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KI in der Projektwirtschaft

Was verändert sich durch KI im Projektmanagement?

0115
2024
978-3-3811-1132-9
978-3-3811-1131-2
UVK Verlag 
Christian Bernert
Steffen Scheurer
Harald Wehnes
10.24053/9783381111329

Die rasante Entwicklung künstlicher Intelligenz (KI) hat die Art und Weise, wie wir arbeiten, leben und interagieren, grundlegend verändert. Auch im Bereich des Projektmanagements hat KI das Potenzial, grundlegende Änderungen herbeizuführen - eine Entwicklung, die in diesem Buch eingehend untersucht und bewertet wird. Es konzentriert sich auf zentrale Aspekte, die sich in vier Abschnittsüberschriften widerspiegeln: - Problemstellungen und Chancen - Methodenunterstützung - Herausforderungen im Projektmanagement - Unterstützung von Projektfunktionen Dieser Band ist damit nicht nur ein Leitfaden für KI im Projekt­management, sondern auch eine Quelle der Inspiration und Reflexion über die sich verändernde Arbeitswelt, in der wir uns befinden. Die Herausgeber und Autor:innen bieten wertvolle Einblicke und Anregungen, die Chancen von KI zu nutzen und gleichzeitig die Herausforderungen zu meistern, die diese neue Ära mit sich bringt.

<?page no="0"?> GPM TREND Christian Bernert / Steffen Scheurer / Harald Wehnes (Hrsg.) KI in der Projektwirtschaft Was verändert sich durch KI im Projektmanagement? <?page no="1"?> Herausgegeben von der PROJEKTMANAGEMENT NEU DENKEN Die Autor: innen der Reihe Projektmanagement neu denken zeichnen sich durch einen hohen Erfahrungsschatz in der Projektmanagementpraxis und fundierte Kenntnisse der Theorien in diesem Themengebiet aus. In den Bänden werden insbesondere neue Fachthemen und neue Herangehensweisen behandelt. Dabei steht der konkrete Nutzen für die praktische Anwendung im Vordergrund. Leser: innen dürfen sich sowohl auf einen Wissenszuwachs als auch Tipps für den Praxisalltag freuen. <?page no="3"?> Christian Bernert / Steffen Scheurer / Harald Wehnes (Hrsg.) KI in der Projektwirtschaft Was verändert sich durch KI im Projektmanagement? UVK Verlag · München <?page no="4"?> DOI: https: / / doi.org/ 10.24053/ 9783381111329 © UVK Verlag 2024 ‒ ein Unternehmen der Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5 · D-72070 Tübingen Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Alle Informationen in diesem Buch wurden mit großer Sorgfalt erstellt. Fehler können dennoch nicht völlig ausgeschlossen werden. Weder Verlag noch Autor: innen oder Herausgeber: innen übernehmen deshalb eine Gewährleistung für die Korrektheit des Inhaltes und haften nicht für fehlerhafte Angaben und deren Folgen. Diese Publikation enthält gegebenenfalls Links zu externen Inhalten Dritter, auf die weder Verlag noch Autor: innen oder Herausgeber: innen Einfluss haben. Für die Inhalte der verlinkten Seiten sind stets die jeweiligen Anbieter oder Betreibenden der Seiten verantwortlich. Internet: www.narr.de eMail: info@narr.de CPI books GmbH, Leck ISSN 2748-4629 ISBN 978-3-381-11131-2 (Print) ISBN 978-3-381-11132-9 (ePDF) ISBN 978-3-381-11133-6 (ePub) Umschlagmotiv: © dem10 · iStockphoto Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http: / / dnb.dnb.de abrufbar. www.fsc.org MIX Papier aus verantwortungsvollen Quellen FSC ® C083411 ® <?page no="5"?> 15 1 17 2 31 3 47 4 57 5 69 6 81 7 97 8 105 115 9 117 10 131 11 143 Inhalt Teil A: -Problemstellungen und Chancen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . KI, agiles Mindset und integral-systemische Perspektiven | Bernd Linder-Hofmann, Sigrid Limberg-Strohmaier, Peter Klein, Manfred Zink . . Evaluation des KI-Einsatzpotenzials in Abhängigkeit der Projektcharakteristik | Martin Barth, Margit Sarstedt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ethische Rahmenbedingungen beim Einsatz von KI im Projektgeschäft - Gefahren und Chancen der KI | Kerstin Prechel, Malte Prieß . . . . . . . . . . . . . Digitale Souveränität: Führt uns KI in die digitale Kolonie? | Harald Wehnes KI - ein Booster für mehr Nachhaltigkeit im Projektmanagement | Manuela Wimmer, Anja Grabmeier . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einsatzfelder generativer KI im Projektgeschäft | Michael Boxheimer, Ingo Staack . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . KI-Technologien im Einklang mit dem Projektgeschäft, Stakeholder-Management & ethische Grundsätzen | Ingo Staack . . . . . . . . . KI im Projektmanagement Office | Gerhard Ortner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Teil B: -Methodenunterstützung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . KI-Methoden im Projektmanagement: Einführung | Nicole Schelter . . . . . . . Big Picture für ein Projekt - KI-gestützt analysiert | Irene Teich, Uwe Haass Integration des Case-Based Reasoning-Ansatzes in Ontologien: Potenziale und Anwendung am Beispiel des Projektmanagements im Maschinen- und Anlagenbau | Wibke Kusturica, Christoph Laroque . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . <?page no="6"?> 12 157 13 169 14 179 15 189 199 16 201 17 211 18 223 19 237 20 251 263 21 265 22 279 23 289 Analyse und Nachverfolgung von Projektzielen durch Einsatz von Natural Language Processing | Bodo Kraft, Philipp Kohl, Matthias Meinecke . . . . . . KI-Pilot zur Unterstützung von Entscheidungen in ambiguen Situationen in Projekten | Vincent Lächelt, Jose Arroyo Portillo, Timo Braun . . . . . . . . . . . Auswahl von KI-Tools für den Einsatz im Projektmanagement: Nutzenpotenziale und begleitendes Change Management | Luca Maria Haltmayer, Ulrich Lenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vorgehensmodell und KI-Tools zur Optimierung im Multiprojekt- und Selbstmanagement | Lorena Jost, Thies Beinke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Teil C: -Herausforderungen im Projektmanagement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . KI in der Projektmanagement-Lehre | Sabine Jaritz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . KI und deren Konsequenzen für die Hochschullehre und die Projektmanagement-Ausbildung | Martin Bialas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Kompetenzmodell für KI-gestütztes Projektmanagement: Ein Wegweiser für die Zukunft | Kai Reinhardt, Mareike Feseker . . . . . . . . . . . . . Collective Intelligence von KI und Mensch in der Projektarbeit - Ein Rahmenwerk auf der Basis von ICB 4.0 und Management 4.0 | Alfred Oswald, Agnetha Flore, Rüdiger Lang, Helge Nuhn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Einfluss der Künstlichen Intelligenz auf die Rolle des Projektmanagers | Torsten J. Koerting, Simone Neumann . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Teil D: -Unterstützung von Projektfunktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einsatz von KI im Projektmarketing: Potenziale und Vorgehensweise | Claudia Bornemeyer, Silke Schönert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nutzung von KI im internen Innovationsmanagement zur Generierung von neuen Projektideen | Thomas Heiß, David P. Heberling . . . . . . . . . . . . . . . . . KI im Vertrags- und Claim Management | Christian Bernert . . . . . . . . . . . . . 6 Inhalt <?page no="7"?> 24 305 25 321 331 337 Einsatz generativer KI als „Booster“ für Gründungsprojekte | Ulrike Aumüller, Colin Kavanagh, Dennis Przytarski, Doris Weßels . . . . . . . . . . . . . Intelligente Gesundheit im Projektteam - die Verbindung von KI und BGF | Simone Neumann, Torsten J. Körting . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Glossar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Autor: innen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Inhalt 7 <?page no="9"?> Vorwort In einer Welt, die von exponentiell wachsendem Wissen und technologischer Inno‐ vation geprägt ist, stehen Unternehmen und Organisationen vor nie dagewesenen Herausforderungen und Chancen. Die rasante Entwicklung künstlicher Intelligenz (KI) hat die Art und Weise, wie wir arbeiten, leben und interagieren, grundlegend verändert. Auch im Bereich des Projektmanagements hat KI das Potenzial, grundlegende Ände‐ rungen herbeizuführen - eine Entwicklung, die in diesem Buch eingehend untersucht und bewertet wird. Die Veränderung der Wirtschaft hat in den letzten Jahren enorm an Fahrt aufge‐ nommen. Nicht nur Unternehmen sehen sich einem enormen Druck ausgesetzt, ihre Abläufe zu optimieren, um wettbewerbsfähig zu bleiben, nein, ganze Volkswirtschaften sehen ihr traditionelles „Geschäftsmodell“ auf den Prüfstand gestellt und Gewissheiten, die gestern noch galten, sind morgen vielleicht schon Makulatur. In dieser Transfor‐ mation spielt KI eine Schlüsselrolle. Sie ist nicht nur ein Schlagwort, sondern eine treibende Kraft, die es Unternehmen ermöglicht, Daten in wertvolle Einblicke umzu‐ wandeln, Entscheidungen fundierter zu treffen und Innovationen voranzutreiben. KI bietet ein enormes Potenzial für Effizienzsteigerung und die Erschließung neuer Geschäftsmöglichkeiten. Auch für das Projektmanagement eröffnet KI ungeahnte Perspektiven. Die Struk‐ turierung und Überwachung von Projekten kann präziser und effektiver werden, dank automatisierter Abläufe, ausgefeilter Analysen und Prognosen. Die Verwendung von KI in Projektmanagement-Software ermöglicht eine schnellere Identifizierung von Engpässen, Ressourcenoptimierung und die Anpassung an unvorhergesehene Ereignisse. Doch KI bringt nicht nur technologischen Fortschritt, sondern auch eine Neudefinition der Arbeitsweise und der Beziehung zwischen Mensch und Maschine. Dieses Buch konzentriert sich auf drei zentrale Schwerpunkte, die sich in den ersten drei Abschnittsüberschriften widerspiegeln: „Änderungen und neue Chancen durch KI“, „Methodenunterstützung durch KI“ und „Herausforderungen durch KI für die Menschen im Projekt“. Im ersten Abschnitt werden die vielfältigen Auswirkungen von KI auf die Wirtschaft und insbesondere auf das Projektmanagement erkundet. Es wird beleuchtet, wie Unter‐ nehmen KI nutzen, um Wachstumschancen zu identifizieren, Risiken zu mindern und ihre Wettbewerbsposition zu stärken und wie das Projektmanagement in Abhängigkeit von Projektcharakter und Situation von KI-gestütztem Vorgehen profitieren kann. Aber auch die Frage, welche Änderungen im Mindset notwendig werden, um das volle Potential der KI zu entfalten, werden in diesem Kapitel beantwortet. Der zweite Abschnitt befasst sich eingehend mit der Anwendung von KI-Methoden im Projektmanagement. Zunächst wird ein Überblick über KI-Tools gegeben, die zur Unterstützung in unterschiedlichen Projektphasen dienen können. Zudem werden von der Prognose zukünftiger Entwicklungen über die Analyse großer Datenmengen, bis <?page no="10"?> hin zur Entscheidungsunterstützung in ambiguen Projektsituationen die vielfältigen Möglichkeiten erkundet, wie KI-Technologien die Effizienz und Effektivität von Pro‐ jekten steigern können. Der dritte Abschnitt wendet sich dem Wechselspiel von Mensch und Maschine zu, das sich aus der Integration von KI in unsere Projektmanagement-Ökosysteme ergibt. Während KI zweifellos transformative Vorteile bietet, wirft sie auch wichtige ethische, soziale und berufliche Fragen auf, die es zu adressieren gilt. Dieser Abschnitt zeigt die Interaktion zwischen Mensch und Maschine und beleuchtet, wie wir diese Synergie gestalten können, um die besten Ergebnisse zu erzielen. In einem vierten Abschnitt wird noch ein Ausblick auf die „Unterstützung verschie‐ dener Projektfunktionen durch KI“ gegeben. Hier werden erste konkrete Anwendungsbeispiele aufgezeigt. Die Reise durch die faszinierende Welt der Künstlichen Intelligenz und des Projekt‐ managements geht weiter. In einer Ära, in der Innovationen unaufhörlich voranschrei‐ ten und die Grenzen des Machbaren ständig neu definiert werden, öffnet sich vor uns ein unermessliches Terrain an Möglichkeiten. Hierzu wird es einen Folgeband, „KI in der Projektwirtschaft“ geben, der auf diesem Band aufbaut und uns weitere Einblicke in verschiedene Anwendungsbereiche der KI im Projektmanagement geben wird. Der vorliegende Band soll nicht nur ein Leitfaden für KI im Projektmanagement sein, sondern auch eine Quelle der Inspiration und Reflexion über die sich verändernde Arbeitswelt, in der wir uns befinden. Ich hoffe, dass es Ihnen wertvolle Einblicke bietet und Sie dazu anregt, die Chancen von KI zu nutzen, während Sie gleichzeitig die Herausforderungen meistern, die diese neue Ära mit sich bringt. Prof. Dr. Peter Thuy Präsident der GPM - Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e.V. Nürnberg, im August 2023 10 Vorwort <?page no="11"?> Geleitwort Liebe Leserinnen und Leser, dieses Buch - auch als Projekt interpretiert - ist in vielfacher Hinsicht bemerkenswert: Die Entstehungsphase ist ein beeindruckender Beleg für die Effizienz und Effektivität professioneller Techniken des agilen Projektmanagements. Für Attraktivität sorgt die treffsicher gewählte Thematik „KI in der Projektwirtschaft“, da generative KI seit der Veröffentlichung von ChatGPT am 30.11.2022 einen KI-Hype ausgelöst hat, dessen Ende derzeit nicht absehbar ist. Auch der fachliche Anspruch dieses Buchprojektes ist ambitioniert: Dieses Werk möchte seinen Leser*innen einen Gesamtüberblick im Dschungel von KI-Modellen, -Tools und -Techniken vermitteln und gleichzeitig Orientierung geben, um Unsicherheiten und Berührungsängste beim Einsatz von KI- Technologien abzubauen. Bei dieser Themenwahl und dem gewählten Vorgehensmodell zeigt sich die heraus‐ ragende Leistung der Herausgeber dieses Werkes und verdient besondere Anerken‐ nung: Christian Bernert als Initiator und Product Owner, Prof. Dr. Harald Wehnes als Scrum Master und Prof. Dr. Steffen Scheuer als Schnittstelle zum Verlag und zum Präsidenten der GPM Prof. Dr. Peter Thuy. Dank ihrer Vision und ihres überragenden Engagements war es möglich, ein so umfassendes und innovatives Buchprojekt in diesem kurzen Zeitrahmen zu realisieren. Der innovative Charakter dieses Werkes wird durch die Vielfalt der Perspektiven und Themen unterstrichen, die sich von der Produktvision über organisatorische Fragen bis hin zum Review-Prozess erstrecken. Dieses Buchprojekt, das durch die Beteiligung von 25 Autoren und 23 Co-Autoren sowie 27 Reviewern und in Summe über 100 Interes‐ sierte zustande kam, ist ein beeindruckendes Zeugnis für kollaborative Arbeit und KI- Expertise mit dem Fokus auf die Zukunft der Projektarbeit. Mit der fortschreitenden Integration von KI in unsere Arbeitswelt eröffnen sich neue Formen der Mensch-Ma‐ schine Kollaboration. Diese Entwicklung verspricht nicht nur Effizienzsteigerungen, sondern auch innovative Ansätze zur Problemlösung und Entscheidungsfindung, die konstruktiv-kritisch analysiert werden. Für heutige Projektmanager und Projektma‐ nagerinnen bedeutet dies, dass sie sich zukünftig in noch kürzeren Zyklen weiterbilden und anpassen müssen, um die Vorteile dieser Technologien optimal zu nutzen. Es wird spannend zu beobachten sein, wie sich die Rolle des Projektmanagers bzw. der Projektmanagerin in einer Welt verändert, die sich täglich mehr in Richtung Human- AI Hybrid bewegt. Für die GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V. liefert dieses Buchprojekt weithin sichtbare Aufbauarbeit bei der Etablierung des KIgestützten Projektmanagements in Deutschland - dank der geballten PM-/ KI-Expertise und großer Leidenschaft aus dem Netzwerk der GPM-Aktiven. Ich wünsche Ihnen und uns inspirierende Lesestunden und hoffe, dass Sie durch dieses Buch neue Denkanstöße, Perspektiven und Erkenntnisse gewinnen und wir <?page no="12"?> gemeinsam den Technologiestandort Deutschland mit diesem Buchprojekt in der Schnittstelle KI und Projektmanagement nachhaltig stärken können. Prof. Dr. Doris Weßels Fachhochschule Kiel Kiel, im September 2023 12 Geleitwort <?page no="13"?> Prolog Herausgeber Im Laufe der Geschichte gab es in der Wirtschaft und bei den Technologien immer wieder Wendepunkte. Wendepunkte, die unser Verständnis und unsere Arbeitsweise grundlegend verändert haben. Der Einzug der Künstlichen Intelligenz (KI) in die verschiedenen Bereiche unseres Alltags und unseres Wirtschaftslebens ist ohne Zweifel ein gravierender Wendepunkt. Wir beginnen zu begreifen, was diese KI-Grundmodelle (Foundation-Model) bereits heute an Möglichkeiten eröffnen, an die selbst die Ersteller nicht dachten. Gerade in der Projektwirtschaft, wo Dynamik und Komplexität so stark zum Tragen kommen, eröffnet die KI faszinierende Möglichkeiten zur Neugestaltung und Optimierung. Mit dem Buch „KI in der Projektwirtschaft“ verfolgen wir das ehrgeizige Ziel, einen Leitfaden zu schaffen in dieser sich rasch fortentwickelnden KI-Landschaft. Damit wollen wir eine breit angelegte Sichtweise auf die KI-Anwendungen in der Projektwirtschaft eröffnen und so mithelfen, das ganze Potential der KI für das Projektmanagement zu erschließen. Der Titel „KI in der Projektwirtschaft“ spiegelt zwei Hauptvorteile wider, die KI in diesem Bereich mit sich bringt. Einerseits ermöglicht die KI, Abläufe zu optimieren, Ressourcen besser zu nutzen und somit die Effizienz signifikant zu steigern. Anderer‐ seits erweitert die KI durch ihre Fähigkeit, große Datenmengen zu analysieren und Muster zu erkennen, den Blickwinkel dessen, was im Projektmanagement möglich ist. Das fördert die Diversität der Ansätze und Lösungen in der Projektwirtschaft. Das Streben nach einem hohen Bekanntheitsgrad und einer hohen Auflage reflektiert unseren Ansatz, vielen Fachleuten zu helfen, den Horizont für die Potenziale der KI in der Projektwirtschaft zu weiten. Mit den vielfältigen Betrachtungswinkeln der Beiträge im Buch versuchen wir zudem die notwendige Transparenz für einen öffentlichen Diskurs zu schaffen. Wir hoffen, dass dieses Buch nicht nur heute, sondern auch in den kommenden Jahren als Standardwerk zur KI in der Projektwirtschaft wahrgenommen wird. Unsere Vision geht jedoch über das gedruckte Wort hinaus. Daher können Leserin‐ nen und Leser von uns bereits in naher Zukunft weitere Aktivitäten erwarten, die das Lernen aber vor allem die Anwendungen der im Buch vorgestellten Konzepte erleichtern werden. Zum Schluss möchten wir allen über 100 Beteiligten, die an der Entstehung dieses Werks mitgewirkt haben, unseren herzlichen Dank aussprechen. Ohne ihre Expertise, ihr Engagement und ihre Vision wäre dieses Buch nicht möglich gewesen. Gemeinsam sind wir davon überzeugt, dass es Fachleuten helfen wird, die transformativen Kräfte der Künstlichen Intelligenz in der Projektwirtschaft zu entfesseln. <?page no="14"?> Ein besonderer Dank gilt unseren Autoren und Co-Autoren, die es geschafft haben, in sehr kurzer Zeit wertvolle Beiträge zu diesem Buch zu liefern. Ein großer Dank geht auch an unsere Review Partner, die durch ihren unermüd‐ lichen Einsatz auch während der Ferienzeit sichergestellt haben, dass wir unseren ambitionierten Zeitplan einhalten konnten: Toni H. Almert, Henning Abmeyer, Guido Bacharach, Henning Bull, Natalia Chornoivanenko, Peter Donath, Michaela und Mathias Flick, Dr. Jörg Klein, Mike Kruckemeyer, Rüdiger Liebe, Dr. Karin Lübbe, Dr. Susanne Marx, Michael Neumann, Dr. Manfred Nolle, Prof. Dr. Martina Peuser, Prof. Dr. Tobias Riegmann, Katrin Reschwamm, Jens Schulz und Hubert Seyfried. Wir wünschen uns, dass dieses Buch auch zur Intensivierung der angewandten For‐ schung und Lehre beiträgt, damit diese, mit inspirierender Kraft, zu neuen Produktent‐ wicklungen und Anwendung für eine zukunftsfähige und innovative Projektwirtschaft führt! Prof. Dr. Harald Wehnes, Prof. Dr. Steffen Scheurer, Christian Bernert 14 Prolog Herausgeber <?page no="15"?> Teil A: Problemstellungen und Chancen <?page no="17"?> 1 KI, agiles Mindset und integral-systemische Perspektiven Bernd Linder-Hofmann, Sigrid Limberg-Strohmaier, Peter Klein, Manfred Zink Abstract Wir stehen als Menschen heute vor globalen und simultanen Herausforderungen in bisher nicht gekannter Intensität und Dynamik, die sich nicht mehr mit dem ak‐ tuellen Mindset und den bisher bewährten Vorgehensweisen bewältigen und lösen lassen: wir brauchen einen Mindshift und eine Veränderung des Bewusstseins, ein agiles Mindset. Die rasante Entwicklung der Formen der Künstlichen Intelligenz (KI) forcieren Prozesse und fordern uns als verantwortliche (Projekt-)Manager zusätzlich heraus. Ausgehend von unserer aktuellen Verfasstheit liegt eine Chance für eine Entwicklung von Bewusstsein in den integral-systemischen Ansätzen, Theorien und Modellen, um KI, Bewusstseinsentwicklung und Mindset mitein‐ ander zu verbinden. Wir wollen aufzeigen, welche Bedeutung sich hinter den Begriffen verbirgt und welche ersten praktischen Annäherungen aus unseren Erfahrungen vielversprechend sind. Ausgehend von dem aktuellen Status Quo haben wir Einfluss darauf, ob wir als Menschheit regredieren, also reflexhaft auf alte Muster zurückgreifen, stagnieren, nur das bisher Bewährte gelten lassen wollen oder evolvieren, uns dem Neuen öffnen und mit den sich abzeichnenden Möglichkeiten von KI---auch im (Projekt-) Management - weiterwachsen. Stichwortliste Aufstellungen, Bewusstsein, Intuition, integral-systemische Arbeit, Mindset, Mustererkennung, Quantensprung, Transformation, Transzendenz 1.1 Prolog Das Thema Künstliche Intelligenz (KI), das darin liegende Potenzial, die Einsatzmög‐ lichkeiten, die mit ihr verbundenen Chancen und Risiken für die gesamte Menschheit und unsere weiteren Entwicklungen werden aktuell im öffentlichen Raum kontrovers und mit hoher Aufmerksamkeit diskutiert. Diese Diskussionen und Auseinanderset‐ zungen sind notwendig - wir betreten und erkunden mit der Künstlichen Intelligenz alle gemeinsam Neuland: „terra incognita“. KI bietet uns nützliche und unterstützende Tools auf einer bisher nicht gekannten Ebene, und wir sind erst am Beginn. KI aber nur an der Toolebene festzumachen und nur dort zu nutzen, so unterstützend und hilfreich diese Werkzeuge auch sind bzw. aktuell scheinen, bedeutet u. E., das darin liegende Potential zu verschenken. Wir sollten gemeinsam den Horizont weiter sehen und in der Arbeit mit den Möglichkeiten der KI eine Chance erkennen, menschliches Bewusstsein <?page no="18"?> 1 Ein Quantensprung im übertragenen Sinn soll hier eine radikale Veränderung bedeuten 2 Projektifizierung der Gesellschaft in Deutschland - Zusammenfassung wesentlicher Ergebnisse einer Studie, Reinhard Wagner (Diss. An der Alma Mater Europaea, Maribor/ Slowenien März 2021) in Kooperation mit der GPM (Gesellschaft für Projektmanagement e.-V.) weiter zu entwickeln und zu vertiefen. Analog zur geografischen Erschließung des Raumes ab dem 15. Jhd. und der quantenphysikalischen Erweiterung um die Dimension Zeit zur 4-dimensionalen RaumZeit können wir einen nächsten Schritt machen, der uns neue Räume und Dimensionen eröffnen kann. Dafür brauchen wir unsere Phantasie, Neugier, Mut, Perspektivenwechsel, offene Dialoge, konstruktive interdisziplinäre Kollaborationen, kurz: ein agiles Mindset und den Willen zur gemeinsamen Umset‐ zung - nichts, was überraschend und neu wäre; alles, was wir als Menschen schon können und vielfältig unter Beweis gestellt haben. Wir brauchen einen Quantensprung 1 im Bewusstsein Zeitgleich stehen wir auch vor den vielleicht größten Herausforderungen, mit denen Menschen in einem globalen Maßstab, deren Intensität, Dynamik und Simultanität gesehen, jemals konfrontiert waren: Klimaveränderungen, Pandemien, Migrations- und Flüchtlingskrisen, weltweite Ungleichheit, Verlust der Biodiversität, Ressourcen‐ knappheit, geopolitische Spannungen, nukleare Proliferation, Informationsmanipula‐ tion und nicht zuletzt die durch KI und Automatisierung induzierten technologischen Disruptionen, die unsere gesellschaftlichen Strukturen verändern. Das globale Projekt „Leben und Überleben auf dem Planeten Erde“ ist nicht nur das wichtigste, sondern auch das dringlichste Projekt, dem wir uns alle ernsthaft und mit hoher Priorität wid‐ men sollten. Daneben erfordern die steigende „Projektifizierung der Gesellschaft“ 2 und die radikalen Veränderungen der Rahmenbedingungen, ausgedrückt in dem Akronym VUCA (Volatilität, Unsicherheit, Komplexität, Ambiguität) im (Projekt-)Management neue Sichtweisen, noch wirksamere Herangehensweisen und neue Skills, getragen von einem veränderten Mindset. KI kann bei diesen Herausforderungen ein Auslöser, ein Treiber und eine Unterstützung für weitere qualitative Entwicklungen und vielleicht sogar die Chance für einen Quantensprung des Bewusstseins sein. Für die anschließenden Erörterungen wollen wir uns auf die Ideen und Ansätze beziehen, die sich mit der Thematik des Integralen und des Systemischen beschäftigen. Soweit wir Gedanken von anderen Autoren dazu aufgreifen, ist es unsere bewusste subjektive Auswahl. Es sind Theorien und Modelle, die uns seit Jahrzehnten begleiten, inspiriert haben, die wir in unsere Arbeit integriert und weiterentwickelt haben und die in diesen damaligen Zeiten eine lediglich intuitiv geahnte Bedeutung für die weiteren Gestaltungsmöglichkeiten unserer Zukunft haben. 18 1 KI, agiles Mindset und integral-systemische Perspektiven <?page no="19"?> 3 Dies sind nicht einzigen integralen Denker, weitere bedeutende sind u. a. Teilhard de Chardin, Sri Aurobindo; wir beziehen uns jedoch explizit auf diese oben Genannten 1.2 Integral-systemische Perspektiven und der „Sprung in die Transzendenz“ Integrale Perspektiven beziehen sich auf integrative, ganzheitliche Ansichten, Theorien und Modelle, die verschiedene Aspekte des menschlichen Bewusstseins, der Kulturen und der Systeme in einem kohärenten Rahmen vereinigen. Die bekanntesten Vertreter ganzheitlicher, integraler Ansätze sind u. a. Jean Gebser und Ken Wilber 3 . Auch wenn sich die Ansätze der verschiedenen integralen Denker unterscheiden, so können doch gemeinsame Kernaussagen und grundlegende Gedanken herausgearbeitet werden, die dem Integra‐ len grundsätzlich eigen sind, nämlich: ■ Entwicklung und gerichtete Evolution (analog zu Matroschka-Puppen): Bewusstsein entwickelt sich durch verschiedene Stufen und Ebenen hindurch. Jede Ebene baut bis zu einem bestimmten Punkt der Entwicklung auf der vorherigen auf, umfasst und integriert sie und bringt aber auch neue Qualitäten und Fähigkeiten mit sich, die eine Weiterentwicklung bedeuten. Eine passende Vorstellung dazu sind die russischen Matroschka-Puppen: in der nächstgrößeren Puppe sind immer alle anderen enthalten und, wenn auch nicht unmittelbar sichtbar, immer noch präsent und im Sinne des Bewusstseins, wirkmächtig. ■ Komplexität besser verstehen durch die Integration vieler Perspektiven-- Integrative Ansicht: Keine einzelne Perspektive oder Disziplin kann die gesamte Realität erfassen. Stattdessen ist ein integratives, ganzheitliches Verständnis not‐ wendig, das viele verschiedene Ansichten und Disziplinen miteinander vernetzt und verknüpft. Diesen Aspekt greift auch aktuell die Komplexitätswissenschaft auf, die mit einer bewusst multi- oder antidisziplinären Herangehensweise ver‐ sucht, die komplexen Phänomene, die Ursache der Krisen unserer Zeit sind, zu erkennen, zu beleuchten und noch besser zu verstehen.[1] ■ Transzendenz durch Einbeziehung und Überschreitung: Jede neue Stufe des Bewusstseins schließt die vorherige ein und geht über sie hinaus, sowohl in der individuellen Entwicklung als auch in der Evolution von Kulturen und Gesellschaften. Die integrale Bewusstseinsform als ein erweiterter Zustand des Bewusstseins umfasst und transzendiert alle vorherigen Stufen und zeichnet sich durch ein umfassendes, holistisches Verständnis der Realität aus und ermöglicht eine ganzheitliche Perspektive auf die Welt: es ist ein „Sprung in die Transzendenz“, ein Quantensprung des Bewusstseins.[2] 1.2 Integral-systemische Perspektiven und der „Sprung in die Transzendenz“ 19 <?page no="20"?> Systemisch bezieht sich auf Ansätze, Theorien und Methoden, die komplexe Systeme in ihrer Ganzheitlichkeit betrachten, und dabei die gegenseitigen Wechselwirkungen und Beziehungen zwischen den Teilen sowie das Verhalten des gesamten Systems in den Fokus der Betrachtungen nimmt. Ein integral-systemischer Ansatz im (Projekt-)Management kann im Zusammen‐ spiel, den Beziehungen und den wechselseitigen Wirkungen von vier verschiedenen Perspektiven gesehen werden [3], siehe Abb. 1: ■ Perspektive 1 individuell-innen: bezieht sich auf das individuelle Innenleben, die Geisteshaltung, Gedanken, Gefühle und Intentionen, individuelle Werte, Prin‐ zipien und Glaubenssätze, das Mindset und das Bewusstsein. Dieses Feld ist im Schwerpunkt Gegenstand der Psychologie, der Philosophie und der neuronalen Bewusstseinsforschung. ■ Perspektive 2 individuell-außen: betrachtet das individuelle Verhalten, die physischen Manifestationen, auch die individuellen Kompetenzen/ Skills und Leis‐ tungsfähigkeit eines Individuums. Hiermit beschäftigen sich die Disziplinen der Biologie, die Verhaltenswissenschaften und Neurowissenschaften. ■ Perspektive 3 kollektiv-innen: erforscht die gemeinsamen inneren Kulturen, Werte und Weltanschauungen, Kommunikation, Kohäsion und Identität einer Gruppe und Gemeinschaft in ihrem Zusammenspiel auf der Grundlage der gemein‐ samen Unterscheidungen in Abgrenzung zu anderen Gruppen und Gemeinschaf‐ ten; Wissenschaft ist im Schwerpunkt die Kulturanthropologie. ■ Perspektive 4 kollektiv-außen: fokussiert auf die äußeren Systemstrukturen, Rahmenbedingungen, Regeln und Werkzeuge zu den gemeinsamen Kontextgestal‐ tungen, in denen sich Gruppen und Gemeinschaften organisieren und operieren. Diese sind Gegenstand der Soziologie und der politischen Wissenschaften. 20 1 KI, agiles Mindset und integral-systemische Perspektiven <?page no="21"?> Perspektive 1 • Geisteshaltung, Einstellung • Gedanken, Gefühle, Intentionen • Werte, Prinzipien, Glaubenssätze individuell innen Perspektive 2 • Verhalten, Handeln • (Projekt-)Kompetenzen, Skills • Leistungsfähigkeit individuell außen Perspektive 3 • Kultur, Werte, Weltanschauungen • Kohäsion, Identität, Grenzen • Team-, Gruppen-, Projektkultur kollektiv innen Perspektive 4 • Strukturen, Rahmenbedingungen • Regeln, Tools • Projektorganisation kollektiv außen innen außen individuell kollektiv erfahrbar / subjektiv messbar / objektiv Abb. 1-1: Darstellung der 4 Perspektiven; eigene Darstellung; in Anlehnung an [2] Prozesshafte Veränderung Eine integral-systemische Herangehensweise erfordert neben einer inter- und mul‐ tidisziplinären Zusammenarbeit auch die Einbeziehung der wechselseitigen Relatio‐ nen und die der Ursache- und Wirkungsbeziehungen zwischen den Perspektiven. Interventionen in einem der Felder haben immer Auswirkungen auf die anderen und auch rückkoppelnde Wirkungen im Feld selbst (dargestellt durch die Pfeile in Abbildung 1). Die innere Form bedingt die äußere Form und umgekehrt, sie entstehen in wechselseitiger Abhängigkeit. Konkret auf das Projektmanagement bezogen: Projekte sind selbst temporäre soziokulturelle Systeme, die sich im Lauf des Projekts ebenfalls verändern. Projekte sind immer Interventionen in Systeme, die einen Unterschied gestalten (sollen). Nach einem Projekt soll ein anderer Zielzustand sein als im Ausgangszustand vor dem Projekt: Projekte sind immer Arbeit am System selbst. Bezüglich unserer Erörterungen zur KI und Projektmanagement: wenn wir in der Perspektive 4 mit gänzlich neuen Tools der KI arbeiten (wollen), dann sollten wir auch die Auswirkungen auf die anderen Perspektiven vertiefter berücksichtigen bzw. ganzheitlich betrachten, welche Voraussetzungen in den anderen Feldern notwendig 1.2 Integral-systemische Perspektiven und der „Sprung in die Transzendenz“ 21 <?page no="22"?> sind und/ oder geschaffen werden können, um die KI in der (möglichen) Qualität auch entsprechend zu nutzen. Die folgenden Betrachtungen sollen sich im Schwerpunkt auf Perspektive 1 bezie‐ hen, nämlich auf die Thematik Bewusstsein und Mindset (Perspektive individuellinnen); die Beziehung zu den anderen Perspektiven ist implizit. Individuelles Bewusstsein soll in diesem Kontext heißen, „das zuständliche, prozes‐ suale und gegenständliche Innewerden der Verfasstheit eines Menschen, die zum Erkennen befähigt.“[4] Bewusstsein ist nach diesem Verständnis immer in einem bestimmten Zustand (z. B. Wachbewusstsein, Traumbewusstsein u. a.), es ist immer prozessual, d. h. in permanenter dynamischer Veränderung und auch Entwicklung, es ist immer gegenständlich als Bewusstsein von Etwas, es ist ein Innewerden der Verfassung, die mental und auch integral sein kann (dazu gleich mehr) und das die Fähigkeit zum Erkennen beinhaltet. Es ist das individuelle Bewusstsein eines Menschen und damit immer eine subjektive Erfahrung. Das Mindset ist Teil des Bewusstseins, es ist die innere Einstellung, Haltung, Denkweise und Überzeugung, wie man sich selbst, die Welt und die Herausforderungen im Leben sieht, kurz und salopp gesagt, ist es die „Programmierung“ oder „Bedienungsanleitung“, mit der Menschen durch ihr Bewusstsein navigieren. Wenn wir im (Projekt-)Management immer wieder die Aussage hören, dass wir für die konsequente Transformation zur Agilität im (Projekt-) Management einen Mindshift, also eine Veränderung des Mindsets und auch damit des Bewusstseins brauchen, um mit den neuen Herausforderungen adäquat umzugehen, dann ist die Frage: was ist unsere Ausgangslage und wie ist der Zielzustand, also von wo nach wohin soll denn der Mind „geschiftet“ bzw. entwickelt werden? Dazu greifen wir mit Jean Gebser auf einen der maßgeblichen integralen Denker zurück. Die seiner Ansicht nach vorherrschende und aktuelle Stufe des Bewusstseins im Ausgang des 20. Jhd. und damit der Ausgangspunkt der weiteren Entwicklung wird von ihm als „mentale“ Stufe bezeichnet und beschrieben. Die charakteristischen Merkmale der mentalen Struktur des gegenwärtigen Bewusstseins der Menschen sind ■ Subjekt/ Objekt-Dualismus: Denken in Gegensätzlichkeiten, ein perspektivi‐ sches Weltbild, in dem der Mensch Subjekt ist und die Welt als getrenntes Objekt betrachtet und sich im Modus des aristotelischen Entweder-Oder befindet, ■ Lineares Zeitverständnis: die vorherrschende Orientierung an linear gerichteter Zeit und der Idee von Fortschritt hin zu einer als ideal gedachten Zukunft, damit verbunden die Fähigkeit zur Abstraktion, d. h. Konzepte und Ideen von ihrer konkreten Manifestation zu trennen, ■ Kognitives, rationales Denken: ein starker Fokus auf Rationalität, Logik, analy‐ tischem Denken und wissenschaftlicher Beweiskraft und der Idee eines konstanten Ichs als Wesenskern des Menschen. Das hat uns als Menschheit beginnend mit der Aufklärung zu bedeutenden wissen‐ schaftlichen und technologischen Durchbrüchen verholfen, wir sehen und spüren aber 22 1 KI, agiles Mindset und integral-systemische Perspektiven <?page no="23"?> 4 Der Ansatz ist nicht neu: in vielen Werken z. B. von J.W. Goethe findet sich der Gedanke einer ganzheitlichen Betrachtung der Welt und des Zusammenspiels von Natur, Existenz und die Bewusst‐ seinsentwicklung durch Erlebnisse und Erfahrungen trotz aller Vorteile und Entwicklungen die Grenzen und Schattenseiten. Wir sind an einem Punkt angekommen, an dem eine Veränderung tatsächlich im Sinne des Wortes notwendig ist, d.-h. wir brauchen wirklich einen Mindshift, um die Not zu wenden. 1.3 Integrales Bewusstsein und Künstliche Intelligenz Integrales Bewusstsein Das „integrale“ Bewusstsein ist bei Jean Gebser [5] die nächste Entwicklungsstufe des Bewusstseins, die sich nach dem mentalen Zeitalter der Dualität des „Entweder- Oder“ abzeichnet und sich vor allem durch die Polarität des „Sowohl-als-Auch“ auszeichnet. Es ist der Übergang, in dem wir uns seit dem Ausgang des 20. Jhd. und dem Beginn des 21. Jhd. befinden. Nach ihm ist das integrale Bewusstsein durch folgende Hauptmerkmale charakterisiert: ■ Ganzheitlichkeit und Einheit: 4 eine ganzheitliche Wahrnehmung der Welt in einem Netzwerk von Relationen und als kohärente, ungetrennte Einheit, Transpa‐ renz und Klarheit über die verschiedenen Stufen des Bewusstseins, dass Menschen in der Lage sind, die verschiedenen Bewusstseinsebenen in sich wahrzunehmen, zu erkennen und sie zu integrieren, ■ Zeit in einer neuen Qualität: das Verschwimmen des rein linearen Zeitverständ‐ nisses (Achronalität), Zeit wird nicht verschwinden, sondern sie wird in einer neuen Qualität der Erweiterung erlebt, die unsere Trennung von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft in der ewigen Gegenwärtigkeit aufhebt, Zeit wird vor‐ nehmlich als zyklisch erlebt, d. h. in einem permanenten Wandel des Werdens und Vergehens, nichts ist konstant, ■ Beleuchtung der Schatten: die Integration der Schatten als die dunklen und verdrängten Aspekte des Selbst, die im integralen Bewusstsein integriert und transformiert werden und ■ Non-Dualität: die Überwindung der Dualität und des Subjekt-/ Objektdualismus. Anstatt in Gegensätzen zu denken, wird die Fähigkeit entwickelt, die Einheit hinter den Gegensätzen zu erkennen, zu unterscheiden, ohne zu bewerten und Polaritäten, das Sowohl-als-Auch als Grundlage allen Seins zu verstehen. Wichtig ist noch zu betonen, dass die älteren Strukturen nicht verschwinden, sie werden integriert und kommen in einem harmonischen Zusammenspiel zur Geltung. Gebser sah die Menschheit an einem kritischen Punkt der Entwicklung angekommen, an dem die Herausforderungen und Krisen unserer Zeit nur durch einen Mindshift, einen Übergang des Bewusstseins gelöst werden können. Die Probleme, die durch das 1.3 Integrales Bewusstsein und Künstliche Intelligenz 23 <?page no="24"?> 5 In Anlehnung an ein Zitat, das oft Albert Einstein zugeschrieben wird; die Quellenlage ist allerdings nicht eindeutig. Es spiegelt jedoch seine grundsätzliche Denkweise wider. 6 Den Begriff verdanken wir Dr. Gunther Schmidt, dem Leiter des Milton-Erickson-Instituts in Heidelberg und dem Gesundheitszentrum sysTelios-in Siedelsbrunn 7 Das ist inzwischen ein breites und interdisziplinäres Feld, in dem die Begriffe „Embodiment“, „Gut- Brain-Axis“ und „Brain-Modelling“ eine wichtige Rolle spielen mentale Bewusstsein geschaffen wurden, können nicht auf derselben Ebene gelöst werden, es braucht eine höhere, andersartige Perspektive und Herangehensweise 5 - die Transformation des Bewusstseins zu einer integralen Stufe könnte eine Chance sein. Was es dazu braucht, soll im nächsten Abschnitt erörtert werden. Intuitive Mustererkennung Für einen Zugang zu einem integralen Bewusstsein müssen wir als Menschen auf eine andere Fähigkeit zugreifen als unseren denkenden Verstand: auf unsere Intuition. Intui‐ tive Muster- und Relationserkennung ist unsere Fähigkeit als Menschen, automatisch und oft unbewusst Informationen aus der Umgebung aufzunehmen, zu verarbeiten und daraus Bedeutungen und Zusammenhänge abzuleiten. Diese Fähigkeit ist ein fundamentaler Bestandteil menschlicher Wahrnehmung und spielt eine entscheidende Rolle in fast allen Aspekten unseres Denkens, Fühlens und Handelns. Wir sind in der Lage, schnell und effizient Muster in den uns umgebenden Informationen zu erkennen. Wenn wir z.-B. diesen Text lesen, D1353 M1TT31LUNG Z31GT D1R, ZU W3LCH3N GRO554RT1G3N L315TUNG3N UN53R G3H1RN F43H1G 15T! 4M 4NF4NG W4R 35 51CH3R NOCH 5CHW3R, D45 ZU L353N, 483R M1TTL3W31L3 K4NN5T DU D45 W4HR5CH31NL1ICH 5CHON G4NZ GUT L353N, OHN3 D455 35 D1CH W1RKL1CH 4N5TR3NGT.D45 L315T3T D31N G3H1RN M1T 531N3R 3NORM3N U3D GR35SA4TIG3N L3RNF43HIGKE5T. 8331NDRUCK3ND, OD3R? DU D4RF5T D45 G3RN3 KOP13R3N U3D VE345NDEN, W3NN DU 4UCH 4ND3R3 D4M1T 83G315T3RN W1LL5T! Abb. 1-2: Texte lesen mit intuitiver Mustererkennung dann wenden wir intuitive Mustererkennung an. Wir können den Text lesen, wenn der erste und der letzte Buchstabe richtig ist bzw. sich aus den Füllwörtern der Sinn erschließen lässt. Wenn auch als banales Beispiel: Mustererkennung ist ein polares „Sowohl-als-Auch“: die Worte sind eigentlich sowohl nicht lesbar als auch wir können sie „lesen“. Mustererkennung geschieht oft so schnell, dass wir sie als „blitzartig“ oder als plötzliche Eingebung bezeichnen und als „Bauchgefühl“ wahrnehmen. Auf Nachfragen können wir es eigentlich mit dem Verstand nie begründen, und wenn wir es probieren, fungiert unser Gehirn in der Funktion des „Pressesprechers“ 6 , der für uns selbst und für Andere versucht, eine plausible Erklärung zu finden. Die Informationen werden unbewusst und - davon geht die aktuellere Forschung aus - ganzheitlich verarbeitet, d. h. in einem Zusammenspiel der (neuronalen) Vernetzungen unseres gesamten Körpers. 7 Die Relationserkennung ist die Grundlage für unser Verständnis 24 1 KI, agiles Mindset und integral-systemische Perspektiven <?page no="25"?> 8 Ein Zitat, das oft Albert Einstein zugeschrieben wird; die Quellenlage ist allerdings nicht eindeutig. Es spiegelt jedoch seine grundsätzliche Denkweise wider. 9 Vielversprechende Entwicklungen sind im Bereich des Deep Learning die Convulotional Neural Networks (CNNs), die intuitive Musterkennung so simulieren können, wie sie menschlichen Gehirnen entspricht: u.-a. LeCun, yann, et al.: Deep Learning, Nature (2015), 521, S.-436---444 von Ursache und Wirkung, von nicht offensichtlichen Zusammenhängen und von komplexen Systemen. Im Kontext des menschlichen Bewusstseins ist die intuitive Muster- und Relationser‐ kennung ein Schlüsselelement unserer Wahrnehmungen und Interpretationen der Welt um uns herum. Es beeinflusst, wie wir Informationen verarbeiten, Entscheidungen treffen und auf unsere Umgebung reagieren. Es ist sowohl eine Stärke, in dem es uns ermöglicht, schnell auf sich ständig ändernde Umgebungen zu reagieren, und es ist auch eine Schwäche, da es uns auf Grund individueller Erfahrungen und kollektiver Prägungen auch anfällig für Vorurteile, Fehlurteile und kognitive Verzerrungen macht. Unabhängig davon: wir als Menschen sind (auch) intuitiv. Es soll nicht darum gehen, den mentalen Verstand gegen die Intuition zu tauschen, wir brauchen beides, aber: „Die Intuition ist ein göttliches Geschenk, der denkende Verstand ein treuer Diener. Es ist paradox, dass wir heutzutage begonnen haben, den Diener zu verehren und die göttliche Gabe zu entweihen.“ 8 Wir haben die Fähigkeit zur Muster- und Relationserkennung, und wie jede menschliche Fähigkeit, können wir auch die Intuition noch weiter verbessern und weiterentwickeln, wenn wir uns darauf einlassen. Künstliche Intelligenz und Mustererkennung Künstliche Intelligenz (KI) und Mustererkennung sind ebenfalls eng miteinander verbunden und Mustererkennung selbst ist ein wichtiger Teilbereich der KI. Besonders in Systemen, die auf maschinellem Lernen beruhen, ist Mustererkennung der Schlüssel zum „Lernen“ aus Daten. Wir haben sowohl „Big Data“ als gigantische Datenmenge als auch die KI kann Muster darin erkennen. Anwendungen sind in vielen Bereichen präsent, wie z. B. der Gesichter-, der Handschriften- und der Spracherkennung. Die Stärken einer datenbasierten KI sind schnelle Mustererkennung und Deutung aus (massenhaften) Daten, die Schwächen sind die grundsätzliche Nichterklärbarkeit und die eventuelle Fehlerhaftigkeit. Auch wenn es Versuche gibt, die datenbasierte KI noch weniger fehleranfällig und noch transparenter zu machen, wird es logische und nachvollziehbare Erklärungen (noch) nicht oder sogar nie geben. 9 Um diese Felder der KI, des Bewusstseins, des Mindsets und der Muster- und Relationserkennung weiter zu verbinden und zu vernetzen, ist die Frage, wie es gelingen kann und welche Annäherungen es dazu bereits gibt. Im nächsten Abschnitt wollen wir auf vielversprechende Methoden eingehen, die wir gemeinsam mit Kolleg*innen in „Explorationsräumen“ in den letzten Jahren 1.3 Integrales Bewusstsein und Künstliche Intelligenz 25 <?page no="26"?> erforscht haben, und die uns einen Zugang zur Intuition und zur Muster- und Relationserkennung bieten. 1.4 Agiles Mindset, Methoden und Tools der intuitiven Muster- und Relationserkennung Die systemische Aufstellungsarbeit und die Mustererkennung sind zwei verschiedene Ansätze, die sich jedoch in bestimmten Kontexten überlappen können. Um den Zusammenhang später zu beleuchten, möchten wir zunächst eingehen auf die Integral-systemische Aufstellungsarbeit [6] Bei der integral-systemischen Aufstellungsarbeit geht es darum, die dynamischen Beziehungen innerhalb eines Systems (z. B. Organisationen, Familien) im Raum zu visualisieren und zu verstehen. Dies geschieht, indem Personen oder Symbole räumlich in Relation zueinander aufgestellt werden, um die Beziehungen und Dynamiken innerhalb des Systems abzubilden. Sie kann dabei helfen, verdeckte Muster und Beziehungsdynamiken sichtbar zu machen, die oft unbewusst eine Rolle spielen. Sie wird in beratenden und therapeutischen Kontexten eingesetzt, um Zusammenhänge aufzudecken, wahrzunehmen und zu erkennen und Konflikte, Blockaden und Wider‐ stände zu bearbeiten. Der Hauptzusammenhang zwischen integral-systemischer Aufstellungsarbeit und Mustererkennung liegt in der Fähigkeit, verborgene oder nicht offensichtliche Muster und Dynamiken in einem System zu identifizieren. In der integral-systemischen Aufstellungsarbeit werden Muster oft durch die räum‐ liche Anordnung und die Interaktion der „Stellvertreter“ sichtbar. Die Reaktionen und Bewegungen der Stellvertreter können Hinweise auf tief verwurzelte Muster und Beziehungsdynamiken geben, die sonst möglicherweise übersehen würden. Bei der Mustererkennung, insbesondere in menschlichen Systemen, geht es darum, wieder‐ kehrende Verhaltensweisen, Denkweisen oder Beziehungsdynamiken zu erkennen, die möglicherweise nicht offensichtlich, aber wirkmächtig sind. Für die Arbeit mit Aufstellungen ist ein intuitiver Zugang unbedingte Vorausset‐ zung, die stattfindenden Prozesse entziehen sich einer unmittelbaren rationalen und analytischen Herangehensweise und Deutung. Das bedeutet nicht, im Nachgang zu Aufstellungen den Erlebnissen und Erfahrungen keine Bedeutung zu geben, das ist aber Gegenstand von dialogischen Reflexionen und dem offenen Austausch der gleichgültigen individuellen Perspektiven. Diese Formen der Arbeit gewinnen immer mehr an Zuspruch und sind inzwischen auch zunehmend Themenfelder der wissen‐ 26 1 KI, agiles Mindset und integral-systemische Perspektiven <?page no="27"?> 10 Siehe z. B. Heinrich, Harald: Systemische Aufstellungen für Projekte, in: projektmagazin 10/ 2022; Quelle: https: / / www.projektmagazin.de/ artikel/ projektaufstellung-systemische-methode-praxisbeis piel, abgerufen am 22.08.2023 schaftlichen Forschung und Lehre.[7] Die Anwendungen im Projektmanagement sind vielversprechend und sollten weiter intensiviert werden. 10 Meditative Formen und Intuition Meditative Praktiken haben in vielen Kulturen und Traditionen eine jahrtausendealte Geschichte. In den letzten Jahrzehnten hat das wissenschaftliche Interesse an Medita‐ tion zugenommen, insbesondere in Bezug auf ihre Wirkung auf das Gehirn und die kognitiven Fähigkeiten. Eine dieser Fähigkeiten, die von besonderem Interesse ist, ist die Intuition. Meditative Praktiken haben sich als ein äußerst wirksamer Zugang zur Intuition erwiesen, es sollte jedoch betont werden, dass, obwohl es viele positive Berichte und Forschungsergebnisse über die Vorteile der Meditation gibt, die Erfahrung und die Ergebnisse individuell variieren können. Das Feld der Meditation und ihre Auswirkungen auf das Gehirn und die Kognition sind immer noch Gegenstand aktiver Forschung und nicht abgeschlossen. Die wesentlichsten Ergebnisse für den positiven Zusammenhang zwischen Medita‐ tion und Intuition [8] sind Hinweise auf veränderte Gehirnstrukturen und -funktionen, die mit Selbstbewusstsein, Aufmerksamkeit und Emotionsregulation verbunden sind, eine deutlich verbesserte Aufmerksamkeit und Achtsamkeit und die Verbesserung eines Individuums, im gegenwärtigen Moment präsent zu sein. Auch der meditative Zustand ist ein „Sowohl-als-Auch“: sowohl körperlich und physiologisch in vollkom‐ mener Ruhe zu sein als auch in einem Zustand des Bewusstseins in absoluter Präsenz und erhöhter Aufmerksamkeit und Wahrnehmung im Hier und Jetzt. Diese erhöhte Achtsamkeit kann es einer Person ermöglichen, subtile innere Signale und Eingebungen (Intuition) wahrzunehmen, die sonst übersehen werden könnten. Weiterhin führt Meditation zu einer Verminderung des „mentalen Lärms“, der Fähig‐ keit, den konstanten Strom ablenkender Gedanken (oft als „Monkey Mind“ bezeichnet) zu reduzieren. Mit weniger „Lärm“ im Geist kann es einfacher sein, intuitive Eingebun‐ gen zu erkennen und ihnen zu vertrauen. Eine Verbindung mit dem Unbewussten kann den Zugang zu unbewussten Prozessen erleichtern. Da die Intuition oft als eine Form des „unbewussten Wissens“ angesehen wird, können meditative Praktiken den Zugang zu dieser Informationsquelle fördern. Und nicht zuletzt Formen der emotionalen Regulation: Einige Forschungen legen nahe, dass Menschen, die meditieren, besser in der Lage sind, ihre Emotionen zu regulieren. Da Emotionen oft als ein Schlüsselweg für intuitive Eingebungen angesehen werden, kann die Fähigkeit, Emotionen klarer zu erkennen und zu interpretieren, den Zugang zur Intuition verbessern. Wir plädieren deshalb dafür, um KI und ihre Anwendungen - gerade im (Pro‐ jekt-)Management---noch besser nutzen zu können, unser Methodenrepertoire in der Bildung von Projektexperten zu erweitern. Unsere bisherigen Qualifizierungen sollten 1.4 Agiles Mindset, Methoden und Tools der intuitiven Muster- und Relationserkennung 27 <?page no="28"?> ergänzt und erweitert werden, und diese Ergänzungen sollten sowohl den technischen Entwicklungen Rechnung tragen als auch didaktisch-methodische Elemente beinhal‐ ten, die sich in anderen Kontexten über lange Zeiträume und wissenschaftlich evaluiert als äußerst wirkmächtig erwiesen haben. 1.5 Epilog Vor uns liegen spannende und herausfordernde Zeiten und Zukünfte. Wie wir mit den Herausforderungen umgehen und wie Optionen für unsere Zukunft aussehen, ist sowohl unsere individuelle wie auch kollektive Entscheidung. Wir gehen davon aus, dass wir eine Weiterentwicklung unseres Bewusstseins und unseres Mindsets, dass wir einen Mindshift brauchen. Wir gestalten aktuell einen entscheidenden Übergang, unsere Entscheidungen heute haben maßgeblichen Einfluss auf die Zukunft und wir sind die Schöpfer, wir sind als Gestalter in der Verantwortung, auch und gerade was eine für uns Menschen förderliche Nutzung der KI bedeutet.[9] Wir plädieren dafür, die intuitive Evidenzkraft, die uns als Menschen eigen ist, als Möglichkeit des Erkenntnisgewinns nicht a priori auszuschließen, sondern neben der wissenschaftlichen Beweiskraft gleich gültig in die menschliche Entwicklung zu integrieren. Wir verfügen bereits über Methoden und Tools, die Intuition zu bilden und zu vertiefen. Wir müssen Problemlösungen neu denken und den Mut und die Neugier haben, dafür unser gewohntes Terrain verlassen. Es geht auch um eine intellektuelle Beschei‐ denheit, unser erworbenes Wissen bewusst zu hinterfragen, auf den Prüfstand zu stellen und die Fragen tiefer anzusetzen.[10] Die Möglichkeiten und Chancen, die in einer KI liegen, sollten in einem integralen Sinn in allen Bereichen genutzt werden. Die Korrespondenz in Mensch-Maschine Sys‐ temen sollte uns herausfordern, uns mit den Möglichkeiten der KI weiterzuentwickeln. Eine der zentralen Fragen der Zukunft könnte nicht sein, wie viele künstliche intelli‐ gente Lösungen in den Systemen stecken, sondern wie viel menschliche Intelligenz und welches Mindset und Bewusstsein vor dem Computer sitzt und wie beide miteinander in Beziehung stehen und verbunden sind. Literatur [1] Brockmann, Dirk: Im Wald vor lauter Bäumen---Unsere komplexe Welt besser verstehen, dtv Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG, München 2021 [2] Belschner, Wilfried: Der Sprung in die Transzendenz---Die Kultur des Bewusstseins und die Entmystifizierung des Spirituellen, LIT Verlag, Münster 2007; Gebser, Jean: Verfall und Teilhabe---Über Polarität, Dualität, Identität und den Ursprung (1974), in: Vom spielenden Gelingen - Vorträge, Essays und Schriften, Hrsg. Hämmerli, Rudolf; Schübl, Elmar, Chronos Verlag, Bern und Wien 2018 28 1 KI, agiles Mindset und integral-systemische Perspektiven <?page no="29"?> [3] Die Ausführungen basieren auf den Arbeiten von verschiedenen Autoren; u. a. Wilber, Ken: The Integral Vision---a very short Introduction to the Revolutionary Integral Approach to Life, God, the Universe, and Everything, Shambala Publications, Boston and London 2007; McManus, Brad; Cacioppe,Ron: An Integral Approach to Project Management, Artikel veröffentlicht in: Integral Leadership Review, March 2011, http: / / integralleadershipreview. com/ 1556-an-integral-approach-to-project-management/ ; Barrett, Richard: Werteorientierte Unternehmensführung - Cultural Transformation Tools für Performance und Profit, Springer Verlag, Berlin Heidelberg 2016; Diesner, Thomas: Die Allgemeine Systemtheorie bei Ludwig von Bertalanffy: Eine Begründung interdisziplinärer Wissenschaftspraxis (Berliner Studien zur Wissenschaftsphilosophie und Humanontogenetik, Band-31); Logos Verlag, Berlin 2015 [4] stark verkürzt in Anlehnung an Colsman, Michael: Bewusstsein, konzentrative Meditation und ganzheitsorientiertes Menschenbild---Beiträge zu einem Verstehen des Bewusstseins im Buddhismus und integrativem Denken der Neuzeit, (Diss. Universität Oldenburg 2011), publiziert: FGL-Verlag (Forum für Ganzheitsorientiertes Leben), Bochum 2013 [5] Gebser, Jean: Ursprung und Gegenwart - Erster Teil - Die Fundamente der aperspektivischen Welt---Beitrag zu einer Geschichte der Bewusstwerdung, 2. Auflage, Novalis Verlag, Schaff‐ hausen 1999; Neuauflage: Chronos Verlag Zürich 2015 [6] siehe Klein, Peter; Limberg-Strohmaier, Sigrid: Das Aufstellungsbuch - Familienaufstellung, Organisationsaufstellung und neueste Entwicklungen, 2. Auflage, Braumüller Verlag, Wien 2012; Peter Klein, Sigrid Limberg-Strohmaier, Bernd Linder-Hofmann, Manfred Zink, Inte‐ grale Aufstellungen: Methoden und Modelle der Inneren Form, Verlag arcus-lucis, Wien 2010 [7] siehe Gehlert, Thomas: Systemaufstellungen und ihre naturwissenschaftliche Begründung - -Grundlage für eine innovative Methode zur Entscheidungsfindung in der Unternehmens‐ führung, (Diss. Technische Universität Chemnitz 2019), publiziert: Verlag Springer Gabler, Wiesbaden 2020 [8] siehe Ott, Ulrich: Meditation für Skeptiker - ein Neurowissenschaftler erklärt den Weg zum Selbst, Verlag O.W. Barth, München 2010 [9] Metzinger, Thomas: bewusstseinskultur---Spiritualität, intellektuelle Redlichkeit und die planetare Krise, Berlin Verlag in der piper Verlag GmbH, 3. Auflage, Berlin und München 2023 [10] siehe Wüthrich, Hans: Manifest der intellektuellen Bescheidenheit---Problemlösung neu denken, Verlag Franz Vahlen GmbH, München 2022 Literatur 29 <?page no="31"?> 2 Evaluation des KI-Einsatzpotenzials in Abhängigkeit der Projektcharakteristik Martin Barth, Margit Sarstedt Abstract In diesem Artikel werden die Interdependenzen zwischen den Ausprägungen der Projektcharakteristika und dem Einsatzpotenzial Künstlicher Intelligenz (KI) untersucht. Ausgehend von der Einführung der KI-Level werden deren zugrundeliegenden Algorithmen erläutert. Anschließend erfolgt die Erörterung der sozialen Interaktion in Projekten aus theoretischer und praktischer Perspek‐ tive. Nachfolgend werden auf Basis der wesentlichen - den Projektdefinitionen immanenten - Projektkriterien anhand der beiden Dimensionen der sozialen Komplexität einerseits und der Unbestimmtheit von Aufgabenstellung und Lö‐ sungsweg andererseits erste, das KI-Potenzial limitierende Aspekte abgeleitet. Zusätzlich erfolgt eine flächenmäßige Verortung der drei grundsätzlichen Projekt‐ management-Methodengruppen innerhalb der zweidimensionalen Darstellung. Diese ermöglichen im Einklang mit den vorangegangenen Erkenntnissen die Ableitung einer konsistenten Aussage ausgehend von der Projektcharakteristik, über das durch diese limitierte KI-Einsatzpotenzial, bis hin zu der zielführenden Projektmanagement-Methodik. Abschließend leiten die Autoren grundlegende Empfehlungen für den KI-Einsatz in differenten Projektumgebungen ab und zeigen weiterhin die zukünftige Rolle des Projektleiters und die daraus resultie‐ renden perspektivischen Kernkompetenzen eines Projektmanagers auf. Stichwortliste Projektcharakteristik; KI-Einsatzpotenzial; Methodengruppen des Projektma‐ nagements; Projektarten; Projektmanagementkompetenzen; Projektmanager, Künstliche Intelligenz 2.1 Das Spannungsfeld zwischen Projekten und KI Ein Projekt ist ein durch bestimmte Kriterien abgrenzbares, einmaliges Vorhaben. Anwendungen der KI dagegen greifen immer auf bekanntes und dokumentiertes Wis‐ sen zurück. Dies ist ein Widerspruch, der am Einsatz und den Lösungsmöglichkeiten von KI-Algorithmen im Projektumfeld zumindest Zweifel aufkommen lässt. Demnach ergeben sich grundlegende Fragen für Umfang und Tiefe des KI-Lösungspotenzials in Projekten. Insbesondere stellt sich die Frage nach der zukünftigen Schlüsselrolle des Projektleiters in differenten Projektumgebungen. Künstliche Intelligenz ist grundsätzlich kein neuer Begriff, doch während automati‐ sierter und auf KI basierender Börsenhandel oder auch auf Augmented Reality gestützte <?page no="32"?> Bewegungsanalysen im Leistungssport [1] bisher eher kleinen Anwenderkreisen zugänglich waren, ist mit Programmen wie ChatGPT, Midjourney und DALL·E 2 das Zeitalter der KI-basierten Kommunikation und Interaktion für die breite Gesellschaft eingeleitet. Innerhalb von wenigen Tagen nach dem Go-live hatte ChatGPT 2022 bereits eine Million Nutzer und setzt damit neue Maßstäbe [2]. Folgerichtig versuchen Unter‐ nehmen Einsatzmöglichkeiten für KI zu eruieren, sei es als Werkzeug für Teilaufgaben (Illustration) oder als Komplettlösung für ganze Aufgabenbereiche (Chat-Bots). „Nur weil etwas nicht das tut, was Sie geplant haben, heißt das nicht, dass es nutzlos ist.“ [3] Dieses Zitat von Thomas Edison beschreibt recht gut, in welchem Stadium der Implementierung von KI-Lösungen viele Unternehmen stecken. Gegenwärtig existiert eine Reihe offener Fragestellungen sowohl bzgl. Anwendungsgebieten, Chancen und Gefahren von KI im unternehmerischen Kontext, als auch von Fragen bezüglich der Interaktion oder dem Grad der Interaktionsnotwendigkeit / -möglichkeit zwischen KI und menschlichen Individuen. Gerade die Projektarbeit bietet mit ihrer Dynamik, dem Grad an sozialer Komplexität, dem Grad der Offenheit des Lösungsweges und weiterer Projektspezifika zusätzliche Herausforderungen. Die Machbarkeit des diesbezüglichen Einsatzes von KI-Algorithmen in Abhängigkeit von der Projektcharakteristik wurde bisher weder in der Literatur noch in Praxis ausreichend eruiert. Ein erster Ansatz zu diesem Lückenschlusses soll mit den anschließenden Ausführungen und Überlegungen geliefert werden. Im Zuge dieses gesamten Abgrenzungsprozesse erhält der Leser immer wieder Denkanstöße, welche neben den praxisbezogenen Analysen und Hinweisen auch philosophische Fragestellungen tangieren. So zeigt sich je nach Perspektive eine doch schwimmende Grenzlinie zwischen den Möglichkeiten der KI und der Frage nach dem Wesen sowie dem Kern des Menschseins. 2.2 KI-Level und deren KI-Algorithmen Bevor nun der Einsatz von KI diskutiert werden kann, ist noch der Begriff KI näher zu beleuchten. Neben der traditionellen Einteilung in die schwache KI und die starke KI [4], die sich durch die Nutzung von Algorithmen speziell für bestimmte Anforderungen einerseits und die vom menschlichen Verstand nicht zu unterscheidenden Reaktions‐ vorgänge andererseits unterscheiden, kann eine Kategorisierung vor allem entlang der verwendeten Wissensbasis (wissensbasiert, datenbasiert, generativ) [2] vorgenommen werden. Eine rein wissensbasierte KI greift auf eine von Experten explizit vordefinierte und begrenzte Datenbasis zu und kann in sogenannten Expertensystemen (bspw. aus der Medizin) die Entscheidungen eines menschlichen Experten auf Basis dieser vorherigen Eingabe von Expertenwissen unterstützen oder gar nachbilden. Die Algo‐ rithmen bestehen aus einprogrammierten Entscheidungsabläufen und haben Zugriff auf Definitionen, logische Zusammenhänge, Kausalitäten, etc., die Entscheidungen des Systems bleiben jedoch jederzeit nachvollziehbar. Dagegen steht einer datenbasierten 32 2 Evaluation des KI-Einsatzpotenzials in Abhängigkeit der Projektcharakteristik <?page no="33"?> KI als Datenbasis grundlegend das gesamte, derzeit elektronisch vorhandene Wissen des Internets zur Verfügung. Dabei ist es das Ziel, in diesen Datenmengen durch automatische Analyse von Bildern, Texten, Sprache oder anderen Daten Strukturen und Zusammenhänge zu identifizieren (Mustererkennung). Eine Vorauswahl des Ent‐ scheidungsspektrums der KI ist dabei also nicht mehr gegeben. Durch die Verwendung von trainierten neuronalen Netzen entstehen auf Seiten der KI Reaktionen, die für den Außenstehenden nicht mehr transparent sind und sich nicht erklären lassen. Generative KI schließlich bezieht sich auf einen selbstgenerierenden - nahezu schöp‐ ferischen - Algorithmus, der zum Beispiel im Internet vorhandene Artikel, Bilder oder anderweitige Informationen scannt, das daraus extrahierte Einzelwissen mittels einer ihr einprogrammierten Logik miteinander verknüpft, und daraus schließlich eigene Analysen und Synthesen in Text-, Bild- oder sonstiger Form präsentiert. Die Ausgabe der KI ist dabei an die menschlichen Ausdrucksmöglichkeiten angepasst. So wird bspw. bei der Ausgabe in Textform durch den zugrunde liegenden Algorithmus in einem Satz das bestmögliche nächste Wort gesucht und verwendet. In den weiteren Betrachtungen in diesem Artikel wird KI in einem generischen, alle diese Level umfassenden Sinn verwendet. Auf eine für die Beurteilung konkreter Fälle notwendige differenziertere Betrachtung wird hier bewusst verzichtet. Weiterhin sei angemerkt, dass die Überlegungen in diesem Artikel sich keineswegs nur auf IT- Projekte beziehen, sondern vielmehr jegliche Art möglicher Projekte abdecken. 2.3 Projektcharakteristika und deren Herausforderungen für KI-Systeme Projekte existieren seit tausenden Jahren und deren Steuerung stellte damals wie heute eine Herausforderung dar. Über den Lauf der Zeit erhielten die Projektverant‐ wortlichen zunehmend neue Rahmenkonzepte, Prozesskonzepte und Fähigkeiten um Projekte besser planen, durchführen, kontrollieren oder - generisch formuliert - managen zu können. [5] Die Notwendigkeit solcher Werkzeuge liegt in der Charak‐ teristik von Projekten begründet. Im Verlauf der letzten fast 100 Jahre bemühten sich verschiedene Organisationen um die Normierung des Projektbegriffs und dessen immanenten Eigenschaften. Die heute üblicherweise verwendeten Definitionen des Begriffs „Projekt“ gehen auf die in verschiedenen Ländern etablierten Projektma‐ nagementorganisationen zurück. Die wichtigsten Definitionen sind nachfolgend gelistet. Das Deutsche Institut für Normung e. V. (DIN) hat in der DIN 69901 als Definition festgelegt: „Vorhaben, das im Wesentlichen durch Einmaligkeit der Bedingungen in ihrer Gesamtheit gekennzeichnet ist (Beispiel: Zielvorgabe, zeitliche, finanzielle, personelle oder andere Begrenzungen, projektspezifische Organisation).“ [6] Dagegen hat das amerikanische Project Management Institute (PMI) definiert: „Ein Projekt ist ein zeitlich definiertes und begrenztes Vorhaben mit dem Ziel, ein einmaliges Produkt, eine Dienstleistung oder ein Ergebnis zu schaffen.“ [7] 2.3 Projektcharakteristika und deren Herausforderungen für KI-Systeme 33 <?page no="34"?> Weiterhin definiert das britische Office of Government Commerce (OGC) im Rah‐ men von PRINCE2 ® : „Eine für einen befristeten Zeitraum geschaffene Organisation, die den Auftrag hat, mindestens ein Produkt entsprechend einem vereinbarten Business Case zu liefern.“ [8] Darüber hinaus definiert die europäische International Project Management Asso‐ ciation (IPMA ® ) ein Projekt wie folgt: „Ein Projekt ist ein einmaliges, zeitlich befristetes, interdisziplinäres, organisiertes Vorhaben, um festgelegte Arbeitsergebnisse im Rah‐ men vorab definierter Anforderungen und Rahmenbedingungen zu erzielen.“ [9] Je detaillierter der Input, desto besser der Output. Da dies grundlegend für alle Prozesse gilt, ist zu untersuchen, was genau ein Projekt charakterisiert. Die „Einma‐ ligkeit“ kann dabei als das Ur-Kriterium der Projektdefinition angesehen werden. Um die Projektkriterien gemäß den oben aufgeführten Definitionen der Institutionen zu untersuchen, seien diese in Abb. 2-1 zusammenfassend dargestellt. OGC/ Axelos IPMA PMI DIN Projektkriterien (x) x x x Einmaligkeit x x x x Zielvorgaben x x x x Zeit/ Ressourcen begrenzt x x Rahmenbedingungen x x x Organisation x Interdisziplinär Abb. 2-1: Zusammenfassung der Projektkriterien auf Basis der institutionellen Projektdefinitionen (Eigene Darstellung) Leicht zu erkennen ist die Übereinstimmung praktisch aller dieser Definitionen in den Punkten der Einmaligkeit, der Existenz von Zielvorgaben, sowie der zeitlichen und ressourcenmäßigen Begrenztheit. Die Abweichungen in den Punkten Rahmenbedin‐ gungen und Organisation sind weitgehend den Formulierungsdetails geschuldet. Auffällig ist zudem der explizite Bezug zur Interdisziplinarität der IPMA ® . Da es sich bei der ICB 4.0 der IPMA ® [9] nicht um ein Vorgehensmodell im Projektmanagement sondern um eine Zusammenstellung der Kompetenzanforderungen an einen Projekt‐ manager (und der Teammitglieder) handelt, sind im Zusammenhang mit unseren hiesigen Betrachtungen diejenigen Elemente der ICB 4.0 von Interesse, die sich speziell auf das interdisziplinäre Element vieler Projekte bezieht. Dies ist der Kompetenzbereich der persönlichen und sozialen Kompetenzen (im englischen kurz ‚People‘ genannt). Die in diesem Kompetenzbereich differenziert aufgeführten Einzelkompetenzen (Selbstre‐ 34 2 Evaluation des KI-Einsatzpotenzials in Abhängigkeit der Projektcharakteristik <?page no="35"?> flexion und Selbstmanagement, Persönliche Integrität und Verlässlichkeit, Persönliche Kommunikation, Beziehungen und Engagement, Führung, Teamarbeit, Konflikte und Krisen, Vielseitigkeit, Verhandlungen, Ergebnisorientierung) schätzt die IPMA ® als notwendige „People-Skills“ eines Projektmanagers ein. Dem sozialen Miteinander wird also für den Projekterfolg ein hoher Stellenwert zugesprochen. Betrachtet man in die‐ sem Kontext die Art und Weise, in der die Interaktionsmöglichkeiten von KI-Systemen auf Algorithmen beruhen, so wird das beschränkte Potenzial der KI bzgl. der People- Skills deutlich. Der sozialen Interaktion sowie dem Grad der sozialen Komplexität scheint demnach bzgl. der Bewertung und dem Umfang des KI-Einsatzpotenzials eine wesentliche Bedeutung zuzukommen. Diese soll nun nachfolgend genauer betrachtet werden. 2.4 Soziale Interaktion - das Herz des Projektmanagements Ohne soziales Miteinander und soziale Interaktionsprozesse ist kein Projekt zielfüh‐ rend zum Abschluss zu bringen. [10] Der Begriff sozial ist aus dem lat. „sozialis“ abgeleitet, was so viel wie gesellschaftlich, gemeinnützig bzw. hilfsbereit bedeuten kann. Die soziale Interaktion sollte demnach auch innerhalb von einem Projekt von gemeinschaftlichem und sich unterstützendem Handeln geprägt sein. Das folgende Zitat von Aristoteles ist ohne Veränderung auf ein Team im Allgemeinen und ein Projektteam im Speziellen übertragbar: „Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile.“ [11] Ein technisch und sozial funktionierendes Team ist wesentlich leistungs‐ fähiger als die kumulierte Leistung von allein Arbeitenden. [12] Für das Heben und die Steuerung dieses Potenzials bedarf es der kognitiven Empathie und eines gewissen Fingerspitzengefühls seitens des Projektmanagements. Zwar werden auch in diesem Bereich die KI-Anwendung bspw. über die Verwendung von neuronalen Netzen trainiert, allerdings sind die Anwendungsgebiete und Aufgaben, welche dieses sehr hohe Maß an menschlichen Fähigkeiten erfordert, gerade im Projektmanagement extrem vielfältig. Zur Verdeutlichung dieser Ausführungen sind nachfolgend die sich addierenden Aufgaben eines Projektmanagers einerseits aus theoretischer Perspektive und ander‐ seits aus subjektiver Realitätsperspektive beleuchtet (Abb. 2-2). 2.4 Soziale Interaktion - das Herz des Projektmanagements 35 <?page no="36"?> Abb. 2-2: Aufgaben des Projektmanagers aus verschiedenen Perspektiven (Eigene Darstellung) In der Theorie sind die Aufgaben des Projektleiters klar beschrieben. Ein Projektleiter plant und steuert das Projekt, kontrolliert die Einhaltung von Vorgaben bzgl. Zeit, Kosten und Qualität, er führt das Projektteam und kommuniziert mit den Stakeholdern. Je nach Organisationsstruktur weist der Projektleiter Arbeitsaufgaben an und je nach Führungsstil steht er seinem Team u. a. als Coach und Mentor zur Seite. [13] [14] All diese Aufgaben sind theoretisch beschrieben und in der Praxis ohne Frage relevant. Erfahrene Projektmanager kennen aus ihrem Alltag in der Rea‐ lität allerdings noch weitere, in der theoretischen Perspektive weniger beleuchtete Aufgaben eines Projektleiters. In realen Projektsituationen verwenden gute Projekt‐ leiter ihre menschliche Sensorik und kognitiven Fähigkeiten, um Projektsituationen wahrzunehmen und Zwischentöne zu erkennen. Diese Wahrnehmung geht über Zahlen, Daten und Fakten die bspw. ein Projektcontrolling liefern kann hinaus und findet vielmehr auf einer kognitiven Metaebene statt. In diesem Umfeld werden Emotionen und Zwischentöne aufgenommen, interpretiert und abgestimmte sowie individuelle Handlungen abgeleitet. Hierbei verhält sich der Projektleiter mitunter opportunistisch und manipulativ. Je nach eigener Wahrnehmung und individueller Einschätzung nimmt der Projektmanager eine Puffer- oder auch Dämpfungsfunktion sowohl zwischen Team und übergeordneten Leitungsebenen (bottom-up) als auch in umgekehrte Richtung (top-down) war. Darüber hinaus ist der Projektleiter natürlich selbst Mensch, zeigt eigene Emotionen und ist Freund und Kamerad seiner Gefährten. Als solcher verteidigt er sein Team und auch sein Projekt, da er es ist, der die Verant‐ wortung trägt und spürt. Diese Verantwortung empfinden Projektleiter oft als Bürde 36 2 Evaluation des KI-Einsatzpotenzials in Abhängigkeit der Projektcharakteristik <?page no="37"?> und Auszeichnung zugleich. Dieses Empfinden schafft bei den meisten Projektleitern ein Gefühl der Verpflichtung, das sogenannte Verantwortungsbewusstsein dem Projekt aber auch dem eigenen Team gegenüber. Aufgrund dessen kompensiert er in schwierigen Situationen, hält den Kopf hin, um sein Team zu schützen, übernimmt mitunter ihm nicht zugewiesene Aufgaben, um den Projektfluss nicht zu gefährden, kehrt immer wieder Scherben auf, versucht zu schlichten und zu beruhigen. Kurzum der Projektleiter benutzt seine kognitiven, menschlichen, emotionalen Fähigkeiten, um auf jegliche Situation angepasste Lösungen zu kreieren. 2.5 KI-Lösungspotenzial in Abhängigkeit der Projektcharakteristik In Anerkennung der Tatsache, dass es nahezu so viele Projektkonstellationen (Situa‐ tion, Zusammensetzung, Rahmenbedingungen, …) gibt, wie es Projekte gibt, basieren wir unsere Argumentation nun auf eine der gebräuchlichsten Einteilungen, die von Kuster vorgetragene Vier-Felder-Matrix [15]. Auf den beiden Achsen der Darstellung sind die Unbestimmtheit von Aufgabe und Lösungsweg in horizontaler Richtung sowie die soziale Komplexität in vertikaler Richtung aufgetragen. Dabei entstehen vier Bereiche, die Kuster mit den Begriffen Standardprojekte (diese können standardisiert abgewickelt werden), Akzeptanzprojekte (klare Aufgabe, deren Endresultat jedoch Überzeugungskraft gegenüber den Stakeholdern benötigt), Potenzialprojekte (Aufga‐ ben mit offenen Fragestellungen jedoch nur einem kleinen Kreis an Mitwirkenden und Interessensträgern), sowie Pionierprojekte (risikoreiche Vorhaben mit hohem Neuigkeitsgehalt und vielen Betroffenen) belegt. Die Frage ist also, in welcher der in der Vier-Felder-Matrix dargestellten Projektarten welche Art von KI in welchem Umfang zielführend eingesetzt werden kann. Dies soll anhand der etwas pointierten Darstellung in Abb. 2-3 diskutiert werden. 2.5 KI-Lösungspotenzial in Abhängigkeit der Projektcharakteristik 37 <?page no="38"?> Unbestimmtheit von Aufgabe und Lösungsweg Soziale Komplexität Pionierprojekte Potenzialprojekte Akzeptanzprojekte Standardprojekte KI als agierende Einheit KI als unterstützendes Hilfsmittel KI als komplexes Werkzeug Abb. 2-3: Intensität des Einsatzes von KI für verschiedene Arten von Projekten in der Vier-Felder-Matrix von Kuster (Eigene Darstellung in Anlehnung an [19]) Betrachten wir nun zunächst ein typisches Standardprojekt, in dem grundlegend alle Anforderungen klar sind und auch auf der Ebene der sozialen Interaktion keinerlei Herausforderungen existieren. Ein dieser Beschreibung angenähertes Projekt könnte eine Ersatzbeschaffung einer defekten Anlage sein, die es zu ersetzen gilt, für die eine klare Spezifikation vorliegt und die ohne personelle Komplikationen ausgetauscht werden kann. Wir bewegen uns hier - wie eigentlich immer in dem Gebiet der Standardprojekte - an der Grenzlinie zwischen einem Projekt (neue Anlage) und dem Tagesgeschäft (Ersatzbeschaffung). Eine KI-Lösung könnte all dieses, basierend auf ihrem Algorithmus, planen und dann entweder selbst durchführen (Bestellung) oder direkt in Auftrag geben (Technikereinsatz). Die KI kann insofern hier einen 38 2 Evaluation des KI-Einsatzpotenzials in Abhängigkeit der Projektcharakteristik <?page no="39"?> menschlichen Projektleiter im Extremfall vollumfänglich ersetzen, da die in Abbil‐ dung 2 dargestellten sozialen Fähigkeiten und sensorischen Möglichkeiten hierbei nicht benötigt werden. Man könnte sagen, KI wirkt als „agierende Einheit“. Bei steigender sozialer Komplexität ist oft ein geschickter Umgang mit menschlichen Widerständen und Emotionen erforderlich, um eine Akzeptanz des Projektergebnisses herbeizuführen. Als Beispiel solcher Akzeptanzprojekte sei hier eine unternehmens‐ interne Umstrukturierung betrachtet. Berücksichtigt man nun die oben diskutierten Limitierungen der KI sowohl im sensorischen Wahrnehmen als auch im empathi‐ schen Erfassen sozialer Situationen, so erscheint die KI als nicht ausreichend, es benötigt vielmehr das menschliche Element, um Belegschaft und Kunden gegenüber mit Fingerspitzengefühl zu agieren. KI kann insofern nicht mehr als „agierende Einheit“ eingesetzt werden, es kann dem menschlichen Projektmanager jedoch in einem sehr umfangreichen Sinne als ein „komplexes Werkzeug“ dienen (komplexe Planmodellierung, ablauforganisatorische Simulation etc.), welches er in seiner Rolle als „Handwerksmeister des Projektmanagements“ [5] in Ergänzung zu seinem übrigen Handwerkszeug einsetzen kann. Für Potenzialprojekte ist die soziale Komplexität wiederum recht gering, jedoch sind die Projektziele und die zu beschreitenden Lösungswege zu Beginn des Projektes nur recht vage definiert. Als Beispiel können einfache Kunstprojekte oder die Entwicklung eines neuen Werkstoffs durch ein Expertenteam gelten. Die verschiedenen Ansätze und Lösungswege sind zu durchdenken und auszutesten. Eine KI kann hier systematisch vorgehen und durch Recherche von existierenden Daten eine auf der Vergangenheit basierende Lösung anbieten. Ein „Erspüren“ der Zukunft (das sogenannte Bauchgefühl) und die erfinderische Sicht in die Zukunft (den sogenannten „educated guess“) kann eine KI zum heutigen Zeitpunkt jedoch nur sehr bedingt bis gar nicht einbringen. Bei der Frage, ob KI dies in der Zukunft wird leisten können, stößt man unweigerlich an den Grenzbereich von Technik und Glauben, und man landet in der philosophischen Fragestellung, was die Maschine zur Maschine und den Menschen zum Menschen macht. Auch wenn die Autoren die Beschäftigung mit diesem Grenzbereich der Wissenschaften für spannend und wichtig halten, muss für diese Frage auf den zukünftigen gesellschaftlichen Dialog verwiesen werden. Im Rahmen der vorliegenden Schrift wird diese Fragestellung nicht tiefergehend verfolgt. Festzuhalten ist, dass auch bei Potenzialprojekten ein eigenständiges „Agieren“ der KI derzeit auszuschließen ist. Der Einsatz von KI als „komplexes Werkzeug“ ist jedoch vorstellbar und für den Projektmanager als sehr sinnvoll einzuschätzen. Kommen wir zu der verbleibenden Ecke der Pionierprojekte. Hier treten die Unbestimmtheit von Aufgabe und Lösungsweg in Kombination mit einer hohen sozialen Komplexität auf. Bei der Suche nach einem Beispiel hierfür könnte ein technisch noch unreifes Vorhaben mit gleichzeitig hohem Finanzbedarf aus öffent‐ lichen Mitteln dienen - gedacht sei beispielsweise an das Projekt eines menschlichen Fluges zum Mars. Hier tritt der Bedarf an menschlichem Erfindergeist einerseits und zwischenmenschlichem Fingerspitzengefühl andererseits in Kombination auf. 2.5 KI-Lösungspotenzial in Abhängigkeit der Projektcharakteristik 39 <?page no="40"?> KI kann für einige der anfallenden Aufgaben selektiv als unterstützendes Hilfsmittel gesehen werden, die sachliche und soziale Komplexität müssen nach Einschätzung der Autoren jedoch primär von einem menschlichen Projektmanager umfangreich und inspiriert durchdacht werden. Nun gibt es in dem Betrachtungsfeld aber nicht nur vier diskrete Projektarten, sondern es handelt sich vielmehr um ein kontinuierliches Feld, welches durch die zwei Dimensionen (Soziale Komplexität und Unbestimmtheit von Aufgabe und Lösungs‐ weg) aufgespannt wird und somit die Verortung der jeweiligen Projekte mit derer individuellen Charakteristik erlaubt. Die drei Graustufen in der Darstellung (Abb. 2-3) zeigen das KI-Einsatzpotenzial in Abhängigkeit dieser Projektcharakteristik. Die Skala reicht nun über das Feld verteilt von „KI nimmt eine agierende Rolle bzgl. der Lösung von Managementaufgaben ein“, über „KI wird als komplexes Werkzeug in Managementaufgaben eingesetzt“ bis hin zu „KI wird als unterstützendes Hilfsmittel in einzelnen Managementaufgaben eingesetzt“ und kann dabei natürlich auch Zwi‐ schenstufen annehmen. Zusammenfassend: In den helleren, ursprungnahen Bereichen kann KI sehr umfänglich - bis hin zu dem Punkt der Übernahme der eigenständigen Projektsteuerung eingesetzt werden. In dem mittleren Bereich verliert die KI jegliche steuernde Funktion, verbleibt aber ein wertvolles Werkzeug im Projektgeschehen. An‐ ders ausgedrückt, KI wird hier zu einer Ressource und einem Tool des Projektmanagers, das dieser je nach Art des Projektes und situativ mehr oder weniger zum Einsatz bringen kann. Innerhalb der schwächsten Stufe des KI-Einsatzpotenzials, agieren die Anwendungen nur noch als Hilfsmittel für stark abgrenzbare Einzelaufgaben (Texterstellung, Übersetzungen, Warnhinweise im Projektablauf etc.). Folglich wird der Projektmanager auch in Zukunft zu entscheiden haben, für welche Aufgaben er KI wann und mit welchen Grenzen einsetzt. Es sei an dieser Stelle schon darauf hingewiesen, dass dies natürlich Auswirkungen auf die Anforderungen an die Skills des Projektmanagers der Zukunft haben wird, der nun nicht mehr nur sein Team führen sowie Management und weitere Stakeholder zufriedenstellen muss, sondern auch über das Wissen der Möglichkeiten der KI entsprechende Kenntnisse haben muss. Im Sinne der Zuordnung von Projektmanagementmethoden und Vorgehensmodel‐ len zu den diskutierten Bereichen der KI-Einsatzmöglichkeiten verbleibt nun noch die Frage, welche Korrelation zwischen den bisherigen Erkenntnissen und den Metho‐ denfeldern der klassischen, agilen und hybriden Methodenfamilien besteht. Dies soll nachfolgend diskutiert werden. 40 2 Evaluation des KI-Einsatzpotenzials in Abhängigkeit der Projektcharakteristik <?page no="41"?> 2.6 Ableitung des KI-Einsatzpotenzials anhand der Projektmanagementmethodik Erläutert wurde bereits der Zusammenhang der Projektcharakteristik auf das KI- Einsatzpotenzial. Weiterhin ist spätestens seit der Stacy-Matrix [16] und dem Cynefin- Framework [17, 18] klar aufgezeigt, dass die individuelle Projektcharakteristik den Raum für die zielführende Projektmanagementmethodik oder zumindest für die ziel‐ führende Projektmanagement-Methodengruppe (klassisch, agil, hybrid) determiniert. Angelehnt an diesen Gedankengang ist es demnach möglich, den Anwendungsraum der drei Methodengruppen in Abhängigkeit der Parameter der sozialen Komplexität und der Unbestimmtheit von Aufgabe und Lösungsweg zu umreißen. Daraus ergibt sich in der Überlagerung beider Gedankengänge (die Einsatzpotenziale der KI einerseits sowie die Methodengruppen andererseits) eine gleichzeitige Aussage zu dem Umfang des KI-Einsatzpotenzials und der zielführenden Projektmanagementmethodik eines Projektes. In Abb. 4 sind die Lösungsräume der grundsätzlichen Methodengruppen darge‐ stellt. Diese sollen nun nachfolgend kurz erläutert werden. Sind Aufgabe und Lösungsweg zur Erreichung eines Projektziels (eher) klar (bspw. bei Vorliegen von Lastenheft und Pflichtenheft), so empfiehlt sich der Einsatz von klassischen Methoden. Nimmt jedoch die soziale Komplexität ein sehr ausgeprägtes Maß an, so‐ dass hierarchische Berichtswege oder andere divisionale Kommunikationsvorgehen der Komplexität der Kommunikationsnotwendigkeiten nicht mehr gerecht werden, so sollte die klassische Methodik durch parallele oder integrierte agile Elemente ergänzt werden. In diesem Abschnitt des Diagramms (sehr hohe soziale Komplexi‐ tät, (eher) klare Aufgabe) empfiehlt sich demnach eine hybride Vorgehensweise mit eher klassisch dominierender Basismethodik [19]. Ist ein Projekt durch eine eher unbestimmte Aufgabe und einen offenen Lösungsweg charakterisiert und ist die soziale Komplexität überschaubar, so empfiehlt sich der Einsatz einer agilen Methodik. Agile Methoden sind allerdings nur bis zu einem bestimmten Grad an sozialer Komplexität in der Lage zielführende Vorgehensweisen zu definieren und innerhalb dieser Wertschöpfung zu generieren. Steigt die soziale Komplexität über dieses Niveau, so empfiehlt sich die Implementierung klassischer Elemente in die weiterhin führende agile Basismethodik. [20] Zwischen agiler und klassischer Me‐ thodik eher ausgewogene hybride Vorgehensweisen empfehlen sich im Lösungsraum zwischen den klassischen und agilen Methodengruppen bei mittlerer Klarheit des Lösungsweges und geringer bis hoher sozialer Komplexität. 2.6 Ableitung des KI-Einsatzpotenzials anhand der Projektmanagementmethodik 41 <?page no="42"?> Unbestimmtheit von Aufgabe und Lösungsweg Soziale Komplexität KI als agierende Einheit KI als komplexes Werkzeug KI als unterstützendes Hilfsmittel agil klassisch hybrid Abb. 2-4: Dreiklang von Projektcharakteristik, KI-Einsatzpotenzial und Methodengruppen des Projekt‐ managements (Eigene Darstellung) Nachfolgend sollen nun Implikationen dieser grundsätzlichen methodischen Aktions‐ räume in Relation zu den KI-Einsatzpotenzialen erläutert werden. Klar ersichtlich ist, dass das KI-Einsatzpotenzial bei klassisch gemanagten Projekten am höchsten ist (was in Anbetracht der oben schon aufgezeigten unmittelbaren Nachbarschaft zu den nichtprojektbasierten operativen Prozessen verständlich ist). Für Projekte, in denen agile Methoden angewandt werden, bietet also offenkundig (Abb. 2-4) KI als komplexes Werkzeug deutliche Effizienzpotenziale, der KI-Funktionsweise kommt innerhalb agiler Methoden deren iterativer Charakter entgegen. Aufgrund der Heterogenität der hybriden Varianten am wenigsten abgrenzbar ist das KI-Einsatzpotenzial für Projekte, die mittels hybrider Grundmethodik gesteuert werden. Dieses liegt jedoch kaum im 42 2 Evaluation des KI-Einsatzpotenzials in Abhängigkeit der Projektcharakteristik <?page no="43"?> Bereich der agierenden KI. Im Fall des hybriden Vorgehens sind detaillierte Aussage ebenfalls ableitbar, erfordern allerding eine genauere, vorausgehende Analyse. Dabei kommt es darauf an, wo das individuelle Projekt tatsächlich im Lösungsraum der hybriden Grundmethodik zu verorten ist. Diese Darstellung ermöglicht somit die Etablierung eines generischen Grundvers‐ tändnisses bzgl. der Zusammenhänge zwischen Projektcharakteristik, KI-Einsatzpo‐ tenzial und den grundlegenden Methodengruppen des Projektmanagements. 2.7 Ambidextrie des KI-Einsatzes in Projekten In diesem Artikel haben die Autoren den Einsatz von KI unter Berücksichtigung der verschiedenen Projektcharakterisitika sowohl von theoretischer als auch von prakti‐ scher Seite her beleuchtet. Es wurde gezeigt, über welches evolutionär ausgeprägte emotionale und empathische Gerüst der Mensch verfügt und im Projektkontext auch verfügen muss. Ausgehend von der Erkenntnis, dass es KI erstens an physischer und emotionaler Sensorik, sowie zweitens an intuitivem Gespür in komplexen Umfeldern mangelt, konnte gezeigt werden, dass der Einsatz von KI in Projekten davon abhängt, inwieweit dieserart Sensorik im konkreten Projekt benötigt wird. Ausgehend von den Dimensionen der sozialen Komplexität und der Unbestimmtheit von Aufgabe und Lösungsweg wurde hergeleitet, dass in den typischen Projektkonstellationen nach Kuster [15] mit ihren Feldern der Standard-, Akzeptanz-, Potenzial- und Pio‐ nierprojekte sich Bereiche ergeben, in denen KI jeweils als „agierende Einheit“, als „komplexes Werkzeug“ oder als „unterstützendes Hilfsmittel“ zum Einsatz kommen kann. Die Grenzen zwischen diesen Bereichen sind nicht scharf, vielmehr kann von fließenden Übergängen in dem aufgespannten Feld ausgegangen werden. Es obliegt dem Management und dem Projektmanagement, hier situativ die richtige Wahl für den Einsatz von KI zu treffen. Je standardisierter ein Projekt ist, desto umfangreicher kann KI auch steuernd eingesetzt werden. Je komplexer die sozialen Zusammenhänge und je unklarer Ziele und Wege sind, umso mehr ist der Mensch gefragt. Legt man nun die Einmaligkeit als eines der Ur-Kriterien eines Projektes zugrunde, so ergibt sich die Erkenntnis, dass aus „echten“ Projekten der Mensch mit seinen persönlichen und sozialen Kompetenzen - derzeit zumindest - nicht wegzudenken ist. Weiterhin konnte aufgezeigt werden, dass auch die Einsatzgebiete der drei grund‐ sätzlichen Methodengruppen des Projektmanagements von der Projektcharakteristik abgeleitet werden können. Demnach ist das KI-Einsatzpotenzial bei Vorliegen einer Projektcharakteristik, welche den Einsatz (eher) klassischer Projektmanagementme‐ thoden vorsieht grundsätzlich höher einzuschätzen, als dies bei Vorliegen einer Projekt‐ charakteristik mit empfehlenswertem Einsatz von agiler oder teilweise auch hybrider Methodik der Fall ist. Zusammenfassend kann also festgestellt werden, dass der Projektleiter zukünftig lernen muss nicht nur Takt- und Inspirationsgeber gegenüber seinem Team, sondern auch gegenüber der KI zu sein. Die Fähigkeit, die KI innerhalb von Projekten sinnvoll, 2.7 Ambidextrie des KI-Einsatzes in Projekten 43 <?page no="44"?> individuell und passgenau zu nutzen, ist ebenfalls zukünftige Kernkompetenz für einen Projektmanager. Einerseits muss er entscheiden in welchen Bereichen und Projektsituationen er KI als agierende Einheit, als komplexes Werkzeug oder als unterstützendes Hilfsmittel einsetzt. Anderseits muss der Projektleiter in der Lage sein, abzugrenzen, in welchen Bereichen und Projektsituation KI eben nicht zielführend eingesetzt werden kann. Der Projektleiter bleibt also - mit Ausnahme vielleicht in einfachen Standardprojekten, die fast schon als operatives Tagesgeschäft angesehen werden können---als Steuerer in der Schaltzentrale seines Projektes. Die hier präsentierten Überlegungen beziehen sich auf die gegenwärtigen und für die unmittelbare Zukunft absehbaren Einsatzgebiete von KI in Projekten. Wo also wird sich der Einsatz von KI in Projekten in der weiteren Zukunft hin entwickeln? Die Autoren tendieren zu der Auffassung, dass auch in fernerer Zukunft das menschliche Element benötigt und mit seinen inspirierten und inspirierenden Fähigkeiten das Geschehen prägen wird. Jedoch ist hier deutlich die ebenfalls diskutierte Grenzlinie zu der philosophischen Frage „Was ist der Mensch? “ erreicht. Die Zukunft bleibt also, wie es schon immer war, ein offenes Buch. Literatur [1] Jäger, M., Mayer, C., Hefter, H., Siebler, M., & Kecskeméthy, A. (2018). Big Data und maschinelles Lernen bei Prävention und Rehabilitation. Der Orthopäde, 47(10), 826-833. [2] Ebert, C.; Louridas, P. (2023). Generative AI for Software Practitioners. IEEE Software, Software, IEEE, IEEE Softw, 40(4), 30-38. https: / / doi-org.pxz.iubh.de: 8443/ 10.1109/ MS.2023.3 265877. [3] Edison Quotes. (n.d.). BrainyQuote.com. Abgerufen am 30. Juli 2023. BrainyQuote.com. Web site: https: / / www.brainyquote.com/ quotes/ thomas_a_edison_100430. [4] Liu, B. (2021). “Weak AI” is Likely to Never Become ’Strong AI’, So What is its Greatest Value for us? . [5] Barth, M.; Sarstedt, M. (2022). Der Projektmanager als Handwerksmeister. Projektmanage‐ ment Aktuell 33 (2), 62-65. [6] Deutsches Institut für Normung e. V. (2020). DIN 69901-5. Projektmanagement. Projektma‐ nagementsysteme. Teil 5: Begriffe. Beuth. [7] Project Management Institute. (2021). A guide to the project management body of knowledge (PMBOK® Guide) (7. Aufl.). Project Management Institute. [8] Axelos Ltd. (2017). Managing successful projects with PRINCE2 (2017 Ed.). TSO (The Stationary Office). [9] International Project Management Association & GPM Deutsche Gesellschaft für Projekt‐ management e.-V. (2017). Individual Competence Baseline für Projektmanagement. Version 4.0/ Deutsche Fassung. [10] Schütz, M. (2022). Projektmanagement eine Einführung aus sozial- und organisationswis‐ senschaftlicher Sicht. Springer Gabler. 44 2 Evaluation des KI-Einsatzpotenzials in Abhängigkeit der Projektcharakteristik <?page no="45"?> [11] Aristoteles. (n.d.). Zitate berühmter Personen Web Site. Abgerufen am 30. Juli 2023. https: / / b eruhmte-zitate.de/ zitate/ 130993-aristoteles-das-ganze-ist-mehr-als-die-summe-seiner-teile/ . [12] Wolf-Berleb, R. (2020). Verantwortungsbereiche und Aufgaben des Projektleiters. Projekt‐ magazin. https: / / www.projektmagazin.de/ aufgaben-projektmanager-projektleiter. Zuletzt aktualisiert am 12.06.2020. [13] Kump, B. (2014). Ich kann was, was du nicht kannst: Synergien in interdisziplinären Teams. Springer Gabler. [14] Schirmer, S. (2020). Die Projektbeteiligten und Ihre Aufgaben. Springer Fachmedien Wiesbaden. https: / / doi-org.pxz.iubh.de: 8443/ 10.1007/ 978-3-658-30844-5_2. [15] Kuster, J. (2022). Handbuch Projektmanagement: Agil---Klassisch---Hybrid. Springer. [16] Stacey, R. D., Griffin, D. & Shaw, P. (Hrsg.). (2000). Complexity and emergence in organizations. Complexity and management: Fad or radical challenge to systems thinking? Routledge. [17] Snowden, D. J./ Boone, M. E. (2007). A leader’s framework for decision making. Harvard Business Review, 85. Jg., Heft 11, 68-77. [18] Rubin, K. S. (2014). Essential Scrum: Umfassendes Scrum-Wissen aus der Praxis. Mitp. [19] Barth, M.; Reidick, J.; Sarstedt, M. (2023). DAS Projektmanagementkontinuum. Projektma‐ nagement Aktuell 34 (3), 56-61. Literatur 45 <?page no="47"?> 3 Ethische Rahmenbedingungen beim Einsatz von KI im Projektgeschäft - Gefahren und Chancen der KI Kerstin Prechel, Malte Prieß Abstract In diesem Kapitel wird der ethische Rahmen beim Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) im Projektgeschäft beleuchtet. Mit dem Fortschritt der KI ergeben sich sowohl Chancen als auch Gefahren im Projektmanagement. Während KI die Effizienz und Präzision von Projekten steigern kann, birgt sie auch ethische Herausforderungen, insbesondere in Bezug auf Fairness, Datenschutz und Trans‐ parenz. Kerstin Prechel und Malte Prieß diskutieren die Relevanz ethischer Überlegungen im Projektmanagement und stellen Fragen zur Integration von KI in ethisch verantwortungsvolle Weise. Das Kapitel betont die Bedeutung von Transparenz, Verantwortung und Verifizierung im Umgang mit KI und bietet einen Einblick in die ethischen Aspekte des Einsatzes von KI im Projektgeschäft. Stichwortliste Künstliche Intelligenz, Projektmanagement, Ethik, Datenschutz, Transparenz, Verantwortung, Verifizierung, Bias, Trainingsdaten, Entscheidungsfindung, Fair‐ ness 3.1 Einleitung Der Fortschritt der Künstlichen Intelligenz (KI) hat zahlreiche Anwendungsmöglich‐ keiten im Projektmanagement eröffnet [1]. Während KI das Potenzial hat, die Art und Weise, wie Projekte geplant, durchgeführt und überwacht werden, grundlegend zu verändern, bringt sie auch eine Reihe von ethischen Herausforderungen mit sich. Diese Herausforderungen betreffen nicht nur technische Aspekte, sondern auch tiefgreifende moralische und gesellschaftliche Fragen. In diesem Kapitel werden die vielschichtigen ethischen Dimensionen des Einsatzes von KI im Projektgeschäft untersucht [2]. Ethik befasst sich im Kern mit moralischen Fragen und dem Streben nach ‚gutem‘ Handeln. Im Kontext der KI erstreckt sich dieses Feld über Themen wie algorithmische Fairness, Datenschutz und Transparenz [3]. Das Projektgeschäft beinhaltet eine Viel‐ zahl von Stakeholdern mit unterschiedlichen Interessen, und der Einsatz von KI kann diese Interessen auf vielfältige Weise beeinflussen. Schon jetzt spielt die Ethik der Künstlichen Intelligenz eine Rolle im Management großer, komplexer Projekte, was zu ethischen Herausforderungen führen kann. Die grundsätzliche Zielsetzung der ethischen Betrachtung besteht darin, sicherzustellen, dass die Nutzung von KI, direkt oder indirekt, weder Menschen noch die Umwelt schädigt [4]. So fordert z. B. der TÜV gesetzliche Richtlinien für den Einsatz von <?page no="48"?> KI-Systemen in kritischen Sicherheitsumgebungen. Laut seiner Umfrage erwarten deutsche Verbraucher mehr Transparenz und Sicherheit für KI-Anwendungen. Diese Forderung der Verbraucher muss von der Unternehmensleitung bei der Entwicklung von KI-Systemen berücksichtigt werden. [5] Obwohl das breitere Feld der KI die KI-Ethik zunehmend berücksichtigt, werden diese Aspekte im Bereich des Projektmanagements derzeit nur unzureichend einbe‐ zogen. Ethische Fragestellungen ergeben sich unter anderem aus der Tatsache, dass die prädiktive Analytik über Vorhersagen hinausgeht und zur Optimierung von Imple‐ mentierungs- und Wiederherstellungsplänen eingesetzt wird [4]. Die Verwendung von KI im Projektmanagement kann auf individueller Ebene zu verbesserten Prozessen führen, zum Beispiel durch die Vorhersage von Projektverzögerungen oder die Identi‐ fizierung von Risiken. Aber auch auf gesellschaftlicher Ebene kann der Einsatz von KI weitreichende Auswirkungen haben, indem er zum Beispiel den Bedarf an bestimmten Arbeitskräften reduziert oder erhöht. Für Projektmanager und Entwickler, die KI in ihre Arbeit einbinden, stellt sich stetig die Frage: Wie kann eine ethisch korrekte Integration von KI im Projektmanagement aussehen? Dies wirft damit im Zusammenhang stehende Fragen auf, wie etwa: ■ Gewährleistet die Optimierung und Automatisierung, die KI ermöglicht, eine ausreichende Berücksichtigung verschiedener Aspekte gesellschaftlicher Verant‐ wortung? Nutzt z. B. ein Finanzinstitut KI, um Kreditanträge automatisch zu bewerten, kann die Fortführung von Tendenzen aus den historischen Daten Ungleichbehandlungen nach sich führen. Auch bei manueller Optimierung berück‐ sichtigt die KI nicht alle Aspekte gesellschaftlicher Verantwortung, insbesondere die Vermeidung von Diskriminierung. ■ Zielt die Optimierung lediglich auf minimale Anfangskosten und einen straffen Zeitplan ab oder berücksichtigt sie die Lebenszyklusleistung in Bezug auf Kosten, Umwelt und soziale Aspekte? ■ Berücksichtigt das KI-System bzw. die einzelne KI-Anwendung ein breites Spek‐ trum von Betriebsszenarien und -umgebungen, oder ist der beabsichtigte Anwen‐ dungsfall enger gefasst als angenommen? In Projekten ist es erforderlich, die potenziellen Auswirkungen auf Gesundheit und Sicherheit sowie die Umweltbelastung von Projekten jenseits der ausgewählten Trai‐ ningsdaten und des Optimierungsszenarios zu verstehen. „Trainingsdaten“ beziehen sich in der Welt der KI auf die Datenmengen, die verwendet werden, um ein KI-Modell zu „trainieren“ oder zu „lehren“. Dieses Training ermöglicht es dem Modell, Muster, Zusammenhänge und Beziehungen in den Daten zu erkennen und darauf basierend Vorhersagen oder Entscheidungen zu treffen. In dem gegebenen Kontext bedeutet dies, dass, obwohl ein KI-Modell auf bestimmten Daten trainiert wurde (den „Trainingsda‐ ten“), es wichtig ist, die potenziellen Auswirkungen und Risiken zu verstehen, wenn dieses Modell in realen Projekten angewendet wird, die über die ursprünglichen Trai‐ ningsdaten und das Optimierungsszenario hinausgehen. Dies ist besonders relevant, 48 3 Ethische Rahmenbedingungen beim Einsatz von KI im Projektgeschäft - Gefahren und Chancen der KI <?page no="49"?> wenn es um kritische Anwendungen wie Gesundheit, Sicherheit und Umwelt geht, wo die Entscheidungen der KI erhebliche Konsequenzen haben können. Es unterstreicht die Notwendigkeit, ethische Überlegungen und Qualitätsstandards in den Vordergrund zu stellen, insbesondere in Bereichen, in denen die Entscheidungen der KI direkte Auswirkungen auf das menschliche Leben haben können. Jede Anwendung von KI erfordert ein gründliches Verständnis der möglichen ethischen Fragen sowie eine vereinbarte Qualitätsnorm der Sorgfaltspflicht, die wir in dieser Hinsicht einzuhalten haben. Aktuelle Diskussionen, wie die ethischen Überlegungen im Zusammenhang mit autonomen Fahrzeugen oder in der Medizin illustrieren diesen Punkt [6]. In dem Maße, in dem menschliche Akteure die zu verwendenden KI-Funktionen auswählen, müssen sie dies sorgfältig tun und gleichzeitig die Angemessenheit und die Grenzen ihrer Anwendung - unter Berücksichtigung etwa folgender Fragestellungen - verstehen: ■ Sollten KI-gestützte Programme und Systeme ihre „Eignung“ bestätigen? ■ Ist der Anwendungsbereich durch die Trainingsdaten und die gewählte Optimie‐ rung klar definiert? ■ Handelt es sich um eine plausible Extrapolation oder eher um den Versuch, ein Werkzeug für einen anderen als den vorgesehenen Zweck zu verwenden? ■ Im Folgenden werden Faktoren für den ethischen Einsatz von KI, insbesondere in Bezug auf die Qualität und Voreingenommenheit der Trainingsdaten, dargestellt. Anschließend werden auf dieser Grundlage konkrete Anwendungsgebiete von KI im Projektmanagement sowie potenzielle Risiken erläutert. 3.2 Relevante Faktoren für ethische KI Qualität und Grenzen der Trainingsdaten Grundsätzlich fordert der ethische Einsatz von KI von uns, unser Urteilsvermögen nicht zu vergessen [7]. Die Ergebnisse müssen authentisch und glaubwürdig sein. Ergebnisse, die kontraintuitiv erscheinen bzw. unverhältnismäßig wirken, müssen uns dazu veranlassen, zunächst die Qualität der Trainingsdaten zu überprüfen. Die Vertrauenswürdigkeit und Qualität der Ergebnisse sind maßgeblich von der Qualität der verwendeten Trainingsdaten abhängig [7]. Bei vielen Aufgaben von KI-Modellen geht es um das Treffen von Vorhersagen. Dabei muss das Modell in der Lage sein, aus einer Anzahl von Trainingsbeispielen auf nie zuvor gesehene Beispiele zu verallgemeinern [8]. Es ist daher unerlässlich, die inhärenten Grenzen der Trainingsdaten zu verstehen. Für Vorhersagen sollten die Trainingsdaten kritisch auf z. B. Größen- oder Komplexi‐ tätsmerkmale geprüft werden. Hinsichtlich extremer Ereignisse in den Trainingsdaten kann eine Modell-Regularisierung die Fähigkeit des Modells zum Generalisieren verbessern [8]. 3.2 Relevante Faktoren für ethische KI 49 <?page no="50"?> 1 In der Informatik und speziell im Kontext von Künstlicher Intelligenz bezeichnet eine Ontologie ein formales, strukturiertes Wissen über bestimmte Themenbereiche. Sie stellt eine systematische Darstellung von Konzepten und ihren Beziehungen innerhalb eines bestimmten Wissensbereichs dar und ermöglicht es Maschinen, dieses Wissen in einer strukturierten und verständlichen Weise zu nutzen. Im Kontext von Daten und KI kann eine Ontologie dazu beitragen, Datenquellen zu standardisieren und zu harmonisieren, um sicherzustellen, dass sie korrekt interpretiert und genutzt werden. 2 Informationen, die Unternehmen im Rahmen der regulären Geschäftstätigkeit sammeln, verarbeiten und speichern, aber im Allgemeinen nicht für andere Zwecke nutzen [10] Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Datenintegrität [9]. Spiegeln die Trainingsda‐ ten die tatsächliche Projektleistung wider - oder wurden statt Ist-Daten Soll-Daten verwendet (also die geplanten Ergebnisse, die evtl. nicht erreicht wurden)? Es ist von Vorteil, klare Standards für Daten, die in KI-Modellen verwendet werden sollen, zu definieren und branchenspezifische Datenontologien 1 zu erarbeiten [9]. Die Datenintegrität erfordert zudem das Verständnis darüber, inwiefern sich rele‐ vante Datenumgebungen oder Messprotokolle von den Trainingsdaten unterscheiden. Es muss sichergestellt sein, dass das Modell im Trainingsprozess Zugang zu genügend aussagekräftigen Daten hat, um angemessene Schlussfolgerungen abzuleiten und gut generalisieren zu können [9]. Für Projekte wird die Einbeziehung relevanter „dunkler“ Daten 2 immer wichtiger. Ein Beispiel sind prädiktive Projektanalysen, bei denen durch die ausschließliche Berücksichtigung direkter Projektdaten zwar Symptome vorhergesagt werden können, jedoch die zugrundeliegenden „Krankheits“-Ursachen, die möglicherweise aus Ereig‐ nissen außerhalb des Projekts selbst resultieren, übersehen werden. Die Neigung, Projekte als klar abgegrenzt zu betrachten, kann zu übermäßig optimistischen Ergeb‐ nissen führen. Versteckte Verzerrungen Voreingenommenheit (auch Verzerrungen, englisch |Bias|) in unseren Trainingsdaten und den darauf aufbauenden Modellen stellt eine ethische Herausforderung für den Projekt-Einsatz von KI dar [3]. Ein Beispiel ist die Voreingenommenheit in Personal- und Kreditsystemen, in denen sich menschliche Voreingenommenheit in den Trai‐ ningsdaten widerspiegelt und damit in den KI-Modellen und den damit erstellten Vorhersagen enthalten ist. Ein KI-Modell kann Verzerrungen übernehmen. Es ist essenziell, solche Verzerrun‐ gen in den Daten zu minimieren. Dies beginnt mit dem Erkennen und Kontrollieren von Trainingsdaten auf versteckte Verzerrungen. Zu prüfen ist Verzerrung aufgrund von: Datenverfügbarkeit (Auswahl von Daten nur aus gut dokumentierten Projek‐ ten, wobei mögliche Misserfolge weniger dokumentiert sein könnten), Datenmyopie (Fokussierung auf leicht verfügbare Daten obwohl weniger zugängliche „dunkle“ Daten relevanter sein könnten) und Stereotypisierung (die Daten könnten stereotype Vorstellungen oder Vorurteile widerspiegeln). Solche Voreingenommenheiten können 50 3 Ethische Rahmenbedingungen beim Einsatz von KI im Projektgeschäft - Gefahren und Chancen der KI <?page no="51"?> Ergebnisse trüben und den Wert des KI-Einsatzes mindern, indem sie bestimmte Aspekte wie Gesundheit oder Nachhaltigkeit vernachlässigen. Eignung von KI in anderen Einsatzbereichen Die Bestätigung der Eignung des Einsatzes der ausgewählten KI ist unerlässlich. Es können ethische Dilemmata entstehen, wenn KI für andere als die vorgesehenen Zwecke genutzt wird [3]. Bei Übertragungen in andere Einsatzbereiche, muss immer geprüft werden, ob die KI für den neuen Einsatzzweck aufgrund ihres Trainings ausreichend vorbereitet ist. Um sicherzustellen, dass die KI richtig eingesetzt wird, müssen die zugrunde liegen‐ den Annahmen überprüft und mit den KI-Anwendungsfällen abgeglichen werden. Um die Effektivität und Eignung einer KI zu bewerten, muss man verstehen, wie sie funktioniert. Bei Diagnosen zum Beispiel ist es wichtig, eine hohe Treffsicherheit zu haben, um falsche Negativ-Ergebnisse zu minimieren. Ein ähnliches Ziel verfolgen Vorhersageanalysen im Projektmanagement. Die von der Analyse erkannten Muster könnten weniger relevant sein als andere Faktoren, z. B. Unternehmensstruktur, gewählte Methodik oder die Reihenfolge der Umsetzung. Verantwortung und Transparenz bei KI-Anwendungen Die Transparenz von KI-Algorithmen ist entscheidend, um Vertrauen in diese Tech‐ nologien zu schaffen. Es ist von Bedeutung, dass die Entscheidungswege der KI nachvollziehbar und überprüfbar sind. Gleichzeitig muss klar definiert werden, wer die Verantwortung trägt, wenn eine KI-Entscheidung negative Konsequenzen hat [3]. Ethische Verantwortung umfasst nicht nur Unternehmen, sondern auch Einzel‐ personen. Trotz der Komplexität von KI-Algorithmen muss jeder Beteiligte die ethi‐ schen Auswirkungen seiner Entscheidungen verstehen und verantworten können. Trainingsdaten müssen transparent sein und klare Grenzen für KI-Anwendungen festgelegt werden. Ein zentrales Thema ist die Autonomie von KI-Entscheidungen. Wenn KI autonom handelt, nach welchen ethischen Richtlinien orientiert sie sich? Bei Fehlern oder unerwünschten Ergebnissen muss klar geregelt sein, wer die Verantwortung trägt. Weiterhin ist die menschenzentrierte Ausrichtung von KI bedeutsam. KI sollte sich an den ethischen Prinzipien der Gesellschaft orientieren und dabei kulturelle Unterschiede berücksichtigen. Bei der Anwendung von KI in sozialen Kontexten sind Transparenz und Vorhersagbarkeit entscheidend. Verifizierung und Validierung sind Schlüsselprozesse, um die Qualität und Sicherheit von KI-Systemen zu gewährleisten. Es ist notwendig, Standards für diese Prozesse festzulegen und sicherzustellen, dass KI-Systeme den vorgesehenen Anwendungen entsprechen. Eine intensive Validierung von Algorithmen ist dabei unerlässlich. [3] 3.2 Relevante Faktoren für ethische KI 51 <?page no="52"?> Erklärbarkeit in der KI umfasst Aspekte wie den Entscheidungsfindungsprozess, die Begründung von Empfehlungen und die Transparenz der KI-Absichten. Nutzer müssen die Entscheidungswege und Ergebnisse der KI verstehen können. Schließlich ist der Datenschutz ein zentrales Anliegen. Personen müssen ihre Rechte an ihren Daten wahren können, auch wenn diese in größeren Datensätzen verwendet werden. Der Schutz und die Kontrolle persönlicher Daten sind stets relevant. Urheberrechtliche Herausforderungen durch KI Projektmanagement-Tools, die KI-Technologien nutzen, könnten auf Daten zugreifen, die urheberrechtlich geschützt sind. Beispielsweise könnten sie zur Verbesserung ihrer Algorithmen auf Dokumente, Bilder oder andere Medien aus früheren Projekten zugreifen. Wenn diese Daten jedoch urheberrechtlich geschützt sind und ohne Zustim‐ mung verwendet werden, kann dies zu rechtlichen Problemen führen. Projektmanager müssen daher sicherstellen, dass alle Daten, die in KI-gestützten Tools verwendet werden, entweder lizenzfrei sind oder dass die notwendigen Rechte zur Nutzung vorliegen. In Projekten, die die Erstellung von Grafiken, Designs oder anderen visuellen Inhalten beinhalten, könnten KI-Tools verwendet werden, um den Designprozess zu beschleunigen. Wenn diese Tools jedoch mit urheberrechtlich geschütztem Material trainiert wurden, könnten die generierten Designs als abgeleitete Werke betrachtet werden. Dies könnte zu rechtlichen Auseinandersetzungen führen, insbesondere wenn das generierte Material für kommerzielle Zwecke verwendet wird. Projektmanager müssen daher sicherstellen, dass die von der KI generierten Inhalte keine Urheberrechte verletzen. 3.3 Einsatz im Projekt Die transformative Kraft der Künstlichen Intelligenz (KI) bietet diverse Möglichkeiten zur effizienteren und effektiveren Gestaltung des Projektmanagements. Einsatz im Projekt Es stehen verschiedene Einsatzfelder im Vordergrund: ■ Prognose und Risikomanagement: KI-Systeme, die große Datenmengen verarbei‐ ten und komplexe Muster identifizieren, könnten Projektprobleme antizipieren und so das Risikomanagement optimieren. ■ Automatisierung von Routineaufgaben: Durch die Entlastung von zeitintensiven Standardaufgaben wie der Erstellung von Fortschrittsberichten oder der Aktuali‐ sierung von Projektplänen, kann KI die Effizienz steigern und den Fokus des Projektmanagers auf strategischere Aufgaben lenken. 52 3 Ethische Rahmenbedingungen beim Einsatz von KI im Projektgeschäft - Gefahren und Chancen der KI <?page no="53"?> ■ Kommunikation und Zusammenarbeit: KI-gesteuerte Chatbots oder digitale As‐ sistenten verbessern die Teamkommunikation und -Koordination durch Echtzeit- Updates oder die Organisation von Meetings. ■ Ressourcenplanung: Bei der Planung und Zuweisung von Ressourcen leistet KI durch die Erkennung von Mustern und das Vorhersagen der zukünftigen Nachfrage wertvolle Dienste. ■ Qualitätssicherung: Durch das Monitoring und die Verbesserung der Projektergeb‐ nisse mittels Fehleridentifikation oder Abweichungsdetektion unterstützt KI die Qualitätssicherung. ■ Lernen und Entwicklung: Indem KI personalisierte Lerninhalte bereitstellt und Kompetenzlücken aufdeckt, werden Lern- und Entwicklungsmöglichkeiten inner‐ halb des Projektteams gefördert. Ethische Herausforderungen im KI-gestützten Projektmanagement Der Einsatz von KI birgt jedoch auch Herausforderungen und erfordert sorgfältige Betrachtungen in verschiedenen Bereichen des Projektmanagements: Insbesondere die Qualität und Grenzen von Trainingsdaten stehen im Mittelpunkt. Der umfangreiche Datenbedarf von KI-Systemen kann zu Datenschutzproblemen führen, weshalb es von entscheidender Bedeutung ist, den Schutz personenbezogener Daten sicherzustellen, während die Qualität der Trainingsdaten gewahrt bleibt. Ein weiteres zentrales Problemfeld ist der Bias und die Fairness. KI-Systeme können die Voreingenommenheit der Daten, auf denen sie trainiert wurden, übernehmen. Daher ist es entscheidend, Mechanismen zu implementieren, die solche Voreinge‐ nommenheiten erkennen und korrigieren. Die Sicherstellung von Fairness in KI- Entscheidungen und der Kampf gegen Diskriminierung sind ebenfalls zentrale ethische Fragen. Die Integration ethischer KI-Prinzipien in agile Projektmanagement-Methoden kann eine Herausforderung darstellen. Dennoch können bestimmte Rollen, wie der Scrum- Master, dazu beitragen, ethische Überlegungen in den Prozess zu integrieren. Ein weiteres Problem ist die oft undurchsichtige Natur von KI-Systemen, die Fragen nach der Transparenz und Erklärbarkeit ihrer Entscheidungen aufwirft. In Bezug auf Verantwortlichkeit und Compliance muss klar definiert werden, wer die Verantwortung trägt, wenn eine KI-Entscheidung zu negativen Ergebnissen führt. Angesichts fehlender klarer Richtlinien und Standards ist es notwendig, effektive Governance-Strukturen für den KI-Einsatz zu etablieren. Zudem erfordert der poten‐ zielle Verlust von Arbeitsplätzen durch KI sorgfältige Überlegungen und Strategien zur Arbeitsplatzsicherung. [3] Schließlich sind die verschiedenen Stakeholder, von Projektmanagern über Ent‐ wickler bis hin zu Aufsichtsbehörden, von den ethischen Herausforderungen der KI betroffen. Es ist von zentraler Bedeutung, alle Beteiligten in den Diskurs einzubeziehen, um einen ganzheitlichen und interdisziplinären Ansatz zur Bewältigung dieser Her‐ 3.3 Einsatz im Projekt 53 <?page no="54"?> ausforderungen zu gewährleisten. Die ethische Implementierung von KI im Projekt‐ management erfordert somit eine Kombination aus technischem Know-how, ethischen Überlegungen und aktiver Beteiligung aller Stakeholder. Nur so kann sichergestellt werden, dass KI sowohl effektiv als auch verantwortungsbewusst eingesetzt wird. Die Automatisierung bestimmter Prozessschritte durch KI-Modelle im Projektma‐ nagement kann tiefgreifende Auswirkungen auf die Rollen und Verantwortlichkeiten der Beteiligten haben. Der Projektmanager, der für die Koordination aller projektbezogenen Aktivitäten verantwortlich ist, könnte durch KI-Tools unterstützt werden, die den Arbeitsaufwand reduzieren und die Effizienz steigern. Allerdings könnten ethische Fragen zur Trans‐ parenz und Fairness der KI-Verwendung auftreten, die den Projektmanager direkt betreffen. Für Projektteammitglieder kann die Einführung von KI sowohl Chancen als auch Herausforderungen mit sich bringen. Während einige Routineaufgaben automatisiert werden könnten, besteht die Gefahr, dass bestimmte Arbeitsplätze durch KI-Systeme ersetzt werden. Dies erfordert eine sorgfältige Abwägung und möglicherweise Um‐ schulungsmaßnahmen. Auftraggeber und Kunden, die das Projekt in Auftrag gegeben haben, werden von den Ergebnissen des Projekts profitieren. Sie haben ein vitales Interesse daran, dass KI korrekt und ethisch eingesetzt wird, um sicherzustellen, dass das Projekt ihre Erwartungen erfüllt und ihre Rechte gewahrt werden. Die Nutzer, die Endverbraucher der Projektergebnisse, stehen im Mittelpunkt ethi‐ scher Überlegungen, insbesondere in Bezug auf Datenschutz, Fairness und Transparenz der KI. Ihre Bedenken und Feedback sollten in den Entwicklungsprozess einfließen. Die breitere Gesellschaft kann ebenfalls von den Auswirkungen von Projekten betroffen sein, insbesondere wenn sie öffentliche oder weit verbreitete Produkte oder Dienstleistungen betreffen. Es liegt im Interesse der Allgemeinheit, dass KI auf ethische und verantwortungsbewusste Weise eingesetzt wird. Schließlich spielen Aufsichts- und Regulierungsbehörden eine entscheidende Rolle bei der Überwachung der Einhaltung von Gesetzen und Vorschriften im Zusammen‐ hang mit KI. Sie sind besonders an Themen wie Datenschutz, Fairness und Transparenz interessiert und können Richtlinien und Standards setzen, die den ethischen Einsatz von KI im Projektmanagement gewährleisten. 3.4 Fazit Die Integration von Künstlicher Intelligenz in das Projektmanagement hat das Poten‐ zial, die Landschaft des Projektgeschäfts effizienter und effektiver zu gestalten. Sie bietet die Möglichkeiten zur Risikominimierung, sowie zur Erweiterung des Horizonts dessen, was im Projektmanagement möglich ist. Gleichzeitig ist es unerlässlich, die ethischen Herausforderungen, die mit dieser Technologie einhergehen, ernst zu nehmen und proaktiv anzugehen. Die ethische Nutzung von KI erfordert eine bewusste 54 3 Ethische Rahmenbedingungen beim Einsatz von KI im Projektgeschäft - Gefahren und Chancen der KI <?page no="55"?> Anstrengung aller Beteiligten, von Auftraggebern, Entwicklern über Projektmanager bis hin zur Zivilgesellschaft. Es ist eine gemeinsame Verantwortung, sicherzustellen, dass KI im Projektgeschäft auf eine Weise eingesetzt wird, die sowohl den Fortschritt fördert als auch die Werte und Prinzipien, die unsere Gesellschaft leiten, respektiert. Literatur [1] Gönnheimer, P., Netzer, M., Mohr, L., Hörsten, G.V., & Fleischer, J. (2020). Erhöhung der Skalierbarkeit von KI-Anwendungen in Produktionsanlagen. Zeitschrift für wirtschaftlichen Fabrikbetrieb, 115, 517---519. [2] Ehrlenspiel, K., & Meerkamm, H. (2009). Integrierte Produktentwicklung---Denkabläufe, Methodeneinsatz, Zusammenarbeit. [3] Bartneck, C., Lütge, C., Wagner, A., & Welsh, A. (2019). Ethik in KI und Robotik. Hanser. [4] Baker-Brunnbauer, J. (2020). Management perspective of ethics in artificial intelligence. AI and Ethics, 1, 173---181. [5] TÜV-Verband e. V.: Sicherheit und Künstliche Intelligenz. Erwartungen, Hoffnungen, Risiken. https: / / www.tuev-verband.de/ ? tx_epxelo_file%5Bid%5D=856779&cHash=1af8a3f0e 6c845423fdd637c8dbcd080, abgerufen am 29. Juli 2023. [6] Michael, K., Abbas, R., Roussos, G., Scornavacca, E., & Fosso-Wamba, S. (2020). Ethics in AI and Autonomous System Applications Design. IEEE Transactions on Technology and Society. [7] Demaree-Cotton, J., Earp, B.D., & Savulescu, J. (2022). How to Use AI Ethically for Ethical Decision-Making. The American Journal of Bioethics, 22, 1---3. [8] Géron, A. (2020): Praxiseinstieg Machine Learning mit Scikit-Learn, Keras und TensorFlow: Konzepte, Tools und Techniken für intelligente Systeme. O’Reilly. [9] Heger, A.K., Marquis, E.B., Vorvoreanu, M., Wallach, H.M., & Vaughan, J.W. (2022). Understanding Machine Learning Practitioners’ Data Documentation Perceptions, Needs, Challenges, and Desiderata. Proceedings of the ACM on Human-Computer Interaction, 6, 1---29. [10] Gartner Inc. (o. J.): Dark Data in: Information Technology, Gartner Glossary, abgerufen am 29. Juli 2023. Literatur 55 <?page no="57"?> 4 Digitale Souveränität: Führt uns KI in die digitale Kolonie? Harald Wehnes Abstract Die digitale Abhängigkeit Deutschlands und Europas hat ein besorgniserregendes Ausmaß erreicht. Experten sprechen bereits davon, dass wir uns auf dem Weg in ein digitales Entwicklungsland befinden. Vor diesem Hintergrund stellen sich zum Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) mehrere Fragen: Wird durch KI die bestehende hohe digitale Abhängigkeit weiter verstärkt? Welche Möglichkeiten gibt es, mit KI „Made in Germany/ EU“ Digitale Souveränität zu stärken? Welche Empfehlungen lassen sich für die Projektwirtschaft ableiten? Stichwortliste Digitale Souveränität, digitale Abhängigkeit, digitale Nachhaltigkeit, digitale Kolonie, Innovationen, Foundation Modelle, Open Source Software (OSS), Gover‐ nance von OSS Communities 4.1 Einleitung Problemstellung Künstliche Intelligenz (KI) zieht mit Macht in unser Leben ein. Das prognostizierte wirtschaftliche Potenzial von KI ist gewaltig. Am Einsatz von KI führt aus heutiger Sicht wohl kein Weg vorbei. Aber blinder Aktionismus könnte die Abhängigkeitssituation noch verschlimmern. Trotz aller Schnelllebigkeit bedarf es einer strategischen Voraus‐ schau, wohin die Reise gehen soll. Was sind die Ziele? Für welche Anwendungsfälle eignet sich der Einsatz von KI? Welche Risiken und Chancen liegen auf dem Weg? Wenn wir nur noch zum reinen Nutzer von (KI-)Technologie werden, findet die Wertschöpfung in der digitalen Welt weitgehend ohne uns statt - mit allen Konse‐ quenzen für unseren Wohlstand und für unsere Sozialsysteme. Auch in der KI-Welt müssen Bürgerinnen und Bürger gestaltungssouverän sein, damit die staatstragenden Strukturen (Politik, Wirtschaft, Verwaltung etc.) handlungsfähig bleiben. Wir dürfen uns nicht die Spielregeln von anderen Staaten oder von Big Tech-Unternehmen aufzwingen lassen. <?page no="58"?> Zielsetzung Dieser Beitrag betrachtet den Einsatz von KI aus der Perspektive „Digitale Souverä‐ nität“. Im Vordergrund steht daher die Frage: Welche Möglichkeiten gibt es, mit KI „Made in Germany/ EU“ Digitale Souveränität zu stärken? Ein besonderes Anliegen ist, dass der Beitrag zu einer intensiven Diskussion und zur Generierung innovativer souveräner KI-Lösungen führen wird. Struktur des Beitrags Der Beitrag gliedert sich wie folgt: Im Anschluss an eine Darstellung zum Status quo der Digitalen Souveränität (Abschnitt 4.2), betrachten wir zwei entgegengesetzte Szenarien: ■ KI als Heilsbringer für alle Probleme dieser Welt (Abschnitt 4.3) ■ KI als möglicher Wegbereiter einer digitalen Kolonie (Abschnitt 4.4). Auf dieser Basis werden anschließend Lösungsansätze und Empfehlungen für die Entwicklung und den Einsatz von KI-Systemen (Abschnitt 4.5) abgeleitet, die Digitale Souveränität und damit selbstbestimmtes Handeln in der digitalen Welt stärken. Abschnitt 4.6 schließt den Beitrag mit einer Zusammenfassung und einem Ausblick ab. 4.2 Digitale Souveränität Daten sind das Öl des 21.-Jahrhunderts Daten sind kommerzielle Güter, mit denen internationaler Handel betrieben wird. Bereits seit einigen Jahren werde allein von Google und Meta (Facebook) mehrere hundert Milliarden US-Dollar pro Jahr mit dem Handel von persönlichen Daten umgesetzt (Quelle: Statista.de). Der Skandal um Facebook und die Verwendung von 87 Millionen Kundendaten für Wahlmanipulationen durch das Unternehmen Cambridge Analytica sollte als Weckruf dienen. Angesichts eines gewaltigen Verdienstpotentials ist die scheinbar grenzenlose Da‐ tensammelwut kaum verwunderlich. Daten bedeuten nicht nur Adressdaten und Tele‐ fonnummern sondern auch intimste Gedanken, Gefühle und politische Orientierungen. Unternehmens- und Gesundheitsdaten sind besonders gefragt. P. Nemitz und M. Pfeffer [1] bringen es auf den Punkt: „Der Rohstoff der digitalen Geschäftsmodelle ist … der Mensch selbst und sein intimstes Leben! “ Die Nutzerschaft liefert kostenlos Daten, den Profit machen einige wenige. Die großen Sprachmodelle wie ChatGPT und Bard, die riesige Datenmengen für ihre Pre-Trainings benötigen, könnten diesen Prozess beschleunigen. 58 4 Digitale Souveränität: Führt uns KI in die digitale Kolonie? <?page no="59"?> Definition und Bedeutung Das Thema „Digitale Souveränität“ ist hochaktuell. Vertreter aus der Politik, Wirtschaft und Verwaltung erkennen bzw. spüren zunehmend die Auswirkungen unserer digita‐ len Abhängigkeiten. Der IT-Planungsrat der Bundesregierung hat diesen Begriff wie folgt definiert: „Digitale Souveränität beschreibt die Fähigkeiten und Möglichkeiten von Individuen und Institutionen, ihre Rolle(n) in der digitalen Welt selbstständig, selbstbestimmt und sicher ausüben zu können.“ [2]. Digitale Souveränität bedeutet demnach, dass der Staat, Organisationen und Un‐ ternehmen ohne Bevormundung, z. B. durch andere Länder oder außereuropäische Großkonzerne, im digitalen Raum frei handeln können. Sie stärkt unsere Wettbewerbs‐ fähigkeit, schützt geistiges Eigentum und fördert Innovationen. Die Wertschöpfung erfolgt vorrangig lokal, die Steuereinnahmen verbleiben im Land und werden für die Aufgaben des Staates und das Gemeinwohl eingesetzt. Insgesamt trägt Digitale Sou‐ veränität zur wirtschaftlichen Prosperität, Sicherheit und zu nachhaltigem Wohlstand bei. Kriterien für Digitale Souveränität und Souveränitätsscore Wie lässt sich Digitale Souveränität messen? Jakob Jäger [3] hat aus der o. g. Definition folgende Kriterien für die Digitale Souveränität von Software und IT-Services abgelei‐ tet: ■ Hat die Software eine Monopolstellung? ■ Nutzt die Software eine quelloffene Lizenz? ■ Werden offene, standardisierte Dateiformate unterstützt? ■ Nutzt die Software offene APIs/ Schnittstellen? ■ Hat der Anbieter der Software seinen juristischen Hauptsitz in der EU? ■ Kann die Software im eigenen Rechenzentrum betrieben werden? Auf der Basis dieser Kriterien wurde ein Souveränitätsscore (MVP) erstellt https: / / digital-sovereignty.net, mit dem Nutzer den Grad der Digitalen Souveränität der von ihnen eingesetzten Anwendungen messen können. Um insbesondere Unternehmen und Institutionen Orientierung zum Einsatz und zur Beschaffung von Software und IT-Services zu bieten, wurde die Website um eine Vorgehensempfehlung, eine Risikocheckliste, Handlungsempfehlungen sowie eine Liste von „souveränen“ Alternativlösungen ergänzt. Digitale Kolonie Maximilian Mayer und Yen-Chi Lu von der Konrad-Adenauer-Stiftung e. V. kommen in ihrer Studie [4] zum Ergebnis, dass Europa die Konsequenzen seiner digitalen 4.2 Digitale Souveränität 59 <?page no="60"?> Abhängigkeit noch kaum erkannt hat. Sie zeigen die hohe digitale Verwundbarkeit europäischer Unternehmen und Staaten auf. Darüber hinaus mehren sich in jüngster Zeit die Warnungen von hochkarätigen IT- Experten, Journalisten und Politikern, Deutschland und Europa drohe eine „Digitalen Kolonie“ bzw. eine „Digitale Datenkolonie“ zu werden. Manfred Broy, TU München: „Wenn es nicht gelingt, dieses wesentliche Thema der Digitalisierung schnell und praktisch umzusetzen, ist der Weg von Deutschland vorgezeichnet: Es bleibt nur die Rolle der digitalen Kolonie, deren Daten vollständig in fremden Händen sind und dazu dienen, die Kolonie in vielfältiger Weise als Markt zu nutzen. Letztendlich ist das nicht allein ein wirtschaftliches Problem. Auf dem Spiel steht nichts weniger als die deutsche und europäische Identität. Wenn wir unsere digitale Souveränität verlieren, verlieren wir einen wesentlichen Teil unserer kulturellen Werte und unserer Freiheit“. [5] Risiken digitaler Abhängigkeit Das generelle Bewusstsein für Abhängigkeiten ist in letzter Zeit durch verschiedene Ereignisse (Ukraine-Krieg, Trump-Regierungszeit, Musk/ Twitter etc.) sprunghaft ge‐ stiegen. Vielen ist aber noch nicht wirklich bewusst, dass die Konsequenzen digitaler Abhängigkeit wesentlich dramatischer sein können als beim russischen Gas. Während es zum russischen Gas ein Bündel von Sofortlösungen (Nutzung vorhandener Gasre‐ serven, Einsparmaßnahmen, Mengenerhöhungen alternativer Lieferanten u.ä.) gab, existiert kein Plan B, wenn der „Digitale Hahn“ abgeschaltet wird. Sehr eindrucksvoll zeigen Jahn Mahn und Christian Wölbert [6] die möglichen Konsequenzen digitaler Abhängigkeit an einem fiktiven Beispiel auf: Abb. 4-1: Konsequenzen digitaler Abhängigkeit (fiktives Beispiel) Die digitalen US-Embargos gegen Venezuela, Iran und China sowie die Erpressungs‐ versuche von Big-Tech-Unternehmen - wie jüngst gegen Gesetze der kanadischen Regierung [7] - zeigen, dass dieses Szenario nicht aus der Luft gegriffen ist. Eine vom BMI beauftragte Studie [8] hat 2019 die Abhängigkeit der Bundesverwal‐ tung von Software-Anbietern untersucht. Kernergebnis: „Insbesondere die Abhängigkeit von Microsoft-Produkten führt … zu Schmerzpunkten bei der Bundesverwaltung, die im Widerspruch zu den strategischen Zielen der IT des Bundes stehen. Als kritisch befunden werden vor allem eingeschränkte Informationssicherheit und (datenschutz-)rechtliche Unsicherheit; beides Punkte, die die digitale Souveränität des Staates gefährden.“ 60 4 Digitale Souveränität: Führt uns KI in die digitale Kolonie? <?page no="61"?> Lessons learned aus der Abhängigkeit von fossiler Energie Jeder in unserer Gesellschaft ist aufgefordert, aus den Erfahrungen mit der Abhängig‐ keit von russischem Gas zu lernen. Mit professionellem Risikomanagement lassen sich potentielle Show-Stopper identifizieren und frühzeitig angemessene Risikomini‐ mierungsmaßnahmen planen und umsetzen. Es würde an Fahrlässigkeit grenzen, wenn man dies nicht tun würde. 4.3 KI: Heilsbringer für alle Probleme dieser Welt? Eine Reihe von Marketing-Narrativen der Big Tech Unternehmen kursiert am Soft‐ waremarkt. Diese sollen insbesondere den Weg in deren Clouds ebnen und lauten z. B. „Die Cloud ist sicher“, „KI kann man nur in der Cloud betreiben“ oder „Cloud‐ plattformen sind „fast vollständig“ auf offenen Standards und Open Source aufgebaut, und Kunden können deshalb leicht auf eine andere Plattform wechseln.“ Die Realität sieht anders aus, wenn man die US-Überwachungsgesetze, wie z. B. den CLOUD Act, berücksichtigt, die für Unternehmen mit juristischem Hauptstandort in den USA gelten und einen ungehinderten Datenzugang amerikanischer Sicherheitsbehörden sicherstellen, unabhängig von den Serverstandorten [1]. Die Big Tech Unternehmen sind auch bei der Entwicklung und dem Einsatz von KI extrem stark. Fast überschwänglich wird von ihnen KI als „Superintelligenz“ und Heilsbringer für alle großen Probleme unserer Zeit angepriesen: Klimakrise, Gesundheitsprobleme, Nahrungsmangel, Armut und Ungerechtigkeit - es gibt kaum etwas, was durch KI nicht gelöst werden kann. Auch höhere Lebensqualität und besseren Komfort sollen die KI-Systeme ermöglichen. Sam Altmann, CEO von Open AI, träumt von der „generellen KI“, die dem mensch‐ lichen Gehirn überlegen sei, und Google betreibt bereits ein eigenes Unternehmen mit dem Namen Calico, das daran forscht, den Tod abzuschaffen [1]. 4.4 KI: Wegbereiter einer digitalen Kolonie? Parallel zu dieser euphorischen Einschätzung mehren sich die kritischen Stimmen, die vor einer außer Kontrolle geratenen Künstlichen Intelligenz warnen. Sie sehen KI als Beschleuniger des Überwachungskapitalismus und Bedrohung für die Menschheit, die das Verhältnis zwischen Mensch und Maschine umkehrt. Hier ein Auszug aus der Liste der stetig wachsenden Sorgen und Befürchtungen, vgl. Chris Piallat [9] und [1]: ■ Versklavung der Menschheit ■ Tech-Giganten übernehmen staatliche Kernaufgaben ■ Individuen, Organisationen und Staaten müssen sich den KI-Systemen anpassen oder gar unterordnen ■ Verlust von Selbstbestimmung und Kontrollmöglichkeiten 4.3 KI: Heilsbringer für alle Probleme dieser Welt? 61 <?page no="62"?> ■ Verlust von Arbeitsplätzen, Werten und stabilen politischen Verhältnissen ■ Automatisierte Massenüberwachung und Unterdrückung ■ Menschen verarmen, weil der Gewinn an die Besitzer der KI-Systeme geht ■ Informationskontrolle und Zensur ■ Autonome Waffen können eigenständige Entscheidungen über Leben und Tod treffen - ohne Ethik und Moral ■ KI als Brandbeschleuniger für Fehlentwicklungen. Sind Maschinen wirklich die besseren Richter oder die besseren Politiker? Unter dem Aspekt Digitale Souveränität ist die Rolle und der Einfluss der Big Tech-Unternehmen bei der Entwicklung und Nutzung von KI-Technologien sehr kritisch zu bewerten. ■ Stärkung der Monopolmacht: Die Big Tech-Unternehmen kontrollieren bereits einen erheblichen Teil des digitalen Raums, besitzen eine beispiellose wirtschaftli‐ che Macht und damit eng verbunden Datenmacht und politische Macht. Die bereits stattfindende Integration von KI in ihre Dienstleistungen (Beispiele: ChatGPT/ AI (Microsoft), Llama (Meta), Bard (Google)) könnte diese Machtposition weiter verstärken. ■ Datenmissbrauch: Diese Unternehmen sammeln bereits riesige Mengen an Nutzerdaten, die für die Entwicklung von KI-Systemen von entscheidender Be‐ deutung sind. Zugute kommt ihnen, dass Nutzer immer unbekümmerter ihre persönlichen Daten für die kostenlose Nutzung von Anwendungen (private Daten als Zahlungsmittel) zur Verfügung stellen. Datenbesitz ist eine Machtfrage. Bedenken hinsichtlich Datenschutz und Datenmissbrauch werden immer lauter, insbesondere in Bezug auf Verhaltensvorhersagen sowie gezielte Manipulation von Informationsinhalten, Meinungen und Wahlen. Google hat Mitte des Jahres seine Nutzungsbedingungen geändert und erlaubt sich damit selbst, alles, was im Internet verfügbar ist, für das Training seiner KI-Modelle zu nutzen [10]. ■ Macht über Information und Wissen: Durch die Kontrolle über Suchmaschinen und soziale Medien haben diese Unternehmen großen Einfluss auf die Verbreitung von Informationen und Wissen. Dies könnte dazu verwendet werden, bestimmte Narrative zu fördern oder zu unterdrücken bzw. politischen Einfluss zu nehmen. Wer schafft es heute noch von A nach B zu kommen, ohne das Navi zu benutzen? In unserem täglichen Leben haben wir bereits vielfältige Abhängigkeiten, die uns zu digitalen Junkies machen. KI-Systeme haben das Potenzial dazu, diese Abhängigkeit massiv zu erhöhen. Zunächst als Assistenz oder Co-Pilot eingeführt, können sie dauerhaft die Führungsrolle übernehmen. 62 4 Digitale Souveränität: Führt uns KI in die digitale Kolonie? <?page no="63"?> 4.5 Lösungsansätze und Empfehlungen Wie sollte man nun mit den in den beiden vorangegangen Abschnitten beschriebenen kontroversen Szenarien umgehen? Deutschland und Europa brauchen einen eigenen digital-souveränen KI-Weg, der den Menschen und das Gemeinwohl in den Mittelpunkt stellt. Angesichts des rasanten Fortschritts im KI-Bereich sind schnelle, nachhaltige Entscheidungen mit diesem Ziel zum Einsatz von KI erforderlich. Bei der Umsetzung müssen alle mitmachen, Bürgerinnen und Bürger, Wirtschaft, Wissenschaft und Politik. Digitale Souveränität als Leitmotiv der Digitalstrategie der Bundesregierung - aber widersprechende Handlungen Im Koalitionsvertrag von 12/ 2021 haben Digitale Souveränität und der verstärkte Einsatz von Open Source einen hohen Stellenwert. Die Stärkung der technologischen und Digitalen Souveränität Deutschlands wurde sogar zum Leitmotiv der Digital- und Innovationspolitik (Digitalstrategie 2022) der Bundesregierung erhoben [11]. Da allerdings für die Umsetzung der Strategie bisher nur geringe Mittel bereitgestellt wurden, fallen die Ergebnisse zur Halbzeitbilanz der Regierung insgesamt äußerst mager aus. Auf der anderen Seite scheinen genügend Mittel vorhanden zu sein. So wurden im gleichen Zeitraum ohne Konkurrenzangebote milliardenschwere Rahmen‐ verträge mit proprietären Anbietern wie beispielsweise Oracle abgeschlossen, die eher das Gegenteil von Digitaler Souveränität bewirken und auch nicht den Open Source Einsatz stärken. Allein der Gesamtwert des Oracle-Vertrags macht 3.886 Millionen Euro aus. Das ist mehr als das 80-fache des Budgets (48 Millionen Euro), das in 2023 für Open- Source-Projekte vorhanden ist. Zum Ende dieser Legislaturperiode droht somit ein Scheitern der Digitalstrategie - mit erheblichem langfristigen Schaden für Gesellschaft und Wirtschaft. Der KI-Bundesverband hat auf die Gefahr hingewiesen, dass sich im Bereich der KI - ähnlich wie bei Suchmaschinen und Betriebssystemen - monopolartige Struktu‐ ren bilden können. In der vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) beauftragten Machbarkeitsstudie „LEAM: AI (Large European AI Models)“ hat er ein Konzept für die Entwicklung großer Sprachmodelle (Foundation-Modelle) „Made in Germany“ [12] erstellt. Mit dem Aufbau einer dedizierten KI-Supercomputing- Infrastruktur sollen die erforderlichen Voraussetzungen geschaffen und damit die nötigen Rechenkapazitäten bereitgestellt werden, die für die Entwicklung eines großen europäischen KI-Modells nötig sind. 4.5 Lösungsansätze und Empfehlungen 63 <?page no="64"?> Deutsche KI-Grundlagenforschung belegt internationalen Spitzenrang Seit Jahrzehnten ist Deutschland bei der KI-Grundlagenforschung ganz vorne mit dabei. Bereits seit den 1980-er Jahren gibt es Forschungsinstitute und -zentren, die sich auf KI spezialisiert haben. Dazu gehörten insbesondere das Deutsche Forschungs‐ zentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) und die Fraunhofer-Institute für Integrierte Schaltungen (IIS) und für Intelligente Analyse und Informationssysteme (IAIS). Aber auch universitäre und nicht-universitäre Einrichtungen haben bereits viele exzellente Beiträge zur KI-Forschung und -entwicklung mit den Schwerpunkten Expertensys‐ teme, Industrie 4.0, Maschinelles Lernen und Deep Learning geliefert. Allerdings ist auch festzustellen, dass Deutschland inzwischen hinter USA und China stark zurückgefallen ist, deren KI-Foundation Modelle den Weltmarkt dominieren: 73 % USA, 15-% China [12]. Deutsche und europäische KI-Lösungen für die Praxis Die Umsetzung exzellenter Forschungsergebnisse in wettbewerbsfähige Produkte war in der Vergangenheit leider nur in Teilbereichen erfolgreich. Daraus müssen wir lernen und dürfen bei der Entwicklung und dem Einsatz von KI-Systemen nicht halbherzig handeln. Was brauchen wir für die Umsetzung? ■ Bewusstsein für die Kritikalität von digitaler Abhängigkeit ■ Gemeinsames Handeln von Politik, Wirtschaft und Wissenschaft ■ Wagniskapital, verbunden mit investitionsfreundlichen und -fördernden Rahmen‐ bedingungen, insbesondere für KI-Unternehmen und KI-Startups ■ Einfach Machen! - mit der Rahmenzielsetzung, neue digitale Abhängigkeiten zu vermeiden und bestehende Abhängigkeiten zu reduzieren. Wenn wir in diesem Zukunftsbereich nicht erfolgreich sein sollten, besteht die Gefahr, dass die Wertschöpfung außerhalb Deutschlands bzw. der EU stattfindet - mit erheb‐ lichen negativen Folgewirkungen auf unser Sozialsysteme Bildung, Forschung, Arbeit, Gesundheit, Renten etc. Erfreulicherweise gibt es einige erfolgversprechende europäische Alternativen: ■ Das Startup Aleph Alpha wird als große „deutsche KI-Hoffnung“ bezeichnet. Deren Sprachmodell Luminous soll KI für Unternehmen transparent und sicher einsetzbar machen. In Heilbronn ist der Aufbau von Europas größtem KI-Zentrum geplant https: / / ip.ai/ . Kooperationspartner sind u. a. SAP, Bosch und die Schwarz- Stiftung. ■ An der Entwicklung von OpenGPT-X, einer Open Source Alternative zu ChatGPT 3 und 4 von Open AI, arbeitet das Fraunhofer-Institut IAIS. Dabei wird der GPT- Ansatz mit deutschen Methoden und Daten kombiniert. 64 4 Digitale Souveränität: Führt uns KI in die digitale Kolonie? <?page no="65"?> ■ Mit Bloom in Frankreich und mit GPT SW3 in Schweden werden derzeit weitere große europäische Sprachmodelle entwickelt. ■ Der KI-Bundesverband ist mit mehr als 400 Mitgliedern das größte KI-Unter‐ nehmernetzwerk in Deutschland. Er setzt sich für vertrauenswürdige Foundation Modelle ein. Mit der LEAM: AI Initiative [12] soll die technische Basis für Forschung auf internationalem Niveau, das Sammeln und Veredeln von Daten sowie das Training von große Modellen geschaffen werden. Diese sollen offen für die Anwendung durch die Wirtschaft, Konzerne, Mittelstand und Start-ups bereitgestellt werden. ■ Die Forschungsgruppe CompVis der LMU München hat mit Stable Diffusion einen Deep-Learning-Text-zu-Bild-Generator entwickelt. Das System läuft auf normalen PCs und ist Open Source. Generelle Empfehlungen zur Stärkung Digitaler Souveränität Grundvoraussetzung für Maßnahmen zur Stärkung Digitaler Souveränität ist das Bewusstsein für die Konsequenzen digitaler Abhängigkeit. Nutzen Sie vorrangig Softwareangebote und IT-Dienstleitungen, die europäischem Recht unterliegen. Auf der Plattform digital-sovereignty.com (MVP) können Bürgerin‐ nen und Bürger, Unternehmen und Organisationen den Souveränitätsgrad der von Ihnen eingesetzten Software messen. Darüber hinaus finden sie Empfehlungen zur Steigerung ihrer Digitalen Souveränität: Vorgehensplan, Risikocheckliste, Alternativ‐ produkte. Durch den vorzugsweisen Einsatz solcher Produkte wird der Wettbewerb belebt. Manager und Beschaffungsverantwortlich sollten daher stets prüfen, ob bestimmte Funktionalitäten von Softwareprodukten bzw. -services nicht auch von einem euro‐ päischen Anbieter angemessen erfüllt werden. Solange der Staat nicht selbst als Nachfrager für solche Alternativprodukte aktiv wird, konterkariert er das Leitmotiv seine Digitalstrategie, die Digitale Souveränität. Empfehlungen für den KI-Einsatz in der Projektarbeit Ich empfehle ausdrücklich, KI-Systeme für die Erhöhung Ihrer Effizienz- und Effekti‐ vität in der Projektarbeit zu nutzen. Allerdings sollten Sie sich stets bewusst sein, dass Ihre persönlichen Daten, die Daten der Projektmitarbeiter, Kunden und Partner sowie die Projektdaten einen sehr hohen finanziellen Wert besitzen (vgl. Abschnitt 4.2) und dass bei der Nutzung von KI Sprachmodellen, wie ChatGPT und Co, die Gefahr besteht, dass diese Daten an Dritte preisgegeben werden können, die im „worst case“ an die Konkurrenz verkauft werden. Wer gar Angebots- oder Spezifikationsdaten etwa zum „Verschönern“ seiner An‐ schreiben verwendet, handelt grob fahrlässig. Durch die Auswertung von Chatbot- 4.5 Lösungsansätze und Empfehlungen 65 <?page no="66"?> Anfragen kann z. B. leicht nachvollzogen werden, an welchen Forschungs- oder Entwicklungsthemen ein Unternehmen gerade arbeitet. Verlassen Sie sich nicht auf die KI-Ergebnisse. Die auf Basis von unvalidierten und vorgefilterten Daten generierten Ergebnisse müssen sehr kritisch überprüft werden. Es werden häufig Falschaussagen und Unwahrheiten (sog. Halluzinationen) erzeugt. Problematisch ist dies insbesondere bei Themen aus den Bereichen Recht und Medizin. Wenn möglich sollten vorrangig Systeme von Unternehmen genutzt werden, die ihren juristischen Hauptsitz in der EU haben. Ein „on premise“-Einsatz von KI-Systemen, d. h. im eigenen Rechenzentrum ist stets gegenüber der Nutzung von KI-Internetdiensten vorzuziehen. Funktionalitäten, wie das Checken und Optimieren von Code, klingen fantastisch. Man muss sich aber gewahr sein, dass dieser Code eventuell gegen Bezahlung bei der Konkurrenz landen kann - ein sicher unerwünschter Nebeneffekt. Der Open Source Bereich verzeichnet aktuell eine rasante Entwicklung neuer KI- Systeme. Sie zeichnen sich durch Transparenz aus, da der Quellcode offen einsehbar ist. Dies ermöglicht eine erhöhte Sicherheit, da Schwachstellen leichter identifiziert und behoben werden können. Zusätzlich bieten sie Anpassbarkeit und Erweiterbarkeit. 4.6 Zusammenfassung und Ausblick Die digitale Abhängigkeit Deutschlands und Europas ist heute kritischer als die Abhängigkeit von russischem Gas. Es besteht die Gefahr, dass sich diese Abhängigkeit durch den Einsatz von KI-Systeme der marktdominanten Big Tech-Unternehmen weiter verstärken und im „worst case“ unumkehrbar wird. Dies hätte fatale Folgen für unsere digitale Zukunft. Ehe es (nochmals! ) zu spät wird, sollten Politik, Wirtschaft und Wissenschaft proaktiv handeln, d. h. Risikoanalysen durchführen und erforderliche Gegenmaßnahmen zeitnah und vorausschauend treffen. Die Entwicklung von KI-Systemen „Made in Germany/ EU“ bietet aber auch sehr gute Chancen, unsere Digitale Souveränität, das Leitmotiv der Digitalstrategie der Bundesregierung, zu stärken. Dazu sollte die Regierung den Lead, insbesondere die Rolle des Leitinvestors und Treibers, übernehmen: ■ Bestehenden Abhängigkeiten aus Monopolisierungen müssen zeitnah, spürbar und nachhaltig reduziert werden; es gibt genügend alternative Produkte „Made in Germany/ EU“ und aus dem Open Source Bereich. ■ Bund und Länder müssen selbst auch Nachfrager und Anwender dieser Lösungen sein. Erfreulicherweise gibt es Vorreiter [13]. ■ Es muss ein „KI-Wumms“ stattfinden, ansonsten verschläft Deutschland seine Zukunft. Die bisherigen Fördermaßnahmen sind ein „Tropfen auf den heißen Stein“. Ein professionelles Projektportfoliomanagement wäre bei der Um‐ setzung sicher hilfreich. 66 4 Digitale Souveränität: Führt uns KI in die digitale Kolonie? <?page no="67"?> Allen Projektmanagerinnen und Projektmanagern empfehle ich, sich umgehend und intensiv mit KI zu beschäftigen und im Arbeitsalltag auszuprobieren. Wer nicht mitgestaltet, der wird gestaltet. Seien Sie mutig und starten Sie Ihre KI-Reise heute - verantwortungsbewusst. Viel Erfolg! Literatur [1] Nemitz, P.; Pfeffer, M. (2020): Prinzip Mensch. Macht, Freiheit und Demokratie im Zeitalter der Künstlichen Intelligenz. Dietz, Bonn [2] Bundesministerium des Inneren, Digitale Souveränität (2020), https: / / www.cio.bund.de/ We bs/ CIO/ DE/ digitale-loesungen/ digitale-souveraenitaet/ digitale-souveraenitaet-node.html [3] Jäger, J. (2023): Digitale Nachhaltigkeit: Souveränitätsscore. Informatik-Masterarbeit, Uni‐ versität Würzburg [4] Mayer M., Lu Y. (2022): Europa hat die Konsequenzen seiner digitalen Abhängigkeit noch kaum erkannt. https: / / www.kas.de/ documents/ 252038/ 16166715/ Europa+hat+die+Konsequenzen+seiner+digitalen+Abh%C3%A4ngigkeit+noch+kaum+ er‐ kannt.pdf/ 664c8d2d-48e4-e864-fafa-a16bfa5bdc37? version=1.3&t=1651564960080 [5] Broy, M. (2020): Deutschland ist auf dem Weg, ein digitales Entwicklungsland, eine digitale Kolonie zu werden. in TUM Forum Sustainability - Wissenschaft, Vernunft, Nachhaltigkeit, S.-112ff. https: / / mediatum.ub.tum.de/ doc/ 1548492/ 1548492.pdf [6] Mahn, J.; Wölbert, C. (2020): Die riskante Abhängigkeit der Bundesrepublik von amerikani‐ schen IT-Riesen; https: / / www.heise.de/ hintergrund/ Die-riskante-Abhaengigkeit-der-Bunde srepublik-von-amerikanischen-IT-Riesen-4881155.html [7] Kuhn, T. (2023): Wie der Meta-Konzern Kanadas Regierung in die Knie zwingen will; https: / / nachrichten.wiwo.de/ 77c6ee0a819276c86badf1280092ac790964a8289ae54237390995410a74fa 3151ee7e899c9995207274b449f83a4061129345134? utm_source=web-frontend&xing_share=n ews [8] PwC (2019): Strategische Marktanalyse zur Reduzierung von Abhängigkeiten von einzelnen Software-Anbietern. https: / / wibe.de/ wp-content/ uploads/ 20190919_strategische_marktanal yse-compressed.pdf [9] Piallat, C. (2021): Der Wert der Digitalisierung - Gemeinwohl in der digitalen Welt; https: / / www.transcript-verlag.de/ media/ pdf/ 6c/ 52/ 6d/ oa9783839456590RZvC3garC8cJQ.pdf [10] Weiß, E.M. (2023): Google ändert Nutzungsbedingungen: Alles darf für KI-Training genutzt werden, https: / / www.heise.de/ news/ Google-aendert-Nutzungsbedingungen-Alles-darf-fuer -KI-Training-genutzt-werden-9207556.html [11] Bundesregierung: Digitalstrategie (2022): https: / / bmdv.bund.de/ SharedDocs/ DE/ Anlage/ K / presse/ 063-digitalstrategie.pdf ? __blob=publicationFile [12] KI-Bundesverband (2023): LEAM: AI - Große KI-Modelle für Deutschland, https: / / leam.ai/ feasibility-study-leam-2023 [13] Open Source-Strategie der Sächsischen Staatsverwaltung (2023), https: / / publikationen.sac hsen.de/ bdb/ artikel/ 42495/ documents/ 64617 Literatur 67 <?page no="69"?> 5 KI - ein Booster für mehr Nachhaltigkeit im Projektmanagement Manuela Wimmer, Anja Grabmeier Abstract Um den Herausforderungen der immer komplexer werdenden globalen Umwelt- und Gesellschaftskrisen gerecht zu werden, steigt die Notwendigkeit, Nachhal‐ tigkeit auch im Projektmanagement zu verankern. Die Methode OktoPus führt die Projektleitung mit Team strukturiert während des gesamten Projektes zur ganzheitlichen Nachhaltigkeitsintegration im Projektmanagement, gegliedert in die acht OktoPus-Cluster Nachhaltigkeitsverständnis, Mindset, Stakeholder-Inte‐ gration und Kommunikation sowie Projektziele, -planung, -durchführung und -abschluss. Die Anwendung von KI-Tools beschleunigt die Umsetzung von mehr Nachhaltig‐ keit sowohl durch mehr Effizienz als auch eine gesteigerte Ergebnisqualität. Je nach OktoPus-Cluster kommen verschiedene KI-Teilbereiche und Funktionen, wie Natural Language Processing, Research & Optimization, Data Analytics und Image Understanding zum Einsatz. Insbesondere Natural Language Processing dominiert in allen OktoPus-Clustern. Stichwortliste Projektmanagement, Nachhaltigkeit, Künstliche Intelligenz, OktoPus, Nachhal‐ tigkeitsverständnis, Mindset, Stakeholder-Integration, Kommunikation, Natural Language Processing, Search & Optimization 5.1 Notwendigkeit für einen Booster zu mehr Nachhaltigkeit Unsere Welt, die zunehmend von Volatilität, Unsicherheit, Komplexität und Ambiguität (VUCA) sowie von Umwelt- und Gesellschaftskrisen geprägt ist, erfordert neue und auch angepasste Verhaltensweisen und Werkzeuge - auch im Projektmanagement (PM). Die Gesellschaft steht inmitten von Megatrends, die bedeutende Treiber für Wandel in Wirtschaft und Gesellschaft sind (https: / / www.zukunftsinstitut.de/ ). Zu diesen zählen New Work, eine durch Digitalisierung und Globalisierung geprägt Ar‐ beitswelt, die den Menschen in den Mittelpunkt stellt, Gender Shift, Individualisierung und Neo-Ökologie. Megatrends prägen nicht nur unsere Arbeitsweise, sondern auch die Integration von Nachhaltigkeitsthemen wie Diversität, Geschlechtergerechtigkeit oder CO 2 -Reduktion im gesellschaftlichen Diskurs. Nachhaltigkeit ist vorausschauendes, verantwortliches Denken und Handeln mit Blick auf heutige und zukünftige Generationen sowie den lokalen und globalen Auswirkungen. Es ist ein Handlungsprinzip, das die heutigen und zukünftigen <?page no="70"?> Generationen in unser Handeln einschließt und soziale, ökonomische und ökologi‐ sche Aspekte möglichst gleichgewichtet berücksichtigt unter bestmöglicher Lösung von Zielkonflikten. Damit diese Transformation auch im PM gelingt, bedarf es der Integration des Handlungsprinzips Nachhaltigkeit und eines damit einhergehenden Paradigmenwechsels. Der vorliegende Beitrag fokussiert auf die stärkere Integration von Nachhaltigkeit in das PM unter Verwendung von Künstlicher Intelligenz (KI) unabhängig des Projekt‐ zieles. Die zusätzliche Integration von KI in das nachhaltige PM verspricht eine neue Dimension des PMs im Kontext der Nachhaltigkeit, insbesondere in Bezug auf Effizienz und Ergebnisqualität. Der Beitrag gibt konkrete Impulse für mehr Nachhaltigkeit im PM auf Basis der Methode OktoPus und zeigt, wie die Anwendung von KI in diesem Kontext als Booster wirken kann. 5.2 Methode OktoPus für mehr Nachhaltigkeit im Projektmanagement Mit der Anwendung von OktoPus wird PM selbst nachhaltiger; auf den ersten Blick losgelöst von den spezifischen Inhalten und den Zielen des Projektes. Der Name Ok‐ toPus dient als Symbol für die ganzheitliche Integration von Nachhaltigkeit in das PM. „Okto“ steht für acht Cluster, welche die Methode strukturieren. Vier dieser Cluster, dargestellt auf der linken OktoPus-Seite von Abb. 5-1, fokussieren die Projektphasen mit Zielen, während weitere vier Cluster (s. rechte OktoPus-Seite von Abb. 5-1) auf die Akteure Projektleitung und -team ausgerichtet sind. Das „P“ im Namen steht für PM und das Suffix „us“ für die Integration von Umwelt- und Sozialaspekten. Diese beiden Dimensionen der Nachhaltigkeit werden hervorgehoben, um eine Verschiebung der Prioritäten im PM zu signalisieren. Während in der Vergangenheit wirtschaftliche As‐ pekte im Vordergrund standen, rückt OktoPus die ökologischen und gesellschaftlichen Aspekte in den Mittelpunkt der PM-Praxis. Dies gewährleistet eine ausgewogenere Herangehensweise hin zu mehr Nachhaltigkeit. 70 5 KI - ein Booster für mehr Nachhaltigkeit im Projektmanagement <?page no="71"?> Nachhaltigkeitsverständnis Mindset Stakeholder- Integration OktoPus für mehr Nachhaltigkeit im Projektmanagement Projektdurchführung Projektabschluss Projektplanung Kommunikation Projektziele Abb. 5-1: Acht Cluster der Methode OktoPus für mehr Nachhaltigkeit im Projektmanagement Die acht OktoPus-Cluster orientieren sich am klassischen PM, einzelne Cluster sind jedoch auf agile Methoden übertragbar. Die acht Cluster werden im Folgenden in Anlehnung an die chronologische Reihenfolge im Projekt erläutert. Cluster Mindset Die Integration und Umsetzung von mehr Nachhaltigkeit im PM wird entscheidend durch das Mindset der Projektleitung und des Teams beeinflusst. Das Mindset hat eine kognitive und verhaltensorientierte Perspektive [1]. Die kognitive Perspektive umfasst die Denkmuster, Überzeugungen und das Wissen einer Person in Bezug auf Nachhaltigkeit. Konkret betrifft dies die Wahrnehmung und das Verständnis einer Person für die ökologischen und sozialen Auswirkungen ihres Handelns, einschließlich der Anerkennung der Verbindung von eigenem Handeln und globalen Herausforderungen. Um das Mindset zu stärken, ist von der Projektleitung ■ ein Bewusstsein im Auftraggeber-Gespräch und im Kick-Off für verantwortungs‐ volles Handeln und die drei Dimensionen der Nachhaltigkeit sowie deren mög‐ lichst gleichgewichtete Berücksichtigung zu schaffen. ■ ein Nachhaltigkeitsworkshop zu initiieren, um für Nachhaltigkeit als eine ganz‐ heitliche Denk- und Arbeitsweise zu sensibilisieren. Diese betrifft alle Abläufe des 5.2 Methode OktoPus für mehr Nachhaltigkeit im Projektmanagement 71 <?page no="72"?> gesamten Projektlebenszyklus sowie alle Entscheidungen und Verhaltensweisen im Projekt. Die verhaltensorientierte Perspektive betrifft unser Handeln und Verhalten. Durch die auftraggebende Partei und die Projektleitung wird ein nachhaltiges Projektumfeld geschaffen und nachhaltiges Verhalten im Projekt gefördert. Hierzu zählen ■ der Abbau von Barrieren durch infrastrukturelle Maßnahmen, ■ die Verbesserung des Wissens und der Fähigkeiten durch Informationskampagnen und nachhaltigkeitsorientierte Schulungen, ■ die Entwicklung eines nachhaltigkeitsbezogenen Arbeitsumfeldes durch Feedback und Anerkennung in Bezug auf Nachhaltigkeitsaktivitäten, ■ die Integration von Nachhaltigkeit in den Projektalltag beispielsweise durch die Erweiterung von bestehenden Methoden um Perspektiven und Aspekte der Nachhaltigkeit, ■ eine klare Positionierung der auftraggebenden Partei und der Projektleitung zu Nachhaltigkeit. Weitere Ansatzpunkte zur Förderung eines nachhaltigen Mindsets und zur Entwick‐ lung transformativer Skills bieten die Sustainability Mindset Principles [1] und die Inner Development Goals (https: / / www.innerdevelopmentgoals.org/ ). Zusätzlich agiert ein Teammitglied mit starker intrinsischer Motivation als „Sustai‐ nability Agent“ und übernimmt die Verantwortung für die Einbindung von Nachhal‐ tigkeit im jeweiligen Projekt. Cluster Nachhaltigkeitsverständnis Ein zentraler Erfolgsbaustein für mehr Nachhaltigkeit im PM ist ein möglichst früh geschaffenes, gemeinsames Nachhaltigkeitsverständnis zwischen Projektleitung, Teammitgliedern und der auftraggebenden Partei. Dazu initiiert die Projektleitung ■ eine klare Definition des projektspezifischen Nachhaltigkeitsverständnisses basie‐ rend auf den Sustainable Development Goals der UN (https: / / unric.org/ de/ 17ziele/ ) mit der auftraggebenden Partei. ■ eine Schaffung und einen Ausbau von Wissen zu Nachhaltigkeit im allgemeinen und auch projektspezifisch sowie für Nachhaltigkeit im PM unter Einbezug von PRiSM (https: / / gpm-emea.org/ gpm/ prism-methodology/ ). ■ eine Ergebnisdokumentation in Form einer visualisierten Nachhaltigkeitsverein‐ barung, die während der Projektlaufzeit stets sichtbar ist, beispielsweise als Desktop Wallpaper. 72 5 KI - ein Booster für mehr Nachhaltigkeit im Projektmanagement <?page no="73"?> Cluster Projektziele Im Prozess der Projektauftragsklärung strebt die Projektleitung neben einer SMARTen, lösungsneutralen und konfliktfreien Zielformulierung [2] die Integration von ökologi‐ schen und sozialen Aspekten an. Dazu werden konkrete Vorschläge von der Projektlei‐ tung ggf. mit dem Projektmanagement Office (PMO) erarbeitet und in einen Auftragge‐ ber-Dialog eingebracht. Für Anregungen und Beispiele können folgende Publikationen herangezogen werden: ■ Environmental, Social, Governance (ESG)-Kriterien (https: / / germany.represen tation.ec.europa.eu/ news/ nachhaltige-finanzen-eu-kommission-macht-neue-vors chlage-fur-eu-taxonomie-und-esg-kriterien-2023-06-13_de), ■ Global Reporting Initiative (https: / / www.globalreporting.org/ ), ■ Branchenspezifischen Instrumenten zur Nachhaltigkeitsbewertung wie z.B.: SAFA, RISE oder KSNL der Landwirtschaft [3] oder der Leitfaden für nachhaltiges Bauen [4]. Analoge Instrumente weiterer Branchen sind verfügbar. Cluster Projektplanung In der Projektplanung werden spezifische Nachhaltigkeitsmaßnahmen festgelegt, be‐ gleitende Indikatoren definiert und eine Umsetzungsstrategie erarbeitet. Beispiele sind CO 2 -Einsparungen bei Reisen oder E-Mail-Kommunikation, Lean-Office Prinzipien sowie Fortbildungen je Teammitglied. Cluster Projektdurchführung Nachhaltigkeit in der Projektdurchführung beinhaltet die Umsetzung geplanter Nach‐ haltigkeitsaktivitäten sowie die Integration von Nachhaltigkeitsindikatoren in das Controlling entsprechend dem Nachhaltigkeitscontrolling [5], auch Green Controlling genannt. Cluster Stakeholder-Integration Gemeinsam mit den Stakeholdern werden Nachhaltigkeitsdialoge geführt und mit einer Wesentlichkeitsmatrix eine Verbindung zwischen den projektspezifischen Nachhaltigkeitsanliegen der Stakeholder und denen des Projekts hergestellt. Daraus leitet die Projektleitung prioritäre Nachhaltigkeitsfelder für das jeweilige Projekt ab [6]. 5.2 Methode OktoPus für mehr Nachhaltigkeit im Projektmanagement 73 <?page no="74"?> Cluster Kommunikation Nachhaltigkeitsaspekte sowie resultierender Nachhaltigkeitsnutzen in den Bereichen des PMs sind integraler Bestandteil der internen und externen Kommunikation. Projektmarketing und -information zu Nachhaltigkeitsthemen erfolgen stakeholder‐ spezifisch über ausgewählte Kommunikationskanäle, wie webbasierte Plattformen, Social Media, Blogs oder Statusberichte. Cluster Projektabschluss Beim Projektabschluss wird im Rahmen des Lessons Learned explizit auf Nachhaltig‐ keit eingegangen ebenso wird in der Adjourning Phase nach Tuckman anhand des 5-Finger-Feedbacks das nachhaltige PM von den Teammitgliedern reflektiert. 5.3 KI-Anwendungen als Booster bei der Methode OktoPus „KI-Anwendungen sind alle IT-Systeme, die intelligentes Verhalten und Denken, wie Objekterkennung, logisches Schlussfolgern, Lernen, Planen, Gedächtnis und Erinnerung, Entscheiden oder Kreativsein nachbilden.“ [7] Die Grenzen der KI- Teilbereiche und Funktionen sind fließend und die Entwicklung schreitet rasch voran. Einzelne KI-Tools, wie ChatGPT, können mehrere KI-Teilbereiche und Funk‐ tionen bedienen. Im Folgenden werden im Rahmen von OktoPus angewandte KI- Teilbereiche und Funktionen dargelegt und eine Empfehlung für deren Einsatz als Booster für mehr Nachhaltigkeit im PM je OktoPus-Cluster gegeben (siehe Abb. 5-2) sowie exemplarisch anhand konkreter Beispiele erläutert. Für das PM praxistaug‐ liche KI-Tools werden empfohlen. Insbesondere im Kontext der kontinuierlichen Fortentwicklung der KI-Technologien und der zunehmenden KI-Reife innerhalb von Projektleitung und -teams wird es in regelmäßigen Abständen erforderlich sein, diese Empfehlungen anzupassen. 74 5 KI - ein Booster für mehr Nachhaltigkeit im Projektmanagement <?page no="75"?> Sentiment Analysis Image Understanding Data Analytics Search & Optimization Kommunikation KI-Teilbereiche und Funktionen OktoPus-Cluster Projektziele Projektabschluss Mindset Nachhaltigkeitsverständnis Projektplanung Projektdurchführung Stakeholder- Integration Natural Language Processing Abb. 5-2: KI je OktoPus-Cluster, deren Einsatz als Booster für mehr Nachhaltigkeit im Projektmanage‐ ment empfohlen werden Natural Language Processing (NLP) NLP ist der dominante KI-Teilbereich in allen OktoPus-Clustern. Die Projektleitung nutzt das Generieren und Überarbeiten von Texten, beispielsweise um präzise formu‐ lierte Nachhaltigkeitsaspekte in die Projektziele zu integrieren oder um Personas zu erstellen. Diese dienen dazu, ein besseres Verständnis der projektspezifischen Nachhaltigkeitsbedürfnisse von Stakeholdergruppen zu gewinnen. Teammitglieder können Nachhaltigkeitsinformationen für Stakeholder spezifisch aufbereiten und in der Sprache der jeweiligen Veröffentlichungsplattform, wie z. B. Social Media Posts oder Websites, verfassen lassen. Darüber hinaus können Aufzeichnungen von Nachhaltigkeitsdialogen mit Stakehol‐ dern nach automatisierter Transkription beispielsweise im Hinblick auf das Nachhal‐ tigkeitsmindset ausgewertet werden oder Dokumente hinsichtlich der Bedeutung von ökologischen und sozialen Faktoren analysiert werden. Wenn Nachhaltigkeitsziele kollidieren oder Stakeholder verschiedene Nachhaltig‐ keitsprioritäten setzen unterstützt NLP die Projektleitung bei der Konfliktanalyse. 5.3 KI-Anwendungen als Booster bei der Methode OktoPus 75 <?page no="76"?> NLP ermöglicht die Analyse schriftlicher als auch transkribierter Konversationen, um gemeinsame Interessen, Standpunkte sowie mögliche Kompromisse zu identifizieren und Verhandlungsstrategien für die Konfliktlösung zu entwickeln. Auch die Erstellung von Strategien zur Nachhaltigkeitskommunikation ist möglich. Die Textzusammenfassung mit Hilfe von NLP steht allen Projektmitgliedern zur Verfügung, um Dokumente, wie Berichte, in Bezug auf wirtschaftlich, ökologisch und gesellschaftlich relevante Aspekte präzise zu erfassen. Im internationalen Projektum‐ feld und -team wird NLP zur Übersetzung von nachhaltigkeitsrelevanten Dokumenten und E-Mails genutzt. Search & Optimization Digital Research Assistants können für die Recherche und Optimierung von Nachhal‐ tigkeitsaspekten in Projekten und im PM sowie für die fachliche Aus- und Weiterbil‐ dung von Teammitgliedern eingesetzt werden. Digital Research Assistants unterstüt‐ zen gezielt bei der Recherche in wissenschaftlichen Publikationen zu Nachhaltigkeit. Die Aufbereitung der Ergebnisse erfolgt subsummiert unter einer konkreten, projekt‐ spezifischen Fragestellung. Mit der Funktion Search & Optimization kann KI darüber hinaus durch optimierte Suche Inspirationen für mehr Nachhaltigkeit im PM liefern. Data Analytics Data Analytics unterstützt das PM durch automatisierte Erfassung, Analyse und Berichterstattung von Nachhaltigkeitsdaten, v. a. in den OktoPus-Clustern Planung, Durchführung und Abschluss. Hierfür stehen vor allem unternehmensspezifische KI- Lösungen zur Verfügung. Alternativ können auf Basis von in KI-Tools eingepflegter, projektspezifischer Daten fragenbasierte Analysen durchgeführt werden. Image Understanding Wie die KI-Expertin Doris Weßels in einem Interview betont, ist Image Understanding ein bidirektionales System [8]. Es generiert Bilder aus Beschreibungen und Beschrei‐ bungen aus Bildern. Derzeit sind vor allem KI-Tools für Text-zu-Bild verfügbar. Diese können in den OktoPus-Clustern Kommunikation und Stakeholder-Integration zur visuellen Darstellung von Nachhaltigkeitsaspekten genutzt werden. Sentiment Analysis Auch die Sentiment Analysis findet vor allem Anwendung im Bereich der OktoPus- Cluster Kommunikation sowie Stakeholder-Integration. 76 5 KI - ein Booster für mehr Nachhaltigkeit im Projektmanagement <?page no="77"?> Sentiment Analysis ist eine NLP-Technik, die darauf abzielt, die Stimmung zu iden‐ tifizieren. ChatGPT kann beispielsweise Transkriptionen von Stakeholder Dialogen oder E-Mails hinsichtlich der Nachhaltigkeitshaltung analysieren. Die gezielte Anwendung von KI als Booster für mehr Nachhaltigkeit im Projekt ba‐ siert immer auf den individuellen Anforderungen und Bedürfnissen. Nach eingehender Recherche und Analyse sowie eigener Anwendung und Erfahrung werden in Abb.-5-3 Empfehlungen von konkreten KI-Tools aufgezeigt für die Anwendung in OktoPus. Natural Language Procesing ChatGPT Google Bard DeepL Write Jasper Search & Optimization Elicit Research Rabbit Arxiv Sanity Preserver QuillBot ChatGPT Google Bard Jasper Tome Image Understanding (text to image) DALL-E Midjourney ChatGPT mit Plugin diagr.am ChatGPT mit Plugin Show me diagrams Hypo Art DreamStudio Data Analytics Vizly KI-Teilbereiche und Funktionen KI-Tools Abb. 5-3: Empfehlung von konkreten KI-Tools nach KI-Teilbereichen und Funktionen im Rahmen von OktoPus 5.4 Erfolgsfaktoren für die Implementierung Für die erfolgreiche Implementierung eines KI-gestützten, nachhaltigen PM nach OktoPus ist ein Setting von Rahmenbedingungen erforderlich. Das „Growth-Mindset“ im Unternehmenskontext [9] wird dafür so angepasst, dass es die Transformation zur mehr Nachhaltigkeit im PM mit KI fördert (siehe Abb.-5-4). Das Frameset bildet den Projektrahmen, der sowohl für Nachhaltigkeit als auch für die Integration von KI offen sein sollte und von PMO, Projektleitung und der auftraggebenden Partei gestaltet wird. Innerhalb dieses Rahmens sind Mindset, Toolset und Skillset eingebettet. Abhängig vom Reifegrad der Projektteammitglieder initiiert die Projektleitung gezielte Aktivitäten zur Förderung der Integration von mehr Nach‐ haltigkeit und KI. Grundvoraussetzung ist eine sehr nachhaltigkeitsaffine Person als Projektleitung. 5.4 Erfolgsfaktoren für die Implementierung 77 <?page no="78"?> Toolset Skillset Mindset Frameset Abb. 5-4: Rahmen für eine erfolgreiche Transformation für Nachhaltigkeit im Projektmanagement mit KI Das Mindset, bereits als eines der acht OktoPus-Cluster aufgezeigt, findet sich auch innerhalb des Framesets wieder. Die intrinsische Überzeugung von Nachhaltigkeit als grundlegendem Handlungsprinzip erweist sich als vorteilhaft für die Integration von Nachhaltigkeit in das PM. Zusätzlich sollte das Mindset von Offenheit und Lernorientierung gegenüber KI-Anwendungen geprägt sein. Das Skillset umfasst Fähigkeiten und Kompetenzen, um das Prinzip der Nachhaltig‐ keit effektiv in das PM zu integrieren und KI-Tools bedarfsgerecht einzusetzen. Sie sind entscheidend für die effektive Nutzung des Toolsets. Da diese mittelfristig erworben werden können ist die Projektleitung oft in der Rolle als Coach gefordert, praktische Erfahrungen zu ermöglichen, Reflexion anzustoßen und zudem Weiterbildungen anzubieten. Mit dem Toolset erhält das Projektteam Zugang zu einem erlenbaren Set von Methoden, Werkzeugen und Applikation im Bereich PM, Nachhaltigkeit und KI. Bereitgestellt wird das Toolset durch die Projektleitung ggf. unterstützt durch das PMO. Die Projektleitung legt besonderen Wert darauf, einen hohen Reifegrad in allen vier „Sets“ zu erreichen. Durch diese gezielte Ausrichtung wird die Transformation des Projektmanagements zu mehr Nachhaltigkeit mit KI als Booster maximal vorangetrie‐ ben. 78 5 KI - ein Booster für mehr Nachhaltigkeit im Projektmanagement <?page no="79"?> Literatur [1] I. Rimanoczy, The sustainability mindset principles: A guide to develop a mindset for a better world (The principles for responsible management educa-tion series). Abingdon, Oxon, New York, NY: Routledge, 2021. [2] H. Timinger, Modernes Projektmanagement: Mit traditionellem, agilem und hybridem Vorgehen zum Erfolg. Weinheim: Wiley, 2017. [3] R. Meyer und C. Priefer, „Nachhaltigkeitsbewertung landwirtschaftlicher Systeme - Herausforderungen und Perspektiven. Endbericht zum TA-Projekt,“ 2021, doi: 10.5445/ IR/ 1000133723. [4] Bundesminsiterium des Innern, für Bau und Heimat. „Leitfaden Nachha-litges Bauen: Zukunftsfähiges Planen, Bauen und Betreiben von Gebäuden.” https: / / www.nachhaltigesbau en.de/ fileadmin/ publikationen/ BBSR_LFNB_D_190125.pdf (Zugriff am: 15. August 2023). [5] U. Sailer, Nachhaltigkeitscontrolling: So werden Unternehmen nachhaltig gesteuert, 4. Aufl. (UTB 5332). Stuttgart: utb GmbH, 2022. [Online]. Verfüg-bar unter: https: / / elibrary.utb.de/ d oi/ book/ 10.36198/ 9783838558905 [6] M. Schmitz, CSR Im Mittelstand: Unternehmerische Verantwortung Als Basis Für Langfris‐ tigen Erfolg (Management-Reihe Corporate Social Respon-sibility Ser). Berlin, Heidelberg: Springer Berlin / Heidelberg, 2021. [Online]. Verfügbar unter: https: / / ebookcentral.proquest .com/ lib/ kxp/ detail.action? docID=6520831 [7] J. Mock, S. Richter und S. Wischmann. „Nachhaltigkeit durch den Einsatz von KI: Orientie‐ rungshilfe für anwendende Unternehmen.“ Begleitforschung zum Technologieprogramm KI- Innovationswettbewerb, 2022. [8] O. Steeger, „Künstliche Intelligenz revolutioniert Projektmarketing,“ PM, Jg. 34, Nr. 1, S. 4-12, 2023, doi: 10.24053/ PM-2023-0002. [9] J. Altenhofen, Das CRM-Mindset: Wie profitable Kundenbeziehungen entstehen---so bringen Sie Prozesse, Menschen und Technologien in Einklang, 1. Aufl. Wiesbaden: Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH; Springer Gabler, 2023. Literatur 79 <?page no="81"?> 6 Einsatzfelder generativer KI im Projektgeschäft Michael Boxheimer, Ingo Staack Abstract In diesem Kapitel beschreiben wir, welche Einsatzfelder für generative KI im Projektgeschäft existieren, wie sie genutzt werden können aber auch welche Fall‐ stricke dies bereithält. Am Beispiel „Planung eines Projektmanagement Kongress“ wird mit ChatGPT gezeigt, wie KI die Projektplanung unterstützen kann. Um verwendbare Ergebnisse zu erzielen, müssen aber eine Reihe von Voraussetzun‐ gen erfüllt werden und die Daten in geeigneter Form vorliegen. Welche das sind, wird in diesem Kapitel anhand der unterschiedlichen Einsatzfelder erläutert. Stichwortliste ChatGPT, Einsatzfelder, Potentiale, Projektgeschäft 6.1 Einleitung Generative KI („KI“ steht für „künstliche Intelligenz“) ist ein Sammelbegriff für KIbasierte Systeme, mit denen auf scheinbar professionelle und kreative Weise alle möglichen Ergebnisse produziert werden können, etwa Bilder, Video, Audio, Text, Code, 3D-Modelle und Simulationen. Menschliche Fertigkeiten sollen erreicht oder übertroffen werden. [1] Generative KI benutzt maschinelles Lernen, um riesige Datenmengen in Bild- oder Textform zu verarbeiten, die, wie in unserem Fallbeispiel, aus dem Internet stammen und anschließend als Grundlage für die Bearbeitung der Eingabe-Prompts (Erläuterung des Begriffes unten) genutzt werden. Auf dieser Basis erzeugt eine generative Künstl iche Intelligenz die Ergebnisse, indem sie die Datenbestände auswertet, auf denen sie trainiert wurde. Dann antwortet sie mit Ergebnissen, die mit hoher Wahrscheinlichkeit zu der Eingabe passen. Die Algorithmen der generativen KI ermöglichen es auf der Basis etwa von Fragen, Anweisungen oder Texteingaben dann passende Bilder, Präsentationen, Musik, Pro‐ grammcode, ausführende Texte, Sprachausgaben zu generieren, die für eine Vielzahl von Anwendungen eingesetzt werden können. Hier einige Beispiele: ■ Generative KI wird z. B. in Unternehmen im Rahmen des technischen Supports genutzt. Der Mensch-Maschine Dialog wird eingesetzt, ein Mitarbeiter nutzt natürliche Sprache, formuliert Fragen an einen Chatbot und erhält Antworten zur Lösung eines technischen Problems. ■ Generative KI kann auf der Basis von Texteingaben eine Präsentation erstellen, die dann von einer Fachkraft weiter detailliert und ergänzt wird. <?page no="82"?> ■ Generative KI kann genutzt werden um Programmcode zu generieren und damit Programmierer beim Schreiben von Programmcode, Code Reviews oder der Feh‐ lererkennung und Behebung sowie anderen Aufgaben zu unterstützen. Dadurch wird die Effizienz von Entwicklungs- und Aufgaben verbessert. 6.2 Einsatzfelder Planung & Optimierung ■ Fähigkeitsbedarfe für die Bearbeitung der Aufgaben ermitteln ■ Fähigkeitsprofile erstellen, mit vorhandenen Personalbestand abgleichen und Kandidaten vorschlagen ■ Ressourcen planen (Budget, Mitarbeiter, Material) ■ Zeit und Dauer der Projektphase bzw. Arbeitspakete berechnen. ■ benötigte Ressourcen zuteilen ■ Ablauf der Arbeitspakete entwickeln (inkl. Bedingungen und Abhängigkeiten) ■ Prozesse, Tools und Schnittstellen ermitteln Hier soll am Beispiel des Begriffes „Planung Projektmanagement Kongress“ dargestellt werden, wie ChatGPT das Projektmanagement unterstützen kann. Die erzeugten Ergebnisse sind in jedem Fall von Fachleuten zu prüfen und weiter auszuarbeiten. Das Projekt „Planung Projektmanagement Kongress“ wird als Beispiel genutzt, um die Fähigkeiten von ChatGPT darzustellen. Dabei wird jeweils lediglich die Eingabe als Input gegeben, weitere Daten werden nicht zur Verfügung gestellt. Das jeweils dargestellte Ergebnis wurde von ChatGPT und den zugrunde liegenden KI Services erzeugt, auf Basis der „gelernten“ Informationen aus dem Internet, die im September 2021 zur Verfügung standen. Die dargestellten Ergebnisse sind ohne weiteren Daten‐ input entstanden - auch konkrete Zahlen wie Aufwand und Kosten wurden von ChatGPT erzeugt. - und können nur als Beispiel für ein tatsächliches Projekt „Planung Projektmanagement Kongress“ dienen. Die technischen Einzelheiten von ChatGPT und den KI-Services werden hier nicht erläutert. Die Zeile „Prompt für ChatGPT“ bedeutet jeweils, dass die folgende Anweisung als Input für ChatGPT erfasst wurde. Die Zeile „Ergebnis von ChatGPT“ zeigt jeweils die Antwortzeile und die dann folgende Ausgabe in tabellarischer Form. Zielstruktur Prompt für ChatGPT: >>Formuliere die Zielstruktur SMART für den Projektmanage‐ ment Kongress in 6 Monaten als Tabelle<< Ergebnis von ChatGPT: Hier ist die Zielstruktur SMART für den Projektmanagement Kongress in 6 Monaten in tabellarischer Form: 82 6 Einsatzfelder generativer KI im Projektgeschäft <?page no="83"?> Beschreibung SMART-Ziel Das Ziel ist es, einen Projektmanagement Kongress mit einer Dauer von zwei Tagen zu organisieren. Spezifisch: Einen zweitägigen Kongress organisieren Das Ziel ist es, mindestens 300 Teilnehmer, darunter Projektmanager, Führungskräfte und Projektteammitglieder, zu gewinnen. Messbar: Mindestens 300 Teilnehmer gewinnen Das Ziel ist es, renommierte Referenten und Keynote-Speaker zu gewinnen, um qualitativ hochwertige Vorträge zu präsentieren. Erreichbar: Referenten und Keynote- Speaker gewinnen Das Ziel ist es, eine Agenda zu erstellen, die für die Zielgruppe relevant ist und eine Vielfalt an interessanten Themen bietet. Relevant: Eine ansprechende Agenda erstellen Das Ziel ist es, den Projektmanagement Kongress innerhalb von 6 Monaten zu planen und durchzuführen. Zeitgebunden: Der Kongress findet in 6 Monaten statt Abb. 6-1: Zielstruktur Die tabellarische Darstellung zeigt die spezifischen, messbaren, erreichbaren, relevan‐ ten und zeitgebundenen Ziele für den Projektmanagement Kongress. Jedes Ziel ist klar definiert und ermöglicht eine klare Ausrichtung auf die angestrebten Ergebnisse. Arbeitspakete Prompt für ChatGPT: >>Erstelle einen Projektplan mit Arbeitspaketen für den Pro‐ jektmanagement Kongress in 6 Monaten als Tabelle<< Ergebnis von ChatGPT: Hier ist der Projektplan mit Arbeitspaketen für den Projekt‐ management Kongress in 6 Monaten in tabellarischer Form: 6.2 Einsatzfelder 83 <?page no="84"?> Arbeitspakete Schritt - Festlegung der Projektziele und Themen 1. Projektstart und Konzeptentwicklung - Bildung des Projektteams und Aufgabenverteilung - Marktrecherche und Wettbewerbsanalyse - Erstellung des Kongresskonzepts und Programmentscheidung - Recherche und Auswahl potenzieller Veranstaltungsorte 2. Veranstaltungsort und Partnerwahl - Verhandlungen mit den Veranstaltungsorten und Auswahl - Identifizierung und Einbindung von Partnern und Sponsoren - Erstellung von Marketingmaterialien (Flyer, Plakate, ...) 3. Marketing und Promotion - Website für den Kongress erstellen - Social-Media-Kampagnen durchführen - E-Mail-Marketing und Direktwerbung - Frühbucherrabatte und Tickets veröffentlichen - Identifizierung und Ansprache von Referenten und Keynote-Speakern 4. Referenten und Programmplanung - Koordination und Bestätigung der Referenten - Erstellung des endgültigen Programms mit Zeitplan und Themen - Koordination der Veranstaltungslogistik (Catering, ...) 5. Logistik und Vorbereitung - Organisation von Teilnehmerregistrierung und Ticketing - Vorbereitung von Namensschildern und Veranstaltungsmaterialien - Veranstaltung des Projektmanagement- Kongresses 6. Durchführung des Kongresses - Gewährleistung eines reibungslosen Ablaufs und Kundenservice - Sammeln von Feedback von Teilnehmern, Referenten und Partnern 7. Nachbereitung und Auswertung - Analyse der Veranstaltungsleistung und Bewertung des Erfolgs - Erstellung eines Abschlussberichts und 84 6 Einsatzfelder generativer KI im Projektgeschäft <?page no="85"?> - Erstellung des endgültigen Programms mit Zeitplan und Themen - Koordination der Veranstaltungslogistik (Catering, ...) 5. Logistik und Vorbereitung - Organisation von Teilnehmerregistrierung und Ticketing - Vorbereitung von Namensschildern und Veranstaltungsmaterialien - Veranstaltung des Projektmanagement- Kongresses 6. Durchführung des Kongresses - Gewährleistung eines reibungslosen Ablaufs und Kundenservice - Sammeln von Feedback von Teilnehmern, Referenten und Partnern 7. Nachbereitung und Auswertung - Analyse der Veranstaltungsleistung und Bewertung des Erfolgs - Erstellung eines Abschlussberichts und Präsentation im Projektteam Abb. 6-2: Arbeitspakete Der Projektplan in tabellarischer Form gibt einen klaren Überblick über die einzelnen Schritte und die dazugehörigen Arbeitspakete, die innerhalb von 6 Monaten für den Projektmanagement Kongress durchgeführt werden müssen. Jedes Arbeitspaket kann weiter detailliert und zeitlich geplant werden, um den erfolgreichen Abschluss des Projekts zu gewährleisten. Aufwand, Dauer, Kosten Prompt für ChatGPT: >>Erstelle einen Projektplan mit Arbeitspaketen, Aufwand, Dauer und Personalkosten und externen Kosten je Arbeitspaket für den Projektma‐ nagement Kongress in 6 Monaten als Tabelle<< Ergebnis von ChatGPT: Hier ist der Projektplan mit Arbeitspaketen, Aufwand (in Personentagen), Dauer (in Wochen), Personalkosten und externe Kosten je Arbeitspa‐ ket für den Projektmanagement Kongress in 6 Monaten in tabellarischer Form: 6.2 Einsatzfelder 85 <?page no="86"?> Externe Kosten (Euro) Personalkosten (Euro) Dauer (Wochen) Aufwand (Personentage) Arbeitspaket Schritt 1,000 4,500 2 15 - Festlegung der Projektziele und Themen 1. Projektstart und Konzeptentwicklung - 3,000 1 10 - Bildung des Projektteams und Aufgabenverteilung 2,000 6,000 3 20 - Marktrecherche und Wettbewerbsanalyse - 9,000 4 30 - Erstellung des Kongresskonzepts und Programmentscheidung 500 3,000 2 10 - Recherche und Auswahl potenzieller Veranstaltungsorte 2. Veranstaltungsort und Partnerwahl - 4,500 2 15 - Verhandlungen mit den Veranstaltungsorten und Auswahl 1,500 6,000 3 20 - Identifizierung und Einbindung von Partnern und Sponsoren 1,000 7,500 3 25 - Erstellung von Marketingmaterialien (Flyer, Plakate, ...) 3. Marketing und Promotion 1000 4,500 2 15 - Website für den Kongress erstellen 1,500 6,000 3 20 - Social-Media- Kampagnen durchführen 500 4,500 2 15 - E-Mail-Marketing und Direktwerbung - 3,000 1 10 - Frühbucherrabatte und Tickets veröffentlichen 1,500 7,500 3 25 - Identifizierung und Ansprache von Referenten und Keynote-Speakern 4. Referenten und Programmplanung 1000 6,000 3 20 - Koordination und Bestätigung der Referenten - 4,500 2 15 - Erstellung des endgültigen Programms mit Zeitplan und Themen 1,000 6,000 3 20 - Koordination der Veranstaltungslogistik (Catering, ...) 86 6 Einsatzfelder generativer KI im Projektgeschäft <?page no="87"?> 3. Marketing und Promotion 1000 4,500 2 15 Kongress erstellen 1,500 6,000 3 20 - Social-Media- Kampagnen durchführen 500 4,500 2 15 - E-Mail-Marketing und Direktwerbung - 3,000 1 10 - Frühbucherrabatte und Tickets veröffentlichen 1,500 7,500 3 25 - Identifizierung und Ansprache von Referenten und Keynote-Speakern 4. Referenten und Programmplanung 1000 6,000 3 20 - Koordination und Bestätigung der Referenten - 4,500 2 15 - Erstellung des endgültigen Programms mit Zeitplan und Themen 1,000 6,000 3 20 - Koordination der Veranstaltungslogistik (Catering, ...) 5. Logistik und Vorbereitung 500 4,500 2 15 - Organisation von Teilnehmerregistrierung und Ticketing - 3,000 1 10 - Vorbereitung von Namensschildern und Veranstaltungsmaterialien 2,000 9,000 4 30 - Veranstaltung des Projektmanagement- Kongresses 6. Durchführung des Kongresses 1,500 6,000 3 20 - Gewährleistung eines reibungslosen Ablaufs und Kundenservice - 4,500 2 15 - Sammeln von Feedback von Teilnehmern, Referenten und Partnern 7. Nachbereitung und Auswertung 1000 6,000 3 20 - Analyse der Veranstaltungsleistung und Bewertung des Erfolgs - 4,500 2 15 - Erstellung eines Abschlussberichts und Präsentation im Projektteam Abb. 6-3: Arbeitspakete, Aufwand, Dauer, Personalkosten und externe Kosten Gesamtaufwand (Personentage): 400 Personalkosten 120.000 Euro Externe Kosten: 17.500 Euro 6.2 Einsatzfelder 87 <?page no="88"?> Bei den Werten handelt es sich um Schätzungen - je nach tatsächlichem Verlauf des Projekts können sie sich ändern. Der Projektplan in tabellarischer Form ermöglicht eine detaillierte Übersicht über die geplanten Arbeitspakete, den geschätzten Aufwand, die benötigte Dauer und die Personalkosten sowie externe Kosten für den Projektma‐ nagement Kongress in den nächsten 6 Monaten. Stakeholder Prompt für ChatGPT: >>Erstelle für den Projektplan Projektmanagement Kongress in 6 Monaten eine Liste der Stakeholder, ihre Einstellung zum Projekt, ihr Einfluss auf das Projekt und Maßnahmen zum Stakeholder-Management als Tabelle<< Ergebnis ChatGPT: Hier ist die Liste der Stakeholder, ihre Einstellung zum Projekt, ihr Einfluss auf das Projekt und Maßnahmen zum Stakeholder-Management für den Projektmanagement Kongress in 6 Monaten in tabellarischer Form: Maßnahmen zum Stakeholder-Management Einfluss auf das Projekt Einstellung zum Projekt Stakeholder - Regelmäßige Updates über den Projektfortschritt und wichtige Entscheidungen bereitstellen - Sicherstellen, dass die Ziele des Kongresses mit den Unternehmenszielen übereinstimmen Hoher Einfluss, da sie Budget und strategische Entscheidungen genehmigen Unterstützung und Zustimmung zum Projekt Geschäftsführung - Klare Kommunikation der Projektziele und Erwartungen - Regelmäßige Berichte über den Projektstatus und die Ressourcennutzung Hoher Einfluss, da er das Projekt leitet und die Ressourcen verwaltet Engagiert und verantwortlich für den Erfolg des Projekts Projektmanager - Klar definierte Rollen und Verantwortlichkeiten - Einbindung der Teammitglieder in die Entscheidungsfindung Mittlerer bis hoher Einfluss, da sie an der Umsetzung arbeiten Engagiert und motiviert, um das Projektziel zu erreichen Projektteam - Frühzeitige Kommunikation der An-forderungen und Zeitpläne - Unterstützung bei Reise- und Logistikfragen Mittlerer Einfluss, da sie die Veranstaltung mitgestalten Interesse daran, ihre Expertise zu teilen Referenten - Bereitstellung einer klaren und informativen Registrierungs- und Ticketing-Plattform - Kundenservice und Unterstützung bei Fragen und Anliegen Geringer bis mittlerer Einfluss, da sie als Teilnehmer auftreten Erwartung einer wertvollen und informativen Veranstaltung Teilnehmer - Regelmäßige Kommunikation über die Vorteile und Werbemöglichkeiten - Sicherstellen, dass die Interessen und Erwartungen der Sponsoren und Partner erfüllt Geringer bis mittlerer Einfluss, da sie das Projekt unterstützen Erwartung von Sichtbarkeit und Werbemöglichk eiten Sponsoren und Partner 88 6 Einsatzfelder generativer KI im Projektgeschäft <?page no="89"?> Verantwortlichkeiten - Einbindung der Teammitglieder in die Entscheidungsfindung hoher Einfluss, da sie an der Umsetzung arbeiten Engagiert und motiviert, um das Projektziel zu erreichen Projektteam - Frühzeitige Kommunikation der An-forderungen und Zeitpläne - Unterstützung bei Reise- und Logistikfragen Mittlerer Einfluss, da sie die Veranstaltung mitgestalten Interesse daran, ihre Expertise zu teilen Referenten - Bereitstellung einer klaren und informativen Registrierungs- und Ticketing-Plattform - Kundenservice und Unterstützung bei Fragen und Anliegen Geringer bis mittlerer Einfluss, da sie als Teilnehmer auftreten Erwartung einer wertvollen und informativen Veranstaltung Teilnehmer - Regelmäßige Kommunikation über die Vorteile und Werbemöglichkeiten - Sicherstellen, dass die Interessen und Erwartungen der Sponsoren und Partner erfüllt werden Geringer bis mittlerer Einfluss, da sie das Projekt unterstützen Erwartung von Sichtbarkeit und Werbemöglichk eiten Sponsoren und Partner - Enge Zusammenarbeit zur Klärung von Anforderungen und Vertragsbedingungen - Koordination logistischer Anforderungen und Abläufe Geringer Einfluss, da sie als Dienstleister auftreten Erwartung der Erfüllung ihrer Vertragsbeding ungen Veranstaltungsort - Klar definierte Marketingbotschaften und Zielgruppen - Regelmäßige Abstimmung über Werbemaßnahmen und Kampagnen Geringer bis mittlerer Einfluss, da sie Werbepartner sind Ziel ist es, das Event zu bewerben und Teilnehmer zu gewinnen Marketing- und Werbepartner - Klare Vereinbarungen über technische Anforderungen und Abläufe - Regelmäßige Abstimmungen, um sicherzustellen, dass technische Aspekte reibungslos funktionieren Geringer Einfluss, da sie als Dienstleister auftreten Ziel ist es, technische Unterstützung zu bieten Technische Dienstleister - Pressemitteilungen und Medienkontakte bereitstellen - Bereitstellung von Informationen und Interviews für Medienvertreter Geringer Einfluss, da sie die Veranstaltung medial begleiten Interesse an relevanten und interessanten Veranstaltungsinhalten Medienvertreter Abb. 6-4: Stakeholder Das Stakeholder-Management ist entscheidend für den Erfolg des Projekts, da es sicherstellt, dass die Bedürfnisse und Erwartungen aller Stakeholder berücksichtigt werden. Die Maßnahmen zum Stakeholder-Management sind darauf ausgerichtet, eine effektive Kommunikation und Zusammenarbeit mit den Stakeholdern zu gewährleis‐ ten, um das Projektmanagement des Kongresses erfolgreich durchzuführen. 6.2 Einsatzfelder 89 <?page no="90"?> Risiken Prompt für ChatGPT: >>Erstelle für den Projektplan Projektmanagement Kongress in 6 Monaten eine Liste der der Projektrisiken, die Auswirkungen auf das Projekt und Maßnahmen zum Risiko-Management als Tabelle<< Ergebnis von ChatGPT: Hier ist die Liste der Projektrisiken, ihre Auswirkungen auf das Projekt und Maßnahmen zum Risiko-Management für den Projektmanagement Kongress in 6 Monaten in tabellarischer Form: Maßnahmen zum Risiko- Management Auswirkungen auf das Projekt Projektrisiko - Frühzeitige Marketing- und Werbemaßnahmen zur Steigerung der Teilnehmerzahl - Reduzierte Einnahmen aus Teilnehmergebühren und Sponsorverträgen Geringe Teilnehmerzahl - Flexibles Budgetmanagement, um bei Bedarf auf sinkende Einnahmen zu reagieren - Potenzielle Absage des Kongresses - Frühzeitige Vereinbarung von Verträgen und Reservierung von Ersatzreferenten - Minderwertige Vortragsinhalte und enttäuschte Teilnehmer Referentenabsagen - Alternative Pläne und Agenda-Optionen vorbereiten, falls Referenten ausfallen - Verzögerung bei der Erstellung des endgültigen Programms - Frühzeitige Überprüfung und Tests der Technik und Ausrüstung vor der Veranstaltung - Beeinträchtigung des reibungslosen Ablaufs und Kundenerlebnisses Technische Probleme vor Ort - Bereitstellung eines Technik-Notfallplans und Kontaktinformationen für technische Unterstützung im Bedarfsfall - Notwendigkeit zusätzlicher Techniker vor Ort - Alternative Innenräume für Freiluftveranstaltungen in Erwägung ziehen - Eventuelle Störungen für Veranstaltungen im Freien Unvorhergesehene Wetterbedingungen - Prüfung von Versicherungsoptionen für wetterbedingte Ausfälle - Zusätzliche Kosten für Wetterschutzmaßnahmen - Regelmäßige Kommunikation und Abstimmung mit Partnern und Sponsoren sicherstellen - Fehlende Werbung und verminderte Sponsorenleistungen Unzureichende Koordination mit Partnern und Sponsoren - Frühzeitige Klärung von Erwartungen und - Mangelnde Unterstützung bei 90 6 Einsatzfelder generativer KI im Projektgeschäft <?page no="91"?> und Tests der Technik und Ausrüstung vor der Veranstaltung - Beeinträchtigung des reibungslosen Ablaufs und Kundenerlebnisses Technische Probleme vor Ort - Bereitstellung eines Technik-Notfallplans und Kontaktinformationen für technische Unterstützung im Bedarfsfall - Notwendigkeit zusätzlicher Techniker vor Ort - Alternative Innenräume für Freiluftveranstaltungen in Erwägung ziehen - Eventuelle Störungen für Veranstaltungen im Freien Unvorhergesehene Wetterbedingungen - Prüfung von Versicherungsoptionen für wetterbedingte Ausfälle - Zusätzliche Kosten für Wetterschutzmaßnahmen - Regelmäßige Kommunikation und Abstimmung mit Partnern und Sponsoren sicherstellen - Fehlende Werbung und verminderte Sponsorenleistungen Unzureichende Koordination mit Partnern und Sponsoren - Frühzeitige Klärung von Erwartungen und Leistungen mit Partnern und Sponsoren - Mangelnde Unterstützung bei Veranstaltungsvorbereitunge n - Frühzeitige Prüfung und Berücksichtigung von Vorschriften und Auflagen - Verzögerungen bei der Genehmigung und Umsetzung Änderungen in behördlichen Vorschriften oder Auflagen - Einbindung von Experten und Rechtsberatern zur Einhaltung aktueller Vorgaben - Zusätzliche Kosten für die Anpassung an neue Vorschriften - Marktanalysen und Zeitplanung, um Terminüberschneidungen mit anderen Veranstaltungen zu vermeiden - Reduzierte Teilnehmerzahl und Interessenkonflikte Konkurrenzveranstaltungen - Differenzierung durch einzigartige Themen und Mehrwerte für Teilnehmer - Potenzielle Einschränkungen bei der Referenten- und Partnerauswahl - Frühzeitige Bewertung und Auswahl des Veranstaltungsortes - Einschränkungen bei der Durchführung und Teilnehmerzufriedenheit Logistische Probleme mit dem Veranstaltungsort - Erstellung eines detaillierten Plans für die Veranstaltung und enge Abstimmung mit dem Team vor Ort - Notwendigkeit zusätzlicher logistischer Unterstützung vor Ort Abb. 6-5: Projektrisiken 6.2 Einsatzfelder 91 <?page no="92"?> Das Risiko-Management ist von entscheidender Bedeutung, um potenzielle Heraus‐ forderungen frühzeitig zu erkennen und geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um den Erfolg des Projektmanagement Kongresses sicherzustellen. Die Maßnahmen zum Risiko-Management sollen sicherstellen, dass potenzielle Risiken erkannt und angemessen behandelt werden, um Auswirkungen auf das Projekt zu minimieren und reibungslose Abläufe zu gewährleisten. KI im Projektmanagement---Nutzen und Risiken Prompt für ChatGPT: >>Stelle Nutzen und Risiken durch den Einsatz von KI im Projektmanagement als Tabelle dar<< Ergebnis ChatGPT: Hier ist eine Tabelle, die die Vorteile (Nutzen) und Risiken des Einsatzes von Künstlicher Intelligenz (KI) im Projektmanagement gegenüberstellt: Risiken Nutzen Aspekte - Ungenauigkeit und Fehler in den Ergebnissen - Automatisierung wiederkehrender Aufgaben Automatisierung - Abhängigkeit von unvollständigen Daten - Entlastung von manuellen Aufgaben - Datenschutz- und Sicherheitsrisiken - Zeitersparnis - Datenabhängigkeit - Bessere Projektprog-nosen und Vorhersagen Prognosen und Vorhersage - Komplexität und Verständlichkeit der Modelle - Frühzeitige Erkennung von Risiken - Mangelnde Flexibilität und Anpassungsfähigkeit - Echtzeit-Überwachung des Projektfortschritts - Fehlerhafte Planung und Ressourcenallokation - Effiziente Ressourcenplanung Ressourcenplanung - Abhängigkeit von unvollständigen Daten - Optimierung von Zeitplänen und Engpässen - Datenschutz- und Sicherheitsrisiken - Verbesserung der Teamkommunikation Kommunikation - Mögliche Bias und Verzerrungen in der Kommunikation - Effiziente Verteilung von Informationen - Ungenauigkeit und Fehler in den Risikoanalysen - Früherkennung und Analyse von Risiken Risikomanagement - Abhängigkeit von unvollständigen Daten - Bessere Entscheidungsgrundlagen - Ethische Bedenken - Effiziente Umsetzung von Gegenmaßnahmen - Komplexität und Verständlichkeit der Modelle - Optimierung der Projektprozesse Effizienzsteigerung - Abhängigkeit von unvollständigen Daten - Zeitersparnis und Effizienzsteigerung - Widerstand gegen - Reduzierung von 92 6 Einsatzfelder generativer KI im Projektgeschäft <?page no="93"?> Ressourcenallokation Ressourcenplanung Ressourcenplanung - Abhängigkeit von unvollständigen Daten - Optimierung von Zeitplänen und Engpässen - Datenschutz- und Sicherheitsrisiken - Verbesserung der Teamkommunikation Kommunikation - Mögliche Bias und Verzerrungen in der Kommunikation - Effiziente Verteilung von Informationen - Ungenauigkeit und Fehler in den Risikoanalysen - Früherkennung und Analyse von Risiken Risikomanagement - Abhängigkeit von unvollständigen Daten - Bessere Entscheidungsgrundlagen - Ethische Bedenken - Effiziente Umsetzung von Gegenmaßnahmen - Komplexität und Verständlichkeit der Modelle - Optimierung der Projektprozesse Effizienzsteigerung - Abhängigkeit von unvollständigen Daten - Zeitersparnis und Effizienzsteigerung - Widerstand gegen Veränderungen im Team - Reduzierung von Projektlaufzeiten Abb. 6-6: KI im Projektmanagement - Nutzen und Risiken Es ist wichtig zu betonen, dass der Einsatz von KI im Projektmanagement gut durchdacht und verantwortungsbewusst erfolgen sollte. Die Risiken können durch sorgfältige Planung, regelmäßige Validierung der KI-Ergebnisse, den Schutz von Daten und die Schulung der Projektteammitglieder im Umgang mit KI gemildert werden. Eine gezielte Nutzung von KI kann das Projektmanagement erheblich verbessern, aber es ist wichtig, die möglichen Herausforderungen im Auge zu behalten und angemessene Vorkehrungen zu treffen. 6.3 Weitere mögliche Einsatzfelder von KI im Bereich der Erstellung von Dokumenten ■ Arbeitspaketbeschreibung ■ Spezifikation auf Basis von Anforderungen ■ Lastenheft (ggfs. Pflichtenheft) ■ Anfragen an Lieferanten ■ Vereinbarungen und Verträge (Projektauftrag, Zielvereinbarungen, Meilensteine) 6.4 Mitlaufende Dokumentationen und Unterstützung bei fortlaufenden, begleitenden Aufgaben ■ Projekt- und Statusbericht ■ Risikomanagement ■ Kostenverlauf ■ Testreports ■ Wissensmanagement (Lesson learned) 6.3 Weitere mögliche Einsatzfelder von KI im Bereich der Erstellung von Dokumenten 93 <?page no="94"?> 6.5 Ist generative KI im Projektgeschäft dabei universell einsetzbar? Um zu verwertbaren Ergebnissen zu kommen, bedingt es einer geeigneten Datenbasis. In der folgenden Aufzählung haben wir diese Bedingungen aufgeführt: Daten müssen: ■ … Redundanzfrei sein ■ … Interpretationsfrei sein (Eindeutig) ■ … im gleichen Format vorliegen ■ … bei Verwendung von textbasierter Analyse, in der gleichen Sprache vorliegen ■ … vollständig sein ■ … innerhalb einer Anwendung vergleichbar und reproduzierbar sein Daraus ergibt sich, dass idealerweise KI-Systeme nur dann zuverlässige Ergebnisse liefern können, wenn diese auf Basis von Daten vorliegen die die o. g. Bedingungen erfüllen. D.h. vergleichbare Daten sollten möglichst aus derselben Projektart stammen. Projektarten wie z.B.: ■ Investitionsprojekte ■ Organisationprojekte ■ F&E Projekte ■ Innovationsprojekte ■ Software-Entwicklungsprojekte Die Daten dieser Projektarten sind so unterschiedlich, das keine Vermischung stattfin‐ den sollte. Um das zu gewährleisten könnte man anhand von KPI’s (Key Performance Indicator) geeignete Daten vergleichbarer Projekte selektieren. Das bedingt, dass diese mittels eines zuvor festgelegten Vorgehens mit einheitlichen Messverfahren ermittelt und erfasst worden sind. Mittels der folgenden messbaren Faktoren könnte eine Selektion erfolgen: ■ Projektart: wie oben angegeben ■ Auftraggeber: □ Öffentlich □ Privat □ Industrie ■ Branche: □ Bau von Immobilien □ Herstellung von Industriegütern (Halbzeug) □ Dienstleistung □ … ■ Dauer: □ ein Jahr □ zwei Jahre 94 6 Einsatzfelder generativer KI im Projektgeschäft <?page no="95"?> □ drei Jahre □ … ■ Typ Hauptziele: □ Finanzziel □ Qualitätsziel □ … ■ Grad der Komplexität: □ Anzahl der Beteiligten □ Anzahl der Arbeitspakete □ Anzahl der Systeme □ … ■ Vorgesehene Betriebszeit: □ ein Jahr □ zwei Jahre □ drei Jahre □ … Generelle Anforderungen ■ Bei der Verwendung von Texten ist folgendes zu beachten: □ Frei von Schreibfehlern □ Gleiche Sprache (keine Vermischung mit anderen Sprachen wie englische Begriffe, die im deutschen Sprachgebrauch zwar üblich sind, von einer KI aber falsch interpretiert werden könnten) ■ Bei der Verwendung von Bild, Ton und Videomaterial: □ Daten müssen DSVGO konform genutzt werden dürfen und frei von Rechten Dritter sein ■ Bei der Verwendung von Zahlen ist folgendes zu beachten: □ Gleiche Formatierung □ Gleiche Einheiten 6.6 Fazit Die Ergebnisse, die ChatGPT zum Thema „Planung Projektmanagement Kongress“ erzeugt, sind zunächst überraschend konkret, bieten dem Fachmann nach einer kriti‐ schen Prüfung eine nützliche Grundlage das Vorhaben weiter zu planen - mit der Planung verbundener Aufwand und Dauer können reduziert werden. Um Ergebnisse zu erzielen, die dem Projektgeschäft nutzen, sind auch eine Reihe von Bedingungen und Anforderungen zu beachten. Die Auswahl der einzusetzenden KI-Tools als auch die Formulierung der Aufgabenstellung sollten gut überlegt sein. Die Evaluierung der Ergebnisse gestaltet sich schwierig, wenn unklar ist, auf welcher Datengrundlage etwaige Berechnungen basieren oder woher die Quellen stammen. 6.6 Fazit 95 <?page no="96"?> Hilfreich für die Evaluierung ist der Output mit Quellenangabe wie bei Perplexity (w ww.perplexity.ai). In der gewünschten Formatierung der Ausgabe unterscheiden sich die verfügbaren Werkzeuge ebenso. ChatGPT unterstützt mittlerweile unterschiedliche Formate, wie in unseren Beispielen zu sehen ist eine tabellarische Form bis hin zur Codegenerierung. Das ermöglicht eine medienbrucharme Nutzung der Ergebnisse. Neuerdings etabliert sich der Begriff des „Prompt-Engineer“ für jemanden der regelmäßig KI-tools nutzt und somit den Umgang mit diesen bereits vertraut ist. Somit ist der Nutzen von KI bereits heute greifbar. Künftig ist mit weiteren Potentialen als auch mit gesteigerter Qualität zu rechnen. Literatur [1] Prof. Dr. Bendel, Oliver; Gabler Wirtschaftslexikon-Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH. (14. 03 2023). Gernerative KI. Von https: / / wirtschaftslexikon.gabler.de/ definition/ generative -ki-124952/ version-388556 abgerufen 96 6 Einsatzfelder generativer KI im Projektgeschäft <?page no="97"?> 7 KI-Technologien im Einklang mit dem Projektgeschäft, Stakeholder-Management & ethische Grundsätzen Ingo Staack Abstract KI als Mega-Trend ist derzeit in aller Munde und haben in nahezu alle Bereiche des öffentlichen und privaten Lebens Einzug gehalten. Doch gibt es derzeit noch viele Bedenken und Vorurteile. Die Bandbreite reicht dabei von Begeisterung bis Ablehnung. Ängste werden mit der Befürchtung der totalen Überwachung, der Verlust von Arbeitsplätzen und des möglichen Missbrauchs von persönlichen Daten oder Bildern begründet. Mit der KI geht es also wie mit anderen Erfindun‐ gen oder Innovationen. Zuerst herrscht Skepsis und Argwohn. Dabei steht KI erst am Anfang und viele Experten behaupten, dass es noch Jahre oder gar Jahr‐ zehnte dauern wird, bis eine echte KI verfügbar sein wird. Prominenter Vertreter dieser Meinung ist Prof. Dr. Ulrich Walter in seinem Vortrag „Wissenschaft für jedermann“. So ist es nicht verwunderlich, dass das Thema aktuell sehr kontrovers diskutiert wird. [1] Zentrale Frage ist, wie die Akzeptanz von KI-Methoden und Werkzeugen bei Kunden und Beteiligten zu erwarten ist. Mit welchen Hürden, Ängsten und Einstellungen ist also nun im Projektgeschäft zu rechnen? Stichwortliste Stakeholder, Einstellung, Ängste 7.1 Einleitung Meist hängt es von dem Vorwissen der einzelnen Interessensgruppen ab. Zudem werden politische und ethische Rahmenbedingungen die Nutzung und die Anwend‐ barkeit weiter beeinflussen. Dazu hat sich der deutsche Ethikrat exemplarisch in vier Anwendungsbereichen - Medizin, schulische Bildung, öffentliche Kommunikation und Meinungsbildung sowie öffentliche Verwaltung mit dem Thema auseinandergesetzt. „Der Einsatz von KI muss menschliche Entfaltung erweitern und darf sie nicht vermindern. KI darf den Menschen nicht ersetzen. Das sind grundlegende Regeln für die ethische Bewertung“, sagt Alena Buyx, die Vorsitzende des Deutschen Ethikrates. Dabei zeigt sich, dass die Beurteilung von KI immer kontext-, anwendungs- und personenspezifisch erfolgen muss. „Wenn menschliche Tätigkeiten an Maschinen delegiert werden, kann dies für verschiedene Personengruppen, Akteure und Betroffene ganz unterschiedliche Auswirkungen haben“, sagt Judith Simon, die Sprecherin der Arbeitsgruppe. „Daher ist es wichtig, genau hinzuschauen, für wen dies mit erweiterten Handlungsspielräumen verbunden ist und wessen Handlungsmöglichkeiten eher vermindert werden.“ <?page no="98"?> Ergänzend identifiziert der Deutsche Ethikrat zehn Querschnittsthemen und Emp‐ fehlungen, die bereichsübergreifend von Bedeutung für die ethische Einordnung von KI-Anwendungen sind. Darin geht es unter anderem darum, KI zur Entscheidungsun‐ terstützung und nicht zur Entscheidungsersetzung zu verwenden, die Diffusion von Verantwortung zu verhindern, menschliche Kontrolloptionen nicht zu beeinträchtigen und den Zugang zu den Entscheidungsgrundlagen insbesondere in Bereichen mit hoher Eingriffstiefe zu gewährleisten. Weitere Forderungen zielen darauf ab, Verzerrungen, Abhängigkeiten und Missbrauch von Technik sowie unerwünschte Verluste mensch‐ licher Fertigkeiten zu vermeiden. Über alle Anwendungsbereiche hinweg gilt es, die Interessen der Menschen, von denen die in KI-Anwendungen verwendeten Daten stammen, in den Mittelpunkt zu stellen, übermäßige Eingriffe in die Privatsphäre mithilfe effektiver rechtlicher und technischer Vorkehrungen zu verhindern und gleichzeitig eine gemeinwohlorientierte Datennutzung zu ermöglichen. [2] Was eine KI ausmacht und ob die Behauptungen stimmen, wollen wir hier nicht betrachten, sondern gehen davon aus, dass ein KI-System oder ein solches aufbauend auf einem Experten-System die Fähigkeit besitzt, auf Basis von Daten (Input) die erforderlichen Ergebnisse (Output) zu liefern, die es anhand eines vorgeschalteten maschinellen Lernens trainiert hat bzw. trainiert wurde. Das bedingt zuallererst eine saubere, redundanz- und widerspruchsfreie Datenbasis, um hieraus valide Trainings‐ daten abzuleiten. Danach werden die Rahmenbedingungen und das Trainingsziel vorgegeben. In diesem Kapitel werde ich mögliche Haltungen und dessen potentiellen Auswir‐ kung auf das Projektgeschäft abschätzen und übliche Handlungsempfehlungen geben. Dazu haben wir zunächst im Rahmen einer Umfeld- und Stakeholderanalyse Fak‐ toren und Personengruppen identifiziert, diese in die entsprechenden Felder mit niedrigem oder hohem Einfluss eingeordnet und werden mögliche negative als auch positive Haltungen beschreiben. Es ist, wie o. g. der Anwendungsfall kontext-, anwendungs- und personenspezifisch zu betrachten, so dass die Akzeptanz von KI sich jeweils schwer verallgemeinern noch vorhersehen lässt. Die Einstellung und Haltung kann und wird sich mit der Zeit sicherlich verändern. Ob ins Negative oder ins Positive hängt, davon ab, ob wir das notwendige Vertrauen in diese Technologie und damit eine höhere Glaubwürdigkeit und somit Akzeptanz in unserer Gesellschaft schaffen werden. 7.2 Umfeld- und Stakeholderanalyse Die Umfeld- und Stakeholderanalyse dienen dazu das Projektumfeld zu analysieren. Im Fokus stehen dabei Einflussfaktoren als auch Personen oder Personengruppen, die auf unterschiedliche Weise Einfluss auf das Projekt nehmen könnten. Sie wird üblicherweise erstmals vor oder spätestens bei Beginn eines Projektes durchgeführt und sollte in regelmäßigen Abständen überprüft und gegebenenfalls aktualisiert werden. Wichtig in diesem Zusammenhang ist, dass nicht die tatsächliche 98 7 KI-Technologien im Einklang mit dem Projektgeschäft, Stakeholder-Management & ethische Grundsätzen <?page no="99"?> Betroffenheit, sondern zusätzlich auch die gefühlte Betroffenheit des Umfeldes unter‐ sucht wird. So ist es zwar möglich, dass potenzielle Einflussnehmer gar nicht betroffen sind, aber trotzdem enormen Einfluss auf das Projekt ausüben. Ergebnis einer Projektumfeld- und Stakeholderanalyse ist die Erkenntnis darüber, was oder wer welchen Einfluss auf das Projekt hat. Dies offenbart potenzielle „Fettnäpfe ebenso, wie die Möglichkeit wohl gesonnene Einflussnehmer für die eigene Sache ins Feld zu führen“. [3] Umfeld- und Stakeholdermatrix Abb. 7-1: Umfeldanalyse Während die sachlichen Faktoren unumstößlich sind und Anforderungen hieraus umgesetzt werden müssen, fokussieren wir uns hier nun auf die sozialen Faktoren bzw. die konkreten Personen und Personengruppen aus nachfolgenden Stakeholder: 7.2 Umfeld- und Stakeholderanalyse 99 <?page no="100"?> Abb. 7-2: Stakeholderanalyse Niedriger Einfluss - negative Einstellung Die Technologie ist aus der Sicht dieser Gruppe nicht etabliert. Ergebnisse werden angezweifelt und mit Skepsis betrachtet. Akzeptanz ist nicht gegeben und Nachteile werden befürchtet. Diese Gruppe kann das Projekt zwar nicht direkt oder nur im geringen Maße beeinflussen, kann aber durch Ihr „Verhalten“ für ein schlechtes Image sorgen, was sich wiederum auf andere Stakeholder und somit auf das Projekt negativ auswirken kann. Niedriger Einfluss - positive Einstellung Diese Gruppe sind die Meinungs-Multiplikatoren des Projektes. Sie können Zweifler besänftigen bzw. zu Befürwortern überreden. Also insgesamt positiv auf andere Stakeholder einwirken. 100 7 KI-Technologien im Einklang mit dem Projektgeschäft, Stakeholder-Management & ethische Grundsätzen <?page no="101"?> Selbstverwirklichung Individualbedürfnisse Soziale Bedürfnisse Sicherheits Bedürfnisse Physiologische Bedürfnisse Abb. 7-3: Maslowsche Bedürfnispyramide Hoher Einfluss - negative Einstellung Diese Gruppe wird meist von besagten Ängsten und Vorurteilen getrieben, die nach der Bedürfnispyramide nach Maslow die psychologischen und die für Sicherheit relevanten Grundbedürfnisse gefährden. Sie bedroht das Gelingen oder gar das ganze Vorhaben und kann jederzeit das Projekt, bzw. den Projektverlauf stark verändern, starke Störungen verursachen oder gar zu einer vorzeitigen Beendigung drängen bzw. ihren Einfluss dahingehend geltend machen. Hoher Einfluss - positive Einstellung Diese Gruppe sind die Sponsoren und Macht-Promotoren. Sie geben dem Projekt und dem Projektteam die nötige Rückendeckung, um gegen negativ eingestellte Stakeholder zu bestehen und etwaigen negativen Einflüssen entgegenzuwirken. Wie erkenne ich nun, ob der Stakeholder der KI negativ oder positiv eingestellt ist? Was sind Indikatoren, die die Einstellung manifestieren? Im Zweifel oder in den Vorwegen einer Meinungsbildung ist es empfehlenswert, wenn nicht gar notwendig in Kontakt mit den Betroffenen zu treten und diese zu dem Thema zu interviewen oder ggfs. vorab zu überzeugen. 7.2 Umfeld- und Stakeholderanalyse 101 <?page no="102"?> Resultierend aus den Gesprächen mit diesem Personenkreis sollte abzuschätzen sein, ob bei den getätigten Aussagen der Interviewten von einer negativen oder von eher positiver Einstellung auszugehen ist. Sachliche Zwänge sind daran zu erkennen, dass Regularien die Freiheit im Umgang mit der KI einschränken oder begrenzen. Dazu hat die EU im April 2021 eine Richtlinie vorgeschlagen. Darin wird empfohlen, dass KI-Systeme, die in verschiedenen Anwen‐ dungen eingesetzt werden können, je nach dem Risiko, das sie für die Nutzer darstellen, analysiert und eingestuft werden. Die verschiedenen Risikostufen unterliegen zu mehr oder weniger Regulierung. Nach ihrer Verabschiedung werden dies die weltweit ersten rechtlichen Vorschriften für KI sein. Das Europäische Parlament will vor allem sicherstellen, dass die in der EU einge‐ setzten KI-Systeme sicher, transparent, nachvollziehbar, nichtdiskriminierend und umweltfreundlich sind. KI-Systeme sollten von Menschen und nicht von der Automa‐ tisierung überwacht werden, um schädliche Ergebnisse zu verhindern. Das Parlament möchte außerdem eine technologieneutrale, einheitliche Definition für KI festlegen, die auf zukünftige KI-Systeme angewendet werden könnte. Die neuen Vorschriften legen Verpflichtungen für Anbieter und Nutzer fest, die sich nach dem Risiko, das von dem KI-System ausgeht, richten. Obwohl viele KI-Systeme ein minimales Risiko darstellen, müssen sie bewertet werden. [4] Mögliche Maßnahmen, um Zweifler oder Stakeholder mit negativer Einstellung zu überzeugen, sind: ■ Gute positive Referenz-Ergebnisse aufzeigen (Leuchttürme) ■ Positiver Feedback aus Piloten publizieren ■ Vorträge und Beiträge populärer Sprecher (Prof. Dr. Ullrich Walter) ■ Gemeinsame Gespräche und Workshops, um Überzeugungsarbeit zu leisten Es ist somit grundsätzliche eine Entscheidung zu treffen, ob, wo und wie man KI im Projektgeschäft einsetzt. Wen setze ich davon in Kenntnis und kommuniziere dieses? Dabei gilt es abzuwiegen, welche Konsequenzen folgen aus der Entscheidung und gefährden ggfs. sogar das Projektergebnis. Im Sinne des Projekt- und Stakeholder-Management ist ein Zustand von Zufrieden‐ heit bei allen Beteiligten zu erreichen. 7.3 Chance oder Risiko Abhängig vom Einsatzgebiet kann KI dabei die folgenden Potentiale schöpfen. Aber auch Risiken müssen Berücksichtigung finden. Beide werden im Folgenden erläutert: 102 7 KI-Technologien im Einklang mit dem Projektgeschäft, Stakeholder-Management & ethische Grundsätzen <?page no="103"?> Potentiale: ■ Steigerung der Effizienz im Projektgeschäft (Auswahl des Vorgehensmodells, Analyse bzw. Bedarf der für die Umsetzung benötigten Fähigkeiten identifizieren, Analyse und Bewertung der Anforderungen, etc.) ■ Zeitersparnis durch Entfall von händischen, unproduktiven Tätigkeiten wie z. B. die Erstellung als auch Prüfung von Dokumenten, Verträgen, etc. ■ Reduktion von Reaktionszeiten ■ z.B. Automatisierte Analyse der Lieferketten (Verfügbarkeiten, Lieferzeiten, Eng‐ pässe, geänderte politische Lage, Importvorschriften, Sanktionen, etc.). ■ Planung von Ressourcen ■ Automatisierte Planung des Projektablaufes sowie fortlaufende Optimierung bzgl. Verfügbarkeit, Kapazitäten und Ressourcen. ■ Unterstützung im Risikomanagement ■ Automatisierte Identifikation und Beobachtung von Risikoindikatoren. Weitere Anwendungsfälle mit Potential: ■ Unterstützung im Beschaffungsprozess (siehe Kapitel: Operativer Einsatz von KI im Einkauf-/ Vertragswesen) ■ Codegenerierung bei SW-Projekten ■ Controlling Funktionen wie das Überwachen von Leistung, Qualität, Budget und Terminen ■ Marketing ■ Berichtswesen und Lesson Learned (Wissensmanagement) Nicht alle Aufgaben sind per se für eine KI geeignet oder sie können gar mit anderen Werkzeugen sogar besser bedient werden wie z. B. die Überwachung von Budgets, Projektfortschritt etc. KI sollte keine Methode zum Selbstzweck werden, um auch nicht unnötige Risiken zu produzieren. Risiken Fehlinterpretation der Daten oder Trainingsvorgaben führen zu falschen Ergebnissen sowie den Verlust von Glaubwürdigkeit und Vertrauen in die Technologie. Um dem entgegenzuwirken ist es existentiell, dass der Mensch die Ergebnisse validiert bevor er diese verwendet. Dazu muss der Mensch in der Lage sein, die Ergebnisse zu interpretieren und in den einzelnen Schritten nachzuvollziehen. Dazu muss er folgende Fragen beantworten können: ■ Wie können die KI-Ergebnisse validiert werden und wurde bei der Datenbereit‐ stellung und Formulierung der Trainingsziele darauf geachtet? ■ Müssen gesonderte Prüfverfahren integriert werden? 7.3 Chance oder Risiko 103 <?page no="104"?> ■ Welche Daten wurden für das Training genutzt? ■ Welche Muster wurden von der KI erkannt? ■ Haben die die Ergebnisse einen Bezug zu den Trainingszielen und der Aufgaben‐ stellung? ■ Ist das Ergebnis nachvollziehbar? 7.4 Fazit KI soll dem Projektgeschäft dienen, um Wissen zu erfassen und weiterzuentwickeln, unproduktive Tätigkeiten zu übernehmen, Risiken zu vermindern und den Projektmit‐ arbeiter(in) zu unterstützen. „Daher ist es wichtig, genau hinzuschauen, für wen dies mit erweiterten Handlungs‐ spielräumen verbunden ist und wessen Handlungsmöglichkeiten eher vermindert werden.“ sagt Judith Simon, die Sprecherin der Arbeitsgruppe des deutschen Ethikrates. [2] Der Aussage möchte ich mich anschließen. Am Ende obliegt es dem Menschen als letzte Instanz, KI-Ergebnisse zu bewerten und die Verwendung freizugeben und darauf zu achten das ethische Grundsätze nicht verletzt, Menschen und Projekte keinen Schaden erleiden. Literatur [1] Prof. Dr. Walter, U. (19. 10 2022). Deutsches Museum: Wissenschaft für jedermann. Von YouTube: Ulrich Walter: Künstliche Intelligenz für Dummies: https: / / www.youtube.com/ wa tch? v=B7vCtHvYMyE abgerufen [2] deutscher Ethikrat, J. H. (2=. 03 2023). Ethikrat: Künstliche Intelligenz darf menschliche Entfaltung nicht vermindern. Von Pressestelle des deutschen Etikrats: https: / / www.ethikrat. org/ pressekonferenzen/ veroeffentlichung-der-stellungnahme-mensch-und-maschine/ abge‐ rufen [3] TRUECARE® GmbH. (04. 05 2018). Das Projektmanagement Handbuch PMH. Von Um‐ feldanalyse: https: / / www.projektmanagementhandbuch.de/ handbuch/ projektplanung/ umfe ldanalyse/ abgerufen [4] Europäisches Parlament. (14. 06 2023). KI-Gesetz: erste Regulierung der künstlichen Intelligenz. Von https: / / www.europarl.europa.eu/ news/ de/ headlines/ society/ 20230601STO9 3804/ ki-gesetz-erste-regulierung-der-kunstlichen-intelligenz? &at_campaign=20226-Digi-tal &at_medium=Google_Ads&at_platform=Search&at_creation=RSA&at_goal=TR_G&at_adv ertiser=Webcomm&at_audi abgerufen 104 7 KI-Technologien im Einklang mit dem Projektgeschäft, Stakeholder-Management & ethische Grundsätzen <?page no="105"?> 8 KI im Projektmanagement Office Gerhard Ortner Abstract KI-Systeme werden Projektmanagement Offices (PMO) in Zukunft tatkräftig unterstützen (können). Die schnellen Entwicklungen in jüngster Zeit geben dem PMO mit KI-Technologie ein vielseitig einsetzbares und sehr mächtiges Tool in die Hand. Die PMO müssen in nächster Zukunft die Vorteile dieser Technologie (z.B. schnelle Auswertung heterogener Datenbestände) kennenlernen, ausloten und sinnvoll einsetzen. Dabei sind sehr viele Bereiche in denen PMO bisher agieren - auch wenn sie abhängig vom Organisationskontext sehr verschieden aufgestellt sein können - betroffen. In einem ersten Schritt werden die PMO-Aufgaben bzw. Funktionsbereiche daher darauf untersucht, wo - zumindest mittelfristig - Einsatzgebiete für KI entstehen werden und welche neuen Aufgaben dabei für ein PMO entstehen. Gleichzeitig werden KI aber vielleicht sogar in direkte Konkurrenz zu PMO treten. Das kann zur Notwendigkeit einer Hinterfragung von PMO bzw. zu einer Neuaufstellung von PMO führen. In einem zweiten Schritt werden daher die Veränderungen in und am PMO der Zukunft, die durch Möglichkeiten von KI ausgelöste werden, diskutiert, um Potentiale- und Changebedarf rechtzeitig zu erkennen. Stichwortliste PMO, KI, Einsatzgebiete, Grenzen, Veränderung 8.1 Das Projektmanagement Office als innerbetrieblicher Dienstleister Ein Projektmanagement-Office (PMO) kann sehr unterschiedliche Ausprägungen annehmen. Dementsprechend sind auch die Aufgaben und Verantwortungsbereiche unterschiedlich breit gefächert [1]. Es existieren verschiedene Einteilungskriterien nach denen PMO untergliedert werden können. Eine Möglichkeit ist zum Beispiel die Eingliederung in einer Organi‐ sation. Man spricht dann von einem Level-3 PMO, wenn das PMO im Bereich der Unternehmensleitung angesiedelt ist - etwa als Stabsstelle. Level -2 PMO sind dann auf der Ebene von Business Units eingegliedert und ein Level-1 PMO liegt innerhalb einer Abteilung, recht nahe an den laufenden Projekten. Eine andere weit verbreitete Einteilung ist die nach Funktionen. Hier haben sich Bezeichnungen wie Directive, Controlling und Supportive PMO etabliert. <?page no="106"?> Supportive PMO legen ihren Schwerpunkt auf die unterstützenden Tätigkeiten für Projekte, deren Teams und die Projektleitungen. Controlling PMO gehen einen Schritt weiter und versuchen durch die Aggregation von Daten auch über mehrere oder viele Projekte hinweg Effizienz und Effektivität zu steigern. Ein Directive PMO kann darüber hinaus projektrelevante Entscheidungen (z.B. Projektauswahl, Priorisierung, Personalentscheidungen, Abbruch, etc.) selbst treffen oder mitbestimmen. PMO haben verschiedene Stakeholder, denen sie abhängig von ihrer Positionierung in der Organisation, unterschiedliche Leistungen liefern können und somit an unter‐ schiedlichen Stellen im Unternehmen Nutzen stiften. Das fängt bei der Unterstützung einzelner in Projekten arbeitenden Personen wie Teammitgliedern und Projektleitern an (Supportive PMO), geht über Leistungen für das Mittelmanagement (etwa Abtei‐ lungen, Portfolios, etc.) bis hin zu Governance-Gremien und der Unternehmensleitung (Controlling oder Directive PMO). Hier muss aber auch erwähnt werden, dass sich die wirkliche Nutzenmessung eines PMO sehr schwierig gestaltet, da sich in den meisten Fällen der Nutzen des PMO indirekt manifestiert (die Unternehmensleitung hat einen besseren Überblick über die Projektlandschaft, Projekte laufen „runder“, die Weiterbildung in Projektmanagement Themen verbessert sich, Lerneffekte können besser genutzt werden, …). 8.2 Mögliche Einsatzgebiete von KI in einem Projektmanagement Office Will man zukünftige Einsatzgebiete für KI-basierte Lösungen in PMO untersuchen, kann man in einem ersten Ansatz verschiedene mögliche Stakeholder bzw. Nutznießer unterscheiden: ■ die Projekte selbst bzw. die Projektteams, ■ die Projektleitungen, ■ das PMO, ■ oder das Unternehmen als Ganzes bzw. das Management. KI-Systeme spielen schon jetzt ihre Stärke vor allem in den Bereichen aus: 1. wo große Datenmengen verarbeitet werden sollen, die aus unterschiedlichsten Datenformaten bestehen können - aus denen diese Systeme nebenbei auch laufende (weiter-)lernen können, 2. wo es darum geht Muster zu erkennen (Bildverarbeitung und -generierung ist z. B. schon jetzt ein oft genutztes Anwendungsgebiet) um daraus Trends oder Vorhersagen abzuleiten, 3. wo komplexe Aufgaben und Prozesse zu automatisieren sind, indem wiederkeh‐ rende Muster erkannt und darauf basierend Aktionen ausgeführt werden sollen, 4. wo Informationen (z. B. aus Textquellen) zusammengefasst und strukturiert wer‐ den müssen, 106 8 KI im Projektmanagement Office <?page no="107"?> 1 Cost Performance Indicator und Schedule Performance Indicator in der Earned Value Analyse 5. wo über ein einfach zu bedienendes Interface (natürliche Sprachverarbeitung (NLP) via Chatbot oder gesprochene Sprache) mit einem IT-System interagiert werden soll, egal ob vom Desktoprechner, Tablett oder Mobiltelefon aus. Damit ergeben sich schon heute für die Unterstützung von PMO recht klar erkennbare Anwendungsgebiete mit direktem Nutzen für gleich mehrerer PMO-Stakeholder. Die Unterstützung von Planungs- und Controllingtätigkeiten hilft Projektleitungen, einzelnen Teammitgliedern und auch dem PMO z.-B. bei: ■ der Zeitplanung: KI kann mithilfe von Algorithmen komplexe Projektpläne erstellen und optimieren (z. B. komplexe Netzpläne). Dabei berücksichtigt sie Abhängigkeiten zwischen Aufgaben, Ressourcenverfügbarkeit und Projektziele, um realistische Zeitpläne zu erstellen. ■ dem Risikomanagement: KI kann Risikomodelle erstellen, um potenzielle Pro‐ jektgefahren und Chancen zu erkennen und zu bewerten. Durch die Analyse großer Datenmengen kann sie frühzeitig auf kritische Risiken aufmerksam machen und das Risikomanagement bei der Entscheidungsfindung unterstützen. ■ dem Ressourcenmanagement: KI kann dabei helfen, die Ressourcenplanung zu optimieren, indem sie historische und aktuelle Daten analysiert, um den Bedarf an Mitarbeitern, Materialien und Ausrüstung zu prognostizieren und Engpässe frühzeitig zu identifizieren. Dabei stehen nicht nur einzelnen Projekte im Fokus, sondern es können endlich auch substantielle Fortschritte bei einem ganzheitlichen Ressourcenmanagement (für Projektaktivitäten und Tätigkeiten in der Linie) gemacht werden. Dieser Bereich ist in den meisten Unternehmen auch trotz Einsatz von professioneller PM-Software bisher ein wunder Punkt geblieben (schlechte Datenqualität und -aktualität, Miteinbeziehung der Aktivitäten außerhalb von Projekten). ■ der Kostenkontrolle: KI kann Ausgaben und Budgets überwachen, Abweichun‐ gen erkennen und Analysen durchführen, um die Kosten im Projekt zu kontrollie‐ ren und mögliche Kostenüberschreitungen frühzeitig zu erkennen (z. B. Earned Value Management - EVM). Dabei kann KI Daten aus den unterschiedlichsten Bereichen (Buchhaltung, Personalverrechnung, Logistik, Unternehmensrechnung, …) durchstöbern und aggregieren. ■ das Leistungs- und Termincontrolling: KI hat durch die kontinuierliche Beob‐ achtung des Projektgeschehens (entstanden Artefakte, laufende Zeitaufzeichnun‐ gen, entstandene Dokumente, usw.) eine tagesaktuelle Übersicht über den Fortgang des Projektes. Daraus lassen sich dann z. B. Indikatoren wie CPI und SPI 1 darstellen. ■ Das Reporting: durch das laufende Projektmonitoring aus dem Controlling wird es einer KI recht leicht fallen auf Knopfdruck Berichte (Status- oder Fortschritts‐ berichte, Datenanalysen, …) vorzubereiten und durch aktuelle Datenauswertungen anschauliches Zahlenmaterial bzw. graphische Darstellungen zu generieren. Die KI 8.2 Mögliche Einsatzgebiete von KI in einem Projektmanagement Office 107 <?page no="108"?> wird damit Projektleitungen beim Reporting entlasten aber auch im Multiprojekt‐ management wertvolle Dienste für das PMO und Portfolioverantwortliche leisten. Für das laufenden Projektgeschäft lassen sich weitere Bereiche identifizieren, die von KI-Unterstützung profitieren können. Dabei entsteht nicht nur für einzelnen Projekte Nutzen, sondern es kann die ganze Projektlandschaft eines Unternehmens (Portfolios) und auch der Governance-Bereich vom Einsatz von KI profitieren. Einsatzmöglichkei‐ ten bestehen z.-B. im: ■ Kommunikation und Stakeholder-Management: KI kann mithilfe von natür‐ licher Sprachverarbeitung die Kommunikation mit den Stakeholdern unterstützen, indem sie E-Mails, Berichte und andere Dokumente analysiert, um relevante Informationen zu extrahieren und Kommunikationsmuster zu verbessern. Es können auch Informationen für verschiedenen Stakeholdergruppen (z. B. PAG, LA) leichter individuell aufbereitet werden (ein Beispiel wären Fortschrittsberichte). ■ Qualitätskontrolle: KI kann Daten-/ Dokumentenanalyse nutzen, um Qualitäts‐ metriken zu überwachen und die Einhaltung von Standards in Projekten sicherzu‐ stellen. Durch die Verwendung von Machine Learning kann sie auch Anomalien erkennen und auf mögliche Qualitätsprobleme hinweisen. ■ Änderungsmanagement: KI kann Änderungen im Projektumfang und -plan erkennen, analysieren und deren Auswirkungen auf das Projekt vorhersagen, um eine bessere Anpassung an unvorhergesehene Ereignisse zu ermöglichen. Das hilft nicht nur der Projektleitung, sondern auch den Projektauftraggebern beim Steuern der Projekte. ■ Entscheidungsunterstützung: KI kann bei komplexen Entscheidungen im Pro‐ jektmanagement unterstützen, indem sie alternative Szenarien modelliert und Vor- und Nachteile bewertet, um bessere Entscheidungsgrundlagen zu bieten. Diese Unterstützung kann insbesondere für Governance-Gremien wie z. B. Lenkungs‐ ausschüsse oder Portfolio-Gremien eine zusätzliche Hilfe bei der Entscheidungs‐ findung darstellen. ■ Wissensmanagement: KI kann dabei helfen, Erfahrungen und Wissen aus vergangenen Projekten zu nutzen, um bewährte Praktiken zu identifizieren und in neuen Projekten anzuwenden, um die Effizienz und Qualität zu verbessern. Dabei geht es nicht nur um die Sammlung von z. B. Lessons Learned, sondern viel mehr um eine neue Art der Aufbereitung und zur Verfügung Stellung solcher Erkenntnisse. Statt in schlecht gepflegten Datenbanken mühsam zu suchen, kann man einfach den Wissens-Chatbot fragen, und das vielleicht auch gleich in gesprochener Sprache. ■ Team- und Mitarbeiterunterstützung: KI kann das Teammanagement erleich‐ tern, indem sie die Mitarbeiterleistung überwacht - ein sehr sensibler Themenbe‐ reich über den sicher noch ein ethischer Diskurs geführt werden wird -, Feedback bereitstellt und Personalressourcen entsprechend den Projektanforderungen vor‐ 108 8 KI im Projektmanagement Office <?page no="109"?> schlägt oder zuweist. Auch in virtuellen/ verteilten Projektsettings ist zusätzliche Unterstützung denkbar. Alle diese Bereiche sind derzeit Arbeits- und Aufgabengebiete in denen PMO mit ihren Mitarbeitern Unterstützungsleistungen anbieten (können). Der Einsatz von KI kann hier einerseits große Entlastungen bedeuten, kann aber auch andererseits neue oder erweiterte Aufgaben in den Fokus bringen. Es werden damit Dinge möglich, die bisher durch Ressourcenengpässe oder technologische Beschränkungen einfach nicht effizi‐ ent leistbar waren. Zum Beispiel: ein unternehmensweites Ressourcenmanagement mit aktuellem und qualitativ gut gepflegtem Datenbestand. 8.3 Neue Aufgaben des PMO beim KI-Einsatz Die Fortschritte bei den Entwicklungen im Bereich Künstlicher Intelligenz werden in naher Zukunft Auswirkungen auf das Projektmanagement und auch auf die Arbeit im PMO haben. Noch ist es schwierig abzuschätzen, wie weit diese Veränderungen im Einzelnen gehen werden. KI wird sehr schnell viele methodengestützte Aufgaben in Projekten erleichtern [2] und dabei Projektleitungen aber auch Projektmanagement Offices teilweise entlasten oder manche Aufgabe überhaupt komplett übernehmen können. Die Integration von KI in das Projektmanagement einer Organisation bringt für das PMO neue und anspruchsvolle Aufgaben mit sich. Die rasante Entwicklung auf diesem Gebiet muss aufmerksam verfolgt werden, während die Auswirkungen und Veränderungen rechtzeitig erkannt und umgesetzt werden müssen, um die Wettbe‐ werbsfähigkeit der Organisation zu erhalten. Hierbei kann ein gut aufgestelltes PMO einen wertvollen Beitrag leisten. Zu den neuen Aufgaben des Projektmanagement Offices gehören unter anderem [1]: ■ Die Beobachtung der technologischen Entwicklung von KI-Systemen im Allgemei‐ nen. ■ Die kontinuierliche Evaluierung des sinnvollen Einsatzes von KI im Projektma‐ nagement. ■ Das Testen und Beschaffen entsprechender Systeme. ■ Die Anpassung oder das Training von KI-Komponenten auf Basis vorhandener Prozesse, Daten vergangener Projekte und Lessons Learned. ■ Die Integration von KI-Komponenten an relevanten Stellen im Projektmanage‐ ment, wo sie Mehrwert bieten. ■ Die Schulung der Stakeholder, angefangen von Projektteammitgliedern bis hin zur Führungsebene. ■ Die Initiierung von Changeprozessen, die durch die Einführung von KI in Projekt‐ management-Aufgaben und -Prozesse erforderlich werden [3]. 8.3 Neue Aufgaben des PMO beim KI-Einsatz 109 <?page no="110"?> 2 Eine kleine Übersicht gibt das KI Application Tools Glossary unter https: / / www.lpm.sogln.de/ mod/ glossary/ view.php? id=1400&mode=cat&hook=108 3 siehe Anschnitt 8.3 ■ Die kritische Überwachung der Arbeitsweise von KI-Systemen hinsichtlich Risi‐ ken, Voreingenommenheit (Bias) und potenzieller blinder Flecken. ■ Die Reflexion über die Auswirkungen solcher Systeme auf die Aufgabenbereiche des PMO. Das PMO steht dabei im Zentrum der Entwicklungen in der Projektmanagementland‐ schaft für die kommenden Jahre. Durch die Bündelung von Projektmanagement Knowhow, Daten und Prozess Know-how wird das PMO zum wichtigsten Stakeholder für die zukünftige Integration von KI in das Projektgeschehen einer Organisation. 8.4 Einzelne KI-Tools oder integrierte KI Derzeit stehen wir gerade am Beginn einer umfangreichen Veränderung der Projekt‐ management Softwarelandschaft, die durch KI angestoßen wird. Es arbeiten fast alle renommierten Hersteller von PM-Software an der Integration von KI-Techniken in ihre schon bestehenden Produkte. Anderseits bietet die in jüngster Zeit schnell voranschreitende Evolution im KI-Bereich auch vollkommen neuen Anbietern, die bisher nicht am PM-Softwaremarkt aufgetreten sind - dabei sind auch eine ganz Fülle von Startups aus dem KI Sektor - eine Chance für einen Markteintritt in dieser Sparte. Schon jetzt gibt es eine breite Vielfalt an KI gestützten Tools, die sich im Pro‐ jektmanagement einsetzen lassen. 2 Projektleiter oder das PMO können sich daraus individuell Tools für die Unterstützung ganz unterschiedlicher Projektmanagement Aufgaben heraussuchen. Für das PMO entsteht damit die Herausforderung diese neue Produktlandschaft zu beobachten und Produkte zu identifizieren, die zum bestehenden Toolset der eigenen Organisation passen (incl. Beschaffung, Einführung, Schulung und Wartung). Den Einzeltools stehen naturgemäß integrierte PM-Softwarelösungen (z.-B. für den ganz Projektlebenszyklus) gegenüber, die entweder um KI-Komponenten erweitert werden oder überhaupt komplett als neu designte KI (Projektmanagement-)Lösungen entwickelt werden. Auch werden universelle ERP-Lösungen in naher Zukunft wohl stufenweise um KI-Komponenten ergänzt. Dem ganzen ERP-Bereich könnte zumindest mittelfristig durch KI eine wirkliche Revolution ins Haus stehen. Für ein PMO entstehen durch diese neuen bzw. adaptierten Softwareprodukte für das Projekt-, Programm- und Portfoliomanagement Anpassungsbedarf bei den organisati‐ onsweiten PM-Prozessen, der Aufbau neuer Schulungsmaßnahmen für Mitarbeiter, eine Überarbeitung der bisherigen Datenverarbeitung (Erhebung, Aggregation, Ver‐ teilung), eine mögliche Adaption von Rollenbeschreibungen (inkl. Verantwortung, Governance) und ein Redesign des eigenen Wirkungsbereiches (Abgabe von Aufgaben, Übernahme neuer Aufgaben 3 ). 110 8 KI im Projektmanagement Office <?page no="111"?> 8.5 KI als Ersatz für ein Projektmanagement Office? Wie schon festgestellt sind die Einsatzgebiete von KI im Projektmanagement Bereich mannigfaltig und bei vielen Aufgabengebieten eines PMO könnte KI nicht nur zur Unterstützung für ein PMO eingesetzt werden, sondern diese Aufgaben in einiger Zeit vielleicht komplett übernehmen (z. B. First-Level-Supportfunktionen). Dann stellt sich die Frage, ob sich ein PMO mit dem Einsatz von KI-Technologie nicht langsam Schritt für Schritt selbst wegrationalisiert. Gerade in PMO-Settings, die sehr stark unterstützenden Charakter (Supportive PMO) haben, ist das ein durchaus vorstellbares Szenario. Wenn so ein PMO keinen zusätzlichen Nutzen mehr stiftet, wird wohl die Frage nach seiner Daseinsberechtigung durch das Management zu stellen sein. Schon jetzt kann man in anderen Bereichen erkennen, dass z.B. First Level Support Abteilungen aufgelöst und durch Chatbot-Lösungen ersetzt werden. Aber dazu muss es nicht zwingend kommen, da durch den KI-Einsatz - wie oben schon erwähnt - ja auch neue Aufgabenfelder durch ein PMO angegangen werden. Das PMO muss seine Rolle bzw. Funktionen über die Zeit anpassen und mit der Evolution der KI selbst Weiterentwicklungsschritte setzen. Das kann zum Beispiel in die Richtung von mehr Verantwortungsübernahme (gegenüber der Unternehmensleitung) gehen, d. h. das PMO entwickelt sich aus der Supportiv Rolle in die Richtung eines Controlling oder Directive PMO und delegiert Support Aufgaben an die „neue Mitarbeiterin KI“. Aber gerade alle Aufgaben, in denen ein PMO an der Ausgestaltung der Organisation oder an der Optimierung von Prozessen arbeitet - d. h. als Treiber von Change agiert - werden noch lange menschlicher Mitarbeit bedürfen. Hier ist zu viel internes Organisations-Know-how, Prozessverständnis und sehr individueller Umgang mit einzelnen Personen oder Organisationsteilen notwendig, um das in absehbarer Zeit durch KI automatisieren zu können. 8.6 Die Grenzen einer KI im Projektemanagement Office Der Einsatz von KI wird daher seine Grenzen haben. Viele Unternehmen werden in den nächsten Jahren mit KI-Systemen experimentieren und die Grenzen für einen sinnvollen (effizienten und effektiven) Einsatz ausloten. In einigen Bereichen kann man aber derzeit davon ausgehen, dass KI nicht oder nur „unter Aufsicht“ menschli‐ cher Letztentscheider eingesetzt wird. Insbesondere Bereiche in denen strategische Entscheidungen getroffen werden müssen, eignen sich weniger für den Einsatz von KI. Gerade Entscheidungen in höheren Managementbereichen werden wohl noch längere Zeit Menschen vorbehalten werden. Und auch in Bereichen in denen es vor allem auf menschliche Kreativität, zwischenmenschliche Interaktion, moralisches oder ethisches Handeln ankommt, sind die Handlungsfelder, bei denen eine KI im PMO derzeit nicht gut vorstellbar eingesetzt werden kann. Solche Bereiche sind unter anderem: 8.5 KI als Ersatz für ein Projektmanagement Office? 111 <?page no="112"?> ■ Empathie und zwischenmenschliche Interaktion: KI ist bisher nicht in der Lage, menschliche Emotionen und Empathie vollständig zu verstehen oder zu replizieren. Daher werden KI-Systeme in Projektmanagement-Bereichen, die eine starke zwischenmenschliche Interaktion erfordern, wie z. B. Mitarbeiterführung und Stakeholder-Management, wahrscheinlich vorerst keine umfassende Rolle spielen. Auch das Konflikt- oder Claimmanagement ist ein Bereich in dem die zwischenmenschliche Interaktion entscheidend für gute Lösungen ist. Auch hier ist KI bestenfalls als „Nebendarstellerin“ oder Hilfskraft zu sehen. ■ Changemanagement und Organisationskultur: Die Einführung neuer Tech‐ nologien---einschließlich KI---erfordert oft ein umfassendes Changemanagement und die Integration in die bestehende Organisationskultur. KI-Systeme allein können diese Aufgaben nicht bewältigen und werden daher nicht in der Lage sein, diese Aspekte des Projektmanagements zu übernehmen. Gerade PMO werden oft auch als Changemanager im Unternehmen eingesetzt, sie sollen (neue) PM- Prozesse einführen/ optimieren, Karrierepfade eröffnen, neue Vorgehensmodelle einführen etc. Hierzu bedarf es viel Kommunikation, Fingerspitzengefühl und menschlichen Einfühlungsvermögen - derzeit wohl keinen Stärken von KI. ■ Kreativität und Innovation: KI kann repetitive Aufgaben automatisieren und Daten analysieren, aber es ist immer noch schwierig, menschliche Kreativität und Innovationsfähigkeit vollständig nachzubilden. Projektmanagement-Aufgaben, die einen hohen Grad an kreativen Entscheidungen erfordern, sind daher weniger für den Einsatz von KI geeignet. ■ Ethik und Moral: Projektmanagement beinhaltet oft Entscheidungen, die ethi‐ sche Fragen aufwerfen können, wie z. B. die Auswirkungen auf die Gesellschaft, Umwelt oder Arbeitskräfte. KI-Systeme werden Schwierigkeiten haben, komplexe ethische Abwägungen zu treffen und können daher in solchen Situationen nicht angemessen eingesetzt werden. Dieses Dilemma ist schon lange aus der Entwick‐ lung von autonomen Fahrzeugen bekannt. ■ Kritische Sicherheitsbereiche: In bestimmten Branchen oder Projekten, in denen Sicherheit eine sehr wichtige Rolle spielt, könnten KI-Systeme vorerst nicht als Hauptinstrument eingesetzt werden. Die Verantwortung für die Sicherheit liegt oft bei menschlichen Fachleuten, die in der Lage sind, die Komplexität und die möglichen Auswirkungen von Entscheidungen besser zu bewerten. Ein PMO in einem Pharmabetrieb wird zum Beispiel genau analysieren müssen in welchen Bereichen der Einsatz von KI möglich ist. ■ Multinationale Settings: Einige Staaten beginnen gerade über Regularien für den Einsatz von KI nachzudenken. Sollten hier unterschiedliche Vorschriften oder Restriktionen entstehen, kann das in international agierenden Unternehmen zu Compliance Problemen führen. 112 8 KI im Projektmanagement Office <?page no="113"?> 8.7 Resümee Zusammenfassend kann gesagt werden, dass gerade ein PMO durch den Einsatz von KI in Zukunft recht stark betroffen sein wird, von dieser Entwicklung aber auch überdurchschnittlich profitieren wird können. In vielen repetitiven Prozessen der Sammlung, Aggregation und Auswertung von Daten, die bisher nicht optimal oder effizient durch Software unterstützt werden konnten, werden durch KI-Technologien Potentiale zur Automatisierung entstehen. Andere Aufgaben eines PMO werden durch den Einsatz von KI gut unterstützt werden können und damit für die Mitarbeiter vereinfacht und effizienter bearbeitbar werden. In Bereichen die Empathie, zwischen‐ menschliche Interaktion, Kreativität, Innovationsfähigkeit, kritisches Denken und ethisches oder moralisches Handeln voraussetzen wird KI zumindest in nächster Zeit ein nur untergeordnete (Hilfs-)Rolle spielen. Auf Projektmanagement-Offices auf der ganzen Welt kommt auf jeden Fall eine spannende Zeit zu. Sie stehen als Treiber von Verbesserung und Innovation, was die Projektmanagementweiterentwicklung in Unternehmen betrifft, im Mittelpunkt des Geschehens, wenn über den Einsatz von KI im Projektmanagement diskutiert wird. Literatur [1] Ortner, G, Stur, B. (2024) Das Projektmanagement Office - Einführung und Nutzen, 4. Auflage, Springer Gabler [2] Minelle, F., Stolfi, F. (2023). AI to support PM: a ChatGPT quality assessment (ß test). In PM World Journal Vol XII, Issue V, May 2023 [3] Boudreau, P. (2020). How the Project Management Office Can Use Artificial Intelligence to Improve the Bottom Line. Independently published. 8.7 Resümee 113 <?page no="115"?> Teil B: Methodenunterstützung <?page no="117"?> 9 KI-Methoden im Projektmanagement: Einführung Nicole Schelter Abstract Dieser Artikel stellt die Bedeutung und Relevanz von Artificial Intelligence (AI; Künstliche Intelligenz, KI) im Projektmanagement vor. Er beschreibt grundle‐ gende Methoden und Technologien der KI, darunter Knowledge Representation, Machine Learning mit verschiedenen Techniken wie Decision Trees und Deep Learning sowie innovative Konzepte wie Federated Learning. Es wird dargestellt, wie sie in verschiedenen Schritten implementiert und genutzt werden können. Der Artikel schließt mit einem Fazit über die vielfältigen Möglichkeiten, wie KI das Projektmanagement auch künftig unterstützen und bereichern kann, und enthält eine Literaturliste für weiterführende Informationen. Stichwortliste Projektmanagement, Ontologien, Machine Learning (ML), Reinforcement Lear‐ ning, Neuronale Netze, Federated Learning, Decision Trees, Clusteranalyse 9.1 Was ist Artificial Intelligence (AI)? Die Idee einer Maschine, die denken kann, ist nicht neu. In der griechischen Mythologie gibt es Geschichten von künstlichen Wesen, die von den Göttern erschaffen wurden. Im 13. Jahrhundert schuf der spanische Theologe und Philosoph Ramon Llull eine Maschine, die logische Argumente aus einer Reihe von Aussagen generieren konnte [3]. Doch der wahre Beginn der Artificial Intelligence (AI), wie wir sie heute kennen, fand in den 1940er und 1950er Jahren statt, mit den ersten elektronischen Computern und den Arbeiten von Wissenschaftlern wie Alan Turing, der das Konzept des „Universal‐ computers“ entwickelte. In den 1960er und 1970er Jahren gab es Fortschritte in der Entwicklung von AI-Systemen, die in der Lage waren, Schach zu spielen, menschliche Sprache zu verstehen und sogar medizinische Diagnosen zu stellen, wie beispielsweise Mycin, einem Programm für antimikrobielle Therapien [9]. Diese Expertensysteme waren immer noch weit von der Fähigkeit entfernt, das menschliche Denken und Lernen zu simulieren. Die Ideen waren jedoch vorhanden, denken Sie beispielsweise an HAL9000 aus dem Roman und Film 2001 - Odyssee im Weltraum [1]. Mit einer solchen Idee vor Augen wurde begonnen die Menschen zu beobachten und maschinell nachzubilden, wie sie zu Entscheidungen gelangt sind. Dies führte zu den <?page no="118"?> ersten Expertensystemen, wie beispielsweise Mycin. So wurden die Menschen weiter beobachtet und versucht, maschinell nachzubilden, wie sie Entscheidungen treffen. Die zunehmende Leistungsfähigkeit der Computer ermöglichte zuletzt diese Regeln und Muster von den Maschinen lernen zu lassen. ChatGPT entstand beispielsweise auf Basis eines Large Language Modells mit ca. 175 Milliarden Berechnungspunkten/ Neu‐ ronen und unterstützt z.-B. in der Texterstellung und Programmierung-[7]. 9.2 Relevanz von AI im Projektmanagement Artificial Intelligence und die ICB 4.0 Kompetenzen Schauen wir uns nun die Verschmelzung von zwei leistungsstarken Werkzeugen an: Artificial Intelligence (AI) und die Kompetenzen der Individual Competence Baseline (ICB) Version 4.0.[4]. Die ICB 4.0 ist ein international anerkannter Standard, den die IPMA ® zur Definition von Kompetenzen entwickelt hat, der effektives Projekt-, Programm- und Portfoliomanagement unterstützt. Die ICB 4.0 definiert insgesamt 28 Kompetenzen in drei Kategorien: ■ Kontextuelle Kompetenzen ■ Persönliche und soziale Kompetenzen ■ Technische Kompetenzen. Einen kurzen Überblick dazu gibt es in den folgenden Abschnitten. Anwendung von AI in den kontextuellen Kompetenzen Diese Kategorie bezieht sich auf das Verständnis und die Verwaltung des Kontexts, in dem das Projekt, Programm oder Portfolio stattfindet. Dies schließt Bereiche wie Strategie, Kultur und Werte ein. AI kann beispielsweise bei der Governance unterstüt‐ zen. Die Einhaltung der Governance-Richtlinien wird durch automatisierte Prüfungen sichergestellt, so dass alle Dokumente und Prozesse den Vorschriften entsprechen. Anwendung von AI in den persönlichen und sozialen Kompetenzen Hier geht es um individuelle und zwischenmenschliche Fähigkeiten, die erforderlich sind, um effektiv mit Teams und Stakeholdern zu arbeiten. Dazu gehören persönliche Integrität und Verlässlichkeit sowie Führung, Teamarbeit und weitere. AI hat zwar keine emotionalen Fähigkeiten, aber sie kann Sie z. B. im Beziehungsmanagement unterstützen. AI könnte z. B. erkennen, dass ein Teammitglied weniger oder anders kommuniziert als üblich und die Projektmanagenden darauf hinweisen, um das Gespräch mit dem Teammitglied zu suchen. Oftmals ist die Kommunikation einer der 118 9 KI-Methoden im Projektmanagement: Einführung <?page no="119"?> kritischsten Faktoren, der Projekte scheitern lässt [8]. An diesem Beispiel wird schon deutlich, dass ethische Betrachtungen niemals außen vor bleiben dürfen. Anwendung von AI in den technischen Kompetenzen Diese Kompetenzen beziehen sich auf das spezifische Wissen und die Fähigkeiten, die erforderlich sind, um Projekte, Programme und Portfolios erfolgreich zu managen. Beispiele hierfür sind Projektplanung und Steuerung, Risikomanagement und weitere. Eine sehr umfassende Hilfestellung könnten virtuelle Assistenten sein, die dabei helfen, den optimalen Projektplan zu erstellen, inklusive Ressourcen, Zeitplänen, Risiko- und Chancenabwägungen, etc.. Dies kann auf Basis historischer Daten viel präziser geschehen. Zugegeben ist das im Augenblick noch Zukunftsmusik, andererseits ist die Realisierung mit den vorhandenen Methoden durchaus realistisch. Potenzielle Vorteile der Anwendung von AI im Projektmanagement Trotz des kurzen Abrisses der ICB-Kompetenzen im Zusammenhang mit AI werden sicher bereits die Vorteile erkennbar. So können Routineaufgaben des Projektmanage‐ ments [8] automatisiert, der Arbeitsalltag kann unterstützt und es können kontext‐ bezogene Projektinformationen geliefert werden. Mit dem Einsatz von künstlicher Intelligenz können Ressourcen effizient geplant und verwaltet werden, indem Mus‐ ter und Daten analysiert werden. Zudem können Entscheidungsprozesse durch die schnelle Aufbereitung von Daten und die Bereitstellung von Empfehlungen aus früheren Projekten beschleunigt werden. Nicht zuletzt kann die AI als Wachhund zur Früherkennung von Risiken fungieren, indem sie Muster und Anomalien in Projektdaten identifiziert. Dies gilt ebenso für Netzwerkanomalien und potenzielle weitere Sicherheitsverletzungen, für die automatische Gegenmaßnahmen eingeleitet werden können. Insgesamt gibt es einerseits viel Potential für eine Unterstützung durch die AI, andererseits wird aber auch die Vorarbeit deutlich, die geleistet werden muss. Dazu gehören das Sammeln und das Aufbereiten einer Unmenge an Daten. Wenn Sie nun denken, Sie müssten nicht weiterlesen, weil Sie diese Daten nicht haben, schauen Sie doch mal in den Abschnitt Federated Learning (Verteiltes Lernen). 9.3 Methoden und Technologien der AI Die Entwicklung von Methoden und Technologien der AI begann mit der Nachbildung des menschlichen Denkens und Entscheidens, der wissensbasierten AI. Die identifi‐ zierten Modelle sind spezifische Darstellungen oder Vereinfachungen der Realität. Mit steigender Leistungsfähigkeit der Computer können diese Modelle mittels Machine Learning datengetrieben durch Maschinen erkannt und aufgebaut werden. Im Folgen‐ 9.3 Methoden und Technologien der AI 119 <?page no="120"?> den werden wir die einzelnen Methoden mit ihrer Funktionsweise und mit Beispielen für die Anwendung im Projektmanagement vorstellen. Knowledge Representation and Reasoning (Wissensrepräsentation und -schlussfolgerung) Bereits 1956 wurde die Software General Problem Solver vorgestellt [6], die das menschliche Problemlösen maschinell nachbilden sollte. In der Folge konzentrierten sich die Wissenschaftler*innen vermehrt auf Methoden der Wissensrepräsentation und -schlussfolgerung. Nach dem Vorbild des Menschen wurde für Maschinen nach‐ gebildet, wie Menschen Informationen speichern, organisieren und interpretieren, um Probleme zu lösen oder Schlussfolgerungen zu ziehen. Ontologies (Ontologien) Eine Ontologie ist eine solche Methode zur Wissensrepräsentation, die Begriffe inner‐ halb eines Bereichs sowie die Beziehungen zueinander definiert. Sie sorgen dafür, dass alle Mitglieder Ihres Teams (einschließlich der AI-Systeme) dieselbe ‚Sprache‘ sprechen. Die AI könnte beispielsweise Ontologien als das gemeinsame Wörterbuch Ihres Projektteams nutzen. Damit wird es möglich „eindeutige und strukturierte Infor‐ mationen an andere” weiterzugeben [4] -z.B. auch an AI-Systeme- und so „Verständnis“ und „Einsicht“ in bestimmte Domänen zu gewähren. Nachfolgend wird in 4 Schritten erklärt, wie eine „gemeinsame Sprache“/ eine Ontologie für ein AI-System nutzbar gemacht wird: Schritt 1: Erstellung einer Ontologie Die Erstellung einer Ontologie erfordert ein tiefes Verständnis des betreffenden Bereichs und seiner Konzepte. Im Fall des Risikomanagements aus Abb. 9-1 könnten dies Begriffe wie „Threat“ (Bedrohung), „Asset“ (Vermögenswert), „Vulnerability“ (Verletzlichkeit), „Event“ (Ereignisse), usw. sein. Die Beziehungen zwischen diesen Begriffen könnten sein: „causes“ (verursacht: eine Bedrohung verursacht Ereignisse), „exploits“ (nutzt aus: eine Bedrohung nutzt eine Verletzlichkeit aus) oder „affects“ (beeinflusst: eine Bedrohung beeinflusst Vermögenswerte) sein. 120 9 KI-Methoden im Projektmanagement: Einführung <?page no="121"?> Abb. 9-1: Ontologie für das Risikomanagement [2] Schritt 2: Einsatz der Ontologie im AI-System Sobald die Ontologie erstellt ist, kann sie in ein AI-System integriert werden. Dies könnte ein System zur Unterstützung der Entscheidungsfindung, ein AI-basiertes Planungssystem oder ein Wissensmanagement-System sein. Die Ontologie ermöglicht es dem System, über das Projektmanagement auf eine „intelligente“ Weise zu „denken“ und Schlussfolgerungen zu ziehen. Schritt 3: Nutzung des AI-Systems zur Unterstützung des Risikomanagements Mit der in das AI-System integrierten Ontologie kann das System nun genutzt werden, um das Risikomanagement zu unterstützen. Es könnten beispielsweise potenzielle Risiken erkannt, Vermögenswerte geschützt oder Steuerungsmaßnahmen priorisiert werden. Durch die „Verständigung“ mit dem System in den Begriffen der Ontologie können Projektmanagende bessere und informiertere Entscheidungen treffen. Onto‐ logien sind ebenfalls ein gutes Mittel, um Ergebnisse erklärbar zu machen. Schritt 4: Auswertung und Verbesserung der Ontologie und des AI-Systems Nachdem das KI-System in Betrieb genommen wurde, sollte es regelmäßig überwacht und bewertet werden, um sicherzustellen, dass es effektiv arbeitet, und nützliche Er‐ 9.3 Methoden und Technologien der AI 121 <?page no="122"?> kenntnisse und Unterstützung bietet. Dazu gehören Anpassungen oder Erweiterungen der Ontologie, um zusätzliches Wissen oder Verständnis abzubilden. Knowledge Graphs (Wissensgraphen) Eine Ontologie ist zunächst einmal abstrakt. Es ist damit noch nichts über Ihr spezifisches Unternehmen bekannt. Die Organization aus Abbildung 9-1, z. B. eine Gesundheitsklinik, hat also beispielsweise Objective -die Zieleeine qualitativ hoch‐ wertige Behandlung zu bieten und eine produktive und positive Mitarbeiterumgebung aufrechtzuerhalten. Diese Präzisierung der Ontologie liefert den Knowledge Graph. Die Verbindungen erlauben es nun, konkretere Fragen wie „Was sind die potenziellen Folgen (Conse‐ quence) veralteter Software (Threat)? “ zu beantworten [2]. Knowledge Graphs helfen, komplexe Zusammenhänge in einem spezifischen Anwendungsfall zu verstehen und z. B. zu visualisieren, wie die Entscheidungen oder Präferenzen eines Stakeholders andere Teile eines Projekts beeinflussen können. Machine Learning (ML, Maschinelles Lernen) Maschinelles Lernen, oder kurz ML, versteht man als eine Art AI, die selbständiges Lernen und Verbessern des Systems ermöglicht, ohne explizit programmiert zu werden. Das bedeutet für Sie und Ihre Projekte: die AI lernt aus den Daten Ihrer vergangenen Projekte und erstellt auf dieser Basis Empfehlungen für Ihre zukünftigen Projekte. Die Art der Empfehlungen, die die AI für Sie erstellt, hängt stark von Ihren vorhandenen Daten und Ihren spezifischen Fragestellungen ab. Es gibt nicht den einen richtigen Weg, sondern zahlreiche Ansätze und Methoden, die je nach Bedarf und Situation zum Einsatz kommen können. Im Folgenden wollen wir einige dieser Wege genauer beleuchten. Supervised Learning (Überwachtes Lernen) Das Supervised Learning ist sehr aufwändig, da eine Person erforderlich ist, die -wie der Name sagtdas Lernen überwacht. Das System erhält eine Menge von Informationen und bekommt quasi die Lösung vorgesagt. Auf Grundlage der erlernten Muster kann das System später die Lösung selbst vorhersagen. In diesem Umfeld gibt es einige detailliertere Methoden, deren Auswahl auch von der Menge der vorhandenen Daten abhängt. Decision Trees (Entscheidungsbäume) Entscheidungsbäume können aus relativ wenigen Daten aufgebaut werden und sind eine beliebte Methode für überwachtes Lernen. Wie der Name sagt, wird bei dieser 122 9 KI-Methoden im Projektmanagement: Einführung <?page no="123"?> Methode ein Baumdiagramm erstellt, bei dem jeder Knoten eine Entscheidung darstellt und jede Verzweigung das Ergebnis dieser Entscheidung. Wie wird nun ein Entscheidungsbaum entwickelt? ■ Problemstellung identifizieren: Bevor Sie beginnen, müssen Sie sich das zu lösende Problem klar machen. Im Projektmanagement könnte dies z. B. die Vorhersage sein, ob ein Projekt fristgerecht abgeschlossen wird oder nicht. Ebenso könnte es sich um eine Prognose des Fertigstellungstermins handeln. ■ Daten sammeln: Die Entscheidungsfindung basiert auf Daten. Hier könnten Sie z. B. historische Daten über verschiedene Projekte heranziehen und sammeln. Die Merkmale der Projekte können z. B. Projektgröße, Teamgröße, Budget, Earned Va‐ lue-Kennzahlen, usw. sein. Ebenso werden die Ergebnisse der jeweiligen Projekte festgehalten, z. B. ob sie fristgerecht abgeschlossen wurden oder nicht, bzw. wie lange das Projekt tatsächlich dauerte. ■ Baum erstellen: Die Wurzel des Baums ist das zu lösende Problem. Das beste Merkmal zur Trennung der Daten wird ausgewählt, d. h. das Merkmal, das die größte Unterscheidungskraft zwischen den Klassen in den Daten aufweist. Dies könnte z. B. wie in Abb.-9-2 die Projektgröße sein. Für die identifizierten Verzwei‐ gungen wird ebenso verfahren. Wird beispielsweise die Projektgröße in klein|groß kategorisiert, wird für jede Verzweigung geprüft, welches weitere Merkmal die Daten bestmöglich trennt. Dies könnte für kleine Projekte die Teamgröße sein und für große Projekte eine Earned-Value-Kennzahl. Projektende pünktlich? JA NEIN 7 von 12; 58,3% Projektgröße 4 von 6; 66,7 % Team mmmm 3 von 6; 50,0 % Earned Value: SPI 3 von 4; 75,0% 1 von 2; 50,0% 2 von 3; 66,7% 1 von 3; 33,3% JA NEIN NEIN JA Abb. 9-2: Entscheidungsbaum, eigene Darstellung 9.3 Methoden und Technologien der AI 123 <?page no="124"?> Wollen Sie nun eine Vorhersage für ein aktuelles Projekt (großes Projekt, aktueller SPI<1) treffen, wird der Entscheidungsbaum eine nicht-pünktliche Beendigung vor‐ hersagen. Unsupervised Learning (Unüberwachtes Lernen) Unüberwachtes Lernen ist eine Methode des maschinellen Lernens, bei der ein Modell auf der Grundlage von Eingabedaten ohne vordefinierte Labels trainiert wird. D.h. es wird selbstständig erkannt, wie die angegebenen Daten zusammengehören. Clustering (Clusteranalyse) Clustering ist eine Art von unüberwachtem Lernen, das darauf abzielt, Datenpunkte in Gruppen (oder „Cluster“) zu organisieren, die aufgrund ihrer Ähnlichkeit zusammen‐ gehören. Im Kontext des Stakeholdermanagements könnten diese Methoden beispiels‐ weise dazu verwendet werden, Stakeholder basierend auf verschiedenen Merkmalen zu gruppieren. Dies kann hilfreich für das Verständnis sein, wie verschiedene Stakehol‐ dergruppen wahrscheinlich auf verschiedene Aspekte eines Projekts reagieren werden, und um die Kommunikation und Interaktion entsprechend gestalten zu können. Die Umsetzung kann z. B. mittels k-Means erfolgen. K-Means ist eine sehr weit verbreitete Methode für Clustering, erfordert aber einige Vorbereitungen. Daten sammeln und vorbereiten: Wie bereits bei anderen Methoden erläutert, ist auch zunächst notwendig, Daten über die Stakeholder zu sammeln. Diese könnten Merkmale wie die Macht der Stakeholder, ihre Interessen (z. B. Umwelt) und Einstel‐ lungen zum Projekt und weitere relevante Faktoren umfassen. Diese Daten müssen so vorbereitet werden, dass sie für die Clustering-Analyse geeignet sind, beispielsweise Normalisierung numerischer Merkmale, Umwandlung kategorialer Merkmale in nu‐ merische Werte und die Behandlung fehlender Daten. k-Means-Algorithmus: Im nächsten Schritt wird der k-Means-Algorithmus auf die vorbereiteten Daten angewendet. Zunächst wird k z. B. mit dem Ellbogenverfahren festgelegt. Der Algorithmus beginnt im Anschluss, indem k Zentren (die „Means“) zufällig in den Datenraum platziert werden. Im Beispiel aus Abb. 9-10 ist k=4, diese Zahl entspricht der Anzahl der Cluster. Jeder Datenpunkt wird anschließend dem Zentrum zugewiesen, zu dem er die geringste Distanz hat. Damit werden k vorläufige Cluster gebildet. Anschließend erfolgt die Neuberechnung der Zentren jedes Clusters. Die Daten‐ punkte werden dann erneut den Zentren zugeordnet, zu denen sie die geringste Distanz haben. Dieser Prozess wird wiederholt, bis die Zentren nicht mehr signifikant verschoben werden, was eine stabile Gruppierung nahelegt. In Abb. 9-10 wurde aus Gründen der besseren Verständlichkeit der Visualisierung nur 2 Dimensionen genutzt, es sind aber weitaus mehr Dimensionen möglich. Hier wurden die Stakeholder entsprechend ihrer Macht und ihres Interesses am Thema Umwelt gruppiert. 124 9 KI-Methoden im Projektmanagement: Einführung <?page no="125"?> Cluster 1 Cluster 2 Cluster 3 Cluster 4 Umweltinteresse Macht (1-7) 7 1 2 3 4 5 6 1 7 6 5 4 3 2 Abb. 9-3: Clustering von Stakeholdern mit k-Means, eigene Darstellung Ergebnisse interpretieren und nutzen: Nachdem der k-Means-Algorithmus ange‐ wendet wurde, werden die verschiedenen Cluster analysiert und interpretiert. So können die Stakeholder besser verstanden werden und effektiver mit ihnen interagiert werden. Im Beispiel sind die Stakeholder in Cluster 1 besonders mächtig und haben gleichzeitig ein großes Interesse an der Umwelt. Diese können folglich gut für die Durchsetzung dieser Interessen eingesetzt werden. Reinforcement Learning (Verstärkungslernen) Wenn Sie die Entscheidungen treffen wollen, die erfahrungsgemäß zu den besten Ergebnissen führen, kommt das Verstärkungslernen ins Spiel. Im Kern funktioniert das Verstärkungslernen wie beim pawlowschen Hund, siehe Abb. 9-11. Es gibt einen zu korrigierenden Projektstatus im laufenden Projekt und es muss eine Entscheidung getroffen werden, z. B. mehr Geld oder mehr Zeit oder mehr Ressourcen. Wurde mehr Zeit eingeräumt, wird diese Entscheidung in Hinblick auf das Ziel geprüft. Wenn z. B. ein fester Termin für die Messepräsentation Ihres Produktes vorgegeben ist, war die Zeitverlängerung keine gute Entscheidung. Die AI lernt in diesem Fall durch Bestrafung, beispielsweise eine Herabstufung der Wahrscheinlichkeit für die Auswahl der Aktion „mehr Zeit“ so dass in einer vergleichbaren Entscheidungssituation eine andere Auswahl getroffen wird. 9.3 Methoden und Technologien der AI 125 <?page no="126"?> Bewertung: Ziel? Agent Zustand: Projektstatus MA Aktionen: mehr Geld, mehr Zeit, mehr Ressourcen, ... Umwelt: Laufendes Projekt Belohnung/ Bestrafung Abb. 9-4: Beispiel Verstärkungslernen, eigene Darstellung, vereinfacht Neural Networks (Neuronale Netze) Über Neuronale Netze wurden bereits 1943 nachgedacht. McCulloch und Pitts dis‐ kutierten damals die Möglichkeit, mittels neuronaler Netze bestimmte Arten von „Gedanken“ oder „Ideen“ zu repräsentieren und legten damit einen Grundstein für die Neuronalen Netze, wie sie heute gebräuchlich sind [5]. Neuronale Netze wie in Abb. 9-12 bestehen -analog zum Gehirn mit seinen Neuro‐ nenaus Knoten, den „Neuronen“ und Kanten, die einem Axon entsprechen. Es gibt eine Eingabeschicht, eine oder mehrere versteckte Schichten und eine Ausgabeschicht. Jedes Neuron in einer Schicht ist mit jedem Neuron in der nächsten Schicht verbunden. Die Verbindungen zwischen den Neuronen haben Gewichte, die bestimmen, wie viel Einfluss ein Neuron auf das Nächste hat. Während des Trainings lernt das Netzwerk, diese Gewichte basierend auf den Eingabedaten anzupassen, um das gewünschte Ergebnis zu erreichen. Wird ein neuronales Netz genutzt, wendet jedes Neuron diese Gewichtung und eine Aktivierung (oder nicht) für die nachfolgende Schicht an, um das vorläufige Ergebnis aus den Eingabedaten zu berechnen. Dieses vorläufige Ergebnis wird dann als Eingabe 126 9 KI-Methoden im Projektmanagement: Einführung <?page no="127"?> für die Neuronen der nächsten Schicht verwendet. Die Ausgabeschicht gibt im Ergebnis eine Vorhersage oder Entscheidung aus. In Abb. 9-12 wird beispielsweise aus der Unternehmensgröße, dem Anwendungsfeld, dem Starttermin, dem Budget und der Teamzusammensetzung ermittelt, wann das Projekt voraussichtlich zu Ende ist und welche Kosten entstanden sind. 2022 Januar 22 M o D i M i D o F r S a S o 1 2 3 4 5 6 7 8 9 1 0 1 1 1 2 1 3 1 4 1 5 1 6 1 7 1 8 1 9 2 0 2 1 2 2 2 3 2 4 2 5 2 6 2 7 2 8 2 9 3 0 3 1 Februar 22 M o D i M i D o F r S a S o 1 2 3 4 5 6 7 8 9 1 0 1 1 1 2 1 3 1 4 1 5 1 6 1 7 1 8 1 9 2 0 2 1 2 2 2 3 2 4 2 5 2 6 2 7 2 8 März 22 M o D i M i D o F r S a S o 1 2 3 4 5 6 7 8 9 1 0 1 1 1 2 1 3 1 4 1 5 1 6 1 7 1 8 1 9 2 0 2 1 2 2 2 3 2 4 2 5 2 6 2 7 2 8 2 9 3 0 3 1 Apri l 22 M o D i M i D o F r S a S o 1 2 3 4 5 6 7 8 9 1 0 1 1 1 2 1 3 1 4 1 5 1 6 1 7 1 8 1 9 2 0 2 1 2 2 2 3 2 4 2 5 2 6 2 7 2 8 2 9 3 0 Mai 22 M o D i M i D o F r S a S o 1 2 3 4 5 6 7 8 9 1 0 1 1 1 2 1 3 1 4 1 5 1 6 1 7 1 8 1 9 2 0 2 1 2 2 2 3 2 4 2 5 2 6 2 7 2 8 2 9 3 0 3 1 Juni 22 M o D i M i D o F r S a S o 1 2 3 4 5 6 7 8 9 1 0 1 1 1 2 1 3 1 4 1 5 1 6 1 7 1 8 1 9 2 0 2 1 2 2 2 3 2 4 2 5 2 6 2 7 2 8 2 9 3 0 Juli 22 M o D i M i D o F r S a S o 1 2 3 4 5 6 7 8 9 1 0 1 1 1 2 1 3 1 4 1 5 1 6 1 7 1 8 1 9 2 0 2 1 2 2 2 3 2 4 2 5 2 6 2 7 2 8 2 9 3 0 3 1 August 22 M o 1 D i M i D o F r S a S o 2 3 4 5 6 7 8 9 1 0 1 1 1 2 1 3 1 4 1 5 1 6 1 7 1 8 1 9 2 0 2 1 2 2 2 3 2 4 2 5 2 6 2 7 2 8 2 9 3 0 3 1 September 22 M o D i M i D o F r S a S o 1 2 3 4 5 6 7 8 9 1 0 1 1 1 2 1 3 1 4 1 5 1 6 1 7 1 8 1 9 2 0 2 1 2 2 2 3 2 4 2 5 2 6 2 7 2 8 2 9 3 0 Oktob er 22 M o D i M i D o F r S a S o 1 2 3 4 5 6 7 8 9 1 0 1 1 1 2 1 3 1 4 1 5 1 6 1 7 1 8 1 9 2 0 2 1 2 2 2 3 2 4 2 5 2 6 2 7 2 8 2 9 3 0 3 1 November 22 M o D i M i D o F r S a S o 1 2 3 4 5 6 7 8 9 1 0 1 1 1 2 1 3 1 4 1 5 1 6 1 7 1 8 1 9 2 0 2 1 2 2 2 3 2 4 2 5 2 6 2 7 2 8 2 9 3 0 Dez ember 22 M o D i M i D o F r S a S o 1 2 3 4 5 6 7 8 9 1 0 1 1 1 2 1 3 1 4 1 5 1 6 1 7 1 8 1 9 2 0 2 1 2 2 2 3 2 4 2 5 2 6 2 7 2 8 2 9 3 0 3 1 … Eingabeschicht Versteckte Schichten Ausgabeschicht Eingabedaten Abb. 9-5: Beispiel für ein neuronales Netz, eigene Darstellung Deep Learning (Tiefes Lernen) Deep Learning ist eine extrem komplexe Version der neuronalen Netze mit sehr vielen versteckten Schichten. Diese „tiefen“ Netzwerke sind in der Lage, komplexere Muster in Daten zu erkennen und zu lernen, und sie sind besonders gut in der Verarbeitung von großen Mengen von Daten geeignet. Beispielsweise werden für GPT3, das Sprachmodell für ChatGPT 175 Milliarden Neuronen verarbeitet. Die tieferen Schichten in einem tiefen Netzwerk sind in der Lage, zunehmend abstrakte Merkmale aus den Eingabedaten zu extrahieren. Zum Beispiel könnte ein tiefes Netzwerk, das auf Bildern trainiert wird, in den unteren Schichten einfache Merkmale wie Kanten und Farben erkennen, in mittleren Schichten komplexere Merkmale wie Formen und Texturen, und in den oberen Schichten sehr komplexe Merkmale wie Gesichter oder Landschaften. So kann Deep Learning verwendet werden, um Muster in Projektmetriken zu erken‐ nen und Risiken oder Engpässe vorherzusagen, bevor sie zu Problemen werden. Z. B. könnte man Vorhersagen über den Erfolg eines Projekts, den benötigten Zeitaufwand 9.3 Methoden und Technologien der AI 127 <?page no="128"?> oder die anfallenden Kosten (siehe auch Abb. 9-12) auf der Grundlage der verfügbaren Daten treffen, basierend auf historischen Daten. Weitere Konzepte Federated Learning (Verteiltes Lernen) Die bisher angesprochenen Methoden benötigten zumeist eine mehr oder weniger umfangreiche Datensammlung. Diese lassen sich nicht für alle Organisationen in ausreichender Menge in akzeptabler Zeit zusammentragen. Wenn jedoch ähnliche Organisationen ihre Daten zusammenlegen, können daraus gute Modelle abgeleitet werden bei gleichzeitigem Datenschutz. Denn statt Daten zu einem zentralen Ort zu senden, wird das Modell zu den Daten gebracht. Auf diese Weise können Modelle auf den Daten einzelner Projekte oder Organisationen trainiert und gleichzeitig Datensicherheit gewährleistet werden. ■ Entwicklung des Modells: Ebenso, wie bei anderen datenbasierten Methoden, müssen die Daten gesammelt und vorbereitet werden siehe z. B. Abschnitt 9.3. Abhängig von der Art der vorliegenden Daten und der Art der Vorhersagen oder Einsichten, die man erhalten möchte, muss ein maschinelles Modell entwickelt werden, beispielsweise eines der in Abschnitt 9.3 aufgeführten. ■ Training des Modells mit Federated Learning: das entwickelte Modell wird dann auf den dezentralen Daten unter Verwendung des Federated Learning- Ansatzes trainiert. Dies bedeutet, dass das Modell zu den Daten gebracht wird und auf jedem Gerät oder Server ein Teil des Trainings durchgeführt wird. Die Ergebnisse des Trainings werden dann zur Aktualisierung des Modells zurück zum zentralen Server gesendet. Dieser Prozess wird wiederholt, bis das Modell ausreichend trainiert ist. ■ Nutzung und Verbesserung des trainierten Modells: Sobald das Modell trai‐ niert ist, kann es wie die anderen Modelle aus Abschnitt 9.3 genutzt, überwacht und ggf. verbessert werden. Letzteres könnte die Anpassung des Modells, das Training mit neuen Daten oder die Anpassung des Federated-Learning-Prozesses umfassen. Federated Learning ermöglicht es somit jeder Organisation, Modelle und Erkenntnisse auf ihren eigenen Daten zu entwickeln und gleichzeitig ein gemeinsames Modell zu erstellen, das von allen Erkenntnissen profitiert. Die eigenen Daten bleiben dabei „geheim“, d.h die Teams teilen ihre Rohdaten nicht. Fazit Jede dieser AI-Methoden hat spezifische Stärken und Anwendungsbereiche, und durch ihre Integration in die Projektmanagementpraxis kann das Potenzial für eine verbes‐ serte Entscheidungsfindung, Effizienz und Erfolg in Projekten erschlossen werden. Zu 128 9 KI-Methoden im Projektmanagement: Einführung <?page no="129"?> beachten ist jedoch, dass der Einsatz von AI im Projektmanagement sowohl technische Fähigkeiten als auch ein Verständnis für die Grenzen und ethischen Implikationen der AI erfordert. Menschliche Expertise und Urteilskraft müssen immer in den Prozess einbezogen werden, da AI nur so gut ist wie die Daten, auf denen sie trainiert wird. Zu beachten ist weiterhin, dass obwohl diese Anwendungen theoretisch möglich sind, ihre tatsächliche Umsetzung und Wirksamkeit von vielen Faktoren abhängen kann, einschließlich der Qualität und Verfügbarkeit von Daten, der Fähigkeiten des Projektmanagementteams, und der spezifischen Anforderungen und Kontext des Projekts. Daher müssen sich Projektmanagende kontinuierlich über die neuesten Entwicklungen im Bereich der AI und deren Anwendung im Projektmanagement auf dem Laufenden halten, und bereit sein, neue Ansätze und Technologien zu erforschen und zu erproben. Literatur [1] Arthur C. Clarke. 2014. 2001---Odyssee im Weltraum. Roman. E-Books der Verlagsgruppe Random House GmbH, München. [2] Nathan Clarke and Steven Furnell. 2016. Proceedings of the Tenth Interna-tional Symposium on Human Aspects of Information Security & Assurance (HAISA 2016). Frankfurt, Germany, 19-21 July 2016. Centre for Security, Communications & Network Research, Plymouth University, [Plymouth]. [3] Hans Zotter. 2004. Parallele Modelle von Wissenssicherung und Ordnung. In Wissenssiche‐ rung, Wissensordnung und Wissensverarbeitung. Das europäi-sche Modell der Enzyklopä‐ dien, Theo Stammen and Wolfgang E. J. Weber, Eds. Colloquia Augustana, 18. AKADEMIE VERLAG, Berlin, 31-. [4] International Project Management Association. 2017. Individual Compe-tence Baseline für Projektmanagement (1., aktualisierte Auflage). IPMA ® Glo-bal Standard. GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V, Nürn-berg, Berlin. [5] Warren S. McCulloch and Walter Pitts. 1943. A logical calculus of the ideas immanent in nervous activity. Bulletin of Mathematical Biophysics 5, 4, 115-133. DOI: https: / / doi.org/ 10. 1007/ BF02478259. [6] A. Newell and H. Simon. 1956. The logic theory machine--A complex information processing system. IEEE Trans. Inform. Theory 2, 3, 61-79. DOI: https: / / doi.org/ 10.1109/ tit.1956.105679 7. [7] OpenAI. 2023. Introducing ChatGPT (2023). Retrieved July 10, 2023 from https: / / openai.com / blog/ chatgpt. [8] Theo Peters and Nicole Schelter. 2021. Kompakte Einführung in das Projektmanagement. Mit vielen praxisnahen Beispielen und modernen didaktischen Instrumenten. Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH; Springer Gabler, Wiesbaden. [9] E. H. Shortliffe, S. G. Axline, B. G. Buchanan, T. C. Merigan, and S. N. Cohen. 1973. An artificial intelligence program to advise physicians regarding antimicrobial therapy. Computers and Biomedical Research 6, 6, 544-560. DOI: https: / / doi.org/ 10.1016/ 0010-4809(73)90029-3. Literatur 129 <?page no="131"?> 10 Big Picture für ein Projekt - KI-gestützt analysiert Irene Teich, Uwe Haass Abstract Projektmanagement ist in erster Linie die Unterstützung des Zusammenwirkens von Menschen. Dies ist besonders deutlich in Projekten, die Innovationen und wis‐ senschaftliche Fortschritte zum Ziel haben. Gerade im Hochschulbereich ist die Initiierung eines Projektes oft mit großen Unsicherheiten verbunden, sowohl bei der Antragstellung als auch während der Durchführungsphase. In diesem Beitrag wird eine Methode vorgestellt, die diesen Prozess vereinfacht und die Komplexität eines Projekts erkennen und beherrschen lässt. „Ein Mensch“ als Analogiemodell bietet für fast alle Teilnehmenden gut nachvollziehbare Parallelen. Die Autoren schlagen ein Kontextmodell vor, das der menschlichen Kommunikation nahe liegt und daher linguistische KI-Technologien verwendet. Im Hochschulumfeld eignet sich die Methode besonders, weil die Teams oft die notwendige Breite und Tiefe relevanten Wissens nicht besitzen. Aufgrund des Bewilligungsprozesses erfolgt die Durchführung eines Projektes meist erst einige Monate später und eventuell unter anderen Randbedingungen. Die Durchführenden können dann das bereits erstellte Kontextmodell einschließlich der Anforderungen des Fördermittelgebers aufgreifen und erforderlichenfalls anpassen. Diese Vorgehensweise fördert daher Effizienz und Erfolg eines Projektes und damit die Zufriedenheit aller Beteiligten. Zudem bietet sie den Seiteneffekt, dass die Anwendung von KI-Methoden bei den Studierenden zu Einsicht und Diskussion über die KI im Projektmanagement führt. Stichwortliste Big Picture, Konsensorientierung, Klassische Programmiermethoden, Modulari‐ sierung, PLAI, Vielgewandtheit, DEUGITAL, Semantische Umgebung, Konstruk‐ tivismus, Projektstatus 10.1 Big Picture Bei der Initiierung eines Projektantrags bzw. Projekts gibt es meist nur eine sehr vage Vorstellung über Ziele und Umsetzung. Während des Brainstormings bilden sich bei jedem Beteiligten auf Grund seiner Erfahrungen und seines Wissens oft recht unterschiedliche Vorstellungen aus. Deswegen kommen rasch viele Fragen auf, deren Beantwortung mühsam und schwierig erscheint. Missverständnisse und „Aneinander vorbeireden“ behindern das Vorankommen. Um diese Situation zu umgehen, lohnt es sich, vorab ein wenig Zeit, also ca. 30 Minuten für ein kleineres <?page no="132"?> und bis 90 Minuten für ein größeres Projekt zu investieren, um sich ein nachhaltiges Gesamtbild zu schaffen. Dieser große Überblick („Big Picture“) hilft dann über das gesamte Projekt hinweg, sich zurechtzufinden und keinen Aspekt völlig aus den Augen zu verlieren. Diese Vorgehensweise wird u. a. in der GPM vermittelt, um Projekte zu konkretisieren. Auf individuelle Weise werden so Zusammenhänge mit anderweitigen Projekten und sonstigen Rahmenbedingungen sichtbar gemacht. Es kommt den Mitwirkenden entgegen, weil das ständige „In-Bezug-Setzen“ zu bekanntem Ähnlichem ein ganz wesentlicher Bestandteil menschlichen Denkens und insbesondere des individuellen Weltverständnisses und damit auch des Projektverständnisses ist.[2] Das Festhalten der Ergebnisse dieses Prozesses erleichtert nicht nur die Projektde‐ finition, sondern auch die spätere Überprüfung (Evaluation) und Anpassung während der Durchführung z. B. bei Meilensteinen. Eine Überführung in Ontologien und geeignete Wissensrepräsentationen wie z. B. semantische Netze kann hier ihren Anfang nehmen. Ein wesentliches Element dieses Prozesses ist die Auswahl der geeigneten Analogie. Die Kern-Anforderung ist hierbei, dass die Menschen im Mittelpunkt bleiben. Ein Projekt steht und fällt mit dem Team, das es bearbeitet sowie mit dessen Beziehungen zum Umfeld. Auswahl der Analogie Beim Einsatz einer Analogie setzen die Anwendenden einen Wissensbereich (das Projekt) mit einem anderen Wissensbereich bezüglich seiner Funktion, seiner Struktur oder seiner Elemente in eine Ähnlichkeitsbeziehung (vgl. [2).] Diese Aussage in Anlehnung an Metzig/ Schuster [2] ist für ein Projekt leicht abzuwandeln „bezüglich seiner Funktion, Struktur, seiner Elemente sowie seiner Lenkung“. Eine solche Erwei‐ terung setzt die „Systemtheorie“ nach Bertalanffy [3] um und führt dazu, dass die Ergebnisse besser vergleichbar werden - auch wenn die beschriebenen Projekte sehr unterschiedlich sind. Das Ziehen von Schlüssen aus Analogien erfordert: ■ Ein Betrachtungsobjekt - hier ein Projekt ■ Ein Analogiemodell, das a. möglichst gut die im Ziel festgelegten Bereiche abbildet; b. bei allen Beteiligten das Denken und Assoziieren anregt; c. das geeignet ist, um Lösungen zu schaffen; d. dessen Lösungen sich in die Wissenswelt des Ausgangs-Betrachtungsobjekts transferieren lassen. In der Praxis kommen sehr unterschiedliche Analogien zum Einsatz: Beliebt sind Landkarten (Beispiel in [1] oder DEC-Methodik), Orchester, Fußball, Ökosysteme (Frederik Vester) oder Rollenspiele. 132 10 Big Picture für ein Projekt - KI-gestützt analysiert <?page no="133"?> 1 Zusammenfassung der Erkenntnisse aus circa 60 Einsätzen. Das Projekt Canvas [4] verfolgt dasselbe Ziel - in Anlehnung an das Business Canvas. Andere gehen mittels Checklisten [5] vor. Was diesen Methoden fehlt, ist das Projekt als Gesamtsystem erleben zu lassen. In Projekten geht es wie in allen komplexen sozio-technisch-ökonomischen Syste‐ men insbesondere um drei Teilprozesse: 1. „Geben und Nehmen“ - das Ergebnis über‐ geben und abnehmen lassen und eine Rechnung stellen, die gezahlt wird; 2. „Ergebnis erzeugen“ - der Kern des Leistungserbringungsprozesses und 3. „Holen und Vergüten“ - die erforderlichen Materialien (im weitesten Sinn) verfügbar machen für Punkt 2. Diese Prozessfolge ist hier abstrakt beschrieben, aber in der Betriebswirtschaftslehre zum Beispiel in der Methode SIPOC verbreitet. Bei dieser Prozesssicht darf auch der Mensch nicht außen vor bleiben: Projekte gelingen nur, wenn 4. die „Mitwirkenden eingebunden“ sind. Bei Analogiemodellen in Form von Landschafts- oder Ökosystemen ist es nicht einfach, sich die Punkte 1., 3. und insbesondere 4. vorzustellen. Modelle wie Orchester, Fußball und Rollenspiele sind stärker im Punkt 4., also darin, Teamgege‐ benheiten abzubilden und näher zu untersuchen. Sie eignen sich daher etwas besser. Doch fallen Assoziationen zu 1., 2. und 3. bei diesen Modellen vielen Teilnehmenden nicht leicht. Auf der Suche nach einem geeigneten Modell liegt der Mensch als vollständiges, jedem Beteiligten einigermaßen bekanntem Gesamtsystem nahe. Diese Analogie wurde in der Vergangenheit immer wieder aufgegriffen. Als sehr konkrete Moderationseinheit, die Projekte in ihrem Kontext als „Big Picture“ abbilden kann, steht die hier vorgeschlagene Analogie seit 1992 zur Verfügung.[6] Vorteile dieser strukturierten Vorgehensweise sind 1 : ■ Die Komplexität der Projekte wird eingefangen. ■ Das entstandene Bild steht über die gesamte Projektlaufzeit zur Verfügung. Es kann immer wieder mit wenig Aufwand angepasst werden. ■ Bei einem ähnlichen Projekt kann es zum Abgleich oder zur Vorbereitung herange‐ zogen werden. - Darüber lässt sich auch die Ähnlichkeit von Projekten feststellen. ■ Durch das gemeinsame Erarbeiten lernt sich das Team kennen. ■ Das Team erarbeitet ein gemeinsames Verständnis der im Projekt zu verwendenden Fachbegriffen, das sehr ähnlich ausfällt. ■ Die Beteiligten entwickeln in der Regel ein besonders gutes Verständnis für ihre Aufgaben und deren Relevanz. Das motiviert das Team. ■ Es kann eine klare Abgrenzung herausgearbeitet werden zu allem, was außerhalb des Projekts liegt. Deutlich wird das im Anwendungsbeispiel eines Hochschulprojekts. 10.1 Big Picture 133 <?page no="134"?> 2 Zugang zum MIRO-Board: https: / / miro.com/ app/ board/ uXjVM0rNDBA=/ ? share_link_id=94041876 538. Eine ausführliche Beschreibung mit Hinweisen zu den einzelnen Blickwinkeln finden Sie in [7]. Ist-Situation im Hochschulprojekt-Beispiel Das Gesamtbild entsteht durch eine Zusammenstellung von Ergebnissen einer Betrach‐ tung des Projekts aus 14 Blickwinkeln. Zusammengehalten werden diese durch das System-Analogie-Modell „PlanMan“[6] . Dabei kommen bis zu 24 betriebswirtschaft‐ liche Analysemethoden zum Einsatz, wenn es die Situation nützlich werden lässt. In der Regel beginnt die Analyse mit einem Brainstorming. In Hochschulen gibt es sehr unterschiedliche Arten von Projekten: Studienangebote, Investitionsprojekte, Forschungsprojekte. Für jede dieser Projektarten sind die Blick‐ winkel und die Methoden geeignet zusammenzustellen. Die Vorgehensweise kann leicht an die Traditionen der jeweiligen Disziplin angepasst werden, z. B. an die hermeneutisch-interpretative der Geistes- & Sozialwissenschaften, Deduktion und Hypothesenprüfung bei den Naturwissenschaften, sowie die konstruktiv-technische Arbeit in den Ingenieurwissenschaften. Als Beispiel für die Vorgehensweise dient das Hochschul-Projekt „Neues Modul schaffen und integrieren“. 2 Das Ergebnis des Brainstormings besteht aus einem Über‐ sichtsbild und einer Reihe von Informationssammlungen. Noch nützlicher ist, wenn diese zu Texten zusammengefasst werden. Die folgende Abbildung zeigt ein Beispiel für ein neues Modul „hybrides Projektma‐ nagement“: 134 10 Big Picture für ein Projekt - KI-gestützt analysiert <?page no="135"?> Abb. 10-1: Projektkontext mit Eintragungen zum Beispiel „Neues Modul Hybrides Projektmanagement“. © Dr. Irene Teich 2023 Dieses Bild entstand in ca. 45 Minuten durch eine Diskussion der Projektmitwirkenden. Sie denken nach, lassen ihre Erfahrungen einfließen und schärfen in der Diskussion ihr Verständnis vom Projekt. Gleichzeitig legen sie wichtige Begriffe fest. Die Moderation greift dabei auf eine Liste mit Fragen und Denkanstößen zurück. Gegenüber einem Canvas bietet es die Sprache der Analogie zum Ausdrücken von schwierig zu beschreibenden Ideen. Außerdem beinhalten die zusätzlichen Fragen immer auch einen Diskussionsanstoß zu den Beziehungen intern zwischen den in diesem Beispiel 11 Mitarbeitenden und extern zu Kunden und Lieferanten sowie Partnern. So fließt dieser besonders wichtige Blickwinkel mit ein und wird analysierbar. Analyse im Hochschulprojektbeispiel Zur Analyse werden alle Blickwinkel auf geeignete Lösungsalternativen bzw. Verbes‐ serungsideen hin diskutiert. Die vielen Blickwinkel erfordern Wissen und Erfahrung in all diesen Bereichen. Insbesondere bei diesem Schritt kommt ein Nachteil zum Tragen: Die Ergebnisse sind nur so gut, wie das Wissen und die Erfahrungen der Anwesenden. Dies ist nur extrem selten in Teams vollständig vorhanden. Bei Forschungseinsteigen‐ den oder bei Quereinsteigenden fehlt vieles davon. Aktuell wird dann häufig ein zweiter 10.1 Big Picture 135 <?page no="136"?> Termin vereinbart, bis zu dem die fehlenden Informationen eingeholt wurden - oder es wird darauf verzichtet, an dieser Stelle mehr in die Tiefe zu gehen. Das lässt sich vermeiden, wenn das Wissen und schriftliche niedergelegte Erfahrun‐ gen durch eine KI direkt passend bereitgestellt werden. Da es sich häufig um neue Denkansätze handelt oder die Beteiligten nur sehr wenig von manchen Themenberei‐ chen wissen, helfen Standard-Suchmaschinen nur bedingt. Auch „generative KI“ wie ChatGPT kann nur zu wenigen neuen Bereichen wirklich gute Antworten zur Verfü‐ gung stellen. Zudem kann aufgrund fehlender Erklärbarkeit bei Neuronalen Netzen bzw. Deep Learning der „Wahrheitsgehalt“ nicht überprüft werden. Die Einschätzung der Brauchbarkeit des bereitgestellten Wissens fällt den Beteiligten eben wegen ihres fehlenden Wissens besonders schwer. Um das Zusammenstellen des Kontextes für das Team nützlich zu unterstützten, eignet sich vielmehr eine funktionsorientierte, „wissensbasierte“ KI. 10.2 KI in Verbindung mit dem Projekt-Kontext Künstliche Intelligenz (KI) hat das Potenzial, die Projektplanung und -steuerung zu revolutionieren. Durch die Analyse von Projektdaten, die automatische Erstellung von Zeitplänen und Ressourcenallokationen sowie die Risikobewertung und Engpass‐ erkennung mithilfe von KI-Algorithmen können Projektmanager effizientere und präzisere Projektpläne erstellen. Projektmanagement ist jedoch in erster Linie die Unterstützung des Zusammenwir‐ kens von Menschen. Dies ist besonders deutlich in Projekten, die Innovationen und wissenschaftliche Fortschritte zum Ziel haben oder auch wenn ein hohes Maß an Kreativität und Design gewünscht oder erforderlich ist. Allgemein sind die Erforder‐ nisse an menschliche Kommunikation und Entscheidungen in Projekten und damit die Komplexität der Zusammenarbeit sehr hoch, wenn viele „Agenten“ mit unterschied‐ lichen Verantwortungen und Ressourcen zusammenwirken. Eine Automatisierung dieser Prozesse erscheint unrealistisch. Dies wird besonders deutlich bei einer Moderation, um den Kontext eines Projekts zusammenzustellen. Hier geht es darum, Wissen aufbereitet zur Verfügung gestellt zu bekommen. Mangels der erforderlichen sehr hohen Zahl von unterschiedlichen Beispielfällen wäre es unrealistisch, ein Lernendes System dafür zu trainieren. Das Training führte außerdem dazu, dass auch Vorurteile mitgelernt werden. Anforderungen an eine KI zur Unterstützung der PlanMan-Moderation Um die Moderation des PlanMan als Projektkontext effektiv und effizient zu unterstüt‐ zen, muss ein KI-System insbesondere folgende Anforderungen erfüllen: 136 10 Big Picture für ein Projekt - KI-gestützt analysiert <?page no="137"?> 3 Vgl. hierzu Linguistische Digitale Intelligenz (LDI) Teich (2021) S. 282. Die LDI wurde durch weitere Innovationen ganz aktuell zu PLAI. ■ Es funktioniert für jede noch so neue Fragestellung sofort. ■ Es liefert eine Begriffswelt, die nachvollziehbar ist und die übernommen werden kann - z. B. um direkt und mit geringem Aufwand ein Projektglossar bzw. eine Ontologie und eventuelle semantische Netzwerke aufzubauen. ■ Es liefert vorurteilsfrei eine Übersicht über alternative Lösungsansätze. ■ Es stellt objektiv zusammengestellte, nützliche Quellen bereit, aus denen die Beteiligten Wissen ziehen, womit sie weiterarbeiten können. ■ Es unterstützt die Aufbereitung des Wissens. ■ Es sollte die Vorgehensweise in allen Disziplinen (Geistes-, Natur- und Technik- Wissenschaften) abbilden. [9] ■ Es zeichnet die Historie auf, damit die Entscheidungsentstehung in Zukunft nachvollzogen werden kann - und das über die gesamte Projektlaufzeit hinweg und darüber hinaus. Dazu ist erforderlich, dass die Entscheidungen mit geringem Aufwand festgehalten werden können - zusammen mit einem Blitzlicht der Informationslage zu diesem Zeitpunkt. So werden Umentscheidungen besser nachvollziehbar. ■ Es ermöglicht, klassische PM-Software zu integrieren und dort Rechenverfahren zur Simulation des Projekts einzusetzen oder auch die funktionale Durchführung des Projektes zu unterstützen. Innovativer KI-Ansatz PLAI Die Autoren schlagen vor, das Zusammenwirken der menschlichen Agenten durch ein universell einsetzbares System zu unterstützen, das der menschlichen Kommunikation naheliegt und daher linguistische KI-Technologien verwendet. Die Basistechnologie PLAI (polytrope linguistische KI) [10] 3 stellt spezielle Software-Objekte („Savants“) bereit, von denen notwendige zu einem Team zusammengefasst werden können, das alle genannten Anforderungen erfüllt. Die Architektur ist offen, so dass ggf. auch lernende Algorithmen oder Fremdsoftware wie Projektmanagement-Tools mit einbezogen werden können. Abbildung 2 zeigt das Start- und Kontroll-Fenster von PLAI, über das einige relevante Savants aufgerufen und einige, für alle Savants gültige Protokoll- und Recherchefunk‐ tionen aktiviert sowie die gerade relevante Semantische Umgebung eingestellt wird. 10.2 KI in Verbindung mit dem Projekt-Kontext 137 <?page no="138"?> Abb. 10-2: Startbildschirm zum Aufruf der Savants und ggf. des Protokolls. © Dr. Peter Schnupp 2023 Durch die getroffenen, besonderen Vorkehrungen ist das System auch für Nicht-IT- Fachleute transparent. Was im System passiert, kann in natürlicher Sprache nachvoll‐ zogen werden. Das System selbst setzt als eine so genannte „Kreolsprache“ [11 S. 226ff], das neu erfundene DEUGITAL, ein, die so viel Worte aus dem Deutschen anzeigt, dass auch diese Einträge in der Regel quasi lesbar sind. Der erste aufrufbare Savant ist ein digitalisiertes Äquivalent zum oben graphisch dargestellten Projektkontext. In ihn kann eine beliebige textuelle Problembeschreibung eingefügt und ein Aspekt seiner Behandlung ausgewählt werden. Dieses Problem kann dann entweder mit präsenten Zuhörern in einer moderierten Sitzung auf Basis der bereitgestellten Inhalte weiter behandelt oder ggf. auch von einem allein arbeitenden, menschlichen Benutzer im Dialog mit dem PlanMan sowie unter Aufruf anderer, kontextbezogener Savants gelöst werden. PLAI implementiert den Konstruktivismus, so dass berücksichtigt wird, dass jeder Mensch sich seine eigene Wirklichkeit schafft. [Vgl. 8] Weitestgehend vorurteilslos kann dadurch nützliches Wissen bereitgestellt und bei Bedarf für den menschlichen Nutzenden aufbereitet werden. Das ist ein wichtiger Unterschied zu „generativer KI“. Außerdem werden zur Entwicklung und zum Betrieb keine teuren Computersysteme benötigt - ein durchschnittlicher Laptop genügt. Projekte, die auf dieser Basistechno‐ logie umgesetzt werden, verursachen keine hohen Kosten. 138 10 Big Picture für ein Projekt - KI-gestützt analysiert <?page no="139"?> Einsatz in Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung Stellen die Moderierenden eine Textskizze des Projekts im PlanMan-Savant bereit und passen Sie die Umgebungseinstellungen auf das zu planende Projekt an, liefert das System für den jeweils betrachteten Blickwinkel Hinweise auf Materialien und Inhalte. Diese können zum einen von den Moderierenden zur Vorbereitung eingesetzt werden. Die Software hierfür ist aktuell bereits verfügbar. Zur Moderationsunterstützung wird das System die aufgeschriebenen Begriffe einsetzen, um aus verschiedenen Blickwinkeln und mit verschiedenen, sinnvoll zum Projekt passenden Umgebungseinstellungen von sich aus Ergänzungen vorschlagen. Diese dienen dem Team sowie den Moderierenden, um während der Moderation spontan Ideen, Hinweise oder nützliches Wissen zu ergänzen. Hierzu gibt es teilweise erprobte Herangehensweisen und teilweise innovative Ideen, wie das Projekt agil umgesetzt werden kann. Als ein weiterer Automatisierungsschritt ist geplant, direkt aus dem Material und den Projektangaben Anforderungen zu extrahieren und diese in allen notwendigen Formulierungsvarianten bereitzustellen. Das ermöglicht von Anfang an Anforderungs‐ getrieben sowohl aus Kundensicht wie auch aus anderen Perspektiven wie Gesetzgeber, Lieferanten oder der Hochschulverwaltung an das Projekt heranzugehen. Mittels Arborisierung (Erarbeiten einer Baumstrukur) können diese Anforderungen dann ver‐ dichtet werden, so dass die notwendigen Hauptanforderungen in einer Baumstruktur erkennbar werden. Ein Minimal Viable Product (MVP) konnte erfolgreich erstellt werden. Die Mechanismen sind bekannt und erprobt und brauchen nur auf die „Savant“-Technologie umgestellt werden. Sogar Maßnahmen können in Zukunft vorgeschlagen werden. Ein teilautomati‐ sierter Vorschlag von Aufgabenpaketen ist ebenfalls denkbar. Das würde bei der Antragstellung erheblich Zeit sparen. Auch dies ist vorgedacht und innovative Ideen stehen zur Verfügung. Eine bereits implementierte, durchdachte Aufzeichnung der Projekthistorie lässt außerdem zu, bei Änderungen zurückzugehen und ab dem Entscheidungspunkt neu zu planen bzw. sehr schnell und vollständig die erforderlichen Änderungen abzuleiten. Das ist bereits implementiert. Zudem ist angedacht, wie die Software direkt in an Hochschulen verbreiteten Pro‐ jektmanagement-Anwendungen integriert werden kann, damit sich die Anwendenden nicht in ein neues System einarbeiten müssen. Deswegen wurden bisher noch keine Arbeitsoberflächen geschaffen. Diese sollen direkt in der Anwendungsoptik und der jeweiligen funktionalen Technik erstellt werden. 10.3 Fazit und Ausblick Die Methode PlanMan liefert ein für alle Nutzenden einfach zu verstehendes Analogie‐ modell für die Konzeption, Durchführung und Evaluation komplexer interdisziplinärer 10.3 Fazit und Ausblick 139 <?page no="140"?> Projekte, wie am Beispiel eines „Projektes an der Hochschule“ dargestellt. „PlanMan“ basiert auf erprobten linguistischen KI-Verfahren, und hilft insbesondere dabei, kom‐ plexe Zusammenhänge zu berücksichtigen und nutzen, wie es bei anderen Verfahren nicht möglich ist. Je elaborierter die Beiträge und je konkreter die Begrifflichkeiten sind, umso effizien‐ ter kann PlanMan sein. Das Verfahren ersetzt sehr teure Experten mit generalistischer Ausbildung. Mit PLAI steht eine Wissensarbeits-KI als Basissoftware bereit, die alle Anforderungen erfüllt, um eine solche Anwendung umzusetzen - und darüber hinaus die Kompetenzen der Beteiligten zu bereichern. Zur Umsetzung reichen handelsübliche Computer. Idealerweise wird das Verfahren in die an Hochschulen verbreitete Projektmanagement-Software integriert, um eine rasche Nutzung zu ermöglichen. Zur weiteren Nutzung des Verfahrens wird die Konrad Zuse Akademie Hoyerswerda (ZUSAK) eine Weiterbildung für Programmierende und Anwendungsentwickelnde anbieten. Dafür werden weitere Forschungs- und Lehr-Partner gesucht. Das soll die Voraussetzungen schaffen um einerseits die Forschungs- und Ent‐ wicklungs-Roadmap agil einzusetzen und andererseits eine für Hochschulangehörige verfügbare Lösung entstehen zu lassen. Auch hierzu wird die Zusammenarbeit mit interessierten Innovatoren gesucht. Literatur [1] Bartsch-Beuerlein, Sandra (2020): What’s big on Big Picture? . GPM-blog eingestellt am 13.02.2020 https: / / www.gpm-blog.de/ whats-big-on-big-picture/ (zuletzt geöffnet 30.07.2023) [2] Metzig, Werner; Schuster, Martin (2020): Lernen durch Analogiebildung. In: Metzig, W.; Schuster, M.: Lernen zu lernen---Lernstrategien wirkungsvoll einsetzen. S.-137---147 https: / / doi.org/ 10.1007/ 978-3-662-61506-5_8 [3] Bertalanffy, Ludwig von (1969): General Systems Theory: Foundation, Development, Appli‐ cation. George Braziller: New York. [4] Habermann, F. (2015): Der Project Canvas - Wirksames Werkzeug zur Projektdefinition. h ttps: / / www.researchgate.net/ publication/ 277326710_Der_Project_Canvas_-_Wirksames_We rkzeug_zur_Projektdefinition (zuletzt geöffnet 22.07.2023) [5] BVA (Hrsg.) (2021): S-O-S-Methode© für Großprojekte. https: / / www.bva.bund.de/ DE/ Servi ces/ Behoerden/ Beratung/ Beratungszentrum/ GrossPM/ _documents/ stda_sos_methode.html (zuletzt geöffnet 22.07.2023) Enthält den Projektkompass. [6] Teich, Irene; Haag, Thomas (1996): Towards a Learning Organization: Step-by-step to new Thinking, new Performance, and new Cooperation. 20. - 23. Oktober 1996 in Orlando, Florida, gehalten am 20. und 21. Oktober 1996 und Teich, Irene (2002): Plan-Man in: Beitz, Holger (Hrsg.): Handbuch für den Vorgesetzten, Januar-Februar 2002. [7] Teich, Irene (2023): OrgMännle - Trainerhandbuch Hochschule. München: Eigenverlag. Kann bestellt werden über ibteich@wm4svc.eu. 140 10 Big Picture für ein Projekt - KI-gestützt analysiert <?page no="141"?> [8] Lay, Rupert (2016): Konstruktivimus. Band-1 Grundlagen Wissenstechnologie: AIQ.go; 2. Edition ( Juni 2016). [9] Haass, Uwe; Scheideler, Marcel; Wehnes, Harald (2020) „Agiles Projektmanagement und wissenschaftliches Arbeiten---Weltklasse-Forschung trifft Weltklasse-Projektmanagement“ in: PM aktuell 03/ 2020 [10] Teich, I. (2020) Meilensteine der Entwicklung Künstlicher Intelligenz. Informatik Spektrum 43, 276-284. https: / / doi.org/ 10.1007/ s00287-020-01280-5 (zuletzt geöffnet 03.08.2023) [11] Dorren, Gaston (2018) Babel: Around the World in Twenty Languages. Paperback London: Profile Books. Literatur 141 <?page no="143"?> 11 Integration des Case-Based Reasoning-Ansatzes in Ontologien: Potenziale und Anwendung am Beispiel des Projektmanagements im Maschinen- und Anlagenbau Wibke Kusturica, Christoph Laroque Abstract Das Projektmanagement im Maschinen- und Anlagenbau steht insbesondere bei der Projektierung, Planung und Steuerung von Unikaten und Kleinserien vor der Herausforderung, für die benötigten Prozessdauern aller Vorgänge möglichst gute Schätzer zu identifizieren. Der 1: 1 Rückgriff auf historische Daten ist, selbst wenn diese in hoher Qualität vorhanden sein sollten, nicht ohne weiteres möglich. Alle Projektdaten sind daher für ein neues Projekt aufzubereiten und an die Anforderungen des Neuproduktes anzupassen. Die Verwendung von Ontologien als Speicher von Wissensobjekten und die integrierte Anwendung der Methode des Case-Based Reasoning eröffnet im genannten Kontext Potentiale für ein verbessertes Projektmanagement. Über festgelegte Merkmale kann der Grad an Ähnlichkeit zu vergangenen Projekten und deren Daten qualitativ und quantitativ hergestellt werden, um dem Projektplaner die am besten geeignete Datengrundlage zur Verfügung zu stellen. Der Beitrag motiviert das Thema im Detail, stellt die relevanten methodischen Grundlagen vor und liefert dann erste praktische Ergebnisse zur Umsetzung des Ansatzes. Stichwortliste Ontologie, Projektmanagement, Case-based Reasoning, Künstliche Intelligenz, Protégé 11.1 Einleitung Der Maschinen- und Anlagenbau ist gekennzeichnet durch die Fertigung von Unikaten und Kleinserien. Das Projektmanagement (PM) der Unikatfertigung steht vor der Herausforderung, dass Prozesse, bspw. die Ermittlung der Dauer von Prozessen, aufgrund des Unikatcharakters stets neu zu schätzen sind. Eine 1: 1-Übernahme von altem Projekt- und Prozesswissen ist nicht möglich. Oftmals liegt das Projekt- und Prozesswissen nicht explizit für eine Nachnutzung vor, sondern ist implizit in den Köpfen der Projektmanager vorhanden. Eine Studie von [1] hat ergeben, dass sich die befragten Unternehmen mit den ver‐ fügbaren Daten als Entscheidungsbasis relativ zufrieden zeigen; betriebswirtschaftliche Nutzungspotenziale der Daten fehlen jedoch in vielen Fällen. Eigene Untersuchungen im <?page no="144"?> Rahmen des Forschungsprojektes SimCast [2] zeigen darüber hinaus, dass es neben dem fehlendes Problembewusstsein gerade in kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMU) branchenübergreifend oftmals an geeigneten Methoden und Verfahren zur sicheren Gestaltung und Beherrschung von Prozessdauern fehlt, beispielsweise bei der Planung von logistischen Prozessen [3], [4]. Diesem Informationsdefizit wird in der Praxis mit der Anwendung von Erfahrungs- und Schätzwerten begegnet [5], [6]. Diese unterliegen einem subjektiven Einfluss. Eigene Untersuchungen der Autoren im Rahmen des Forschungsprojektes SimCast zeigen, dass eine (zeitliche) Planung von Logistikproz‐ essen sowohl bei der Fertigung und der Montage beim Kunden auf der Baustelle nicht stattfindet [2]. Lediglich grobe Schätzungen zur Ermittlung der Prozessdauern werden in der Praxis angewandt; das PM verfügt oftmals über zu wenige aktuelle Informationen bezogen auf die zu schätzenden Logistikprozesse. Um die Prozessdauern dennoch in der Projektplanung zu berücksichtigen, schätzt das PM die Vorgangsdauern häufig grob. Das führt wiederum zu einer (unnötigen) Verlängerung der geplanten Projektdauer und somit zu einer Verteuerung. Das Gesamtrisiko des Projektes steigt. Künftig müssen dem Planer also eine Vielzahl von Daten zur Verfügung stehen, die es ihm ermöglichen, ein digitales Abbild der Logistikprozesse zu erzeugen, um die datenbasierte Ermittlung der Prozessdauer durchzuführen und prädiktiv steuern zu können. Denn die genauere Ermittlung der Dauer logistischer Prozesse führt zu einem Wettbewerbsvorteil und somit zu einer besseren Positionierung am Markt [2]. Eine Studie zu Industrie 4.0 im Industrieanlagenbau des Verband Deutscher Maschi‐ nen- und Anlagenbauer (VDMA) hat ergeben, dass das Verbesserungspotenzial in den Prozessen des Anlagenbaus hoch ist [7]. „Die Verbesserungen in den genannten Prozes‐ sen werden sich zudem direkt auf das Projektmanagement […] auswirken,“ das von dem oben genannten Bedarf der erhöhten Transparenz profitieren wird [7, p.-8]. Das PM soll künftig in seinen Aufgaben unterstützt werden, datenbasierte Planungsentscheidungen bei gleichzeitiger Reduktion des kognitiven Aufwands zu erzielen. Um die Problemstellung zu adressieren, wurde im Rahmen eines langfristigen Forschungsprojekts eine Methode konzipiert, die dem PM eine Systematik zur Nachnutzung von Wissen bereitstellt, durch deren konsequente Anwendung eine datengetriebene Schätzung von Prozessdauern möglich ist [8]. Die datenbasierte Schätzung führt im Gegensatz zu einer ausschließlichen Berücksichtigung von „ad hoc - Schätzung“ zu einer abgesicherten Planung der Prozessdauer und soll in der Praxis zu einer Erhöhung der Termintreue führen. Zusätzlich kann im Rahmen des PMs durch die immer höhere Verfügbarkeit von (Prozess-) Daten auf diese historischen Daten für die Planung aufgesetzt werden. Durch die Konzeption und Anwendung der Methode stehen einmal aufgenommene Daten in Datenbanken zur Verfügung und können beispielsweise mit Hilfe semantischer Modelle zu Wissensobjekten verknüpft werden. Die Methode ermöglicht den Aufbau einer Wissensbasis zur Nachnutzung von Projekt- und Prozesswissen. Sie ist so konzipiert, dass sie durch die Anwendung des maschinellen Lernverfahrens Case-based Reasoning (CBR) lernfähig wird. 144 11 Integration des Case-Based Reasoning-Ansatzes in Ontologien: Potenziale und Anwendung <?page no="145"?> Ziel dieses Beitrags ist es, eine Möglichkeit zur Bereitstellung der Wissensnachnut‐ zung in Form einer Ontologie aufzuzeigen und zu demonstrieren, wie CBR dabei helfen kann, aus historischen Projektdaten Wissen für neue Projekte nachzunutzen. Zunächst wird in Kapitel 11.2 der theoretische Hintergrund dargelegt. In Kapitel 11.3 erfolgt die Beschreibung des Einsatzes von ontologiebasiertem CBR im PM. Der Beitrag schließt mit der Anwendung eines Fallbeispiels und einem Ausblick auf künftige Forschungsaktivitäten in diesem Fachgebiet. 11.2 Theoretischer Hintergrund Ziel des übergeordneten Forschungsprojektes ist die Erstellung einer Systematik zur Nachnutzung von Projektwissen, die dem PM die Möglichkeit bietet, Wissen bspw. über die Dauer von (Logistik-)prozessen aus vorangegangenen Projekten systematisch abzulegen und für die Schätzung künftiger Prozessdauern heranzuziehen. Die Praxis zeigt, dass viele Unternehmen die dafür notwendigen Daten (noch) nicht besitzen. Das Vorhaben zielt daher auch darauf ab, mit der bereits zur Verfügung stehenden Methodik eine entsprechende Datenbasis aufzubauen und diese als Entscheidungsgrundlage für künftige Planungen heranzuziehen. Um eine datenbasierte Wissensnachnutzung zu ermöglichen, werden die Wissens‐ gebiete (a) Projektmanagement, (b) Data Analytics und (c) Wissensmanagement betrachtet. a) Projektmanagement (PM): Der Unternehmenserfolg wird durch eine effiziente Ausgestaltung der wertschöpfenden Prozesse, ihre zuverlässige Terminierung und damit auch durch eine valide Planung eben dieser Prozesse bestimmt. In der Literatur stehen Vorgehensmodelle (Wasserfall-Modell, V-Modell, Prototypen-Modell, Objekt‐ orientiertes Modell und der HyProM Ordnungsrahmen) [9], eine Vielzahl qualitativer und quantitativer Schätzmethoden (Delphi-Studien [10], Experteninterviews [11], Gruppendiskussionen [12, 13], Einflussfaktorenmethode [14], Analogiemethode [15], Multiplikationsmethode [16], Kennzahlenmethode [17], parametrischen Gleichunge [18] und algorithmische Methoden der Aufwandsschätzung) zur Verfügung. b) Data Analytics (DA): Im Rahmen der betrieblichen Entscheidungsfindung wird mit Hilfe statistischer Methoden und Data-Mining-Verfahren zur automatisierten Mustererkennung [19] versucht, Informationen aus vorliegenden Datenmengen eines Geschäftsprozesses zu gewinnen, diese im Anschluss zu visualisieren und hinsichtlich gezielter Fragestellungen zu analysieren [20]. Außerdem können Process Mining [21] und CBR zur Analyse natürlich sprachlicher Texte eingesetzt werden [22]. c) Wissensmanagement (WM): Die Wiederverwendung von Wissen, insbesondere Projektwissen, ist im PM essentiell. Angewandte Techniken sind vor allem Information Retrieval (IR) [23, 24], Natural Language Processings (NLP) [25, 26], und Ontologien als Wissensspeicher [27, 28]. Kenntnisse aus diesen Wissensgebieten sind notwendig, da sie a) aus PM-Sicht dafür sorgen, dass die richtigen Daten identifiziert werden, b) dass die Daten aus 11.2 Theoretischer Hintergrund 145 <?page no="146"?> Data Analytics-Sicht richtig erfasst und untersucht werden und c), dass die Daten aus Sicht des Wissensmanagements in einer Wissensstruktur für die Nachnutzung sauber bereitgestellt werden. 11.3 Einsatz von Ontologien im Projektmanagement Dieses Kapitel dient der Definition und der Erläuterung der Technologien und Verfah‐ ren, die notwendig sind, um eine lernfähige Wissensbasis zu implementieren. Dazu werden zunächst Ontologien (a) und deren Funktionsweise an Hand eines eigenen Modellierungsansatzes vorgestellt. Anschließend wird das maschinelle Lernverfahren CBR (b) vorgestellt und beide Ansätze zu (c), der Implementierung der Lernfähigkeit einer Ontologie zusammengeführt. a) Ontologien Ontologien sind Werkzeuge zur Strukturierung und Beschreibung von Wissen [29, 30], die es dem PM ermöglichen, implizit vorhandenes Wissen explizit abzulegen und somit die den kognitiven Aufwand reduzieren. Modellierungsmethoden nach [31, 32] sowie [33] wurden als Orientierungshilfe für den eigenen Modellierungsansatz ausgewählt und konsolidiert. Die aggregierten Stufen Spezifizierung, Konzeptualisierung und Im‐ plementierung stellen die technischen Phasen des Ontologie-Entwicklungsprozesses dar. Als unterstützende Aktivitäten erfolgen in jeder Phase eine Dokumentation und Verifikation und Validierung. b) Case-based Reasoning Nach dem Stand der Technik gibt es keine PM -pezifischen Methoden und Techniken, die natürlich sprachliches Projektwissen in strukturiertem Wissen ablegen. Das in der Praxis in Projekten entstandene Wissen wird meist unstrukturiert, textuell abgelegt. Ein Ansatz, der die Formalisierung und die Analyse natürlichsprachlicher Texte ermöglicht, ist das CBR, eine Technik der Künstlichen Intelligenz [22]. Im Gegensatz zum Projektmanager kann die computergestützte Analyse von Projektwissen deutlich schneller zu präzisen Ergebnissen führen, da die Rechenleistung eines Computers die des menschlichen Gehirns weit übersteigt. Beim CBR werden gezielt Alt-Fälle/ historische Fälle gesucht, die einem aktuellen Fall am ähnlichsten sind, um mit den Erfahrungen der Alt-Fälle auf den neuen Fall zu schließen [34, 35]. Es handelt sich beim CBR also „um einen Ansatz zum Lösen neuer Probleme durch Anpassen der Lösungen früherer, ähnlicher Probleme“ [36, p. 1]. Das CBR stellt somit „eine Methode zum Lösen von Problemen durch Nutzung von Erfahrungen“ dar [37, p. 3]. Der neue Fall wird in einer Fallbasis gespeichert, die mit jedem neuen Fall um n=1 wächst [36]. Je mehr Fälle die Fallbasis enthält, desto genauer kann ein neuer Fall alten Fällen ähneln. „Die primäre Wissensquelle im CBR besteht nicht aus generalisierten Regeln, sondern aus einer Sammlung von Erfahrungen in Form von gespeicherten Fällen.“ [27, p. 33]. In der Literatur [38], [27], 146 11 Integration des Case-Based Reasoning-Ansatzes in Ontologien: Potenziale und Anwendung <?page no="147"?> [37] wird unterschieden zwischen strukturellem, textbasierten und dialogorientierten (conversationalen) CBR. [37] ergänzt eine Mischform der ersten beiden Ansätze: das strukturierte textbasierte CBR. Durch die Anwendung des CBR soll also ein für die Problemlösung nützlicher Alt- Fall identifiziert werden, dessen Problemstellung die meiste Ähnlichkeit aufweist [36]. „Dabei hat man die Hoffnung, dass die Ähnlichkeit der Problemstellung die Nützlichkeit für die Problemlösung impliziert“ [39, p. 22]. „Falls genau ein hinreichend ähnlicher Fall identifiziert wird (Retrieve), ist die Selektion eines ähnlichsten Falls trivial. In der darauffolgenden Phase kann anhand der Übernahme oder Anpassung der Lösung des ähnlichsten Falls auf Lösungsmerkmale des neuen Falls geschlossen werden. Die Lösung wird in der Prüfungs-Phase auf Korrektheit geprüft und, wenn nötig, überarbeitet. Durch die Aufbewahrungs-Phase wird die neue Lösung als gelernter Fall in der Fallbasis gespeichert [(Retain)]“ [27, p. 34]. In der Lern-Phase „soll versucht werden, aus der aktuellen Problemlösung einen Wissensgewinn für die Fallbasis zu ziehen“ [37, p. 15]. Im letzten Schritt wird der bekannte Lösungsansatz auf die neue Symptomatik angewandt [40]. Es ist ausreichend, Fälle durch wenige Parameter zu charakterisieren [41]. Der Einsatz von CBR zur Wiederverwendung von Projektwissen wurde von [42] und [43] für die Aufwandschätzungen bei Softwareentwicklungsprojekten untersucht [27, p. 9]. [43] beurteilt die Ähnlichkeit zwischen Softwareentwicklungsprojekten (jedes Projekt entsprach einem Fall, abgelegt in einer Fallbasis) anhand von qualitativen und quantitativen Merkmalen (Attributen). Die Ermittlung der Ähnlichkeiten wird dabei nicht konkretisiert. Eine Zusammenführung einer Ontologie mit dem CBR für die Wiederverwendung von Wissen beschreibt erstmalig [22]. [44] , [45] und [46] erläutern aufbauend auf [22] ontologiebasierte Architekturen für den Einsatz von CBR im Wissensmanagement. Nach [22, p. 414] scheint es „vorteilhaft, eine Ontologie als gemeinsame Basis für die Repräsentation von Fällen und Anpassungswissen und als Handhabe für das Wissensmanagement auf einer höheren Ebene zu entwickeln“. Das PM bietet sich dafür besonders an, da hierbei viele natürlichsprachliche Dokumente erstellt werden, die mittels Ontologie eine eindeutige Semantik erhalten und sich so mittels CBR auf ihre Ähnlichkeit hin untersuchen lassen. Das im PM allgemein verbreitete Vorgehen, bei einem neuen Projekt auf bisherige Erfahrungen zurückzugreifen, bekannt als Lessons Learned, entspricht dem Vorgehen des CBRs. Durch die computergestützte Analyse des Projektwissens können in kürzerer Zeit mehr Informationen gefunden werden als bei einer manuellen Suche. Das erhöht die zeitliche Effizienz und die Effektivität, da Projektwissen jederzeit verfügbar digital vorgehalten wird. Der Einsatz des CBR wird umso effektiver, je mehr Fälle in der Fallbasis vorgehalten werden, da mit steigender Fallzahl auch die zusätzlichen Erfahrungen in der Fallbasis berücksichtigt werden. Weitere Vorteile wie die Vermeidung hohen Wissensak‐ quisitionsaufwandes und die einfache Wartung des Wissens beschreiben [39, p.-1]. Wie es auch bei statistischen Untersuchungen häufig der Fall ist, so ist auch die Interpretationen von Fällen in Bezug auf deren Ähnlichkeit mit Unsicherheiten 11.3 Einsatz von Ontologien im Projektmanagement 147 <?page no="148"?> verbunden. Diese Unsicherheit ist jedoch bei allen Schlussfolgerungssystemen gegeben und muss akzeptiert werden. „Ob die Fälle aber tatsächlich ähnlich sind, kann nicht ohne eine verbleibende Unsicherheit ausgesagt werden“ [27, p. 39]. Neben dem CBR können Fälle hinsichtlich ihrer Ähnlichkeit durch statistische Verfahren und Muster‐ erkennung betrachtet werden. Statistische Verfahren unterscheiden sich vom CBR dahingehend, „dass die mathematischen Ähnlichkeitsfunktionen im Voraus definiert werden und unabhängig von der zu Grunde liegenden Fallbasis angewendet werden“ [27, p. 36]. Das CBR unterscheidet sich davon grundlegend, da durch die permanente Erweiterung und das inkrementelle Lernen mit der Fallbasis im Vorfeld bereits lokale Ähnlichkeitsmaße festgelegt werden müssen. Die stetige Integration neuer Fälle in die Fallbasis kommt dem Lernen beim menschlichen Problemlösen recht nahe. „In einem Vergleich zwischen CBR und statistischen Verfahren wurden durch das CBR qualitativ bessere Ergebnisse erzielt“ [27, p. 36]. Ebenso wird die CBR Fallbasis bereits mit dem ersten Fall nützlich in der Anwendung. Große Datenmengen, wie sie bei anderen KI- Techniken benötigt werden, sind nicht notwendig. c) Praktische Implementierung der Lernfähigkeit durch ontologiebasiertes CBR Eine computergestützte Wiederverwendung von Projektwissen im PM erfolgt durch eine kombinierte Betrachtung des Ontologie-Ansatzes und CBR im Sinne eines onto‐ logiegestützten CBR, das konzeptionell auf die Domäne des PMs bei Unikatfertigern des Maschinen- und Anlagenbau zugeschnitten wird. Liegen hinreichend viele Daten zu bereits abgeschlossenen Projekten vor, kann eine wahlweise manuelle oder algorithmische Prozess- oder Projekttypisierung vorgenom‐ men werden, die Muster in den Prozessen, Prozessketten oder Projekten erkennt und somit eine Klassifizierung vornimmt. Da sich das Ontologie-Werkzeug Protégé als praktikabel herausstellt und über Schnittstellen zu CBR-Anwendungen wie MyCBR verfügt, werden diese beiden Werk‐ zeuge nachfolgend verwandt. MyCBR wird als Plug-In in Protégé integriert und kann somit auf das in der Ontologie abgelegte Wissen zugreifen. MyCBR führt das CBR und die Berechnung von Ähnlichkeitsmaßen durch. In Protégé wird der interne Standard „Protégé Files“ als Standard ausgewählt. Die Durchführung bedarf der Erstellung einer Fallsammlung sowie einer Ontologie. Dabei werden die Instanzen in „.pins“-Dateien; Klassen in „.pont“-Dateien gespeichert. Bevor das CBR in MyCBR durchgeführt werden kann, muss die Fallbasis erarbeitet und zur Verfügung gestellt werden. Die Fallbasis setzt sich zusammen aus Entitäten, die bereits in der Ontologie angelegt wurden und über Beziehungen in Relation stehen. 11.4 Anwendungsfall Eine Möglichkeit, Erfahrungswissen aus alten Projekten auf neue Projekte zu übertra‐ gen, besteht darin, Projekte als Ganzes durch eine Vielzahl von Attributen zu formulie‐ 148 11 Integration des Case-Based Reasoning-Ansatzes in Ontologien: Potenziale und Anwendung <?page no="149"?> ren und anhand dieser Attribute dann zu untersuchen und zu lernen. Im nachfolgenden Anwendungsfall sollen ähnliche Projekte identifiziert werden. Die Projekttypisierung wird an Hand eines Beispiels ausführlich demonstriert. Die Projekttypen lassen sich anhand von Projektdimensionen (Attributen) charakterisieren. Entsprechend der im Forschungsvorhaben verwendeten Terminologie wird zunächst die Klasse „Projekt“ mit den Instanzen „Projekt_01“ bis „Projekt_20“ angelegt. Die 20 Projekte bilden die Fallbasis (Alt-Fälle). Die nachfolgende Abbildung 11-1 zeigt Fall 1 der Fallbasis. Abb. 11-1: Fall 1 der Fallbasis Jeder Fall wird durch die Attribute „Anzahl unterschiedlicher Projektpartner“, „Feh‐ lende Ressourcen“, „Komplexität“, „Liefertreue des Lieferanten“, „Personentage“, „Pro‐ jektdauer“, „Projektkosten“, „Projektnummer“, „Projektrisiko“, „Qualitätsanforderung“ beschrieben und gespeichert. Diese Attribute diesen als Kennzahlen zur Beschreibung dieser Projekte. „Die Verwendung von Kennzahlen setzt allerdings voraus, dass solche in vergleichbaren Projekten systematisch gesammelt und aufbewahrt worden sind und im Bedarfsfall schnell und unkompliziert abgerufen werden können“ [49, p. 596]. Daher wird jedes Projekt in der Ontologie abgelegt bzw. in die Ontologie importiert. Die Kennzahlen werden in die Ontologie als Instanzen überführt und deren Kardinalität, Typ und Funktion (Wertebereich, Binärauswahl) manuell eingetragen. Der Anwender erhält folgende Übersicht (Abbildung 11-2). Abb. 11-2: Attribute zur Beschreibung eines Projekts Im nächsten Schritt erfolgt die Gewichtung der einzelnen Projektparameter für die Verwendung innerhalb des CBR-Ansatzes (Abbildung 11-3). Diese Gewichtung kann 11.4 Anwendungsfall 149 <?page no="150"?> unternehmensspezifisch sehr unterschiedlich ausfallen. In dem vorliegenden Fall sind Gewichtungen zwischen 1 und 10 zu vergeben, wobei der Anwender keine Werte über 5 eingetragen hat. Unternehmen A gewichtet bspw. das Projektrisiko weitaus höher als Unternehmen B. Unternehmen C kann fehlende Ressourcen höher als die anderen Unternehmen gewichten, da eine fehlende Ressource bei einem kleinen Unternehmen schnell zu einem Totalstillstand führen kann. Die vorliegende Gewichtung wird nur exemplarisch angegeben und ist jederzeit anpassbar. Abb. 11-3: Gewichtung der Attribute Auf Basis der gewichteten Attribute sind nun deren lokale Ähnlichkeitsmaße zu bestimmen. Das hier angegebene Beispiel zeigt das Attribut Komplexität mit den Ausprägungen „hoch“, „mittel“ und „gering“ (Abbildung 11-4). Bei der Bestimmung der lokalen Ähnlichkeitsmaße geht es darum, deren Lage zueinander zu bestimmen. Hierfür wurde als Ähnlichkeitsmodus (Similarity mode) eine Tabelle gewählt. Da die Abstände zwischen den Ausprägungen symmetrisch sind, werden die Werte „1,0“, „0,66“ und „0,33“ gewählt und in die symmetrische Tabelle eingetragen. Die Diagonale beträgt 0. Die Ähnlichkeitsmaße sind für alle Attribute anzugeben. Auch hier können die Ausprägungen unternehmensspezifisch konfiguriert werden. Abb. 11-4: Ähnlichkeitsmaße für das Attribut Komplexität Die zu Beginn eingegebenen Attribute werden nun mit Angaben des neuen Falls gefüllt (Abbildung 11-5). Die Projektnummer stellt kein klassifizierendes Merkmal dar, sondern dient lediglich als Identifikationsnummer des Falls. Sie bleibt frei. 150 11 Integration des Case-Based Reasoning-Ansatzes in Ontologien: Potenziale und Anwendung <?page no="151"?> Abb. 11-5: Neuer Fall Im letzten Schritt wird der neue Fall auf seine Ähnlichkeit zu anderen Fällen (Alt-Fällen) hin untersucht und in der Übersicht „Details and Query“ angezeigt (Abbildung 11-6). Abb. 11-6: Retrieval - Repräsentation der ähnlichsten Fälle Als Ergebnis werden nun alle Fälle absteigend angezeigt. Wird der Schwellenwert „s“ für eine hinreichende Ähnlichkeit von s = 0,7 berücksichtigt, werden nur die ersten beiden Positionen angezeigt. Anhand der Ähnlichkeit des neuen Falls mit dem Alt-Fall Nr. 1 von 0,84 gilt es jetzt zu überprüfen, wie Fall 1 bisher geschätzt wurde und das Wissen darüber auf den neuen Fall zu übertragen. Das Vorgehen lässt sich nicht nur auf Projekte anwenden, sondern auch auf Prozesse übertragen. 11.5 Diskussion und Ausblick Der Beitrag beschreibt einen Ansatz zur Wissensnachnutzung im Projektmanagement. Der gewählte CBR-Ansatz ermöglicht es, die Lernfähigkeit eines Wissensspeichers zu implementieren, der hier in Form einer Ontologie vorliegt. Die Wissensobjekte (Klassen, Individuals und Data Properties) und ihre Abhängigkeiten untereinander 11.5 Diskussion und Ausblick 151 <?page no="152"?> (Relationen) stellen in dieser Form eine praktikable, erweiterbare Alternative zu relatio‐ nalen Datenbankmanagementsystemen als Wissensspeicher dar. Die Herausforderung im Unternehmenskontext besteht im relativ großen Aufwand bei der Erstellung einer unternehmensspezifischen Ontologie. Vor der Nutzung im Unternehmen muss die Ontologie unternehmensspezifisch adaptiert werden; allgemeingültige Ontologien, die als Ausgangsbasis dienen können, stellen [2] und [50] bereit. Die Ontologie dient also als Wissensspeicher, der historische Daten und Beziehun‐ gen abbildet. Durch die stetige Verwendung des ontologiebasierten CBR auf neu zu planende Projekte werden mit jeder Anwendung neue Daten erfasst und durch das PM in der Ontologie abgelegt. Die Ergebnisse der CBR-Anwendung werden selbst wieder in der Ontologie bereitgestellt. Somit wächst die Fallbasis mit jeder Anwendung und die Wissensbasis wird erweitert. Das CBR stellt neben vielen weiteren KI-Verfahren eine Möglichkeit dar, das PM datenbasiert zu unterstützen. Literatur [1] Deloitte, Aus der Studienserie „Erfolgsfaktoren im Mittelstand“ Data Analytics im Mittel‐ stand: Die Evolution der Entscheidungsfindung. [Online]. Available: https: / / www2.deloitt e.com/ content/ dam/ Deloitte/ de/ Documents/ Mittelstand/ studie-data-analytics-im-mittelstan d-deloitte-juni-2014.pdf (accessed: Aug. 13 2023). [2] D. Gliem, U. Jessen, J. Stolipin, S. Wenzel, W. Kusturica, and C. Laroque, SimCast - Simulationsgestützte Prognose der Dauer von Logistikprozessen, 2019. [3] H.-P. 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Um diese Konflikte zu vermeiden, ist die Nachvollziehbarkeit (Traceability) von sich ändernden Anforderungen und Zielen sowie der Bezug zu Dokumenten, die diese Informationen beinhalten, ein essenzieller Bestandteil des Projektmanagements. Die Verknüpfung von Dokumenten und Teilinhalten sorgt für erheblichen manuellen Aufwand. Der Einsatz von Natural Language Processing (NLP) ermöglicht eine automa‐ tisierte Analyse von Texten und Identifizierung von Beziehungen zwischen Dokumenten. Dies kann sowohl die Projektklärung, -planung als auch die Pro‐ jektsteuerung erleichtern, indem die Pflege von Referenzen automatisiert wird. Der Artikel zeigt Möglichkeiten zum Einsatz von NLP zur Unterstützung des Projektleiters. Stichwortliste Projektmanagement, Auftragsklärung, Nachvollziehbarkeit, Traceability, Natural Language Processing, Künstliche Intelligenz, Recommendation Engine 12.1 Einleitung Jedes IT-Projekt beginnt mit Ausschreibungen oder Anträgen, die üblicherweise aus Auftraggeber-Sicht formuliert sind. Hierin sind die fachlichen Anforderungen grob formuliert. Die Gliederung entspricht nicht selten der Abteilungsstruktur des Unter‐ nehmens. Im Verlauf der Projektvergabe erfolgt eine Konkretisierung dieser groben Skizze, oftmals bereits durch ein Projekt-Kernteam, z. B. im Rahmen einer Vorstudie. Die Strukturierung folgt in der Regel einer technischen Bausteinsicht, die die Struktur des zukünftigen Produkts abbildet. Hierbei entstehen bereits Brüche, ausgelöst durch unterschiedliche Sichtweisen, Fachsprachen, Kulturen, Unternehmenszugehörigkeiten und Hintergründe. Die Prü‐ fung, ob wirklich alle Anforderungen des Auftraggebers vollständig und konsistent abgebildet sind, ist nur durch eine sehr aufwändige manuelle Analyse möglich. Es besteht das Risiko, nicht alle Anforderungen abzubilden, Anforderung falsch zu verstehen oder auch irrelevante Anforderungen zu implementieren. Diese Risiken frühzeitig zu reduzieren, erspart hohe Kosten. <?page no="158"?> Im weiteren Projektverlauf bauen nahezu alle Projektartefakte auf den Inhalten der Projektdefinition aus der frühen Phase auf. Bekannte Reifegradmodelle, z. B. das Capa‐ bility Maturity Modell (CMMI), fordern die explizite Pflege der inhaltlichen Referenzen mit dem Ziel einer Nachvollziehbarkeit (Traceability) über alle im Entwicklungsprozess entstehenden Dokumente. Auch wenn die Nachvollziehbarkeit bereits für niedrige Reifegrade gefordert wird, z. B. bei CMMI auf Stufe zwei von fünf, erfordert die Verwaltung dieser Referenzen in der Praxis immense Disziplin und verursacht deutlichen Mehraufwand. Bestehende Werkzeuge bieten nur unzureichende Möglichkeiten, Dokumente aufeinander zu referenzieren, z. B. über Kommentarfelder. Werkzeuge aus dem Bereich des Anforde‐ rungsmanagements, z. B. Rational Requisite Pro, versprechen die Verwaltung einer Nachvollziehbarkeits-Matrix. In der Praxis greifen diese aber zu kurz, da vorwiegend formale Referenzen abgebildet werden und inhaltliche Bezüge fehlen [1]. Natural Language Processing (NLP) als Spezialgebiet der künstlichen Intelligenz (KI) fokussiert die automatisierte Analyse und Verarbeitung von natürlich-sprachlichen Texten. Insbesondere in der jüngeren Vergangenheit werden durch den Einsatz von Large Language Modells (LLM) [2], [3] massive Fortschritte erzeugt und Tools wie ChatGPT rücken in den Fokus der breiten Öffentlichkeit. Durch den Einsatz von Natural Language Processing ist es möglich, automatisiert Korrespondenzen zwischen Dokumenten zu identifizieren. Hierzu werden die Doku‐ mente in Sätze oder Absätze segmentiert und diese über KI-basierte Technologien inhaltlich in Bezug zueinander gesetzt. Fehlende Beziehungen weisen auf Inkonsisten‐ zen zwischen den Dokumenten hin. In der frühen Phase der Auftragsklärung ist damit z. B. eine deutliche Entlastung der Projektbeteiligten beim Abgleich der geforderten und angebotenen Projektinhalte möglich. In diesem Beitrag werden die Möglichkeiten zum Einsatz von NLP für die erfolgrei‐ che Projektsteuerung aufgezeigt. Im Fokus steht die Unterstützung des Projektleiters, insbesondere in der frühen Phase der Auftragsklärung. Hierzu wird zunächst der Begriff der Nachvollziehbarkeit konkretisiert. Anschließend erfolgt eine kurze Einfüh‐ rung in die automatisierte Verarbeitung natürlicher Sprache als Basis. Im Hauptteil wird eine Methodik vorgestellt, die aufzeigt, wie die automatisierte Ableitung und Pflege von Referenzen innerhalb der Projektdokumentation erfolgt. Schließlich endet dieses Kapitel mit einem zusammenfassenden Fazit. 12.2 Herausforderungen der Auftragsklärung im Kontext des Gesamtprojekts In den frühen Phasen eines IT-Projekts steht die Auftragsklärung und Zieldefinition im Vordergrund. Unabhängig von der verwendeten Methode (klassisch/ agil/ hybrid) und den dazu passenden Vorgehensmodellen (z. B. V-Modell XT, RUP, SCRUM) erfolgt zu diesem Zeitpunkt an der Schnittstelle zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer die Priorisierung und Präzisierung der zu entwickelnden Leistung. Je nachdem, wie 158 12 Analyse und Nachverfolgung von Projektzielen durch Einsatz von Natural Language Processing <?page no="159"?> das Projekt gesteuert wird, findet diese Form der Auftragsklärung wiederholt, z. B. für jeden Sprint, jedes Release oder jedes Inkrement statt. In der idealen Welt sind im Projekt nun alle entstehenden Liefergegenstände und -leistungen (zusammen Deliverables) eines Projekts miteinander verbunden. Für jedes Deliverable kann direkt ermittelt werden, welche und wessen Anforderung es abbildet, durch welche Analysedokumente es beschrieben ist, welche Klasse implementiert und welche Testfälle es testet. Einem Fehler kann damit direkt eine Anforderung bzw. ein Projektfeature zugeordnet werden, sodass die Auswirkungen abschätzbar sind. Auftragsklärung Auftraggeber-Sicht Auftragnehmer-Sicht Entwicklungs-projekt Betrieb Feat. 1 Feat. 2 Feat. n Anf. 1 Anf. 2 Anf. n Abb. 12-1: Herausforderungen der konsistenten Referenzierung bei der Auftragsklärung in Kontext des Gesamtprojekts. Anforderungen (Anf.) werden von Features (Feat.) abgeleitet und miteinander verknüpft. Der Fokus für diesen Beitrag liegt auf der Schnittstelle zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer, d. h. bei der Auftragsklärung. Hier überwiegt die textuelle Repräsenta‐ tion zur Beschreibung und Konkretisierung der Projektinhalte. Bei größeren Projekten entstehen hier nicht selten bereits umfangreiche Pflichtenhefte, aus denen dann Lastenhefte mit mehreren hundert Seiten konkretisiert werden. Die folgenden Phasen, die stärker im Bereich des Entwicklungsprojekts liegen, können mit verwandten Technologien ebenso unterstützt werden, sodass eine erweiterte Nachvollziehbarkeit möglich wird, wie im Ausblick erläutert ist. Abb. 12-1 visualisiert die Herausforderungen beim Abgleich der Dokumente. Als Basis für die spätere Projektarbeit müssen sorgfältig alle Bezüge zwischen den Do‐ kumenten abgeglichen werden. Jedes Feature wird von mehreren Anforderungen abgebildet. Im Folgenden wird ein Feature immer mit dem Auftraggeber verbunden und eine Anforderung spiegelt die Sicht des Auftragnehmers wider. Der Abgleich ruft unterschiedliche Herausforderungen hervor: ■ Unterschiedliche Sprache und Kenntnis: Die Beschreibung aus Auftraggeber- Sicht folgt einer fachlichen Vision mit entsprechendem Fachvokabular. Der un‐ ternehmerische Kontext (z. B. Annahmen, Normal- und Sonderfälle, Umfeld) ist oftmals nur implizit beschrieben. Die Konkretisierung aus Auftragnehmer- Sicht folgt einer technischen Strukturierung und verbindet damit die IT-basierte 12.2 Herausforderungen der Auftragsklärung im Kontext des Gesamtprojekts 159 <?page no="160"?> Umsetzung mit den fachlichen Vorgaben. Abhängig von den Erfahrungen in der Anwendungsdomäne ist diese Analyse aufwändig, unvollständig und fehlerbehaf‐ tet. ■ Große Menge an informellem Text: Gerade wegen der o. g. Herausforderung ist eine beidseitige gründliche Prüfung für den Projekterfolg elementar. Für jede geforderte Funktionalität muss geprüft werden, ob diese angemessen abgebildet und korrekt konkretisiert wurde. Der manuelle Aufwand zum Lesen und Abglei‐ chen erfordert qualifizierten Personaleinsatz und kostet Zeit. ■ Hohe Anzahl an Iterationen: Die gemeinsame Erarbeitung der Ziellösung gelingt nur selten im ersten Wurf. Vielmehr erfolgt in der Regel eine schrittweise Annäherung bei der schlussendlich eine geteilte Vision entsteht. Die Finalisierung dieser Vision erfordert dann weitere Freigaben oder ggf. Änderungen durch die beteiligten Stakeholder. ■ Hohe Kritikalität: Die entstehenden Dokumente stellen die inhaltliche und vertragliche Grundlage für die Projektarbeit dar. Alle folgenden Phasen im Ent‐ wicklungsprozess bauen auf diesen Vorgaben auf, sie sind damit entscheidend für den Projekterfolg. 12.3 Grundlagen zur automatisierten Verarbeitung natürlicher Sprache Natural Language Processing (NLP) bildet einen Unterbereich der Künstlichen Intelli‐ genz (KI) und Linguistik, der sich mit der Mensch-Maschinen Interaktion in natürlicher Sprache beschäftigt. NLP nutzt statistische Methoden, um Informationen aus Text und Sprache zu extrahieren oder Sprache zu synthetisieren. In den letzten 5 Jahren wurden große Erfolge aufgrund neuer Methodiken und der Verfügbarkeit von skalierbarer Rechenleistung im NLP-Bereich verzeichnet. Hierzu gehören insbesondere die massive Effizienzsteigerung bei der Domänenadaptierung von allgemeinen Sprachmodellen mit “gutem” Sprachverständnis [4] und aktuelle Chat Bots mit großen Potentialen in der Unterstützung vieler Anwendungsbereiche [2] ohne zusätzliche Domänenanpas‐ sung. 160 12 Analyse und Nachverfolgung von Projektzielen durch Einsatz von Natural Language Processing <?page no="161"?> Optimiertes Modell Trainieren der KI Annotierter Korpus Manuelles Tagging Informationsextraktion Plausibilisierung + - Zusammenfassung Trainings- Daten Training Vorhersage Abb. 12-2: Im linken Teil wird der Prozess zur Domänenadaption gezeigt, während rechts die Vorhersage in der produktiven Nutzung sowie Beispiele von NLP-Anwendungsmöglichkeiten gezeigt werden. Im Bereich des Machine Learnings unterscheidet man zwischen dem Trainings- und dem Vorhersageprozess (vgl. Abb. 12-2). Während im Trainingsprozess die Domäne‐ nanpassung der Sprachmodelle vorgenommen wird, liefert der Vorhersageprozess den wirtschaftlichen Mehrwert durch die automatische Verarbeitung von Produktivdaten. Im Trainingsprozess werden Daten aus der zu verarbeitenden Domäne gesammelt und durch die Markierung relevanter Eigenschaften (z. B. Personen, Organisationen oder die Stimmung des Dokumentes) mit Metainformationen angereichert. So entsteht ein Korpus, der zum Trainieren eines Modelles genutzt werden kann. Die sonst so datenintensiven Deep Learning Techniken können durch Transferlearning von den allgemeinen Sprachmodellen auf eine spezifische Domäne oft mithilfe weniger hundert bis tausend Beispielen effizient angepasst werden. Transferlearning bedeutet, dass ein Language Model (LM) auf einer großen Textmenge vortrainiert wurde (Wikipedia, Common Crawl und Derivaten etc.), um das allgemeine Sprachverständnis aufzubauen, damit dieses Modell im folgenden Schritt auf die Domäne spezialisiert werden kann. Im Vorhersageprozess wird das so entstandene Modell zur automatischen Verarbeitung von Textinhalten genutzt, um z. B. die Stimmung eines Social-Media Beitrags zu bestimmen oder eine kurze Zusammenfassung eines Dokumentes zu verfassen. Im Bereich des NLP werden mehrere Unteraufgaben definiert. Die für diese Arbeit relevanten Unteraufgaben werden im Folgenden erklärt. Eine Unteraufgabe ist die Dokumentklassifikation [5]. Im vorliegenden Fall erfolgt durch eine Dokumentklas‐ sifikation die Plausibilisierung, d. h. sie ordnet einem Dokument oder Absatz die 12.3 Grundlagen zur automatisierten Verarbeitung natürlicher Sprache 161 <?page no="162"?> Eigenschaft zu, ob dieses in sich schlüssig ist oder nicht. Allgemeine Anwendungen bilden die Spam-Erkennung oder die Stimmungserkennung in einer Social-Media Nachricht. Die Informationsextraktion beschäftigt sich mit der Identifizierung und strukturierten Aufbereitung von Informationen. Eine Anwendung ist die Eigennamen‐ erkennung [6]. Diese wird hier verwendet, um IDs in den Dokumenten zu finden und zu extrahieren. Eine andere Art der Verarbeitung bildet die automatische Zusammen‐ fassung [7]. Hierbei wird aus den Texten jeweils ein neuer Text mit den wesentlichen Informationen erstellt. Somit können Kernaussagen und die wichtigsten Informationen aus umfangreichen Texten schneller und effizienter erfasst werden. In der jüngsten Vergangenheit sorgten Large Language Models (LLMs) wie ChatGPT [2] oder T5 Modelle [3] für Durchbrüche, indem man nun mit einem Modell viele Aufgaben löst und nicht mehr aufgabenspezifische Modelle trainieren muss. Diese Sprachmodelle nehmen konkrete Fragestellungen entgegen, ggf. mit hilfreichen Bei‐ spielen (1-20) und liefern eine entsprechende Lösung. LLMs sind im Vergleich zu LMs oft 10-500x größer bezogen auf die Parameteranzahl. 12.4 KI-unterstützter Dokumentenabgleich während der Auftragsklärung Eine Unterstützung beim Abgleich der umfangreichen Dokumente, die während der Auftragsklärung entstehen, erscheint möglich und sinnvoll. Natural Language Processing bietet die technologische Basis hierzu. Im ersten Abschnitt werden die Anforderungen an eine solche Lösung dargestellt und eine Umsetzung skizziert. Im folgenden zweiten Abschnitt werden zwei unterschiedliche Technologien vorge‐ stellt: im ersten Fall wird für die Plausibilisierung ein Large Language Modell, wie es z. B. von ChatGPT implementiert ist, angebunden. Ziel ist, die Potentiale beim Einsatz von vortrainierten generativen KI-Werkzeugen zu demonstrieren. Im zweiten Fall werden für automatisierte Verwaltung von Referenzen grundlegende Technologien aus dem Bereich des Natural Language Processing, speziell die Vektorisierung von Textpassagen, verwendet. Ziel hierbei ist, die weiterführenden Möglichkeiten aufzu‐ zeigen, die mit dem entsprechenden KI-Knowhow realisiert werden können. Abschließend wird im dritten Teilabschnitt die Integration in eine interaktive Anwendung dargestellt. Anforderungen an die KI-basierte Lösung Ziel jedes Projekts ist es, für den Auftraggeber maximalen Nutzen bei der Klärung des Projektauftrags zu erzeugen. Konflikte entstehen, wenn Featurewünsche nicht oder falsch umgesetzt wurden oder wenn Anforderungen ohne Auftrag implementiert werden. Beim Abgleich der Auftraggeber-Sicht und Auftragnehmer-Sicht wird daher der beschriebene Projektumfang (Scope) und die plausible Beschreibung (Pragmatik) fokussiert. 162 12 Analyse und Nachverfolgung von Projektzielen durch Einsatz von Natural Language Processing <?page no="163"?> Feat. 1 Feat. 2 Anf. 1 Anf. 2 (b) (c) (a) + - (d) Feat. 1 Abb. 12-3: Visualisierung der Fehlerklassen und des Optimalfalls (a). Fehler in der Beschreibung des Projektumfangs entstehen aufgrund von Komplexität, Umfang, Zeitdruck oder auch falschem Verständnis. Inhaltliche Fehler und falsche Verwendung von Fachbegriffen deuten auf Missverständnisse oder fehlendes Wissen hin. Folgende Fälle sind zu prüfen (vgl. Abb.-12-3): ■ Ein vom Auftraggeber gefordertes Feature wird nicht vom Auftragnehmer be‐ schrieben (b) ■ Der Auftragnehmer beschreibt Anforderungen, die der Auftraggeber nicht gefor‐ dert hat (c) ■ Die Beschreibung von Features oder Absätzen ist in sich nicht plausibel (d). Der Mensch bleibt in diesem Prozess führend, d. h. die Analyse wird vom Autor des Dokuments angestoßen, Fehler und Verbesserungsvorschläge werden direkt im Doku‐ ment mit Kontextbezug visualisiert. Die Lösung wird damit in eine Textverarbeitung wie z.-B. Microsoft Word integriert. Technologische Umsetzung Um den Dokumentenabgleich durchzuführen, müssen Projektmitarbeiter ursprünglich beide Dokumente mit Featurebeschreibungen und Anforderungen lesen und manuell die Verlinkungen in zusätzlichen Tabellen pflegen. Im Auftragsklärungsprozess fallen somit eine große Menge unstrukturierter Daten an. Der manuelle Zuordnungsaufwand kann mithilfe von NLP-Methoden reduziert werden. Das Ziel ist eine Integration in vorhandene Tools wie Word, die den Autoren direkt mit zusätzlichen Informationen unterstützt und aufzeigt, welche Unstimmigkeiten (siehe Anforderungen auf Seite 77) und Zuordnungen existieren. Um eine Zuordnung von Anforderung zu Features zu ermöglichen, müssen die Absätze, in denen eine Anforderung oder ein Feature beschrieben wird, zunächst aus dem Ursprungsdokument (z. B. Lastenheft) isoliert werden. Eine Herausforderung stellt die automatisierte Vergleichsmethodik dar, ob ein beliebiges Paar von Feature und Anforderung verbunden werden sollte. Die Verarbeitungspipeline (vgl. Abb.-12-4) zeigt die einzelnen Schritte. 12.4 KI-unterstützter Dokumentenabgleich während der Auftragsklärung 163 <?page no="164"?> Absatz Extraktion Plausibilisierung ? ! Vektorisierung Zuordnung … … … Abb. 12-4: Prozessschritte zur Aufstellung der Nachvollziehbarkeits-Informationen. Die Plausibilisie‐ rung erfolgt durch die Verwendung von LLMs. Die automatische Zuordnung von Referenzen basiert auf einem Clustering vorab vektorisierter Textpassagen. Im Folgenden werden die einzelnen Verarbeitungsschritte erläutert. Der erste Prozess‐ schritt adressiert zwei Herausforderungen. (1) Für die Zuordnung werden die einzelnen isolierten Features und Anforderungen benötigt. (2) Aktuelle NLP-Modelle haben Längenrestriktionen, so dass die Verarbeitung der kompletten Ursprungsdokumente technisch nicht umsetzbar ist. Deshalb werden die Paragrafen, die ein Feature oder eine Anforderung repräsentieren, isoliert und extrahiert. Bei wohl strukturierten Dokumenten kann dies regelbasiert durchgeführt werden, bei weniger strukturierten Dokumenten können statistische Methoden genutzt werden, um diese Regionen oder Paragrafen zu identifizieren. Aufgrund der Längenrestriktionen kann es notwendig sein, einen Zusammenfassungsschritt (siehe Seite 74) durchzuführen, um die Länge der Paragrafen zu reduzieren, jedoch den Informationsgehalt zu erhalten. Nach der Isolierung der Inhalte für die Features und Anforderungen erfolgt eine Überprüfung auf Unstimmigkeiten oder Inkonsistenzen innerhalb der Textelemente. Mit fehlerhaften Daten weiterzuarbeiten, kann zu erhöhten Projektkosten führen. Deshalb wird dieser Schritt sehr früh in dem Verarbeitungsprozess angesiedelt. Für die Plausibilisierung wird ein LLM genutzt, das aufgrund des aufgebauten Sprachver‐ ständnisses einschätzen kann, ob gewisse formulierte Thematiken in sich konsistent sind. Bewegt man sich in einer Spezialdomäne wie der Medizin, kann es nötig sein, diese Modelle auf anderen Daten zu trainieren. LLMs können mit Fragestellungen und Beispielen aufgerufen werden und liefern so Informationen, ob sie den Paragrafen für sinnvoll erachten oder nicht. Falls ein Dokument nicht als plausibel eingestuft wird, können ebenfalls Gründe vom Modell angegeben werden. Diese können dem Autor einen Hinweis geben, mit dem dieser entscheiden kann, ob gegebenenfalls Rücksprache mit dem Kooperationspartner zu halten ist. Im nächsten Schritt werden alle Feature-Dokumente mithilfe von NLP-Sprachmo‐ dellen (LM) in einen hochdimensionalen Vektorraum überführt. Da Computer nicht mit Wörtern rechnen können, benötigen sie eine Zahlenrepräsentation der Wörter. Diese Überführung von Worten in Vektoren erfolgt auf Basis umfangreicher Textmengen und führt zu einer Vektorrepräsentation für jeden Absatz in diesem hochdimensi‐ onalen Vektorraum. Eine vereinfachte zweidimensionale Veranschaulichung dieses Vektorraums ist in Abb. 12-5 dargestellt. Dasselbe Vorgehen wird ebenfalls mit den Anforderungen des Auftraggebers durchgeführt, sodass sämtliche Paragrafen im Vektorraum repräsentiert sind. 164 12 Analyse und Nachverfolgung von Projektzielen durch Einsatz von Natural Language Processing <?page no="165"?> Im letzten Schritt werden zu jedem Feature die passenden Anforderungen gesucht und umgekehrt. Hierfür werden mathematische Operationen zur Ähnlichkeitsbestim‐ mung verschiedener Dokumente auf Grundlage ihrer Vektorrepräsentationen genutzt, um semantisch ähnliche Beziehungen zu finden. Abb. 12-5 zeigt auf der linken Seite die Features, die im Vektorraum in der Mitte als ausgefüllte Kreise dargestellt sind. Der nicht ausgefüllte Kreis repräsentiert eine Anforderung, zu der Features zugeordnet werden sollen. Dazu werden alle Features ausgewählt, die im Suchradius (gestrichelter Kreis) liegen. Die Überführung der Dokumente in den Vektorraum wird abhängig von der Semantik durchgeführt. Dokumente, die ähnliche Thematiken beschreiben, werden ebenfalls „nah“ im Vektorraum angesiedelt. Führt die Ähnlichkeitsbestimmung nicht zu entsprechenden Elementen, deutet dies darauf hin, dass möglicherweise ein Feature nicht beachtet wurde oder es Anforderungen ohne ein gefordertes Feature gibt (vgl. Abb.-12-3). Feature 1 Feature n ... Anforderung 1 Anforderung n ... Abb. 12-5: Schematische Darstellung des Zuordnungsprozesses im zwei-dimensionalen Vektorraum. Die identifizierten Elemente ermöglichen es dem Projektleiter, frühzeitig Klärungsge‐ spräche anzusetzen und potenzielle Konflikte präventiv zu vermeiden. Durch diese Kombination aus NLP-Techniken, Vektorrepräsentationen und Ähnlichkeitsbestim‐ mung wird die Projektarbeit transparenter und besser nachvollziehbar gestaltet, was zu einer effizienteren und erfolgreichen Projektabwicklung führt. Lösungsskizze Für den Projektleiter gestaltet sich die Lösung integriert in seiner gewohnten Arbeits‐ umgebung. Die Textverarbeitung visualisiert die Ergebnisse der Analyse analog zu einer Rechtschreib- und Grammatikprüfung. Durch die Plausibilisierung werden Absätze gekennzeichnet, die im Rahmen der Prüfung aufgefallen sind. Die von der KI generierten Kommentare werden als Zu‐ satzinformation angeboten. Zur Visualisierung fehlender Bezüge wird ebenfalls die entsprechende Stelle markiert und über das Kontextmenü ein Vorschlag bzw. Hinweis zur Korrektur dargestellt. 12.4 KI-unterstützter Dokumentenabgleich während der Auftragsklärung 165 <?page no="166"?> 12.5 Fazit und Lessons Learned Der Einsatz von Künstlicher Intelligenz bietet großes Potential für die Arbeit im professionellen Projektmanagement. Der Bereich des Natural Language Processing eignet sich insbesondere dort, wo große Mengen unstrukturierter Text entsteht und aufwändige manuelle Analysen erforderlich sind. Am Beispiel der Auftragsklärung wurde hier eine Lösung dargestellt. Anhand der Lösungsbeschreibung wird deutlich, dass die bestehenden Technologien bereits beeindruckende Resultate erzeugen. Ohne die aufwändige Anpassung an die Domäne sind bereits gute Resultate möglich. Gleichzeitig wird auch deutlich, dass die Entwicklung von Werkzeugen, die auf KI und NLP basieren, Wissen und Erfahrung im Bereich der automatisierten Textanalyse erfordern. Für Projekte, die in Domänen mit sehr spezialisiertem Vokabular liegen, ist der Nutzen vortrainierter Sprachmodelle, auch bei LLMs, deutlich geringer bzw. es ist eine Anpassung an die Domäne erforderlich. Eine wohlüberlegte Vorverarbeitung der Textgrundlage, die Auswahl und Kombination von zielführenden KI- und Nicht-KI-Technologien sowie die Integration der Lösung in die Zielumgebung des Nutzers sind essenziell. Dennoch bleibt festzuhalten, dass der technologische Fortschritt im Bereich der künstlichen Intelligenz, speziell im Bereich Natural Language Processing, in den vergangenen Jahren immens war. Mit weiterem Fortschritt wird sich die Arbeitsweise und der Umgang mit Textdokumenten stark verändern. Das hier vorgeschlagene System analysiert noch Texte von menschlichen Autoren. Vieles spricht dafür, dass zukünftig auch Texte und Strukturen aus dem Bereich des Projektmanagements, zumindest in weiten Teilen, von der KI generiert werden können. Wie zukünftig der gegenseitige Erkenntnisgewinn erreicht wird, der während der Zusammenarbeit und dem Austausch inhärent entsteht, wird sich zeigen. Literatur [1] M.-J. Escalona, N. Koch, und L. Garcia-Borgoñon, „Lean requirements traceability automa‐ tion enabled by model-driven engineering“, PeerJ Comput. Sci., Bd.-8, S. e817, Jan. 2022, doi: 10.7717/ peerj-cs.817. [2] T. Brown u.-a., „Language models are few-shot learners“, in Advances in neural information processing systems, H. Larochelle, M. Ranzato, R. Hadsell, M. F. Balcan, und H. Lin, Hrsg., Curran Associates, Inc., 2020, S. 1877-1901. [Online]. Verfügbar unter: https: / / proceedings.n eurips.cc/ paper_files/ paper/ 2020/ file/ 1457c0d6bfcb4967418bfb8ac142f64a-Paper.pdf [3] C. Raffel u.-a., „Exploring the limits of transfer learning with a unified text-to-text transformer“, J. Mach. Learn. Res., Bd.-21, Nr.-1, S.-140: 5485-140: 5551, Jan. 2020. [4] J. Devlin, M.-W. Chang, K. Lee, und K. Toutanova, „BERT: Pre-training of Deep Bidirectional Transformers for Language Understanding“, in Proceedings of the 2019 Conference of the North American Chapter of the Association for Computational Linguistics: Human Language 166 12 Analyse und Nachverfolgung von Projektzielen durch Einsatz von Natural Language Processing <?page no="167"?> Technologies, Volume 1 (Long and Short Papers), Minneapolis, Minnesota: Association for Computational Linguistics, Juni 2019, S.-4171-4186. doi: 10.18653/ v1/ N19-1423. [5] S. Minaee, N. Kalchbrenner, E. Cambria, N. Nikzad, M. Chenaghlu, und J. Gao, „Deep Learning--based Text Classification: A Comprehensive Review“, ACM Comput. Surv., Bd.-54, Nr.-3, S.-62: 1-62: 40, Apr. 2021, doi: 10.1145/ 3439726. [6] G. Lample, M. Ballesteros, S. Subramanian, K. Kawakami, und C. Dyer, „Neural Architectures for Named Entity Recognition“, in Proceedings of the 2016 Conference of the North American Chapter of the Association for Computational Linguistics: Human Language Technologies, San Diego, California: Association for Computational Linguistics, Juni 2016, S.-260-270. doi: 10.18653/ v1/ N16-1030. [7] „A reinforced topic-aware convolutional sequence-to-sequence model for abstractive text summarization | Proceedings of the 27th International Joint Conference on Artificial Intelli‐ gence“. https: / / dl.acm.org/ doi/ 10.5555/ 3304222.3304389 (zugegriffen 4. August 2023). Literatur 167 <?page no="169"?> 1 Universität Kassel, Fachgebiet Projektmanagement in der Digitalen Transformation, Heinrich-Plett-Straße 40, D-34109 Kassel (Affiliation aller drei Autoren) 13 KI-Pilot zur Unterstützung von Entscheidungen in ambiguen Situationen in Projekten Vincent Lächelt, Jose Arroyo Portillo, Timo Braun 1 Abstract Die Einmaligkeit und Neuartigkeit von Situationen, die der Organisationsform des Projekts inhärent ist, stellt die handelnden Personen fortlaufend vor kaum routinisierbare Entscheidungskontexte. Die Optimierung von Entscheidungen in ambiguen Situationen stellt insofern eine Herausforderung für das Projekt‐ management dar. Auch wenn hierbei ein systematischer im Sinne der präskrip‐ tiven Entscheidungstheorie angestrebt wird, so zeigt die Praxis, dass diese Prozesse regelmäßig durch Verzerrungen („Biases“) geprägt sind und dass die Entscheidungsprozesse häufig auf einfache Heuristiken zurückfallen. Ausgehend von diesen Defiziten in menschlichen Informationsverarbeitungs- und Entschei‐ dungsprozessen werden in diesem Beitrag verschiedene Unterstützungsoptionen durch Künstliche Intelligenz (KI) entwickelt. Im Mittelpunkt steht dabei das Tool eines KI-Piloten. Das Tool gibt Führungskräften im Projektkontext Orientierung, in welcher Art und Weise eine KI-Unterstützung in Betracht kommt - von einer losen Unterstützung in routinisierten Entscheidungssituationen bis hin zur vollständigen Substitution von menschlichen Entscheidungen. Das Tool soll Projektmanager unterstützen, um die Entscheidungsfindung im Projektkontext zu verbessern. Stichwortliste Künstliche Intelligenz (KI), Entscheidung, Bias(es), KI-Pilot, Operatoren, Projekt‐ entscheidung 13.1 Einleitung Ausgangssituation Die Einmaligkeit und Neuartigkeit von Projekten stellen die handelnden Personen fortlaufend vor schwierige Entscheidungssituationen. Unter der Annahme, dass es nur eine richtige Lösung von der Initiierung bis zum Abschluss von Projekten gibt, die alle Randbedingungen berücksichtigt, könnten Projekte plandeterministisch abgewickelt werden. Die Praxis und Literatur weisen aber auf Gegenteiliges hin. Viele Projekte scheitern oder übersteigen ihre Planzeit bzw. -kosten, und erreichen <?page no="170"?> nicht das gewünschte Ergebnis und Qualität [1]. Die im Projektverlauf zu treffenden Entscheidungen beeinflussen verschiedene Dimensionen (bspw. Kosten, Qualität, Zeit, Nachhaltigkeit u. a.) entlang des gesamten Projektverlaufs maßgeblich [2]. Gleichzeitig sind diese Entscheidungen auch Gegenstand von Mechanismen, die nicht zwangsläufig einem strikt rationalen Schema folgen. Problemstellung Im Projektverlauf sind Projektmanager darauf angewiesen Entscheidungen zu tref‐ fen und dabei Handlungsalternativen in einem kurzen Zeitfenster zu identifizieren, analysieren, bewerten und resultierend daraus eine Entscheidung abzuleiten. Die Optimierung von Entscheidungen in ambiguen Situationen stellt eine Herausforderung vieler Projekte dar [2]. Es stellt sich hier die Frage, wie sich Entscheidungen optimie‐ ren / verbessern lassen, um einerseits Transparenz zu schaffen und andererseits die Entscheidung zu rationalisieren. Untersuchung und Vorgehen Dieser Beitrag untersucht die Herausforderungen von Entscheidungen in Projekten unter Berücksichtigung von Verzerrungen und Heuristiken, um Unterstützungspoten‐ ziale von Künstlicher Intelligenz (KI) entlang der Entscheidungsfindung darzustellen. Hierfür werden mögliche Einsatzmöglichkeiten diskutiert und in mithilfe einer Ope‐ ratorenperspektive systematisiert. Entlang von sechs Operatoren werden sodann exemplarische Anwendungsgebiete aufgezeigt. 13.2 Entscheidung in Projekten „Im Grunde sind jedoch fast alle Entscheidungen, die man in der Realität trifft, mit einer gewissen Unsicherheit oder einem Mangel an Information behaftet.“ [3] Angesichts dieser Erkenntnis stellt sich die Frage, wie „gute“ Entscheidungen getroffen werden können und weshalb Entscheidungen in Projekten enorme Bedeutung zukommt. In der Realität werden Entscheidungsträger häufig mit schwierigen Situationen konfrontiert, die schnelle und fundierte Entscheidungen erfordern. Die Auswahl der passenden Handlungsalternative und die daraus resultierende Entscheidung werden von unter‐ schiedlichen Faktoren beeinflusst. Um diese Einflussfaktoren besser zu verstehen und deren Auswirkungen auf die Entscheidungsfindung nachzuvollziehen, werden zunächst grundlegende Begriffe und Mechanismen der Entscheidungsfindung im Projektkontext eingeführt. 170 13 KI-Pilot zur Unterstützung von Entscheidungen in ambiguen Situationen in Projekten <?page no="171"?> Entscheidungstheorie im Projektkontext Ausgangspunkt für die Kontextualisierung von Entscheidungen in Projekten ist die Entscheidungstheorie, welche verschiedene Teilbereiche umfasst. In der Betriebswirt‐ schaftslehre und für den vorliegenden Beitrag ist die präskriptive Entscheidungstheorie von besonderer Relevanz. Die präskriptive Entscheidungstheorie befasst sich mit der rationalen Entscheidungsfindung und der Identifikation von optimalen Entscheidun‐ gen bei einem Entscheidungsproblem. Die Auswahl einer Handlungsalternative erfolgt anhand der Bewertung verschiedener Entscheidungskriterien, die gegeneinander ab‐ gewogen werden. [3] Entscheidungsprobleme treten alltäglich auf und können durch Entscheidungsmo‐ delle formalisiert werden. Neben den Handlungsalternativen und der Bewertung der Ergebnisse nehmen die Umweltzustände (Größen und Faktoren, die außerhalb des Einflussbereichs des Entscheiders liegen) maßgeblichen Einfluss auf die Entscheidung. Um diese berücksichtigen zu können und die Erwartungszustände von Entscheidern zu veranschaulichen, unterscheiden wir zwischen Entscheidungen unter Sicherheit und Unsicherheit [3]. Herausforderungen bei der Entscheidungsfindung Weshalb ist die Entscheidungsfindung in Projekten schwierig? Virine und Trumper [4] verweisen hierbei auf verschiedene Herausforderungen bei der Entscheidungsfindung in Projekten. Diese lassen sich im Wesentlichen in vier Bereiche gruppieren: 1. Multiple und / oder konkurrierende Ziele: Projekte sind mit verschiedenen Ziel‐ größen verbunden, die durch das magische Dreieck (Kosten, Qualität, Zeit) reprä‐ sentiert und um weitere Dimensionen, wie Akzeptanz, Nachhaltigkeit ergänzt werden. 2. Unsicherheit und Risiko: Per se sind Projekte von Unsicherheiten geprägt, da sie auf Annahmen über zukünftige Ereignisse oder Verläufe basieren. Dabei lässt Unsicherheit im engeren Sinne keine Beurteilung möglicher Zustände zu, lediglich die Identifikation dieser ist möglich. Im Gegensatz dazu lässt sich bei Entschei‐ dungen unter Risiko eine Verbindung von möglichen Ergebnissen anhand von Probabilitäten beurteilen, sodass sowohl der Erwartungswert als auch mögliche Abweichungen ermittelt werden können. 3. Komplexität und Pfadabhängigkeit: Der Entscheidungsprozess kann aufgrund vie‐ ler Alternativen sehr komplex sein. In Abhängigkeit einer Entscheidung, werden weitere Entscheidungen geprägt. Die Verkettung von Entscheidungen führt zu einer Pfadabhängigkeit im Entscheidungsprozess. 4. Stakeholder und Erwartungen: In Projekten gibt es Vielzahl an Stakeholdern, die in der Entscheidungsfindung berücksichtigt werden müssen. Da die Interessen und Erwartungen verschiedener Stakeholder häufig divergieren, führt dies zu hoher Komplexität in der Entscheidungsfindung. 13.2 Entscheidung in Projekten 171 <?page no="172"?> Unsichere und unvollständige Informationen, Komplexität und die Einflüsse von persönlichen Wertesystemen sind also charakteristisch für Entscheidungssituationen im Projektkontext und unter dem Begriff der Ambiguität bekannt. Gemeint ist also die Mehrdeutigkeit von unzulänglichen Informationen, die entweder auf fehlende Kenntnis über Ereignisse oder Kausalitäten zurückzuführen ist. [5] 13.3 Verzerrungen („Biases“) Im Projektkontext sind Verzerrungen häufig der Grund für die systematische Auswahl von nicht optimalen Entscheidungen [6]. Als Verzerrung ist eine systematische Dis‐ krepanz zwischen dem durchschnittlichen Urteil einer Person und einem wahren Wert oder einer Norm [6] zu verstehen. Diese Verzerrungen lassen sich zum Teil auf die hohe Anzahl täglich erforderlicher Entscheidungen zurückführen [7]. In Bezug auf die Zielgrößen in Projekten sind Entscheidungen von erheblicher Tragweite, wenn sie nicht nur auf Projekt, sondern auf das gesamte Umfeld auswirken. Verzerrungen und deren Herausforderungen in der Entscheidungsfindung Da Verzerrungen speziell im Projektkontext sehr verbreitet sind, wurde in diesem Bereich sehr intensiv geforscht und teilweise unmittelbare Zusammenhänge zwischen den Verzerrungen und teilweise desaströsen Projektergebnissen hergestellt. Nachfol‐ gende Übersicht stellt die Bandbreite möglicher Verzerrungen in projektbezogenen Entscheidungen dar: 1. Strategische Falschdarstellung („strategic misrepresentation“): Die systematische Entscheidung, Informationen für strategische Zwecke absichtlich zu verzerren [8]. Ein Beispiel für diese Verzerrung ist die Beschönigung von Projektdaten, um eine Finanzierung zu erhalten [8]. 2. Optimismusverzerrung („optimism bias“): Dabei werden die Ergebnisse geplanter Maßnahmen typischerweise übermäßig optimistisch eingeschätzt, währenddessen negative Auswirkungen unterschätzt werden [8]. Es besteht ein Zusammenhang zwischen der Macht eines Projektmanagers und der Optimismusverzerrung - je größer die Macht, desto stärker die Auswirkung der Verzerrung [8]. 3. Eskalation des Commitments („escalation of commitment“): Entscheidungsträger begeben sich in eine Pfadabhängigkeit, um spezifische Entscheidungen zu recht‐ fertigen, die u. a. auf kumulativen früheren Investitionen basieren, obwohl damit neue entscheidungswidrige Erkenntnisse unbeachtet bleiben [8]. Die positive äußere Erscheinung von Projekten führt dazu, dass Investoren dieses bevorzugen, obwohl zu niedrige Kostenschätzungen enthält und wiederkehrende zusätzliche Investitionen erforderlich sind [8]. 172 13 KI-Pilot zur Unterstützung von Entscheidungen in ambiguen Situationen in Projekten <?page no="173"?> 4. Verfügbarkeitsverzerrung („availability bias“): Die (systematische) Tendenz, die Wahrscheinlichkeit von Ereignissen, aufgrund von fehlendem Erinnerungsvermö‐ gen, zu überschätzen [8]. Eine Besonderheit dieses Bias ist die Unterscheidung zwischen Personenkohorten und die Veränderung der Wirkung des Bias - die Wirkung nimmt bei zunehmender Macht zu [8]. 5. Prävalenzfehler („base rate fallacy“): Die systematische Entscheidung bevorzugte Informationen stärker zu gewichten, die sich auf eine kleine Stichprobe von Fällen beziehen [8]. Im Falle von Projekten können Manager ausgewählte Beispiele für erfolgreiche oder gescheiterte Projekte bei der Entscheidungsfindung stärker gewichten, die auf falschen oder unzureichenden Informationen beruhen. 6. Einsichtsverzerrung („hindsight bias“): Die Wahrnehmung vergangene Ereignisse zum Zeitpunkt ihres Eintretens als vorhersehbar anzusehen [8]. Im Zusammen‐ hang mit Projekten kann diese Voreingenommenheit dazu führen, dass die Pro‐ jektbeteiligten ihr Wissen und ihre Fachkenntnisse bei der Entscheidungsfindung überschätzen und damit die Entscheidungsfindung in der Zukunft beeinflussen. 7. Selbstüberschätzung („overconfidence bias“): Bei der Beantwortung von Fragen verlassen sich Personen auf die eigene Zuversicht und vernachlässigen die Unsi‐ cherheit der Umwelt oder das eigene Unwissen [8]. Verstärkt tritt dieser Effekt bei erfahrenen Projektmanager auf [8]. Dies kulminiert im Vertrauen von Stake‐ holdern in dieses Selbstbewusstsein statt in das Fachwissen. [8]. 8. Verankerung („anchoring“): Die erste fachspezifische Information, die in den Ent‐ scheidungsprozess einfließt, wird überbewertet [8]. Im Projektkontext gibt es das Phänomen, dass Projektmanager ihre Entscheidungen oft an Plänen festmachen, bei denen es sich um Best-Case-Szenarien handelt [8]. 9. Einzigartigkeitsverzerrung („uniqueness bias“): Die systematische Tendenz, das eigene Projekt als einzigartig wahrzunehmen [8]. Im IT-Kontext resultiert daraus ein tendenziell schlechteres abschneiden der Projekte [8]. 10. Planungsirrtum („planning fallacy“): Die systematische Tendenz, die Zeit für die Aufgabenerfüllung zu unterschätzen [8]. Speziell im Projektmanagement besteht die systematische Tendenz, den Nutzen und die Chancen zu überschätzen, während die Kosten, der Zeitplan oder die Risiken unterschätzt werden [8]. Diese Übersicht verdeutlicht die Relevanz und den Bedarf an Unterstützung im Umgang mit verschiedenen Verzerrungen und Heuristiken in Projekten. Um Verzerrungen im Entscheidungsprozess zu überwinden, stehen sowohl rein verhaltensbasierte als auch KI-unterstützte Techniken zur Verfügung, die Gegenstand der folgenden Abschnitte sind. Lösungsansätze zur Überwindung von Verzerrungen Ein erster Lösungsansatz besteht darin, Unsicherheit (i.w.S.) und damit die Mehr‐ deutigkeit der Entscheidung zu verringern. In einer perfekten Welt mit perfekter Informationsverfügbarkeit und perfekten Verarbeitungsmöglichkeiten gäbe es keine 13.3 Verzerrungen („Biases“) 173 <?page no="174"?> Voreingenommenheit. Daher ist die nächstbeste Technik die Anwendung von Nudges. Nudges können als eine Architektur der Entscheidungsfindung definiert werden, die das Verhalten der Menschen vorhersehbar verändert, ohne Barrieren zu beseitigen oder wesentliche wirtschaftliche Anreize zu verändern [9]. Diese Nudges sind kosten- und konflikteffiziente Techniken, die bestimmte Vorurteile ausnutzen, um die individuelle Entscheidungsfindung zu verbessern [10]. Zu den allgemeinen Komponenten eines Nudge gehören: (1) ein Eingriff in die Mittel der Entscheidungsfindung und nicht in die Ziele; (2) die Freiheit, eine alternative Wahl zu treffen; und (3) eine Belohnungs- oder Kostenkomponente, die im Vergleich zu Handlungsalternativen gering ist [9]. Die drei Haupttypen von Nudges untergliedern sich in: Entscheidungsinformati‐ onen, Entscheidungsstrukturen und Entscheidungshilfen. Diese repräsentieren ver‐ schiedene Aspekte des Entscheidungsprozesses [10]. Nudges können die menschlichen Fähigkeiten in mindestens einer der drei Typologien verbessern. Ein bestimmter Nudge-Typ, der Smart Nudge, soll alle drei Kategorien ergänzen und gleichzeitig künstliche Intelligenz einbeziehen. Smart Nudges sind eine Art von Nudge, der die kognitiven, emotionalen und sozialen Grenzen des Menschen bei der Entscheidungs‐ findung überwindet und drei künstlich intelligente Funktionen bietet, die sich mit den drei Hauptkategorien überschneiden: (1) Sie erweitern den Ressourcenzugang von Menschen, indem sie den Zugang zu Daten verbessern, die Motivation erhöhen und die Risikowahrnehmung verringern; (2) sie erweitern das Engagement von Menschen, indem sie kognitive und emotionale Verarbeitungsfähigkeiten anregen; und (3) sie erhöhen die Handlungsfähigkeit - oder den Automatismus und die Befähigung von Menschen -, indem sie ihre Fähigkeiten zur Überwachung, Aktualisierung und Verfei‐ nerung von Schritten im Entscheidungsprozess verbessern [10]. Als ersten Schritt in die Richtung von Smart Nudging können im Bereich des Projektmanagements moderne, virtuelle Kanban-Boards interpretiert werden, wie sie bereits heute in einschlägigen Softwarelösungen vor allem im Kontext des agilen Projektmanagements vorzufinden sind. Diese erfüllen sowohl die Bedingungen rund um die Datenverfügbarkeit und -integration als auch die der kognitiven Anregung und Befähigung, Einfluss und Kontrolle über die eigene Zeit- und Aufgabeneinteilung zu nehmen. Fortgeschrittene und moderne Nudges (bspw. Smart Nudge) sind der Ausgangspunkt für die Nutzung einer Kombination aus Verhaltensdaten, Projektdaten und künstlicher Intelligenz in der Optimierung von Entscheidungen. Nach diesem Verständnis ist künstliche Intelligenz als Dienstleistung aufzufassen, die menschlichem Wissen und Handeln erweitert, kognitiv anspruchsvolle Aufgaben erleichtert und skalierbar macht [9]. 13.4 KI-Pilot zur Unterstützung von Entscheidungsträgern In der Projektmanagementpraxis wird die rasante Entwicklung von Tools und Appli‐ kationen im KI-Bereich mit großem Interesse zur Kenntnis genommen. Es scheint dabei zweifelsfrei, dass KI in der Zukunft eine wichtige Bedeutung in der Unterstützung von 174 13 KI-Pilot zur Unterstützung von Entscheidungen in ambiguen Situationen in Projekten <?page no="175"?> Projektmanager spielen wird. Dies trifft insbesondere auf ambigue Entscheidungssi‐ tuationen und komplexen Innovationsprojekten zu, wie sie in den vorangegangenen Kapiteln erörtert wurden. Gleichwohl besteht eine Unklarheit darüber, wie genau, an welchen Stellen, für welche Aufgaben und in welchem Umfang diese KI-Unterstützung tatsächlich zum Tragen kommt. Im Folgenden wird das Anwendungsspektrum von KI daher in seiner ganzen Breite aufgezeigt und systematisch auf Entscheidungssituatio‐ nen in der Projektarbeit angewandt. Unterstützungspotenziale von KI in der Entscheidungsfindung In der medialen und öffentlichen Diskussion ist mitunter eine Zuspitzung von An‐ wendungsmöglichkeiten von KI dahingehend zu beobachten, dass Zukunftsszenarien postuliert werden, in der die KI menschliche Arbeitskraft vollständig ersetzt, mit dem Menschen in Konkurrenz trifft oder sich gar advers zu den eigentlichen Inten‐ tionen seines Erschaffers verhält. Auf die Gegenwart und reale Anwendungen von KI im Projektmanagement heruntergebrochen lässt sich jedoch konstatieren, dass diese Zukunft eher nebulös am Horizont schimmert, während in dem Tagesgeschäft des Projektmanagements sehr handfeste Erwägungen über den konkreten Einsatz von KI-Applikationen dominieren. Im Sinne einer Orientierungshilfe werden diese Anwendungsmodi im Folgenden genauer ausstaffiert: ■ Der Einsatz von KI-Tools zur Entscheidungsunterstützung im Projektmanagement lässt sich zunächst graduell differenzieren. Die Endpunkte des Kontinuums er‐ scheinen dabei naheliegend: von einer punktuellen, losen Unterstützung des Menschen in Entscheidungssituationen einerseits bis hin zu einer vollständigen Substitution menschlichen Erwägens und Handelns andererseits. ■ Zu einer genaueren Differenzierung innerhalb des genannten Kontinuums wird im Rahmen eines KI-Piloten auf eine modulare Operatorenperspektive [9] Bezug genommen. Hierbei werden Entscheidungssituationen gedanklich zerlegt in meh‐ rere Komponenten, beispielsweise Aufgaben, die im Zusammenhang mit der Entscheidungssituation anfallen (z. B. Informationensammlung, Informationen‐ analyse, Strukturierung von Informationen, Generierung von Alternativen usw.). Auf Basis dieser Zerlegung kann dann entschieden werden, wofür genau, in welchem Umfang und in welcher Form, KI eingesetzt wird. Die Wahl der KI- Unterstützung folgt dabei sechs möglichen Prinzipien. Diese sind Gegenstand des folgenden Abschnitts. Modularisierung des KI-Pilot für verschiedene Anwendungsszenarien Angelehnt an die modulare Operatorenperspektive (ursprünglich eingesetzt im Bereich der Geschäftsmodellinnovation von Aversa et al. 2015 [11]) wird im Folgenden entlang von sechs Operatoren (Splitting, Substituting, Augmenting, Inverting, Excluding, Por‐ ting) aufgezeigt, welche Rolle KI in der Zusammenarbeit mit menschlicher Arbeitskraft 13.4 KI-Pilot zur Unterstützung von Entscheidungsträgern 175 <?page no="176"?> in Entscheidungssituationen aus dem Projektmanagementalltag einnehmen kann. Die schematischen Darstellungen deutet das zugrunde liegende Prinzip des jeweiligen Operators an. Daneben wird der Mechanismus des Operators erörtert und mit einem Beispiel aus dem Projektkontext unterlegt. Operator Definition Exemplarische Entschei‐ dungssituation im Projekt‐ kontext Splitting Zerlegung der Entscheidungssi‐ tuation in zwei Komponenten, wobei KI für die eine und der Mensch für die andere zuständig ist. Zeitliche Zerlegung des Ent‐ scheidungsprozesses in zwei Phasen: (1) KI zur Informa‐ tionensammlung und Aufbe‐ reitung von Entscheidungsal‐ ternativen; (2) Mensch trifft Entscheidung und setzt sie um. Substituting Menschliche Arbeitsleistung wird im Entscheidungsprozess vollständig durch die KI substitu‐ iert. Spezifische Entscheidungen im Projektportfoliomanagement über die Projektpriorisierung und Ressourcenallokation werden komplett auf die KI übertragen. Augmenting Die KI übernimmt die Rolle ei‐ nes Assistenzsystems oder Ko- Piloten. Entscheidungen bleiben menschliche Aufgabe, wobei der Prozess systematisch von KI un‐ terstützt wird. Dies kann bei‐ spielsweise inspirierend, ergän‐ zend oder korrigierend erfolgen. Bei der Erstellung von Re‐ ports sowie der Formulierung von resultierenden Maßnah‐ men unterbreitet die KI Vor‐ schläge zu Handlungsoptionen und Formulierungen. Inverting Bei der Invertierung wird die Ent‐ scheidungssituation ausgehend von den Möglichkeiten der um‐ gekehrt. Dies kann die Chrono‐ logie oder die Kausalität des Ent‐ scheidungsprozesses betreffen. Entscheidungen in einem spezifischen Projektkontext wurden klassischerweise topdown auf der Basis von Bauchgefühl getroffen. Die Verfügbarkeit von Daten und die Möglichkeit, deren in‐ telligenter Aufbereitung er‐ möglich nun, bottom-up die dominierende Entscheidungs‐ alternative zu ermitteln. Excluding Bestimmte Entscheidungsele‐ mente sind aufgrund der Nut‐ zung von KI überflüssig gewor‐ den und können gänzlich aus dem Entscheidungsprozess elimi‐ niert werden. Fortschrittserfassung im Pro‐ jekt wurde in der Vergangen‐ heit von Projektmitarbeiten‐ den manuell vorgenommen. KI integriert Fortschrittsinforma‐ tionen in Echtzeit in Entschei‐ dungscockpitts und macht einzelne Arbeitsschritte über‐ flüssig. 176 13 KI-Pilot zur Unterstützung von Entscheidungen in ambiguen Situationen in Projekten <?page no="177"?> Porting Dieser Der Operator beschreibt, wie die KI eine Übertragung von entscheidungsunterstützen‐ den Mechanismen aus anderen Bereichen ermöglicht. Dadurch wird es denkbar, dass bislang se‐ parate agierende Systeme starker gekoppelt werden. Diszilinär geprägte Projekt‐ teams erhalten interdiszpli‐ näre Impulse durch die An‐ wendung von Analogien bzw. Die Verknüpfung von Themen und erweitern dadurch das Spektrum an Entscheidungsal‐ ternativen. Tab. 13-1: Der KI-Pilot: Die modulare Operatorenperspektive gibt Anhaltspunkte für das Einsatzpoten‐ zial von KI in Entscheidungssituationen. (Quelle: in Anlehnung an [11] sowie [12]) In der Projektarbeit können diese analytisch separierten Operatoren gewiss auch in Kombination auftreten. Auch sind diese nicht gänzlich überschneidungsfrei. Gleichwohl hilft die Unterteilung, grundsätzliche Anwendungsoptionen von KI im Projektmanagement-Kontext zu differenzieren. Denkbar ist dabei auch eine sukzessive Annäherung an eine KI-Unterstützung. Als erster Schritt erscheint das “Augmenting” naheliegend und bei zunehmender Expertise können Projektmanager beispielsweise auf “Splitting”, “Inverting” oder “Porting” zurückgreifen. Die Operatoren “Excluding” und “Substituting” setzen hingegen ein sehr großes Vertrauen in die Technologie bzw. große Stabiltität und Verlässlichkeit der KI voraus. Damit einher geht, dass die im Projekt handelnden Personen hier teilweise Autorität und Kontrolle aufgeben. Daher sind diese Operatoren nur nach sehr eingehender Abwägung der möglichen Risiken und Handlungsfolgen zu empfehlen. 13.5 Diskussion, Resümee und Ausblick Entscheidungen im Projektmanagement-Kontext sind geprägt von multiplen Zielen, Unsicherheit und Risiko, hoher Komplexität und einer Einflussnahme heterogener Stakeholder. In diesem ohnehin schon schwierigen Entscheidungsumfeld bewegen sich individuelle Führungspersonen, die wiederum auch eigene Stärken und Defizite in den Entscheidungsprozess mit einbringen. Defizite beziehen sich insbesondere auf verzerrte und limitierte Wahrnehmungen (Biases) bzw. zu sehr vereinfachte Entscheidungsregeln (Heuristiken). KI kann vor diesem Hintergrund eine gezielte Un‐ terstützung bieten. Erste Ansatzpunkte bieten hier die Konzepte des Smart Nudgings. Weiterführend ist denkbar, dass die KI eine überschaubare Assistenzrolle übernimmt oder, im Extremfall, den menschlichen Entscheider ebenso denkbar wie sogar vollstän‐ dig substituiert. Genau in diesem Spektrum bietet der KI-Pilot abgestufte Optionen, die aufzeigen, wie das Zusammenwirken von KI und menschlicher Arbeitskraft in projektbezogenen Entscheidungsprozessen erfolgen kann. Die modulare Operatorenperspektive soll dazu beitragen, Anwendungsmöglichkeiten von KI im Projektmanagement differenziert zu betrachten und dabei verschiedene Intensitäten und Modi in Erwägung zu ziehen. 13.5 Diskussion, Resümee und Ausblick 177 <?page no="178"?> Das Tool ist insofern als eine Orientierungs- und Entscheidungshilfe zu verstehen, um in unterschiedliche Richtungen zu denken, und um sich inspirieren zu lassen, wie eine KI-Unterstützung in der Projektarbeit erfolgen könnte. Dieses Herantasten an die Nutzung von KI im Projektmanagement kann der Startpunkt sein für weiterführende Entwicklungen entlang der Mensch-Maschine-Interkation. Literatur [1] Ahiaga-Dagbui, D. D./ Love, P. E. D./ Smith, S. D./ Ackermann, F. 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Cambridge, Mass. u.-a., MIT Press. 178 13 KI-Pilot zur Unterstützung von Entscheidungen in ambiguen Situationen in Projekten <?page no="179"?> 14 Auswahl von KI-Tools für den Einsatz im Projektmanagement: Nutzenpotenziale und begleitendes Change Management Luca Maria Haltmayer, Ulrich Lenz Abstract In diesem Artikel werden ausgewählte KI-Tools für das Projektmanagement anhand der Projektmanagementphasen nach der DIN6990-2: 2009-1 beispielhaft mit ihren Funktionen aufgelistet. Die Phasen Initialisierung, Definition, Planung, Steuerung und Abschluss wurden um jeweils mindestens ein kostenfreies oder kostenlos zu testendes Tool ergänzt, welches einen Projektmanager in der jeweils genannten Phase unterstützt. Hierbei liegt der Fokus besonders auf der Funktio‐ nalität, Effizienz und der Integration in den Projektkontext. Des Weiteren wird der Aspekt des Change Managements bei der Implementierung der neuen KI- Tools in ein Projekt bzw. in ein Unternehmen beleuchtet. Diese erfordert neben rechtzeitigem Handeln auch strategische Veränderungen und eine Anpassung der Unternehmenskultur in Bezug auf Experimentierfreudigkeit und Kompetenz‐ erweiterung, um erfolgreich integriert und akzeptiert zu werden. Stichwortliste Künstliche Intelligenz, Projektmanagement, Phasen, Tools, Change Management 14.1 Einleitung Nach der Zukunftsinstitut GmbH (2023), welche die Zukunft der Menschen und Organisationen und die damit einhergehenden Veränderungen in der Gesellschaft untersucht, hat sich das Verständnis von Arbeit unter anderem durch den Treiber Digitalisierung gewandelt. Da Letzterer die Arbeitswelt stark beeinflusst, ist auch die Verbindung zu den veränderten Rahmenbedingungen im Projektmanagement zu berücksichtigen. Um diese zu erfassen und sich auf die Neuerungen vorbereiten zu können, wurden die Auswirkungen der Digitalisierung auf das Projektmanagement und die darin benötigten Kompetenzen von der Deutschen Gesellschaft für Projekt‐ management eingehend untersucht. Durch eine Initiative der GPM-Fachgruppe „PM an Hochschulen“ wurde erhoben, inwieweit die 2018 eingeführte International Competence Baseline Version 4.0 - die weltweit als Projektmanagement-Standard der International Project Management Association gilt - und die darin enthaltenen Kompetenzelemente an die veränderten Rahmenbedingungen angepasst werden müssen. Das Ziel der Studie war es, auf Basis der Äußerungen von in Projekten tätigen Personen, Empfehlungen zu Anpassungen der Lehr- und Lerninhalte aus‐ zusprechen. Als Ergebnis der 174 Befragten ließ sich festhalten, dass die meisten <?page no="180"?> Kompetenzelemente der ICB 4.0 aufgrund der Digitalisierung verändert werden sollten, beispielsweise im Bereich der persönlichen und sozialen Kompetenzen. Auch in Bezug auf die technischen Kompetenzen werden Anpassungen erwartet, zum Beispiel hinsichtlich der Automatisierung von Ablauf- und Terminplanung, Organi‐ sationsstrukturen, Informations- und Dokumentationsprozessen sowie Planung und Steuerung von Projekten (GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V, 2023). In diesem Artikel wird besonders auf die technischen Kompetenzelemente eingegangen, indem beispielhaft dargestellt wird, inwiefern Projektmanager in den verschiedenen Projektmanagement-Phasen durch KI-Tools unterstützt werden können. Hierfür werden die verschiedenen Phasen erläutert und um passende KI- Tools und deren Funktionsweisen ergänzt. 14.2 Projektmanagement-Phasen mit KI-Tools Im Projektmanagement gibt es mehrere Phasenmodelle, die sich inhaltlich ähneln und für die nachfolgende Analyse verwendet werden können. Das Projektmanagement- Phasen-Modell, welches für diesen Artikel herangezogen wird, richtet sich nach der DIN Norm 69901-2: 2009-1, da diese den offiziellen Standard für Projektmanagement abbildet (DIN Deutsches Institut für Normung e. V., 2009). Das Projektmanagement wird hier in fünf Phasen unterteilt: Initialisierung Definition Planung Steuerung Abschluss Abb. 14-1: Projektmanagement-Phasen nach DIN 69601-2-2009-1 Im Folgenden werden nun die einzelnen Phasen und Tätigkeiten für die zuständigen Projektmanager nach Schulte-Zurhausen (2014) beschrieben, um anschließend auf mögliche Tools zur Unterstützung durch Künstliche Intelligenz (KI) zu referenzieren. Hierbei wurde sich auf die kostenfreien Versionen der KI-Tools mit teils beschränkten Funktionen konzentriert, da dieser Artikel die Möglichkeiten zur Einbindung von Künstlicher Intelligenz aufzeigen, nicht jedoch zum Kauf anregen soll. Interessierte Leser können die grundlegenden Funktionen nutzen und - falls diese nicht ausreichen - besser einschätzen, ob das Tool mit den kostenpflichtigen Zusatzfunktionen den Anforderungen genügen kann. 180 14 Auswahl von KI-Tools für den Einsatz im Projektmanagement <?page no="181"?> Initialisierungsphase Initialisierung Definition Planung Steuerung Abschluss Abb. 14-2: Projektmanagement-Phase „Initialisierung“ nach DIN 69901-2: 2009-1 in Anlehnung an Schulte-Zurhausen (2014) In der ersten Phase wird die Freigabe für das Projektvorhaben erteilt und geklärt, welche Projektbeteiligten für welche Aufgaben zuständig sind. Es werden die benötig‐ ten Projektmanagement-Prozesse ausgewählt und Ziele skizziert (Schulte-Zurhausen, 2014). Hierbei können verschiedene KI-basierte Anwendungen herangezogen werden: Um das Projektvorhaben und die Idee dahinter zu detaillieren, sollte man eine KI nutzen, welche dabei unterstützt, die Idee anhand von vorab festgelegten Kriterien und Erfahrungswerten zu bewerten und zu priorisieren. Hierfür könnte man beispielsweise das Tool IdeaScale als Ideen- und Innovations-Management-Software nutzen, welches durch KI zudem eigene Vorschläge generiert (IdeaScale, 2023). Um nun auch die richtigen Personen für das anstehende Projekt auszuwählen, kann man die Fähigkei‐ ten, Verfügbarkeiten und die Auslastung möglicher Projektmitglieder durch KI-Tools analysieren lassen und auf Basis dieser Daten eine Entscheidung treffen. Ein hilfreiches Tool ist beispielswiese Planview Adaptive Work, welches es den Projektbeteiligten ermöglicht, projektspezifische Ziele und Meilensteine festzulegen und Pläne zu erstel‐ len, welche die sinnvolle Verteilung von Kapazitäten und Ressourcen übersichtlich darstellen (Planview GmbH, 2023). Definitionsphase Initialisierung Definition Planung Steuerung Abschluss Abb. 14-3: Projektmanagement-Phase „Definition“ nach DIN 69901-2: 2009-1 in Anlehnung an Schulte- Zurhausen (2014) In der zweiten Phase werden die Projekt-Meilensteine definiert und festgelegt, wie man informiert, kommuniziert und dokumentiert. Außerdem wird das Projektmarketing definiert und die Freigabe erteilt. Die Aufwände werden in dieser Phase grob geschätzt und das definierte Projektkernteam legt Erfolgskriterien sowie den Umgang mit Risiken fest. Zudem werden das Umfeld des Projektes sowie die zu berücksichtigenden Stakeholder analysiert. Das Projekt wird außerdem nach Machbarkeit bewertet und 14.2 Projektmanagement-Phasen mit KI-Tools 181 <?page no="182"?> nach Projektinhalten abgegrenzt. Zu guter Letzt wird eine Grobstruktur erstellt und festgelegt, wie Verträge (mit Kunden) gehandhabt werden (Schulte-Zurhausen, 2014). Mithilfe einer KI-gestützten Datenanalyse können historische Daten vorheriger Projekte analysiert werden, um Ziele und Parameter des Projektes festzulegen. Das Tool IBM Watson Discovery kann hierbei helfen und relevante Informationen aus verschiedenen Datenquellen extrahieren und eine verbesserte Datennavigation durch eine facettierte Suche und leichte Datenzugänglichkeit gewährleisten. Auch die Analyse von Emotionen sowie die Kategorisierung und das Concept-Tagging strukturieren die in das Tool eingepflegten Inhalte. Eine in dieser zweiten Projekt‐ management-Phase benötigte Analyse von Risiken kann dadurch erleichtert werden, da historische Daten ausgewertet und etwaige Muster gefunden werden können (IBM, 2023). Das Tool AI Project Stakeholder Analysis Generator von Taskade (2023) ermöglicht es ergänzend, die Anforderungen und Erwartungen der für das Projekt benannten relevanten Stakeholder zu analysieren und effektive Strategien für den Umgang mit jenen zu entwickeln. Planungsphase Initialisierung Definition Planung Steuerung Abschluss Abb. 14-4: Projektmanagement-Phase „Planung“ nach DIN 69901-2: 2009-1 in Anlehnung an Schulte- Zurhausen (2014) Die dritte Phase zeichnet sich durch die Planung der Vorgänge und die Erstellung eines Projektplans sowie eines Terminplans aus. Man legt fest, wie man mit Ände‐ rungen umgeht und spricht auch hier über die Information, Kommunikation und Dokumentation. Zudem wird entschieden, wie berichtet wird und erteilt die Freigabe für das Projekt. Ebenso wird der Kosten- und Finanzmittelplan in der dritten Phase aufgebaut, in welcher auch die Projektorganisation und Qualitätssicherung geplant wird. Die Entwicklung eines Ressourcenplans sowie die Analyse von Risiken und die Planung von etwaigen Gegenmaßnahmen findet ebenfalls hier statt. Es wird außerdem ein detaillierter Projektstrukturplan angefertigt, in welchem die Arbeitspakete und Vorgänge beschrieben werden. Zudem werden die Vertragsinhalte mit Lieferanten festgelegt (Schulte-Zurhausen, 2014). Ein zu betrachtendes Projektmanagement- und Kollaborationstool, welches die Zeit- und Ressourcenplanung durch KI-Features automatisiert wäre SmartSheet, welches die und Ressourcen zudem verwaltet und effizient zuweist. Mit diesem Tool sind verschiedene Ansichten, Reports und Auswertungen (beispielsweise zu Workflows) zu generieren (Smartsheet Inc., 2023). 182 14 Auswahl von KI-Tools für den Einsatz im Projektmanagement <?page no="183"?> Steuerungsphase Initialisierung Definition Planung Steuerung Abschluss Abb. 14-5: Projektmanagement-Phase „Steuerung“ nach DIN 69901-2: 2009-1 in Anlehnung an Schulte- Zurhausen (2014) In der vorletzten Phase gilt es, Vorgänge voranzutreiben und Termine sowie Änderungen zu steuern. Auch die Steuerung von Information, Kommunikation, Berichtswesen und Dokumentation findet in dieser Phase statt, ebenso wie die Erteilung der Abnahme. Der in der vorherigen Phase erstellte Finanz- & Kostenplan wird gesteuert. Auch die Qualitätssicherung und die Ressourcen- & Risikosteuerung finden in dieser vierten Phase statt. Es folgt zudem die Abwicklung der Verträge mit Kunden und Lieferanten sowie die Steuerung von Nachforderungen und der Zielerreichung (Schulte-Zurhausen, 2014). Um die Steuerung des Projektes abzubilden ist Künstliche Intelligenz hilfreich, um die Echtzeitdaten zu überwachen und Planabweichungen frühzeitig zu erkennen und sogleich reagieren zu können. Mit dem Projektmanagement-Tool Zoho Projects kön‐ nen durch KI-gestützte Funktionen Pläne überwacht und Risiken analysiert werden. ZohoProjects ermöglicht die Aufteilung von Aufgaben zu einfacheren Arbeitspaketen und Meilensteinen, um effizientes Arbeiten zu gewährleisten. Auch die Abbildung von Abhängigkeiten ist Teil des Task Managements. Eine Berichtserstattung, welche automatisiert abläuft und die Möglichkeit, Datensätze zu importieren und integrieren komplettieren dieses Tool (Zoho Corporation, 2023). Das Tool Wrike, welches als kollaboratives Arbeitsmanagement-Tool bekannt ist, kann durch KI-Projektengpässe erkennen und Aufgaben bzw. Arbeitspakete automatisch an Projektmitglieder zuwei‐ sen sowie einen Teamworkflow implementieren. Arbeitsabläufe - wie beispielsweise die automatische Weiterleitung interner oder externer Stakeholder - werden nach Bedarf effizient gesteuert und nach den Wünschen der User als Arbeitsbereich konfi‐ guriert (Wrike, 2023). Abschlussphase Initialisierung Definition Planung Steuerung Abschluss Abb. 14-6: Projektmanagement-Phase „Abschluss“ nach DIN 69901-2: 2009-1 in Anlehnung an Schulte- Zurhausen (2014) In der letzten und namensgebenden Phase wird das Projekt zusammengefasst, ein Projektabschlussbericht erstellt sowie die Projektdokumentation archiviert. Dem folgt 14.2 Projektmanagement-Phasen mit KI-Tools 183 <?page no="184"?> die Erstellung der Nachkalkulation und die Durchführung der Abschlussbesprechung, in welcher die Leistungen des Projektteams gewürdigt werden. Anschließend wird die Projektorganisation aufgelöst. Es gilt, die Projekterfahrungen zu sichern und die Ressourcen rückzuführen. Die zuvor geschlossenen Verträge werden mit Abschluss des Projektes beendet (Schulte-Zurhausen, 2014). Einige der zuvor genannten Tools wie SmartSheets oder Zoho Projects ermöglichen die Erstellung von (Abschluss-)Berichten, weshalb empfohlen wird, ein in früheren Phasen bereits implementiertes Tool zu nutzen, welches die Daten bereits erhoben und verwertet hat. Der erhöhte Aufwand, sämtliche erhobenen Daten der früheren Phasen - spätestens in der Abschlussphase für den Abschlussbericht - mühsam zusammenzufassen, könnte so vermieden werden. Auch das Erheben von Lessons learned kann durch Umfragetools wie SurveyMonkey unterstützt werden. Die KIgestützte Erweiterung SurveyMonkey Genius kombiniert KI mit Umfrageexperten und maschinellem Lernen, um eine Umfrageintelligenz zu schaffen, welche den besten Fragetyp anhand der eingegebenen Frage auswählt. Mithilfe vorformulierter Optionen, die nachweislich genaue Daten erfassen, können präzise Antwortmöglichkeiten gene‐ riert werden, die es dem Projektmanager erleichtern können, den Projektmitgliedern mit den generierten Antwortformulierungen einen Rahmen zu geben (SurveyMonkey, 2023). Falls man ein übergreifendes Tool für die letzte Phase verwenden möchte, kann man die Anwendung Monday Work Management einsetzen, da diese unter anderem eine KI-basierte Berichterstattung und Analyse bietet (Monday.com, 2023). Für die Abschlusspräsentation kann die Online-Applikation Beautiful.ai genutzt werden, wel‐ che Künstliche Intelligenz mit minimalistischer Präsentationssoftware kombiniert und ansprechende Folien und Layouts erstellt, indem sich Letztere dem Inhalt automatisch anpassen. Für die Visualisierung werden durch die KI automatische Animationen und lizenzfreie Bilder integriert, wodurch man eine professionelle Unterlage für den Projektabschluss erhält (Beautiful.ai, 2023). Die in den oben genannten Projektmanagement-Phasen zu verwendenden KI-Tools werden in der folgenden Ansicht zusammengefasst: Initialisierung Definition Planung Steuerung Abschluss IdeaScale Planview -Adaptive Work IBM Watson Dis‐ covery AI Project Stakeholder Analysis Generator SmartSheet Zoho Projects -Wrike Monday Work Management -SurveyMon‐ key Genius Beautiful.ai Abb. 14-7: Projektmanagement-Phase „Abschluss“ nach DIN 69901-2: 2009-1 in Anlehnung an Schulte- Zurhausen (2014) 184 14 Auswahl von KI-Tools für den Einsatz im Projektmanagement <?page no="185"?> Die Einbindung von ChatGPT von OpenAI ist in jeder Phase möglich, sei es um neue Ideen oder Ziele zu generieren, Daten analysieren zu lassen oder eine mögliche Zielabweichung zu identifizieren und sich dazugehörige Vorschläge zur Auflösung ausgeben zu lassen. Hierbei ist jedoch zu beachten, dass die Antworten von diesem Tool bei der kostenfreien Version nicht auf dem aktuellen Stand sind, sondern Daten nach dem Jahr 2021 nicht oder nur sehr eingeschränkt berücksichtigen (OpenAI, 2023). Zudem sollten sensible Daten aufgrund der DSGVO und Geheimhaltungserklärung des jeweiligen Unternehmens nicht in ChatGPT eingebunden werden. Wenn man dieses oder eines der anderen Tools nutzen möchte, sollte man die Prompts bzw. Fragen so formulieren, dass keine Rückschlüsse auf das eigene Unternehmen oder die betroffenen Personen bzw. Daten möglich sind. Da eine vollständige Anonymisierung der Firmeninterna aufwendig scheint, gibt es auch Ansätze, die das Konzept von OpenAis ChatGPT aufgreifen: So möchte beispielsweise die Firma Bosch bis Ende 2023 gemeinsam mit dem Heidelberger Start-up Aleph Alpha BoschGPT entwickeln, welches zum Ziel hat, den Mitarbeitern sämtliche Informationen der unternehmenseigenen Datenbank zur Verfügung zu stellen. Durch den Zugriff auf diese Datenbank soll BoschGPT in der Lage sein, die eingegebenen Fragen der Mitarbeitenden zu verstehen und die bisher aufwendige Stichwort-Suche ablösen und eigenständig Antworten geben (Buchenau & Holzki, 2023). Dieser sowie viele weitere Optionen, KI-Tools in Unternehmen einzusetzen, werden den Alltag vieler Nutzer sicher bereichern. Es ist jedoch zu berücksichtigen, dass sämtliche benannten KI-Tools einen Projektmanager zwar unterstützen, aber dessen menschliche Expertise und sein Urteilsvermögen nicht ersetzen können oder sollen. Die mit Hilfe der KI-Tools generierten Daten und Empfehlungen sollten stets kritisch hinterfragt und geprüft werden, um eine fundierte Entscheidungsgrundlage zu erhalten. 14.3 Künstliche Intelligenz und Change Management Die anforderungsgerechte Auswahl von KI-Lösungen für das Projekt-, Programm- und Portfoliomanagement nach ICD 4 ist das Fundament für erfolgreiche Projektdurch‐ führung in agilen Zeiten. Mindestens ebenso große Aufmerksamkeit sollte auf den Einführungsprozess und das mit der Einführung verbundene Change Management gelegt werden. Denn, wie in diesem Beitrag deutlich wurde, handelt es sich um durchaus komplexe Anwendungen, differenziert nach Projektphasen, die einiges an Trainings- und Einarbeitungsaufwand erfordern. Die Einführungsproblematik soll anhand der Integration generativer KI in das Projektmanagement erläutert werden. Dabei kann es sich z. B. um Large Language Models (LLM) wie die bereits erwähnte Anwendung ChatGPT handeln. Die Besonderheit dieser Systeme liegt in der Fähigkeit des Algorithmus, aufgrund einer Benutzereingabe, dem sog. Prompt, eigenständig einen Output zu generieren. LLM arbeiten auf der Basis von Deep Learning, speziell des Reinforcement Learning. Das bedeutet für die Praxis, dass der Algorithmus durch laufendes Feedback ständig besser wird. Für die erfolgreiche Integration generativer KI- 14.3 Künstliche Intelligenz und Change Management 185 <?page no="186"?> Lösungen in das Projektmanagement ist deshalb eine Unternehmenskultur notwendig, die das Experimentieren und Ausprobieren fördert (Palumbo und Edelmann, 2023). Nur am Rand soll erwähnt werden, dass eine Experimentierkultur auch eine entsprechende Flexibilität des Projektbudgets erfordert, um Irrwege und Fehlversuche abzudecken. Projektmitarbeitende, die die KI während der Projektdurchführung weiter trainie‐ ren, haben die doppelte Herausforderung, einerseits in dem Projekt kreative inhaltliche Lösungen zu finden und andererseits durch das Experimentieren mit Prompts die Qualität des Algorithmus weiterzuentwickeln. KI wird damit zu einem neuen Interak‐ tionspartner im gesamten Projektmanagement, wodurch Fragen entstehen, ob man dem in der Black Box namens Deep Learning erzeugten Output vertrauen kann (Lenz, 2021, S. 60 f.). Vertrauen in die KI bedeutet, dass die Menschen den „Anweisungen“ einer KI folgen und anschließend Feedback geben, damit sich die KI selbst verbessern kann, denn diese Verfahrensweise ist bekanntlich das Grundprinzip des Reinforced Learning. Ein Beispiel für diese Mensch-Maschine-Interaktion wurde von Salehi und Bernstein (2020) für den Austausch von Ideen mehrerer parallel arbeitender Design Thinking- Teams entwickelt. Um einen intensiven Austausch über die in den Teams entwickelten Ideen zu erreichen, schlagen die Autoren vor, dass ein Algorithmus vorgibt, wann welche Mitglieder der Design-Teams in andere Teams rotieren sollen, um über die Ideen zu diskutieren. Dazu haben sie einen stochastischen Such-Algorithmus entwi‐ ckelt, der mittels Auswertung tausender potenzieller Rotationen vorschlägt, welche Teammitglieder wann während der Projektarbeit wechseln sollen, um die Qualität der inhaltlichen Lösungen zu verbessern. Die Teammitglieder müssen dann tatsächlich in der vorgegebenen Weise rotieren und damit der KI Folge leisten. Niemand wird aber blind einem Algorithmus folgen. Die Psychologie der Vertrauensbildung macht deutlich, dass Vertrauen entsteht, wenn der Mensch merkt, dass seine Erwartungen erfüllt werden. Bezogen auf KI bedeutet das, dass die Akzeptanz gesteigert werden kann, wenn eine transparente Evaluierung des Outputs möglich wird, um dadurch das Vertrauen in das neuronale Netz aufzubauen. Für die Evaluierung der Qualität des Outputs sind vertiefte Kompetenzen der Anwender bezüglich Prompting erforderlich. Denn durch die Qualität der Eingaben lernt die KI und der Output wird immer hochwertiger. Nach dem Prinzip „Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser“ muss die Qualität des Outputs evaluiert werden. Dafür sollten Daten aus einem anderen, vergleichbaren Projekt verwendet werden, dessen Daten möglichst wenig standardisiert sind. Damit sollte deutlich geworden sein: Nachdem die KI-Anwendungen für die einzel‐ nen Projektphasen ausgewählt wurden, ist Change Management erforderlich, damit ein effektiver Einsatz der Tools sowie deren Akzeptanz ermöglicht wird. Dieses Change Management ist selbst ein Projekt, das sorgfältig zu planen ist. Dazu sind unterschiedliche Dimensionen in ihren jeweiligen Abhängigkeiten zu betrachten (Lenz 2023): Psychologische Faktoren der Veränderungsfähigkeit von Menschen hinsichtlich der Vertrauensbildung zu einem abstrakten Algorithmus, die technologische Dimension 186 14 Auswahl von KI-Tools für den Einsatz im Projektmanagement <?page no="187"?> hinsichtlich der Weiterentwicklung des Lernverfahrens und eine organisationsbezogene Dimension hinsichtlich eines strukturierten Einführungsprozesses. Werden diese He‐ bel in einem professionellen Change Management umgesetzt, kann der Projekterfolg durch intelligente KI-Nutzung auf ein neues Level gehoben werden, was angesichts der erheblichen Komplexität vieler Projekte auch notwendig ist. Abschließend lässt sich festhalten, dass in jeder der genannten Projektmanagement- Phasen eine KI-seitige Unterstützung mittels kostenfreier Tools oder Tools mit kosten‐ freien Probe-Versionen möglich ist. Da dieser Artikel den Stand von Juli 2023 abbildet und nur einen kleinen Teil der umfangreichen Welt der Anwendungen rund um Künst‐ liche Intelligenz umfasst, sollte man auch die sich stetig entwickelnden Neuerungen berücksichtigen. Parallel zur Projektdurchführung sollten Routinen eingeführt werden, mit denen neue KI-Anwendungen hinsichtlich ihrer Eignung für das eigene Projekt‐ management getestet werden. Damit diese Parallelprozesse reibungslos laufen, ist eine entsprechende IT-Infrastruktur notwendig, zum Beispiel in Form eines eigenen Servers für die Tests. Die vorhandene, oder die im Change Management zu entwickelnde, Organisationskultur sollte von Transparenz, (Selbst-)Verantwortung und gegenseitiger Hilfsbereitschaft geprägt sein. Abgesehen von der erwähnten Experimentier-Kultur gehört dazu auch die grundsätzliche Offenheit für neue Anwendungen. Wenn diese Voraussetzungen gegeben sind, kann ein Zusammenspiel zwischen Projektmanagern und Künstlicher Intelligenz erfolgreiche und effiziente Projekte hervorbringen. Literatur Beautiful.ai (2023). The presentation software for everyone. https: / / www.beautiful.ai/ presentat ion-software Buchenau, M. & Holzki, L. (2023, 23. August). Bosch plant eigene KI für seine Mitarbeiter. 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Dieser Beitrag liefert auf den Grundlagen der Katana-Methode und Selbstmanagement‐ techniken ein ganzheitliches Vorgehen als Strukturmodell mit sechs Leitsätzen für Projektmitarbeiter*innen zur Effektivitäts- und Effizienzsteigerung im Mul‐ tiprojektmanagement der Infrastrukturbranche. In diesem Modell sind für die einzelnen Abschnitte mögliche Methoden zur Realisierung adressiert und KI- Tools benannt, welche dieses unterstützen. Stichwortliste Multiprojektmanagement, Infrastrukturbranche, KI-Tools, Vorgehensmodell, Ka‐ tana-Methode und Selbstmanagementtechniken 15.1 Einleitung Ein einzelnes Projekt zu managen ist oft der Einzelfall. Multiprojektmanagement, als Gesamtplanung, -steuerung und -überwachung mehrerer Projekte, bildet den Rahmen für das Wahrnehmen der übergreifenden Projektmanagementaufgaben in einer Multiprojektsituation. Dies bedeutet, dass alle Aspekte, die sich aus dem Manage‐ ment mehrerer parallellaufender Projekte ergeben, zusammenlaufen. [1] Durch die Vielzahl an zu realisierenden Maßnahmen hat das Multiprojektmanagement immens an Wichtigkeit zugenommen. Die erforderliche Multiprojektführung ist notwendig, da der Anteil der Arbeit, welche in Projekten geleistet wird, in den letzten Jahrzehnten stetig zugenommen hat und auch in Zukunft weiterwächst sowie in manchen Branchen die Umsätze fast ausschließlich durch Projekte generiert werden. [2] Gerade in der Infrastrukturbranche zeigen sich bei der parallelen Bearbeitung mehrerer Projekte hohe Anforderungen an Planung, Vorbereitung und Ausführung. Denn Infrastrukturprojekte erstrecken sich auf viele Bereiche der Wirtschaft und Öffentlichkeit und sind elementar für unsere Gesellschaft und eine Grundlage für einen starken Wirtschaftsstandort Deutschland. Sie sind Unikate, denn jedes Bauwerk ist das Ergebnis der Umsetzung von Konzepten, Plänen, Randbedingungen und Prognosen aus früheren Projekten. Infrastrukturprojekte sind nicht nur aus finanzieller Sicht umfangreich, sondern auch hinsichtlich der Komplexität, Schnitt‐ stellen und der Laufzeit. [3] Projektinflation, Ressourcenkonflikte und nicht zuletzt <?page no="190"?> die Arbeitsüberlastung der Mitarbeiter*innen stellen das Multiprojektmanagement in Unternehmen der Infrastrukturbranche vor große Herausforderungen. [4] Pro‐ jektmitarbeiter*innen im Multiprojektmanagement dieser Branche sind dadurch häufig mit unvorhersehbaren Themen konfrontiert und müssen oft als eine Art „Brandlöscher“ fungieren. Jedes der Projekte erfordert Ressourcen, wodurch die richtige Priorisierung und Koordination von Projekten für ein Unternehmen ein entscheidender Faktor darstellt. [2] Da Projekte von Menschen realisiert werden, unterliegen die Tätigkeiten und Aufgaben der Beeinflussungen des menschlichen Faktors mit seiner Verfügbarkeit, Fä‐ higkeit und seiner Motivation. Der Faktor Mensch spielt demnach eine entscheidende Rolle bei der erfolgreichen Umsetzung von Projekten im Multiprojektmanagement. [2] Dadurch, dass Projektmitarbeiter*innen oft mehrere Aufgaben erledigen müssen als sie bewältigen können, konkurrieren Projekte unweigerlich um die begrenzten Ressour‐ cen, die innerhalb des Projektmanagements verfügbar sind. [5] Aufgrund der stetig wachsenden Projektanzahl werden Ressourcen laufenden Projekten entzogen, um neue Projekte zu übernehmen und zu realisieren. [4] Dies führt zur Arbeitsüberlastung der Mitarbeiter*innen. Des Weiteren kommt der Mangel an notwendiger Transparenz, Priorisierung und Klarheit in und zwischen den verschiedenen Projekten hinzu. [6] Die Folgen sind fal‐ sche Prioritäten und Ausrichtungen von Projekten sowohl auf der Managementebene als auch bei den Projektmitarbeiter*innen. Trotz dieser klaren Probleme werden stetig neue Projekte übernommen. Ressourcenkonflikte und die Nichteinhaltung von Leis‐ tungsversprechen als auch Termine und Kosten werden häufig durch die genannten Themen verursacht. [4] Deutlich wird, dass Unternehmen Beeinträchtigungen erleiden, sollten sie sich den Problemfeldern nicht bewusst sein und diese angehen. Um diesen bestehenden Proble‐ men des Multiprojektmanagements der Infrastrukturbranche entgegenzuwirken und Abhilfe zu verschaffen, bedarf es Ansätze für Projektmitarbeiter*innen zur Realisierung eines effektiveren und effizienteren Multiprojektmanagements. Darüber hinaus ist es sinnvoll IT-Systeme zur Automatisierung in bestimmten Bereichen zu implementieren, um die fortwährende Anwendung zu garantieren und zusätzliche Entlastung für Projektmitarbeiter*innen zu erzielen. Zudem können durch die Implementierung der IT-Systeme die Produktivität der Mitarbeiter*innen erhöht und dadurch eine weitere Effektivitäts- und Effizienzsteigerung erreicht werden, was zum Projekterfolg beiträgt. Hierbei ist jedoch zu differenzieren, welche Art der Unterstützung die IT-Systeme leisten. Systeme zur reinen Abbildung und Visualisierung von Aufgaben werden im Projektkontext seit Mitte der 1980er Jahre eingesetzt. Auch IT-Systeme zur Prozess‐ automatisierung finden seit geraumer Zeit Anwendung. Diesen Assistenzsystemen fehlt jedoch das individuelle Verständnis des Projekts, beispielsweise hinsichtlich Qualität und Erfahrungen der Beteiligten oder die Möglichkeiten aus unstruktu‐ rierten Datenquellen gezielt Informationen herauszuarbeiten, um einen deutlichen 190 15 Vorgehensmodell und KI-Tools zur Optimierung im Multiprojekt- und Selbstmanagement <?page no="191"?> Mehrwert für die Projektbearbeitung zu liefern. IT-Systeme, welche auf der Grund‐ lage von kognitiver künstlicher Intelligenz (KI) arbeiten, können beispielsweise fehlende Informationen identifizieren, welche zu größeren Unterbrechungen des Projektfortschrittes führen könnten. Diese Systeme adressieren folglich u. a. die Steigerung der Transparenz in den Projekten und können damit einen Beitrag zum Projekterfolg liefern. 15.2 Vorgehensmodell und Unterstützungswerkzeuge Ausgangspunkt des entwickelten Vorgehensmodells stellen die für das Multiprojekt‐ management definierten Erfolgsfaktoren Mensch, Arbeitsauslastung & Priorisierung, Transparenz und Klarheit dar. Das entwickelte Modell fußt auf der Katana-Methode, dem Selbstmanagement-Ansatz sowie Selbstmanagement-Methoden und adressiert die Verwirklichung dieser genannten Erfolgsfaktoren. Zudem erfolgt eine Adressierung von Bereichen, welche mittels KI-Tools unterstützt werden können. Hierfür werden beispielhafte KI-Tools genannt. Die Katana-Methode wurden im Jahr 2020 von den Autoren Jochen Cholin und Yvonne Kraus vorgestellt. Sie bezeichnet einen ganzheitlichen, agilen und vor allem einfachen Ansatz, der sicherstellt, dass von Projektbeginn an und während des gesam‐ ten Projektes der Fokus immer auf den wesentlichen Aufgaben und Aktivitäten liegt. Die Konsequenz hieraus ist die Änderung des Mindsets der Beteiligten und Anpassung der Rahmenbedingungen, so dass das Augenmerk immer auf den Kerntätigkeiten liegt. Die Methode soll Projekten zu mehr Erfolg verhelfen, ohne sie im Alltag zu bemerken, da keinerlei Werkzeuge zur Realisierung vorgestellt werden. Fundament dieser Methode sind lediglich die Prinzipien (I) störende Dinge eliminieren, (II) absolute Transparenz, (III) Klarheit, (IV) Einfachheit bei den Beteiligten schaffen sowie (V) Erwachsene auch wie diese zu behandeln. [7] Obwohl die Katana-Methode als agile Methodik entwickelt wurde, können alle Prinzipien erfolgreich in einer klassischen Projektumgebung angewendet werden. Ausgehend von dieser Methode und zur Ergän‐ zung der Zielstellung wurden für das entwickelte Vorgehensmodell der Selbstmanage‐ ment-Ansatz und Selbstmanagement-Methoden integriert. Das Selbstmanagement unterstützt hierbei den Fokus auf die wesentlichen Aufgaben zur Zielerreichung unter Beachtung von Restriktionen, die Lösungsfindung bei Problemen sowie den Einsatz von verschiedenen Methoden zur Aufgabenerfüllung. [8] 15.2 Vorgehensmodell und Unterstützungswerkzeuge 191 <?page no="192"?> 80% Pareto-Analyse Zeit Ursache Aufgabe 80% 20% 20% 20: 80 Wirkung Pareto-Verteilung Ausführung Ignoranz Delegation Terminierung Dringend aber unwichtig Dringend und wichtig Nicht Dringend und unwichtig Nicht Dringend aber wichtig Wichtigkeit Dringlichkeit Eisenhower-Matrix Katana-Methode „Klarheit“ „Transparenz“ „Unnötiges weglassen“ / „ Einfach mal machen“ „Erwachsene wie …………………………………………………………………………………………………………………………………………........................................ Erwachsene behandeln “ (kognitiv)-behavioraler- Selbstmanagementansatz SMART-Methode Eisenhower-Matrix POMODORO-Methode Leistungskurve 2-Minuten-Regel GTD-Prinzip Pareto-Analyse (1) (2) (3) (4) (5) (6) Abb. 15-1: Strukturiertes Vorgehensmodell Das entwickelte Vorgehensmodell ist als Strukturmodell der Vorgehensweise mit Leitsätzen erarbeitet und integriert eine Einteilung in strukturierte Abschnitte sowie eine Zuordnung von Methoden und Techniken. Das Modell zielt darauf ab einen Beitrag zur Errichtung von Strukturen zu leisten, welche zu verbesserten und effizienteren Abläufen verhelfen soll. Das Vorgehensmodell ist in Abbildung 1 visualisiert und wird nachfolgend entlang der Abschnitte beschrieben. Der menschliche Faktor mit seinem Verhalten und Wesen steht zu Beginn des Vorgehensmodells in Abschnitt eins (1) im Fokus, da er das Projekt lenkt, vorantreibt und Ausgangspunkt für den Projekterfolg darstellt. Das Vorgehensmodell bietet mit Hilfe des Selbstmanagement-Ansatzes Unterstützung und Möglichkeiten zur Veränderung des 192 15 Vorgehensmodell und KI-Tools zur Optimierung im Multiprojekt- und Selbstmanagement <?page no="193"?> Verhaltens. Um situative Verhaltensanpassungen zu erreichen und die Kontrolle über den menschlichen Faktor zu behalten, wird der (kognitiv-)behaviorale Selbstmanagement- Ansatz verwendet. Ein Mitarbeiter bzw. eine Mitarbeiterin, welcher bzw. welche sich nur schwer auf neue Gegebenheiten einstellen kann oder mit persönlichen oder beruflichen Problemen zu kämpfen hat, wird von diesem Selbstmanagement-Ansatz profitieren. Es wird gelernt die Konzentration auf das Wesentliche und die eigentlichen Inhalte und Ziele des Projekts zu richten, um die an den Mitarbeiter bzw. die Mitarbeiterin gestellten Erwartungen zu erfüllen. Durch ihn kann die Regulation des Faktors Mensch erfolgen, vorausgesetzt, der Mitarbeiter bzw. die Mitarbeiterin zeigt Bereitschaft zur Regulation. Diese Bestrebung kann durch Eye-Tracking-KI-Systeme, welche die Augenbewegung der Projektmitarbeiterin bzw. des Projektmitarbeiters erfassen und Schlussfolgerungen auf die Fokussierung ermöglichen, unterstützt werden. Ein weiterer Ansatz oder auch die Verwertung dieser erfassten Informationen kann mittels Gamification erfolgen, wodurch die Konzentration zielgerichtet gelenkt werden kann. KI-Tools, welchen diesen ersten Abschnitt unterstützen können, stellen u.A. WAnywhere, Ultra-Attentaion, AtFirst oder auch Focus@Will dar. Ersteres ist eine KI-basierte Remote-Mitarbeiterüberwachungs- und Desktop-Zeitverfolgungssoftware. Die anderen zielen auf die Produktivität und Konzentration des Nutzers bzw. der Nutzerin ab, in dem die Aufmerksamkeit auf die Arbeit gelenkt und Ablenkungen minimieren werden sollen. Dies erfolgt beispielsweise mittels Musik zur Konzentrationssteigerung, deren Auswirkungen auf die Produktivität analysiert wird und entsprechend Empfehlungen für weitere Musik geliefert wird. Der weitere Ablauf des Vorgehensmodells basiert auf den fünf Prinzipien der Katana- Methode. Abschnitt zwei (2) verfolgt den Erfolgsfaktor der Klarheit. Die SMART- Methode soll das Katana-Prinzip „Klarheit“ im alltäglichen Multiprojektmanagement fördern. Sie stellt in diesem Zusammenhang sicher, dass die Ziele „SMART“ und dadurch klar formuliert sind. Die SMART-Methode und damit die Einführung von mehr Klarheit kann in einer turnusmäßigen Durchsprache stattfinden, in der jedes einzelne Projekt auf die SMART-Projektziele überprüft und diese sichergestellt werden. Ziel dieses Abschnitts soll es sein, dass jede Mitarbeiterin und jeder Mitarbeiter Klarheit über Ziele, Strukturen und Verantwortlichkeiten erhält. Zudem wird über‐ prüft, ob es Veränderungen in den Projektzielen gibt und ob die Projektmeilensteine weiterhin Gültigkeit besitzen. Gleichzeitig wird eine klare Kommunikation gefördert, da Missverständnisse in Durchsprachen aufgrund von vermehrten Rückfragen der Teammitglieder häufig vermieden werden. Das Vorgehensmodell zeigt in diesem Abschnitt Potenzial zur Unterstützung durch IT-Systeme, da durch automatische Aktualisierung von Projektinhalten die Zusammenarbeit und Kommunikation gestärkt werden können. Dadurch werden Missverständnisse reduziert und die Zusammenar‐ beit gestärkt. In diesem Kontext können Instrumente zum Einsatz kommen, welche auf Text-Analyse-Algorithmen basieren und Inhalte aus unterschiedlichen und teils unstrukturierten Datenquellen zusammenführen und auswerten Als ein beispielhaftes Tool, welches zur Datenanalyse und -visualisierung aus unterschiedlichen Quellen genutzt werden kann, sei das Tool Alteryx zu nennen. 15.2 Vorgehensmodell und Unterstützungswerkzeuge 193 <?page no="194"?> Die Vorgehensweise des dritten Abschnitts (3) soll den Erfolgsfaktor Transparenz verwirklichen. Im Vorgehensmodell wird dem nächsten anzustrebenden Katana-Prin‐ zip „Transparenz“ das Getting-Things-Done-Prinzip (GTD-Prinzip) zugeordnet. Mit Hilfe des GTD-Prinzips wird die Transparenz in den einzelnen Projekten, zwischen den Schnittstellen, aber auch die Transparenz projektübergreifend verfolgt. Eine digitale Auflistung der Aufgaben soll hierfür sämtlichen Projektmitarbeiter*innen zur Verfügung stehen. Wichtig ist, dass es keine weitere Liste mit Pflegeaufwand darstellt, sondern eine aufgewertete Abbildung der Aufgaben u. a. hinsichtlich Priorität, Umfang und Zuständigkeit darstellt. Die Einträge können beispielsweise als Tagespunkt in Team-Runden besprochen werden. Somit garantiert das GTD-Prinzip, dass die Trans‐ parenz und indirekt auch die Übersicht von jedem einzelnen Projektstand für alle Projektbeteiligten gewährleistet ist. Alle relevanten Informationen werden damit im Multiprojektmanagement jedem Mitarbeiter und jeder Mitarbeiterin zur Verfügung gestellt und Abstimmungsschleifen über Stände und Schnittstellen der einzelnen Pro‐ jekte drastisch minimiert. IT-Systeme können diesen Abschnitt des Vorgehensmodells unterstützen, indem diese die automatisierte Bereitstellung von Informationen und Projektinhalten übernehmen und damit die Transparenz in und zwischen Projekten erhöhen. Dies erfolgt, indem sie Informationen zu jedem Projekt (z. B. aus E-Mails, Chatverläufen, Berichten oder Protokollen) und auch die Abhängigkeiten zwischen Projekten zusammenführen und visualisieren und dabei die reinen Daten qualitativ durch eine Zusammenfassung aufwerten. Mögliche KI-Tools, die diesen Ansatz un‐ terstützen stellen Redbooth (Tool zur Statusübersicht sowie Aufgabenverfolgung), Basecamp (Tool zur Aufgabenzuweisung, Fristendatierung und Fortschrittsverfolgung sowie zentrale Plattform für alle relevanten Informationen und Aufgaben) sowie Tableau (Tool zur Visualisierung großer Datensätze) dar. Die beiden vorangegangenen Abschnitte des Vorgehensmodells mit den Prinzipien „Klarheit“ und „Transparenz“ haben sich mit der Umsetzung in der Multiprojektum‐ gebung befasst und erläutern, worauf jegliche (jede) Mitarbeiterin und jeglicher (jeder) Mitarbeiter in diesem Zusammenhang achten sollte. Von der Allgemeinheit im Projekt bezieht sich das Vorgehensmodell in den nächsten beiden Abschnitten (4, 5) ausschließlich auf die einzelne Mitarbeiterin und den einzelnen Mitarbeiter mit ihrer und seiner Arbeitsleistung und Aufgabenabarbeitung und adressiert die Erfolgs‐ faktoren Arbeitsauslastung & Priorisierung. „Unnötiges weglassen“ und „Einfach mal machen“ sind die zwei passenden Katana-Prinzipien. Anhand mehrerer Methoden und Techniken werden eingehende Aufgaben priorisiert, eliminiert und gleichzeitig ein effektiver Arbeitsalltag beziehungsweise eine effektive Arbeitszeit gestaltet, was die Arbeitsüberlastung der Mitarbeiter*innen reduziert. „Unnötiges weglassen“ ist das Erste der beiden Prinzipien, welches es zu verwirklichen gilt. Diesem Prinzip wird eine Kombination aus Eisenhower-Matrix und Pareto-Analyse unterstellt. Mit dieser Kombination werden eingehende Tätigkeiten wie Aufgaben, Termine oder Bespre‐ chungen nach Wichtigkeit und Dringlichkeit und ihrer Wirkung eingestuft. Hierdurch kann bereits eine erhebliche Reduktion an zu bewältigenden Aufgaben und Terminen 194 15 Vorgehensmodell und KI-Tools zur Optimierung im Multiprojekt- und Selbstmanagement <?page no="195"?> vorgenommen werden. Besonderer Blick soll dabei auf die Eliminierung von Bespre‐ chungen und digitalen Meetings gerichtet werden. Außerdem ist eine konsequente Ver‐ einfachung von Prozessen, Abläufen und Abstimmungsschleifen anzustreben, welche beispielsweise durch das Zusammenlegen von Abläufen und Abstimmungen erfolgen kann. Auch in diesem Abschnitt kann das Vorgehensmodell durch IT-Systeme erweitert und damit der bzw. die Projektmitarbeiter*innen enorme Vorteile erfahren, indem die Aufgabenpriorisierung/ -eliminierung sowie Routineaufgaben automatisch erledigt werden. Auch dieser Gegenstand bedarf der Zusammenführung unterschiedlicher Datenquellen und die kontextbasierte Aufbereitung. Als ein mögliches Tool sein an dieser Stelle Smartsheet genannt, welches eine Plattform zur Aufgabenpriorisierung, -verfolgung und -automatisierung darstellt und Funktionen zur Prozessoptimierung und Automatisierung von wiederkehrenden Aufgaben beinhaltet. Im Anschluss an die Einstufung, Eliminierung und Vereinfachung von Tätigkeiten, wird mit dem Prinzip „Einfach mal machen“ auf die Aufgabenverteilung und Arbeits‐ leistung innerhalb des Arbeitstages eingegangen. Vervollständigt wird das Prinzip durch die 2-Minuten Regel, die Leistungskurve und die Pomodoro-Methode. Die nach der Pareto-Verteilung identifizierten Tätigkeiten, welche 80 % der Wirkung erzielen, sollen in leistungsstarken Phasen abgearbeitet werden. Währenddessen werden Tä‐ tigkeiten mit niedriger Priorität in die leistungsschwachen Phasen verschoben. Dar‐ über hinaus sollte die Pomodoro-Methode während der Leistungshochs angewendet werden, da sie dafür sorgt, dass Arbeiten ohne Unterbrechungen mit festgelegten Intervallen und kurzen Pausen erledigt werden. Wichtige und vor allem Aufgaben, welche Konzentration und Durchhaltevermögen erfordern, können mit dieser Tech‐ nik erfolgreich beendet werden. Auch während der leistungsschwachen Zeiten des Arbeitstages, in denen die Produktivität niedrig ist, können Mitarbeiter*innen die Po‐ modoro-Methode anwenden, da sie für einige ein Instrument zur Leistungssteigerung darstellen kann. Die Abhängigkeit zur Persönlichkeit jedes einzelnen Mitarbeiters bzw. jeder einzelnen Mitarbeiterin erfordert daher, einen Versuch zu unternehmen und zu schauen, welcher Typ der einzelne Mitarbeiter bzw. die einzelne Mitarbei‐ terin ist. Zudem soll die 2-Minuten Regel mindestens einmal am Tag einbezogen werden, um alle Aufgaben mit kurzer Bearbeitungszeit zu erledigen und damit den Projektfortschritt fortwährend voranzutreiben. Für diesen Abschnitt des Modells bedarf es einem digitalen Assistenten, welcher u. a. leistungsstarke Phasen ermittelt (beispielsweise durch die Kombination aus Smarten-Devices mit lernenden Systemen sowie lernende Systeme zur Auswertung des Outcomes und Einbeziehung vielfältiger externer Einflussfaktoren), in diesen Phasen den Mail- und den Telefoneingang sperrt sowie den Kalender nach den Leistungsphasen plant. KI-Tools in diesem Bereich stellen Worklytics, Hubstaff oder TimeMaster dar. Diese Tools analysieren Arbeitsmuster und können zur Steigerung der Produktivität beitragen, indem leistungsstarke Phasen gezielt genutzt werden können. Dem fünften und letzten Katana-Prinzip „Erwachsene wie Erwachsene behandeln“ in Abschnitt sechs (6) wird keine Unterstützung mittels Methoden zugewiesen, 15.2 Vorgehensmodell und Unterstützungswerkzeuge 195 <?page no="196"?> jedoch ist hier ein weiteres Mal der Faktor Mensch, sprich der bzw. die einzelne Mitarbeiter: in, in der Pflicht, Bewusstsein über Commitments, Rechte, Pflichten und Verantwortung zu schaffen. Übertragen auf den vorliegenden Fall des Multiprojekt‐ managements kann dieses Prinzip helfen, Vertrauen herzustellen und die Motivation der Mitarbeiter*in zu steigern. Auch sollen gegenseitige Erwartungen bekannt sein, die als Motivationsfaktoren der Mitarbeiter*in für die Zielerreichung dienen. Jeder Mitarbeiter und jede Mitarbeiterin sollen sich hierzu über die eigenen Rechte, Pflichten und Erwartungen klar werden und diese verfolgen. Bei Problemen leisten hierbei erneut der (kognitiv-)behaviorale Selbstmanagement-Ansatz oder auch einige andere Selbstmanagement-Ansätze Unterstützung. 15.3 Evaluation und Fazit Die Evaluation des präsentierten Ansatzes kam zum Ergebnis, dass das Vorgehensmo‐ dell das Annähern und das Integrieren der Erfolgsfaktoren maßgeblich unterstützt und dadurch einen großen Beitrag im Multiprojektmanagement leistet. Ergebnis war die sowohl gesteigerte Effektivität als auch Effizienz im evaluierten Anwendungszeitraum. Das Strukturmodell der Vorgehensweisen muss fortlaufend im Arbeitsalltag des Mul‐ tiprojektmanagements der Infrastrukturbranche akzeptiert und integriert werden, um langfristig Effektivität und Effizienz im Multiprojektmanagement zu erwirken. Die Integration der beispielhaft genannten KI-Tools ermöglichen eine individuelle Unterstützung und fortwährende Umsetzung der genannten Bereiche im präsentierten Ansatz. Hierbei gibt es jedoch vielfältige Faktoren, welche bei der Einführung und Nutzung von KI-Tools im Multiprojekt- und Selbstmanagement zu beachten gibt: ■ Der wichtigste Gegenstand stelle die Sicherheit der Daten dar. Dies betrifft sowohl Aspekte hinsichtlich der DSGVO als auch ob und wie die Daten zur Weiterbzw. Neuentwicklung von Systemen verwendet werden. Es empfiehlt sich daher auf KI- Tools aus Europa zu setzten. ■ Ein weiterer Aspekt stellt der Usecase der Entwicklung des jeweiligen Tools dar. Systeme werden für spezifische Anwendung entwickelt und trainiert und liefern in anderen Kontexten nicht immer den gewünschten Mehrwert. ■ Ein dritter Punkt stellt die Individualisierbarkeit der Tools dar. Dies umfasst die Möglichkeit eine Unternehmensund/ oder Branchenorientierung zu implemen‐ tieren durch ein Nachtrainieren der Tools. ■ Die Wechselwirkung und die Vernetzung der Systeme ist ein weiterer Gegenstand, der bei der Einführung und Nutzung beachtet werden sollte. Sowohl gewollte als auch nicht gewünschte Wechselwirkungen zwischen unterschiedlichen Tools verändern das Verhalten dieser. Folglich sollte abgewogen werden, ob eine umfas‐ sende Lösung oder ein Blumenstrauß an Tools die erhoffte Unterstützung liefert. In diesem Kontext wird deutlich, dass es einer Struktur für den Einsatz von KI- Tools im jeweiligen Kontext bedarf, wie sie in diesem Beitrag vorgestellt wurde. 196 15 Vorgehensmodell und KI-Tools zur Optimierung im Multiprojekt- und Selbstmanagement <?page no="197"?> Literatur [1] J. Seidl, in Multiprojektmanagement. Übergreifende Steuerung von Mehrprojektsituationen durch Projektportfolio- und Programmmanagement, Berlin Heidelberg, Springer, 2011. [2] J. Zimmermann, in Multi-Project Management with a Multi-Skilled Workforce. A Quantita‐ tive Approach Aiming at Small Project Teams, Wiesbaden, Springer Gabler, 2015. [3] K. Spang, in Projektmanagement von Verkehrsinfrastrukturprojekten, Berlin, Springer Vieweg, 2022. [4] C. Kunz, in Strategisches Multiprojektmanagement. Konzeption, Methoden und Strukturen, 2, Hrsg., Wiesbaden, Gabler Edition Wissenschaft, 2007. [5] M. Neumann, „Herausforderungen im Projektmanagement: Tödliches Gift im Multiprojekt‐ management,“ Capterra, 16 10 2018. [Online]. Available: https: / / www.capterra.com.de/ blog / 360/ kampf-ums-uberleben-todliches-gift-immultiprojektmanagement. [Zugriff am 08 01 2023]. [6] DIM. Deutsches Institit für Marketing, „Multiprojektmanagement: Definition, Herausforde‐ rungen & die besten Tools,“ 22 11 2021. [Online]. Available: https: / / www.marketinginstitut.b iz/ blog/ multiprojektmanagement/ . [Zugriff am 08 01 2023]. [7] J. Cholin und Y. Kraus, in Next Level Projektmanagement - die Katana-Methode. Projekte effizient planen und durchführen, 2, Hrsg., Berlin, Springer Gabler, 2020. [8] S. v. Känel, in Projekte und Projektmanagement, Wiesbaden, Springer Gabler, 2020. Literatur 197 <?page no="199"?> Teil C: Herausforderungen im Projektmanagement <?page no="201"?> 16 KI in der Projektmanagement-Lehre Sabine Jaritz Abstract Der Artikel beschäftigt sich mit dem Einbezug von Künstlicher Intelligenz (KI) in die Projektmanagement-Lehre an Hochschulen. Um zeitgemäße Projektmanage‐ ment-Lehre anbieten zu können, ist es förderlich, KI in die Lehre einzubeziehen, und so Studierende bei der Entwicklung von Future Skills zu unterstützen. Die Integration von KI in die Lehre wird anhand von vier Handlungsfeldern aufge‐ zeigt. Im Sinne eines Call-to-Action wird ermutigt, KI-bezogene Lernziele explizit zu definieren und diese mit den Prüfungsleistungen und den Lehr-/ Lernaktivi‐ täten entsprechend des vorgestellten didaktischen Ansatzes des Constructive Alignment aufeinander abzustimmen. Es werden drei Good-Practice-Beispiele vorgestellt, die als Anregung dienen sollen. Der Beitrag plädiert für Experimente im Zusammenhang mit dem Einsatz von KI in der Lehre. Durch experimentelles Lernen können Studierende Kompetenzen im Umgang mit KI aufbauen und sich so auf eine künftige Arbeitswelt vorbereiten, die von Projektarbeit und KI- Unterstützung geprägt sein wird. Stichwortliste Lehre; Lehrende; Lernende; Hochschule; KI-Systeme; Constructive Alignment; Bloom’sche Lernzieltaxonomie; Experimente; Future Skills; Agiles Mindset; Scrum; Traditionelles Projektmanagement 16.1 Einleitung „The project economy has arrived“ - unter diesem prägnanten Titel hat Antonio Nieto- Rodriguez seinen Beitrag zur Bedeutung von Projektarbeit in der Wirtschaft in der Harvard Business Review im Jahr 2021 veröffentlicht [1]. Der Beitrag eignet sich auch sehr gut als „Eye-Opener“, um Studierenden die Relevanz von Projektmanagement‐ kompetenzen aufzuzeigen. Um diese schon während des Studiums aufzubauen und Studierenden dadurch einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil für ihre berufliche Zukunft zu bieten, werden an Hochschulen über die Disziplinen hinweg sowohl reine Projektmanagementvorlesungen und -seminare als auch Anwendungsprojekte angeboten - und sollten natürlich auch aktuelle Entwicklungen berücksichtigen. Mit der Veröffentlichung von ChatGPT im November 2022 erlebten Anwendungen aus dem Bereich der generativen KI eine beeindruckende Entwicklung, die zu vielfälti‐ gen neuen Möglichkeiten in der Mensch-Computer-Interaktion führte. Auswirkungen auf Lehre und Forschung werden seitdem intensiv diskutiert. KI-Experten gibt es dementsprechend mittlerweile „wie Sand am Meer“. Extreme Positionen wie „Verbot <?page no="202"?> von KI-Tools“ und „Lehre komplett neu denken“ beherrschten über Monate hinweg die Schlagzeilen. An Hochschulen konnte Ende 2022 und in 2023 beobachtet werden, dass Lehrende ChatGPT sehr unterschiedlich in der Lehre behandelten. Im Juni 2023 gaben über 75 Prozent der Bachelor Betriebswirtschaft Studierenden im Schwerpunkt Projektmanagement in einer ad-hoc durchgeführten Umfrage in einer Vorlesung der Autorin an, dass KI nur in einem Modul explizit integriert wurde. Der Anteil der Stu‐ dierenden, die in derselben Umfrage angaben, dass sie ChatGPT für Hochschulzwecke oder privat nutzen, lag bereits bei 100-Prozent. Da ChatGPT nur ein, wenn auch sehr prominenter, Vertreter bzw. Vorreiter öffent‐ lich zugänglicher generativer KI-Tools ist und weitere Tools folgen, ist es essentiell, die Studierenden für den verantwortungsvollen Umgang zu sensibilisieren. Es gilt also eine „AI Literacy“ aufzubauen und KI in die Lehre zu integrieren. „AI Literacy“ bezieht sich auf das Verständnis und die Fähigkeit, künstliche Intelligenz zu verstehen, zu nutzen und kritisch zu bewerten, um letztlich informierte Entscheidungen im Umgang mit KI treffen zu können. Das Rad lässt sich nicht zurückdrehen. KI-Systeme sind ein Faktum im Bereich der Wissensarbeit. Bis jedoch ein mögliches „AI Literacy“-Modul in den Studien- und Prüfungsordnungen verankert ist, können durchaus - bei allem Optimismus - noch viele Semester vergehen. Doch so lange sollten wir nicht warten. Handeln ist angesagt. 16.2 Einbezug von KI in die Lehre In seinem Diskussionspapier hat der Stifterverband 2021 zusammen mit McKinsey die sogenannten Future Skills identifiziert, also notwendige Kompetenzen für eine Welt im Wandel [2]. Als eine technologische Kompetenz wird u. a. „Data Analytics und KI“ und als eine digitale Schlüsselkompetenz u. a. „Digital Ethics und Digital Learning“ aufgeführt. Um zeitgemäße Projektmanagement-Lehre anbieten zu können - die sich immer auch an den sogenannten Future Skills orientieren sollte - ist es daher angeraten, KI in die Lehre zu integrieren. Fleischmann liefert in seinem Beitrag zu ChatGPT in der Hochschullehre eine differenzierte Darstellung möglicher Handlungsfelder [3]: 1. KI als Lehrgegenstand: Hier steht der kompetente und reflektierte Einsatz von KI-Werkzeugen im Fokus sowie die zentralen Kompetenzen wie Quellenkritik, Reflexionsfähigkeit und die bereits erwähnte „AI Literacy“. 2. KI als Lernhilfe: KI kann dabei beim Lesen von Texten unterstützen oder kann Fragen oder Klausuraufgaben zu bestimmten Themengebieten generieren oder beim Schreiben unterstützen, indem beispielsweise Gliederungsmöglichkeiten vorgeschlagen werden oder in dem Feedback zu einem geschriebenen Text anhand von bestimmten Bewertungskriterien gegeben wird. Insbesondere indi‐ viduellen KI-basierten Tutor-Systemen wird dabei großes Potenzial als Lernhilfe attestiert. 202 16 KI in der Projektmanagement-Lehre <?page no="203"?> 3. KI als Lehrunterstützung: KI kann Lehrende bei der täglichen Arbeit unterstützen und somit die Produktivität erhöhen. So können KI-Tools beispielsweise eingesetzt werden, um Vorschläge für Protokolle, Modulbeschreibungen oder Empfehlungs‐ schreiben zu generieren, geschriebene Texte zu optimieren oder Lernmaterial zu individualisieren. 4. KI im Prüfungsbetrieb: Die Auswirkungen von KI sind vor allem bei zum Credit- Erwerb notwendigen summativen Prüfungen kritisch zu evaluieren. Im Besonde‐ ren trifft es alle unbeaufsichtigten schriftlichen Prüfungen wie Take-Home-Exams, Studien- und Abschlussarbeiten. Dazu zählen auch Zulassungstests, insbesondere für Masterstudiengänge. Bei Aufgabenstellungen ist zu beachten, dass die Bearbei‐ tung nicht (vollständig) mittels KI erfolgen darf. Nachfolgende Abbildung gibt einen Überblick über die vier verschiedenen Handlungs‐ felder: KI als Lehrgegenstand KI als Lernhilfe KI als Lehrunterstützung KI im Prüfungsbetrieb Abb. 16-1: Integration von KI in den Lehrbetrieb (in Anlehnung an Fleischmann, A. (2023) [3]) Die verschiedenen Handlungsfelder werden in vielen Veröffentlichungen im Be‐ reich der Didaktik aufgegriffen. Als Quellen der Inspiration für die eigene Lehre sollen, auf Grund der Dynamik, an dieser Stelle statt Publikationen zwei Vordenker im deutschsprachigen Raum genannt werden: Zum einen ist die Kieler Professo‐ rin für Wirtschaftsinformatik, Dr. Doris Weßels, die auch Leitungsmitglied der bundesweiten Fachgruppe „Projektmanagement an Hochschulen“ der Gesellschaft für Projektmanagement e. V. (GPM) ist, hervorzuheben. Sie leitet u. a. die KI- Pilotstudie „Akademisches Schreiben im Zeitalter Künstlicher Intelligenz“ [4]. Zum anderen ist der Heidelberger Professor für Mathematik- und Informatikdidaktik, Dr. Christian Spannagel, zu nennen, der über KI in der Bildung forscht und publiziert [5]. 16.2 Einbezug von KI in die Lehre 203 <?page no="204"?> 16.3 Constructive Alignment Der im vorherigen Kapitel gezeigte Überblick über die Integration von KI in den Lehrbetrieb bietet Lehrenden ohne Frage eine sehr gute Basis, insbesondere in Zeiten, die von ebenso viel Unsicherheit wie Aktionismus geprägt sind. Ziel sollte jedoch sein, in der Lehre im KI-Zeitalter in „ruhigeres Fahrwasser“ zu gelangen und Lehrver‐ anstaltungen - unter Berücksichtigung von KI - im Sinne des auf Biggs zurückgehende Constructive Alignment [6] zu konzipieren. Vereinfacht ausgedrückt, basiert das Konzept des Constructive Alignment auf dem konstruktivistischen Ansatz, wonach die Lernenden im Mittelpunkt stehen, sie sich ihr Wissen eigenständig aneignen und folglich auch für ihren eigenen Wissenserwerb selbst verantwortlich sind. Bei der Planung von Lehrveranstaltungen werden demnach Lernziele, Prüfungsleistungen und Lehr-/ Lernaktivitäten aufeinander abgestimmt [7]. Mit der Definition der Lernziele, die mit Hilfe der Lernzieltaxonomie explizit formuliert werden, beginnend, sollten danach die Prüfungsaufgaben definiert werden, mit denen die angestrebten Lernergebnisse abgeprüft werden. Erst im dritten Schritt erfolgt die Konzeption der eigentlichen Lehrveranstaltung. Das ist die Theorie. In der Praxis findet dieser konzeptionelle Ansatz jedoch oftmals keine Anwendung. Lehrveranstaltungen werden häufig - und da hilft keine Schönrednerei - auf Basis von verfügbaren Materialien wie Lehrbüchern oder Projektmanagement-Standards entwi‐ ckelt. Neue Fallstudien werden spontan integriert und aktuelle Themen aufgegriffen. Über die Jahre werden die Lehrveranstaltungen inkrementell verändert. Eine etwas größere inhaltliche Anpassung war der Einbezug agiler Vorgehensmodelle wie Scrum in die Projektmanagement-Lehre. Während der Pandemie fanden dann methodische Anpassungen statt, vor allem durch den Einbezug von Online-Quizzen und virtuellen Whiteboards wie Miro. Während die Corona-Pandemie einen Schwung für die Digitalisierung in der Lehre gebracht hat, so sollten die nun öffentlich verfügbaren hochwertigen KI-Tools wie ChatGPT die Lehrenden, ganz im Sinne eines Call-to-Action, wachrütteln und sie darauf besinnen, KI in die Lehre zu integrieren und Lehrveranstaltungen entlang der neu zu definierenden Lernziele kohärent zu planen und die Lernenden im Fokus zu haben. Nachfolgende Abbildung visualisiert das Constructive Alignment, das gerne auch als das „Goldene Dreieck“ bezeichnet wird: 204 16 KI in der Projektmanagement-Lehre <?page no="205"?> Lernziele: Kompetenzen als Learning Outcomes Prüfungsleistungen Lehr-/ Lernaktivitäten Situation Anforderungen Aufgaben Abb. 16-2: Constructive Alignment (in Anlehnung an Wildt, J./ Wildt, B. (2011) [7]) Die Vorstellung, dass kognitive Leistungen alleine in den Köpfen der Menschen erbracht werden, ist seit der Verbreitung von Computern und vor allem auch dem Internet schon lange passé. Hier kommt der kognitionswissenschaftliche Ansatz der Distributed Cognition zum Tragen [8]. Dieser beschreibt Phänomene, bei denen es um die Interaktion zwischen externen Hilfsmitteln und Lernenden geht. Geistige Leistung wird demnach mit der Hilfe von externen Hilfsmitteln erbracht. Ein Hilfsmittel kann ein simples Notizbuch sein oder ein leistungsstarkes KI-System, das den Lernenden das Denken und Problemlösen erleichtert. Dass dies Implikationen auf den Lehrbetrieb hat, liegt auf der Hand. 16.4 Good-Practice-Beispiele Der Umgang mit KI-Systemen ist an Hochschulen in seltenen Fällen klar geregelt und das wird sich vermutlich auch in naher Zukunft nicht ändern. Inwiefern die nachfol‐ genden Good-Practice-Beispiele an Hochschulen umgesetzt werden können, hängt von den Richtlinien und möglichen Restriktionen an Hochschulen ab und übergeordnet vom europäischen Rechtsrahmen für künstliche Intelligenz. Wie eingangs jedoch erwähnt, ist es essentiell, die Studierenden für den verantwortungsvollen Umgang zu sensibilisieren und KI in die Lehre zu integrieren. In den folgenden Abschnitten werden drei Good-Practice-Beispiele aufgezeigt. Diese wurden auf Basis bereits gesammelter Erfahrungen bei der Einbindung von KI in die 16.4 Good-Practice-Beispiele 205 <?page no="206"?> Projektmanagement-Lehre konzipiert und fokussieren auf experimentelles Lernen. Sie sollen Lehrenden als Anregung dienen und aber auch, auf Grund der rasanten Entwick‐ lung im Bereich der generativen KI, leicht adaptierbar sein. Im Sinne des Constructive Alignment werden dabei zuerst Lernziele für Projektmanagement-Module definiert und dann passende Prüfungsleistungen und Lehr- und Lernaktivitäten konkretisiert. Good- Practice KI als … Lehr-/ Lernaktivitäten 1 … Lehrgegenstand Theorie + Experimente + geleitete Diskussion 2 … Lernhilfe Experimente mit konkreter Aufgabenstellung 3 … Lernhilfe bzw. als Projektunterstützung Freie Experimente Mögliches Lernziel (kurz) Erklären, wie KI-Systeme funktionieren und Einsatzmöglichkeiten beurteilen KI-Systeme als Lernhilfe verwenden, um Ergebnisqualität zu verbessern KI-Systeme zielorientiert im Rahmen der Projektarbeit anwenden Abb. 16-3: Überblick über Good-Practice-Beispiele der Integration von KI in die Projektmanagement‐ lehre Good-Practice 1: KI als Lehrgegenstand Sofern im Rahmen der Projektmanagement-Lehre KI-Systeme genutzt werden, und Studierende über kein KI-Grundverständnis („AI Literacy“) verfügen, ist es empfeh‐ lenswert, dieses Verständnis im Rahmen der Lehrveranstaltung zumindest in Grund‐ zügen zu vermitteln. Ein mögliches Lernziel könnte wie folgt formuliert werden: „Studierende sind in der Lage zu erklären, wie KI-Systeme funktionieren und können Einsatzmöglichkeiten im Projektmanagement und aber auch Grenzen durch solche Werkzeuge beurteilen.“ Dieses Lernziel lässt sich in Stufe 2 „Verständnis“ der Lernzieltaxonomie nach Bloom verorten und bei Fleischmann in der Kategorie „KI als Lehrgegenstand“. In Projektmanagementvorlesungen bzw. -seminaren liegt der Fokus der summativen Prüfung in der Regel auf Projektmanagementrelevanten Themen. Um als Lehrende zu verstehen, ob die Studierenden im Rahmen der Lehr- und Lernaktivitäten ein Verständnis über die KI-Systeme erlangt haben, bieten sich formative Assessments, also unbewertete (Über-) Prüfungen, an. Im Falle von auffallenden Defiziten können Lehrende dann im Rahmen des Lernprozesses eingreifen und diese adressieren bzw. beheben. Neben (Online-) Quizze bieten sich als formative Prüfungsform bei diesem Lernziel vor allem moderierte Diskussionsrunden zum Beispiel zu Einsatzmöglich‐ keiten und Grenzen von KI an. Aber auch Kurzpräsentationen der Lernenden zu bestimmten Teilbereichen können geeignete formative Prüfungsformen darstellen. Bei den Lehr- und Lernaktivitäten hat es sich in verschiedenen Lehrveranstaltungen bewährt, mit einer Theorieeinheit zu der Funktionsweise von KI-Systemen und zu 206 16 KI in der Projektmanagement-Lehre <?page no="207"?> den verschiedenen Begrifflichkeiten zu beginnen. Auch wenn vermutlich alle Studie‐ rende KI-Systeme wie ChatGPT nutzen, bedeutet dies nicht zwingend, dass sie die Funktionsweise verstehen. Technische und ethische Aspekte lassen sich einbeziehen. Die inhaltliche Tiefe dieser Einheit sollte sich auch an der Zielgruppe orientieren. Im Geist der lernendenzentrierten Lehre lassen sich nun Experimente - allgemeiner Natur oder mit Bezug zum Projektmanagement - integrieren. Je nachdem welche KI-Systeme fokussiert behandelt werden, können Lehrende entsprechende Experimente oder Fallstudien anleiten. Diese können sich beispielsweise auf die Safeguards, wie beispiels‐ weise Ethik-Richtlinien bei der KI-Entwicklung oder Umgang mit Bias-Erkennung oder Datenschutzmaßnahmen, beziehen. Mit Bezug zum Projektmanagement lassen sich auch zuvor behandelte Inhalte und Theorien gegenchecken oder einschlägige Litera‐ turquellen identifizieren und dann durch Studierende validieren bzw. „falsifizieren“. Bewährt hat sich in der Lehre auch der Einsatz des an den Prinzipien des Lean Thinking orientierte Lean-Coffee-Formats: Studierende benennen Themen, die sie gerne diskutieren möchten. Diese werden anschließend kurz vorgestellt und von allen Teilnehmenden priorisiert. In der entsprechenden Reihenfolge werden dann die Themen in zehnminütigen Blöcken diskutiert. Bei einem ersten Einsatz im Som‐ mersemester 2023 stand die Diskussion vor allem ethischer Fragestellungen sowie Datenschutz und Urheberrecht hoch im Kurs der Studierenden. Bei Großgruppenveranstaltungen in den ersten Semestern bietet sich der Einsatz der Fishbowl-Methode als Alternative zum Lean-Coffee-Format an. Diese wurde bei einer Transferveranstaltung zu KI mit Unternehmensvertretern erfolgreich eingesetzt. Hier diskutiert eine kleine Gruppe von Teilnehmenden im Innenkreis - quasi wie im „Goldfisch-Glas“ - zum Beispiel Einsatzmöglichkeiten oder ethische Fragenstellungen. Die übrigen Teilnehmenden verfolgen die Diskussion im Außenkreis und können, sofern sie einen Beitrag leisten wollen, mit einer Person aus dem Innenkreis den Platz tauschen. Diese Methode ermöglicht eine sehr fokussierte Diskussion in großen Gruppen. Good-Practice 2: KI als effektive Lernhilfe Wenn Inhalte komplizierter sind oder zum Verständnis intensive Übungen erforderlich sind, kann KI als Lernhilfe eingesetzt werden. Ein großer Mehrwert von KI-Tools als Unterstützung liegt insbesondere dann vor, wenn Projektmanagement als Grund‐ lagenveranstaltung in großen Gruppen gelehrt wird und individuelles Feedback durch die Lehrenden nur eingeschränkt möglich ist. Ein entsprechendes allgemeines Lernziel, das in eine Modulbeschreibung aufgenom‐ men werden könnte, könnte wie folgt formuliert werden (Stufe 3 „Anwendung“ nach Bloom): „Studierende werden befähigt, KI-Systeme als effektive Lernhilfe zu nutzen, um die Qualität von Zwischenprodukten und Projektergebnissen zu verbessern“. Zur Überprüfung, ob das oben definierte Lernziel erreicht wird, bieten sich sowohl formative als auch summative Assessments an. Während des Lernprozesses können 16.4 Good-Practice-Beispiele 207 <?page no="208"?> (gamifizierte) Tests eingesetzt werden, um Rückmeldung über den Lernstand zu erhalten. Auch lassen sich hier KI-basierte Fragengeneratoren wie bspw. QuestionAId einsetzen. Gerade wenn Studierende wichtige Inhalte nicht verstanden haben, können diese im Verlauf der Lehrveranstaltung weiter behandelt werden. Die summative Prüfung kann klassisch über Klausurfragen erfolgen oder auch in Form von Studien- oder Projektarbeiten. Die Erfahrungen aus über sieben Jahren Scrum-Lehre zeigen, in welchen Bereichen Studierende, in dem Fall der Betriebswirtschaft, mit Herausforderungen zu kämpfen haben. Während es bei der Erstellung von Product Backlog Items in der Regel wenig Probleme gibt, so tun sich Studierende mit der Definition von Akzeptanzkriterien für die einzelnen Product Backlog Items oftmals schwer. Hier ist Übung gefragt und hier kann „KI als Lernhilfe“ in einem dreistufigen Prozess eingesetzt werden und mit KI experimentiert werden: Konkret startet die Lernaktivität dann, wenn die Studierenden ein Product Backlog mit User Stories gefüllt haben. Im ersten Schritt definieren sie die Akzeptanzkriterien von User Stories nur auf Basis der zuvor gelernten Theorie, ohne Unterstützung von KI. Im zweiten Schritt nutzen sie für dieselben Product Backlog Items generative KI-Tools zur Entwicklung von Akzeptanzkriterien und vergleichen diese mit ihren zuvor entwickelten Kriterien und arbeiten mögliche Unterschiede heraus. Schließlich findet im letzten Schritt die moderierte Diskussion zu den gewonnenen Erkenntnissen statt. Zum einen lässt sich hier auf Basis der zahlreichen Product Backlog Items zeigen, wie klare, verständliche und vor allem auch messbare Akzeptanzkriterien aussehen können und zum anderen, wie KI bei der Entwicklung der Kriterien sinnvoll eingesetzt werden kann. Good-Practice 3: KI als freie Lernhilfe und Projektunterstützung Projektseminare, in denen Studierende an einer konkreten Problemstellung aus der Praxis arbeiten und Lösungsstrategien und Konzepte für einen externen Auftraggeber entwickeln, sind mittlerweile in vielen Studiengängen integriert. Der ganzheitliche Ansatz, der auch in Planspielen oder Simulationen zum Tragen kommt, besticht durch einen hohen Praxisbezug. Ein Lernziel in Projektseminaren lautet wie folgt: „Die Studierenden sind in der Lage, KI-Systeme zielorientiert im Rahmen der Projektarbeit einzusetzen.“ In der Lernzieltaxonomie nach Bloom lässt sich dieses Ziel in Stufe 3 „Anwendung“ verorten. Zum einen kann hier „KI als Lernhilfe“ im Verständnis nach Fleischmann genutzt werden und zum anderen aber auch konkret zur Projekt‐ unterstützung. Sofern es sich um eine reale Aufgabenstellung handelt, ist mit dem Auftraggeber die Nutzung von KI-Systemen zu klären. Auch sollten Studierende hier über grundlegende KI-Kompetenzen („AI Literacy“) verfügen. Ist als summative Prüfung eine Präsentation oder ein Projektbericht definiert, so lässt sich hier angeben, wie und welche KI-Systeme im Rahmen der Arbeit benutzt wurden. Ferner kann in diesem Zusammenhang auch eine Reflexion des Einsatzes von KI integriert werden. 208 16 KI in der Projektmanagement-Lehre <?page no="209"?> Als Lehr- und Lernaktivität bieten Praxisprojekte bzw. Planspiele Raum für experi‐ mentelles Lernen, machen Komplexität erfahrbar und sprechen die Eigenverantwor‐ tung der Teilnehmenden an. Dies schließt den verantwortungsvollen Umgang mit KI- Systemen ein („distributed cognition“). Nachdem Forscher der University of Montana im Juli 2023 mit Hilfe des Torrance Tests herausgefunden haben, dass ChatGPT (Version GPT 4.0) mit den Top 1 % der Menschen mithalten kann, was kreatives Denken anbelangt [9], so wäre es im Sinne eines „best possible outcome“ fahrlässig, generative KI bei der Entwicklung kreativer Lösungsstrategien und Konzepte - zumindest als Inspirationsquelle - nicht aktiv einzusetzen. Würde KI als Tool hier explizit verboten werden, so würde das vermutlich (wie bei allen Verboten) dazu führen, dass sie heimlich verwendet wird. Lehrende sollten sich jederzeit vor Augen führen, dass es bei Projektarbeit um Wertmaximierung und Kundenzufriedenheit geht und dies auch den Studierenden so vermitteln. Sofern hierbei die verantwortungsvolle Nutzung von KI- Systemen einen Beitrag leisten kann, so sollten diese Potenziale auch genutzt werden. Inwiefern spezifische KI-Tools für Projektmanagement und proprietäre KI-Lösungen für Unternehmen im Rahmen der Lehrveranstaltungen eingesetzt werden sollen, ist individuell zu prüfen. Im Bereich KI-gestützter Projektmanagement-Tools könnten Monday.com, Asana oder Wrike benutzt werden. Zur Datenanalyse in Projekten lässt sich beispielsweise Power BI einsetzen. Chatbots wie ChatGPT oder Bard erweisen ihre Dienste im Bereich der Projektassistenz und -kommunikation. 16.5 Fazit und Transfer in die Unternehmenspraxis Die in diesem Beitrag mehrfach genannte rasante Entwicklung generativer KI fordert uns Lehrende nahezu auf, mit Mut zu Experimenten KI in die Lehre zu integrieren. Die in diesem Beitrag skizzierten und bereits getesteten Einsatzmöglichkeiten von generativen KI-Systemen in der Projektmanagement-Lehre dienen dabei als Impuls. Dieses „Ausprobieren“ erfordert ohne Frage ein agiles Mindset, einhergehend mit einer gelebten Fehlerkultur. Nicht alle Experimente werden funktionieren. Aber aus allen Experimenten wird man lehrreiche Erfahrungen sammeln können. Dieses Plädoyer für experimentelles Lernen im Umgang mit KI, bei dem die Teil‐ nehmenden ihre eigene Erfahrung mit KI sammeln, gilt nicht nur für die Lehre, sondern auch für die Unternehmenspraxis. Auch wenn das Konstrukt des Constructive Alignment primär in der Hochschuldidaktik Anwendung findet, so soll es Praxisver‐ treter erinnern, dass es auch im Unternehmen um die Kompetenzentwicklung der Mitarbeitenden geht. Da Kompetenzen, anders als Wissen, auf eigenen Erfahrungen beruhen, sollte auch im Unternehmensumfeld das Ausprobieren von KI-Systemen gefördert werden. Zurück zu den Hochschulen: Dort werden die Projektmitarbeitenden und Projekt‐ verantwortlichen der Zukunft ausgebildet. Wenn wir es im Rahmen unserer Lehre schaffen, den Studierenden sowohl state-of-the-art Projektmanagementkompetenzen 16.5 Fazit und Transfer in die Unternehmenspraxis 209 <?page no="210"?> als auch „AI Literacy“ zu vermitteln, dann sind sie für eine Welt, in der die Arbeit oftmals in Projekten, mit Unterstützung von KI stattfinden wird, sehr gut vorbereitet. Literatur [1] Nieto-Rodriguez, A. (2021): The Project Economy Has Arrived. Harvard Business Review. 2021; 99(6), S.-38-45 [2] Stifterverband (Hrsg.) (2021): Future Skills 2021. 21 Kompetenzen für eine Welt im Wandel. Diskussionspapier, (24.07.2023) https: / / www.stifterverband.org/ medien/ future-skills-2021 [3] Fleischmann, A. (2023): ChatGPT in der Hochschullehre - Wie künstliche Intelligenz uns unterstützen und herausfordern wird, in: Neues Handbuch Hochschullehre, 110/ 2023 [4] KI-Transfer-Hub SH (Hrsg.) (2023): Akademisches Schreiben im Zeitalter künstlicher Intelligenz, (24.07.2023) https: / / kuenstliche-intelligenz.sh/ de/ akademisches-schreiben-im-ze italter-kuenstlicher-intelligenz_aktuelles [5] Spannagel, C. (2023): ChatGPT und die Zukunft des Lernens: Evolution statt Revolution, (24.07.2023) https: / / hochschulforumdigitalisierung.de/ de/ blog/ chatgpt-und-die-zukunft-des -lernens-evolution-statt-revolution [6] Biggs, J. (1996): Enhancing teaching through constructive alignment, in: Higher Education. Band-32, Nr.-3, 1. Oktober 1996, S.-347-364, doi: 10.1007/ BF00138871 [7] Wildt, J./ Wildt, B. (2011): Lernprozessorientiertes Prüfen im „Constructive Alignment”, in Berendt, B./ Voss H.-P./ Wildt, J. (Hrsg.), Neues Handbuch Hochschullehre, Teil H: Prüfungen und Leistungskontrollen. Weiterentwicklung des Prüfungssystems in der Konsequenz des Bologna-Prozesses, S.-1-46, Berlin: Raabe [8] Hutchins, E. (1995): Cognition in the Wild. Cambridge, Massachusetts; MIT Press [9] University of Montana (Hrsg.) (2023): UM Research: AI tests into top 1 % for original creative thinking (26.07.2023) https: / / www.umt.edu/ news/ 2023/ 07/ 070523test.php 210 16 KI in der Projektmanagement-Lehre <?page no="211"?> 17 KI und deren Konsequenzen für die Hochschullehre und die Projektmanagement-Ausbildung Martin Bialas Abstract Dieser Artikel untersucht eingehend den Einsatz und die Implikationen von Künstlicher Intelligenz (KI) in der Hochschulbildung, insbesondere im Kontext des Projektmanagements. Er bietet eine umfassende Definition von KI in diesem spezifischen Kontext und betont ihre bedeutende Rolle in der Anpassung von Lernpfaden, der effizienten Datenanalyse und der Verbesserung der Berichterstat‐ tung. Des Weiteren werden kritische Herausforderungen und Risiken hinsichtlich Ethik, Datenschutz und rechtlichen Rahmenbedingungen erörtert. Ein Aspekt die‐ ses Artikels ist die Untersuchung von KI-Halluzinationen, einem Phänomen, bei dem KI-Systeme Ausgaben erzeugen, die nicht direkt mit den Eingabedaten kor‐ relieren. Er beleuchtet auch die Grenzen von Sprach-KI-Modellen, insbesondere ChatGPT und diskutiert den sensiblen Umgang mit Plagiaten und Datenschutz. Abschliessend skizziert der Artikel das immense Potenzial und die Chancen, die KI für die zukünftige Gestaltung der Hochschulbildung bietet. Stichwortliste Personalisierte Bildung, Projektmanagement, Effizienzsteigerung, Vorhersage‐ analyse, Einsatzmöglichkeiten, Innovation, Risiken, Plagiat 17.1 Einleitung Hochschulen im Zeitalter von signifikanten Veränderungen durch Künstliche Intelli‐ genz: Die Frage nach dem Umgang mit disruptiven Entwicklungen berücksichtigt das Gesetz von Roy Amara, auch bekannt als Amara’s Law[1]. Dabei handelt es sich um eine Aussage, die das menschliche Verständnis und die Erwartungen in Bezug auf die Auswirkungen neuer Technologien beschreibt. Es besagt: „Wir überschätzen die Auswirkungen einer Technologie kurzfristig und unterschätzen sie langfristig“. Mit anderen Worten neigen wir dazu, zu glauben, dass neue Technologien in kurzer Zeit zu signifikanten Veränderungen oder Verbesserungen führen werden. Wenn diese unmittelbaren Auswirkungen ausbleiben, können wir annehmen, dass die Technologie gescheitert ist oder ihre Bedeutung überschätzt wurde. Auf lange Sicht wird die transformative Kraft einer Technologie jedoch oft unterschätzt. Mit der Zeit kann sie tiefgreifende und weitreichende Veränderungen in Gesellschaft, Wirtschaft und Kultur bewirken, die weit über die ursprünglichen Erwartungen hinausgehen. Diese Aussage von Amara soll dazu dienen, diese typisch menschlichen Tendenzen bei der Bewertung und Anpassung an neue Technologien in einen Kontext zu stellen. <?page no="212"?> Künstliche Intelligenz (KI), konzentriert sich auf die Entwicklung menschenähnli‐ cher kognitiver Systeme. Mittels Algorithmen und Techniken können Computer Daten analysieren, lernen und Entscheidungen treffen, indem sie Ansätze wie maschinelles Lernen und neuronale Netze nutzen. Ihr Ziel ist die Bewältigung von Aufgaben, die üblicherweise menschliche Intelligenz erfordern. Ethik spielt eine zentrale Rolle bei KI, da sie gesellschaftliche Auswirkungen und Herausforderungen aufweist. Am 30.11.2022 kündigte Sam Altmann (* 22. April 1985), CEO von OpenAI Inc, in einem Tweet auf Twitter, die Veröffentlichung von ChatGPT an.[2] An diesem Datum wurde ChatGPT released. In den ersten fünf Tagen nach der Veröffentlichung haben sich bereits mehr als eine Million Nutzer registriert.[3] Das System hat sich zu einem grundlegenden Werkzeug im Kontext der KI entwickelt. 17.2 KI in der Projektmanagement-Lehre an Hochschulen Die steigende Integration von KI in diversen Bereichen erfordert, dass Hochschulen eine fundierte und praxisorientierte Lehre diesbezüglich anbieten. KI kann insbeson‐ dere die Projektplanung und -steuerung revolutionieren. Durch KI-gesteuerte Algo‐ rithmen, die Projektdaten analysieren, Zeitpläne generieren, Ressourcen zuweisen und Risiken bewerten, können effizientere Projektstrategien entwickelt werden. Projektdatenanalyse ist essentiell, um aus früheren Erfahrungen zu lernen. KI- Algorithmen können umfangreiche historische Datenmengen untersuchen und darin Muster erkennen, die Projektmanagern ermöglichen, vergangene Erfahrungen für zukünftige Entscheidungen zu nutzen. Mit KI lassen sich potenzielle Risiken und Engpässe frühzeitig identifizieren und präventive Massnahmen ergreifen. Die Schnitt‐ stelle zwischen KI und Projektmanagement ist ein wichtiger Forschungsbereich, der aufgrund seiner potenziellen Auswirkungen auf die Effizienz und Genauigkeit der Projektplanung und -durchführung von wachsendem Interesse ist. KI hat das Potenzial, die Art und Weise, wie Projektmanagement betrieben wird, grundlegend zu verändern. Technische Weiterentwicklungen und die rasante Entwicklung und Anwendung von KI hat in den letzten Jahren zu einem enormen Interesse an diesem Technologiefeld geführt. Während die Einführung disruptiver Technologien kein neues Phänomen ist, hat die KI aus verschiedenen Gründen eine besondere Bedeutung erlangt. Einerseits ist sie Gegenstand weit verbreiteter Ängste und emotionaler Reaktionen, andererseits ist sie ein zunehmend wichtiger Bereich in der Hochschullandschaft. Die Entstehung und Anwendung neuer Technologien ist nichts Neues. In der Geschichte der Menschheit gab es immer wieder Phasen, in denen disruptive Techno‐ logien eingeführt wurden und die Gesellschaft grundlegend verändert haben.[4] Diese Phasen sind oft von intensiven Debatten und Auseinandersetzungen geprägt, die die gesellschaftliche Akzeptanz und Anpassung an die neuen Technologien begleiten. Ein zentraler Aspekt, der das aktuelle Interesse an KI kennzeichnet, ist die Dominanz pauschaler Befürchtungen und emotionaler Reaktionen. Vielen Menschen ist unklar, 212 17 KI und deren Konsequenzen für die Hochschullehre und die Projektmanagement-Ausbildung <?page no="213"?> was KI eigentlich ist und welche Auswirkungen sie auf unser Leben haben kann. Diese Unsicherheit führt häufig zu Ängsten und negativen Vorstellungen, die oft von den Medien aufgegriffen und verstärkt werden. In der Forschung und akademischen Lehre ist KI zwar schon länger präsent, hat aber in den letzten Jahren deutlich an Bedeutung gewonnen. 17.3 Definition von KI im Zusammenhang mit Projektmanagement Im Bereich des Projektmanagements kann KI als eine hochentwickelte technologische Einheit oder ein System charakterisiert werden, das durch die Anwendung komplexer Algorithmen und maschinellen Lernens in der Lage ist, aus früheren Erfahrungen zu lernen. Es zeigt die Fähigkeit, Probleme zu identifizieren, wiederkehrende Mus‐ ter zu erkennen und autonome (auf der Basis eines vorgegebenen Regelwerkes) Entscheidungen zu treffen. Darüber hinaus ist sie in der Lage, eine Vielzahl von Aufgaben zu bearbeiten, die traditionell menschliches Eingreifen erfordern, ohne dass für jede einzelne Aufgabe eine explizite Programmierung erforderlich ist. Diese KI- Systeme können so konzipiert werden, dass sie flexibel auf neue Informationen und sich ändernde Umstände reagieren, wodurch sie eine immer wichtigere Rolle in der Projektmanagementlandschaft spielen. Eine Definition von KI im Projektmanagement lautet: „Künstliche Intelligenz im Projektmanagement bezieht sich auf den Einsatz von Algorithmen und maschinellem Lernen, um Projekte effizienter zu planen, zu überwachen und zu steuern. Sie ermöglicht, aus vergangenen Projektverläufen und -daten zu lernen, Risiken frühzeitig zu erkennen, Ressourcen besser zu verteilen, Prozesse zu automatisieren und fundierte Entscheidungen zu treffen. KI kann dazu beitragen, die Produktivität zu steigern, die Qualität der Ergebnisse zu verbessern und Projekte erfolgreicher abzuschliessen.“ Es ist wichtig zu betonen, dass KI im Projektmanagement kein Ersatz für menschliche Entscheidungsträger ist, sondern eine unterstützende Technologie, die die Fähigkeiten und die Effizienz des Projektteams verbessern kann. Die Integration von KI in das Projektmanagement erfordert eine sorgfältige Planung, klare Zielsetzungen und eine angemessene Schulung der Teammitglieder, um die Technologie effektiv nutzen zu können. 17.3 Definition von KI im Zusammenhang mit Projektmanagement 213 <?page no="214"?> 17.4 Bedeutung von KI in der Hochschule Wenn wir nun hypothetisch annehmen, dass KI in Zukunft ein wesentlicher Bestand‐ teil erfolgreichen Projektmanagements sein wird, stellt sich unweigerlich die Frage, wie Bildungseinrichtungen und insbesondere Hochschulen die Projektmanager der Zukunft ausbilden werden. Die Bedeutung von KI in der Hochschulbildung ist facettenreich und übt auf unter‐ schiedlichen Ebenen einen bedeutenden Einfluss auf Forschung, Studium und Lehre aus. Verschiedene Aspekte werden in den wissenschaftlichen Forschungsergebnissen herausgestellt: [5] ■ Förderung der Integration von KI in der Hochschullehre: Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) hat eine Förderinitiative zur Einbindung von KI in die Hochschuldidaktik ins Leben gerufen [6]. Hierbei liegt das Augenmerk auf der Verstärkung von KI-Kompetenzen, sowohl des Hochschulpersonals als auch der Studierenden, um KI-Technologien für eine qualitativ hochwertige Hochschulbildung nutzbar zu machen. ■ Potenzial in Forschung und Lehre: KI bietet substanzielle Chancen zur Verbes‐ serung von Forschung und Lehre an akademischen Institutionen. In der For‐ schung ermöglichen KI-Systeme die Analyse grosser Datenmengen in schnellerer und effektiverer Weise, was zu wegweisenden Innovationen in verschiedensten Disziplinen wie Medizin oder Technik führen kann. In der Lehre können KI- Technologien individualisiertes Lernen unterstützen und pädagogisch-didaktische Konzepte optimieren. ■ KI-gestütztes Schreiben: Ein illustratives Beispiel für die Anwendung von KI in der Hochschulbildung ist die Unterstützung des KI-gestützten Schreibens. Hier existieren Projekte und Schulungen, die Lehrende und Lernende in der Verwen‐ dung von KI-Sprachmodellen schulen und das Bewusstsein für diese Technologien schärfen. ■ Entwicklung von Studienplänen und Modulen: Im Zuge der Förderung von KI in der Hochschulbildung werden Initiativen zur Entwicklung von Studiengängen oder spezifischen Modulen im Bereich KI durchgeführt. Diese Massnahmen zielen darauf ab, Studierende auf qualifizierte Tätigkeiten im Bereich KI vorzubereiten und ihnen die erforderlichen KI-Kompetenzen zu vermitteln. ■ Verantwortungsbewusster Umgang mit KI: Bei der Integration von KI in Bildungs‐ einrichtungen und Hochschulen ist es essenziell, einen verantwortungsbewussten Umgang mit dieser Technologie zu gewährleisten. Dies beinhaltet Fragestellungen zur Ethik, zum Datenschutz und zu rechtlichen Rahmenbedingungen. ■ Insgesamt hat KI das Potenzial, die Hochschulbildung zu verändern und neue Möglichkeiten für Forschung, Studium und Lehre zu eröffnen. Es ist wichtig, die Chancen und Herausforderungen von KI in der Hochschulbildung zu erkennen und geeignete Massnahmen zu ergreifen, um eine qualitativ hochwertige und verantwortungsvolle Nutzung von KI sicherzustellen. 214 17 KI und deren Konsequenzen für die Hochschullehre und die Projektmanagement-Ausbildung <?page no="215"?> Die Anwendung von KI im Projektmanagement kann für Lehrende an Hochschu‐ len von grossem Nutzen sein. Sie hat das Potenzial, die Effizienz zu steigern, die Genauigkeit der Projektplanung und -durchführung zu verbessern und gleichzeitig die Arbeitsbelastung der Lehrenden zu verringern. Durch die Automatisierung von Aufgaben kann den Lehrenden mehr Zeit für konzeptionelle Arbeit und die Interaktion mit den Studierenden eingeräumt werden, was letztlich zu einer Verbesserung der Lehrqualität beitragen kann. In diesem Zusammenhang kann auch der Einsatz von KI-gestützten Werkzeugen zur Unterstützung des KI-gestützten Schreibens, zum Beispiel mit Tools wie ChatGPT, von Nutzen sein. Solche Werkzeuge können dazu beitragen, die Qualität von schrift‐ lichen Arbeiten zu verbessern, Plagiate zu vermeiden und die Berichterstattung und Dokumentation von Projekten zu erleichtern. Schliesslich ermöglicht der Einsatz von KI in der Hochschulbildung auch die Ent‐ wicklung von KI-Kompetenzen bei Lehrenden. Diese Kompetenzen sind in der heutigen datengesteuerten Welt von massgeblichem Wert und bereiten die Studierenden auf hochqualifizierte Tätigkeiten im Bereich der KI vor. Beim Einsatz von KI in der Hochschulbildung müssen jedoch auch Fragen der Ethik, des Datenschutzes und der rechtlichen Rahmenbedingungen berücksichtigt werden. Es ist unerlässlich, einen verantwortungsvollen Umgang mit KI zu gewährleisten und Lehrende und Studierende entsprechend zu schulen. 17.5 Einsatzmöglichkeiten von KI in der Hochschule KI eröffnet akademischen Institutionen ein breites Spektrum von Anwendungsberei‐ chen zur Optimierung von Studium, Lehre und Forschung. Zur Flexibilisierung und Individualisierung von Studienprogrammen können Hoch‐ schuleinrichtungen KI-Technologien verwenden, um personalisierte Lernangebote zu entwickeln und den Lernfortschritt auf individueller Basis zu fördern. Dies könnte beinhalten, Lernpfade zu erstellen, die auf den einzigartigen Bedürfnissen und Zielen jedes einzelnen Studierenden basieren, und adaptive Lernsysteme zu verwenden, die auf die individuellen Lernstile und -geschwindigkeiten der Studierenden eingehen. Diese individualisierten Ansätze können dazu beitragen, die Motivation und das Engagement der Studierenden zu erhöhen und letztlich die Lernerfolge zu verbessern. ■ Empfehlungssysteme und Dialogschnittstellen: Künstliche Intelligenz kann in der Hochschulbildung eingesetzt werden, um den Studierenden personalisierte Empfehlungen zu Kursen, Fachliteratur oder Karrierewegen zu geben. Dialogori‐ entierte Schnittstellen, auch als Chatbots bekannt, können die Studierenden un‐ terstützen, indem sie Antworten auf ihre Fragen und Lösungen für ihre Probleme anbieten. 17.5 Einsatzmöglichkeiten von KI in der Hochschule 215 <?page no="216"?> ■ Unterstützungsmechanismen für Lehrende: KI-Technologien können Lehrende bei der Erstellung von Lehrmaterialien und der Bewertung von Prüfungen unterstüt‐ zen und so nicht nur Zeit sparen, sondern auch die Qualität der Lehre verbessern. ■ Unterstützung der Forschung: KI-Systeme können grosse Datenmengen effizienter und schneller analysieren als Menschen, was zu bahnbrechenden Innovationen in Disziplinen wie Medizin oder Technik führen kann. ■ Lernunterstützung: KI-Systeme können Studierenden individualisiertes Feedback geben und als Lernbegleiter fungieren. ■ Gesellschaftliche Auswirkungen: In den OECD-Working-Papers aus dem Jahr 2023 mit dem Titel „The impact of AI on the workplace: Evidence from OECD case studies of AI implementation“[7] wird eine Vielzahl an Aspekten hinsichtlich der Auswirkungen von KI auf den Arbeitsplatz erörtert. Einer dieser Aspekte ist die breite Palette an Aufgaben, die von den Implikationen der KI-Anwendun‐ gen betroffen sind. Darüber hinaus wird die zunehmende Automatisierung von Routinearbeiten durch KI-Technologien thematisiert, ebenso wie die auf dem Arbeitsmarkt deutlich spürbare Nachfrage nach KI-spezifischen Kompetenzen. 17.6 Herausforderungen und Risiken von KI in der Hochschule Die Herausforderungen und Risiken von KI in der Hochschule sind vielschichtig. Hier sind einige relevante Punkte, die erwähnenswert sind: ■ Herausforderungen bei der Anwendung von KI in der Hochschulbildung: Dazu gehören Fragen der Integration von KI-Technologien in bestehende Lehr- und Lernprozesse, die Schulung von Lehrenden und Studierenden im Umgang mit KI, die Anpassung von Curricula und Prüfungsverfahren sowie die Gewährleistung der Datensicherheit und des Datenschutzes. [8] ■ Risiken im Zusammenhang mit KI: Hierzu zählen u. a. ethische Fragen, wie zum Beispiel die Verantwortung und Transparenz von KI-Entscheidungen, die Vermeidung von Diskriminierung und Bias in KI-Systemen. ■ Rechtliche Herausforderungen: Fragen des Urheberrechts und des Datenschutzes, die Haftung für KI-Entscheidungen sowie die Einhaltung von rechtlichen Vorgaben und ethischen Standards stehen hierbei im Vordergrund. ■ Schulung und Kompetenzen: Der erfolgreiche Einsatz von KI in der Hochschule erfordert die Schulung von Lehrenden und Studierenden im Umgang mit KI- Technologien. Es ist wichtig, dass alle Beteiligten über das Potenzial und die Grenzen von KI informiert sind und die erforderlichen Kompetenzen entwickeln, um KI effektiv einzusetzen. ■ Um einen verantwortungsvollen Einsatz von KI in der Hochschulbildung zu gewährleisten, ist es wichtig, dass Hochschulen diese Herausforderungen und Risiken im Zusammenhang mit KI erkennen und geeignete Massnahmen ergrei‐ 216 17 KI und deren Konsequenzen für die Hochschullehre und die Projektmanagement-Ausbildung <?page no="217"?> fen. Dies kann die Entwicklung von Leitlinien, Schulungsprogrammen und die Zusammenarbeit mit KI-Experten umfassen. ■ Grenzen der KI-Verlässlichkeit: Halluzinationen im Zusammenhang mit künst‐ licher Intelligenz (KI) sind ein Phänomen, bei dem KI-gesteuerte Systeme Aus‐ gaben erzeugen, die in keinem direkten Zusammenhang mit den Eingabedaten stehen. Diese generierten Ausgaben, die häufig als ‚Halluzinationen‘ bezeichnet werden, finden ihre Parallele in der menschlichen Wahrnehmung, bei der Indi‐ viduen Sinneseindrücke wahrnehmen, die in der physischen Realität nicht exis‐ tieren. Dieses Phänomen der KI-Halluzination findet eine besondere Resonanz in der Diskussion um neuronale Netze und maschinelles Lernen. Von besonderem Interesse sind dabei die Bereiche der Generativen Adversarial Networks (GANs) [9] und der Transformer-Modelle, da diese Modelle in der Lage sind, komplexe und oft unerwartete Ausgaben zu generieren, die über eine einfache Extrapo‐ lation oder Reproduktion der ursprünglichen Eingabedaten hinausgehen. Ein exemplarisches Beispiel könnte ein KI-System sein, das darauf trainiert wurde, Bilder von Hunden zu erzeugen. Im Kontext der KI-Halluzination könnte dieses System ein Bild erzeugen, das die wesentlichen Merkmale eines Hundes darstellt, aber zusätzliche oder abweichende Merkmale aufweist, die in den ursprünglichen Trainingsdaten nicht vorhanden waren. KI-Halluzination bietet sowohl Chancen als auch Herausforderungen. In positiver Hinsicht bietet sie KI-Systemen die Möglichkeit, innovative und kreative Problemlösungen zu generieren oder rea‐ litätsnahe, aber fiktive Ausgabedaten zu erzeugen. Auf der anderen Seite kann sie aber auch dazu führen, dass KI-Systeme unvorhersehbare oder ungenaue Er‐ gebnisse liefern, insbesondere wenn sie mit Eingabedaten konfrontiert werden, die stark von ihren Trainingsdaten abweichen. Solche Halluzinationen können auf eine Überanpassung oder unzureichende Generalisierungsfähigkeit des KI- Modells hindeuten. ■ Grenzen am Beispiel ChatGPT: Das KI-Sprachmodell, hat bemerkenswerte Fä‐ higkeiten, aber auch einige Einschränkungen. Erstens kann es keine persönli‐ chen Erfahrungen oder Meinungen teilen, sondern nur allgemeine Informationen und Anleitungen basierend auf seinen Trainingsdaten bieten. Zweitens kann ChatGPT keine aktuellen oder spezifischen Informationen liefern, da es nur bis September 2021 trainiert wurde und keinen Zugriff auf neuere Ereignisse oder Entwicklungen hat. Schliesslich kann ChatGPT keine präzisen Vorhersagen oder Garantien für zukünftige Ereignisse oder Ergebnisse abgeben, obwohl es allge‐ meine Prognosen auf Basis von Trends und Mustern aus seinen Trainingsdaten erstellen kann. ■ Die Anwendung von KI in der Hochschulbildung bringt Herausforderungen wie Integration, Schulung und Datenschutz mit sich, während ethische, rechtliche und technische Grenzen wie KI-Halluzinationen und ChatGPT-Einschränkungen Risiken darstellen. Um einen verantwortungsvollen Einsatz von KI zu gewähr‐ 17.6 Herausforderungen und Risiken von KI in der Hochschule 217 <?page no="218"?> leisten, müssen Hochschulen diese Herausforderungen erkennen und geeignete Massnahmen ergreifen. 17.7 Plagiatsfrage ChatGPT und ähnliche Tools sollten als Werkzeuge zur Unterstützung und Ergänzung des menschlichen Denkens und der Kreativität und nicht als Ersatz dafür betrachtet werden. Es wurde auf einer breiten Auswahl von Daten trainiert und ist darauf ausgelegt, menschenähnliche Texte zu generieren, die auf dem Kontext der Eingabe basieren. Es ist nicht speziell dafür konzipiert, die genauen Passagen oder Sätze, die es während seines Trainings gesehen hat, zu reproduzieren. Vielmehr nimmt es Muster und Strukturen auf und erzeugt auf dieser Grundlage neue Texte. Das bedeutet, dass die von ChatGPT generierten Texte nicht als Plagiate angesehen werden sollen, weil sie nicht exakte Kopien der ursprünglichen Texte sind, sondern vielmehr neue Schöpfungen, die auf den Mustern und Strukturen basieren, die das Modell gelernt hat. Allerdings ist es wichtig zu beachten, dass die Verwendung von KI erzeugten Texten immer in Übereinstimmung mit den geltenden ethischen Richtlinien und Urheberrechtsgesetzen erfolgen sollte. In Bezug auf akademische oder professionelle Schreibarbeiten sollten Informationen, die von ChatGPT oder ähnlichen KI-Tools bereitgestellt werden, immer sorgfältig überprüft und entsprechend zitiert werden. Wie bei jeder Quelle sollten Nutzer sicherstellen, dass sie ihre Quellen korrekt angeben und das geistige Eigentum anderer respektieren. Die Nutzung von KI-generierten Inhalten, wie die von ChatGPT in einem akademi‐ schen Kontext, kann eine Reihe von Herausforderungen und Überlegungen mit sich bringen. ■ Quellenangabe: Obwohl ChatGPT Texte erzeugt, die auf den von ihm gelernten Mustern und Strukturen basieren und keine direkten Kopien vorhandener Texte sind, ist es wichtig, die Nutzung eines KI-generierten Textes richtig zu kennzeich‐ nen. Auch wenn ChatGPT keine exakten Kopien von Originaltexten erstellt, wird es dennoch mit einer grossen Menge von Daten gefüttert, die aus verschiedenen Quellen stammen. Daher ist es wichtig, dass die Nutzer angeben, dass ein Teil oder der gesamte Text mithilfe einer KI erstellt wurde. ■ Eigene Arbeit: In akademischen Arbeiten wird erwartet, dass Studierende eigene Erkenntnisse und Schlussfolgerungen auf der Grundlage ihres Verständnisses und ihrer Analyse des Themas vorlegen. Eine direkte Übernahme von KI-generierten Texten könnte als eine Verletzung dieser Erwartung angesehen werden. ChatGPT sollte eher als ein Werkzeug zur Generierung von Ideen oder als Unterstützung bei der Forschung genutzt werden, nicht aber um vollständige Arbeiten oder Aufsätze zu schreiben. ■ Bewertung und Beurteilung: Bei der Bewertung und Beurteilung von Arbeiten, die KI-generierte Inhalte enthalten, sollten Prüfer die Qualität der Analyse und 218 17 KI und deren Konsequenzen für die Hochschullehre und die Projektmanagement-Ausbildung <?page no="219"?> des Verständnisses des Studierenden sowie deren Fähigkeit, die generierten Infor‐ mationen effektiv zu nutzen und zu integrieren, berücksichtigen. Wie bei jeder anderen Quelle sollte der Fokus auf der Fähigkeit des Studierenden liegen, das Material zu verstehen, zu analysieren und auf sinnvolle und relevante Weise zu präsentieren. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass KI-Werkzeuge wie ChatGPT in der akademi‐ schen Welt mit Bedacht eingesetzt werden sollten. Während sie wertvolle Unterstüt‐ zung bei der Informationsbeschaffung und Ideengenerierung bieten können, sollte ihr Einsatz nicht die Eigenarbeit, das kritische Denken und die Analyse ersetzen, die für die akademische Forschung und das Schreiben von Bedeutung sind. 17.8 Datenschutz und Datensicherheit Beim Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) an Hochschulen müssen die Anforderun‐ gen der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) berücksichtigt werden. Die DSGVO hat zum Ziel, den Schutz personenbezogener Daten innerhalb der Europäischen Union zu gewährleisten. Hochschulen, die KI-Systeme einsetzen, müssen daher verschiedene Aspekte beachten, um die Einhaltung der DSGVO sicherzustellen. Die folgenden Konsequenzen ergeben sich für Hochschulen in diesem Zusammenhang: ■ Rechenschaftspflicht (Artikel 5, Absatz 2, DSGVO): Hochschulen müssen nach‐ weisen können, dass sie die Grundsätze der DSGVO einhalten. Dies erfordert die Implementierung von internen Datenschutzrichtlinien, die Durchführung von Datenschutz-Folgenabschätzungen und die Dokumentation von Verarbeitungstä‐ tigkeiten. ■ Datenschutz durch Technikgestaltung und datenschutzfreundliche Voreinstellun‐ gen (Artikel 25, DSGVO): Hochschulen müssen sicherstellen, dass KI-Systeme so entwickelt und konfiguriert werden, dass sie den Datenschutzprinzipien der DSGVO entsprechen. Dies kann beispielsweise durch datensparsame Verarbeitung, Anonymisierung oder Pseudonymisierung von Daten erreicht werden. ■ Transparenz und Informationspflichten (Artikel 12-14, DSGVO): Hochschulen müssen die betroffenen Personen über die Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten durch KI-Systeme informieren. Dies umfasst Informationen über den Zweck der Verarbeitung, die Rechtsgrundlage, die Speicherdauer und die Rechte der betroffenen Personen. ■ Datenschutzbeauftragter (Artikel 37-39, DSGVO): Hochschulen, die KI-Systeme einsetzen, müssen möglicherweise einen Datenschutzbeauftragten bestellen, der für die Überwachung der Einhaltung der DSGVO und die Beratung der Hochschule in Datenschutzfragen zuständig ist. Sollten Hochschulen die Anforderungen der DSGVO nicht einhalten, können sie mit erheblichen Sanktionen konfrontiert werden, einschließlich Geldbußen. Daher ist es 17.8 Datenschutz und Datensicherheit 219 <?page no="220"?> für Hochschulen von entscheidender Bedeutung, die DSGVO-Anforderungen bei der Implementierung von KI-Systemen sorgfältig zu berücksichtigen. 17.9 Fazit: Potenziale und Chancen für die Zukunft Der Einsatz von Künstlicher Intelligenz an Hochschulen birgt ein erhebliches Potenzial und bietet viele Chancen für die Zukunft. Hier sind einige davon: ■ Personalisierte Bildung durch KI ermöglicht eine individuelle Anpassung des Lernprozesses an den einzelnen Studierenden. Die Systeme sind in der Lage, sich an Geschwindigkeit, Stil und Präferenzen des Studierenden anzupassen, um so ein personalisiertes Lernumfeld zu schaffen, welches auf die individuellen Stärken und Schwächen zugeschnitten ist. ■ Steigerung der Effizienz durch KI-Einsatz: Bei administrativen Aufgaben, wie der Studierendenverwaltung, Stundenplanerstellung oder Beantwortung von häufig gestellten Fragen, kann KI die Effizienz steigern. Dies verschafft den Lehrenden mehr Zeit für Interaktionen mit den Studierenden und Forschungsaufgaben. ■ Einsatz von Vorhersageanalyse und Frühwarnsystemen durch KI: KI hat die Fähigkeit, Daten von Studierenden zu sammeln und zu analysieren, um Muster zu identifizieren, die auf potenzielle Schwierigkeiten im Studienverlauf hindeuten. Dies ermöglicht frühzeitige Interventionen und kann dabei helfen, Studienabbrü‐ che zu verhindern. ■ Förderung von Forschung und Innovation durch KI: KI ist in der Lage, komplexe Datenanalysen durchzuführen, die für viele Forschungsdisziplinen von Wert sind. Sie kann ebenfalls bei der Lösung komplexer Probleme unterstützen und somit neue Möglichkeiten für Innovationen in verschiedenen Disziplinen eröffnen. ■ Verbesserung der Zugänglichkeit durch KI-Technologien: Technologien wie Spracherkennung und -synthese können dazu beitragen, Bildungsmaterialien für Menschen mit Behinderungen zugänglicher zu machen. ■ Bildung 4.0 durch die Integration von KI: Die Integration von KI in das Hoch‐ schulsystem ermöglicht einen Schritt in Richtung Bildung 4.0, bei der digitale Technologien genutzt werden, um die Qualität und Zugänglichkeit der Bildung zu verbessern. Es ist wichtig zu betonen, dass die Integration von künstlicher Intelligenz in die Hochschulbildung sorgfältig geplant und umgesetzt werden muss. Das Hauptziel besteht darin, sicherzustellen, dass sich die Implementierung positiv auf die Lerner‐ fahrung auswirkt und gleichzeitig unerwünschte Nebeneffekte vermieden werden. Solche Nebeneffekte könnten beispielsweise Verletzungen des Datenschutzes oder eine übermässige Abhängigkeit von technologischen Systemen sein. 220 17 KI und deren Konsequenzen für die Hochschullehre und die Projektmanagement-Ausbildung <?page no="221"?> Literatur [1] Roy Amara (2016, January 1). Retrieved from https: / / www.oxfordreference.com/ display/ 10. 1093/ acref/ 9780191826719.001.0001/ q-oro-ed4-00018679 [2] Altman, Sam (30.11.2022), “today we launched ChatGPT.”, https: / / twitter.com/ sama/ status/ 1 598038815599661056? lang=de [3] Brandl, R. (2023, February 15). ChatGPT Statistiken und Userzahlen 2023 - OpenAI Chatbot. Retrieved from https: / / www.tooltester.com/ de/ blog/ chatgpt-statistiken/ [4] Philip Boucher, Naja Bentzen, Tania Latici, Tambiama Madiega, Leopold Schmertzing und Marcin Szczepanski, EPRS I Wissenschaftlicher Dienst des Europäischen Parlaments (Sept. 2020), Disruption durch Technologien, Auswirkungen auf Politik, Wirtschaft, und Gesellschaft, https: / / op.europa.eu/ de/ publication-detail/ -/ publication/ 6e6039a3-01aa-11eb-9 74f-01aa75ed71a1 [5] Schön, E. M., Neumann, M., Hofmann-Stölting, C., Baeza-Yates, R., & Rauschenberger, M. (2023, July 12). How are AI assistants changing higher education? https: / / doi.org/ 10.3389/ fc omp.2023.1208550 [6] Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) (13.2.2023), KI in der Hochschulbil‐ dung, https: / / www.bmbf.de/ bmbf/ de/ bildung/ bildungsforschung/ wissenschafts-und-hochsc hulforschung/ ki-in-der-hochschulbildung/ ki-in-der-hochschulbildung_node.html [7] Milanez, A. (2023), „The impact of AI on the workplace: Evidence from OECD case studies of AI implementation“, OECD Social, Employment and Migration Working Papers, No. 289, OECD Publishing, Paris, https: / / doi.org/ 10.1787/ 2247ce58-en. [8] Prof. Dr. Christian Spannagel ( Jan 2023), Pädagogische Hochschule Heidelberg, Rules for Tools (Version 2) [9] Goodfellow, I., Pouget-Abadie, J., Mirza, M., Xu, B., Warde-Farley, D., Ozair, S., Courville, A., & Bengio, Y. (2014). Generative Adversarial Networks. ArXiv, abs/ 1406.2661, https: / / arxiv.or g/ abs/ 1406.2661 Literatur 221 <?page no="223"?> 18 Das Kompetenzmodell für KI-gestütztes Projektmanagement: Ein Wegweiser für die Zukunft Kai Reinhardt, Mareike Feseker Abstract Die fortschreitende Integration von Künstlicher Intelligenz (KI) in das Projektma‐ nagement erfordert die Entwicklung neuer Kompetenzmodelle. Dieser Artikel präsentiert das „6C-Modell für KI-basiertes Projektmanagement“, welches sechs Kompetenzcluster definiert. Diese gehen über traditionelle Kategorien hinaus und adressieren die hybriden Fähigkeiten, die in KI-Projekten benötigt werden. Das Modell betont die Bedeutung von Datenkompetenz, strategischer Entscheidungs‐ findung, Kollaboration, AI-gestütztem Projektmanagement, Design Thinking und KI-Qualitätssicherung. Die Integration des Modells erfordert eine schrittweise Herangehensweise, beginnend mit der Analyse der aktuellen Kompetenzen, der Festlegung von Zielen und Strategien, der Schulung der Mitarbeiter und der För‐ derung eines entsprechenden Kulturwandels. Das Modell bietet eine Grundlage für die erfolgreiche Nutzung von KI im Projektmanagement und die Förderung einer hybriden Kompetenzlandschaft, um die zukünftigen Anforderungen zu bewältigen Stichwortliste Künstliche Intelligenz, Kompetenzentwicklung, Kompetenzmanagement, Kom‐ petenzmodelle, AI-Powered Projektmanagement 18.1 Künstliche Intelligenz im Projektmanagement: Die Evolution der Kompetenzentwicklung Die Künstliche Intelligenz (KI) hat einen omnipräsenten und transformativen Einfluss auf die moderne Wirtschaft; Auswirkungen, die besonders relevant für das Projektma‐ nagement in zahlreichen Organisationen sind (Dam et al., 2018). Angesichts dieser grundlegenden, paradigmatischen Veränderungen ist es dringend erforderlich, die Fä‐ higkeiten im Umgang mit KI-Anwendungen im Rahmen von Projekten kontinuierlich auszubauen und zu verfeinern. Es hat sich gezeigt, dass ein kritischer Erfolgsfaktor organisatorischer Leistungen, die Fähigkeit von Organisationen ist, die Kompetenzen ihrer Mitarbeiter zu identifi‐ zieren, zu fördern und strategisch einzusetzen (North, Reinhardt und Sieber-Suter, 2018). Darüber hinaus ist festgestellt worden, dass zielgerichtete Investitionen in das Humankapital - d. h., die Entwicklung und Aktualisierung von Kompetenzstrukturen - in direktem Zusammenhang mit positivem Geschäftswachstum stehen. <?page no="224"?> Angesichts der rasanten Weiterentwicklung der KI-Technologien ist es dringend notwendig, innovative Ansätze zur Bewältigung der daraus resultierenden Verände‐ rungen im Bereich des Projektmanagements auf Kompetenzebene zu entwickeln und umzusetzen. Dieser Bedarf wird durch den bestehenden Fachkräftemangel in KI-Spezialgebieten zusätzlich betont. Die Entwicklung von KI-Kompetenzen und die Rekrutierung von Personal mit spezifischen KI-Fähigkeiten haben daher für viele Unternehmen eine strategische Priorität erlangt (Ammerland, 2023). In diesem Artikel wird ein innovativer Ansatz zur Analyse und Entwicklung spezi‐ fischer KI-Kompetenzen im Projektmanagement vorgestellt. Dieser Ansatz geht über traditionelle Kompetenzmodelle hinaus und adressiert gezielt die Herausforderungen und Bedürfnisse, die sich aus dem Einsatz von KI-Technologien ergeben. Er bietet eine Möglichkeit, die kontinuierliche Anpassung und Erweiterung der Kompetenzstruktu‐ ren, die das dynamische Feld des Projektmanagements charakterisieren, systematisch zu steuern. Der vorgeschlagene Rahmen für die Kompetenzentwicklung zielt darauf ab, die Diskussion über Kompetenzen im Projektmanagement zu erweitern und bietet eine Grundlage für die Weiterentwicklung und Anpassung von Kompetenzstrukturen im Bereich der KI-gestützten Projektmanagementaufgaben. Unser Ziel ist es, den Umgang mit Künstlicher Intelligenz auf institutioneller Ebene zu transformieren und die Integration dieses Modells in bestehende Standards und Weiterbildungssysteme zu ermöglichen. In dieser Hinsicht bietet der vorgeschlagene Rahmen eine solide Basis für die zukünftige Entwicklung und den Einsatz von KI- Kompetenzen im Projektmanagement. 18.2 Integriertes Kompetenzmanagement in der KI-Ära: Konzeptionelle Überlegungen und Anwendungsfelder Integriertes Kompetenzmanagement stellt einen vielversprechenden Ansatz dar, um den Aufbau von KI-Kompetenzen im Projektmanagement zu strukturieren und zu optimieren. Dieses Konzept baut eine Brücke zwischen den strategischen Unterneh‐ menszielen und den Handlungsmöglichkeiten der einzelnen Mitarbeiter (Reinhardt und North, 2003). Dabei fokussiert es auf die gezielte Nutzung der vorhandenen Vielfalt und Streuung interner Kompetenzen, um die immer komplexer werdenden externen und internen Bedingungen (Bach et al., 2000) effektiver zu bewältigen. Forschungen deuten darauf hin, dass insbesondere bei technologischen Umwälzun‐ gen, wie sie derzeit durch die zunehmende Verbreitung von KI-Technologien statt‐ finden, eine Verknüpfung von strategischen Unternehmenszielen mit individuellen Talenten und Kompetenzen die Aussichten auf wirtschaftlichen Erfolg erhöht. Das bedeutet, dass die gezielte Entwicklung und Nutzung von Kompetenzen zu einem zentralen strategischen Erfolgsfaktor wird. Hierbei geht es darum, Methoden und Instrumente zu etablieren, die eine kontinuierliche Identifikation, Entwicklung und Vernetzung von Kompetenzen ermöglichen. Dies bildet den Kern einer erfolgreichen, 224 18 Das Kompetenzmodell für KI-gestütztes Projektmanagement: Ein Wegweiser für die Zukunft <?page no="225"?> kompetenzorientierten Unternehmensführung und zielt darauf ab, langfristig Wettbe‐ werbsvorteile zu generieren (Guthridge und Komm, 2008). Die Implementierung eines integrierten Kompetenzmanagements ist jedoch oft mit Herausforderungen verbunden, insbesondere wenn es um die Änderung etablierter Management-Mindsets geht (Guthridge und Komm, 2008). Es sollte jedoch beachtet werden, dass ineffektives Kompetenzmanagement die Mitarbeitermotivation beein‐ trächtigen und somit auch die Unternehmensperformance negativ beeinflussen kann. Der Ansatz des integrierten Kompetenzmanagements geht weit über das Verständnis reiner Weiterbildungsmaßnahmen hinaus und liefert eine neue Perspektive auf die Entwicklung von Organisations- und Handlungsstrukturen. Ziel ist es, den Unterneh‐ menserfolg langfristig zu steigern und besser auf Unternehmensherausforderungen reagieren zu können. Untersuchungen, wie die von Collins und Porras (1997), bestäti‐ gen, dass Unternehmen, die einen solchen integrierten Kompetenzansatz verfolgen, im Wettbewerbsvergleich überdurchschnittlich performen. In einer Ära, in der transformative Technologien wie Künstliche Intelligenz (KI) an Bedeutung gewinnen, wird dieser Ansatz umso wichtiger, um die Wettbewerbsfähig‐ keit sicherzustellen. KI stellt im Kontext des Projektmanagements eine faszinierende und herausfordernde Innovation dar, die eine umfassende Neuausrichtung von Pro‐ jektmanagementstrategien und -kompetenzen erfordert. Beispielsweise könnte ein Automobilhersteller von einem Zulieferer verlangen, KI in seine Systeme zu integrieren. Der Zulieferer müsste in diesem Fall nicht nur die notwendigen KI-Kompetenzen aufbauen, sondern auch seine bestehenden Projektma‐ nagementstrukturen anpassen. Dies würde sowohl Schulungen in KI-Technologien als auch eine Integration der KI in die Projektmanagementprozesse erfordern. Ebenfalls könnten KI-gestützte Planungstools dazu beitragen, den Ablauf von Bau‐ projekten zu optimieren. Hierfür müssten Projektmanager lernen, diese Tools effektiv zu nutzen und die daraus resultierenden Informationen in ihren Entscheidungsprozess zu integrieren. 18.3 Die Bedeutung von Kompetenzmodellen im KI-Projektmanagement Die Vorbereitung von Projektmanagement-Fachkräften auf den Einsatz Künstlicher Intelligenz (KI) erfordert eine präzise Identifikation der relevanten Kompetenzen, die sich den KI-bezogenen Herausforderungen stellen. In diesem Zusammenhang stellen Kompetenzmodelle eine essentielle Basis dar, da sie als Ausgangspunkt für die Entwicklung erforderlicher Fähigkeiten, Kenntnisse und Verhaltensweisen fungieren. Dank dem Kompetenzmanagement können diese Modelle in die Unternehmensstra‐ tegie eingegliedert und mit den zur Erreichung der Geschäftsziele notwendigen Fähigkeitsstrukturen koordiniert werden. Im Gegensatz zu Qualifikationsvoraussetzungen wie Zertifikaten und formalen Bildungsabschlüssen, zeichnen Kompetenzmodelle die spezifischen beruflichen Her‐ 18.3 Die Bedeutung von Kompetenzmodellen im KI-Projektmanagement 225 <?page no="226"?> ausforderungen im Kontext des Projektmanagements und den von Projektmanagern erwarteten Output ab (Berger und Berger, 2011). Es gilt zu betonen, dass sich Kompe‐ tenzmodelle von Qualifikationsplänen deutlich unterscheiden. Während Letztere in eine strukturierte und formelle Lernumgebung eingebettet sind, ist die Kompetenzent‐ wicklung stets an den Arbeitsprozess selbst gekoppelt. Im Kontext von KI im Projekt‐ management wird heutzutage von Projektmanagern erwartet, dass sie die vielfältigen Einsatzmöglichkeiten von KI-Technologien in ihren Projekten beherrschen und die geeigneten KI-Projektmanagement-Tools auswählen können. Die Erlangung dieser Kompetenz ist eher auf Erfahrungen als auf Qualifikationsnachweise zurückzuführen. Ein Kompetenzmodell stellt daher einen konsistenten, objektiven „Leitfaden“ für alle organisatorischen Entscheidungen in Bezug auf den zukünftigen Aufbau kriti‐ scher Fähigkeiten - den sogenannten Future Skills - sowie deren Bewertung und Entwicklung für alle oder ausgewählte Mitarbeitergruppen in der Organisation dar (Rutledge et al., 2016). Einmal entwickelt und in den operativen Steuerungssystemen des Unternehmens implementiert, kann ein Kompetenzmodell als Grundlage für die Umsetzung spezifischer Zukunfts- und Geschäftsstrategien dienen. Die Organisation kann optimale Motivations- und Engagement-Programme, Mitarbeiterbindungspro‐ gramme und Kompetenzentwicklungssysteme erstellen. Aus strategischer Perspektive kann durch diese Maßnahmen eine breite Basis für gewünschtes Problemlösen und Handeln kompetenter Individuen erreicht werden. Das Kompetenzmodell zielt dabei auf drei unterschiedliche Kompetenzebenen ab: ■ Auf emotionaler und verhaltensbezogener Ebene können spezifische soziale oder persönliche Kompetenzmerkmale definiert werden, die in der Organisation be‐ stimmte Handlungs- und Verhaltensmuster begünstigen (Falcone 2006). Dies betrifft unter anderem die Passung zwischen Positionen und Mitarbeitern, die Auswahl von Individuen, die sich in die Organisation integrieren lassen, deren Bedürfnisse mit denen der Organisation übereinstimmen, und die Ausbildung einzelner Mitarbeiter für vorhandene Rollen. ■ Durch die Differenzierung von Bildungsprogrammen basierend auf differenzierter Potenzialeinschätzung kann zum Beispiel die Bindung leistungsstarker Mitarbei‐ ter, insbesondere in kritischen Kompetenzbereichen, gewährleistet werden (Birt et al. 2004). Dies beinhaltet die Aufrechterhaltung der Leistungsfähigkeit einzelner Mitarbeiter, eine angemessene Beziehung zu Vorgesetzten sowie ein Gleichgewicht zwischen Arbeit und Privatleben. ■ Die Definition gewünschter arbeitsbezogener Kompetenzen führt zudem zur Anpassung von Verhaltensweisen im Arbeitsprozess hinsichtlich neu zu erwerben‐ dem Erfahrungswissen (kognitiv) und dem Erlernen veränderter Methoden und methodischer Fähigkeiten (methodisch-funktional), um die veränderte Situation erfolgreich zu meistern (Rutledge et al., 2016; Wuim-Pam, 2014). Im Ergebnis ist ein Kompetenzmodell sowohl die Grundlage zur Steuerung strategi‐ scher Anforderungen, als auch ein operationeller Orientierungsrahmen für zukünftige 226 18 Das Kompetenzmodell für KI-gestütztes Projektmanagement: Ein Wegweiser für die Zukunft <?page no="227"?> Entscheidungen. Dies erfolgt durch die Formulierung von Kompetenzbeschreibungen und das Design entsprechender Führungs- und Entwicklungsinstrumente im Unter‐ nehmen. Dabei geht die Prämisse voraus, dass das Kompetenzmodell auf das gesamte Unternehmen anwendbar ist. 18.4 Das 6-Cluster-Modell für KI-Projektmanagement Die fortschreitende Integration von Künstlicher Intelligenz (KI) in Projektmanage‐ mentprozesse erfordert ein neues Denken hinsichtlich der erforderlichen Kompeten‐ zen. Traditionelle Kompetenzmodelle stoßen aufgrund ihrer starren Klassifikationen an ihre Grenzen, wenn sie versuchen, die dynamische Interaktion zwischen menschli‐ chen und KI-gestützten Akteuren adäquat abzubilden. Eine zentrale Herausforderung besteht darin, dass wir es mit einer Hybridisierung von Kompetenzen zu tun haben. Dieser Begriff bezieht sich auf die Verflechtung von technisch orientierten und mensch‐ lich orientierten Fähigkeiten. Im Kontext von KI bedeutet das, dass Mitarbeiter nicht nur technische Kenntnisse in Bereichen wie Datenanalyse oder KI-Programmierung haben müssen, sondern auch menschliche Kompetenzen, wie z. B. Kreativität, kriti‐ sches Denken oder zwischenmenschliche Fähigkeiten, um effektiv mit KI-Systemen zu interagieren und zu arbeiten. Darüber hinaus beinhaltet ein zukunftsweisendes Kompetenzmodell die Berücksichtigung von transversalen Kompetenzen. Transversale Kompetenzen sind solche, die über verschiedene Aufgabenbereiche und Themenfelder hinweg relevant sind. Sie sind nicht auf einen spezifischen Kontext beschränkt, sondern übertragen sich auf eine Vielzahl von Situationen und Herausforderungen. Dies könnte Kommunikation, Problemlösung oder strategisches Denken beinhalten. Auf Basis intensiver Recherchen haben wir ein solches Kompetenzmodell für das KI-gestützte Projektmanagement entwickelt, das wir das „6C-Modell für KI-basiertes Projektmanagement“ nennen. Die „6C“ steht hierbei für sechs Kompetenzcluster, die das Modell definiert. Jedes dieser Cluster repräsentiert transversale Kompetenzen, die über traditionelle Kategorien hinausgehen, und umfasst eine Reihe von Schlüsselkom‐ petenzen, die die Hybridität der erforderlichen Fähigkeiten darstellen. Das Modell ist so konzipiert, dass es flexibel genug ist, um den vielfältigen und sich ständig ändernden Anforderungen von KI-Projekten gerecht zu werden. Es ermöglicht Unternehmen, die richtigen Mitarbeiter zu suchen, zu entwickeln und Teams oder Bereiche aufzubauen, die effektiv in diesem neuen Umfeld arbeiten können. Die Kompetenzcluster sind: 1. Datenkompetenz und KI-Innovation 2. Strategische KI-Entscheidungsfindung 3. Collaborative Intelligence & KI-Kommunikation 4. AI-Powered Projektmanagement 5. Design Thinking & KI-Kreativität 6. KI-Qualitätssicherung & Fehleranalyse 18.4 Das 6-Cluster-Modell für KI-Projektmanagement 227 <?page no="228"?> FACH- KOMPETENZEN METHODEN- KOMPETENZEN SOZIAL- KOMPETENZEN Datenkompetenz und KI- Innovation Strategische KI- Entscheidungsfindung Collaborative Intelligence & KI- Kommunikation AI-Powered Projektmanagement Design Thinking & KI-Kreativität KI-Qualitätssicherung & Fehleranalyse Dominanz der KI-Capabilities Dominanz der Human-Capabilities 1 2 3 4 5 6 Abb. 18-1: Das 6C-Modell für KI-basiertes Projektmanagement. Quelle: Eigenes Werk (2023) Jedes Cluster im 6C-Modell repräsentiert ein spezielles Kompetenzgebiet, das für den erfolgreichen Einsatz von KI-Technologien im Projektmanagementprozess entschei‐ dend ist. Während einige Cluster einen technischen und KI-zentrierten Fokus aufwei‐ sen, legen andere den Schwerpunkt auf menschliche Interaktion und Zusammenarbeit. Diese Mischung spiegelt die Kombination von technisch-spezifischen und allgemeinen, interdisziplinären Kompetenzen wider. Ein gutes Beispiel hierfür ist das Cluster „Col‐ laborative Intelligence & KI-Kommunikation“, welches sowohl technische Expertise im Umgang mit KI-Systemen als auch soziale Kompetenzen in Kommunikation und Teamarbeit vereint. Das 6C-Modell dient als fortschrittliches Werkzeug für das Kompetenzmanagement, das auf die speziellen Anforderungen von Projekten ausgerichtet ist, die KI-Tech‐ nologien zur Unterstützung des Projektmanagementprozesses nutzen. Es integriert transversale Kompetenzen das heißt Kompetenzen, die über verschiedene Fachgebiete hinweg relevant sind und einen interdisziplinären Ansatz erfordern. Zum Beispiel kombiniert das Cluster „Strategische KI-Entscheidungsfindung“ sowohl analytische Fähigkeiten im Umgang mit Daten als auch Fähigkeiten im strategischen Entschei‐ dungsfindungs- und Risikomanagement. Das 6C-Modell bietet eine robuste Grundlage für die Personalentwicklung in Orga‐ nisationen, die bestrebt sind, ihre Projektmanagementverfahren durch den Einsatz von KI-Technologien zu optimieren. Im Folgenden werden wir uns näher mit der Struktur dieses Kompetenzmodells beschäftigen und die einzelnen Cluster ausführlich darstellen. 228 18 Das Kompetenzmodell für KI-gestütztes Projektmanagement: Ein Wegweiser für die Zukunft <?page no="229"?> Datenkompetenz und KI-Innovation Das erste Kompetenzcluster konzentriert sich auf das fundierte Wissen und die Fertigkeiten im Umgang mit Daten und künstlicher Intelligenz, die für die effiziente Integration von KI in den Projektmanagementprozess unerlässlich sind. Hierbei wird ein besonderer Fokus auf die KI-basierte Automatisierung von Projektaufgaben, das Management von Dokumenten mit Hilfe von KI und die Anwendung von Machine Learning für die Projektselektion und -priorisierung gelegt. Die spezifischen Kompe‐ tenzen dieses Clusters sind: 1. Grundlagen von KI und ML: Verständnis von KI- und ML-Konzepten, Techno‐ logien und Anwendungsfeldern, einschließlich neuronaler Netze, Deep Learning und Supervised sowie Unsupervised Learning. 2. Grundlagen des Datenmanagements: Kenntnisse über Datenakquisition, -auf‐ bereitung, -speicherung und -analyse sowie die praktische Anwendung dieser Kenntnisse in der Datenintegration, Datenqualitätssicherung und Datensicherheit. 3. Kenntnisse in der KI-basierten Projektautomatisierung: Fähigkeit, Automa‐ tisierungspotenziale zu identifizieren und KI-gestützte Automatisierungslösungen zu implementieren. 4. AI-gestütztes Dokumentenmanagement: Verstehen der Möglichkeiten von KI im Dokumentenmanagement und die Fähigkeit zur Implementierung von KIgestützten Dokumentenmanagementsystemen. 5. ML-gestützte Projektselektion und -priorisierung: Anwendung von Machine Learning zur Unterstützung der Auswahl und Priorisierung von Projekten. Dieses Cluster unterstreicht die Bedeutung von Datenkompetenz und KI-Innova‐ tion zur Steigerung der Effizienz und Wirksamkeit des Projektmanagements und bildet eine Schlüsselkomponente für die Entwicklung fortschrittlicher, KI-gestützter Projektmanagementstrategien und -lösungen. Strategische KI-Entscheidungsfindung Das zweite Kompetenzcluster befasst sich mit der Integration strategischer Entschei‐ dungsfindung, die durch KI-Technologien im Projektmanagementprozess verstärkt wird. Es hebt die Bedeutung von datengetriebenen Entscheidungen hervor, begleitet von der fortlaufenden Optimierung von KI-Modellen und der Fokussierung auf ein effektives KI-Minimum Viable Product (MVP) zur Maximierung des Projektoutputs. Die spezifischen Kompetenzen umfassen: 1. Datengetriebene Entscheidungsfindung: Die Fähigkeit, Datenanalysen und statistische Methoden anzuwenden, um fundierte Entscheidungen zu treffen, die, unterstützt durch KI-Technologien, zur Erreichung strategischer Projektziele beitragen. 18.4 Das 6-Cluster-Modell für KI-Projektmanagement 229 <?page no="230"?> 2. Risikomanagement in KI-Projekten: Die Kompetenz, Risiken, die mit der Integration von KI im Projektmanagement einhergehen, zu identifizieren, zu bewerten und zu managen, um die Projektperformance zu optimieren. 3. Fortlaufende Überwachung und Anpassung von KI-Modellen: Die Fähigkeit, KI-Modelle, die im Projektmanagement eingesetzt werden, kontinuierlich zu über‐ wachen und anzupassen, um eine hohe Leistung und Genauigkeit sicherzustellen. 4. KI zur Effizienzsteigerung: Ein Verständnis dafür, wie KI den Projektmanage‐ mentprozess durch Automatisierung, optimierte Ressourcenallokation und verbes‐ serte Prozesse effizienter gestalten kann. 5. Priorisierung des KI-Minimum Viable Product (MVP): Die Fähigkeit, die Kernanforderungen und Funktionen für ein KI-MVP zu identifizieren und zu priorisieren, um eine schnelle Implementierung und Wertgenerierung in Projekten zu gewährleisten. Dieses Cluster bildet die Grundlage für die effektive strategische Steuerung von KI- Projekten und trägt dazu bei, deren Erfolg und Wertschöpfung zu maximieren. Collaborative Intelligence & KI-Kommunikation Das dritte Cluster konzentriert sich auf die Synergie zwischen menschlicher Intelligenz und künstlicher Intelligenz im Kontext des Projektmanagements. Es legt den Schwer‐ punkt auf effektive Kommunikation und Zusammenarbeit, die durch KI-Technologien optimiert werden, um Projekte effizient und erfolgreich zu realisieren. Hier sind die spezifischen Kompetenzen: 1. Kommunikationsfähigkeiten über Abteilungsgrenzen hinweg: Fähigkeit, effektiv und effizient mit verschiedenen Teammitgliedern, Abteilungen und sogar Unternehmen zu kommunizieren. Diese Fähigkeit ist entscheidend für den Erfolg von KI-Projekten, da diese oft interdisziplinär sind und eine starke Zusammenar‐ beit erfordern. 2. Stakeholder-Management in KI-Projekten: Fähigkeit, Stakeholder effektiv zu managen, ihre Erwartungen zu verstehen und ihre Bedenken anzusprechen. In KI-Projekten kann dies besonders herausfordernd sein, da die Technologie oft missverstanden wird oder Angst und Unsicherheit hervorruft. 3. Einsatz von Emotionaler Intelligenz in KI-Projektmanagement: Fähigkeit, Emotionen bei sich selbst und anderen zu erkennen und effektiv zu managen, um das Engagement und die Zusammenarbeit in KI-Projekten zu fördern. 4. Interaktion mit virtuellen Projektassistenten und Chatbots: Fähigkeit, effektiv mit KI-basierten Tools wie virtuellen Assistenten und Chatbots zu in‐ teragieren. Dies kann das Verständnis von KI-Technologien, die Fähigkeit zur Problembehebung und die Fähigkeit zur effektiven Nutzung dieser Tools zur Unterstützung der Projektziele umfassen. 230 18 Das Kompetenzmodell für KI-gestütztes Projektmanagement: Ein Wegweiser für die Zukunft <?page no="231"?> Dieses Cluster betont die entscheidende Rolle menschlicher Fähigkeiten und Kompe‐ tenzen im Kontext von KI-integrierten Projekten. Es stellt die Bedeutung von effektiver Kommunikation und Zusammenarbeit in den Vordergrund, um die Potenziale von KI vollständig auszuschöpfen und den Projekterfolg zu maximieren. AI-Powered Projektmanagement Das vierte Cluster, „AI-Powered Projektmanagement“, konzentriert sich auf die um‐ fassende Integration von KI-Technologien in den gesamten Projektmanagementzyklus, um die Effizienz, Genauigkeit und Produktivität zu steigern. Die spezifischen Kompe‐ tenzen in diesem Bereich sind: 1. Integration und Anwendung von KI in der Projektverwaltung: Kompeten‐ zen in der Implementierung und Nutzung von KI-Tools im Projektmanagement. Dies beinhaltet das Verständnis, wie KI die traditionelle Projektverwaltung effizi‐ enter und effektiver gestalten kann. 2. Iterative Lieferung in KI-Projekten: Verständnis und Anwendung von iterati‐ ven Prozessen in KI-Projekten. Dies ist besonders relevant, da KI-Projekte oft agiles Projektmanagement erfordern, bei dem Produkte und Lösungen schrittweise entwickelt und verbessert werden. 3. Ressourcenallokation und Aufgabenverteilung in KI-Projekten: Fähigkei‐ ten, um Ressourcen und Aufgaben effektiv in KI-Projekten zu verteilen. Dies beinhaltet auch die Nutzung von KI-Tools, um diesen Prozess zu unterstützen und zu optimieren. 4. Talentakquisition und -bindung in KI-Projekten: Fähigkeit, qualifizierte Mitarbeiter für KI-Projekte zu gewinnen und zu halten. Dies kann die Identifikation von benötigten Fähigkeiten, das Recruiting und das Training von Mitarbeitern sowie Strategien zur Mitarbeiterbindung umfassen. 5. Testsysteme und Software: Kenntnisse und Fähigkeiten in Bezug auf die Nut‐ zung und Implementierung von Testsystemen und Software in KI-Projekten. Dies ist entscheidend für die Qualitätssicherung und die kontinuierliche Verbesserung von KI-Lösungen. Dieses Cluster betont die Wichtigkeit von KI in allen Aspekten des Projektmanage‐ ments, von der Projektplanung und -ausführung bis hin zum Personalmanagement und zur Qualitätssicherung. Design Thinking & KI-Kreativität Das fünfte Cluster, „Design Thinking & KI-Kreativität“, hebt die Verbindung zwischen kreativen, designorientierten Ansätzen und der Anwendung von KI in Projektmanage‐ mentprozessen hervor. Es betont die Notwendigkeit, KI-Lösungen aus der Perspektive 18.4 Das 6-Cluster-Modell für KI-Projektmanagement 231 <?page no="232"?> der Benutzer und Stakeholder zu gestalten und zu bewerten. Hier sind die spezifischen Kompetenzen: 1. KI-Projekt-Ideenfindung und Datenermittlung: Fähigkeit zur kreativen Ideen‐ findung und Datenermittlung in KI-Projekten. Das kann Methoden des Design Thinkings umfassen, um neue, innovative KI-Lösungen zu generieren und relevante Daten für die Entwicklung und Implementierung dieser Lösungen zu ermitteln. 2. Kritisches Denken in KI-Projektumgebungen: Die Fähigkeit, kritisch und analytisch in der Arbeit mit KI-Projekten zu denken. Das beinhaltet die Bewertung und kritische Analyse von KI-Lösungen, Algorithmen und Daten. 3. Realistische Einschätzung der KI-Fähigkeiten: Fähigkeit, die Stärken und Grenzen von KI realistisch einzuschätzen. Dies beinhaltet das Verständnis, dass KI zwar mächtig, aber nicht allmächtig ist und dass KI-Systeme immer noch menschliche Aufsicht und Kontrolle erfordern. 4. UX-Management und Stakeholder-Erwartungsmanagement: Kenntnisse und Fähigkeiten im Umgang mit Benutzererfahrung (UX) und Erwartungsmanage‐ ment. Dies kann das Verständnis und die Berücksichtigung der Benutzerbedürf‐ nisse und -erwartungen, die Kommunikation mit Stakeholdern und die Kontrolle und Verwaltung der Erwartungen an KI-Projekte umfassen. Dieses Cluster unterstreicht die Rolle von kreativem Denken und Designorientierung in der Konzeption und Implementierung von KI-Lösungen innerhalb des Projektma‐ nagementprozesses. Es betont die Notwendigkeit einer ausgewogenen Perspektive, die sowohl technische als auch menschliche Faktoren berücksichtigt, um erfolgreiche, benutzerzentrierte KI-gestützte Projekte zu realisieren. KI-Qualitätssicherung & Fehleranalyse Im sechsten Cluster geht es um die Qualitätssicherung und Fehleranalyse, insbesondere im Kontext von Projekten, die KI-Technologien einbinden. Dieses Cluster unterstreicht die Notwendigkeit, die Qualität und Genauigkeit von KI-Systemen und -Prozessen kontinuierlich zu überwachen, zu bewerten und zu verbessern. Die spezifischen Kompetenzen sind: 1. Qualitätssicherung (QA) und Testmanagement für ML-Projekte: Diese Kompetenz beinhaltet ein tiefes Verständnis für Qualitätssicherung und Testma‐ nagement in KI-Projekten, insbesondere in solchen, die Machine Learning (ML) Techniken verwenden. Es beinhaltet die Fähigkeit, angemessene Teststrategien zu entwickeln und durchzuführen, um die Genauigkeit und Effizienz von ML- Modellen zu überprüfen und zu verbessern. 2. Fehleranalyse in KI-Projekten: Eine Schlüsselkompetenz in diesem Cluster ist die Fähigkeit, effektive Fehleranalysen durchzuführen, um Probleme in KI- Systemen zu identifizieren und zu beheben. Dazu gehört das Verständnis für die 232 18 Das Kompetenzmodell für KI-gestütztes Projektmanagement: Ein Wegweiser für die Zukunft <?page no="233"?> typischen Fehlerquellen in KI-Projekten und die Methoden zur Isolierung und Behebung dieser Fehler. 3. „Scheitern, um schnell zu lernen“-Prinzip: Eine weitere wichtige Kompetenz in diesem Cluster ist die Akzeptanz des „Scheiterns, um schnell zu lernen“-Prinzips. Im Kontext von KI-Projekten bedeutet dies, Fehler als Lernchancen zu betrachten und schnell anzupassen, um die Qualität und Genauigkeit der KI-Systeme und -prozesse zu verbessern. Dieses Cluster betont die entscheidende Rolle von Qualität und Genauigkeit in KIintegrierten Projekten. Es unterstreicht die Wichtigkeit einer lösungsorientierten Einstellung, einer offenen Fehlerkultur und der kontinuierlichen Verbesserung, um die Leistung und Zuverlässigkeit von KI-Lösungen im Rahmen des Projektmanagements zu optimieren. 18.5 Empfehlungen zur Implementierung und Integration des 6C-KI-Kompetenzmodells in Projektmanagementprozesse Die Implementierung und Integration unseres 6C-KI-Kompetenzmodells in Ihre beste‐ henden Projektmanagementprozesse sollte strategisch und schrittweise erfolgen, um das Potenzial der Künstlichen Intelligenz optimal zu nutzen. Hier sind einige Schritte und Empfehlungen: 1. Analyse des Status quo: Beginnen Sie mit einer Bestandsaufnahme der bestehen‐ den KI-Kompetenzen in Ihrer Organisation, einschließlich technischer, fachlicher und sozialer Fähigkeiten. Die Ergebnisse dieser Analyse bilden die Basis für Ihre weitere Planung. 2. Definieren Sie Kompetenzziele und Strategien: Legen Sie auf der Grundlage des aktuellen Status spezifische Kompetenzziele fest und formulieren Sie eine entsprechende Strategie zur Entwicklung von KI-Kompetenzen. Unser 6C-KI- Kompetenzmodell kann hierbei als Orientierungshilfe dienen. Stellen Sie sicher, dass Ihre Ziele und Strategien mit den übergeordneten Unternehmenszielen übereinstimmen. 3. Ausbildung und Qualifizierung: Ein wesentlicher Schritt bei der Implementie‐ rung des 6C-KI-Kompetenzmodell ist die Ausbildung und Weiterbildung Ihrer Mit‐ arbeiter. Hierzu können verschiedene Methoden und Formate eingesetzt werden, wie z. B. interne und externe Schulungen, E-Learning-Angebote oder Coaching. Ziel ist es, die notwendigen Kompetenzen für die Arbeit mit KI in Projekten zu fördern und zu vertiefen. 4. Förderung der Kultur und des Mindsets: Neben der technischen und fachlichen Ausbildung ist es wichtig, eine Kultur der Offenheit und Innovationsfreude zu fördern. Dazu gehört das Ermutigen zum Experimentieren, das Verständnis und die Akzeptanz von Fehlern als Lernchancen sowie das Bewusstsein für die Bedeutung von Daten und KI im Projektmanagement. 18.5 Empfehlungen zur Implementierung und Integration des 6C-KI-Kompetenzmodells 233 <?page no="234"?> 5. Evaluierung und Anpassung: Die Implementierung des 6C-KI-Kompetenzmo‐ dell sollte kontinuierlich überprüft und bewertet werden. Hierzu können Key Performance Indicators (KPIs) oder andere Messgrößen helfen, um den Fortschritt zu verfolgen und bei Bedarf Anpassungen vorzunehmen. Die wirksame Umsetzung des 6C-KI-Kompetenzmodells öffnet Wege, um die Kapazi‐ täten der Künstlichen Intelligenz umfassend in die Projektmanagement-Landschaft zu integrieren. Dies fördert nicht nur eine gesteigerte Effizienz und Effektivität von Projekten, sondern katalysiert auch eine Evolution hin zu einer lernenden, anpassungs‐ fähigen und innovationsgetriebenen Organisation. In diesem Kontext wird die stetige Entwicklung und Verstärkung von KI-Kompetenzen unerlässlich. Es verdient besondere Erwähnung, dass das 6C-Modell über seine unmittelbaren Anwendungen hinausgeht. Es stellt eine solide Basis dar, die eine nahtlose Erwei‐ terung und Verfeinerung etablierter Kompetenzmodelle, einschließlich des IPMA ® - Kompetenzrahmenwerks, ermöglicht. Dies ist von besonderer Bedeutung, da es auf die adaptiven Bedürfnisse und Herausforderungen reagiert, die durch die gesteigerte Präsenz und Integration von KI in das Projektmanagement auftreten. Daher ist das 6C-KI-Kompetenzmodell nicht nur ein Instrument, sondern vielmehr ein Katalysator für organisatorische Transformation. Es befähigt Teams und Organi‐ sationen, sich proaktiv den dynamischen und vielschichtigen Herausforderungen zu stellen, die das sich ständig weiterentwickelnde Feld der Künstlichen Intelligenz mit sich bringt. Die Anpassungsfähigkeit, Lernbereitschaft und Innovationskraft werden somit zu den Eckpfeilern, die die nächste Generation von Projektmanagement-Profes‐ sionals prägen und leiten werden. Literatur [1] Bach, V.; Österle, H.; Vogler, P. (2000). Business Knowledge Management in der Praxis; Springer Verlag; Berlin. [2] Dam, H., Tran, T., Grundy, J., Ghose, A. & Kamei, Y. (2018). Towards effective AI-powered agile project management. [3] Berger,-L. A., &-Berger,-D. R.-(2011).-Designing and assembling the building blocks for organization excellence: The talent management model. In-L.-Berger-&-D.-Berger-(Eds.),-The talent management handbook: Creating a sustainable competitive advantage by selecting, developing, and promoting the best people-(p.-7).-New York,-NY: -McGraw-Hill. [4] Birt,-M.,-Wallis,-T., &-Winternitz,-G.-(2004).-Talent retention in a changing workplace: An investigation of variables considered important to South African talent. South African Journal of Business Management,-35(2),-25-31. [5] Collins, J. C. 1., & Porras, J. I. (1997). Built to last: successful habits of visionary companies.-1st paperback ed. New York, HarperBusiness. [6] Falcone, P. (2006). Preserving restless top performers: Keep your top performers engaged so they don’t jump ship once job opportunities arise.-HR magazine,-51(3),-117-122. 234 18 Das Kompetenzmodell für KI-gestütztes Projektmanagement: Ein Wegweiser für die Zukunft <?page no="235"?> [7] Guthridge,-M., &-Komm,-A. B.-(2008).-Why multinationals struggle to manage talent.-The McKinsey Quarterly,-4,-10-13. [8] North, K., Reinhardt, K., & Sieber-Suter, B. (2018). Kompetenzmanagement in der Praxis: Mitarbeiterkompetenzen systematisch identifizieren, nutzen und entwickeln. Mit vielen Praxisbeispielen (3rd ed.). Springer Gabler Wiesbaden. [9] Reinhardt, K., & North, K. (2003). Transparency and Transfer of Individual Competencies - A Concept of Integrative Competence Management.-J. Univers. Comput. Sci., 9, 1372-1380. [10] Rutledge, L., LeMire, S., Hawks, M., & Mowdood, A. (2015). Competency-Based Talent Ma‐ nagement: Three perspectives in an academic library. Journal of Library Administration, 56(3), 235-250.-https: / / doi.org/ 10.1080/ 01930826.2015.1105051. Literatur 235 <?page no="237"?> 19 Collective Intelligence von KI und Mensch in der Projektarbeit - Ein Rahmenwerk auf der Basis von ICB 4.0 und Management 4.0 Alfred Oswald, Agnetha Flore, Rüdiger Lang, Helge Nuhn Abstract: Die Zusammenarbeit von Künstlicher Intelligenz und Mensch wird unsere kol‐ lektive Intelligenz erheblich verändern und erweitern. Es wird eine neue Projekt‐ kultur entstehen, in der die kollektive Intelligenz von Mensch und Künstlicher Intelligenz die Projektarbeit und das Projekt Management auf eine neue Ebene hebt. Wir skizzieren Möglichkeiten der Ausgestaltung dieser Zusammenarbeit von Künstlicher Intelligenz und Mensch auf der Basis der IPMA ICB 4.0 ® . Hierzu werden die Technologiebereiche Machine Learning, Generative Künstliche Intelligenz und Agent Based Modeling mit Anwendungskategorien eingeführt. Die ICB 4.0 Perspektiven werden mittels Management 4.0 Modellen ausgestaltet. Die Perspektiven werden auf der Basis der Anwendungskategorien in Künstliche Intelligenz Systeme umgesetzt. Es ergibt sich ein Rahmenwerk für den Einsatz von Künstlicher Intelligenz in der Projektarbeit. Stichwortliste: Individual Competence Baseline 4.0, Management 4.0, Intelligenz, Collective Intel‐ ligence, CI-Management, Universelle Intelligenz, Machine Learning, Generative Künstliche Intelligenz, Agent Based Model 19.1 Einleitung In [1] werden KI-Systeme nach ihrem Reifegrad in vier Typen unterschieden: KI mit rein reaktiven Eigenschaften wie Industrieroboter oder Schach-KI, KI mit begrenztem (Kurzzeit-) Gedächtnis wie chatBot Systeme auf der Basis von GPT- (Generative Pre- Trained Transformer) Systemen, KI mit Verstand und KI mit Selbstbewusstsein. Die heutigen Systeme stehen am Übergang zu KI-Systemen mit Verstand und haben damit schon jetzt das Potential als Assistenten und Berater unsere individuelle Intelligenz erheblich zu erweitern. Diese KI-Systeme tauchen damit teilweise transparent als zusätzliche Agenten in unseren menschlichen Beziehungen auf, teilweise ist ihre Anwesenheit auch intransparent, da Menschen die Systeme verdeckt einsetzen. Künstliche Intelligenz dringt in alle wirtschaftlichen Bereiche ein und wird zu einem der wichtigsten Innovationsmotoren. Innovation wird ganz entscheidend durch Projekte realisiert. Künstliche Intelligenz spielt damit in Projekten als Teil einer Pro‐ jektlösung und als Assistent und Berater während der Projektarbeit eine zunehmend größere Rolle. <?page no="238"?> In diesem Beitrag gehen wir davon aus, dass sich die KI-Systeme nicht nur als Assistenten und Berater etablieren werden, sondern eine neue Art von hybrider Collective Intelligence zwischen KI und Mensch entsteht, die unsere Intelligenz in Quantität und Qualität verändert. Ziel dieses Beitrages ist es, ein Rahmenwerk für die hybride Collective Intelligence zu liefern. Da die Entwicklung der KI-Systeme extrem schnell erfolgt, dienen die beschriebenen KI-Technologien lediglich der Orientierung. Aus Gründen des Beitrag Umfangs gehen wir auf ethische Aspekte der KI-System- Entwicklung und -Nutzung nicht ein. Wir skizzieren zuerst mögliche Perspektiven der Zusammenarbeit von KI und Mensch und definieren Collective Intelligence. Anschließend beschreiben wir die Grundannahmen des Rahmenwerks unter Verwendung von Management 4.0 [2]. Wir definieren auf dieser Basis KI-Anwendungskategorien in der Projektarbeit, um diese auf die Individual Competence Baseline 4.0 (ICB 4.0) [3] anzuwenden. Wir schließen mit einer Zusammenfassung und einem Ausblick. 19.2 Perspektiven der Zusammenarbeit von KI und Mensch Was unter Intelligenz zu verstehen ist, ist nach wie vor strittig - auch gerade im Hinblick auf AI-Systeme. Dementsprechend gibt es auch keine allgemein anerkannte Definition von Collective Intelligence. Wir benutzen als Intelligenz-Definition die sogenannte Universelle Intelligenz aus [4]: “Intelligence measures an agent’s ability to achieve goals in a wide range of environments.” Entsprechend definieren wir „Collective Intelligence (CI) measures a group of agent’s ability to achieve goals in a wide range of environments.” Agenten können Menschen und auch KI-Systeme sein. Wir sprechen von hybrider Collective Intelligence, wenn die Gruppe an Agenten sowohl aus Menschen als auch aus Systemen Künstlicher Intelligenz, wie zum Beispiel GPT-4, besteht. Derzeit nehmen wir an, dass die Systeme Künstlicher Intelligenz entweder vom Typ 1‚ KI mit rein reaktiven Eigenschaften wie Industrieroboter oder Schach-KI oder vom Typ 2‚ KI mit begrenztem (Kurzzeit-) Gedächtnis wie die chatBot Systeme auf der Basis von GPT (Generative Pre-Trained Transformer) Systemen sind [1]. Hybride Collective Intelligence entfaltet sich, wenn unsere menschliche (kollektive) Intelligenz durch die (kollektive) Intelligenz von Künstlicher Intelligenz ergänzt wird. Damit ergibt sich eine Erweiterung der Wahrnehmung unserer Realität, sodass wir komplexe Fragestellungen beantworten können, die wir ohne KI nicht oder nur mit deutlich größerem Aufwand beantworten könnten. Hybride Collective Intelligence führt für das Projekt Management zu folgenden zentralen Veränderungen: 238 19 Collective Intelligence von KI und Mensch in der Projektarbeit <?page no="239"?> ■ Der Innovationsprozess wird sich substanziell verändern, da ein oder mehrere KI-Systeme den F&E Suchraum allein oder in Zusammenarbeit mit Menschen erheblich erweitern und verändern werden. ■ Aufgaben im Projekt werden zwischen Mensch und AI aufgeteilt werden. Damit werden sich auch Entscheidungsprozesse verändern. ■ KI-Systeme werden in nahezu alle Projektlösungen einfließen und damit wird KI zur Kernkompetenz in der Projektarbeit. ■ Die Auswirkungen der KI-Lösungen sind für die Stakeholder, die Gesellschaft und die Natur zu berücksichtigen. Dies und die gesetzlichen Vorgaben erfordern ein hybrides Collective Intelligence Management. ■ Die Aufgabe von Führung ist es, dafür zu sorgen, dass sich hybride Collective Intelligence ausbildet. Peeters et al. haben unlängst in ihrem Artikel „Hybrid Collective Intelligence in a Hu‐ man-AI Society“ drei verschiedene Basis-Haltungen zum Umgang mit KI identifiziert [5]: ■ Technology-centric perspective ■ Human-centric perspective ■ Hybrid Collective-Intelligence perspective Für jede dieser Haltungen (im Artikel sprechen sie von „perspectives“) haben sie Glaubenssysteme und dazugehörige Kontexte identifiziert. Als Beispiel sei hier nur jeweils ein Glaubenssatz pro Haltung genannt: ■ Technology-centric perspective: “When sufficiently developed, AI technology can be applied to solve any problem.” ■ Human-centric perspective: “Artificial intelligence only exhibits part of human cognition and is therefore insufficient for many real-world problems.” ■ Hybrid Collective-Intelligence perspective: “Intelligence should not be studied at the level of individual humans or AI-machines, but at the group level of humans and AI-machines working together.” Die Selbstreflexion und die kritische Auseinandersetzung mit dem sozialen Kontext, also den Werten, Glaubensätzen und Prinzipien sind also für das Design, die Im‐ plementierung und die Operationalisierung von KI-Systemen essentiell. Falls die Metakompetenz für diese (Selbst-) Reflexion und kritische Auseinandersetzung nicht vorhanden ist, wird eine KI-Ethik nicht angenommen und damit auch nicht verant‐ wortungsvoll umgesetzt. In [6] wird deshalb die “Forderung” aufgestellt, dass Projekte mit hoher Komplexität, eine türkis/ teal Kultur benötigen. Die Farbcodierung von Kulturen entstammt dem Bewusstseins- und Kulturmodell Spiral Dynamics: “Ideally, this requires a mindset of all key stakeholders that also contains red, blue and orange value meme components (red means power orientation, blue means control and order orientation, and orange means entrepreneurship and linear-scientific-thinking orien‐ tation), but is mainly shaped by the transformational value meme components, namely 19.2 Perspektiven der Zusammenarbeit von KI und Mensch 239 <?page no="240"?> green (compassion), yellow (nonlinear networked system thinking) and teal (holistictranscendental orientation).” Alle Teammitglieder und insbesondere der Projektleiter sollten über die Metakompetenz verfügen, ihre eigenen Werte und Glaubenssätze im jeweiligen Kontext kritisch zu hinterfragen, um bewusst KI-Systeme ethisch verantwortungsvoll zu designen, zu implementieren und zu operationalisieren. Trotz der enormen Bedeutung dieser Kompetenz gehen wir aus Gründen des Artikelumfangs hier nicht weiter darauf ein. 19.3 Grundannahmen des Rahmenwerkes Die in diesem Beitrag präferierte Perspektive ist die oben geschilderte hybrid Col‐ lective-Intelligence perspective, ergänzt um die human-centric perspective und die technology-centric perspective. Der Grund für diese Präferenz liegt in der Forderung nach einer türkisenen Projektkultur, die einen holistischen integralen Ansatz verfolgt, in der der Mensch ein Teil der Welt ist und nicht ihr Zentrum. Zusätzlich gehen wir von weiteren Grundannahmen aus, die für KI in der Projekt‐ arbeit von besonderer Bedeutung sind [7, 8]: KI-Systeme auf der Basis von Generative Pre-trained Transformer (GPT) Technolo‐ gie organisieren sich auf der Basis der Trainingsdaten selbst. - Die Trainingsdaten sind ein Rahmenparameter der Selbstorganisation. Es entstehen selbstorganisierte Systeme, deren resultierende Abbildungen der Realität lediglich Wahrscheinlichkeitscharakter haben. Die KI-Systeme erkennen damit schon heute Muster in unserer Realität, die unserer Intelligenz (bisher) verschlossen waren. Damit werden KI-Systeme unsere Sicht auf die Realität wesentlich verändern. Gesellschaftliche Systeme werden sich substanziell unterschiedlich entwickeln, je nachdem, in welchem Maße und in welcher Qualität Künstliche Intelligenz eingesetzt wird. - Dies wird sich zum einen auf globaler Ebene zeigen, und zum anderen wird es auch eine neue „Schichtung“ der Gesellschaft(en) entlang der individuellen KI- Kompetenzen hervorrufen. KI-Projekte, also Projekte in denen KI zur Projekt-Lösung gehört, aber auch Projekte in denen KI lediglich für die Projektdurchführung genutzt wird, werden erheblich zunehmen. Personen und Unternehmen, die ihre Projektarbeit an traditionellen oder agilen Methoden und Techniken ausrichten und die damit verbundenen Ziele, Werte und Glaubenssätze nicht selbstkritisch hinterfragen und anpassen, werden KI-Projekte nicht erfolgreich durchführen können. KI-Projekte basieren auf wissenschaftlich-orientierten iterativen (Plan-Do-Check- Act/ Adapt) PDCA-Zyklen. Diese PDCA-Zyklen folgen flexibel dem Schema von Plan: ‚Hypothesen-Bildung auf der Basis von Theorien und Modellen‘ - Do: ‚Durchführung von Experimenten, um Daten und Fakten zu den Hypothesen zu erhalten‘ - Check: ‚Überprüfung der Hypothesen auf der Basis von abgeleiteten Daten und Fakten‘ - Act/ Adapt: ‚Anpassung der Hypothesen bzw. Modelle und Theorien‘. Hieraus ergibt sich ein völlig anderer Umgang mit Unsicherheit als im traditionellen Projektmanagement 240 19 Collective Intelligence von KI und Mensch in der Projektarbeit <?page no="241"?> oder auch im Scrum basierten agilen Management. Es ist zu akzeptieren, dass der PDCA keinen festen Regeln (wie z. B. Zykluszeit) unterliegt und dass die Unsicherheit auch über das gesamte Projekt nicht geringer wird. Die PDCA-Zyklen sind gegebenenfalls in eine phasen-orientierte Vorgehensweise eingebettet, die je nach Projektanforderungen verschiedene agile Methoden integriert. Die Modellbildung mittels Mathematik und Data Science ist ein zentraler Kompetenzbereich in Projekten, in denen KI zum Einsatz kommt. Unter der Annahme, dass in den nächsten Jahren noch keine fertigen KI-Werkzeuge als Black-Box für die Projektarbeit und insbesondere auch für das Projekt Management existieren werden, ist es notwendig, KI in der Projektarbeit selbst als KI-Projekt zu betrachten. Die Perspektiven der Individual Competence Baseline 4.0 (ICB 4.0) der IPMA ® stellen einen Rahmen für die Kompetenzen des Projekt Managements dar und sind damit auch ein Rahmen für die Identifikation potentieller hybrider Collective Intelligence Maßnahmen. Die Ausgestaltung der Perspektiven erfolgt auf der Basis von Manage‐ ment 4.0. Die Gründe hierfür sind [2, 6]: ■ Der Schwerpunkt des Management 4.0 liegt auf dem Mindset und der organi‐ sationalen Governance und nicht auf Methoden und Techniken. Mindset und Governance werden mit Theorien und Modellen abgebildet, die sich mittels Mathematik und Daten in KI-Systeme umsetzen lassen. Damit ist es möglich, eine hybride Collective Intelligence von Mensch und Maschine zu modellieren. ■ Die Gestaltung einer nachhaltigen Ethik in einem ganzheitlichen integralen Sinne---über Mindset und Governance---für Mensch, Tier und Natur ist zentraler Bestandteil. ■ Management 4.0 ist für das Management von komplexen Organisationen und Projekten mit hoher Unsicherheit entwickelt worden. Komplexität, Unsicherheit und Lernen werden als Geschenk angenommen: Der wissenschaftliche PDCA ist die Basis der fortwährenden Adaption in der Projektarbeit, so dass Lernen kontinuierlich unterstützt wird. Abbildung 19-1 verdeutlicht dieses Verständnis: Theorien und Modelle aus verschiedenen Wissensschaftsgebieten werden als Sozialtechniken für das Projekt Management und die Projektarbeit angepasst und modellieren die Erfolgsfaktoren (Mindset⋅Governance⋅Techniken). Über eine fortlaufende Hypothesenbildung wird überprüft, ob die Erfolgsfaktoren in der „definierten Weise“ auf die festgelegten Erfolgskriterien „einzahlen“. Die kontinu‐ ierliche Überprüfung von „definierte Weise“ und „Einzahlen“ führt gegebenenfalls zur Anpassung von Theorien und Modellen und daraus abgeleiteten Sozialtechni‐ ken. 19.3 Grundannahmen des Rahmenwerkes 241 <?page no="242"?> Abb. 19-1: Wissenschaftlicher PDCA im Management 4.0 19.4 KI-Anwendungskategorien der Projektarbeit Im Folgenden skizzieren wir Anwendungskategorien des hybriden Collective Intelli‐ gence-Managements (hybrides CI-Management). (Für eine erste Einführung in die KI-Methoden verweisen wir auf den Buchbeitrag ‚AI im Projektmanagement: Eine Einführung‘ im Hauptkapitel ‚Methodenunterstützung durch KI‘.) Die Anwendungs‐ kategorien gruppieren sich in drei große Technologiebereiche. ■ Technologiebereich 1: Erstellung von AI-Systemen auf der Basis von program‐ mierten Machine Learning Technologien. Wir kennzeichnen diesen Bereich durch AI/ ML und eine fortlaufende Nummer. Für diesen Bereich ist ML-System- und Python-Know-how erforderlich [9]. 242 19 Collective Intelligence von KI und Mensch in der Projektarbeit <?page no="243"?> ■ Technologiebereich 2: Generative NLP, generative Bilderstellung u.ä. mit chatBot- Zugang [10]. Wir kennzeichnen diesen Bereich durch AI/ GAI (GAI steht für Generative Artificial Intelligence) und eine fortlaufende Nummer. ■ Technologiebereich 3: Agent Based Modeling (ABM) zur Untersuchung von Multi- Agenten-Systemen [11]. Wir kennzeichnen dies durch AI/ ABM und eine fort‐ laufende Nummer. Für diesen Bereich ist ML-System- und Python-Know-how erforderlich. Diese drei Technologiebereiche lassen sich in nahezu beliebiger Form kombinieren, so dass in vielfältiger Form CI-Verarbeitungspipelines entstehen. Hier zwei Beispiele: Eine AI/ GAI Technologie wird eingesetzt, um einen Text aus einer Teambespre‐ chung zusammenzufassen und in eine textuelle Ziel-Hierarchie zu transformieren. Anschließend wird diese textuelle Ziel-Hierarchie mittels AI/ ML in eine graphische Präsentation und in einen Projektstrukturplan bzw. Projektplan umgesetzt. Eine AI/ GAI Technologie wird als CI-Assistent und CI-Berater für die Erstellung eines AI/ ABM Systems mit der Entwicklungsumgebung Mesa-Python [12] eingesetzt (Mesa steht für Modeling and Exploration in System Analysis: Mesa is an open-source Python library for agent-based modeling, ideal for simulating complex systems and exploring emergent behaviors). Wir erwarten, dass weitere Technologiebereiche und Anwendungskategorien hin‐ zukommen werden. Anwendungskategorien des Technologiebereiches AI/ ML AI/ ML 1 - Numerische Feature-Multilabel (supervised) AI: Ein Sachverhalt wird über numerische Datenkategorien (Features) beschrieben und Anwendungstypen oder Klassen (man spricht von Labels) zugeordnet. Zum Beispiel nimmt ein AI-System eine Aufwands- oder Kostenschätzung vor. Hierzu werden die Aufgaben gemäß bestimm‐ ter numerischer Features beschrieben und einer Aufwandsklasse, also einem Label, zugeordnet. Supervised bedeutet hier, dass die AI mit einer Feature-Label Zuordnung trainiert wird, die durch Menschen vorher vorgenommen wurde. Hierbei ist es jedoch nicht zwingend notwendig, zuerst solche Zuordnungen, also Daten zu sammeln. Die AI könnte alternativ in laufende Aufwandsschätzungen gemäß Delphi oder Planning Poker eingebracht werden, im Wissen, dass die AI sich wahrscheinlich langsam aufbaut. AI/ ML 2 - Text-Multilabel (supervised) Natural Language Processing AI: Ein Sachverhalt wird über Text bzw. Sprache beschrieben und Labels zugeordnet. Auch eine Aufwandsschätzung könnte auf diese Weise durch AI vorgenommen werden. - Die zu schätzenden Aufgaben liegen als Textbeschreibungen vor und für das Training werden durch Menschen Label-Zuordnungen vorgenommen. Text und Label werden im AI- Training verarbeitet. - Die AI ist also in der Lage natürliche Sprache (Natural Language Processing (NLP)) zu verarbeiten. Ein anderes Beispiel ist die Analyse von Verhalten, beschrieben in Textform und die Zuordnung zu Persönlichkeitslabels (Emotionen, Temperament, Werten, Grundannahmen, Glaubenssätzen, Prinzipien). - Die nachträg‐ 19.4 KI-Anwendungskategorien der Projektarbeit 243 <?page no="244"?> liche Analyse von Verhalten durch niedergeschriebenen Text ist relativ „einfach“. - Eine direkte Analyse der Kommunikation z. B. während einer Teamsitzung ist jedoch anspruchsvoller, jedoch möglich, wenn eine Umsetzung Sprache zu Text vorher erfolgt. - Selbstverständlich kann auf dieser Basis auch eine organisationale Kulturanalyse vorgenommen werden, indem die Kommunikation (Gesprochenes, Dokumente, eMail, Chat) im Team oder in der Organisation ausgewertet wird. AI/ ML 3 - Graph Neural Networks bzw. Graphen-Multilabel (supervised) AI: Sehr viele Sachverhalte in Natur, Sozialem und Technik lassen sich über Graphen bzw. Netzwerke beschreiben. Soziale Systeme bzw. Organisationen lassen sich gut über Social Networks darstellen. Der Projektstrukturplan bzw. der Projektplan sind spezielle Graphen. Die Ziel-Hierarchie ist ein weiterer Graph. Zum Beispiel lassen sich aus der Kommunikation der Stakeholder Social Networks ableiten und diese Social Networks oder Social Networks Bausteine werden mit Labels versehen und dienen dem Training von AI/ ML. Ein anderes Beispiel ist die Extraktion der Ziel-Hierarchie aus einer Teamkommunikation und die anschließende „Überprüfung der Einhaltung“ der Ziel-Hierarchie in der Stakeholderkommunikation. Ein weiteres Beispiel ist die Zuordnung von Team Social Networks zu Performance Labels (z. B. Hochleistung, mittlere Leistung, dysfunktionale Leistung). AI/ ML 4 - Team-Sprachanalyse (unsupervised) AI: Die Sprache in Teams oder Stakeholdergruppen wird auf Gemeinsamkeiten untersucht. So lässt sich u. a. aus der Wortwahl von Teammitgliedern u. a. mittels der Bag of Word und word embedding Technologien [9] auf deren „mentale Verwandtschaft“ oder das Collective Mind schließen. AI/ ML 5 - Generative NLP (unsupervised) AI: Mittels generativer (Natural Language Processing) NLP AI Systeme lassen sich u. a. Vertragsdokumente bzw. Claim-Dokumente mittels weniger von Menschen eingegebener zentraler Prinzipien generieren. Diese Systeme können auch dazu benutzt werden, Abweichungen (also Vertrags- und Claim-Risiken) zu identifizieren. AI/ ML 6 - Clustering (unsupervised) AI: Die AI clustered numerische oder Textdaten. Diese Cluster zeichnen sich durch charakteristische Cluster Eigenschaften aus und erlauben damit das Erkennen von Mustern in den Daten. Auf diese Weise können zum Beispiel Projekte, Aufgaben oder auch Stakeholder geclustert werden. Anwendungskategorien des Technologiebereiches AI/ GAI AI/ GAI 1 - Generierung von Texten und Bildern: Mit Hilfe von Prompteingaben (Stichworte, Fragen, Erläuterungen) erstellt ein chatBot (zum Beispiel chatGPTplus oder ähnliche Systeme) eine Zusammenfassung oder gibt eine Erläuterung oder schließt Wissenslücken. - Oder eine Bild- oder Video-Erzeugungs-KI erzeugt Bilder [10]. Auf diese Weise lassen sich zum Beispiel Bild-Metaphern zur Ziel-Hierarchie erstellen. Die Prompt-Eingabe kann alternativ über eine API in einer Programmierum‐ 244 19 Collective Intelligence von KI und Mensch in der Projektarbeit <?page no="245"?> gebung erfolgen. Auf diese Weise können die drei Technologiebereiche miteinander verbunden werden. AI/ GAI 2 - KI-Assistenz in Applikationen: Office- oder Administrations-Sys‐ teme sind über eine API mit einem chatBot verbunden, der bei Nutzung der entspre‐ chenden Systeme assistiert. AI/ GAI 3 - KI unterstützter Workflow: Es kommen die Technologiebereiche AI/ ML 1-6 und AI/ GAI 1-2 zum Einsatz. Anwendungskategorien des Technologiebereiches AI/ ABM AI/ ABM 1 - Agent Based Model: Ein Agent Based Model dient dazu, ein Projektde‐ sign auf Machbarkeit zu überprüfen und Unzulänglichkeiten im Design aufzudecken. Während des Projektes dient das ABM als Modell-System der Realität und hilft beim Verstehen komplexer organisationaler Zusammenhänge [11, 12]. AI/ ABM 2 - ABMs mit Anbindung: Ein ABM wird mittels Realzeit-Daten, sogenannter Data Assimilation, adjustiert. Hierdurch ist es möglich Forecasting zum realen Agenten-Verhalten durchzuführen [13]. Es ist auch möglich, ABMs an chatBot Systeme wie chatGPTplus anzubinden oder das Verhalten von Menschen als Agenten Verhalten in ABM Systeme zu integrieren. 19.5 Hybride Collective Intelligence Wir verwenden Management 4.0 und die hybride Collective Intelligence Perspektive sowie die oben eingeführten Anwendungskategorien zur Ausgestaltung der IPMA ICB 4.0 ® Perspektiven mittels KI-Systemen [14]. Die nachfolgende Tabelle gibt den aktuellen Stand unserer Überlegungen wieder. In die Tabelle sind auch Erkenntnisse aus [15] eingeflossen. Perspective-- Kontextkompe‐ tenzen Hybride Collective Intelligence Strategie AI/ GAI 1: Mit Hilfe eines chatBots werden Projektideen auf Strategievert‐ räglichkeit überprüft. Governance, Strukturen und Prozesse AI/ GAI 1: Mit Hilfe eines chatBots werden kreative Möglichkeiten der Erstellung und Einbettung einer Selbstorganisations-Governance unter Berücksichtigung bestehender Strukturen und Prozesse ermittelt. Compliance, Standards und Regularien AI/ ML 5, AI/ GAI 1: Mittels Generativer KI werden Compliance und Risiken durch den Abgleich von Projektartefakten, Zielen und Compliance-Doku‐ menten sowie Standards und Normen analysiert. Macht und Inter‐ essen AI/ ML 3: Erstellung eines Stakeholder-Netzwerkes zu Macht und Interes‐ sen durch Graph Neural Networks. 19.5 Hybride Collective Intelligence 245 <?page no="246"?> Perspective-- Kontextkompe‐ tenzen Hybride Collective Intelligence AI/ ABM 1: In großen Projekten hilft eine ABM Simulation mögliche Dynamiken des realen Projektes sichtbar zu machen und Projektdesign Maßnahmen für das zukünftige Projekt abzuleiten. AI/ ABM 2: Während des Projektes werden Realdaten in das ABM einge‐ speist und es wird ein Forecasting des Stakeholder Verhaltens ermittelt. Kultur und Werte AI/ ML 2: Ermittlung des organisationalen Mindsets (Kultur) durch vortra‐ inierte Neuronale Netzwerke: transkribierte Sprache und Texte werden mittels eines Transformer-Modells wie BERT [9] einer Text-Multi-Label Analyse unterzogen. In einem zweiten Schritt kann diese Information dazu benutzt werden, um die Heterogenität der Kultur in einer Organisation zu ermitteln, um auf dieser Basis ein Kommunikations- und Marketingkonzept zu erstellen. AI/ ABM 1: In großen Projekten kann eine ABM Simulation helfen den Einfluss von Kultur und Werten auf die Projektdynamik abzuschätzen, indem die gewonnenen Informationen als Modell in das ABM einfließen. Perspective -People - Per‐ sönliche und so‐ ziale Kompeten‐ zen Hybride Collective Intelligence Selbstreflexion und Selbstma‐ nagement AI/ ML 2: Die Selbstreflexion und das Selbstmanagement wird durch einen Feedback Mechanismus zwischen AI und Projektmanager oder Teammitgliedern angestoßen. Die AI erweitert die Metakompetenz des Projektmanagers (oder einer anderen agilen Führungskraft) und der Team‐ mitglieder, indem den menschlichen Verhaltensweisen (Features) Persön‐ lichkeitsdimensionen (Labels: Emotion, Temperament, Motive, Werte, Glaubenssätze) zugeordnet werden. Persönliche In‐ tegrität und Ver‐ lässlichkeit AI/ ML 4: Es wird mittels Sprachanalyse die Ähnlichkeit in der Kommuni‐ kation gemessen und in einer Heat Matrix sichtbar gemacht[9]. Damit wird auf das Collective Mind des Teams geschlossen. Die Zielerreichung wird mit Collective Mind Informationen der Teammitglieder abgeglichen und Zusammenhänge werden gemeinsam wertschätzend sichtbar gemacht. Persönliche Kommunikation AI/ ML 2: Es wird ein Zusammenhang zwischen Kommunikation (Feature) und Persönlichkeit (Label) hergestellt. Die Realität der Kommunikation verändert sich auf der Basis dieser Team-Reflexion. Ergänzend können Emotionen der Teammitglieder während einer Teamsitzung für alle sicht‐ bar gemacht werden [16]. Beziehungen und Engage‐ ment AI/ ML 2: Mittels Analyse von Sprache und Emotionen wird das Collective Mind vermessen und gemeinsam im Team Beziehungen und Engagement wertschätzend analysiert und Konsequenzen abgeleitet. AI/ ABM 1, 2: In großen Projekten werden ABMs mit Realdaten angerei‐ chert und Simulationen zeigen Trends und Forecasts in der Zusammenar‐ beit auf. 246 19 Collective Intelligence von KI und Mensch in der Projektarbeit <?page no="247"?> Perspective -People - Per‐ sönliche und so‐ ziale Kompeten‐ zen Hybride Collective Intelligence Führung AI/ ML 2: Die Führungs-Metakompetenz wird erheblich erweitert, da Selbstreflexion und Kommunikation mittels Persönlichkeits- und Emoti‐ ons-Analyse deutlich verbessert werden. - Die Decision Intelligence wird deutlich erweitert. AI/ ML 4: Die Team-Sprachanalyse ermittelt auf der Basis einer Collective Mind Sprachähnlichkeitsanalyse Gemeinsamkeiten und hilft Dysfunktio‐ nalitäten aufzudecken. AI/ ML 3: Social Networks werden mittels Graph Neural Networks analy‐ siert und gelabelt. Dies kann auf Teamebene und auf der Ebene aller Stakeholder erfolgen. Teamarbeit AI/ ML 4: Die Stärke des Collective Mind kann durch verschiedene Collec‐ tive Mind Modelle abgebildet werden: Transkribierte Sprache von Teammitgliedern werden mittels sklearn [9] (Native Bayes Classification) den Teammitgliedern zugeordnet. Je eindeuti‐ ger die Zuordnung ist, desto geringer ist das CM, oder anders ausgedrückt, falls ein Text mehreren Teammitgliedern zugeordnet werden kann, so besteht ein „inhaltlicher Überlapp“. Alternativ kann eine Collective Mind Heat Map als Ähnlichkeitsmaß verwendet werden [9]. Des Weiteren können Redefrequenz und Redelänge als Indikatoren für das Collective Mind verwendet werden. Mittels einer Bag of Word oder Word Vector Embedding Analyse wird die Wortwahl der Teammitglieder analysiert. Unterschiedliche Wortwahlen unterschiedlicher Teammitglieder zeigen ein schwaches Collective Mind an, oder umgekehrt lassen ähnliche Begriffsschwerpunkte auf ein starkes Collective Mind schließen. Konflikte und Krisen AI/ ML 2, 3, 4: Die o.-g. AI Erweiterungen der PM-Intelligenz bzw. -Me‐ takompetenz werden in Konflikten und Krisen genutzt um die Team- Reflexion zu erweitern und zu beschleunigen. Vielseitigkeit AI/ GAI 1: Die AI wird bewusst u.-a. in Teamsitzung eingesetzt, um den Möglichkeitsraum zu erweitern. Potentielle mentale Blockaden der Teammitglieder werden schneller sichtbar und neutraler eingeordnet. Ergänzend kommen o.-g. Collective Mind Metriken zum Einsatz. Verhandlungen AI/ ML 2, 3, 4: Die AI-Erweiterungen zur Persönlichkeits- und Emotions- Analyse sind gerade in Verhandlungen von enormer Bedeutung. Zusätzlich kann die Collective Mind Analyse in Verhandlungen eingesetzt werden, um die Ähnlichkeit der Positionen zu objektivieren. AI/ ML 5, AI/ GAI 1: Mittels Textanalyse werden Vertrags- und Claim- Dokumente überprüft. Ergebnisorien‐ tierung AI/ GAI 3: AI/ GAI 1, 2 und AI/ ML 1-6: Es werden die verschiedenen o.-g. Techniken kombiniert, um die Informationen aus der Perspektive ‚Anforderungen und Ziele‘ mit den Collective Mind Metriken für die Ergebnisorientierung sichtbar zu machen und zu stärken. 19.5 Hybride Collective Intelligence 247 <?page no="248"?> Perspective-- Practice - Tech‐ nische Kompe‐ tenzen - Hybride Collective Intelligence Projektdesign AI/ ML 6: Die AI ermittelt Komplexitätsklassen auf der Basis von numeri‐ schen und/ oder textuellen Daten. Die Komplexitätsklassen sind die Basis des Projektdesigns. AI/ GAI 1: Die AI wird benutzt um die Prinzipien der Selbstorganisation als Projekt-Governance umzusetzen. AI/ ABM 1, 2: In großen Projekten kann eine ABM Simulation helfen durch Vor-Analysen mögliche zukünftigen Dynamiken des realen Projektes aufzudecken und Projektdesign Maßnahmen für das Projekt abzuleiten. Anforderungen und Ziele AI/ GAI 1, 2, 3: Auf der Basis von Teammeetings und daraus erstellten transkribierten Texten und Bildern wird in Interaktion mit dem Team eine textuelle Ziel-Hierarchie des Projektes erstellt und fortlaufend angepasst. Zusätzlich zur textuellen Ziel-Hierarchie können Bilder oder Videos mit‐ tels Generativer AI erzeugt werden. Diese Bilder oder Videos stärken die mentale Ausrichtung auf ein Ziel und damit das Collective Mind. Die Ziel-Hierarchie wird mittels AI/ ML 3 in einen graphischen Struktur‐ baum umgesetzt, und mittels AI/ GAI 2 wird ein Projektstrukturplan und Projektplan erstellt. Leistungsum‐ fang und Liefer‐ objekte AI/ GAI 1: Die von einem AI chatBot administrierte Ziel-Hierarchie wird um Lieferobjekte und Leistungsumfang ergänzt. Ablauf und Ter‐ mine AI/ GAI 3: Die AI-administrierte Ziel-Hierarchie und der daraus erstellte Projektplan enthält alle relevanten Termine und diese werden automatisch mit aktuellen Zeiterfassungsinformationen abgeglichen. Organisation, Information und Dokumentation AI/ GAI 3, AI/ ML 5: Auf der Basis vorhandener Informationen, Texte und Bilder stellt ein AI chatBot oder eine selbstprogrammierte AI die Projektdokumentation zusammen und hält diese aktuell. Qualität AI/ ML 1-5: Die aus den anderen Bereichen vorliegenden Echtzeitdaten (Ressourcen, Kosten, Aufwände, Zeiten) werden mittels verschiedener selbstprogrammierter AI-Systeme in Qualitätsaussagen umgesetzt. Kosten und Fi‐ nanzierung AI/ ML 1, 2: Die Ermittlung von Aufwänden und Kosten gehört zu den „einfachen“ AI/ ML Techniken. Lediglich die Beschaffung von Trainingsda‐ ten ist vermutlich schwierig, da archivierte Projektdaten z.Zt. noch selten vorliegen. Ressourcen AI/ GAI 2, 3: Die Ressourcenplanung erfolgt KI-gestützt in bekannten Planungswerkzeugen, alternativ werden AI-Verarbeitungspipelines aufge‐ setzt. Beschaffung AI/ GAI 2: Beschaffungssysteme sind um KI-Schnittstellen ergänzt, die den Workflow ‚Ziel-Hierarchie-Projektplan-Projektfortschrittsanalyse‘ unter‐ stützen. Planung und Steuerung AI/ GAI 2: Projektplanungswerkzeuge werden um KI-Funktionalität er‐ gänzt, die wiederum auf Kosten- und Finanzierungs-Werkzeuge zugreifen. 248 19 Collective Intelligence von KI und Mensch in der Projektarbeit <?page no="249"?> Perspective-- Practice - Tech‐ nische Kompe‐ tenzen - Hybride Collective Intelligence Chancen und Ri‐ siken AI/ GAI 1: chatBot Systeme werden zur kreativen Analyse von Chancen und Risiken verwendet. AI/ ML1, 2: Es werden Risiken und Chancen erkannt. Hierzu ist eine entsprechende Datenerfassung (Features) und eine Chancen- und Risiken- Bewertung (Labeling) notwendig. AI/ ABM 1, 2: Über Simulationen werden weitere Risiken und Chancen transparenter. Stakeholder AI/ ML 2, 3, 4: Die AI Erweiterungen Persönlichkeits-, Kultur- und Emoti‐ ons-Analyse werden für das Stakeholdermanagement eingesetzt. AI/ ABM 1, 2: ABM Techniken werden eingesetzt um Stakeholder-Dyna‐ miken sichtbar zu machen und vorherzusagen. Change und Transformation AI/ ML 1-6, AI/ GAI 1-3, AI/ ABM 1-2: Hier können alle AI Techniken zum Einsatz kommen, um eine valide Entscheidungsbasis für Interventionen zu erhalten. Die hybride Collective Intelligence wird in diesem Bereich ein ‚Augen-Öffner‘ für die Projektarbeit werden. Tab. 19-1: Hybride Collective Intelligence für die ICB 4.0 Kompetenzen 19.6 Zusammenfassung und Ausblick Betrachten wir die Geschwindigkeit mit der täglich neue KI-Systeme und neue KI- Anwendungen verfügbar werden, so dürfen wir annehmen, dass die von uns skizzier‐ ten Anwendungsbereiche von hybrider Collective Intelligence in der Projektarbeit rasant realisiert werden. Dadurch werden die von einem Projektteam erkennbaren Realitätsmuster in Quantität und Qualität erheblich zunehmen. Projekt Management wird sich dadurch stark verändern. Es werden neue Kompetenz-Anforderungen für die Projektmitglieder und vor allem für die Projektleiter oder andere Führungskräfte entstehen. Der professionelle Umgang mit Komplexität und daraus resultierender Unsicherheit wird weiterwachsen müssen. - Dies wird alleine schon durch die speziellen Anforderungen, die mit der Erstellung von KI-Systemen verbunden sind, notwendig werden. Hinzu kommt, dass die hybride Collective Intelligence das Projekt Management und die Teamarbeit völlig verändern wird. Die Methoden- und Technik- Orientierung, die heute noch überwiegend im Projekt Management vorherrscht, wird weiter durch eine Orientierung am (organisationalen) Mindset und am Design einer Selbstorganisation-Governance ersetzt werden. Das hybride CI-Management wird als weitere Kompetenz im Projekt Management einen dominanten Platz einnehmen und zu einer Überarbeitung bestehender PM-Frameworks, wie der ICB, führen müssen. Dies wird in einer hybriden Collective Intelligence resultieren, in der KI-Agenten bzw. -Systeme und Menschen zusammen das organisationale Mindset und die Governance der Selbstorganisation ausgestalten. 19.6 Zusammenfassung und Ausblick 249 <?page no="250"?> Literatur [1] Münchener Kreis e.-V. (2022): Leben, Arbeit, Bildung 2035+, Münchener Kreis Band VIII [2] Oswald, A. und Müller, W. (editors) (2019): Management 4.0 - Handbook for Agile Practices, Release 3, BoD, Norderstedt [3] GPM (2017): Individual Competence Baseline für Projektmanagement, IPMA ® , Version 4.0 / Deutsche Fassung [4] Legg, S. und Hutter, M. (2007): Universal Intelligence: A Definition of Machine Intelligence, arXiv: 0712.3329v1 [5] Peeters, M. M. M., van Diggelen, J, van den Bosch, K., Bronhorst, A., Neerinex, M.-A., Schraagen, J. M., Raaijmakers, S. (2021): Hybrid Collective Intelligence in a Human-AI Society, in AI & Society Journal, March 2021 [6] Oswald, A. (2022): The Whole - More than the Sum of Its Parts! Self-Organization - The Universal Principle! in Ding R, Wagner R, Bodea CN (editors) Research on Project, Programme and Portfolio Management - Projects as an Arena for Self-Organizing, Lecture Notes in Management and Industrial Engineering, Springer Nature [7] Kissinger, H. A., Schmidt, E., Huttenlocher, D. (2021): The Age of AI: And Our Human Future, kindle edition [8] Vial, G., Cameron, A.-F., Giannelia, T. und Jiang, J. (2022): Managing artificial intelligence projects: Key insights from an AI consulting firm, Information Systems Journal, Seite 669-691, John Wiley & Sons Ltd. [9] Géron, A. (2020): Praxiseinstieg Machine Learning mit Scikit-Learn, Keras und Tensorflow, Konzepte, Tools und Techniken für intelligente Systeme, 2. Auflage, O’Reilly ® und dpunktverlag GmbH, Heidelberg [10] Generative AI (2023), https: / / generativeai.net/ zugegriffen am 29.06.2023 [11] Epstein, J. M., Axtell, R. (1996): Growing Artificial Societies - Social Science from the Bottom Up, The Brookings Institution, Washington D.C. [12] Complexity Explorer (2023), Agent-Based Models with Python: An Introduction to Mesa, ht tps: / / www.complexityexplorer.org/ courses/ 172-agent-based-models-with-python-an-introd uction-to-Mesa/ segments/ 17326, Santa Fe Institute, zugegriffen am 30.04.2023 [13] Oswald, Y., Malleson, N., Suchak, K. 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Koerting, Simone Neumann Abstract Die Rolle des Projektmanagers im Zeitalter der künstlichen Intelligenz (KI) steht vor tiefgreifenden Veränderungen und Herausforderungen. Mit der fortschreiten‐ den Integration von KI in Geschäftsprozesse müssen Projektmanager nicht nur die technologischen Entwicklungen verstehen, sondern auch deren Auswirkungen auf das Projektmanagement. In diesem Zusammenhang wird die Relevanz des Projektmanagers in einer von KI geprägten Welt diskutiert. Sowohl die Chancen als auch die potenziellen Gefahren und ethischen Herausforderungen, die sich aus dem Einsatz von KI im Projektmanagement ergeben, werden beleuchtet. Besonderes Augenmerk wird auf die Balance zwischen menschlichen Fähigkeiten und KI gelegt, um effektive und ethisch vertretbare Projektergebnisse zu erzielen. Ein tiefgreifendes Verständnis der Transformation des Projektmanagements durch KI ermöglicht es Projektmanagern, proaktive Entscheidungen zu treffen und sich auf die Zukunft vorzubereiten. Dieses Kapitel legt den Grundstein für das Erkennen von Chancen und die Bewältigung von Herausforderungen, die sich aus der Verbindung von Projektmanagement und KI ergeben. Es betont die Bedeutung von Weiterbildung, Anpassungsfähigkeit und ethischer Verantwortung in diesem sich schnell verändernden Umfeld. Stichwortliste Künstliche Intelligenz (KI), Technologie, Projektmanagement, Integration von KI, Transformation, Innovation und Fortschritt, Emotionale Intelligenz, Empathie und Intuition, Veränderungsmanagement, Zukunft der Projektmanager, Anpas‐ sungsfähigkeit, Interdisziplinäres Denken, Führung und Teambildung, Spiel und Strategie (z. B. Go-Spiel), Vier Räume der Veränderung (Schock, Verneinung, Verwirrung, Akzeptanz) 20.1 Einleitung Willkommen in der Zukunft des Projektmanagements - einer Zukunft, die von künst‐ licher Intelligenz (KI) geprägt ist und uns als Projektmanager und Projektbeteiligte vor spannende und aufregende Herausforderungen stellt. Die Welt verändert sich derzeit mit atemberaubender Geschwindigkeit, und die Rolle des Projektmanagers steht an der Spitze dieser Revolution. KI ist nicht mehr nur ein Begriff aus der Science Fiction, sie ist hier, sie ist Realität geworden und sie verändert alles. <?page no="252"?> Die Bedeutung dieses Themas ist nicht zu unterschätzen. Wir stehen an der Schwelle zu einer neuen Ära, in der KI nicht nur ein Werkzeug ist, sondern Partner und Katalysa‐ tor für Innovation, Fortschritt und die damit verbundenen Ergebnisse. Projektmanager sind die Brückenbauer in dieser neuen Welt, die Vermittler zwischen Technologie, Business, Projekt und Menschen. Während andere Berufe verschwinden und sich stark verändern, wird die Rolle des Projektmanagers über Erfolg oder Misserfolg entscheiden und die Fähigkeiten und Möglichkeiten jedes Einzelnen müssen sich weiterentwickeln. Aus meiner Sicht werden Projektmanager wichtiger denn je, da sie den ‚ganzen Laden‘ zusammenhalten müssen. Dieses Kapitel soll Sie auf diese Reise mitnehmen. Es wird Sie durch die technolo‐ gischen Grundlagen der KI führen, die Anwendungsbereiche im Projektmanagement aufzeigen und die menschlichen Aspekte hervorheben, die im Mittelpunkt unserer Arbeit stehen sollten. Es soll und wird Ihnen die Augen für die Herausforderungen und Chancen öffnen, die sich aus der Integration von KI in das Projektmanagement ergeben, und Ihnen die Werkzeuge an die Hand geben, die Sie benötigen, um erfolgreich zu sein. Dieses Kapitel ist mehr als eine theoretische Abhandlung; es ist ein Aufruf zum Handeln und zur eigenen Veränderung und Weiterentwicklung. Es fordert Sie auf, Ihre gegenwärtige Situation und Einstellung zu reflektieren, Ihre Fähigkeiten zu schärfen, Ihre Perspektive zu erweitern und sich auf die Zukunft vorzubereiten. Es betont die Bedeutung menschlicher Qualitäten wie emotionale Intelligenz, Empathie und Intuition in einer von KI geprägten Zukunft und zeigt Ihnen, wie Sie diese Qualitäten nutzen können, um Ihren eigenen Wert, den Wert Ihres Teams und den Wert Ihrer Projekte zu maximieren. Die Zukunft wartet nicht. Der Status quo verändert sich ständig und mit unglaubli‐ cher Geschwindigkeit. Dieser Beitrag bietet Orientierung, dient als Leitfaden, ist ein Kompass durch unsicheres und manchmal überforderndes Terrain und gleichzeitig ein Werkzeugkasten für die eigene Weiterentwicklung. Jetzt ist die große Chance, sich auf die Zukunft vorzubereiten und in einer zunehmend technologiegetriebenen Welt weiterhin erfolgreich zu sein. Denn … die Zukunft beginnt jetzt. 20.2 Historie und aktuelle Anwendungsbereiche Die Entwicklung der künstlichen Intelligenz (KI) ist nicht nur ein technologisches Wunder, sondern auch ein lebendiger Beweis für menschliche Innovation und Ent‐ schlossenheit. Von den Grundlagen bis zur Spitzentechnologie ist KI ein Gebiet, das uns dazu inspiriert, über das Bekannte hinauszugehen und das Unbekannte zu erforschen. Und KI ist schon lange unter uns … länger als wir vielleicht denken … und viele nutzen KI bereits, ohne es vielleicht zu wissen. Künstliche Intelligenz (KI) hat ihre Wurzeln nicht in der jüngsten Vergangenheit, sondern blickt auf eine jahrzehntelange Entwicklung zurück. 252 20 Der Einfluss der Künstlichen Intelligenz auf die Rolle des Projektmanagers <?page no="253"?> Bereits 1942 wurde das erste neuronale Netz vorgestellt und 1961 konnten einfache Gespräche simuliert werden. Doch trotz der vielen Entwicklungen blieb der endgültige Durchbruch der KI aus. Ein Grund dafür war die begrenzte Rechenleistung. Doch mit dem Mooreschen Gesetz, das eine Verdoppelung der Rechenleistung alle einein‐ halb Jahre vorhersagt, erlebte die KI einen Aufschwung. Dieses Gesetz stößt zwar an physikalische Grenzen, aber Quantencomputer könnten in Zukunft unendliche Rechenkapazitäten bieten und die Entwicklung der KI weiter vorantreiben. So hat sich die künstliche Intelligenz unauffällig, aber stetig in unseren Alltag geschlichen und ihre Anwendungen sind mittlerweile vielfältiger, als man auf den ersten Blick vermuten würde. ■ Sprachassistenten: Siri, Alexa und andere Sprachassistenten sind mittlerweile zu einem festen Bestandteil vieler Haushalte geworden. Während Siri vielleicht nicht immer auf dem neuesten Stand der Bundesliga-Ergebnisse ist, kann Alexa in relativ kurzer Zeit auf neue Informationen aktualisiert werden. ■ Mobilität und Automatisierung: In der Automobilbranche hat die KI-Techno‐ logie ebenfalls Fortschritte gemacht. Viele moderne Fahrzeuge sind heutzutage mit halbautonomen Systemen ausgestattet, die den Fahrer bei der Navigation und Steuerung unterstützen. Premium-Autos, wie die von Tesla, haben diese Technologie bereits vor vielen Jahren integriert, und bieten die Möglichkeit, sie gegen eine Gebühr freizuschalten. ■ Sicherheit im Finanzsektor: Beim Thema Sicherheit haben KI-Systeme eine entscheidende Rolle eingenommen, besonders im Finanzsektor. Bei Zahlungen mit Kreditkarten wie der Mastercard, werden betrügerische Aktivitäten mithilfe von KI-Systemen erkannt, die das ungewöhnliche Zahlungsverhalten überwachen. ■ Spiel und Strategie: Ein herausragendes Beispiel für den Einfluss der KI ist das Go-Spiel. Go, ein komplexes Brettspiel, das mehr mögliche Spielkombinationen aufweist, als es Atome im Universum gibt, stellte eine Herausforderung für KI dar. Doch im Jahr 2018 gelang es einer KI, den besten Go-Spieler der Welt zu besiegen. In der Projektwirtschaft hat die KI die Chance, zum Leitstern zu werden. Projekte verbinden Technologien, Menschen und den Veränderungsbedarf von Unternehmen und Organisationen. KI wird sich auf alle drei Bereiche auswirken. Unternehmen sind geradezu gezwungen, sich mit KI auseinanderzusetzen und sie in ihr Geschäftsmodell, ihre Produkte und Dienstleistungen sowie in alle Kernprozesse zu integrieren. Daher ist die Zukunft von Projektmanagern im Zeitalter der KI nicht nur sicher, sondern auch spannend. Ihre Rolle wird nicht obsolet, sondern zentraler und wich‐ tiger. Mit Fähigkeiten wie technischem Verständnis, Anpassungsfähigkeit, Kommu‐ nikationsfähigkeit, interdisziplinärem Denken, Führung und Teambildung werden Projektmanager die Brückenbauer der Zukunft sein. Sie verbinden und integrieren unterschiedliche Welten. 20.2 Historie und aktuelle Anwendungsbereiche 253 <?page no="254"?> 20.3 Die Vier Räume der Veränderung … neu gedacht Das Modell der „Vier Räume des Wandels“ von Claes Janssen [2] ist ein lebendiges Beispiel dafür, wie schnell KI derzeit die Welt und uns Menschen verändert. Die aktuelle Entwicklung schreitet so schnell voran, dass bestehende Modelle des Change Manage‐ ments ad absurdum geführt werden … wie zum Beispiel ein lange etabliertes Modell des Change Managements, das vier Räume des Wandels beschreibt, die Menschen und Organisationen durchlaufen: ■ Raum des SCHOCKS: Dies ist die erste Reaktion auf eine plötzliche Veränderung, ein Gefühl des Unbehagens und der Unsicherheit. ■ Raum der VERNEINUNG: Hier wird die Veränderung abgelehnt oder als irrele‐ vant betrachtet. Individuen glauben, dass sie von der Veränderung nicht betroffen sind oder dass sie bald vorübergehen wird. ■ Raum der VERWIRRUNG: In dieser Phase herrscht Unsicherheit darüber, wie man sich an die neue Situation anpassen oder sie verstehen kann. Es entstehen Fragen über die Auswirkungen der Veränderung und darüber, wie man weiterma‐ chen soll. ■ Raum der AKZEPTANZ: Schließlich wird die Veränderung anerkannt und akzep‐ tiert, und man beginnt sich anzupassen. In der heutigen komplexen und sich schnell verändernden Welt, insbesondere im Zusammenhang mit Technologien wie der künstlichen Intelligenz, reichen diese vier Räume jedoch nicht mehr aus. Es ist zu beobachten, dass viele Menschen zwar von diesen Technologien gehört haben, aber nicht wirklich verstehen, was sie bedeuten oder wie sie funktionieren. ■ Raum der AHNUNGSLOSIGKEIT: Bevor überhaupt eine Reaktion auf eine Veränderung erfolgt, gibt es eine Phase der Unwissenheit. Hier sind sich Individuen oder Organisationen einer anstehenden Veränderung noch nicht bewusst oder haben noch nicht genug Informationen, um sie zu erkennen. Dieser Raum ist derzeit noch gut gefüllt. Laut einem Spiegel-Artikel vom Juni 2023 [1], also ein halbes Jahr nachdem chatGPT es in die Tagesschau geschafft hat, haben 6 von 10 Deutschen noch nichts von der Entwicklung der KI gehört, geschweige denn sich damit beschäftigt oder es ausprobiert. Darüber hinaus gibt es zwei weitere Räume, die es zu berücksichtigen gilt, denn angesichts der tiefgreifenden Auswirkungen von Technologien wie der Künstlichen Intelligenz reicht Akzeptanz allein leider nicht mehr aus: ■ Raum der INTEGRATION: Hierbei geht es nicht nur darum, die Veränderung zu akzeptieren, sondern sie auch in unsere täglichen Arbeitsabläufe und unser Denken zu integrieren. Es ist ein Prozess des Verstehens und der Anpassung, um die Vorteile der Veränderung voll auszuschöpfen. 254 20 Der Einfluss der Künstlichen Intelligenz auf die Rolle des Projektmanagers <?page no="255"?> ■ Raum der TRANSFORMATION: In diesem Raum nutzt man die Veränderung, um positive Ergebnisse sowohl für sich selbst als auch für andere zu erzielen. Es geht darum, die Veränderung zu nutzen, um sich weiterzuentwickeln und zu wachsen. Es ist notwendig, über die bloße Akzeptanz hinauszugehen und die Räume der Inte‐ gration und Transformation zu betreten. Nur so können Unternehmen und Individuen die Vorteile dieser Entwicklungen voll ausschöpfen und sich in der modernen Welt erfolgreich weiterentwickeln. #1 SCHOCK #2 VERNEINUNG #4 AKZEPTANZ #1 VERWIRRUNG #0 AHNUNGS- LOSEN #5 INTEGRATION #6 TRANSFOR- MATION Abb. 20-1: 4+3 Räume der Veränderung Insbesondere als verantwortlicher Projektleiter sind zwei Dinge wichtig. Zum einen ist es notwendig, nicht nur schnell durch diese Räume zu gehen und das Neue zu integrieren, zu transformieren und sich anzupassen … sondern auch alle Menschen (denn Projekte bestehen aus Menschen und das macht es spannend) mitzunehmen … unabhängig davon, in welchem Raum sie sich gerade befinden … und sich darauf einzustellen, dass nicht alle schon im Raum der Transformation sind. Darüber hinaus ist es notwendig, diesen Zyklus immer wieder zu durchlaufen, denn die Technologie entwickelt sich derzeit in einem rasanten Tempo, so dass wir uns immer wieder im Raum der Ahnungslosen befinden und die nächsten Räume durchlaufen dürfen, bis der Zyklus wieder von vorne beginnt. 20.4 Fallstudien und Anwendungsbereiche Künstliche Intelligenz (KI) hat das Projektmanagement nicht nur erreicht, sondern wird es in bisher unvorstellbarer Weise revolutionieren. KI wird Türen öffnen, die bisher verschlossen waren, und Möglichkeiten schaffen, die weit über das traditionelle Projektmanagement hinausgehen. Mit einer Dynamik, die sowohl inspirierend als auch transformativ ist, wird KI die Landschaft des Projektmanagements neu gestalten. Von der Automatisierung von Routineaufgaben bis zur Verbesserung der Teamdy‐ namik, von der präzisen Risikobewertung bis zur Förderung der Nachhaltigkeit - KI 20.4 Fallstudien und Anwendungsbereiche 255 <?page no="256"?> ist hier, um zu bleiben, und sie verändert alles. Sie ist nicht nur ein Werkzeug, sondern ein Partner, der Projektmanager bei ihrer Arbeit unterstützt und bereichert. Die Anwendungsbereiche von KI im Projektmanagement sind vielfältig, innovativ und zukunftsweisend und markieren einen Wendepunkt in der Art und Weise, wie Projekte geplant, durchgeführt und überwacht werden. Wir leben in einer aufregenden Zeit, und KI steht im Zentrum dieser Aufregung, indem sie die Grenzen des Machbaren verschiebt und das Projektmanagement in eine neue Ära führt. Es gibt bereits einige Beispiele, wie KI das Projektmanagement verändert … Hier eine Auswahl namhafter Unternehmen, die KI bereits in ihr Projektmanagement integriert haben. ■ Siemens im Risikomanagement: Siemens hat die Möglichkeiten der KI im Risikomanagement erkannt und nutzt Machine Learning, um potenzielle Risiken frühzeitig zu identifizieren. Durch die Analyse großer Datenmengen kann das System Muster erkennen, die auf zukünftige Probleme hinweisen könnten. Diese proaktive Herangehensweise ermöglicht es Siemens, Risiken zu mindern, bevor sie zu ernsthaften Problemen werden, und trägt zu einer effizienteren und sichereren Projektumsetzung bei. ■ IBM Watson in der Ressourcenoptimierung: IBM Watson nutzt KI, um die Res‐ sourcen in Projekten zu optimieren. Durch die Analyse von Mitarbeiterfähigkeiten, Projektanforderungen und anderen Variablen kann das System sicherstellen, dass jeder Mitarbeiter dort eingesetzt wird, wo er am besten passt. Diese intelligente Zuweisung von Ressourcen führt zu einer effizienteren Projektumsetzung und einer höheren Mitarbeiterzufriedenheit. ■ Accenture in der Automatisierung von Routineaufgaben: Accenture hat KI- Technologien eingesetzt, um Routineaufgaben zu automatisieren, die Projektma‐ nager oft viel Zeit kosten. Durch die Automatisierung von Prozessen wie Berichter‐ stattung und Datenerfassung können Projektmanager sich auf strategischere und wertvollere Aufgaben konzentrieren. Dies steigert nicht nur die Effizienz, sondern ermöglicht auch innovativere und kreativere Ansätze im Projektmanagement. ■ Slack in der Teamkommunikation: Slack hat die Teamkommunikation mit KI neu definiert. Durch den Einsatz von intelligenten Bots und Algorithmen werden Informationen schneller verfügbar, und die Zusammenarbeit wird effizienter. Teams können in Echtzeit kommunizieren, und die KI kann relevante Informatio‐ nen und Ressourcen bereitstellen, um den Arbeitsfluss zu unterstützen. ■ Microsoft in der Analyse von Teamdynamik: Microsoft versteht, dass Emo‐ tionen in Projekten zählen. Mit KI-Tools analysieren sie die Teamdynamik, um bessere Leistungen zu erzielen. Durch die Analyse von Kommunikationsmustern, Feedback und anderen menschlichen Faktoren kann das System Empfehlungen geben, um die Teamzusammenarbeit und -leistung zu verbessern. ■ Salesforce Einstein in der Stakeholder-Analyse: Salesforce Einstein nutzt KI, um die Bedürfnisse und Erwartungen von Stakeholdern zu analysieren. Durch die Analyse von Daten wie Kundeninteraktionen, Marktrends und Feedback kann 256 20 Der Einfluss der Künstlichen Intelligenz auf die Rolle des Projektmanagers <?page no="257"?> das System personalisierte Insights und Strategien liefern, um die Stakeholder- Beziehungen zu stärken. ■ Google DeepMind in der Nachhaltigkeit: Google DeepMind setzt auf KI, um den Energieverbrauch in Projekten zu optimieren. Durch die Analyse von Energieverbrauchsmustern und Umweltfaktoren kann das System Empfehlungen geben, um den Energieverbrauch zu reduzieren und die Nachhaltigkeit zu fördern. Dies trägt nicht nur zu umweltfreundlicheren Projekten bei, sondern kann auch Kosten einsparen. Es ist klar, dass KI im Projektmanagement mehr als nur eine technologische Innovation ist. Es ist eine Revolution. Die Beispiele zeigen, dass KI nicht nur Prozesse automatisiert oder die Effizienz steigert, sondern auch menschliche Fähigkeiten erweitert und neue Wege für Innovation und Wachstum schafft. Die Zukunft des Projektmanagements wird von KI geprägt sein, und diejenigen, die diese Technologien effektiv nutzen, werden erfolgreich sein. Wie wir sehen, hat sich Künstliche Intelligenz (KI) in den letzten Jahren zu einem bestimmenden Faktor im Projektmanagement entwickelt. Sie beeinflusst sowohl die Ergebnisse von Projekten als auch die Art und Weise, wie Projekte durchgeführt werden. Dabei lassen sich drei Hauptrichtungen erkennen und ableiten. ■ KI als Teil des Projektmanagements: Wie die oben genannten Beispiele zeigen wird KI bereits in vielen Organisationen eingesetzt, um das ‚Projektmanagement‘ zu unterstützen. Ob in der Planung, im Ressource Management, im Risikomanage‐ ment oder in der Analyse oder in nahezu allen Bereichen des Projektmanagements wird in Zukunft KI nicht mehr wegzudenken sein und die Arbeit der Teammitglie‐ der als auch der verantwortlichen Projekt Manager maßgeblich unterstützen. ■ KI zur ‚Herstellung‘ von Projektergebnissen: Neben der Unterstützung des Projektteams und des Projektmanagements ist KI bereits vielerorts als integraler Bestandteil für das Entwickeln und Entstehen lassen von Projektergebnissen im Einsatz. Ob zur Entwicklung und Dokumentation von Software, oder in Robotern oder bei der Steuerung von Verwahren und Prozessen, oder auch bei der Qualitäts‐ sicherung des Endergebnisses. ■ KI als Teil des Projektergebnisses: In vielen modernen Projekten ist KI nicht mehr nur ein Hilfsmittel, sondern maßgeblich für das Ergebnis. In einigen Fällen wird die KI nicht nur dazu verwendet, Ergebnisse zu generieren, sondern stellt sogar den Hauptbestandteil des Projektoutputs dar. Das bedeutet, dass KI-Techno‐ logien immer häufiger Teil des zu liefernden Produkts oder der Dienstleistung sind. Die Herausforderung und Chance besteht darin, KI so einzusetzen, dass sie die menschlichen Fähigkeiten in allen Projektbereichen ergänzt und nicht ersetzt. Es geht darum, eine harmonische Symbiose zwischen Menschen und Technologie im Projekt‐ management zu schaffen. Die wachsende Rolle von KI im Projektmanagement bedeutet nicht das Ende der menschlichen Beteiligung, sondern eine Veränderung der Art und Weise, wie Projekte gemanagt und umgesetzt werden. Es liegt in der Verantwortung 20.4 Fallstudien und Anwendungsbereiche 257 <?page no="258"?> der heutigen Projektmanager, diesen Wandel zu verstehen, sich anzupassen und die Möglichkeiten der KI zu nutzen, um erfolgreiche Projekte zu realisieren. 20.5 Menschliche Faktoren, Ethik und Herausforderungen In der Welt der KI ist Ethik nicht nur ein Konzept; es ist unsere Verantwortung, und der offene Brief, der den Stopp von KI-Modellen fordert, ist ein lebendiger Beweis dafür. Dieser von Experten und Interessengruppen unterzeichnete Brief wirft drängende Fragen auf und fordert uns auf, die rasante Entwicklung der KI verantwortungsvoll zu steuern. Es ist ein Weckruf, ein Aufruf zum Handeln, der die Notwendigkeit betont, sicherzustellen, dass KI-Systeme sicher, fair und transparent entwickelt wer‐ den. Er fordert uns auf, die Auswirkungen dieser Entwicklungen zu verstehen und Verantwortung für die Zukunft zu übernehmen. Projektmanagern kommt dabei eine neue Rolle zu. Sie sind Mitgestalter der Zukunft und haben die Verantwortung, diese Entwicklung in geordnete Bahnen zu lenken. Transparenz, Fairness, Datenschutz und Diskriminierungsfreiheit sind Leitsterne, die es zu berücksichtigen und zu reflektieren gilt. Neben den ethischen Faktoren birgt die Integration von KI in das Projektmanage‐ ment auch Risiken und Herausforderungen. Die rasante Entwicklung von KI-Techno‐ logien kann zu Unklarheiten und Verwirrung führen. Die „sieben Räume des Wandels“ veranschaulichen die Vielfalt menschlicher Reaktionen auf KI, von Ahnungslosigkeit bis hin zu Transformation. Projektmanager müssen in der Lage sein, mit dieser Vielfalt umzugehen, während sie mit KI-Technologien arbeiten. Besondere Risiken und Herausforderungen: ■ Datenschutz: Wie schützen wir persönliche und sensible Daten, wenn KI-Systeme ständig Informationen sammeln und analysieren? Die Einhaltung von Daten‐ schutzbestimmungen und die Gewährleistung der Vertraulichkeit sind entschei‐ dend. ■ Diskriminierung und Bias: KI-Modelle könnten unbewusste Vorurteile verstär‐ ken, die in den Daten vorhanden sind, auf denen sie trainiert wurden. Wie vermeiden wir, dass Menschen durch KI marginalisiert oder isoliert werden? ■ Sicherheit und Verantwortung: Wie stellen wir sicher, dass KI-Technologien sicher und verantwortungsbewusst eingesetzt werden? Die Implementierung von Sicherheitsprotokollen und ethischen Richtlinien ist unerlässlich. ■ Mensch-Maschine-Interaktion: Die Herausforderung besteht darin, die ver‐ schiedenen Räume, Menschen und KI-Technologien miteinander zu verbinden und zu integrieren, ohne die menschliche Intuition und Empathie zu verlieren. Die Risiken und Herausforderungen der KI sind auch unsere Chancen für Verände‐ rungen, die sich aus dem Einzug der KI in die Gesellschaft ergeben. Projektmanager haben nun die zusätzliche Verantwortung, sich diesen Herausforderungen, den auf‐ kommenden Fragen und den daraus resultierenden Erkenntnissen zu stellen und den 258 20 Der Einfluss der Künstlichen Intelligenz auf die Rolle des Projektmanagers <?page no="259"?> Prozess zu erleichtern, Klarheit zu schaffen und Veränderungen zu ermöglichen. Diese Herausforderungen zu ignorieren, unter den Teppich zu kehren oder sich ihnen zu widersetzen, ist aus meiner Sicht der falsche Ansatz. Es braucht eine konstruktive Auseinandersetzung mit diesen Themen und einen Dialog im Team und darüber hinaus, um diese Herausforderungen anzunehmen und in Chancen für das Projekt und die Organisation umzuwandeln. Die Rolle des Projektmanagers wird und muss sich weiterentwickeln und an Bedeutung gewinnen. Mit den richtigen Fähigkeiten, der richtigen Einstellung und einem klaren Verständnis sollte jeder bereit und in der Lage sein, im Projekt, im Team und in einer von KI geprägten Zukunft erfolgreich zu agieren. 20.6 Zukunftsperspektiven und Fähigkeiten Zukunftsperspektiven Die Zukunft des Projektmanagements ist nicht nur eine Vision, sondern eine lebendige Realität, die von uns gestaltet wird. Mit Künstlicher Intelligenz (KI) an unserer Seite stehen wir an der Schwelle zu einer Revolution, die weit über das hinausgeht, was wir bisher kannten. Automatisierung, Emotionserkennung, proaktive Risikobewertung, Nachhaltigkeit und Echtzeitanalyse sind nicht nur Schlagworte, sondern die Bausteine unserer Zukunft. Sie sind die Werkzeuge, mit denen wir die Grenzen des Machbaren verschieben und das Projektmanagement in eine neue Ära führen werden. Die nächste Generation von Projektmanagern wird nicht nur Technologieversteher sein, sondern Pioniere, Innovatoren und Visionäre. Mit einem tiefen Verständnis von KI, erweiterten Kommunikationsfähigkeiten, adaptiver Führung und ethischer Weitsicht werden wir Brückenbauer zwischen Mensch und Maschine sein. Herausforderungen sind keine Hindernisse, sie sind unsere Chancen. Risiken sind keine Bedrohungen, sondern unsere Inspiration. Die Zukunft des Projektmanagements im Zeitalter der KI ist nicht nur vielversprechend; sie ist inspirierend. Sie fordert uns auf, größer zu denken, mutiger zu sein und gemeinsam eine Welt zu schaffen, in der KI nicht nur eine Technologie, sondern ein Partner ist. Die Zukunft gehört uns und wartet darauf, von uns gestaltet zu werden. Erforderliche Fähigkeiten und Weiterbildung Weiterbildung ist nicht nur eine Option, sie liegt in unserer Verantwortung, in der Ver‐ antwortung aller, die in Projekten arbeiten. Wir müssen uns ständig weiterentwickeln, um mit den schnellen Veränderungen Schritt zu halten. Wir müssen lernen, wachsen und uns anpassen, um erfolgreich zu sein. Wir müssen die menschlichen Aspekte in den Vordergrund stellen, um sicherzustellen, dass die Technologie die menschlichen Fähigkeiten ergänzt und nicht ersetzt. 20.6 Zukunftsperspektiven und Fähigkeiten 259 <?page no="260"?> ■ Technisches Verständnis von KI: Projektmanager müssen die Grundlagen von KI, Machine Learning und Datenanalyse verstehen. Weiterbildungen in diesen Bereichen werden entscheidend sein. ■ Adaptive Führung: Die Fähigkeit, Teams in einer sich ständig verändernden technologischen Landschaft zu führen, wird von zentraler Bedeutung sein. Füh‐ rungskräftetrainings, die auf die KI-Ära zugeschnitten sind, können hierbei hilf‐ reich sein. ■ Kommunikation mit verschiedenen Stakeholdern: Projektmanager müssen sowohl mit technischen Experten als auch mit Geschäftsleuten kommunizieren können. Kommunikationstrainings, die auf die Vermittlung zwischen diesen Grup‐ pen abzielen, werden wertvoll sein. ■ Ethik und Verantwortung: Da KI auch ethische Herausforderungen mit sich bringt, müssen Projektmanager in der Lage sein, diese zu navigieren. Kurse in Technologieethik könnten hier von Nutzen sein. Wir müssen uns dieser Entwicklung stellen, die übrigens mit der ersten AI-Ausbildung nicht endet, sondern erst beginnt. Es ist ein kontinuierlicher Kreislauf und eine kontinuierliche Entwicklung, die hier stattfinden muss. 20.7 Fazit Das Zeitalter der Künstlichen Intelligenz (KI) im Projektmanagement markiert einen Wendepunkt. KI hat das Projektmanagement revolutioniert und wird dies auch wei‐ terhin tun, indem sie bisher unvorstellbare Möglichkeiten eröffnet. Trotz ihrer beeindruckenden technologischen Fähigkeiten ist es nicht die reine Rechenkraft oder Automatisierung, die die KI so wertvoll macht. Die wahre Stärke der KI liegt in ihrer Fähigkeit, menschliche Qualitäten wie Empathie, Intuition und Ethik zu ergänzen. Projektmanager sind die Brückenbauer dieser Transformation, die Vermittler zwischen der Logik der Maschinen und der Empathie der Menschen. Die Rolle des Projektmanagers wird immer wichtiger und steht im Zentrum dieser Transformation. Die Frage, ob der Projektmanager im Zeitalter der KI noch relevant ist, wurde in diesem Kapitel nicht nur beantwortet, sondern mit einem klaren „Ja“ unterstrichen. Die Herausforderung besteht nicht nur darin, mit den technologischen Verände‐ rungen Schritt zu halten, sondern auch darin, die menschlichen Aspekte in den Vordergrund zu stellen. Investitionen in Ausbildung, ethische Überlegungen und die Betonung menschlicher Qualitäten werden entscheidend sein. Die Rolle des Projektmanagers wird in einer von Technologie geprägten Welt nicht nur überleben, sondern aufblühen. KI wird das Projektmanagement nicht ersetzen, sondern bereichern. Sie wird neue Möglichkeiten eröffnen, die weit über das bisher Denkbare hinausgehen und die Rolle des Projektmanagers zentraler und wichtiger machen. Projektmanager sind nicht mehr nur Prozessverwalter, sondern Mittler 260 20 Der Einfluss der Künstlichen Intelligenz auf die Rolle des Projektmanagers <?page no="261"?> zwischen Technik, Menschen und Innovation, die Brücken bauen zwischen der Logik der Maschinen und der Empathie der Menschen. Wir sollten die Räume der Akzeptanz, der Integration und der Transformation frühzeitig betreten, um den Wandel mitzugestalten und in die richtigen Bahnen zu lenken und so zu aktiven Gestaltern der Zukunft und nicht zu Spielbällen des Geschehens zu werden. 20.8 Im Zyklus der Ahnungslosen - als Poetry Slam Sie sagen, wir leben im Zeitalter der Aufklärung, Doch hier bin ich, wieder in der Ahnungslosigkeit, wieder am Anfang. Künstliche Intelligenz, dieses Biest, das sich rasant dreht, Und ich frage mich, bin ich zu spät? Denn während ich versuche, den ersten Raum zu betreten, Hat die Technologie schon zehn weitere Schritte getan, kannst du es erraten? Der Schock, die Verneinung, dann die Verwirrung, die mich umgibt, Bis ich endlich akzeptiere und mir selbst vergebe, dass ich zurückblieb. Integration - da versuche ich, mit dem Strom zu schwimmen, Doch das Wasser der Technologie zieht mich runter, lässt mich fast ertrinken. Transformation - jetzt nicht nur ein Wandel, sondern eine Reise, In einer Welt, in der das Lernen niemals aufhört, so ist der Preis. Doch hör zu, das ist der Zyklus, den wir alle durchleben, In dieser digitalen Arena, in der wir alle streben. Die Technologie wird immer lauter, immer neu, Und wir müssen immer wieder lernen, für mich, für dich, für das gesamte Team. Also lasst uns die Räume durchqueren, immer wieder, Schritt für Schritt, Denn im Herzen des Lernens finden wir den wahren Hit. Akzeptanz, Integration, Transformation, der Rhythmus der Zeit, Denn das ist das Leben in der digitalen Zeit, bereit? Literatur [1] Spiegel.de - 4 von 10 Deutschen … (2023), https: / / www.spiegel.de/ netzwelt/ chatgpt-vier-vo n-zehn-deutschen-haben-schon-ki-chatbots-einmal-ausprobiert-a-2e9ab6cd-5d98-41cb-9398 -820e79ae2368 [2] Janssen, C. (1996): Four Rooms of Change, 1996 20.8 Im Zyklus der Ahnungslosen - als Poetry Slam 261 <?page no="263"?> Teil D: Unterstützung von Projektfunktionen <?page no="265"?> 21 Einsatz von KI im Projektmarketing: Potenziale und Vorgehensweise Claudia Bornemeyer, Silke Schönert Abstract Systematisches Projektmarketing ist bisher wenig etabliert, gleichwohl Kommu‐ nikation als wichtiger Erfolgsfaktor in Projekten anerkannt ist. Insbesondere Künstliche Intelligenz bietet hier die Möglichkeit, effizient, interdisziplinär und wirksam konzeptionelle und operative Maßnahmen, die sich an interne oder externe Zielgruppen richten, entlang des Projektlebenszyklus zu unterstützen. Stichwortliste Kommunikation, Projektmarketing, Projektlebenszyklus, Künstliche Intelligenz 21.1 Einleitung Ein Projekt ist ein zeitlich begrenztes Vorhaben mit klaren Zielen, das sich von wiederkehrenden Routinearbeiten unterscheidet. Es verfolgt einen bestimmten Zweck und endet mit der Erfüllung dieser Ziele. Projekte sind einzigartig in der Gesamtheit der Bedingungen und komplex, erfordern verschiedene Ressourcen und interdisziplinäres Wissen. Aus der Einbindung in ein vielschichtiges Feld von Interessen resultiert die Notwen‐ digkeit, kommunikative Maßnahmen zu planen und umzusetzen. Das Marketing liefert hier als eigenständige Disziplin wertvolle Ansätze, die langjährig und vielfach mit un‐ terschiedlichen Anwendungsbezügen erforscht sind, wie im Dienstleistungsmarketing, im Stadtmarketing oder Hochschulmarketing. Ähnlich wie bei dem Begriff Projekt gibt es auch eine fast unüberschaubare Anzahl an Definitionen des Begriffs Marketing. Die American Marketing Association als ein zentraler Verband von Marketing Akademikern und Praktikern liefert regelmäßig aktualisierte, anerkannte Definitionen des Marketing. Sie definiert Marketing als „the activity, set of institutions, and processes for creating, communicating, delivering, and exchanging offerings that have value for customers, clients, partners, and society at large” (zitiert bei Decker et al., 2015). Dabei werden nach Homburg (2020) eine interne und eine externe Facette des Marketing unterschieden. Die externe Facette umfasst dabei Entwicklung und Umsetzung marktbezogener Aktivitäten eines Unternehmens, die sich an Käufer oder potenzielle Käufer seiner Produkte und Dienstleistungen richten. Das interne Marketing verfolgt die Zielsetzung, die notwendigen Voraussetzungen innerhalb des Unternehmens zu schaffen, um die Umsetzung der oben genannten Aktivitäten zu ermöglichen. <?page no="266"?> 1 In dieser Studie wurden 25 Projektverantwortliche aus KMU und Großunternehmen unterschiedli‐ cher Branchen befragt, siehe auch RFH, 2020. Beide Perspektiven zielen dabei auf die bestmögliche Gestaltung der Kundenbe‐ ziehungen im Sinne der Zielsetzung des Unternehmens insgesamt ab (Homburg, 2020). Hier kommt auch ein Paradigmenwechsel im Marketing zum Ausdruck: von einer Transaktionsorientierung hin zum sog. Beziehungsmarketing. Decker et al. (2015) führen aus, dass ausgehend von einem wahrnehmbaren Kundennutzen eine langfristige Kundenbeziehung etabliert werden kann, die wiederum die Basis für den ökonomischen Erfolg eines Unternehmens darstellt. Diese Wirkungskette lässt sich auch auf das Projektmarketing übertragen. Projektmarketing bezeichnet die strategische Positionierung und Repräsentation eines Projekts innerhalb seines relevanten Umfelds und die Ausrichtung dieses Umfelds im Einklang mit den definierten Projektzielen. Das vorrangige Ziel des Projektmar‐ keting besteht darin, die Zustimmung und Unterstützung diverser Zielgruppen zu erhöhen, um eine förderliche Gestaltung des Projektumfelds zu bewirken und somit die Erreichung der Projektziele zu gewährleisten (Friedrich, 2012). Durch gezielte Anwendung des Projektmarketing üben die Projektbeteiligten einen zielgerichteten Einfluss aus, um die Akteure zu Handlungen zu motivieren, die im Interesse des Projekts liegen (Freitag, 2016). Eine 2020 an der Rheinischen Fachhochschule Köln durchgeführten Studie zum Projektmarketing 1 ergab, dass die Bereitschaft Projektmarketing einzusetzen in Un‐ ternehmen hoch ist, ebenso wird eine starke Sinnhaftigkeit darin gesehen. Als beein‐ trächtigende Faktoren wurden die dafür benötigte Zeit, das fehlende Budget oder die ausbleibende Akzeptanz des Managements gesehen, weiterhin fehlendes Knowhow, Standards und Best Practices. Dem standen die positiven Erwartungen in Gestalt eines modernen Unternehmens‐ image, einer strategischen Schwerpunktsetzung und eines erhöhten Bekanntheitsgrads entgegen, welche auf Unternehmensebene wirken. Projektbezogen erwarteten die Befragten weniger Widerstand und mehr Beteiligung in den Projekten zu erlangen. Das Projektmarketing richtet sich über die Stakeholder hinaus auch an Personen oder Gruppen, die (noch) kein Interesse am Projektverlauf oder Projektergebnis haben oder nicht erkennen, dass Sie Interesse haben sollten, die jedoch wichtig für den Erfolg des Projektes sind, wie zukünftige Mitarbeitende, Sponsoren oder Nutzer und Nutzerinnen des Projektergebnisses. Die Projektkommunikation umfasst demgegenüber alle kommunikativen Tätigkei‐ ten in Projekten und, neben Stakeholdermanagement und Projektmarketing, formelle und informelle Kommunikation, schriftliche und mündliche Kommunikation und somit kommunikative Tätigkeiten aller Zielrichtungen wie etwa Informieren, Feedback geben, Verhandlungen führen, Meetings moderieren und Reporting. Das Stakeholdermanagement ist damit ein Teilbereich des Projektmarketings und beide sind Teile der Projektkommunikation. 266 21 Einsatz von KI im Projektmarketing: Potenziale und Vorgehensweise <?page no="267"?> Projektmarketing umfasst den geplanten und zeitlich begrenzten Einsatz von Mar‐ ketingmaßnahmen zur gezielten Steuerung des erweiterten Projektumfeldes zur stra‐ tegischen Absicherung des Projekterfolgs. Dabei kann auch bereits die Vermarktung des zu erzielenden Ergebnisses antizipiert werden. Projektkommunikation Projektmarketing Stakeholdermanagement Abb. 21-1: Zusammenhang Stakeholdermanagement, Projektmarketing und Projektkommunikation Das Projektmarketing steht heute noch am Anfang seiner Entwicklung. Die bisherigen Ausführungen zeigen, dass das Marketing in diesem Kontext eine eher kommunikativvertriebliche Orientierung aufweist. Kuster et al. (2019, S. 97f.) betonen in Ihren Ausführungen zum Projektmarketing die Aspekte des „Verkaufens“ eines Projektes und die dazu notwendigen kommunikativen Aktivitäten in der Projektinitiierungsphase, während der Projektlaufzeit und in der Abschlussphase eines Projektes. Infolgedessen leistet das Projektmarketing einen essentiellen Beitrag zur Gewähr‐ leistung eines erfolgreichen Projektabschlusses, wodurch es eine bedeutende Schlüs‐ selrolle für den Projekterfolg einnimmt. 21.1 Einleitung 267 <?page no="268"?> 21.2 Besonderheiten des Projektmarketing Ein Projekt hat per Definition ein festgelegtes Ziel, so dass jede Projektdurchführung als „Weg zum Ziel“ aufgefasst werden kann. Betrachtet man die lateinische Herkunft des Begriffes Projekt, so erkennt man die Stammwörter „pro“ und „icio“, dies bedeutet zusammen „nach vorne werfen“ und dies weist bereits auf den Charakter einer zurückzulegenden Strecke hin. Dementsprechend gilt es im Projektmarketing einen Weg kommunikativ zu beglei‐ ten. Jedes Projekt ist mit Risiken behaftet und in vielen Definitionen von Projekten und Projektmanagement wird Risikoreichtum explizit herausgestellt. Das heißt, das Projektmarketing richtet sich auf ein Objekt, dessen Realisierung keineswegs gesichert ist und daher als „Versprechen“ zu werten ist. Es werden im Projektmarketing, je nach Absicht - z. B. Mitarbeitende gewinnen, potenzielle Geldgeber finden, Öffentlichkeit informieren - unterschiedliche Zielgrup‐ pen mit unterschiedlichen Botschaften adressiert. Entsprechend der Phasen des Pro‐ jektlebenszyklus lassen sich hier projektphasenorientierte Notwendigkeiten für das Projektmarketing ableiten. 21.3 Marketingmaßnahmen im Projektlebenszyklus Der Fokus soll an dieser Stelle auf den kommunikativen Marketingmaßnahmen liegen. Dies spiegelt auch den aktuellen Stand der Diskussion in den bei der Erstellung dieses Beitrags berücksichtigten Quellen wider. Die Marketingkommunikation generell umfasst nach Armstrong et al. (2022) die Kombination der Kommunikationsinstrumente, die ein Unternehmen nutzt, um über‐ zeugend den Kundennutzen zu kommunizieren und Kundenbeziehungen aufzubauen. Homburg (2020) konkretisiert dies um den Aspekt der „planmäßigen Gestaltung und Übermittlung von Informationen, die die Adressaten der Kommunikation im Bereich Wissen, Einstellungen, Erwartungen und Verhaltensweisen im Sinne der Unternehmensziele beeinflussen sollen“. Die Zielsetzung der kommunikativen Maßnahmen wird sich im Laufe des Projekt‐ lebenszyklus verändern. Zur Systematisierung sei an dieser Stelle auf das etablierte AIDA Modell verwiesen. Es beschreibt vier Stufen, die bei Übermittlung von Botschaf‐ ten erreicht werden sollten: (1) Attention: die Aufmerksamkeit der Zielgruppe für das Projekt, (2) Interest: Interesse der Zielgruppe am Projekt verbunden mit einer intensiveren Auseinandersetzung mit der Botschaft, (3) Desire: Verlangen nach dem Produkt bzw. im Fall des Projektmarketing analog der Wunsch, dass das Projekt Erfolg hat und/ oder der Wunsch am Projekt aktiv/ passiv mitzuwirken und den Projekterfolg zu unterstützen, und (4) Action: Kauf des Produktes. Der Schritt „Action“ ist im Kontext der Projektkommunikation etwas anders zu interpretieren. Hier wäre die Handlung die aktive Unterstützung des Projektes bzw. das aktive Mitwirken am Projekt. Die 268 21 Einsatz von KI im Projektmarketing: Potenziale und Vorgehensweise <?page no="269"?> Schritte (1) bis (3) des AIDA Modells werden als Potentialziele, Schritt (4) als Erfolgsziel beschrieben (Decker et al., 2015; Homburg, 2020). Parallel zum Projektlebenszyklus sind die entsprechenden Marketingmaßnahmen zu planen und umzusetzen. In der ersten Phase des Projektelebenszyklus, der Initiierungsphase, sollten Ziele und Zielgruppen der Kommunikation festgelegt und erste Überlegungen zu Budget- und Mediaplanung entwickelt werden. Parallel gilt es aber bereits in dieser Phase operative Marketingmaßnahmen umzusetzen, die dabei helfen, Unterstützung für das Projekt zu gewinnen (Kuster et al., 2019). Die folgende Tabelle zeigt eine Auswahl möglicher Marketingmaßnahmen in dieser ersten Phase. Maßnahme Ziele Kick-Off Workshop Motivation, Ziele vermitteln, Transparenz zum weiteren Vorgehen schaffen, „Buy-in“ sichern Projektinformationen im Intranet Transparenz schaffen; Einleitung der Regelkom‐ munikation Festlegung der Kommunikationsziele und -zielgruppen Zielgruppenadäquaten Kommunikation in der Projektlaufzeit sicherstellen Entwicklung eines Projektnamens Wiedererkennungswert, Veranschaulichung und Identifikation schaffen Tab. 21-1: Maßnehmen im Projektmarketing in der Initiierungsphase Die zweite Phase des Projektlebenszyklus, die Planungsphase, sollte die Auswahl und Gestaltung möglicher Kommunikationsmaßnahmen für die Projektlaufzeit inkl. der Wahl der Medien und der Budgetplanung umfassen. Parallel gilt es erneut einzelne Kommunikationsmaßnahmen direkt umzusetzen, um eine hohe Akzeptanz für das Projekt zu schaffen. In dieser Phase kann noch konkreter als in der Initiierungsphase der Nutzen des Projektes verdeutlicht werden und können Ängste vor Veränderung abgefangen werden. Darüber hinaus sollten Promotoren gewonnen und motivierte Mitarbeitende und Sponsoren für das Projekt gewonnen werden. Je nach Ausrichtung des Projektes sollte auch in Richtung Geschäftsführung Überzeugungsarbeit geleistet werden. Darüber hinaus gilt es, die Reichweite der Kommunikation zu erhöhen und weitere Anregungen und Ideen für die kommende Durchführungsphase aufzunehmen. Die folgende Tabelle zeigt exemplarisch Maßnahmen in dieser Phase des Projektle‐ benszyklus auf. 21.3 Marketingmaßnahmen im Projektlebenszyklus 269 <?page no="270"?> Maßnahme Ziele Newsletter Fortschritte dokumentieren und einen kontinu‐ ierlichen Informationsfluss sicherstellen Rundschreiben Beteiligung anregen, Verbindlichkeit schaffen Informationsveranstaltung zu Projektbe‐ ginn („Projektmesse“/ Open Space Event) Informationen vermitteln Interne Veranstaltungen zur Kommuni‐ kation der Projektziele und des Projekt‐ zwecks Zur Beteiligung anregen „All-Hands“ Meeting mit Kurzpräsentati‐ onen Informationen vermitteln, Team Spirit aufbauen und Akzeptanz fördern Projektmappe Sponsoren gewinnen; detaillierte Informationen bereitstellen und für Beteiligung am Projekt wer‐ ben Entwicklung eines Kommunikationskon‐ zepts: Botschaften, Medien, Timing Zielgruppenadäquate Kommunikation in der Pro‐ jektlaufzeit sicherstellen Planung des Marketing-/ Kommunikati‐ onsbudgets Adäquate Nutzung der verfügbaren Projektmittel sicherstellen Entwicklung eines Projektmottos/ -slo‐ gans Interesse wecken; Wiedererkennungswert, Moti‐ vation und Identifikation schaffen Entwicklung eines Projektlogos Wiedererkennungswert, Veranschaulichung und Identifikation schaffen Tab. 21-2: Maßnehmen im Projektmarketing in der Planungsphase In der folgenden Durchführungsphase des Projektelebenszyklus sind die entwickelten Maßnahmen entsprechend dem Kommunikationskonzept umzusetzen. Die Marketing‐ kommunikation in dieser Phase des Lebenszyklus zielt im Wesentlichen darauf, die Motivation aller Beteiligten aufrechtzuerhalten, die Akzeptanz für das Projekt weiter zu erhöhen und damit auf weitere mögliche Veränderungen vorzubereiten. Darüber hinaus gilt es, Probleme frühzeitig zu erkennen und Unentschlossene und Kritikerinnen und Kritiker durch Zwischenergebnisse zu überzeugen. Promotoren des Projektes sollten entsprechend gehalten werden. Auch ist es ggf. notwendig, für weitere Ressourcen und Budgets zu werben. Es ergeben sich vielfältige Möglichkeiten, die je nach Projektziel, -umfang und -beteiligten auszuwählen sind. Beispiel für Kommunikationsmaßnahmen in der Durch‐ führungsphase des Projektes zeigt die folgende Tabelle 21-3. Die bereits genannten Maßnahmen (Bereitstellung von Projektinformationen im Intranet, Newsletter und Rundschreiben) können weiterhin eingesetzt werden, sind hier aber nicht erneut aufgeführt. Projektname, -slogan und -logo sollten entsprechend bei der Gestaltung der Maßnahmen in dieser Phase (u.-a. Flyer, Poster) eingesetzt werden. 270 21 Einsatz von KI im Projektmarketing: Potenziale und Vorgehensweise <?page no="271"?> Maßnahme Ziele Regelmäßige interne Veranstaltungen zur Kommunikation der Projektziele, des Pro‐ jektzwecks und der erreichten Erfolge Akzeptanz für das Projekt steigern Projekt-Podcast Akzeptanz für das Projekt steigern; ansprechende asynchrone Informationsangebote schaffen Online Diskussionsforen Beteiligung ermöglichen; Transparenz und Infor‐ mationsfluss sicherstellen Runde Tische und Workshops Beteiligung ermöglichen und weitere Fachexper‐ tise einbinden; Defizite diskutieren, Lösungen entwickeln Dialogorientierte online Kommunika‐ tion: • Social media • Chat • Projekt Blog Interaktion auf einfache Art und Weise ermög‐ lichen; Information vermitteln und Nachfragen bearbeiten Pressearbeit (Presseberichte, Pressekon‐ ferenzen) Öffentlichkeit informieren, positive Außenwir‐ kung erzielen Projekt Café/ Info-Point Zentrale Anlaufstelle schaffen, Informations-Lot‐ sen etablieren Projektposter Projekterfolge darstellen und Interesse wecken Give Aways Positive Stimmung schaffen; Danke und Anerken‐ nung ausdrücken Projektzeitung Projekterfolge darstellen und Außenwirkung (Prestige) erzielen; Referenz schaffen Projektfilm Projekterfolge darstellen und Außenwirkung (Prestige) erzielen; Referenz schaffen Exploration Days Überblick und Einblicke geben anhand von an‐ schaulichen Visualisierungen der späteren Ergeb‐ nisse, teilweise mit Testcharakter Monitoring-Konzept für die Kommunika‐ tionsmaßnahmen Erfolge und Nachholbedarfe im Projektmarketing identifizieren; sinnvolle Anpassungen ermögli‐ chen Tab. 21-3: Maßnehmen im Projektmarketing in der Durchführungsphase Eine Überprüfung der Maßnahmen sollte einerseits kontinuierlich, andererseits auch in der Abschlussphase des Projektes erfolgen (vgl. zum idealtypischen Planungsprozess in der Marketingkommunikation auch Homburg, 2020, oder Armstrong et al., 2022). In der eingangs erwähnten durchgeführten Studie gaben die Teilnehmenden an, die Wirksamkeit des Projektmarketing durch Kennzahlen, wie Zugriffszahlen oder Verän‐ 21.3 Marketingmaßnahmen im Projektlebenszyklus 271 <?page no="272"?> derung der Perzeption des Projektes, die Stärke des „WIR-Gefühls“ oder Bekanntheit des Projektes zu überprüfen (RFH, 2020). Im Laufe des Projektes - von Initiierung bis Durchführungsphase - vergrößert sich typischerweise der Kreis der zu informierenden Personen (Kuster et al., 2019). Auch die Anzahl denkbarer und sinnvoller Maßnahmen nimmt typischerweise zu. In der Abschlussphase eines Projektes gilt es im Projektmarketing, die Erfolge zu dokumentieren und zu kommunizieren und sich damit auch für weitere Projekte zu empfehlen. Positive Ergebnisse helfen, Vertrauen für zukünftige Projekte zu schaffen und auch mögliche Projektansprechpartner erneut zu positionieren. Darüber hinaus ist Lob und Anerkennung an die Projektbeteiligten auszusprechen. Wesentliche Maßnahmen in dieser Phase sind die Erstellung einer Abschlussdo‐ kumentation, die es ermöglicht, Erfolge sichtbar zu machen und das im Projekt Erreichte zielgruppengerecht zu vermitteln. Darüber hinaus sollten Dialogmöglichkei‐ ten geschaffen bzw. aus der Durchführungsphase heraus aufrechterhalten werden (s. Tabelle 21-3; Online Diskussionsforum, abschließender runder Tisch, Social Media, Chat-Funktionalität), um eine offene Projektevaluation im Dialog zu ermöglichen. 21.4 Einsatz von KI-Werkzeugen im Projektlebenszyklus Ausgehend von den Ergebnissen des Marketing Tech Monitor (Strauß et al., 2023) ist der Bereich konversationale KI der Haupteinsatzbereich der KI im Marketing gefolgt von Content-Produktion und - mit etwas Abstand - Digital Asset Management (DAM) und Analyse von Kundenkommunikation (s. Abbildung 21-2). 66% 48% 25% 19% 18% 15% 14% Konversationale KI (u.a. Chatbots im Service) Content Produktion (u.a. für Social Media) Digital Asset Management (DAM) Analyse von Kundenkommunikation (u.a. Tonalität) Customer Experience Management (u.a. Next Best Offer) ROI-/ Media-/ Kostenoptimierung Sonstiges Abb. 21-2: Genutzte Anwendungszenarien für KI (Strauß et al., 2023; Mehrfachnennungen möglich) 272 21 Einsatz von KI im Projektmarketing: Potenziale und Vorgehensweise <?page no="273"?> Der Marketingbereich ist einer der Bereiche, der KI-Anwendungen einerseits bereits recht umfassend einsetzt, sich andererseits aber (wie viele andere Bereiche auch) in der Erprobungsphase befindet - diverse Anwendungsfälle können dabei helfen, die Chancen, aber auch die Risiken, die KI im Marketing bietet, zu evaluieren. Einen anwendungsorientierten Überblick von KI-Anwendungen in der Marketingpraxis über den hier im Vordergrund stehenden kommunikativen Bereich hinaus liefert z. B. Pieper (2023). Für die dargestellten Maßnahmen im Projektmarketing bieten konversationale KI und Content Produktion große Chancen und können das Projektmarketing sehr gut unterstützen. Die folgenden Tabellen zeigen Einsatzszenarien für KI in den Phasen des Projektlebenszyklus (Fokus auf Initiierung, Planung und Durchführung). Maßnahme Mögliche Unterstützungsszenarien durch den Einsatz von KI Kick-Off Workshop • Projektinformationen zusammenstellen • Interaktive Workshop-Materialien/ Methoden erstellen, um die Teilnehmenden aktiv einzu‐ beziehen Projektinformationen im Intranet • Informationen aus verschiedenen Quellen im Intranet automatisch erfassen und indexieren • Informationen im Intranet automatisch aktua‐ lisieren Festlegung der Kommunikationsziele und -zielgruppen Identifikation und Auswahl durch Suche in gro‐ ßen Datenmengen unterstützen Entwicklung eines Projektnamens • Kreativität durch Suche in großen Daten‐ mengen, einschließlich bestehender Projekt‐ namen, Branchentrends und Verbraucherprä‐ ferenzen unterstützen • Semantische Bedeutung und die Wirkung ver‐ schiedener Wörter und Phrasen untersuchen Tab. 21-4: Unterstützungsszenarien durch den Einsatz von KI: Initiierungsphase Maßnahme Unterstützung durch KI-Werkzeug Newsletter • Basierend auf vorherigen Newsletter-Interak‐ tionen oder aktuellen Trends, Themen vor‐ schlagen • Newsletter-Versand und Segmentierung der Empfängerliste automatisieren • Inhalte für den Newsletter automatisch gene‐ rieren, beispielsweise indem Blogbeiträge zu‐ sammenfasst werden Rundschreiben analog Newsletter Informationsveranstaltung zu Projektbe‐ ginn („Projektmesse“/ Open Space Event) Teams unterstützen, Ideen auszutauschen oder Brainstorming-Sitzungen durchzuführen 21.4 Einsatz von KI-Werkzeugen im Projektlebenszyklus 273 <?page no="274"?> Interne Veranstaltungen zur Kommuni‐ kation der Projektziele und des Projekt‐ zwecks analog zu Kick-off „All-Hands“ Meeting mit Kurzpräsentati‐ onen Informationen aufbereiten und ggf. übersetzen Projektmappe • Dokumente erstellen • Inhalte verwalten • Daten aktualisieren Entwicklung eines Kommunikationskon‐ zepts: Botschaften, Medien, Timing • Trends in verschiedenen Kanälen identifizie‐ ren • Vorschläge für passende Inhalte, die auf den Interessen der jeweiligen Zielgruppe basieren, entwickeln • Automatisiert Social-Media-Aktivitäten pla‐ nen Planung des Marketing-/ Kommunikati‐ onsbudgets Datenbasierte Schätzungen vornehmen Entwicklung eines Projektmottos/ -slo‐ gans Ideen generieren z.T. analog Projektnamen Entwicklung eines Projektlogos Relevante visuelle Elemente und Designstile iden‐ tifizieren Designvarianten mit generativen Design-Tools erstellen Tab. 21-5: Unterstützungsszenarien durch den Einsatz von KI: Planungsphase Maßnahme Unterstützung durch KI-Werkzeug Regelmäßige interne Veranstaltungen zur Kommunikation der Projektziele, des Pro‐ jektzwecks und der erreichten Erfolge analog Kickoff Projekt-Podcast Umwandlung von Text in natürliche Sprache Online Diskussionsforen • Unangemessene oder beleidigende Inhalte er‐ kennen und entfernen • Diskussionsthemen und Trends in den Beiträ‐ gen erkennen und analysieren Runde Tische und Workshops analog Kickoff Dialogorientierte online Kommunika‐ tion: • Social media • Chat • Projekt Blog • Chatbot bei Fragen zum Projekt umsetzen • Texte generieren • Relevante Themen identifizieren und vor‐ schlagen 274 21 Einsatz von KI im Projektmarketing: Potenziale und Vorgehensweise <?page no="275"?> Pressearbeit (Presseberichte, Pressekon‐ ferenzen) • Nachrichtenquellen und soziale Medien über‐ wachen, um Beiträge im Zusammenhang mit dem Projekt zu erkennen • Vorhandene Informationen in einem klaren und präzisen Stil verfassen Projekt Café/ Info-Point Chatbots umsetzen; ansonsten analog All-Hands Projektposter Designvorlagen und Layouts bereitstellen Give Aways Personalisierte Giveaways empfehlen, die auf den Interessen und demografischen Merkmalen basie‐ ren Projektzeitung • Layoutgestaltung und Formatierung automa‐ tisieren • Inhalte aus anderen Quellen generieren Projektfilm • Videos editieren, automatisch Schnitte, Über‐ gänge und Effekte hinzufügen • Automatisch Untertitel oder Bildbeschreibun‐ gen generieren Monitoring-Konzept für die Kommunika‐ tionsmaßnahmen • Daten analysieren und Muster erkennen • Benachrichtigungen (Alerts) auslösen, wenn KPIs oder Schwellenwerte erreicht werden Exploration Days wie All-Hands Tab. 21-6: Unterstützungsszenarien durch den Einsatz von KI: Durchführungsphase In der Projektabschlussphase können KI-Werkzeuge beispielswiese bei der Zusam‐ menstellung und Zusammenfassung der Projektdokumentation unterstützen. Darüber hinaus können öffentlichkeitswirksame Berichte mit Bildgenerierungswerkzeugen gestaltet werden. Die bereits genannten Dialogmöglichkeiten auch in dieser Phase des Projektes (offene Projektevaluation) können z. B. durch KI-basierte Chatbots unterstützt werden; auch die entsprechende Analyse der generierten Daten zum Projekt kann KI-gestützt erfolgen. In Anlehnung an die Ausführungen von Deveau et al. (2023) im Kontext der KI- Transformation in Marketing und Vertrieb können folgende konkreten Schritte, die Deveau et al. (2023) als „no regret moves“ bezeichnen, auch im Projektmarketing den Einstieg in ein KI-gestütztes Vorgehen ermöglichen: ■ Durchführung eines Audits für (generative) KI: welche Technologien und Fähig‐ keiten sind im Projektumfeld vorhanden bzw. können leicht zugänglich gemacht werden? (Open Source Tools bzw. Tools, die mit geringen Kosten verbunden sind) ■ Bildung einer Task Force für den Einsatz (generativer) KI im Projektmarketing bzw. im Projektmanagement insgesamt: ein interdisziplinäres Team mit Mitgliedern aus verschiedenen Projekteteams sondiert weitere Potentiale von KI-Werkzeugen und testet deren Anwendbarkeit. 21.4 Einsatz von KI-Werkzeugen im Projektlebenszyklus 275 <?page no="276"?> 2 Diese Liste erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit und ist auch nicht eine Auswahl der absolut „besten“ Werkzeuge in diesem Zusammenhang. Sie spiegelt aus Sicht der Autorinnen eine kleine Auswahl von Werkzeugen wider, die kurzfristig und vergleichsweise einfach zur Implementierung einzelner in diesem Beitrag genannter Projektmarketingmaßnahen eingesetzt werden können. ■ Identifikation sog. “Quick Wins”: Umsetzung einzelner einfacher Anwendungs‐ fälle, die mit geringen Kosten und wenig Risiko verbunden sind (bspw. KI-basierte Erstellung erster Texte für einen internen Projekt-Newsletter). ■ Durchführung von Pilotprojekten, die in größerem Umfang auf KI-Unterstützung zurückgreifen: Umsetzung größerer Maßnahmen und Vorbereitung für die Imple‐ mentierung in Folgeprojekten. ■ Training der Mitarbeitenden, die im Projektmanagement aktiv sind: Schaffung von Bewusstsein für mögliche Anwendungsfälle und Sicherheit im Umgang mit KI (Bewusstsein für Chancen und Risiken/ Steigerung der Experimentierfreudigkeit). ■ Erstellung von Richtlinien für den Umfang mit (generativer) KI-Unterstützung; insbesondere ■ Sensibilisierung für den Umgang mit Daten: Welche (insbesondere vertraulichen) Projektedaten sollten nicht in die (generative) KI eingespeist werden? ■ Sensibilisierung für die Qualität des Output: Welche weiteren Schritte zur Verifi‐ zierung der durch KI generierten Ergebnisse sind erforderlich, um einen kritischreflektierten Umfang mit der KI sicherzustellen? Eine Vielzahl von KI-Werkzeugen hat sich gerade in den letzten Monaten entwickelt. Ziel dieses Beitrags kann es daher nur sein, Potenziale, Risiken und Vorgehensweisen aufzuzeigen, nicht aber eine vollständige Übersicht zu liefern. Dennoch sollen einzelne Werkzeuge genannt werden, die einen niedrigschwelligen Einstieg in erste Überlegun‐ gen zu einem KI-unterstützten Projektmarketing ermöglichen können 2 : ■ Generierung von Text-Inhalten u. a. für Newsletter, Social Media Posts und Infor‐ mationsveranstaltungen: ChatGPT, Jasper Chat oder Genie Chat; Übersetzungen in verschiedene Sprachen: DeepL ■ Generierung von Kurzzusammenfassungen o.ä. aus umfangreichen Projektdoku‐ mentation: Ask-your-pdf, chatpdf ■ Implementierung eines ChatBot: FlowXo oder Botsify ■ Generierung von Bildern und Grafiken u. a. für die Gestaltung eines Projektlogos, aber auch für die Gestaltung visueller Elemente anderer Kommunikationsmedien (Projektposter, Newsletter, etc.): Dall-E2 oder Midjourney ■ Generierung von Videos u. a. für die Entwicklung eines Projektfilms: Kaiber, BHuman ■ Generierung von Sprache u. a. für die Gestaltung von Podcasts und weiteren Audio- Nachrichten: Murf.ai ■ Dokumentation von Workshops und Veranstaltungen auf Basis von Spracherken‐ nung und Generierung von To-Do Listen auf dieser Basis: Fireflies.ai, audioPEN oder otter.ai 276 21 Einsatz von KI im Projektmarketing: Potenziale und Vorgehensweise <?page no="277"?> ■ Automatisierung von Abläufen, ausgehend von Trigger Aktionen auslösen: Zapier ■ Daten beschaffen und zielorientiert kondensieren, Kontroll- und Prüfalgorithmen implementieren: Browse AI ■ Webseiten, Social Media, Foren, Videos und andere Medien nach Erwähnun‐ gen laufend zu durchsuchen, mit anschließender Stimmungsanalyse der Funde: Brand24 Darüber hinaus könnten ggf. KI-Werkzeuge, die im jeweiligen Unternehmen bereits in Marketing und Vertrieb eingesetzt werden, auch im Projektmarketing genutzt werden. 21.5 Potenziale von KI-gestütztem Projektmarketing Die Effekte des Projektmarketing wurden in der durchgeführten Studie (RFH 2020) insbesondere darin gesehen, dass Projektmarketing als Werkzeug dient, um die Kom‐ munikation zu verbessern und nachgelagert auch die Durchführungsgeschwindigkeit, Förderung von Innovation sowie Aufbau von Know-how voranzubringen. KI-Werk‐ zeuge im Projektmarketing einzusetzen, eröffnet eine Vielzahl von Potenzialen, die sich in Effizienzsteigerung, Zielgenauigkeit und Zufriedenheit der vom Projektergebnis Betroffenen ausdrücken können. Die Integration von KI-Technologien in das Projektmarketing ermöglicht es Unter‐ nehmen, datengetriebene Entscheidungen zu treffen und ihre Strategien zu optimieren. KI kann repetitive und zeitaufwändige Aufgaben im Projektmarketing automatisie‐ ren, sodass Mitarbeitende sich auf strategische und kreative Aspekte konzentrieren können. Von der automatischen Generierung von Marketingberichten bis zur Verwal‐ tung von E-Mail-Kampagnen kann KI wertvolle Unterstützung leisten und die Effizienz steigern. KI unterstützt die Kommunikation und kann damit das Engagement der Zielgruppen eines Projekts steigern. Chatbots und virtuelle Assistenten etwa können Fragen von Teammitgliedern oder Kunden beantworten und Informationen über den Projektstatus bereitstellen. Ein Beispiel dafür wäre ein KI-basierter virtueller Assistent, der auf einer Projektmanagement-Plattform verfügbar ist und automatisch Updates über den Fortschritt des Projekts an alle relevanten Zielgruppen sendet. Literatur [1] Armstrong, G., Kotler, P., Opresnik, M.O. (2022): Marketing - An Introduction. 15 th edition, Prentice Hall. [2] Decker, R., Kroll, F., Meißner, M., Wagner, R. (2015): Marketing - Eine entscheidungsorien‐ tierte Einführung. Springer Gabler. [3] Deveau, R., Joseph Griffin, S., Reis, S. (2023): AI-powered marketing and sales reach new heights with generative AI. McKinsey & Company. 21.5 Potenziale von KI-gestütztem Projektmarketing 277 <?page no="278"?> [4] Freitag, M. (2016): Kommunikation im Projektmanagement. Aufgabenfelder und Funktionen der Projektkommunikation. 2. Aufl., Wiesbaden, VS Verlag. [5] Friedrich, D. (2012): Projektmarketing. Grundlagen und Instrumente für den Projekterfolg. Saarbrücken, AV Akademikerverlag. [6] Homburg, C. (2020): Marketingmanagement: Strategie - Instrumente - Umsetzung - Unternehmensführung. 7. Auflage, Springer Gabler. [7] Kuster, J., Bachmann, C., Huber, E., Hubmann, M., Lippmann, R., Schneider, E., Schneider, P., Witschi, U., Wüst, R. (2019): Handbuch Projektmanagement. 4. Auflage, Springer Gabler Berlin, Heidelberg. [8] Pieper, J. (2023): Künstliche Intelligenz im Marketing. in: Schuster, G., Lucas, C. (Hrsg.): Innovatives und digitales Marketing in der Praxis. Springer Gabler. [9] RFH (2020): Projektmarketing in Unternehmen, Projektarbeit, Rheinische Fachhochschule Köln. [10] Strauß, R., Clessienne, K., Riemersma, F. (2023): Marketing Tech Monitor 2023. Hamburg. 278 21 Einsatz von KI im Projektmarketing: Potenziale und Vorgehensweise <?page no="279"?> 22 Nutzung von KI im internen Innovationsmanagement zur Generierung von neuen Projektideen Thomas Heiß, David P. Heberling Abstract In diesem Kapitel wird aufgezeigt, wie KI im internen Innovationsmanagement von Unternehmen genutzt werden kann, um die Generierung von neuen und kreativen Projektideen zu fördern. Es werden unterschiedliche Möglichkeiten (KI-basierte Datenanalysen von vorhandenen Informationen, Unterstützung der Mitarbeiter bei der Einreichung eigener Ideen, …) beleuchtet. Durch die Nutzung von KI im Innovationsmanagement können Unternehmen nicht nur die Qualität und Kreativität ihrer Projekte verbessern, sondern auch die Effizienz des gesamten Prozesses steigern und somit wettbewerbsfähiger werden. Stichwortliste Innovationsmanagement, Ideenmanagement, Projektideengenerierung 22.1 Einleitung Innovationen sind ein nicht wegzudenkender Teil unserer menschlichen Entwick‐ lungsgeschichte. Schon die Abstammung des Wortes zeigt die Bedeutung von Innova‐ tionen für das Leben eines jeden Menschen auf. „Innovation” stammt vom lateinischen Wort „innovatio” ab, das wiederum vom Verb “innovare” abgeleitet ist. „Innovare” bedeutet „erneuern” oder „verändern”. Sei es der steinzeitliche Faustkeil oder die moderne Rakete für den Flug zu anderen Planeten, das ganze Leben ist ein ständiger Kreislauf aus Erneuerung und Veränderung. Im modernen Wirtschaftsleben wird Innovation hauptsächlich mit der Entwicklung neuer Produkte, Dienstleistungen und Technologien assoziiert, die die Wettbewerbsfä‐ higkeit von Unternehmen steigern oder neue Märkte bzw. Kundengruppe erschließen. Man könnte Innovation auch ganz allgemein als die Fähigkeit beschreiben, Lösungen für vorhandene Herausforderungen und Probleme zu finden. Das Innovationsmanagement beinhaltet dabei den gesamten Prozess der Ideenge‐ nerierung (Scouting), Konzeptentwicklung (Ideation), Bewertung (Rating), Testen (Evaluation) und Implementierung (Implementation) sowie der Vermarktung neuer Produkte, Dienstleistungen oder Geschäftsmodelle. Das gezielte Managen dieses Ver‐ änderungsprozesses ist von entscheidender Bedeutung für jedes Unternehmen, das sich dem Wettbewerb im freien Markt stellen muss, um Wettbewerbsvorteile zu erlangen und langfristig den eigenen Erfolg zu sichern. In diesem Kapitel beinhaltet der Begriff Innovationsmanagement neben der erstmaligen Neuentwicklung ebenso die <?page no="280"?> Verbesserung/ Weiterentwicklung von bestehenden Produkten, Dienstleistungen oder Technologien. In Abbildung 22-1 wird der Innovationsprozess als „Funnel“ dargestellt. Ein Funnel, oder zu deutsch Trichter, veranschaulicht, wie eine große Menge an Ideen in den ersten Phasen generiert und dann nach und nach gefiltert und reduziert werden, bis am Ende nur noch die besten und vielversprechendsten Ideen zur Umsetzung übrigbleiben. Ein wichtiger Bestandteil dieses Prozesses sind sogenannte „Stage-Gates“. Stage-Gates sind Entscheidungspunkte zwischen den einzelnen Phasen, an denen überprüft wird, ob eine Idee weiterverfolgt werden soll oder nicht. Scouting Ideation Rating Evaluation Implementation x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x Ideen Trends Stage-Gate Abb. 22-1: Innovation-Funnel (Quelle: Eigene Darstellung) Umso wichtiger ist es, neue und kreative Ideen für zukünftige Projekte im Unterneh‐ men zu generieren. Dieser initiale Vorgang zählt zu den größten Herausforderungen im Innovationsprozess. Der Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) bietet vielverspre‐ chende Möglichkeiten, ihn zu verbessern und die Generierung neuer Projektideen zu unterstützen. Die KI sollte hierbei hauptsächlich als Unterstützung der am Innovati‐ onsprozess beteiligten Menschen gesehen werden und nicht als deren Ersatz. Das Ziel des folgenden Kapitels ist es, die Möglichkeiten eines Einsatzes von KI im Innovationsprozesses in Bezug auf die Generierung von neuen und kreativen Projektideen aufzuzeigen. 22.2 Datenanalyse und Trendidentifikation KI kann besonders bei der Datenanalyse im Innovationsmanagement eine zentrale Rolle spielen, da sie große Datenmengen verarbeiten und komplexe Zusammenhänge 280 22 Nutzung von KI im internen Innovationsmanagement zur Generierung von neuen Projektideen <?page no="281"?> erkennen kann. Durch den Einsatz von KI können Unternehmen Daten aus verschiede‐ nen Quellen zusammenfassen, strukturieren und analysieren, um wertvolle Erkennt‐ nisse zu gewinnen. Für einen Menschen wäre alleine das Aufbereiten der gigantischen Datenmengen unmöglich oder zumindest unwirtschaftlich. Es gibt aus Sicht der Autoren vier Datenarten, die in irgendeiner Form in (fast) jedem Unternehmen vorkommen und dem internen Innovationsmanagement zur Verfügung stehen: 1. Mitarbeiter-/ Kundenfeedback: Feedback von eigenen Mitarbeitenden oder (po‐ tenziellen) Kunden kann als Grundlage für innovative Ideen zu Projekten für die Entwicklung neuer Produkte oder Services dienen. 2. Marktdaten: Informationen über den Markt, Wettbewerber, Trends und Kunden‐ verhalten können genutzt werden, um neue Bedürfnisse und damit auch Märkte zu identifizieren. 3. Technologische Entwicklungen: Die Beobachtung neuer Technologien und deren Anwendungsmöglichkeiten kann dazu beitragen, innovative Lösungen zu generieren. 4. Unternehmensinterne Daten: Interne Daten wie Informationen zu erfolgrei‐ chen, aber insbesondere auch gescheiterten früheren Projekten, Budgets und Ressourcenallokation können verwendet werden, um Schlussfolgerungen für die Zukunft zu ziehen. Die Datenanalyse und Trendidentifikation spielen eine entscheidende Rolle bei der KI-unterstützten Generierung neuer und kreativer Projektideen. Indem Unternehmen verschiedene interne und externe Datenquellen nutzen und für die KI passende Analysetechniken verwenden, können sie wertvolle Erkenntnisse gewinnen, die als Basis für innovative (Projekt-)Ideen dienen. 22.3 Ideengenerierung durch KI Die Generierung von (Projekt-)Ideen mit KI basiert auf dem Einsatz von algorith‐ mischen Modellen, die fortgeschrittene Techniken des maschinellen Lernens, der natürlichen Sprachverarbeitung und der Bilderkennung nutzen, um aus vorhandenen Daten neue und für den Menschen hin und wieder vielleicht auch ungewöhnliche Ideen abzuleiten. Maschinelles Lernen bietet unter anderem eine leistungsstarke Methode, um aus vorhandenen Daten neue Ideen abzuleiten. Auf der Grundlage der vorher gesammelten Daten imitieren KI-Algorithmen den menschlichen Lernprozess, um Muster in den Daten zu erkennen. Die Genauigkeit der Antworten bzw. die Qualität der Ergebnisse soll sich dabei immer weiter selbständig verbessern. [1] Beim Training dieser KI- Algorithmen unterscheidet man zwischen dem überwachten, dem unüberwachten und dem bestärkenden Lernen. Eine ausführlichere Beschreibung dieser Methoden würde 22.3 Ideengenerierung durch KI 281 <?page no="282"?> jedoch den Rahmen dieses Kapitels sprengen. Interessierte Lesende finden im Internet zahlreiche Beiträge zu diesem Thema, zum Beispiel unter www.ibm.com. Künstliche Intelligenz (KI), besonders in ihrer generativen Form, hat in den Jahren 2022/ 2023 immer mehr an Bedeutung gewonnen. Generative KI-Systeme sind darauf spezialisiert, neue, originelle Outputs zu erzeugen, die auf den Daten basieren, mit denen sie trainiert wurden. [2] Diese Systeme können unter anderem Texte, Bilder, Musik und vieles mehr generieren. Ein bekanntes Beispiel ist Chat GPT, von OpenAI, das in der Lage ist, menschenähnlichen Text zu erzeugen. Generative KI-Systeme arbeiten mit „neuronalen Netzen“, die versuchen, das Ler‐ nen des menschlichen Gehirns nachzuahmen. Der wirkliche Nutzen für Anwender liegt jedoch in der relativ einfachen Anwendung dieser Technologie. Bereits mit einfachen Texteingaben, sogenannten “Prompts”, können beeindruckende Ergebnisse erzielt werden. Eine Einsatzmöglichkeit besteht darin, generative KI zu nutzen, um völlig neue, innovative Ideen für Produkte oder Dienstleistungen zu generieren. Gerade letzterer Punkt wird in diesem Buch-Kapitel beleuchtet. 22.4 Kollaborative Innovationsplattformen Rolle von KI-gesteuerten Plattformen in der Ideenentwicklung Kollaborative Innovationsplattformen sind digitale Umgebungen, die den Austausch von Ideen und Informationen (i.-d.-R. intern) bei Unternehmen fördern. Ziel ist es, die Entwicklung neuer bzw. die Verbesserung von bestehenden Produkten, Dienstleistun‐ gen oder Prozessen zu unterstützen. Diese Plattformen werden häufig als Teil von Unternehmensinnovationsstrategien eingesetzt, um den Austausch von Wissen zu erleichtern und das Ideen- und Innova‐ tionspotential innerhalb des Unternehmens zu maximieren. Gerade der kollaborative Aspekt erfordert meistens eine gewisse Mindestanzahl an Teilnehmern. In der Regel verfügen die Unternehmen, die diese Plattformen einsetzen, über mindestens 100 Mitarbeitende. Generelle Funktionen: Die primäre Funktion kollaborativer Innovationsplattformen besteht darin, eine Art digitalen Raum zu bieten, in dem Ideen generiert, diskutiert und bewertet werden können. Die Einreichung kann via einem Formular erfolgen, welches den oder die Ideenprozesse abbildet. Zusätzlich können auch Ideen über themenspezifische Ideen‐ wettbewerbe oder gezielte Ideenkampagnen eingereicht werden. Nach einer ersten Überprüfung der Idee durch die Ideenmanager werden die weiteren Prozessschritte dann entsprechend des vorab definierten Ideenprozesses angestoßen bzw. durchge‐ führt. In der Regel werden vorab sogenannte Stage-Gates definiert, eine Art Barriere, 282 22 Nutzung von KI im internen Innovationsmanagement zur Generierung von neuen Projektideen <?page no="283"?> die eine Idee durchlaufen muss, um in eine nächste Phase zu kommen. Das kann beispielsweise das Überzeugen eines Gutachtenden sein oder das Erreichen einer Mindestbewertung durch die Mitarbeitenden. Diese Plattformen verfügen über Funktionen, die kollaboratives Arbeiten und die Entwicklung von Ideen fördern bzw. überhaupt erst ermöglichen. Dazu gehören unter anderem gemeinschaftliche Ideeneinreichungen, Kommentare, Chats, Bewertungen und oder die Anbindung an weitere Tools (wie bspw. ein Projektmanagement-Tool). KI und speziell generative KI kann dabei helfen, Ideen zu entwickeln, zu optimieren und schließlich umzusetzen. Wie in Abbildung 22-2 aufgezeigt, erfolgt der Ideen- und Innovationsprozess auf den Plattformen nach einem definierten Ablauf. Mithilfe von Künstlicher Intelligenz können die einzelnen Schritte unterstützt werden. Nachfolgend werden KI-Unterstüt‐ zungen entlang des Ideen- und Innovationsmanagementprozesses in Unternehmen erklärt. Scouting Ideation Rating Evaluation Implementation x x x x x x x x x x x x Ideen Trends Stage-Gate + Trend- Identifikation +Aufbereitun g von Trends + Recherche, mithilfe von Prompt-Datenbank + Optimierung Formulierungen + Bildgenerierung + Ersteinschätzung durch KI + Zusammenfassung für schnellere Bewertung + Schreiben von Kommentaren + Gutachten Formulierung + Anpassung Schreibstile + Kommentarredaktion + Datenanalyse + Formulierung + Weiterführende Kommunikation wie Updates + KI Unterstützung Abb. 22-2: KI-Unterstützung im Innovation-Funnel (Quelle: Eigene Darstellung) 1. Scouting: Aktive Suche nach neuen Ideen, Trends und Technologien. □ Automatisiertes Identifizieren von relevanten Trends für das Unternehmen oder bspw. für eine gewisse Branche: Hierbei kann die KI aufgrund von vorab definierten Trend-Felder automatisiert neue relevante Trends identifizieren und entsprechend aufbereiten. Diese Trends können dann bspw. zu einer internen Kampagne verdichtet werden, damit Mitarbeitende gezielt Ideen zu einem Trend einreichen können. 2. Ideation: Entwicklung neuer Ideen in einem kreativen Umfeld. □ Automatisierte Bilderstellung: Generative KI kann verwendet werden, um automatisch Bilder auf Grundlage einer Texteingabe zu erstellen. Dies kann 22.4 Kollaborative Innovationsplattformen 283 <?page no="284"?> besonders nützlich sein, um erste Designkonzepte zu visualisieren oder komplexe Ideen zu veranschaulichen. □ Generative Texterstellung via Prompt (Texteingabe an KI): KI kann aufgrund von Prompts Vorschläge für Ideen erarbeiten, bei der Vorab-Recherche zu einer Idee unterstützen oder bei der Optimierung von Formulierungen helfen. Zusätzlich können via Prompt-Datenbank Vorschläge für Prompts dem Einreichenden vorgegeben werden. □ Ersteinschätzung via KI: Einreichende können ihre Idee noch vor der eigent‐ lichen Einreichung von der KI überprüfen lassen und so Vorschläge zur Optimierung der Idee erhalten.- 3. Rating: Bewertung und Priorisierung der generierten Ideen (bspw. durch die gesamte Belegschaft) □ KI-Zusammenfassungen von Ideen für eine schnellere Auffassung des Inhal‐ tes einer Idee: Hierbei werden längere Texte oder komplexere Idee, kurz und einfach verständlich von der KI aufbereitet.- □ Unterstützung beim Verfassen von Kommentaren: Kommentare können via Unterstützung einfacher, präziser und ansprechender formuliert werden. 4. Evaluation: Tiefergehende Analyse der ausgewählten Ideen. □ Gutachten Formulierung: Gutachtenden und Experten ist es möglich mithilfe der KI schneller Gutachten zu formulieren bzw. standardisierte Absagen einfacher auszuformulieren. □ Erstellung von Datenvisualisierungen: Auf der Grundlage von Datenein‐ gaben kann generative KI automatisch ansprechende und informative Da‐ tenvisualisierungen erstellen. Dies kann dazu beitragen, komplexe Daten zugänglicher und verständlicher zu machen und somit datengesteuerte Entscheidungsfindung zu unterstützen. 5. Implementation: Umsetzung der besten Ideen in die Praxis. □ Erzeugung von Code: KI kann auch zur Generierung von Programmcode verwendet werden. Ein Benutzer könnte die gewünschte Funktion eines Programms beschreiben, und die KI würde den entsprechenden Code gene‐ rieren. Dies könnte den Entwicklungsprozess beschleunigen und weniger erfahrene Benutzer in die Lage versetzen, maßgeschneiderte Softwarelösun‐ gen zu erstellen. □ Unterstützung bei der Formulierung bei der weiterführenden Kommunika‐ tion (intern als auch extern). Es ist wichtig zu beachten, dass diese Phasen beispielhaft sind und je nach Unterneh‐ men und Kontext angepasst werden können. Das Ziel dieser KI-Technologie ist es, den Verwaltungsaufwand zu reduzieren, die Entwicklung von qualitativ hochwertigeren Ideen zu fördern, klarere Texte und Kommunikation zu ermöglichen und den Zugang zu Künstlicher Intelligenz für alle Mitarbeitenden zu ermöglichen. 284 22 Nutzung von KI im internen Innovationsmanagement zur Generierung von neuen Projektideen <?page no="285"?> Vorteile kollaborativer Innovationsplattformen mit integrierter Künstlicher Intelligenz Kollaborative Innovationsplattformen mit integrierter künstlicher Intelligenz bieten eine Reihe von Vorteilen, die darüber hinausgehen, was traditionelle kollaborative Plattformen bieten können. Hier sind einige Beispiele: ■ Verbesserte Kommunikation zwischen Mitarbeitenden: KI kann dazu bei‐ tragen, die fachbereichsübergreifende Kommunikation zu verbessern, indem sie relevante Informationen extrahiert, Zusammenfassungen erstellt und hilft, Dis‐ kussionen zu strukturieren. ■ Effizientere Zusammenarbeit: KI kann durch Identifizierung von Kompeten‐ zen, Interessen und Erfahrungen der Mitarbeiter die Zusammenstellung von effektiven Teams unterstützen. Sie kann auch dabei helfen, Ressourcen effizient zu verteilen, indem sie beispielsweise die Arbeitsbelastung überwacht und Vorschläge zur Umverteilung von Aufgaben macht. Durch klar definierte Bewertungskrite‐ rien, die vorab festgelegt und von der KI ausgeführt werden, erhält der gesamte Prozess mehr Transparenz für alle beteiligten Stakeholder. ■ Transparente Ideenveröffentlichung: KI kann dabei helfen, den Prozess der Ideenveröffentlichung transparenter zu gestalten. Sie kann die Qualität von eingereichten Ideen bewerten, Feedback geben und Ideen priorisieren, die zur Weiterverfolgung vorgeschlagen werden. ■ Automatisierte Arbeitsabläufe: KI kann Routineaufgaben automatisieren, was den Mitarbeitern mehr Zeit für kreative und strategische Aufgaben gibt. ■ Wissensmanagement: KI kann große Mengen an Informationen analysieren und organisieren, um relevante Informationen schnell auffindbar zu machen. Sie kann auch dazu beitragen, Wissen zu bewahren, indem sie wichtige Informationen aus Gesprächen extrahiert und katalogisiert. ■ Anpassungsfähigkeit: KI kann lernfähig sein und sich im Laufe der Zeit an veränderte Bedingungen anpassen. Dies ermöglicht es der Plattform, sich konti‐ nuierlich zu verbessern und den sich ändernden Bedürfnissen des Unternehmens gerecht zu werden. Diese Anpassungen sollten jedoch stets auch manuell über‐ wacht werden, um eine Entwicklung in eine ungewollte Richtung zu verhindern. Durch die Integration von KI in kollaborative Innovationsplattformen können Un‐ ternehmen somit ihre Kommunikation, Zusammenarbeit und Innovationsprozesse deutlich verbessern. Mit dem Einsatz dieser neuen Technologie stellen sich den jeweiligen Prozessver‐ antwortlichen in den Unternehmen jedoch auch einige neue Fragen, auf die wir im nächsten Punkt näher eingehen wollen. 22.4 Kollaborative Innovationsplattformen 285 <?page no="286"?> 22.5 Ethik und soziale Aspekte Modernes Ideenmanagement beinhaltet die Beteiligung von Menschen, von der Ide‐ engenerierung bis zur Umsetzung, und pflegt eine Kultur der Wertschätzung. Mit den Möglichkeiten der Künstlichen Intelligenz (KI), insbesondere der generativen KI, wird das Ideen- und Innovationsmanagement zweifellos tiefgreifende Veränderungen erleben. Einen signifikanten Produktivitätszuwachs durch KI Module konnten die Autoren auf den vorherigen Seiten bereits aufzeigen. Daher stellt sich nicht die Frage, ob KI eingesetzt werden sollte, sondern wie. Vorteile sind eine schnellere, einfachere und gezieltere Einreichung und Bewertung von (Projekt-)Ideen. Ohne geeignete Gegenmaßnahmen wird dies aber unweigerlich zu einer steigenden Anzahl an Ideen führen, was einige der folgenden Fragen aufwirft: ■ Wie viel persönlicher geistiger Beitrag liegt in einer Idee, die vielleicht nur auf einem kurzen Prompt basiert? ■ Welche Auswirkungen wird dies auf das Arbeitnehmererfindungsgesetz (Arb‐ nErfG) haben? ■ Sind Prämien, die auf der Anzahl der eingereichten Ideen basieren, noch zeitgemäß oder in Zukunft noch relevant? ■ Wer trägt die Verantwortung, wenn eine von der KI bewertete Idee scheitert (und ggf. wirtschaftlichen Schaden anrichtet)? ■ Ab welchem Punkt wird der Prozess ad absurdum geführt, wenn KI-generierte Ideen von der KI bewertet werden? Basierend auf diesen Fragen und Überlegungen möchten die Autoren einige Theorien aufstellen: Theorie 1: Prämien für eine reine Ideeneinreichung sind nicht mehr zeitgemäß. Viele Unternehmen bieten als extrinsische Motivation Geldprämien für bspw. die Einreichung von Ideen. Mit der Fähigkeit von KI-Modellen, innerhalb von wenigen Minuten plausibel erscheinende, verständliche und potenziell sinnvolle Ideen zu gene‐ rieren und zu visualisieren, wird dieses Modell sehr wahrscheinlich bereits kurzfristig obsolet werden. Theorie 2: Die intrinsische Motivation im Ideen- und Innovationsmanagement wird deutlich an Bedeutung gewinnen. Betriebs- und Personalräte werden sich mit der Frage auseinandersetzen müssen, welche Auswirkungen die Verfügbarkeit von KI auf das Belohnungssystem hat. Die Autoren erwarten eine Verschiebung von monetären hin zu intrinsischen Motivations‐ anreizen. 286 22 Nutzung von KI im internen Innovationsmanagement zur Generierung von neuen Projektideen <?page no="287"?> Theorie 3: Das Arbeitnehmererfindungsgesetz (ArbnErfG) muss angepasst werden. In den nächsten drei bis fünf Jahren wird es wahrscheinlich eine Überprüfung und Anpassung des Gesetzes geben. Der Gesetzgeber wird gefordert sein, angemessene Antworten auf grundlegende Fragen wie die wirtschaftliche Honorierung von Ideen zu finden, die auf allgemein zugänglichen Daten basieren. Theorie 4: Die Verantwortung wird weiterhin bei den Mitarbeitenden liegen. KI wird sich als Co-Pilot etablieren, aber die Verantwortung kann nicht auf KI abge‐ wälzt werden. Ähnlich verhält es sich mit Beratungsprojekten von Consultingfirmen. Hier werden in der Regel für Projekte Empfehlungen ausgesprochen, letztendlich stehen jedoch die Manager in der Verantwortung. Ähnlich wird es beim Einsatz von KI gehandhabt werden. Die kritische Überprüfung von KI-generierten Annahmen wird daher eine der Hauptaufgaben zukünftiger Ideenmanager sein. Die Autoren erwarten mittelfristig zudem, dass KI in erster Linie für Verbesserungen bereits bestehender Produkte bzw. Dienstleistungen zum Einsatz kommen wird. Disruptive Innovationen werden voraussichtlich erst mit der Erreichen einer AGI (Artificial General Intelligence) möglich sein.- Theorie 5: Kommunikationsbarrieren werden abgebaut. KI kann die Kommunikation zwischen verschiedenen Fachbereichen erheblich ver‐ bessern. Oftmals werden Ideen aufgrund von Missverständnissen zwischen Sender und Empfänger nicht weiterverfolgt. Generative Text-KI kann dazu beitragen, Texte einfacher und verständlicher zu gestalten. Fachspezifische Begriffe und Erklärungen, die in Bereichen wie Recht, Personalwesen oder IT üblich sind, sind für Personen aus anderen Abteilungen oft nicht verständlich. Hier kann eine KI-Unterstützung sehr hilfreich sein, wodurch Kommunikations- und Verständnisprobleme minimiert werden. 22.6 Schlussbetrachtung Zusammenfassung der wichtigsten Erkenntnisse Wir konnten aufzeigen, dass der Einsatz von KI im Innovationsmanagement das Potenzial hat, die Art und Weise, wie Projektideen generiert werden, grundlegend zu verändern. Das kann einerseits zu einer Beschleunigung und Vereinfachung des Innovationsprozesses führen, andererseits jedoch auch einen beträchtlichen Anstieg bei der Ideenanzahl nach sich ziehen. Dadurch verändert sich die zukünftige Rolle des Menschen innerhalb des Innovationsprozesses. Die kritische Betrachtung von durch 22.6 Schlussbetrachtung 287 <?page no="288"?> die KI plausibel formulierten Vorschlägen für neue Projekte wird eine entscheidende Kompetenz dieser veränderten Rolle sein. Daher muss in letzter Konsequenz auch weiterhin die Verantwortung für die (Projekt-)Ergebnisse beim Management liegen und kann nicht an die KI delegiert werden. Ausblick auf die Bedeutung von KI im Innovationsmanagement Auch wenn wir nur sehr oberflächlich auf das Thema eingehen konnten, haben wir aufgezeigt, dass der Einsatz von Künstlicher Intelligenz im Innovationsmanagement für Unternehmen neue Möglichkeiten bei der zukünftigen Generierung von Projektideen eröffnet. Die KI-Technologie entwickelt sich kontinuierlich weiter und wird voraus‐ sichtlich in den nächsten Jahren zu einem der entscheidenden Faktoren im Kampf um Wettbewerbsvorteile werden. Gerade die immer größere Verfügbarkeit von Daten, z. B. durch immer mehr „smarte“ Geräte im Haushalt, steigert die Einsatzmöglichkei‐ ten. Spannend zu beobachten wird auch, inwieweit eine Kombination mit anderen Technologien, wie der Augmented Reality (AR) oder der Blockchain-Technologie zu neuen Projektideen führt. Hier können für Unternehmen völlig neue Möglichkeiten entstehen, in Projekten innovative Lösungen zur Befriedigung von Kundenwünschen zu entwickeln und sich so im Wettbewerb einen Vorteil zu erarbeiten. Der Ausblick für den Einsatz von KI im Innovationsmanagement zur Generierung neuer Projektideen ist also sehr vielversprechend. Bei der Implementierung ist jedoch in besonderer Weise Rücksicht auf die eigenen Mitarbeiter zu nehmen. Die verstärkte Zusammenarbeit von Mensch und KI wird zu einer weiteren Schlüsselkompetenz im Innovationsmanagement werden, um kreative und innovative Ideen für zukünftige Projekte zu erhalten. Hier wird jedes Unternehmen seinen eigenen Weg finden müssen. Literatur [1] IBM. (n.d.). (o.-J.). Was ist maschinelles Lernen? . www.ibm.com. Abgerufen am 04.08.2023 von https: / / www.ibm.com/ de-de/ topics/ machine-learning? ssp=1&setlang=de- DE&safesearch=moderate [2] Gartner, Inc. (n.d.). (o. J.). What is generative AI? . www.gartner.com. Abgerufen am 04.08.2023 von https: / / www.gartner.com/ en/ topics/ generative-ai 288 22 Nutzung von KI im internen Innovationsmanagement zur Generierung von neuen Projektideen <?page no="289"?> 23 KI im Vertrags- und Claim Management Christian Bernert Abstract Vertragsmanagement legt in Projekten den juristischen Rahmen für die Projekt‐ parteien von der Angebotsphase bis zur Endabnahme des Projektes fest. In komplexen Projekten wird das Managen von Verträgen zeitaufwändiger und fehleranfälliger. Die rasante KI-Entwicklung kann dabei unterstützen, diese kom‐ plexen Aufgaben effizienter zu meistern. Mit der Beschreibung der generellen Herausforderungen im Vertragsmanage‐ ment, werden die KI-Potenziale aufgezeigt. Diese Potentiale sind es, die zum Einsatz von KI im Vertragswesen motivieren. Für KMU bietet diese Entwicklungen bessere Chancen mit großen Organisationen und Großunternehmen mithalten zu können. Ziel ist es, die Bandbreite der Anwendungsmöglichkeiten aufzuzeigen, ohne die Themen in aller Tiefe zu behandeln. Es werden die Hebel angesprochen, die für eine strategische Einsatzplanung bedeutsam sind. Stichwortliste Claim Management, KMU, Planung, Vertragsanalyse, Vertragsfristen, Vertrags‐ management, Vertragsverhandlungen, Hebel, Effizienz, Risiken 23.1 Einleitung Künstliche Intelligenz (KI) hat das Potenzial, das Vertragsmanagement zu revolutio‐ nieren. Mittels Trainingsdaten aus Musterverträgen, schädlichen Vertragsklauseln, Streitfällen und Gerichtsurteilen, haben die zugrundeliegenden KI-Foundation Modelle einen hohen Reifegrad erreicht. Mit einer gründlich vorbereiteten KI-Einsatzstrategie lassen sich diese Modelle nutzbringend in der Projektwirtschaft anwenden. Um die Hebel aufzuzeigen, wird in einigen Kapiteln auf Reports renommierter Beratungsunter‐ nehmen verwiesen. Zum Teil werden auch Toolempfehlungen für bestimmte Schritte im Vertragsmanagement aufgezeigt bzw. empfohlen. Für einen Nutzen in einem Unternehmen, sind Grundvoraussetzungen zu beachten. Für das Vertragsmanagement sollte bereits ein Dokumenten-Management System etabliert sein. Es wird aber auch ein Grundverständnis über einsetzbare KI-Techniken benötigt. Auch wenn einige KI-Applikationen einen hohen Reifegrad erreicht haben, ist es sehr hilfreich, wenn die enthaltenen Modelle parametrisier- und anpassbar sind. Anpassbar an die juristischen Begebenheiten der jeweiligen Branche und an die AGB des Unternehmens. Wichtig ist auch eine Abstimmung mit im Unternehmen etablierten juristischen Vorstellungen und Handlungsweisen. Bei der KI können wir <?page no="290"?> rechenzeitintensive neue Foundation Modelle, oder quantisierte Modelle einsetzen. Beispielsweise lohnt es sich Überlegungen anzustellen, was man an Teure Dienstleister outsourced, beziehungsweise welche Anteile man lieber selbst auf dem IT-System des eigenen Hauses an KI-Applikationen betreibt. Vorteilhaft sind Anwendungen, die mittels Fine-Tuning oder per Prompt Engineering für die eigenen Anwendungen passgenau justiert werden können. Auch interne Rechtsabteilungen in Organisationen und Firmen müssen sich den neuen Gegebenheiten durch KI anpassen.[1] Die neuen Technologien haben das Potenzial, die Art und Weise, wie Verträge erstellt, auf ungewöhnliche Vertragsklauseln überprüft und Vertragstermine nachverfolgt werden, völlig zu verändern. Gleichzeitig können die Prozesse undurchsichtiger werden, was die Abhängigkeit von Anwälten erhöhen würde. Vor allem, wenn die ganze Bandbreit der neuen KI-Tools für das Vertragswesen nur für Juristen entwickelt werden würde. Hier sollte massiv gegenge‐ steuert werden, wie geschehen mit dem BGH, Urteil vom 09.09.2021 - I ZR 113/ 20, zum KI-Vertragsdokumentengenerator smartlaw.[2] Mit diesem Urteil wurde bestätigt, dass die Erstellung eines Vertragsentwurfs mithilfe eines digitalen Rechtsdokumenten‐ generators, bei dem anhand von Fragen und vom Nutzer auszuwählenden Antworten standardisierte Vertragsklauseln abgerufen werden, keine Rechtsdienstleistung im Sinne von § 2 Abs. 1 RDG darstellt. Nur mit Hilfe von entsprechenden Urteilen und einer frühzeitigen Einflussnahme kann dazu beigetragen werden, dass die KI eine nützliche Hilfestellung für Projektmitarbeiter bietet. Vor allem können KI-Tools dazu beitragen, den juristischen Fachjargon auch für das Projektteam besser verständlich zu machen, um dadurch auch zu einem besseren Verständnis von Vertragsinhalten beizutragen. [3] 23.2 Vertragsmanagement Wie im Begriff Vertragsmanagement enthalten, handelt es sich hier um das Managen der gesamten im Unternehmen und im Bereich des Projektportfolio Managements relevanten Verträge (z. B. Projektauftrag, Konsortialverträge, Lieferantenverträge, Lizenzverträge, Produktionsvertrag, Beraterverträge, Leasing Verträge, Werkverträge, etc.) der Projekte. Seit 1980 die International Legal Technology Association (ILTA) gegründet wurde, gelten die USA als das Ursprungsland für Legal Tech.[4] Die Federführung der USA zeigt sich seit 2016, indem weltweit die meisten Start-ups auch zum Vertragsmanage‐ ment gegründet wurden. Anders als bisherige Anbieter, welche technische Hilfsmittel für Anwälte/ Kanzleien anboten, richten sich die innovativen Tools von Start-ups auch an Privatpersonen, KMU und Rechtsabteilungen der Unternehmen. Im Jahr 2017 hat der Fall IBM Watson Legal in Zusammenarbeit mit Anwälten der US-amerikanischen Anwaltskanzlei BakerHostetler für Aufsehen gesorgt. Es handelte sich dabei um eine große Insolvenz. Hier konnte IBM Watson innerhalb kürzester Zeit Millionen von Dokumenten durchsuchen, relevante Informationen extrahieren und po‐ tenzielle, juristisch relevante Vertragsverbindungen aufdecken, was für die 290 23 KI im Vertrags- und Claim Management <?page no="291"?> Anwälte bei der Vorbereitung ihres Falles, eine enorme Unterstützung bedeutete und den Prozess beschleunigte. Automatisierung und Effizienz KI automatisiertes Vertragsmanagement entwickelte sich aus dem Vertrags-, und Dokumentenmanagement, sowie der Geschäftsprozessanalyse. Galt im Vertragsma‐ nagement die Prämisse, zeitraubende Aufgaben der Vertragsverwaltung zu automati‐ sieren, lagen die Hebel für schnellere Genehmigungen und automatisierte Verwaltung bei den To-Do-Listen für Verträge. Mit dem Aufkommen von Workflows im Dokumentenmanagement konnten auch die riesigen Datenmengen sinnvoll verwaltet und Arbeitsabläufe weitgehend au‐ tomatisiert werden. Mit der Entwicklung und Integration von KI-Text-Suchfunktionen erzielte das „Dokument Engineering“ eine wirkungsvolle Produktivitätssteigerung. Die KI im Bereich der Geschäftsprozessanalyse hatte ihre Ursprünge bereits Mitte der 1980er Jahre. Die Schwerpunkte dieser KI-Ansätze lagen im Bereich Marketing, um die Stimmung und das Verhalten aus textbasierten Verbraucherkommentaren zu ermitteln.[5] Da lag es nahe dieselben KI-Funktionen auch auf juristische Verträge anzuwenden und wie wir wissen mit Erfolg. Doch bei aller Euphorie, ohne kritische Betrachtung der mit KI erzielbaren Ergebnisse geht es nicht. Vor allem, die vielen sich auf den Markt drängenden Neuentwicklungen müssen bezüglich Nutzens genau betrachtet werden. Um dieser Goldgräberstimmung vorzubeugen, ist es wichtig, ein klares Bild vor Augen zu haben, was heutige KI im Vertragswesen wirklich leisten kann und was noch nicht (siehe Abb.-23-1). Kl ist nicht Regelgesteuert • Sondern es sind von Menschen geschaffene Algorithmen Selbstdenkende, kreative Magie • Letztendliche Wahrheit, sondern der Mensch muss noch die Entscheidungen selbst treffen • Für Menschen geeignet, die neugierig sind und schnell bereit sind, "auf die Daten zu hören". • Speziell für Datenwissenschaftler und Fachexperten, die ein qualitativ hochwertiges trainieren der Algorithmen überprüfen und überwachen. Artificial intelligence in its current form is based on the wholesale appropriation of existing culture, and the notion that it is actually intelligent could be actively dangerous by James Bridle, January 2021, the artificial intelligence research laboratory OpenAI Abb. 23-1: Vorsicht vor Leichtgläubigkeit 23.2 Vertragsmanagement 291 <?page no="292"?> 1 21. Februar 2019, Cambridge Journal of Regions, Economy and Society doi: 10.1093/ cjres/ rsz026 Wie lässt sich die KI im Vertragswesen einordnen? Hier der Versuch einer Arbeitshypothese: Maschinelles Lernen (ML), ist ein Datenfunktionsmodell, das nicht ausdrücklich von Menschen programmiert wird, sondern mit Hilfe von Computer Algorithmen „lernt“. Dies steht in krassem Gegensatz zu allgemeinen Analysen klassischer Statistiken, bei denen ein ganzer Datensatz aufgenommen und aggregiert wird und dann Metriken zum gesamten Datensatz zurückgegeben werden. ML nimmt einen Datensatz nach dem anderen auf, verarbeitet ihn und wenn ein ML-Prozess am Ende des letzten Datensatzes angekommen ist, hat er ein Modell erstellt. Diese Prozedur wird viele Male durchlaufen und dadurch verbessert sich der Algorithmus auch bei der Vorhersage, selbst wenn eines unbekannter neuer Datensatz aufgenommen wird. Deshalb müssen Spezialisten (siehe Abb. 23-2) die Datenaufbereitung auf der Grundlage solider statistischer Prinzipien vorbereiten und beste „Trainingsdatensätze“, die die Realität repräsentieren, erstellen. Nur dann wird ein ML-Algorithmus gut trainiert und „lernt“. Künftige Anwendungen solcher ML-Modelle können dann in der Realität gute Vorhersagen treffen. Einordnung der KI Daten im Vergleich zur menschlichen Analyse? Datengesteuert • Von Daten abgeleitete Algorithmen Ein Gleichgewicht von Daten und Menschen • ML/ AI-Algorithmen werden auf Daten trainiert • Überprüft von Datenwissenschaftlern und Fachexperten (ohne Garantie) • Optimiert durch weitere Trainingsdatendurchläufe • Optimiert durch wiederholte menschliche Überprüfung weitere Trainingsdatenläufe bis zu einer akzeptablen Erfolgsquote (was ist akzeptabel? ) • Validiert anhand ungeprüfter Datensätze Foto © LPM Academy Daten ML/ KI Mensch Abb. 23-2: Eine Ausgewogenheit in der Betrachtung führt zu guten Analysen Mit diesem Wissen lässt sich eine strategische Einführungsplanung eines KI-Vertrags‐ managements aufzusetzen. Auch wenn Widerstand und Skepsis mit der Einführung der KI in den juristischen Bereichen spürbar ist, wird die KI-Dynamik, für den Durchbruch sorgen. 1 Für das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung ist die Sache eindeutig: 50 % der Tätigkeiten von Juristinnen und Juristen in Unternehmen sind automatisierbar. Legal Tech macht es möglich, behaupten die einen - belächeln die anderen. Standardisierung, Digitalisierung und Automatisierung funktionieren bei wenigen und scheitern in vielen Rechtsabteilungen. „Wieso, weshalb, warum? “ erläutert ein provokativer KI-Einführungsbericht von Legal Tech. [6] 292 23 KI im Vertrags- und Claim Management <?page no="293"?> Strategische Entscheidungen im Bereich KI-Vertragsmanagement werden oft ohne genaue Kenntnis der Entwicklungshintergründe der Foundation Modelle getroffen. Beispielsweise stammen die meisten Foundation Modelle für juristischen Anwendun‐ gen aus dem Marketingbereich und wurden ursprünglich nur für diese Zwecke trai‐ niert. Beide Ansätze nutzen jedoch das Verfahren der Textanalyse. Da wird schnell klar, dass diese Modelle erst für die Anwendung im Vertragswesen interessant wurden, als diese neu mit vertragsrelevanten Dokumenten trainieren wurden. Ohne dieses Wissen, werden oft falsche Erwartungen geweckt und Enttäuschungen sind vorgezeichnet. Vom Vertragsmanagement zur Vertragsintelligenz Warum ist es so wichtig, dass sich das Vertragsmanagement zur Vertragsintelligenz weiterentwickelt? Weil nur durch die vollständige Kenntnis aller Vertragsbedingungen für jeden Aspekt des Projektgeschäfts von zentraler Bedeutung sind. Von der Erstel‐ lungs und Erfüllungsphase bis zum Vertragsende, sowie allen Detailschritten: Vertragsbedingungen aushandeln, Verträge verwalten, Pflichten und Vorschriften einhalten, Leistungsmanagement, Durchsetzung, Vertragsanpasssungen und weitere Aktivitäten. Alles Fakten einer umfassenden Vertragsintelligenz (siehe Abb. 23-3). Vertragsanalyse Begriffe Bedingungen Reihenfolge der Klauseln Risikoexposition Einhaltung von Vorschriften Bestimmungen Verbindlichkeiten Termine und Fristen Änderungen Erneuerungen Beendigung VV Abb. 23-3: Hauptfaktoren der Vertragsintelligenz 23.2 Vertragsmanagement 293 <?page no="294"?> Durch effektive Vertragsverwaltung und -verhandlungen werden profitable Geschäfts‐ beziehungen in der Projektwirtschaft hergestellt. Unternehmen gedeihen und machen „gute Geschäfte“, wenn Verträge bezüglich der Rechte und Pflichten aller Vertragspar‐ teien ausgewogen sind. Dabei wird oft unterschätzt wie viel positiver Ertrag verloren geht, wenn keine „guten Geschäfte“ abgeschlossen werden. Der Schlüssel zu einem guten Vertragsmanagement lautet Vertragsintelligenz. Vertragsanalyse und -gestaltung Allgemein führen ineffiziente Vertragsabschlüsse, Schätzungen der KPMG AG zufolge dazu, dass Unternehmen zwischen 17 und 40 Prozent des Geschäftspotentials verlieren. Deshalb verbringen Anwaltsteams in großen Unternehmen / Organisationen jährlich zehn- oder hunderttausende von Stunden mit der Auslegung bestehender Verträge. Für KMU besteht daher Handlungsdruck, effiziente KI-Lösungen zu suchen und zu finden. Bei größeren Projekten, mit mehreren beteiligten Parteien (Gewerken), wird spätes‐ tens vor dem Einstieg in die Vertragsverhandlungen eine Vertragsanalyse, meist als Workshop durchgeführt. Bei der Vertragsgestaltung gilt es die internen Schmerzgren‐ zen bezüglich der Vertragsbedingungen auszuloten und zu bewerten. Aber auch darum, wie die anderen Vertragsparteien darauf reagieren könnten. Während dieser Phase ist es wichtig, dass sich die Unternehmens- und Projektleitung der Konsequenzen bewusstwerden, die sich aus den Paragrafen im Vertragstext ergeben. Nach Unterzeichnung des Vertrages wird in größeren Projekten eine weitere Ver‐ tragsanalyse in Form eines Workshops, oft als Bestandteil des Projekt Kickoff Meetings, notwendig. Das Ziel, Bewusstsein ins Projektteam tragen und darlegen, welche Kon‐ sequenzen sich aus den einzelnen Paragrafen für die Arbeitsweise der Teammitglieder ergeben. Folgerungen wären, auf Einhaltung von Lieferbedingungen, Meilensteinen, Abgabefristen, Zahlungsbedingungen und -fristen, aber auch zeitlich einzuhaltende Meldepflichten bei Abweichungen, jeglicher Arten von Störungen und Behinderungen zu achten. Wenn alle Themen klar im Vorfeld analysiert und kommuniziert wurden, können die Projektteammitglieder adäquat, präventiv aber mindestens vertragsgerecht handeln. Auch für diesen Abschnitt hält die KI analytische Methoden bereit, beispielsweise „NLP“ gestützt, die helfen, Vertragsinhalte besser zu verstehen und Auffälligkeiten in Verträgen zu identifizieren. Auf diese Weise lassen sich schneller die richtigen Schlüsse daraus ableiten. Darüber hinaus kann KI ansatzweise rechtliche Ergebnisse vorhersagen, beispielsweise mittels „Entscheidungsbäume und Random Forests“ sowie „Feature-Extraction“, was zu einem weiteren Nutzen führt. Natürlich kann die KI nur Anhaltspunkte liefern und nur eine juristische Fachperson kann die wirkliche Relevanz 294 23 KI im Vertrags- und Claim Management <?page no="295"?> 2 Alarie, B., Niblett, A. und Yoon, A. (2018) Wie künstliche Intelligenz die Rechtspraxis beeinflussen wird RechtswissenschaftlicheZeitschriftderUniversitätToronto 3 Semmler, S. und Rose, Z. (2017) Künstliche Intelligenz: Anwendung heute und Beteiligung morgen. Duke Law & Technology Review beurteilen. 2 Trotzdem sind diese Analysen wichtig, um die erforderlichen Schritte schneller zu durchlaufen. Die KI-Entwicklungen zur Vertragsanalyse und -gestaltung haben einen Innova‐ tionschub durch die Erfassung großer Datenmengen und komplexer prädiktiver Analysen erfahren. Da die meisten Foundation Modelle intensiv mit Vertragstexten trainiert wurden, ergeben sich mit der Anwendung dieser vordefinierten Modelle neue Chancen. Chancen, die Qualität und die Abfassung von Verträgen zu verbessern und die Verhandlungen zu forcieren. Mittels prädiktiver Analysetechniken werden potenzielle Vertragsrisiken, wie beispielsweise verkettete Vertragsklauseln oder sich widersprechende Bestimmungen vorhergesehen und alternative Lösungen aufgezeigt. Die verwendeten Algorithmen beruhen auf historischen Daten und können nur Wahr‐ scheinlichkeiten vorhersagen. Daher ist es wichtig, dass die KI-Foundation Modelle selbständig weiter lernen und damit die erzielbaren Ergebnisse ständig verbessert werden. Aktuell erzielen diese Modelle eine Ergebnisqualität von über 90 %. KI kann, beginnend mit der Analyse des Vertrags, der Verhandlung und Unterzeichnung bis hin zur Einhaltung und Überwachung der Vertragsbedingungen, unterstützen. KI-Tools hierzu finden sich im Kapitel 2.5 Vertragslebenszyklus. Vor allem steht die Analyse von Vertragsklauseln, die Aufdeckung von Fehlern, Un‐ stimmigkeiten und die Auflistung alternativer Lösungen zur Vertragsverbesserung im Fokus. KI kann auch für die Vorbereitung von Vertragsdokumenten, die Ausarbeitung von standardisierten Vertragsbedingungen oder für die Verwaltung umfangreicher Verträge verwendet werden. Gut, dass diese KI-Technologien zunehmend auch Nichtjuristen zugänglich gemacht werden, was die rechtliche Informationsverarbeitung erleichtert. Damit lässt sich der technisch ausgeprägte Schreibstil bei vertragsrelevanter Kommunikation der Projekt‐ partner in eine juristisch wirksame Schreibkultur zu übertragen. 3 Die fortschreitende Weiterentwicklung lässt sich am Beispiel DoNotPay zeigen, einer KI-Software, die in den USA und Großbritannien kostenlose Rechtsdienstleistungen anbietet. Konzi‐ piert für die Anfechtung von Strafzetteln, wurde sie schnell für die Erstattung von Flugtickets und Hotelreservierungen eingesetzt. Es ist ein Bot, der Daten der Online- Kommunikation analysiert und sich den Antworten des Nutzers anpasst. Als Ergebnis erhält der Nutzer eine juristisch aufbereitete Forderungserklärung, die direkt bei Gericht eingereicht werden kann. Juristen erspart der Einsatz dieser Tools bereits jetzt etwa 80 % ihrer Zeit für die normale Bearbeitung von Verträgen. Für Nichtjuristen können diese Tools eine Alternative darstellen, um die Beauftragung eines Anwalts für die Verwaltung bzw. Prüfung einfacher Verträge einzusparen. Hierbei ist aber eine sorgfältige Abwägung dringend geboten und vor allem für eine Übergangszeit 23.2 Vertragsmanagement 295 <?page no="296"?> 4 Dieses Beispiel stammt von Wydick, Plain English for Lawyers, (1978) 66 California Law Review 727, 749. sollte man zweigleisig fahren, um zu sehen, welche spezifischen Vertragsarten des Unternehmens wirklich für die KI-Anwendung geeignet sind.[7] Wer für sein Unternehmen selbst ausprobieren will, was mit verfügbaren KI-Foun‐ dation Modellen möglich ist, kann beispielsweise mit Watson Discovery von IBM beginnen. Derzeit wird diese Experimentierwiesen eifrig genutzt, um Unternehmens‐ anwendung zur Dokumentenstrukturanalyse, Muster- und Trenderkennung in Dokumenten, zu erstellen. Allerdings erfordert diese Anwendungsform ein Höchst‐ mast an Expertenwissen. Wie bei allen KI-Projekten gilt der Rat, erst einmal klein anzufangen. Auf allen Experimentierfeldern handelt es sich nicht um fertige Produkte, sondern noch um sogenannte ‚dumme‘, untrainierte KI-Modelle. Je eindeutiger sich Themen definieren und klare Grenzen ziehen lassen, desto einfacher und schneller lassen sich auch beispielsweise Chatbots erstellen. Chatbots die sich aus den verschiedenen in den Plattformen enthaltenen vordefinierten Komponenten zusammenstellen und mit un‐ ternehmensspezifischen Vertragswissen oder entsprechenden Dokumenten trainieren lassen. Grundsätzlich ist für das Training ein großes interdisziplinäres Team erforder‐ lich, dass sich aus unterschiedlichen Qualifikationen, wie beispielsweise Business-User, Analysten, KI-Experten, Programmierer, Prozess-Spezialisten etc. zusammensetzt. Einen Vorteil haben alle Experimentierfelder gemeinsam, man kann damit ohne große eigene finanzielle Aufwände experimentieren. Um bei steten Neuentwicklungen (einige werden in den folgenden Abschnitten erwähnt) die richtige Auswahl zu treffen, empfiehlt es sich mit einem Juristen des Vertrauens einen Kriterienkatalog zu erstellen. Dieser sollte auf die organisatorischen Strukturen und die branchenspezifischen vertraglichen Gegebenheiten des Unterneh‐ mens ausgerichtet sein. Anhand eines einfachen, aber typischen englischen Vertragstextes wird exempla‐ risch aufgezeigt, wie dieser juristisch durch Laien, aber auch von weniger ausgereiften KI-Tools, missinterpretiert werden kann. Original Vertragstext: If this contract is terminated, the Agent shall be notified immediately to cancel all outstanding work orders. Vertragstextanalyse gemäß juristischer Betrachtung: Hier kann sich immediately sowohl auf die Benachrichtigung als auch auf die Stornierung beziehen. Um diese Mehrdeutigkeit zu vermeiden, muss immediately entweder vor notified oder aber nach to cancel gestellt werden. 4 Gegebenenfalls ließe sich auch der bei Puristen verpönte split infinitive verwenden: to immediately cancel. 296 23 KI im Vertrags- und Claim Management <?page no="297"?> Stellt man in chatGPT die Frage: Is this text in a contract unambiguous and not open to further interpretation? If this contract is terminated, the Agent shall be notified immediately to cancel all outstanding work orders. Erhält man folgendes Vertragstextanalyseergebnis: The text you’ve provided is relatively straightforward, but in a legal context, almost any language can be scrutinized for interpretation. Here’s a breakdown of the potential ambiguies: „If this contract is terminated“: This indicates that the following actions are contin‐ gent upon the termination of the contract. It seems clear, but questions could arise about what constitutes „termination.“ Is it when one party gives notice, or when the termination is finalized? „The Agent shall be notified immediately“: The term „immediately“ can be a source of ambiguity. Without a specific timeframe attached to „immediately,“ disputes can arise about what time period is acceptable. Does „immediately“ mean within an hour, by the end of the business day, or something else? „To cancel all outstanding work orders“: The term „outstanding“ could be ambiguous. Does it refer to work orders that haven’t been started, partially completed ones, or even ones that have been completed but not yet billed or finalized? While the sentence is generally clear to a layperson, in a legal context, there are potential ambiguities. To reduce ambiguity: Define what „immediately“ means in terms of a specific time frame. Clarify what constitutes an „outstanding“ work order. Possibly add a definition or clause about what constitutes the „termination“ of the contract. Whenever possible, it’s beneficial to consult with a legal expert or attorney when drafting or interpreting contract language to ensure clarity and enforceability. Ergebnis der gleichen Frage in „AI Lawer“ (ein mit gut bewertetem Tool): Yes, this text in the contract is unambiguous and not open to further interpretation. It clearly states that if the contract is terminated, the Agent must be notified immediately to cancel all outstanding work orders. Dieser Exkurs zeigt, eine Kaufentscheidung erfordert gründliche Tests! Für Großunternehmen sind sicherlich die leistungsfähigsten Tools, wie Watson Legal von IBM als auch Thomson Reuters Legal Tracker & Contract LifecycleManagement interessant. Für KMU sind eher erschwingliche und bereits vorgetunte KI-Tools, die einfach zu bedienen und auf die spezifischen Bedürfnisse von KMU zugeschnitten sind eher interessant, wie: 23.2 Vertragsmanagement 297 <?page no="298"?> Kira Systems ist bekannt für seine Benutzerfreundlichkeit und kann von KMU ohne umfangreiche technische Kenntnisse genutzt werden. eBrevia besticht mit einer einfach zu bedienenden Benutzeroberfläche und ausge‐ richtet, die Vertragsanalyse für Unternehmen effizienter zu gestalten, kann ebenfalls eine gute Wahl für KMU sein. LawGeex bietet spezielle Pakete für KMU an und konzentriert sich auf die Automa‐ tisierung von rechtlichen Prozessen, einschließlich der Vertragsanalyse und ist daher ebenso eine interessante Option für kleinere Unternehmen. LegalSifter ist dagegen bekannt für seine Kombination aus KI und menschlicher Expertise, was es zu einer guten Wahl für KMU machen kann, die den Vorteil von KI nutzen möchten, aber auch den Komfort schätzen, auf einen einem Expertenrat zugreifen zu können. Luminance wird, obwohl es meist von größeren Unternehmen genutzt wird, in Bezug auf seine KI-gestützten Funktionen für die Vertragsanalyse an Bekanntheit gewonnen kann auch für KMU interessant sein, je nach spezifischen Anforderungen. Zuva lässt sich direkt und mühelos in die Arbeitsabläufe und Anwendungen für die Vertragsanalyse, allerdings nur für englische Verträge einbinden. Eine Sonderrolle nimmt das Tool Paxton LEGAL AI ein, das speziell für Fachleute aus den Bereichen Recht, Regulierung und Compliance gedacht ist. Es kann nicht genug betont werden, dass die o. g. aufgeführten Tools lediglich ein kleiner Ausschnitt eines stetig wachsenden Angebots darstellen.[8] Vertragsrisikoanalyse Wie bereits bei der Vertragsanalyse und -gestaltung beschrieben, gilt es vor allem im Vorfeld bei der Vertragsgestaltung mögliche, sich im Vertragsverlauf ergebende Risiken zu minimieren. Gänzlich Risiko freie bleiben eine Illusion. Aber gerade bei Neulandprojekten muss man bezüglich neuer noch unbekannter Risikoquellen auf der Hut sein. In Projekten, mit erstmaligen neuen Herausforderungen, stecken die meisten, vorher nicht bedachten, Vertragsrisiken. In diesen Fällen treten die meisten Überraschungen auf. In vulnerablen Zeiten, sicher keine Besonderheit. Daher ist es besonders wichtig, nicht nur die eventuell im späteren Verlauf erkenn‐ baren Vertragslücken schnell zu erkennen, sondern vor allem auch das Vertragsumfeld, politische Veränderungen, mögliche neue Einschränkungen usw. frühzeitig zu sehen und mit auf den Radarschirm zu nehmen. Ähnlich, wie dies beispielsweise auch bei einer PESTLE-Analyse erfolgt. Bei vertragsbezogenen Risiken kann das Tool ThoughtRiver eine gute Option für KMU sein. Es bietet eine Risikoanalyse, die Unternehmen dabei unterstützen, poten‐ zielle Risiken in Verträgen früh zu identifizieren und zu mindern. KI unterstützte Sensibilisierung von indirekten Vertragseinflüsse (Emotionen, Stimmungsänderungen in der E-Mail-Kommunikation) kann sehr nützlich sein. 298 23 KI im Vertrags- und Claim Management <?page no="299"?> Auch mit dem deutschen Produkt pacta.ai lassen sich gute Ergebnisse bei der Ver‐ tragsrisikoanalyse erzielen. Dabei wird auf eine Deep Learning Architektur gesetzt. Im ersten Schritt erkennt ein eigens trainiertes neuronales Netz wichtige Parts innerhalb eines Dokuments. Im zweiten Schritt verarbeitet der Algorithmus diese Informationen zur Identifizierung aufschlussreicher Risiken. Im dritten Schritt werden die Daten sortiert und übersichtlich dargestellt. Natürlich kann die Projektleitung nicht ständig alle Entwicklungen im Projektum‐ feld verfolgen, die mögliche indirekte Vertragsrisiken bergen. Aber Es gibt KI-Hilfestellungen, die sowohl im Projektumfeld als auch im Projekt internen Kreis oder im Zusammenhang mit Vertragspartnern (z. B. Lieferanten, Konsorten) vor möglichen Risiken sensibilisieren kann. Dazu gehören Tools die Risiken und Trends in Medien überwachen. Dies erfolgt häufig mit der Methode namens Sentiment Analyse, auch Meinungsmining ge‐ nannt. Tools die Millionen von Online-Artikeln, Blogposts, sozialen Medienbeiträgen und anderen Medienerzeugnissen durchsuchen und analysieren, um die öffentliche Gefühlslage zu bestimmten Themen, Produkten oder Ereignissen zu bestimmen. Einige dieser Tools können auch spezielle Risikofaktoren erkennen und überwachen, wie beispielsweise: ■ Bedrohungen für die Cybersicherheit, ■ Politische Risiken, ■ Gefahren für die Umwelt, ■ Gesundheitsrisiken. Diese Analysen nutzen die Prinzipien des maschinellen Lernens und Natural Language Processing (NLP), um komplexe Muster und Zusammenhänge in Daten zu erkennen und über einfache Schlüsselworterkennung hinausgehen. Es muss betont werden, dass diese Tools, obwohl sie sehr leistungsfähig sind, immer noch Einschränkungen haben und nicht speziell für das Projektgeschäft entwi‐ ckelt wurden. Vor allem sind Probleme mit der Genauigkeit, der Interpretation von Ironie oder Sarkasmus und der Unterscheidung zwischen zuverlässigen und weniger zuverlässigen Quellen gegeben. Sie können nur im Rahmen der Daten, die ihnen zur Verfügung gestellt werden, analysieren und sicher nicht alle Risiken oder Trends dabei erkennen. Aber als Seismografen, die wachsam das Projektumfeld auf mögliche Risiken überwachen, sind diese Hilfsmittel durchaus eine Überlegung wert. Geht es um Markenüberwachung, kann Brandwatch als ein leistungsstarkes Social Media Monitoring-Tool, um Trends zu identifizieren und die Stimmung in Bezug auf Marken oder Produkte zu analysieren, genutzt werden. Zur Trenderkennung kann beispielsweise Meltwater als Medienüberwachung und Medienberichterstattung im globalen Einsatz genutzt werden. Hier sind exemplarisch zwei Tools herausgegriffen aus sich täglich erweiternden Toolpalette, um zu zeigen, dass eine Entscheidung getroffen werden muss, ob der Einsatz im jeweiligen Projektportfolio eine Relevanz hat. 23.2 Vertragsmanagement 299 <?page no="300"?> 5 Als wash-up wird im Vertragsmanagement eine Situation bezeichnet, in der die Vertragsparteien versuchen, über die faire Auflistung gegenseitiger Vertragsverstöße, eine schnelle außergerichtlich Einigung zu erzielen. Vertragslebenszyklus Verträge sind stetig in Bezug auf ihre juristische Gültigkeit hin zu überprüfen und inwieweit die Verträge an aktuelle Bestimmungen, Verordnungen und Gesetzesände‐ rungen angepasst werden müssen. KI-gestützte Rechtsdatenbanken ermöglichen nicht nur Zugriff auf aktuelle Gesetze und Rechtsprechung, sondern verwenden auch KI, um Benutzer dabei zu unterstützen, relevante Informationen im rechtlichen Kontext zu verstehen. ROSS ist ein Recherchesystem, das Fragen in natürlicher Sprache beantwortet und relevante Gesetze und Fälle themenspezifisch findet. Aus Kosten/ Nutzen Gründen oft nur für Großunternehmen interessant. Die folgenden Tools sind eher für KMU geeignet. Icertis Contract Management (ICM) nutzt KI, um Verträge zu analysieren und Risiken zu identifizieren. Es kann Informationen aus Verträgen extrahieren und diese in eine strukturierte Form umwandeln, was die Überwachung und das Management von Vertragsrisiken erleichtert. CobbleStone ist ein Vertragsmanagement-System, das auch Funktionen zur Vertrags‐ analyse bietet. Eigen Technologies analysiert Verträge und andere Textdokumente, um Muster und Informationen zu erkennen. 23.3 Claim Management Claim Management ist im Projektgeschäft oft Bestandteil des Vertrags. Vielfältige Paragrafen und Klauseln beschreiben mehr oder weniger umfangreich die Claim Prozeduren. Das KMU-Umfeld scheut sich oft intensiv Claim Management zu nutzen. Vermutlich um die Kundenbeziehungen nicht zu gefährden. Dabei geht es nur um die Einhaltung der vertraglich zugesicherten Rechte und Pflichten der Vertragsparteien. Grauzonen in Verträgen müssen, beim Eintreten eines vertraglich nicht geregelten Ereignisses, fair nachverhandelt werden. Auch sogenannte „wash-up“ 5 gehören zu den Handlungsoptionen, um für einen Ausgleich von Ansprüchen zu sorgen. Als ein Standardwerk gilt das Buch „Claim Management: Ein Leitfaden für Projektmanager und Projektteam“.[9] Früherkennung und Prävention von Ansprüchen Die beste Prävention vor überbordenden Claim Forderungen stellt ein gründlich analysierter und auf Risiken geprüfter Vertrag dar. Trotz größter Sorgfalt können nie Claims ausgeschlossen werden. Deshalb setzen große Unternehmen extra Claim- 300 23 KI im Vertrags- und Claim Management <?page no="301"?> Manager ein, die das Projektteam sensibilisieren und präventive Maßnahmen ergreifen. KMU können sich keine Claim Manager leisten. Doch hier bieten einige KI-Tools wertvolle Hilfestellung. Einige bewährte Tools zu Risikominimierung wurden in den vorhergehenden Kapi‐ teln erwähnt, aber es gibt Spezialisierungen, d. h. spezielle Werkzeuge, die hier noch besser unterstützen können. Evisort verwendet KI, um Verträge zu analysieren und zu verwalten. Es kann wichtige Termine, Klauseln und andere relevante Informationen aus Verträgen identi‐ fizieren und potenzielle Risiken aufzeigen. Legal Robot nutzt KI, um Verträge auf problematische Klauseln und Risiken zu überprüfen. Icertis Contract Management (ICM), wenn auch nicht exakt für diese Aufgaben konzipiert, liefert gut aufbereitete Analysen. Schadensbewertung und -regulierung Zur Schadensbewertung und -regulierung gehört eine vorherige Prüfung der Voraus‐ setzungen, ob überhaupt Ansprüche geltend gemacht werden können und der dafür notwendige Aufwand gerechtfertigt und zielführend ist. Folgende Tools wären für einen branchenspezifischen Einsatz zu prüfen. In der Versicherungsbranche haben sich die folgenden KI-Tools bewährt und zur Effizienz‐ steigerung bei den Schadensabwicklungen beigetragen.[10] ContractWorks ist bekannt für seine Benutzerfreundlichkeit und bietet grundlegende KI-Funktionen für die Vertragserkennung und -analyse. Concord bietet eine umfassende Vertragsmanagement-Lösung, die besonders für KMU geeignet ist. Es bietet KI-gestützte Analysefunktionen und ist auf Benutzer‐ freundlichkeit und Zusammenarbeit ausgelegt. Outlaw ist eine kosteneffektive Vertragsmanagementlösung mit KI-Funktionen, benutzerfreundlich und einem ansprechenden Design. Claim Verhandlungen Kommt es zu Claim Anmeldungen, muss betont werden, wie wichtig die präventive Sammlung von Beweismitteln ist, um Vertragsverletzungen gerichtsfest belegen zu können. Zur Claim Verhandlung selbst müssen im Vorfeld die Rollen der eigenen Teilnehmer genau festgelegt sein. Vor dem Verhandlungstermin sollte die Claim Verhandlung unternehmensintern mit den erwarteten Reaktionen der Gegenseite durchspielt werden. Guter Rat aus Erfahrung - bringen Sie viel Geduld zu Claim Verhandlungen mit, diskutieren Sie nur Fakten bezogen und willigen Sie ein, wenn sich die Gegenseite zur Beratung zurückziehen will. Konkret sollten Sie bestens vorbereitet sein, bezüglich: 23.3 Claim Management 301 <?page no="302"?> ■ Analyse von Vertragsinhalten, um festzustellen, welche Bereiche zusätzlich strittig oder problematisch sein könnten. ■ Vorhersage von Verhandlungsergebnissen basierend auf historischen Daten und Trends. ■ Erkennung von Emotionen und Absichten durch Analyse von schriftlicher Kom‐ munikation oder gesprochenem Wort (z. B. in Telefongesprächen/ Telefonnotizen). ■ Optimierung von Verhandlungsstrategien durch Vorschläge zur Anpassung von Taktiken basierend auf den wahrscheinlichen Reaktionen der Gegenseite. Hier einige Tools, die in diesem Bereich gute Hilfestellung leisten können: Re: Infe, ein Plattform-Tool, das menschliche Kommunikation in verständlichen Datenstrukturen abbildet und so Unternehmen dabei unterstützt, Einblicke in Verhand‐ lungen und Kommunikationsströme zu gewinnen. Auch die bereits erwähnten Tools wie Kira, ThoughtRiver, Evisort, können Claim relevante Klauseln und Bedingungen in Verträgen aufspüren können. Cogito analysiert in Echtzeit die menschlichen Stimmen in Telefongesprächen, um Emotionen und Stimmungen zu erkennen, die während Verhandlungen nützlich sein können. Aber Vorsicht, ohne Ankündigung, dass man die Gespräche aufzeichnet oder auswertet, begibt man sich vermutlich in einen strafrechtlich relevanten Bereich. Weitere Beispiele zu Tools für diesen speziellen Einsatzbereich sind auch im Hauptkapitel „Collective Intelligence von KI und Mensch in der Projektarbeit - Ein Rahmenwerk auf der Basis von ICB 4.0 und Management 4.0“, Kapitel 5. Hybride Collective Intelligence, zu finden. 23.4 Fazit Die Verwendung von Künstlicher Intelligenz im Vertragsmanagement, der Vertrags‐ analyse und dem Claim Management in der Projektwirtschaft bietet zahlreiche Vorteile. Angefangen von der Automatisierung und Effizienzsteigerung bis zur Risikominimie‐ rung und Verbesserung der Anspruchsregulierung kann der KI-Einsatz erheblichen Mehrwert bieten. Explizite KI-Vertragsmanagement Tools für die Projektwirtschaft zeichnen sich nicht ab? Für KMU ist die richtige Wahl nicht leicht und die Qualität der Angebote sehr different. Für größere Unternehmen kann es lohnen, eigene KI-Modelle zu entwickeln, indem man auf vorgetestete Open Source Foundation Modelle aufsetzt. Open Source Foundation Modelle sind wichtig, um diese auf eigenen, deutschen oder europäischen Servern zu betreiben zu können und die wertvollen, vertraulichen Betriebsdaten besser zu schützen. Verschaffen Sie sich ein klares Bild über die Möglichkeiten und Grenzen von KI- Systemen. Behalten Sie die Entwicklung der KI-Technologie im Blick. 302 23 KI im Vertrags- und Claim Management <?page no="303"?> 23.5 Empfehlung Der KI-Einsatz bedarf einer strategischen Entscheidung der Organisations- und Unter‐ nehmensführung. Ziehen Sie nur Lösungen in Betracht, bei denen die vertrau‐ lichen Vertragsdaten weder von den Anbietern noch von Dritten gespeichert oder eingesehen werden können. Vorzuziehen sind immer Tools die zumindest Optimierungsmöglichkeiten, wie Fine-Tuning oder Prompt Engineering anbieten. Erstellen Sie ein Einführungskonzept und ein an die betrieblichen und Branchen spezifischen Bedürfnisse angepasste Unternehmensstrategie. Mittels eines klaren Testkonzepts überprüfen Sie die Tools auf Herz und Nieren, inwieweit diese ihre betrieblichen Bedürfnisse abdecken. Nutzen Sie viele ähnliche gut vorbereitete Beispiele.[11] Literatur [1] 2/ 2022 5 Rechtstechnologietrends, die die internen Rechtsabteilungen ändern---Gartner Studie, Rob van der Meulen -https: / / www.gartner.de/ de/ artikel/ 5-rechtstechnologietrendsdie-die-internen-rechtsabteilungen-aendern [2] 8/ 2023 https: / / openjur.de/ u/ 2364286.html [3] 7/ 2023 AI And The Future Of Contracts - Forbes, Niels Martin Brochner https: / / www.forbe s.com/ sites/ forbestechcouncil/ 2023/ 07/ 20/ ai-and-the-future-of-contracts/ ? sh=646979e28ea6 [4] ‹http: / / www.iltanet.org›. [5] 8/ 2023 Quellen: Swanson, D. R. (1988). Historical Note: Information Retrieval and the Future of an Illusion. htt ps: / / doi.org/ 10.1002/ (SICI)1097-4571(198803)39: 2<92: : AID-ASI4>3.0.CO; 2-P Lippman, R. P. (1987). An introduction to computing with neural nets. https: / / ieeexplore.ieee.o rg/ abstract/ document/ 1165576 Quinlan, J. R. (1986). Induction of Decision Trees. https: / / link.springer.com/ article/ 10.1007/ BF0 0116251. [6] 2/ 2021 LEGAL TECH VERZEICHNIS - Das Fachmagazin zur Digitalisierung der Rechtsbran‐ che, S.-6-8 [7] 6/ 2023 Artificial Intelligence Applied to Contracts: Panacea or Poison? ---Houssaini Reda,-Bensmail Ghita-- IJFMR Volume 5. DOI 10.36948/ ijfmr.2023.v05i03.3245 [8] 8/ 2023 https: / / www.futurepedia.io Futurepedia ist sicher eines der größten KI-Tool Verzeich‐ nisse, mit über 3500 gelisteten KI-Tools, unterteilt in über 50 Kategorien. [9] 6/ 2009 Claim Management: Ein Leitfaden für Projektmanager und Projektteam---Walter Gregorc, Karl-Ludwig Weiner, ISBN 10 3895783358 [10] 2022 Why AI in Insurance Claims and Underwriting? - Accenture, Andrea Lorenzoni, Michael Reilly https: / / www.accenture.com/ content/ dam/ accenture/ final/ accenture-com/ doc ument/ Accenture-Why-AI-In-Insurance-Claims-And-Underwriting.pdf 23.5 Empfehlung 303 <?page no="304"?> [11] 8/ 2020 Anwaltsblatt https: / / anwaltsblatt.anwaltverein.de/ de/ anwaeltinnen-anwaelte/ anwa ltspraxis/ englisch-als-vertragssprache-fallstricke-und-fehlerquellen - Dr. Volker Triebel und Prof. Dr. Stefan Vogenauer 304 23 KI im Vertrags- und Claim Management <?page no="305"?> 24 Einsatz generativer KI als „Booster“ für Gründungsprojekte Ulrike Aumüller, Colin Kavanagh, Dennis Przytarski, Doris Weßels Abstract Dieser Beitrag beleuchtet den Einsatz von generativer Künstlicher Intelligenz (KI) im Kontext von Gründungsprojekten. Angesichts des rasanten Fortschritts und der steigenden Leistungsfähigkeit von KI-Werkzeugen wird untersucht, wie diese Technologien als Hebel für den Gründungsprozess fungieren können. Der Beitrag zeigt Anwendungsbereiche generativer KI für verschiedene Aufga‐ bengebiete der Gründenden auf, wie z. B. Ideenfindung, Geschäftsmodell- und Produktentwicklung oder auch Marketing. Dabei werden sowohl Potenziale als auch Herausforderungen aufgezeigt. Der Artikel zielt darauf ab, zu verstehen, wie generative KI den Gründungsprozess optimieren kann. Mit Blick auf die dynamische Entwicklung generativer KI-Technologien stellt der Beitrag eine aktuelle Bestandsaufnahme dar und liefert wichtige Erkenntnisse für Gründende, aber auch Projektmanagerinnen und Projektmanager, die diesen Technologien gegenüberstehen und sich mit ihnen auseinandersetzen möchten. Die in diesem Beitrag thematisierten Fragestellungen zeigen den weiteren Regulierungs- und Schulungsbedarf auf, aber auch den Forschungsbedarf mit der Notwendigkeit eines kontinuierlichen Monitorings. Stichwortliste Künstliche Intelligenz, generative KI, Large Language Model, Gründungsprojekte 24.1 Einleitung Mit Innovationen für Innovationen - so die Kurzform dieses Beitrags. Im Fokus steht der Einsatz innovativer Werkzeuge aus dem Bereich der generativen Künstlichen Intelligenz (KI) für Innovationsprojekte, zu denen Gründungsvorhaben in der Regel zählen. Relevanz des Beitrags Wir erleben ein exponentielles Wachstum der Leistungsfähigkeit und eine starke zeitliche Beschleunigung, mit der sich die Technologie der generativen KI weiterent‐ wickelt. Während in den letzten Jahren die weltweite KI-Entwicklung für wenig Aufsehen sorgte, ist generative KI seit der Veröffentlichung von ChatGPT von OpenAI aus San Francisco am 30.11.2022 ins öffentliche Bewusstsein gerückt. Bereits Mitte <?page no="306"?> März, d. h. nach weniger als vier Monaten, veröffentlichte OpenAI ein neues großes Sprachmodell (Large Language Model, LLM) mit der Bezeichnung GPT-4, das weiteren Leistungszuwachs zeigte. Sowohl OpenAI wie auch andere Tech-Giganten folgen seit dieser Zeit mit ständig neuen Ankündigungen rund um KI-Sprachmodelle und Chatbots. Der Markt für generative KI könnte nach Einschätzung des amerikanischen Finanz‐ medien-Anbieters Bloomberg in den nächsten zehn Jahren auf 1,3 Billionen US-Dollar wachsen, ausgehend von einer Marktgröße von nur 40 Milliarden US-Dollar im Jahr 2022. Das entspricht einer Steigerung um mehr als das Dreißigfache (Bloomberg L.P. 2023). Mit dem Einsatz dieser Technologie in der Arbeitswelt wird die Hoffnung auf Produktivitätssteigerung und Effizienzsteigerung verbunden. Die amerikanische Unternehmensberatung McKinsey & Company hat im Juni 2023 von einem neuen Produktivitätsschub generativer KI gesprochen (McKinsey & Company 2023). Dem‐ zufolge könnte die Hälfte der heutigen Arbeitstätigkeiten zwischen 2030 und 2060 automatisiert werden. Wird die jährliche Entwicklung betrachtet, könnte generative KI bis 2040 ein jährliches Wachstum der Arbeitsproduktivität von 0,1 bis 0,6 Prozent ermöglichen. Projektmanagement für Gründungsprojekte: Situationsanalyse Die Entwicklung im Projektmanagement der letzten Jahre hat gezeigt, dass Vorge‐ hensmodelle für Gründungsprojekte intensiv behandelt werden und sich von agilen Ansätzen, Techniken und neuen Frameworks bis hin zu Design Thinking, hybriden Vorgehensweisen und Canvas-Konzepten erstrecken. Gleiches gilt für den Einsatz von KI als Gegenstand neuer digitaler Geschäftsmodelle (Aichele 2021). Auch der Einsatz digitaler Werkzeuge für das Projektmanagement offenbart eine große Fülle von Werkzeugen und Anbietern (projektmagazin 2023). Eine aktuelle Analyse zum Einsatz von KI im Projektmanagement von Tabaoda et al. (Taboada et al. 2023) zeigt, dass die Zahl der Veröffentlichungen über Projektmanagement mit KI (und maschinellem Lernen) in den letzten zehn Jahren erheblich zugenommen hat. Zugleich zeigt diese Untersuchung den besonderen Nutzen des KI-Einsatzes für Bau- und IT-Projekte und im Rahmen der Entscheidungsunterstützung. Noch nicht im Fokus stehen hingegen KIgestützte Werkzeuge für spezifische Gründungsvorhaben. Dabei ist sehr offensichtlich, dass generative KI-Lösungen von der Ideenfindung, über die Marktforschung, die Geschäftsmodell- und Produktentwicklung, den vielfältigen Marketing- und Vertriebs‐ aufgaben bis hin zu neuen Formen der Kundenkommunikation große Potenziale bergen. Gleichzeitig entstehen bei dem Einsatz disruptiv anmutender KI-Tools wie z. B. ChatGPT, Bildgeneratoren wie Midjourney, Stable Diffusion oder auch DALL-E neue rechtliche wie auch ethische Fragestellungen mit schwer abschätzbaren Risiken, für die neue Formen des Risikomanagements und Monitorings erforderlich scheinen. Auch diese Facette des Themenkomplexes wird aktuell kaum thematisiert. 306 24 Einsatz generativer KI als „Booster“ für Gründungsprojekte <?page no="307"?> Zielsetzung Dieser Beitrag soll den konkreten Blick auf die Frage lenken, wo und wie KI-gestützte Werkzeuge aus dem Bereich generativer KI (für Text-, Bild-, Software-, Video- oder auch Musikgenerierung) bei Gründungsprojekten über die Phasen der Ideengenerierung, Definition, Planung und Steuerung eingesetzt werden können. Im Fokus dieses Beitrages stehen somit nicht neue KI-gestützte Geschäftsmodelle, die generative KI als Gründungs‐ gegenstand bzw. im Sinne einer Geschäftsidee haben, sondern die „Booster“-Funktion von generativer KI, wenn sie als neues Tool-Set den Gründungsprozess in seinen unterschiedlichen Phasen wie ein leistungsstarker Hebel fördert. 24.2 Theoretischer Hintergrund Um die Potenziale, aber auch Grenzen des Einsatzes generativer KI generell und im Speziellen in Gründungsprojekten nachvollziehen und einschätzen zu können, ist es unerlässlich, einige grundlegende Funktionsweisen und Eigenschaften dieser zu kennen. Aus diesem Grund wird in diesem Kapitel zunächst auf einige theoretische Grundlagen generativer KI eingegangen sowie Hinweise zum sogenannten „Prompt Engineering“, sozusagen der Kommunikation mit den KI-Anwendungen, gegeben. Grundlagen generativer KI Generative KI ist eine Form von KI, die darauf abzielt, Daten zu erzeugen, die den bereits vorhandenen Daten ähnlich sind. Dies wird durch neuronale Netzwerke erreicht, die darauf trainiert sind, Muster und Beziehungen in den Daten zu identifizieren und dann auf der Grundlage dieses erlernten Wissens neue Daten zu generieren. Die Bezeichnung „generativ“ bezieht sich darauf, dass diese Art von KI tatsächlich neue Daten erzeugt, anstatt nur vorhandene Daten zu analysieren oder zu klassifizieren. Nach Abschluss des Trainingsprozesses wird ein KI-Modell erstellt. Dieses Modell repräsentiert das erlernte Wissen und ist der zentrale Bestandteil des Systems, das die neuen Daten generiert. Es resultiert aus dem angewandten Lernalgorithmus und den Daten, auf denen das Modell trainiert wurde. Die Dynamik des Lernprozesses in diesen Modellen lässt sich als Pendelbewegung zwischen den Phasen der Forward Propagation und Backpropagation beschreiben. Die Forward Propagation ist vergleichbar mit dem Aufstieg eines Wanderers auf einen Berg. Der Wanderer (die Eingabedaten) startet am Fuß des Berges und folgt einem bestimmten Pfad (die Gewichtungen der Neuronen), der ihn über verschiedene Etappen (die Ebenen des Netzwerks) bis zum Gipfel (die Ausgabe des Modells) führt. Die Back‐ propagation ähnelt dem Abstieg vom Gipfel. Wenn der Wanderer am Gipfel feststellt, dass er zu viel Energie verbraucht hat oder nicht am erhofften Ziel angekommen ist (Fehler), überdenkt er die Wahl seines Pfades. Auf dem Weg zurück zum Fuß des Berges plant er, wie er seine Route für den nächsten Aufstieg verbessern kann (Anpassung 24.2 Theoretischer Hintergrund 307 <?page no="308"?> der Gewichtungen). Genau wie ein Wanderer, der aus seiner Erfahrung lernt und seine Route optimiert, um beim nächsten Mal weniger Energie zu verbrauchen, passt auch ein neuronales Netzwerk seine Gewichtungen an, um den Fehler zu minimieren. Die Herstellenden eines KI-Modells können hierbei den Datensatz sowie die Zielstellung und die “Kostenfunktion” des Algorithmus anpassen, um die Datenausgaben eines KI- Modells zu verbessern. Ein prominentes Beispiel für generative KI-Modelle sind LLM wie GPT-4 von OpenAI, das in der Anwendung ChatGPT verwendet wird (OpenAI 2023). GPT steht hierbei für Generative Pre-trained Transformer. Ein sogenannter Transformer wie GPT-4 leitet seinen Namen von der Art und Weise ab, wie er Wörter verarbeitet - er „transformiert“ sie, um ihre Bedeutung im Kontext zu verstehen. Bei der Verarbeitung von Text berücksichtigt dieser “Self-Awareness”-Mechanismus jedes Wort und dessen Beziehung zu den umliegenden Wörtern. Durch Analyse dieser Beziehungen kann das Modell die Bedeutung eines jeden Wortes im Kontext verstehen. Es „transformiert“ also die repräsentativen Vektoren der Wörter, basierend auf ihrem Kontext, um eine genaue Interpretation des Textes zu erzielen. Die Generierung von Text erfolgt bei LLM als Reaktion auf “Prompts”, die dem Modell als Eingabe gegeben werden. Prompts können eine beliebige Texteingabe sein wie zum Beispiel ein Buchstabe, ein Wort oder mehrere Wörter. Das KI-Modell reagiert auf diesen Input und generiert einen Text, der auf den von ihm während des Trainings erlernten Mustern basiert. Abhängig vom KI-Modell (Datensatz, Ziel‐ stellung, Kostenfunktion) können also verschiedene Aufforderungen (Prompts) sehr unterschiedliche Antworten hervorbringen. Dabei sollte betont werden, dass das Modell keine spezifischen Dokumente aus seinem Trainingssatz “kennt” oder sich an sie “erinnert”. Es hat kein Verständnis für den Kontext oder die Bedeutung der Texte, die es generiert, da es rein auf der Ebene von Mustern und statistischen Zusammenhängen arbeitet. Eine Ausgabe soll ein wahrscheinliches, legitimes Ergebnis darstellen, kann daher jedoch auch Halluzinationen, also nicht-faktische Angaben beinhalten. Dies ist ein wichtiger Aspekt, wenn es um das Verständnis der Möglichkeiten und Grenzen von KI-Modellen geht. Der Datensatz selbst enthält ebenso ein menschliches Bias, das u. a. zu rassisti‐ schen, sexistischen oder ableistischen Verzerrungen führen kann (Bender et. al. 2021). Um diesem Bias zu entgegnen, hat OpenAI im Zuge der Entwicklung der Modell- Version GPT-3.5 die Antworten des KI-Modells von Menschen bewerten lassen, die u. a. stereotypische, sicherheitsgefährdende oder hasserfüllte Antworten negativ (und andersherum “sichere” Inhalte positiv) bewertet haben, um den Algorithmus des Modells zu verändern (OpenAI 2022). Dieses Verfahren nennt sich “Reinforcement Learning from Human Feedback” (RLHF) und führte dazu, dass OpenAI ihr Modell als “sicher” genug ansah, um die Anwendung ChatGPT, das die KI-Modelle nutzt, im November 2022 zu veröffentlichen. Nichtsdestotrotz existiert durch den Datensatz (ein gigantisches Textkorpus) ein inhärentes Bias im Modell, der durch RLHF lediglich maskiert bzw. verzerrt wird und je nach Prompt und Kontext in seiner Intensität unterschiedlich wiederauftauchen kann. Dieses Bias kann bspw. in Bewertungen 308 24 Einsatz generativer KI als „Booster“ für Gründungsprojekte <?page no="309"?> zur Kreditwürdigkeit einer Person auftauchen, indem geschlechtsspezifische Effekte auftauchen könnten oder indem kulturelle Artefakte wie der amerikanische Sprachstil (Superlative, Optimismus) auch auf die deutsche Sprache projiziert werden kann, mit einem häufigen Sprachgebrauch von Wörtern wie “hervorragend” oder „fantastisch“ (DER STANDARD 2020, ZEIT ONLINE 2023). Auch andere LLM wie bspw. “Llama-2” von Meta versuchen dieses Problem besser zu verstehen und mit unterschiedlichen Ansätzen weiterzubehandeln, um diskriminierende und sicherheitsgefährdende Poten‐ ziale von Sprachmodellen besser zu verstehen und weiter zu verringern (Touvron et. al. 2023). Anders als LLM, die Text generieren, arbeiten KI-Bildgeneratoren wie DALL-E, Stable Diffusion und Midjourney, indem sie Bildinhalte interpretieren und erzeugen. Dabei wird eine eingegebene Textbeschreibung in einen sogenannten „Latent Space“, einen hochdimensionalen Vektorraum, transformiert. In diesem Raum repräsentiert jeder Punkt ein mögliches Bild, das das Modell erzeugen kann. Basierend auf diesem Vektor generiert das KI-Modell ein Bild, das der Textbeschreibung entspricht. Das generierte Bild ist zunächst in einer niedrigeren Auflösung und wird dann in mehre‐ ren Schritten auf die gewünschte Auflösung hochskaliert, wobei bei jedem Schritt zusätzliche Details hinzugefügt werden. Obwohl KI-Bildgeneratoren beeindruckende Ergebnisse liefern können, haben sie auch ihre Einschränkungen. So können sie bspw. die Bedeutung komplexer Textanweisungen missinterpretieren oder Schwierigkeiten haben, bestimmte visuelle Details korrekt zu rendern. Wie bei textbasierten Modellen stellen ethische Überlegungen und der Umgang mit Voreingenommenheit auch bei Bildgeneratoren zentrale Herausforderungen dar. bspw. könnten Bilder, die auf vorein‐ genommenen Datensätzen basieren, diskriminierende Stereotypen weiterverbreiten. So wird eine “Geschäftsperson” in vielen KI-Modellen zumeist als weißer Mann mittleren Alters repräsentiert. Zudem besteht das Risiko, dass solche Modelle zum Erstellen von Deepfakes genutzt werden können, was schwerwiegende Implikationen für Fragen der Privatsphäre und der Informationsintegrität haben könnte. Diese Herausforderungen müssen in zukünftigen Entwicklungen und Anwendungen der KI- Bildgenerierung sorgfältig berücksichtigt werden. Prompt Engineering Der Begriff „Prompt Engineering“ beschreibt die Zielsetzung, in Analogie zum In‐ genieursberuf ("Engineer"), die Eingabeaufforderung (Englisch: Prompt) möglichst professionell zu formulieren, sodass KI-Anwendungen nützlichen, kreativen und qualitativ hochwertigen Output (Texte, Bilder, Videos, Musik etc.) generieren. Prompt Engineering ist das Handwerk, diese Eingaben zu entwerfen. Die Wahl der richtigen Aufforderung kann einen großen Unterschied in der Qualität der generierten Ausgabe machen. Ein guter Prompt berücksichtigt die Stärken und Schwächen des Modells und ist klar, präzise und gut formuliert. Vage Prompts führen hierbei zu einer breiten Palette, die eine gute Übersicht liefern, dafür aber oberflächlich sein kann. Konkrete 24.2 Theoretischer Hintergrund 309 <?page no="310"?> 1 Der CPSS-Prompt ist hier verfügbar: https: / / ai2e.de/ prompts/ cpss.pdf Prompts können zu effektiveren Ergebnissen führen, jedoch auch wichtige Perspekti‐ ven vernachlässigen. Ein allgemeiner Prompt für Sprachmodelle wie „Berichte über die Finanzen des Unternehmens X“ könnte zu einer Mischung aus irrelevanten und relevanten Infor‐ mationen führen. Ein spezifischerer Prompt könnte jedoch sein: „Analysiere den vierteljährlichen Umsatz von Unternehmen X im Vergleich zum Vorjahr und identifi‐ ziere wichtige Faktoren, die zu Veränderungen beigetragen haben“. Dieser Prompt gibt dem Modell klare Anweisungen über die Art der Analyse, die es durchführen soll, was eher zu wertvollen und nützlichen Ergebnissen führen kann. Ebenso kann ein KI-Mo‐ dell eigene Ausgaben auf Schwachstellen überprüfen, mit Prompts wie “Identifiziere Schwachstellen und überarbeite anhand dieser die Ausgabe”. Es kann hilfreich sein, wenn das KI-Modell seinen eigenen Gedankenprozess schildert (bzw. per Prompt dazu aufgefordert wird), sodass die nutzende Person den Ausgabeprozess besser bewerten und steuern kann. Ebenso ist es wichtig zu verstehen, dass Begriffe, die in einem Prompt genannt werden, aufgrund der Funktionsweise der KI-Modelle immer im Kontext des Daten‐ satzes und des Algorithmus gesehen werden und anhand dessen das Programm seine Ausgaben anpasst. Dies kann u. a. dazu führen, dass eine Ausgabe qualitativer ist, wenn im Prompt “qualitativ / hohe Qualität” erwähnt wird oder eine Finanzanalyse besser wird, wenn die Wörter “tiefgehend, nachvollziehbar” Teil des Prompts sind. Bei Bildmodellen wie Midjourney kann so mit Meta-Anweisungen in Prompts, die u. a. einschlägige Plattformen oder Qualitätsmerkmale nennen, ein besseres Ergebnis erzielt werden. bspw. kann ein Prompt-Suffix wie „Trending on Artstation, 8k, Beautiful Color Composition, Cinematic Quality“ hilfreich sein, um hochwertige Resultate zu erzielen. Bei LLM mit Chat-Interaktion können zudem Rollenspiele ein probates Mittel sein, um u. a. entlang eines “Chain-of-Thought”-Prozesses (Gedankenkette) Fragestellungen besser beantworten zu können. Ein effektives Beispiel hierbei ist der CPSS-Prompt 1 , bei dem die KI-Anwendung z. B. eine Mentoring-Rolle einnimmt, um anhand eines Continuous Problem Solving System (CPSS) der nutzenden Person Fragen zu stellen. Schritt für Schritt werden hierbei Lösungsideen generiert, ausgewählt und bewertet und mit neuen Fragestellungen verknüpft. Eine Jobzuweisung kann zudem einen speziellen Blickwinkel darstellen wie z. B. “Als Umweltrechtsexpertin, wie würden neue Emissionsstandards unsere Produktion beeinflussen? ”. Prompt Engineering kann für Unternehmen von großer Bedeutung sein, da es die Fähigkeit verbessert, generative KI-Modelle effektiv zu verwenden, indem präzise und zielführende Antworten generiert werden, die wertvolle Einblicke und Lösungen für Geschäftsprozesse bieten. Mit der in diesem Feld aktuell starken Erforschung und Anwendung hat sich Prompt Engineering als neuer Berufszweig etabliert, der das Potenzial hat, die Art und Weise, wie Unternehmen KI nutzen, tiefgreifend zu verändern. 310 24 Einsatz generativer KI als „Booster“ für Gründungsprojekte <?page no="311"?> Erwartungsmanagement Eric Siegel warnt in seinem Artikel “The AI Hype Cycle is Distracting Companies” davor, dass das Potenzial von KI schnell überbewertet werden könne (Siegel, 2023). Häufig werden die Begriffe KI und „Maschinelles Lernen“ (ML) fälschlicherweise synonym verwendet, was zu Missverständnissen und unrealistischen Erwartungen an die Leistungen von KI führt. In diesem Zusammenhang ist es hilfreich zu wissen, dass KI ein Überbegriff für Maschinen ist, die “intelligente” Aktionen ausführen können, während ML spezifisch den Prozess bezeichnet, bei dem Systeme aus Daten lernen. In bestimmten Anwendungsfällen kann ein zielgerichteter ML-Ansatz effizienter sein als ein breit angelegter KI-Ansatz, der verschiedene ML-Systeme kombiniert, um ein “menschliches” Handeln nachzustellen. Dazu gesellt sich das Versprechen einer starken, allgemeinen KI (englisch: Artificial General Intelligence, AGI). Eine AGI verfolgt das ambitionierte und bislang unerreichte Ziel, menschliche kognitive Fähigkeiten vollumfänglich nachzubilden, indem es viele spezialisierte “schwache” KI- Modelle und -Anwendungen vereint. Zudem nutzen verschiedene KI-Anwendungen dieselben KI-Modelle, obwohl sie für unterschiedliche Zwecke verwendet werden. Dies liegt daran, dass hochqualitative KI- Modelle bisher aus Kosten- und Infrastruktur-Gründen schwer selbst zu entwickeln sind. Dies ist bisher ein Nadelöhr in der technischen Entwicklung und zwingt Anwen‐ dungen dazu, die beliebtesten und leistungsstärksten Modelle von einigen wenigen Anbietern zu nutzen. Der Unterschied zwischen den Ergebnissen kann lediglich im Prompt Engineering und in der Vermarktung des Produktes liegen. Ergebnisse können sich ähneln, obwohl Unternehmen mit unterschiedlichen Werteversprechen werben. Eine Anwendung wie Jasper.ai kann beispielsweise das Modell GPT 3.5. nutzen, die gleiche Basis, die die Anwendung ChatGPT ebenfalls nutzen kann. Bei Bild generierenden Modellen ist dieses Phänomen mit den leistungsstärksten Modellen wie Stable Diffusion und DALL-E ebenso zu erkennen. Trotz einer KI-Kennzeichnung sind also nicht alle Produkte gleichwertig in ihrer Leistung. Teams müssen daher sowohl die Fähigkeiten als auch die Grenzen von KI- Tools kritisch betrachten und stets Kosten und Nutzen abwägen. Die endgültige Ver‐ antwortung für Entscheidungen liegt immer bei den Anwenderinnen und Anwendern. 24.3 Einsatzpotenziale generativer KI in Gründungsprojekten In diesem Kapitel werden mögliche Anwendungsbereiche für generative KI in Grün‐ dungsvorhaben aufgezeigt. Dabei werden verschiedene KI-Anwendungen vorgestellt, deren Einsatz die Autorinnen und Autoren dieses Textes u. a. anhand einiger An‐ wendungsfälle im Jahr 2023, mit Schwerpunkt im Juli 2023, getestet haben. Die zeitliche Einordnung ist wichtig, da nicht abgeschätzt werden kann, wie sich die Anwendungen künftig entwickeln werden und ob sie über das Erscheinungsdatum hinaus noch verfügbar sind bzw. wie sich die Leistungsfähigkeit der Anwendungen 24.3 Einsatzpotenziale generativer KI in Gründungsprojekten 311 <?page no="312"?> entwickelt. Generell ist es möglich, Prozesse im Unternehmen mit KI-Anwendungen zu analysieren, solange die Prozesse sich sinnvoll beschreiben lassen und ein nützlicher Kontext im Datensatz des KI-Sprachmodells existiert. Der systematische Ansatz des CPSS hilft hierbei als ein universeller Rahmen für eine Vielzahl an Geschäftsprozessen, um nicht nur wertvolle Antworten zu erhalten, sondern auch um passende Fragestellungen zu finden. In der untenstehenden Tabelle werden verschiedene Problemstellungen bzw. Auf‐ gaben aufgeführt, mit denen Gründende sich regelmäßig konfrontiert sehen. Diesen Aufgaben werden jeweils KI-Tools zugeordnet, die für die Erledigung dieser Aufgabe genutzt werden könnten, sowie die Phase im Gründungsprozess, der diese Aufgabe angehört. Die verschiedenen Gründungsphasen, die hierbei in Betracht gezogen wer‐ den, spannen von Ideenfindung, Marktforschung, Geschäftsmodellentwicklung und der Kapitalakquise über die Produktentwicklung bis hin zu Marketing und Vertrieb. In der Tabelle werden der Code Interpreter wie auch die verschiedenen ChatGPT Plug-Ins der Einfachheit halber jeweils nur einzeln aufgeführt, obwohl sie immer in Kombination mit ChatGPT verwendet werden. Beim Code Interpreter handelt es sich um eine Möglichkeit, vorhandene Dateien, wie bspw. Excel-Dateien, analysieren und überarbeiten zu lassen. Dies ermöglicht die Gewinnung von neuen, relevanten Einsichten basierend auf existierenden Daten. Plug-Ins unterdes sind modulare, von Externen zur Verfügung gestellte Erweiterungen für ChatGPT, die es ermöglichen, die Funktionalität des Systems zu erweitern und zu personalisieren, ohne dass Änderungen am Kernsystem vorgenommen werden müssen. Sie erlauben eine hohe Flexibilität und können dabei helfen, ChatGPT für eine Vielzahl von spezifischen Anwendungsfällen und Nutzerbedürfnissen zu optimieren. An dieser Stelle sei grds. darauf hingewiesen, dass es sich hier nur um eine exemplarische Tool-Auswahl für die jeweiligen Aufgaben handelt und es häufig diverse KI-Lösungen für das gleiche Anwendungsfeld gibt. Die Tools, die hier aufgeführt werden, sind von den Autorinnen und Autoren jeweils selbst getestet worden. Aufgabe Beispiel-Tools Gründungsphasen Inspiration Bard, Perplexity, ChatGPT, Claude, ScholarAI, VoxScript, WebPilot Ideenfindung Markt-/ Wettbewerbs‐ analyse Bard, Perplexity, ChatGPT, Claude, ScholarAI, VoxScript, WebPilot Marktforschung Personas Delve AI, UXPressia, User Per‐ sona, ChatGPT, Bard, Claude Marktforschung, Geschäfts‐ modellentwicklung, Produktentwicklung, Marketing Business Plan Bard, ChatGPT, Claude, Llama 2, VenturusAI Geschäftsmodellentwicklung, Kapitalakquise 312 24 Einsatz generativer KI als „Booster“ für Gründungsprojekte <?page no="313"?> Business Model Canvas Code Interpreter, ChatGPT, Bard, Claude Geschäftsmodellentwicklung, Kapitalakquise Programmierung OpenAI Codex, GitHub Copilot, ChatGPT, Code Interpreter, Com‐ ponents.ai Produktentwicklung UI-Design Framer, Uizard, Components.ai Produktentwicklung 3D-Modelle und Photo‐ grammetrie Luma AI, Blockade Labs, 3DFY Produktentwicklung Website Framer, Durable, Leia Produktentwicklung, Mar‐ keting/ Vertrieb Erklär- und Werbevi‐ deos Kaiber, Runway Gen-2, Wave Vi‐ deo, Pencil Produktentwicklung, Mar‐ keting/ Vertrieb Audio und Musik Soundraw, MusicLM, Soundful, Loudly Produktentwicklung, Mar‐ keting/ Vertrieb Sprachausgabe Eleven Labs, Murf.AI, PlayHT Produktentwicklung, Mar‐ keting/ Vertrieb Bilderstellung Stable Diffusion, Midjourney, DALL-E 2, BlueWillow, Photoshop (Beta), Adobe Firefly, NVIDIA Canvas Produktentwicklung, Mar‐ keting/ Vertrieb Logo, Corporate Design Midjourney, Looka, Compo‐ nents.ai, LogoPony Marketing/ Vertrieb Präsentationen, Pitch‐ decks Beautiful.ai, SlidesGPT, HeyGen Marketing/ Vertrieb, Kapital‐ akquise Diagramme Code Interpreter, Show Me Marketing/ Vertrieb, Markt‐ forschung, Kapitalakquise SEO-optimierte Werbe‐ texte Jasper, ChatGPT, Bard, Claude, Copy.ai, WriteSonic Marketing/ Vertrieb Werbemittel, Social-Media-Post Canva, Looka, Mixo, AdCreative Marketing/ Vertrieb Marketingstrategie ChatGPT, Albert, AdCreative Marketing/ Vertrieb Support, Customer Ser‐ vice Poly.ai, moinAI, UltimateGPT Marketing/ Vertrieb Eine beispielhafte Auswahl an KI-Tools mit den entsprechenden Phasen eines Gründungsprojekts, in denen sie eingesetzt werden können. Die in der Tabelle genannten Anwendungsfälle bzw. Aufgaben und die ihnen zuge‐ ordneten Tools zeigen, wie vielseitig generative KI im Gründungsprojekt eingesetzt werden kann. Jedoch sollte die Erwartungshaltung gegenüber den Anwendungen gleichzeitig bewusst gesteuert werden, wie bereits unter 2.3 dargestellt wurde. Damit 24.3 Einsatzpotenziale generativer KI in Gründungsprojekten 313 <?page no="314"?> eng in Zusammenhang steht auch die kritische Bewertung des Outputs der KI-Tools. Hierzu gehört es bspw. im Rahmen einer sorgfältigen Recherche, z. B. im Rahmen der Marktforschung, auch Vergleichs-Quellen zu Rate zu ziehen, um sich nicht von potenziellen Halluzinationen in die Irre führen zu lassen. Auch bei der Verwendung von ChatGPT in Kombination mit Plug-Ins, die der Recherche dienen, sollten die aufgeführten Quellen jeweils inspiziert werden. Bei Anwendung von Tools wie WebPilot und ähnlichen, die in der Lage sind, Internet‐ recherchen durchzuführen, sollte zudem beachtet werden, dass diese i. d. R. nicht das “gesamte Internet” untersuchen (also massive Datensätze analysieren), sondern sich auf spezifische Suchanfragen konzentrieren, ähnlich einer simplen Google-Suche. Nach Durchführung dieser Suche werden etwa die ersten fünf Ergebnisse für die von ChatGPT ausgegebene Antwort verwendet. Hier lässt sich aber über passende Prompt- Anweisungen oder den Einblick in die API-Anfragen im Chat genau nachverfolgen, welche Informationen das Plugin an ChatGPT liefert. So kann es eventuell sogar sinnvoller sein, nicht über WebPilot zu suchen, um den Antwortkorridor für ChatGPT nicht zu kleinzuhalten. Neben den Plug-Ins, die für Zugriff auf das Internet sorgen, gibt es auch noch spezielle Literatur Plug-Ins, die für die Recherche in wissenschaftlicher Literatur kreiert wurden. Dies ermöglicht es den Anwendenden, relevante Forschungsarbeiten, Studien und Erkenntnisse zu finden, die ihre Ideen untermauern und mit fundiertem Wissen stärken. Besonders, wenn es darum geht, innovative Lösungen für bestehende Heraus‐ forderungen zu entwickeln oder eine neue Technologie in den Markt einzuführen, kann z. B. ScholarAI eine wertvolle Quelle sein. Dabei sollte jedoch beachtet werden, dass ScholarAI teils zu spezifische Beispiele liefert oder ein relevantes Paper nicht findet. Bei irrelevanten Antworten ist es daher ratsam, gleichsam auf bekannten Literaturportalen zu suchen und über WebPilot oder PDF-Plugins wie AskYourPDF Literaturquellen in die Ideengenerierung einzubinden. Neben PDF-Plugins liefert die bereits erwähnte Code Interpreter-Umgebung von ChatGPT ebenfalls die Möglichkeit, PDF- oder Word- Dateien zu analysieren. Eine weitere Quelle können nicht-textbasierte Inhalte wie Videos und Audiodateien sein. Transkription-Plugins wie „VoxScript“ erlauben es Gründenden, solche Inhalte auf Plattformen wie YouTube nach relevanten Informationen zu durchsuchen. So können aktuelle Vorträge, Diskussionen oder Fallstudien gefunden werden, die Ideen liefern und neuen Input geben. Der Zugang zu Videos von Experten und Fachleuten ermöglicht es den Gründenden, ihr Verständnis für bestimmte Branchen oder Technologien zu vertiefen und wertvolle Erkenntnisse zu gewinnen. Wie bei der Nutzung von Recherche-Tools ist ebenfalls bei der Verwendung Bild ge‐ nerierender KI im Gründungsprozess Umsicht geboten: Auch wenn sich mit Hilfe von Midjourney, Looka usw. gute Grundlagen für Logos und ein Corporate Design kreieren lassen, so ist es i. d. R. meist noch notwendig, die Entwürfe über gängige Design- Software weiter nachzuarbeiten, damit die Designs gängigen Standards entsprechen. 314 24 Einsatz generativer KI als „Booster“ für Gründungsprojekte <?page no="315"?> Bei all den oben aufgeführten Anwendungsfällen handelt es sich somit um Aufgaben, die durch einen kollaborativen Prozess zwischen Menschen und KI-Tools gelöst werden. 24.4 Herausforderungen der Implementierung generativer KI in Gründungsprojekten Wie einleitend erwähnt, birgt der Einsatz von KI im Rahmen von Gründungsprojekten viele Potenziale, die aber nicht darüber hinwegtäuschen sollten, dass auch Risiken im Einsatz mit neuen Technologien bestehen. Es bedarf eines besonderen und neuen Augenmerks auf die Themen Risikomanagement und Monitoring, damit sichergestellt wird, dass die generative KI tatsächlich zum Erfolg einer Gründung beiträgt und sie nicht womöglich ausbremst oder gar zum Hindernis wird. Im Folgenden werden zwei spezifische Bereiche aufgezeigt, die eine Herausforde‐ rung beim Umgang mit KI im Gründungskontext darstellen könnten: Die durchgängige Verfügbarkeit von Tools kann hierbei bspw. genauso eine Rolle spielen wie auch Cyberrisiken. Einsatz und Verfügbarkeit Tools Generative KI-Tools können auf vielfältige Weise im Gründungskontext zum Einsatz kommen, wie im dritten Kapitel anhand vielfältiger Beispiele aufgezeigt wurde. Bei einigen dieser Anwendungsfälle handelte es sich um im Gründungskontext i. d. R. einmalig auftretende Aufgaben (z. B. Ideenfindung, Marktforschung und Geschäfts‐ modellentwicklung), die mit Unterstützung von KI-Anwendungen erledigt werden, während andere Einsatzgebiete dauerhafter Natur im Zuge des laufenden Geschäfts‐ betriebs darstellen. Entsprechend unterschiedlich sind die Anforderungen seitens eines Gründungs‐ teams an die dauerhafte Verfügbarkeit der KI-Tools. Ein einmalig genutztes Tool, das später nicht mehr zugänglich ist, stellt für das Unternehmen vermutlich kein oder ein geringes Risiko dar, während ein potenziell dauerhaft genutztes, wenn es nicht mehr zugänglich ist, den reibungslosen Ablauf der Unternehmensprozesse und damit die Kundenzufriedenheit gefährden könnte. Folglich muss bei Einsatz von generativer KI vorab eine Risikobewertung der jeweiligen Tools bzgl. ihres Einsatzgebietes erfolgen. Die dabei zu betrachtenden Faktoren könnten sein: ■ die geplante Einsatzdauer im Gründungsprojekt ■ die wirtschaftliche Situation des herausgebenden Unternehmens ■ die Einzigartigkeit bzw. Ersetzbarkeit des verwendeten Tools Ein Unternehmen muss sich darüber im Klaren sein, dass die von ihm genutzten Tools in der Zukunft möglicherweise nicht mehr in der gleichen Form oder überhaupt existieren. 24.4 Herausforderungen der Implementierung generativer KI in Gründungsprojekten 315 <?page no="316"?> Die Nutzung von Open-Source-Tools kann in solchen Fällen eine nachhaltigere Option darstellen, da sie einen verlässlichen Zugang, größere Community-Unterstützung und Flexibilität bieten. Allerdings kann Open Source auch zum Nachteil werden, wenn die Community das Projekt aufgibt oder wenn es zu vielen divergierenden Versionen (Forks) kommt, die die Konsistenz und Zuverlässigkeit des Tools beeinträchtigen. Wie jedes digitale Produkt sind KI-Modelle niemals “fertig” und sollten jeweils im Kontext der digitalen Transformation immer wieder neu bewertet werden. Ein weiteres Risiko in diesem dynamischen Feld ist der potenzielle Verlust des USP durch technologische Weiterentwicklungen. Ein Feature, das heute einzigartig ist, könnte morgen durch Fortschritte in der KI-Technologie obsolet werden. Startups sollten über die neuesten Entwicklungen auf dem Laufenden bleiben und ihre Geschäftsmodelle entsprechend agil anpassen können. Cyberrisiken Mit der raschen Entwicklung und Verbreitung ChatGPT sind auch neue Cybersicher‐ heitsbedenken aufgetaucht. Ein zentrales Anliegen ist die „Prompt Injection“, bei der schadhafter Code oder unsichere Daten in das Modell eingegeben werden können, um unerwünschte oder gefährliche Antworten zu generieren. Zudem haben Forschende, die sich mit Cyber Security beschäftigen, auf potenzielle Schwachstellen in den Plugins von ChatGPT hingewiesen, die dazu verwendet werden können, den Chatverlauf eines Benutzers zu stehlen, persönliche Daten zu sammeln oder Code auf dem Gerät des Benutzers auszuführen. Johann Rehberger, ein Sicherheitsforscher, betont, dass ChatGPT den Rückmeldungen aus einem Plug-in nicht grundlegend vertrauen kann, da diese potenziell schädlich sein könnten (WIRED 2023). Ein weiteres Problem ist das „Chaining“, bei dem ein Plug-in ein anderes aufruft, wodurch Daten potenziell durch ein sog. “Cross Plug-in Request Forgery” gestohlen werden könnten. Es gilt also jeweils darauf zu achten, welche Plug-ins aktiv sind und welchen Limitationen diese unterliegen. Vor diesem Hintergrund erweist sich der Aufbau einer eigenen Dateninfrastruktur als möglicherweise entscheidender Vorteil für Unternehmen, die LLMs nutzen möch‐ ten. Eine solche Infrastruktur ermöglicht es Unternehmen, ihre Daten innerhalb ihrer eigenen Umgebung zu behalten, wodurch die Kontrolle über den Datenfluss und die Datenverwendung maximiert wird. Dies schützt nicht nur vor potenziellen Sicher‐ heitsverletzungen, sondern gewährleistet auch, dass geschäftskritische und sensible Informationen geschützt bleiben. Das Entwickeln maßgeschneiderter Modelle, die spezifisch auf Unternehmensbedürfnisse zugeschnitten sind, ermöglicht zudem eine präzisere und effizientere KI-Nutzung. Insgesamt bietet eine eigene Dateninfrastruktur somit eine höhere Datenkontrolle, verbesserte Compliance und möglicherweise bes‐ sere KI-Ergebnisse, während sie gleichzeitig die Risiken minimiert, die mit der Nutzung öffentlicher KI-Dienste einhergehen. Als Beispiel versucht hier das Unternehmen Bosch mit “BoschGPT” in Zusammenarbeit mit dem deutschen Server-Anbieter “Aleph Alpha” ihren Mitarbeitenden ein internes LLM anzubieten (Handelsblatt 2023). 316 24 Einsatz generativer KI als „Booster“ für Gründungsprojekte <?page no="317"?> 24.5 Fazit und Ausblick Dieser Beitrag beleuchtet die Potenziale und Herausforderungen der Implementierung generativer Künstlicher Intelligenz in Gründungsprojekten. Im Kontext von exponenti‐ ellem Technologiewachstum und immer raffinierteren KI-Anwendungen wird deutlich, dass generative KI als „Booster“ für Gründungsprojekte agieren kann. Durch ihren Einsatz können Prozesse in der Ideenfindung, Marktforschung, Geschäftsmodell- und Produktentwicklung sowie im Marketing, Vertrieb und Kundenservice optimiert werden. Dennoch sollte der Einsatz von KI nicht unkritisch betrachtet werden. Herausforderun‐ gen wie der Zugang und die Verfügbarkeit von KI-Tools, Sicherheitsbedenken und Erwartungsmanagement müssen im Vorfeld sorgfältig bedacht und bewertet werden. Gründende müssen in der Lage sein, mit den sich ständig weiterentwickelnden Technologien Schritt zu halten, sie effektiv zu nutzen und dabei die ethischen und rechtlichen Rahmenbedingungen zu beachten. Darüber hinaus kann die wachsende Rolle der KI in der Gesellschaft und in der Wirtschaft neue Geschäftsmöglichkeiten und Marktsegmente eröffnen, die Gründenden neue Wege und Chancen bieten. Obwohl der Einsatz von generativer KI in Gründungsprojekten große Potenziale bietet, gibt es auch noch viele offene Fragen und Forschungslücken. Bspw. könnte untersucht werden, wie die Erwartungen an KI-Tools besser gemanagt werden können. Ebenso könnte es für Gründende hilfreich sein, wenn es ausreichend Ressourcen und Informationsquellen dazu gäbe, wie ethische und rechtliche Aspekte bewusst bei der Implementierung von KI in Gründungsprojekten Berücksichtigung finden können, damit die genutzten Anwendungen die Werte der Gründerinnen und Gründer widerspiegeln. Ein weiteres Gebiet für mögliche zukünftige Forschung ist die Frage, wie KI-Tools effektiver in den Gründungsprozess integriert werden können. Auch könnte die Untersuchung der Auswirkungen von KI auf die Gründungslandschaft spannend sein, z.-B. in puncto Wettbewerb oder Marktumfeld. Abschließend lässt sich festhalten, dass generative KI-Modelle trotz ihrer eindrucks‐ vollen Fähigkeiten ihre Grenzen haben. Sie sind nur so gut wie die Daten, auf denen sie trainiert wurden, und sie sind nicht unfehlbar oder allwissend. Deshalb ist die Einbindung von menschlicher Aufsicht und Kontrolle ein entscheidender Faktor. Während die Modelle effiziente Werkzeuge für verschiedenste Aufgaben sein können, sollte man die möglichen Einschränkungen und Herausforderungen nicht außer Acht lassen. Durch die sorgfältige Kombination von generativen KI-Modellen mit menschlichem Einfluss und Verständnis kann ein optimales Ergebnis erreicht werden. Bei Berücksichtigung dieses kollaborativen Ansatzes scheint generative KI das Potenzial zu haben, Gründungsprojekte maßgeblich zu beeinflussen und zu verbessern. Hierzu sind, wie zuvor dargestellt, noch weitere Forschung und Beobachtungen notwendig, um die Herausforderungen zu adressieren und das volle Potenzial der KI in Gründungsprojekten auszuschöpfen. 24.5 Fazit und Ausblick 317 <?page no="318"?> Erklärung der Autorinnen und Autoren Für diese Ausarbeitung hat das Team folgende Werkzeuge aus dem Bereich generativer KI bzw. KI-gestützter Schreibwerkzeuge genutzt: ■ DeepL (Translate) für Übersetzungen ■ DeepL (Write) für Umformulierungen ■ ChatGPT für Ideengenerierung und erste Entwürfe ■ Elicit.org für Literatursuche ■ Perplexity.ai für Literatursuche Nach der Nutzung dieser Tools und Dienste hat das Team den Inhalt nach Bedarf überprüft und bearbeitet. Die Autorinnen und Autoren übernehmen die volle Verant‐ wortung für den Inhalt der Veröffentlichung. Verzeichnis der KI-Tools ■ 3DFY: https: / / 3dfy.ai/ , zuletzt geprüft am 17.08.2023. ■ AdCreative: https: / / www.adcreative.ai/ , zuletzt geprüft am 17.08.2023. ■ Adobe Firefly: https: / / www.adobe.com/ de/ sensei/ generative-ai/ firefly.html, zu‐ letzt geprüft am 17.08.2023. ■ Albert: https: / / albert.ai/ , zuletzt geprüft am 17.08.2023. ■ AskYourPDF: https: / / askyourpdf.com/ , zuletzt geprüft am 17.08.2023. ■ Bard: https: / / bard.google.com/ , zuletzt geprüft am 17.08.2023. ■ Beautiful.ai: https: / / www.beautiful.ai/ , zuletzt geprüft am 17.08.2023. ■ BlueWillow: https: / / www.bluewillow.ai/ , zuletzt geprüft am 17.08.2023. ■ Blockade Labs: https: / / www.blockadelabs.com/ , zuletzt geprüft am 17.08.2023. ■ ChatGPT: https: / / chat.openai.com/ , zuletzt geprüft am 17.08.2023. ■ Claude: https: / / claude.ai/ , zuletzt geprüft am 17.08.2023. ■ Code Interpreter: ChatGPT-Plugin, keine eigene Webseite. ■ Components.ai: https: / / components.ai/ , zuletzt geprüft am 17.08.2023. ■ Copy.ai: https: / / www.copy.ai/ , zuletzt geprüft am 17.08.2023. ■ Delve AI: https: / / www.delve.ai, zuletzt geprüft am 17.08.2023. ■ DALL-E 2: https: / / openai.com/ dall-e-2, zuletzt geprüft am 17.08.2023. ■ Durable: https: / / durable.co/ , zuletzt geprüft am 17.08.2023. ■ Eleven Labs: https: / / elevenlabs.io/ , zuletzt geprüft am 17.08.2023. ■ Framer: https: / / www.framer.com/ , zuletzt geprüft am 17.08.2023. ■ GitHub Copilot: https: / / github.com/ features/ copilot/ , zuletzt geprüft am 17.08.2023. ■ HeyGen: https: / / www.heygen.com/ , zuletzt geprüft am 17.08.2023. ■ Jasper: https: / / www.jasper.ai/ , zuletzt geprüft am 17.08.2023. ■ Kaiber: https: / / kaiber.ai/ , zuletzt geprüft am 17.08.2023. ■ Leia: https: / / heyleia.com/ , zuletzt geprüft am 17.08.2023. ■ Llama 2: https: / / ai.meta.com/ llama/ , zuletzt geprüft am 17.08.2023. 318 24 Einsatz generativer KI als „Booster“ für Gründungsprojekte <?page no="319"?> ■ LogoPony: https: / / logopony.de/ , zuletzt geprüft am 17.08.2023. ■ Looka: https: / / looka.com/ , zuletzt geprüft am 17.08.2023. ■ Loudly: https: / / www.loudly.com/ , zuletzt geprüft am 17.08.2023. ■ Luma AI: https: / / lumalabs.ai/ d, zuletzt geprüft am 17.08.2023. ■ Midjourney: https: / / www.midjourney.com/ , zuletzt geprüft am 17.08.2023. ■ Mixo: https: / / www.mixo.io/ , zuletzt geprüft am 17.08.2023. ■ moinAI: https: / / www.moin.ai/ , zuletzt geprüft am 17.08.2023. ■ Murf.AI: https: / / murf.ai/ , zuletzt geprüft am 17.08.2023. ■ MusicLM: https: / / blog.google/ technology/ ai/ musiclm-google-ai-test-kitchen/ , zu‐ letzt geprüft am 17.08.2023. ■ NVIDIA Canvas: https: / / www.nvidia.com/ de-de/ studio/ canvas/ , zuletzt geprüft am 17.08.2023. ■ OpenAI Codex: https: / / openai.com/ blog/ openai-codex, zuletzt geprüft am 17.08.2023. ■ Pencil: https: / / www.trypencil.com/ , zuletzt geprüft am 17.08.2023. ■ Perplexity: https: / / www.perplexity.ai/ , zuletzt geprüft am 17.08.2023. ■ Photoshop (Beta): https: / / www.adobe.com/ de/ products/ photoshop/ generative-fill .html, zuletzt geprüft am 17.08.2023. ■ PlayHT: https: / / play.ht/ , zuletzt geprüft am 17.08.2023. ■ Poly.ai: https: / / poly.ai/ , zuletzt geprüft am 17.08.2023. ■ Runway Gen-2: https: / / research.runwayml.com/ gen2, zuletzt geprüft am 17.08.2023. ■ ScholarAI: ChatGPT-Plugin, https: / / scholar-ai.net/ , zuletzt geprüft am 17.08.2023. ■ Show Me: ChatGPT-Plugin, keine eigene Webseite. ■ SlidesGPT: https: / / slidesgpt.com/ , zuletzt geprüft am 17.08.2023. ■ Soundful: https: / / soundful.com/ , zuletzt geprüft am 17.08.2023. ■ Soundraw: https: / / soundraw.io/ , zuletzt geprüft am 17.08.2023. ■ Stable Diffusion: https: / / stability.ai/ stablediffusion, zuletzt geprüft am 17.08.2023. ■ Synthesia: https: / / www.synthesia.io/ , zuletzt geprüft am 17.08.2023. ■ Uizard: https: / / uizard.io/ , zuletzt geprüft am 17.08.2023. ■ UltimateGPT: https: / / www.ultimate.ai/ , zuletzt geprüft am 17.08.2023. ■ User Persona: https: / / userpersona.dev/ , zuletzt geprüft am 17.08.2023. ■ UXPressia: https: / / uxpressia.com/ , zuletzt geprüft am 17.08.2023. ■ VenturusAI: https: / / venturusai.com/ , zuletzt geprüft am 17.08.2023. ■ VoxScript: ChatGPT-Plugin, keine eigene Webseite. ■ Wave Video: https: / / wave.video/ , zuletzt geprüft am 17.08.2023. ■ WebPilot: ChatGPT-Plugin, https: / / www.webpilot.ai/ , zuletzt geprüft am 17.08.2023. ■ WriteSonic: https: / / writesonic.com/ , zuletzt geprüft am 17.08.2023. Literatur [1] Aichele, Christian (2021): Betriebswirtschaftliche KI-Anwendungen. Digitale Geschäftsmo‐ delle Auf Basis Künstlicher Intelligenz. Unter Mitarbeit von Jörg Herrmann. Wiesbaden: Literatur 319 <?page no="320"?> Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH. Online verfügbar unter https: / / ebookcentral.proqu est.com/ lib/ kxp/ detail.action? docID=6640468. [2] Bender, Emily M.; Gebru, Timnit; McMillan-Major, Angelina; Shmitchell, Shmargaret (2021). On the Dangers of Stochastic Parrots: Can Language Models Be Too Big? . In: Conference on Fairness, Accountability, and Transparency (FAccT ’21) DOI: 10.1145/ 3442188.3445922. [3] Bloomberg L.P. (Hg.) (2023): Generative AI to Become a $1.3 Trillion Market by 2032, Research Finds. Online verfügbar unter https: / / www.bloomberg.com/ company/ press/ generative-ai-t o-become-a-1-3-trillion-market-by-2032-research-finds/ , zuletzt aktualisiert am 01.06.2023, zuletzt geprüft am 22.07.2023. [4] DER STANDARD (Hg.) 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Körting Abstract Dieser Fachbeitrag beleuchtet die positive Verbindung von Künstlicher Intelligenz (KI) und betrieblicher Gesundheitsförderung (BGF) in Projektteams, die in der modernen Arbeitswelt immer bedeutender wird. Als entscheidender Faktor im Projektmanagement gewährleistet die BGF die Stärkung der Mitarbeitergesund‐ heit und des Wohlbefindens. Die Integration von KI in die BGF ermöglicht erreichbare Ziele wie Gesundheits‐ monitoring, personalisierte Unterstützung und effiziente Ressourcennutzung, wodurch Arbeitszufriedenheit und gesteigerte Produktivität in Projektteams erreicht werden. Kluge Planung, offene Kommunikation und gezielte Schulungen bieten Lösungen für eine gelungene Umsetzung. Sie helfen auch, die Herausforderungen an den Datenschutz und die Akzeptanz durch die Mitarbeitenden zu meistern. Durch die Synergie von KI und BGF eröffnet sich eine äußerst vielversprechende Perspektive zur Förderung der Gesundheit in Projektteams. Die erfolgreiche Integra‐ tion dieser Ansätze ermöglicht die Schaffung einer vitalen und leistungsfördernden Arbeitsumgebung, die nicht nur zu einer Steigerung des Projekterfolgs führt, sondern auch das Projektmanagement maßgeblich optimiert und bereichert. Stichwortliste Intelligente Gesundheit, Künstliche Intelligenz, KI, Betriebliche Gesund‐ heitsförderung, Betriebliches Gesundheitsmanagement, Digitalisierung im Gesundheitswesen, Krankheitspräventionsstrategien, Gesundheitsapps, Ge‐ sundheitscoaching, Resilienzförderung, Stressmanagement, Individualisierte Ge‐ sundheitsmaßnahmen, Gesundheitsrisikoanalyse, Leistungsfähigkeit, Gesund‐ heitsbewusste Unternehmenskultur, Corporate Health, Digital Health, Deep Health, Virtuelle Gesundheitsassistenten, Mitarbeitergesundheit, Mentale Ge‐ sundheit 25.1 Einleitung In der heutigen Zeit hat Projektmanagement eine herausragende Bedeutung erlangt, da es dazu dient, komplexe Vorhaben effizient zu planen, durchzuführen und erfolgreich umzusetzen, um im Wettbewerbsumfeld erfolgreich zu bestehen. Diese dynamische Arbeitswelt ist geprägt von fortschreitender Digitalisierung und dem verstärkten <?page no="322"?> Einsatz künstlicher Intelligenz (KI), was zugleich faszinierende Perspektiven für die Verbindung von KI und Betrieblicher Gesundheitsförderung (BGF) aufzeigt. Die BGF spielt eine zentrale Rolle bei der Förderung des Mitarbeiterwohls, der Verbesserung der Arbeitsbedingungen und der Steigerung des Wohlbefindens am Arbeitsplatz. Die Integration von KI in die BGF eröffnet faszinierende Möglichkeiten, gezielt von den Potenzialen KI-gestützter Technologien zu profitieren. Dies ermöglicht eine frühzeitige Erkennung von Belastungen im Projektteam sowie beim Projektleiter und die Optimierung präventiver Maßnahmen, um die Arbeitszufriedenheit und das Wohlbefinden der Teammitglieder nachhaltig zu fördern. Im Rahmen dieses Fachbeitrags werden wir die Bedeutung der BGF und die vielfäl‐ tigen Aspekte der intelligenten Gesundheit in Projektteams untersuchen. Dabei stützen wir uns nicht nur auf etablierte Theorien, sondern greifen auch auf Studien zurück, die die positive Wirkung der Verbindung von KI und Betrieblicher Gesundheitsförderung wissenschaftlich belegen. Die Darstellung konkreter Praxisbeispiele untermauert die Effektivität der Verbin‐ dung von KI und BGF, die bereits erfolgreich eingesetzt wurde und nachweislich die Arbeitsbedingungen in Projektteams verbessert hat. Zugleich werfen wir einen Blick auf mögliche Herausforderungen, die mit der Einführung von KI in die Betriebliche Gesundheitsförderung einhergehen können, und beleuchten ethische Aspekte, um Datenschutz und Privatsphäre angemessen zu gewährleisten. Die Studien bieten Erkenntnisse über den Nutzen und die Wirksamkeit von KI-basierten Lösungen in der Gesundheitsförderung von Projektteams. Zudem erörtern wir, wie durch Schulungen und Weiterbildungen die Kompetenzen der Teammitglieder im Umgang mit KI-gestützten Lösungen gestärkt werden können. Die vielversprechende Verbindung von KI und BGF eröffnet innovative Ansätze, die langfristig zu gesteigerter Arbeitszufriedenheit, höherer Produktivität, Kreativität und einer verbesserten Projektleistung führen können. Dabei bleibt die menschliche Dimension von großer Bedeutung, da eine gesunde und produktive Arbeitsumgebung weiterhin menschliches Engagement, Empathie und zwischenmenschliche Interaktion erfordert. Insgesamt bietet die Verbindung von KI und BGF eine positive Perspektive für die Zukunft der Gesundheitsversorgung in Projektteams. Durch die Einbeziehung aktueller Studien und die gezielte Nutzung dieser Technologien können wir eine noch gesündere und produktivere Arbeitsumgebung schaffen, die das Wohlbefinden der Teammitglieder nachhaltig fördert und den Projekterfolg weiter vorantreibt. Lassen Sie uns gemeinsam diese aufregende Reise in eine vielversprechende Zukunft der Betrieblichen Gesundheitsförderung in KI-unterstützten Projektteams antreten! 322 25 Intelligente Gesundheit im Projektteam - die Verbindung von KI und BGF <?page no="323"?> 25.2 Die Bedeutung von BGF für Projektteams: Einführung und Vorteile der Betrieblichen Gesundheitsförderung Betriebliche Gesundheitsförderung (BGF) ist ein vielschichtiges Konzept, das darauf abzielt, die Gesundheit der Mitarbeitenden in Projektteams zu verbessern, indem es Strukturen aufbaut und fördert. Ein ganzheitlicher Ansatz umfasst Maßnahmen wie ergonomische Arbeitsplätze, Förderung der Work-Life-Balance, Stressbewältigungs‐ programme und gesunde Ernährung. Die Implementierung von BGF-Maßnahmen hat zahlreiche Vorteile: ■ Verbesserung der Mitarbeitergesundheit: Betriebliche Gesundheitsförderungs‐ maßnahmen tragen dazu bei, die körperliche und psychische Gesundheit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu verbessern. Durch gezielte Programme und Aktivitäten zur Förderung von Bewegung, Ernährung, Stressbewältigung und Entspannung können gesundheitliche Risikofaktoren reduziert werden. BGF-Maß‐ nahmen verbessern zudem die individuelle Leistungsfähigkeit und Lebensqualität der Mitarbeitenden, was sich wiederum positiv auf ihre Produktivität auswirkt. ■ Kostenersparnis durch Senkung von Krankenständen und -kosten: Die Integration von BGF-Maßnahmen kann krankheitsbedingte Fehlzeiten um bis zu 25 % reduzie‐ ren, was erhebliche Kosteneinsparungen für Unternehmen und deren Projektteams ermöglicht. Die Reduzierung von Krankheitstagen und die gesteigerte Produktivi‐ tät tragen dazu bei, die Gesamtkosten für das Unternehmen zu senken. ■ Steigerung der Mitarbeiterzufriedenheit: BGF-Maßnahmen zeigen Wertschätzung und schaffen eine positive Arbeitsatmosphäre im Projektteam. Flexible Arbeitszei‐ ten oder Home-Office-Möglichkeiten tragen zur besseren Work-Life-Balance und höheren Zufriedenheit der Mitarbeitenden bei. ■ Verringerung der Fluktuationsrate: Eine erfolgreiche BGF trägt zur Mitarbeiter‐ bindung bei, da gesunde und zufriedene Mitarbeitende weniger geneigt sind, das Unternehmen zu verlassen. ■ Steigerung der Produktions- und Dienstleistungsqualität sowie der Arbeitsproduk‐ tivität: Gesunde und motivierte Mitarbeitende sind tendenziell produktiver und liefern eine höhere Qualität bei der Arbeit. ■ Förderung eines positiven Betriebsklimas und einer positiven internen und ex‐ ternen Kommunikation: Die Implementierung von BGF-Maßnahmen schafft ein positives Betriebsklima, verbessert die Zusammenarbeit im Projektteam und för‐ dert das positive Image des Unternehmens. ■ Förderung von Innovation und Kreativität: Gesunde Mitarbeitende sind meistens kreativer und innovativer, was zu neuen Ideen und verbesserten Arbeitsergebnis‐ sen führen kann. ■ Reduzierung von Konflikten und Stress: BGF-Maßnahmen tragen dazu bei, Stress am Arbeitsplatz zu reduzieren und Konflikte zu minimieren, was zu einer positiven Arbeitsatmosphäre und effektiven Zusammenarbeit im Projektteam führt. 25.2 Die Bedeutung von BGF für Projektteams 323 <?page no="324"?> ■ Verbesserung der Unternehmenskultur: Eine umfassende BGF-Strategie signali‐ siert den Mitarbeitenden, dass ihre Arbeitszufriedenheit und Gesundheit wichtig sind und trägt so zur positiven Gestaltung der Unternehmenskultur bei. ■ Förderung von Mitarbeiterbindung und Talentgewinnung: Eine nachhaltige BGF stärkt die Mitarbeiterbindung, was die Qualität des Projektteams langfristig erhöht. Unternehmen, die sich um das Wohlbefinden ihrer Belegschaft kümmern, werden als attraktive Arbeitgeber wahrgenommen. Dies kann dazu beitragen, qualifizierte Fachkräfte anzuziehen und das Unternehmen als Arbeitgebermarke zu stärken. Eine aktuelle Studie des IFBG in Kooperation mit der TK Techniker Krankenkasse und personal.magazin [1] unterstreicht die steigende Relevanz des BGM und der BGF in der heutigen Arbeitswelt. Best-Practice-Beispiele der TK [7] bieten zudem einen konkreten und praktischen Einblick in die BGM-Projekte verschiedener Unternehmen und die positiven Veränderungen. Insgesamt wird deutlich, dass Betriebliche Gesundheitsförderung einen klaren Mehrwert für Unternehmen und Mitarbeitende bietet. Eine umfassende und effektive Gesundheitsförderungsstrategie kann langfristig sowohl die Gesundheit als auch die Leistungsfähigkeit der Mitarbeitenden steigern und somit einen positiven Einfluss auf den Unternehmenserfolg/ Projekterfolg haben. 25.3 Die Integration von KI in die Betriebliche Gesundheitsförderung: Anwendungsbereiche und Vorteile für Projektteams Bereits vor zwanzig Jahren wurden in einem renommierten Unternehmen, in dem ich viele Jahre tätig war, gesundheitsbezogene Daten durch ein werkärztliches Zentrum erhoben. Zu diesen Daten zählten u. a. Blutbilder, Blutdruckmessungen, Körpergröße, Gewicht und Bildschirmuntersuchungen. Damals herrschte oft Unklarheit darüber, wie diese Daten genau genutzt wurden, und nur wenige Mitarbeiter hinterfragten den Umgang mit ihren persönlichen Gesundheitsinformationen. Seitdem hat sich die Situation jedoch deutlich verändert, und Unternehmen sind zunehmend bestrebt, den Umgang mit Gesundheitsdaten transparenter zu gestalten. Die Entwicklung von Datenschutzrichtlinien und ethischen Leitlinien hat dazu beigetragen, das Bewusstsein für den Schutz und die Verwendung von Gesundheitsdaten zu stärken. Viele Menschen nutzen bereits KI in Bezug auf ihre Gesundheitsdaten, und die Zunahme von Gesundheits- und Fitness-Apps zeigt, wie stark KI in diesem Bereich integriert ist. Laut einer Studie von [2] Roland Berger (Future of Health 4) deuten die Daten darauf hin, dass der Umsatz im europäischen Markt für Digital Health bis zum Jahr 2025 voraussichtlich 155 Milliarden Euro erreicht. Ein prominentes Beispiel für die Nutzung von KI zur Förderung der Gesundheit ist Apple. Apple setzt nicht nur die Apple Watch, sondern auch verschiedene andere Tools ein, um die Mitarbeitenden mittels KI in ihrer Gesundheit zu unterstützen. 324 25 Intelligente Gesundheit im Projektteam - die Verbindung von KI und BGF <?page no="325"?> Die Apple Watch verfolgt Gesundheitsparameter wie Herzfrequenz, Schlafmuster und Aktivitätsniveau, um den Mitarbeitenden wertvolle Einblicke in ihre Gesundheit zu bieten und sie zu einem gesünderen Lebensstil zu ermutigen. Zusätzlich zu Wea‐ rables nutzt Apple auch Gesundheits-Apps auf iPhones und iPads, die spezifische Gesundheitsdaten erfassen und personalisierte Empfehlungen geben. Die Apps bieten Ernährungstipps, Fitnessübungen und Entspannungstechniken, die auf individuellen Bedürfnissen basieren. Darüber hinaus integriert Apple KI-gestützte Funktionen in ihre Plattformen, um den Mitarbeitenden den Zugang zu nützlichen Gesundheitsinforma‐ tionen zu erleichtern. Siri, der virtuelle Assistent von Apple, kann Gesundheitsfragen beantworten und auf Wunsch gesundheitsrelevante Inhalte aus dem Internet suchen. Selbst in der Unternehmensumgebung setzt Apple KI ein, um das Wohlbefinden ihrer Mitarbeitenden zu fördern. KI-gestützte Systeme könnten verwendet werden, um den Arbeitsplatzkomfort zu verbessern, indem sie die Raumtemperatur oder Beleuchtung an individuelle Präferenzen anpassen. Diese integrierte Kombination aus der Apple Watch, verschiedenen Gesundheits- Apps und anderen KI-gestützten Tools ermöglicht es Apple, einen umfassenden Ansatz für die Förderung der Gesundheit und des Wohlbefindens ihrer Mitarbeitenden zu bieten. Basierend auf personalisierten Daten und KI-Erkenntnissen werden die Mitarbeitenden motiviert, einen gesunden Lebensstil zu pflegen und sich aktiv um ihre Gesundheit zu kümmern. Zusätzlich zu diesen beeindruckenden Fortschritten auf dem Gebiet der Mitarbei‐ terbindung und Karriereentwicklung hat auch das Unternehmen SAP erkannt, wie essenziell die Förderung der Gesundheit und des Wohlbefindens im Kontext der be‐ trieblichen Abläufe ist. Indem SAP KI-gestützte Lösungen in seine betriebliche Gesund‐ heitsförderungsstrategie integriert, öffnet sich ein neues Kapitel für die Gesundheit der Teammitglieder. Diese Technologien ermöglichen nicht nur die Identifizierung von individuellen Bedürfnissen, sondern auch die effiziente Umsetzung maßgeschneiderter Maßnahmen, um die Gesundheit im Projektteam nachhaltig zu stärken. Die Anwendungsbereiche von KI in der Betrieblichen Gesundheitsförderung bieten sowohl Mitarbeitenden als auch dem Unternehmen erheblichen Nutzen: ■ Gesundheitsmonitoring und Prävention: KI analysiert Gesundheitsdaten wie Herz‐ frequenz, Schlafmuster und Stressniveau, um potenzielle Risiken frühzeitig zu erkennen. Dadurch ermöglicht sie eine gezielte Prävention und frühzeitige Inter‐ vention, was zu einer besseren Gesundheitslage der Mitarbeitenden führt, und die Produktivität und Effizienz des Teams steigert. ■ Personalisierte Gesundheitsunterstützung: KI-gestützte Systeme bieten Mitarbei‐ tenden personalisierte Gesundheitsempfehlungen und Gesundheitsmaßnahmen. Basierend auf individuellen Gesundheitsdaten und Gesundheitszielen können KI-Algorithmen personalisierte Trainingspläne, Ernährungsempfehlungen und Verhaltensänderungen vorschlagen. Dadurch können die Mitarbeitenden ihre Gesundheit besser managen und bei der Umsetzung gesundheitsfördernder Ge‐ wohnheiten unterstützt werden. Das Projektteam profitiert von einem gesunden 25.3 Die Integration von KI in die Betriebliche Gesundheitsförderung 325 <?page no="326"?> und leistungsfähigen Arbeitsumfeld. Laut einer Studie von [3] Liao et al. (2020) können KI-basierte Ansätze die Effektivität der Stressbewältigung erhöhen. ■ Verbesserte Entscheidungsunterstützung: KI kann bei der Entscheidungsfindung im Bereich der Betrieblichen Gesundheitsförderung unterstützen. Durch die Ana‐ lyse großer Datenmengen kann die Künstliche Intelligenz Muster und Zusammen‐ hänge erkennen, die dem menschlichen Auge entgehen könnten. Projektteams können von dieser verbesserten Entscheidungsunterstützung profitieren, indem sie fundierte Entscheidungen zur Förderung der Gesundheit und des Arbeitszu‐ friedenheit der Mitarbeitenden treffen können. ■ Effiziente Ressourcennutzung: KI kann dazu beitragen, Ressourcen in der BGF effizienter einzusetzen. Durch die automatisierte Analyse von Gesundheitsdaten und die Identifizierung von Hochrisikogruppen können gezielte Maßnahmen und Programme entwickelt werden. Dies führt zu einer optimierten Nutzung von Ressourcen wie Zeit und Budget und ermöglicht eine gezielte Unterstützung der Mitarbeitenden im Projektteam. ■ Verbesserter Zugang zu Gesundheitsinformationen: KI-basierte Chatbots oder virtuelle Assistenten erleichtern Mitarbeitenden den Zugang zu Gesundheitsin‐ formationen und -ressourcen. Sie können Fragen beantworten, nützliche Tipps geben und bei der Suche nach Gesundheitsangeboten unterstützen. Dies fördert das Gesundheitsbewusstsein im Projektteam und ermöglicht eine schnellere und einfachere Informationsbeschaffung. Eine Twitter-Umfrage von Gratch mit fast 2000 Beteiligten, die in dem Buch „Deep Medicine“ von Eric Topol [6] beschrieben wird zeigt, dass ein erheblicher Anteil der Befragten bereit ist, auf KI-basierte Bots als Gesprächspartner und Berater in medizinischen Angelegenheiten zu vertrauen. Die Fragestellung lautete: „Sie haben ein medizinisches Problem. Würden Sie lieber mit Ihrem Arzt, einem Arzt/ einer Pflegekraft oder einem Bot darüber reden und Behandlungsempfehlungen erhalten? “ Der Bot erhielt 44 %, der eigene Arzt erhielt 42 %. Hier wird deutlich, dass die Akzeptanz von KI-gestützten Lösungen im Ge‐ sundheitsbereich bereits spürbar ist und von vielen Menschen als Option betrachtet wird. Die Ergebnisse dieser Twitter-Umfrage zeigen, dass ein erheblicher Anteil der Befragten bereit ist, auf KI-basierte Bots als Gesprächspartner und Berater in medizinischen Angelegenheiten zu vertrauen. Die Integration von Künstlicher Intelligenz (KI) in die BGF bietet den Mitarbeitenden somit zahlreiche individuelle Vorteile. Dazu zählen personalisierte Gesundheitsunter‐ stützung, die Früherkennung von Gesundheitsrisiken und Flexibilität in der Nutzung. Die Anwendung von KI motiviert zur Selbstverantwortung, fördert die Bewältigung von Stress und verbessert die Work-Life-Balance. Insgesamt trägt sie nachhaltig zur Gesundheitsförderung und zum Wohlbefinden der Mitarbeitenden bei. 326 25 Intelligente Gesundheit im Projektteam - die Verbindung von KI und BGF <?page no="327"?> 25.4 Potenzielle Nachteile und Lösungsansätze bei der Integration von KI in die Betriebliche Gesundheitsförderung für Projektteams Die Integration von KI und Betrieblicher Gesundheitsförderung (BGF) in Projektteams bringt auch potenzielle Nachteile und Herausforderungen mit sich. Studien wie [4] Schulte et al. (2020) und [5] Zhang et al. (2020) zeigen diese Herausforderungen und möglichen Probleme auf: ■ Datenschutz und Vertraulichkeit: Die Nutzung von KI-basierten Systemen erfor‐ dert oft den Zugriff auf sensible Gesundheitsdaten der Mitarbeitenden. Der Schutz der Privatsphäre und die Gewährleistung der Vertraulichkeit dieser Daten können zu rechtlichen und ethischen Bedenken führen. KI-Systeme können anfällig für ethische Herausforderungen sein, insbesondere wenn sie auf unzureichenden oder voreingenommenen Daten trainiert werden. Dies könnte zu ungerechter Behandlung oder Diskriminierung führen. ■ Lösungsansatz: Projektteams sollten sicherstellen, dass angemessene Sicherheits‐ vorkehrungen getroffen werden, um den Datenschutz zu gewährleisten. Dies beinhaltet die Einhaltung geltender Datenschutzgesetze, die Anonymisierung von Daten und die transparente Kommunikation mit den Mitarbeitenden über den Umgang mit ihren sensiblen Gesundheitsdaten. ■ Fehlende menschliche Faktoren: KI-Systeme können bei ihrer Entscheidungsfindung möglicherweise menschliche Faktoren wie Empathie, Intuition und Kontext nicht angemessen berücksichtigen. Dies kann zu ungenauen oder nicht optimalen Ergeb‐ nissen führen, insbesondere im Bereich der BGF, der oft emotionale und soziale Aspekte umfasst. Die Zusammenarbeit und der Austausch von Erfahrungen könnten beeinträchtigt werden, wenn zu viel Verantwortung an KI-Systeme delegiert wird. ■ Lösungsansatz: Projektteams sollten den Mitarbeitenden klar vermitteln, dass KI- Systeme als Werkzeug zur Unterstützung dienen und die menschliche Interaktion nicht ersetzen sollen. Die Schulung der Mitarbeitenden im Umgang mit KI und die Bereitstellung von klaren Informationen über die Funktionsweise und Grenzen der KI-Systeme sind in diesem Zusammenhang wichtig. ■ Akzeptanz und Vertrauen: Die Akzeptanz von KI-Systemen durch Projektteams kann eine Herausforderung darstellen. Die Mitarbeitenden sollten Vertrauen in die Zuverlässigkeit und Effektivität der KI-Systeme entwickeln, um sie vollständig nutzen zu können. Bedenken hinsichtlich des Einsatzes von KI und Arbeitsplatz‐ veränderungen beeinflussen die Akzeptanz. ■ Lösungsansatz: Projektteams sollten die Mitarbeitenden frühzeitig in den Verän‐ derungsprozess einbinden und deren Bedenken ernst nehmen. Eine transparente Kommunikation über die Vorteile und Einsatzmöglichkeiten von KI kann dazu beitragen, Vorbehalte abzubauen. Schulungen und Schulungsmaterialien können den Mitarbeitenden helfen, die Vorteile von KI besser zu verstehen und ihre Ängste zu verringern. 25.4 Potenzielle Nachteile und Lösungsansätze bei der Integration von KI 327 <?page no="328"?> ■ Technische Herausforderungen und Komplexität: Die Integration von KI in die BGF erfordert Know-how und kann technische Herausforderungen mit sich bringen. KI- Systeme können anfällig für technische Probleme und Fehlfunktionen sein. ■ Lösungsansatz: Projektteams sollten Experten hinzuziehen, die über das erfor‐ derliche technische Fachwissen verfügen. Durch Schulungen und Weiterbildungen können Teammitglieder auch selbst technisches Verständnis aufbauen. Zudem sollten klare Ziele und Anforderungen definiert werden, um die Auswahl und Implementierung von KI-Lösungen zu erleichtern. ■ Change Management: Die Integration von KI-gestützten Systemen kann auf Wider‐ stand oder Unsicherheit bei den Teammitgliedern stoßen und Veränderungshürden aufwerfen. Bedenken hinsichtlich Arbeitsplatzsicherheit oder Zweifel an den Fähig‐ keiten von KI-Systemen können die Bereitschaft zur Anpassung mindern. ■ Lösungsansatz: Es ist von zentraler Bedeutung, dass Projektteams die Teammit‐ glieder von Beginn an in den Veränderungsprozess einbinden und ihre Anliegen ernst nehmen. Eine transparente Kommunikation, die die Vorzüge und Einsatz‐ möglichkeiten von KI deutlich hervorhebt, kann dazu beitragen, Vorbehalte zu minimieren. Zusätzlich können gezielte Schulungen und hochwertige Lernres‐ sourcen den Teammitgliedern dabei helfen, ein tieferes Verständnis für die Vorteile der KI zu entwickeln und ihre Bedenken Schritt für Schritt abzubauen. Dieser kooperative Ansatz wird nicht nur die Akzeptanz fördern, sondern auch eine reibungslose Integration der KI-Technologie gewährleisten. ■ Datenqualität und -verfügbarkeit: KI-Systeme sind auf qualitativ hochwertige und ausreichende Daten angewiesen, um präzise und aussagekräftige Ergebnisse zu liefern. Die Verfügbarkeit und Qualität von Gesundheitsdaten kann jedoch eine Hürde darstellen. ■ Lösungsansatz: Eine Lösung besteht darin, sicherzustellen, dass relevante und qua‐ litativ hochwertige Daten vorhanden sind. Dies kann durch enge Kooperation mit internen Abteilungen erreicht werden, die für die Datenerfassung zuständig sind, oder durch die Nutzung externer Datenquellen. Der Einsatz von Data-Mining- und Datenbereinigungstechniken kann dazu beitragen, die Datenqualität zu erhöhen. Die aufgeführten Aspekte bilden Herausforderungen, die bei der Integration von KI in betriebliche Gesundheitsförderungsprogramme überwunden werden können. Durch eine gezielte Planung, Schulung und effektive Kommunikation lassen sich diese Hürden erfolgreich bewältigen. Ein proaktiver Ansatz, der die Anliegen der Mitarbeitenden ernst nimmt, ermöglicht die Bewältigung dieser Herausforderungen und maximiert die Vorteile der KI in der betrieblichen Gesundheitsförderung. 25.5 Die Zukunft der Betrieblichen Gesundheitsförderung Die Studie „Gesund arbeiten in der hybriden Arbeitswelt 2023“ des IFBG in Kooperation mit der TK Techniker Krankenkasse und personal.magazin [1] betont die wachsende 328 25 Intelligente Gesundheit im Projektteam - die Verbindung von KI und BGF <?page no="329"?> Bedeutung der BGF in der modernen Arbeitswelt, insbesondere mit Blick auf die zunehmende Flexibilität und das Arbeiten außerhalb des Büros. Die Integration von KI-gestützten Lösungen eröffnet neue Möglichkeiten und birgt ein enormes Potenzial. Unternehmen können durch datenbasierte Entscheidungen und gezielte präventive Gesundheitsförderung erfolgreichere Projektdurchführungen ermöglichen. KI-gestützte individuell angepasste Gesundheitsangebote unterstützen die Mitarbei‐ tenden dabei, ihre Gesundheit eigenverantwortlich zu verbessern und schaffen somit einen erheblichen Mehrwert für Unternehmen. Angesichts des demografischen Wandels und des Ausscheidens erfahrener Mitarbei‐ terinnen und Mitarbeiter (Generation Babyboomer) wird die gezielte Förderung der Gesundheit und der Transfer von Erfahrungswissen an die jüngere Generation immer wichtiger. KI-gestützte Lösungen können dabei helfen, dieses Erfahrungswissen zu bewahren und für den Wissenstransfer nutzbar zu machen. Die gezielte Förderung der physischen und mentalen Gesundheit der Mitarbeitenden wird zu einem entscheidenden Erfolgsfaktor, insbesondere in der zukunftsorientierten BGF mit KI-basierten Lösungen. Unternehmen können durch den Einsatz von KI die Mitarbeitergesundheit nachhaltig unterstützen und ein positives Arbeitsklima fördern, indem sie datengestützte Ansätze zur besseren Planung von Arbeitsaufgaben und -zeiten nutzen, um eine verbesserte Work-Life-Balance und gesteigertes Wohlbefinden am Arbeitsplatz zu erreichen. Die umfassende Nutzung des Potenzials von KI in der BGF wird Unternehmen zu attraktiven Arbeitgebern in einer sich wandelnden Arbeitswelt machen. Literatur [1] #whatsnext - Gesund arbeiten in der hybriden Arbeitswelt 2023 - Studie des IFBG mit der TK und personal.magazin [2] Future of Health 4 https: / / www.rolandberger.com/ de/ Insights/ Publications/ Future-of-healt h-4-Der-Patient-der-Zukunft.html, letzter Zugriff: 26.7.2023 [3] “Artificial intelligence-supported stress management in the workplace“, Journal Annual Review of Organizational Psychology & Organizational Behavior, 2020, Liao, Y., Shonin, E., Griffiths, M. D., und Liu, Y. S.-517-544 [4] „Artificial intelligence in occupational health and safety - usage, challenges and opportuni‐ ties“, Scandinavian Journal of Work, Environment & Health, 2020, Schulte, P., Berenpas, D., Bolm-Audorff, U., Costa, G., Descatha, A., Leclercq, S., und Verbeek, J., S.-229-237 [5] „Challenges and opportunities of artificial intelligence in health care“, Journal of Healthcare Engineering, 2020, Zhang, Y., Cui, L., Zhang, Y., Ren, X., und Zhang, J., S.-1-6 [6] Deep Medicine---Künstliche Intelligenz in der Medizin - Wie KI das Gesundheitswesen menschlicher macht, Eric Topol, S.-155-158 [7] Best-Practice-Beispiele TK https: / / www.tk.de/ firmenkunden/ service/ gesund-arbeiten/ be triebliche-gesundheitsfoerderung/ erfahrungsberichte-aus-unternehmen-2031488? tkcm=ab, letzter Zugriff: 6.8.2023 Literatur 329 <?page no="331"?> Glossar Agent Based Modeling: An agent-based model (ABM) is a computational model for simulating the actions and interactions of autonomous agents (both individual or collective entities such as organizations or groups) in order to understand the behavior of a system and what governs its outcomes. Aggregierte Daten: Aggregierte Daten-sind Daten, die aus mehreren Einzeldaten zusammen‐ gefasst wurden, um bestimmte Informationen oder Trends zu erkennen. Aufstellungsarbeit: Die Aufstellungsarbeit ist eine Methode, um verborgene systemische Dynamiken sichtbar zu machen und zu bearbeiten. In einer Aufstellung werden Stellvertreter Aspekte des Systems in einem Raum positioniert, um die Beziehungen und Dynamiken zwischen ihnen zu zeigen. Durch Umpositionieren und durch dialogische Interaktionen können neue Perspektiven und Lösungen erarbeitet werden. Bewusstsein: Bewusstsein ist das zuständliche, prozessuale und gegenständliche Innewerden der Verfasstheit eines Menschen, die zum Erkennen befähigt. Collaborative Intelligence: Bezeichnet die Fähigkeit, effektiv in Teams zu arbeiten und gemeinsam Probleme zu lösen. Sie kombiniert individuelle Fähigkeiten und Wissen, um kollektive Intelligenz zu generieren. Collective Intelligence (CI): Collective Intelligence (CI) measures a group of agent’s ability to achieve goals in a wide range of environments Collective Mind: Der Collective Mind ist ein Operator, ein mentales Werkzeug, mit dem die Energien und Vorstellungen aller Teammitglieder gebündelt werden, damit das Team den Weg von der Aufgabenstellung zum Ziel findet und geht. Corpus/ Korpus: Ein Corpus ist eine Sammlung von Texten, die zum Training oder zur Eva‐ laution von NLP-Modellen genutzt werden. Zuzüglich zum reinen Text werden Annotationen gespeichert, die domänenspezifische Informationen in den Texten repräsentieren. Datenkompetenz: Die Fähigkeit, Daten effektiv zu sammeln, zu analysieren und daraus Er‐ kenntnisse zu ziehen. Es umfasst auch das Verständnis von Datensicherheit und Datenschutz. Design Thinking: Ein Ansatz zur Problemlösung, der Empathie, Experimentieren und Iteration betont. Es fördert die Kreativität und Innovation durch einen fokussierten Prozess, um menschenzentrierte Lösungen zu finden. Document Engineering: Document Engineering ist die Disziplin, die sich mit dem effektiven Design, der Implementierung und der Verwendung von Informationen befasst, die in Doku‐ menten aller Art ausgedrückt werden. Entscheidungsbaum: Ein Entscheidungsbaum ist ein grafisches Modell zur Darstellung von verfügbaren Entscheidungen und ihren möglichen Konsequenzen. Es wird oftmals im maschinellen Lernen und der Datenanalyse eingesetzt. Evaluation: (engl. = Beurteilung) beschreibt den Prozess der Begutachtung/ Beurteilung neuer (Projekt-)Ideen (i. d. R. durch Fachspezialisten). Sie ist die vierte Phase im Innovation-Funnel. Fine-Tuning: Beim Deep Learning ist das Fine-Tuning ein Ansatz für das Transfer-Lernen, bei dem die Gewichte eines vorab trainierten Modells anhand neuer Daten trainiert werden. <?page no="332"?> Generative Künstliche Intelligenz: Generative künstliche Intelligenz bezeichnet ein AI- System, das in der Lage ist in ihm enthaltene Informationen kreativ zu neuen Informationen zu kombinieren. GPT: Generative Pre-trained Transformer Hybride Collective Intelligence: Hybride Collective Intelligence liegt vor, wenn die Agenten der Gruppe aus Menschen und AI bestehen. ICB 4.0: Individual Competence Baseline 4.0 Ideation: (engl. = Ideenfindung) beschreibt den Prozess der Generierung/ Entwicklung neuer (Projekt-)Ideen. Sie ist die zweite Phase im Innovation-Funnel. Implementation: Implementation (engl. = Umsetzung) beschreibt den Prozess der Umset‐ zung/ Einführung neuer (Projekt-)Ideen in der Praxis. Sie ist die fünfte und letzte Phase im Innovation-Funnel. Innovation-Funnel: Der Innovation-Funnel ist ein Modell zur Darstellung des Innovations‐ prozesses, bei dem die (Projekt-)Ideen von der Trendsuche bis zur Realisierung fünf verschie‐ dene Phasen durchlaufen. Diese Phasen sind Scouting, Ideation, Rating, Evaluation und Implementation. Integral-systemische Arbeit: eine Methode oder ein Ansatz, der versucht, sowohl die Vielfalt der Perspektiven und Bewusstseinsstufen als auch die systemischen Verbindungen und Dynamiken zu berücksichtigen. Intuition: Intuition bezeichnet ein unmittelbares, nicht auf bewusstem Schlussfolgern oder offensichtlichen Fakten beruhendes Erkennen oder Verstehen. Sie manifestiert sich oft als eine plötzliche Einsicht oder ein „Bauchgefühl“ bezüglich einer Situation oder Entscheidung, ohne dass die Person genau erklären kann, warum sie so empfindet oder denkt. KI-Kreativität: Die Anwendung von künstlicher Intelligenz, um neue Ideen zu generieren oder vorhandene Ideen zu verbessern. Es kombiniert maschinelles Lernen und andere KI- Technologien mit menschlicher Kreativität. KI-Pilot: Der KI-Pilot ist eine Orientierungshilfe, die KI-Anwendungsmöglichkeiten in der täglichen Arbeit im Projektmanagement veranschaulicht. Durch die Festlegung von verschie‐ dene Orientierungs- und Entscheidungspunkte im KI-Pilot kann die Implementierung und Verwendung von KI für den konkreten Anwendungsfall definiert werden. Kompetenzentwicklung: Ein systematischer Prozess, der darauf abzielt, die Fähigkeiten und Fertigkeiten von Individuen zu verbessern, um ihre Leistung zu steigern und ihre berufliche Entwicklung zu unterstützen. Kompetenzmodell: Ein Kompetenzmodell ist eine strukturierte Sammlung von Fähigkeiten und Kenntnissen, die zum Erreichen von Geschäftszielen erforderlich sind. Es dient als Leitfaden für die Rekrutierung, Entwicklung und Bewertung von Mitarbeitern. Language Model (LM): Langauge Models (Sprachmodelle) sind auf großen Daten vortrainierte statistische Modelle, die auf diese Weise Sprachverständnis aufgebaut haben. Im Anschluss werden diese Modelle auf eine spezifische Aufgabe angepasst. Large Language Model (LLM): Large Language Models bauen auf LMs auf, sind jedoch bis zu 5-fach größer bezogen auf die Parameteranzahl und müssen oft nicht mehr auf eine spezifische Aufgabe angepasst werden. 332 Glossar <?page no="333"?> Management 4.0: Management 4.0 sorgt mit einem systemorientierten Führungsansatz als Leitkompetenz für lernende, lebensfähige Organisationen in komplexen Situationen und Umfeldern. Management 4.0 integriert hierzu ein Agiles Mindset, das universelle Prinzip der Selbstorganisation als Governance Leitplanke und relevante Arbeitstechniken zu nachhalti‐ gen Arbeitsmodellen der Zukunft. Mindset: Als Teil des Bewusstseins die innere Einstellung oder Denkweise, die bestimmt, wie jemand auf verschiedene Situationen reagiert und welche Meinungen oder Überzeugungen er vertritt. Es handelt sich um eine Sammlung von Gedanken und Überzeugungen, die beeinflussen, wie wir uns selbst, andere und die umgebende Welt wahrnehmen und interpre‐ tieren, es ist die „Programmierung“ oder „Bedienungsanleitung“, mit der Menschen durch ihr Bewusstsein navigieren. ML: Machine Learning Mustererkennung: bezeichnet die Fähigkeit von Menschen, Tieren oder Maschinen, in Daten wiederkehrende Strukturen, Zusammenhänge oder Regelhaftigkeiten zu identifizieren. In der Informatik und speziell im Bereich des maschinellen Lernens ist die Mustererkennung ein Kerngebiet, in dem Algorithmen entwickelt werden, um automatisch Muster in Daten zu erkennen, etwa bei der Bild- oder Spracherkennung. Bei Menschen und Tieren ist die Mustererkennung ein fundamentaler Aspekt der Wahrnehmung und des kognitiven Verständnisses ihrer Umwelt. Nachvollziehbarkeit (Traceability): Nachvollziehbarkeit im Projektmanagement beschreibt die Verknüpfung von Dokumentationen und Artefakten, um z. B. Einfluss- oder Abdeckungs‐ analysen durchführen zu können. Natural Language Processing (NLP): Natrual Language Processing ist eine Teildisziplin der Künstlichen Intelligenz und beschäftigt sich mit der automatischen Verarbeitung von natürlicher Sprache. OktoPus: OktoPus steht smybolisch für die ganzheitliche Nachhaltigkeitsintegration in das Projektmanagement und im Detail leiten sich aus „Okto“ acht inhaltliche Cluster ab, wovon sich vier Cluster im weitesten Sinne auf die Projektphasen konzentrieren und vier Cluster auf die Projekt-Akteure. Das „P“ im Terminus steht für Projektmanagement und der Suffix „us“ steht für umwelt- und sozialintegriert. Operatorenperspektive: Die Operatorenperspektive zerlegt Entscheidungssituationen in mehrere Komponenten (Operatoren). Diese Zerlegung ermöglicht eine (Vor-)Strukturierung der Einsatzmöglich-keiten von KI anhand von Aufgaben, die im Zusammenhang mit der Entscheidungssituation anfallen (z.-B. Informa-tionensammlung, Informationenanalyse, Strukturierung von Informationen, Generierung von Alternativen usw.). PESTEL-Analyse: PESTEL-Analyse? Bei der PESTEL-Analyse (auch PESTLE-Analyse) ist man bestrebt, die externen Einflussfaktoren, die auf ein Unternehmen einwirken, zu identifizieren, zu bewerten und daraus strategische Entscheidungen abzuleiten. Prompt Engineering: Prompt Engineering ist ein Konzept, um bei der Verarbeitung der natürlichen Sprache mit zusätzlichene Beschreibungen der Aufgabe im Eingabe-Feld, die Ergebisqualität der KI zu optimieren. Glossar 333 <?page no="334"?> Prompt: Ein Prompt ist ein kurzer Text oder eine Anweisung in einer Software, die den Benutzer zu einer Eingabe auffordert oder eine Auswahl von Optionen anbietet. Quantensprung: Im übertragenen Sinne und im alltäglichen Sprachgebrauch wird der Begriff „Quantensprung“ oft verwendet, um einen dramatischen oder bedeutenden Fortschritt oder eine Veränderung zu beschreiben, insbesondere in Bereichen wie Technologie, Wissenschaft oder persönlicher Entwicklung. In dieser Verwendung ist es paradoxerweise ein Ausdruck für eine sehr große und signifikante Veränderung, im Gegensatz zur eigentlichen physikalischen Bedeutung, die auf den kleinsten möglichen Übergang hinweist. Quantisierung: Die Quantisierung wird im Sinne einer Optimierung des Speicherverbrauchs der Modellgewichte verwendet, wodurch die Rechenkomplexität verringert wird, und gleich‐ zeitig die Rechenzeit enorm verkürzt wird. Rating: Rating (engl. = Bewertung) beschreibt den Prozess der Bewertung neuer (Projekt-)Ideen anhand vorher definierter Kriterien. Sie ist die dritte Phase im Innovation-Funnel. Scouting: Scouting (engl. = Aufklärung) beschreibt den Prozess der Suche nach neuen Trends/ Ideen außerhalb des eigenen Unternehmens. Sie ist die erste Phase im Innovation-Funnel. SMART: Kriterien, nach welchen Projektziele u. a. definiert werden sollten: spezifisch, messbar, attraktiv, realistisch, terminiert Stage-Gate: Ein Stage-Gate ist eine Art Barriere, die eine (Projekt-)Idee durchlaufen muss, um im Innovation-Funnel in eine nächste Phase zu kommen. Das kann beispielsweise das Überzeugen eines Gutachtenden sein oder das Erreichen einer Mindestbewertung durch die Mitarbeitenden, Strategische Entscheidungsfindung: Der Prozess der Identifizierung und Auswahl unter verschiedenen Alternativen, basierend auf den Zielen und Werten der Organisation. T5 Modelle: T5 Modelle sind LLMs, die gleichzeitig auf vielen verschiedenen Aufgaben trainiert wurden und somit Transferlearning in einem hohen Maße betreiben, und so stärkere Fähigkeiten ausgebildet haben. Tagging / Annotieren: Tagging bezeichnet den Prozess relevante Informationen in Texten zu markieren, die ein NLP-Modell nach dem Training selbstständig extrahieren oder durchfüh‐ ren können soll (z.-B. Personen oder Orte extrahieren). Talentbindung: Strategien, um hochqualifizierte Mitarbeiter zu halten, indem man ein positi‐ ves Arbeitsumfeld schafft und Chancen für Wachstum und Entwicklung bietet. Transferlearning: Transferlearning ist eine Technik des maschinellen Lernens, bei der ein Modell, das auf einer bestimmten Aufgabe trainiert wurde, Teile seines Wissens auf eine andere verwandte Aufgabe überträgt, um die Lernzeit und Datenmenge für das neue Modell zu reduzieren und die Leistung zu verbessern Transformation: Transformation bezeichnet einen grundlegenden Wandel oder eine Verän‐ derung von einem Zustand oder einer Form in einen anderen. Es ist eine signifikante, oft grundlegende Veränderung, die über eine einfache Anpassung oder Modifikation hinausgeht. Transzendenz: Transzendenz kann die Erfahrung von Zuständen oder Realitäten bezeichnen, die über das normale menschliche Bewusstsein oder die materielle Welt hinausgehen, auch das Potenzial des Menschen, über seine unmittelbare Erfahrung oder seinen Zustand des Bewusstseins hinauszugehen. 334 Glossar <?page no="335"?> Universelle Intelligence: Intelligence measures an agent’s ability to achieve goals in a wide range of environments VUCA: Akronym aus den Begriffen Volatility (Volatilität), Uncertainty (Unsicherheit), Comple‐ xity (Komplexität) und Ambiguity (Ambiguität), die unsere Welt und Leben prägen Glossar 335 <?page no="337"?> Autor: innen Jose Arroyo Portillo, M. Sc. ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Projektmanagement in der Digitalen Transfor‐ mation an der Universität Kassel. Seine Forschungsexpertise liegt in der Nutzung fortschrittlicher Techniken des maschinellen Ler‐ nens und der künstlichen Intelligenz, um die makroökonomischen Ergebnisse von Projekten in unserer Gesellschaft zu analysieren. Außerdem entwickelt er innovative Forschungsmethoden, um das Feld voranzubringen, und verfolgt einen interdisziplinären Ansatz, der es ihm ermöglicht, die zentrale Rolle von Projekten bei der Erreichung gesellschaftlicher Ziele zu verstehen. Jose Arroyo Portillo beschäftigt sich aktiv mit der neuesten Forschung in den Bereichen künstliche Intelligenz, maschinelles Lernen, Projektmanagement und Verhaltensökonomie. Ulrike Aumüller: studierte „Shipping & Chartering“ an der Hoch‐ schule Bremen, Betriebswirtschaftslehre an der Fachhochschule Kiel und ist zudem geprüfte Zollfachkraft. Ihr beruflicher Weg führte sie zunächst in die Logistikbranche und in den Vertrieb eines technischen Schiffsausrüsters. Im Rahmen dieser Tätigkeit verantwortete sie diverse internationale Projekte. Seit 2020 ist Frau Aumüller Dozentin für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre und Supply Chain Management an der Fachhochschule Kiel. Zudem befasst sie sich als Mitarbeiterin im Projekt „Das akademische Schreiben von Studierenden im Zeitalter künstlicher Intelligenzen“ mit den Implikationen von KI-Tools für den Bildungsbereich. Künftiger Schwerpunkt ihrer Arbeit wird auf den Potenzialen von KI im Bereich Entrepreneurship liegen. Prof. Dr. Martin Barth hat seit 2021 die Professur für Projektma‐ nagement im Fachgebiet Wirtschaft und Management an der IU Internationale Hochschule inne. Herr Barth führte als Projektma‐ nager bei der KUKA Systems GmbH nationale und internationale Werkzeugbauprojekte. Anschließend arbeitete er mehrere Jahre als Fachprojektleiter für die Porsche Werkzeugbau GmbH. Im Jahr 2018 übernahm Herr Dr. Barth die Leitung des Bereiches Fachpro‐ jektmanagement bei der Porsche Werkzeugbau GmbH und führte diese Abteilung mehrere Jahre. Prof. Dr. Martin Barth beschäftigt sich in seinen Forschungsarbeiten mit den Dynamiken, Methoden, Konzepten, Vorgehensweisen und Nutzenpotenzialen des modernen Projektmanagements. Weiterhin untersucht er spezifische Transforma‐ <?page no="338"?> tions-, Reorganisations-, Restrukturierungsprojekte sowie Integrationsprojekte aus der Perspektive des professionellen Projektmanagements. Prof. Dr.-Ing. Thies Beinke ist Professor für Wirtschaftsinge‐ nieurwesen im Fachbereich Elektrotechnik und Informationstech‐ nik an der Hochschule Fulda und Studiengangsleiter des Bachelor- und Masterstudiengangs Wirtschaftsingenieurwesen. Christian Bernert: Direktor der Lean Programm Management Academy, mit über 40-jähriger Berufserfahrung gilt er als Prinzipal im Bereich Projekt und Lean Programm Management. Mit Ver‐ trags- und Claim Management, zukunftsweisenden Early Warning Systems, sowie einem ESG-SDG Assessment für KMU zum Einstieg in eine nachhaltige und resiliente Unternehmensführung, beweist er stets seine Innovationskraft. Als Gründungspate von Europe Calling e.-V. treibt er den EU-Spirit in die Breite. Martin Bialas ist Honorar-Professor für Organisationsentwick‐ lung & Innovation an der HEX-Hochschule für Exzellenz (www. hex-hochschule.ch) und dort unter anderem für das Thema Pro‐ jektmanagement und Künstliche Intelligenz zuständig. Neben seiner Lehrtätigkeit ist er als Berater bei diventis GmbH (ww w.diventis.ch) zum Thema Projektmanagement tätig und leitet branchenübergreifende Projekte. Er engagiert sich in der IPMA ® Organisation und ist in der Schweiz aktiv bei dem Verein zur Zertifizierung von Personen im Management (VZPM) als Assessor für IPMA ® Level A/ B und IPMA DELTA ® tätig. Prof. Dr. Claudia Bornemeyer ist Professorin für Marketing und Service Management an der Rheinischen Fachhochschule Köln. Sie ist Präsidentin der Hochschule. 338 Autor: innen <?page no="339"?> Michael Boxheimer, Certified Senior Project Manager | IPMA Level B®, war in seiner Karriere für internationale Unternehmen in Management und Projektmanagement Positionen aktiv. Heute ist er als selbstständiger Berater, Trainer und Coach tätig und unterstützt Kunden operativ und konzeptionell zu Themen im Management und Projektmanagement. Für GPM e. V. und IPMA ® ist er u. a. im Rahmen des „Project Excellence Award“ u. a. als Assessor und Trainer aktiv und ist Co- Autor der „IPMA ® Project Excellence Baseline“ (2016). Univ.-Prof. Dr. Timo Braun ist Professor für Projektmanagement in der Digitalen Transformation an der Universität Kassel sowie geschäftsführender Direktor des Instituts für Arbeitswissenschaft und Prozessmanagement. Er ist Teil der internationalen Review Boards des International Journal of Project Management sowie des Project Management Journals und hat selbst auch mehrfach dort publiziert. Er ist Preisträger des Global Research Awards der IPMA ® (International Project Management Associations) im Zusammenhang mit seiner Habili‐ tation sowie des Deutschen Studienpreises Projektmanagement für seine Dissertation. Timo Braun ist der GPM seit vielen Jahren verbunden über Forschungsprojekte, seine vorherige von der GPM mitfinanzierte Juniorprofessur an der FU Berlin, sowie sein Engagement in mehreren Gremien. Weitere Informationen: siehe http: / / timobraun.com Mareike Feseker: Absolventin und Wissenschaftliche Assistenz an der HTW Berlin, Schwerpunkte: Human Resource Manage‐ ment, KI und Resilienz, sowie Diploma in HRM vom Griffith Col‐ lege Cork. Langjährige Erfahrung im Bereich Business Coaching & Consulting in Deutschland und Irland. Dr.-Ing. Agnetha Flore ist seit April 2020 im Zentrum für digi‐ tale Innovationen Niedersachsen (ZDIN) tätig und hat dort im Oktober 2021 die Geschäftsführung übernommen; studierte Di‐ plom-Kauffrau und promovierte Wirtschaftsinformatikerin; über 20 Jahre Tätigkeit in der Finanzdienstleistungs-branche; 2017 Zer‐ tifizierte Projektmanagerin (GPM); 2019 Zusatzzertifikat Hybrid+; 2019-2022 Dozentin IBS Oldenburg für agiles Projektmanagement, ab 2023 Tutorin Wilhelm Büchner Hochschule für Projektmanagement, ab 2019 GPM Fachgruppe Agiles Management und seit 2021 mit in der Fachgruppenleitung tätig. Autor: innen 339 <?page no="340"?> Anja Grabmeier, M. A. hat einen Master of Arts im Projekt‐ management. Sie ist wissenschaftliche Mitarbeiterin in der For‐ schungsgruppe „Nachhaltigkeit und Projektmanagement in der Wasserwirtschaft“, Nachhaltigkeitsmanagerin der Hochschule Hof und Lehrbeauftragte für Sustainability Management. Dr. Uwe Haass wechselte nach Forschungstätigkeiten im Bereich Computer Vision in das Wissenschaftsmanagement für Robotik und KI: zunächst bei der EU-Kommission in Brüssel, dann als Leiter von Instituten und großen Forschungsprojekten, zuletzt als Generalsekretär eines europäischen Robotik-Verbandes in Brüssel. Nach Ausscheiden aus dem aktiven Dienst berät er Regionen und Institute im Innovationsmanagement. Luca Maria Haltmayer ist als Projektleitung bei einem mittel‐ ständischen deutschen Entwicklungsdienstleister im Projektma‐ nagement und Consulting tätig. Sie hat Wirtschaftspsychologie an der Hochschule für angewandtes Management studiert und beschäftigt sich im Rahmen ihrer Masterarbeit mit dem Thema Künstliche Intelligenz im Projektmanagement. David P. Heberling ist Gründer und Geschäftsführer der Table of Visions GmbH (www.tableofvisions.com), welche ein Softwareas-a-Service Produkt für Ideen und Innovationsmanagement im deutschsprachigen Raum anbietet. Kunden sind mittelgroße und große Unternehmen, u. a. aus der Bankenbranche oder dem Gesund‐ heitswesen. Er war zudem Gründer der ersten deutschsprachigen Crowdfunding-Plattform, pling.de (Gründung 2010, Exit 2012). Thomas Heiß ist Projektmanager in der Sparkasse Rosenheim- Bad Aibling. Gleichzeitig ist er dort auch als Ideenmanager im unternehmensinternen Innovationsmanagement tätig. 340 Autor: innen <?page no="341"?> Prof. Dr. Sabine Jaritz ist seit 2015 Professorin an der Fakultät Betriebswirtschaft der Ostbayerischen Technischen Hochschule Regensburg (OTH Regensburg) und zudem freiberufliche Unter‐ nehmensberaterin. Ihr Lehr- und Forschungsgebiet ist Projektma‐ nagement und Change-Management. Sie ist Senatsvorsitzende und stellvertretende Vorsitzende des Hochschulrats ihrer Hochschule. Prof. Jaritz verfügt über 15 Jahre Berufserfahrung als Strategiebe‐ raterin bei The Boston Consulting Group GmbH (BCG), davon sieben Jahre in leitender Funktion. Darüber hinaus ist sie Expertin für Megatrends. Lorena Jost, M. Sc. ist ehemalige Masterstudentin an der Hoch‐ schule Fulda im Studiengang Produktionsautomatisierung und Projektleiterin bei der Deutschen Bahn Netz AG für Projekte der Leit- und Sicherungstechnik. Colin Kavanagh: studierter Mediendesigner und Programmierer, ist Mitgründer der Kreativagentur HoloNative, spezialisiert auf Augmented Reality, Virtual Reality und KI. Im AI2Entrepreneur- Projekt bringt er Start-ups KI-Tools näher. Als Mitinitiator der „Ge‐ sellschaft für Immersive Medien“ setzt er sich für die Vernetzung und Weiterentwicklung der AR/ VR-Technologien in Schleswig- Holstein und Baltikum ein. Während seines Studiums erforschte er aktuelle Medienphänomene wie AR, VR und KI, sowohl hinsichtlich ihrer Auswir‐ kungen auf Mensch und Gesellschaft als auch in Bezug auf ihre technische Struktur. Als kreativer Technologe entwirft er innovative Konzepte und gibt sein KI-Wissen in medienpädagogischen Workshops, wie dem „Deepfake Detective“, sowie in Vorträgen, Podcasts und TV-Auftritten weiter. Peter Klein: Geschäftsführer Integral Systemics, Lehrsystem In‐ nere Form Ausbildung für Coach & Aufstellungsleitung im DACH- Bereich, Wiener Schule für Aufstellungsarbeit, Business-Trainer, Key-Note-Speaker, Systemische Fachgruppen bei infosyon und DVNLP, Vorstandsmitglied im Verein Integrale LebensArchitek‐ ten, Autor zahlreicher Publikationen. Autor: innen 341 <?page no="342"?> Torsten J. Koerting gilt als Pionier für künstliche Intelligenz und erfahrener Projekt-Turnaround-Manager für Großprojekte. Aktuell begleitet er erfahrene Selbständige, Unternehmer und mittelständische Unternehmen dabei, echtes Wachstum zu ermög‐ lichen und damit Umsatz, Effizienz und Freiräume signifikant zu steigern. Dabei bereitet er sie auf die KI Revolution vor und führt sie in die Akzeptanz, Integration und deren transformativen Ein‐ satz. Er ist leidenschaftlicher Ehemann und Familienvater, Weitwanderer, Ultraläufer, Gleitschirmflieger, Dozent und Autor. Genau in dieser Reihenfolge. Philipp Kohl, M. Sc. ist Wissenschaftlicher Angestellter an der Fachhochschule Aachen und promoviert im Bereich des Natural Language Processing (NLP). Der Schwerpunkt liegt auf der pro‐ zessualen und technischen Optimierung der NLP-Anwendungs‐ entwicklung. In diesem Zuge wurde ein Vorgehensmodell für die domänenspezifische Adaptierung erarbeitet (STAMP 4 NLP). Prof. Dr. Bodo Kraft Die Gruppe von Prof. Kraft befasst sich seit über 10 Jahren mit der Verarbeitung von Sprache durch Anwendung von KI. Aktuell arbeiten sechs Promovierende an anwendungsorientierten Forschungsprojekten mit dem Fokus Sprachanalyse und -verarbeitung in unterschiedlichen Anwen‐ dungsdomänen, z. B. zur Verarbeitung juristischer Texte, zur Ana‐ lyse medizinischer Berichte, zur Automatisierung im eCommerce oder zur Forensik im öffentlichen Bereich. Prof. Dr. Kraft ist Direktor des Instituts für Digitalisierung Aachen (IDA). Zusammen mit Prof. Dr. Meinecke leitet Prof. Dr. Kraft das Unternehmen „laizee.ai - Language Analytics Made Easy“, das Produkte, Dienst‐ leistungen und Beratung im Umfeld automatisierter Sprachverarbeitung anbietet. Dipl.-Wirtsch. Ing. Wibke Kusturica, M. Sc. studierte an der Westsächsischen Hochschule in Zwickau Wirtschaftsingenieur‐ wesen mit dem Studienschwerpunkt Wirtschaftsinformatik. Im Anschluss daran machte Sie ihren Masterabschluss im Studiengang Management ebenfalls an der Westsächsischen Hochschule Zwi‐ ckau. Neben ihrer Promotion arbeitet sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Management und Information vor allem im Bereich Data-Analytics. 342 Autor: innen <?page no="343"?> Vincent Lächelt, M. Sc. ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Projektmanagement in der Digitalen Transformation an der Universität Kassel. Seine Forschungsschwerpunkte liegen dabei im Risikomanagement und Controlling von Projekten, unter anderem zu der Verbesserung der Akzeptanz sowie Wirtschaft‐ lichkeit von Verkehrsinfrastrukturprojekten in Deutschland sowie zur Verbesserung der Lehre im Kontext der Digitalen Transforma‐ tion. Neben der Forschung begleitet Vincent Lächelt das Thema Wissensvermittlung in verschiedenen Kontexten, wie Organisationen, Projekten und der Hochschulbildung. Dipl. Mathematiker Rüdiger Lang ist studierter Mathematiker mit Diplom an der Universität Heidelberg und Master an der Universität Glasgow. Er ist seit 2014 in der GPM Fachgruppe Agiles Management. Aktuell ist er bei der Unternehmensberatung Consi‐ leon Business Consultancy tätig, war vorher aber über mehrere Jahre im Axa Konzern sowohl in der IT als Bereichsleiter als auch im Vertrieb als Programm Manager tätig und hat dort die Transformation und Digitalisierung mit vorangetrieben. Prof. Dr. Christoph Laroque ist Experte für die umsetzungso‐ rientierte Weiterentwicklung mittelständischer Produktionsunter‐ nehmen. Er studierte Wirtschaftsinformatik mit den Schwerpunk‐ ten Produktionslogistik und webbasierte Systeme. Promoviert hat er an der International Graduate School of Dynamic Intelligent Systems der Universität Paderborn über den Einsatz der Simula‐ tionstechnik im Rahmen der Planung, Inbetriebnahme und Steue‐ rung komplexer Produktionssysteme. Seit Oktober 2013 ist er als ordentlicher Professor für Wirtschaftsinformatik an der Westsächsischen Hochschule Zwickau tätig. Prof. Dr. Ulrich Lenz lehrt an der Hochschule für angewand‐ tes Management in Ismaning i.w. in den Lehrgebieten Transfor‐ mationsmanagement, Digitalisierung und agile Führung. Er ist Programmleiter für den Schwerpunkt Digital Transformation Management in den Master-Studiengängen Betriebswirtschaft, Wirtschaftspsychologie und Wirtschaftsinformatik. Vor dem Hin‐ tergrund seiner langjährigen internationalen Führungs- und Pro‐ jektleitererfahrung berät und coacht er Führungskräfte in Leadership- und Digitalisie‐ rungsthemen. Autor: innen 343 <?page no="344"?> Sigrid Limberg-Strohmaier: Dipl.-Päd., Kfz-Mechanikerin, Inha‐ berin des Balance-Instituts Nürnberg, Vorstandsmitglied im Verein Integrale LebensArchitekten und des Vereins WIP (Women for International Projects), Mitbegründer des systemisch-integralen Lehrsystems Innere Form, Integrale Coachings, Aufstellungen und Ausbildungen, Leiterin der Online-Zendo „Achtsames Herz“, Au‐ torin. Bernd Linder-Hofmann: Dipl.-Kfm., Experte, Dozent und Lehr‐ beauftragter für Führungskräfte-, Organisations- und Personalent‐ wicklung, Projekt-, Change- und Transformationsmanagement, Vorstandsmitglied im Verein Integrale LebensArchitekten, Mitbe‐ gründer des systemisch-integralen Lehrsystems Innere Form, Mit‐ glied in Fachgruppen der Gesellschaft für Projektmanagement (GPM) und des Integralen Forum, Dharma-Schüler in der Gemein‐ schaft des DaiShinZEN, Mitglied und langjähriger Beirat im Verein für Gemeinwohlö‐ konomie. Prof. Dr. Matthias Meinecke ist Maschinenbauingenieur und hat im Bereich der Produktionstechnologien promoviert. Als lang‐ jähriger interner und externer Berater für Organisations- und Restrukturierungsprojekte versteht er es, Probleme und Lösungen ganzheitlich aus unterschiedlichen Perspektiven zu betrachten. Seit 2016 ist er Professor für Operations Management und Vorstand im Institut für Digitalisierung (ida) an der Fachhochschule Aachen. Simone Neumann: ist eine erfahrene Managementtrainerin und Beraterin, die ihr Fachwissen gezielt zur Unterstützung von Unternehmen und Teams einsetzt. Mit maßgeschneiderten Coa‐ ching-Programmen, fundierter Beratung, praxisorientierten Se‐ minaren, interaktiven Workshops und präventivem Gesundheits‐ management stärkt sie nachhaltig die Leistungsfähigkeit. Ihre Expertise in Kommunikationspsychologie, Change Manag., NLP und BGM bildet das solide Fundament ihrer ganzheitlichen Methodik. Durch ihre zusätzliche Qualifikation als Psychotherapeutin HP fließen auch psychologische Erkenntnisse in ihre Arbeit ein. Langjährige Leitungstätigkeiten in der Personalent‐ wicklung sowie im betriebl. Sozial- und Eingliederungsmanagement haben ihre Pra‐ xiserfahrung erheblich gestärkt und unterstreichen ihre Kompetenz. 344 Autor: innen <?page no="345"?> Prof. Dr. Helge Nuhn ist Vizepräsident für Qualitätsmanagement und Digitalisierung sowie Professor für Digitalisierung an der Wilhelm Büchner Hochschule in Darmstadt. Er ist Wirtschafts‐ informatiker (Dipl., TU Darmstadt), promovierte an der EBS Universität für Wirtschaft und Recht in Wiesbaden und ist seit mehr als fünfzehn Jahren als Unternehmensberater tätig (Horváth, PwC, KPMG, freelance). Seine praktischen und Forschungsschwer‐ punkte liegen im Bereich Organisationstheorie, temporäre Organisationsformen und Projektmanagement, welche er mit neuesten Erkenntnissen im Bereich der Forschung um Künstliche Intelligenz verknüpft. Er ist Leiter der Fachgruppe Agile Management der GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V., Mitglied der GI Gesell‐ schaft für Informatik e. V. und Dozent an der CBS International Business School sowie der FS Frankfurt School of Finance and Management. Prof. (FH) Dr. Gerhard Ortner studierte Betriebs- und Wirt‐ schaftsinformatik an der TU Wien und Universität Wien. Seit 2004 ist er hauptberuflicher Lektor und Fachbereichsleiter für Projektmanagement an der FH des BFI Wien in den Studiengängen „Projektmanagement und IT“ (BA) und „Projektmanagement und Organisation (MA) mit dem Forschungsschwerpunkt Management projektorientierter Unternehmen. Als Mitglied des ISO Technical Committees 258 arbeitet er auch an der Weiterentwicklung von Projektmanagements‐ tandards (ISO 215xx Familie) mit. In den letzten Jahren widmet er sich gemeinsam mit den Mitgliedern der länderübergreifenden Fachgruppe PM goes Boardroom vor allem der Rolle des Projektauftraggebers als Erfolgsfaktor für Projekte. Dr. Alfred Oswald ist Geschäftsführer des Institute for Social Technologies GmbH. Er hat an der RWTH Aachen University in theoretischer Physik promoviert. Er ist Mitgründer der GPM Fach‐ gruppe Agile Management und hat wesentlich zur Gestaltung des Management Frameworks Management 4.0 beigetragen. Er ist seit mehreren Jahrzehnten als Berater, Coach und Trainer für Projekt Management, Führung und Transformation Management tätig. Sein aktueller Forschungsschwerpunkt ist die Anwendung der Theorie Komplexer Systeme und der Theorie der Selbstorganisation auf das Management von hybriden Collective Intelligence Organisationen. Autor: innen 345 <?page no="346"?> Prof. Dr. Kerstin Prechel ist Professorin für Betriebswirtschafts‐ lehre mit den Schwerpunkten im Bereich KI und Ethik, Projektma‐ nagement und Organisation an der Dualen Hochschule Schleswig- Holstein (DHSH). Sie ist zudem Dekanin des Fachbereichs Betriebs‐ wirtschaftslehre. Sie war Lehr-Fellow am KI-Campus und ist aktiv in mehreren Forschungsprojekten mit Bezug zu KI und Ethik. Im Rahmen ihrer Selbständigkeit berät sie Unternehmen und hält Vorträge und Schulungen zu Technik und Gesellschaft. Prof. Dr. Malte Prieß ist Professor für Wirtschaftsinformatik mit den Schwerpunkten Künstliche Intelligenz, Maschinelles Lernen und Software Engineering an der Dualen Hochschule Schleswig- Holstein (DHSH). Er ist zudem Dekan des Fachbereichs Wirt‐ schaftsinformatik. Dennis Przytarski ist Mitgründer der Kreativagentur HoloNative mit Fokus auf Augmented Reality, Virtual Reality und Künstli‐ che Intelligenz. Nebenbei arbeitet er im von der Staatskanzlei Schleswig-Holstein geförderten Projekt AI2Entrepreneur, in dem er Gründungsinteressierten und jungen Startups KI-Tools näher‐ bringt. Außerdem engagiert er sich als Vorstandsmitglied des Ver‐ eins „Gesellschaft für Immersive Medien Schleswig-Holstein e.V.“, den er ebenfalls mitgründete und aufbaute, um die AR/ VR-Szene im Land zwischen den Meeren zu vernetzen und die Technologien dort voranzubringen. In seinem Studium an der Fachhochschule Kiel beschäftigte er sich sowohl theoretisch als auch praktisch tiefgehend mit den neuen Technologien, die den Kern von HoloNative ausmachen. Seitdem erstellt er als selbsternannter Creative Technologist neue Konzepte und teilt seine Erkenntnisse mit Fachpublikum sowie gemeinnützig mit Personenkreisen ohne spezifische Vorkenntnisse. Prof. Dr. Kai Reinhardt ist Professor für Betriebswirtschaft, Organisation und Personalmanagement an der HTW Berlin mit den Schwerpunkten digitale Hochleistungsorganisation und Kom‐ petenzstruktur-Forschung. Mit zwei Jahrzehnten Erfahrung in der Tech-Branche untersucht er, wie neue Technologien die Kom‐ petenzstrukturen verändern. Er ist Autor von Fachbüchern und unterstützt mit kybernet.io Unternehmen bei der Transformation ihrer Kompetenzstrukturen. Weitere Informationen: www.kaireinhardt.de. 346 Autor: innen <?page no="347"?> Prof. Dr. Margit Sarstedt hat seit 2021 die Professur für Techno‐ logie- und Projektmanagement im Fachgebiet Wirtschaft und Ma‐ nagement an der IU Internationale Hochschule inne. Frau Sarstedt besitzt umfangreiche Erfahrung im Management und Projektma‐ nagement in der produzierenden Industrie, hierbei hauptsächlich in der Halbleiter- und sonstigen High-tech-Industrie. Dabei führte sie als Projektmanager nationale und internationale Projekte und leitete Unternehmen und Geschäftsbereiche in verantwortlicher Stellung. Im Laufe ihrer mehr als zwanzigjährigen Berufserfahrung war sie viele Jahre im angelsächsi‐ schen und im asiatischen Ausland tätig. Ihre derzeitigen Forschungsinteressen liegen im Einsatz verschiedener Projektmanagementmethoden in operativen und organisa‐ torischen und Veränderungssituationen. Zudem verfolgt sie die Entwicklungen in den verschiedenen Projektmanagementmethoden und trägt aktiv zu der Klärung der Anwendbarkeit von Modellen in der gelebten Praxis bei. Dipl. Inform. Nicole Schelter ist KI-Enthusiastin und erfahrene Projektmanagerin mit über 20 Jahren Erfahrung in der Beratung von Mitarbeitenden und Management. Sie ist in agilen und klas‐ sischen Projektmanagementmethoden zertifiziert. Neben dieser Tätigkeit in ganz Europa, dem Nahen Osten und Afrika, ist sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Fakultät für Mathematik und Informatik an der FernUniversität in Hagen tätig. Sie engagiert sich zudem ehrenamtlich in verschiedenen Projekten und Organisationen. Prof. Dr. Silke Schönert ist Professorin für Business Information Systems und Projektmanagement an der Rheinischen Fachhoch‐ schule Köln. Sie ist Direktorin des Instituts für Projekt- und Informationsmanagement (IPMI). Seit 2021 ist sie Mitglied im KI-ExpertLab Hochschullehre des BMBF-geförderten Pilotprojektes KI-Campus und hat dort die Themengruppe „KI und Academic Writing“ initiiert. Zum 1.09.2022 hat sie gemeinsam mit dem assoziierten Partner KI-Campus und weiteren Expert*innen und Lehrenden deutscher Hochschulen aus den Bereichen Informatik, Bildungsfor‐ schung und Schreibdidaktik das Virtuelle Kompetenzzentrum „Schreiben lehren und lernen mit Künstlicher Intelligenz - Tools und Techniken für Bildung und Wissen‐ schaft“ gegründet: https: / / www.ki-schreiben-lehren-lernen.de/ . Autor: innen 347 <?page no="348"?> Ingo Staack, Certified Senior Project Manager | IPMA Level B®, ist als Innovations- und Programmmanager bei thyssenKrupp Marine Systems GmbH beschäftigt. Sein Fokus ist die Digitalisierung in allen Geschäftsbereichen. Dabei blickt er auf mehr als 20 Jahre Projekterfahrung zurück. Er ist im Vorstand des ZGDV und als Mitgeschäftsführer des Forums 3D maritim tätig. Dr. Irene Teich ist Inhaberin von WM4SVC (Wisdom Manage‐ ment for Sustainable Value Chains) und leitet das Institut für Wis‐ senstechnologie an der Konrad Zuse Akademie, Hoyerswerda. Ihre Schwerpunkte sind Gestaltung von Anwendungen und Forschung zu linguistischer KI seit 2010 sowie Supply Chain Management und Entwicklung effizienter Methoden zur Organisationsanalyse seit 1992. Prof. Dr. Harald Wehnes ist Professor am Institut für Informatik der Universität Würzburg. Seine Lehr- und Forschungsschwer‐ punkte sind modernes Projektmanagement und Digitale Nachhal‐ tigkeit. Er ist Leiter der GPM-Fachgruppe „PM an Hochschulen“, ein Netzwerk von 400 Professoren und Dozenten des Projektma‐ nagements an deutschsprachigen Hochschulen. Prof. Dr. Doris Weßels ist Professorin für Wirtschaftsinformatik mit den Schwerpunkten Projektmanagement und Natural Lang‐ uage Processing an der Fachhochschule Kiel. Nach einem Studium der Mathematik, Betriebswirtschaftslehre und Informatik an der WWU in Münster promovierte sie am Institut für Finanzwirtschaft und Investition der Universität Oldenburg. Neben ihren Regional- und Fachgruppentätigkeiten in der GPM ist sie stellvertretende Vorstandsvorsitzende der Digitalen Wirtschaft Schleswig-Holstein e.-V. (DiWiSH). Prof. Dr. Manuela Wimmer ist seit 2013 Professorin an der Hochschule Hof und leitet die Forschungsgruppe „Nachhaltigkeit und Projektmanagement in der Wasserwirtschaft“, in der sie be‐ sonders auf Digitalisierung fokussiert. 348 Autor: innen <?page no="349"?> Manfred Zink: Dipl.-Päd., Experte in der Führungskräfte- und Organisationsentwicklung, Ausbildung in Systematischer Orga‐ nisationsberatung/ Familientherapie und als Dialoque Facilitator, Mitbegründer des Lehrsystems Innere Form, Vorstandsmitglied im Verein Integrale LebensArchitekten, Dharma Schüler in der Gemeinschaft des DaiShinZEN, mehrere Jahre Lehrbeauftragter für Projektmanagement an der HTW, Hochschule für Wirtschaft und Technik des Saarlandes, langjähriger Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Systemische Organisationsberatung DGSOB e.V. Autor: innen 349 <?page no="350"?> EIN BAND AUS DER GPM-REIHE PROJEKTMANAGEMENT NEU DENKEN Layout Layout Die rasante Entwicklung künstlicher Intelligenz (KI) hat die Art und Weise, wie wir arbeiten, leben und interagieren, grundlegend verändert. Auch im Bereich des Projektmanagements hat KI das Potenzial, grundlegende Änderungen herbeizuführen - eine Entwicklung, die in diesem Buch eingehend untersucht und bewertet wird. Es konzentriert sich auf zentrale Aspekte, die sich in vier Abschnittsüberschriften widerspiegeln: - Problemstellungen und Chancen - Methodenunterstützung - Herausforderungen im Projektmanagement - Unterstützung von Projektfunktionen Dieser Band ist damit nicht nur ein Leitfaden für KI im Projektmanagement, sondern auch eine Quelle der Inspiration und Reflexion über die sich verändernde Arbeitswelt, in der wir uns befinden. Die Herausgeber und Autor: innen bieten wertvolle Einblicke und Anregungen, die Chancen von KI zu nutzen und gleichzeitig die Herausforderungen zu meistern, die diese neue Ära mit sich bringt. ISBN 978-3-381-11131-2