobachten. Akteur: innen ab, die zu einer Reduzierung der generierten Einnahmen bspw. in Form von Provisionen führen. Für fast alle der in der Tabelle genannten Beispiele für die Generierung von Einnahmen sind Investitionen erforderlich. Diese können je nach Ausgestaltung einen wirtschaftlichen Nutzen für die ganze Region und nicht nur die einzelnen Anbietenden bringen. Weiterhin müssen die Investitionen den Einnahmen gegenübergestellt werden. Sowohl das Wissen über den Markt im Allgemeinen als auch zielgruppen‐ spezifische Details sind zusammen mit den Kapazitäten, die für Marketing erforderlich sind, eine Schwachstelle vieler CBT-Projekte. Um im CBT erfolg‐ reich zu sein, müssen die Projekte gezielt, professionell und regelmäßig, was sowohl Kompetenzen und finanzielle Ressourcen bedingt, kommunizieren. Investitionen Die Entwicklung touristischer Angebote geht oft einher mit der Entwick‐ lung von Infrastrukturen, die erforderlich sind, um Tourist: innen in eine Gegend zu bringen (Straßen) und dort mit grundlegenden Einrichtungen wie Toilette, fließendes Wasser, Wärme, Elektrizität zu versorgen. Die Ausstattung damit kann im besten Fall einen Nutzen für die Community darstellen, wenn die Infrastrukturen auch von ihnen genutzt werden können und ihren Anforderungen entsprechen. Goodwin und Santilli (2009) thematisieren in diesem Zusammenhang jedoch die erforderlichen Aufwendungen seitens der Community. Sie beto‐ nen den hohen zeitlichen Einsatz für die Betreuung der Gäste bspw. wenn Gruppen anreisen und Gespräche führen wollen oder wenn Tourist: innen Verpflegung und Unterkunft benötigen. Solange die durch CBT generierten Einnahmen nicht ausreichen, stehen die Aktivitäten in Konflikt mit sons‐ tigen Tätigkeiten, u. a. einer Erwerbstätigkeit. Das Beispiel von Rachel (→ Kapitel 2) zeigte, dass sie erst im Rentenalter und finanziell durch die Kinder unterstützt, Essen und Übernachtungen anbieten konnte. Eine weitere Bedingung war, dass einige Räume des Hauses leer standen. In vielen Fällen werden für Homestays private Räume leergezogen und die Familie oder Familienmitglieder weichen in andere Unterkünfte aus 13 . 4.3 Benefit - Das wirtschaftliche Modell 103 <?page no="104"?> Neben dem zeitlichen Aufwand werden Ressourcen wie Wasser, Nah‐ rungsmittel, Mobiliar (Betten, Tische, Stühle) etc. benötigt, die unter Um‐ ständen nicht in ausreichender Menge und Qualität verfügbar sind. Das gilt insbesondere dann, wenn CBT in abgelegenen Gegenden oder in ärmeren Regionen angeboten werden soll. Somit bedingt die Bereitstellung der erforderlichen finanziellen und technischen Ressourcen zumeist die Unterstützung von außen (Harrison & Schipani, 2007; Trejos & Chiang, 2009). Das gilt insbesondere für die Vermarktung und Vermittlung der Angebote. Hier zeigt sich erneut die Bedeutung der Mittler, die einen Zugang zu Quellmärkten ermöglichen. Kritisch betrachtet werden muss der Aspekt der möglichen Exklusivität neu kreierter Infrastrukturen. Es ist danach zu fragen, ob und zu welchen Bedingungen die Community Zugang hat. Schaffung von Arbeitsplätzen CBT ist in einem stärkeren Maße als klassischer Tourismus auf Interaktion und Service ausgerichtet. Während in anderen Bereichen Mitarbeitende oft nicht gesehen oder bewusst ignoriert werden, sind die Erwartungen im CBT auf authentische Begegnungen ausgerichtet. Damit bietet sich eine Chance für die Einbeziehung von Menschen und ihrer Persönlichkeit sowie eine damit verbundene Wertschätzung. Dass andererseits die Aufrechterhaltung von stereotypen Annahmen verstärkt wird, wird an anderer Stelle diskutiert werden (→-Kapitel 6). Somit besteht im CBT Bedarf an Einheimischen, die in der Lage sind, mit Tourist: innen zu interagieren. Gefordert sind u. a. Sprachkenntnisse und ein Wissen über die Besuchenden, ihre Erwartungen und Bedürfnisse. Die Mehrzahl der Arbeitsplätze ist zeitlich auf wenige Stunden beschränkt und saisonal - wie im Tourismus üblich - schwankend. Es handelt sich in vielen Fällen um eine Beschäftigung auf Abruf, je nachdem, wie viele Gäste vor Ort sind und Dienstleistungen nachfragen. Vor diesem Hinter‐ grund wird verständlich, warum CBT oft in Zusammenhang mit weiblicher Beschäftigung diskutiert wird (vgl. exemplarisch Aboe et al., 2023; Acharya & Halpenny, 2013). Es wird davon ausgegangen, dass CBT zwar zusätzliche Einnahmen, aber keine stabile Finanzierung ermöglichen. Hinzu kommt, dass das häusliche Umfeld in vielen Ländern noch immer primär von Frauen betreut wird, die mit Angeboten wie Dine with Locals oder Homestays in ihrem gewohnten Umfeld agieren können. Kritisch ist auch hier die 104 4 Worüber reden wir? Begriffe und Konzepte <?page no="105"?> Verfestigung stereotyper Annahmen und die Verhinderung einer Lösung vom häuslichen Umfeld. Finanzierungmöglichkeiten Eine Durchsicht von Case Studies zeigt, dass die meisten CBT-Projekte auf externe Mittel angewiesen sind (Goodwin & Santilli, 2008; Walia, 2020). Diese stammen entweder von internationalen und nationalen Hilfsorga‐ nisationen, von Non-Governmental-Organisationen (NGOs) und Non-Pro‐ fit-Organisationen (NPOs) oder auch aus der Tourismuswirtschaft, bspw. aus Geldern der CO 2 -Kompensation (vgl. Studiosus in → Kapitel 3.5). Nur wenige Projekte generieren aus eigener Kraft Einnahmen, die einen langfristigen Betrieb ermöglichen. Im Kontext des Social Entrepreneurship (→ Box) erfolgen Verschiebungen der unternehmerischen Tätigkeit in Richtung Gemeinwohlorientierung und Lösung sozialer Probleme. Diese Entwicklungen können eine Chance für solche CBT-Projekte anbieten, die den Schwerpunkt auf ökologische und soziale Themen legen und in diesem Kontext unterstützt werden können. Wissen │ Social Entrepreneurship Der Begriff Social Entrepreneurship beschreibt unternehmerische Tätig‐ keiten, die einen positiven Wandel in der Gesellschaft initiieren, das Gemeinwohl und die Lösung sozialer und/ oder ökologischer Probleme adressieren. Handlungsfelder decken ein breites Spektrum sozialer Pro‐ bleme (Armut, Hunger, Wohnungsnot, Gewalt etc.) ab, die durch inno‐ vative Lösungen angegangen werden. Auch soll durch die Entwicklung eines nachhaltigen Geschäftsmodells ein dauerhafter Einfluss auf die Gesellschaft erreicht werden. Beispiele für Social Entrepreneurship im Tourismus existieren in der Beherbergung, bei Natur- und Abenteuer‐ reisen, bei Kunst und Handwerk und beim Surfen. Die Website Social Entrepreneurship Competition in Tourism bietet einen guten Überblick. 🔗 https: / / socialtourismcompetition.com/ Ein recht erfolgreicher Ansatz ist die Ausgründung und Kopplung von Unternehmen und Non-Profit-Company (NPC) (→ Box) oder auch einer Stiftung (Foundation). Die Möglichkeiten hängen stark von den gesetzlichen 4.3 Benefit - Das wirtschaftliche Modell 105 <?page no="106"?> Vorgaben zu Rechtsformen von Unternehmen und der Zuordnung von Organisationen zu Ministerien (z. B. Sozial-, Wirtschafts- oder Gesundheits‐ ministerium) ab. Diese unterscheiden sich von Land zu Land und auch innerhalb der Länder kommt es regelmäßig zu Verschiebungen. Wissen │ Non-Profit-Company Non-Profit-Companies (NPCs) dürfen nach südafrikanischem Gesetz Gewinne aus verschiedenen Quellen erzielen und sich in vollem Umfang unternehmerisch betätigen, müssen aber eine Zielsetzung im Zusam‐ menhang mit sozialen, ökologischen, kulturellen oder gesellschaftlichen Interessen nachweisen. Außerdem haben die Mitglieder, einschließlich Spender: innen, ein Stimmrecht, um bei der Verwaltung des NPC mit‐ zuwirken. NPCs müssen mindestens drei Direktor: innen haben und sind verpflichtet, ihr Vermögen und ihre Einkünfte für gemeinnützige Ziele zu verwenden. Die Einkünfte dürfen nicht an die Gründer: innen, Mitglieder, Direktor: innen oder ihnen nahestehende Personen ausge‐ schüttet werden, sondern nur an eine andere Non-Profit-Organisation mit ähnlichen Zielen. Es zeichnet sich ab, dass je nach Ausgestaltung des CBT bzw. von Aktivitäten in Communities die direkte Generierung von Einnahmen durch das Angebot touristischer Leistungen einen relativ geringen Stellenwert einnimmt. Das gilt insbesondere für CBT, der in einem touristisch erschlossenen Gebiet erfolgt und dort ein Gegenmodell aufgebaut werden soll. Bei Insellösungen - sowohl im wörtlichen als auch übertragenen Sinne - bei denen eine gewisse Exklusivität herrscht und das gesamte touristische Angebot als CBT gestaltet ist, sind die Potenziale für eine rein auf CBT-Ein‐ nahmen genierte Geschäftstätigkeit größer. Beispiele sind die in → Kapitel 2 beschriebene Taquile Island und Kirgistan. Zahlungsbereitschaft Bei der Betrachtung der ökonomischen Dimension sollte ebenfalls auf die Zahlungsbereitschaft der Reisenden geachtet werden, da diese neben einer Förderung durch Staat oder NGOs und NPOs entscheidend für den wirtschaftlichen Erfolg von CBT sind. Schwierig ist in diesem Kontext die 106 4 Worüber reden wir? Begriffe und Konzepte <?page no="107"?> soziale Dimension des CBT, die Begegnungen bis hin zur Freundschaft adressiert. Diese kann als Widerspruch zur Bezahlung gesehen werden. Hinzu kommt, dass das Setting aufgrund der lückenhaften und nur grund‐ legenden Infrastrukturen niedrige Preise suggeriert. Herausforderung: Kommerzialisierung und Verteilung Eine Betrachtung der wirtschaftlichen Aspekte deckte sowohl Möglichkei‐ ten als auch Restriktionen auf. Zwar stecken im Community-based Tourism die Potenziale zur Generierung von Einnahmen, zur Schaffung von Arbeits‐ plätzen und zur Investition in Infrastrukturen, die eine weitere Entwicklung initiieren könnten, aber die zeitlichen und finanziellen Anforderungen sind sehr hoch. Hinzu kommt, dass die ökonomische Inwertsetzung zu Verteilungskonflikten innerhalb der Community führen kann (Hall, 2013). Vor diesem Hintergrund wird die Aussagen von Friedmann (1992, S. 31) verständlich, dass das ökonomische Modell nicht auf Produktion und Profit, sondern auf Menschen und die Umwelt ausgerichtet sein sollte. Eine recht junge Entwicklung ist die Betonung von Resilienz. Ausgehend von den Folgen der Reisebeschränkungen sollen Projekte und Communities so gestärkt werden, dass sie auch in Krisenzeiten weiter agieren können und nicht jede Tätigkeit zum Erliegen kommt. Beispiel │ Förderung von Resilienz In einem Bericht der African Nature-Based Tourism Platform wurden die Auswirkungen der Pandemie auf die naturbasierte Tourismuswirt‐ schaft sowie auf die Communities und Naturschutzbemühungen, die von diesem Sektor abhängen, beleuchtet. Der Bericht zeigt, wie wichtig die Finanzierung lokal geführter Initiativen ist, um die Widerstandsfähig‐ keit der Communities gegenüber künftigen Krisen und Stressfaktoren zu stärken. Ziel der Plattform - African Nature-Based Tourism Platform - ist es, mindestens 15 Millionen US-Dollar zu mobilisieren, um die auf den Tourismus angewiesenen Communities bei der Pandemiebekämpfung zu unterstützen und eine längerfristige Resilienz aufzubauen. 🔗 https: / / naturebasedtourism.africa/ 4.3 Benefit - Das wirtschaftliche Modell 107 <?page no="108"?> 4.4 Begegnung - Der soziale Ansatz Begegnungen und Interaktionen sind zentrale Elemente des Community-ba‐ sed Tourism, wenn die Perspektive der Reisenden eingenommen wird. In → Kapitel 3.4 erfolgte bereits eine Analyse der Bedürfnisse von Reisenden und in → Kapitel 5.2 wird genauer auf die besonderen Erwartungen, die an CBT geknüpft sind, eingegangen werden. Nachfolgend steht die Interkation zwischen locals und Tourist: innen im Vordergrund und es soll danach gefragt werden, unter welchen Rahmenbedingungen die Begegnungen erfolgen und was als Konsequenzen grundsätzlich möglich ist. In → Kapitel 3.3 wurden bereits einige Interpretationen von Tourismus aufgeführt, die Annahmen über das Verhältnis von Gastgebenden und Tou‐ rist: innen umfassen. Damit diese auf den CBT übertragen werden können, ist als grundsätzliche Anforderung zu formulieren, dass ein Mindestmaß an Zustimmung seitens der locals zur Übernahme der Rolle der Gastgebenden gegeben sein muss. Dieses bedingt sowohl ein Wissen über das, was vor sich geht, als auch verschiedene Handlungskompetenzen (Habermas, 1995a; Habermas, 1995b). Weiterhin sind eine Freiwilligkeit sowie Sanktions- und Exit-Optionen erforderlich, was auf einer Machbalance zwischen den beteiligten Personen resp. den im Hintergrund agierenden Akteur: innen beruht. Ein Blick auf die Verteilung von Ressourcen, Wissen, Netzwerken und Al‐ ternativen der beteiligten Akteur: innen und ihre Positionen lässt erhebliche Zweifel an der Existenz ausgeglichener Verhältnisse aufkommen (→ Abb. 19). So ist die Community sowohl bezüglich der Informationen, der Verfüg‐ barkeit von Alternativen als auch hinsichtlich der finanziellen Ausstattung deutlich den touristischen Leistungserbringenden unterlegen. Nur wenn die Community darüber entscheiden kann, wer sie wann besucht, wie die Interaktion erfolgt und welche Grenzen es gibt, kann eine Ausgewogenheit erreicht werden. Ein weiterer Aspekt ist die Wettbewerbssituation. Wenn im nahen Umfeld mehrere Communities ähnliche Aktivitäten anbieten, wird sich der Druck auf nachfrageorientierte Angebote erhöhen. 108 4 Worüber reden wir? Begriffe und Konzepte <?page no="109"?> Abb. 19: Machtbalancen im CBT (eigene Darstellung) weltweite Ressourcen, Fachwissen Netzwerke, Alternativen lokale Ressourcen, praktisches Wissen, lokale Kontakte, kaum Alternativen Abb. 19: Machtbalancen im CBT (eigene Darstellung) Um die Folgen der Begegnungen untersuchen, bewerten und im besten Fall auch im Sinne aller Beteiligten gestalten zu können, kann auf Forschungen aus dem Bereich des Indigenous Tourism zurückgegriffen werden (Camargo et al. 2022). 4.5 Bewertung und Werte Vor dem Hintergrund der hohen Erwartungen an Community-based Tourism und bedingt durch die enge Verknüpfung mit Nachhaltigkeit, Verantwor‐ tung, Fairness und Entwicklung ist danach zu fragen, ob und wie CBT als Konzept und in Form konkreter CBT-Projekte bewertet werden kann. Die Bewertung müsste von den Zielen des CBT ausgehen und in Indikatoren überführt werden, die regelmäßig erhoben und bewertet werden. Allerdings bedeutet bereits die Formulierung von Zielen eine Herausforderung, da wie oben gezeigt mehrere Anspruchsgruppen involviert sind und selbst aus Sicht der Community verschiedene Überlegungen zur Ausrichtung existieren. Rozemeijer et al. (2001) definieren vier Kriterien für eine nachhaltige Entwicklung von CBT und nehmen damit bereits die Kritik auf, dass viele CBT-Projekte nicht auf Dauer angelegt sind und nur aufgrund der externen Förderung überleben. Nach ihrer Einschätzung sollten die nachfolgenden vier Punkte gleichermaßen berücksichtigt werden: 1. CBT sollte sich wirtschaftlich rechnen. Demzufolge müssen die Einnah‐ men die Kosten übersteigen. 4.5 Bewertung und Werte 109 <?page no="110"?> 2. CBT sollte ökologisch nachhaltig sein und der Schutz der Umwelt als zentrales Element gesehen werden. 3. Die Kosten und der Nutzen von CBT sind gerecht auf alle Beteiligten zu verteilen. 4. Eine in einem transparenten Prozess von allen Beteiligten anerkannte Organisation muss geschaffen werden, welche die Interessen aller Mitglieder der Community vertritt und die Eigenverantwortung fördert. Die definierten Kriterien reflektieren die bereits diskutierten Bereiche der wirtschaftlichen, ökologischen und soziokulturellen Dimensionen. In Ab‐ hängigkeit von der Einschätzung der Bedeutung der einzelnen Dimensionen variieren Ziele zwischen einer ökonomischen, ökologischen und soziokul‐ turellen Schwerpunktsetzung. So betonen Page und Connell (2020) die ökonomische Perspektive. Aus betriebswirtschaftlicher Sicht sollte eine Zieldefinition, die folgende Krite‐ rien erfüllen: Sie müssen spezifisch und nicht generell, messbar, attraktiv, relevant und terminiert sein. Die SMART-Methode bezieht sich auf Unter‐ nehmen und auf messbare Ergebnisse. Bei CBT-Projekten handelt es sich hingegen häufig nicht um betriebliche Einheiten oder klar abgegrenzte Organisationen und zweitens ist die Messbarkeit sozialer Ziele schwierig. Eine Möglichkeit besteht in der Nutzung von touristischen Kennzahlen wie die Auslastung oder die Anzahl der Besucher: innen. Ishihara (2020) macht allerdings anhand von Beispielen deutlich, dass keine einheitliche Meinung dazu existiert, ab wann ein Projekt erfolgreich ist. Während in einem eine Auslastung von vier Prozent als negativ bewertet wird, gilt es in einem anderen Fall als Erfolg. Als Konsequenz müssen auch diese Zahlen in Relation zu spezifischen Projektzielen gesetzt werden. Denkübung │ Die folgende Tabelle stammt aus den Operational Gui‐ delines for Community-based Tourism in South Africa (Spenceley et al., 2016, S. 67) und listet mögliche externe und interne Indikatoren für die Bewertung von CBT auf. Sehen Sie sich zunächst das Gesamtbild und dann einzelne Indikatoren an. Überlegen Sie, wie diese gemessen werden können und welcher Aufwand damit verbunden ist. Erstellen Sie eine zeitliche Planung für die Messung und Auswertung sowie für die anschließende Entwicklung von Maßnahmen. Hinweis: Mit Tourism 110 4 Worüber reden wir? Begriffe und Konzepte <?page no="111"?> Venture ist ein von der Community betriebenes CBT-Unternehmen gemeint. Community Tourism venture • local satisfaction with tourism (resident survey) • % of CBT employees that are female • full-time and part-time employ‐ ment • management positions • % residents who believe tourism has helped improve services and infrastructure • % of tourism employees that are from marginalised or disadvan‐ taged groups • full-time and part-time employ‐ ment • management positions • % residents who are satisfied with their level of involvement in tourism planning discussions • human resource spend • change in the quality of local arts and crafts as perceived by community leaders • % change in number of full-time positions • changes in the behaviour of young people as perceived by the community leaders • occupancy/ utilisation rates • % of people in the community benefiting financially from the CBT venture • growth in occupancy/ utilisation rates • % of low income households at‐ tending tourism planning mee‐ tings • annual revenue and profitability 4.5 Bewertung und Werte 111 <?page no="112"?> • % of households with one or more household members em‐ ployed the CBT venture • % total revenue spent on impro‐ vements • no. of tourism-related enterpri‐ ses run by low-income house‐ holds • % increase in annual revenue • no. of local people supplying products and services to tourism ventures • annual procurement spend • average expenditure/ per guest night and by visitor type • % of procurement spend in the local community • income to community from tou‐ rism activities • amount of waste produced per year per tourist • annual spend on community fa‐ cilities and infrastructure from income received CBT • amount of waste recycled per year per tourist • annual spend on skills develop‐ ment not related to the tourism venture • amount of energy and water used per year per tourist Quelle: Operational Guidelines for Community-based Tourism in South Africa (Spenceley et al., 2016, S.-67) Kiss (2004) stellt den Schutz und Erhalt von Biodiversität in den Vorder‐ grund. Allerdings bezieht sie sich primär auf (CBET) und vergleicht diesen Community-based Ecotourism mit rein auf den Erhalt und Schutz der Biodi‐ versität ausgerichtete Projekte. CBET integriert die Perspektive der lokalen Bevölkerung und stellt einen Kompromiss hinsichtlich der Landnutzung dar. Zwar wäre es aus Perspektive des Umweltschutzes besser, manche Regionen komplett als nicht zugängliche Naturschutzgebiete auszuweisen, dieses ist 112 4 Worüber reden wir? Begriffe und Konzepte <?page no="113"?> jedoch sowohl aus ökomischen Gründen als auch hinsichtlich der Akzeptanz nicht empfehlenswert. „CBET illustrates the compromises involved in trying to meet multiple objectives. For biodiversity conservation, ecotourism is a fairly good land use, but not as good as (effective) pure protection.“ (Kiss, 2004, S.-236) Gleiches gilt für Campbell und Vainio-Mattila (2003) sowie Lepper und Goebel (2010). Die Grootbos-Foundation ist ebenfalls dadurch motiviert, die endemische Flora zu schützen und bedingt durch dieses Motiv sind weitere Aktivitäten hinzugekommen (→-Kapitel 2). Dernoi (1988) vertritt die Ansicht, dass soziokulturelle Kriterien im Vor‐ dergrund stehen sollten. Ähnlich argumentieren Ellis und Sheridan, 2015 sowie Reggers et al., 2016. Interessant ist, dass in der Literatur zwar überwiegend von kollektivem Nutzen die Rede ist, Goodwin und Santili (2009) jedoch herausfanden, dass nur sehr wenige CBT-Expert: innen und -Manager: innen der Meinung sind, dass dieser für den Erfolg einer CBT-Initiative wesentlich ist. In der Studie analysieren die Autor: innen Faktoren, die aus Sicht von Expert: innen ein CBT-Projekt als erfolgreich bewerten. Der kollektive Nutzen bezieht sich auf die Schaffung von Vermögenswerten, die der Gemeinschaft als Ganzes zugutekommen, z. B. durch den Bau neuer Straßen, Schulen oder medizini‐ scher Dienste. Dieser Punkt wurde bereits im Abschnitt über Investitionen diskutiert. In derselben Studie wurden auf der Grundlage der Antworten von Ex‐ pert: innen, die in den Bereichen Tourismus, Naturschutz und Entwicklung tätig sind, zentrale Kriterien dafür ermittelt und geclustert, dass Initiati‐ ven als erfolgreich angesehen werden. Das erste Cluster ist social capital and empowerment (Sozialkapital und Empowerment), Chancengleichheit, Entscheidungsfindung, Management durch die Community, Governance, Partizipation, Zusammenarbeit innerhalb der Community und minimaler negativer Einfluss auf die Community. Die Häufigkeit, mit der dieser Aspekt von den Befragten in der Studie genannt wurde, deutet auf eine erhebliche Bedeutung dieser sozialen Auswirkungen hin. Auch die Gründe für die Er‐ haltung und den Schutz der Umwelt wurden als wichtige Kriterien genannt. CBT-Initiativen sollten daher die nachhaltige Nutzung von Ressourcen und nachhaltigen Technologien, die Einhaltung und Durchsetzung von Umwelt‐ standards und -richtlinien sowie den Schutz des kulturellen Erbes und der umgebenden Umwelt berücksichtigen. Drittens ist die Verbesserung der 4.5 Bewertung und Werte 113 <?page no="114"?> Lebensgrundlagen und des Lebensstandards innerhalb der Community von Bedeutung. Das bedeutet zum Beispiel neue Beschäftigungsmöglichkeiten für Einwohner: innen, bessere Lebensbedingungen, die Generierung von Einnahmen und eine allgemeine Armutsbekämpfung. Die lokale wirtschaft‐ liche Entwicklung ist ein weiterer Erfolgsfaktor. Sie scheint fast dasselbe zu sein wie die Verbesserung des Lebensunterhalts, konzentriert sich aber mehr auf die wirtschaftlichen Auswirkungen insgesamt und weniger auf die Einzelnen und ihre Lebenssituation. Der letzte der fünf Hauptgründe ist die wirtschaftliche Tragfähigkeit. Sie bezieht sich auf die Rentabilität und Langlebigkeit des Tourismusprojekts mit einem soliden Geschäftsplan und schließlich auf das Wachstum oder das Vorhandensein einer Wachstums‐ möglichkeit. Die Studie zeigt deutliche Unterschiede zwischen der Sicht von Expert: in‐ nen und Manager: innen, hier für CBT verantwortliche Personen. Eine Differenz besteht in der Einschätzung der Bedeutung des Faktors local economic development, der von den Expert: innen als sehr hoch und von den Manager: innen als sehr gering eingeschätzt wird. Die Verfasser: innen der Studie teilen die Einschätzung der Expert: innen und sehen die wirtschaftli‐ che Rentabilität als essentiell, da ein Mangel an Finanzen mit Sicherheit zu einem Misserfolg führt. Ein zweiter großer Unterschied besteht in der Bewertung der Bedeutung der touristischen Aktivitäten. Manager: innen sehen diese als deutlich wichtiger im Gegensatz zu Expert: innen. Somit findet sich bei Menschen, die sich sehr intensiv mit CBT auseinandersetzen, deutliche Unterschiede hinsichtlich relevanter Bewertungsfaktoren. Insbe‐ sondere die Einschätzung der Bedeutung der finanziellen Seite in Relation zu Sozialkapital und Umweltschutz vaiiert und bildet die bereits diskutierte Verknüpfung von CBT mit dem Drei-Säulen-Modell der Nachhaltigkeit resp. dem Triple Bottim Line (people, planet, profit) als Orientierung für Unternehmen ab. Wissen │ Community-Gütesiegel Ein weiterer Beleg dafür, dass Community-based Tourism inzwischen ein höchst komplexer, von unterschiedlichen Motiven beeinflusster Bereich ist, der nicht nur als Sammelbegriff, sondern auch als Eyecat‐ cher im Marketing dient, ist die steigende Anzahl von Gütesiegeln, die Destinationen eine besondere Community-orientierung attestieren. 114 4 Worüber reden wir? Begriffe und Konzepte <?page no="115"?> Beispiele dafür sind Criteria for Thailand’s Community-Based Tourism Development, EarthCheck Community Standard und Innovation Norway Sustainable Destination Standard. Forschungen im Bereich von urbanen CBT-Projekten - oft unter dem Begriff des Slum-, Township- oder Pro-Poor-Tourism - bewerten die Stärke der in diesen Arealen stattfindenden Aktivitäten vor dem Hintegrund der symbolischen Wirkung. Frenzel (2023) argumentiert, dass der finanzielle Nutzen vergleichweise gering ist. Hingegen sind die Sichtbarmachung und die Einbeziehung von bislang nicht berücksichtigten Menschen und Personengruppen inklusive ihrer Lebensumstände Maßnahmen, die bislang marginalisierte Gebiete und Regionen - in seinem Artikel spricht er nur von slum tourism - stärken können. Essentielle Wirkung haben das Gesehen- und Gehörtwerden. 4.6 Zwischenfazit: Dynamisches 5-B-Modell Analog zur Nachhaltigkeitsdebatte findet sich auch beim CBT keine eindeu‐ tige Antwort hinsichtlich der Priorisierung von möglichen Zielsetzungen und es sollte versucht werden, ein dynamisches Modell zu entwickeln, wel‐ ches die Kriterien so miteinander in Einklang bringt, dass alle erforderlichen Elemente in Analogie zu den Rädern eines Zahnrades gut ineinander greifen und beweglich sind. Wenn ein Rad zu groß wird oder sich zu schnell dreht, werden damit sowohl die anderen Räder als auch die Gesamtheit unter Druck gesetzt oder blockiert. 4.6 Zwischenfazit: Dynamisches 5-B-Modell 115 <?page no="116"?> 14 Es könnte argumentiert werden, dass das Element Bewertung auf einer anderen hierar‐ chischen oder zeitlichen Ebene angesiedelt sein sollte. Hier ist es deswegen integriert, um die kontinuierliche Wertung - im Sinne von Wertigkeit und Wertbezug - zu betonen. Abb. 20: Dynamisches 5-B-Modell (eigene Darstellung) B E T E I L I G U N G BERÜCK- SICHTIGUNG BENEFIT BEGEGNUNG BEWERTUNG Abb. 20: Dynamisches 5-B-Modell (eigene Darstellung) 14 Ein Begriff, der im Kontext des Zusammenwirkens einzelner Elemente (in Destinationen) oft adressiert wird, ist Governance, da diese im Sinne von sozialer Ordnung, sozialer Koordination und sozialen Praktiken einen entscheidenden Einfluss auf die Art und Weise, wie die Teilnahme am Tou‐ rismus auf lokaler Ebene gestaltet ist, hat (Palmer & Chuamuangphan, 2018). Allerdings macht bereits ein erster Blick in die Literatur zu Governance in etablierten Tourismusdestinationen die Vielfalt von Ansätzen sowie widersprüchliche Aussagen sichtbar (Sharpley, 2023). Es stellt sich die Frage, ob Destinationen mit der Vielfalt an beteiligten Akteur: innen überhaupt zu ordnen sind resp. ob die formale Ordnung in tatsächliches Verhalten über‐ führt werden kann. Wenn dieses Ansinnen bereits für Destinationen, die über ein Managementsystem verfügen, eine Herausforderung ist, erscheint eine Übertragung auf Community-based Tourism ein aufgrund der fehlenden Strukturen unrealistisches Unterfangen zu sein. Ähnlich verhält es sich 116 4 Worüber reden wir? Begriffe und Konzepte <?page no="117"?> mit dem Thema Krisenmanagement resp. mit dem inzwischen favorisierten Begriff der Resilienz (Casal-Ribeiro et al., 2023). Zusammenfassend hat dieses Kapitel gezeigt, dass der für CBT zentrale Begriff der Beteiligung (participaion) am besten in weitere Dimensionen aufgeteilt wird und diese zunächst separat sowie anschließend in ihrem Zusammenwirken untersucht werden. Die Herausforderungen sind immens und ein Erfolg scheint fraglich zu sein, schon alleine deswegen, weil die Zielsetzung nicht klar ist. Um Klarheit zu schaffen, wird im nächsten Kapitel die Frage gestellt, was sich die unterschiedlichen in Community-based Tourism involvierten Akteure: innen von diesem erhoffen dürfen. 4.6 Zwischenfazit: Dynamisches 5-B-Modell 117 <?page no="119"?> 5 Wer macht mit? Motive, Absichten, Strukturen Im vorherigen Kapitel wurden Elemente beschrieben, die als zentrale Bau‐ steine des Community-based Tourism angesehen werden. Ein Schwerpunkt lag auf der Klärung des Begriffes Beteiligung (participation) durch eine Auf‐ splitterung des Begriffs in vier Dimensionen. Ergänzend erfolgte eine Beto‐ nung von Governance. Diese stärker theoretisch und generell formulierten Betrachtungen werden in diesem Kapitel durch die Analyse der Motive zen‐ traler am CBT beteiligter Akteur: innen - Einzelpersonen, Organisationen und Institutionen - ergänzt. Im Vordergrund stehen Motive und Absichten sowie Verflechtungszusammenhänge zwischen den Akteur: innen. Communities resp. einzelne Personen aus dieser stehen am Anfang des Ka‐ pitels. Dem folgen als direktes Pendant die am CBT interessierten Reisenden. Auch wenn im Idealfall die Community selbst das Angebot gestaltet, anbietet und vermarktet, zeichnete sich in den bisherigen Kapiteln bereits der hohe Einfluss von Anbietenden und Vermittelnden ab, die selbst nicht oder nur bedingt aus der Community stammen. Dazu gehören sowohl Tourguides, die Führungen organisieren, als auch Reiseveranstalter und DMOs, die CBT oder als CBT bezeichnete Aktivitäten in Communities anbieten. Weitere wichtige Akteur: innen sind im NPO- und NGO-Bereich angesiedelt. Sie sehen Tourismus mit und in Communities als Option für die Generierung von Einnahmen, um darüber ihre zentralen Aktivitäten zu ermöglichen. Lernergebnisse dieses Kapitels ● Sie können wichtige Akteur: innen des Community-based Tourism benennen. ● Sie sind in der Lage, zwischen Akteur: innen des CBT im engen Sinne und Akteur: innen im Kontext von Tourismus in Communi‐ ties zu unterscheiden. ● Für alle Akteur: innen können Sie Motive und Absichten aufde‐ cken, theoretisch unterlegen und kritisch hinsichtlich der Folgen betrachten. <?page no="120"?> ● Sie sind in der Lage, Verflechtungszusammenhänge zwischen den Akteur: innen aufzuzeigen und Konsequenzen für Akteur: innen abzuleiten. 5.1 Community members - Wer sind die locals? Die für Community-based Tourism wichtigste Anspruchsgruppe und Ak‐ teur: innen sind die Mitglieder einer Community. Aufgrund der bereits mehr‐ fach beschriebenen Schwierigkeit einer klaren Eingrenzung der Community - insbesondere in urbanen Räumen - sind Aussagen zu Mitgliedern nicht einfach zu überprüfen. Wer gehört dazu und wer nicht? Was geschieht, wenn eine Person sich der Community zugehörig fühlt, andere sie aber nicht anerkennen? Welche Konsequenzen ergeben sich daraus, dass die Sicht von außen (z. B. von Reisenden auf eine Dorfgemeinschaft) eine andere als die von innen ist? Wie geht die Community mit den von außen definierten Annahmen und Narrativen um? Zu fragen ist auch, in welcher Relation Einzelne zur Community stehen. Die Konstellation ist vergleichbar mit dem Zusammenspiel von Organisa‐ tion und Individuen, wobei eine Organisation mehr ist als die Summe der Mitglieder. Während Organisationen im unternehmerischen Kontext jedoch primär durch gemeinsame Ziele und ein Regelwerk verbunden sind, ergibt sich die Verbundenheit in Communities aus Tradition, geteilten Erfahrun‐ gen, Abhängigkeiten, persönlicher Bekanntheit und räumlicher Nähe. In manchen Ländern sind verwandtschaftliche oder ethische Verbindungen weitere Elemente. Die Sicht von Communities auf CBT bzw. auf in Communities stattfinden‐ den Tourismus wird in der Literatur bislang nur selten betrachtet und die Ergebnisse sollten kritisch betrachtet werden. Die Erhebung der Meinung von Community-Mitgliedern durch Externe bedeuten eine methodische Herausforderung. Vor dem Hintergrund eines starken Machtgefälles in Verbindung mit kulturellen Unterschieden bei der Wertschätzung von Höf‐ lichkeit und der Unmöglichkeit Kritik zu äußern, ist es fraglich, ob die geäußerte Meinung den Empfindungen entspricht oder ob die Forschungen die Aussagen korrekt deuten und bewerten können. Diese Fragestellungen 120 5 Wer macht mit? Motive, Absichten, Strukturen <?page no="121"?> werden im Umfeld der Ethnografie ausführlich diskutiert (Breidenstein et al., 2020). Relevante tourismuswissenschaftliche Forschungsansätze sind Modelle zum Destinationslebenszyklus u. a. von Doxey (1975) und Konzepte wie Quality of Life (QOL) (Uysal et al., 2016). Unter dem Schlagwort resident perception finden sich seit den 1970er-Jahren viele Studien (Sharpley, 2014). Allerdings bleiben diese entweder oft an der Oberfläche und beschreiben zeitliche Entwicklungen innerhalb von Destinationen (Heuwinkel, 2023, S. 82ff.) oder sie fokussieren auf die Entwicklung und Überprüfung (psycho‐ logischer) Konstrukte wie Lebensqualität, Zufriedenheit und Glück. Tipp │ Erwartungen der locals? Auch wenn es sich bei dem Film Framing the Other nicht um CBT, son‐ dern im besten Fall um Tourismus in einer Community resp. Community als Objekt des Tourismus handelt, zeigt eine Szene sehr deutlich, was der Besuch und die Interaktion zwischen Touristin und Einheimischer für letztere bedeuten können. In einem Interview drückt sie eine große Enttäuschung aus, dass sich die Touristin am Anfang als Freundin bezeichnet und sich dann nicht einmal verabschiedete. „Framing the Other portrays the complex relationship between tourism and indigenous communities by revealing the intimate and intriguing thoughts of a Mursi woman from Southern Ethiopia and a Dutch tourist as they prepare to meet each other.“ (Timmers, 2023, o. S.) Der Film wird auf der folgenden Website gestreamt: 🔗 https: / / guidedoc.tv/ Für Dozierende wird umfangreiches Material angeboten. Auch in dem Interview mit Rachel (→ Kapitel 2) ging sie nur zwischen den Zeilen auf die emotionale Herausforderung ein, die es für sie bedeutete, weiße Menschen in ihrem Haus willkommen zu heißen und übernachten zu lassen. Palmer und Chuamuangphan (2018) betonen den Aspekt, dass aufgrund von Machtunterschieden und fehlenden Möglichkeiten nicht alle Mitglieder einer Community in CBT eingebunden werden. Hinzu kommt, dass einige Personen nicht partizipieren wollen. Die Autor: innen hinterfragen die 5.1 Community members - Wer sind die locals ? 121 <?page no="122"?> 15 Der Besitz von Land ist in Thailand gesetzlich auf thailändische Bürger: innen oder thailändische Firmen mit Thai Nationalität beschränkt, wodurch die für das Land zentrale Landwirtschaft für Menschen ohne thailändische Nationalität nicht zugängig ist. Annahme, dass CBT eine Lebensgrundlage für Menschen in Regionen, die keine anderen Entwicklungsmöglichkeiten haben oder für marginalisierte Gruppen bieten kann. Begründet liegt dieses in den weitreichenden Konse‐ quenzen, die ein mit CBT avisiertes Empowerment erreichen soll. CBT bewegt sich in einem durch Ungleichheiten geprägten Umfeld, das nicht einfach verändert werden kann. Die Case Studies aus Thailand zeigen darüber hinaus, dass die Sicht auf CBT stark von der Existenz anderer Alternativen 15 in Kombination mit eigenen Fähigkeiten abhängt. Ein weiterer Aspekt ist die Relation zwischen Aufwand und Ertrag, wobei dieser abhängig ist vom sozialen Status und der damit verbundenen Macht der Community-Mitglie‐ der. Somit ist auch aus Sicht der Mitglieder einer Community die Beteiligung durch ökonomische Überlegungen geprägt. „Participation appeared to be affected by the exercising of choice, at least in terms of economic cost-benefit analysis in relation to livelihoods pursued by those owning land (the key to access to opportunity in the communities under study).“ (Palmer & Chuamuangphan, 2018, S.-325) „Involvement in tourism decision-making was recognised to be governed by local power structures and local politics and local community members saw little ways of influencing or working beyond locally-determined hierarchical processes.“ (ebenda S.-333) Der oben genannte Einfluss des sozialen Settings des CBT zeigt sich deutlich, wenn Studien zum CBT in Brasilien betrachtet werden. Dort findet CBT oft im Umfeld von Favelas statt. Befragungen zeigen, dass Tourismus mehr als die Generierung von Einnahmen bedeutet. Beispiele sind ein höheres Selbstwertgefühl und ein steigendes Interesse an einem friedlichen Zusam‐ menleben (Mano et al., 2017). Einzelpersonen Die zuvor diskutierte Herausforderung der Integration aller Mitglieder einer Community in CBT steht in Zusammenhang mit den Aktivitäten von Einzelpersonen, die in Communities touristische Erlebnisse anbieten. 122 5 Wer macht mit? Motive, Absichten, Strukturen <?page no="123"?> Es fällt auf, dass eine Vielzahl von CBT-Projekten von Einzelpersonen initiiert und umgesetzt werden. Die in → Kapitel 2 beschriebenen Beispiele von Juma und Rachel gehen beide in diese Richtung, wobei Juma seit einigen Jahren selbst in Khayelitsha lebt, obwohl er aus Malawi stammt und in Simbabwe aufwuchs. Rachel wurde in Langa geboren und hat es nicht verlassen. Auch die Beispiele aus der Dominikanischen Republik und Thailand zeigten Personen, die zwar aus der Community stammen, aber aufgrund ihrer Position als Bürgermeister von den anderen abgegrenzt sind. Es lässt sich grob unterscheiden zwischen Menschen, die aus der Com‐ munity stammen, dort leben, gelebt haben oder zumindest einen direkten Bezug zu dieser haben und solchen, die von außen kommend diese nutzen. Nutzen umfasst ein breites Spektrum von Zwecken, die sich auf einer Skala zwischen rein egoistischen Motiven bis zu Altruismus bewegen. Die Bewertung und Einordnung einzelner Vorhaben ist schwierig, da auch bei gut gemeinten Vorhaben nicht immer Gutes erreicht wird. Hinzu kommt, dass viele Projekte im Globalen Süden von Menschen imitiert werden, die nicht aus der Community, sondern aus einer deutlich besser gestellten gesellschaftlichen Schicht oder aus dem Globalen Norden stammen. Diese Konstellation ist verbunden mit einer kontrovers und aktuell nicht zu lösenden Diskussion um Figuren und Narrative (vgl. → Box White Saviours). Ein Beispiel für eine stark egoistische Ausrichtung wäre eine Tour, die von einer Person angeboten wird mit dem Ziel, damit Geld zu verdienen und die‐ ses für sich zu nutzen. Tourist: innen werden durch die (in vielen Fällen sehr arme) Community geführt, dürfen Fotos machen und der Guide vermittelt Gespräche und übersetzt. Von den Einnahmen erhalten die Einheimischen nur einen Bruchteil. Beispiel für altruistische oder philanthropische Aus‐ richtung könnte eine Tour sein, in der Projekte innerhalb einer Community und keine Privaträume besucht werden. Die Projektverantwortlichen kom‐ men selbst zu Wort. Die Verteilung des Gewinns wird vorab gemeinsam abgestimmt. Die Abrechnung erfolgt transparent und sowohl Community als auch der Guide definieren ihre Kosten und ihre Leistungen. Es existieren Regeln zum respektvollen Umgang. 5.1 Community members - Wer sind die locals ? 123 <?page no="124"?> Wissen │ White Saviours Im Kontext des Neokolonialismus und der damit verbundenen Forde‐ rung nach einer Dekolonialisierung des Tourismus findet sich regel‐ mäßig der Verweis auf White Saviours (Weiße Retter: in) resp. White Saviourism in Kombination mit westlichen Ideologien und der Vorstel‐ lung der vermeintlichen „weißen Überlegenheit“ (Higgins-Desbiolles et al., 2023). Der White Saviour ist eine literarische Figur, die eine stereo‐ type Verhaltensweise typischerweise weißer Menschen im Umgang mit BIPoCs (Black, Indigenous, People of Color) bzw. PoCs (People of Color) oder Schwarzen Menschen verkörpert. Die Verhaltensweise ist dabei durch die paternalistische Ausübung einer strukturellen (und auf den Kolonialismus beziehbaren) Machtposition zu charakterisieren. Lange Zeit wurde dieses Bild im Marketing eingesetzt, um Menschen bspw. zum Spenden anzuregen. Damit werden jedoch Vorurteile be‐ zogen auf vermeintliche Stärken und Schwächen manifestiert. Das zentrale Anliegen vieler Organisationen ist deswegen die Entwicklung neuer Narrative weg vom „Weiße retten Schwarze Menschen“. Anstelle des Gerettetwerdens treten Aktivität, Kreativität und Leadership. Bei vielen CBT-Projekten im Globalen Süden finden sich aktuell noch Konstellationen, in denen weiße Menschen aufgrund ihres Zugangs zum Internationalen Tourismus sowie des Wissens über Fördermöglichkei‐ ten eine wichtige Position zukommt. Diese wird gemäß der stereotypen Vorstellungen bildlich kommuniziert, z. B. weiße Person im Zentrum und zu ihr aufschauende Schwarze Menschen oder People of Colour (häufig Kinder), um sie herum und zu ihr aufschauend (! ) oder die weiße Person nimmt eine schützende Haltung ein, z. B. Herunterbeugen, an der Hand führen. Ähnliche stereotype Bilder finden sich bei der Darstellung älterer Menschen beim Reisen (Heuwinkel, 2021b) und bei Genderkonstellation (Goffman, 1976; Heuwinkel, 2021a). Um nicht erneut in die Nähe des White Savourism zu geraten, müssten für die Entwicklung neuer Narrative alle Beteiligten dazu befragt wer‐ den, wie sie dargestellt werden wollen. Denkübung | Wie würden Sie die Begegnung weißer Tourist: innen mit Schwarzen Menschen oder People of Colour im Kontext von CBT 124 5 Wer macht mit? Motive, Absichten, Strukturen <?page no="125"?> darstellen? Denken Sie über Ort, Aktivität, Anzahl und Positionierung nach. Wieso ist die eine Seite fest definiert (weiß), während die andere Seite mehrere Optionen mit BIPoCs (Black, Indigenous, People of Color) bzw. PoCs (People of Color) umfasst? Um die Bedeutung von Einzelpersonen im Umfeld von Community-based Tourism zu erklären, helfen Theorien zu Innovation und Disruption (Hjala‐ ger, 2009). Die Initiierung von CBT - sei es als komplexes Projekt oder als einzelne Aktivität - geht einher mit dem Durchbrechen etablierter Strukturen. Die Ausführungen zu Empowerment in → Kapitel 3.6 haben bereits deutlich gemacht, welche Anstrengungen damit verbunden sind. Darüber hinaus wurde die enge Kopplung zwischen Veränderung und Macht resp. Machverlust und den daraus resultierenden Widerständen sichtbar. Um in diesem Umfeld erfolgreich agieren zu können, scheint es starke Persönlichkeiten geben zu müssen, die entsprechend Vorhaben initiieren und umsetzen. 5.2 Reisende In (→ Kapitel 3.4) erfolgte bereits eine erste Analyse von mit dem Touris‐ mus verbundenen Bedürfnissen. In diesem Abschnitt wird konkreter auf CBT-Tourismusmärkte und die Bedürfnisse der Reisenden eingegangen. Nach einer Darstellung allgemeiner Tendenzen, werden Methoden zur systematischen Untersuchung von Dimensionen wie Motivation, Einstel‐ lungen, Werten, Erwartungen und Wahrnehmungen diskutiert und am Beispiel Kapstadt umgesetzt. Tendenzen Die folgenden Aussagen beziehen sich primär auf den deutschen und in Teilen den europäischen Quellmarkt, da erhebliche politisch, kulturell und ökonomisch bedingte Unterschiede zwischen Regionen der Welt existieren. Das gilt insbesondere für den Bereich der Fernreisen, in dem der überwie‐ gende Teil des CBT angesiedelt ist. 5.2 Reisende 125 <?page no="126"?> Auch wenn die Pandemie zeitweise zu einem kompletten Erliegen des Reisens führte und manche Verhaltensweisen (Stichwort: Revenge tourism als Bezeichnung für Reisen, die durch ein „Jetzt erst recht“ gekennzeichnet sind) daraus resultieren, zeichnet sich dennoch eine Fortsetzung mancher Trends ab, die bereits vor 2020 an Bedeutung gewannen. Zu diesen gehören die für den CBT relevanten Aspekte der Inszenierung, die in (→ Kapitel 3.2) bereits diskutierte Authentizität und die steigende Bereitschaft zur Übernahme persönlicher Verantwortung für die sozialen Folgen des Reisens. Eine Umfrage der Europäischen Kommission (2021) zeigt die wachsende Bedeutung nachhaltiger touristischer Angebote in der Zukunft. Viele der europäischen Befragten wollen ihre Reisegewohnheiten ändern, indem sie Kontakt mit Einheimischen suchen, lokale Produkte kaufen, weniger besuchten Reiseziele bevorzugen und die lokale Gemeinschaft unterstützen. Obwohl Aussagen zu geplanten Verhaltensänderungen immer mit Skepsis zu betrachten sind und mit den damit verbundenen Aufwendungen abge‐ glichen werden müssen, ist für den Aspekt der sozialen Nachhaltigkeit mit entsprechenden Handlungen zu rechnen, da die Kosten-Nutzen Relation positiv ausfällt (Ich nehme an einer spannenden Aktivität teil, die wenig kostet und beruhige mein Gewissen damit.) Anders sieht es mit der um‐ weltbezogenen Verhaltensänderung aus, da diese oft mit Verzicht assoziiert werden. Die Suche nach Authentizität geht einher mit dem Wunsch, sich abseits der bekannten Routen zu bewegen und Neues zu entdecken. Als Konsequenz ist CBT besonders attraktiv für Menschen, die neue Erfahrungen, Perspek‐ tiven und Begegnungen suchen. Sie wollen den direkten Kontakt mit der Natur und suchen den kulturellen Austausch. Sie sind bereit, zu reflektieren und zu lernen und aktiv zu werden, bspw. in Form von Aktivitäten in den Destinationen Diese Art von Tourismus spricht ein breites Spektrum von Reisenden an. Oft reisen sie unabhängig und selbst organisiert oder in kleinen Gruppen als Pauschalreise. Baby-Boomer (geboren zwischen 1946 und 1964) sind die größte potenzielle Gruppe, die sich aus Menschen zusammensetzt, die wohlhabend und gebildet sind und den Wunsch haben, ein authentisches, persönliches Erlebnis mit Komfort zu verbinden. Menschen der Generation X (geboren zwischen 1965 und 1980) zeigen ähnliche Motivationen. Zu dieser Gruppe gehören auch Familien, die CBT und den Austausch mit anderen schätzen. Sie sehen die Begegnung mit anderen Kulturen als eine Chance für ihre Kinder, etwas zu lernen und Verantwortung zu entwickeln. 126 5 Wer macht mit? Motive, Absichten, Strukturen <?page no="127"?> Die Generation der Millennials/ Generation Y (geboren zwischen 1981 und 2000) stellt ebenfalls eine wichtige Zielgruppe für CBT dar. Zu dieser Gruppe gehören Studierende und junge Familien, die nur über ein begrenztes Rei‐ sebudget verfügen, sich aber gerne weiterbilden möchten. Sie streben nach persönlicher Selbstverwirklichung und wollen aktiv zum Wohlergehen der lokalen Gemeinschaften beitragen. Schulabgänger: innen und Studierende sind die primäre Zielgruppe für Volunteering und Voluntourism, die beide häufig in Communities angesiedelt sind. Die Zugehörigkeit zu einer Generation allein ist jedoch nicht aussage‐ kräftig. Wichtig sind entsprechende Einstellungen, die sich besser aus Milieu und Lebensstil (vgl. Box in → Kapitel 3.4) ablesen lassen. Nachfolgend werden konkrete Methoden und Instrumente vorgestellt, um Zielgruppen zu bestimmen. Methoden und Instrumente Grundlage für die Marktanalyse ist eine Marktsegmentierung mit einer genauen Beschreibung von Typen, Merkmalen, Motivationen und Erwar‐ tungen. Tabelle 5 zeigt eine exemplarische Marktsegmentierung. Segment Typ Merkmal Motivation Erwartungen Urlaub (Erst‐ besuch) interna‐ tional Rundreise in Kleingruppe, Paare, viele Orte viel vom Land se‐ hen, Sicherheit sehr gute Un‐ terkunft, Ver‐ pflegung Urlaub (Wie‐ derholung) interna‐ tional individuell, meh‐ rere Orte, Au‐ thentizität Erlebnisse ab‐ seits der etablier‐ ten Pfade, etwas für das Land und die Menschen tun gute Unter‐ kunft und Ver‐ pflegung Verbindung von Ge‐ schäfts- und Urlaubsreise interna‐ tional individuelle Ge‐ schäftsreisende, die ihren Aufent‐ halt verlängern Unterhaltung, Komfort, Eindrü‐ cke mitnehmen hohe Qualität und guter Ser‐ vice Studierende Social Work interna‐ tional USA Gruppenreise, Einbindung in Studium lernen, Begeg‐ nung, Authenti‐ zität geringe Quali‐ tät, Verant‐ wortung 5.2 Reisende 127 <?page no="128"?> Sportler: innen interna‐ tional Europa Gruppenreise sehr gute Trai‐ ningsbedingun‐ gen, ab und zu Ablenkung mittlere bis hohe Qualität Volunteers interna‐ tional Europa individuell oder als Gruppe orga‐ nisiert Menschen hel‐ fen, sich entwi‐ ckeln geringe Quali‐ tät, Authenti‐ zität Ferienrei‐ sende Nach‐ barlän‐ der (Na‐ mibia, Bots‐ wana) Rundreise, Fami‐ lie oder kleine Gruppe Entspannung, Erholung, inter‐ essante Erleb‐ nisse mittlere bis hohe Qualität Kurzreise national Reise mit Familie und Freund: in‐ nen an Feierta‐ gen Entspannung, Erholung, Luxus, Besuch wichtiger Attraktionen gute Unter‐ kunft, Ver‐ pflegung, Shopping-Op‐ tionen Tab. 5: Marktsegmentierung am Beispiel von Kapstadt (eigene Darstellung) Während die Marktsegmentierung auf die Bildung größerer Einheiten fokussiert, um einen Überblick über existierende Segmente zu erhalten, betont das Instrument der Persona (Maske) eine sehr intensive und detail‐ lierte Auseinandersetzung mit den Merkmalen. Im Vordergrund steht die Erforschung der Bedürfnisse von Tourist: innen, die für ein besonderes Angebot gewonnen werden sollen. Eine Persona ist ein idealisiertes Profil einer typischen Kund: in, die stellvertretend für eine Zielgruppe steht. Somit werden die in der Marktsegmentierung entwickelten Erkenntnisse weiter differenziert. Personas veranschaulichen besondere Bedürfnisse, Einstellun‐ gen und Verhaltensweisen. Wesentlich dabei ist die enge Verknüpfung von Persona mit den Zielen, sprich mit dem angebotenen touristischen Produkt oder der Dienstleistung. Die folgenden Elemente sollten bei der Erstellung einer Persona berück‐ sichtigt werden: 1. Demografische Angaben zur Persona: Alter, Gender, Wohnort, Herkunft, Beruf, Name. 2. Bild der Persona 3. Generation, Milieu, Persönlichkeitsprofil der Persona: 128 5 Wer macht mit? Motive, Absichten, Strukturen <?page no="129"?> Diese Punkte sind abhängig von der Relevanz für das touristische Verhalten 4. Bedürfnisse der Persona: Was ist ihr wichtig? Wonach sucht sie? 5. Konkrete Ziele der Persona: Warum ist die Persona unterwegs? Warum hat sie sich für diese Reise entschieden? Was will sie mit der Reise erreichen? 6. Frustrationen, Sorgen, Hindernisse, Herausforderungen: Worüber ärgert sich die Persona? Was regt sie auf ? Was lehnt sie ab? Wovor hat sie Angst? 7. Informations-, Medien-, Buchungsverhalten: Wo und wie sucht die Persona nach Informationen? Welche Medien nutzt sie wozu? Wie bucht sie? 8. Rolle und Verantwortung der Persona: Reist die Persona alleine, in der Gruppe mit Partner: in, Familie? Wie steht sie zu den mitreisenden Personen? 9. Reiseerfahrung: Wie reiseerfahren ist die Persona generell? Wie oft hat sie die Destina‐ tion bereits besucht? 10. Biographie der Persona: Beschreibung der Aspekte, die elementar für die angebotenen Leistun‐ gen sind. Die Spezifizierung erfordert die Erstellung mehrerer Personas. Für CBT könnte das einerseits eine Persona sein, die einmalig ein CBT-Projekt besucht oder andererseits eine Spender: in und Unterstützer: in, die für eine langfristige Verbindung gewonnen werden soll. → Abbildung 21 zeigt eine exemplarische Persona für eine Commu‐ nity-Tour in Vrygrond. Das Ziel dieser Tour ist die Gewinnung von Men‐ schen, die dauerhaft für das Butterfly Art Project (→ Kapitel 2) spenden oder dieses auf eine andere Weise unterstützen wollen. 5.2 Reisende 129 <?page no="130"?> Abb. 21: Persona (eigene Darstellung) Hannah Lambertz Alter: 46 Gender: Weiblich, she/ her Wohnort: Saarbrücken Herkunft: Saarland Beruf: Journalistin, Studium: Germanistik Lebenssituation: Verheiratet, zwei volljährige Kinder Reisetyp: Mehrere kürzere Reisen, oft in Verbindung mit Beruf Archetype: Entdeckerin und Betreuerin INTELLIGENZ - KOMMUNIKATION VERÄNDERUNG Motivation / Ziele - Arbeit und Reisen verbinden - Kritisch, aber nicht destruktiv sein - Communities unterstützen - Menschen auf Ungleichheit aufmerksam machen und zum Handeln motivieren Bedürfnisse - Kontakte mit Einheimischen - Ehrlichkeit - Ruhe für die Arbeit finden Frustrationen - Inszenierungen - Ausbeutung besuchte Länder: Abb. 21: Persona (eigene Darstellung) In der Literatur zum Community-based Tourism und durch Case Studies belegt (Walia, 2020) wird betont, dass die Formen und Ausgestaltungen der Angebote durch zahlreiche Faktoren bedingt und die Formulierung generalisierter Aussagen kaum möglich sind. Dennoch sollte es möglich sein, Gründe für CBT seitens der Reisenden zu finden und diese bei der Entwicklung von Angeboten als Referenz zu nutzen. Die nachfolgende Case Study aus Südafrika weist auf einige zentrale Merkmale von Reisenden hin, die CBT nachfragen. Case Study SA Der Umgang mit Community-based Tourism in Südafrika ist ambivalent. So bieten die 2016 vom Tourism Department of South Africa gemeinsam mit der International Labour Organization entwickelten Richtlinien (Operational Guidelines for Community-Based Tourism in South Africa) einen Rahmen für CBT an, der bei der Entwicklung oder bei der Verbesserung von CBT helfen soll (Spenceley et al., 2016). In den Richtlinien findet sich eine weit gefasste Definition für CBT (→ Zitat), während in wissenschaftlichen Publikationen zum CBT in Südafrika ein deutlich engeres Verständnis mit 130 5 Wer macht mit? Motive, Absichten, Strukturen <?page no="131"?> einer Betonung der Communities gewählt wird (Giampiccoli et al., 2014). Externe Akteur: innen sollen in diesem Kontext unterstützend und beratend (als Facilitator) dienen, und es werden u. a. Hochschulen (→ Kapitel 5.7) als Partner gesehen in Kombination mit einem unabhängigen CBT-Institut oder einem Verband (Community Tourism Association), der dezentral organisiert ist. Vorbild für dieses sind andere Regionen und Ländern wie Lateinamerika und Thailand. „[CBT] refers to any tourism business or activity that is located within a community, it may either be privately owned or managed or operated with the involvement of the local community members. It should be able create community linkages and adhere to responsible tourism practices that take environmental, social and cultural sustainability into account.“ (Spenceley et al., 2016, S.-5) Während der akademische Ansatz auf den Aufbau von Strukturen und die Entwicklung von policies setzt, stellen die Richtlinien Fragen des Manage‐ ments in den Vordergrund. Das zeigt sich bereits in der Unterscheidung in vier Typen des CBT, die sich aus der Ausgestaltung des CBT-Ventures (CBT-Unternehmen oder Projekt) ergeben. Damit liegt der Fokus eindeutig auf dem Management und der wirtschaftlichen Überlebensfähigkeit. 1. Communally-owned Tourism Venture (COV) Unternehmen, das im Besitz der Community ist. Die Community kon‐ trolliert und erhält den Großteil aller Einnahmen. 2. Community tourism initiative in a partnership with a private sector operator CBT-Initiative, die gemeinsam mit dem privatwirtschaftlichen Sektor als Joint Venture umgesetzt wird. Während die Community Land, Arbeits‐ kraft und vor Ort verfügbare Ressourcen einbringt, kommen von der privaten Seite Gelder und Expertise. Die Einnahmen kommen beiden zugute. 3. Community-based Tourism Entrepreneurship (CBTE) Ein von einer Einzelperson oder mehreren Mitgliedern der Community gegründetes (kleines) Unternehmen. Juma Tours (→ Kapitel 2) könnte in diese Kategorie eingeordnet werden. 4. Community enterprise linkages with private sector-owned tourism busin‐ esses Unternehmen der Community und privatwirtschaftliche Tourismusun‐ ternehmen kooperieren. 5.2 Reisende 131 <?page no="132"?> Beispiele │ Community Tourism in Südafrika Die Bulungula Lodge gehört seit 2014 der Nqileni Community und wird von dieser verwaltet und vermarktet, nachdem sie zuvor über einen Zeitraum von zehn Jahren als Joint Venture mit einem privaten Partner entwickelt wurde. Die Lodge ist in unterschiedlichen Bereichen zertifiziert und bietet inzwischen einen mit Solarenergie betriebenen Shuttle Service an. Seit 2014 existiert das Bulungula Incubator, eine Not-for-profit Organisation, die sowohl Bildung- und Gesundheitsals auch Infrastrukturprojekte in der Community initiiert. Community-based Tourism bzw. Tourismus in Communities in Südafrika ist stark von Tourist: innen aus Europa, den USA und Kanada abhängig. In urbanen Räumen überwiegen als Angebote Touren in Verbindung mit Workshops oder Homestays. In ländlichen Gegenden stehen Übernachtun‐ gen in Lodges im Vordergrund, die um Aktivitäten (experiences) gemeinsam mit Einheimischen (Wanderung, Angeln, Handwerk etc.) erweitert werden. Die meisten Angebote sind bei der Finanzierung und den Marketing-Akti‐ vitäten auf öffentliche Gelder oder die Unterstützung von Reiseveranstaltern angewiesen, die als Vermittler fungieren, und die Reisenden zu den Projek‐ ten bringen. Eine Studie von Lwoga (2019) untersuchte die potenzielle Nachfrage deutscher Tourist: innen nach CBT in der Subsahara. 80 Prozent der befragten Personen äußerten Interesse an CBT. Als wichtigste Motive wurden lokale Flora und Fauna und deren traditionelle Nutzung, Neues von der Community und über die Geschichte und Traditionen lernen genannt. Neben diesen wissens- oder erfahrungsorientierten Motiven spielen soziale Motive, wie Interaktion mit der Community und Unterstützung derselben eine Rolle. Wenn Interaktion und Wissen/ Bildung die wichtigsten Faktoren für CBTs sind, sollten CBT-Produkte diesen Interessen gerecht werden, aber auch versuchen, authentisch zu bleiben. Um eine Interaktion mit den Mitgliedern der Community anbieten zu können, ist es wichtig, diese für die Begegnung zu interessieren und darauf vorzubereiten. Nur auf diesem Wege ist eine erfolgreiche Kommunikation möglich. Eine erste Hürde sind dabei fehlende Sprachkenntnisse auf beiden Seiten. Eine Möglichkeit ist entweder, dass - ein ausreichendes Niveau auf beiden Seiten vorausgesetzt - in Englisch 132 5 Wer macht mit? Motive, Absichten, Strukturen <?page no="133"?> kommuniziert oder Übersetzer: innen genutzt werden. Diese Aufgabe über‐ nehmen häufig die Tourguides. Ziel sollte es sein, die Interaktion für alle Beteiligten wertvoll zu gestalten und gleichzeitig Wissens- und Unterhaltungselemente für Tourist: innen zu integrieren. Uthando SA bietet einen interessanten Ansatz, wenn es um die Gestaltung der Interaktion geht. So werden Projekte, u. a. ein community garden, ein Seniorenheim und eine Tanzschule anstelle von Privaträumen besucht. Zu Wort kommen nicht nur die Tourguides, sondern auch die für die Projekte verantwortlichen Personen. Das Ziel ist die Vermittlung positiver und aktiver Bilder und ein Bruch mit den mit Armut verbundenen Vorstellungen von Community. Aufschlussreich für die Gestaltung von CBT sind Aussagen von Befragten, die kein Interesse an CBT haben oder diese Angebote nicht nutzen würden. So wollen viele nicht in das private Leben der Einheimischen eindringen und eingreifen. Die Sorge vor Voyeurismus oder Unsicherheiten im Umgang mit Armut - von der grundsätzlich ausgegangen wird - kommen hinzu. Andere Bedenken betreffen den Mangel an professioneller Organisation, Krankhei‐ ten, Verbrechen und den CO 2 -Fußabdruck, der durch Langstreckenflüge entsteht. Der → Kasten zeigt Fragen, die häufig von Reisenden im Kontext von CBT-Touren gestellt werden. Basis für die Zusammenstellung waren Gespräche in Kapstadt. FAQs ● Ist es sicher mit meinem Mietwagen durch K. zu fahren? ● Wie sicher ist eine Fahrt mit Uber? ● Verstehen Menschen mich, wenn ich Englisch spreche? ● Welche Geschenke kann ich für Kinder mitbringen? ● Darf ich fotografieren? ● Gibt es dort Toiletten? ● Was mache ich, wenn mir das Essen nicht schmeckt oder mir als Vegetarierin Fleisch angeboten wird? Manche Menschen werden diese Themen direkt ansprechen und um Hilfe bitten, während andere versuchen werden, die Antworten an anderer Stelle zu finden. Die Bereitstellung von Informationen und die Adressierung von 5.2 Reisende 133 <?page no="134"?> schwierigen Themen ist eine Herausforderung, die noch nicht einheitlich geregelt ist. In → Kapitel 5.4 wird exemplarisch gezeigt, wie Tourguides die Reisenden auf eine Tour vorbereiten. Attraktionen Die zuvor beschriebenen Bedürfnisse, Wünsche und Erwartungen erlauben einen Einblick in das Handeln von Reisenden. Neben den Motiven Entspan‐ nung, Spaß und Zeit mit Familie und Freunden verbringen, erwarten viele Menschen etwas Besonderes (FUR, 2024). Dieses Besondere ist oft diffus und kann nicht exakt beschrieben werden. In diesem Zusammenhang haben Attraktionen eine große Zugkraft. Bücher wie „1000 Orte, die man gesehen haben muss, bevor man stirbt“ legen den Schwerpunkt auf ikonische Stätten und Orte. Manche Menschen haben eine Wunschliste für Reisen oder Apps wie Countries Been, um ihre Reiseaktivitäten zu dokumentieren und besuchte Attraktionen abzuhaken. Die im Mittelpunkt stehenden Attraktio‐ nen werden als solche konstruiert und der touristische Blick wird auf diese ausgerichtet (Urry, 2002). Die Tourismuswissenschaft unterteilt Attraktionen in Kategorien, z. B. in natürliche, extra errichtete Bauwerke und Strukturen sowie Veranstal‐ tungen (Swarbrooke & Page, 2012) oder in lokale, regionale, nationale und internationale Quellmärkte (Leask, 2010). Einige Attraktionen basieren auf Literatur ( Julias Balkon in Verona, Italien), Filmen (Harry-Potter-Zug), Netflix-Serien oder geheimnisvollen Kreaturen (Loch Ness in Schottland). Hinzu kommen Lebensgewohnheiten von Menschen sowie die Auseinan‐ dersetzung mit negativ besetzten Themen wie Armut und Gewalt, letzteres unter dem Begriff des Dark Tourism (→ Box: Dark Tourism) subsumiert. Wissen │ Dark Tourism Dark Tourism - auch Grief, Fright und Morbid Tourism - ist seit 1996 Thema wissenschaftlicher Literatur. Zentrales Merkmal war zunächst das Interesse von Tourist: innen an der Auseinandersetzung mit Unglü‐ cken, Tod, Grausamkeiten und Katastrophen. Motive dafür sind vielfäl‐ tig und beeinflusst von persönlichen Hintergründen und gesellschaftli‐ chen Stimmungen. Die Angebote in diesem Umfeld sind unterschiedlich ausgerichtet und reichen von Wissensvermittlung, Aufarbeitung und 134 5 Wer macht mit? Motive, Absichten, Strukturen <?page no="135"?> Lernen bis zu Sensationslust. Slums, Townships und Favelas werden als eine mögliche Rubrik genannt (Steinecke, 2021). Ein aktuelles Phä‐ nomen ist das Genre der True Crimes und hier insbesondere der True Crime Podcast. Im Kontext von Community-based Tourism ist es aufschlussreich, die geografische Verteilung von kulturellen und natürlichen Attraktionen zu betrachten. Während Europa in der Vergangenheit für seine kulturellen Attraktionen berühmt war, versuchen viele europäische Reiseziele heute, ihre natürlichen Attraktionen, z. B. Biosphärenreservate, in den Vorder‐ grund zu stellen. Im Gegensatz dazu waren viele Länder des Globalen Südens lange Zeit nur für ihre Naturschönheiten berühmt und viele Men‐ schen ignorierten den kulturellen Reichtum. Bedingt liegt das u. a. in der Definitionsmacht dessen, was Kultur ist und in den vom Globalen Norden vorgenommenen Auszeichnungen, wie beispielsweise das UNESCO Weltkulturerbe (UNESCO, 2024). Typ Sehenswürdigkeit Event natürlich landschaftliche Attraktio‐ nen wie ein Berg Beispiel: Table Mountain, Kapstadt natürliches Ereignis, das zu be‐ stimmten Zeiten stattfindet Beispiel: Wale in der False Bay, Kapstadt von Menschen ge‐ schaffen gebaute Attraktionen wie historische oder moderne Gebäude Beispiel: Zeitz MOCAA, Kapstadt Events, die von Menschen ent‐ wickelt werden. Beispiel: Rugby Weltmeister‐ schaft, Kapstadt Community Dorf, Stadtteil, Straßen etc. Beispiel: Fahrt oder Führung durch eine Community Aktivitäten innerhalb einer Community Beispiel: Kochkurs in Woodstock, Kapstadt Tab. 6: Attraktionen (basierend auf Holloway, 2020, S.-241) Die sozialen Medien, insbesondere Instagram, haben die Anzahl der Attrak‐ tionen drastisch erhöht. Aufgrund dieser Entwicklung ist die Konkurrenz zwischen den Reisezielen sehr groß und einige Menschen fühlen sich bereits davon überfordert, von einer Attraktion zur nächsten zu hetzen. 5.2 Reisende 135 <?page no="136"?> Entscheidend für eine Attraktion ist, dass Menschen tatsächlich das Gefühl haben, an einem besonderen Ort zu sein oder etwas Besonderes zu erleben. Damit verbunden ist eine emotionale Aktivierung, die individuell verschieden ist. Manche Menschen benötigen ein lautes und aktives Umfeld, während andere in der Ruhe und Abgeschiedenheit zum Erlebnis finden. In einer Welt, die zur Reizüberflutung neigt, sind entweder besonders intensive Reize oder Reizarmut eine Möglichkeit aufzufallen (Bak, 2020). Auch wenn der Eindruck entsteht, dass Attraktionen nur für Tourist: in‐ nen geschaffen wurden, entstanden die meisten tatsächlich mit dem Motiv, den Einheimischen etwas zu bieten bzw. sind sie als kulturelle Lebensäuße‐ rung zu sehen. Darüber hinaus finden sich politisch motivierte Projekte, die eine Region über aufsehenerregende Aktionen in Wert setzen sollen. Ein interessantes Beispiel für eine politisch motivierte Konstruktion einer Attraktion ist das Guggenheim-Museum in Bilbao. Die Region des Basken‐ landes hatte in den 1980er- und 1990er-Jahren mit Terrorismus und sozialen Problemen zu kämpfen. Das Museum war Teil einer millionenschweren Investition in Kultur und Fremdenverkehr, um die Stadt attraktiver zu gestalten, die Lebensqualität zu erhöhen und darauf aufbauend die Basis für Frieden zu schaffen. Die Umwandlung der ehemaligen Industrieregion in eine touristische Attraktion sollte darüber hinaus die Wertschätzung und den Stolz für die Region erhöhen. Diese Umwandlung wird als Bilbao-Effekt bezeichnet (Plaza, 2000). Aus der Perspektive von Destinationen sind Attraktionen seit längerem ein Thema, das nur bis zu einem gewissen Maße positiv besetzt und einfach zu handhaben ist. Steigende Besucher: innenzahlen, der Hang zur Inszenie‐ rung des Ichs mit der Attraktion als Kulisse und die Missachtung von Kultur und fehlender Wertschätzung für diese führen zu Herausforderungen, die im engen Zusammenhang mit Fragen des Besucher: innenmanagements stehen. Hinzu kommt die Frage, wie Geschichte oder Themen wie Armut und Gewalt verantwortungsvoll vermittelt werden können. Besucher: innenmanagement Der Schutz der natürlichen und sozialen Umwelt, in der touristische Akti‐ vitäten stattfinden, ist eine Voraussetzung für den Erfolg des Tourismus. Der Druck, der von übermäßigen Besuchszahlen ausgeht, ist seit langem ein Problem in der ganzen Welt. Daher wurde vielerorts ein System zum Management von Besucher: innen eingeführt, das Wege zur Regulierung der 136 5 Wer macht mit? Motive, Absichten, Strukturen <?page no="137"?> Besucherströme aufzeigt und die negativen Auswirkungen minimiert. Es soll ebenfalls dazu beitragen, die Erwartungen der Tourist: innen mit den Bedürfnissen der Destination und der im Tourismus beschäftigten Personen in Einklang zu bringen (Holloway & Humphreys, 2020, S.-154ff.). Allzu oft wird das Besucher: innenmanagement erst diskutiert, wenn Probleme auftreten und Widerstand offen formuliert wird. Es ist somit von entscheidender Bedeutung, dass die Strategien und Maßnahmen, die für ein erfolgreiches Management der Auswirkungen des Tourismus erforderlich sind, bereits mit dem Beginn der Besucherströme eingeführt werden. Die Maßnahmen sollten in Einklang mit Angebot und Nachfrage gebracht werden. Die Herausforderung für das Management besteht nicht darin, alle vom Menschen verursachten Veränderungen zu verhindern, sondern vielmehr sicherzustellen, dass die Grenzen der akzeptablen Veränderung (Limits of Acceptable Change, LAC) nicht überschritten werden, und zu entscheiden, wie viel Veränderung zugelassen werden kann, um dies zu erreichen. Holloway und Humphreys schlagen vor, dass der LAC-Prozess vier Phasen umfasst: 1. Festlegung akzeptabler und erreichbarer sozialer und ressourcenbezo‐ gener Bedingungen, die durch eine Reihe messbarer Parameter definiert werden 2. Analyse der Wechselbeziehung zwischen den bestehenden Bedingun‐ gen und den als akzeptabel angesehenen Bedingungen 3. Ermittlung der zur Erreichung der Bedingungen erforderlichen Mana‐ gementmaßnahmen 4. Aufstellung eines Programms zur Überwachung und Bewertung der Wirksamkeit des Besuchermanagements. Dieser Ansatz wurde bei einer Vielzahl von Attraktionen und Destinationen (Beispiele: Taj Mahal, Petersdom, Uffizien) umgesetzt. Maßnahmen können darin bestehen, Teile oder die gesamte Attraktion bzw. das Umfeld zu be‐ stimmten Zeiten zu schließen oder die Anzahl der Besucher: innen durch ein Ticketsystem zu begrenzen. Bildungs- und Informationsangebote können ebenfalls dazu beitragen, die Besuchernachfrage und das Besucherverhalten in der Attraktion zu regulieren. Der strategische Prozess der Entwicklung eines Managementplans sowie die Umsetzung zur Kontrolle der Besucher: innen ist mit Kosten verbun‐ den. So können beispielsweise erhebliche Kosten für die Anpassung des physischen Umfelds anfallen, z. B. für den Bau von Wanderwegen, eines 5.2 Reisende 137 <?page no="138"?> Besucherzentrums oder einer Beschilderung zur Steuerung des Besucher‐ verhaltens. Diese Ausgaben können in die Preise einkalkuliert, von der Destination getragen oder von lokalen Tourismusunternehmen bezahlt werden. Tourist: innen können verpflichtet werden, eine Lizenz für den Zugang zu einem Gebiet zu erwerben. Durch die Begrenzung der Anzahl der Lizenzen kann kontrolliert werden, wie viele Besucher: innen in ein Schutzgebiet, z.-B. einen Nationalpark, gelangen. Die operativen Methoden zum Management der Auswirkungen des Tou‐ rismus können grob in zwei Kategorien - harte und weiche Maßnahmen - unterteilt werden. Harte Managementtechniken beziehen sich auf Maß‐ nahmen, die touristische Aktivitäten einschränken, wie z. B. physische oder finanzielle Kontrollen. Zeitlich begrenzte Eintrittskarten können das Besu‐ chererlebnis erheblich verbessern und auch dem Reiseziel zugutekommen, indem sie den Besucher: innen eine bestimmte Tageszeit zuweisen. Dies trägt dazu bei, die Nachfrage nach dem Reiseziel zu verteilen, während die Tourist: innen die Zeit nutzen können, um andere Attraktionen in der Umgebung zu besuchen, zu essen oder einzukaufen, was wiederum ihre Ausgaben erheblich steigern kann. Darüber hinaus kann es auch von Vorteil sein, den Zugang von Gruppen oder die Art der erlaubten Aktivitäten an bestimmten Orten zu beschränken. Ein Beispiel im Kontext des CBT wäre das grundsätzliche Verbot des Zu‐ gangs zu Einrichtungen wie Kindergärten und Schulen sowie eine zeitliche Einschränkung zu bestimmten Zeiten und Situationen wie es schon während der Messen in Kirchen umgesetzt wird. Weiche Managementtechniken hingegen konzentrieren sich auf den Ein‐ satz von Design oder subtilen Überzeugungstechniken, um das Verhalten der Tourist: innen zu ändern. Ein verbessertes Verhalten der Besucher: innen kann durch Bewusstseinsbildung oder die Einführung eines Verhaltenskodexes erreicht werden, da die meisten Tourist: innen dem Zielort, den sie besuchen, nicht schaden wollen und dies unwissentlich tun. Harte Techniken sind der häufigere Ansatz, um die Umwelt und ihre Ressourcen vor dem Druck des Tourismus zu schützen. Im Umfeld von Communities sind diese kaum zu finden (→-Kapitel 5.4 Tourguides). Um die Notwendigkeit des Schutzes mit der Notwendigkeit, den Besu‐ cher: innen positive Erfahrungen zu bieten, in Einklang zu bringen, kann der Einsatz von sanften Techniken erfolgreicher sein. Die Aufklärung der Tourist: innen über die Auswirkungen, die sie auf die Community haben, und darüber, wie diese Auswirkungen verringert werden können, kann ein 138 5 Wer macht mit? Motive, Absichten, Strukturen <?page no="139"?> besseres Verhalten fördern und ein stärkeres Engagement für den Schutz der Community vor Nachfragedruck bewirken. Storytelling Im Gegensatz zur reinen Vermittlung von Sachinformationen nutzt das Storytelling persönliche Geschichten und Erfahrungen aus erster Hand, um Zusammenhänge und Bedeutungen zu erklären. Es wird im CBT eingesetzt, um eine Geschichte über die Community, ihre Besonderheiten und tägliche Herausforderungen sowie über besondere Ereignisse und einzelne Mitglie‐ der zu erzählen. Während in anderen Tourismusbereichen Medien und andere Informati‐ onsinstrumente (z. B. Beschilderung, Flyer, digitale Tour zum Download) zum Einsatz kommen, stehen beim CBT die Tourguides im Vordergrund. Diese sollen eine authentische und entweder persönliche - als Mitglied der Community - oder nicht persönliche Rolle - als Mittler - übernehmen. Wichtige Elemente beim Storytelling sind Objekte, die von Artefakten, Gebäuden, Tieren und Pflanzen bis hin zu Modellen oder Figuren reichen. Im CBT kann das beispielsweise eine Brücke im Dorf sein, die eine hohe Bedeutung hat, weil sie die Verbindung zwischen der Community und den anderen Orten ermöglicht. Ein weiteres Beispiel ist ein Gedenkstein, der an Unruhen erinnert, bei denen viele Menschen starben. Letztere hat einen direkten Bezug zu dem als Dark Tourism (→ Box) beschriebenen Phänomen. Beispiel │ Storytelling und Ethical-Marketing Auf der Website Traveller Storytelling bietet Elisa Spampinato zahlreiche Beispiele des Storytellings in Verbindung mit einem als ethisches Mar‐ keting bezeichnetem Vorgehen an. Zu den Geschichten gehören u. a. „In a tree nursery“, „The smile of empowered women“, „Kisoro Organic Coffee Experience“. Sie beschreibt ihre Arbeit wie folgt: „We support the local communities - rural, urban, indigenous and traditional - to continue telling their own stories and sharing them with the world.“ (2023, o. S.) 🔗 https: / / travellerstoryteller.com/ 5.2 Reisende 139 <?page no="140"?> Viele Geschichten, die von Uthando SA eingesetzt werden, haben das Motiv des Umgangs mit persönlichem Leid - oft dem Tod eines Familien‐ mitglieds im Kontext von Gewalt in der Community - und dem Wunsch, die Welt besser zu gestalten, damit so etwas nicht wieder geschieht. Im Mittelpunkt stehen meistens Frauen - als Mütter, Großmütter und Ehefrauen - die der Gewalt etwas entgegensetzen wollen, nachdem sie Kind, Enkel oder Ehemann verloren haben. Das BAP arbeitet stellenweise mit Geschichten von Kindern, die durch die Kunsttherapie einen Weg zum Umgang mit dem erlebten Trauma erlernt haben und bspw. einen Schulabschluss erreicht haben. Im Bereich des CBT in ländlichen Regionen wurden bauliche Strukturen in Form von Interpretationszentren und Beschilderungen geschaffen, um das Erzählen von Geschichten zu unterstützen, ohne dass eine Person dabei ist. Die Zentren erfüllen unterschiedliche Funktionen, die von Informationsver‐ mittlung, über die Sensibilisierung bis zur Unterhaltung reichen sollen. Eine weitere Option ist die Nutzung besonderer gestalterischer Elemente, um die Gebäude zu einer Attraktion zu machen, bspw. durch die Nutzung lokaler Baumittel und das Nachempfinden authentische Architektur. Besucher: in‐ nenzentren können darüber hinaus Schutz und wichtige infrastrukturelle Einrichtungen (Toilette, fließendes Wasser, Müll etc.) bieten. In geschützten Gebieten, wie einem Nationalpark, können die Zentren zu Start- und Endpunkten für Wanderungen werden, um Besucher: innen zu leiten und ihr Verhalten in gewisser Weise zu kontrollieren (Holloway & Humphreys, 2020). Eine große Herausforderung sind neben den initialen Investitionen für den Bau auch die benötigten Gelder für den Erhalt und die Pflege. Im Natio‐ nalpark Cotubanamá in der Nähe von Bayahibe finden sich noch vereinzelte Wegweiser und Informationstafeln. Viele von ihnen sind witterungsbedingt nicht mehr lesbar. Denkübung │ Welcher der folgenden Texte zum Thema CBT-Projekt zur Förderung lokaler Tanzschulen spricht Sie persönlich am meisten an? Woran liegt das? Welcher der Texte ist aus Ihrer Sicht am besten geeignet, um Tourist: innen dazu zu bringen, für das Projekt zu spenden? 140 5 Wer macht mit? Motive, Absichten, Strukturen <?page no="141"?> Nennen Sie bitte auch dafür Gründe und überlegen Sie, ob die Texte für alle Besucher: innen gleich formuliert sein sollten. Wissensbasis: „Wir sind nun auf unserem Weg zur Tanzschule. In dieser kommen jede Woche zwischen 200 und 250 Kinder zu einem Kurs. Die angebotenen Kurse umfassen die folgenden Stile: Klassischer Tanz, Urban und Street Dance, Hip-Hop. Eine Kurseinheit ist 45 Minuten lang.“ Verantwortung: „Die Kinder haben normalerweise keine Möglichkeit zu tanzen, da die Angebote zu weit entfernt und zu teuer sind. Wir wissen, dass das Tanzen sehr viele positive Effekte hat und fühlen uns verantwortlich, ihnen dieses zu ermöglichen. Wenn dieses Angebot nicht mehr möglich ist, fehlen den Kindern wichtige Möglichkeiten den Nachmittag sinnvoll zu gestalten.“ Emotion: „Mphepho ist neun Jahre alt. Auf dem Smartphon der Nach‐ barin hat er einmal eine Inszenierung der S-o Paulo Dance Company gesehen und träumt seitdem vom Ballett. Seine Mutter arbeitet den ganzen Tag und kann dennoch kaum die Familie ernähren. Mphepho fühlt sich oft traurig, obwohl sich seine beiden älteren Geschwister gut um ihn kümmern. Seitdem er in der Tanzschule tanzen darf, ist das Lachen in seinem Gesicht wieder so strahlend wie früher.“ Achtung! Sehen Sie sich noch einmal die Formulierungen an und überlegen Sie, welche Bilder vom Gegenüber kreiert werden. Überlegen Sie sich anschließend Regeln für den Besuch der Tanzschule oder formulieren Sie Gründe, die gegen einen Besuch sprechen. Formulieren Sie anschließend ähnliche Texte für eines der folgenden Themen: Gartenprojekt, Treff für Senior: innen, Suppenküche. 5.3 Tourismuswirtschaft: Mehr als ein Geschäft? Dieser Abschnitt analysiert Motive von Tourismusunternehmen und der Tourismuswirtschaft als System für die Beteiligung und Umsetzung von Community-based Tourism. Die zentrale Frage lautet, ob und wie wirtschaft‐ liche Akteur: innen die Logik des CBT in ihre Praktiken integrieren können und was die damit verbundenen Interessen sind. 5.3 Tourismuswirtschaft: Mehr als ein Geschäft? 141 <?page no="142"?> Es gibt eine Reihe von Gründen, warum Tourismusunternehmen versu‐ chen, verantwortungsvoll hinsichtlich der Folgen des Tourismus für die lokale Bevölkerung zu handeln. Im besten Fall erfolgt es aus persönlicher Überzeugung der Verantwortlichen verknüpft mit der Umsetzung in einer entsprechenden Unternehmenskultur und Praktiken (vgl. dazu Corporate Social Responsibility im Tourismus, Lund-Durchlacher, 2012). Im Idealfall sollten ausgehend von einer Analyse möglicher Folgen (→ Roundtable Human Rights in Tourism) Strategien und Maßnahmen zum Schutz der betroffenen Communities gemeinsam mit diesen erfolgen und in ein umfas‐ sendes CSR überführt werden. Neben den ethischen Überlegungen können ein besseres Image, der Wunsch von Reisenden oder auch Wettbewerbsvorteile eine Rolle spielen. Viele der Unternehmen, die bereits aktiv im Bereich der Nachhaltigkeit generell aktiv sind, nutzen diese Aktivitäten für die Kommunikation mit Kund: innen und anderen Interessengruppen. Ein guter Ruf ist für Unternehmen sehr wertvoll und hat einen erhebli‐ chen Marktwert, der inzwischen als Corporate Reputation Score (Reputa‐ tionsindex) gemessen werden kann (Biesalski, 2018). Die Wettbewerbsvor‐ teile, die sich aus einer guten Reputation ergeben, beeinflussen und stärken sowohl die Beziehungen zu Kund: innen und Mitarbeitenden als auch zu Partnerunternehmen und Inverstoren sowie zu politischen Akteur: innen (Abraham & Grimm, 2017). Community-based Tourism und Tourism in Communities können als ver‐ antwortungsbewusster Tourismus kommuniziert werden, die Qualität eines touristischen Erlebnisses verbessern und einen Wettbewerbsvorteil schaf‐ fen, indem sie den emotionalen Zugang zu Tourist: innen ermöglichen und die Loyalität erhöhen. Hinzu kommt der Aspekt des Umgangs mit Scham- und Schulgefühlen insbesondere bei Fernreisen. Hier werden die mit einem Langstreckenflug assoziierten Schamgefühle durch das soziale Engagement ausgeglichen. Da die Angebote der Reiseveranstalter für (Fern)Reiseziele in einem mitt‐ leren bis hohen Preissegment in Bezug auf Preis, Qualität, Verfügbarkeit und Erfahrung ähnlich sind, können ethische oder verantwortungsvolle Aspekte durchaus den Ausschlag bei der Reiseentscheidung geben. Während der Unterschied bei anderen verantwortungsvollen oder fairen Produkten wie Kaffee und Schokolade nur sehr schwer zu erleben oder zu schmecken ist, ist der Erfahrungsunterschied bei einem touristischen Produkt wesentlich leichter wahrnehmbar, insbesondere vor dem Hintergrund von Negativbei‐ 142 5 Wer macht mit? Motive, Absichten, Strukturen <?page no="143"?> spielen und daher ein Vorteil. Abschreckende Beispiele des Massentouris‐ mus dienen als Kontrast, vor dem die Geschichten des guten Reisens erzählt werden. Solche Narrative führen jedoch zur Verfestigung von stereotypen Vorstellungen des Reisens. CBT-Aktivitäten wie der Besuch lokaler Märkte, der Kauf von Souvenirs direkt von Kunsthandwerker: innen, ein Stopp in einem Spaza-Shop, ein Essen in einem lokalen Restaurant, eine Wanderung zu einer lokalen Beerenfarm sind je nach Ausgestaltung Aktivitäten, die zu einer Aufwertung der touristischen Produkte führen können. Die beschriebenen Effekte dienen jedoch zunächst nur den Leistungsträ‐ gern, die Marktvorteile erreichen und der Verpflichtung unternehmerischer Verantwortung nachkommen können. Denkübung │ Was muss geschehen, damit Community-based Tourism und Tourism in Communities mehr ist als ein Vorteil für Tourismusun‐ ternehmen und ein ruhiges Gewissen für Reisende? Es drängt sich der Vergleich mit der Nahrungsmittelindustrie auf und dem Versprechen „Genuss ohne Reue“. Analog wäre es „Fernreise ohne Reue“. Im Kontext von verantwortungsvollem und nachhaltigem Tourismus wird gefordert, dass Unternehmen einheimische Arbeitskräfte zu guten Bedin‐ gungen beschäftigen, sie effektiv ausbilden und Waren und Dienstleistun‐ gen kaufen, die vor Ort hergestellt werden. Ebenfalls sollen sie Lieferanten und Gäste dazu ermutigen, dies ebenfalls zu tun. Wenn Tourist: innen zum Beispiel lokal produzierte Souvenirs kaufen, wächst die lokale Produktion, die wirtschaftlichen Strukturen werden verstärkt und die Beschäftigung wird gesichert. Genau dieser Gedanke ist der zentrale Ansatz des Communiy-based Tourism, der jedoch, wie in (→ Kapitel 4) gezeigt, nicht einfach zu initiieren ist, wenn die erforderlichen Strukturen nicht existieren. Wenn die Nachfrage nach handgemachten Souvenirs zu schnell steigt und ein Maß erreicht, das für bereits etablierte kommerzielle Anbieter: innen interessant ist, wird sehr schnell neben dem CBT-Shop ein Shop mit Massenprodukten entstehen. Diese haben gegenüber den echten Souvenirs den Vorteil, dass sie markt‐ gängig sind (vgl. zur Gestaltung von Souvenirs: Cave & Jolliffe, 2013). In diesem Zusammenhang müsste über Regulierungen bis hin zu Verboten diskutiert werden. 5.3 Tourismuswirtschaft: Mehr als ein Geschäft? 143 <?page no="144"?> Denkübung │ Die Vorstellungen von Souvenirs werden ebenso wie andere Vorstellungen zu touristischen Elementen durch Erfahrungen und Bilder geprägt (Urry, 2002). Die vermeintlich typischen Souvenirs ähneln sich immer mehr und unterscheiden sich nur marginal in Details. Beispiele sind T-Shirts mit ähnlichen Sprüchen, Magnete für den Kühlschrank und Schlüsselanhänger mit den Namenszügen der Stadt. Darüber hinaus können überall in Spanien Torro und Carmen im Flughafenshop gekauft werden. Und in Santo Domingo werden die gleichen Holzgiraffen angeboten wie in Kapstadt. Die Stärke dieser - von vielen inzwischen abgelehnten oder zynisch gemeinten - Souvenirs ist der eindeutige und hohe Wiedererkennungswert. Bei einer Giraffe muss nicht viel erklärt werden. Sie steht für „irgendwas mit Afrika und Exotik“, auch wenn noch nie eine Giraffe den Boden der Insel Hispaniola betreten hat. Alternative, echte Souvenirs hingegen müssen erklärt werden. Ein weiterer Grund, der regelmäßig im Kontext von Nachhaltigkeit genannt wird, ist das Thema Umweltschutz. Es wird argumentiert, dass dieser auf lange Sicht zu einer echten Kostenersparnis führen kann, da die Kosten für natürliche Ressourcen ständig steigen. Die Kosten für fossile Brennstoffe und Wasser, für die Abfallentsorgung und die mit durch den Klimawandel bedingte Dürre, Überflutungen und Stürme üben einen Druck auf Unterneh‐ men aus, ihre Umweltleistung zu verbessern. Das trifft insbesondere dann zu, wenn die Folgen direkt im eigenen Umfeld spürbar sind, beispielsweise, wenn die für den Tauchtourismus zentralen Korallenbänke durch Plastik zerstört werden. Die Herausforderung des CBT ist jedoch, dass dieser häufig in Ländern und Regionen angesiedelt ist, welche die für ein umfassendes Umweltma‐ nagement erforderlichen Infrastrukturen nicht aufbauen können. In solchen Fällen müsste CBT mit der Schaffung entsprechender Infrastrukturen kom‐ biniert werden. Eine weitere schwierige Aufgabe ist die angemessene Kommunikation. Verantwortung erfordert insgesamt Transparenz und Glaubwürdigkeit, insbesondere in einer Welt, in der Kund: innen direkt mit anderen über ihre Erfahrungen sprechen und Erlebnisse bewerten können. Um alles zu vermeiden, was mit Heuchelei, Green- oder Bluewashing (→ Box) zu tun 144 5 Wer macht mit? Motive, Absichten, Strukturen <?page no="145"?> hat, müssen Unternehmen, die öffentlich mit ihrer Verantwortung werben, auch aufrichtig und konsequent verantwortlich handeln. Wissen │ Green- und Bluewashing Die Begriffe Green- und Bluewashing drücken aus, dass ein Unterneh‐ men oder eine Organisation eine Aktivität vor allem deswegen wählt, weil sie sich in einem positiven Licht präsentieren und von negativen Handlungen ablenken wollen. Während der Begriff des Greenwashing auf den ökologischen Bereich Bezug nimmt, steht das Bluewashing für soziale Angelegenheiten. Das Blue leitet sich aus der Logo-Farbe der UN ab. 5.4 Mittler: Tourguides Neben Reiseveranstaltern, Transport- und Beherbergungsunternehmen, nehmen Tourguides (Reiseleiter: innen resp. Gästeführer: innen) eine wich‐ tige Position innerhalb des Tourismus ein, da sie die Interaktion zwischen Reisenden und Einheimischen ermöglichen und gestalten (Scherle & Non‐ nenmann, 2008). 1985 führte Cohen eine Studie über die Bedeutung der Reiseleitung durch. Er beschrieb die geschichtliche Entwicklung sowie Veränderungen. Cohen vertrat die Ansicht, dass Tourist Guides sowohl als Mentor: innen, die beim geistigen Wachstum helfen, als auch als Pfadfinder: innen (path finder), die Gebiete auskundschaften, gesehen werden können. Diese zentralen Aufgaben haben sich erweitert und verändert und sind im Kontext von Community-based Tourism noch einmal anders gestaltet als bei einer klassi‐ schen Führung durch ein Stadtzentrum. Während die ursprünglichen Aufgaben eher instrumenteller Natur wa‐ ren, wie z. B. das Leiten und das Führen von Menschen, sind die kommu‐ nikativen Aufgaben in den letzten Jahren wichtiger geworden. Von einer professionellen Reiseleitung wird erwartet, dass sie Tourist: innen unterhal‐ ten und mit ihnen interagieren kann. Die Rolle von Reiseleiter: innen wird als ein eigenständiges Produkt oder eine Dienstleistung innerhalb des um‐ fassenderen touristischen Produkts bzw. als wesentlicher Bestandteil dieses Produkts betrachtet. Die Einbeziehung von Reiseleiter: innen steigert den Wert des touristischen Erlebnisses. Entscheidend sind das Fachwissen, die 5.4 Mittler: Tourguides 145 <?page no="146"?> Erfahrung, das Führungstalent und der Einfallsreichtum der Reiseleiter: in (Kruczek, 2013). Reiseleiterin: innen haben verschiedene Rollen, die mit unterschiedlichen Aufgaben einhergehen. Zunächst übernehmen sie die Informations- und Wissensvermittlung ausgehend von Orts- und Sprachkenntnissen. Sie müs‐ sen seriöse und aktuelle Informationen vermitteln, was eine kontinuierliche Weiterbildung erfordert. Die Rolle der Vermittler: in wird um Elemente der Ausbilder: in und Tutor: in ergänzt. Dieses umfasst die Förderung einer respektvollen Haltung gegenüber Natur, Kultur und Gesellschaft. Kultur und damit verbundene Werte sind anschaulich zu vermitteln. Unterschiedliche Profile der Reisenden erfordern den Einsatz verschiedener Methoden in der Vermittlung. Wichtige Größen sind Interessen, Erfahrungen, Bildungs‐ niveau und Aufmerksamkeit. Die Sicherheit der Reisenden sowie die Un‐ terstützung bei Problemen und Notfällen werden nicht explizit formuliert, müssen bei Bedarf aber abgedeckt sein. Der Umgang mit Beschwerden und Reklamationen ist eine weitere Aufgabe und steht in einem engen Zusammenhang mit den Erwartungen der Reisenden. Deswegen müssen Reiseleiter: innen wissen, mit welchen Annahmen Reisende in ein Land kom‐ men und welche Stereotype und Vorurteile Grundlage für die Annahmen sind. Eine Herausforderung besteht darin, zwischen stereotypen Annahmen und der Realität zu vermitteln. Dieser Aspekt hat eine hohe Relevanz für CBT, da diese je nach Form eng mit Themen wie Rückständigkeit resp. Armut verbunden sind (Heuwinkel, 2024, S.-67ff.). Trotz der zuvor formulierten umfassenden und anspruchsvollen Tätig‐ keiten ist der Beruf Reiseleiter: in nicht in allen Ländern staatlich geregelt und somit auch nicht mit einer verbindlichen Ausbildung sowie Lizenzen verbunden. Um diese Lücke zu schließen, bieten in Deutschland sowohl der Bundesverband der Deutschen Tourismuswirtschaft e. V. (BTW) als auch Industrie- und Handelskammern (IHK) in einigen Bundesländern Reiseleiter-Zertifikate an. In anderen europäischen Ländern, zum Beispiel Griechenland und Spanien, hingegen existiert das Berufsbild. Verschiedene internationale Organisationen wie die World Federation of Tourist Guides Associations (WFTGA) definieren einen Tourguide als eine Person, die Besucher: innen in der Sprache ihrer Wahl führt und das kultu‐ relle und natürliche Erbe eines Gebietes erläutert, wobei diese Person über eine gebietsspezifische Qualifikation verfügen kann. Solche Spezifikationen werden in der Regel von der zuständigen Behörde ausgestellt und/ oder 146 5 Wer macht mit? Motive, Absichten, Strukturen <?page no="147"?> anerkannt. Anhand von zwei Beispielen - Südafrika und Indien - wird nachfolgend auf die Regulierungen für Tourguides eingegangen. Tourguide in Kapstadt - Grundlagen und Regelwerke Wenig überraschend orientiert sich Tourismus in Südafrika an der Cape Town Declaration on Responsible Tourism (2002). Diese ist stark von den Arbeiten Krippendorfs (1982, 1986, 1987) und seiner Tourismuskritik be‐ einflusst. Südafrika war das erste Land, das sich in seiner nationalen Tourismusstrategie ausdrücklich zum verantwortungsvollen Tourismus be‐ kannte. Das White Paper on Tourism mit dem Titel „The Development and Promotion of Tourism in South Africa" (1996) definiert Responsible Tourism als verantwortungsvolle Aktivitäten gegenüber der Umwelt, den lokalen Gemeinschaften (Communities), den Besucher: innen und einer verantwor‐ tungsvollen Regierung. Dem Papier zufolge bietet der Tourismus viele Möglichkeiten, z. B. Beschäftigung, Entwicklung von Fähigkeiten, die Ent‐ wicklung ländlicher Regionen. Es wurde explizit formuliert, dass Tourismus die lokalen Gemeinschaften einbinden sollte, damit sie profitieren können. Auf der anderen Seite sollte das Wohlbefinden und die Sicherheit der Besucher: innen gewährleistet sein. Reiseleiter: innen müssen sich in diesem Feld positionieren. The Institute of Professional Tourist Guides of Southern Africa (IPTGSA) greift die Cape Town Declaration auf und definiert eine: n Reiseleiter: in als zentrale Ansprech- und Vertrauensperson und diese kann als die Personifi‐ zierung Südafrikas oder beim CBT der Community gesehen werden. „Tourist Guides act as ambassadors of the country; they are the first to meet and welcome tourists and they are often the last ones to bid farewell to them when they leave the country.“ (IPTGSA, o.-J.) In Südafrika ist Reiseleiter: in (Tourguide) ein reglementierter Beruf, der durch nationale Gesetze und Richtlinien geordnet ist. Jede Person, die Reiseleiter: in werden möchte, muss eine Ausbildung im Rahmen einer formalen Qualifikation absolvieren, die von der South African Qualifications Authority (SAQA) registriert wird. Wenn eine solche Person als kompetent erachtet wird, erhält sie ein Zertifikat, das von der Culture, Arts, Tourism Hos‐ pitality and Sports Sector Education and Training Authority (CATHSSETA) ausgestellt wird und muss dann beim zuständigen Provincial Registrar eine Registrierung beantragen, um legal tätig zu sein. Dieses Verfahren ist im 5.4 Mittler: Tourguides 147 <?page no="148"?> Tourismusgesetz (Tourism Act) von 2014 und in den Verordnungen über Fremdenführer (Regulations in respect of Tourist Guides) von 1994 bzw. 2001 festgelegt. Es gibt drei Hauptverordnungen, die den Sektor der Reiseleitung regeln: Tourism Act no. 3 of 2014 (Tourismusgesetz Nr. 3 von 2014), Regulations of Tourist Guides, 1994 and 2001 respectively (Verordnungen für Fremdenführer von 1994 bzw. 2001), The Code of Conduct and Ethics (Verhaltenskodex und die Berufsethik). Im Code of Conduct and Ethics wird auf das gewünschte Verhalten einge‐ gangen. Der Schwerpunkt liegt dabei auf dem Umgang mit den Reisenden, dem Schutz und der Zufriedenheit derselben. Der Kodex besagt, dass eine professionelle Reiseleitung sich an die Grundsätze der südafrikanischen Verfassung halten muss und darüber hinaus die Vorschriften des Institute of Professional Tourist Guides of Southern Africa (IPTGSA) einhalten sollte. Vorschriften des Institute of Professional Tourist Guides of Southern Africa (IPTGSA) Demnach soll die Reiseleitung motiviert sein, den Reisenden zu helfen und einen hervorragenden Service zu bieten. Darüber hinaus sorgt sie dafür, dass die Tourist: innen ihren Aufenthalt so angenehm wie möglich verbringen. Kein: e Tourist: in darf aufgrund von Gender, Hautfarbe, ethnischer Zugehörigkeit, Nationalität, einer Behinderung oder Alters diskriminiert werden. Die Reiseleitung hat sich unpartei‐ isch und unvoreingenommen zu verhalten. Südafrika muss objektiv dargestellt werden. Sie sollte angemessen gekleidet und präsentabel, pünktlich, zuverlässig, ehrlich, gewissenhaft und taktvoll sein. Die Reiseleitung ist stets nüchtern. Außerdem ist sie ein verantwortungs‐ voller Fahrer. Sie sollte gegenüber der vertretenden Organisation/ dem Unternehmen loyal sein. Das Programm wird nach bestem Wissen und Gewissen durchgeführt. Mit Konflikten wird sensibel und verant‐ wortungsbewusst umgegangen. Verletzungen oder Todesfälle sind der nächstgelegenen Tourismusbehörde oder Polizeistation zu melden. Falsche Informationen dürfen nicht verbreitet werden, eine Reiselei‐ tung ist immer sachkundig. Wenn sie nicht über die gewünschten Informationen verfügt, kann sie sich an die nächstgelegene Frem‐ denverkehrsbehörde wenden. Sie ist nicht befugt, ohne ärztliche Konsultation Medikamente zu verabreichen. Sie wird unter keinen Umständen auf Trinkgeld bestehen. Für die Sicherheit der Tourist: in‐ 148 5 Wer macht mit? Motive, Absichten, Strukturen <?page no="149"?> nen ist gesorgt. Die Reiseleitung trägt ihre Registrierungskarte und das Namensschild. Menschen, Kulturen und die Umwelt sind mit Respekt zu behandeln. Zusammenfassend wird trotz der sehr früh in den Regelwerken formulierten Berücksichtigung von Communities in der praktischen Umsetzung primär auf Schutz, Wohlergehen und Zufriedenheit der Tourist: innen und weniger auf die Einheimischen geachtet. Tourguide in Mumbai - Grundlagen und Regelwerke Der indische Code of Conduct for Safe and Honourable Tourism (Verhaltens‐ kodex für sicheren und ehrbaren Tourismus) hat das Ziel, sichere Touris‐ muspraktiken zu fördern, die internationalen Standards entsprechen und sowohl für Tourist: innen als auch für Einheimische in Indien gelten (Indian Ministry of Tourism, 2011). Das Hauptaugenmerk dieses Kodex liegt auf der Stärkung des wichtigen Aspekts Suraksha (Sicherheit), indem die Würde, die Sicherheit und der Schutz vor Ausbeutung aller am Tourismus beteiligten Personen gewährleistet werden. Die Leitlinien des Verhaltenskodex für den Tourismus konzentrieren sich auf mehrere Kernthemen. Eines der Hauptziele besteht darin, touristische Aktivitäten zu fördern und dabei die Grundrechte auf Würde, Sicherheit und Schutz vor Ausbeutung sowohl für Reisende als auch für Einheimische zu wahren. Dies gilt auch für Einzelpersonen und Gruppen, die in irgendeiner Weise vom Tourismus betroffen sind. Ein weiteres wichtiges Ziel ist die Förderung der Prävention von Pro‐ stitution, Sextourismus und anderen Formen der sexuellen Ausbeutung in der Reisebranche. Dies ist wichtig, um die Sicherheit von Menschen, insbesondere von Frauen und Kindern, zu gewährleisten. Darüber hinaus zielen die Leitlinien darauf ab, Verhaltensweisen zu verhindern, die Men‐ schen anfälliger für Straftaten machen könnten. Dazu gehören Praktiken wie der erzwungene oder unfreiwillige Drogenkonsum, die Verbreitung manipulierter und unwahrer Informationen sowie soziale und kulturelle Intoleranz. Durch die Förderung von verantwortungsbewusstem Verhalten und die Achtung der Rechte und der Sicherheit aller am Tourismus beteilig‐ ten Personen soll der Verhaltenskodex dazu beitragen, dass der Tourismus zu einer positiven und vorteilhaften Branche für alle wird. 5.4 Mittler: Tourguides 149 <?page no="150"?> Vergleich Kapstadt und Mumbai Der Hauptunterschied zwischen den Leitlinien der südafrikanischen und der indischen Regierung besteht in den behandelten Themen. Das Hauptanlie‐ gen in Indien sind die Sicherheit und damit verbundene Bereiche wie die Bestrafung von Sexualstraftäter: innen. Dem Verbot von Drogen wird große Aufmerksamkeit geschenkt. Die strengen Vorschriften in diesen Bereichen für Unternehmen, die touristische Dienstleistungen anbieten, sollen dazu beitragen, dass sich Besucher: innen und Einwohner: innen, insbesondere Frauen, sicher fühlen. Der indische Kodex richtet sich häufig an die Leitung von Tourismusunternehmen. Südafrika hingegen legt großen Wert auf verantwortungsvolle Reisen und nachhaltigen Tourismus. Die Regeln zur Reiseleitung sind auf individueller Ebene angesiedelt und fokussieren auf das Auftreten der Reiseleitung und den Umgang mit Reisenden. Tatsächlich umgesetzte Maßnahmen Nachhaltigkeit und Verantwortung bedingen von allen beteiligten ein auf‐ geklärtes und rücksichtsvolles Verhalten. Dieses setzt voraus, dass nicht nur die Tour Guides, sondern auch die Reisenden auf ein angemessenes Verhalten hingewiesen werden und einen aktiven Beitrag leisten (Seeler et al., 2021). Wie aber wird dieses in einer Branche, die Entspannung und Freiheit verspricht, umgesetzt? In einer Studie wurden zunächst Webseiten von Anbietern von Touren in Communities analysiert und es wurden 55 Veranstalter aus Kapstadt und 14 Veranstalter aus Mumbai kontaktiert. Sieben der Veranstalter aus Kapstadt hatten Regeln auf der Website veröffentlicht (einer davon hat zusätzlich eine E-Mail geschrieben), vier weitere haben auf eine E-Mailanfrage geantwortet. Fünf der indischen Veranstalter formulierten Regeln auf der Website (drei davon haben zusätzlich eine E-Mail geschrieben), ein zusätzlicher Veranstal‐ ter antwortete auf die E-Mailanfrage. Die Erhebung diente der Ermittlung eines erstens Eindruck davon, welche Regeln resp. Empfehlungen formuliert werden. In den Gesprächen wurde weiter analysiert, wie diese Empfehlun‐ gen umgesetzt werden. Die nachfolgende Tabelle 7 deutet darauf hin, dass es eine Tendenz zu Themen gibt sowie regionale Unterschiede bestehen. Regeln zum Fotografieren sind ein zentrales Element in beiden Destina‐ tionen. Während beispielsweise in Kapstadt auf den Umgang mit Kindern 150 5 Wer macht mit? Motive, Absichten, Strukturen <?page no="151"?> eingegangen wird, wird dieses in Mumbai nicht thematisiert. Dort hat das Thema Dress-Code einen hohen Stellenwert. Gleiches gilt für das Nichtzeigen von Ekel angesichts von starken Gerüchen. Regel Anzahl Kapstadt Anzahl Mumbai Regeln zum Fotografieren und Filmen 6 4 Vorschriften zur Bekleidung 2 6 Ekel nicht zeigen 0 3 begrenzte Anzahl von Personen 1 4 respektvoller und höflicher Umgang 3 2 keine Geschenke und Geld für Kinder 4 0 keine Wertgegenstände mitnehmen 3 1 keine Geldspenden in der Öffentlich‐ keit 2 0 die Gruppe während der Tour nicht verlassen 1 0 keinen Abfall hinterlassen 1 0 Kinder nicht auf den Arm oder den Schoß nehmen o. ä. 1 0 lokale Tourguides 5 4 Regeln werden kommuniziert (Web‐ site oder E-Mail) 7 5 Tab. 7: Regeln für Touren in Communities in Kapstadt und Mumbai In den Interviews wurde danach gefragt, wie die Regeln umgesetzt werden und wie mit Abweichungen umgegangen wird. Die Proband: innen betonten den hohen Stellenwert von Kommunikation und setzen auf Erklärungen. Der Begriff Regel wird von der Mehrheit vermieden und es wird von Tipps und Empfehlungen gesprochen. Der Frage nach einem Umgang mit Abweichungen blieb unbeantwortet. „So, this is how we manage tour and suggest to our customers for tour.“ (E-Mail: Dharavi tour) 5.4 Mittler: Tourguides 151 <?page no="152"?> „[…] we don’t have rules really although we advised people to ask before taking pictures of people.“ (E-Mail: Go Camissa) „So the first and the biggest do’s and don’ts I like to call it do’s and don’ts neither than rules because rules kind of are a lot more stricter okay? And do’s and don’ts is more like polite.“ (Online Interview, Boundless Explorism) Aufschlussreich ist der Umgang mit möglichen Konflikten. In diesem Zu‐ sammenhang wird auf die Fähigkeiten und Erfahrungen der Tourguides verwiesen. Einige von ihnen kommen aus der Community andere betonen, dass sie seit vielen Jahren dort aktiv sind. „In any uncomfortable situation that might be coming I just give them an idea before and I request them if you find anything which is un-comfortable for you do not express it to in public rather tell to me so I will take you away from the places.“ (Online Interview, Boundless Explorism) Ein weiteres Thema war der Umgang mit Armutsstereotypen, da diese ein gängiges Bild in Verbindung mit Communities sind. Das gilt insbeson‐ dere dann, wenn die Begriffe Township (Kapstadt) oder Slum (Mumbai) verwendet werden. Die Verwendung der Begriffe Township und Slum wird unterschiedlich gehandhabt. Während einige Veranstalter die Begriffe weiterhin verwenden, gibt es andere, die diese explizit ablehnen und lieber von Community oder auch Neighbourhood sprechen, ohne diese jedoch zu definieren. In beiden Destinationen fanden sich Personen, die darauf verwiesen, dass sie keine Armut, sondern erfolgreiche Projekte zeigen wollen. „If tourist are expecting poverty on our tour they will be disappointed.“ (E-Mail: Dharavi) „If people are hoping to see poor and sad people, they will be disappointed.“ (Persönliches Gespräch, Uthando SA). Zusammenfassend finden sich in der praktischen Umsetzung wenig Rege‐ lungen, die als solche bereits vor der Tour kommuniziert werden. Die Veranstalter vertrauen auf die Fähigkeiten der Reiseleitung. Es entsteht insgesamt der Eindruck, dass der Bereich nicht gerne offen thematisiert wird. Ebenfalls wird versucht, den Reisenden das Gefühl zu geben, dass sie nicht als Voyer: innen, sondern als Förder: innen aktiv sind und guten Gewissens eine Tour buchen können. 152 5 Wer macht mit? Motive, Absichten, Strukturen <?page no="153"?> Ein wichtiges Merkmal ist eine direkte und glaubhafte Verbindung mit der Community. Alle untersuchten Anbieter verwiesen darauf, dass alle oder zumindest einzelne Guides aus der Community stammen und somit authentisch sind. 5.5 Digitale Plattformen: Ein weiteres Geschäft? Bei der Beschreibung möglicher Einnahmen in (→ Kapitel 4.3 Benefit) zeigte sich bereits die Bedeutung von digitalen Plattformen und Reiseportalen wie Airbnb, Booking und Afristays für den afrikanischen Kontinent, die zusätzlich zur Beherbergung Aktivitäten anbieten. Airbnb bietet mit Airbnb Entdeckungen (Airbnb experience) Einheimi‐ schen die Möglichkeit, ein Angebot zu erstellen, zu vermarkten und abzu‐ rechnen. Die Dienstleistung muss bestimmte Kriterien erfüllen und Airbnb berechnet eine Servicegebühr von 20 Prozent. 2023 umfasste das Angebot 40.000 Aktivitäten in mehr als 1.000 Städten (Airbnb, 2023). Die Aktivitäten werden damit beworben, dass es sich um authentische Erlebnisse handelt, die von echten Einheimischen in der Nachbarschaft oder der Gemeinschaft, in der sie leben, angeboten werden. Somit öffnet Airbnb und ähnliche Anbieter den Zugang zu bislang nicht erschlossenen Gegenden resp. zu Tourism in Communities. Eine für CBT interessante Weiterentwicklung ist die Option, Gastgeber: in einer gemeinnützigen Entdeckung zu werden. Dafür ist ein zusätzlicher Nachweis - Zertifizierung über TechSoup - erforderlich, der die Gemein‐ nützigkeit der anbietenden Organisation nachweist. Ausgeschlossen sind Organisationen, die diskriminierende Meinungen vertreten sowie manche religiöse und politische Organisationen. Bei den gemeinnützigen Entde‐ ckungen verzichtet Airbnb auf die Servicegebühr von 20-Prozent. Die Interessen der Plattformbetreiber ähneln den Motiven der in (→ Ka‐ pitel 5.3) beschriebenen Unternehmen. Es sind jedoch deutliche Unterschied erkennbar. Erstens bestehet bei Tourismusunternehmen eine stärkere Ab‐ hängigkeit von einzelnen Regionen, da die Angebote an Infrastrukturen gebunden sind, die nicht wie bei digitalen Geschäftsmodellen mühelos verschoben werden können. Auch wenn es sich um internationale Konzerne handelt, haben die meisten regionale Schwerpunkte. Darüber hinaus kann ein glaubwürdiges nachhaltiges und sozial verantwortungsvolles Geschäfts‐ modell nur erreicht werden, wenn Aktivitäten darauf fokussieren. Bei 5.5 Digitale Plattformen: Ein weiteres Geschäft? 153 <?page no="154"?> digitalen Plattformen können Nachhaltigkeit und Gemeinwohl hingegen ein Element von vielen sein. Denkübung │ Analysieren Sie, wer die Eigentümer: innen und Betrei‐ ber: innen von Airbnb sind. Welche Vision und Mission ist definiert und welche Aussaugen finden Sie zu den Zielsetzungen? Beschreiben Sie das Geschäftsmodell. Welche Motive erkennen Sie? Recherchieren Sie anschließend zu Aussagen im Umgang mit Einheimi‐ schen, zum Schutz der lokalen Bevölkerung und zur Einbeziehung von Communities durch Airbnb. 5.6 NGOs, NPOs: Inzwischen auch ein Geschäft? Die bisher vorgestellten Akteur: innen kommen alle aus der Tourismuswirt‐ schaft und es zeigte sich, dass ihre Motive im Community-based Tourism und Tourism in Communities sehr nah an den primären Interessen und Logiken der Tourismuswirtschaft - dem Verkauf von Reisen - ausgerichtet sind. Spätestens seit der Pandemie und als Konsequenz der Anforderungen, die an nachhaltige Tourismusentwicklung gestellt werden, müssen weitere Akteur: innen berücksichtigt werden. Klassische Strukturen im Tourismus verändern sich und neue Akteur: innen kommen hinzu. Die typischen Zentren fransen aus und es kann von einer Dezentralisierung gesprochen werden. Lokale Regierungen und Nichtregierungsorganisationen (NGOs) entwickeln und implementieren neue Strategien für die Tourismusentwick‐ lung. Diese umfassen Aktivitäten zur Entwicklung neuer Organisations‐ strukturen und regionaler Tourismusangebote. Die neuen Akteur: innen werden ergänzt um zusätzliche Rollen wie die des Tourismusaktivist: innen und des Tourismusexpert: innen zusätzlich zu den traditionellen Rollen im Zusammenhang mit der Verbreitung von Wissen, der Bildung und der Betreuung von Reisenden. Community-based Tourism (CBT) wird aufgrund seines nachhaltigen Ansatzes von verschiedenen internationalen Hilfsprogrammen und NGOs intensiv gefördert (Khartishvili et al. 2020). In → Kapitel 4 zeigten sich die geschichtlichen Ursprünge des CBT, die in der Entwicklungszusammenar‐ beit und im Schutz der Artenvielfalt lagen. 154 5 Wer macht mit? Motive, Absichten, Strukturen <?page no="155"?> Veränderungen im Spendenverhalten führen dazu, dass viele Non-Pro‐ fit-Organisationen ihre Spendenstrategie überprüfen und anpassen müssen. Da viele NPOs in urbanen Räumen in strukturschwachen Gegenden ange‐ siedelt sind, die das Interesse von Reisenden wecken, liegt es nahe, CBT - oder besser Tourism for Communities anzubieten. Die Geschichte des Butterfly Art Projects (→ Kapitel 2) ist ein Beispiel dafür, wie ein NPO Tourismus nutzen kann, um die Aktivitäten in der Community und für die Community weiter finanzieren zu können. In diesem Fall wird eine weitere Organisation mit der Rechtsform einer Non-Profit-Company gegründet. Die Herausforderungen bestehen unter anderem in der personellen Abdeckung inklusive der damit verbundenen Kosten, in dem Aufbau von Wissen und im Zugang zum Markt. Die Trennung in zwei Organisationen mit unterschiedlichen Rechtsformen soll gewährleisten, dass die NPO weiter an den ursprünglichen Zielen arbeitet und nicht den Gesetzen des Marktes folgen muss. Die Grootbos Foundation ist ein Beispiel für ein seit Jahren etabliertes Zusammenspiel von Stiftung und Unternehmen. Uthando SA ist schließlich ein Beispiel für eine Dachorganisation, die zwischen existierenden NPOs und dem Markt im Sinne von Reisenden, Spender: innen und Unternehmen vermittelt. Denkübung │ Recherchieren Sie nach weiteren Beispielen für die Ergänzung von NPO-Aktivitäten um touristische Angebote in Commu‐ nities. Welche Angebote werden gemacht? Wie sind die Verantwortlich‐ keiten verteilt? 5.7 Hochschulen etc. Ein zentrales Element von Community-based Tourism ist die Qualifizierung von Menschen aus der Community, die im CBT arbeiten oder auch von Menschen, die Projekte innerhalb der Community betreuen, die im Rahmen von Touren besucht werden. In Regionen, in denen es keine flächendeckende Versorgung mit Schulen und Ausbildungszentren gibt, kann die Entfernung (Fahrzeiten von drei bis fünf Stunden sind keine Seltenheit) ein großes Problem darstellen. Hinzu kommen Kosten für die Ausbildung, die oft nicht finanziert werden können. Vor diesem Hintergrund sind Kooperationen 5.7 Hochschulen etc. 155 <?page no="156"?> mit Bildungseinrichtungen eine seit längerem praktizierte Möglichkeit. Die Zusammenarbeit von CBT-Projekten und Hochschulen ermöglicht es, zunächst Lücken in der schulischen Ausbildung zu schließen und dann gezielt auf die praktische Tätigkeit vorzubereiten. „However, disadvantaged communities typically suffer structural weaknesses and struggle to advance successful CBT development alone. At the same time, the facilitation of CBT development presents specific characteristic requirements, such as long-term facilitation and nurturing.“ (Giampiccoli, 2014, S.-1155) Hochschulen und Universitäten können als öffentliche Einrichtungen in den Aufbau und die Umsetzung von CBT involviert werden oder diese sogar initiieren. Die Einbeziehung von Hochschulen in CBT-Projekte und Organisationsstrukturen ist eine gängige Praxis. Beispiele dafür sind das Latin America Community-Based Tourism Network, das Community-based Tourism Institute in Thailand (CBT-I), und die Bali Community Based Tourism Association (Bali CoBTA) (Giampiccoli et al., 2014). Besonders bekannt war die Zusammenarbeit des CBT-I mit der Northwestern University (Kanada) die zusammen das International Research Centre for Development of the Tourism Community gründen. Die Digitalisierung von Bildungsangeboten bietet weitere Möglichkeiten zur Kooperation und zur Erreichung von Menschen, die nicht in der Nähe von Hochschulen ansässig sind. So bietet die TSIBA Ignition Academy in Kooperation mit dem Bulungula Incubator Online- und Remote-Kurse (→ Zitat) an, um die erforderlichen Bildungsnachweise zu erhalten. Diese sind die Voraussetzung für den Betrieb von Kindergärten und Schulen. „Through the remote programme, Job Skills Entrepreneurship Programme ( JSEP) learners are provided NQF4 level training in Early Childhood Development (ECD) and gain job experience through internship placements. The programme also provides a general management course for principals and head teachers to further strengthen our Early Childhood Development Centres (ECDCs).“ (Bulungula Incubator, 2023, o. S.) Neben Hochschulen als öffentliche Bildungseinrichtungen bietet sich die Zusammenarbeit und Einbeziehung weiterer Akteur: innen bspw. aus dem kulturellen Bereich an. Um diese Kooperation zu initiieren und für einige Jahre am Leben zu halten, werden finanzielle und personelle Ressourcen benötigt. 156 5 Wer macht mit? Motive, Absichten, Strukturen <?page no="157"?> 5.8 Regulierung und Gestaltung des Angebots Nach der Betrachtung einer Vielzahl von relevanten Akteur: innen im Um‐ feld von Community-based Tourism im weiten Sinne wird in diesem Unter‐ kapitel abschließend die Frage gestellt, wer die umfangreichen Netzwerke und Akteurkonstellationen regulieren kann resp. ob eine gezielte Steuerung überhaupt möglich ist. In Abhängigkeit von den konkreten Ausgestaltungen bieten sich unterschiedliche theoretische Zugänge an, die dann im Rahmen der praktischen Ausführung noch einmal variiert werden. Für eine langfristige Ausrichtung und eine Überführung in eine politisch gewollte und dementsprechend geförderte Strategie eignen sich auf den ersten Blick am besten solche Vorhaben, die CBT als Tourismusphilosophie und -strategie formulieren. Beispiele dafür finden sich in Thailand mit dem CBT-I und in Kirgistan (KCBTA). Zwar ist auch eine Steuerung und Regu‐ lierung von einzelnen Aktivitäten und Projekten ohne umfassende Strategie möglich, es besteht aber die Herausforderung in der Koordination und Kontrolle. Die Aktivitäten von Rachel und Juma haben inzwischen weitere einzelne Akteur: innen dazu gebracht, ähnliche Angebote zu machen, was zu ersten Konflikten geführt hat. Etwas stabiler sind NPO-Aktivitäten, da diese über eine feste Organisa‐ tionsform verfügen, die Rahmenbedingungen festlegt. Das Butterfly Art Project (BAP) kann in diese Gruppe eingeordnet werden. Die meisten NPO-Projekte sind allerdings nicht ursprünglich auf CBT ausgerichtet, sondern bieten touristische Dienstleistungen zusätzlich an, um Einnahmen und hier insbesondere Spenden zu generieren (→ Kapitel 5.6). Dachorga‐ nisationen wie Uthando SA oder CBT-Organisationen und Unternehmen bilden einen weiteren Typ, der strukturierend und qualitätsfördernd wirkt. 5.8 Regulierung und Gestaltung des Angebots 157 <?page no="158"?> Abb. 22: Formen des Community-based Tourism (eigene Darstellung) Aktivitäten von Einzelpersonen in Communities, z. B. Touren NPO-Aktivitäten in Communities zum Nutzen derselben CBT-Projekt/ Organisation/ Unternehmen CBT als Philosophie und Tourismusstrategie Strategie Gesellschaft - Umwelt - Wirtschaft Juma Rachel BAP Uthando SA CBTOrgs Taquile Island CBT-I KCBTA Abb. 22: Formen des Community-based Tourism (eigene Darstellung) Zusammenfassend kann ähnlich wie beim Thema des nachhaltigen Touris‐ mus festgestellt werden, dass eine nicht regulierte und freie Entwicklung des CBT mit großer Wahrscheinlichkeit zu einer inflationären Verwendung des Begriffs und zu einer durch wirtschaftliche Eigeninteressen geprägten Ausrichtung oder zu Konflikten innerhalb der Community und Verdrängung führt. 5.9 Zwischenfazit: Zu viele Interessen? Die Betrachtung der Akteur: innen, die in Community-based Tourism bzw. in Tourism in Communities involviert sind, zeigt eine breite Spanne an Hintergründen und Interessen. Diese reichen von persönlich motivieren Handlungen von locals und Reisenden, über die primär wirtschaftlichen Motive der Tourismuswirtschaft, Mittler und Plattformen bis zu am Gemein‐ wohl orientierten Zielen von NPOs, NGOs, Hochschulen und politischen Motiven von Regierungen. Der ohnehin schon sehr komplexe Bereich des Tourismus wird durch die Beteiligung weiterer Akteur: innen noch unüberschaubarer. Hinzu kommen erstens eine Vielzahl von Einzelpersonen sowie zweitens die Ausweitung des Tourismus in gesellschaftliche Bereiche, die bislang nicht durch ökonomische Logiken geprägt waren. → Abb. 23 zeigt exemplarisch beteiligte Akteur: innen und Untergruppen des CBT in einer beliebigen Destination. Diese können um weitere Personen, Gruppen und Institutionen sowie regionale Besonderheiten erweitert und 158 5 Wer macht mit? Motive, Absichten, Strukturen <?page no="159"?> bezogen auf einen konkreten Anwendungsfall detailliert beschrieben wer‐ den (→-Kapitel 6: Übung). Abb. 23: CBT-Akteure (eigene Darstellung) Tourismuswirtschaft NPOs, NGOs etc. Reisende Locals Gesellschaft Umwelt Regierung Hochschulen Community Mittler Plattformen Kulturreisende Individualreisende Volunteers Abb. 23: CBT-Akteure (eigene Darstellung) Alle Akteur: innen ranken sich um den zentralen Begriff der Community, der nicht nur eine Einheit von Menschen, eine Region oder auch ein Netzwerk von Organisation einschließlich erforderlicher Infrastrukturen beschreibt, sondern auch einen Zusammenhalt und Gemeinsamkeiten suggeriert, deren Existenz vor dem Hintergrund der beschriebenen divergierenden Interessen fraglich erscheint. Es liegt die Vermutung nahe, dass CBT als Metapher für den Wunsch nach einem besseren Tourismus zu sehen ist, der eine gewisse Popularität erreicht, weil er ein Gegengewicht zu Isolierung und Einsamkeit bietet. Die folgende Abbildung stellt vier große Themen und Entwicklungsthemen dar, die alle in den Begriff CBT einfließen. 5.9 Zwischenfazit: Zu viele Interessen? 159 <?page no="160"?> Abb. 24: Entwicklungslinien CBT (eigene Darstellung) Nachhaltigkeit Umweltschutz Klimawandel Biodiversität Indigenous Fairness Verantwortung Respekt Entwicklung Alternativ Abseits Begegnung Authentizität Rural Areas Entwicklung Remote Alternativ Urban Areas Pro Poor Township Slum Tourism Abb. 24: Entwicklungslinien CBT (eigene Darstellung) 160 5 Wer macht mit? Motive, Absichten, Strukturen <?page no="161"?> 6 Worauf muss ich achten? Wie in der Einleitung beschrieben, stehen Fragen und keine Antworten im Vordergrund dieses Buches. Dennoch sollen in diesem Kapitel einige Handlungsempfehlungen für Reisende und Aktive im Bereich des Commu‐ nity-based Tourism (im weiten Sinn) gegeben werden, um im unüberschau‐ baren Feld des CBT verantwortungsvoll(er) agieren zu können. Wie im Zwischenfazit des vorherigen Kapitels formuliert, drückt sich im CBT primär die Sehnsucht nach und die Hoffnung auf einen besseren Tourismus aus. Das gilt sowohl für Reisende, die fairer reisen wollen als auch für CBT-Anbieter: innen, die sich eine stärkere Einbeziehung wünschen. Lernergebnisse dieses Kapitels ● Sie haben sich kritisch mit den eigenen Motiven als Reisende oder CBT-Aktive auseinandergesetzt. ● Sie sind in der Lage, zwischen verschiedenen Motiven zu unter‐ scheiden. ● Sie können eine CBT-Aktivität ausgehend von den in der Commu‐ nity verfügbaren Ressourcen planen (unter zusätzlicher Verwen‐ dung der genannten Handbücher! ). ● Sie kennen die Elemente eines Business Plans für eine Community Tour. 6.1 Eine bessere Form des Reisens oder Voyeurismus? In der Auseinandersetzung mit Community-based Tourism zeigt sich unab‐ hängig von der konkreten Ausgestaltung immer wieder eine große Unsi‐ cherheit bei den Reisenden. Viele sind auf der Suche nach einer anderen Form der Begegnung (→ Kapitel 4.4) und wissen, dass sie in Lebensbereiche eindringen, die üblicherweise nicht zur touristischen Erfahrungswelt gehö‐ ren. In vielen Situationen werden Privaträume oder exklusive öffentliche Räume betreten und damit verbunden sind Unsicherheiten hinsichtlich des erwarteten Verhaltens. Der Beschreibung des Tourism Knowledge Portal Süd‐ afrikas (2024) folgend, findet ein Großteil des CBT in ländlichen, armen und <?page no="162"?> ökonomisch oder sozial marginalisierten Gebieten statt, so dass Reisende in Abhängigkeit von ihrer Herkunft mit Lebensumständen konfrontiert werden, die eine intensive Auseinandersetzung mit sozialer Gerechtigkeit, Chancengleichheit und Unterdrückung auslösen können. Die Motive von Reisenden wurden sowohl in → Kapitel 3.4 grundlegend als auch in → Kapitel 5.2 bezogen auf Community-based Tourism erläutert. Es wurde deutlich, dass eine Vielzahl von Motiven für CBT relevant sind. Eine eindeutige Bestimmung ist von außen kaum möglich und selbst für die einzelnen Personen ist es eine Herausforderung zu sagen, was sie an CBT reizt. Obwohl die Tendenz besteht, zwischen gutem und schlechtem Tourismus zu unterscheiden und Empfehlungen auszusprechen, sollte damit vorsichtig umgegangen werden. James Fernie von Uthando SA gab den Rat bei einem Blick auf das kaum zu überblickende Feld des CBT Don’t judge. Auch wenn es schwerfällt, ist das vermutlich eine gute Herangehensweise, da wohl niemand in der Lage ist zu bewerten, welches touristische Verhalten das Beste ist resp. für wen es das Beste ist. So kann eine große Menge gutmeinender Backpacker: innen mehr negative ökologische und soziale Effekte haben, als (vermeintlich) gedankenlose und dem Standard folgende Massentourist: innen. Beim CBT mit der Vielzahl von Akteur: innen müsste zunächst geklärt werden, wer Dimensionen, Indikatoren und Werte für die Bewertung festlegt, da ein aus Sicht der Reisenden gutes CBT-Angebot unter Umständen ein schlechtes für die Community sein kann. Neben dem Don’t judge fassen die folgenden drei Boxen weitere Emp‐ fehlungen und Übungen zusammen, um sich als am CBT-Interessierte Person und potenzielle Reisende damit zu beschäftigen. Die erste Box „Was wäre wenn, …? “ adressiert ein empathisches und auf Kommunikation ausgerichtetes Verhalten, während die zweite Box eine Checkliste bietet, die bei der Auswahl von CBT-Angeboten (mit dem Schwerpunkt Touren und Workshops) hilft. Darüber hinaus sollte unabhängig von der Art der Reise die Informationsportale von Fair Unterwegs, Roundtable Human Rights in Tourism oder Tourism Watch genutzt werden. Denkübung │ „Was wäre wenn, …? “ Eigentlich ist es ganz einfach: Sie planen eine Reise, die Community-based Tourism beinhaltet - sei es in der Form des CBT als tatsächlich von einer Community geführten Projekts oder als Aktivität in einer Community. Dann versetzen Sie 162 6 Worauf muss ich achten? <?page no="163"?> sich in die Lage von locals und fragen Sie sich, wie eine Tour, ein gemeinsames Essen, eine Übernachtung gestaltet sein sollte. Welche Verhaltensweisen würden Sie sich wünschen und was würden Sie ableh‐ nen? Wie oft hätte Sie Reisende gerne zu Gast im Ort, der Nachbarschaft, den Privaträumen? Sollen Schulen und Kindergärten, Sportvereine und kulturelle Einrichtungen besichtigt werden können? Wie wäre es, wenn die Nachbarin demnächst regelmäßig Gäste durch das Haus führt und die Graffitis im Innenhof zeigt? Nach diesen ersten Überlegungen dient die nachfolgende Übung dazu sich mit den eigenen Motiven und Absichten auseinanderzusetzen. Die bisherigen Betrachtungen und Analysen haben gezeigt, dass der Begriff Community-based Tourism eine Vielzahl von Vorstellungen umfasst. Dar‐ über hinaus zeichnet sich beim CBT die Erwartung ab, dass es eine andere Form des Reisens ist, abseits der etablierten Wege und mit dem Anspruch durch die Begegnung mit dem Anderen mehr über sich und die Welt zu erfahren. Die Gefahr bei solchen hohen Erwartungen sind Ernüchterung und Enttäuschung bis hin zu einem Verhalten, das rückblickend als negativ bewertet wird. Denkübung │ „Warum mache ich das? “ Ausgehend von der Betrach‐ tung „Was wäre wenn, …? “ sollten Sie sich vor einer CBT-Reise oder -Aktivität fragen, warum sie diese durchführen möchten: Welche Rolle spielen: ● mein Interesse an der Lebenswirklichkeit der Menschen, ● Neugier, ● der Wunsch zu helfen, ● Nervenkitzel, ● Armut sehen, ● die Option nachher darüber zu erzählen, ● viele Social Media Likes zu generieren, ● Langeweile, ● von TripAdvisor empfohlen, ● es gehört inzwischen dazu, ● abseits des Mainstream-Tourismus unterwegs zu sein etc.? 6.1 Eine bessere Form des Reisens oder Voyeurismus? 163 <?page no="164"?> In Abhängigkeit von der Antwort fragen Sie sich anschließend erstens, ob dieses Ziel erreicht werden kann und zweitens, ob es eventuell eine Alternative gibt. Stellen Sie sich so viele Fragen wie möglich, auch wenn Sie die Antwort vielleicht nicht direkt geben können. Beispiel 1: Motiv „Ich möchte helfen! “ Warum will ich helfen? Warum will ich in diesem Land helfen und nicht zuhause? Wie genau denke ich, dass ich helfe: durch Geld, durch ein Lächeln, durch Aufmerksamkeit? Beispiel 2: Motiv „Ich will das einfache Leben kennenlernen.“ Was ist für mich das einfache Leben? Was fasziniert mich daran? Wieso denke ich, dass das einfache Leben ein besseres Leben ist? Was will ich mir beweisen? Will ich mein Leben ändern? Will ich nur die Bestätigung, dass mein Luxusleben besser ist? Nach CBT-Aktivität sollten Sie die gemachten Erfahrungen mit den Erwartungen abgleichen und reflektieren. Ergänzung: Da Einstellungen und Stereotype (Eagley & Chaiken, 1998) einen großen Einfluss auf die menschliche Wahrnehmung und das Verhalten haben (Fishbein & Ajzen, 1977) und gerade im Umfeld sozialer Ungleichheiten sowie kultureller Unterschiede viele implizite, sprich nicht bewusst wahrgenommene oder verdrängte Annahmen wirksam sind, kann eine Auseinandersetzung mit eigenen Annahmen, Stereotypen und Vorurteilen im Umfeld von CBT sehr aufschlussreich sein. Übungen dazu finden sich bspw. auf den folgenden Webseiten: Global Citizenship Critical Learning Resources (speziell zum Thema Africa) 🔗 https: / / www.scotland-malawipartnership.org/ Project Implicit (zu einer Vielzahl von Stereotypen, u. a. ethnischer Hintergrund, Alter, Gender, sexuelle Orientierung, Gesundheit) 🔗 https: / / implicit.harvard.edu/ implicit/ Die nachfolgende Checkliste stellt die Sicht von Mitgliedern der Commu‐ nities in den Vordergrund. Da wie oben diskutiert, die Community als konfliktfreie Einheit unrealistisch ist, wird von den Community-Mitgliedern 164 6 Worauf muss ich achten? <?page no="165"?> 16 An dieser Stelle kann der Autorin durchaus das Motiv des White Saviours (→ Kapitel 5.1) unterstellt werden. ausgegangen, die in vielen Fällen nicht gefragt werden und in vielen Situationen unterlegen sind. 16 Checkliste ● Anbieter: innen: Wer sind die Personen oder Institutionen, welche die als CBT bezeichneten Dienstleistung oder Aktivität anbieten? Welche Kompetenzen haben diese? Warum bieten die Akteur: innen CBT an? ● Einnahmen: Wer erhält welchen Teil der Einnahmen und wie werden die Einnahmen investiert? Könnte der finanzielle Effekt auch anders erreicht werden, z.-B. Förderprogramme? ● Andere Vorteile: Welche Vorteile neben den finanziellen Einnah‐ men ergeben sich aus dem CBT, z. B. Arbeitsplätze, Wissen, Zusam‐ menhalt, Stolz? ● Entscheidungsprozesse: Wer entscheidet über die als CBT be‐ zeichneten Angebote? ● Regeln: Existieren Verhaltensregeln oder ist für Reisende alles erlaubt? Suchen Sie bspw. nach einem Code of Conduct. ● Transparenz: Finden sich klare und offene Aussagen zu Anbie‐ ter: innen, Einnahmen, Motiven, Entscheidungs-prozessen und Re‐ geln? ● Attraktionen: Welche Attraktionen werden angeboten? Was ist das Element, das anzieht und fasziniert? Sind diese Elemente positiv oder negativ konnotiert? ● Privatsphäre: Die Privatsphäre zu schützen ist eine Forderung die regelmäßig gestellt wird, aber teilweise kaum umgesetzt werden kann, da viele CBT-Angebote in Privaträumen stattfinden. Beispiele sind Homestays, Workshops und kleine Shops. Hinzu kommt, dass die klare Trennung zwischen privatem und öffentlichem Bereich, wie es in Deutschland üblich ist, in vielen Ländern nicht existiert und viele Elemente des privaten Lebens im öffentlichen Raum stattfinden. 6.1 Eine bessere Form des Reisens oder Voyeurismus? 165 <?page no="166"?> ● Fotos etc.: Gibt es eine Kamera-Policy, die beschreibt, wann und wie fotografiert werden darf ? Wird darüber informiert, ob vorher mit Menschen, die fotografiert werden, gesprochen wurde? Bietet der Veranstalter an Fotos zu machen und Ihnen diese nachher zur Verfügung zu stellen? ● Zeit: Wenn es tatsächlich um Begegnungen und Lernen geht, dann wird Zeit benötigt. CBT ist - wenn nicht die ganze Reise so organisiert ist - eine Aktivität, die Zeit benötigt. Das gilt sowohl für die Zeit mit der Community als auch die Zeit danach. ● Schutz von Kindern: Es liegt nahe, den Kontakt mit Kindern und mit Einrichtungen, in denen Kinder sind, aus dem CBT auszuklam‐ mern. Das ist aus unterschiedlichen Gründen nicht immer möglich, bspw. sind viele Projekte in Kombination mit CBT im Bereich der Bildung angesiedelt. Darüber hinaus findet CBT in Communities statt und Kinder sind Teil derselben und im öffentlichen Bereich regelmäßig anzutreffen. 6.2 How to? Ein Vorteil der vielen Community-based Tourism Initiativen und Projekte ist das Vorhandensein zahlreicher detailliert ausgearbeiteter Strategien, Business Pläne, Checklisten und anderer sehr hilfreiche Instrumente, um im Umfeld des CBT aktiv zu werden. Es ist jeweils zu prüfen, ob die Umfeld‐ bedingungen übereinstimmen, bspw. ob es sich um eine klar abgegrenzte Community im ländlichen Raum oder um eine Nachbarschaft in der Stadt handelt. Nachfolgend werden zunächst umfassende Handbücher und Strategien zur Entwicklung von CBT im ländlichen Raum resp. von klar abzugrenzen‐ den Communities vorgestellt. Eine Ergänzung erfolgt durch eine Übung, welche die Entwicklung einzelner CBT-Aktivitäten ermöglicht und in einem Umfeld angesiedelt ist, das bereits über touristische Infrastrukturen verfügt. Dem schließt sich ein Businessplan für Community Walking Tours an. Wie in → Kapitel 4.3 gezeigt, gewinnt der Themenbereich des Social Entrepreneurships an Bedeutung. Deswegen wird ebenfalls ein Social Canvas 166 6 Worauf muss ich achten? <?page no="167"?> vorgestellt bevor abschließend noch einmal auf den Umgang mit Stereoty‐ pen umgegangen wird. Entwicklung von CBT-Strategien Für die Entwicklung von CBT-Angeboten stehen mehrere Handbücher und Leitfäden zur Verfügung. Ein sehr praxisnahes und auf langjähriger Erfahrung basierende Publika‐ tion ist das Community Based Tourism Handbook von Potjana Suansri (2003). Das Buch beschreibt in 12 Kapiteln die Entwicklung und Umsetzung von CBT für Communities im Sinne von vormals isolierten Gemeinschafen, die sich bedingt durch weltweite Veränderungen öffnen müssen. „Amidst the social changes brought on by globalization, local communities cannot live in isolation. Thai communities and many similar communities around the world have passed the time of absolute self-reliance and are increasingly dependent upon the outside 'urban' world.“ (Suansri, 2003, S.-10) Unter dem Begriff des Inclusive Tourism: Building local capacity for the tourism job market wurden vom International Trade Center 2012 mehrere Module für Trainer: innen entwickelt, die in der Ausbildung von Menschen in den Bereichen Hospitality sowie Food & Beverage aktiv sind. Obwohl CBT nur indirekt adressiert wird, sind die Unterlagen sehr gut geeignet, um in Communities Menschen für touristische Dienstleistungen auszubilden und der in → Kapitel 4.3 besprochenen Herausforderung der Qualifizierung von locals für den Tourismus zu begegnen. Übung zur Entwicklung von CBT-Angeboten Die folgende Übung wurde ursprünglich vom Government of the Northwest Territories (GNWT) als ein Element der Tourismusstrategie 2020 entwickelt und von der Autorin in Zusammenarbeit mit dem Butterfly Art Project in Kapstadt angewendet und modifiziert. Denken Sie an die Community (alternativ eine Nachbarschaft, einen Stadtteil), in der Sie leben und beantworten Sie die folgenden Fragen, um die Felder in der Tabelle auszufüllen: 6.2 How to? 167 <?page no="168"?> ● Über welche für Tourismus relevante Ressourcen verfügt meine Com‐ munity bereits (Beherbergung, Restaurants, Shops, Geschäfte, kulturelle und sportliche Einrichtungen, Persönlichkeit, kulturelle Praktiken, Na‐ tur etc.)? ● Welche touristischen Infrastrukturen existieren bereits (Wander- und Radwege, Beschilderung, Campingplätze etc.)? ● Tragen Sie in die zweite und dritte Spalte mögliche Aktivitäten und Produkte ein. Ergänzen Sie, welche Personen und Unternehmen invol‐ viert werden können/ müssen, um ein touristisches Produkt anzubieten. ● Ergänzen Sie in der vierten Spalte mögliche Probleme und Konflikte. Wichtig: Wahrscheinlich existieren bereits Ideen, Strategien, Pläne zur touristischen Inwertsetzung. Sehen Sie sich diese an und prüfen Sie, welche Elemente einen Bezug zur Community haben oder das Potential zur Einbeziehung derselben haben. Die Tabelle zeigt Beispiele für Bayahibe (Zeile 1) und Vrygrond (Zeile 2). Ressourcen, Infra‐ strukturen Tourismusidee Personen, Unter‐ nehmen etc. Konflikte, Pro‐ bleme Handwerk Souvenirs lokale Personen, insbesondere Frauen aktuelle Struktu‐ ren verhindern in‐ dividuelle Ange‐ bote Kunsttherapie und -kurse für Kinder Vortrag über Kunsttherapie, Workshops für Tourist: innen Butterfly Art Pro‐ ject, Muizenberg Kitchen, Taxi Schutz der Kinder, Konkurrenz inner‐ halb der Commu‐ nity Tab. 8: Entwicklung von CBT-Angeboten Entwicklung einer Community Walking Tour Das Government of the Northwest Territories hat ebenfalls ein Business Development Manual für die Entwicklung eines Community Walking Tour Business entwickelt. Mit diesem werden explizit Einzelpersonen (→ Kapitel 5.1) angesprochen, die innerhalb einer Community bzw. in ihrem Umfeld eine Tour zu Fuß anbieten wollen. Ausgangspunkt für die Entwicklung des Business Plans ist eine Darstellung der Rolle, Kompetenzen und Aufgaben von Tourguides (→-Kapitel 5.4). 168 6 Worauf muss ich achten? <?page no="169"?> „One excellent way to get involved in the tourism industry is to set up your own community walking tour for visitors to your community. With low start-up costs and limited supplies required to run the business, a community walking tour business can be developed with a limited financial investment up front.“ (GNWT, 2023, S.-2) Ein weiterer zentraler Punkt ist die Zusammenarbeit mit der Community resp. die Abstimmung mit den für diese verantwortlichen Personen. Welche Personen das im Einzelfall sind, ist kulturell und gesellschaftlich bedingt. Unter Umständen sind neben offiziellen Sprecher: innen auch informelle Machtstrukturen zu berücksichtigen. Hier zeigt sich deutlich die Wichtigkeit der Zugehörigkeit zur Community. „Before setting up your walking tour business it is essential that you seek per‐ mission from the elders of the community about what parts of your community and local culture can be shared with visitors. There may also be opportunities to develop partnerships with other businesses in your community such as a local cafe that you can take your group for coffee as part of the tour, or a local artisan where you can buy a small gift for each person who goes on your walking tour.“ (GNWT, 2023, S.-9) Die konkrete Ausgestaltung der Tour basiert auf einer Analyse, welche die oben gezeigte Analyse aufgreift und bezogen auf eine Tour konkretisiert. Hier wird die Vernetzung mit dem Umfeld und der Community sichtbar, da existierende Angebote aufgegriffen werden. Darüber hinaus entstehen Möglichkeiten für die Entwicklung weiterer Dienstleistungen und Produkte. Attraktionen innerhalb der Community historische Höhepunkte kulturelle Höhepunkte landschaftliche Höhepunkte / Ausblicke einzigartige Orte in der Community Orte für Pausen Beispiel: Lokale Cafés, Bars, Bäckerei, Picknick Platz, Street Food andere interessante Orte Orte, um lokale Kunst/ Handwerk zu kaufen für die Tour entwickelte Attraktionen Tab. 9: Tourentwicklung basierend auf Attraktionen (GNWT, 2023) 6.2 How to? 169 <?page no="170"?> Für jeden der genannten Orte sollten Geschichten vorbereitet werden, die den Interessen (z. B. Kultur und Geschichte, Kulinarik, Tiere und Pflanzen, Kunst und Handwerk) der Reisenden entsprechen. Auch nach dem mehr‐ maligen Erzählen sollten diese noch immer neu und authentisch wirken. Das Business Manual geht anschließend weiter auf logistische Fragen, die Kalkulation der Kosten und das Marketing ein. Als ein wesentlicher ab‐ schließender Punkt wird die öffentliche Förderung einschließlich möglicher Anlaufstellen vorgestellt. An dieser Stelle zeigt sich das in → Kapitel 4 dis‐ kutierte Dilemma, dass CBT eigentlich nicht primär finanziell bewertet sein sollte, sich dieser Aspekt jedoch immer wieder als entscheidend darstellt. Neben den klassischen Quellen der Förderung bietet sich die Gründung eines Social Business im Kontext des bereits dargestellten Social Entrepre‐ neurships an (→ Kapitel 4.3). Auch dieser Bereich findet seit einigen Jahren eine große Beachtung und es werden teils kostenfreie Tools für die Entwicklung eines entsprechenden Geschäftsmodells angeboten. Wissen │ Social Business Model Canvas Unter den Begriff Social Business Model Canvas werden sowohl deutschals auch englischsprachige Informationen und eine umfassende Me‐ thode bereitgestellt, die eine graphische Darstellung bis hin zur Grün‐ dung eines Social Enterprises ermöglichen. Als Erweiterung zum klas‐ sischen Business Model Canvas (Osterwalder, & Pigneur, 2010) werden sowohl die besonderen Bedingungen, z. B. formale Anforderungen zur Zielsetzung und Gemeinnützigkeit, als auch die Besonderheiten der Förderung u. a. Spenden, Fundraising und die öffentliche Finanzierung berücksichtigt. Videos und Podcasts von Alexander Osterwalder zum Business Model Canvas: 🔗 https: / / ecorner.stanford.edu/ contributor/ alexander-osterwalder/ Social Business Model Canvas (Social Innovation Lab und Tandemic): 🔗 https: / / www.socialbusinessmodelcanvas.com/ 170 6 Worauf muss ich achten? <?page no="171"?> Netzwerke Ein zentraler Aspekt für den Erfolg von Community-based Tourism resp. von Tourismus in und für Communities ist die Vernetzung. Nachfolgend sind einige Netzwerke genannt, die Projekte aus mehreren Ländern verbinden. Ebenfalls aufgeführt sind Netzwerke, die den Bereich Community-based Tourism als besondere Thema adressieren. ● Community-based Tourism Institute in Thailand (CBT-I), ● Kyrgyz Community-based Tourism Association (CBT Kyrgyzstan), ● Uganda Community Tourism Association (UCOTA), ● Bali Community Based Tourism Association (Bali CoBTA, online),. ● Association of Caribean States: CBT als Teil des Sustainable Tourism. Dieses Feld ist jedoch sehr dynamisch und abhängig von der Fortsetzung der Förderung. Die beiden erstgenannten Netzwerke sind die seit Jahren etablierten und stabilen Zusammenschlösse. Umgang mit Stereotypen---Es gibt das und das. In der Ausgestaltung von CBT besteht eine weitere Herausforderung in einer intelligenten Umgangsweise mit Stereotypen. Diese sollten weder instru‐ mentalisiert noch verstärkt werden. Gefordert ist deswegen eine im Idealfall losgelöste Vermittlung, die weder dramatisch-düster noch romantisierend verklärend mit Lebensbedingungen umgeht. Das gilt insbesondere für den Bereich des CBT, der in Settings stattfindet, die als arm, einfach, traditionell oder rückständig beschrieben werden. Vor diesem Hintergrund ist es wichtig ausgehend von den Erwartungen der Reisenden zu überlegen, was diese sehen wollen und was man zu zeigen bereit ist. Gerade bei Communities im Umfeld von Großstädten wie Kapstadt, Mumbai oder Buenos Aires bieten sich zahlreiche Möglichkeiten für die Ausgestaltung von CBT an. Beispiel │ Storytelling und Ethical-Marketing Khayelitsha hatte 2011 eine Größe von 23,3 km 2 und fast 400.000 Einwohnenden, was einer Haushaltsgröße von 3,3 entspricht (Stats SA, 2024). Die Zahlen sind jedoch geschätzt, da es sich in vielen Bereichen um informelle Ansiedlungen handelt. Innerhalb Khayelitshas existieren 6.2 How to? 171 <?page no="172"?> große Unterschiede hinsichtlich der Bebauung, der Infrastrukturen und der Lebensbedingungen. Eine CBT-Tour kann je nach Ausgestaltung ein Bild von großer Armut und Gewalt zeigen oder Nachbarschaften auf die Menschen stolz sind und die durch Projekte gefördert und entwickelt werden. Hier zeigt sich die Verantwortung der jeweiligen Veranstalter in Kombination mit der Zielsetzung. Es existiert nicht die eine Realität und oft sind sprachliche Ausdrucksmittel begrenzt. Um mit pauschalen, tradierten und leicht zu kommunizierenden Bildern zu brechen, bedarf es direkter Interaktion und Zeit sowie Reflexion und Diskussion. 172 6 Worauf muss ich achten? <?page no="173"?> 7 Wie geht es weiter? Fazit und Ausblick „Alle suchen, viele machen mit und einige haben eine Antwort (für sich).“ persönliches Fazit Dieses Buch war durch die folgenden Fragen motiviert: Was ist Com‐ munity-based Tourism? Und mit Fokus auf die Reisenden: Was suchen Menschen in touristischen Angeboten, die als Community-based Tourism bezeichnet werden? Ist CBT, wie in vielen Publikationen und auf Webseiten versprochen, eine bessere Form des Reisens; fairer und nachhaltiger? Wie sieht es mit den über eine lange Zeit als Slum-, Township- oder Favela-Tourismus bezeichneten Angeboten aus, die inzwischen auch als CBT ausgewiesen werden? Um dieses beantworten zu können, müsste in einem ersten Schritt geklärt werden, was unter CBT verstanden werden soll. Anschließend könnten Ziele und Indikatoren definiert werden, um CBT als umfassende Tourismusstra‐ tegie sowie als einzelne Projekte und Aktivitäten im Detail zu bewerten. So hilfreich aus wissenschaftlicher Sicht eine eindeutige Definition und abge‐ stimmte Verwendung wären, so illusorisch ist dieses aufgrund der bereits existierenden Anzahl von Angeboten. Der Begriff CBT ist nicht geschützt und wird deswegen für sehr unterschiedliche touristische Ausprägungen und Handlungen genutzt. Die eingangs gestellten Fragen haben sich durch die Betrachtungen innerhalb des Buches immer weiter aufgeteilt, und es zeigten sich komplexe gesellschaftliche Zusammenhänge, die einen engen Bezug zu persönlichen Themen, wie Unsicherheit, Suche, Faszination und Langeweile haben. Nur ein Marketing-Begriff? Es wurde ebenfalls deutlich, dass sowohl die Tourismuswirtschaft als auch andere Branchen die Zugkraft von Communities entdeckt haben. Ist CBT also vor allem ein gängiger Marketing-Begriff, der das Bedürfnis vieler Menschen nach Nähe und Geborgenheit aufgreift und mit dem schlechten Gewissen (Stichwort: Flugscham) der Reisenden verbindet? Ein wenig erinnert es an Lebensmittel, die ein Schlemmen ohne Reue versprechen und den Konsumierenden dabei helfen, sich zu belügen. Ein bekanntes Beispiel aus <?page no="174"?> dem Bereich des Umweltschutzes ist das schon legendäre und inzwischen zu „Trinken für den Regenwald“ umformulierte Projekt einer Biermarke. Ist CBT also ein Deckmantel für Fernreisen? Dem stehen Aussagen von Reiseveranstaltern, NPOs und locals gegenüber für die CBT - auch wenn dieser von außen an sie herangetragen wird - neue Möglichkeiten bietet, sich, die Familie oder eine Organisation zu finanzieren. Hinzu kommen künstlerische Projekte, die durch Tourismus in Communities ein Publikum finden. Gleiches gilt für Garten- und Sportprojekte, die stark von der touristischen Aufmerksamkeit abhängen. Wie wir leben Welche Bedeutung hat die Auseinandersetzung mit der in vielen CBT-Pro‐ jekten sichtbar werdenden und teils dramatisch inszenierten sozialen Un‐ gleichheit und Ungerechtigkeit, dem Erleben von einfachen und weniger „modernen“ Lebensformen? Dieser Aspekt tauchte an unterschiedlichen Stellen auf und die Begegnung mit anderen Lebensumständen, die aus Sicht von Reisenden aus dem Globalen Norden als wenig wohlhabend wahrge‐ nommen werden, umfassen eine Kombination aus mehreren Motiven. Sie sind in einem hohen Maße durch Bilder und Stereotype gekennzeichnet und CBT bietet eine Möglichkeit zur Auseinandersetzung mit der Welt und den Annahmen dazu. Verbunden mit dem Erleben von Ungleichheit und Ungerechtigkeit ist der Wunsch des Helfens. Wer aber kann wie helfen? Geht es um die finanzielle Förderung, um Anerkennung und Aufmerksamkeit? Wer ist in der Lage zu bewerten, ob ein CBT-Projekt tatsächlich geholfen hat? Wenn es nur um die Generierung von Einnahmen geht - ist es dann nicht besser, die Gelder direkt zu erheben und zu investieren, anstatt den zeitlichen Aufwand eines CBT-Projekts in Kauf zu nehmen? Wieso reicht es Menschen nicht mehr, Geld zu spenden? Warum wollen sie die Menschen, die Natur, die Kultur, die sie retten, persönlich sehen? Wer wir sind Das persönliche, intensive und authentische Erleben, das innerhalb des Community-based Tourism immer wieder im Mittelpunkt steht, kann auf die zentrale Frage nach der eigenen Existent und Essenz zurückgeführt werden. Wenn ich und mein Handeln einen Unterschied machen, habe ich einen 174 7 Wie geht es weiter? Fazit und Ausblick <?page no="175"?> Beweis dafür, dass es mich gibt. Wenn ich helfe, habe ich darüber hinaus Macht - auch wenn ich angesichts der großen Probleme (Klimawandel, Kriege, Rassismus etc.) machtlos bin - und es gibt mir unter Umständen Hoffnung, dass ich doch mehr bewirken kann. Was wir hoffen Im Community-based tourism steckt an vielen Stellen der Wunsch nach einem besseren Tourismus und vielleicht ebenfalls nach einer besseren Welt. Aus diesem Grund basiert das CBT-Marketing auf Geschichten, die von positiver Veränderung, von Heilung und Hoffnung erzählen. Rückstän‐ digkeit und Armut dienen als Hintergrund, um die Botschaft besser zu transportieren, dass es Hoffnung gibt. Die Frage ist - für wen: für die Menschen vor Ort oder für Reisende, die mit einem besseren Gefühl nach Hause reisen und sich die nächsten Monate keine Gedanken mehr machen wollen? Was wir wissen Aus tourismuswissenschaftlicher Sicht kann Community-based Tourism als ein Ansatz des Tourismus-Managements gesehen werden, der die Bedeu‐ tung der lokalen Bevölkerung systematisch berücksichtigt und Verfahren zur Einbeziehung derselben einsetzt. Es hat die Hoffnung bestanden, dass CBT eine Alternative zum Mainstream Tourismus bieten könnte. Commu‐ nity-based Tourism sollte die beiden großen Themen a) (ökologische) Nach‐ haltigkeit und b) Stärkung bislang marginalisierter Bevölkerungsgruppen durch die Schaffung einer Lebensgrundlage durch Tourismus (resp. die dort generierten Einnahmen) ermöglichen (Scheyvens, 2002). Als Anforderungen für das Gelingen dieser Zielsetzung wurden schon sehr früh die Unabhängigkeit der Community verbunden mit einer profes‐ sionellen Begleitung von außen sowie politischer Wille formuliert. In der Realität zeigte sich, dass beides kaum zu realisieren ist. „CBT should be an autonomous community effort; however, in reality, an external agent is often needed to support the community, and CBT initiatives implemented solely by a community are rare.“ (Giampiccoli et al., S.-1141) Kritisch ist darüber hinaus zu betrachten ist, dass die Nutzung von CBT als ökonomisch orientiertes Modell zur Entwicklung touristischer Geschäfts‐ 7 Wie geht es weiter? Fazit und Ausblick 175 <?page no="176"?> modelle auf einer traditionell durch den Globalen Norden geprägten Sicht‐ weise beruht und somit anderen Gemeinschaften ein Verhalten aufdrückt, das nicht zum Wesen - sprich zur gesellschaftlichen Struktur und Kultur - derselben passt. Solange CBT in einem durch ökonomische Interessen geprägten Rahmen stattfindet, wird jedes marktfähige Angebot direkt gemäß den Gesetzen des Marktes umfunktioniert und genutzt. Die Herausforderung besteht somit in einer verantwortungsvollen Ge‐ staltung des CBT mit klaren Grenzen und der Bereitschaft, neue Bilder und Botschaften zu kreieren, die erklärungsbedürftiger als die etablierten Stereotype sind. Das bedeutet auch, dass sich CBT-Verantwortliche mit diesem CBT-Ansatz in einem Bereich positionieren, der sehr politisch - im Sinne des Aushandelns und Abgleichens von Interessen, Bedürfnissen und Einflussmöglichkeiten - ist. Elementare gesellschaftliche Phänomene wie sozialer Status, Anerkennung, Legitimität und Macht müssen berücksichtigt werden. „Social status, legitimacy and power are highlighted as issues for further research in relation to further understanding the dynamics of community-based tourism development.“ (Palmer & Chuamuangphan, 2021, S.-118) Was bleibt Trotz aller Schwierigkeiten scheint Community-based Tourism aber eine Idee zu beinhalten, die sowohl locals als auch Reisende und Aktive im Tourismus anzieht. Die Öffnung des Alltags und des Privaten und die fließenden Übergänge zwischen Lebensbereichen sind eine Entwicklung, die sich in vielen Bereichen zeigt. Darüber hinaus existiert inzwischen ein weit verzweigtes System - im Sinne von Verflechtungszusammenhängen und Figurationen - in das eine Vielzahl von Akteur: innen eingebunden sind, die unter dem Dach des CBT aktiv sind und ihre Ideen und Absichten einbringen. Sowohl Herausforderung als auch Chancen zeigen sich im kooperativen Ansatz von Multi-Akteurs-Partnerschaften (Herlyn, 2023). Norbert Elias (1977a, 1977b, 1993) nutzt die Metapher des Spiels, um u. a. über Machtverhältnisse in Gemeinschaften und Gesellschaften sowie über deren Wandel zu sprechen. Menschliche Handlungen sind demnach in Verflechtungszusammenhänge - in der Metapher des Spiels sind es die Spielregeln - eingebunden, die sowohl die Handlungen - wie Spieler: innen 176 7 Wie geht es weiter? Fazit und Ausblick <?page no="177"?> zu spielen haben - zu einem gewissen Maße steuern, als auch durch die konkreten Handlungen verändert werden können. Somit kann CBT nicht unabhängig von Figurationen geplant und gemacht werden. Erstens sind CBT und die Akteur: innen bereits in Figurationen eingebunden und zwei‐ tens entwickelt das CBT-Spiel eigene Verflechtungen, welche eine spezielle Kraft entfalten und das Spiel ändern. „Pläne und Handlungen, emotionale und rationale Regungen der einzelnen Men‐ schen greifen beständig freundlich oder feindlich ineinander. Diese fundamentale Verflechtung der einzelnen, menschlichen Pläne und Handlungen kann Wandlungen und Gestaltungen herbeiführen, die kein einzelner Mensch geplant oder geschaffen hat. Aus ihr, aus der Interdependenz der Menschen, ergibt sich eine Ordnung von ganz spezifischer Art, eine Ordnung, die zwingender und stärker ist, als Wille und Vernunft der einzelnen Menschen, die sie bilden.“ (Elias, 1977b, S. 314, Hervorhebungen i. O.) Beim Community-based Tourism richtet sich die entscheidende Frage auf sichtbare und unsichtbare Mitspielende: Wer will das CBT-Spiel und dessen Varianten spielen und nach wessen Regeln erfolgt es? Aktuell sieht es so aus, dass ein ursprünglich gut gemeintes Spiel, das zusätzliche Figuren auf das (Tourismus)Spielbrett stellen sollte, inzwischen von im Hintergrund agierenden Akteur: innen so geändert wurde, dass die neuen Figuren maximal die Regeln befolgen können. Viele haben das Spielbrett bereits verlassen und wurden ersetzt. Es mag Orte auf der Welt geben, wo das CBT-Spiel im ursprünglichen Sinn existiert, weil es sich um geschützte oder für etablierte Figuren uninteressante Orte handelt. Auch zeigt sich, dass einzelne Spieler: innen, die an das ursprüngliche Spiel glauben, erfolgreich sein können, wenn sie wertorientiert und gemeinsam agieren. Damit endet dieses Buch dann doch mit einem positiven Aspekt: Es kann abschließend formuliert werden, dass der ursprüngliche Wunsch nach Be‐ teiligung, Fairness und Schutz der Umwelt noch immer im Community-based Tourism sichtbar ist und zusammenfließt mit (politischen) Bewegungen, die Partizipation und Engagement sowohl fordern als auch fördern. 7 Wie geht es weiter? Fazit und Ausblick 177 <?page no="178"?> Abb. 25: Schachspiel in Stellenbosch mit anderen Figuren und Regeln (eigene Aufnahme) 178 7 Wie geht es weiter? Fazit und Ausblick <?page no="179"?> Literaturverzeichnis Alle aufgeführten Links und Webseiten waren am 17. Januar 2024 aktiv. Aboe, R. M., Beazley, H., Livingstone, P., Prasad, M., Ramsay, W., Syamsudin, K., & Carter, R. W. (2023). Women’s Empowerment in a Community-Based Tourism Project: A Case Study from the ‘Spice Islands’ of North Maluku, Indonesia. In Rural Development for Sustainable Social-ecological Systems: Putting Communities First (S.-229-262). 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Akkulturation-42, 47 Aktivitäten-84 Alternative Tourism-91 Armut-11, 39, 77, 92, 96, 105, 114, 133, 146, 152, 172, 175 Armutsvierteltourismus-84 Art Facilitator-21 Attitude Behaviour Gap-55 Attraktionen-134 Authentizität-126 Bauman, Zygmunt-38 Bedürfnisbefriedigung-36 Bedürfnishierarchie-50 Begegnung-93, 108 Beispiele-15f., 19-23, 25, 28 Berücksichtigung-94 Besuchendenmanagement-136 Beteiligung-7, 93, 117 Black Empowerment-96 Bluewashing-145 Bourdieu, Pierre-40 Bruttoinlandsprodukt-57 Capacity-Building-Maßnahmen-12 Cape Town Declaration on Responsible Tourism-147 CO 2 -61f. Common Goods-37 Communitas-32f. Communities of Practice-35 Community-7, 9, 12, 32, 34 Community-based Ecotourism-112 Community-based Tourism-12 Community-based Tourism, Definition-85 Community-based Tourism, Geschichte-89 Community-based Tourism, Konzept-82 Community-based Tourism, Phasen-26 Consumerism-38 Corporate Reputation Score-142 Creative Tourism-44 Cultural Needs-43 Cultural Survival-70 Cultural Turn-40 Dark Tourism-134, 139 Deliberation-95 Destinationsmanagementorganisationen 101 Devianz-33 Distinktion-40 Diversität-35 Dorfgemeinschaft-29 Due Dilligence-69 Ecotourism-112 ECPAT-76 Einbeziehung-10 Einheimische-10 Einstellung-55, 83 Einzelpersonen-122 Elias, Norbert-176 Empowerment-64, 96ff. <?page no="197"?> Entwicklung-90 Entwicklungsland-88 Entwicklungsstand-88 Equations-72 Ethical-Marketing-139 Ethik, Verantwortungs--66 ethnische Beziehung-47 Experience-44 Fernie, James-162 Finanzierungmöglichkeiten-105 Flugscham-173 Framing the Other (Film)-121 Frauenrechte-72 Freizeitbeschäftigung-47 Gemeinde-32 Gemeinschaft-29f., 35 Gender Pay Gap-74 Gender-water-tourism Nexus-70 Geschäftsreise-9 Gesellschaft-29, 35 Get Started Tool-75, 79 Gini-Koeffizient-89 Global Common Goods-37 Globaler Norden-89 Globaler Süden-88 Governance-116 Government of the Northwest Territories-167 Greenwashing-145 Grootbos Private Nature Reserve-19 Güter, Kollektiv--36 Güter, meritorische-37 Gütesiegel-114 Homestays-16, 104 Import-59 Indikatoren-110 Ingroup-36 Institute of Professional Tourist Guides of Southern Africa-148 International Labour Organization-130 International Trade Center-167 Intersektionalität-72 Investitionen-103 Kiez-29 Kinderrechte-74 Kollaboration-95 Kollektivgüter-36 Kommerzialisierung-107 Kommunitarismus-34 Kultur-39, 43, 63 Kulturtourismus-43 Ladder of Citizen Participation-94 Leakage-Effekt-58 Lebensstil-49 Lebensumstände-84 Liminalität-32f. liminoide-34 Limits of Acceptable Change-137 Liquid Modernity-38 Local Communities-86 Locals-10, 102, 167 Local Spaces-90 lokale Bevölkerung-79 Macht-60, 120f., 125, 169, 175 Machtunterschiede-96 Marketing-20, 26, 35, 46, 103, 114, 124, 139, 170, 173, 175 Marktanalyse-127 Marktsegmentierung-54, 127 Register 197 <?page no="198"?> Maslow, Abraham-50 Massentourismus-82, 143 Meaningful Experience-43 Menschenrechte-68 meritorische Güter-37, 42 Milieu-49 Motivation-52 Motive-51f., 119 Murphy, Peter E.-91 Nachhaltiger Tourismus-77 Nachhaltigkeit-84 Narrative-120 Neighbourhood-152 Neokolonialismus-47 Networking-102 Netzwerke-171 New Tourist-52 nformality-58 Non-Governmental Organisationen-10 Non-Profit-Company-105f. Non-Profit-Organisationen-10 OECD-95 Outgroup-36 Overtourism-91 Participation-7 Partizipation-94 People of Color-124 Persona-128 Phase, liminale-33 Pilgern-47 Policies-131 Primary Community-90 Public Goods-37 Qualifizierung-155 Quality of Life-121 queere Community-35 Rechte, Frauen--72 Rechte, Kinder--74 Reiseleitung-145 Reisemotive-51 Reisende-79, 82, 125 Reize-10, 136 Resilienz-107 Ressourcen-60 Reue-143 Roundtable Human Rights in Tourism-71, 75 Scientific Community-34 Selbstverwirklichung-50 Self-actualisation-50 Setting-84 Sexual Exploitation of Children in Travel and Tourism-76 Slumming-92 Slum Tourism-92, 115 Social Business Model Canvas-170 Social Entrepreneurship-105 Social Entrepreneurships-166 Societas-32 Sorgfaltspflicht-69 soziokulturelle Folgen-62 Storytelling-139 Street Art-16 Studiosus-62 Suansri, Potjana-25, 167 Sustainable Development Goals-77 Tokenism-95 Tourguides-145, 147, 149 Tourism Concern-72 198 Register <?page no="199"?> Tourism Department of South Africa-130 Tourism for Communities-155 Tourism in Communities-99 Tourism Product-46 Tourismus-45 Tourismuskritik-48 Tourismusunternehmen-79 Tourismuswirtschaft-141 Tourism Watch-72 Tourism with Communities (TwC)-99 Transforming Tourism-68 Transforming Tourism Initiative-77 Traveller Storytelling-139 Turner, Victor-32 Übergangsriten-32 Umwelt-60 UN Global Compact-68 UN Women-73 UNWTO-29 Uthando Social Development Projects-20 van Gennep, Arnold-32 Vanlife-50 Veedelsgemeinschaft-29 Verantwortung-64, 66 Verantwortungsethik-66 verantwortungsvoller Tourismus-67 Verflechtungszusammenhänge-119 Verlangen-38 Verteilung-107 Vertrauen-35 Voluntourism-127 Weber, Max-30, 66 Weltkulturerbe-27 White Lotus (Serie)-65 White Saviours-124 Wünsche-38 Zahlungsbereitschaft-106 Zugehörigkeit-36 Register 199 <?page no="200"?> Abbildungsverzeichnis Abb. 1: Anspruchsgruppen Community-based Tourism (eigene Darstellung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 Abb. 2: Woodstock Street Art (eigene Aufnahme) . . . . . . . . . 17 Abb. 3: Khaltsha Cycles (eigene Aufnahme) . . . . . . . . . . . . . . 18 Abb. 4: CBT-Projekte in Kirgistan (Website, 2023) . . . . . . . . 23 Abb. 5: Wartende Reisebusse (eigene Aufnahme, 2023) . . . . . 24 Abb. 6: Wegweiser Bayahibe (eigene Aufnahme, 2023) . . . . . 25 Abb. 7: Logo Best Tourism Village . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 Abb. 8: Die Stadt ist unser Garten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 Abb. 9: Im Wasser (eigene Aufnahme) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 Abb. 10: In Galicien (eigene Aufnahme) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 Abb. 11: Am Cap (eigene Aufnahme) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 Abb. 12: Screenshot Roundtable Human Rights in Tourism (2023) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 Abb. 13: SDGs (UN, 2023) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 Abb. 14: Kotschkor (kirg.: Кочкор) (OpenStreetMap) . . . . . . . 86 Abb. 15: CBT in Kotschkor (OpenStreetMap) . . . . . . . . . . . . . . 87 Abb. 16: Langa, Kapstadt (OpenStreetMap) . . . . . . . . . . . . . . . . 87 Abb. 17: Khayelitsha, Kapstadt (OpenStreetMap) . . . . . . . . . . . 88 Abb. 18: 5-B-Modell des Community-based Tourism (eigene Darstellung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 Abb. 19: Machtbalancen im CBT (eigene Darstellung) . . . . . . . 109 Abb. 20: Dynamisches 5-B-Modell (eigene Darstellung) . . . . . 116 Abb. 21: Persona (eigene Darstellung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 Abb. 22: Formen des Community-based Tourism (eigene Darstellung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 Abb. 23: CBT-Akteure (eigene Darstellung) . . . . . . . . . . . . . . . . 159 Abb. 24: Entwicklungslinien CBT (eigene Darstellung) . . . . . . 160 Abb. 25: Schachspiel in Stellenbosch mit anderen Figuren und Regeln (eigene Aufnahme) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 <?page no="201"?> Tabellenverzeichnis Tab. 1: Umweltauswirkungen (basierend auf UBA, 2002) . . . . . 61 Tab. 2: CBT-Begriffe (eigene Zusammenstellung) . . . . . . . . . . . . 84 Tab. 3: Typen von Empowerment (auf Basis von Kunasekaran & Kumar, 2020, S.-486) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 Tab. 4: Generierung von Einnahmen (eigene Darstellung) . . . . 101 Tab. 5: Marktsegmentierung am Beispiel von Kapstadt (eigene Darstellung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 Tab. 6: Attraktionen (basierend auf Holloway, 2020, S.-241) . . . 135 Tab. 7: Regeln für Touren in Communities in Kapstadt und Mumbai . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 Tab. 8: Entwicklung von CBT-Angeboten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 Tab. 9: Tourentwicklung basierend auf Attraktionen (GNWT, 2023) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 <?page no="202"?> mit Fallbeispielen und Checklisten ISBN 978-3-381-10381-2 Dr. Kerstin Heuwinkel ist Professorin an der htw saar, Hochschule für Technik und Wirtschaft des Saarlandes. Sie lehrt nachhaltiges Tourismusmanagement, Tourismussoziologie und Kulturmanagement. Tourismus und Gesellschaft verantwortungsvoll gestalten Ebenso wie Gesellschaft und Gemeinschaft verändert sich der Tourismus. Globale Krisen, schwindende Ressourcen und veränderte Anforderungen an das Reisen motivieren zum Umdenken. Und: Auch die Bevölkerung vieler Urlaubsregionen möchte Tourismus mitgestalten und von diesem profitieren. Der Community-based Tourism wird als Gegenpol zum Massentourismus beschrieben. Kerstin Heuwinkel stellt das spannende Konzept sowie konkrete Formen in ihrem Buch vor und zeigt Möglichkeiten sowie Grenzen auf. Eine zum Nachdenken anregende Lektüre für Studierende der Tourismus- und Sozialwissenschaften, für die Praxis, NPOs und NGOs sowie für Reisende. Heuwinkel Community-based Tourism Kerstin Heuwinkel Communitybased Tourism Gemeinschaft, Kultur und Tourismus