eBooks

Finanzierung

Kurzlehrbuch mit eLearning-Kurs

0812
2024
978-3-3811-1172-5
978-3-3811-1171-8
UVK Verlag 
Jörg Wöltje
10.24053/9783381111725

Die Bände dieser Reihe bieten Studierenden eine kompakte Einführung in das jeweilige Themengebiet. Dieser Band befasst sich mit dem zentralen Thema eines jeden Betriebswirtschaftsstudiums - mit der Unternehmensführung. Dabei stellt der Autor die wesentlichen Elemente und Grundbegriffe vor. Folgende Themen werden behandelt: Systematik der Finanzierung, Finanzierungsarten im Überblick, Kreditfinanzierung, Mezzanine Finanzinstrumente, Beteiligungsfinanzierung, Innenfinanzierung und Finanzkennzahlen. Ebenso erhalten die Derivate ein eigenständiges Kapitel. Zusammen mit dem Buch erhalten die Leser:innen einen eLearning-Kurs, der aus einer Vielzahl an Fragen und Antworten besteht. espresso-Kurzlehrbücher bereiten ideal auf Studium, Vorlesung und Prüfung vor - die konzentrierte Dosis Wissen für Ihren Studienerfolg. Jeder Band wird von einem passenden eLearning-Kurs begleitet, der den Lernfortschritt kontinuierlich sichtbar macht.

9783381111725/eLearning-Kurs.html
<?page no="0"?> ISBN 978-3-381-11171-8 Kurzlehrbuch mit eLearning-Kurs Die Bände dieser Reihe bieten Studierenden eine kompakte Einführung in das jeweilige Themengebiet. Dieser Band befasst sich mit dem zentralen Thema eines jeden Betriebswirtschaftsstudiums - mit der Unternehmensführung. Dabei stellt der Autor die wesentlichen Elemente und Grundbegriffe vor. Folgende Themen werden behandelt: Systematik der Finanzierung, Finanzierungsarten im Überblick, Kreditfinanzierung, Mezzanine Finanzinstrumente, Beteiligungsfinanzierung, Innenfinanzierung und Finanzkennzahlen. Ebenso erhalten die Derivate ein eigenständiges Kapitel. Zusammen mit dem Buch erhalten die Leser: innen einen eLearning-Kurs, der aus einer Vielzahl an Fragen und Antworten besteht. Die espresso-Kurzlehrbücher bereiten ideal auf Studium, Vorlesung und Prüfung vor - die konzentrierte Dosis Wissen für Ihren Studienerfolg. Jeder Band wird von einem passenden eLearning-Kurs begleitet, der den Lernfortschritt kontinuierlich sichtbar macht. Finanzierung Finanzierung Wöltje Jörg Wöltje Finanzierung www.uvk.de <?page no="1"?> eLearning-Kurs & eBook Zu diesem Band gibt es ein eBook und einen eLearning-Kurs, die Sie kostenfrei online abrufen können. Zu Beginn eines jeden Kapitels finden Sie einen QR-Code, der Sie zum dazugehörigen Fragenkatalog des eLearning-Kurses bringt. Erstellen Sie gleich einen persönlichen Account auf unserer eLibrary und schalten Sie eBook und eLearning-Kurs mit Ihrem Gutscheincode frei. So geht’s gutschein.narr.digital besuchen den Schritten zum Aktivieren des Gutscheincodes folgen eBook herunterladen und eLearning-Kurs nutzen Ihr Gutscheincode für eBook & eLearning-Kurs eRbr-3PwA-W9Xa <?page no="3"?> Prof. Dr. Jörg Wöltje lehrt an der Hochschule Karlsruhe und ist Verfasser einer Vielzahl von Wirtschaftsbüchern. In einer sich rasch verändernden Welt müssen sich Hochschulen, Dozie‐ rende und Studierende kontinuierlich einem neuen Wissensstand widmen und mit neuen Themen auseinandersetzen. Mit unserer neuen fachüber‐ greifenden Reihe espresso präsentieren wir Ihnen die Möglichkeit, sich fundiert und kompakt über grundständige Lehrinhalte zu informieren. Ein besonderes Augenmerk legt die Reihe auf den didaktischen Anspruch, der Möglichkeit per eLearning-Kurs den eigenen Wissensstand vor und nach der Bandlektüre zu überprüfen sowie der Chance, gezielt empfohlene Medien zu nutzen. Expert: innen vermitteln auf prägnante Weise das Wesentliche zu den Lehr‐ themen. So gezielt die Themen in den Bänden bearbeitet werden, so breit ist auch das Fachspektrum, das die Reihe abdeckt: von den Wirtschaftswis‐ senschaften über die Geisteswissenschaften und die Naturwissenschaften bis hin zur Sozialwissenschaft - Leser: innen aller Fachbereiche können in dieser Reihe fündig werden. <?page no="4"?> Jörg Wöltje Finanzierung Kurzlehrbuch mit eLearning-Kurs <?page no="5"?> DOI: https: / / doi.org/ 10.24053/ 9783381111725 © UVK Verlag 2024 ‒ Ein Unternehmen der Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5 · D-72070 Tübingen Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikro‐ verfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Alle Informationen in diesem Buch wurden mit großer Sorgfalt erstellt. Fehler können dennoch nicht völlig ausgeschlossen werden. Weder Verlag noch Autor: innen oder Heraus‐ geber: innen übernehmen deshalb eine Gewährleistung für die Korrektheit des Inhaltes und haften nicht für fehlerhafte Angaben und deren Folgen. Diese Publikation enthält gegebenenfalls Links zu externen Inhalten Dritter, auf die weder Verlag noch Autor: innen oder Herausgeber: innen Einfluss haben. Für die Inhalte der verlinkten Seiten sind stets die jeweiligen Anbieter oder Betreibenden der Seiten verantwortlich. Internet: www.narr.de eMail: info@narr.de CPI books GmbH, Leck ISSN 2942-6588 ISBN 978-3-381-11171-8 (Print) ISBN 978-3-381-11172-5 (ePDF) ISBN 978-3-381-11173-2 (ePub) Umschlagmotiv: © CAHKT iStockphoto Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbib‐ liografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http: / / dnb.dnb.de abrufbar. www.fsc.org MIX Papier aus verantwortungsvollen Quellen FSC ® C083411 ® <?page no="6"?> 7 9 1 11 1.1 12 1.2 15 1.3 16 2 23 2.1 26 2.2 28 2.3 30 3 33 3.1 37 3.2 38 4 45 4.1 45 4.2 54 4.3 66 4.4 73 5 75 5.1 76 5.2 80 5.3 85 6 89 Inhalt Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aufbau des Buches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Finanzwirtschaftliche Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Betriebliche Finanzwirtschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Finanzierungsregeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Finanzmathematische Begriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ermittlung des Kapitalbedarfs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ermittlung des Gründungskapitalbedarfs . . . . . . . . . . . . . . . Ermittlung des Kapitalbedarfs für das Anlagevermögen . . Ermittlung des Kapitalbedarfs für das Umlaufvermögen . . Systematisierung der Finanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Eigen- und Fremdfinanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Innen- und Außenfinanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Formen der Kreditfinanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kurzfristige Kreditfinanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mittel- und langfristige Kreditfinanzierung . . . . . . . . . . . . Anleihen (Schuldverschreibungen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schuldscheindarlehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kreditsubstitute . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Factoring . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Leasing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Forfaitierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mezzanine Finanzinstrumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . <?page no="7"?> 7 93 7.1 95 7.2 98 8 105 8.1 108 8.2 110 8.3 113 8.4 119 9 121 9.1 123 9.2 124 9.3 127 9.4 136 9.5 138 10 143 10.1 146 10.2 156 171 175 181 183 Beteiligungsfinanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beteiligungsfinanzierung nicht emissionsfähiger Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beteiligungsfinanzierung emissionsfähiger Unternehmen Innenfinanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Formen der Selbstfinanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Finanzierung aus Rückstellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Finanzierung aus Abschreibungsgegenwerten . . . . . . . . . . Finanzierung aus sonstigen Kapitalfreisetzungen . . . . . . . . Finanzanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vermögensstrukturkennzahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kapitalstrukturkennzahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Liquiditätskennziffern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rentabilitätskennziffern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Leverage-Effekt (= Hebel-Effekt) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Derivate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bedingte Termingeschäfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Unbedingte Termingeschäfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vokabelliste Deutsch-Englisch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Index . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 Inhalt <?page no="8"?> Vorwort Dieses Kompaktlehrbuch ermöglicht Studierenden wirtschaftlicher Studien‐ richtungen, aber auch Praktikern einen Einstieg und einen systematischen Überblick über die wichtigsten Bereiche der Unternehmensfinanzierung zu erhalten. Es werden die Grundlagen der Finanzierung auf eine leicht ver‐ ständliche Art und Weise mit nachvollziehbaren Beispielen und zahlreichen Überblicksschaubildern anschaulich vermittelt. Die integrierten Beispiele, Tabellen und Abbildungen sollen dazu dienen die wesentlichen Inhalte zusammenzufassen und zum besseren Verständnis beitragen. Die Unternehmensfinanzierung ist ein zentrales Thema in der Betriebs‐ wirtschaft und betrifft Unternehmen jeder Größe. Sie umfasst die Bereitstel‐ lung der finanziellen Mittel, die das Unternehmen benötigt, um fristgerecht zu agieren. Dabei stellt sich die Frage, wie und wo man diese Mittel beschaffen kann, in welcher Höhe und zu welchen Konditionen. Die Kapi‐ talbeschaffung kann sowohl von außen als auch von innen erfolgen, wobei zwischen Eigen- und Fremdkapital unterschieden wird. Das Buch umfasst zehn Kapitel. Es werden beispielsweise behandelt, die verschiedenen Finanzierungsformen, die Kreditfinanzierung, Kreditsubsti‐ tute, Beteiligungsfinanzierung, Innenfinanzierung, Finanzkennzahlen und Derivate. Ergänzt wird das Buch durch zahlreiche E-Learning Aufgaben, die Ihnen die Möglichkeit bieten, ihren Wissensstand zu prüfen und mit den dazuge‐ hörigen ausführlichen Lösungshinweisen zu kontrollieren. Bedanken möchte ich mich für die sehr gute Zusammenarbeit beim Verlagsleiter Herrn Dr. Jürgen Schechler. Der Verfasser bittet um Nachsicht für eventuelle Versäumnisse und ist für kritische Hinweise und Verbesserungsvorschläge immer sehr dankbar (E-Mail: joerg.woeltje@t-online.de). Vielen Dank im Voraus für Ihre Unterstützung sowie viel Freude und Erfolg beim Lernen. Karlsruhe im April 2024 Jörg Wöltje <?page no="10"?> Aufbau des Buches espresso-Wissenscheck | Der Link bzw. QR-Code führt zu einem eLear‐ ning-Kurs. Im Rahmen dessen kann das Gelernte auf die Probe gestellt wer‐ den. Zu diesem Buch gibt es einen ergänzenden eLearning-Kurs aus 180 Fragen. Mithilfe des Kurses können Sie online überprüfen, inwieweit Sie die Themen des Buches verinnerlicht haben. Gleichzeitig festigt die Wiederholung in Quiz-Form den Lernstoff. Der eLearning-Kurs kann Ihnen dabei helfen, sich gezielt auf Prü‐ fungssituationen vorzubereiten. Der eLearning-Kurs ist eng mit vorliegendem Buch verknüpft. Sie fin‐ den im Folgenden zu den wichtigen Kapiteln QR-Codes, die Sie direkt zum dazugehörigen Fragenkomplex bringen. Andersherum erhalten Sie innerhalb des eLearning-Kurses am Ende eines Fragendurchlaufs neben der Auswertung der Lernstandskontrolle auch konkrete Hin‐ weise, wo Sie das Thema bei Bedarf genauer nachlesen bzw. vertiefen können. Diese enge Verzahnung von Buch und eLearning-Kurs soll Ihnen dabei helfen, unkompliziert zwischen den Medien zu wechseln, und unterstützt so einen gezielten Lernfortschritt. espresso-Warm-up | Dieser Text führt in das Kapitelthema ein und erklärt grundsätzliche Zusammenhänge. Dies schafft ein tieferes Verständnis der folgenden Kapitel. espresso-Keywords | Diese Liste von Worten verschafft einen Überblick über die relevanten Schlagwörter des Kapitels. Diese Begriffe sollten nach dem Lesen verstanden sein. espresso-Verständnis | Diese Inhalte verschaffen schnell und einfach ein Aha-Erlebnis. Sie helfen dabei, das Wissen zu verinnerlichen. espresso-Wissen | Hierbei handelt es sich um Inhalte, ohne die ein Ver‐ ständnis des Themas nicht möglich ist. Kurzum: Sie sind essenziell. <?page no="11"?> Zusätzlich zum eLearning-Kurs gibt es weitere Aufgaben mit Lösun‐ gen. Diese Dokumente sind abrufbar unter https: / / files.narr.digital/ 97 83381111718/ Zusatzmaterial.zip 10 Aufbau des Buches <?page no="12"?> 1 Vgl. Wöhe, G., Döring, U. und Brösel, G. (2023), Einführung in die Allgemeine Betriebs‐ wirtschaftslehre, S.-526. 1 Finanzwirtschaftliche Grundlagen espresso-Keywords | Liquidität, Bilanz, Kapitalüberlassungsdauer, Ka‐ pitalbindungsdauer, Aufzinsungsfaktor, Abzinsungsfaktor, Rentenbar‐ wertfaktor, Kapitalwiedergewinnungsfaktor Was erwartet mich in diesem Kapitel? In diesem Kapitel werden die wichtigsten Grundbegriffe erläutert, die zum weiteren Verständnis der Finanzierung notwendig sind. Spezifische Fachbegriffe werden in dem jeweiligen Kapitel näher erläutert. Die Finanzierung umfasst alle Maßnahmen zur Versorgung eines Unter‐ nehmens mit dem erforderlichen Kapital, damit dessen Zahlungsfähigkeit immer gewährleistet wird. Alle Unternehmen benötigen Kapital zur Erfül‐ lung ihres eigentlichen Betriebszwecks und für bestimmte außerordentliche finanztechnische Vorgänge wie z. B. Unternehmensgründung, Großinvesti‐ tionen und Sanierung. Eine gute Finanzierung kann einem Unternehmen einen Wettbewerbs‐ vorteil verschaffen. Eine fehlerhafte Finanzierung hingegen kann die Exis‐ tenz eines Unternehmens gefährden. Im marktwirtschaftlichen Wettbewerb streben Unternehmen nach einer langfristigen Gewinnmaximierung, bei gleichzeitiger Sicherstellung des finanziellen Gleichgewichts. 1 Alle Finanzierungsmaßnahmen verfolgen das Ziel, das finanzielle Gleichgewicht eines Unternehmens zu erhalten. Ein Unternehmen befin‐ det sich dann im finanziellen Gleichgewicht, wenn es zu jedem Zeitpunkt seine finanziellen Verpflichtungen erfüllen kann und die Existenz des Unternehmens langfristig gewährleistet ist. Das finanzielle Gleichgewicht besteht aus drei Komponenten: <?page no="13"?> • Es ist die jederzeitige Zahlungsfähigkeit sicherzustellen (kurzfristige Liquidität). • Ferner müssen die finanziellen Strukturen eines Unternehmens so ausgerichtet sein, dass auf längere Sicht keine Gefährdung der Zah‐ lungsfähigkeit zu erwarten ist (langfristige Liquidität). • Außerdem sind ausreichende Erträge zu erwirtschaften, die sowohl die Erfüllung aller finanziellen Ansprüche ermöglichen als auch angemes‐ sene Gewinnausschüttungen ermöglichen (Rentabilität). 1.1 Betriebliche Finanzwirtschaft Die betriebliche Finanzwirtschaft umfasst die zentralen Bereiche Investition, Finanzierung und Zahlungsverkehr. Sie hat die Aufgabe, die Zahlungs‐ mittelzuflüsse und -abflüsse, die sich aus den finanz- und güterbzw. leistungswirtschaftlichen Beziehungen eines Unternehmens ergeben, im Gleichgewicht zu halten. Hierzu sind der Kapitalbedarf und die verfügbaren Mittel aufeinander abzustimmen. Die folgende Abbildung veranschaulicht die betriebliche Finanzwirtschaft: Abb. 1: Die betriebliche Finanzwirtschaft 12 1 Finanzwirtschaftliche Grundlagen <?page no="14"?> Der Zusammenhang zwischen Investitions- und Finanzierungsvorgängen lässt sich anhand einer schematisierten Bilanz darstellen: Abb. 2: Bilanzorientierte Investitions- und Finanzierungszusammenhänge Aus der Bilanz ist ersichtlich, wie die Finanzierung als Mittelherkunft und die Investition als Mittelverwendung eng miteinander verbunden und spiegelbildlich voneinander abhängig sind. Auf der Passivseite der Bilanz bilden das Eigen- und das Fremdkapital zusammen die Kapitalbasis, die einem Unternehmen Investitionen in das auf der Aktivseite der Bilanz stehende Anlage- und Umlaufvermögen ermöglichen. espresso-Wissen | Unter einer Investition wird der zielgerichtete Einsatz finanzieller Mittel zur Beschaffung von Produktionsfaktoren verstanden, die zur Erwirtschaftung von Erträgen dienen. Die Aktivseite einer Bilanz zeigt alle Vermögensgegenstände eines Unter‐ nehmens. Hier wird ausgewiesen welche Investitionen ein Unternehmen getätigt hat. Eine Investition ist eine Zahlungsreihe, die typischerweise mit einer Auszahlung beginnt auf die zu späteren Zeitpunkten Rückflüsse (= Einzahlungsüberschüsse, d.-h. Einzahlungen minus Auszahlungen) folgen. 1.1 Betriebliche Finanzwirtschaft 13 <?page no="15"?> Abb. 3: Zahlungsstrom einer Investition espresso-Wissen | Unter einer Finanzierung wird die Beschaffung und Rückzahlung finanzieller Mittel verstanden. Die Passivseite einer Bilanz zeigt aus welchen Quellen die finanziellen Mittel stammen, mit denen sich ein Unternehmen finanziert. Eine Finanzierung ist eine Zahlungsreihe, die mit einer Einzahlung (z. B. die Aufnahme eines Kredits) beginnt auf die zu späteren Zeitpunkten Auszahlungen (Zinsen und Tilgungen) folgen, wobei jedoch Einzahlungen nicht auszuschließen sind. Abb. 4: Zahlungsstrom einer Finanzierung Die folgende beispielhafte Bilanz der IMTB GmbH zeigt die Vorgänge der Mittelverwendung und der Mittelbeschaffung: 14 1 Finanzwirtschaftliche Grundlagen <?page no="16"?> Mittelverwendung Mittelbeschaffung - - Aktiva Bilanz der IMTB GmbH zum 31.12.01 Passiva Anlagevermögen - Eigenkapital - Maschinen 250 T€ gezeichnetes Kapital 200 T€ Betriebsausstattung 180 T€ Gewinnrücklagen 80 T€ Fuhrpark 60 T€ Jahresüberschuss 20 T€ - - - - Umlaufvermögen - Fremdkapital - Vorräte 200 T€ Rückstellungen 120 T€ Forderungen 150 T€ langfr. Verbindlichkeiten 410 T€ liquide Mittel 60 T€ kurzfr. Verbindlichkeiten 70 T€ Bilanzsumme 900 T€ Bilanzsumme 900 T€ Tab. 1: Beispiel: Bilanz der IMTB GmbH 1.2 Finanzierungsregeln espresso-Wissen | Bei den Finanzierungsregeln handelt es sich im Wesentlichen um Kennzahlen, die der Bilanzanalyse entlehnt sind. Sie stellen Sollvorgaben bzgl. der Zusammensetzung des Kapitals und des Verhältnisses zwischen Kapital und Vermögen dar. Gemäß der Fristenkongruenz sollte eine Entsprechung der zeitlichen Struk‐ tur und der zeitlichen Bindung des aufgenommenen Kapitals (Kapitalher‐ kunft) und der finanzierten Vermögensgegenstände (Kapitalverwendung) bestehen. Somit sollten die Kapitalüberlassungsdauer und die Kapital‐ bindungsdauer (mindestens) übereinstimmen. Dieser Grundsatz findet sich in der „goldenen Finanzierungsregel“ wieder. 1.2 Finanzierungsregeln 15 <?page no="17"?> espresso-Wissen | Die goldene Finanzierungsregel besagt, dass lang‐ fristig gebundenes Vermögen mit langfristigem Kapital, und kurzfristi‐ ges Vermögen mit kurzfristigem Kapital finanziert werden soll. Daraus lässt sich ableiten: Goldene Finanzierungsregel langfr. = langfristiges Kapital langfristiges Vermögen ≥ 1 bzw. Goldene Finanzierungsregel kurzfr. = kurzfristiges Kapital kurzfristiges Vermögen ≤ 1 Die folgende Abbildung zeigt die Finanzierungsregeln im Überblick: Abb. 5: Finanzierungsregeln im Überblick 1.3 Finanzmathematische Begriffe Es werden ausgewählte finanzmathematische Begriffe vorgestellt. • Der Barwert (K 0 ) oder Gegenwartswert ist der Wert, der sich durch Diskontieren (Abzinsen) der zukünftigen Ein- und Auszahlungen auf den gegenwärtigen Zeitpunkt (t 0 ) ergibt. Der Barwert ist abhängig vom Zinssatz (i). 16 1 Finanzwirtschaftliche Grundlagen <?page no="18"?> • Der Endwert (K n ) oder der Zukunftswert ist der Wert, der sich durch Aufzinsen der Ein- und Auszahlungen auf den künftigen Zeitpunkt (t n ) ergibt. • Die Annuität (z) ist der rechnerisch ermittelte, wertmäßig konstante (äquivalente) Betrag, der sich bei der Abzinsung einer Zahlungsreihe (Z) mit dem Zinssatz (i) in einem Betrachtungszeitraum von n Perioden ergibt. Aufzinsungsfaktor (AuF) Um den Endwert (K n ) eines heute angelegten Geldbetrags (K 0 ) mit Zinseszins zu ermitteln, benötigt man zunächst den Aufzinsungsfaktor (AuF). Dieser zinst einen jetzt fälligen Geldbetrag (K 0 ) (Barwert) mit Zins und Zinseszins auf einen nach n Perioden fälligen Geldbetrag (K n ) (Endwert) auf. Aufzinsungsfaktor: q n = 1 + i n i = Zinssatz (dezimal) p = Prozentsatz des Zinses (absolut) n = Jahre (Laufzeit) Der dezimale Zinssatz (i) berechnet sich aus dem Prozentsatz des Zinses (p) folgendermaßen. i = p 100 Durch die Aufzinsung wird ermittelt, wie viel ein Geldbetrag (K 0 ) mit Zinsen und Zinseszins zu einem späteren Zeitpunkt wert ist. K n = K 0 × 1 + i n Abb. 6: Aufzinsen einer heutigen Zahlung auf den künftigen Zeitpunkt t n 1.3 Finanzmathematische Begriffe 17 <?page no="19"?> Beispiel: Aufzinsungsfaktor Sie haben Ihr Geld in Form eines Sparbriefs (K 0 ) = 10.000 € angelegt. Über welches Endkapital (K n ) verfügen Sie nach sechs Jahren bei einem jährlichen Zinssatz (i) von 6,5-%? Endwert (K n ) = K 0 x q n = 10.000 € x (1 + 0,065) 6 = 10.000 € x 1,459142 =-14.591,42-€ Am Ende der Laufzeit werden ihnen 14.591,42-€ zurückgezahlt. Abzinsungsfaktor (AbF) Der Abzinsungsfaktor (AbF), auch Diskontierungsfaktor genannt, wird benötigt, um den Barwert (K 0 ) (Gegenwartswert) von nachschüssigen Zahlungen zu berechnen. Abzinsungsfaktor AbF = 1 Aufzinsungsfaktor = 1 q n = 1 1 + i n Der Barwert (K 0 ) lässt sich mit folgender Formel ermitteln: Barwert K 0 = K n × 1 q n K 0 = Barwert im Zeitpunkt (t 0 ) K n = Endwert im Zeitpunkt (t n ) Abb. 7: Abzinsen einer späteren einmaligen Zahlung auf den Zeitpunkt t 0 Beispiel: Abzinsungsfaktor Der Barwert (K 0 ) einer in sechs Jahren fälligen Zahlung in Höhe von 10.000 € soll zum heutigen Zeitpunkt ermittelt werden. Der Zinssatz beträgt 5,0-% p.-a. 18 1 Finanzwirtschaftliche Grundlagen <?page no="20"?> K n = 10.000-€, n = 6 Jahre, i = 5,0-%. Barwert K 0 = 10.000 € × 1 1 + 0,05 6 = 10.000 € × 0,746215 = 7.462,15 € Der Barwert beträgt 7.462,15-€. Rentenbarwertfaktor (RBF) Der Barwert (K 0 ) einer gleichmäßigen Zahlungsreihe kann unter Berück‐ sichtigung von Zins und Zinseszins mithilfe des Rentenbarwertfaktors (RBF), auch Diskontierungssummenfaktor genannt, ermittelt werden. Rentenbarwertfaktor (RBF) = 1 + i n − 1 i × 1 + i n = q n − 1 i × q n Der Barwert (K 0 ) einer zukünftigen gleichmäßigen Zahlungsreihe zu be‐ stimmten Zeitpunkten ermittelt sich durch Multiplikation des Zeitwertes einer Zahlung (z) der zukünftigen gleichmäßigen Zahlungsreihe mit dem Rentenbarwertfaktor (RBF). Dies zeigt die nachstehende Abbildung (der Betrachtungszeitpunkt ist t 0 , der zu berechnender Wert ist grau unterlegt): Abb. 8: Abzinsen einer gleichmäßigen Zahlungsreihe mit dem Rentenbarwertfaktor (RBF) auf den Zeitpunkt t 0 Mit der folgenden Formel kann der Barwert (K 0 ) bei jährlich gleich hohen Zahlungen (z) berechnet werden: 1.3 Finanzmathematische Begriffe 19 <?page no="21"?> Barwert K 0 = z × 1 + i n − 1 i × 1 + i n = z × (q) n − 1 i × (q) n Beispiel: Rentenbarwertfaktor Eine jährliche nachschüssige Rente in Höhe von 5.000 € mit einer Restlaufzeit von 15 Jahren soll sofort abgelöst werden. Der Zinssatz (i) beträgt 5 % p. a. Es wird der Barwert (K 0 ) der Rentenzahlungen mithilfe des Rentenbarwertfaktors berechnet. K 0 = 5.000 € × 1,05 15 − 1 0,05 × 1,05 15 = 5.000 € × 10,379658 = 51.898,29 € Der Barwert der nachschüssigen Rentenzahlungen beträgt 51.898,29 €. Kapitalwiedergewinnungsfaktor (KWF) Mithilfe des Kapitalwiedergewinnungsfaktors (KWF), auch Annuitätenfak‐ tor oder Wiedergewinnungsfaktor genannt, ist es möglich, einen heute zur Verfügung stehenden Geldbetrag (K 0 ) in jährlich gleich hohe Zahlungsbe‐ träge (z) = Annuitäten (z) bei einem gleichbleibenden Zinssatz (i) umzuwan‐ deln. Beim Kapitalwiedergewinnungsfaktor (KWF) handelt es sich um die Umkehrung des Rentenbarwertfaktors. Kapitalwiedergewinnungsfaktor (KWF) = 1 Rentenbarwertfaktor Kapitalwiedergewinnungsfaktor (KWF) = 1 + i n × 1 1 + i n − 1 = q n × 1 q n − 1 20 1 Finanzwirtschaftliche Grundlagen <?page no="22"?> Abb. 9: Gleichmäßige Verteilung eines heute zur Verfügung stehenden Betrags auf künf‐ tige Perioden Beispiel: Kapitalwiedergewinnungsfaktor Ein Darlehen in Höhe von 150.000 € soll bei einem Zinssatz in Höhe von 5 % p. a. in 15 Jahren zurückgezahlt sein. Wie hoch ist die jährliche Annuität (= Zinsen + Tilgung)? Berechnung der Annuität (z): Annuität z = 150.000 € × 1,05 15 × 1 1,05 15 − 1 Annuität z = 150.000 € × 0,0963423 = 14.451,34 € Die jährliche Annuität beträgt 14.451,34-€. 1.3 Finanzmathematische Begriffe 21 <?page no="24"?> 2 Jung, H. (2016), Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, S.-719. 2 Ermittlung des Kapitalbedarfs espresso-Keywords | Kapitalbedarfsplan, Finanzplan, Gründung, Be‐ triebsbereitschaft, Kapitalbindungsdauer, Anlagevermögen, Umlaufver‐ mögen Was erwartet mich in diesem Kapitel? Damit ein Unternehmen seine Aufgaben erfüllen kann, benötigt es einen Kapitalgrundstock. Es muss Klarheit über die benötigte Höhe des Kapitalgrundstocks bestehen, bevor mit der Deckung des Kapitalbedarfs begonnen werden kann. Wofür benötige ich das Wissen? Ein Unternehmen muss immer in der Lage sein, die bestehenden Zahlungsverpflichtungen zu bezahlen und zukünftige Zahlungsverpflichtungen eingehen zu können. Diese Verpflichtungen bestehen bevor ein Unternehmen selbst die Einzah‐ lungen aus den Umsatzerlösen aus dem Verkauf der Betriebsleistungen erzielt. 2 espresso-Wissen | Der Kapitalbedarf entsteht durch die zeitliche Divergenz zwischen den Auszahlungen und den Einzahlungen einer Planungsperiode. Im Kapitalbedarfsplan werden die erforderlichen geplanten Betriebsmittel für eine Planungsperiode aufgeführt. Grundlage für die Aufstellung des Kapitalbedarfsplans bilden die betrieb‐ lichen Teilpläne der Bereiche Beschaffung, Produktion und Absatz. Der Kapitalbedarfsplan bildet das Kernelement der Finanzplanung, da Investi‐ tionen Kapital auf längere Zeit binden und in der Regel nicht ohne Verluste rückgängig gemacht werden können. Der gesamte Kapitalbedarf setzt sich aus dem Kapitalbedarf für das Anla‐ gevermögen und dem für das Umlaufvermögen zusammen. Des Weiteren sind bei der Ermittlung des Kapitalbedarfs einer Periode die kapitalent‐ ziehenden Maßnahmen der Periode zu berücksichtigen. Hierzu gehören <?page no="25"?> Zins- und Dividendenzahlungen für das der Unternehmung zur Verfügung gestellte Fremd- und Eigenkapital, die Rückzahlung von Eigenkapital und die Tilgung von Fremdkapital sowie Verluste, die aus dem betrieblichen Umsatzprozess oder aus der Veräußerung von Sach- oder Finanzanlagen resultieren. espresso-Verständnis | Der Kapitalbedarf sollte einen finanziellen Puffer für unvorhersehbare Ereignisse (z.-B. Zahlungsprobleme eines Kunden) berücksichtigen, damit Liquiditätsengpässe vermieden wer‐ den können. Der langfristige Finanzplan eines Unternehmens beinhaltet den Kapital‐ bedarfsplan und den Kapitaldeckungsplan. I. Dauerhafter Kapitalbedarf der Planperiode - a) Kapitalbindende Maßnahmen - - Investitionen in das Anlagevermögen (entsprechend Investitionsplan, z.-B. Sachanlagen, immaterielle Vermögenswerte und langfristige Fi‐ nanzanlagen) - - Erhöhung des Umlaufvermögens (z. B. Vorräte oder Forderungen aLuL) - - Erhöhung der Liquiditätsreserven - b) Kapitalentziehende Maßnahmen - - Verringerung des Eigenkapitals - - Rückzahlungen von aufgenommenen Krediten - - Zahlung von Dividenden und Zinsen für Eigen- und Fremdkapital - - Verluste aus dem betrieblichen Umsatzprozess - - Verluste aus der Veräußerung von Sach- und Finanzanlagen Summe I: Kapitalbedarf der Planperiode 24 2 Ermittlung des Kapitalbedarfs <?page no="26"?> 3 Vgl. Perridon, L., Steiner, M., Rathgeber, A. (2022), Finanzwirtschaft der Unternehmung, S.-768. II. Finanzierungsquellen der Planperioden - a) ordentlicher Umsatzüberschuss und sonstige Einzahlungen (z.-B. aus der Veräußerung von Vermögensteilen) - b) Eigenkapitalzuführung - c) Fremdkapitalaufnahme Summe II: Kapitalbedarfsdeckung Tab. 2: Kapitalbedarfs- und Kapitaldeckungsplan 3 Damit die Kapitalbedarfsplanung mit der nötigen Sorgfalt erstellt werden kann und die Herkunft der erforderlichen Mittel gut nachvollziehbar ist, sollte sie sinnvollerweise in mehrere Teilpläne unterteilt werden. Dazu gehören z. B. bei Existenzgründungen die Kapitalbedarfspläne vor der Gründung, für die betriebliche Anlaufphase, für die Sicherung des Lebens‐ unterhalts des/ der Gründer sowie ein Plan für den Anlage- und Umlaufka‐ pitalbedarf. Der Kapitalbedarf eines Unternehmens wird durch die Höhe der jewei‐ ligen geplanten Einzahlungen (E t ) und geplanten Auszahlungen (A t ) und durch das zeitliche Auseinanderfallen dieser Zahlungsströme, die Kapital‐ bindungsdauer, determiniert. Da diese Werte Zukunftswerte und somit auch mit Unsicherheit behaftet sind, wird ein Zahlungsmittelbestand als eine Sicherheitsreserve in der Unternehmung gehalten. Der Kapitalbedarf kann wie folgt ermittelt werden: kumulierte Auszahlungen (A t ) kumulierte Einzahlungen (E t ) - Zahlungsmittelbestand (Z 0 ) = Kapitalbedarf In die Ermittlung des Finanzierungs-/ Kapitalbedarfs fließen ein: • einmalige bzw. unregelmäßige Faktoren, z. B. für die Unternehmens‐ gründung oder den Rechtsformwechsel, • Investitionen, • periodisch wiederkehrende Faktoren, z.-B. saisonale Leistungen, und 2 Ermittlung des Kapitalbedarfs 25 <?page no="27"?> • laufende Komponenten, z. B. Materialeinkauf, Löhne und Gehälter, Versicherungsbeiträge, Miete und Leasingraten etc. • Bedienung der Fremd- und Eigenkapitalgeber, z. B. Zinszahlungen, Kredittilgungen, Gewinnausschüttungen, Dividenden und • Steuerzahlungen. 2.1 Ermittlung des Gründungskapitalbedarfs In der Gründungsphase eines Unternehmens ist die Kapitalbedarfsrechnung besonders wichtig, vor allem wenn der Bedarf an „Startkapital“ berechnet werden muss, um die Gespräche mit den Banken zu führen. Eine Kapi‐ talbedarfsermittlung für Existenzgründer könnte beispielsweise folgende Ausgaben haben: Beispiel für die Kapitalbedarfsermittlung für die Existenzgründung - - Gründungskosten - - Beratungs- und Rechtsanwaltskosten - - Anmeldungen, Genehmigungen und Gebühren - - Eintragung ins Handelsregister, Notar - - Homepage, Design (LOGO, Geschäftsunterlagen etc.), - - Gerichts- und Notarkosten - - ….. - - Summe Gründungskosten - - - - - Investitionen zur Herstellung der Leistungsbereitschaft - - Grundstück und Gebäude - - Maschinen und Produktionsanlagen - - Betriebs- und Geschäftsausstattung - - IT und Software - - Reserve für Folgeinvestitionen und Unvorhergesehenes - 26 2 Ermittlung des Kapitalbedarfs <?page no="28"?> … - Summe Investitionen - - - - - Betriebsausgaben in der Gründungsphase - - Erstausstattung mit Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffen - - Dienstleistungen in der Gründungsphase - - Personalausgaben in der Gründungsphase - - Marktanalysen, Marketing, Werbung - - Patent- und Lizenzgebühren - - Reserven für außergewöhnliche Belastungen in der Gründungs‐ phase - - … - - Summe Betriebskosten in der Gründungsphase - - - - - Kosten der Finanzierung - - Finanzierung der Forderungen für einen Monat - - Kapitaldienst (Zinsen und Tilgungen) - - … - - Summe Finanzierung - - - - - Summe Kapitalbedarf - Tab. 3: Kapitalbedarfsermittlung in der Gründungsphase Beispiel: Ermittlung des Kapitalbedarfs in der Gründungsphase Bei der Gründung der IMTB GmbH wurde der folgende Kapitalbedarf ermittelt: 2.1 Ermittlung des Gründungskapitalbedarfs 27 <?page no="29"?> Maschinen 120.000-€ + Betriebs- und Geschäftsausstattung +100.000-€ + Fuhrpark + 60.000-€ + Software + 40.000-€ + Sonstiges Anlagevermögen + 30.000-€ = Kapitalbedarf für das Anlagevermögen = 350.000-€ Des Weiteren sind Gerichts- und Notariatskosten, Maklergebühren und Ausgaben für die Ingangsetzung des Geschäftsbetriebes - wie Aufwendun‐ gen für die Beschaffung von Personal, Aufwendungen für Marktanalysen, Werbung etc. - zu berücksichtigen. 2.2 Ermittlung des Kapitalbedarfs für das Anlagevermögen espresso-Verständnis | Der Kapitalbedarf für das Anlagevermögen stellt die Summe der Wertgrößen aller Güter dar, die für die Herstellung der Betriebsbereitschaft und deren Sicherung erforderlich sind. Als Wertgröße für die Anlagegüter sind die jeweiligen Anschaffungs- oder Herstellungskosten anzusetzen. Für jeden Posten des Sachanlagevermögens (Gebäude, Grundstücke, Maschinen, Fuhrpark, Betriebs- und Geschäftsaus‐ stattung) sind die Anschaffungskosten zu ermitteln. Dazu gehören folgende Positionen: - Listenpreis laut Angebot des Lieferanten - Anschaffungspreisminderungen, wie Rabatte, Skonti und Boni + Anschaffungsnebenkosten (z. B. Transportkosten, Transportversicherungen, Zölle und andere Einfuhr‐ kosten, Gutachter- und Beratungskosten, Umbau-, Montage-, Prüf- und Inbetriebnahmekosten, ggfs. bei Grundstücken und Gebäuden Notar- und Gerichtskosten) = voraussichtliche Anschaffungskosten 28 2 Ermittlung des Kapitalbedarfs <?page no="30"?> Beispiel: Ermittlung der Anschaffungskosten für eine Investi‐ tion Ein Produktionsunternehmen plant den Bau einer Transportanlage zwischen zwei Montagehallen. Es stehen die folgenden Informationen zur Verfügung: Listenpreis des günstigsten Anbieters 1.200.000 €, der Lieferant gewährt 5 % Rabatt; bei Zahlung innerhalb von 8 Tagen 3 % Skonto; die Transportkosten sollen inklusiv der Transortversicherung betragen 6.200 €; die Montagekosten belaufen sich auf 18.000 €; für die Umbauarbeiten durch ein Bauunternehmen fallen 20.000 € an; die Begutachtung durch ein Ingenieurbüro beträgt 5.000-€. Ermittlung der Anschaffungskosten für das Transportsystems: - Listenpreis 1.200.000-€ - 5-% Rabatt --60.000-€ = Zieleinkaufspreis = 1.140.000-€ - 3-% Skonto --34.200-€ = Bareinkaufspreis = 1.105.800-€ + Transportkosten + 6.200-€ + Montagekosten + 18.000-€ + Umbauarbeiten Bauunternehmen + 20.000-€ + Gutachten Ingenieurbüro + 5.000-€ = Anschaffungskosten = 1.155.000-€ Die Anschaffungskosten für das Transportsystem betragen 1.155.000 €. 2.2 Ermittlung des Kapitalbedarfs für das Anlagevermögen 29 <?page no="31"?> 2.3 Ermittlung des Kapitalbedarfs für das Umlaufvermögen espresso-Verständnis | Während der Kapitalbedarf für das Anlagever‐ mögen sich durch die langfristige Bindung der Mittel auszeichnet, berech‐ net sich der Kapitalbedarf für die Finanzierung des Umlaufvermögens durch die Multiplikation der finanziellen Mittel, die im Durchschnitt zur Deckung der arbeitstäglich anfallenden laufenden Ausgaben benötigt werden, mit den (jeweiligen) durchschnittlichen Kapitalbindungsfristen. Die folgende Abbildung zeigt die Ermittlung des Kapitalbedarfs für das Umlaufvermögen: Abb. 10: Kapitalbindung im Umlaufvermögen Beispiel: Ermittlung des Kapitalbedarfs für das Umlaufvermö‐ gen nach der kumulativen Methode Es liegen für die Kapitalbedarfsermittlung des Umlaufvermögens von einem Produktionsunternehmen folgende Daten vor: 30 2 Ermittlung des Kapitalbedarfs <?page no="32"?> • Für die Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe fallen täglich Auszahlungen in Höhe von 8.000-€ an. • Für Löhne und Gehälter entstehen täglich Auszahlungen in Höhe von 12.000-€. • Für den Gemeinkosteneinsatz entstehen täglich Auszahlungen in Höhe von 2.000-€. Die Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe lagern 30 Tage, die Fertigerzeugnisse 10-Tage. Der Fertigungsprozess dauert 20-Tage. Für die Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe wird von den Lieferanten ein Zahlungsziel von 20 Tagen eingeräumt und die Kunden bezahlen die Fertigerzeugnisse nach 40-Tagen. Es wird die gesamte (höchstmögliche) Kapitalbindungsdauer ermittelt. 1. Ermittlung des Werteinsatzes Roh-, Hilfsstoff- und Betriebsstoffeinsatz 8.000 €/ Tag + Lohn- und Gehaltseinsatz + 12.000 €/ Tag + Gemeinkosteneinsatz + 2.000 €/ Tag = Summe = 22.000 €/ Tag 2. Ermittlung der Bindungsdauer Roh-, Hilfsstoff- und Betriebsstofflagerung 30-Tage + Fertigungsdauer + 20-Tage + Lagerung der Fertigungserzeugnisse + 10-Tage + Kundenziel + 40-Tage - Lieferantenziel - 20-Tage = Summe = 80-Tage 3. Ermittlung des Umlaufkapitalbedarfs nach der kumulativen Methode: Umlaufkapitalbedarf = 22.000 €/ Tag x 80-Tage = 1.760.000 € Bei der kumulativen Methode beziehen sich alle Auszahlungen auf den Zeitpunkt der Materialbeschaffung, d. h. auf den Beginn des Leistungs‐ prozesses. Diese Vorgehensweise führt zu einem überhöhten Umlaufkapi‐ 2.3 Ermittlung des Kapitalbedarfs für das Umlaufvermögen 31 <?page no="33"?> talbedarf, da die Auszahlungen in den einzelnen Bereichen der Leistungs‐ erstellung erst nach und nach und in unterschiedlicher Höhe anfallen. Beispiel Berechnung des Umlaufkapitalbedarfs nach der elekt‐ iven Methode: Es sind folgende Daten bekannt: • Lagerdauer der Materialien = 30 Tage • Lieferantenziel: 20 Tage • Produktionsdauer = 6 Tage • Lagerdauer der Fertigerzeugnisse = 8 Tage • Kundenziel = 20 Tage Das Unternehmen plant mit einem Nettoumsatz von durchschnittlich täglich 40.000 €. Der Materialeinsatz daran beträgt 40 % der Lohnanteil 25-%. Die auszahlungswirksamen Gemeinkosten betragen pro Tag: • Materialbereich = 1.000-€/ Tag • Fertigungsbereich = 2.000-€/ Tag • Verwaltung = 1.200 €/ Tag • Vertrieb = 1.600-€/ Tag Die Berechnung berücksichtigt die durchschnittlichen täglichen Aus‐ zahlungen der jeweiligen Kostenarten und multipliziert diese mit der Kapitalbindungsdauer in Tagen. Kostenarten durchschnittlich tägli‐ che Auszahlungen Kapitalbindungs‐ dauer in Tagen Kapital‐ bedarf Materialeinsatz (40 % von 40.000 €) 16.000-€ 44 Tage (30 - 20 + 6 +8 + 20) 704.000-€ Fertigungslöhne (25 % von 40.000 €) 10.000-€ 34 Tage (6 + 8 + 20) 34.000-€ GK-Material 1.000-€ 44 Tage 44.000-€ GF-Fertigung 2.000-€ 34 Tage 68.000-€ GK-Verwaltung 1.200 € 64 Tage 76.800 € GK-Vertrieb 1.600-€ 20 Tage 32.000-€ gesamter Kapitalbedarf des Umlaufvermögens 958.800-€ 32 2 Ermittlung des Kapitalbedarfs <?page no="34"?> 3 Systematisierung der Finanzierung espresso-Wissenscheck | https: / / narr.kwaest.io/ s/ 1270 espresso-Keywords | Eigenfinanzierung, Fremdfinanzierung, Außenfi‐ nanzierung, Innenfinanzierung, Haftung, Beteiligungsfinanzierung, Kreditfinanzierung, Kreditfähigkeit, Kreditwürdigkeit, Kreditsicherung Was erwartet mich in diesem Kapitel? Die verschiedenen Finanzie‐ rungsarten können nach der Rechtsstellung der Kapitalgeber in Eigen- und Fremdfinanzierung, nach der Kapitalherkunft in Außen- und Innenfinanzierung und nach der Fristigkeit (Dauer der Finanzierung) unterschieden werden. Unterscheidung der Finanzierungsarten nach Beurteilungskriterien - Rechtsstellung des Kapitalgebers In welcher rechtlichen Be‐ ziehung stehen die Kapital‐ geber zum Unternehmen? • Eigenfinanzierung • Fremdfinanzierung • Mezzanine-Finanzie‐ rung Kapitalherkunft Wurde das Kapital von au‐ ßen zugeführt oder inner‐ halb des Unternehmens ge‐ bildet? • Außenfinanzierung • Innenfinanzierung Finanzierungs‐ dauer Wie lange steht das Kapital dem Unternehmen zur Ver‐ fügung? • kurzfr. Finanzierung • mittelfr. Finanzierung • langfr. Finanzierung Zweck Welchem Zweck dient die Fi‐ nanzierung? • Erst-, Gründungsfinan‐ zierung • Erweiterungsfinanzie‐ rung • Zwischenbzw. Umfi‐ nanzierung • laufende, revolvierende Finanzierung Tab. 4: Systematisierung der Finanzierungsformen <?page no="35"?> Bei der Dauer der Finanzierung unterscheidet man zwischen der: • kurzfristigen Finanzierung (Laufzeit bis zu einem Jahr), • mittelfristigen Finanzierung (Laufzeit ein bis fünf Jahre) und • langfristigen Finanzierung (Laufzeit über fünf Jahre). espresso-Verständnis | Die Eigenfinanzierung kann entweder durch Einlagen der Gesellschafter (Beteiligungsfinanzierung) oder durch die Einbehaltung von Gewinnen aus dem Umsatzprozess (Selbstfinanzierung im engeren Sinne) erfolgen. Bei der Fremdfinan‐ zierung wird das Fremdkapital von Gläubigern bereitgestellt und begründet eine Rückzahlungsverpflichtung für das Unternehmen. Die Fremdfinanzierung kann beispielsweise durch die Aufnahme von Krediten oder durch die Bildung von Rückstellungen erfolgen. Eine Mischform aus Eigen- und Fremdkapitalfinanzierung ist die Mezza‐ nine-Finanzierung. Das Mezzanine-Kapital ist nachrangig gegenüber den Fremdkapitalgeber, aber vorrangig gegenüber den Eigenkapitalgebern. Die folgende Tabelle grenzt die Finanzierungsformen nach der Rechts‐ stellung der Kapitalgeber anhand relevanter Kriterien ab. Unterschiede zwischen Eigen-, Fremd- und Mezzanine-Kapital Kriterien Eigenkapital Mezzanine- Kapital Fremdkapital Finanzie‐ rungsart Beteiligungs‐ finanzierung Hybrid-Kapital, d.-h. Mischung aus Eigen- und Fremdkapital Kreditfinanzierung Rechtsver‐ hältnis Beteiligungsver‐ hältnis es dominiert der Fremdkapitalcha‐ rakter Schuldverhältnis Beispiel für Kapitalgeber Stammaktionär, GmbH-Gesell‐ schafter Genussscheininhaber, Stiller Gesellschafter Kreditgeber (Bank), Leasinggesellschaft Haftung für Verluste (Mit-)Eigentümer‐ stellung, mindes‐ tens in Höhe der Einlage Rangrücktritt gegenüber erstrangigem Fremdkapital Gläubigerstellung, keine Haftung 34 3 Systematisierung der Finanzierung <?page no="36"?> Unterschiede zwischen Eigen-, Fremd- und Mezzanine-Kapital Kriterien Eigenkapital Mezzanine- Kapital Fremdkapital Ertragsan‐ teil volle Teilhabe an Gewinn und Ver‐ lust (variable Ver‐ gütung), Teil‐ nahme am Wertzuwachs des Unternehmens‐ werts feste und/ oder er‐ folgsabhängige Ver‐ zinsungsanteile i. d. R. fester Ver‐ zinsungsanspruch, kein Anteil an Ge‐ winn oder Verlust und keine Teilhabe am Wertzuwachs des Unternehmens‐ werts Verfügbar‐ keit i. d. R. unbefristet befristet i. d. R. befristet Vermögens‐ anspruch Quotenanspruch bei Unterneh‐ mensverkauf, wenn Liquidati‐ onserlös größer als Schulden optionale Beteiligung an Wertsteigerung Rückzahlungsan‐ spruch in Höhe der Gläubigerforderung Unterneh‐ mensleitung i. d. R. volle Infor‐ mations-, Kon‐ troll- und Stimm‐ rechte Informations- und Kontrollrechte mög‐ lich grundsätzlich aus‐ geschlossen, aber teilweise faktisch möglich, keine Lei‐ tungsrechte, wenig Informations-, Kon‐ troll- und Mitwir‐ kungsrechte steuerliche Behandlung Gewinn voll belas‐ tet durch ESt, KSt, GewSt (variiert nach Rechtsform) Zinsen als Aufwand steuerlich absetzbar (Einschränkung bei der Gewerbesteuer) Zinsen als Aufwand steuerlich absetzbar (Einschränkung bei der Gewerbesteuer) finanzielle Kapazität begrenzt durch das private Vermögen und die Bereit‐ schaft der Kapital‐ geber orientiert sich pri‐ mär an zukünftig erwarteten Zahlungs‐ überschüssen (Cashf‐ lows) abhängig vom Ra‐ ting, d. h. der Bonität und dem Vorliegen von Kreditsicherheiten Tab. 5: Vergleich von Eigenkapital, Fremdkapital und Mezzaninen-Kapital aus Sicht des kapitalnachfragenden Unternehmens Die Finanzierungsformen können aber auch nach dem Kriterium der Mit‐ telherkunft in Außen- und Innenfinanzierung unterschieden werden. 3 Systematisierung der Finanzierung 35 <?page no="37"?> 4 Vgl. Wöltje, J. (2022), Investition und Finanzierung, S.-275. espresso-Verständnis | Die Beschaffung von finanziellen Mitteln aus unternehmensexternen Quellen bezeichnet man als Außenfinanzie‐ rung. Dies kann beispielsweise mittels Eigenkapital durch Einlagen von Gesellschaftern oder in Form von Fremdkapital durch die Bereitstellung von Krediten geschehen. Bei der Innenfinanzierung wird das Kapital vom Unternehmen selbst erwirtschaftet. Zur Innenfinanzierung gehört die Finanzierung aus einbehaltenen Gewinnen, aus Abschreibungsge‐ genwerten, aus Rückstellungen und aus Vermögensumschichtungen. Die folgende Abbildung verdeutlicht die Zusammenhänge zwischen der Unterteilung in Eigen- und Fremdfinanzierung sowie in Außen- und Innen‐ finanzierung. Abb. 11: Zusammenhänge der Finanzierung 4 36 3 Systematisierung der Finanzierung <?page no="38"?> 3.1 Eigen- und Fremdfinanzierung Nach der Rechtsstellung der Kapitalgeber und deren Haftung kann zwischen der Eigenfinanzierung und Fremdfinanzierung unterschieden werden. Beide Finanzierungsformen treten sowohl bei der Außenals auch bei der Innen‐ finanzierung auf. espresso-Wissen | Unter Eigenfinanzierung versteht man die Bereit‐ stellung von Eigenkapital bzw. die Erhöhung des Eigenkapitals von den Gesellschaftern eines Unternehmens. Die Eigenfinanzierung kann entweder durch Einlagen der Gesellschafter (Beteiligungsfinanzierung) oder durch die Einbehaltung von Gewinnen aus dem Umsatzprozess (Selbstfinanzierung) erfolgen. espresso-Wissen | Bei der Fremdfinanzierung wird das Fremdkapital von Gläubigern bereitgestellt und begründet eine Rückzahlungsver‐ pflichtung für das Unternehmen. Eine Fremdfinanzierung kann beispielsweise durch Kredite oder aus Rück‐ stellungen erfolgen. Die folgende Tabelle vergleicht aus Sicht des kapitalnachfragenden Un‐ ternehmens das Eigenkapital und Fremdkapital anhand relevanter Kriterien. Kriterium Eigenkapital (EK) Fremdkapital (FK) Rechtsgrundlage gesellschaftsrechtlicher Vertrag schuldrechtlicher Vertrag Finanzierungsart Beteiligungsfinanzierung Kreditfinanzierung Rechtstellung Eigentümer/ Gesellschafter Gläubiger Haftung für Verluste des Unternehmens Haftung mindestens in Höhe der Einlage keine Haftung Partizipation an der Unternehmensleitung Recht zur Geschäftsfüh‐ rung kein Recht zur Geschäfts‐ führung zeitliche Verfügbarkeit i. d. R. zeitlich unbefristet zeitlich befristet 3.1 Eigen- und Fremdfinanzierung 37 <?page no="39"?> 5 Pape, U. (2023), Grundlagen der Finanzierung und Investition, S. 41; und Wöltje, J. (2022), Investition und Finanzierung, S.-281. Kriterium Eigenkapital (EK) Fremdkapital (FK) Beteiligung am Unter‐ nehmenserfolg unbegrenzte Beteiligung an Gewinn bzw. Verlust fester Zinsanspruch, keine Gewinnbeteiligung steuerliche Behand‐ lung Belastung des Gewinns mit Ertragsteuern Zinsen als Aufwand steuer‐ lich absetzbar Finanzierungsvolu‐ men durch die private Vermö‐ genslage der Inhaber/ Ge‐ sellschafter beschränkt Unbeschränkt, abhängig von der Ertragssituation und von Sicherheiten Belastung der Liquidi‐ tät nur bei Gewinnausschüt‐ tung gewinnunabhängige (feste) Zinszahlungen Tab. 6: Vergleich Eigen- und Fremdkapital aus Sicht des kapitalnachfragenden Unterneh‐ mens 5 3.2 Innen- und Außenfinanzierung espresso-Wissen | Eine Innenfinanzierung kann durch Eigenkapital z. B. in Form einer Selbstfinanzierung aus einbehaltenen Gewinnen oder als Fremdkapital durch Bildung von Rückstellungen erfolgen. Bei der Außenfinanzierung werden die finanziellen Mittel aus unterneh‐ mensexternen Quellen zugeführt. Dies kann in Form von Eigenkapi‐ tal (Kapitaleinlagen; Eigenfinanzierung von außen) oder in Form von Fremdkapital (z.-B. Kreditfinanzierung von außen) erfolgen. Die folgende Abbildung zeigt die Formen der Außen- und der Innenfinan‐ zierung: 38 3 Systematisierung der Finanzierung <?page no="40"?> Abb. 12: Formen der Außen- und Innenfinanzierung Quellen der Außenfinanzierung Bei der Außenfinanzierung werden finanzielle Mittel aus unternehmensex‐ ternen Quellen zugeführt. Das bedeutet es fließt Geld von außen in das Unternehmen, welches nicht aus den Umsatzerlösen des Unternehmens erwirtschaftet wurde. Dabei kann es sich um Fremdkapital von Gläubigern, z. B. Kreditfinanzierung oder um Eigenkapital, man spricht von Einlagen- oder Beteiligungsfinanzierung, handeln. Die folgende Tabelle vermittelt einen Überblick über die möglichen Arten der Außenfinanzierung. 3.2 Innen- und Außenfinanzierung 39 <?page no="41"?> Außenfinanzierung Beteiligungsfinanzierung Mezzanine- Finanzierung Kreditfinanzierung Subventionsfinanzie‐ rung Kreditsubstitute kurzfristig langfristig ‐ Gesellschafter‐ einlagen ‐ Kapitalbeteili‐ gungsgesell‐ schaften ‐ Emission von Aktien ‐ Mitarbeiterbeteiligung ‐ Venture Capital ‐ Gesellschafterdarlehen ‐ Nachrang‐ darlehen ‐ Genussrechte W ‐ andel‐ anleihen ‐ Options‐ anleihen ‐ Stille Beteiligungen ‐ Kontokor‐ rentkredit ‐ kurzfristige Darlehen ‐ Diskontkredit ‐ Commercial Papers ‐ Lombardkredit ‐ Akzeptkredit A ‐ valkredit ‐ Lieferanten‐ kredit ‐ Kundenan‐ zahlungen ‐ langfristige Darlehen ‐ Schuld‐ scheindar‐ lehen ‐ Anleihe ‐ konzern‐ interne langfristige Kredite ‐ Investitionszulagen ‐ Zinszu‐ schüsse ‐ Förder‐ mittel ‐ Spenden ‐ Leasing ‐ Factoring ‐ Forfaitie‐ rung ‐ Asset Backed Securities (ABS) ‐ Crowd‐ funding Tab. 7: Formen der Außenfinanzierung Sowohl die Finanzierung mit Fremdkapital als auch mit Eigenkapital implizie‐ ren Vor- und Nachteile aus Sicht des kapitalnachfragenden Unternehmens. Vorteile der Fremdkapitalfinanzierung: • Für die Gläubigern gibt es grundsätzlich keine Mitsprache- und Kon‐ trollrechte. • Die Fremdkapitalgeber haben keinen unmittelbaren Einfluss auf die Unternehmensstrategie. • Die Fremdkapitalzinsen sind als Aufwendungen vom steuerlichen Un‐ ternehmensergebnis abzugsfähig. Nachteile der Fremdkapitalfinanzierung: • Wenn Eigenkapitalquote sinkt, kann sich dies negativ auf die Fremdka‐ pitalkonditionen auswirken. • Bei einem hohen Verschuldungsgrad nehmen die Zins- und Tilgungs‐ verpflichtungen zu. • Das Insolvenzrisiko steigt bei einer hohen Fremdkapitalquote in Krisen‐ situationen, wenn die fälligen Zahlungen der Fremdfinanzierung nicht mehr geleistet werden können. 40 3 Systematisierung der Finanzierung <?page no="42"?> 6 Vgl. Pape, U. (2023), Grundlagen der Finanzierung und Investition, S.-160. Vorteile der Eigenkapitalfinanzierung: • Das Eigenkapital wird dem Unternehmen in der Regel langfristig über‐ lassen. • Es bestehen keine Tilgungs- und Rückzahlungsverpflichtungen. • Den Eigenkapitalgebern werden Mitbestimmungs- und Kontrollrechte eingeräumt. • In wirtschaftlich schlechten Zeiten kann ein Unternehmen die Aus‐ schüttung von Gewinnen an die Anteilseigner unterlassen. Nachteil der Eigenkapitalfinanzierung: • Fehlende Abzugsfähigkeit für die auszuschüttenden Gewinne. Beim Fremdkapital kann ein Unternehmen seinen zu versteuernden Gewinn um die Zinslast reduzieren und somit die Steuerlast mindern. Kreditfinanzierung Im Allgemeinen geht es bei der Kreditfinanzierung um die Beschaffung von Fremdkapital (FK) von außen. Charakteristisch für eine Kreditfinanzierung sind: 6 • Kreditgeber haben grundsätzlich keine unmittelbaren Mitsprache- und Kontrollrechte bei der Geschäftsführung des Kreditnehmers. • Die Überlassung des Fremdkapitals ist zeitlich befristet. Zu vertraglich vereinbarten Zeitpunkten haben die Fremdkapitalgeber einen Anspruch auf die Zinszahlungen und die Rückzahlung des nominalen Kreditbe‐ trags. • Die Kreditgeber erhalten für die Überlassung des Fremdkapitals eine laufende Verzinsung entweder zu einem festen oder variablen Zinssatz. • Fremdkapitalzinsen sind als Betriebsausgaben bei der steuerlichen Ge‐ winnermittlung des Kreditnehmers abzugsfähig. • Die regelmäßigen Zins- und Tilgungszahlungen führen beim Kreditneh‐ mer zu einer Liquiditätsbelastung. 3.2 Innen- und Außenfinanzierung 41 <?page no="43"?> Kreditfähigkeit und -würdigkeit espresso-Wissen | Die Kreditfähigkeit ist die rechtliche Fähigkeit einer Person oder eines Unternehmens, als Kreditnehmer auftreten zu können, d. h. einen Kreditvertrag rechtswirksam abschließen zu können. Kreditgeber möchten das mit der Kreditvergabe verbundene Risiko durch entsprechende Maßnahmen begrenzen. Vor einer Kreditvergabe überprüft der Fremdkapitalgeber die Kreditwürdigkeit des Kreditnehmers. Die Kreditwürdigkeits-/ Bonitätsprüfung umfasst mindestens die • rechtliche Kreditfähigkeit des Schuldners, • persönliche Kreditwürdigkeit (Vertrauen), • wirtschaftliche Kreditwürdigkeit (z. B. Jahresabschlussanalyse, ak‐ tueller Kreditstatus, Betriebswirtschaftliche Auswertung (BWA), Fi‐ nanz-/ Businessplan, Kreditsicherheiten etc.) und Kapitaldienstfähigkeit. • Prüfung und Beurteilung der Kreditwürdigkeit (Bonität) des Kredit‐ nehmers auf Basis finanzwirtschaftlicher Informationen (z. B. Jahresab‐ schlussanalyse), • Stellung von Kreditsicherheiten zur Absicherung von Kreditrisiken wie z.-B.: Bürgschaft, Sicherungsabtretung (Zession) oder Grundpfandrechte. Kreditsicherheiten espresso-Verständnis | Die Kreditsicherung beinhaltet die Absiche‐ rung des Kreditgebers sich nach Möglichkeit für den Fall abzusichern, dass das Unternehmen irgendwann nicht mehr in der Lage ist, seine Zinsen zu zahlen oder seinen Kredit zu tilgen. Aus diesem Grund fordern Kreditgeber i. d. R. bestimmte Sicherheiten. Durch Zusatzvereinbarungen zum Kreditvertrag erhält der Kreditgeber einen zusätzlichen Anspruch gegenüber dritten Personen (= Personalsi‐ cherheiten) oder auf die Verwertung von Sachen und Rechten (= Realsi‐ cherheiten) für den Fall, das der Kreditnehmer seine Zahlungen aus dem Kreditvertrag nicht vertragsgemäß erfüllt. Hierbei handelt es sich zum einen um die Art der vom Schuldner gestellten Sicherheit: 42 3 Systematisierung der Finanzierung <?page no="44"?> • Personalsicherheiten können auch als schuldrechtliche Kreditsicherhei‐ ten bezeichnet werden. Sie veranlassen, dass eine dritte Person die Haftung im Ernstfall mittragen wird. Beispiele hierfür sind die Bürgschaften, Schuld‐ beitritt, Garantien, Patronatserklärungen und Kreditauftrag. • Realsicherheiten werden auch als sachenrechtliche Kreditsicherhei‐ ten bezeichnet. Sie vermachen dem Kreditgeber als Sicherheit die Rechte an Vermögenswerten. Beispiele sind Eigentumsvorbehalt, Sicherungs‐ übereignung, Sicherungszession, bewegliche Pfandrechte und Grund‐ pfandrechte sowie gegebenenfalls Aufnahme vertraglicher Zusatzvereinbarungen (Covenants) in den Kreditvertrag, d. h. dem Kreditnehmer werden bestimmte Restriktio‐ nen (z.-B. Verschuldungsobergrenze) auferlegt. Des Weiteren können Kreditsicherheiten nach der Verbindung zwischen der Forderung und den hinterlegten Sicherheiten unterschieden werden: • Akzessorische Sicherheiten: Hier sind Kredit und Sicherheit unmit‐ telbar miteinander verbunden. Das bedeutet, dass eine Sicherheit nur so lange, wie die gesicherte Forderung besteht. Hierzu zählen die Bürgschaft, das Pfandrecht an beweglichen Sachen und die Hypothek. • Fiduziarische (abstrakte) Sicherheiten sind unabhängig von einer For‐ derung aus dem Kreditvertrag beanspruchbar, d. h. Forderung und Sicher‐ heit sind unabhängig voneinander. Wichtig ist die Trennung zwischen Innen- und Außenverhältnis. Nach außen hin ist der Sicherungsnehmer Inhaber der Sicherheit und kann unabhängig vom Sicherungszweck von der Sicherheit Gebrauch machen. Nach innen hin verpflichtet sich der Sicherungsnehmer gegenüber dem Sicherungsgeber, die Sicherheit nur im Rahmen des vereinbarten Sicherungszwecks zu beanspruchen. Beispiele hierfür sind die Sicherungsübereignung, die Sicherungszession (Sicherungsabtretung), die Garantie und die Grundschuld. Beteiligungsfinanzierung espresso-Wissen | Bei der Beteiligungsfinanzierung (Einlagenfinan‐ zierung) handelt es sich um eine Außenfinanzierung mit Eigenkapital. Die Eigenkapitalgeber stellen einem Unternehmen finanzielle Mittel von außen und damit unabhängig vom Umsatzprozess zur Verfügung. 3.2 Innen- und Außenfinanzierung 43 <?page no="46"?> 4 Formen der Kreditfinanzierung espresso-Wissenscheck | https: / / narr.kwaest.io/ s/ 1271 espresso-Keywords | Handelskredite, Lieferantenkredit, Kundenan‐ zahlung, Bankkredit, Kontokorrentkredit, Lombardkredit, Diskontkre‐ dit, Akzeptkredit, Avalkredit, Annuitätendarlehen, Ratendarlehen, end‐ fälliges Darlehen, Disagio, Anleihen, Schuldverschreibungen, Dividende, Effektivzinsberechnung Was erwartet mich in diesem Kapitel? Die Kreditfinanzierung stellt eine bedeutende Form der Außenfinanzierung dar. Bei der Kreditfinan‐ zierung wird dem Kreditnehmer das Fremdkapital für einen begrenzten Zeitraum zur Verfügung gestellt. Wofür benötige ich das Wissen? Für die Überlassung des Fremdkapi‐ tals hat der Kreditgeber einen vertraglichen Anspruch auf Rückzahlung des nominalen Kreditbetrags und Anspruch auf eine laufende Verzin‐ sung zu einem variablen oder festen Zinssatz. Die verschiedenen Fi‐ nanzierungsformen sollten anhand des Effektivzinssatzes miteinander verglichen werden können, damit man den kostengünstigsten Kredit auswählen kann. 4.1 Kurzfristige Kreditfinanzierung Am anschaulichsten ist es, Kredite hinsichtlich ihrer Laufzeit einzuteilen und zwischen kurz-, mittel- und langfristiger Kreditfinanzierung zu unter‐ scheiden. Kurzfristige Kredite haben eine Laufzeit von unter einem Jahr, während mittelfristige Kredite eine Laufzeit von ein bis maximal fünf Jahren haben. Die häufigste Kreditform stellen die kurzfristigen Kredite dar, zu denen z. B. die Lieferantenkredite oder der Kontokorrentkredit (entspricht der Überziehung des Girokontos bei Privatpersonen) gehören. Bei den kurzfris‐ tigen Krediten (Laufzeit bis zu 12 Monaten) unterscheidet man zwischen Handels- und Geldkrediten sowie Kreditleihen. Die drei Grundformen zeigt die folgende Abbildung. <?page no="47"?> 7 Bieg, H., Kußmaul, H. u. Waschbusch, G. (2023), Finanzierung, S.-258 f. 8 Bieg, H., Kußmaul, H. u. Waschbusch, G. (2023), Finanzierung, S.-257 f. Abb. 13: Kurzfristige Kreditfinanzierungen Handelskredite Handels- oder auch Warenkredite entstehen durch das zeitliche Auseinan‐ derfallen von Absatz und Bezahlung einer betrieblichen Leistung wie z.B.: • Kundenanzahlung: Der Kunde stellt seinem Lieferanten einen Kredit zur Verfügung. Dabei wird der Kaufpreis ganz oder teilweise vor der Lieferung bezahlt, sodass der Käufer als Kreditgeber und der Verkäufer als Kreditnehmer agiert. In diesem Fall schuldet der Verkäufer die Erbringung der Dienstleistung und nicht die Zahlung einer Rate zur Tilgung des Kredits. 7 Es werden im Regelfall Anzahlungen getätigt, wenn die Auftragserstellung einen längeren Zeitraum in Anspruch nimmt, z.-B. im Baugewerbe, im Großanlagenbau oder Schiffsbau. • Lieferantenkredit: Im Falle eines Lieferantenkredits räumt der Liefe‐ rant als Kreditgeber dem Abnehmer als Kreditnehmer ein Zahlungsziel ein, sodass die Bezahlung nach der eigentlichen Leistungserbringung entweder mit Abzug eines Skontos innerhalb der Skontofrist oder ohne Abzug des Skontos innerhalb der Zahlungsfrist erfolgt. Somit entstehen dem Kreditnehmer Kosten, die dann entstehen, wenn er den Skontoabzug nicht in Anspruch nehmen kann, weil er eine längere Zahlungsfrist benötigt. Diese Form ist beliebt, weil sie ohne einen Kreditantrag und Kreditwürdigkeitsprüfung auskommt. Besichert wird das Ganze mithilfe des Eigentumsvorbehalts. 8 46 4 Formen der Kreditfinanzierung <?page no="48"?> Lieferantenkredit espresso-Verständnis | Beim Lieferantenkredit gewährt der Ver‐ käufer dem Käufer einer Ware oder Dienstleistung ein Zahlungsziel (z. B. 30 Tage) und räumt in der Regel eine Skontofrist (z. B. 10 Tage) ein. Die Kosten des Lieferantenkredits werden durch den Skontosatz ausge‐ drückt. Der Skontosatz entspricht dem prozentualen Preisabzug, der dem Käufer gewährt wird, wenn er innerhalb der Skontofrist bezahlt. Wird die Skontofrist nicht genutzt, geht der Skonto verloren. Der entgangene Skonto entspricht rechnerisch dem Jahreszinskostensatz des Lieferantenkredits. Den approximativen effektiven Jahreszinssatz (i appr ) kann man mit der folgenden vereinfachten Näherungsformel berechnen: i appr = Skontosatz in Prozent Zahlungsziel in Tagen − Skontofrist in Tagen × 360 Tage oder mit dem genauen finanzmathematischen Ansatz, der Zweizahlungsfor‐ mel berechnen: i eff in % = Zielverkaufspreis Barverkaufspreis 365 Tage Kreditlaufzeit in Tagen − 1 Beispiel: Berechnung des approximativen effektiven Jahres‐ zinssatzes (i appr ) eines Lieferantenkredits mit der Näherungsfor‐ mel: Die Zahlungsbedingungen des Lieferanten lauten: 2 % Skonto bei Zahlung innerhalb von 10 Tagen, sonst rein netto innerhalb von 30 Tagen. Bei Nichtinanspruchnahme des Skontos bedeutet dies einen approximativen Jahreszinssatz in Höhe von: i appr = 2 % 30 Tage − 10 Tage × 360 Tage = 36 % p.a. Der Jahreszinssatz (approximativer Effektivzinssatz) für die Inan‐ spruchnahme des Lieferantenkredits beträgt ca. 36-% p. a. 4.1 Kurzfristige Kreditfinanzierung 47 <?page no="49"?> Berechnung des exakten effektiven Jahreszinssatzes mit der Zweizah‐ lungsformel: Die Zahlungsbedingungen des Lieferanten lauten wieder: 2 % Skonto bei Zahlung innerhalb von 10 Tagen, sonst rein netto innerhalb von 30 Tagen. Der Lieferantenkredit lässt sich als Finanzinvestition auffassen, wo‐ nach z. B. eine Zahlung von 980 € zum Zeitpunkt 10 eine Zahlung von 1.000 € zum Zeitpunkt 30 vermieden werden könnten. Die vermiedene Auszahlung ist wie eine Einzahlung zu behandeln (positives Vorzei‐ chen). Die zinspflichtige Kreditlaufzeit beträgt 20-Tage. i eff in % = 1.000 € 980 € 365 Tage 20 Tage − 1 = 0,445852 x 100 = 44,59 % = 44,59 € p.a. Bei Nichtinanspruchnahme des Skontos bedeutet dies einen Jahreszins‐ satz in Höhe von 44,59-%. espresso-Verständnis | Der Lieferantenkredit ist in der Regel sehr teuer. Der Zinssatz steigt, wenn der Skontosatz steigt oder die Kredit‐ laufzeit kleiner wird. Kundenanzahlung (Kundenkredit) Kunden können in Form von Anzahlungen dem Verkäufer einen direk‐ ten Kredit gewähren (Vorauszahlungskredit). Üblich ist diese Form der Kreditfinanzierung bei Auftragsproduktionen, z. B. im Großanlagenbau. Kundenanzahlungen werden entweder bei Vertragsabschluss (Erteilung des Auftrags) oder nach teilweiser Fertigstellung bezahlt. espresso-Verständnis | Durch die Anzahlung finanziert der Kunde schon im Voraus die Kosten des Herstellers für Material, Löhne etc. und das Risiko des Lieferanten verringert sich, dass die erbrachte Leistung am Ende nicht abgenommen oder bezahlt wird. Somit stellt dies eine günstige Form der kurzfristigen Kreditfinanzierung für den Lieferanten dar. 48 4 Formen der Kreditfinanzierung <?page no="50"?> Der Kunde kann sein Risiko mit einer Bankbürgschaft vom Verkäufer absichern. Eine Bankbürgschaft ist ein gängiges Sicherungsmittel. Kurzfristige Bankkredite Die Bankkredite lassen sich unterteilen in Geldleihe (Bank stellt finanzielle Mittel zur Verfügung): • Kontokorrentkredit (bei Privatpersonen spricht man vom Dispositi‐ onskredit): Der Kontokorrentkredit ist der meistgenutzte Bankkredit und räumt dem Kreditnehmer ein, sein Konto bis zu einer vereinbarten Höhe - der Kreditlinie - und gegen Zahlung von Sollzinsen zu über‐ ziehen. Gegebenenfalls wird auch ein zusätzlicher Überziehungskredit gewährt. Kosten entstehen dem Kreditnehmer in Höhe des Sollzinssat‐ zes, aber auch durch etwaige Kreditprovisionen, Überziehungszinsen und Kontoführungsgebühren. • Lombardkredit: Dieser Kredit lautet über einen festen Betrag, der in einer Summe gewährt und zurückgezahlt wird. Gesichert wird er durch Verpfändung von Waren, Wertpapieren, Edelmetallen oder Wechseln. • Diskontkredit: Beim Diskontkredit kauft eine Bank einen noch nicht fälligen Wechsel und gewährt dem Wechselverkäufer somit bis zum Fälligkeitstag einen Kredit unter Abzug der fälligen Kreditzinsen. und Kreditleihen (Bank verbürgt sich für den Kunden): • Akzeptkredit: Hierbei gewährt die Bank einem Kunden mit einwand‐ freier Bonität einen Wechsel auf die Bank zu ziehen, den dieser der Bank einen Werktag vor Fälligkeit wieder zur Verfügung stellen muss. • Avalkredit: Hierbei wird von der Bank eine Bürgschaft oder Garantie für einen Kunden gegeben. Diese Kreditleihe dient zur Gewährleistung der Kreditwürdigkeit von Kunden die Verpflichtung mit Dritten einge‐ hen. 4.1 Kurzfristige Kreditfinanzierung 49 <?page no="51"?> Kontokorrentkredit espresso-Wissen | Bei einem Kontokorrentkredit wird dem Unter‐ nehmen von einer Bank auf dem Kontokorrentkonto (bei Privatperso‐ nen spricht man vom Girokonto) nach einer Kreditwürdigkeitsprüfung eine Kontokorrentkreditlinie (bei Privatpersonen spricht man vom Dis‐ positionskredit) eingeräumt, die das Unternehmen je nach Bedarf in flexibler Höhe ausschöpfen kann, d. h. das Konto kann mit einem negativen Saldo geführt werden. Für die Inanspruchnahme des Kontokorrentkredits sind variable Zinsen zu zahlen. Die Kreditkosten setzen sich in der Regel aus den Sollzinsen, der Kreditprovision, der Bereitstellungsprovision und den Kontoführungs‐ gebühren zusammen. Übersteigt der negative Saldo die vereinbarte Konto‐ korrentkreditlinie, so muss der Schuldner zusätzlich für den Betrag, der den Kontokorrentrahmen übersteigt, eine Überziehungsprovision zahlen. espresso-Verständnis | Der Kontokorrentkredit sollte nicht dauerhaft in Anspruch genommen werden, da die Zinskonditionen regelmäßig über den Kosten eines Festkredits liegen. Kontokorrentkredite sind geeignet, um kurzfristige Liquiditätsengpässe auszugleichen. Beispiel: Kosten des Kontokorrentkredites Die IMTB GmbH hat mit Ihrer Hausbank folgende Konditionen für den Kontokorrentkredit vereinbart: • Kreditlimit = 200.000 €, Überziehung um maximal 75.000 € gestattet. • Bereitstellungsprovision = 1,0 % p. a., zahlbar am Beginn jedes Halbjahrs. Sollzinssatz = 8,0-% p. a. • Überziehungsprovision = 4-% p. a., zahlbar monatlich im Nachhin‐ ein. Welche Zahlungen fallen für den Kontokorrentkredit Anfang im Juli an, wenn der Kontostand während des gesamten Monats Juni immer -230.000-€ betrug? 50 4 Formen der Kreditfinanzierung <?page no="52"?> Sollzinsen (230.000 € x 0,08) : 12 = 1.533,33 € + Bereitstellungsprovision (200.000-€ x 0,01) : 2 = 1.000,00-€ + Überziehungsprovision (30.000-€ x 0,04) : 12 = 100,00-€ = Gesamtauszahlung - = 2.533,33-€ Lombardkredit espresso-Wissen | Unter einem Lombardkredit versteht man die Ausreichung eines kurzfristigen Darlehens durch eine Bank gegen Verpfändung von Wertpapieren, Waren, Wechseln, Forderungen oder Edelmetallen. Die verpfändeten beweglichen Sachen oder Rechte werden jedoch nicht in voller Höhe ihres Wertes beliehen, sondern nur bis zu einem bestimmten prozentualen Höchstsatz (50 % bis 90 %) des Marktwertes der Sicherheits‐ bestände. Weitere Merkmale sind, dass zu einem fixen Termin der Betrag in voller Höhe bereitgestellt wird, genauso wie zu einem fixen Termin der Betrag vollständig zurückbezahlt werden muss. Diskontkredit Die Grundlage für einen Diskontkredit ist ein Wechselgeschäft. Dabei gewährt das Kreditinstitut einen kurzfristigen Kredit durch Ankauf eines nichtfälligen Wechsels an den Verkäufer dieses Wechsels. Die Kreditierung erfolgt mit einer festen Laufzeit vom Ankauf bis Verfall des Wechsels und mit fester Verzinsung. Der gezogene Wechsel enthält die unbedingte Anweisung des Wechselausstellers (Gläubigers, Trassant) an den Bezogenen (Schuldner, Trassat) eine bestimmte Geldsumme an ihn oder einen Dritten (Wechselnehmer, Remittent) zu zahlen. Der Bezogene wird zur Zahlung aus dem Wechsel verpflichtet, wenn er den Wechsel durch seine Unterschrift angenommen und akzeptiert hat. Der Besitzer eines Wechsels kann diesen vor Fälligkeit als Zahlungsmittel auch an eigene Gläubiger weitergeben, damit begleicht er seine Verbind‐ 4.1 Kurzfristige Kreditfinanzierung 51 <?page no="53"?> lichkeit, oder ihn bis zur Fälligkeit selbst behalten bzw. ihn bei einem Kreditinstitut diskontieren lassen. espresso-Verständnis | Unter der Diskontierung eines Wechsels versteht man den Ankauf einer noch nicht fälligen Wechselforderung von einer Bank, unter Abzug der Zinsen (Diskont), für die Zeit vom Ankaufstag bis zum Fälligkeitstag. Es handelt sich hierbei um ein Kreditgeschäft, da der Wechseleinreicher der Bank gegenüber so lange verpflichtet bleibt, bis der Bezogene die Zahlung geleistet hat. Die Kosten des Diskontkredites setzen sich aus dem Diskont und den Diskontspesen zusammen. Abb. 14: Ablauf eines Diskontkredits Beispiel: Berechnung des Effektivzinses eines Wechsels Ein Händler liefert einem Handwerker Waren für 100.000 €. Der Handwerker befindet sich zum Zeitpunkt der Lieferung in einem 52 4 Formen der Kreditfinanzierung <?page no="54"?> finanziellen Engpass und bittet um Zahlungsaufschub um 90 Tage. Der Händler ist einverstanden, verlangt aber einen Wechsel, den er bei seiner Hausbank zum Diskont einreichen möchte. Den Aufwand trägt der Handwerker. Die Hausbank verlangt für 90 Tage 1,6 % und pauschal 0,15 % Diskontspesen. Ermitteln Sie den Ausstellungsbetrag für den Wechsel und den effektiven Jahreszins des Diskontkredits. Ermittlung Ausstellungsbetrags: - Wechselsumme 100.000,00-€ 100,00-% - Diskontbetrag (1,6-% für 90 Tage) -1.600,00-€ -1,60-% - Diskontspesen -150,00-€ -0,15-% = Auszahlungsbetrag = 98.250,00 € = 98,25-% - Gesamtforderung 100.000,00-€ 98,25-% - Wechselsumme (100.000-€ : 0,9825) = 101.178,17-€ 100,00-% Ermittlung des effektiven Jahreszinssatzes (i eff ) des Diskontkredits: i eff = Kosten der Diskontierung Kredit × 360 Tage Laufzeit × 100 i eff = 1.781,17 € 100.000 € × 360 Tage 90 Tage × 100 = 7,12468 % Akzeptkredit Beim Akzeptkredit handelt es sich um eine Kreditleihe, d. h. das Unter‐ nehmen erhält von der Bank kein Geld, sondern die Bank stellt lediglich als Bezogener eines Wechsels ihre Kreditwürdigkeit zur Verfügung. Das Unternehmen (Aussteller des Wechsels) muss jedoch den Wechselbetrag bei Fälligkeit zur Verfügung stellen, damit der Wechsel zu dessen Lasten eingelöst werden kann. Für dieses Eventualhaftung erhebt die Bank eine Akzeptprovision. 4.1 Kurzfristige Kreditfinanzierung 53 <?page no="55"?> 9 Bieg, H., Kußmaul, H. u. Waschbusch, G. (2023), Finanzierung, S.-273 f. 10 Bieg, H., Kußmaul, H. u. Waschbusch, G. (2023), Finanzierung, S.-257. Avalkredit Beim Avalkredit handelt es sich ebenfalls um eine Kreditleihe, d. h. ein Kreditinstitut stellt keine Geldmittel zur Verfügung. espresso-Wissen | Unter einem Avalkredit versteht man die Über‐ nahme einer Bürgschaft oder Garantie durch eine Bank im Auftrag eines Kunden (Avalkreditnehmer) gegenüber einem Dritten (Avalbegünstig‐ ter). Das bedeutet, dass die Bank eine Garantie dafür abgibt, falls der Avalkredit‐ nehmer einer bestimmten Verpflichtung nachkommen wird. Der Avalkredit findet Anwendung bei Zollbürgschaften, Frachtstun‐ dungsavalen, Bietungsgarantien, Anzahlungsgarantien, Lieferungs- und Leistungsgarantien oder Gewährleistungsgarantien. 9 Die Kosten für den Kreditnehmer entstehen durch die Avalprovision als Prozentsatz der Bürg‐ schafts- oder Garantiesumme und betragen ca. zwischen 0,5 % und 3,0 % p. a. Die Höhe der Avalprovision ist abhängig von der Bonität des Kreditnehmers, der Besicherung und von der Laufzeit. 10 4.2 Mittel- und langfristige Kreditfinanzierung Die Laufzeit eines Kredites wird im Kreditvertrag festgelegt und ist somit individuell vereinbar. • Mittelfristige Kredite sind Kredite mit einer Laufzeit zwischen einem und fünf Jahren. Unter langfristigen Kreditverträgen versteht man solche, die eine Laufzeit von mehr als fünf Jahren aufweisen. • Die langfristige Kreditfinanzierung umfasst bspw. langfristige Bank‐ darlehen mit einer Laufzeit von über fünf Jahren. Sie stellen die Haupt‐ finanzierungsquelle von kleinen und mittelgroßen Unternehmen (KMU) dar. Über den Kapitalmarkt können Anleihen emittiert werden. 54 4 Formen der Kreditfinanzierung <?page no="56"?> 11 Vgl. Pape, U. (2018), Grundlagen der Finanzierung und Investition, S.-179. 12 Vgl. Wöltje, J. (2022), Investition und Finanzierung, S.-356 ff. 13 Vgl. Wöltje, J. (2022), Investition und Finanzierung, S.-363 f. 14 Vgl. Wöltje, J. (2022), Investition und Finanzierung, S.-367 f. espresso-Wissen | Bei Anleihen - auch Schuldverschreibungen oder Obligationen genannt 11 - handelt es sich um zinstragende Wertpapiere. Sie repräsentieren die Gewährung eines Kredits an ein Unternehmen (Unternehmensanleihe) oder an einen Staat (Staatsanleihe). Anleihen werden über den organisierten Kapitalmarkt begeben. Sie sind i. d. R. festverzinsliche Darlehen und erfordern, wenn Großunter‐ nehmen diese Form der Finanzierung nutzen möchten, zumeist eine exzel‐ lente Bonität. Schuldverschreibungen von Industrieunternehmen werden Industrieobligationen genannt, ein Staat kann Staatsanleihen verkaufen. 12 Neben der festverzinslichen, endfälligen Kuponanleihe gibt es eine Reihe anderer Formen. So gibt es zinsvariable Anleihen, die Nullkuponanleihe mit Verschiebung der Zinszahlung bis zur Endfälligkeit, Doppelwährungs‐ anleihen, Gewinnanleihen, die dem Gläubiger begrenzten Anteil am Un‐ ternehmenserfolg versprechen, sowie Wandel- und Optionsanleihen. Eine Wandelanleihe garantiert dem Gläubiger dabei das Recht die Anleihe inner‐ halb einer bestimmten Frist gegen Aktien der emittierenden Gesellschaft umzutauschen. Die Optionsanleihe ermöglicht es Aktien der emittierenden Gesellschaft zu einem bestimmten Preis innerhalb einer bestimmten Frist zusätzlich zur Anleihe zu erwerben. 13 Ohne den Kapitalmarkt zwischenzuschalten, werden Schuldscheindar‐ lehen emittiert. Bei Kapitalsammelstellen, die nicht Banken sind (z. B. Versicherungen, Bausparkassen, Pensionsfonds), werden durch freiwilliges oder zwangsweises Sparen, regelmäßig große Kapitalsummen angesammelt. Diese Kapitalsummen stellen sie dann über Vermittler wie Banken, als Darlehen zur Verfügung. Wegen der großen Finanzvolumina, nutzen vor allem große Industrieunternehmen, öffentlich-rechtliche Körperschaften und Kreditinstitute mit Sonderaufgaben diese Finanzierungsform. 14 Die folgende Abbildung zeigt die verschiedenen Arten von langfristigen Krediten mit einer Laufzeit von mehr als fünf Jahren. 4.2 Mittel- und langfristige Kreditfinanzierung 55 <?page no="57"?> Abb. 15: Systematisierung der langfristigen Kreditfinanzierung Eine klassische Kreditfinanzierung stellen langfristige Bankdarlehen dar. Die Tilgungsmodalitäten werden in der nächsten Abbildung vorgestellt: Abb. 16: Tilgungsmodalitäten bei langfristigen Darlehen 56 4 Formen der Kreditfinanzierung <?page no="58"?> 15 Vgl. Wöltje, J. (2022), Investition und Finanzierung, S.-371 f. 16 Vgl. Wöltje, J. (2022), Investition und Finanzierung, S.-373 f. 17 Vgl. Wöltje, J. (2022), Investition und Finanzierung, S.-374 f. Neben der Höhe der Kreditauszahlung ist die Tilgungsform entscheidend für die Beurteilung eines Darlehens. Nach der Tilgungsform wird zwischen den folgenden Darlehen unterschieden: • Annuitätendarlehen: Hier bleiben die laufende Gesamtbelastung, d. h. der Kapitaldienst (Kreditrate = Zinsen + Tilgungsrate) über die gesamte Darlehenslaufzeit gleich. Das bedeutet: Während die Zinsraten sinken (da ja von Rate zu Rate das Darlehen abnimmt und somit weniger verzinst wird), steigen dafür die Tilgungsraten. Die Tilgungsraten steigen so, dass die Annuität (Zinsanteil + Tilgungsan‐ teil) immer gleichbleibend ist, also die Tilgungsrate und die Zinsen zusammen, über die gesamte Laufzeit konstant bleiben. Es wird ein fester Zinssatz vereinbart. 15 • Festbetragsdarlehen: Das Festbetragsdarlehen - auch endfälliges Darlehen genannt - ist dadurch geprägt, dass während der Laufzeit lediglich gleichbleibend hohe Zinsen zu zahlen sind. Die gesamte Darlehenssumme wird am Ende der Laufzeit in einer Summe zurück‐ gezahlt. 16 • Ratendarlehen: Beim Ratendarlehen - auch Abzahlungs- oder Til‐ gungsdarlehen genannt - wird der Kredit, meist nach Freijahren, in gleichbleibend hohen Tilgungsbeträgen zurückgezahlt. Der Kapital‐ dienst insgesamt sinkt im Laufe der Zeit, da die Zinszahlungen während der Laufzeit abnehmen. 17 Die Tilgungsmodalitäten von (langfristigen) Darlehen können unterschied‐ lich ausgestaltet sein. Zu unterscheiden sind im Wesentlichen drei Varian‐ ten. 4.2 Mittel- und langfristige Kreditfinanzierung 57 <?page no="59"?> Annuitätendarlehen Ratendarlehen Endfälligkeitsdarlehen -Tilgung steigende Tilgung während der Laufzeit immer gleich hohe Tilgungsraten einmalige Rückzah‐ lung am Ende der Lauf‐ zeit Zinsen langsam sinkende Zinszahlungen schneller sinkende Zinszahlungen konstante Zinszahlun‐ gen -Liquidität konstante Liquiditäts‐ belastung, da Summe aus Zins und Tilgung bei jeder Zahlung iden‐ tisch zunächst hohe, dann niedrigere Liquiditätsbelas‐ tung geringe laufende Liquiditätsbelastung während der Laufzeit Kosten mittlere Finanzie‐ rungskosten geringere Finan‐ zierungskosten höhere Finanzierungs‐ kosten Tab. 8: Tilgungsmodalitäten von Darlehen Beispiel: Tilgungsmodalitäten der verschiedenen Darlehensar‐ ten Es wird ein Darlehen in Höhe von 100.000 € mit einer Laufzeit von fünf Jahren und einem Kreditzinssatz von 8,0-% p. a. vergeben. Beispiel: Annuitätendarlehen Beim Annuitätsdarlehen leistet der Kreditnehmer über die gesamte Laufzeit einen konstanten Kapitaldienst, bestehend aus Zinsen und Tilgung. Zunächst wird die Annuität mithilfe des Kapitalwiedergewin‐ nungsfaktors (KWF) berechnet. KWF = 1 + i) n × i 1 + i) n − 1 Annuität = Darlehensbetrag x KWF Annuität = 100.000 € x 1 + 0,08 5 × 0,08 1 + 0,08 5 − 1 = 25.045,64 € 58 4 Formen der Kreditfinanzierung <?page no="60"?> Tilgungsplan Annuitätendarlehen Jahr Restschuld Jahresan‐ fang Zinsen (8-%) Tilgung Annuität Rest‐ schuld Jahres‐ ende - a b = (a x 0,08) c = (d - b) d e = (a - c) 01 100.000,00-€ 8.000,00-€ 17.045,64-€ 25.045,64-€ 82.954,36-€ 02 82.954,36-€ 6.636,34-€ 18.409,30-€ 25.045,64-€ 64.545,06-€ 03 64.545,06-€ 5.163,60-€ 19.882,04-€ 25.045,64-€ 44.663,02-€ 04 44.663,02-€ 3.573,04-€ 21.472,60-€ 25.045,64-€ 23.190,42-€ 05 23.190,42-€ 1.855,22-€ 23.190,42-€ 25.045,64-€ 0,00-€ Summe 25.228,20 € 100.000,00 € 125.228,20 € - Beispiel: Ratendarlehen Bei einem Ratendarlehen nimmt der Kapitaldienst im Zeitverlauf ab. Die Tilgungshöhe bleibt immer gleich, aber die Zinsen sinken, da sie sich nur auf die Restschuld beziehen. Tilgungsplan Ratendarlehen Jahr Restschuld Jahresan‐ fang Zinsen Tilgung Kapital‐ dienst Restschuld Jahresende - a b = (a x 0,08) c d = (b + c) e = (a - c) 01 100.000-€ 8.000-€ 20.000-€ 28.000-€ 80.000-€ 02 80.000-€ 6.400-€ 20.000-€ 26.400-€ 60.000-€ 03 60.000-€ 4.800-€ 20.000-€ 24.800-€ 40.000-€ 04 40.000-€ 3.200-€ 20.000-€ 23.200-€ 20.000-€ 05 20.000-€ 1.600-€ 20.000-€ 21.600-€ 0-€ Summe 24.000-€ 100.000-€ 124.000-€ - 4.2 Mittel- und langfristige Kreditfinanzierung 59 <?page no="61"?> Beispiel: Endfälliges Darlehen Beim endfälligen Darlehen erfolgen über die Laufzeit nur Zinszahlun‐ gen, während die Tilgung des Kredits in voller Höhe erst zum Ver‐ tragsende erfolgt. Zunächst werden die jährlichen Zinsen berechnet: 100.000 € × 0,08 = 8.000 € Tilgungsplan endfälliges Darlehen Jahr Restschuld Jahresan‐ fang Zinsen (8-%) Tilgung Kapital‐ dienst Restschuld Jahresende - a b = (a x 0,08) c = d = (b + c) e = (a - c) 01 100.000 € 8.000 € 0 € 8.000 € 100.000 € 02 100.000 € 8.000 € 0 € 8.000 € 100.000 € 03 100.000 € 8.000 € 0 € 8.000 € 100.000 € 04 100.000 € 8.000 € 0 € 8.000 € 100.000 € 05 100.000 € 8.000 € 100.000 € 8.000 € 0 € Summe 40.000 € 100.000 € 140.000 € - Effektivverzinsung bei langfristigen Darlehen mit Disagio Damit verschiedene Darlehensangebote mit einem Disagio (Abgeld), d. h., wenn Auszahlungsbetrag niedriger ist als der Rückzahlungsbetrag, mitein‐ ander verglichen werden können, ist es notwendig, den Effektivzinssatz zu berechnen. Der Effektivzinssatz (i eff ) ist abhängig von: • dem Nominalzinssatz (i nom ), • dem Disagio (Differenz zwischen Rückzahlungs- und Auszahlungsbe‐ trag), • den Bearbeitungsgebühren und Provisionen (beide können durch die entsprechende Erhöhung des Disagios in die Berechnung eingehen), • den zusätzlich laufenden Kreditkosten, z.-B. den Kontoführungsgebühren, • der Laufzeit, • den Tilgungsterminen und den Tilgungsmodalitäten. 60 4 Formen der Kreditfinanzierung <?page no="62"?> 18 Bieg, H.; Kußmaul, H.; Waschbusch, G. (2023), Finanzierung, S.-184. 19 Vgl. Perridon, L. et al. (2022), Finanzwirtschaft der Unternehmung, S. 499 und Pape, U. (2018), Grundlagen der Finanzierung und Investition, S.-171. espresso-Verständnis | Die Effektivverzinsung stellt im Gegensatz zum Nominalzinssatz (i nom ) eines Darlehens den Zinssatz dar, bei dem sämtliche Zins- und Tilgungsleistungen mit dem Effektivzinssatz (i eff ) auf den Zeitpunkt der Kreditauszahlung diskontiert werden und genau dem Auszahlungsbetrag entsprechen 18 . Die Effektivverzinsung eines Darlehens mit Disagio ergibt sich durch Ermittlung des internen Zinsfußes der Zahlungsreihe. Aus Sicht des Kre‐ ditnehmers kann die Effektivverzinsung ermittelt werden in dem die Zah‐ lungsreihe des Darlehens mit dem gesuchten Effektivzinssatz abgezinst und gleich null gesetzt wird: 19 A 0 − ∑ t = 1 n Z t 1 + i eff t − ∑ t = 1 n R t 1 + i eff t = 0 A 0 = Auszahlungskurs im Zeitpunkt (t = 0) Z t = Zinszahlungen im Zeitpunkt t R t = Rückzahlungen im Zeitpunkt t n = Darlehenslaufzeit i eff = (gesuchter) Effektivzins Zur Ermittlung der Effektivverzinsung (i eff ) muss die Gleichung nach i eff aufgelöst werden. Die Auflösung einer solchen Gleichung bereitet aber Probleme, da es sich um ein Polynom n-ten Grades handelt. Die Effektivver‐ zinsung kann bei solchen Gleichungen durch Probieren mit verschiedenen Versuchszinssätzen in mehreren Iterationsschritten oder mit Tabellenkalku‐ lationsprogrammen ermittelt werden. Falls zusätzlich einmalige Kreditkosten wie z. B. Bearbeitungsgebühren anfallen, so können diese durch eine entsprechende Erhöhung des Disagios berücksichtigt werden. 4.2 Mittel- und langfristige Kreditfinanzierung 61 <?page no="63"?> Effektivverzinsung mit der Näherungsformel eines endfälligen Darlehens mit Disagio Die Effektivverzinsung gibt Auskunft über die tatsächlichen Finanzierungs‐ kosten eines Darlehens. Der approximative Effektivzinssatz (i appr ) kann mit folgender Näherungsformel bei einem endfälligen Darlehen berechnet werden: i appr = i nom + Rn − A0 n A 0 × 100 i appr = approximativer Effektivzinssatz i nom = Nominalzinssatz (dezimal) R n = Rückzahlungskurs (dezimal) im Zeitpunkt (t = n) A 0 = Auszahlungskurs (dezimal) im Zeitpunkt (t = 0) n = Laufzeit ( Jahre) Beispiel: Effektivverzinsung eines endfälligen Darlehens mit Disagio Es wird ein Darlehen in Höhe von 100.000 € zu einem Nominalzinssatz von 6 % p. a. bei einer Auszahlung von 98 % über fünf Jahre gewährt. Das Darlehen wird zum Ende des fünften Jahres zurückgezahlt. i appr = 0,06 + 1,00 − 0,98 5 0,98 × 100 = 6,53 % Der approximativ berechnete effektive Jahreszinssatz (i appr ) beträgt ca. 6,53-%. Effektivverzinsung mit der Näherungsformel eines Ratendarlehens mit Disagio Falls ein mittel- oder langfristiger Bankkredit nicht erst zum Laufzeitende zu tilgen ist, sondern kontinuierlich durch gleiche jährliche Abzahlungsraten getilgt wird, benötigt man für die Berechnung des Effektivzinssatzes die „mittlere Laufzeit (t m )“ des Kredits. Die mittlere Laufzeit (t m ) stellt (als Fiktion) die Laufzeit der gesamten Darlehenssumme dar. Die mittlere Laufzeit (t m ) wird wie folgt berechnet: 62 4 Formen der Kreditfinanzierung <?page no="64"?> t m = n + 1 2 t m = mittlere Laufzeit ( Jahre) n = gesamte Darlehenslaufzeit ( Jahre) Falls die Tilgung eines Ratendarlehens erst nach einigen tilgungsfreien Jahren beginnt, so sind die Freijahre (t f ) bei der Berechnung der mittleren Laufzeit (t m ) wie folgt zu berücksichtigen: t m = t f + n − t f + 1 2 t f = tilgungsfreie Laufzeit Der approximative Effektivzinssatz (i appr ) kann mit folgender Näherungsfor‐ mel bei einem endfälligen Darlehen berechnet werden: i appr = i nom + Rn − A0 tm A 0 × 100 i appr = approximativer Effektivzinssatz i nom = Nominalzinssatz (dezimal) R n = Rückzahlungskurs (dezimal) im Zeitpunkt (t = n) A 0 = Auszahlungskurs (dezimal) im Zeitpunkt (t = 0) t m = mittlere Laufzeit ( Jahre) Beispiel: Effektivverzinsung eines Ratendarlehens mit Disagio Es wird ein Ratendarlehen in Höhe von 100.000 € zu einem Nominal‐ zinssatz von 6 % p. a. bei einer Auszahlung von 98 % über fünf Jahre gewährt. Das Darlehen wird zum Ende des fünften Jahres zurückge‐ zahlt. i appr = 0,06 + 1,00 − 0,98 5 + 1 2 0,98 × 100 = 6,80 % Der approximativ berechnete effektive Jahreszinssatz beträgt ca. 6,80 %. 4.2 Mittel- und langfristige Kreditfinanzierung 63 <?page no="65"?> Effektivverzinsung eines Annuitätendarlehens mit Disagio mithilfe der Regula Falsi Die Effektivverzinsung wird ermittelt, indem die Zahlungsreihe mit dem gesuchten Effektivzinssatz abgezinst und gleich null gesetzt wird. A 0 − ∑ t = 1 n Z t 1 + i eff t − ∑ t = 1 n R t 1 + i eff t = 0 A 0 = Auszahlungsbetrag im Zeitpunkt (t = 0) Z t = Zinszahlungen im Zeitpunkt t R t = Rückzahlungen im Zeitpunkt t n = Darlehenslaufzeit i eff = (gesuchter) Effektivzins Zur Ermittlung des Effektivzinssatzes (i eff ) wird die Methode des internen Zinsfußes der dynamischen Investitionsrechnung angewandt. Die Effektivverzinsung wird ermittelt, indem die Zahlungsreihe mit dem gesuchten Effektivzinssatz diskontiert und gleich null gesetzt wird, d. h. der Kapitalwert (C 0 ) der Zahlungsreihe muss null sein. C 0 = 0 = − A 0 + ∑ t = 1 n S t × 1 1 + i eff t = 0 S t bezeichnet den Saldo der Zahlungsströme in der Periode t (t 1 bis t n ). Es werden die Einzahlungen und die Auszahlungen der jeweiligen Periode saldiert und anschließend abgezinst. Man geht wie folgt bei der Berechnung des Effektivzinssatzes vor: • Es wird zunächst ein niedrigerer Zinssatz (i 1 ), bei dem die Gleichung/ der Kapitalwert (C 01 ) positiv (> 0) ist und anschließend ein höherer Zinssatz (i 2 ), bei dem die Gleichung/ der Kapitalwert (C 02 ) negativ (< 0) wird, geschätzt. • Durch die lineare Interpolation zwischen beiden Kapitalwerten mit unterschiedlichem Vorzeichen wird eine Näherung des Zinssatzes (i eff ) ermittelt, bei dem die Gleichung einen Wert nahe bei null annimmt. 64 4 Formen der Kreditfinanzierung <?page no="66"?> Lineare Interpolation: i eff = i 1 + C 01 C 01 − C 02 × i 2 − i 1 Beispiel: Effektivverzinsung eines Annuitätendarlehens mit Disagio Es wird ein Annuitätendarlehen in Höhe von 100.000 € zu einem Nominalzinssatz von 6 % p. a. bei einer Auszahlung von 98 % über fünf Jahre gewährt. Tilgungsplan (alle Angaben in €) Jahr Restschuld Jahresan‐ fang Zinsen (6-%) Tilgung Annuität (Kapital‐ dienst) Rest‐ schuld Jahres‐ ende - a b = (a x 0,06) c = (d---b) d e = (a---c) 1 100.000,00 6.000,00 17.739,64 23.739,64 82.260,36 2 82.260,38 4.935,62 18.804,02 23.739,64 63.456,35 3 63.456,35 3.807,38 19.932,26 23.739,64 43.524,09 4 43.524,09 2.611,45 21.128,19 23.739,64 22.395,90 5 22.395,90 1.343,74 22.395,90 23.739,64 0,00 - Summe 18.698,20 100.000,00 118.698,20 - Berechnung des Kapitalwertes (C 01 ) mithilfe des Rentenbarwertfaktors (RBF) und dem niedrigeren Zinssatz (i 1 ): i 1 = 6,5-% C 01 =---98.000-€ + 23.739,64-€ x 4,155679438 = + 654,34-€ Berechnung des Kapitalwertes (C 02 ) mithilfe des Rentenbarwertfaktors (RBF) und dem höheren Zinssatz (i 2 ): i 2 = 7,0-% C 02 =---98.000-€ + 23.739,64-€ x 4,100197436 =---662,79-€ Im nächsten Schritt wird mithilfe der Interpolation der Effektivzinssatz (i eff ) berechnet: 4.2 Mittel- und langfristige Kreditfinanzierung 65 <?page no="67"?> i eff = i 1 + C 01 C 01 − C 02 × i 2 − i 1 i eff = 0,065 + 654,34 € 654,34 € − − 662,79 € × 0,005 = 0,06748 × 100 = 6,748% 4.3 Anleihen (Schuldverschreibungen) espresso-Wissen | Anleihen sind mittel- oder langfristige verzinsliche verbriefte Wertpapiere, durch die ein Kredit am Kapitalmarkt aufgenom‐ men wird. Sie werden auch als Rentenpapier, Bond oder Obligation bezeichnet, werden an der Börse gehandelt und lauten auf einen be‐ stimmten Nennwert. Die Laufzeit liegt i. d. R. meist zwischen fünf und zehn Jahren. Sie sind meistens mit einem festen Nominalzins ausgestattet. Die Rückzahlung erfolgt i.-d.-R. am Ende der Laufzeit. Anleihen können als: • Festzinsanleihen (Fixed rate Bonds): Sie haben über die Laufzeit einen festen nominalen Zinssatz. Der Inhaber einer Festzinsanleihe hat einen Anspruch auf die Zinszahlungen sowie die Rückzahlung des Nennbetrags meist am Ende der Laufzeit. • Wandelanleihen (Convertible Bonds): Sie gewähren zusätzlich zu den Rechten normaler Anleihen das Recht die Anleihe innerhalb einer vereinbarten Frist oder am Ende der Laufzeit zu einem bestimmten Bezugsverhältnis in Aktien umzuwandeln, also der Umwandlung von Fremdkapital in Eigenkapital. Diese Umwandlung wird vor der Emission festgelegt und ist für den Anleger keine Pflicht. • Optionsanleihen (Warrant Bonds): Sie gewähren dem Gläubiger über seine normalen Rechte wie Zinszahlung und Rückzahlung des Kredites zusätzlich das Recht zur Anleihe, Aktien zu vorab festgelegten Bedin‐ gungen während einer bestimmten Frist zu beziehen. • Nullkuponanleihen (Zero-Bonds): Sie gewähren keine jährlichen Zinszahlungen während der Laufzeit einer Anleihe. Erst am Ende der 66 4 Formen der Kreditfinanzierung <?page no="68"?> Laufzeit zahlt der Emittent die Zinsen, Zinseszinsen und den Emissions‐ betrag. • Variabel verzinsliche Anleihen (Floating Rate Notes): Sie sind va‐ riable verzinste Anleihen. Die Zinssätze orientieren sich an Referenz‐ zinssätzen und werden alle drei, sechs oder zwölf Monate angepasst. Als Referenzzinssätze dienen meist die Interbankenzinssätze wie z. B. der EURIBOR (European Interbank Offered Rate) oder LIBOR (London Interbank Offered Rate). • Gewinnanleihen (Profit Bonds): Sie verbriefen neben dem Verzin‐ sungs- und Tilgungsanspruch zusätzlich einen mit der Dividende ge‐ koppelten Gewinnanspruch. Die gewinnabhängige Verzinsung wird entweder anstatt einer Festverzinsung über die Laufzeit ausgezahlt oder erfolgt einmalig zusätzlich zur Festverzinsung bei Fälligkeit herausgegeben werden. Effektivverzinsung einer festverzinslichen Anleihe Neben dem Nominalzinssatz einer Anleihe ist vor allem die Effektivverzin‐ sung von Bedeutung. espresso-Verständnis | Für die Effektivzinsberechnung werden alle Erträge und Kosten einer Anleihe erfasst und es wird die jährliche interne Rendite errechnet. Zusätzlich zur Verzinsung (Dividende) fließen Kursgewinne und -verluste bei Verkauf/ Rückzahlung, Nebenkosten bei Kauf (z. B. Agio) und sonstige Kosten (z.-B. Depotgebühren) sowie sonstige Erträge (z.-B. Bezugsrechtser‐ löse) mit ein. Aus der Sicht des Kreditnehmers (Emittent der Anleihe) gibt der effektive Zinssatz die tatsächlichen Finanzierungskosten an, während aus der Sicht des Kreditgebers (Käufer der Anleihe) die erzielte Gesamtrendite (p. a.) der Effektivverzinsung entspricht. Den Effektivzinssatz kann man mit den folgenden Näherungsformeln berechnen: 4.3 Anleihen (Schuldverschreibungen) 67 <?page no="69"?> Effektivzinsberechnung mit der Näherungsformel beim Erwerb einer Festzinsanleihe aus der Sicht des Käufers: i eff = i nom + R − A n A + sE − sK n A × 100 i eff = Effektivzinssatz p. a. i nom = Nominalzinssatz p. a. (dezimal) R = Rückzahlungskurs (dezimal) A = Auszahlungskurs (dezimal) = Rückzahlungskurs---Disagio n = Laufzeit ( Jahre) sE = sonstige Erträge (dezimal) sK = sonstige Kosten für den Käufer (dezimal), z.-B. Bearbeitungsgebühren, Abschlusskosten, Bereitstellungsprovision und sonstige Kosten Sonstige Kosten aus der Sicht des Käufers bedeuten eine Verringerung der Rendite, d.-h. der Effektivzinssatz der Finanzinvestition verringert sich. Beispiel: Effektivzinsberechnung mit der Näherungsformel bei einer Festzinsanleihe aus der Sicht des Käufers Sie kaufen als Investor eine Anleihe zu folgenden Konditionen: • Nominalwert: 5.000-€ • Nominalzinssatz: 5-% p.-a. • Auszahlungskurs: 92-% • Rückzahlungskurs: 100-% • Gebühr Kauforder: 100-€ • Laufzeit: 6-Jahre Berechnung des Effektivzinssatzes aus Sicht des Käufers mit der Nähe‐ rungsformel: i eff = 0,05 + 1,00 − 0,92 6 0,92 + −0,02 6 0,92 × 100 = 6,52 % Der Effektivzinssatz der Anleihe beträgt nach der Näherungsformel ca. 6,52 % p. a., wenn der Käufer der Anleihe (= Kreditgeber) die Anleihe vom Ausgabebis zum Rückzahlungszeitpunkt hält. 68 4 Formen der Kreditfinanzierung <?page no="70"?> Effektivzinsberechnung mithilfe der Methode der linearen Interpolation beim Erwerb einer Festzinsanleihe aus der Sicht des Käufers: Die Effektivverzinsung wird mithilfe der internen Zinsfußmethode berech‐ net, indem die Zahlungsreihe mit dem gesuchten Effektivzinssatz (i eff ) diskontiert und gleich null gesetzt wird, d. h. der Kapitalwert (C 0 ) der Zahlungsreihe muss null sein. C 0 = 0 = − A 0 + ∑ t = 1 n S t × 1 1 + i eff t = 0 A 0 = Auszahlungsbetrag im Zeitpunkt (t = 0) S t bezeichnet den Saldo der Zahlungsströme in der Periode t (t 1 bis t n ). Es werden die Einzahlungen und die Auszahlungen der jeweiligen Periode saldiert und anschließend abgezinst. Man geht wie folgt bei der Berechnung des Effektivzinssatzes (i eff ) vor: • Es wird zunächst ein niedrigerer Zinssatz (i 1 ), bei dem die Gleichung/ der Kapitalwert (C 01 ) positiv (> 0) ist und anschließend ein höherer Zinssatz (i 2 ), bei dem die Gleichung/ der Kapitalwert (C 02 ) negativ (< 0) wird geschätzt. • Im nächsten Schritt wird mithilfe der Interpolation der Effektivzinssatz (i eff ) berechnet: i eff = i 1 + C 01 C 01 − C 02 × i 2 − i 1 Beispiel: Effektivzinsberechnung mithilfe der der Methode der linearen Interpolation bei einer Festzinsanleihe aus der Sicht des Käufers Sie kaufen als Investor eine Anleihe zu folgenden Konditionen: • Nominalwert: 10.000-€ • Nominalzinssatz: 6-% p.-a. • Auszahlungskurs: 98-% • Rückzahlungskurs: 103-% • Kaufnebenkosten: 100-€ • Depotgebühren: 30 €/ Jahr • Laufzeit: 4-Jahre 4.3 Anleihen (Schuldverschreibungen) 69 <?page no="71"?> Für die Perioden t 0 bis t 4 ergeben sich folgende Zahlungsströme für den Käufer: Perioden t 0 t 1 t 2 t 3 t 4 Auszahlung -9.800-€ - - - - Kaufnebenkosten -100-€ - - - - Zinserträge - 600-€ 600-€ 600-€ 600-€ Depotgebühren - -30-€ -30-€ -30-€ -30-€ Rückzahlung - - - - 10.300-€ Saldo Zahlungen -9.900-€ 570-€ 570-€ 570-€ 10.870-€ Die Zahlungssalden werden in die Formel für die interne Zinsfußme‐ thode eingesetzt. Kapitalwert C 0 = − 9.900 + 570 1 + i eff 1 + 570 1 + i eff 2 + 570 1 + i eff 3 + 10.870 1 + i eff 4 = 0 Anschließend wird der Kapitalwert (C 0 ) für zwei verschiedene, ge‐ schätzte Zinssätze ermittelt: Schätzung für i 1 = 0,065 (6,5-% p. a.) Kapitalwert C 01 = − 9.900 + 570 (1,065) 1 + 570 (1,065) 2 + 570 (1,065) 3 + 10.870 (1,065) 4 = C 01 = -9.900 + 535,21 + 502,55 + 471,87 + 8.449,50 = +59,13 € Schätzung für i 2 = 0,07 (7,0-% p. a.) Kapitalwert C 02 = − 9.900 + 570 (1,07) 1 + 570 (1,07) 2 + 570 (1,07) 3 + 10.870 (1,07) 4 = C 02 = -9.900 + 532,71 + 497,86 + 465,29 + 8.292,67 = -111,47 € 70 4 Formen der Kreditfinanzierung <?page no="72"?> Lineare Interpolation: i eff = i 1 + C 01 C 01 − C 02 × i 2 − i 1 i eff = 0,065 + 59,13 € 59,13 € − − 111,47 € × 0,005 = 0,06673 × 100 = 6,673% Der Effektivzinssatz (i eff ) der Anleihe aus Sicht des Käufers beträgt mithilfe der linearen Interpolation 6,673-% p. a. Effektivzinsberechnung mit der Näherungsformel bei der Emission einer Festzinsanleihe aus der Sicht des Emittenten: Hier wird der Effektivzinssatz aus der Sicht des emittierenden Unterneh‐ mens ermittelt. Falls sonstige Kosten für das emittierende Unternehmen anfallen, verteuert dies die Finanzierung, d. h., der effektiv zu zahlende Zinssatz erhöht sich. Zur Berechnung des effektiven Zinssatzes (i eff ) aus der Sicht des Emitten‐ ten wird folgende Formel verwendet: i eff = i nom + K l + R − A + Ke n A − K e × 100 i eff = Effektivzinssatz in % p. a. aus Unternehmenssicht (= Emittent) i nom = Nominalzinssatz p. a. (dezimal) K l = laufende Kosten (Agent Fee) (dezimal) R = Rückzahlungskurs (dezimal) A = Auszahlungskurs (dezimal) K e = einmalige Begebungskosten (dezimal) n = Laufzeit ( Jahre) Beispiel: Effektivzinsberechnung mit der Näherungsformel bei der Emission einer Festzinsanleihe aus der Sicht des Emittenten Ein Unternehmen emittiert eine festverzinsliche Anleihe zu folgenden Konditionen: • Nominalwert: 100 Mio. € • Nominalzinssatz: 6,0-% p.a. 4.3 Anleihen (Schuldverschreibungen) 71 <?page no="73"?> • Auszahlungskurs: 98,5-% • Rückzahlungskurs: 103-% • laufende Kosten (Agent Fee): 0,15-% p. a. • Emissionskosten: 1,2-% • Laufzeit: 10 Jahre Berechnung des Effektivzinssatzes der Anleihe aus der Sicht des Emit‐ tenten: i eff = 0,06 + 0,0015 + 1,03 − 0,985 + 0,012 10 0,985 − 0,012 × 100 = 6,90647 % Die durchschnittlichen Finanzierungskosten der aufgenommenen 98,5 Mio. € betragen aus der Sicht des emittierenden Unternehmens ca. 6,91-% p.-a. Effektivverzinsung einer Nullkuponanleihe espresso-Wissen | Eine Nullkuponanleihe (Zero-Bond) ist eine lang‐ fristige Schuldverschreibung, bei der das Schuldnerunternehmen (Emit‐ tent) keine jährlichen Zinszahlungen während der Laufzeit der Anleihe zu zahlen hat. Die Zinsen und Zinseszinsen werden erst am Laufzeitende zusammen mit dem Ursprungsbetrag ausbezahlt. Zero-Bonds eignen sich vor allem für Anlegern, die z. B. für einige Jahre aus steuerlichen Gründen keine Erträge erzielen möchten. Sie werden in abgezinster Form, d. h. mit einem Disagio (= Abgeld), ausgegeben. Der Zins und der Zinseszins werden zusammen mit dem Tilgungsbetrag erst am Ende der Laufzeit der Anleihe geleistet. Die Rückzahlung erfolgt zu 100 %. Bei der Nullkuponanleihe gibt es nur zwei Zahlungsströme aus der Sicht des Emittenten: eine Einzahlung (Ausgabekurs der Anleihe) und eine Auszahlung (Rückgabe der Anleihe). Da es nur zwei Zahlungsströme gibt, kann die Effektivverzinsung einer Nullkuponanleihe - mit der sogenannten Zweizahlungsformel - ermittelt werden. Die Zweizahlungsformel kann wie folgt hergeleitet werden: K n = K 0 × 1 + i n 1 + i n = K n K 0 72 4 Formen der Kreditfinanzierung <?page no="74"?> K 0 = Ausgabekurs der Anleihe K n = Rückzahlungskurs der Anleihe n = Laufzeit in Jahren 1 + i = K n K 0 n i = K n K 0 n − 1 Beispiel: Effektivzinsberechnung bei der Emission einer Null‐ kuponanleihe Ein Unternehmen gibt einen Zero-Bond zu einem Ausgabekurs von 70 % bei einer Laufzeit von fünf Jahren aus. Die Rückzahlung erfolgt zu 100 %. Es wird die Effektivverzinsung der Anleihe aus der Sicht des emittierenden Unternehmens mithilfe der Zweizahlungsformel berechnet: i eff = K n K 0 n − 1 × 100 = 100 70 5 − 1 × 100 = 7,3494% Die Effektivverzinsung (i eff ) des Zero-Bond beträgt 7,3494-% p. a. 4.4 Schuldscheindarlehen espresso-Wissen | Ein Schuldscheindarlehen ist ein langfristiger Großkredit zur Investitionsfinanzierung gegen Aushändigung eines Schuldscheins. Der Schuldschein ist ein Zahlungsbeleg, kein Wertpapier. Schuldscheindarlehen sind große Kredite, die von Kapitalsammelstellen (z. B. Lebensversicherungen, Bausparkassen, Pensionsfonds) an große bo‐ nitätsstarke Industrie- oder Dienstleistungsunternehmen, Banken oder die öffentliche Hand vergeben werden. Die Rückzahlung erfolgt in der Regel am Ende der Laufzeit. 4.4 Schuldscheindarlehen 73 <?page no="75"?> Die Nominalverzinsung orientiert sich an der Verzinsung vergleichbarer Anleihen. Aufgrund der niedrigeren Emissions- und Verwaltungskosten ist ein Schuldscheindarlehen i. d. R. günstiger als eine Anleihebegabe für den Kreditnehmer. 74 4 Formen der Kreditfinanzierung <?page no="76"?> 20 Vgl. Hildmann, G. & Fischer, J. (2002), Finanzierung: Intensivtraining, S.-141. 5 Kreditsubstitute espresso-Wissenscheck | https: / / narr.kwaest.io/ s/ 1272 espresso-Keywords | Factoring, Leasing (mit Teil- und Vollamortisati‐ onsverträgen), Forfaitierung, Bankakzept, Bankgarantie, Staatsgarantie, Staatsbürgschaften, Außenhandelsgeschäfte Was erwartet mich in diesem Kapitel? Kreditsubstitute ergänzen die Außenfremdfinanzierung. Sie versorgen ein Unternehmen mit Liquidität, ohne bilanzwirksames Fremdkapital zuzuführen. Somit sind sie wirkungsvolle Instrumente, um die Bilanzstruktur zu steuern. 20 Wofür benötige ich das Wissen? Die wichtigsten Kreditsubstitute sind das Factoring, das Leasing und die Forfaitierung. Abb. 17: Übersicht Kreditsubstitute <?page no="77"?> 21 Vgl. Wöltje, J. (2022), Investition und Finanzierung, S.-484. 5.1 Factoring espresso-Wissen | Factoring ist eine Finanzierungsmethode, bei der ein Unternehmen seine Forderungen aus Lieferungen und Leistungen fortlaufend vor deren Fälligkeit an eine Factoring-Gesellschaft (= Factor) verkauft. Es stellt eine Alternative zur Kreditfinanzierung dar. Durch den Forderungs‐ verkauf ist das Unternehmen so gestellt, als würden die Kunden sofort bezahlen. Häufig übernehmen die Factoring-Gesellschaften auch das For‐ derungsausfallrisiko (Delcrederefunktion) des Lieferantenvertrags und das Debitorenmanagement. Beim Factoring kauft eine Factoring-Gesellschaft die Forderungen aus Lieferung und Leistung seines Klienten auf. Es handelt sich um eine Art der Absatzfinanzierung. 21 Vorteile für die Unternehmen, die ihre Forderungen abtreten, sind u. a. die i. d. R. unverzügliche Begleichung der Außenstände unter Abzug der Factoringkosten - also ein Liquiditätsvorteil -, die verlässliche Finanzplanung sowie die Tatsache, dass nicht mehr die eigene Bonität zur Risikobewertung der Finanzierungskosten herangezogen wird, sondern die Liquidität der Kunden und die Diversifikation der Forderun‐ gen. Gründe für die Inanspruchnahme von Factoring durch die Unterneh‐ men liegen meistens in der Liquiditätsbereitstellung durch den Factor und somit der Deckung des Kapitalbedarfs des Unternehmens. Doch können auch andere Überlegungen für die Nutzung des Factorings sprechen, da Factoring-Gesellschaften nicht nur die Finanzierungs-, sondern auch die Delkredereund/ oder die Dienstleistungsfunktion wahrnehmen können. Der Standardfall ist die Übernahme aller drei Funktionen durch den Factor. Daneben haben sich in der Praxis auch spezielle Factoringvarianten (Kombinationen der Funktionsübernahme) herausgebildet. Das Factoring kann, je nach Vorstellung des Klienten, drei Funktionen erfüllen: 76 5 Kreditsubstitute <?page no="78"?> 22 Vgl. Wöltje, J. (2022), Investition und Finanzierung, S.-490 f. 1. Finanzierungsfunktion: Dem Unternehmen wird Liquidität zuge‐ führt. Das Factoring beinhaltet eine Vorfinanzierung der angekauften Forderungen mit ca. 85 bis 90 % der Forderungssumme. Der Differenz‐ betrag wird auf ein Sperrkonto überwiesen und dann freigegeben, wenn keine Beanstandungen seitens des Käufers aus dem zugrunde liegenden Kaufvertrag mehr zu erwarten sind, z. B. in Form von Mängelrügen oder Rücksendungen. 2. Delkrederefunktion: Hierbei übernimmt eine Factoring-Gesellschaft das Ausfallrisiko. Man spricht vom echten Factoring. Verbleibt das Risiko beim Kunden ist es ein sogenanntes unechtes Factoring. 3. Dienstleistungsfunktion: Die Factoring-Gesellschaft erstellt die Rechnungen, führt die Kundenkonten (Debitorenbuchhaltung) und das Mahnwesen durch. Gegebenenfalls kümmert sie sich auch um das For‐ derungsinkasso und um die Rechtsstreitigkeiten bei den Forderungen aLuL. Die Kosten für das Factoring belaufen sich auf typischerweise zwischen 0,3 % und 2,0 % des Umsatzes. 22 Da es, insbesondere unter Nutzung der Dienstleis‐ tungsfunktion, zu Schwierigkeiten hinsichtlich des Kundenbindungsaspekts und dem Know-how-Transfer an die Factoring-Gesellschaft kommt, sind Factoringverträge meist langfristig ausgelegt und beziehen sich auf alle Forderungen aLuL. Die Beteiligten beim Factoring - Factor, Klient und Abnehmer - und ihre gegenseitigen Beziehungen zueinander sind nachfolgend grafisch dar‐ gestellt: 5.1 Factoring 77 <?page no="79"?> 23 Vgl. Bieg, H. et al. (2023), Finanzierung, S.-505. Abb. 18: Beziehungsgeflecht beim offenen Factoring 23 Daraus ergibt sich folgende Handlungskette: 1. Der Klient (hier: Factorkunde) stellt die Rechnungen an den Drittschuld‐ ner aus und übergibt diese dem Faktor. Rechtsgrundlage hierfür bildet der zwischen Faktor und Klient geschlossene Factoringvertrag. 2. Der Faktor leitet die Rechnungen an den Drittschuldner weiter und informiert ihn im Zuge dessen über das bestehende Factoring-Verhältnis und über die damit an ihn zu leistende Zahlung. 3. Der Faktor leistet die Forderungsbevorschussung unter Abzug der Factoringkosten zum vertraglich vereinbarten Zeitpunkt. 4. Der Factor erstellt (je nach Vertragsvereinbarung) eine Debitorenab‐ rechnung, sodass der Klient die Debitorenbuchhaltung für diese Forde‐ rungsgruppe nicht selbst führen muss. 5. Aufgrund der Service-Funktion des Factorings übernimmt der Faktor das Forderungsmanagement und das Mahnwesen. Factoring-Gesellschaften können einzelne Forderungen ablehnen, wenn sie die Bonität von Klienten oder Drittschuldnern als nicht gegeben sehen. Des Weiteren bezieht sich die Forderungsbevorschussung auf ca. 80 bis 90 % 78 5 Kreditsubstitute <?page no="80"?> 24 Gräfer, H., Schiller, B. und Rösner, S. (2014), Finanzierung, S.-191. der Forderung. Die restlichen 10 bis 15 % werden auf einem extra dafür ein‐ gerichteten Sperrkonto verwahrt, um evtl. auftretende Forderungsausfälle kompensieren zu können. Tritt dieser Fall allerdings nicht ein, wird der einbehaltene Betrag an den Faktorkunden ausbezahlt. 24 Vorteile des Factorings • Verbesserung der Liquidität durch Bevorschussung der Forderungen, • Verzicht auf teure Lieferantenkredite und somit Ausnutzung von Skon‐ toabzügen, Rabatten (Barzahlervorteil) bei den Lieferanten des Unter‐ nehmens, • Vermeidung von Forderungsausfällen beim echten Factoring mit der Delcrederefunktion, • Schuldenabbau ist möglich, • Verbesserung der Finanzkennzahlen, wie z. B. der Liquiditätskennzahlen und der Eigenkapitalquote, • Verbesserung von Bilanzrelationen und Kennzahlen z. B. Working Capital, Cashflow und Kapitalanteile, • Verringerung der Bankenabhängigkeit bzw. mehr Spielraum bei der Unternehmensfinanzierung, • Verbesserung der Bonität und • Kostenersparnis bei Nutzung der Serviceleistungen des Factors, wie z. B. Übernahme der Debitorenbuchhaltung, der Kreditprüfung sowie des Mahn- und Inkassowesens. Nachteile des Factorings: • Hohe Gesamtkosten und Gebühren bei Inanspruchnahme aller Funktio‐ nen, • Imagenachteile beim offenen Factoring (die Kunden erfahren von der Forderungsabtretung und könnten dies als Zeichen einer Finanzschwä‐ che des Unternehmens betrachten), • Beim Inkasso bestehen häufig kaum Möglichkeiten, das Vorgehen des Factors zu beeinflussen, • Abhängigkeit vom Factor, insbesondere wenn alle Funktionen vom Factor übernommen wurden und • Anpassungsschwierigkeiten, falls die vom Factor übernommenen Funk‐ tionen wieder ins Unternehmen zurückgeholt werden sollen. 5.1 Factoring 79 <?page no="81"?> 5.2 Leasing espresso-Wissen | Leasing beschreibt ein Rechtsverhältnis, bei dem ein Vertrag zwischen Leasingnehmer und Leasinggeber über die Nut‐ zung eines Vermögensgegenstandes im Austausch gegen einen vorher vereinbarten, periodisch anfallenden Betrag geschlossen wird. Es ist vergleichbar mit der Vermietung und der Verpachtung, wobei Rechte und Pflichten beim Leasing weitreichender gestaltbar sind. Dies äußert sich unter anderem darin, dass die Verträge i. d. R. mehr als nur die Nutzungsüberlassung beinhalten. Dazu zählt z.-B.: • Wartung, • Beratungstätigkeiten, • Beschaffungsmöglichkeiten und • Weiternutzungsmöglichkeiten des Leasingobjekts nach Beendigung der Leasinglaufzeit. Leasing charakterisiert die mittelbis langfristige Überlassung von An‐ lagegegenständen gegen Zahlung eines Nutzungsentgeltes, das man als Leasinggebühr bezeichnet. Beim Leasing gewährt ein Leasinggeber einem Leasingnehmer (Unternehmen, Privatpersonen, öffentliche Haushalte) ge‐ gen Zahlung von regelmäßigen Leasingraten die betriebliche Nutzung z. B. eines Anlagegegenstandes. Beim „direkten Leasing“ handelt es sich beim Leasinggeber um den Hersteller, während beim „indirekten Leasing“ eine herstellerunabhängige Leasinggesellschaft als Leasinggeber auftritt. Im Hinblick auf die vertragliche Gestaltung des Leasings in Bezug auf die Kündbarkeit und somit die Laufzeit ist zwischen dem Operating-Leasing und dem Financial-Leasing zu unterscheiden. Beim kurzfristigen Operating-Leasing überlässt eine Leasinggesell‐ schaft dem Leasingnehmer das Leasingobjekt auf unbestimmte Zeit und gewährt beiden Vertragspartnern - eventuell unter Einhaltung bestimmter Fristen - ein jederzeitiges Kündigungsrecht ohne Vertragsstrafen. Das In‐ vestitionsrisiko liegt beim Leasinggeber, der z. B. die Wartung, Versicherung, Reparaturen und das Risiko der Veralterung übernimmt. Voraussetzung für die Anwendung des Operating-Leasings ist die Drittbzw. Weiterverwend‐ barkeit des Leasingobjektes, sodass die Leasinggesellschaft nach Ablauf 80 5 Kreditsubstitute <?page no="82"?> (Kündigung) des Leasingvertrages einen neuen Leasingvertrag mit einem anderen Leasingnehmer eingehen oder das Leasingobjekt veräußern kann. Das Financial-Leasing dagegen setzt auf längerfristige Verträge mit einer unkündbaren Grundmietzeit, die die Nutzungsdauer des Objekts allerdings nicht erreicht. Dabei muss die Grundmietzeit mindestens 40 % und höchstens 90 % der betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer betragen, damit das Leasingobjekt beim Leasinggeber steuerrechtlich und handelsrechtlich bilanziert werden kann. Unter Umständen sind weitere Voraussetzungen zu erfüllen, um den Vorteil der Bilanzierung beim Leasinggeber ausnutzen zu können. Hierbei liegen die Risiken des Eigentums am Objekt und das Investitionsrisiko beim Leasingnehmer, der meist auch für die Versicherung des Objekts zum Neuwert aufkommen muss. espresso-Verständnis | Vertragsrechtliche Grundlagen stellen die (steuerrechtlichen) Leasingerlasse von Anfang der Siebzigerjahre des 20. Jahrhunderts dar. Da der Leasingnehmer das Investitionsrisiko (Wartung, Instandhaltung usw.) weitgehend trägt, übernimmt der Lea‐ singgeber beim Financial-Leasing eine reine Finanzierungsfunktion. Je nachdem, ob sich das Leasingobjekt für den Leasinggeber durch die vertrag‐ liche Beziehung zum Leasingnehmer mittels dessen Leasingraten „amortisiert“, wird zwischen Voll- und Teilamortisationsverträgen unterschieden. • Beim Vollamortisationsvertrag („Full-pay-out“-Vertrag) decken die Leasingzahlungen während der unkündbaren Grundmietzeit alle Kosten der Leasinggesellschaft (einschließlich deren Gewinn), während beim Teilamortisationsvertrag die Kosten nur teilweise gedeckt werden und der Restbetrag durch eine Wiedervermietung oder den Verkaufser‐ lös des Leasingobjekts ausgeglichen werden muss. Der Leasingnehmer wird gewöhnlich am Risiko des Ausgleichs des Restbetrages beteiligt. Dies kann in Form eines anschließenden Andienungsrechtes erfolgen, bei dem der Leasingnehmer sich verpflichtet, das Leasingobjekt zu einem vorher vereinbarten - eventuell nicht mehr marktgerechten - Preis (Restwert) zu kaufen. Eine weitere Form stellt die Differenzausgleichsverpflichtung dar, bei der der Leasingnehmer die Differenz des Restwertes gegenüber einem niedrigeren Verkaufserlös ausgleichen muss. Bei einem höheren 5.2 Leasing 81 <?page no="83"?> 25 Vgl. Wöhe, G., Döring, U. und Brösel, G. (2023), Einführung in die Allgemeine Betriebs‐ wirtschaftslehre, S.-562. Verkaufswert wird die Differenz üblicherweise zwischen dem Leasinggeber und -nehmer nach einem vorher festgelegten Anteil aufgeteilt. Beliebte Leasingobjekte sind Fahrzeuge, Produktionsanlagen und Immo‐ bilien. Der Leasinggeber ist der Vermieter des Leasingobjektes, das bedeutet sowohl juristisch als auch wirtschaftlich bleibt er der Eigentümer des Anlagegegenstandes. Nach Ablauf der vereinbarten Leasingdauer (Grund‐ mietzeit), kann es für den Leasingnehmer folgende Möglichkeiten geben: • den Leasinggegenstand zurück geben oder • er hat eine Kaufoption, d. h. das Recht zum Erwerb des Leasingobjekts zu einem „Vorzugspreis“ oder • er hat eine Mietverlängerungsoption, d. h. das Recht zur Weiternutzung zu einer reduzierten Leasingrate. 25 Die bilanzielle Zuordnung von Leasinggegenständen in Form von Vollamorti‐ sationsverträgen nach Handels- und Steuerrecht zeigt die folgende Übersicht: Abb. 19: Bilanzierung von Vollamortisationsverträgen nach Handels- und Steuerrecht 82 5 Kreditsubstitute <?page no="84"?> 26 Vgl. Wöltje, J. (2022), Investition und Finanzierung, S.-445 f. Die Zuordnung von beweglichen Leasinggegenständen des Financial-Lea‐ sings in Form von Teilamortisationsverträgen zeigt die folgende Übersicht: Abb. 20: Bilanzierung von beweglichen Leasinggegenständen bei Teilamortisationsverträ‐ gen espresso-Verständnis | Leasing ermöglicht es den Unternehmen ihre Investitionen und ihre Kapazitätserweiterungen, ohne den Einsatz eigener Mittel zu tätigen. Es bietet somit eine gute Alternative zum klassischen Kredit. Häufig wird Leasing auch in Kombination mit entsprechenden Serviceleistungen wie Wartungen und einer Versiche‐ rung angeboten. Vor allem bei der Anschaffung von Kraftfahrzeugen ist das Leasing mittler‐ weile ein wichtiges Finanzierungsinstrument. Man versteht darunter ein für einen festgelegten Zeitraum abgeschlossenes Miet- oder Pachtverhältnis zwischen Leasingnehmer und Leasinggeber. Im Normalfall ist zwischen dem Hersteller eines Leasingobjektes und dem Leasingnehmer eine Leasingge‐ sellschaft geschaltet. 26 Als Form der Außenfremdfinanzierung, sollte ein Leasinggeschäft vor Abschluss mit den Kosten einer Kreditfinanzierung verglichen werden. 5.2 Leasing 83 <?page no="85"?> Obwohl die Kreditfinanzierung häufig günstiger ist, ergeben sich durch das Leasing einige Vorteile, die es deshalb mit den Kosten abzuwiegen gilt. Vorteilhaft ist u. a. die einfachere Möglichkeit eine größere Anschaffung zu tätigen und die Möglichkeit nach einer Grundmietdauer eine neuere Version des Leasingobjektes anzuschaffen und damit dem technischen Fortschritt zu folgen. In der Regel bilanziert der Leasinggeber das Leasingobjekt bei sich als sein Eigentum. Somit kann das Unternehmen als Leasingnehmer die Leasingra‐ ten in voller Höhe als steuerlichen Aufwand behandeln. Außerdem führt dies zu keiner Bilanzverlängerung, da das Leasingobjekt nicht aktiviert und auch keine Leasingverbindlichkeit passiviert werden müssen. Allerdings ist das Unternehmen durch die fixen Leasingraten, die meist eine hohe Belastung darstellen, stark gebunden, da diese Zahlungen immer geleistet werden müssen. Die Vorteile und Nachteile des Leasings werden im Folgenden beschrie‐ ben. Vorteile des Leasings • Nach Ablauf der Grundmietzeit kann ein neuer Gegenstand mit mo‐ dernster Technologie geleast werden. Überalterungen der Anlagen kön‐ nen vermieden werden. • Durch Operating-Leasing mit kurzen Laufzeiten auch unter einem Jahr hat ein Betrieb die Möglichkeit seine Kapazitäten kurzfristig auszuwei‐ ten oder Anlagegenstände projektbezogen anzumieten, z.-B. Lkw. • Bei Vollservice-Leasing sind die Leasingraten zwar höher, aber das Unternehmen spart erhebliche Verwaltungskosten. • Freie Liquidität kann für die Finanzierung des Umlaufvermögens ge‐ nutzt werden. • Die Kreditlinien bei den Banken zur Fremdfinanzierung bleiben erhalten und die Kreditsicherheiten sowie Beleihungsgrenzen bleiben unberührt. • Bilanzneutralität, wenn das Leasingobjekt dem Leasinggeber zugerech‐ net wird, steht es beim Leasingnehmer nicht in der Bilanz, ebenso wenig wie die Verpflichtungen aus dem Leasingvertrag. 84 5 Kreditsubstitute <?page no="86"?> 27 Altmann, J. & Geßner, F. (2018), Gabler Wirtschaftslexikon - Forfaitierung. Nachteile des Leasings • Die Nebenkosten für Dienst- und Serviceleistungen können sehr hoch sein. • Leasing ist in der Regel teurer als ein Kauf in Verbindung mit einer Finanzierung. • Da der Leasingnehmer während der Grundmietzeit nicht kündigen kann, wird sein unternehmerischer Entscheidungsspielraum einge‐ schränkt. • Die zu zahlenden Leasingraten während der Grundmietzeit können bei nachlassender Auftragslage zu Liquiditätsengpässen führen. 5.3 Forfaitierung Forfaitierung ist ebenfalls eine Finanzierungsform, die starke Ähnlichkeiten mit dem echten Factoring aufweist. Sie wird im Auslandsgeschäft ange‐ wandt und betrifft Exportforderungen. „Aus der Sicht von Exporteuren ist Forfaitierung der im Allgemeinen regresslose Verkauf einzelner mittelbis langfristiger Exportforderungen an Forfaitierungs‐ gesellschaften oder an forfaitierende Kreditinstitute (Forfaiteure). Der Ausdruck „à forfait“ bedeutet, dass die Forderungen als Ganzes (in „Bausch und Bogen“), d.-h. mit allen Risiken von den Forfaiteuren angekauft werden.“ 27 espresso-Wissen | Unter Forfaitierung wird der regresslose Ankauf von noch nicht fälligen, primär kurz- und mittel- (teilweise auch langfristigen) Buch- oder Wechselforderungen aus Warenlieferungen und Dienstleistungen durch die Bank oder den Forfaiteur verstanden. „Regresslos“ bedeutet, dass die Bank oder der Forfaiteur im Falle eines Forderungsausfalls keinen Rückgriff auf den Verkäufer oder Forfaitisten hat. Im Unterschied zum Factoring ist der Verkauf einzelner Forderungen mög‐ lich. Zudem entfällt bei der Forfaitierung die Dienstleistungsfunktion des Factorings. 5.3 Forfaitierung 85 <?page no="87"?> 28 Perridon, L., Steiner, M., Rathgeber, A. (2022), Finanzwirtschaft der Unternehmung, S.-527. 29 Gräfer, H., Schiller, B., Rösner, S. (2014), Finanzierung, S.-192. 30 Wöltje, J. (2022), Investition und Finanzierung, S.-497. 31 Gräfer, H., Schiller, B., Rösner, S. (2014), Finanzierung, S.-193. In diesem Zusammenhang bedeutet „regresslos“, dass der Forfaiteure ebenso wie der Factor das Ausfallrisiko der angekauften Forderungen übernimmt und im Falle eines Forderungsausfalls nicht auf den Exporteur zurückkommen kann, um Schadensersatzforderungen geltend zu machen. Daraus folgt, dass für die Forfaitierung nur erstklassige Forderungen in Betracht gezogen werden können, die zudem durch Bankakzept, Bankgaran‐ tie, Staatsgarantie oder Staatsbürgschaften gesichert sind. 28 Im Gegensatz zum Factoring bietet die Forfaitierung keine weiteren Dienstleistungen an, die über die Finanzierungs- und Kreditsicherungsfunktion hinaus gehen. Jedoch übernimmt er bei Ankauf der Forderung das wirtschaftliche und auch politische Risiko im Land des Importeurs. 29 Zum besseren Verständnis werden die Unterschiede zwischen Facto‐ ring und Forfaitierung in der nachfolgenden Tabelle zusammenfassend dargestellt. Factoring Forfaitierung Ankauf und Verwaltung von kurzfristi‐ gen Forderungen Ankauf von mittel- und langfristigen Exportforderungen Ankauf von mehreren Forderungen in einem bestimmten Zeitraum Ankauf von Einzelforderungen zu ei‐ nem bestimmten Zeitpunkt Die Übernahme des Delkredererisiko ist eine zusätzliche Dienstleistung Die Übernahme des Ausfallrisikos durch den Forfaiteure ergibt sich aus dem Ankauf der Forderungen ohne Re‐ gress Übernahme der Debitorenbuchhaltung, des Mahnwesens und des Inkassos Keine Übernahme der Debitorenbuch‐ haltung, des Mahnwesens und des In‐ kassos Tab. 9: Unterschied zwischen Factoring und Forfaitierung 30 Die nachfolgende Abbildung zeigt den schematischen Ablauf der Forfaitie‐ rung und stellt die Beziehungen der Beteiligten untereinander dar. 31 86 5 Kreditsubstitute <?page no="88"?> Abb. 21: Ablauf der Forfaitierung 1. Zwischen Importeur und Exporteur wird ein Zahlungsziel aufgrund des Liefervertrages vereinbart. 2. Zwischen Exporteur und der Exporteur-Bank (= Forfaiteure) wird der Forfaitierungsvertrag geschlossen. 3. Exporteur sendet die Ware an den Importeur. 4. Die Importeur-Bank verrichtet Avalleistung und versendet die avalier‐ ten Wechsel an den Importeur oder den Exporteur. 5. Forfaiteure bekommt die im Vertrag zugesicherten Dokumente vom Exporteur. 6. Die Exporteur-Bank zahlt den Forfaitierungsbetrag an den Exporteur und legt den Wechsel bei der Importeur-Bank vor. 7. Es erfolgt die Gutschrift des Forderungsbetrages auf das Konto der Exporteur-Bank bei Fälligkeit. espresso-Verständnis | Die Forfaitierung eignet sich für Außenhan‐ delsgeschäfte über Investitionsgüter oder langlebige Vermögensge‐ genstände, die mit Importeuren in anderen Ländern abgeschlossen werden und auf Wechselbasis laufen. 5.3 Forfaitierung 87 <?page no="90"?> 6 Mezzanine Finanzinstrumente espresso-Wissenscheck | https: / / narr.kwaest.io/ s/ 1273 espresso-Keywords | hybrides Kapital, nachrangiges Darlehen, Wan‐ delanleihen, Optionsanleihen, Going-public-Anleihen, Genussschein, Genussrecht, partiarisches Darlehen Was erwartet mich in diesem Kapitel? Die Mezzanine-Finanzie‐ rung bezeichnet eine Finanzierungsmischform. Hier handelt es sich um eine Form der Außenfinanzierung. Wofür benötige ich das Wissen? Als „Mezzanine“ wird in der Ar‐ chitektur ein Zwischengeschoss bezeichnet. Unter Mezzanine-Kapital versteht man eine hybride Finanzierungsform aus Eigen- und Fremdka‐ pitalanteilen. Mezzanine bedeutet hierbei eine Finanzierungsform, die „zwischen“ Rendite und Risiko, also zwischen Eigen- und Fremdkapital, zuzuordnen ist. espresso-Verständnis | Das Mezzanine-Kapital ist hybrides Kapital und inhaltlich zwischen Eigen- und Fremdkapital anzusiedeln. Mez‐ zanine-Finanzierungsformen dienen dazu, mögliche Finanzierungslü‐ cken zu schließen. Hierbei wird vom Kapitalnehmer angestrebt, die Vertragsbedingungen in einer Weise zu gestalten, dass mit dem Mezzanine-Kapital handelsrechtlich eine Zurechnung zum Eigenkapital erreicht wird, damit das Kapital in Ratings bei Banken als wirtschaftliches Eigenkapital betrachtet wird, aber steuerrechtlich hingegen dem Fremdkapital zugerechnet wird. Das Mezza‐ nine-Kapital ist unabhängig von der Rechtsform eines Unternehmens und i. d. R. zeitlich auf ca. sechs bis zehn Jahre befristet. Die Vorteilhaftigkeit liegt vor allem in der zur Finanzierungssituation und dem Cashflow passenden flexiblen Ausgestaltungmöglichkeit. <?page no="91"?> Eigenschaften von Mezzanine-Kapital sind: • Nachrangigkeit gegenüber Fremdkapital, • Vorrangigkeit gegenüber haftenden Eigenkapital, • die Verzinsungsansprüche liegen zwischen denen des Fremd- und des Eigenkapitals, • kein oder nur geringes Mitspracherecht der Kapitalgeber, • zeitliche Befristung für in der Regel sechs bis zehn Jahre, • Steuervorteil. Zu den verschiedenen Mezzaninen-Finanzierungsformen gehören: • das Senior Mezzanine-Kapital mit Fremdkapitalausrichtung, • das hybride Mezzanine-Kapital als Zwischenform und • das Junior Mezzanine-Kapital mit Eigenkapitalausrichtung. Die folgende Tabelle zeigt die verschiedenen Mezzanine-Finanzierungsfor‐ men: Senior Mezzanine Hybride Mezzanine Junior Mezzanine • Nachrangdarlehen • Verkäuferdarlehen • Partiarisches Darle‐ hen • typisch stille Gesell‐ schaft • Wandelanleihen • Optionsanleihen • Going-public-Anlei‐ hen • Genussrechte • Genussscheine • atypisch stille Ge‐ sellschaft Die folgende Übersicht stellt die verschiedenen Mezzanine-Finanzinstru‐ mente nach ihrer möglichen Platzierbarkeit am Kapitalmarkt und einer Privatplatzierung gegenüber. Das Mezzanine-Kapital kann grundsätzlich unter Mitwirkung eines Bankenkonsortiums am Kapitalmarkt oder über ausgewählte Investoren (privat), die dem Unternehmen Kapital zur Verfü‐ gung stellen, beschafft werden. Die Genussrechte/ -scheine können sowohl als Kapitalmarktinstrumente als auch als Privatplatzierungsinstrumente strukturiert werden. Sehen Sie zur Platzierung des Mezzanine-Kapitals folgende Übersicht: 90 6 Mezzanine Finanzinstrumente <?page no="92"?> Mezzanine-Kapital privat platziert kapitalmarktorientiert Stille Beteili‐ gung Einlage gegen Ge‐ winnbeteiligung typisch: Informations-/ Zu‐ stimmungsrechte atypisch: Mitunter‐ nehmerschaft; Beteili‐ gung an stillen Reser‐ ven Genuss‐ schein/ Genussrecht Der Genussschein ist die verbriefte Form ei‐ nes Genussrechts; ist gesetzlich nicht gere‐ gelt und damit ein sehr flexibles Instru‐ ment; der Inhaber ei‐ nes Genussscheines ist nur Gläubiger und hat keine Mitgliedschafts‐ rechte Verkäufer‐ darlehen Kaufpreisstundung des Unternehmens‐ verkäufers Wandelan‐ leihe Geringe Anleihever‐ zinsung, dafür aber Wandlungsrecht Nachrangiges Darlehen Nachrangigkeit des Mezzanine-Gläubigers gegenüber den vorran‐ gig besicherten Gläu‐ bigern Optionsan‐ leihe Im Gegensatz zur Wandelanleihe ist das Optionsrecht von der Anleihe trennbar Partiarisches Darlehen Ein gewinnbeteiligtes Darlehen, welches ein Unternehmen von ih‐ ren Gesellschaftern er‐ hält. Going-pu‐ blic-Anleihe (werden von Unternehmen begeben, die mittelfristig einen Börsen‐ gang planen) Geplanter Börsengang in der Laufzeit der An‐ leihe; Bezugsrecht von jungen Aktien; Going-public-Anlei‐ hen sind Options- oder Wandelanleihen, die ihre Besitzer be‐ rechtigen, Aktien aus dem zukünftigen Bör‐ sengang zu beziehen. Tab. 10: Übersicht der Mezzaninen-Finanzinstrumente bzgl. ihrer Platzierbarkeit 6 Mezzanine Finanzinstrumente 91 <?page no="94"?> 7 Beteiligungsfinanzierung espresso-Wissenscheck | https: / / narr.kwaest.io/ s/ 1274 espresso-Keywords | Bareinlage, Sacheinlage, Gewinnthesaurierung, Kapitalerhöhung, stille Gesellschaft, Venture Capital, Bezugsrecht, Be‐ zugspreis, Mittelkurs Was erwartet mich in diesem Kapitel? Wofür benötige ich das Wissen? Bei der Beteiligungsfinanzierung, auch als Einlagenfinanzierung bezeich‐ net, wird einem Unternehmen Eigenkapital von außen zugeführt. Die Einlagenfinanzierung kann durch vorhandene oder neu hinzugekommene Eigentümer/ Gesellschafter mithilfe von Geldeinlagen, Sacheinlagen oder dem Einbringen von Rechten erfolgen. Es gibt folgende Arten der Beteili‐ gungsfinanzierung: Arten der Beteiligungsfinanzierung Bareinlage Sacheinlage Bereitstellung von Rechten Erhöhung des Eigenkapi‐ tals durch Zuführung von finanziellen Mitteln Erhöhung des Eigenkapi‐ tals durch Zuführung von Sacheinlagen wie z.-B. Kfz, Waren, Maschinen, Grundstücke etc. Erhöhung des Eigenkapi‐ tals durch Überlassung von Rechten in Form von Patenten, Marken, Lizen‐ zen oder EDV-Program‐ men Tab. 11: Arten der Beteiligungsfinanzierung espresso-Verständnis | Die Beteiligungsfinanzierung ist dadurch gekennzeichnet, dass die Eigentümer (Anteilseigner) des Unterneh‐ mens (weiteres) Eigenkapital dem Unternehmen zur Verfügung stellen (Beteiligungsfinanzierung). Eigenkapitalgeber partizipieren am Erfolg des Unternehmens (Gewinn und Verlust). <?page no="95"?> Die Rechtsform des Unternehmens hat einen starken Einfluss auf die Mög‐ lichkeiten der Beteiligungsfinanzierung. Generell ist bei der Beteiligungsfi‐ nanzierung zu unterscheiden zwischen: • Nicht emissionsfähige Unternehmen (z. B. Einzelunternehmen, Personengesellschaften, GmbH) stehen vor einem Dilemma. Bei Finan‐ zierung aus einem - geschlossenen Gesellschafterkreis ist die Möglichkeit der Ei‐ genkapitalzuführung auf die bisherigen Gesellschafter beschränkt, - offenen Gesellschafterkreis können neue zusätzliche Eigenka‐ pitalquellen erschlossen werden. In einem solchen Fall müssen aber in der Regel die Stimmrechte und die Leitungskompetenzen mit den neu hinzutretenden Gesellschaftern geteilt werden. Dies betrifft z. B. Kapitalbeteiligungsgesellschaften oder Venture Capi‐ tal Gesellschaften. • Emissionsfähige Unternehmen (börsennotierte AG, KGaA oder SE) können börsennotierte Aktien ausgeben. Die folgende Abbildung zeigt die Formen der Beteiligungsfinanzierung: Abb. 22: Formen der Beteiligungsfinanzierung Die Rechtsform hat großen Einfluss auf die Art und die Methoden der Eigenkapitalbeschaffung. Die folgende Tabelle zeigt - abhängig von der Rechtsform der Unternehmen - die Möglichkeiten der nominellen Eigenka‐ pitalerhöhung: 94 7 Beteiligungsfinanzierung <?page no="96"?> Einzelkaufleute und Personenge‐ sellschaften • Gewinnthesaurierung • Einlage aus dem Privatvermögen • Aufnahme neuer Gesellschafter (nur bei Personen‐ gesellschaften) • Aufnahme stiller Gesellschafter Kapital‐ gesell‐ schaften AG KGaA SE • ordentliche Kapitalerhöhung • bedingte Kapitalerhöhung • genehmigte Kapitalerhöhung • Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln: Um‐ wandlung von Rücklagen in Grundkapital ohne Zuführung von zusätzlichen Finanzmitteln GmbH • ordentliche Erhöhung des Stammkapitals (gegen Einlagen) • Abruf von Nachschüssen • (nominelle) Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmit‐ teln Eingetragene Ge‐ nossenschaft (eG) • Gewinngutschrift aus Geschäftsguthaben • Übernahme weiterer Gesellschaftsanteile durch bis‐ herige Mitglieder • Aufnahme neuer Mitglieder Tab. 12: Möglichkeiten einer nominellen Eigenkapitalerhöhung 7.1 Beteiligungsfinanzierung nicht emissionsfähiger Unternehmen espresso-Verständnis | Nicht emissionsfähige Unternehmen finan‐ zieren sich durch Einlagen ihrer Gesellschafter. Als Einzelunterneh‐ mer oder Gesellschafter bei Personengesellschaften können nur natür‐ liche Personen (Ausnahmen: GmbH & Co. KG oder GmbH & Co. OHG) und bei der GmbH zusätzlich auch juristische Personen auftreten. Die Möglichkeit zur Beteiligungsfinanzierung im engeren Sinne, also das Beschaffen neuer finanzieller Mittel über das Einwerben neuer Gesellschaf‐ ter, ist abhängig von der Attraktivität der eigenen Gesellschaft und von der Bereitschaft der Altgesellschafter zur Aufnahme neuer Gesellschafter. Die Bereitschaft ist nicht zwingend gegeben, da sich mit der Aufnahme neuer Gesellschafter die Vermögens- und Stimmrechtsverhältnisse ändern. 7.1 Beteiligungsfinanzierung nicht emissionsfähiger Unternehmen 95 <?page no="97"?> 32 Vgl. Kußmaul, H. (2022), Betriebswirtschaftslehre, S.-111. Beteiligungsgesellschaften oder private Geldgeber stellen mittelständi‐ schen oder technologieorientierten Unternehmen für ihre Wachstumsfinan‐ zierung Beteiligungskapital ohne bankübliche Sicherheiten zur Verfügung - allerdings nur, wenn die Aussicht besteht, dass sie mit einer entsprechend hohen Rendite ein paar Jahre später wieder aus dem Engagement aussteigen können. espresso-Wissen | Unter Beteiligungskapital versteht man Eigenka‐ pital oder eigenkapitalähnliche Mittel, die als Beteiligung (direkte oder stille) bzw. eigenkapitalähnliche Darlehen (…) außerhalb des organisier‐ ten Kapitalmarktes in Unternehmen eingebracht werden. Beteiligungskapital wird auch als „Private Equity" bezeichnet und steht für den gesamten Markt des privaten Kapitals. Dieses stammt von öffentlichen oder privaten Institutionen bzw. von Einzelpersonen, die direkt oder indirekt über eine Beteiligungsgesellschaft als Investoren auftreten. Stille Beteiligung Diese Form von Beteiligungsfinanzierung ist an die Rechtsform der stillen Gesellschaft gebunden. espresso-Verständnis | Die stille Gesellschaft ist eine reine Innen‐ gesellschaft, daher erfolgt auch keine Eintragung ins Handelsregister. Die Geldgeber einer stillen Gesellschaft treten nach außen, d.-h. gegenüber Gläubigern, Kunden, der Belegschaft und der Öffentlichkeit nicht hervor. Die stillen Gesellschafter partizipieren jedoch als stille Teilhaber an der wirtschaftlichen Entwicklung des Unternehmens. 32 In der Bilanz erscheint die Beteiligung nicht explizit, sondern wird als Teil des Eigenkapitals des Inhabers ausgewiesen. Die Haftung des stillen Gesellschafters im Verlustfall beschränkt sich üblicherweise auf die Höhe seiner Kapitaleinlage. 96 7 Beteiligungsfinanzierung <?page no="98"?> 33 Vgl. Perridon, L. et al. (2022), Finanzwirtschaft der Unternehmung, S.-439. Gemäß § 231 Abs. 2 HGB ist der stille Gesellschafter angemessen am Gewinn zu beteiligen. Beim Ausscheiden des Gesellschafters unterscheidet man zwischen einem typischen und atypischen stillen Gesellschafter. Bei letzterer Form wird der stille Gesellschafter am Vermögenszuwachs des Betriebs beteiligt und als Mitunternehmer angesehen, während der typische stille Gesellschafter nur den nominellen Anteil seiner Beteiligung erhält. 33 Man entscheidet anhand der im Gesellschaftsvertrag getroffenen Verein‐ barungen zwischen der typischen und der atypischen Form der stillen Beteiligung. Die Unterschiede sind in der folgenden Abbildung dargestellt: Abb. 23: Unterschiede zwischen der typisch und atypisch stillen Gesellschaft Venture Capital Venture Capital wird oft als Synonym für Risiko- und Wagniskapital be‐ zeichnet. espresso-Verständnis | Venture Capital Gesellschaften konzen‐ trieren sich hauptsächlich darauf, junge und innovative Unternehmen in Hightech-Bereichen mit zeitlich begrenzten Kapitalbeteiligungen 7.1 Beteiligungsfinanzierung nicht emissionsfähiger Unternehmen 97 <?page no="99"?> zu unterstützen. Die Kapitalgeber dieser Venture Capital Gesellschaf‐ ten gehen hohe Risiken ein, um vielversprechende Innovationen zu fördern, in der Hoffnung auf beträchtliche Gewinne im Erfolgsfall. Sie begleiten die Unternehmen über einen längeren Zeitraum, um ihre Entwicklung zu unterstützen und einen maximalen Return on Investment zu erzielen. Je nach Einstiegsphase dauert die Partnerschaft zwischen drei und acht Jahren. Die Venture Capital Gesellschaft möchte während des Beteiligungs‐ zeitraums durch die erhoffte Wertsteigerung der Beteiligung ihren beab‐ sichtigten Gewinn erzielen. Weiterhin zeichnen sich diese Gesellschaften dadurch aus, dass sie an junge Unternehmen Wissen, beispielsweise Ma‐ nagement-Know-how, weitergeben. In der Desinvestitionsphase verkauft die Venture Capital Gesellschaft ihren Anteil, wenn das Geschäft gut ange‐ laufen ist, mit kräftigem Gewinn bei einem Börsengang („Going-public"). Eigenschaften von Venture Capital Venture Capital ist durch folgende Merkmale gekennzeichnet: • Finanzierung durch voll haftendes Eigenkapital, • Minderheitsbeteiligung der Kapitalgeber, sodass Jungunternehmen ih‐ ren selbständigen Charakter beibehalten, • Zeitlich begrenztes Engagement (drei bis acht Jahre). Ziel ist der Verkauf der Beteiligung (Exit) von einem dann etablierten Unternehmen, • Kontroll- und Mitspracherechte für Kapitalgeber, • Venture Capital Gesellschaften unterstützen mit Beratungs- und Betreu‐ ungsfunktionen, • Kapitalnehmer sind nicht börsenreife Jungunternehmen. 7.2 Beteiligungsfinanzierung emissionsfähiger Unternehmen espresso-Wissen | Emissionsfähige Unternehmen, wie z. B. die Aktien‐ gesellschaft (AG) oder die Kommanditgesellschaft auf Aktien (KGaA) können von außen hohe Eigenkapitalbeträge über den organisierten Kapitalmarkt aufnehmen, indem sie Aktien ausgeben (emittieren). 98 7 Beteiligungsfinanzierung <?page no="100"?> Eine Aktie ist ein Wertpapier, das den Anteil an einer Aktiengesellschaft verbrieft. Sie stellt einen Bruchteil des Grundkapitals (= gezeichnetes Kapi‐ tal) dar. Formen der Kapitalerhöhung bei Aktiengesellschaften Unternehmen mit Börsenzutritt können sich Eigenkapital über die Ausgabe (Emission) von Aktien beschaffen. Eine Aktie ist ein Wertpapier, das der Beteiligungsfinanzierung dient und das Mitgliedschaftsrecht des Aktionärs verbrieft. Aus verschiedenen Anlässen kann der Vorstand einer AG der Hauptversammlung die Erhöhung des Grundkapitals vorschlagen. Eine Kapitalerhöhung umzusetzen, ist auf verschiedene Arten möglich. Im folgenden Schaubild sind die verschiedenen Formen der Kapitalerhöhung nach dem deutschen Aktienrecht dargestellt. Abb. 24: Formen der Kapitalerhöhung Voraussetzung für die Durchführung einer Kapitalerhöhung ist die Zu‐ stimmung der Mitglieder der Hauptversammlung mit mindestens Dreivier‐ telmehrheit. 7.2 Beteiligungsfinanzierung emissionsfähiger Unternehmen 99 <?page no="101"?> 1. Ordentliche Kapitalerhöhung (§§ 182-191 AktG): Sie ist die übliche Form der Erhöhung des gezeichneten Kapitals. Es werden junge Aktien ausgegeben, um die Eigenkapitalbasis der Gesell‐ schaft zu erhöhen, gegen Leistung einer Einlage bei Gewährung des Bezugsrechtes an die Altaktionäre. 2. Bedingte Kapitalerhöhung (§§ 192-201 AktG): Es handelt sich um eine „ungewisse Kapitalerhöhung“ in der Zukunft, da sie von den Entscheidungen Dritter abhängig ist und bei der das Bezugsrecht der Altaktionäre gesetzlich ausgeschlossen ist. Das Grund‐ kapital wird erst mit der Ausgabe der Bezugsaktie erhöht. Sie hat den Zweck mögliche Aktienbezugsansprüche Dritter durch die Ausgabe neuer Aktien zu erfüllen. Zulässig zur Abdeckung der Umtauschrechte bei Wandel-/ Optionsanleihen, zur Vorbereitung von Unternehmenszu‐ sammenschlüssen sowie zur Gewährung von Bezugsrechten an Arbeit‐ nehmer und die Mitglieder der Geschäftsführung im Rahmen von Mitarbeiterbeteiligungsprogrammen. Der Nennbetrag des bedingten Kapitals darf die Hälfte des Grundkapitals nicht überschreiten. 3. Genehmigte Kapitalerhöhung (§§ 202-206 AktG): Der Vorstand wird von der Hauptversammlung ermächtigt, für eine Dauer von maximal fünf Jahren das Grundkapital der Gesellschaft um einen bestimmten Nennbetrag (= genehmigtes Kapital) durch Ausgabe neuer Aktien zu erhöhen. Jedoch darf das genehmigte Kapital 50 % des bisherigen Grundkapitals nicht übersteigen und die Kapitalerhöhung darf anschließend nur mit Zustimmung des Aufsichtsrates durchgeführt werden. 4. Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln (§§ 207-220 AktG): Erhöhung des Grundkapitals aus Gesellschaftsmitteln durch Umwand‐ lung von offenen Gewinn- und Kapitalrücklagen in Grundkapital (ge‐ zeichnetes Kapital), d.- h. es fließen keine zusätzlichen Finanzmittel zu. Im Gegensatz zu 1. bis 3. findet kein Liquiditätszufluss statt.- Beispiel: Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln Bei einer Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln werden Gewinn‐ rücklagen oder Kapitalrücklage in Grundkapital umgewandelt. Dies führt zu einer Änderung der Zusammensetzung des Eigenkapitals. Das Vermögen des einzelnen Aktionärs bleibt von der Kapitalerhöhung aus 100 7 Beteiligungsfinanzierung <?page no="102"?> Gesellschaftsmitteln unberührt, da der Aktienkurs proportional zur Erhöhung der Aktienzahl sinkt. Es werden die Effekte einer Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln im Verhältnis 1: 1 in der folgenden Abbildung dargestellt. - Vor der Erhöhung Nach der Erhöhung Bilanz-Effekt Grundkapital Zahl der Aktien Rücklagen Eigenkapital 20.000.000 € 200.000 Aktien 30.000.000 € 50.000.000 € 40.000.000 € 400.000 Aktien 10.000.000 € 50.000.000 € GuV-Effekt Gewinn Gewinn/ Aktie 4.000.000 € 20 €/ Aktie 4.000.000 € 10 €/ Aktie Markt-Effekt KGV Kurs 10 200 10 100 Bezugsrecht bei Kapitalerhöhung Der Bezugspreis von neuen Aktien ist im Allgemeinen niedriger als der Bör‐ senkurs der alten Aktien. Das Bezugsrecht erhält somit einen rechnerischen Wert, weil der Inhaber der neuen Aktien genauso am Vermögen beteiligt ist wie der Inhaber der alten Aktie. espresso-Wissen | Das Bezugsrecht ist ein Recht der Altaktionäre auf den Bezug neuer Aktien im Rahmen einer Kapitalerhöhung. Das Bezugsrecht schützt den Altaktionär vor einer Kapitalverwässerung. Möchte ein Altaktionär sein Recht auf den Erwerb von neuen Aktien nicht ausüben, kann er sein Bezugsrecht während der Dauer des Bezugs‐ rechtshandels an der Börse verkaufen. Das Bezugsverhältnis gibt das Verhältnis zwischen dem bisherigen Grund‐ kapital (gezeichnetes Kapital) und der Grundkapitalerhöhung wieder und zeigt, wie viele alte Aktien zum Bezug einer neuen Aktie notwendig sind. Bei einer Erhöhung des Grundkapitals um beispielsweise 20 % ergibt sich ein Bezugsverhältnis von 5 : 1, d. h., bei einem Besitz von fünf alten Aktien kann eine neue (junge) Aktie erworben werden. 7.2 Beteiligungsfinanzierung emissionsfähiger Unternehmen 101 <?page no="103"?> Das Bezugsverhältnis wird wie folgt berechnet: Bezugsverhältnis = bisheriges Grundkapital Grundkapitalerhöhung oder Anzahl alter Aktien Anzahl neuer Aktien Das Grundkapital können Sie folgendermaßen ermitteln: Grundkapital = (Anzahl der Aktien) x (Nennwert einer Aktie) Ermittlung des rechnerischen Werts des Bezugsrechts mit der Bezugs‐ rechtsformel: Wert des Bezugsrechts BR = Kurs Altaktie − Ausgabepreis neue Aktie Bezugsverhältnis + 1 Wert des Bezugsrechts (BR) = K alt − K neu a n + 1 oder Wert des Bezugsrechts = Kurs Altaktie - neuer Mittelkurs Berechnung des rechnerischen neuen Mittelkurses: K mittel = K alt × a + K neu × n a + n BR = rechnerischer Wert des Bezugsrechts einer alten Aktie K alt = Kursnotierung der alten Aktien vor Kapitalerhöhung K mittel = neuer Mittelkurs (Mischkurs) nach der Kapitalerhöhung K neu = Ausgabepreis (Emissionskurs) der neuen Aktien a = Anzahl alte Aktien n = Anzahl neue (junge) Aktien Beispiel: Berechnung des neuen Mittelkurses und des Werts des Bezugsrechts Die IMTM AG hat eine Kapitalerhöhung im Verhältnis 3: 1 (von 150 € Mio. Grundkapital auf 200 € Mio.) beschlossen. Der aktuelle Börsenkurs liegt bei 50 €/ Aktie, während der Bezugskurs der jungen Aktie 45-€/ Aktie beträgt. Der Nennwert der Aktien beträgt 1-€/ Aktie. 102 7 Beteiligungsfinanzierung <?page no="104"?> Der neue Mittelkurs (K mittel ) (= rechnerischer Börsenkurs für die alten und neuen Aktien) für den Tag nach der Emission wird wie folgt errechnet: K mittel = K alt × a + K neu × n a + n K mittel = 50€/ Aktie × 150 Mio. Aktien + 45€/ Aktie × 50 Mio. Aktien 150 Mio. Aktien + 50 Mio. Aktien = 48,75 €/ Aktie Die Differenz aus dem neuen Mittelkurs nach der Kapitalerhöhung und dem alten Kurswert ergibt den Werteverlust der Altaktionäre bei einer Kapitalerhöhung ohne Bezugsrecht. In diesem Beispiel wären es 1,25 € Verlust je gehaltener Aktie. Wertverlust je Aktie = 48,75-€/ Aktie - 50,00-€/ Aktie = -1,25 €/ Aktie Die Neuaktionäre hingegen hätten beim Kauf von Aktien nach der Kapitalerhöhung einen Wertzuwachs von 3,75-€ je Aktie. Wertzuwachs für Neuaktionäre = 48,75 €/ Aktie - 45,00 €/ Aktie = 3,75 €/ Aktie Daran wird die Bedeutung des Bezugsrechts ersichtlich, es stellt ein Instrument zum Schutz der Altaktionäre dar. Der Wertverlust bei den Altaktionären wird durch das Bezugsrecht für die Altaktionäre kompensiert. Der rechnerische Wert des Bezugsrechts (BR) wird folgt ermittelt: BR = Kurs Altaktie − Ausgabepreis neue Aktie Bezugsverhältnis + 1 = K alt − K neu a n + 1 Wert des Bezugsrechts BR = 50€/ Aktie − 45€/ Aktie 150 Mio. Aktien 50 Mio. Aktien + 1 = 1,25€/ Aktie Der rechnerische Wert des Bezugsrechts (BR) der Altaktionäre hat einen Wert von 1,25-€ je Aktie. Rechnerischer Wert des Bezugsrechts (BR) mit Dividendennachteil 7.2 Beteiligungsfinanzierung emissionsfähiger Unternehmen 103 <?page no="105"?> BR = Kurs Altaktie − Ausgabepreis neue Aktie + Dividendennachteil Bezugsverhältnis + 1 Rechnerischer Wert des Bezugsrechts (BR) mit Dividendenvorteil BR = Kurs Altaktie − Ausgabepreis neue Aktie − Dividendenvorteil Bezugsverhältnis + 1 104 7 Beteiligungsfinanzierung <?page no="106"?> 34 Vgl. Pape, U. (2023), Grundlagen der Finanzierung und Investition, S.-251. 35 Vgl. Wöhe, G., Döring, U. und Brösel, G. (2023), Einführung in die Allgemeine Betriebs‐ wirtschaftslehre, S.-583 f. 8 Innenfinanzierung espresso-Wissenscheck | https: / / narr.kwaest.io/ s/ 1275 espresso-Keywords | Vermögensumschichtung, Kapitalfreisetzung, Selbstfinanzierung, stille Reserven, Rückstellungen, Pensionsrückstel‐ lung, Abschreibung, Kapazitätserweiterungsfaktor, Kapitalfreiset‐ zungseffekt, Rationalisierungsmaßnahmen, Sale-and-lease-back Was erwartet mich in diesem Kapitel? Die Innenfinanzierung - auch „Selbstfinanzierung im weiteren Sinne“ genannt - ist die zweite Säule der Unternehmensfinanzierung. Wofür benötige ich das Wissen? Bei der Innenfinanzierung werden die finanziellen Mittel nicht von externen Kapitalgebern zur Verfügung gestellt, sondern innerhalb des Unternehmens im Rahmen der betrieblichen Geschäftstätigkeit generiert. 34 Die Voraussetzung dafür ist, dass durch den Umsatzprozess ein Zahlungs‐ mittelüberschuss erzielt wird. Dass bedeutet, dass dem Zufluss liquider Mittel kein oder ein geringerer Mittelabfluss gegenübersteht. Somit setzt die Innenfinanzierung ein ertragsstarkes Unternehmen voraus, das ausrei‐ chende finanzielle Mittel erwirtschaftet oder ein Unternehmen, das durch Rationalisierungsmaßnahmen den Abfluss liquider Mittel einschränkt, also Einsparungen vornimmt, indem es beispielsweise Prozesse wie die Lager‐ haltung effizienter gestaltet. 35 <?page no="107"?> 36 Vgl. Wöhe, G., Bilstein, J., Ernst, D., Häcker, J. (2013), Grundzüge der Unternehmensfi‐ nanzierung, S.-16. espresso-Verständnis | Auch die Vermögensumschichtung ist eine Form der Innenfinanzierung. Ein Beispiel für eine Vermögensum‐ schichtung ist die Veräußerung von nicht benötigtem Sachvermögen, was eine Desinvestition darstellt. Sachvermögen wird hier durch den Verkauf in Geldvermögen umgewandelt. 36 Vorteile der Innenfinanzierung sind, dass das Unternehmen nicht auf die Bereitwilligkeit externer Kapitalgeber angewiesen ist und somit die Unab‐ hängigkeit des Unternehmers erhalten bleibt. Nachteil der Innenfinanzie‐ rung ist jedoch, dass man sie nur in begrenztem Umfang und in begrenzter Höhe nutzen kann. Sie muss in der Regel über Jahre hinweg aufgebaut werden. Zudem sind die Steuerung und die Planung der Innenfinanzierung, also das Ausmaß der Finanzierung aus beispielsweise einbehaltenen Ge‐ winnen, gebildeten Rückstellungen oder Abschreibungen, abhängig von handelsrechtlichen und gesellschaftsrechtlichen Regelungen. Abb. 25: Übersicht Innenfinanzierung Bei der Innenfinanzierung werden die benötigten Finanzmittel im betrieb‐ lichen Leistungs- und Umsatzprozess generiert. 106 8 Innenfinanzierung <?page no="108"?> 37 Vgl. Hax, H. (1998), Finanzierung, S. 183. Wenn man die Finanzierungsarten der Innenfinanzierung nach der Mit‐ telherkunft strukturiert, gibt es die Selbstfinanzierung durch einbehaltene Gewinne und die Finanzierung durch Abschreibungen, die Eigenkapital „generieren“. Die Finanzierung durch Kapitalfreisetzungen zählt teilweise zum Eigenkapital, teilweise zum Fremdkapital und Zuführungen zu Rück‐ stellungen ist eine Finanzierung mit Fremdkapital. Abb. 26: Innenfinanzierungsvolumina 37 8 Innenfinanzierung 107 <?page no="109"?> Die Innenfinanzierung besteht im Wesentlichen aus der • Überschussfinanzierung und • Umschichtungsfinanzierung. Zur Überschussfinanzierung gehören: • Die offene Selbstfinanzierung (Gewinneinbehaltung aus versteuer‐ ten Gewinnen) ist aus dem Jahresabschluss ersichtlich. • Die stille Selbstfinanzierung ist aufgrund der Bildung von stillen Reserven aus dem Jahresabschluss nicht erkennbar. 8.1 Formen der Selbstfinanzierung Allgemein gilt für die Selbstfinanzierung, dass die Unabhängigkeit vom Kapitalmarkt und Kreditgebern gestärkt wird, keine laufenden Liquiditäts‐ belastungen hinzukommen, sich die Krisenanfälligkeit des Unternehmens verringert und gleichzeitig die Kreditwürdigkeit verbessert wird. espresso-Wissen | Die Selbstfinanzierung („im engeren Sinne“) be‐ schreibt die Beschaffung von Eigenkapital, bei der finanzielle Mittel durch einbehaltene Gewinne im Unternehmen verbleiben. Voraussetzung für eine Gewinnthesaurierung ist der Zufluss finanzieller Mittel. Der Saldo des Cashflows, also die Einzahlungen abzüglich der Aus‐ zahlungen, muss positiv sein. Im Zuge der Selbstfinanzierung unterscheidet man zwischen der offenen und der stillen Selbstfinanzierung. Vorteile der Selbstfinanzierung: • die Kapitalbeschaffung ist ohne zusätzliche Kosten und Formalitäten möglich, • das Eigenkapital steht zeitlich unbegrenzt und zur beliebigen Verwen‐ dung zur Verfügung, • die Liquidität und Rentabilität des Unternehmens werden nicht belastet (z.-B. durch Zins- und Tilgungszahlungen), • ein höheres Eigenkapital verbessert die Kreditwürdigkeit und die Mög‐ lichkeiten der Fremdfinanzierung und • kein Einfluss von Gläubigern auf das Unternehmen. 108 8 Innenfinanzierung <?page no="110"?> Nachteile der Selbstfinanzierung: • Gefahr von riskanten Investitionen, da keine Rechenschaftspflicht für die Mittelverwendung, • die stille Selbstfinanzierung verschleiert den tatsächlichen Gewinn und • die Auflösung von stillen Rücklagen verschleiert den tatsächlichen Verlust. Offene Selbstfinanzierung Bei der offenen Selbstfinanzierung handelt es sich um die Eigenfinanzierung durch einbehaltene Gewinne. Der Vorgang wird auch Gewinnthesaurie‐ rung genannt. Es handelt sich um einbehaltene Gewinne nach Steuern, die innerhalb des Eigenkapitals in der Bilanz ausgewiesen werden. In der Bilanz einer Kapital‐ gesellschaft kann man die offene Selbstfinanzierung aus dem Bilanzposten Gewinnrücklagen ablesen, der die kumulierten einbehaltenen versteuerten Gewinne der vergangenen Geschäftsjahre beinhaltet. Stille Selbstfinanzierung Bei der stillen Selbstfinanzierung nutzt man gezielt handels- und steuer‐ rechtliche Bewertungs- und Bilanzierungsspielräume aus, um stille Reser‐ ven zu bilden. Die stille Selbstfinanzierung ist nicht unmittelbar, d.-h. nicht offen anhand des Jahresabschlusses zu erkennen. espresso-Wissen | Im Unterschied zur offenen Selbstfinanzierung wer‐ den bei der stillen Selbstfinanzierung nicht ausgewiesene Gewinne einbehalten. Mit der stillen Selbstfinanzierung wird das Ziel verfolgt, ein niedrigeres Ergebnis auszuweisen, als es tatsächlich ist. Dieses Ziel wird erreicht, indem stille Reserven gebildet werden. Da der Gewinn durch die Bildung von stillen Reserven gemindert wird, muss das Unternehmen auch weniger Steuern bezahlen. Außerdem steht für eine mögliche Ausschüttung an die Anteilseigner nur ein geringeres Ergebnis zur Verfügung. Dies hat zur Folge, dass i. d. R. 8.1 Formen der Selbstfinanzierung 109 <?page no="111"?> 38 Vgl. Wöltje, J. (2022), Investition und Finanzierung, S.-414 f. weniger Geld an die Anteilseigner ausgeschüttet wird. Somit bleiben mehr liquide Mittel im Unternehmen und das Unternehmen kann mit diesen liquiden Mitteln arbeiten ohne zusätzliches Fremdkapital aufnehmen zu müssen. 38 Das Ziel bei einer stillen Selbstfinanzierung besteht darin, das Ergebnis niedriger auszuweisen, als es tatsächlich ist. Dies geschieht durch die Bildung stiller Reserven. Die Bildung stiller Reserven kann erfolgen: • durch eine Unterbewertung von Aktiva (z. B. Unterlassung von Ak‐ tivierungen bzw. Verrechnung von zu hohen Abschreibungen oder Unterbewertung von Vorräten) oder • durch eine Überbewertung von Passiva (z. B. durch die Bildung von zu hohen Rückstellungen, wie z.-B. Gewährleistungs- oder Prozesskosten‐ rückstellungen). Beurteilung der stillen Selbstfinanzierung: • Sie bietet die Möglichkeit der Beeinflussung und Verschiebung des Gewinns. • Die stille Selbstfinanzierung nutzt legale bilanzpolitische Gestaltungs‐ spielräume aus. • Eine überhöhte stille Selbstfinanzierung kann unter Umständen gegen die Bilanzwahrheit verstoßen. • Die normale stille Selbstfinanzierung dürfte dem Vorsichtsprinzip und dem Gläubigerschutz des Handelsrechts entsprechen. • Die stille Selbstfinanzierung bietet einem Unternehmen in schlechteren Zeiten gute Ausgleichsmöglichkeiten. Unterbewertete Aktiva können z. B. veräußert oder z. B. als Sicherheit gegenüber Banken eingesetzt werden. Als Nachteil erweist sich, dass die dann realisierten Gewinne versteuert werden müssen und dem Unternehmen liquide Mittel entzo‐ gen werden. 8.2 Finanzierung aus Rückstellungen Die Finanzierung aus Rückstellungen (werden dem Fremdkapital zugerech‐ net) stellt ebenfalls eine Form der Innenfinanzierung dar. Rückstellungen 110 8 Innenfinanzierung <?page no="112"?> sind ungewisse Verbindlichkeiten, deren Fälligkeitszeitpunkt und Höhe nicht bekannt sind. Eine Rückstellungsbildung mindert als Betriebsaufwand den Gewinn und die Steuerlast eines Unternehmens. Der Finanzierungseffekt ergibt sich dar‐ aus, dass die Rückstellungen erst in späteren Jahren zu Auszahlungen führen werden, jedoch im aktuellen Geschäftsjahr aufgrund der Aufwendungen durch die Bildung der Rückstellungen weniger Dividenden und Steuern gezahlt werden müssen. Bis zur Inanspruchnahme der Rückstellungen können die Mittel im Unternehmen genutzt werden und dienen dadurch der Finanzierung des Unternehmens. Vorhandene Zahlungsmittel sind nach wie vor verfügbar und können bis zur Auflösung der Rückstellung für andere Zwecke verwendet werden. Insbesondere langfristige Rückstellungen wie Pensionsrückstellungen können auch der langfristigen Finanzierung des Unternehmens dienen. Die folgende Abbildung zeigt die Möglichkeiten der Innenfinanzierung aus Rückstellungen: Abb. 27: Innenfinanzierung aus Rückstellungen Aufgrund der zeitlichen Differenz zwischen dem Aufwandsvorgang (Bil‐ den einer Rückstellung) und dem Auszahlungsvorgang (Eintritt des Auszahlungsgrundes), leitet sich ein Finanzierungseffekt ab. Die Bildung einer Rückstellung vermindert im betreffenden Geschäftsjahr den Gewinn. Dies führt zur Senkung der möglichen Gewinnausschüttungsmenge und 8.2 Finanzierung aus Rückstellungen 111 <?page no="113"?> zu einer Steuerstundung bis zum Auszahlungszeitpunkt. Zusätzlich zur Finanzierungswirkung ergibt sich, falls die verfügbaren Mittel rentabel angelegt werden können, ein Rentabilitätseffekt. Da Rückstellungen zum Fremdkapital zählen, handelt es sich bei der Finanzierung aus Rückstellungen um eine innerbetriebliche Fremdfinanzie‐ rung. Beispiele für Rückstellungen, die zu Finanzierungszwecken genutzt werden können, sind Pensionsrückstellungen oder auch Rückstellungen für Garantieverpflichtungen. Die Bedingungen für einen Innenfinanzierungseffekt lassen sich in vier Punkten beschreiben, die wie folgt lauten: • In den Absatzpreisen werden die Aufwendungen der zu bildenden Rückstellungen berücksichtigt. • Finanzielle Gegenwerte der Rückstellungen fließen dem Unternehmen über die Verkaufserlöse zu, die im Umsatzprozess erzielt wurden. • Fremdbestimmte Liquidationsansprüche werden nicht sofort geltend gemacht. • Kalkulierte und realisierte Rückstellungsgegenwerte werden über den bilanziellen Ansatz im Unternehmen gebunden. Abhängig von der Höhe des Finanzierungseffektes ist die zeitliche Diffe‐ renz von Bildung und Auflösung der Rückstellung, das heißt, je größer dieser Unterschied ist, desto größer ist der Finanzierungseffekt. In vielen Unternehmen stellen die Pensionsrückstellungen einen wichtigen Finanzie‐ rungseffekt dar. Beispiel: Finanzierung aus Rückstellungsgegenwerten Die IMTB GmbH weist zum Ende des Jahres 01 einen Gewinn vor Steuern in Höhe von 600.000 € auf. Der komplette Gewinn soll aus‐ geschüttet werden. Durch die Bildung einer Pensionsrückstellung in Höhe von 200.000 €, soll es der IMTB GmbH möglich sein, einen Finanzierungseffekt zu generieren. Im Nachfolgenden wird durch eine tabellarische Darstellung dieser Effekt veranschaulicht. 112 8 Innenfinanzierung <?page no="114"?> Positionen Wirkung ohne Pensions‐ rückstellungen Wirkung mit Pensions‐ rückstellungen - Gewinn vor Steuern Pensionsrückstellungen 600.000-€ - 600.000-€ - 200.000-€ = steuerpflichtiger Gewinn 30-% Ertragsteuern 600.000-€ - 180.000-€ = 400.000-€ - 120.000-€ = Ausschüttungsbetrag = 420.000-€ = 280.000-€ - Finanzierungsvolumen 0-€ 200.000-€ Durch die Bildung von Pensionsrückstellungen hat die IMTB GmbH einen Finanzierungseffekt in Höhe von 200.000 € erzielt. Das heißt, so‐ lange noch keine Pensionen zu zahlen sind, stehen dem Unternehmen 200.000 € in voller Höhe zur Verfügung. Dies gelingt dem Unternehmen dadurch, dass ein Teil der Ausschüttung vermieden wurde und die zu bezahlende Ertragssteuern ebenfalls gesenkt wurden. 8.3 Finanzierung aus Abschreibungsgegenwerten Der Finanzierungseffekt aus Abschreibungen entsteht dadurch, dass Abschreibungen zwar Aufwendungen, aber keine Auszahlungen bewirken und die Ersatzinvestitionen erst zu einem späteren Zeitpunkt, d. h. nach Ablauf der Nutzungsdauer getätigt werden müssen. espresso-Verständnis | Der Finanzierungseffekt entsteht dadurch, dass Aufwand und Auszahlung auseinanderfallen. Die Abschreibun‐ gen verringern den Jahresgewinn, ohne dass der Gewinnminderung im gleichen Jahr eine Auszahlung gegenübersteht. 8.3 Finanzierung aus Abschreibungsgegenwerten 113 <?page no="115"?> 39 Vgl. Pape, U. (2018), Grundlagen der Finanzierung und Investition, S.-248. Bei der Finanzierung aus Abschreibungen lassen sich zwei Formen un‐ terscheiden: • der Kapitalfreisetzungseffekt und • der Kapazitätserweiterungseffekt. Den Kapazitätserweiterungseffekt können Sie mithilfe des Kapazitätser‐ weiterungsfaktor (KEF) prognostizieren: Kapazitätserweiterungsfaktor KEF = 2 × Nutzungsdauer Nutzungsdauer + 1 Beispiel: Kapazitätserweiterungsfaktor Die Nutzungsdauer eine Maschine beträgt vier Jahre. Kapazitätserweiterungsfaktor KEF = 2 × 4 Jahre 4 Jahre + 1 = 1,6 Das bedeutet, dass z. B. die Kapazität von fünf vorhandenen Maschinen auf acht (5 x 1,6 = 8) Maschinen erhöht werden kann. Der Finanzierungseffekt aus den Abschreibungen ergibt sich daraus, dass die Zuflüsse an Zahlungsmitteln früher als die Abflüsse für die Reinves‐ tition erfolgen. Es besteht somit zwischen den Zahlungen eine zeitliche Diskrepanz. Beispielsweise werden unter anderem im Maschinenstundensatz kal‐ kulatorische Abschreibungen eingerechnet, die wiederum über die Ver‐ kaufspreiskalkulation als Zahlungseingang realisiert werden. Da die Er‐ satzbeschaffung der Maschine jedoch erst Jahre später erfolgt, kann das Unternehmen bis dahin über die finanziellen Mittel verfügen. Abschreibungen sind rein buchhalterische Vorgänge. Während der Nut‐ zungsdauer eines Vermögensgegenstandes werden die Abschreibungen nur als Aufwand verbucht, d. h. es fließen keine finanziellen Mittel ab. Die Aus‐ zahlung für eine Reinvestition findet erst nach Ablauf der Nutzungsdauer statt, Aufwand und Auszahlung fallen auseinander und Bewirken einen Finanzierungseffekt. 39 114 8 Innenfinanzierung <?page no="116"?> 40 Vgl. Wöltje, J. (2022), Investition und Finanzierung, S.-419. Bei der Kapitalfreisetzung wird die Kapazität konstant gehalten, das heißt, dem Unternehmen stehen bis zur Reinvestition zusätzliche liquide Mittel zur Verfügung. espresso-Wissen | Der Kapitalfreisetzungseffekt beruht auf der An‐ nahme, dass durch den Umsatzprozess liquide Mittel generiert werden, die nicht sofort für Ersatzinvestitionen benötigt werden und somit dem Unternehmen für andere Zwecke zur Verfügung stehen. Bei der Kapazitätserweiterung, auch als „Lohmann-Ruchti-Effekt“ bezeich‐ net, wird der Finanzierungseffekt genutzt, um die Kapazität zu erhöhen, das heißt, durch die Abschreibungen gewonnene finanzielle Mittel ist eine Reinvestition möglich. Dem Kapitalfreisetzungseffekt liegt die Annahme zu Grunde, dass sich Vermögensgegenstände durch die mit ihnen gefertigten Produkte selbst refinanzieren. Wenn man den Vermögensgegenstand am Ende seiner Nut‐ zungsperiode ersetzt, muss man dafür kein zusätzliches Kapital von außen dazu zu holen. 40 Dabei wird unterstellt, dass keine Preissteigerungen auftre‐ ten und dass die Abschreibungen in voller Höhe durch die Absatzerlöse verdient werden. Im Nachfolgenden soll mithilfe eines geeigneten Beispiels der Kapitalfrei‐ setzungseffekt veranschaulicht werden. Beispiel: Kapitalfreisetzungseffekt Die IMTB GmbH kauft in drei aufeinanderfolgenden Jahren jeweils einen Spezial-Computer mit Anschaffungskosten in Höhe von 30.000 € zu. Da die IMTB GmbH immer nur die neusten Spezial-Computer haben möchte, beträgt die Nutzungsdauer eines Spezial-Computers drei Jahre. Die Spezial-Computer werden linear abgeschrieben, ein Liquidations‐ erlös kann nicht erzielt werden. Die jährliche Abschreibung beträgt 10.000 € im Jahr. Im Unternehmen werden die Abschreibungsbeträge der Spezial-Computer in vollem Umfang durch die Umsatzerlöse ver‐ dient, d. h. sie stehen der IMTB GmbH in Form von Zahlungsmitteln zur Verfügung. 8.3 Finanzierung aus Abschreibungsgegenwerten 115 <?page no="117"?> 41 Vgl. Wöltje, J. (2022), Investition und Finanzierung, S.-420 f. Phase Kapazitätsaufbau Reinvestitionsphase - lineare Abschreibung in T€ (AK = 30 T€, ND = 3 Jahre) Jahre (Ende) 01 02 03 04 05 06 Computer 1 10 T€ 10 T€ 10 T€ 10 T€ 10 T€ 10 T€ Computer 2 - 10 T€ 10 T€ 10 T€ 10 T€ 10 T€ Computer 3 - - 10 T€ 10 T€ 10 T€ 10 T€ gesamte Jahresab‐ schreibung 10 T€ 20 T€ 30 T€ 30 T€ 30 T€ 30 T€ kumulierte liquide Mittel 10 T€ 30 T€ 60 T€ 30 T€ 30 T€ 30 T€ Reinvestition - - 30 T€ 30 T€ 30 T€ 30 T€ Kapitalfreisetzung 10 T€ 30 T€ 30 T€ 30 T€ 30 T€ 30 T€ Somit stehen der IMTB GmbH ab dem zweiten Jahr, jährlich 30.000 € liquide Mittel durch den Kapitalfreisetzungseffekt zur Verfügung. Beim Kapazitätserweiterungseffekt wird unterstellt, dass die freigesetz‐ ten Mittel sofort wieder in identische Objekte investiert werden. Das Ziel ist nicht die Aufrechterhaltung einer bestimmten Kapazität, vielmehr wird eine Maximierung der Produktionskapazität angestrebt. Die verdienten Abschreibungsgegenwerte werden zusätzlich zur Reinvestition am Ende der Nutzungsperiode direkt zur Finanzierung von zusätzlichen Vermögensge‐ genständen derselben Art eingesetzt. 41 Beim Kapazitätserweiterungseffekt kann die Leistungskapazität ohne neue Kapitalzuführung automatisch er‐ weitert werden. 116 8 Innenfinanzierung <?page no="118"?> Beispiel: Kapazitätserweiterungseffekt Es wird das Beispiel vom Kapitalfreisetzungseffekt nochmals aufge‐ griffen. Die freigesetzten Mittel werden sofort wieder in identische Spezial-Computer investiert. Es gelten folgende Prämissen: • Die Abschreibungsgegenwerte werden jeweils zu Beginn der neuen Periode reinvestiert. • Die abgeschriebenen Computer gehen immer zu Beginn der neuen Periode ab. - Phase Kapazitätsaufbau Reinvestitionsphase - lineare Abschreibung in T€ (AK = 30 T€, ND = 3 Jahre) Jahre (Ende) 01 02 03 04 05 06 Computer 1 10 T€ 10 T€ 10 T€ 10 T€ 10 T€ 10 T€ Computer 2 - 10 T€ 10 T€ 10 T€ 10 T€ 10 T€ Computer 3 - - 10 T€ 10 T€ 10 T€ 10 T€ Computer 4 - - 10 T€ 10 T€ 10 T€ 10 T€ Perioden-Total-Kapa‐ zität (St.) 1 2 4 4 4 4 gesamte Jahresab‐ schreibung 10 T€ 20 T€ 40 T€ 40 T€ 40 T€ 40 T€ kumulierte liquide Mittel 10 T€ 30 T€ 40 T€ 50 T€ 60 T€ 40 T€ Reinvestitionen (St.) - 1 1 1 2 1 Reinvestition - 30-T€ 30 T€ 30 T€ 60 T€ 30 T€ Kapitalfreisetzung 10 T€ 0 T€ 10 T€ 20 T€ 00 T€ 10 T€ Mit der folgenden Formel kann man die erwartete Erweiterung der Kapazität mittels des Kapazitätserweiterungsfaktors (KEF) berech‐ nen: 8.3 Finanzierung aus Abschreibungsgegenwerten 117 <?page no="119"?> Kapazitätserweiterungsfaktor KEF = 2 × Nutzungsdauer Nutzungsdauer + 1 Beispiel: Kapazitätserweiterungsfaktor (KEF) Die IMTB GmbH kauft zehn neue Maschinen zu Anschaffungskosten von je 4.500 €. Die Maschinen haben alle eine Nutzungsdauer von neun Jahren. Somit beträgt die jährliche lineare Abschreibung pro Maschine 500 €. Die IMTB GmbH kann bereits am Ende des ersten Jahres eine Erweiterungsinvestition tätigen. Aus den 4.500 € (9 x 500 €) Abschreibungsgegenwerten kann bereits nach dem ersten Jahr eine neue Maschine für 4.500 € angeschafft werden. Im zweiten Jahr können aus den 5.000 € (10 x 500 €) Abschreibungsgegenwerten eine weitere neue Maschine für 4.500 € angeschafft werden und es verbleiben noch 500 € an liquiden Mitteln übrig, die sie kumuliert in der nächsten Periode für eine weitere Anschaffung einer Maschine nutzen kann. In allen weiteren Jahren können die Rückflüsse für den Erwerb neuer Maschinen bzw. von Ersatzinvestitionen genutzt werden. Die Kapazi‐ tätserweiterung kann im Voraus mithilfe des Kapazitätserweiterungs‐ faktorsberechnet werden: KEF = 2n n + 1 = 2 × 9 9 + 1 = 1,8 D. h. die Kapazitätserweiterung kann um das 1,8fache gesteigert wer‐ den. Bei zehn vorhandenen Maschinen kann die gesamte Erweiterung auf 18 Maschinen (1,8 x 10) durchgeführt werden. Der Finanzierung aus Abschreibungen sind jedoch einige Annahmen zu Grunde gelegt, die in der Realität meist nicht vollständig gegeben sind. So wäre für eine Erweiterung des Anlagevermögens wie beim Kapazitätserwei‐ terungseffekt i. d. R. eine gleichzeitige Erhöhung des Umlaufvermögens für Roh-, Hilfs-, und Betriebsstoffe sowie mehr Personal von Nöten. Außerdem können sich Beschaffungspreise verändern und der technische Fortschritt wird nicht in die Überlegungen mit einbezogen, um nur einige Punkte zu nennen. 118 8 Innenfinanzierung <?page no="120"?> 42 Vgl. Wöltje, J. (2022), Investition und Finanzierung, S.-436. 8.4 Finanzierung aus sonstigen Kapitalfreisetzungen Zur Finanzierung aus sonstigen Kapitalfreisetzungen gehört der Finanzie‐ rungseffekt durch Rationalisierungsmaßnahmen, die Finanzierung aus Ver‐ mögensumschichtung und das Sale-and-lease-back-Verfahren. • Aus Rationalisierungsmaßnahmen: Mithilfe von Rationalisierungs‐ maßnahmen kann eine dauerhafte Vermögensumschichtung erreicht werden. Maßnahmen dazu können sein, z. B. durch Einsparungen bei Material, Energie und Personal, die zu verminderten Aufwendungen und damit zu höheren Gewinnen und Rentabilitätssteigerungen führen. 42 • Durch Vermögensumschichtung: Hierbei handelt es sich um eine Kapitalfreisetzung außerhalb des normalen Umsatzprozesses. Die Fi‐ nanzierung aus Vermögensumschichtung bezeichnet die außerordentli‐ chen Einzahlungen aus der Veräußerung von Vermögensgegenständen. Durch diesen Verkauf erhält das Unternehmen schnell liquide Mittel. Es sollten nur Vermögensgegenstände, die vom Unternehmen nicht mehr benötigt werden, in liquide Mittel umgewandelt. Folgende Maßnahmen zur Verringerung der Kapitalbindung im Unternehmensvermögen sind möglich: - Verringerung des Bestandes an Forderungen aLuL, indem die ge‐ währten Zahlungsziele gegenüber den Kunden verkürzt werden. Z.-B. durch ein besseres Mahnwesen oder Factoring (Verkauf von Forderungen an eine Factoring-Gesellschaft). - Abbau der Vorräte durch Bestandsoptimierung oder durch Just-in Time-Lieferung. - Leasing anstatt Kauf von Vermögensgegenständen des Anlagever‐ mögens. • Sale-and-lease-back-Verfahren: Bei Vermögensgegenständen, die viel Kapital binden, wie beispielsweise Gebäude, kann eine Veräußerung und gleichzeitige Anmietung bei einer Leasinggesellschaft sinnvoll sein. Es werden sowohl ein Kaufvertrag als auch ein Leasingvertrag abge‐ schlossen und das freigesetzte Kapital kann anschließend zur Tilgung von Verbindlichkeiten genutzt werden. 8.4 Finanzierung aus sonstigen Kapitalfreisetzungen 119 <?page no="122"?> 9 Finanzanalyse espresso-Wissenscheck | https: / / narr.kwaest.io/ s/ 1276 espresso-Keywords | Vermögensstruktur, Kapitalstruktur, Liquidität, Rentabilität, Anlagenintensität, Umlaufintensität, Vorratsintensität, Kundenziel, Eigenkapitalquote, Selbstfinanzierungsgrad, Verschul‐ dungsgrad, Cashflow, Liquiditätsgrade, EBITDA, Deckungsgrade, Wor‐ king Capital Management, Umsatzrentabilität, Eigenkapitalrentabilität, Leverage-Effekt Was erwartet mich in diesem Kapitel? Die finanzielle Lage eines Unternehmens kann mithilfe von Kennzahlen im Hinblick auf die • Vermögensstruktur, • Kapitalstruktur, • Liquidität und • Rentabilität beurteilt werden. Die folgende Abbildung zeigt die Bestandteile der Kennzahlen der Finanz‐ analyse: Abb. 28: Bestandteile der Finanzanalyse <?page no="123"?> Beispiel Für die Berechnung der nachfolgenden Kennzahlen im Rahmen der Finanzanalyse zeigt die aufbereitete Strukturbilanz der TEEM GmbH folgendes Bild: Aktiva Bilanz der TEEM GmbH zum 31.12.02 Passiva Anlagevermögen - Eigenkapital - Grundstücke u. Gebäude 250 T€ Gezeichnetes Kapital 200 T€ Maschinen 200 T€ Gewinnrücklagen 90 T€ BGA 80 T€ Jahresüberschuss 40 T€ Umlaufvermögen - Fremdkapital - Vorräte 240 T€ langfr. Verbindl. 500 T€ Forderungen 150 T€ kurzfr. Verbindl. 170 T€ liquide Mittel 80 T€ (davon Verbindl. aLuL) (100 T€) Bilanzsumme 1.000 T€ Bilanzsumme 1.000 T€ Gewinn- und Verlustrechnung der TEEM GmbH vom 01.01.02 bis 31.12.02 sieht wie folgt aus: - Umsatzerlöse 1.400.000-€ - Materialaufwand - 600.000-€ - Personalaufwand - 500.000-€ - Sonstige Aufwendungen - 97.000-€ - Abschreibungen - 110.000-€ - Zinsaufwendungen - 38.000-€ - Steuern vom Einkommen und Ertrag - 15.000-€ = Jahresüberschuss (Gewinn nach Steuern) = 40.000-€ 122 9 Finanzanalyse <?page no="124"?> 9.1 Vermögensstrukturkennzahlen espresso-Wissen | Bei der Vermögensstrukturanalyse werden die Art und die Zusammensetzung des Vermögens sowie die Vermögens‐ bindung analysiert. Die Vermögensgegenstände des Umlaufvermögens (kurzfristiges Vermö‐ gen) sind in der Regel schneller zu liquidieren, als dies bei Vermögensge‐ genständen des Anlagevermögens (langfristiges Vermögen) der Fall ist. Anlagenintensität Die Anlagenintensität gibt Auskunft über den Vermögensaufbau eines Unternehmens. Sie zeigt wie viel Prozent des Gesamtvermögens langfristig im Unternehmen gebunden sind. Anlagenintensität in % = Anlagevermögen Gesamtvermögen Bilanzsumme × 100 Anlagenintensität in % = 250 T€ + 200 T€ + 80 T€ 1.000 T€ × 100 = 53,0 % Eine hohe Anlagenintensität bedeutet hohe Kapitalbindung mit entspre‐ chendem Finanzbedarf und hohen Kapitalkosten, die sich nur langfristig ab‐ bauen lassen (Kostenremanenz). Die Anlagenintensität wird stark durch die Branchenzugehörigkeit, durch das Produktionsprogramm, die Fertigungs‐ tiefe, den Automatisierungsgrad und zum Teil durch die Geschäftsbzw. Bilanzpolitik bestimmt. Umlaufintensität Umlaufintensität in % = Umlaufvermögen Gesamtvermögen Bilanzsumme × 100 Umlaufintensität in % = 240 T€ + 150 T€ + 80 T€ 1.000 T€ × 100 = 47,0 % 9.1 Vermögensstrukturkennzahlen 123 <?page no="125"?> Eine hohe Umlaufintensität deutet auf eine hohe Flexibilität des Unter‐ nehmens hin. Vorratsintensität Die Vorratsintensität (Vorratsquote) - auch als Grad der Lagerhaltung oder Lagerintensität bezeichnet - trifft eine Aussage über das Verhältnis des Vorratszum Gesamtvermögen. Vorratsintensität in % = durchschn. Bestand an Vorräten Gesamtvermögen Bilanzsumme × 100 Vorratsintensität in % = 240 T€ 1.000 T€ × 100 = 24,0 % Eine hohe Vorratsintensität bedeutet ein großes Lagerrisiko, da die Gefahr des Preisverfalls, der Veralterung und des Schwundes besteht. Kundenziel Die Kennzahl Kundenziel, auch Debitorenziel genannt, misst nach wie viel Tagen die Kunden ihre Rechnungen bezahlen. Kundenziel = durchschn. Bestand an Forderungen aLuL Umsatzerlöse × 365 Tage Kundenziel in Tagen = 150 T€ 1.400 T€ × 365 Tage = 39,11 Tage Eine Verschlechterung (Zunahme) der Kennzahl „Kundenziel“ deutet - bei sonst gleicher Ausgangslage - auf eine Verschlechterung der Liquiditätslage hin, da die Kunden erst später zahlen. 9.2 Kapitalstrukturkennzahlen Im Mittelpunkt der Analyse der Kapitalstruktur steht die Eigenkapitalaus‐ stattung eines Unternehmens. Der Grad der finanziellen Unabhängigkeit eines Unternehmens wird durch die Eigenkapitalquote ausgedrückt. Die 124 9 Finanzanalyse <?page no="126"?> Eigenkapitalquote stellt den Anteil des Eigenkapitals am Gesamtkapital dar. Tendenziell gilt, je höher die Eigenkapitalquote, desto solider ist die Finanzierung des Unternehmens. Eigenkapitalquote Eigenkapitalquote in % = Eigenkapital Gesamtkapital × 100 Eine hohe Eigenkapitalquote bedeutet ein niedrigeres Risiko, dass ein Un‐ ternehmen zahlungsunfähig werden könnte. Je höher die Eigenkapitalquote, desto unabhängiger ist ein Unternehmen von Gläubigern. Eigenkapitalquote in % = 200 T€ + 90 T€ + 40 T€ 1.000 T€ × 100 = 33,00 % Selbstfinanzierungsgrad Interessant für die Eigenkapitalanalyse ist auch der Selbstfinanzierungsgrad. espresso-Wissen | Der Selbstfinanzierungsgrad gibt das prozentuale Verhältnis der Gewinnrücklagen zum Eigenkapital an. Er zeigt, in welchem Umfang das Unternehmen durch Gewinnthesaurierung zur eigenen Finanzierung beigetragen hat. Je höher der Selbstfinanzierungsgrad ist, desto mehr Anstrengungen unter‐ nimmt ein Unternehmen, um seine Unabhängigkeit gegenüber Fremdkapi‐ talgebern zu erhöhen. Selbstfinanzierungsgrad in % = Gewinnrücklagen Eigenkapital × 100 Selbstfinanzierungsgrad in % = 90 T€ 330 T€ × 100 = 27,27 % Die TEEM GmbH hat über ein Viertel ihres Eigenkapitals selbst, d. h. durch den Betriebsprozess erwirtschaftet. 9.2 Kapitalstrukturkennzahlen 125 <?page no="127"?> 43 Hehn, S. und Hehn, M. (2023), Unternehmensfinanzierung, S.-21. Der Selbstfinanzierungsgrad informiert über die Innenfinanzierungsmög‐ lichkeiten aus der Umsatztätigkeit, ist ein Maßstab für die Thesaurierungs‐ fähigkeit bzw. -bereitschaft und ermöglicht Schlussfolgerungen über das Ausschüttungspotenzial. Fremdkapitalquote Die Fremdkapitalquote gibt Auskunft wie hoch der Fremdkapitalanteil eines Unternehmens ist. Eine hohe Fremdkapitalquote führt zu einer ver‐ minderten Kreditwürdigkeit, zu höheren Fremdkapitalkosten, zu weniger Dispositionsfreiheiten und Unabhängigkeit, da das Unternehmen bei seiner Finanzierung von den Gläubigern abhängig ist. 43 Fremdkapitalquote in % = Fremdkapital Gesamtkapital × 100 Fremdkapitalquote in % = 500 T€ + 170 T€ 1.000 T€ × 100 = 67,00 % Verschuldungsgrad espresso-Wissen | Der Verschuldungsgrad zeigt das Verhältnis von Fremdkapital zu Eigenkapital und informiert ebenfalls über die Finan‐ zierungstruktur eines Unternehmens. Je höher der statische Verschuldungsgrad ist, desto größer ist das Kreditaus‐ fallrisiko aus Sicht der Kapitalgeber. Statischer Verschuldungsgrad in % = Fremdkapital Eigenkapital × 100 Statischer Verschuldungsgrad in % = 670 T€ 330 T€ × 100 = 203,03 % 126 9 Finanzanalyse <?page no="128"?> Aus dem Verschuldungsgrad kann man erkennen, wie ausgewogen die Kapitalstruktur eines Unternehmens ist. Kreditorenziel espresso-Wissen | Das Kreditorenziel (Lieferantenziel) informiert über die Zahlungsmoral des Unternehmens. Es gibt an, wie viele Tage durchschnittlich Lieferantenkredite bis zur Zahlung der ausstehenden Rechnungen in Anspruch genommen werden. Kreditorenziel = durchschn. Bestand an Verbindlichk. aLuL Materialeinsatz + Fremdleistungen × 365 Tage Kreditorenziel in Tagen = 100 T€ 600 T€ × 365 Tage = 60,83 Tage Ein kurzes Kreditorenziel weist darauf hin, dass ein Unternehmen seine Verbindlichkeiten aLuL schnell bezahlt und die Skontozahlung ausnutzt. 9.3 Liquiditätskennziffern espresso-Wissen | Unter dem Begriff Liquidität versteht man die Fähigkeit eines Unternehmens, dass es jederzeit seine fälligen Zahlungs‐ verpflichtungen erfüllen kann. Cashflow Der Cashflow dient in erster Linie als Maßstab der Innenfinanzierungskraft eines Unternehmens. espresso-Wissen | Der Cashflow zeigt, ob ein Unternehmen die fi‐ nanziellen Mittel, die es für Investitionen, Schuldentilgung und Divi‐ dendenzahlungen benötigt, aus eigener Kraft, d. h. aus der laufenden (operativen) Geschäftstätigkeit, erwirtschaften kann. 9.3 Liquiditätskennziffern 127 <?page no="129"?> Der Cashflow gilt auch als Maßstab für die Wachstumskraft eines Unter‐ nehmens. Deshalb wird der Cashflow gerne von externen Analysten zur Beurteilung der Kreditwürdigkeit herangezogen. Er kann direkt oder indi‐ rekt ermittelt werden. Beim Cashflow handelt es sich um die Summe aller Einzahlungen abzüglich der Auszahlungen eines Unternehmens innerhalb eines Geschäftsjahres. Direkt wird der Cashflow wie folgt ermittelt: - zahlungswirksame Erträge zahlungswirksame Aufwendungen = Cashflow Indirekt wird der Cashflow nach dem Praktikerverfahren folgender‐ maßen berechnet: - Jahresüberschuss (Gewinn nach Steuern) oder Jahresfehlbetrag +/ - Abschreibungen/ Zuschreibungen auf das Anlagevermögen +/ - Zuführung/ Auflösung langfristiger Rückstellungen = Cashflow (nach dem Praktikerverfahren) Indirekte Ermittlung des Cashflows nach dem Umsatzkostenverfah‐ ren: -- Umsatzerlöse Herstellungskosten des Umsatzes =---++/ - Bruttoergebnis vom Umsatz Vertriebskosten Allgemeine Verwaltungskosten Sonstige betriebliche Aufwendungen Sonstige betriebliche Erträge Ergebnis aus Beteiligungen, Wertpapieren etc. (ohne Zinsaufwendungen) = - EBITDA (Earnings before Interest, Tax, Depreciation and Amortization = operatives Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen) Abschreibungen 128 9 Finanzanalyse <?page no="130"?> = - EBIT (Earnings before Interest and Tax = operatives Ergebnis vor Zinsen und Steuern) Ertragsteuern auf EBIT = +/ - +/ - NOPAT (Net Operating Profit After Tax = operatives Ergebnis vor Zinsen und nach Steuern Abschreibungen/ Zuschreibungen Erhöhung/ Minderung langfristiger Rückstellungen = Brutto-Cashflow -/ + +/ - Investitionen/ Desinvestitionen im Anlagevermögen Verminderung/ Erhöhung des Nettoumlaufvermögens (Net Working Capital) = Freier Cashflow (Free Cash Flow) Der Brutto-Cashflow kann für Investitionen, Erhöhung des Nettoumlauf‐ vermögens, Schuldentilgungen, Zinszahlungen und Gewinnausschüttungen genutzt werden. Der freie Cashflow steht für Schuldentilgungen, Zinszah‐ lungen und Gewinnausschüttungen zur Verfügung. Liquiditätsgrade Die Liquiditätsgrade gehören zur statischen Liquiditätsanalyse. espresso-Wissen | Die Liquiditätsgrade messen die zeitpunktbezo‐ gene Liquidität eines Unternehmens. Die Liquidität ist die Fähigkeit eines Unternehmens, jederzeit seine fälligen Zahlungsverpflichtungen zu erfüllen. Mit den Liquiditätsgraden kann man die kurzfristige Liquiditätslage eines Unternehmens besser einschätzen. Die Liquiditätsgrade sind Kennzahlen, die aussagen, wie viel Prozent des kurzfristigen Fremdkapitals durch vor‐ handene liquide Mittel bzw. durch kurzfristig in liquide Mittel verwandel‐ bare Vermögenswerte abgedeckt werden. Liquidität 1. Grades Zur Ermittlung der Liquidität 1. Grades werden die liquiden Mittel (= Kasse + Sichtguthaben bei Banken + kurzfristige Wertpapiere) ins Verhältnis zum 9.3 Liquiditätskennziffern 129 <?page no="131"?> kurzfristigen Fremdkapital (= Verbindlichkeiten aLuL + kurzfristige sonstige Verbindlichkeiten + kurzfristige sonstige Rückstellungen + Steuerrückstel‐ lungen) gesetzt. Die Liquidität 1. Grades sollte zwischen 10 % bis 20 % liegen. Liquidität 1. Grades = liquide Mittel kurzfristiges Fremdkapital × 100 Liquidität 1. Grades = 80 T€ 170 T€ × 100 = 47,06 % Die Liquidität 1. Grades der TEEM GmbH ist sehr gut. espresso-Verständnis | Die „Liquidität 1. Grades“ ermöglicht eine Aussage, inwieweit ein Unternehmen in der Lage ist, seine kurzfristi‐ gen Zahlungsverpflichtungen zu erfüllen. Liquidität 2. Grades Die Liquidität 2.Grades ist die wichtigste statische Liquiditätskennzahl. espresso-Verständnis | Die „Liquidität 2. Grades“ zeigt, ob das mone‐ täre Umlaufvermögen (liquide Mittel + kurzfristige Forderungen) das kurzfristige Fremdkapital deckt. Die Liquidität 2. Grades sollte zwischen 100 % bis 120 % liegen und die 50 % nicht unterschreiten. Die Liquidität 2. Grades wird wie folgt berechnet. Liquidität 2. Grades = monetäres Umlaufvermögen = liquide Mittel + kurzfr. Forderungen kurzfristiges Fremdkapital × 100 Liquidität 2. Grades = 80 T€ + 150 T€ 170 T€ × 100 = 135,29 % 130 9 Finanzanalyse <?page no="132"?> Auch die Liquidität 2. Grades der TEEM AG ist ausreichend und sehr gut. Liquidität 3. Grades Die Liquidität 3. Grades wird auch als Working Capital Ratio bezeichnet. espresso-Verständnis | Die „Liquidität 3. Grades“ stellt die Liquidi‐ tät auf mittlere Sicht dar und gibt das Verhältnis des kurzfristigen Umlaufvermögens, d. h. es werden noch zusätzlich die Vorräte mit einbezogen, zum kurzfristigen Fremdkapital eines Unternehmens an. Die Liquidität 3.-Grades sollte mindestens 120 bis 200-% betragen. Die Liquidität 3. Grades wird wie folgt berechnet: Liquidität 3. Grades = monetäres Umlaufvermögen + Vorräte kurzfristiges Fremdkapital × 100 Liquidität 3. Grades = 80 T€ + 150 T€ + 240 T€ 170 T€ × 100 = 276,47 % Auch hier zeigt sich, dass die Zahlungsfähigkeit gewährleistet ist. Deckungsgrade Die Deckungsgrade stellen die mittel- und langfristigen Kennzahlen der statischen Liquiditätsanalyse dar. Deckungsgrad A Der Deckungsgrad A - Goldene Bilanzregel im engeren Sinne - drückt aus, ob das Anlagevermögen durch das Eigenkapital gedeckt ist. 9.3 Liquiditätskennziffern 131 <?page no="133"?> Deckungsgrad A = Eigenkapital Anlagevermögen × 100 Deckungsgrad A = 330 T€ 250 T€ + 200 T€ + 80 T€ × 100 = 62,26 % Der Deckungsgrad A beträgt in der Regel weniger als 100 %, daher wird der Deckungsgrad B berechnet. Deckungsgrad B Der Deckungsgrad B prüft, ob das Anlagevermögen durch das Eigenkapital und das langfristige Fremdkapital gedeckt ist. Gemäß der „Goldenen Bilanz‐ regel i.-w.-S.“ sollte der Deckungsgrad B mindestens 100-% betragen. Deckungsgrad B = Eigenkapital + langfristiges Fremdkapital Anlagevermögen × 100 Deckungsgrad B = 330 T€ + 500 T€ 250 T€ + 200 T€ + 80 T€ × 100 = 156,60 % Die Forderung des Deckungsgrads B wird übererfüllt und ist mit 156,60 % ein hervorragender Wert. Deckungsgrad C Der Deckungsgrad C untersucht, ob das Anlagevermögen und die dauernd gebundenen Teile des Umlaufvermögens (die kontinuierlich bereitgestellt werden müssen) durch das Eigenkapital und das langfristige Fremdkapital gedeckt sind. Die Liquidität ist gegeben, wenn die Relation größer oder gleich 100 % ist. Zum „Deckungsgrad C“ kommt man durch die zusätzliche Erweiterung des Nenners um die Anteile des Umlaufvermögens, die lang‐ fristig gebunden sind: Deckungsgrad C = Eigenkapital + langfr. Fremdkapital Anlagevermögen + langfr. Umlaufvermögen × 100 Deckungsgrad C = 330 T€ + 500 T€ 530 T€ + 240 T€ × 100 = 107,79 % 132 9 Finanzanalyse <?page no="134"?> Aus Vereinfachungsgründen wurden die Vorräte als langfristig gebundenes Umlaufvermögen angesetzt. Der Deckungsgrad C hat einen Wert von über 100 %, somit sind das An‐ lagevermögen und die Vorräte durch das Eigenkapital und das langfristige Fremdkapital finanziert. Working Capital Management espresso-Wissen | Das Working Capital stellt das Netto-Umlaufver‐ mögen dar: Working Capital (WC) = kurzfr. Umlaufvermögen - kurzfristiges Fremdkapital Working Capital = 470-T€ - 170-T€ = 300 T€ Das Working Capital stellt denjenigen Teil des Umlaufvermögens dar, der nicht zur Abdeckung von kurzfristigen Schulden gebunden ist und deshalb im Beschaffungs-, Produktions- und Absatzprozess „arbeiten“ kann. espresso-Verständnis | Aus Risikosicht ist ein hohes Working Capi‐ tal (jederzeit ausreichende Liquidität, jederzeitige Lieferbereitschaft) vorteilhaft. Aus Rentabilitätssicht ist jedoch ein niedriges Working Capital vorteilhaft (Verringerung des gebundenen Kapitals). Viele Konzerne betreiben ein systematisches „Working Capital Manage‐ ment“. • Ziele: Liquidität freisetzen, Rentabilität verbessern. • Ansatzpunkte: - Forderungsmanagement (Zahlungsziel der Kunden verkürzen), - Verbindlichkeitsmanagement (eigene Zahlungsziele verlängern), - Vorratsmanagement (Vorratsbestände reduzieren) Das Working Capital Management dient dazu, Liquidität freizusetzen, den operativen Cashflow zu verbessern sowie die Bilanzstruktur zu optimieren. Die folgende Abbildung zeigt die Bestandteile des Working Capital Manage‐ ments: 9.3 Liquiditätskennziffern 133 <?page no="135"?> Abb. 29: Bestandteile des Working Capital Management Für die Steuerung des Working Capital Managements werden vor allem die folgenden Kennzahlen verwendet: • Die Kennzahl Days Sales Outstanding - DSO (Kundenziel) misst die durchschnittliche Forderungslaufzeit, d. h., die in Tagen ausgedrückte Zeitspanne von der Rechnungsstellung an den Kunden bis zum Zah‐ lungseingang des Kunden. Days Sales Outstanding = durchschn. Forderungen aLuL Umsatzerlöse der Periode × 365 Tage Days Sales Outstanding = 150 T€ 1.400 T€ × 365 Tage = 39,11 Tage Das Kundenziel liegt mit 39 Tagen noch in einem akzeptablen Bereich. • Die Kennzahl Days Payables Outstanding - DPO (Lieferantenziel) misst die durchschnittliche Verbindlichkeitslaufzeit in Tagen vom Rech‐ nungseingang bis zur Zahlungsausführung an den Lieferanten. 134 9 Finanzanalyse <?page no="136"?> DPO = durchschn. Verbindlichkeiten aLuL Umsatzerlöse der Periode × 365 Tage Days Payables Outstanding = 100 T€ 1.400 T€ × 365 Tage = 26,07 Tage Kreditorenziel = durchschn . Verbindlichkeiten aLuL Materialaufwand + Fremdleistungen × 365 Tage Kreditorenziel = 100 T€ 600 T€ × 365 Tage = 60,83 Tage Das Kreditorenziel ist relativ hoch. • Die Kennzahl Days Inventory Held - DIH (Lagerdauer in Tagen) misst die durchschnittliche Reichweite der Lagerbestände in Tagen, die als Maß für die Höhe der Lagerbestände herangezogen wird. Days Inventory Held = durchschn. Vorräte Umsatzerlöse der Periode × 365 Tage Days Inventory Held = 240 T€ 1.400 T€ × 365 Tage = 62,57 Tage Die Lagerdauer der Vorräte beträgt ca. 63 Tage. • Die aggregierte Kennzahl Cash Conversion Cycle (CCC) berechnet sich aus den Komponenten DSO + DIH - DPO. Mit ihr wird die durch‐ schnittliche Dauer des im „Net Working Capital“ gebundenen Kapitals gemessen. Das Cash Conversion Cycle umfasst den Zeitraum zwischen der Bezahlung der Lieferantenrechnungen und dem Zahlungseingang der Kundenrechnungen. Cash Conversion Cycle (CCC) = DSO + DIH - DPO = Cash Conversion Cycle (CCC) = 39 Tage + 63 Tage - 61 Tage = 41 Tage 9.3 Liquiditätskennziffern 135 <?page no="137"?> 9.4 Rentabilitätskennziffern espresso-Wissen | Die Rentabilität gibt an, in welcher Höhe sich das eingesetzte Kapital eines Unternehmens in der betrachteten Periode verzinst hat. Je nachdem, • welche Erfolgsgröße im Zähler (Gewinn, Jahresüberschuss vor oder nach Steuern, ordentliches Betriebsergebnis, EBIT, EBITDA, Cashflow oder Bruttogewinn) und • welche Bezugsgröße im Nenner (Eigenkapital, Gesamtkapital, betriebs‐ notwendiges Vermögen oder Umsatzerlöse) verwendet werden, können verschiedene Rentabilitätskennziffern berech‐ net werden. Mit der Rentabilität kann die Ertragskraft des Unternehmens beurteilt werden. Umsatzrentabilität espresso-Verständnis | Die Umsatzrentabilität drückt als Prozent‐ größe aus, wie viel Gewinn ein Unternehmen pro Euro Umsatz erwirtschaftet. Eine Umsatzrentabilität von 12 % bedeutet, dass einem Unternehmen bei einem Euro Umsatz 12 Cent als Gewinn verbleiben. Umsatzrentabilität = Jahresüberschuss Gewinn nach Steuern Umsatzerlöse × 100 Umsatzrentabilität = 40 T€ 1.400 T€ × 100 = 2,86 % Die Umsatzrentabilität ist gering. 136 9 Finanzanalyse <?page no="138"?> Eigenkapitalrentabilität espresso-Verständnis | Die Eigenkapitalrentabilität nach Steuern gibt die Verzinsung des investierten Eigenkapitals an. Der Gewinn nach Steuern ist der Jahresüberschuss. Eigenkapitalrentabilität EKR = Gewinn nach Steuern durchschnittliches Eigenkapital × 100 Das durchschnittliche Eigenkapital (EK) lässt sich wie folgt berechnen: durchschnittl. Eigenkapital = Anfangsbestand EK + Endbestand EK 2 Eigenkapitalrentabilität EKR = 40 T€ 330 T€ × 100 = 12,12 % Die Eigenkapitalrentabilität der TEEM GmbH ist mittelmäßig und könnte verbessert werden. Gesamtkapitalrentabilität espresso-Verständnis | Die Gesamtkapitalrentabilität misst die Ver‐ zinsung des gesamten im Unternehmen eingesetzten Kapitals. Der Gewinn entspricht dem Jahresüberschuss (nach Steuern). Die Fremdka‐ pitalzinsen (Zinsaufwendungen), die bei der Ermittlung des Gewinns zuvor abgezogen wurden, müssen wieder hinzuaddiert werden. Damit wird die Verzinsung (Vergütung) der Fremdkapitalgeber wie auch der Eigenkapital‐ geber (über den Gewinn) berücksichtigt. Die Fremdkapitalzinsen im Geschäftsjahr 02 betrugen 38 T€. 9.4 Rentabilitätskennziffern 137 <?page no="139"?> 44 Vgl. Zantow, R. und Dinauer, J. (2011), Finanzwirtschaft des Unternehmens, S.-523. 45 Vgl. Wöltje, J. (2022), Investition und Finanzierung, S.-535. 46 Vgl. Zantow, R. und Dinauer, J. (2011), Finanzwirtschaft des Unternehmens, S.-524. Gesamtkapitalrentabilität GKR = Gewinn + Zinsenaufw. durchschn. Gesamtkapital × 100 Gesamtkapitalrentabilität GKR = 40 T€ + 38 T€ 1.000 T€ × 100 = 7,80 % Die Gesamtkapitalrentabilität beträgt 7,8-%. 9.5 Leverage-Effekt (= Hebel-Effekt) Im Zusammenhang mit der Frage der optimalen Kapitalstruktur von Fremd- und Eigenkapital, gilt es zusätzlich den sogenannten Leverage-Effekt zu beachten. Durch diesen wird eine Verbindung zwischen der Kapitalstruktur auf der einen Seite, und den Kapitalkosten - in Form des zu zahlenden Fremdkapitalzinses bzw. Gewinns für die jeweiligen Kapitalarten - auf der anderen Seite, hergestellt. 44 Das Verhältnis von Fremdkapital (FK) zu Eigenkapital (EK) - also der statische Verschuldungsgrad - wirkt wie ein Hebel auf die Eigenkapital‐ rentabilität. Entscheidend für die Richtung des Hebels ist das Verhältnis zwischen der Gesamtkapitalrentabilität und dem Fremdkapitalzinssatz: So gilt: • Ist (GKR > FKZ), kann die Eigenkapitalrentabilität durch Aufnahme von zusätzlichem Fremdkapital unter gewissen Voraussetzungen erhöht werden. Die Gesamtkapitalrentabilität verändert sich dabei nicht, d. h. sie bleibt gleich. • Ist (GKR < FKZ), bewirkt eine Steigerung des statischen Verschuldungs‐ grads eine Senkung der Eigenkapitalrentabilität, da in diesem Fall das Fremdkapital mehr kostet als es erwirtschaftet. 45 Man spricht in diesen Fällen von Leverage-Chance bzw. Leverage-Risiko. 46 espresso-Verständnis | Als Leverage-Effekt bezeichnet man den Fall, dass sich die Eigenkapitalrentabilität (EKR) durch die Aufnahme von zusätzlichem Fremdkapital (FK), d. h. mit einem zunehmendem 138 9 Finanzanalyse <?page no="140"?> 47 Vgl. Hölscher, R. und Helms, N. (2018), Investition und Finanzierung, S.-458 ff. Verschuldungsgrad (FK : EK), erhöhen lässt, solange der Fremdkapi‐ talzinssatz (FKZ) niedriger ist als die Gesamtkapitalrentabilität (GKR). Die Leverage-Formel lautet: Eigenkapitalrentabilität EKR = GKR + GKR − FKZ × FK EK Anhand von zwei Beispielen wird der positive als auch der negative Leve‐ rage-Effekt verdeutlicht. Beispiel: positiver Leverage-Effekt, wenn GKR > FKZ 47 Die Eigenkapitalrentabilität wird in Abhängigkeit vom statischen Ver‐ schuldungsgrad berechnet. Dazu werden vier identische Unternehmen (A, B, C und D) mit einem Gesamtkapital in Höhe von jeweils 1 Mio. € betrachtet. Jedes Unternehmens erwirtschaftet einen Kapitalgewinn in Höhe von 100.000 €. Somit beträgt die Gesamtkapitalrentabilität von jedem Unternehmen jeweils 10 %. Der Fremdkapitalzinssatz (FKZ) beträgt 5 % p. a. Für die vier folgenden Unternehmen (A, B, C und D) ergeben sich folgende Eigenkapitalrentabilitäten, die in der folgenden Tabelle dargestellt sind: Unternehmen A B C D Gesamtkapital 1.000-T€ 1.000-T€ 1.000-T€ 1.000-T€ Fremdkapital 0 T€ 500-T€ 750-T€ 900-T€ Eigenkapital 1.000-T€ 500-T€ 250-T€ 100-T€ statischer Verschuldungs‐ grad 0 1 2 3 Kapitalgewinn (Gewinn vor FK-Zinsen) 100-T€ 100-T€ 100-T€ 100-T€ Fremdkapitalzinsen (5-%) O T€ 25 T€ 37,5 T€ 45-T€ 9.5 Leverage-Effekt (= Hebel-Effekt) 139 <?page no="141"?> Jahresüberschuss (Gewinn nach FK-Zinsen) 100-T€ 75 T€ 62,5 T€ 55-T€ Eigenkapitalrentabilität 10-% 15-% 25-% 55-% Die Eigenkapitalrentabilität berechnet sich aus der Division von Jah‐ resüberschuss und Eigenkapital. EKR Unternehmen B = 75 T€ 500 T€ × 100 = 15,00 % EKR Unternehmen D = 55 T€ 100 T€ × 100 = 55,00 % Der positive Leverage-Effekt wird bei der Berechnung der Eigenkapi‐ talrentabilität (EKR) mit der Leverage-Formel deutlich: Unternehmen B: EKR Unternehmen B = 10 % + 10 % − 5 % × 500 T€ 500 T€ = 15,00 % Unternehmen D: EKR Unternehmen D = 10 % + 10 % − 5 % × 900 T€ 100 T€ = 55,00 % 140 9 Finanzanalyse <?page no="142"?> Beispiel mit einem negativen Leverage-Effekt, wenn GKR < FKZ: Dazu werden vier identische Unternehmen (A, B, C und D) mit einem Gesamtkapital in Höhe von 1 Mio. € betrachtet. Jedes Unternehmens erwirtschaftet einen Kapitalgewinn in Höhe von 50.000 €. Somit beträgt die Gesamtkapitalrentabilität von jedem Unternehmen jeweils 5 %. Der Fremdkapitalzinssatz (FKZ) beträgt 8 % p. a. Für die vier Unternehmen ergeben sich folgende Eigenkapitalrentabilitäten, die in der folgenden Tabelle dargestellt sind: Unternehmen A B C D Gesamtkapital 1.000-T€ 1.000-T€ 1.000-T€ 1.000-T€ Fremdkapital 0 T€ 500-T€ 750-T€ 900-T€ Eigenkapital 1.000-T€ 500-T€ 250-T€ 100-T€ statischer Verschuldungs‐ grad 0 1 2 3 Kapitalgewinn (Gewinn vor FK-Zinsen) 50-T€ 50-T€ 50-T€ 50-T€ Fremdkapitalzinsen (8-%) O T€ 40 T€ 60 T€ 72-T€ Jahresüberschuss (Gewinn nach FK-Zinsen) 100-T€ 10 T€ -10 T€ -22-T€ Eigenkapitalrentabilität 5-% 2-% -2-% -22-% Die Eigenkapitalrentabilität (EKR) berechnet sich aus der Division von Jahresüberschuss und Eigenkapital. EKR Unternehmen B = 10 T€ 500 T€ × 100 = 2,00 % EKR Unternehmen D = −22 T€ 100 T€ × 100 = −22,00 % Der negative Leverage-Effekt wird bei der Berechnung der Eigenkapi‐ talrentabilität (EKR) mit der Leverage-Formel deutlich: Unternehmen B: 9.5 Leverage-Effekt (= Hebel-Effekt) 141 <?page no="143"?> EKR Unternehmen B = 5 % + 5 % − 8 % × 500 T€ 500 T€ = 2,00 % Unternehmen D: EKR Unternehmen D = 5 % + 5 % − 8 % × 900 T€ 100 T€ = −22,00 % Da der Fremdkapitalzinssatz (FKZ) die Gesamtkapitalrentabilität (GKR) übersteigt, ist die Gewinnmarge (Klammerausdruck) negativ. Mit steigen‐ dem Verschuldungsgrad nimmt die Eigenkapitalrentabilität daher ab (nega‐ tiver Leverage-Effekt). Die beiden Beispiele verdeutlichen die positiven als auch die negativen Wirkungen eines hohen Verschuldungsgrads auf die Eigenkapitalrentabili‐ tät (EKR). espresso-Verständnis | Die Eigenkapitalrentabilität hängt davon ab inwieweit die Gesamtkapitalrentabilität (GKR) größer oder kleiner als der Fremdkapitalzinssatz (FKZ) ist. Der Hebeleffekt ergibt sich immer aus der Multiplikation der Differenz (GKR - FKZ) mit dem statischen Verschuldungsgrad. 142 9 Finanzanalyse <?page no="144"?> 10 Derivate espresso-Wissenscheck | https: / / narr.kwaest.io/ s/ 1277 espresso-Keywords | Sicherungsgeschäft, Kassageschäft, Terminge‐ schäft, Zinscap, Zinsfloor, Zinscollar, Option, Call, Put, Zeitwert, Swap, Forward Rate Agreement, Future Was erwartet mich in diesem Kapitel? Ein derivatives Finanz‐ instrument stellt einen gegenseitigen Vertrag dar, bei dem die Ver‐ tragsparteien ein Termingeschäft vereinbaren, welches in der Zukunft ausgeführt wird. Der wirtschaftliche Wert eines Derivates wird vom beizulegenden Zeitwert einer marktbezogenen Referenzgröße abgeleitet. Wofür benötige ich das Wissen? Derivate können mit einer Han‐ delsabsicht erworben oder zu Sicherungszwecken eingesetzt werden. Als Referenzgröße, auch Basiswert (Underlying) genannt, kommen z.-B. Roh‐ stoffe, Aktien, Indizes oder finanzielle Kennzahlen wie Zinssätze in Frage. Bei der Betrachtung in Bezug auf Finanzierungen steht der Einsatz von Derivaten zur Optimierung des Kreditbedarfs hinsichtlich seiner Verzinsung und Währung und somit zur Absicherung gegen Zins- und Wechselkursän‐ derungsrisiken im Vordergrund. Ein Unternehmen kann sich gegen Zins- und Wechselkursänderungsrisiken für einen bereits bestehenden Kredit, für eine geplante, noch aufzunehmende oder bereits zugesagte Finanzierung, aber auch für einen saisonalen Kapitalbedarf absichern. Der Einsatz von derivativen Finanzinstrumenten ist vielseitig. Derivate können mit einer Handelsabsicht erworben oder zu Sicherungszwecken eingesetzt werden. • Das Sicherungsgeschäft, auch Hedgegeschäft genannt, dient dem Zweck, bestehende Risiken zu begrenzen bzw. ganz auszuschalten. Dazu wird das Effektivgeschäft durch ein Termingeschäft gesichert. Käufer sichern sich mit einem Hedgegeschäft gegen den Verfall einer Währung, gegen steigende Rohstoffpreise oder gegen ein steigendes Zinsniveau bei einem variabel verzinslichen Darlehen ab. <?page no="145"?> 48 Vgl. Bösch, M. (2014), Derivate: verstehen, anwenden und bewerten, S.-7. 49 http: / / wirtschaftslexikon.gabler.de/ Archiv/ 1661/ arbitrage-v10.html 50 Vgl. Guserl, R. und Pernsteiner, H. (2015), Finanzmanagement: Grundlagen - Konzepte - -Umsetzung, S.-466. • Mit Handelsabsicht erworbene Derivate können zur Spekulation und zur Arbitrage verwendet werden. Spekulanten kaufen bewusst offene, nicht abgesicherte Positionen, um sie später gewinnbringend zu verkau‐ fen. 48 Bei Arbitrage kaufen Marktteilnehmer Börsenwerte an einer Börse zu einem niedrigen und verkaufen diese sogleich an einer anderen Börse zu einem höheren Preis. Kurs-, Preis- und Zinsunterschiede werden zur Gewinnerzielung ausgenutzt. 49 Beim Erwerb von Optionen und Futures muss lediglich der Optionspreis bzw. die Margin bezahlt werden, was einen verhältnismäßig geringen Kapitaleinsatz darstellt. Die Gewinne bzw. Verluste beziehen sich nicht nur auf das eingesetzte Kapital, sondern auf den Gesamtpreis des Basiswertes. So können mit einem geringen Kapitaleinsatz große Gewinne aber auch Verluste erzielt werden (sog. Hebelwirkung). 50 Derivative Finanzinstrumente lassen sich nach den folgenden Krite‐ rien systematisieren: • Nach dem Erfüllungszeitpunkt: - Kassageschäfte: Unmittelbare Erfüllung des Vertrages, häufig nach zwei Arbeitstagen. Sie stellen im engeren Sinne keine deri‐ vativen Produkte dar und werden nur zur Abgrenzung erwähnt. - Termingeschäfte: Vertragserfüllung erfolgt in der Zukunft. Bei Termingeschäften fallen im Gegensatz zu den Kassageschäften der Geschäftsabschluss und die Erfüllung zeitlich auseinander. • Nach dem Ort des Vertragsabschlusses: - Börsliche: Standardisierte Produkte, die an der Börse gehandelt werden. - Außerbörsliche (OTC, Over-the-Counter): Individuell ausgear‐ beitete Verträge zwischen Banken untereinander oder zwischen Banken und Kunden. • Nach den zugrundeliegenden Basiswerten: - Zinsen, - Devisen, 144 10 Derivate <?page no="146"?> 51 Vgl. Schmidt, M. (2014), Derivative Finanzinstrumente: Eine anwendungsorientierte Einführung, S.-3. - Aktien und - Güterpreisen. • Nach dem Vertragsinhalt: - Unbedingte Geschäfte: Beide Vertragsparteien verpflichten sich zur Erfüllung des Vertrages, d. h. die Vertragspartner verpflichten sich zur unbedingten Zahlung und Lieferung. - Bedingte Geschäfte: Die Vertragserfüllung ist an bestimmte Bedingungen verknüpft, die einem der Vertragsparteien ein Wahl‐ recht bzgl. Rücktritt oder Erfüllung einräumt. 51 Die folgende Abbildung zeigt eine Systematisierung der Termingeschäfte (Derivate). Abb. 30: Derivate und ihre Basiswerte 10 Derivate 145 <?page no="147"?> 10.1 Bedingte Termingeschäfte Bei bedingten Termingeschäften hat eine der beiden Vertragspartner das Wahlrecht (Option), zu einem späteren Zeitpunkt, nachdem bessere Infor‐ mationen vorliegen entweder die Vertragserfüllung zu verlangen oder das Geschäft verfallen zu lassen. Im letzteren Fall wird auf einen Austausch des Basiswertes (Underlyings) und die Zahlung des vereinbarten Preises verzichtet. Im Folgenden werden Zinsoptionen erläutert: • Zinscap: Dies ist die Vereinbarung einer Zinsobergrenze (Basispreis, Strike), d. h., der Käufer eines Caps hat das Recht, vom Verkäufer die Differenz zwischen dem vereinbarten Zinssatz und dem Marktzinssatz für den vereinbarten Zeitraum zu erhalten, wenn der Marktzinssatz die Zinsobergrenze überschreitet. • Zinsfloor: Dies ist die Vereinbarung einer Zinsuntergrenze (Basispreis, Strike). Entsprechend verpflichtet sich der Verkäufer eines Floors dem Käufer die Zinsdifferenz zu erstatten, die sich ergibt, wenn der Markt‐ zinssatz die vereinbarte Zinsuntergrenze unterschreitet. • Zinscollar: Er stellt eine Kombination aus einem Zinscap, der gekauft wird und einem Zinsfloor, der verkauft wird dar. Die beiden Parteien vereinbaren sowohl eine Zinsobergrenze als auch eine Zinsuntergrenze und einen Referenzzinssatz. Der Käufer hat dann das Recht, eine Aus‐ gleichszahlung zu verlangen, wenn der Marktzins die Zinsobergrenze überschreitet. Er muss aber seinerseits eine Ausgleichszahlung leisten, wenn der Marktzins die vereinbarte Zinsuntergrenze unterschreitet. Für den Cap muss das Unternehmen eine Prämie zahlen, für den Verkauf des Floors erhält es eine Prämie vom Käufer. Gleichen sich die Prämien aus, ist das ein Zero-Cost-Collar (kostenloser Collar). Optionen Eine Option wird zwischen Käufer und Verkäufer vertraglich geregelt. Daraus ergeben sich unterschiedliche Rechte und Pflichten für beide Po‐ sitionen. Der Käufer, auch Inhaber genannt, erwirbt gegen Zahlung des Optionspreises (die Optionsprämie) das Recht: • einen festgelegten Gegenstand (Basiswert oder Underlying) • in einer festgelegten Menge (Kontraktgröße) 146 10 Derivate <?page no="148"?> • innerhalb eines bestimmten Zeitraumes (amerikanischer Typ) oder zu einem bestimmten Zeitpunkt (europäischer Typ) • zu einem festgelegten Preis (Basispreis) • zu kaufen (Kaufoption → Call) oder • zu verkaufen (Verkaufsoption → Put). Der Verkäufer einer Option, auch Stillhalter genannt, hat nach Erhalt der Optionsprämie die Pflicht: • den Basiswert zum Basispreis • zu liefern (Call) oder • zu kaufen (Put), wenn der Käufer von seinem Wahlrecht gebraucht macht, d. h. seine Option ausübt. Es gibt bei Optionen vier mögliche Grundpositionen: • Kauf einer Kaufoption (Long Call), • Verkauf einer Kaufoption (Short Call) • Kauf einer Verkaufsoption (Long Put) • Vekauf einer Verkaufsoption (Short Put) Die folgende Tabelle zeigt die Grundpositionen bei Optionen: Kaufoption (Call) Verkaufsoption (Put) Kauf einer Kaufoption (Long Call) Verkauf einer Kaufoption (Short Call) Kauf einer Ver‐ kaufsoption (Long Put) Verkauf einer Verkaufsposi‐ tion (Short Put) Käufer hat das Recht den Basis‐ wert zum verein‐ barten Basispreis zu kaufen. Verkäufer ist ver‐ pflichtet den Basis‐ wert zum vereinbar‐ ten Basispreis zu verkaufen, falls der Call ausgeübt wird. Käufer hat das Recht den Basis‐ wert zum verein‐ barten Basispreis zu verkaufen. Verkäufer ist ver‐ pflichtet den Ba‐ siswert zum ver‐ einbarten Basispreis zu kau‐ fen, falls der Put ausgeübt wird. Erwartungshal‐ tung per Verfall‐ tag: stark stei‐ gender Preis des Basiswertes Erwartungshaltung per Verfalltag: sta‐ gnierender, leicht‐ fallender oder leicht steigender Preis des Basiswertes Erwartungshal‐ tung per Verfall‐ tag: stark fallender Preis des Basis‐ wertes Erwartungshal‐ tung per Verfall‐ tag: stagnierender, leichtfallender oder leicht stei‐ gender Preis des Basiswertes 10.1 Bedingte Termingeschäfte 147 <?page no="149"?> 52 Vgl. Becker, H. P. und Peppmeier, A. (2022), Investition und Finanzierung, S.-333. 53 Bösch, M. (2012), Derivate, S.-34. Kaufoption (Call) Verkaufsoption (Put) Kauf einer Kaufoption (Long Call) Verkauf einer Kaufoption (Short Call) Kauf einer Ver‐ kaufsoption (Long Put) Verkauf einer Verkaufsposi‐ tion (Short Put) Maximaler Ge‐ winn: unbe‐ grenzt Maximaler Gewinn: begrenzt auf verein‐ barten Optionspreis Maximaler Ge‐ winn: begrenzt auf Basispreis abzüg‐ lich des Options‐ preises Maximaler Ge‐ winn: begrenzt auf vereinbarten Opti‐ onspreis Maximaler Ver‐ lust: begrenzt auf Optionspreis Maximaler Verlust: unbegrenzt Maximaler Ver‐ lust: begrenzt auf Optionspreis Maximaler Ver‐ lust: begrenzt auf Basispreis abzüg‐ lich des Options‐ preises Tab. 13: Grundpositionen bei Optionen 52 Jede Position geht von unterschiedlichen Erwartungshaltungen bezüglich der Entwicklung des Preises vom Basiswert aus. Spätestens mit dem Lauf‐ zeitende enden auch die Rechte und Pflichten für den Käufer und Verkäu‐ fer einer Option. Verkauft der Käufer die Option während der Laufzeit oder kauft der Stillhalter bis zur Fälligkeit eine Option mit der gleichen Ausgestaltung, werden die offenen Positionen geschlossen. Dieser Vorgang nennt sich Glattstellen, wobei die Rechte oder Pflichten schon vor Fälligkeit erlöschen. 53 Kaufoption (Call) espresso-Verständnis | Mit dem Kauf einer Calloption (Long Call) erwirbt der Käufer das Recht, das Basisobjekt bei der bzw. bis zur Fälligkeit der Option zum vereinbarten Ausübungspreis zu kaufen. 148 10 Derivate <?page no="150"?> Der Verkauf einer Calloption (Short Call) entspricht der Gegenseite und verpflichtet den Stillhalter zum Verkauf. Ausgangsbasis für die Beispiele der Grundpositionen der Optionen Im Folgenden werden anhand von vier Beispielen die vier Grundpositionen mit ihren Vorteilen und Risiken erläutern. Dies erfolgt jeweils mithilfe folgender Werte: • Aktienoption mit dem Basiswert Z-Aktie, europäischer Typ • Basispreis: 50-€ • Optionspreis: 5-€ (für Kauf- und Verkaufsoption) • Fälligkeit: 01.02.06 Beispiel: Kauf einer Kaufoption (Long Call) Mit dem Kauf der Kaufoption geht der Käufer von steigenden Kursen der Z-Aktie aus. Er hat das Recht, die Z-Aktie am 01.02.06 vom Stillhalter (Verkäufer), zu einem Preis von 50 € zu erwerben. Dafür zahlt er bei Vertragsabschluss eine Optionsprämie in Höhe von 5 € an den Verkäufer. Zum Fälligkeitstermin am 01.02.06 kann es nun zu verschiedenen Szenarien kommen: • Szenario 1: Kurs der Z-Aktie < Basispreis In diesem Fall wird der Käufer die Option verfallen lassen, da er die Z-Aktie an der Börse zu einem günstigeren Preis als 50 € erwerben kann. Er verliert somit seine Optionsprämie, dies ist aber der maximale Verlust. • Szenario 2: Kurs der Z-Aktie > Basispreis Ist der Kurs der Aktie über 50 € gestiegen, so wird der Käufer von seinem Recht Gebrauch machen und die Aktien vom Stillhalter zum Basispreis verlangen, um diese dann zum Marktpreis sofort wieder zu verkaufen. Seine Gewinnmöglichkeit ist unbegrenzt und berechnet sich aus der Differenz vom Kurs der Aktie und dem Basispreis abzüglich der Optionsprämie. Der Break-Even-Punkt befindet sich bei 55 € (Basispreis + Optionsprämie). Zusammengefasst ergeben sich folgende Vorteile und Risiken für den Käufer: 10.1 Bedingte Termingeschäfte 149 <?page no="151"?> 54 Bösch, M. (2012), Derivate, S.-38 ff. • Gewinnmöglichkeit bei steigenden Kursen, wenn der Kurs der Z-Aktie mindestens bei 55 € liegt, • auf die Höhe der Optionsprämie kalkulierbarer Verlust (maximaler Verlust 5-€), • längere Zeit freie liquide Mittel; da bei Vertragsabschluss zunächst nur die Optionsprämie in Höhe von 5 € anfällt, können 45 € bspw. bis zur Fälligkeit am 01.02.06 am Geldmarkt angelegt werden, • zeitlich begrenztes Profitieren von steigenden Kursen, da der Op‐ tionsschein ein Fälligkeitstermin hat und alles vorher und nachher keine Rolle mehr spielt, • Bestimmung des Risikos durch die Wahl des Basispreises und somit der Höhe der Optionsprämie. Wird der Basispreis höher angesetzt, sinkt die Optionsprämie und somit der maximale Verlust für den Käufer. Jedoch muss nun der Kursanstieg der Z-Aktie deutlich prägnanter sein, damit der Käufer einen Gewinn erzielen kann. 54 Beispiel: Verkauf einer Kaufoption Short Call) Der Verkäufer (Stillhalter) der Kaufoption erwartet stagnierende, leichtfallende oder leicht steigende Kurse der Z-Aktie. Er ist verpflich‐ tet, dem Käufer die Z-Aktie zum Preis von 50 € pro Aktie zu liefern, wenn dieser sein Recht zur Fälligkeit am 01.02.06 ausübt. Er erhält bei Vertragsabschluss die Optionsprämie in Höhe von 5 €. Auch für ihn haben die verschiedenen Szenarios zur Fälligkeit unterschiedliche Bedeutungen: • Szenario 1: Kurs der Z-Aktie < Basispreis Der Käufer lässt die Option verfallen und somit erzielt der Verkäu‐ fer der Kaufoption einen Gewinn in Höhe von 5 €. • Szenario 2: Kurs der Z-Aktie > Basispreis In diesem Fall schmälert der Verkäufer seinen Gewinn in Höhe der Optionsprämie von 5 € bis er sich zu einem Verlust entwickeln wird, wenn der Break-Even-Punkt von 55 € erreicht ist. Der Verkäufer ist einem unbegrenzten Verlustrisiko ausgesetzt, da der Käufer in jedem Fall von seinem Recht Gebrauch machen wird. Für den Verkäufer ergeben sich zusammengefasst folgende Vorteile und Risiken: 150 10 Derivate <?page no="152"?> 55 Bösch, M. (2012), Derivate, S.-40. • Gewinnmöglichkeit bei Kursen unterhalb des Basispreises von 50 €, • Beschränkung der Gewinnhöhe auf die Optionsprämie von 5 €, • unbegrenztes Verlustpotenzial bei Kursen der Z-Aktie über 55 € (über dem Break-Even-Punkt), • teilweise Einflussnahme auf das Risiko durch die Wahl des Basis‐ preises. Bei einem höheren Basispreis sinkt die Wahrscheinlichkeit eines Verlustes, jedoch ist die Optionsprämie geringer. Aufgrund des hohen Verlustrisikos des Verkäufers einer Kaufoption, muss dieser an Terminbörsen Sicherheiten (Margins) hinterlegen. 55 Abb. 31: Gewinn- und Verlustdarstellung der Kaufoption am 01.02.06 Verkaufsoption (Put) espresso-Verständnis | Um mit einer Kaufoption einen Gewinn zu erzielen, muss der Aktienkurs mindestens in Höhe der Optionsprämie über dem Ausübungspreis liegen. Die Position der Gegenpartei sieht der des Käufers spiegelbildlich aus: Bei fallenden Preisen hat der Verkäufer einen Gewinn in Höhe der Prämie, muss dafür aber ein Verlustrisiko in unendlicher Höhe bei steigenden Preisen in Kauf nehmen. 10.1 Bedingte Termingeschäfte 151 <?page no="153"?> Der Käufer einer Verkaufsoption (Long Put) erhält das Recht, den Basiswert bei der bzw. bis zur Fälligkeit der Option zum vereinbarten Ausübungspreis zu verkaufen. Der Verkäufer der Verkaufsoption (Short Put) ist zum Kauf verpflichtet. Beispiel: Kauf einer Verkaufsoption (Long Put) Der Käufer einer Verkaufsoption erwartet, dass der Kurs der Z-Aktie stark sinkt. Mit der Zahlung der Optionsprämie von 5 € an den Stillhalter, erwirbt der Käufer das Recht, die Z-Aktie bei Fälligkeit am 01.02.06 zum vereinbarten Basispreis von 50 € zu verkaufen. Dadurch ergeben sich zum Fälligkeitstermin zwei unterschiedliche Szenarien: • Szenario 1: Kurs der Z-Aktie > Basispreis Der Käufer wird in diesem Fall keinen Gebrauch von seinem Verkaufsrecht machen, da er bei direktem Verkauf am Markt zu einem höheren Preis als 50 € verkaufen könnte, somit mehr Gewinn machen würde. Er lässt die Option verfallen. Sein Verlust ist in diesem Fall auf die Optionsprämie von 5-€ begrenzt. • Szenario 2: Kurs der Z-Aktie < Basispreis Falls der Kurs der Z-Aktie unter 50 € fällt, wird der Käufer von seinem Recht Gebrauch machen, d.-h. er wird die Option ausüben, da er die Z-Aktie zu einem niedrigeren aktuellen Börsenkurs kaufen und anschließend zum vereinbarten Basispreis von 50 € an den Stillhalter verkaufen kann. Der Ertrag für den Käufer der Option ergibt sich aus der Differenz vom Basispreis und dem Kurs der Z-Aktie zur Fälligkeit am 01.02.06 abzüglich der Optionsprämie. Der Break-Even-Punkt befindet sich bei 45 € (Basispreis minus Optionsprämie). Für den Käufer des Puts ergeben sich zusammengefasst folgende Vorteile und Risiken, die vergleichbar zu denen des Calls sind: • Gewinnmöglichkeit bei sinkenden Kursen, wenn der Kurs der Z-Aktie mindestens bei 45-€ liegt, • auf die Höhe der Optionsprämie kalkulierbarer Verlust (maximaler Verlust 5-€), • längere Zeit freie liquide Mittel, da bei Vertragsabschluss zunächst nur die Optionsprämie in Höhe von 5 € anfällt, können 45 € bis zur 152 10 Derivate <?page no="154"?> 56 Bösch, M. (2012), Derivate, S.-46. Fälligkeit am 01.02.06 am Geldmarkt angelegt werden. Die Z-Aktie muss nicht im Bestand sein, sie kann auch am 01.02.06 am Markt gekauft werden, wenn der Käufer die Option ausüben will, • zeitlich begrenztes Profitieren von sinkenden Kursen, da der Opti‐ onsschein ein Fälligkeitstermin hat und alles davor und danach bedeutungslos ist. Der Käufer muss also einerseits die Entwicklung des Kurses vorhersehen und dazu noch den Zeitpunkt bestimmen, • Bestimmung des Risikos durch die Wahl des Basispreises und somit der Höhe der Optionsprämie. Wird der Basispreis niedriger angesetzt, sinkt auch die Optionsprämie und somit der maximale Verlust für den Käufer. Jedoch muss nun der Kursrückgang der Z-Aktie deutlich prägnanter sein, damit der Käufer einen Gewinn erzielen kann. 56 Beispiel: Verkauf einer Verkaufsoption (Short Put) Der Verkäufer einer Verkaufsoption erwartet stagnierende, leicht stei‐ gende oder leichtfallende Kurse der Z-Aktie. Durch den Vertragsab‐ schluss verpflichtet er sich, vom Käufer der Verkaufsoption die Z-Aktie zum Basispreis von 50 € zu kaufen, wenn dieser von seinem Recht Gebrauch macht. Dafür erhält er die Optionsprämie in Höhe von 5 €. Hier ergeben sich wieder zwei verschiedene Szenarien mit unterschied‐ lichen Ausgängen zum Fälligkeitstermin am 01.02.06: • Szenario 1: Kurs der Z-Aktie > Basispreis In diesem Fall übt der Käufer seine Option nicht aus, wodurch der Verkäufer einen Gewinn von 5 € (Höhe der Optionsprämie) erwirtschaftet. Dies stellt auch seinen maximalen Gewinn dar. • Szenario 2: Kurs der Z-Aktie < Basispreis Falls der Kurs der Z-Aktie unter 50 € liegt, so wird der Käufer die Option ausüben, d. h. der Verkäufer muss dem Käufer die Z-Aktie zu 50 € verkaufen. Sein Verlust ist hierbei abhängig vom aktuellen Kurs der Aktie. Er berechnet sich aus der Differenz des Basispreises und des Kurses der Z-Aktie abzüglich der Optionsprä‐ mie. Sein maximaler Verlust berechnet sich aus Basispreis minus Optionsprämie. In diesem Beispiel beträgt dieser 45 €. Die Höhe des Break-Even-Punktes liegt ebenfalls bei 45-€. 10.1 Bedingte Termingeschäfte 153 <?page no="155"?> 57 Bösch, M. (2012), Derivate, S.-47. Für den Verkäufer eines Puts ergeben sich also folgende Vorteile und Risiken: • Gewinnmöglichkeit bei Kursen über dem Basispreis von 50-€, • Beschränkung der Gewinnhöhe auf die Optionsprämie von 5-€, • vom Kurs der Z-Aktie abhängiges Verlustpotenzial mit einem maximalen Verlust von 45 €, wenn der Kurs der Z-Aktie auf 0 sinkt, • teilweise Einflussnahme auf das Risiko durch die Wahl des Basis‐ preises. Bei einem niedrigeren Basispreis sinkt die Wahrscheinlich‐ keit eines Verlustes, jedoch verringert sich auch die Optionsprä‐ mie. 57 Abb. 32: Gewinn- und Verlustdarstellung der Verkaufsoption am 01.02.06 Optionspreis Der Optionspreis entspricht der Optionsprämie und wird aus dem inneren Wert und dem Zeitwert berechnet. Optionspreis = Innerer Wert + Zeitwert Innerer Wert Der innere Wert ist die Differenz zwischen dem aktuellen Preis des Ba‐ siswertes und dem Basispreis der Option. Der Wert ist nie negativ. Zu 154 10 Derivate <?page no="156"?> 58 Becker, H. P. und Peppmeier, A. (2022), Investition und Finanzierung, S.-336. 59 Becker, H. P. und Peppmeier, A. (2022), Investition und Finanzierung, S.-337. 60 Bösch, M. (2012), Derivate, S.-59. unterscheiden ist nur, ob es einen inneren Wert gibt oder nicht. Bezieht man sich weiter auf das Beispiel mit der Z-Aktie als Basiswert und einem aktuellen Kurs der Z-Aktie von 58 € ergibt sich für die • Kaufoption: Innerer Wert = Aktienkurs - Basispreis = 58 € - 50 € = 8 € • Verkaufsoption: Innerer Wert = Basispreis - Aktienkurs = 50 € - 58 € = -8 € → kein innerer Wert, dazu sagt man auch, dass die Option „aus dem Geld“ oder „out-of-the-money“ ist. In der folgenden Tabelle wird dies zusammengefasst dargestellt: - Call hat: Call ist: Put hat: Call ist: Kurs Basiswert > Basispreis innerer Wert im Geld, (in-the-money) kein inne‐ rer Wert aus dem Geld, (out-of-the-mo‐ ney) Kurs Basiswert = Basispreis kein inne‐ rer Wert am Geld, (at-the-money) kein inne‐ rer Wert am Geld, (at-the-money) Kurs Basiswert < Basispreis kein inne‐ rer Wert aus dem Geld, (out-of-the-mo‐ ney innerer Wert im Geld, (in-the-money) Tab. 14: Innerer Wert von Call und Put 58 Zeitwert Der Zeitwert ermittelt sich aus der Differenz von Optionspreis und innerem Wert. Zeitwert = Optionspreis - Innerer Wert Mit dem Zeitwert wird die Chance dargestellt, dass die Entwicklung des Basiswertes zu Gunsten des Optionskäufers abläuft. 59 Beeinflusst wird er durch die Laufzeit, Erträge und die Volatilität des Basiswertes sowie den Zinssatz. 60 Ist die Option „am Geld“, so ist der Zeitwert am höchsten. Er wird umso geringer, je weiter sich die Option „aus dem Geld“ oder „im Geld“ befindet. Zum Fälligkeitstermin beträgt er 0 €. 10.1 Bedingte Termingeschäfte 155 <?page no="157"?> 10.2 Unbedingte Termingeschäfte espresso-Wissen | Unbedingte Termingeschäfte sind charakterisiert durch die Verpflichtung der beiden Vertragsparteien, die vertraglich ver‐ einbarten Leistungen unabhängig vom Eintritt weiterer Bedingungen - also „unbedingt“ - zu erfüllen. Zu den unbedingten Termingeschäften zählen Futures, Forward Rate Agreements und Swaps. • Bei einem Swap werden Zahlungsströme ausgetauscht, um so Zinsund/ oder Währungsänderungsrisiken zu reduzieren oder sogar zu eli‐ minieren. Zu dieser Art von Finanztermingeschäften zählen alle Formen der Finanzswaps wie Zinsswaps und Währungsswaps. • Forward Rate Agreements (FRA): Diese gehören auch zu den Finanz‐ termingeschäften. Hierbei wird für einen zukünftigen Zeitraum ein fester Zinssatz vereinbart. • Bei den Futures handelt es sich um standardisierte Finanzterminkontr‐ akte, die an Börsen gehandelt werden. Die Erfüllungskriterien wie z. B. Menge, Preis, Zeitpunkt und Erfüllungsort werden im Voraus festgelegt und sind verpflichtend für Käufer (Abnahme des Futures) und Verkäufer (Lieferung des Futures). Forward Rate Agreements (FRA) espresso-Verständnis | Bei einem Forward Rate Agreement wird bei Vertragsabschluss für eine zukünftige Zinsperiode ein fester Zinssatz festgelegt. Bei Ablauf der Vorlaufzeit wird der vereinbarte Festzinssatz mit einem vorher definierten Marktzins (Referenzzinssatz) verglichen. Weichen die beiden Zinssätze voneinander ab, kommt es zu einer Zinsausgleichszahlung zwischen den beiden Vertragspartnern. Der zugrunde gelegte Kapitalbetrag wird dabei nicht ausgetauscht, sondern geht bei der Berechnung der Ausgleichs- oder Kompensationszahlung als wichtige kalkulatorische Bezugsgröße ein. Forward Rate Agreements wer‐ den zur Absicherung von Zinsänderungsrisiken für zukünftige Zinsperio‐ den genutzt. 156 10 Derivate <?page no="158"?> 61 Prätsch, J. et al. (2007), Finanzmanagement, S.-218. Der Käufer eines FRA sichert sich den Zins für eine Geldaufnahme in der Zukunft. Mit diesem Termingeschäft können Zinsänderungsrisiken für aktuelle oder zukünftig geplante Geldanlagen und Kreditaufnahmen abgesichert werden. Bei einem FRA legen zwei Parteien zum heutigen Zeitpunkt (t 0 ) einen Zinssatz (FRA-Satz) fest, der nach einer bestimmten Vorlaufperiode (t 0 bis t 1 ) für die Dauer einer bestimmten FRA-Periode (abgesicherte Referenzperiode t 1 bis t 2 ) für einen bestimmten Nominalbetrag gelten soll. Außerdem wird ein variabler Referenzzins vereinbart, mit dem der FRA-Satz am Fixingtag verglichen wird. An diesem Tag kann es zu folgenden Szenarien kommen: Szenario 1: Referenzzins > FRA-Satz In diesem Fall muss der Verkäufer des FRA einen Ausgleich an den Käufer zahlen. Szenario 2: Referenzzins < FRA-Satz Hier muss der Ausgleichsbetrag vom Käufer an den Verkäufer gezahlt werden. Beispiel: Forward Rate Agreement Die Gesamtlaufzeit (Vorlauf- und Zinsperiode) von FRAs beläuft sich auf maximal zwei Jahre. 61 Für die Laufzeit eines FRAs wird die Monatszahl für die Länge der Vorlaufperiode und der Gesamtlaufzeit angegeben. Beispielsweise hat ein 2 x 5 FRA („zwei gegen fünf“) eine Vorlaufperiode von zwei Monaten, eine eigentliche FRA-Periode (Zinsperiode) von drei Monaten und eine Gesamtlaufzeit von fünf Monaten. Abb. 33: Zeitlicher Ablauf eines Forward Rate Agreements (FRA) 10.2 Unbedingte Termingeschäfte 157 <?page no="159"?> 62 Euribor: Zinssatz im Interbankengeschäft für Termingelder in Euro 63 Beispiel entnommen aus: Becker, H. P. und Peppmeier, A. (2022), Investition und Finanzierung, S.-319. ff. Beispiel: Forward Rate Agreement Das Unternehmen Z möchte in zwei Monaten einen Kredit über 20 Mio. € mit einer Laufzeit von drei Monaten aufnehmen. Es erwartet steigende Kreditzinsen, weshalb es sich das heutige Zinsniveau sichern möchte. Deshalb kauft es bei der Bank ein FRA mit folgenden Merk‐ malen: • Kauf eines 2 x 5 FRA • Nominalbetrag: 20 Mio. € • FRA-Satz: 3,5-% • Referenzzins: 3-Monats-Euribor 62 • Abschlusstag: 1. Februar • Beginn der Vorlaufperiode: 3. Februar • Fixingtag: 1. April • Ausgleichszahlung: 3. April • FRA-Periode: 3. April bis 2. Juli (91 Tage) • 3-Monats-Euribor am 01.04.: 4,0-% 63 Am Fixingtag erfolgt der Vergleich der beiden Zinssätze. Da der FRA-Satz 0,5 Prozentpunkte unterhalb des 3-Monats-Euribors liegt, muss die Bank an das Unternehmen Z in Bezug auf den Nominal‐ betrag eine Ausgleichszahlung zahlen. Diese wird abgezinst, da die Ausgleichszahlung zu Beginn der FRA-Periode fällig ist (03. April). 158 10 Derivate <?page no="160"?> 64 Becker, H. P. und Peppmeier, A. (2022), Investition und Finanzierung, S.-336. Ausgleichszahlung = Referenzzinssatz − FRA − Zinssatz × Nominalbetrag × Tage 100 × 360 Tage 1 + Referenzzinssatz × Tage 100 × 360 Tage Ausgleichszahlung = 4,0 − 3,5 × 20 Mio. € × 91 Tage 100 × 360 Tage 1 + 4,0 × 91 Tage 100 × 360 Tage = 25.024,75 € Das bedeutet, dass die Bank dem Unternehmen Z am 03. April einen Ausgleichsbetrag in Höhe von 25.024,75 € zahlt. Wäre der Referenzzins zum 01. April geringer als der FRA-Satz ausgefallen, dann müsste das Unternehmen Z einen Ausgleich an die Bank zahlen, der ebenfalls abgezinst wird. Allgemein kann gesagt werden, dass sich ein FRA-Käufer gegenüber stei‐ genden Zinsen am Markt absichert (für eine Kreditaufnahme). Der FRA-Ver‐ käufer dagegen wünscht eine Absicherung bezüglich fallender Zinsen (für eine Geldanlage). Natürlich können beide Parteien auch auf die jeweilige Marktsituation spekulieren. 64 Futures Futures werden an der Börse gehandelt, weswegen sie Standards bezüglich der Kontraktgröße und der Zahlungs- und Lieferbedingungen unterliegen. Beim Abschluss eines Futures verpflichten sich beide Vertragsparteien • eine bestimmte Menge des Basiswertes (zugrunde liegendes Finanzin‐ strument) • zu einem im Voraus festgelegten Preis (Future-Preis) • an einem Liefertag in der Zukunft • als Verkäufer zu liefern (Short Position) oder • als Käufer abzunehmen (Long Position). espresso-Verständnis | Käufer und Verkäufer gehen eine bindende Liefer- oder Abnahmeverpflichtung ein. Gekaufte Kontrakte werden vor der Fälligkeit durch entsprechende Verkäufe, verkaufte Kontrakte 10.2 Unbedingte Termingeschäfte 159 <?page no="161"?> 65 Grill, W. und Perczynski, H. (2021), Wirtschaftslehre des Kreditwesens, S.-355. durch entsprechende Käufe gleicher Kontrakte glattgestellt. Der Ge‐ winn oder Verlust ergibt sich aus dem Unterschied zwischen dem Er‐ öffnungspreis und dem Preis des Glattstellungsgeschäftes. 65 Die folgende Abbildung zeigt die Arten der Finanz-Futures: Abb. 34: Arten von Finanztermingeschäften • Zinstermingeschäfte basieren auf fiktiven Anleihen, Geldmarktpapie‐ ren oder Termingeld. • Aktienindextermingeschäfte basieren auf einem Aktienindex, z. B. dem DAX. Ein Aktienindex-Future ermöglicht den Kauf eines ganzen Aktienkorbs. Der Kurs des Futures gibt den Preis an, den der Käufer dem Verkäufer bei Fälligkeit zahlen muss. Der Verkäufer hingegen muss den jeweiligen Aktienkorb liefern. Da eine effektive Lieferung des Index nicht möglich ist, wird der Aktienindex-Future durch Barauszahlungen erfüllt. • Devisentermingeschäfte basieren auf Währungen. Als Basiswerte für Futures können beispielsweise Agrarprodukte oder Rohstoffe zum Einsatz (Commodity Futures) und andererseits für die Financial Futures Devisen, Zinssätze, Wertpapiere und Indizes kommen. 160 10 Derivate <?page no="162"?> 66 Bösch, M. (2012), Derivate, S.-143. 67 Prätsch, J. et al. (2007), Finanzmanagement, S.-221. Neben dem Börsenhandel ist ein weiterer Unterschied zu den Forwards, dass für jedes Future-Geschäft Margins (Sicherheiten) hinterlegt werden müssen, um jederzeit eine Erfüllung des Geschäfts sicherstellen zu können. Ihre Höhe wird täglich angepasst. Sie kann in bar oder in Wertpapieren erfolgen. Zum einen gibt es sogenannte Variation Margin. Jeden Tag wird der rechnerische Gewinn und Verlust eines Futures ermittelt. Die Höhe des Verlustes wird vom Margin-Konto der entsprechenden Handelspartei abgezogen und der Handelspartei mit dem Gewinn gutgeschrieben. Zum anderen gibt es noch die Initial Margin (auch Additional Margin genannt). Zweck dieser Sicherheit ist es, mögliche Verluste bei einer Glattstellung am nächsten Börsentag abzudecken. Sie wird sowohl vom Käufer als auch vom Verkäufer verlangt, da kein Vorhersehen des Future-Preises möglich ist. 66 Futures werden oft nicht erfüllt, sondern schon vorab glattgestellt, was aufgrund der hohen Liquidität in Form von Margins sehr gut möglich ist. 67 DAX-Future Der DAX-Future ist ein Terminkontrakt, der den Deutschen Aktienindex (DAX) als Basiswert hat. Dieser Future wird an der Eurex, der weltweit größten Terminbörse, gehandelt. Die Kontraktspezifikationen des DAX-Fu‐ tures sind standardisiert und von der Börse festgelegt. Kontraktspezifikationen des DAX-Futures: Beispiel eines Aktienindex-Futures Kontraktgegenstand Deutscher Aktienindex (DAX) Kontraktwert 25-€ je Indexpunkt Preisermittlung in Punkten; auf eine Dezimalstelle Preisabstufungen (Ticks) 1 Tick = 0,5 DAX-Punkte Tickwert = 12,50 € (0,5 x 25 €) Laufzeit bis zu neun Monaten 10.2 Unbedingte Termingeschäfte 161 <?page no="163"?> 68 Vgl. Grill, W. und Perczynski, H. (2021), Wirtschaftslehre des Kreditwesens, S.-356. 69 Becker, H. P. und Peppmeier, A. (2022), Investition und Finanzierung, S.-326. 70 Becker, H. P. und Peppmeier, A. (2022), Investition und Finanzierung, S.-327. Beispiel eines Aktienindex-Futures Liefermonate die jeweils drei nächsten Quartalsmo‐ nate des Zyklus März, Juni, September und Dezember Liefertag/ Erfüllungstag dritter Freitag des Liefermonats. Ist die‐ ser Tag kein Börsentag, der davor lie‐ gende Börsentag. Lieferung/ Erfüllung Erfüllung durch Barausgleich (Cash Settlement) Tab. 15: Kontraktspezifikationen des DAX-Futures 68 Der Verkäufer eines DAX-Futures ist verpflichtet, die Differenz zwischen dem vereinbarten Preis und dem höheren Schlussabrechnungspreis auszu‐ gleichen. Im Gegensatz dazu ist der Käufer verpflichtet, die Differenz zwi‐ schen dem festgesetzten Preis und dem niedrigeren Schlussabrechnungs‐ preis auszugleichen. 69 Beispiel: Barausgleich beim Future Der Barausgleich beim DAX-Future läuft dann wie folgt ab: Kauf eines DAX-Futures vom Unternehmen Z Preis: 8.000 Punkte Kontraktwert: 200.000 € (8.000 x 25 €) Wert zum Laufzeitende: 7.600 Punkte 8.200 Punkte Szenario a): In diesem Fall werden dem Unternehmen Z 10.000 € (400 x 25 €) belastet. Dem Verkäufer dieses Futures wird dieser Betrag gutgeschrieben. Szenario b): Da der DAX-Wert zur Fälligkeit über dem festgesetzten Preis liegt, werden dem Unternehmen Z 5.000 € (200 x 25 €) gutgeschrieben. Im Gegenzug werden dem Verkäufer dieses 5.000 € belastet. 70 162 10 Derivate <?page no="164"?> 71 Bösch, M. (2012), Derivate, S.-204. Swaps Der Grundgedanke eines Swaps ist ein Tausch. espresso-Verständnis | Bei einem Swap-Kontrakt einigen sich zwei Handelspartner darauf, Zahlungsströme (Cashflows) auf Basis eines zu Grunde liegenden Nominalbetrags zu tauschen. Zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses wird festgelegt, zu welchen Terminen Zahlungen nach welcher Methode berechnet und geleistet werden. Die entspre‐ chenden Cashflows werden meist anhand zukünftiger Werte eines Zinssatzes oder eines Wechselkurses berechnet. Swaps zeichnen sich dadurch aus, dass die Vertragspartner für eine be‐ stimmte Zeit Zinszahlungen und ggf. auch Kapitalbeträge gleicher oder unterschiedlicher Währungen tauschen (englisch: to swap = tauschen). Swaps unterscheiden sich von Forward-Kontrakten dahingehend, dass es sich nicht nur um einen einzigen Austausch von Cashflows zu einem zukünftigen Termin handelt, sondern ein Tausch an mehreren Terminen stattfindet. Bei einem Zinsswap (Zinstausch) werden für einen vertraglich festgeleg‐ ten Zeitraum zu den bei Vertragsabschluss vereinbarten Terminen Zinszah‐ lungsströme in einer Währung - bezogen auf einen bestimmten Referenz‐ betrag - ausgetauscht. Es findet kein Austausch der zugrunde liegenden Kapitalsummen statt. Der Zeitpunkt des Austausches der Zinszahlungsver‐ pflichtungen kann innerhalb der Laufzeit auseinanderfallen. Werden beispielsweise Zinsen getauscht, handelt es sich um einen Zins‐ swap. Neben dem Zinsswap kann es auch zu einem Tausch von Währungen kommen (Währungsswap) oder einer Mischung dieser beiden Swaparten. Dabei treten auf dem Finanzmarkt die Zinsswaps mit einem Anteil von ca. 90 % auf. Swaps werden hauptsächlich außerbörslich gehandelt und haben ein symmetrisches Rechte-Pflichten-Verhältnis. Dies bedeutet, dass die Höhe des Gewinns der einen Vertragspartei der Höhe des Verlusts der anderen Partei entspricht. 71 10.2 Unbedingte Termingeschäfte 163 <?page no="165"?> 72 Beispiel angelehnt an Bösch, M. (2012), Derivate, S.-205 f. 10.2.1 Zinsswap Ein Zinsswap ist eine vertragliche Vereinbarung zwischen zwei Parteien, bei der Zinszahlungen in einer Währung über eine bestimmte Laufzeit zu festgelegten Tauschzeitpunkten getauscht werden. Inhaltlich wird festgelegt, dass • Zinszahlungen auf eine Währung lautend, • über eine bestimmte Laufzeit, • zu festgelegten Tauschzeitpunkten, • in Höhe der jeweils festgelegten Zinssätze, • bezogen auf einen fiktiven Nominalbetrag getauscht werden. Zinsswaps werden oft genutzt, um Zinsrisiken zu steu‐ ern oder Zinszahlungen zu optimieren. Indem eine Partei beispielsweise von einem variablen Zinssatz zu einem festen Zinssatz wechselt (oder umgekehrt), können sie sich gegen Zinsschwankungen absichern oder von erwarteten Zinsänderungen profitieren. Der Einsatz von Referenzzinssätzen wie LIBOR (London Interbank Offered Rate) oder EURIBOR (Euro Interbank Offered Rate) macht den Zinsswap zu einem flexiblen Instrument zur Zinsabsicherung und -optimierung. Beispiel: Zinsswap zwischen Unternehmen ABC und XYZ 72 • Nominalbetrag: 10 Mio. € • Laufzeit: 2 Jahre, Beginn 13. Januar 02 • Zinssatz von XYZ: Festzins von 5-% p.a. • Zinssatz von ABC: Variabler Zinssatz, basierend auf dem 12-Mo‐ nats-EURIBOR-Satz Mit diesem Vertrag verpflichtet sich ABC, jeweils am 13. Januar 03 und am 13. Januar 04 einen Zinsbetrag in Höhe von 500.000 € an XYZ zu zahlen. Im Gegenzug erhält das Unternehmen ABC jährlich den varia‐ blen Zinssatz. Hier sind die Zinszahlungen zu den unterschiedlichen Zeitpunkten und von den verschiedenen Parteien: 164 10 Derivate <?page no="166"?> Zeit‐ punkt Zinssatz 12-Monats- Euribor Zinszah‐ lungshöhe von XYZ Zinszah‐ lungshöhe von ABC Differenz 13.01.02 4,3-% - - - 13.01.03 5,5-% 500.000-€ 430.000-€ 70.000-€ 13.01.04 - 500.000-€ 550.000-€ - 50.000-€ Tab. 16: Darstellung der Zahlungen des Standardswap-Beispiels Zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses kennt man nur den variablen Zinssatz für die nächsten zwölf Monate. Aus der obigen Tabelle ist zu erkennen, dass das Unternehmen XYZ am 13.01.03 für die letzten 12 Monate 500.000 € zahlen muss. Im Gegensatz würde es von dem Unternehmen ABC 430.000 € erhalten. Es ist üblich, dass nur der Differenzbetrag transferiert wird, somit muss XYZ 70.000 € an ABC zahlen. Zum zweiten Zahlungstermin am 13.01.04 müsste XYZ wieder den Festzins von 500.000 € an ABC zahlen und würde 550.000 € von ABC erhalten. Auch hier wird wieder nur die Differenz transferiert. Das Unternehmen ABC muss 50.000 € an XYZ zahlen. Allgemein ausgedrückt, verläuft das Geschäft wie in der folgenden Abbildung dargestellt. Abb. 35: Grundstruktur des Standardzinsswap Das Unternehmen, welches den Festzins zu zahlen hat, wird als Payer bezeichnet. In dem Beispiel ist es das Unternehmen XYZ. Im Gegensatz dazu wird das Unternehmen, welches den Festzins erhält und den variablen Zins zahlt Receiver genannt (Unternehmen ABC). 10.2 Unbedingte Termingeschäfte 165 <?page no="167"?> 73 Bösch, M. (2012), Derivate, S.-230. 74 Becker, H. P. und Peppmeier, A. (2022), Investition und Finanzierung, S.-310. Währungsswap Ein Währungsswap funktioniert ähnlich wie ein Zinsswap, jedoch werden hier die festgelegten Zinszahlungen in verschiedenen Währungen geleistet, und der Nominalbetrag wird tatsächlich getauscht. Zum Beginn und zum Ende der Swapvereinbarung werden die Nominalbeträge unter dem aktu‐ ellen Währungskurs getauscht. Jeder der Vertragspartner bekommt somit seinen Betrag, den er anfangs eingezahlt hat, wieder zurück und keiner geht ein Währungsrisiko ein. Die Zinszahlungen müssen in der Währung geleistet werden, welche sie am Anfang erhalten haben. Es gibt zwei Arten von Währungsswaps, je nachdem, ob feste oder variable Zinssätze vereinbart werden: • Fix-Fix-Währungsswap: Beide Parteien vereinbaren feste Zinssätze. • Variabel-Variabel-Währungsswap: Beide Parteien vereinbaren va‐ riable Zinssätze. Die Referenzzinssätze für die variablen Zinssätze sind üblicherweise der LIBOR oder EURIBOR. espresso-Verständnis | Ein Währungsswap ermöglicht es Unterneh‐ men, von unterschiedlichen Zinssätzen in verschiedenen Währungen zu profitieren, indem sie die Zinszahlungen miteinander tauschen. Zu‐ dem sind Währungsswaps nützlich für verschiedene Einsatzfelder, wie das Ausnutzen von komparativen Vorteilen „über die Transformation von Verbindlichkeiten und Geldanlagen bis hin zum Einsatz im Risi‐ komanagement von Fremdwährungen“ 73 . Anhand eines Beispiels soll verdeutlicht werden, wie zwei verschiedenen Unternehmen ein Währungsswapgeschäft abschließen und dadurch einen geringeren Zins für ein aufgenommenes Darlehen zahlen als ohne Swapge‐ schäft 74 . Beispiel: Funktionsweise des Währungsswaps zwischen Unter‐ nehmen A und Unternehmen Z 166 10 Derivate <?page no="168"?> 75 Angelehnt an Becker, H. P. und Peppmeier, A. (2022), Investition und Finanzierung, S.-310 ff. Das Unternehmen A hat einen Kreditbedarf von 16 Mio. € und das Unternehmen Z hat einen Kreditbedarf von 20 Mio. US$. Beide Unternehmen schließen bei ihrer Bank einen Festzinskredit über eine Laufzeit von fünf Jahren ab. Dabei gelten aufgrund der unterschiedlichen Bonitäten der beiden Unternehmen folgende unter‐ schiedliche Zinskonditionen 75 : - Unternehmen A Unternehmen Z Kreditzins für Dollar 7,0-% p.a. 6,0-% p.a. Kreditzins für € 8,0-% p.a. 6,5-% p.a. Wunschwährung € $ Tab. 17: Zinskonditionen der Unternehmen A und Z Ohne Swap Mit Swap Unternehmen A: Kreditaufnahme von 16 Mio. € zu 8,0-% p. a. über fünf Jahre, Unternehmen Z: Kreditaufnahme von 20 Mio. US$ zu 6,0-% p. a. über fünf Jahre, Summe Zinskosten p. a.: 14,0-% Tausch von Zinszahlungen und Ka‐ pitalbeträgen zwischen den Unter‐ nehmen A und Z, sowie Vereinba‐ rung eines festen Wechselkurses von 1,25 US$ pro 1,00 €, Unternehmen A: Kreditaufnahme von 20 Mio. $ zu 7,0-% p. a. über fünf Jahre, Unternehmen Z: Kreditaufnahme von 16 Mio. € zu 6,5-% p. a. über fünf Jahre, Summe Zinskosten p.a.: 13,5-% Das Währungsswap-Geschäft ist in drei Phasen aufgeteilt: Eröffnungs-, Zins- und Schlusstransaktion. 10.2 Unbedingte Termingeschäfte 167 <?page no="169"?> 76 Becker, H. P. und Peppmeier, A. (2022), Investition und Finanzierung, S.-311. 77 Becker, H. P. und Peppmeier, A. (2022), Investition und Finanzierung, S.-311. 78 Becker, H. P. und Peppmeier, A. (2022), Investition und Finanzierung, S.-311. • Die Eröffnungstransaktion ist durch die Kreditaufnahme der Unter‐ nehmen bei ihren Banken gekennzeichnet. Unternehmen A nimmt bei ihrer Bank einen Festzinskredit über 20 Mio. US$ zu 7,00 % p. a. für eine Laufzeit von fünf Jahren auf. Im Gegenzug lässt sich das Unternehmen Z einen Kredit bei ihrer Bank über 16 Mio. € zu 6,5 % p. a. für dieselbe Laufzeit geben. Anschließend tauschen die Unternehmen die Kapitalbeträge zum vereinbarten Wechselkurs, um ihre jeweilige Wunschwährung zu erhalten. 76 • Die Zinstransaktion zeichnet sich durch den Tausch der Zinsen zwi‐ schen den Unternehmen über die gesamte Laufzeit des Währungsswaps aus. Sie haben vereinbart, dass Unternehmen A an Unternehmen Z 6,5 % in € zahlt und Unternehmen Z an Unternehmen A 5,75 % in US$. Die Zinszahlungen werden auf Basis des ursprünglichen Wechselkurses umgerechnet. 77 • In der Schlusstransaktion werden am Ende der Swap-Laufzeit, also in diesem Beispiel nach fünf Jahren, die Kapitalbeträge zurückgetauscht. Dadurch können die Unternehmen auch ihre Kredite bei den Banken zurückzahlen. Der Tausch erfolgt zum vereinbarten Wechselkurs. Wäh‐ rend der Laufzeit des Währungsswaps hat das Unternehmen A insge‐ samt Zinszahlungen in Höhe von 7,75 % (7,0 % + 6,5 % - 5,75 %) geleistet, was zu einer Ersparnis von 0,25 % im Vergleich zum Geschäft ohne Swap führt. Unternehmen Z hat Zinszahlungen in Höhe von 5,75 % (6,5 % + 5,75 % - 6,5 %) geleistet und erzielt ebenfalls eine Ersparnis von 0,25 % im Vergleich zu einem Darlehen ohne Swap. Der Zinsvorteil, der in diesem Beispiel zu jeweils 50 % auf die beiden Vertragspartner aufgeteilt wurde, kann je nach Marktsituation unterschiedlich verteilt werden. 78 168 10 Derivate <?page no="170"?> 79 Bösch, M. (2012), Derivate, S.-223. 80 Bösch, M. (2012), Derivate, S.-224 f. Abb. 36: Phasen des Währungsswaps Anwendung des Währungsswaps Währungsswaps können aufgrund ihrer unterschiedlichen Gestaltungs‐ möglichkeiten im Zinsund/ oder Währungsmanagement eingesetzt wer‐ den. Sind die Zinsvereinbarungen für beide Vertragsparteien gleich, also entweder für beide fix oder für beide variabel, so dient dieser Swap dem Währungsmanagement. Bei fix-variablen Währungsswaps spielen sowohl das Zinsmanagement also auch das Währungsmanagement eine Rolle. 79 Grundsätzlich dienen Währungsswaps genauso wie Zinsswaps zur Trans‐ formation von Verbindlichkeiten oder von Vermögen. Durch die Transformation von Verbindlichkeiten ist es für jeden Markt‐ teilnehmer möglich, sich in jeder Währung zu verschulden, da zum Lauf‐ zeitende ein Tausch in die gewünschte Währung stattfindet. Dadurch müssen keine bestehenden Verträge geändert oder gar aufgelöst werden. Die vertraglich schon bestehenden Zinsverpflichtungen werden somit in Zins‐ zahlungen einer anderen Währung umgewandelt. Ebenso ist die Gestaltung bei der Transformation von Vermögen möglich. Bestehende Geldanlagen werden durch Austausch von Zinszahlungen in einer anderen Währung umgewandelt und am Laufzeitende wieder zurückgetauscht. 80 10.2 Unbedingte Termingeschäfte 169 <?page no="172"?> Abkürzungsverzeichnis A 0 Anschaffungskosten, Auszahlungskurs im Zeitpunkt (t = 0) A t Auszahlungen im Zeitpunkt t a Anzahl alte Aktien Abb. Abbildung AbF Abzinsungsfaktor ABS Asset Backed Securities AfA Absetzung für Abnutzung (steuerlicher Begriff für Abschreibung) AG Aktiengesellschaft AK Anschaffungskosten AktG Aktiengesetz aLuL aus Lieferungen und Leistungen AuF Aufzinsungsfaktor BGA Betriebs- und Geschäftsausstattung BR rechnerischer Wert des Bezugsrechts einer alten Aktie C 0 Kapitalwert CCC Cash Conversion Cycle CF Cashflow DAX Deutscher Aktienindex DIH Days Inventory Held DPO Days Payable Outstanding DSO Days Sales Outstanding E t Einzahlungen im Zeitpunkt t EBIT Earnings Before Interest and Taxes eG eingetragene Genossenschaft <?page no="173"?> EK Eigenkapital EKR Eigenkapitalrentabilität Eurex Europäische Terminbörse Euribor Euro Interbank Offered Rate FK Fremdkapital FKZ Fremdkapitalzinssatz FRA Forward Rate Agreement GK Gesamtkapital GKR Gesamtkapitalrentabilität GmbH Gesellschaft mit beschränkter Haftung GuV Gewinn- und Verlustrechnung HGB Handelsgesetzbuch HV Hauptversammlung i Zinssatz i appr approximativer Effektivzinssatz i eff effektiver Jahreszinssatz i nom Nominalzinssatz i.d.R. In der Regel IPO Initial Public Offering K 0 Barwert, Gegenwartswert K e einmalige Begebungskosten K l laufende Kosten K n Endwert K alt Kursnotierung der alten Aktien vor Kapitalerhöhung K mittel neuer Mittelkurs (Mischkurs) nach der Kapitalerhöhung K neu Ausgabepreis (Emissionskurs) der neuen Aktien KEF Kapazitätserweiterungsfaktor 172 Abkürzungsverzeichnis <?page no="174"?> KG Kommanditgesellschaft KGaA Kommanditgesellschaft auf Aktien KGV Kurs-Gewinn-Verhältnis kurzfr. kurzfristig KWF Kapitalwiedergewinnungsfaktor langfr. langfristig Libor London Interbank Offered Rate n Anzahl neue (junge) Aktien, Jahre, Darlehenslaufzeit ND Nutzungsdauer OTC Over-the-Counter p.a. per anno q Aufzinsungsfaktor R t Rückzahlungen im Zeitpunkt t RBF Rentenbarwertfaktor S t Saldo der Zahlungsströme SE Societas Europaea = Europäische Aktiengesellschaft sE sonstige Erträge sK sonstige Kosten St. Stück t 0 gegenwärtige Zeitpunkt t f tilgungsfreie Jahre t m mittlere Laufzeit t n zukünftige Zeitpunkt T€ Tausend Euro VC Venture Capital Verbindl. Verbindlichkeiten Z 0 Zahlungsmittelbestand Abkürzungsverzeichnis 173 <?page no="175"?> Z t Zinszahlungen im Zeitpunkt t z Annuität Z Zahlungsreihe 174 Abkürzungsverzeichnis <?page no="176"?> Vokabelliste Deutsch-Englisch Deutsch Englisch Aktie share Akzept bill of acceptance Akzeptkredit acceptance credit Anleihe loan, bond Annuitätendarlehen annuity loan Außenfinanzierung external financing außerbörslich over-the-counter Avalkredit guarantee credit Bankkredit bank loan Basiswerte underlying assets bedingte Kapitalerhöhung conditional capital increase bedingte Termingeschäfte conditional futures transactions Beteiligungsfinanzierung equity financing Betriebskapitalrentabilität working capital profitability Bezogener acceptor, reference Bezugskurs striking price, subscription price Bezugsrecht subscription right Bezugsverhältnis subscription ratio Bilanzregel, goldene golden rule of balance sheet Blankokredit unsecured loan Bonitätsklasse credit rating class Börse stock exchange Börseneinführung initial public offering börslich on the stock exchange <?page no="177"?> Bürgschaft guarantee, security, bail Cashflow cash flow Darlehen loan Darlehen, partiarisches profit-participating loan Deckungsgrad coverage ratio Derivate derivatives Diskontierung discounting Diskontkredit discount credit Doppelwährungsanleihe dual currency bond Dreiviertelmehrheit three-quarters majority Effektivzinssatz effective interest rate Eigenfinanzierung self-financing, internal financing Eigenkapital equity capital Eigenkapitalrentabilität return on equity Einlagenfinanzierung deposit financing Endfälliges Darlehen final maturity loan Emission emission, issue emittieren to issue Erfüllungszeitpunkt settlement date Fälligkeitstag maturity date Festzins fixed rate of interest Festzinsanleihe fixed interest bond Finanzierung financing Finanzierung aus Rückstellungen financing from provisions Finanzierung durch Kapitalfreisetzung financing through equity release Finanzierungsanlass financing occasion Finanzierungsart method of financing Finanzplan financial plan 176 Vokabelliste Deutsch-Englisch <?page no="178"?> Forderungspapiere debt securities Forfaitierung forfaiting Forwards forward transactions Freijahre non-repayment years, free years Fremdfinanzierung external financing, debt financing Fremdkapital borrowed capital, debt capital Garantie guarantee Geldkredit cash credit, money loan Geldmarkt money market genehmigte Kapitalerhöhung approved increase of capital Gesamtkapitalkostensatz weighted average cost of capital (WACC) Gesamtkapitalrentabilität return on total assets Gewinnanleihe profit bond, participating bond Gewinnthesaurierung Retention of earnings Gläubiger creditor goldene Bilanzregel golden rule of balance sheet goldene Finanzierungsregel golden rule of financing Grundschuld land charge Handelskredit Commercial loan Hauptversammlung annual general meeting/ assembly Hausbank relationship bank, house bank Industrieanleihen corporate bonds Inhaberaktien bearer share Innenfinanzierung internal financing Kapitalbeschaffung capital procurement Kapitaldienstfähigkeit debt service ability, ability to service debt Kapitalerhöhung capital increase Vokabelliste Deutsch-Englisch 177 <?page no="179"?> Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmit‐ teln capital increase from company resour‐ ces Kapitalflussrechnung cash flow statement Kapitalfreisetzung capital release Kapitalgeber capital providers Kapitalherkunft source of capital Kapitalmarkt capital market Kapitalsammelstellen institutional investors, capital collec‐ tion points Kapitalüberlassungsdauer capital relinquishment duration, capital transfer period Kapitalumschlag capital turnover Kapitalverwendung capital appropriation (utilization) Kapitalwiedergewinnungsfaktor capital recovery factor Kassageschäft spot operation Kassamarkt spot market Kaufoption call option Konsortialkredit syndicated credit, consortium loan Kontokorrentkredit advance on current account, overdraft facility Kredit credit Kreditfinanzierung credit financing Kreditgeber credit grantor, lender Kreditleihen credit loans Kreditlinie credit line, credit limit Kreditnehmer borrower, credit receiver Kreditorenlaufzeit days payable outstanding Kreditsicherheiten collateral for credit facilities Kreditsurrogate loan surrogates 178 Vokabelliste Deutsch-Englisch <?page no="180"?> Kreditwürdigkeit credit worthiness Kundenanzahlung customer prepayment Kundenkredit costumer credit langfristiges Fremdkapital long-term borrowed capital Laufzeit maturity, duration, term Leasinggeber lessor Leasingnehmer lessee Lieferantenkredit supplier's credit Liquiditätsgrade degrees of liquidity Liquiditätskennziffer liquidity ratio Lombardkredit lombard loan Mezzanine-Finanzierung mezzanine financing Mittelkurs middle market rate Namensaktien registered share Negativerklärung negative pledge clause, negative decla‐ ration Nennwert nominal value Nominalzinssatz nominal interest rate nominelle Kapitalerhöhung nominal capital increase Nullkuponanleihe zero bonds Optionsanleihe bond warrants, option loan ordentliche Kapitalerhöhung ordinary increase of capital Ratendarlehen instal(l)ment loan Rembourskredit reimbursement credit Rentabilitätskennziffer profitability ratio Rückzahlungskurs repayment rate Schuldner debtor Schuldscheindarlehen borrower's note loan Vokabelliste Deutsch-Englisch 179 <?page no="181"?> Schuldverschreibungen debt securities Selbstfinanzierung self-financing Sicherungsgeschäft hedging transaction Solawechsel single-name bill, sola bill Stammaktie common share, voting share Stückaktie no-par value share Terminmarkt futures market Tilgung amortization, repayment Trassant drafter, trassant Trassat drawee, trassat Überziehung overdraft Überschussfinanzierung excess financing Umschuldung debt rescheduling Umschichtungsfinanzierung regrouping financing unbedingte Termingeschäfte unconditional futures transactions unverbrieft uncertificated verbrieft securitized vinkulierte Namensaktien registered share with restricted trans‐ ferability Vorauszahlungen advanced payment Vorzugsaktie preference share Wagniskapital venture capital Wandelanleihe convertible bond Wechselaussteller bill drawer Wechselgeschäft bill transaction Wechselnehmer payee of a bill Wertpapiere securities Zinsen interests 180 Vokabelliste Deutsch-Englisch <?page no="182"?> Literaturverzeichnis Altmann, J., und Geßner, F. 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(2023), Grundlagen der Finanzierung und Investition, 5. Auflage, Berlin, Boston. Perridon, L., Steiner, M. und Rathgeber, A. (2009), Finanzwirtschaft der Unterneh‐ mung. 15. Auflage, München, 2009. Perridon, L., Steiner, M. und Rathgeber, A. (2022), Finanzwirtschaft der Unterneh‐ mung. 18. Auflage, München. Prätsch, J., Schikorra, U. und Eberhard, L. (2007), Finanzmanagement, 3. Auflage, Berlin, Heidelberg. Rudolph, B. und Schäfer, K. (2005), Derivative Finanzmarktinstrumente, Heidelberg. Schmidt, M. (2014), Derivative Finanzinstrumente: eine anwendungsorientierte Einführung, 4. Auflage, Stuttgart. Wöhe, G., Bilstein, J., Ernst, D. und Häcker, J. (2013), Grundzüge der Unternehmens‐ finanzierung, 11. Auflage, München. Wöhe, G., Döring, U. und Brösel, G. (2023), Einführung in die Allgemeine Betriebs‐ wirtschaftslehre, 28. Auflage, München. Wöltje, J. (2022), Investition und Finanzierung, 3. Auflage, Freiburg. Zantow, R. und Dinauer, J. (2011), Finanzwirtschaft des Unternehmens, 3. Auflage, München. 182 Literaturverzeichnis <?page no="184"?> Index Abschreibungen-113 Aktienindextermingeschäfte-160 Akzeptkredit-49, 53 Anlagenintensität-123 Anleihen-55, 66 Annuität-17 Annuitätendarlehen-57 Außenfinanzierung-36, 38 Avalkredit-49, 54 Beteiligungsfinanzierung-43, 93 Beteiligungskapital-96 Cashflow-127 DAX-Futures-161 Debitorenziel-124 Deckungsgrade-131 Derivat-143 Devisentermingeschäfte-160 Diskontkredit-49 Eigenfinanzierung-34, 37 Eigenkapitalquote-125 Eigenkapitalrentabilität-137 Factoring-76 Festbetragsdarlehen-57 Festzinsanleihen-66 Financial-Leasing-81 Finanzanalyse-121 Finanzierung-14 Finanzierungsregeln-15 Forfaitierung-85 Forward Rate Agreements-156 Fremdfinanzierung-34, 37 Fremdkapitalquote-126 Futures-144, 156, 159 Geldleihe-49 Gesamtkapitalrentabilität-137 Gewinnanleihen-67 Gewinnthesaurierung-109 Goldene Bilanzregel-131 Goldene Finanzierungsregel-16 Handelskredit-46 Hedgegeschäft-143 Innenfinanzierung-36, 38, 105 Innenfinanzierungseffekt-112 Investition-13 Kapazitätserweiterungseffekt-114 Kapitalbedarf-23 Kapitalbedarfsplan-23 Kapitalerhöhung-99 Kapitalwiedergewinnungsfaktor-20 Kassageschäfte-144 Kontokorrentkredit-49f. Kreditfähigkeit-42 Kreditfinanzierung-41 Kreditleihe-49 Kreditorenziel-127 Kreditsicherung-42 Kreditwürdigkeit-42 Kundenanzahlung-48 Kundenziel-124 <?page no="185"?> Leasing-80 Leverage-Effekt-138 Lieferantenkredit-47 Lieferantenziel-127 Liquidität-127 Liquiditätsgrade-129 Lombardkredit-49, 51 Mezzanine-Finanzierung-34, 89 Nullkuponanleihen-66 Operating-Leasing-80 Option-146 Optionen-144 Optionsanleihen-66 Optionspreis-154 Private Equity-96 Ratendarlehen-57 Rationalisierungsmaßnahmen-119 Rentabilität-136 Rentenbarwertfaktor-19 Sale-and-lease-back-Verfahren-119 Selbstfinanzierung-108 Selbstfinanzierung-108 Selbstfinanzierungsgrad-125 Swap-156 Swaps-163 Termingeschäfte-144 Überschussfinanzierung-108 Umlaufintensität-124 Umsatzrentabilität-136 Variabel verzinsliche Anleihen-67 Venture Capital-97 Vermögensstrukturanalyse-123 Vermögensumschichtung-119 Verschuldungsgrad-126 Vorratsintensität-124 Währungsswap-166 Wandelanleihen-66 Warenkredit-46 Working Capital-133 Working Capital Management-133 Working Capital Ratio-131 Zinscap-146 Zinscollar-146 Zinsfloor-146 Zinsswap-164 Zinstermingeschäfte-160 184 Index <?page no="186"?> Die Welt verändert sich rasant. Im Rahmen des Studiums setzen sich deswegen Studierende und Dozierende kontinuierlich mit neuen Themen auseinander. Die Kurzlehrbücher aus der espresso-Reihe präsentieren genau dafür zahlreiche Lehrinhalte aus der Welt der Wirtschafts-, Geistes- und Naturwissenschaften - didaktisch präzise aufbereitet und mit vertiefendem eLearning-Kurs. Sie vermitteln das Wichtigste und bereiten ideal auf Studium, Vorlesung und Prüfung vor. espresso-Kurzlehrbücher - die konzentrierte Dosis Wissen für Ihren Studienerfolg. 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Ebenso erhalten die Derivate ein eigenständiges Kapitel. Zusammen mit dem Buch erhalten die Leser: innen einen eLearning-Kurs, der aus einer Vielzahl an Fragen und Antworten besteht. Die espresso-Kurzlehrbücher bereiten ideal auf Studium, Vorlesung und Prüfung vor - die konzentrierte Dosis Wissen für Ihren Studienerfolg. Jeder Band wird von einem passenden eLearning-Kurs begleitet, der den Lernfortschritt kontinuierlich sichtbar macht. Finanzierung Finanzierung Wöltje Jörg Wöltje Finanzierung www.uvk.de