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Internationale Unternehmenstätigkeit

Grundlagen, Führung, Organisation

0115
2024
978-3-3811-1232-6
978-3-3811-1231-9
UVK Verlag 
Irene E. Rath
Wilhelm Schmeisser
10.24053/9783381112326

Dieses Buch umfasst die Grundlagen zur internationalen Unternehmenstätigkeit und die damit verbundene Fertigung, Beschaffung und das Sourcing multinationaler Unternehmen. Dabei spielen sowohl Wertschöpfungskette - am Beispiel der Bekleidungsindustrie in sogenannten Niedriglohnländern - als auch die industrielle Revolution als Globalisierungstreiber eine Rolle. Das Schlagwort Industrie 4.0 ist hierbei ein wesentliches Thema. Danach geht das Buch auf die unterschiedlichen organisationstheoretischen Perspektiven ebenso ein wie auch auf die Untersuchung interkultureller Teams aus vier organisationstheoretischen Perspektiven. Abschließend werden die wichtigsten Organisationsstrukturen in multinationalen Unternehmen dargestellt. Leser:innen finden in den einzelnen Kapiteln und Abschnitten sowohl Lernziele und Inhaltsstrukturhinweise zu Beginn als auch Übungen und Zusammenfassungen am Ende. Hinweise zur Bearbeitung der Übungen haben die Autor:innen an das Ende des Buches gestellt. Das Buch richtet sich an Studierende der Betriebswirtschaftslehre an Universitäten und Hochschulen.

<?page no="0"?> ISBN 978-3-381-11231-9 Dieses Buch umfasst die Grundlagen zur internationalen Unternehmenstätigkeit und die damit verbundene Fertigung, Beschaffung und das Sourcing multinationaler Unternehmen. Dabei spielen sowohl Wertschöpfungskette - am Beispiel der Bekleidungsindustrie in sogenannten Niedriglohnländern - als auch die industrielle Revolution als Globalisierungstreiber eine Rolle. Das Schlagwort Industrie 4.0 ist hierbei ein wesentliches Thema. Danach geht das Buch auf die unterschiedlichen organisationstheoretischen Perspektiven ebenso ein wie auch auf die Untersuchung interkultureller Teams aus vier organisationstheoretischen Perspektiven. Abschließend werden die wichtigsten Organisationsstrukturen in multinationalen Unternehmen dargestellt. Leser: innen finden in den einzelnen Kapiteln und Abschnitten sowohl Lernziele und Inhaltsstrukturhinweise zu Beginn als auch Übungen und Zusammenfassungen am Ende. Hinweise zur Bearbeitung der Übungen haben die Autor: innen an das Ende des Buches gestellt. Das Buch richtet sich an Studierende der Betriebswirtschaftslehre an Universitäten und Hochschulen. Rath / Schmeisser Internationale Unternehmenstätigkeit Irene E. Rath / Wilhelm Schmeisser Internationale Unternehmenstätigkeit Grundlagen, Führung, Organisation <?page no="1"?> Internationale Unternehmenstätigkeit <?page no="2"?> Prof. Dr. Irene Rath ist Professorin für Betriebswirtschaftslehre und Internationales Management an der Euro-FH Hamburg. Prof. Dr. habil. Wilhelm Schmeisser war Professor für Finanzierung und Investition, Unternehmensführung, insbesondere für Finanzorientierte und Internationale Personalwirtschaft an der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin. In der Lehre immer am Zahn der Zeit zu sein, wird in unserer schnelllebigen Zeit immer mehr zur Herausforderung. Mit unserer neuen fachübergreifenden Reihe nuggets präsentie‐ ren wir Ihnen die aktuellen Trends, die Forschung, Lehre und Gesellschaft beschäftigen - wissenschaftlich fundiert und kompakt dargestellt. Ein besonderes Augenmerk legt die Reihe auf den didaktischen Anspruch, denn die Bände sind vor allem konzipiert als kleine Bausteine, die Sie für Ihre Lehrveranstaltung ganz unkompliziert einsetzen können. Mit unseren nuggets bekommen Sie prägnante und kompakt dar‐ gestellte Themen im handlichen Buchformat, verfasst von Expert: innen, die gezielte Information mit fundierter Analyse verbinden und damit aktuelles Wissen vermitteln, ohne den Fokus auf das Wesentliche zu verlieren. Damit sind sie für Lehre und Studium vor allem eines: Gold wert! So gezielt die Themen in den Bänden bearbeitet werden, so breit ist auch das Fachspektrum, das die nuggets abdecken: von den Wirtschaftswissenschaf‐ ten über die Geisteswissenschaften und die Naturwissenschaften bis hin zur Sozialwissenschaft - Leser: innen aller Fachbereiche können in dieser Reihe fündig werden. <?page no="3"?> Irene E. Rath / Wilhelm Schmeisser Internationale Unternehmenstätigkeit Grundlagen, Führung, Organisation UVK Verlag · München <?page no="4"?> DOI: https: / / doi.org/ 10.24053/ 9783381112326 © UVK Verlag 2024 ‒ ein Unternehmen der Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5 · D-72070 Tübingen Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikro‐ verfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Alle Informationen in diesem Buch wurden mit großer Sorgfalt erstellt. Fehler können dennoch nicht völlig ausgeschlossen werden. Weder Verlag noch Autor: innen oder Heraus‐ geber: innen übernehmen deshalb eine Gewährleistung für die Korrektheit des Inhaltes und haften nicht für fehlerhafte Angaben und deren Folgen. Diese Publikation enthält gegebenenfalls Links zu externen Inhalten Dritter, auf die weder Verlag noch Autor: innen oder Herausgeber: innen Einfluss haben. Für die Inhalte der verlinkten Seiten sind stets die jeweiligen Anbieter oder Betreibenden der Seiten verantwortlich. Internet: www.narr.de eMail: info@narr.de CPI books GmbH, Leck ISSN 2941-2730 ISBN 978-3-381-11231-9 (Print) ISBN 978-3-381-11232-6 (ePDF) ISBN 978-3-381-11233-3 (ePub) Umschlagmotiv: © johnkellerman · iStockphoto Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbib‐ liografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http: / / dnb.dnb.de abrufbar. www.fsc.org MIX Papier aus verantwortungsvollen Quellen FSC ® C083411 ® <?page no="5"?> 9 1 11 1.1 13 1.1.1 13 1.1.2 20 1.1.3 27 1.1.4 28 1.1.5 37 41 2 43 2.1 43 2.2 45 2.3 45 2.3.1 46 2.3.2 47 2.4 48 2.4.1 48 2.4.2 49 2.4.3 50 2.4.4 51 2.5 52 2.5.1 52 2.5.2 54 Inhalt Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Grundlagen zur internationalen Unternehmenstätigkeit . . . . . . . Theoretischer Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zu „multinationalen Unternehmen“ und zur Globalisierung Internationalisierung: Theorien und Erklärungsansätze . . Internationalisierungsstrategien von „multinationalen Unternehmen“: ein Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wettbewerbsfähigkeit: Wertschöpfung und Wertschöpfungskette . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zu den Begriffen Niedriglohn, Niedriglohnsegment, Niedriglohnland / Low-Cost Country . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fertigung, Beschaffung und Sourcing multinationaler Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Make or Buy - Eigenfertigung oder Fremdbezug . . . . . . . . Fertigungstiefe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einkauf, Beschaffung und Sourcing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beschaffung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sourcing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erscheinungsformen des Sourcings . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Direktes und indirektes Sourcing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Single und Multiple Sourcing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Outsourcing und Offshoring . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Global Sourcing und Low-Cost Country Sourcing . . . . . . . Global Sourcing und Low-Cost Country Sourcing - eine genauere Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Motive für Global Sourcing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beschaffungsmarkt- und Lieferantenwahl beim Global Sourcing - Kriterien und Prämissen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . <?page no="6"?> 2.5.3 58 2.5.4 61 2.5.5 63 65 3 69 3.1 69 73 3.2 73 3.2.1 74 3.2.2 75 3.2.3 78 3.2.4 80 3.3 86 3.3.1 86 3.3.2 88 3.4 91 3.4.1 91 3.4.2 91 3.4.3 93 93 4 95 4.1 95 4.1.1 96 4.1.2 99 4.1.3 101 4.1.4 103 4.2 106 4.2.1 106 Risiken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Strategien zur Risikominimierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Corporate Social Responsibility als Wettbewerbsvorteil bei Low-Cost Country Sourcing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Organisationstheoretische Perspektiven . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Interkulturelle Teams als Erfolgspotenzial und Herausforderung für Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Grundlegende Termini und Modelle interkultureller Teamarbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kultur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kulturmerkmale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kulturelemente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kulturdimensionen von Hofstedes empirischer Studie . . . . Interkulturalität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kulturelle Überschneidungssituationen . . . . . . . . . . . . . . . . Terminologische Grundlagen von Interkulturalität . . . . . . Teams und Interkulturalität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Terminologische Grundlagen von Teams . . . . . . . . . . . . . . . Entwicklungsstadien von Teams . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Terminologische Grundlagen von interkulturellen Teams . Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Interkulturelle Teams aus vier organisationstheoretischen Perspektiven . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zur Notwendigkeit von vier organisationstheoretischen Perspektiven . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Strukturelle Perspektive: Die Organisation als Maschine . Verhaltenswissenschaftliche Perspektive: Die Organisation als soziales System . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Politisch-rechtliche Perspektive: Die Organisation als politische Arena . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Symbolische Perspektive: Die Organisation als Theater . . Interkulturelle Teams aus einer strukturellen Perspektive Primärorganisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 Inhalt <?page no="7"?> 4.2.2 108 4.2.3 111 4.2.4 114 4.3 115 4.3.1 115 4.3.2 118 4.3.3 122 4.3.4 126 4.4 126 4.4.1 127 4.4.2 132 4.4.3 133 4.4.4 134 4.4.5 138 4.4.6 139 4.4.7 140 141 5 143 5.1 143 5.2 148 5.3 148 5.4 150 154 157 165 175 Sekundärorganisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zur Aufgabe als Auslöser für den Einsatz von Teamarbeit Konsequenzen für den Einsatz interkultureller Teams . . . . Interkulturelle Teams aus einer verhaltenswissenschaftlichen Perspektive . . . . . . . . . . . . . . Entwicklungsprozess interkultureller Teams . . . . . . . . . . . . Kommunikation in interkulturellen Teams . . . . . . . . . . . . . Führung interkultureller Teams . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Konsequenzen für den Einsatz interkultureller Teams . . . . Interkulturelle Teams aus einer politisch-rechtlichen Perspektive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Konfliktauslöser in interkulturellen Teams . . . . . . . . . . . . . Konfliktarten und deren Auswirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . Verhaltensweisen in Konfliktsituationen . . . . . . . . . . . . . . . Lösungs- und Quasilösungsstrategien für Konflikte . . . . . . Konsequenzen für den Einsatz interkultureller Teams . . . . Unternehmenskultur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Konsequenzen für den Einsatz interkultureller Teams . . . . Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Organisationsstrukturen in multinationalen Unternehmen . . . . . Strukturelle Organisationsstrukturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . Unspezifische Organisationsstrukturen . . . . . . . . . . . . . . . . Segregierte Organisationsstrukturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . Integrierte Organisationsstrukturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bearbeitungshinweise zu den Übungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Register . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Inhalt 7 <?page no="9"?> Vorwort Haben Sie sich schon mal mit „Multinational Organizations“ befasst? Hier würden Sie wahrscheinlich erst mal „nein“ antworten, falls Sie nicht gerade in einem solchen Unternehmen arbeiten. Jedoch werden Sie nach kurzer Überlegung feststellen, dass Ihnen „Multinational Organizations“ im Berufs- und Privatleben sehr oft begegnen. Typische Beispiele für solche multina‐ tionale Unternehmen sind Coca Cola, Siemens, McDonalds, Apple etc. • Apple hat weltweit 523 Stores, Ikea hat weltweit 456 Märkte und McDonald’s hat weltweit 40 300 Restaurants. • McDonald’s hat es vorgemacht: Mit Filialen lässt sich die Handelswelt erobern. Der Konsum ist so global wie die Produktion. Und der Ge‐ schmack eines Kunden in China unterscheidet sich heute in vielen Bereichen nicht mehr von einem in Argentinien. Alle mögen Big Macs, schwedische Möbel, Elektronik designet in California und günstige Klamotten mit schlichtem Schnitt, denen man nicht anmerkt, dass sie aus Japan stammen. Dieses Buch umfasst die Grundlagen zur internationalen Unternehmenstä‐ tigkeit und die damit verbundene Fertigung, Beschaffung und das Sourcing multinationaler Unternehmen. Dabei spielen sowohl Wertschöpfungskette - am Beispiel der Beklei‐ dungsindustrie in so genannten Niedriglohnländern - als auch die indus‐ trielle Revolution als Globalisierungstreiber eine Rolle. Das Schlagwort Industrie 4.0/ 5.0 ist hierbei ein wesentliche Theama Danach geht das Buch auf die unterschiedlichen organisationstheoretischen Perspektiven ebenso ein wie auch auf die Untersuchung interkultureller Teams aus vier organi‐ sationstheoretischen Perspektiven. Abschließend werden die wichtigsten Organisationsstrukturen in multinationalen Unternehmen dargestellt. Sie finden in den einzelnen Kapiteln und Abschnitten sowohl Lernziele und Inheltsstrukturhinweise zu beginne als auch Übungen und Zusammen‐ fassungen am Ende. Hinweise zur Bearbeitung der Übungen haben wir an das Ende des Buches gestellt. Hinweis: Ähnliche Inhalte dieses Buches basieren auf einem von den Autoren unter ähnlichem Titel erstellten Studienheft der Europäischen Fernhochschule Hamburg GmbH, University of Applied Sciences. <?page no="11"?> 1 Grundlagen zur internationalen Unternehmenstätigkeit Lernziele Sie sollen wissen, dass der Freihandel für multinationale Unternehmen, die mehr als 20 bis 30 Prozent ihres Weltumsatzes mit anderen Ländern und Unternehmen tätigen, unumgänglich ist, wenn sie weiterexistieren und nicht insolvent gehen wollen. Sie sollen die gängigsten Freihandelstheorien und deren Vertreter kennen, erläutern und erklären können. Sie sollen Industrie 4.0 als neue globalisierte technologische Entwick‐ lung begreifen lernen, die eine Reindustrialisierung Amerikas, Europas und Chinas bedeuten könnte, sowie die Grundidee vom Industrie 5.0 kennen. Neben ihren vielfältigen und komplexen politischen, kulturellen, sozialen und ökonomischen Herausforderungen für die Gesellschaft bieten Interna‐ tionalisierung und Globalisierung vielen Unternehmungen seit jeher die Chance, beispielsweise Organisationsstrukturen und Produktionsprozesse zu optimieren. Viele multinationale Organisationen nehmen die Optionen wahr, weltweit Absatzmärkte zu bedienen und beim Produzieren unter‐ schiedliche Lohnkostensysteme in verschiedenen Weltregionen zu ihren Gunsten zu nutzen. Schließlich führt ein globaler Markt, sofern es keine protektionistischen Hindernisse durch Staaten gibt, zu globalem Wett‐ bewerbsdruck, der einerseits eine gute Produktqualität erbringt, anderseits aber die günstigsten Preise einfordert, forciert durch Verbraucher, technolo‐ gische Innovationen, Wertewandel und einen demografischen Wandel. Das Phänomen der politischen, rechtlichen und ökonomischen Globalisierung ist dabei keine neue Erscheinung, sondern sie ist so alt wie das Streben des Menschen danach, mit begehrten Gütern Handel zu treiben (nach der modernen Archäologie mindestens 12 000-20 000 Jahre [Parzinger, 2015]), was diese wirtschaftlich vorantreibt. Wiederum neu ist die Qualität und Ausprägung der Globalisierung, die die Ausschöpfung von Niedriglohnre‐ gionen seit Ende des Zweiten Weltkriegs erfährt, wenn man politisch andererseits deklariert, man wolle die Sklavenarbeit und viele Ungerechtig‐ keiten beseitigen. Zurzeit wird mit großem Interesse in der Öffentlichkeit <?page no="12"?> das Wachstum des afrikanischen, südamerikanischen und ostasiatischen Niedriglohnsektors - mit all seinen negativen Implikationen - diskutiert (von TTIP über CETA bis zur Wahl Bidens als neuen US-Präsidenten). Eine Fülle von Fachliteratur beleuchtet etwa die Bereiche Globalisierung und Internationalisierung der Wirtschaft. Für den deutschsprachigen Raum liefern z. B. Kutschker und Schmid (2011) eine umfassende Übersicht über das Thema Internationales Manage‐ ment. Eine ebenso umfangreiche Übersicht über die Theorien der Globali‐ sierung bieten Rehbein und Schwengel: Theorien der Globalisierung, 2012, sowie Brem, Heyd und Schmeisser: Internationale Betriebswirtschaft, 2015, sowie das Buch Internationales Management von Dirk Holtbrügge & Martin K. Welge (2022). Im Hinblick auf Niedriglohnsektoren ist insbesondere das Low-Cost Country Sourcing (Wildemann, 2006) ein viel beachtetes Untersuchungs‐ feld, mit dem sich im deutschsprachigen Raum in letzter Zeit besonders Horst Wildemann, Martin Lockström (2007) und Ulli Arnold (2002) befasst haben. Länder wie Bangladesch, China und Indien sind dabei vor allem für internationale Textil- und Bekleidungshersteller wegen ihres niedrigen Lohnniveaus die Produktionsländer der Wahl. Sie stehen für besonders niedrige Herstellkosten - die Fertigungskosten liegen enorm unter denen, die in den hoch entwickelten Industrieländern zu erwarten wären. Die Wertschöpfung und der erzielte Gewinn für ein Produktionsgut können dank einer global ausgerichteten Beschaffungspolitik auf Grundlage von Niedriglohnsegmenten deutlich erhöht werden. Erst seit 2015 werden diese Argumente durch Industrie 4.0 oder auch Industrie 5.0 (auch bekannt als 5. industrielle Revolution) widerlegt und drehen sich um. Industrie 5.0, ist eine neue „Phase der Industrialisierung, in der Menschen mit fortschrittlicher Technologie und mithilfe von künstlicher Intelligenz (KI) gesteuerten Robotern zusammenarbeiten, um Arbeitsabläufe zu verbes‐ sern. Dies geht einher mit einer stärkeren Fokussierung auf den Menschen sowie mit einer erhöhten Widerstandsfähigkeit und einem verbesserten Fokus auf Nachhaltigkeit.“ (TWI, Deutschland, 2023) Ein Kapitel befasst sich mit der Führung wertorientierter globaler oder multinationaler Unternehmen auf der Grundlage internationaler Niedrig‐ lohnsegmente und innovativer Technologien wie Industrie 4.0. Wertori‐ entiertem Agieren von Unternehmen liegt die Idee der Wertschöpfung zugrunde. Einer der bekanntesten Vertreter dieser Wertschöpfungsidee ist Michael E. Porter (1982 und 1984), dessen Wertkette ein entscheidendes 12 1 Grundlagen zur internationalen Unternehmenstätigkeit <?page no="13"?> Instrument zur Untersuchung von Wertschöpfungspotenzialen bleibt. Am von Porter vertretenen Konzept der Wertkette wird sich dieser Beitrag orientieren, indem er die Schaffung von Wettbewerbsvorteilen durch die Ausschöpfung internationaler Niedriglohnregionen und innovativer Tech‐ nologien (Industrie 4.0) fokussiert. Die traditionelle Betrachtungsweise wird jedoch nicht außer Acht gelassen. 1.1 Theoretischer Überblick 1.1.1 Zu „multinationalen Unternehmen“ und zur Globalisierung Internationalisierung und multinationale Unternehmen Lernziele Nach Durcharbeiten diess Abschnitts können Sie erklären, was ein multinationales Unternehmen ist, kennen Sie die historischen Hinter‐ gründe zur Internationalisierung von Unternehmen, verstehen Sie, was sich hinter den Begriffen Globalisierung und Internationalisierung ver‐ birgt, kennen Sie die wichtigsten Theorien, Ursachen und Erklärungs‐ ansätze zur Internationalisierung und wissen Sie selbstverständlich, warum Unternehmen international tätig sind und sein wollen. Internationalisierung beschreibt einen Prozess der zunehmenden Ausdeh‐ nung von Aktivitäten jeglicher Art über nationale Grenzen hinaus. Multinationale Unternehmen sind Unternehmen, die in zahlreichen Ländern betriebswirtschaftlich tätig sind, um rechtliche, steuerrecht‐ liche, produktionswirtschaftliche, beschaffungswirtschaftliche, absat‐ zwirtschaftliche, technische, patentrechtliche und umweltorientierte Unternehmensziele besser erreichen zu können, indem sie Handelsrest‐ riktionen vermeiden, Kostenvorteile ausnützen, Beschaffungssicherheit von Rohstoffen absichern und Absatzziele ihrer Produkte und Dienst‐ leistungen gewährleisten. 1.1 Theoretischer Überblick 13 <?page no="14"?> „Ihre Absatzmärkte sind auf mehrere Länder verteilt und sie steuern ihre Aktivitäten von einer Zentrale im Heimatland aus. Die Unternehmen nutzen günstige Standortvorteile und preiswerte Bezugsquellen von Rohstoffen, liefern aber im Gegenzug dem Gastland neue Technologien und Maschinen und schaffen dort auch Arbeitsplätze.“ (http: / / www.b pb.de/ nachschlagen/ lexika/ lexikon-der-wirtschaft/ 20146/ multinational eunternehmen, zuletzt besucht am 19. 07.2017) Aktivitäten der multinationalen Unternehmen beschränken sich geogra‐ fisch nicht auf einen binnenstaatlichen Bereich, sondern werden zunehmend unabhängig von nationalstaatlichen Grenzen. Die Begriffe multinational, international und global können vielfältig auf sämtliche Bereiche des gesellschaftlichen Lebens angewendet werden, etwa auf die Politik oder Kul‐ tur. Im Bereich der Wirtschaft bezeichnet der Begriff Internationalisierung folglich die Ausdehnung und Dezentralisierung wirtschaftlicher Tätigkeit auf internationale, also länderübergreifende Märkte. Zugespitzt kann auch von der Internationalisierung von Unternehmungen gesprochen werden. Dies beschreibt den dynamischen Prozess, den Unternehmen auf dem Weg von einer rein nationalen Orientierung durchlaufen hin zu einer interna‐ tionalen. Für multinationale Unternehmen spiegelt dies eine nachhaltige und für die jeweilige Institution bedeutsame Auslandstätigkeit wider. Die Internationalisierung eines Unternehmens ist in Form des Internatio‐ nalisierungsgrades messbar (z. B. Exportumsatz am gesamten Umsatz des Unternehmens). Dieser gibt Auskunft über den Anteil der internationalen Geschäftstätigkeit an den nationalen und internationalen Gesamtaktivitäten einer internationalen Unternehmung und wird häufig auch mittels der Auslandsquote oder des Internationalisierungsindexes bestimmt. Übung 1 Erklären Sie den Begriff der multinationalen Unternehmung 14 1 Grundlagen zur internationalen Unternehmenstätigkeit <?page no="15"?> Internationalisierung von Unternehmen im historischen Abriss und Kontext Die Menschheit vor der Erfindung der Schrift und Antike (Kutschker & Schmid, 2011, Parzinger, 2015) Die Ursprünge von Internationalisierung finden sich bereits im vorchristli‐ chen Alten Orient, Indien, China und im Alten Ägypten wieder, und zwar als Stadtkulturen, Handelsstützpunkte außerhalb des eigenen Stadt- und Staats‐ gebiets. Auf diese Weise wurde Fernhandel betrieben. Noch handelte es sich dabei um Internationalisierung als grenzüberschreitenden (Außen-)Handel. Internationalisierung in Form grenzüberschreitender Direktinvestitionen von Unternehmen außerhalb des eigenen Territoriums setzte erst später ein. Als eine der ersten bekannten wirtschaftlichen Verbindungen zwischen Asien, Afrika und Europa gelten der Bernsteinhandel und die Seidenstraße, aber auch der Feuersteinhandel in Australien. Der Karawanenhandel mit Gütern wie Seide, Keramik, Kupfer, Silber, Gold, Sklaven, Gewürzen und Edelsteinen zwischen dem Mittelmeerraum und Südostasien kann als einer der ersten Belege für eine systematische, globale Beschaffung und Absatz‐ sicherung dieser Güter durch Handel angesehen werden. Mittelalter Der Zusammenschluss nordeuropäischer Kaufleute zur Hanse im 13. Jahr‐ hundert markiert für den nordeuropäischen Raum einen bedeutenden Abschnitt im Prozess der Internationalisierung. Zwar fand sie zu dieser Zeit noch als Außenhandel statt, die Institutionalisierung von internationa‐ len Handelsaktivitäten deutete sich jedoch schon an. Für die beteiligten Kaufleute versprach die Organisation in der Hanse nicht nur ökonomi‐ sche Vorteile. Einerseits wollte man sich gegen verlustreiche Überfälle auf die Handelstransporte schützen, andererseits fungierte die Hanse als Interessensvertretung gegenüber außenstehenden Handelspartnern, vor allem über Landesgrenzen hinaus. Aber erst im Spätmittelalter waren es Familien wie die Fugger, die Welser und die Medici, die über Europa hinaus einen regen Handel mit Waren trieben und ihr Vermögen nun durch eine frühe Form von Direktinvestitionen außerhalb der eigenen Landesgrenzen, zum Beispiel durch Fugger’sche Investitionen in den schlesischen und ungarischen Bergbau, mehren konnten. 1.1 Theoretischer Überblick 15 <?page no="16"?> Neuzeit Einen vorläufigen Höhepunkt fand die fortschreitende Institutionalisierung des Fernhandels infolge der Entdeckungsfahrten europäischer Seefahrer im 15. und 16. Jahrhundert und infolge der Kolonialisierung neu entdeckter Kontinente: Neu gegründete Überseegesellschaften wiesen nach Aufbau und Zweck schon viel Ähnlichkeit mit heutigen internationalen Unterneh‐ mungen auf (Kutschker & Schmid, 2011, S. 10). Wenn es um den ökono‐ mischen Vorteil der Produktion von Waren fern des Absatzmarktes geht, lassen sich durchaus Parallelen zur Gegenwart ziehen, wenn auch unter unterschiedlichen Vorzeichen. Denn auch die Handelsunternehmungen der Frühen Neuzeit nutzten die ökonomischen Vorteile, die sich durch die wirtschaftliche Aktivität in den Kolonien ergaben: So war die Produktion von Handelswaren günstiger als im Mutterland, weil Rohstoffe zu günstigen Preisen vor Ort erworben werden konnten und die Lohnkosten durch den Missbrauch von Sklaven sehr niedrig waren. Industrielle Revolution Eine weitere Zäsur im Prozess der Internationalisierung von wirtschaftli‐ chen Tätigkeiten markiert die „Industrielle Revolution“, die im Großbritan‐ nien des ausgehenden 18. Jahrhunderts ihren Anfang nahm und bis Mitte des 19. Jahrhunderts weite Teile Europas fundamental umgestaltet hatte. Kutschker und Schmid (2011, S. 12) betonen als Folge der Industrialisie‐ rung vor allem die Liberalisierung des Handels zwischen den Ländern. Zu bedeutenden deutschen Investitionen im Ausland, abgesehen von den bereits benannten Fugger’schen Direktinvestitionen, kam es erst seit Mitte des 19. Jahrhunderts. Vorreiter waren englische Unternehmungen, die Tochtergesellschaften im Ausland gegründet hatten und das Vereinigte Königreich damit schon zu Beginn des 19. Jahrhunderts „hinsichtlich der Internationalisierung zur führenden Nation“ weltweit machten. Noch aber erschwerten nationale Beschränkungen und internationale Regelungen zum Beispiel den Import und Export bestimmter Warenmengen. Die Behandlung von inländischen und ausländischen Händlern war bis dato sehr protektio‐ nistisch und verhinderte einen globalen Wettbewerb. 16 1 Grundlagen zur internationalen Unternehmenstätigkeit <?page no="17"?> Übung 2 Erläutern Sie, seit wann internationaler Handel von Unternehmen betrieben wird und welche Vorteile dieser Freihandel für Unternehmen außerhalb ihres eigenen Landes brachte. Die Liberalisierung des Welthandels Ein wichtiger Meilenstein auf dem Weg zu einem internationalen Welthan‐ del war das GATT (General Agreement on Tariffs and Trade), das Allgemeine Zoll- und Handelsabkommen der Welthandelsorganisation, das 1947 ab‐ geschlossen wurde und 1948 in Kraft trat. Ziel war es, den Welthandel zu erleichtern, bestehende Hindernisse, wie Zölle, Steuern und andere nationale Abgaben, abzubauen und die Weltwirtschaft zu fördern. Auch in Europa ermöglichte der Beitritt neuer Länder in den Wirtschaftsraum der EU den vereinfachten Zugriff auf weitere Beschaffungsmärkte. Als am 1. Mai 2004 Polen, Tschechien, die Slowakei, Slowenien, Litauen, Estland, Ungarn und Lettland der EU beitraten, entstand der größte Binnenmarkt der westlichen Welt, und mit ihm sanken die Hürden für eine internationale Zusammenarbeit erneut. Die Liberalisierung des Welthandels war es auch, die der Bildung internationaler Niedriglohnsektoren den nötigen Impuls gab und Unternehmungen den hürdenfreien internationalen Zugriff auf vergleichsweise billige Arbeitskräfte in Ländern mit niedrigem Lohnniveau ermöglichte (Zentes, Swoboda & Morschett, 2004, S.-108-ff.). Globalisierung Die Globalisierung gilt als eine besonders weitreichende Form der Interna‐ tionalisierung. Streng genommen steht der Begriff Globalisierung für einen dynami‐ schen Prozess. Die in diesem Sinne inzwischen anerkannteste Definition ist Vernetzung (Rehbein & Schwengel, 2012, S. 10). Die Bundeszentrale für po‐ litische Bildung umschreibt Globalisierung als „eine politisch-ökonomische Bezeichnung für den fortschreitenden Prozess weltweiter Arbeitsteilung“ (Schubert & Klein, 2014). Der Globalisierungsbegriff wird auf politische, ökologische, geschichtliche, gesellschaftliche, kulturelle und wirtschaftliche Kontexte angewendet. 1.1 Theoretischer Überblick 17 <?page no="18"?> Als wirtschaftliche Globalisierung bezeichnet man die weltweite Aus‐ richtung und Verflechtung von Märkten und wirtschaftlichen Tätigkeiten. Als der Globalisierung ausgesetzte Märkte gelten die Finanz-, Arbeits-, Dienstleistungs-, Waren- und Kapitalmärkte. Der Prozess der Globalisierung bewirkt, dass dereinst durch Ländergrenzen voneinander abgeschottete Märkte zu länderübergreifenden, weltweiten Märkten werden. Nicht jedes Land auf der Welt ist gleichermaßen von der Globalisierung betroffen. Es sind lediglich die OECD- und BRICS-Staaten (dazu gehören Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika) sowie wenige südamerikanische und asiatische Schwellenländer, die am Globalisierungsprozess teilhaben. Der größte Teil der Länder der Erde weist nur sehr geringe wirtschaftliche Ver‐ netzungstendenzen im Globalisierungssinne auf (Koch, 2014, S. 10). Ulrich Steger (1999, S. 220) sieht die Hauptmerkmale von Globalisierung vor allem in der De-Nationalisierung, einer hohen Mobilität von Kapital, Arbeit und Wissen, einem zunehmenden Austausch von traditionell-hierarchischen Strukturen durch kooperative Strukturen sowie in einer größeren Optionsaber auch Risikovielfalt durch die Nutzung weltweiter Chancen. Auf die Ebene von Unternehmen heruntergebrochen, kann Globalisierung als eine Form der Strategie einer grenzüberschreitend tätigen Unternehmung (globale Unternehmung) angesehen werden, bei der Wettbewerbsvorteile weltweit durch die Ausnutzung von Standortvorteilen und die Erzielung von Skaleneffekten aufgebaut werden sollen. Investitionsort, Produktionsort, Steuerort und Markt sind nicht mehr zentral in einem Land gebündelt, sondern verteilen sich weltweit auf die aus Unternehmenssicht kostengüns‐ tigsten Standorte. Die Globalisierung von Unternehmungen kann sich in allen Unternehmensbereichen vollziehen, etwa im Marketing und Vertrieb, im Personalmanagement, in Forschung und Entwicklung, der Produktion oder dem Beschaffungswesen. Insbesondere der Produktionsprozess ist insofern zergliedert, als einzelne, noch so kleine Komponenten eines Produktionsgutes jeweils dort produziert werden, wo die Produktion am effizientesten ist. Aufgrund zunehmend abgebauter Handelsschranken zwischen den Staaten, der zunehmend weltweit mobilen Verfügbarkeit und Einsetzbarkeit des Produktionsfaktors Kapital sowie der nahezu grenzenlosen Anwendbarkeit der neuen Kommunikations- und Internettechnologien wird zunehmend in solchen Staaten produziert, die die besten Kostenvorteile bieten. In den letzten Jahren sprechen wir jedoch eher von einer Deglobaliserung, das ist eine gegenläufige Entwicklung und ein Prozess der Abnahme oder 18 1 Grundlagen zur internationalen Unternehmenstätigkeit <?page no="19"?> Rücknahme der Verflechtungen. Unter den Ökonomen besteht kein Konsens darüber, ob wir uns in einer Globalisierung oder Deglobaliseirung befinden. Globalisierung im historischen Kontext Wie auch im Fall der Internationalisierung wird für die Globalisierung fälschlicherweise angenommen, sie sei ein „modernes“ Phänomen. Unstrit‐ tig ist aber, dass die Menschheit seit Tausenden von Jahren miteinander über sehr große räumliche Distanzen, wenn auch noch nicht weltumspan‐ nend, interagiert hat. In sich scheinbar potenzierender Geschwindigkeit haben dagegen die Reaktionszeiten durch immer speziellere und effektivere Kommunikations- und Transportmedien in den letzten Jahrhunderten stetig abgenommen. Ab wann man von Globalisierung sprechen kann, ist umstritten, die Ursachenforschung schwierig. Wenn man dem Terminus Globalisierung die Idee weltumspannender Aktivitäten und Arbeitsteilung, die Überwindung von Raum und Zeit, zugrunde legt, wäre die Frage zu stellen, seit wann es praktisch möglich ist, physisch von einem Punkt auf dem Globus zu einem anderen zu gelangen oder mithilfe von Kommunikationsmitteln mit diesem Kontakt aufzunehmen. Die Frage lässt sich klar beantworten: Die Globali‐ sierung beginnt mit der Transportrevolution Ende des 19. Jahrhunderts, mit dem Einsatz von Dampflokomotiven, von Dampfschiffen, mit der Erfindung von Gefriermöglichkeiten, der Erfindung des Telegrafen, der Verlegung von Seekabeln. Weitere Ansätze sehen den Ursprung der Globalisierung in der Industriellen Revolution, andere wiederum setzen schon bei der europäischen Welteroberung des 16.-Jahrhunderts an. Globalisierung kann und muss auch als ein Prozess der Kolonialisierung verstanden werden, der sich rückblickend geradezu als eine Zwangsläufig‐ keit aus dem Zusammentreffen verschiedenster Faktoren des menschlichen sozialen Interagierens ergab - die Wurzeln globalisierender Tendenzen rei‐ chen weit zurück und spiegeln sich im historischen Kontext von Internatio‐ nalisierung wider. Der Terminus Globalisierung taucht vermutlich das erste Mal als „Globalization“ in der anglo-amerikanischen Literatur auf und findet 1930 erstmals in der Publikation „Towards New Education, where it denoted a holistic view of human experience in education“ Anwendung (Nevalainen & Traugott, 2012, S. 377). Darüber hinaus wird er in den Sechzigern und Siebzi‐ gern des 20. Jahrhunderts wenig genutzt. Eine intensivere Verbreitung findet er seit den 1980er-Jahren in anglo-amerikanischen Soziologenkreisen. Erst 1.1 Theoretischer Überblick 19 <?page no="20"?> seit den 1990er-Jahren nimmt die Verwendung des Globalisierungsterminus sprunghaft zu. Und tatsächlich sehen einige Wissenschaftler die Globalisie‐ rungsmotoren in der Zunahme der weltweiten Transportkapazitäten, der Entwicklung der Informations- und Kommunikationstechnologie (speziell des Internets in den 1980er-Jahren), der Entwicklung von Laptop und Mobilfunk sowie deren Weiterentwicklung zu billigen Massenmedien seit den 1990er-Jahren. Außerdem nehmen seit den 1980er-Jahren nachweislich die grenzüberschreitenden Aktivitäten nicht nur absolut zu, sondern auch im Verhältnis zu einzelnen nationalen Entwicklungen, was sich anhand intraglobaler Handelsströme nachweisen lässt. Die Globalisierung nach ihrer strengsten Definition findet - in der For‐ schung unbestritten - ihre bis dato stärkste Ausprägung im Hier und Jetzt. Gern wird vom „Zeitalter der Globalisierung“ gesprochen. Gegenwärtig ist eine Verbindung zwischen einem Teil der Welt mit einem anderen Teil der Welt virtuell jederzeit und real in enorm kurzer Zeit möglich, nicht nur im Hinblick auf den Transport von Waren und Gütern, sondern auch im Hinblick auf den reinen Daten- und Informationsfluss - und dies zu historisch gesehen niedrigen Kosten. Übung 3 Definieren Sie Globalisierung. Übung 4 Erläutern Sie die Kriterien, anhand welcher die Globalisierung beschrei‐ ben werden kann. 1.1.2 Internationalisierung: Theorien und Erklärungsansätze Ursachen von Internationalisierungs- und Globalisierungsprozessen Die Ursachen von Internationalisierung und Globalisierung im wirtschaft‐ lichen Bereich sind vielfältig. Keine Ursache kann als die dominierende betrachtet werden, da eine Vielzahl von Impulsen ineinandergreift, die sich gegenseitig bedingen. 20 1 Grundlagen zur internationalen Unternehmenstätigkeit <?page no="21"?> Zusammenfassend können die folgenden Aspekte als treibende Kräfte von Globalisierungs- und Internationalisierungsprozessen betrachtet wer‐ den (Kutschker & Schmid, 2011, S. 182 ff., und Brem, Heyd & Schmeisser, 2015, Vorwort): • die zunehmende Liberalisierung der Märkte, Deregulierung der Waren- und Dienstleistungssowie Geld- und Kapitalströme durch Abkommen wie GATT und die Vorgaben des Internationalen Währungsfonds sowie Privatisierungen von Staatsmonopolen; • steigende Kooperationstendenzen in Form von Abkommen zwischen Staaten; • steigende Integrationstendenzen in Form von Freihandelszonen, Zollunio‐ nen, Gemeinsamem Markt, Wirtschaftsunion und politischen Unionen; • die Öffnung ehemaliger Planwirtschaften wie China; • das Auftreten neuer Wettbewerber auf dem Weltmarkt - dazu zählen südamerikanische ebenso wie asiatische Schwellenländer; • der technologische Fortschritt beispielsweise im Bereich des Transport‐ wesens, der Informations- und Kommunikationstechnologie; • einschneidende politische Umwälzungen, wie das Ende des Eisernen Vorhangs Ende der 1980er-, Anfang der 1990er-Jahre, dieser ebnete erst den Weg für eine freie, weltumspannende Wirtschaftstätigkeit. Ursachen und Gründe für die Internationalisierung von Unternehmungen Die Ursachen und Gründe für die Internationalisierung von Unternehmun‐ gen sind vielfältig. Alle eint das Streben nach Wettbewerbsfähigkeit und Wettbewerbsvorteilen, das Unternehmen transnational agieren lässt. Eine Differenzierung nach Motiven, wie sie zum Beispiel von Reinhard Meckl (Meckl, 2010, S. 6 f.) vorgenommen werden, erscheint plausibel. Meckl unterscheidet Market Seekers, Technology and Innovation Seekers, Efficiency Seekers und Natural Ressource Seekers. Market Seekers sind Unternehmungen, die dann nach besseren Absatz‐ möglichkeiten auf ausländischen Märkten suchen, wenn der Heimat‐ markt durch geringe Wachstumsraten, starken Wettbewerb und deshalb durch ein niedriges Preisniveau gekennzeichnet ist. 1.1 Theoretischer Überblick 21 <?page no="22"?> Technology and Innovation Seekers internationalisieren in Richtung tech‐ nologie- und innovationsstarke Länder, um von deren Potenzial zu profitieren. Efficiency Seekers suchen die Effizienzsteigerung im Ausland über den Zugang zu billigeren Produktionsfaktoren und indem sie über Volume‐ neffekte im Ausland Profitabilitätsbzw. Renditekennzahlen optimieren. Natural Ressource Seekers suchen nach internationalen Investitionen, um Zugang zu Rohstoffen und Rohprodukten zu erlangen, die für die eigene Produktion benötigt werden. Dunning fügt noch strategische Motive, Strategic (created) asset-seeking hinzu. Diesen liegt der Wunsch zugrunde, sich durch Direktinvestitionen im Ausland in formelle und informelle Netzwerke einklinken zu können (Dunning & Lundan, 2008, S.-72-f.). Für die meisten Unternehmen wird nicht nur eines dieser Motive maß‐ geblich sein bei der Entscheidung, im Ausland zu investieren. In der Regel sind es mehrere Faktoren, die zusammentreffen und die Auslandsaktivität begründen. Netzwerkeffekt: „Auf Plattformen wirken sich selbst verstärkende Netz‐ werkeffekte. Das bedeutet: Je mehr Marktteilnehmer sich auf einer Plattform tummeln, desto attraktiver werden sie für andere. Netzwer‐ keffekte sorgten zum Beispiel dafür, dass Facebook so schnell groß werden konnte. (Schwochow & Ramge, 2016, S.-208) Formen der Internationalisierung Nach Meckl lassen sich drei Hauptformen des Auslandsengagements unter‐ scheiden: • Handelsbeziehungen (zum Beispiel Export/ Import, Transithandel), • Auslandsbeziehungen ohne Kapitalbeteiligungen (zum Beispiel Lizenz, Franchising, internationale Kooperationen) sowie • Kapitalanlagen. Diese lassen sich unterscheiden in Finanzinvestitionen und strategische Investitionen. Strategische Investitionen wiederum können in eigengegründete Auslandsgesellschaften, Akquisitionen 22 1 Grundlagen zur internationalen Unternehmenstätigkeit <?page no="23"?> (Mehrheitsbeteiligungen), Minderheitsbeteiligungen und Joint Ventures differenziert werden Internationalisierungstheorien Unter Internationalisierungstheorien lassen sich alle Theorien subsumie‐ ren, die die Internationalisierung kausal (warum? ), modal (wie? ), temporal (wann? ) und/ oder lokal (wo? ) darzustellen versuchen. Dazu zählen Theorien zur Erklärung des Außenhandels, z. T. unter historischen Gesichtspunkten (zum Beispiel Merkantilismus) oder unter Betrachtung von Kostenvorteilen (Theorie der absoluten Kostenvorteile, Theorie der komparativen Kosten‐ vorteile, Heckscher-Ohlin-Theorem), Theorien zur Erklärung von Direktin‐ vestitionen (zum Beispiel einfache Zinssatztheorie, Währungsraumansatz, technologische Theorien wie Industrie 4.0) sowie Theorien mit einem gene‐ rellen Erklärungsansatz von Internationalisierung (zum Beispiel Ansätze der Kostendegression, Standortansätze, Internalisierungsansatz). Es fällt auf, dass viele Internationalisierungsstrategien vorrangig die Ab‐ satzperspektive von Internationalisierung erklären, aber kaum explizit auf die Gründe eingehen, aus denen ein Unternehmen beschließt, international Rohstoffe, unfertige Erzeugnisse und Fertigprodukte zu beschaffen, um seine Waren dann möglicherweise sogar nur national abzusetzen. Zu den wenigen Ansätzen, die diesen Sachverhalt einbeziehen, gehört der Produktlebenszy‐ klusansatz von Vernon, auf den im Folgenden noch eingegangen wird. Ultra-traditionelle Erklärungsansätze für Außenhandel Betrachtet man die gängigen Theorien des Außenhandels näher, könnte man von Adam Smiths 1776 vorgebrachter Theorie der absoluten Kos‐ tenvorteile ausgehen, warum Unternehmen - vor allem im Hinblick auf Beschaffungsstrategien - den Weg der Internationalisierung wählen. Smith sagt, Außenhandel sei auf absolute Kostenvorteile von Ländern zurückzu‐ führen. Jedes Land hat bei bestimmten Produkten absolute Kostenvorteile, bei anderen Produkten absolute Kostennachteile. Zum Außenhandel kommt es dann, wenn die Länder, die bei Produkten absolute Kostenvorteile haben, sich auf deren Produktion spezialisieren, diese Produkte exportieren und im Gegenzug die Produkte importieren, bei denen sie absolute Kostennachteile aufweisen. Dieser Ansatz macht jedoch idealtypische Prämissen, die in der Form in der Realität nicht anzutreffen sind (Broll & Gilroy, 1989). Auch die Idee der relativen Kostenvorteile von David Ricardo, der die Produktivitätsunterschiede von Ländern betont, kann dieses Problem nicht zufriedenstellend lösen, da sie ebenfalls Idealtypen voraussetzt. Dennoch 1.1 Theoretischer Überblick 23 <?page no="24"?> kann die Theorie der komparativen Kostenvorteile in Ansätzen erklären, warum es beispielsweise zur Beschaffung in sogenannten Niedriglohnlän‐ dern kommt. Ricardo sagt, dass Außenhandel stattfindet, weil Länder sich auf die Produktion des Gutes spezialisieren, bei dem sie relative Kosten‐ vorteile genießen, dieses Gut dann exportieren und umgekehrt das Gut importieren, bei dem sie relative Kostennachteile aufweisen. Jeweils das Land, das für ein Gut relative Kostenvorteile hat, sollte seine Produktion darauf spezialisieren. Wohlstand könne für jedes Land eintreten, wenn zwi‐ schen den Ländern mit jeweils vorhandenen komparativen Kostenvorteilen Arbeitsteilung herrscht (Ricardo, 1979). Das Faktorproportionentheorem der schwedischen Wissenschaftler Eli Heckscher und Bertil Ohlin (Heckscher, 1949, S. 272-300) geht weiter, indem es neben dem Produktionsfaktor Arbeit die Produktionsfaktoren Kapital und Boden betrachtet. Außerdem sieht das Theorem weniger die Produktivitätsunterschiede als entscheidend an, sondern vielmehr die Aus‐ stattung mit Produktionsfaktoren, über die unterschiedliche Länder in unterschiedlichem Ausmaß verfügen. Je stärker einer dieser Faktoren in einem Land vorhanden ist, desto geringer sind die Faktorkosten. In Ländern, die übermäßig mit dem Faktor Arbeit ausgestattet sind, ist Arbeit vergleichsweise billig. Ein solches Land hat also komparative Kostenvorteile bei der Produktion von arbeitsintensiven Gütern. Im Vergleich dazu hat ein kapitalreiches Land (Heckscher und Ohlin subsumieren Boden unter Kapital) komparative Kostenvorteile bei der Fertigung kapitalintensiver Güter. Ein Land exportiert dementsprechend das Gut, das auf dem Produktionsfaktor aufbaut, von dem ausgiebig vorhanden ist, und importiert die Güter, dessen zur Fertigung benötigter Produktionsfaktor nicht ausreichend vorhanden ist. Kapitalintensive Güter werden nach dieser Theorie in Industrieländern, arbeitsintensive Güter in Entwicklungs- und Schwellenländern produziert und dementsprechend exportiert bzw. importiert. Die Theorien von Ricardo und Heckscher/ Ohlin haben gemeinsam, dass sie Außenhandel über relative Kostenvorteile erklären. An allen Theorien wird kritisiert, sie seien zu realitätsfern, würden Fak‐ toren wie Arbeitslosigkeit, Währungsschwankungen und Transportkosten nicht berücksichtigen und ihre Annahmen auf Faktorimmobilität, Gütermo‐ bilität sowie einer fixen Ressourcenbzw. Faktorausstattung begründen. Zudem stellte Wassily Leontief in einer kritischen Analyse die Annahmen und Ergebnisse des Faktorproportionentheorems einleuchtend infrage, in‐ dem er mit einer Studie nachwies, dass die USA mehr arbeitsintensive Güter 24 1 Grundlagen zur internationalen Unternehmenstätigkeit <?page no="25"?> als kapitalintensive Güter produzierten (Leontief, 1953, S. 332-349 und 1956, S. 386-407) - ein Widerspruch zum Heckscher/ Ohlin-Theorem. Demnach müsse der Faktor Arbeit weiter ausdifferenziert werden, denn auch die Art der Arbeitsleistung, genauer deren Qualität, sei bei einer Betrachtung von Relevanz. Dieses sogenannte Leontief-Paradoxon konnte im Laufe der Zeit von anderen Wirtschaftswissenschaftlern bestätigt werden. Traditionelle Erklärungsansätze für Außenhandel Interessant ist der (Nicht-)Verfügbarkeitsansatz von Kravis, der besagt, dass Länder die Produkte importieren, über die sie selber nicht verfügen (Kravis,1956, S. 143-155). Derartige Produkte sind beispielsweise Mineralien wie „Seltene Erden“, die nur in wenigen Regionen der Welt vorhanden sind. Für z.-B. den europäischen Textil- und Bekleidungshandel trifft dieses Argument nicht zu, da die für den innereuropäischen Bekleidungshandel nötigen Produkte durchaus in Europa produziert werden könnten und dies traditionell auch geschah. Auch die Theorie der technologischen Lücke nach Posner (Posner, 1961, S. 323-341) und Hufbauer (Hufbauer, 1966) kann den Außenhandel in der Bekleidungsindustrie nicht erklären. Sie sagen, Außenhandel entwickle sich, wenn Länder nicht den gleichen technologischen Entwicklungsstand haben. Der Export von einem Land A in ein anderes Land B kommt zustande, weil Land A über die bessere Technologie eines Gutes verfügt und bis zu deren Imitation durch Land B einige Zeit verstreichen wird - eine Sachlage, die für den Bekleidungshandel zwischen Asien und Europa nicht zutrifft, denn eine solche Wechselwirkung zwischen beiden Regionen lässt sich historisch nicht nachweisen. Übergreifende Internationalisierungstheorien Eine verhaltenswissenschaftliche Analyse von Internationalisierungsproz‐ essen in Unternehmen liefert die Verhaltenstheorie von Yaid Aharoni (Aha‐ roni, 1966, S. 49-172). Er liefert plausible Erklärungen, die gewiss auf eine Vielzahl von Internationalisierungsentscheidungen von Unternehmungen zutreffen. Sein Fokus liegt zwar auf Direktinvestitionen, Kutschker und Schmid (2011, S. 427) betonen aber, dass die Verhaltenstheorie auch weitere Formen der Internationalisierung erklären kann. Aharoni sagt, dass Ent‐ scheidungsprozesse nicht rational sein müssen, Entscheidungen häufig im Kollektiv gefällt werden, diese Kollektive unterschiedliche Zielrichtungen 1.1 Theoretischer Überblick 25 <?page no="26"?> und Interessen haben können und nur über eine beschränkte Informations‐ aufnahme-, Informationsverarbeitungs- und Problemlösungskapazität ver‐ fügen und Entscheidungen weniger aufgrund des Bedürfnisses nach Opti‐ mierung, sondern eher aufgrund des Bedürfnisses nach Befriedigung gefällt werden. Zudem sind Unternehmen lernfähig und ändern mit zunehmender Auslandserfahrung auch ihr Investitionsverhalten: Auslandsinvestitionen werden mit wachsender Auslandserfahrung immer selbstverständlicher. Auch wenn an Aharonis Theorie kritisiert wird, sie stelle lediglich dar, wie es zu suboptimalen Entscheidungen kommt, und nicht, wie Auslandsaktivitä‐ ten tatsächlich zustande kommen sollten, gelingt es ihm i. d. R., die Realität hinter Unternehmensentscheidungen besser abzubilden. Interessant im Hinblick auf Produktionsverlagerungen ins Ausland ist Raymond Vernons Produkt(lebens-)zyklusansatz, den er 1966 vorstellte (Vernon, 1966, S. 190-207). Darin unterscheidet Vernon zunächst zwischen drei Phasen eines Produkts: 1. dem Stadium des neuen Produkts, 2. dem Stadium des reifenden Produkts und 3. dem Stadium des standardisierten Produkts. Im ersten Stadium wird ein Produkt in dem Land, in dem es entwi‐ ckelt wird, produziert, in den Markt eingeführt und verkauft. Eine zu Beginn noch unbedeutende Auslandsnachfrage wird über Exporte befriedigt. Der Preis für dieses Produkt ist zu diesem Zeitpunkt noch vergleichsweise hoch, da es anfangs in geringen Stückzahlen zu einem hohen Lohn- und Gehaltsniveau produziert wird. Im Stadium des reifenden Produkts erlaubt eine zunehmende Inlands- und Auslandsnachfrage, größere Stückzahlen zu fertigen. Vernon geht davon aus, dass neue Wettbewerber auf den Markt drängen - vorerst im Inland, später auch im Ausland -, wodurch sich das Unternehmen gezwungen sehen wird, die Preise seines Produkts zu senken. Dies kann durch die Verlagerung an einen günstigeren Produktionsstandort, möglicherweise im Ausland, geschehen. Zu einer solchen Produktionsver‐ schiebung kann es dann kommen, wenn die Kostenunterschiede zwischen Inland und Ausland so groß sind, dass trotz Transportkosten auch ein Reim‐ port attraktiv erscheint. In der Regel wird die Produktion zunächst in andere Industrieländer verschoben. Im dritten und letzten Stadium kommt es zu einem vollkommen standardisierten Produkt, dessen Fertigungsprozesse na‐ hezu vereinheitlicht sind - häufig wird hier schon das Stadium der Massen‐ produktion erreicht. Um in Masse zu produzieren, sind regelmäßig nur noch wenige hoch qualifizierte, hoch vergütete Arbeitskräfte, stattdessen mehr günstige, niedrig qualifizierte Arbeitskräfte vonnöten. Internationalisierung dient dabei dem Massenabsatz. Da neue Wettbewerber hinzugekommen sind 26 1 Grundlagen zur internationalen Unternehmenstätigkeit <?page no="27"?> und der Kostendruck steigt, steigt die Notwendigkeit, noch günstiger zu produzieren: Die Produktionsverlagerung in Niedriglohnländer wird zur Ultima Ratio, Produktionsstandorte im Heimatland werden aufgegeben, die Produktion in weiteren Industrieländern reduziert, die produzierten Güter aus den Entwicklungsländern ins Heimatland und weitere Industrieländer exportiert. Relativiert wird dieser Ansatz erst durch die Industrie 4.0, die eine Rückverlagerung der Produktion in die nationalen Heimatländer erlaubt. Vernon betrachtet mit seinem Ansatz nur Direktinvestitionen, was zu‐ mindest im Widerspruch zum Heckscher/ Ohlin-Theorem steht, sofern es sich um kapitalintensive Güter handelt. Übung 5 Erklären und erläutern Sie die absoluten und die relativen Kostenvor‐ teile von Ländern. Übung 6 Erklären Sie das Faktorproportionentheorem der schwedischen Wissen‐ schaftler Eli Heckscher und Bertil Ohlin. Übung 7 Beschreiben und erklären Sie die Produktionsverlagerungen von mul‐ tinationalen Unternehmen ins Ausland nach Raymond Vernons Pro‐ dukt(lebens-)zyklusansatz. 1.1.3 Internationalisierungsstrategien von „multinationalen Unternehmen“: ein Überblick Unter einer Internationalisierungsstrategie nach Kutschker und Schmid (2011) sowie Porter (1982 und 1984) und Schmeisser et al. (2012) wird das geplante Maßnahmenbündel einer multinationalen Unternehmung sowie das sich plötzlich herausbildende Entscheidungs- und Handlungsmuster verstanden, auf deren Basis eine multinationale Unternehmung ihre In‐ ternationalisierungspolitik betreibt. Zu den fünf Grunddimensionen der Internationalisierungsstrategien gehören: • die Markteintrittsbzw. Marktbearbeitungsstrategie, • die Zielmarktstrategie, 1.1 Theoretischer Überblick 27 <?page no="28"?> • die Timingstrategie und • die Allokationsstrategie (Grundarten: Konfigurations- und Leistungs‐ strategie). Export, Lizenzierung, Franchising, Vertragsfertigung, Joint Ventures, stra‐ tegische Allianzen, Tochtergesellschaften, Fusionen oder Minderheitsbetei‐ ligungen können Markteintritts- und Marktbearbeitungsstrategien darstel‐ len. Zu den Zielmarktstrategien zählen die Strategien der Marktpräsenz, der Marktselektion und der Marktsegmentierung. Ihnen liegen Entschei‐ dungen hinsichtlich der anvisierten Zielmärkte zugrunde. Timingstrategien fokussieren auf den optimalen Zeitpunkt von Markteintritten auf länder‐ spezifischer oder länderübergreifender Ebene. Die Konfigurationsstrategie ist eine Strategie, die im Hinblick auf die geografische Verteilung von Wertschöpfungsaktivitäten angewendet wird. In der Autoindustrie werden verschiedene Aktivitäten der Leistungserstellung in unterschiedlichen Län‐ dern durchgeführt. Zu ihr zählt beispielsweise die Koordinationsstrategie, bei der die optimale wechselseitige Abstimmung zwischen einzelnen Unter‐ nehmenseinheiten (zum Beispiel innerhalb von Konzernen) berücksichtigt wird. Die Leistungsstrategien betrachten die Tatsache, dass Unternehmen ihre Leistungen weltweit identisch, also standardisiert, oder weltweit diffe‐ renziert anbieten können. 1.1.4 Wettbewerbsfähigkeit: Wertschöpfung und Wertschöpfungskette Wertschöpfung Unternehmen schöpfen Wert, indem die ihnen zugeordneten technischen Einheiten Güter mit den Werteigenschaften hervorbringen, die eine Befrie‐ digung der Bedürfnisse von Abnehmern bewirken (Large, 1995, S. 10). Zur Deckung menschlicher Bedarfe ist ein Leistungsprozess notwendig, dem die Transformation von Rohstoffen in Produkte zugrunde liegt. Dieser Prozess läuft zumeist auf mehreren Stufen ab und wird in der Regel von unterschiedlichen Wirtschaftseinheiten durchgeführt. Jede dieser Stufen - bis auf die erste, die als Urproduktionsbzw. Gewinnungsstufe bezeichnet wird - übernimmt von der ihr vorgelagerten Stufe Produkte und gestaltet diese um, verarbeitet oder veredelt diese. Das so transformierte Produkt wird dadurch stets mit einem höheren Wert an die nachgelagerte Stufe 28 1 Grundlagen zur internationalen Unternehmenstätigkeit <?page no="29"?> weitergegeben (Haller, 1997, S. 30). Auf volkswirtschaftlicher Ebene wird die Wertschöpfung eines Unternehmens als dessen Beitrag zum im Inland entstandenen Volkseinkommen bzw. Inlandsprodukt bezeichnet. Als Wert‐ schöpfung im engeren betriebswirtschaftlichen Sinne gilt die Summe der Roherträge, verringert um die zugekauften Vorleistungen. Sie entspricht der Differenz zwischen den Einstandspreisen aller extern eingekauften Leistungen (fremderstellte Güter und Dienste) und den Verkaufserlösen aller eigenen Marktleistungen (Güter und Dienste, die aus diesen Vorleis‐ tungen und eigenen Leistungen zusammengesetzt sind). Als Vorleistungen gelten die Güter (Waren und Dienstleistungen), die Wirtschaftseinheiten von anderen Wirtschaftseinheiten bezogen und im Berichtszeitraum im Zuge der Produktion verbraucht haben. Leistungswirtschaftlich bzw. real‐ güterwirtschaftlich ist die Wertschöpfung die Summe des in einer Periode hinzugefügten Produktionsbeitrags und der von anderen Unternehmen empfangenen Vorleistungen. Die Wertschöpfung ist also die Differenz des gesamten Produktionswerts und der empfangenen Vorleistungen. Für die Bruttowertschöpfung heißt das vereinfacht (Coenenberg, Haller & Schultze, 2012, S.-1170): Bruttowertschöpfung = Umsatz - Materialaufwand Die Wertschöpfung deckt damit den Faktoreinsatz und den Gewinn ab. Auf makroökonomischer Ebene ist sie eine Nettoerfolgsgröße, wenn man Erfolg als Gegenwert für das Ergebnis des Leistungsgeschehens definiert. Nach der traditionellen Deutung wird der Ausdruck Wertschöpfung als quantitativer ökonomischer Begriff genutzt, der eben diesen Wertzuwachs bezeichnet, der durch die beschriebenen ökonomischen Aktivitäten geschaf‐ fen wird. Haller betont, dass Wertschöpfung nicht den Werterstellungspro‐ zess bezeichnet, sondern für das Ergebnis des Leistungsprozesses, den geschaffenen Wertzuwachs, steht. Wert ist dabei stets ein subjektiv empfun‐ dener Mehrwert, der sich durch einen höheren Grad der Brauchbarkeit bzw. Wertschätzung des Outputs im Vergleich zum Input ergibt. Die Bewertung des Mehrwerts als solche erfolgt in einer marktwirtschaftlich organisierten Volkswirtschaft in Form der Preiskalkulation mit einem Marktwert. Doch auch dieser Marktwert ist keine objektive Größe, sondern ergibt sich aus der gefühlten Bedürfnisbefriedigung des Kunden. Die betriebliche Wertschöpfung wird mit der Wertschöpfungsrechnung ermittelt. Es ist zwischen der Entstehungsrechnung (auch reale oder Sub‐ traktionsmethode) und der Verteilungsrechnung (auch personale oder Ad‐ ditionsmethode) zu unterscheiden (Tab. 1) (Schmeisser, 2008, S.-126). 1.1 Theoretischer Überblick 29 <?page no="30"?> Tab. 1: Vereinfachte Darstellung von Entstehungs- und Verteilungsrechnung (in Anlehnung an Coenenberg et al., 2012, S.-1172-f.) Die Entstehungsrechnung ermöglicht einen Blick auf die betriebswirtschaft‐ liche Wertschöpfung, wogegen die Verteilungsrechnung einen breiteren Blick auf die an ihrer Erzeugung beteiligten Anspruchsgruppen ermöglicht. Möchte man die Wertschöpfung praktisch ermitteln, bietet sich die Entste‐ hungsrechnung eher an als die Verteilungsrechnung, da mit ihrer Hilfe das Zustandekommen der Wertschöpfung deutlicher wird. Das Ergebnis beider Berechnungswege ist die Nettowertschöpfung (Schmeisser, 2008, S.-126-f.). Die Wertschöpfungsquote gibt Auskunft über den Anteil der Wertschöp‐ fung an der Gesamtleistung des Unternehmens und lässt somit Rückschlüsse auf Fertigungstiefe, vertikale Integration und die Outsourcingstrategie des Unternehmens zu. Sie berechnet sich folgendermaßen: Haller (1997, S. 298) weist darauf hin, dass der bisher beschriebene, traditio‐ nell interpretierte Begriff der Wertschöpfung ausschließlich bis Ende der 1970er-Jahre genutzt wurde. Seit den Siebzigern kam noch eine „moderne“ Deutungsweise hinzu, die stark von der traditionellen Deutungsweise ab‐ weicht. Diese geht auf die in den USA entstandenen strategischen und ope‐ rativen Managementkonzepte zurück, die zwar auch einen aus der betriebli‐ 30 1 Grundlagen zur internationalen Unternehmenstätigkeit <?page no="31"?> chen Tätigkeit entstehenden Mehrwert erfassen, doch diesen ausschließlich als Wertmehrungsfaktor für die Eigenkapitalgeber definieren. Zweck dieses „Wertschöpfungsmanagements“ (engl. „Value Added Management“) ist die Schaffung von Wettbewerbsvorteilen, wie die Senkung der Stückkosten und/ oder unterschiedliche Differenzierungsformen, durch die Steigerung des Unternehmensmarktwerts (Rappaport, 1986). In diesem Sinne ist auch Michael E. Porters Wertkettenansatz (1984) zu verstehen. Hätte, Hätte, Wertschöpfungskette. Unternehmen verbrauchen Ressourcen, wenn Sie Werte schaffen. Im Idealfall kommt Gewinn am Ende dabei heraus. Die Ansammlung von Tätigkeiten in einem Unternehmen kann mit Hilfe der Wertschöpfungskette systematisch erfasst werden. Mit Hilfe von Wertkettenanalysen können Prozesse optimiert und Wettbewerbsorteile geschärft werden (Schwochow & Ramge, 2016, S.-56). Wertschöpfung in der Supply Chain: Supply Chain Management Die exakte Übersetzung für Supply Chain nach Porter ist Lieferkette oder Wertkette, gängiger aber ist Wertschöpfungskette. Die Wertschöpfungskette umfasst alle an der Entwicklung, Erstellung, Lieferung und Entsorgung eines Produkts beteiligten Akteure, von den Rohstofflieferanten bis hin zu den Endabnehmern. Die Idee der Kette, engl. Chain, wird in der Litera‐ tur auf den Begriff des Netzwerks ausgeweitet (Schmeisser et al., 2014, drittes Kapitel). An der Erstellung einer Unternehmensleistung ist also ein Netzwerk weiterer Unternehmen beteiligt, von der Rohstofflieferung und -verarbeitung hin zum Verkauf an den Endkunden. Der Begriff Supply steht dabei für die übergeordnete Funktion der Belieferung des Endkunden. Mit der Größe eines solchen Netzwerks von miteinander verbunden agie‐ renden Unternehmen wächst auch die Notwendigkeit der Koordination dieses komplexen Systems. Naim, Disney und Towill konnten nachweisen, dass mit zunehmender Zahl an Akteuren die Fähigkeit dieses Netzwerks, optimale Koordinationsabläufe aufrechtzuerhalten, überproportional sinkt (Naim, Disney & Towill, 2004, S. 123 f.). Die Beherrschung und Gestaltung der „Belieferungskette“ bzw. des „Belieferungsnetzwerks“ unter Wertschöp‐ fungsgesichtspunkten sind die maßgeblichen Aufgaben der Beteiligten, 1.1 Theoretischer Überblick 31 <?page no="32"?> denn sie begründen einen eigenen thematischen Bereich der strategischen Unternehmensführung: Supply Chain Management. Das Supply Chain Management hat zwar seine Wurzeln im Logistikma‐ nagement, geht aber in seinen Ansätzen über ein bloßes Streben nach den klassischen Logistikzielen, wie der Reduzierung von Durchlaufzeiten (Lead Times), Bestandsverringerung und der Erhöhung der Liefertreue (Corsten & Gössinger, 2008, S. 107), hinaus. Dem Supply Chain Management ist die engere Ausrichtung an den Bedürfnissen des Endkunden eigen. Unter dem Management einer Supply Chain versteht man also „… die unternehmensübergreifende Koordination und Optimierung der Material-, Informations- und Wertflüsse über den gesamten Wertschöpfungsprozess […] mit dem Ziel, den Gesamtprozess unter Berücksichtigung der Kundenbedürfnisse sowohl zeitals auch kos‐ tenoptimal zu gestalten“ (Arndt, 2013, S.-47). Ziel der Supply Chain ist zum einen das Schaffen von Kundennutzen unter Berücksichtigung von Kosten und Gewinn, zum anderen wird die Integra‐ tion der Wertschöpfungsprozesse und damit einhergehend die Verbesserung der Wettbewerbsposition aller in der Supply Chain integrierten Parteien angestrebt (Kummer, Grün & Jammernegg, 2013, S. 67). Nicht allein ent‐ scheidend, aber mitentscheidend für ein wertschöpfungsorientiertes Supply Chain Management ist dabei die Kostenoptimierung/ -senkung über alle Wertschöpfungsstufen der internationalen Supply Chain. Wie von Porter angeführt, sind die Konzepte der Supply Chain und der Wertschöpfungskette miteinander verwandt (Porter & Miller, 1985, S. 149 ff.) und können insofern zusammengefügt werden, wobei eine Wertkette nicht auf eine einzelne Unternehmung beschränkt bleiben muss. Stattdessen können die Wertketten miteinander verschränkt, also der gesamte Wert‐ schöpfungsprozess, zum Beispiel in einer Supply Chain, erfasst werden (Porter, 2010, S. 60). Der Unterschied zwischen beiden Konzepten liegt darin, dass die Supply Chain Versorgungs- und Verfügbarkeitsaspekte betrachtet, die Wertkette es dagegen ermöglicht, Chancen und Risiken für Nutzen- und Wertsteigerung ins Auge zu fassen (Klaus, 1998, S.-444.) 32 1 Grundlagen zur internationalen Unternehmenstätigkeit <?page no="33"?> Wettbewerbsvorteile und Wertschöpfung nach Porter Porter unterscheidet zwei Grundtypen von Wettbewerbsvorteilen für Un‐ ternehmen einer Branche: • Kostenvorteil und • Differenzierung. Davon abgeleitet ergeben sich nach Porter drei Strategietypen im Wettbewerb: • Kostenführerschaft, • Differenzierung und • Konzentration auf Schwerpunkte. Der Kostenführer strebt an, der kostengünstigste Hersteller einer Branche zu sein, indem er alle Quellen für mögliche Kostenvorteile aufspürt und nutzt. Der Differenzierungsfaktor darf jedoch nicht außer Acht gelassen werden, da bei ungenügender Differenzierung sich auch eine noch so gute Kostenposition - widergespiegelt in zum Wettbewerber vergleichsweise niedrigen Preisen - aufhebt. Das Unternehmen, das auf die Strategie der Differenzierung setzt, wird sich mit der Betonung exklusiver Merkmale seines Produkts behaupten wollen und kann durch hohe Qualität und Spe‐ zialisierung höhere Preise als Mitbewerber der gleichen Branche erzielen. Bei der dritten Strategie, der Konzentrationsstrategie, sind zwei Varianten zu unterscheiden: die Variante des Kostenschwerpunkts und die Variante des Differenzierungsschwerpunkts. Abhängig vom gewählten Zielsegment nutzt das Unternehmen den Kostenschwerpunkt, bei dem es sich durch ein anderes Kostenverhalten von den Wettbewerbern unterscheidet, oder den Differenzierungsschwerpunkt, bei dem das Unternehmen andere spezielle Käuferbedürfnisse in anderen Segmenten als die Wettbewerber nutzt. Der die Umwelt betonende Industrial-Organization-Ansatz von Por‐ ter und anderen Autoren wird jedoch kritisiert: Es könne Unternehmen durchaus gelingen, sowohl Kostenführerschaft als auch Differenzierung umzusetzen, sie entscheiden sich für die Umsetzung beider Strategien (Kutschker & Schmid, 2011, S. 841). Porter wiederum kritisiert am gängigen Wertschöpfungsmodell, dass die Wertschöpfung potenziell kostensenkende oder differenzierungssteigernde Verbindungen zwischen Unternehmen und ihren Lieferanten außer Acht lasse. Da aber eben diese Betrachtungsweise für die multinationale Unternehmung von großer Bedeutung ist, wird im 1.1 Theoretischer Überblick 33 <?page no="34"?> Abb. 1: Wertkette nach Porter (in Anlehnung an Porter, 2010, S.-64) Folgenden auf die Wertkettenlehre von Porter näher eingegangen, bevor später ein Blick auf die Wertkette durch Industrie 4.0 geworfen wird. Wertkette nach Porter Als Wertkette, Wertschöpfungskette oder Value Chain bezeichnet man ein von Porter in den 1980er-Jahren maßgeblich gestaltetes Instrument, mit dem der Prozess der betrieblichen Leistungserstellung bei einem Unternehmen strukturiert werden kann (Abb. 1). Porter bietet die Idee der Wertkette als analytisches Instrument an, um die Ursachen von Wettbewerbsvorteilen zu untersuchen. Er gliedert die Wertkette eines Unternehmens in „… strategisch relevante Tätigkei‐ ten, um dadurch Kostenverhalten sowie vorhandene und potentielle Dif‐ ferenzierungsquellen zu verstehen“ (Porter, 2010, S. 63). Jede einzelne strategische Tätigkeit kann die relative Kostenposition eines Unterneh‐ mens positiv beeinflussen und eine Differenzierungsbasis schaffen, um dem Unternehmen damit einen Wettbewerbsvorteil auf Basis von Kosten oder Differenzierung zu ermöglichen. Die Wertkette eines Unternehmens nach Porter ist in ein Wertsystem, einen breiten Strom von Tätigkeiten, eingebettet. Zu diesem Strom können die Wertketten von Lieferanten ebenso wie die Wertketten von Vertriebskanälen und Abnehmern gezählt werden. Das Potenzial von Wettbewerbsvorteilen liegt darin, dass sich die Wertkette eines jeden branchenspezifischen Unternehmens von der seines 34 1 Grundlagen zur internationalen Unternehmenstätigkeit <?page no="35"?> Konkurrenten unterscheidet. Die Wertkette zeigt den Gesamtwert einer Unternehmensleistung. Sie setzt sich zusammen aus Wertaktivitäten und der Gewinnspanne. Die Gewinnspanne ist die Differenz zwischen Gesamt‐ wert und Summe der Kosten, die bei der betrieblichen Leistungserstellung entstehen. Stets bei der Kostenermittlung einzubeziehen sind auch die Gewinnspannen der Wertketten von Lieferanten oder anderer an der Leistungserstellung beteiligter Unternehmen, da diese Gewinnspannen einen Teil der Gesamtkosten darstellen, die der Abnehmer in Form des Endpreises übernehmen wird. Porter beschreibt neun miteinander verbundene Grundtypen von Tätig‐ keiten, die er als die Bausteine bezeichnet, aus denen ein Unternehmen das für den Abnehmer wertvolle Produkt erschafft. Dabei unterscheidet er primäre und unterstützende Aktivitäten. Primäre Aktivitäten sind die Schlüsselaktivitäten in den Kernprozessen, die bei der Leistungserstellung von Produkten und Dienstleistungen ausgeführt werden. Porter zählt dazu Eingangslogistik, Operationen, Marketing und Vertrieb, Ausgangslogistik und den Kundendienst. Die unterstützenden Tätigkeiten, also die Unter‐ nehmensinfrastruktur, Personalwirtschaft, Technologieentwicklung und Beschaffung, dienen der Aufrechterhaltung der primären Aktivitäten. Je nach Unternehmenstyp ergeben sich unterschiedliche Kern- und Nebenpro‐ zesse. Jede dieser Wertaktivitäten setzt zu ihrer Funktionserfüllung gekaufte Inputs, Ressourcen in Form von Arbeitskräften und Management sowie Technologie ein. Sowohl die einem Unternehmen vorgelagerten als auch nachgelagerten Akteure, wie Lieferanten und Abnehmer, haben Wertketten. Das Produkt eines Unternehmens stellt in der Kette des Abnehmers den gekauften Input dar (Porter, 2010, S.-93). Die Wertkette ermöglicht eine genaue Analyse, wie einzelne Wertaktivi‐ täten eines Unternehmens zusammenwirken, und dient als Basis für eine genaue Bestimmung von Wettbewerbsvorteilen und die Entscheidung für eine Strategie zu ihrer Umsetzung. Wettbewerbs- und Wertschöpfungsstrategien Wertschöpfungsstrategien als Teilfunktion des strategischen Managements sind all jene Strategien, die hinsichtlich Veränderungen in den Schwer‐ punkten der Wertschöpfung von Unternehmen angewendet werden. Zu unterscheiden sind: 1.1 Theoretischer Überblick 35 <?page no="36"?> • Horizontale Wertschöpfungsstrategien: Dazu zählen Variationen in der Produkt-Markt-Matrix nach Ansoff. Demnach fließen in die strategi‐ schen Überlegungen die Abwägungen von Risiken und Chancen ein, ob und wie bestehende Märkte oder neue Märkte mit jeweils bestehenden oder neuen Produkten bearbeitet werden können/ sollen. • Vertikale Wertschöpfungsstrategien: Diese Strategien werden hinsicht‐ lich der vertikalen Integration dem Unternehmen vor- und nachgelager‐ ter Wertschöpfungsstufen angewendet. Ob ein Unternehmen im Vergleich zu seinen Mitbewerbern kostengünstig oder kostenintensiv arbeitet, hängt davon ab, in welchem Modus es die einzelnen Aktivitäten der Wertkette ausführt. Jede Wertaktivität, auch eine unterstützende, kann für den Wettbewerbsvorteil entscheidend sein. Besonders interessant ist das Potenzial, das dabei in der Integration bzw. Desintegration von originär vorgelagerten oder nachgelagerten, aufeinan‐ der abgestimmten Wertketten und deren strategischen Aktivitäten liegt. Dies gelingt zum Beispiel mittels Koalitionen mit an der Leistungserstellung beteiligten Unternehmen, wie Lieferanten, oder der kompletten Integration von Tätigkeiten, wie der Eigenproduktion oder dem Absatz. Im Rahmen von Lieferantenkoalitionen können die Wertkette des Unternehmens und die Wertkette des Lieferanten so aufeinander abgestimmt werden, dass eine Win-Win-Situation entsteht (Porter, 2010, S. 87). Einen entscheidenden Einfluss auf den Wettbewerbsvorteil eines Unternehmens stellt das Wettbe‐ werbsfeld dar, in das die unternehmerische Wertkette eingebettet ist und welches den Aufbau und die wirtschaftlichen Grundregeln der Wertkette prägt: • Segmentfeld: Marktsegment, also Produktvarianten und Abnehmer; • Integrationsgrad: Make-or-Buy-Entscheidungen; • geografisches Feld: Spektrum von Regionen, Ländern oder Ländergrup‐ pen, in denen sich das Unternehmen am Wettbewerb beteiligt; • Branchenfeld: benachbarte Branchen, in denen sich ein Unternehmen am Wettbewerb beteiligt. Entscheidet sich ein Unternehmen für die Wettbewerbsstrategie des Kosten‐ vorsprungs, muss es sich mit dem Kostenverhalten seiner Wertaktivitäten auseinandersetzen. Dieses Kostenverhalten hängt laut Porter von einer Reihe von auch gleichzeitig kostenwirksamen Strukturfaktoren ab, die er als Kostenantriebskräfte bezeichnet. Dazu zählt, neben größenbedingten Kos‐ 36 1 Grundlagen zur internationalen Unternehmenstätigkeit <?page no="37"?> tendegressionen oder -progressionen und dem Grad der vertikalen Integra‐ tion, auch die Frage des Standorts. Für Porter ist der geografische Standort einer Wertaktivität eine eigene Kostenantriebskraft, die das Kostenverhalten von Wertaktivitäten bestimmt. Demzufolge zählt auch die Entscheidung für einen bestimmten geografischen Standort einer Wertaktivität zur Strategie des Kostenvorsprungs und beeinflusst die Kosten auf unterschiedliche Art und Weise. Anhand eines Beispiels aus der Bekleidungsindustrie wird auf die in der Bekleidungswirtschaft häufig genutzten Wettbewerbs- und Wertschöp‐ fungsstrategien der Vertikalisierung, der Lieferantenverknüpfung und der Standortwahl näher eingegangen. 1.1.5 Zu den Begriffen Niedriglohn, Niedriglohnsegment, Niedriglohnland / Low-Cost Country Niedriglohn Als Lohn wird gemeinhin der (finanzielle) Ausgleich, das Entgelt für erbrachte Leistungen eines in einem Dienstverhältnis stehenden Arbeiters bezeichnet. Entlohnt wird der Faktor Arbeit, der aus betriebswirtschaftli‐ cher Sicht ein Wirtschaftsgut darstellt, das bei der Leistungserstellung (Produktion) eingesetzt wird. Lohnkosten sind Teil der Fertigungs‐ einzelkosten. Diese wiederum werden den Fertigungsgesamtkosten zuge‐ rechnet. Fertigungskosten sind Teil der Herstellkosten. Als Herstellkosten werden jene Kosten verstanden, die bei der Herstellung oder beim Erwerb eines Gutes anfallen. Hilfslöhne, die für Reinigungskräfte anfallen, also Tätigkeiten, die wenig direkt mit der Fertigung des Gutes zu tun haben, fal‐ len unter Gemeinkosten. Ein Lohn wird dann als Niedriglohn bezeichnet, wenn er trotz Vollzeitbeschäftigung des Arbeitnehmers nicht zur Exis‐ tenzsicherung ausreicht. Der Niedriglohn kommt damit der Armutsgrenze nahe, die nach deutschem Verständnis auf Sozialhilfeniveau liegt (Schäfer, 2000, S. 77). Der Begriff Niedriglohn auf globaler, volkswirtschaftlicher Ebene umschreibt ein mit entwickelten Volkswirtschaften verglichen geringes Lohnniveau eines Beschaffungsbzw. Exportlandes (Krugman & Obstfeld, 2006, S.-351). 1.1 Theoretischer Überblick 37 <?page no="38"?> Niedriglohnsegment Unter einem Segment wird allgemein ein Bereich verstanden, der sich aufgrund seiner ihm eigenen Charakteristika und Eigenschaften von ande‐ ren Bereichen unterscheidet. In der Betriebswirtschaft wird der Begriff besonders mit der betrieblichen Funktion des Marketings verbunden und findet sich in den Konzepten des „Marktsegments“ und der „Marktsegmen‐ tierung“ wieder. Versteht man unter dem Niedriglohnsegment einen niedrig preisorientierten Beschaffungsmarkt, bedeutet dies im Falle des Faktors Arbeit, dass dieser dort zu niedrigen Preisen beschafft wird. Darüber hinaus können auf niedrig preisorientierten Beschaffungsmärkten zu niedrigen Kosten produzierte Güter als Handelsgüter zu niedrigen Preisen eingekauft werden. Hier bezeichnet Segment in Verbindung mit dem Begriff Niedriglohn ganz abstrakt einen Teilbereich der Arbeitsentgeltpolitik von Arbeitsmärkten, der von den Charakteristika des Niedriglohns geprägt ist und sich dadurch von anderen Arbeitsentgelt-Varianten unterscheidet. Niedriglohnland respektive Low-Cost Country In Abgrenzung zu Niedriglohnsektor wird der Begriff Niedriglohnland in der deutschen, mit seinem englischen Äquivalent Low-Wage Country auch in den internationalen Wirtschaftswissenschaften genutzt. Der Begriff Nied‐ riglohnland hat inzwischen eine eher populärwissenschaftliche Konnota‐ tion, da die negativen Seiten dieser Beschaffungsstrategie durch die häufige Nutzung im außerwissenschaftlichen Bereich, durch kritische Berichterstat‐ tung in den Medien und durch das Engagement von Nichtregierungsorga‐ nisationen (NGOs) Eingang in das Bewusstsein einer breiten Öffentlichkeit gehalten haben. Unter einem „niedrigen Lohn“ ist in Deutschland jedoch etwas anderes zu verstehen als in den bekannten Niedriglohnländern, denn ein im Vergleich zu europäischen Volkswirtschaften niedriges Lohnniveau muss theoretisch in den infrage kommenden „Niedriglohnländern“ nicht automatisch „niedrige Entlohnung“ bedeuten - in der Praxis liegen die Löhne in den Ländern mit den niedrigsten Löhnen weltweit aber auch dort unter einem existenzsichernden Niveau. Der Begriff „Niedriglohnland“ impliziert darüber hinaus im Vergleich zu entwickelten Volkswirtschaften niedrige Standards im gesamten Bereich des Arbeitsumfelds: Eine geringe Arbeitssicherheit, geringer Gesundheits- und Umweltschutz, unzumutbare 38 1 Grundlagen zur internationalen Unternehmenstätigkeit <?page no="39"?> Arbeitszeiten, der Einsatz von Kinderarbeit, sexuelle Diskriminierung, hauptsächlich von Frauen oder die fehlenden Organisationsmöglichkeiten von Arbeitnehmern in Gewerkschaften werden mit Niedriglohnländern in Verbindung gebracht. Dass dies nicht zu Unrecht geschieht, davon zeugen nicht nur handfeste Belege von NGOs wie T R AN S P A R E N C Y I NT E R NATIONAL oder A TTAC . Im Englischen werden die Begriffe Low-Wage Country oder Low-Cost Country verwendet, wobei die Betonung bei Ersterem auf der Lohnstruktur, bei Letzterem auf den Faktorkosten, wie Materialkosten, Arbeit, Anlagevermögen etc., liegt. Hier wird der Terminus Low-Cost Country genutzt, da das damit zusammenhängende Beschaffungskonzept des Low-Cost Country Sourcings in die deutschsprachige Literatur Ein‐ zug gehalten hat. In der internationalen Literatur wird ein Land, in dem der durchschnitt‐ liche Stundenlohn weniger als 10 USD (entspricht ca. 8 Euro) (Rinn & Zollenkop, 2009, S. 355), in anderen Quellen weniger als 7 USD (entspricht ca. 5 Euro) beträgt ( Javaheri, 2009, S. 4), als Low-Cost Country bezeichnet. Köhler weitet den Begriff des Low-Cost Country noch über den Kostenaspekt hinaus auf Länder aus, die in der Lage sind, die Nachfrage aus einem Hoch‐ kostenland zu erfüllen, weil sie die nötige Qualität und Technologie bieten können (Köhler, 2011, S. 62). Die Differenz zwischen den Arbeitskosten in Deutschland sowie anderen europäischen Ländern und den Arbeitskosten in Osteuropa und Asien ist enorm. So betrugen die Arbeitskosten in China und Indien im Jahr 2005 nur zwischen 2,6 und 3,7 Prozent der deutschen Arbeitskosten. Die Arbeitskosten in Tschechien und Polen betrugen immer noch nur zwischen rund 9 und 12 Prozent der deutschen Arbeitskosten (Kerkhoff, 2005, S.-72). Der Begriff Low-Cost Country bezieht sich auf Exportländer, die zumeist von armen Volkswirtschaften - Schwellen- und Entwicklungsländern - ver‐ treten werden. Einen solchen Zusammenhang zwischen Entwicklungsstufe und Bruttonationaleinkommen stellt die W E LT BANK her. Sie teilt Volkswirt‐ schaften mit mehr als 30 000 Einwohnern - insgesamt 214 Länder - in Länder mit geringem, unterem mittlerem, oberem mittlerem und hohem Bruttona‐ tionaleinkommen ein. Zudem unterscheidet sie nach Entwicklungsstand des Landes in entwickelte Länder und Entwicklungsländer, wobei Länder mit einem hohen Bruttonationaleinkommen zu den entwickelten Ländern gezählt werden (Weltbank, 2014). In der Regel sind sogenannte Low-Cost Countries also Entwicklungsländer. Sie haben zumeist auf jedem Gebiet vergleichsweise niedrige Preise vorzuweisen. Das hat zur Folge, dass auch 1.1 Theoretischer Überblick 39 <?page no="40"?> Gemeinkosten, also Kosten für Verwaltung, Material, Betriebs- und Hilfs‐ stoffe sowie unechte Gemeinkosten (für Energie und weitere Ressourcen) in der Kostenträgerrechnung bzw. Deckungsbeitragsrechnung in diesen Ländern - im Vergleich zum Mutterland des Unternehmens - sehr niedrig sind. Zu den klassischen Low-Cost Countries zählen u. a. Afghanistan, Bangladesch, Gambia, Haiti Nepal und Tadschikistan (Bundeszentrale für politische Bidlung, 2023). Indem Unternehmen Teile ihrer Wertschöpfungsaktivitäten in Niedrig‐ lohnländer verlagern, können sie die Kosten dieser Aktivitäten bemerkens‐ wert reduzieren und dadurch ebenfalls Wettbewerbsvorteile generieren. Dies geschieht zum Beispiel durch die Gründung von Tochtergesellschaften und ausländischen Kapitalbeteiligungen ( Joint Ventures), Direktinvestitio‐ nen oder durch spezifische Beschaffungsaktivitäten. Wertschöpfung und Produktion sind heute in weltweiten Lieferketten verbunden. Verteilung der Wertschöpfung in Prozent am Beispiel des iPhones: Materialkosten iPhone 21,9 Profite Südkorea 4,7 Personalkosten China 1,8 Profite Japan 0,5 Profite USA (nicht Apple) 2,4 Profite Taiwan 0,5 Profite Apple 58,5 Profite EU 1,1 Personalkosten außerhalb Chinas 3,5 Profite von unbekannt 5,3 (Schwochow & Ramge, 2016, S.-111) 40 1 Grundlagen zur internationalen Unternehmenstätigkeit <?page no="41"?> Zusammenfassung Globalisierung oder auch Deglobalsierung und Internationalisierung sind historisch gesehen ein uraltes Phänomen in Gestalt des Kolonialismus und mindestens 12.000 Jahre alt und älter. Historisch bekannte Phänomene zu Zeiten der alten Ägypter sind der Bernsteinhandel von der Ostsee bis zum Alten Ägypten, die Entwicklung des Mittelmeerhandels durch die Phönizier, der Handel entlang der Seidenstraße von China durch Asien bis Europa. Die Hanse und der Handel der Fugger sind in Deutschland sehr bekannt. Historisch z. B. vernachlässigt wird bis heute der Handel in Indien, Afrika sowie Arabien mit Sklaven, Gold, Elfenbein und Piraterie oder der Handel der Inka in Südamerika. Die Industrialisierung von England wird erkauft durch den Handel mittels 50 Kolonien, wie Indien, Kanada, Australien, Südafrika usw. Der Brexit ist eine romantische Vorstellung der Engländer, dass es ihnen wieder so gut gehe wie im viktorianischen Zeitalter, da ihnen als Weltmacht ⅓ der Welt gehörte und sie das Sagen hatten. Globalisierung als neuer „historischer“ Begriff ist gemäß dieser Sichtweise nur die Verlängerung der Kolonialisierung seit mindestens 12.000 Jahren in allen Erdteilen der Welt. Unter Internationalisierungstheorien lassen sich alle Theorien subsumie‐ ren, die die Internationalisierung kausal (warum? ), modal (wie? ), temporal (wann? ) und/ oder lokal (wo? ) darzustellen versuchen. Dazu zählen Theorien zur Erklärung des Außenhandels, z. T. unter tendenziell betriebswirtschaft‐ lichen und historischen Gesichtspunkten (zum Beispiel Merkantilismus) oder unter Betrachtung von Kostenvorteilen (Theorie der absoluten Kosten‐ vorteile, Theorie der komparativen Kostenvorteile, Heckscher-Ohlin-Theo‐ rem), Theorien zur Erklärung von Direktinvestitionen (zum Beispiel ein‐ fache Zinssatztheorie, Währungsraumansatz, technogische Theorien wie Industrie 4.0) sowie Theorien mit einem generellen Erklärungsansatz von Internationalisierung (zum Beispiel Ansätze der Kostendegression, Stand‐ ortansätze, Internalisierungsansatz). Es fällt auf, dass viele Internationalisierungsstrategien vorrangig die Ab‐ satzperspektive von Internationalisierung erklären, aber kaum explizit auf die Gründe eingehen, aus denen ein Unternehmen beschließt, international Rohstoffe, unfertige Erzeugnisse und Fertigprodukte zu beschaffen, um seine Waren dann möglicherweise sogar nur national abzusetzen. Zu den wenigen Ansätzen, die diesen Sachverhalt einbeziehen, gehört der Produktlebenszy‐ klusansatz von Vernon. Zusammenfassung 41 <?page no="42"?> Als Wertkette, Wertschöpfungskette oder Value Chain bezeichnet man ein von Porter in den 1980er-Jahren maßgeblich gestaltetes Instrument, mit dem der Prozess der betrieblichen Leistungserstellung bei einem Unternehmen strukturiert werden kann. Porter bietet die Idee der Wertkette als analytisches Instrument an, um die Ursachen von Wettbewerbsvorteilen zu untersuchen. Er gliedert die Wertkette eines Unternehmens in „… strategisch relevante Tätigkeiten, um dadurch Kostenverhalten sowie vorhandene und potentielle Differenz‐ ierungsquellen zu verstehen“ (Porter, 2010, S.-63). Das Supply Chain Management hat zwar seine Wurzeln im Logistikma‐ nagement, geht aber in seinen Ansätzen über ein bloßes Streben nach den klassischen Logistikzielen, wie der Reduzierung von Durchlaufzeiten (Lead Times), Bestandsverringerung und der Erhöhung der Liefertreue, hinaus. Dem Supply Chain Management eigen ist die engere Ausrichtung an den Bedürfnissen des Endkunden. Unter dem Management einer Supply Chain versteht man also die unternehmensübergreifende Koordination und Optimierung der Material-, Informations- und Wertflüsse über den gesamten Wertschöpfungsprozess mit dem Ziel, den Gesamtprozess unter Berücksichtigung der Kundenbedürfnisse sowohl zeitals auch kostenopti‐ mal zu gestalten. Porter unterscheidet zwei Grundtypen von Wettbewerbsvorteilen für Unternehmen einer Branche: • Kostenvorteil und • Differenzierung. Davon abgeleitet ergeben sich nach Porter drei Strategietypen im Wettbe‐ werb: • Kostenführerschaft, • Differenzierung und • Konzentration auf Schwerpunkte. Der Begriff Low-Cost Country bezieht sich auf Exportländer, die zumeist von armen Volkswirtschaften - Schwellen- und Entwicklungsländern - vertre‐ ten werden. Einen solchen Zusammenhang zwischen Entwicklungsstufe und Bruttonationaleinkommen stellt die Weltbank her. Sie teilt Volkswirt‐ schaften mit mehr als 30.000 Einwohnern - insgesamt 214 Länder - in Länder mit geringem, unterem mittlerem, oberem mittlerem und hohem Bruttonationaleinkommen ein. 42 1 Grundlagen zur internationalen Unternehmenstätigkeit <?page no="43"?> 2 Fertigung, Beschaffung und Sourcing multinationaler Unternehmen Lernziele Nach Durcharbeiten dieses Abschnitts haben Sie gelernt, wie es zu einer Entscheidung zwischen Make or Buy kommen kann, beherrschen Sie Begriffe wie Fertigungstiefe, Sourcing inkl. Erscheinungsformen etc., wissen Sie, wann es sich lohnt, Global Sourcing zu betreiben, haben Sie sich zudem mit den Risiken von Global Sourcing auseinan‐ dergesetzt. 2.1 Make or Buy - Eigenfertigung oder Fremdbezug Je nach Produktionsobjekt geht der Entscheidung zur Beschaffung in der Regel die Frage nach Eigenfertigung oder Fremdbezug - Make or Buy? - vor‐ aus. Nicht nur Unternehmen, zu deren Leistungserstellung die Produktion von Sachgütern oder Konsumgütern gehört, sind auf eine Arbeitsteilung bei der Wertschöpfung angewiesen. Auch in den Bereichen Forschung und Entwicklung, Materialwirtschaft/ Logistik oder Vertrieb und Verwaltung kann die Entscheidung zwischen Eigenfertigung und Fremdbezug von Relevanz sein. Erfolgt die Leistungserstellung im Unternehmen auf Basis extern beschaffter Rohstoffe oder Fertigungsteile, liegt eine Make-Entschei‐ dung vor. Sollen fertige Produkte beschafft werden, wird die Frage mit „Fremdbezug“ beantwortet - in diesem Fall kommt es zum Outsourcing. Im weiteren Sinne können jedoch an jeder Entscheidung der Unternehmenstä‐ tigkeit strategische Überlegungen angestellt werden, zukünftig Eigen- oder Fremdfertigung durchzuführen bzw. durchführen zu lassen, zum Beispiel beim Auslaufen von Lieferverträgen, bei einer Änderung der Kosten von Eigenfertigung bzw. Fremdbezug oder bei veränderten Qualitäts- und Flexi‐ bilitätsanforderungen (Kummer et-al., 2013, S.-153). Die Überlegung, ob und wie eine Tätigkeit der Leistungserstellung inte‐ griert oder ausgelagert wird, ist außerdem eng mit den damit verbundenen Kostenvorteilen verbunden. Sie ist beispielsweise davon abhängig, ob die in‐ terne oder die externe Bereitstellung von Vorprodukten kostengünstiger ist, was mittels Grenzkosten, Opportunitätskosten und Vollkosten und der sich <?page no="44"?> daraus ergebenden kritischen Mengen berechnet wird (Knolmayer, 2007, S. 4). Als weitere Entscheidungsinstrumente dienen die Break-Even-Ana‐ lyse, die klassische Investitionsrechnung, das Make-or-Buy-Portfolio, Nutz‐ wertanalysen und Checklisten. Entscheidungskriterien können daneben auch die Unternehmensstrategie, die gewünschte Autonomie, ein ausrei‐ chendes Lieferangebot und die Höhe und Regelmäßigkeit des Bedarfs sein (Kummer et-al., S.-153). Es stehen verschiedene Strategien zur Wahl: • die Eigen- oder Lohnfertigung im Inland, • die Eigenfertigung im Ausland, • der Zukauf (Vollimporte) oder • die Lohnfertigung im Ausland sowie • die passive Lohnveredelung als Sonderform Die Vertragsfertigung oder Lohnfertigung, auch „verlängerte Werkbank“, ist eine Markteintrittsbzw. Marktbearbeitungsstrategie, in deren Rahmen eine inländische Unternehmung per Vertrag genau definierte Fertigungsstufen, wie Vorproduktion, Endproduktion, Veredelung oder Komplettproduktion, auf eine rechtlich selbstständige ausländische Unternehmung überträgt. Sie betrifft primär die Wertschöpfungsbereiche Beschaffung und Produktion. Zu unterscheiden sind die Vorproduktion im Ausland, die Endproduktion im Ausland, die Veredelung im Ausland und die Komplettproduktion im Ausland. Eine Eigenerstellung ist zum Beispiel dann sinnvoll, wenn das Un‐ ternehmen ausreichende Kapazitäten und das nötige Know-how aufweist, um kosteneffizienter und - abhängig vom Bedürfnis des Zielkunden - schneller und/ oder qualitativ hochwertiger zu produzieren (Merkel, Breuer, Eltze & Kerner, 2008, S. 35). Unternehmen ziehen unter Umständen den Fremdbezug vor, weil ihr Kapital dann nicht in zusätzlichem Anlagevermö‐ gen gebunden ist und Aufwendungen für Bau und Unterhalt von Fabriken und die Anschaffung von Maschinen wegfallen. Darüber hinaus entstehen so keine weiteren Fixkosten und auch Lohnkosten können auf diese Weise umgangen werden. Für die Fertigung benötigte Lizenzen und Zertifikate müssen nicht vom Unternehmen erworben werden, denn im Fall des Fremd‐ bezugs fällt auch diese Aufgabe an den Dienstleister vor Ort. Zudem kann der Fremdbezug durch auf Economies of Scale oder Economies of Scope beruhenden Kostenvorteilen gekennzeichnet sein (Baumol, Panzar & Willig, 1982, S.-67-ff.). Unabhängig davon, ob sich Unternehmen für oder gegen die Eigenferti‐ gung entscheiden - sie können vom niedrigen Lohnniveau profitieren, wenn 44 2 Fertigung, Beschaffung und Sourcing multinationaler Unternehmen <?page no="45"?> sie ihre Produktionsstandorte in sogenannte Niedriglohnländer verlagern. Charakteristisch ist, dass gerade die Fertigungskosten in Low-Cost Count‐ ries niedriger sind. Bekleidungsunternehmer lagern daher die Fertigung mitunter aus und beauftragen damit eine Manufaktur. Im Fast-Fashion-Be‐ reich, der auf kurze Durchlaufzeiten setzt, kann dennoch die Eigenfertigung sinnvoll sein, wenn damit die Nähe zu den Absatzmärkten größer ist. 2.2 Fertigungstiefe Eine mit dem Wertschöpfungs- und dem Make-or-Buy-Konzept verwandte Größe ist die Fertigungstiefe, für die auch der Begriff der „Wertschöpfungs‐ tiefe“ gebraucht wird. Sie zeigt sich als Ergebnis von Make-or-Buy-Entschei‐ dungen, indem sie den Anteil der Gesamtleistung eines Unternehmens darstellt, der von diesem zur Leistungserstellung erbracht wird. Sie sagt also aus, wie hoch der Anteil eines Unternehmens an der für ein Endprodukt insgesamt notwendigen Wertschöpfung im Produktionsprozess ist. Die Fertigungstiefe oder auch Wertschöpfungsquote wird folgenderma‐ ßen berechne Ein Unternehmen weist also dann eine Fertigungstiefe von 0 Prozent auf, wenn es keine Produktion durchführt, sondern nur Handel betreibt. Ein Unternehmen mit einer sehr hohen Fertigungstiefe fertigt möglicherweise sämtliche Fertigungskomponenten und verarbeitet Rohstoffe direkt weiter. Die Fertigungstiefe gibt also Aufschluss über den Grad des Outsourcings eines Unternehmens. 2.3 Einkauf, Beschaffung und Sourcing Unbestritten ist, dass Einkauf (engl. purchasing), Beschaffung (engl. procure‐ ment), Sourcing und das Supply Chain Management betriebswirtschaftliche Funktionen innerhalb eines Unternehmens sind. Über die genaue Definition dieser Begriffe, deren Anwendung sowie deren Abgrenzung untereinander ist man sich in der Fachliteratur uneinig. Am ehesten herrscht Konsens darüber, dass der Einkauf eine operative Funktion darstellt (zum Beispiel 2.2 Fertigungstiefe 45 Fertigungstiefe (in Prozent) = Eigenfertigung ⋅ 100 gesamte Fertigung = Eigenfertigung ⋅ 100 Eigenfertigung + Fremdbezug <?page no="46"?> bei Lockström, 2007, S. 11, und Arnolds, Heege, Röh & Tussing, 2013, S. 2) und dem Bereich der Beschaffung zugeordnet werden kann, wogegen das Beschaffungsmanagement übergeordnet, breiter gefächert und taktischer Natur ist. Sourcing und Supply Chain Management werden dagegen dem strategischen Bereich zugeordnet. 2.3.1 Beschaffung Das Beschaffungsmanagement dient wie andere betriebswirtschaftliche Aufgaben der Erfüllung der Wertschöpfung. Nach Arnold zählen zur Be‐ schaffung „… sämtliche unternehmensund/ oder marktbezogenen Tätigkei‐ ten, die darauf gerichtet sind, einem Unternehmen die benötigten, aber nicht selbst hergestellten Objekte verfügbar zu machen“ (Arnold, 1997, S. 3). Für Porter liegt in der genauen Betrachtung der Beschaffungsmodi das Potenzial, Kostenpositionen und damit indirekt Wertaktivitäten positiv zu beeinflus‐ sen. So kann ein Unternehmen seine Kostenposition verbessern, indem es Inputs in genau der Qualität kauft, die seinen Anforderungen entspricht, diese aber nicht unnötig übersteigt. Auch die Verhandlungsstärke gegenüber den Lieferanten, die Wahl geeigneter Lieferanten sowie deren Kostensteue‐ rung durch eine intensive Zusammenarbeit kann die Kostenposition eines Unternehmens im Bereich der Beschaffungsaktivitäten deutlich verbessern (Porter, 2010, S.-81-f. und S.-150-f.). Beschaffungsbzw. Sourcing-Konzepte stellen im Supply Chain Manage‐ ment einen Teilaspekt dar, neben Bereichen wie Prozessmanagement, zwi‐ schenbetrieblicher Kooperation oder dem Logistikmanagement (Corsten & Gössinger, 2008, S. 115). Dementsprechend gilt das strategische Beschaffen als eine kritische Größe im gesamten Supply Chain- und Wertschöpfungs‐ management, das über Erfolg und Misserfolg einer Unternehmung ent‐ scheiden kann. Zu den Beschaffungsobjekten zählen Produktionsmaterial, Betriebsstoffe, Investitionsgüter und Dienstleistungen. Ein Handelsunter‐ nehmen hat keinen Bedarf an Produktionsmaterial, im Zentrum der Beschaf‐ fung stehen die Handelswaren. Handelswaren sind Güter, die bezogen und ohne weitere Bearbeitung weiterveräußert werden. In der deutschsprachi‐ gen und der englischsprachigen Literatur werden die Begriffe Sourcing und Beschaffung (bzw. engl. Procurement) nicht synonym verwendet. Sourcing wird überwiegend synonym mit „Beschaffungsmarketing“, also einem Teilbereich des Beschaffungsmanagements, gebraucht, wodurch es der umfänglichen Bedeutung jedoch nicht gerecht wird. Deshalb wird 46 2 Fertigung, Beschaffung und Sourcing multinationaler Unternehmen <?page no="47"?> hier der Verständlichkeit halber der Begriff Sourcing verwendet, da dieser Wortbestandteil die Beschaffungsstrategie des Low-Cost Country Sourcings beinhaltet. 2.3.2 Sourcing Sourcing steht für den Prozess, die für die eigentliche Unternehmensleis‐ tung benötigten Vorleistungen zielgerichtet und unter unternehmensstrate‐ gischen Gesichtspunkten zu beschaffen. Das strategische Sourcing kann als kleinstes Element der Beschaffungs- und Supply-Strategie angesehen wer‐ den (Eßig, Hoffmann & Stölzle, 2013, S. 108). Mitunter wird auch der Einkauf als Sourcing bezeichnet. Eine exakte Trennung der Begriffe Beschaffung, Einkauf und Sourcing gelingt in der Fachliteratur nicht. Deshalb werden die Begrifflichkeiten in diesem Abschnitt sinnähnlich verwendet: Beschaffung und Einkauf sind auch Sourcing, denn Sourcing wird als Teilbereich des Beschaffungsmanagements verstanden. Die wichtigste Aufgabe des Sour‐ cings im klassischen Sinne ist die „Suche, Bewertung und Selektion von Beschaffungsquellen“ (Ahlert et-al., 2009, S.-745). Das Sourcing verfolgt drei entscheidende Ziele: (1) kundengerichtete Ziele: Dazu zählt alles, was die Versorgung der Kunden sicherstellt, denn deren Anspruchsniveau ist im Vergleich zu vor 50 Jahren enorm gestiegen. (2) lieferantengerichtete Ziele: Sie zielen auf die Verbesserung der Konditionen durch stabile Lieferantenbeziehungen über Mengeneffekte und eine Vertrauensbasis zwischen Unternehmen und Lieferanten ab. (3) wettbewerbsgerichtete Ziele: Sie haben den Wettbewerber im Blick und laufen auf deren Ausgrenzung mittels Ausschließlichkeitsverträgen hinaus. Es gibt in Theorie und Praxis eine Vielzahl von Sourcing-Konzepten, bei denen unter anderem nach Trägern der Wertschöpfung (Eigenfertigung oder Fremdbezug), Art der Bereitstellung (Zeitkonzepte: stock sourcing, demand-tailored sourcing, just-in-time), Anzahl der Bezugsquellen (Liefer‐ antenkonzepte wie single oder multiple sourcing), Größe des Marktraums (Arealkonzepte: local sourcing, domestic sourcing, global sourcing) oder nach Sourcing-Objekt (unit sourcing, modular sourcing, system sourcing) 2.3 Einkauf, Beschaffung und Sourcing 47 <?page no="48"?> unterschieden wird (Abb. 2). Hier sind es vor allem die Arealkonzepte, die einer näheren Betrachtung bedürfen. Nachdem einige der relevanten Erscheinungsformen des Sourcings näher erläutert werden, wird der Fokus auf dem Konzept des Global Sourcings und seiner Unterform Low-Cost Country Sourcing liegen (Abschnitt 2.5). Die einzelnen Sourcing-Konzepte finden häufig kombiniert Anwendung, beispielsweise wenn diverse Sour‐ cing-Objekte global über eine Vielzahl von Lieferanten beschafft werden. Abb. 2: Eine Auswahl von Konzepten und Klassifizierungsformen des Sourcings. Weitere, hier nicht aufgezählte Möglichkeiten der Klassifizierung werden durch die leeren Kästen angedeutet (in Anlehnung an die Sourcing-Konzepte von Arnold, 2002, S.-93-ff.) 2.4 Erscheinungsformen des Sourcings 2.4.1 Direktes und indirektes Sourcing Beim direkten Sourcing sind im Sourcing-Prozess keine Mittler in Form von Agenturen oder einheimischen Unternehmen zwischengeschaltet, während dies beim indirekten Sourcing der Fall ist. Diese Spezialisten übernehmen 48 2 Fertigung, Beschaffung und Sourcing multinationaler Unternehmen <?page no="49"?> für die Unternehmen eine ganze Palette von Aufgaben, die die Unterneh‐ men selber nicht leisten wollen. Dazu zählen alle operativen Aufgaben, wie die Auswahl von Rohmaterialien, die Koordination von Zulieferern bis hin zu Verpackung und Versand des Endprodukts (Ferny & Perry, 2011, S. 281). Sofern das Unternehmen die Kontrolle über die Beschaffung von Rohmaterialien behalten möchte, wird es die Beschaffung direkt or‐ ganisieren und direkt mit Zulieferern verhandeln. Die Vorteile sind u. a. Einsparungen durch das Umgehen der Agenten (deren Marge oft 4-10 Prozent des Einkaufsvolumens beträgt) (Merkel et al., 2008, S. 38) und eine bessere Kontrolle über die Auswahl des Rohmaterials, die Produktion und die Fertigungszeit (Ferny & Perry, 2011, S. 281). Die jeweiligen Vor- und Nachteile liegen auf der Hand: Ist eine dritte Stelle zwischengeschaltet, fallen weitere Kosten an, außerdem gibt das Unternehmen die absolute Kontrolle des Fertigungs- und Logistikprozesses ab. Der Vorteil ist, dass derartige Mittler aufgrund langjähriger Erfahrung häufig einen besseren Zugang zu Beschaffungsmärkten haben. Beim direkten Sourcing dagegen kann das Unternehmen direkten Einfluss auf die Wertschöpfungskette nehmen und weitere Wertschöpfungspotenziale generieren. Andererseits ist der Aufwand für das Management eines Wertschöpfungsprozesses im fernen Ausland viel höher, wodurch auch die damit verbundenen Kosten höher ausfallen (Ahlert et-al., 2009, S.-761). 2.4.2 Single und Multiple Sourcing Hinter Multiple Sourcing steht eine möglichst große Auswahl von Lieferan‐ ten, mit dem Hintergedanken, den Wettbewerb zwischen ihnen zu steigern. Dieser Wettbewerbsdruck hat nicht nur positive Auswirkungen auf deren Qualität, sondern auch auf den Preis, den diese dem Auftraggeber anbieten können. Der Ausfall eines Lieferanten lässt sich zudem gut kompensieren, wenn noch weitere Lieferanten zur Wahl stehen. Single Sourcing steht demzufolge für die Beauftragung nur eines Lieferanten, was den Nachteil einer hohen Abhängigkeit hat. Dennoch kann auch diese Zusammenarbeit Preis- und Qualitätsvorteile mit sich bringen, wenn das auftraggebende Un‐ ternehmen die Leistungsfähigkeit dieses einen Lieferanten gezielt fördert, etwa durch Trainings und Investitionen in dessen Fertigungstechnologie. Zudem sind die Koordinationskosten beim Single Sourcing niedriger als beim Multiple Sourcing (Knolmayer, 2007, S.-18). 2.4 Erscheinungsformen des Sourcings 49 <?page no="50"?> 2.4.3 Outsourcing und Offshoring Die Begriffe Outsourcing und Offshoring werden zum Teil fälschlicherweise synonym verwendet, wenn unter beidem die Auslagerung von industriellen Produktionsprozessen an externe Dienstleister an ökonomisch günstigeren Standorten, zum Beispiel in Länder mit einem niedrigeren Lohnniveau, verstanden wird. „Outsourcing“ ist ein Kunstwort, das aus den Bestandteilen outside und resourcing geschaffen wurde. Es bedeutet demnach „Nutzen externer Ressourcen“. Beim Outsourcing werden Dienstleistungen, Produk‐ tion und Herstellung aus dem Unternehmen an ein Fremdunternehmen ausgelagert. So können sich Unternehmen auf ihre Kernkompetenzen kon‐ zentrieren und dabei Kosten für Betriebsprozesse sparen, die nicht zum Kerngeschäft gehören. Dabei findet sich in der Wissenschaft die Ansicht, dass im strengen Sinne kein Unternehmen von sich behaupten kann, outzusourcen, wenn es die jeweilige Leistung in der Vergangenheit nie selbst erbracht hat - dass also nicht outgesourct werden kann, was nicht vorher schon eine unternehmensinterne Leistung war (Hermes & Schwarz, 2005, S. 15, sowie Kummer et al., 2013, S. 152). Kummer et al. relativieren diese Aussage jedoch für den Fall der Erstentscheidung: Dies trifft auf (Handels-)Unternehmen zu, die sich von Beginn an darauf festgelegt haben, eigengefertigte oder fremdbezogene Ware zu veräußern, sich also schon zu Beginn der Unternehmenstätigkeit für oder gegen Outsourcing entschieden haben. Unternehmen, die aus Kostengründen ins Ausland outsourcen, stammen in der Regel aus wirtschaftlich hoch entwickelten Industrieländern und outsourcen in Entwicklungsländer, sofern dort die infrastrukturellen, politi‐ schen und rechtlichen Rahmenbedingungen sowie das Lohnniveau aus Sicht des Unternehmens günstig sind. Der Grad des Outsourcings hängt davon ab, wie viel Kontrolle über einzelne Produktionsprozesse das Unternehmen abgeben möchte. Die Abgrenzung von Outsourcing und Offshoring gestaltet sich schwie‐ rig, da dies nicht einmal in der Fachliteratur zweifelsfrei gelingt. So impliziert der häufig verwendete Begriff Offshore Outsourcing zwar eine länderübergreifende Spezialform des Outsourcings. Offshoring wird aber teilweise synonym mit Outsourcing verwendet. In einigen Veröffentlichun‐ gen wird Outsourcing, in anderen Offshoring, als eine rein IT-spezifische Strategie angesehen. Kutschker und Schmid verstehen unter Offshoring das länderübergreifende Outsourcing, in dessen Rahmen eine internatio‐ 50 2 Fertigung, Beschaffung und Sourcing multinationaler Unternehmen <?page no="51"?> nale Unternehmung einzelne Unternehmensfunktionen von einer ausländi‐ schen Unternehmung oder Unternehmenstochter ausführen lässt (Kutsch‐ ker & Schmid, 2011, S. 1453). Diese Unternehmen können Zulieferbetriebe sein oder immaterielle Dienstleistungen erbringen. Michael Brandau und Heinz-Werner Ufer definieren Offshoring noch etwas enger, indem sie die Verlagerung in Niedriglohnländer betonen (Brandau & Ufer, 2008, S. 371). Jahns, Hartmann und Bals betonen aber, dass Offshoring keineswegs ein Synonym von Outsourcing ist, und definieren es damit so, wie es auch im englischsprachigen Raum üblich ist: Im Rahmen von Make-or-Buy-Ent‐ scheidungen repräsentiert Outsourcing die Buy-Alternative und Offshoring sowohl Buyals auch Make-Entscheidung ( Jahns, Hartmann & Bals, 2007, S. 201). Offshoring kann also auch auf eine innerhalb des Unternehmens durchgeführte Dienstleistung, etwa durch eine Tochtergesellschaft, ange‐ wendet werden. Gemeinsam haben Outsourcing und Offshoring das Haupt‐ motiv: die Suche nach kostengünstigen Ressourcen für die betriebliche Leistungserstellung im Ausland. 2.4.4 Global Sourcing und Low-Cost Country Sourcing Nach Zentes, Swoboda und Morschett (2004, S. 179) kann dann von Global Sourcing gesprochen werden, wenn die strategische Unternehmensaufgabe der Beschaffung innerhalb eines internationalen Handlungsrahmens statt‐ findet. Demnach ist dies eine Strategie, die durch die Ausdehnung auf weltweite Beschaffungsquellen gekennzeichnet ist. Weigel und Rücker bezeichnen den globalen Einkauf als Global Sourcing (Weigel & Rücker, 2013, S. 67). Nach Kerkhoff ist unter Global Sourcing „die Ausrichtung der Beschaffungsaktivitäten von Unternehmen an den weltweit vorhandenen Beschaffungsquellen“ zu verstehen (Kerkhoff, 2005, S.-35). Low-Cost Country Sourcing ist eine Form des Global Sourcings und bezeichnet die Beschaffung von Rohwaren oder fertigen Handelsgütern aus Ländern mit einem geringen Lohnniveau - gemeinhin Niedriglohnländer - mit dem Ziel, durch die Nutzung von Kostenvorteilen Wettbewerbsvor‐ teile zu erlangen. Je intensiver der Wettbewerb, je wichtiger der Faktor Kosten im Rahmen der Wettbewerbsstrategie des Unternehmens und je arbeitsintensiver das zu beschaffende Rohprodukt, desto wahrscheinlicher wird Low-Cost Country Sourcing notwendig. Legt man Porters Verständnis von Sourcing zugrunde, also die Entscheidung für einen bestimmten geogra‐ fischen Standort einer Wertaktivität, liegt das Low-Cost Country Sourcing 2.4 Erscheinungsformen des Sourcings 51 <?page no="52"?> nahe. Die Beschaffung von Investitionsgütern, Waren und Dienstleistungen in Niedriglohnländern ist eine entscheidende Strategie in Zeiten abgebauter Handelsschranken und findet in sämtlichen Industrie- und Handelszweigen Anwendung, die von einer arbeits- und lohnintensiven Produktion abhän‐ gen. Bewertungskriterien bei der Entscheidung für Global Sourcing, speziell Low-Cost Country Sourcing, sind etwa zwischen Ländern bestehende Fak‐ torkostenunterschiede oder die entstehenden Logistikkosten, Steuern und Zölle (Wildemann, 2006, S.-256). Die Konzepte des Global Sourcings und des Low-Cost Country Sourcings stehen nicht im Widerspruch zu einer Make-Entscheidung im Rahmen der Frage Eigenfertigung oder Fremdbezug. Denn auch innerhalb der un‐ ternehmenseigenen Fertigung kann es zum Global Sourcing bestimmter Fertigungskomponenten kommen. 2.5 Global Sourcing und Low-Cost Country Sourcing - eine genauere Analyse 2.5.1 Motive für Global Sourcing Es ist eine Vielzahl von Faktoren, die Unternehmen dazu bewegt, Sourcing im weltweiten Ausland zu betreiben. Gründe für Sourcingmaßnahmen im Ausland sind etwa die Nähe zu den potenziellen Wachstumsmärkten in Entwicklungs- und Schwellenländern und damit einhergehend die Möglich‐ keit, neue Beschaffungsmärkte und/ oder neue Absatzmärkte zu erschlie‐ ßen. So kann durch vorbereitendes Absatzmarketing das Potenzial von Beschaffungsmärkten als zukünftige Absatzmärkte ausgelotet werden (Ar‐ nolds et al., 2013, S. 377). Zudem verfügen Unternehmen auf weltweiten Beschaffungsmärkten über eine sehr gute Verhandlungsposition, da die eingebundenen Zulieferer wissen, dass der Bedarf von Unternehmen unter Umständen auch durch andere Anbieter in anderen Ländern gedeckt werden könnte. Durch eine globale Streuung von Lieferanten kann darüber hinaus eine bessere Wertschöpfung entlang der Supply Chain erfolgen, da das Unternehmen aus einem größeren Pool von leistungsbereiten Lieferanten wählen kann. Wenn die internationalen Beschaffungsländer eine Tradition in der Fertigung bestimmter Güter haben, wie China in der Seidenpro‐ duktion, lohnt sich eine Fertigung im Ausland. Dann spricht die beson‐ ders herausragende Materialqualität auf bestimmten Beschaffungsmärkten 52 2 Fertigung, Beschaffung und Sourcing multinationaler Unternehmen <?page no="53"?> für ein Global Sourcing. Ganze Beschaffungsregionen sind hinsichtlich Know-how und Qualität inzwischen Vorreiter in der Fertigung bestimmter Güter, wie Asien für die Elektronik- und Computerindustrie oder auch die Chipproduktion (Weigel & Rücker, 2013, S. 67). Viele Unternehmen versprechen sich zudem einen besseren Zugang zu innovativen Techniken und Technologien im Bereich der Fertigung und Entwicklung, wie ihn beispielsweise der asiatische Raum für die Elektrotechnik bieten kann. Auch der Zugang zu neuen Rohstoffmärkten und -quellen ist ein entscheidender Grund für die Auslandsbeschaffung. In einigen Fällen, wie im Fall der Seltenen Erden, kann der Bedarf an Rohstoffen ausschließlich durch inter‐ nationale Beschaffung gedeckt werden. Außerdem schreitet der Ausbau der nötigen Infrastruktur mit wachsender Wirtschaftsstärke in Schwellenlän‐ dern voran - die Rahmenbedingungen für Unternehmen werden also immer attraktiver. Viele Unternehmen lockt auch die Tatsache, dass gesetzliche Ein‐ schränkungen wie die Einhaltung von Gesundheits- und Umweltstandards in den Industrieländern durch das Sourcing im Ausland möglicherweise wegfallen. So bestehen in Entwicklungs- und Schwellenländern andere rechtliche Rahmenbedingungen im Bereich des Arbeitsrechts: Arbeitszeiten, Krankheitsfälle, Urlaubszeiten werden weniger restriktiv gehandhabt als in Industrieländern (Knolmayer, 2007, S. 9). Ebenso locken staatliche Sub‐ ventionen Unternehmen in bestimmte Beschaffungsregionen. Lieferanten, die von derartigen Subventionen profitieren, können den beauftragenden Unternehmen Konditionen unter Marktniveau anbieten (Weigel & Rücker, 2013, S.-69). Insbesondere mittels Low-Cost Country Sourcing beziehen Unterneh‐ men einen hohen Anteil der externen Wertschöpfung aus Ländern mit niedrigem (Lohn-)Kostenniveau, um damit eine hohe Kostenersparnis zu erzielen (Weigel & Rücker, 2013, S. 67). Wildemann führt als Hauptgrund für Beschaffungs- und Sourcingmaßnahmen in Low-Cost Countries die Realisierung von Einsparungen durch die Nutzung bestehender Faktorkos‐ tenunterschiede an (Wildemann, 2006, S. 254). Auch Ferny und Perry iden‐ tifizieren den Kostenfaktor, insbesondere den der Lohnkosten, als einen der Haupttreiber für das Global Sourcing in der Textil- und Bekleidungsindustrie - die Lohnnebenkosten, aber auch die Kosten für Rohmaterialien sind in den Industrieländern deutlich höher als in Low-Cost Countries (Ferny & Perry, 2011, S.-281, und Weigel & Rücker, 2013, S.-67). 2.5 Global Sourcing und Low-Cost Country Sourcing - eine genauere Analyse 53 <?page no="54"?> 2.5.2 Beschaffungsmarkt- und Lieferantenwahl beim Global Sourcing - Kriterien und Prämissen Für das Auslandsengagement ist eine Vielzahl von Standortfaktoren zu bewerten. Wenn Unternehmen sich für die Strategie des Global Sourcings entschieden haben, werden sie intensiv prüfen, ob sowohl Beschaffungs‐ markt als auch potenzielle Lieferanten oder Dienstleister die nötigen Rah‐ menbedingungen erfüllen, um infrage zu kommen. Gerade weil, wie oben ausgeführt, eines der wichtigsten Motive des Global Sourcings die Kosten‐ reduktion ist, muss ausgelotet werden, ob die Charakteristika des favorisier‐ ten Beschaffungsmarkts und die Arbeitsweise des Lieferanten wirklich zu Kosteneinsparungen führen. Unter Umständen fallen schlussendlich sogar höhere Kosten an, als wenn im nahen Ausland oder gar im Inland beschafft worden wäre. Beschaffungsmärkte Zunächst müssen Unternehmen prüfen, ob die avisierten Beschaffungslän‐ der oder -regionen die rechtlichen Rahmenbedingen erfüllen, die notwen‐ dige Infrastruktur und die nötige technologische Reife bieten, geringe Eintrittsbarrieren aufweisen und einen niedrigen Korruptionsgrad haben. Ein entsprechendes Bildungsniveau und die Verfügbarkeit von qualifizierten Arbeitskräften, qualifiziert vor allem auf der Ebene des Führungspersonals und des Fabrikmanagements, sind ebenfalls wichtig. Zu den rechtlichen Rahmenbedingungen zählen mögliche staatliche Subventionen, Local-Con‐ tent-Vorschriften, Zölle, Steuern sowie weitere Ex- und Importbestimmun‐ gen. Neben den genannten allgemeinen Größen müssen Unternehmen abwägen, ob die Versorgungssicherheit für Rohstoffe, Energie oder Ferti‐ gungsmaterialien gewährleistet ist. Dies hängt ab von Faktoren wie politi‐ schen Gegebenheiten, wirtschaftlichen Rahmenbedingungen oder ökologi‐ schen Restriktionen. Ein wichtiger Faktor, hauptsächlich bei der Auswahl von Low-Cost Countries, sind die Kosten. Dazu zählen die Fertigungskosten im Land. Hinzu kommen Kosten für den Transport von Rohstoffen zu den Beschaf‐ fungsmärkten und fertigen Waren zu den Absatzmärkten. Gerade im Hin‐ blick auf die Transportkosten ist es von Vorteil, wenn die Rohstoffmärkte in der Nähe von Produktionsstätten liegen, um hierbei zu sparen und um die Lieferzeiten so gering wie möglich zu halten. Zu bedenken ist, dass 54 2 Fertigung, Beschaffung und Sourcing multinationaler Unternehmen <?page no="55"?> Global Sourcing eine stete Präsenz vor Ort erfordert, die durch externe Agenten oder interne Unternehmensbüros gewährleistet werden muss. Die Transaktionskosten für die aufwendige Verwaltung der Auslandsaktivität fallen dabei nicht unerheblich ins Gewicht. Sie können einen Großteil der Kostenvorteile, die durch die Wahl des Low-Cost Country erzielt wurden, eliminieren. Auch die Lieferzeit von fertiger Ware zu den Absatzmärkten muss verhältnismäßig gering sein. Zudem müssen die Transportmöglichkei‐ ten in einem idealen Verhältnis zu Aufwand und Kosten stehen. Zu beachten ist auch, dass, je weiter der Produktionsort vom Absatzmarkt entfernt ist, es umso schwieriger wird, noch Spezifikationen am Sortiment vorzunehmen. Gewagt werden sollte der Blick in die zukünftige Entwicklung von Beschaffungsländern: Sind die ausgewählten Beschaffungsländer in einigen Jahren immer noch attraktiv genug oder ist dann mit deutlich veränderten Rahmenbedingungen zu rechnen? Der demografische Wandel wird bei‐ spielsweise China immer unattraktiver machen, da die Ein-Kind-Politik zu einer immer älter werdenden Gesellschaft führt und dadurch auf lange Sicht nicht mehr genug Arbeitskräfte zur Verfügung stehen werden. Ohnehin ist China nicht mehr das attraktivste Land für die Fremdproduktion. Zum einen sind die Löhne im Vergleich zu anderen asiatischen Ländern gestiegen, zum anderen findet seit einiger Zeit ein immer härter werdender Kampf um Fertigungskapazitäten statt, was die Preise der Produzenten in die Höhe treibt. Des Weiteren steigen die Produktionskosten in den Ländern in die Höhe, die sich mit zunehmender Auftragslage und daraus wachsendem Druck der Auftraggeber gezwungen sehen, soziale und Umweltstandards einzuhalten - was auf China inzwischen zutrifft. Auf rein operativer Ebene müssen ebenfalls mögliche Hürden benannt werden: Lassen sich auf dem favorisierten Beschaffungsmarkt überhaupt die benötigten Stückzahlen be‐ ziehen? China beispielsweise ist dafür bekannt, nur großvolumige Aufträge umsetzen zu können. Ferner muss die Produktivität in Betracht gezogen werden, denn sie unterscheidet sich zwischen einzelnen Ländern deutlich. So ist die Produktivität in China deutlich höher als in Bangladesch, da die chinesischen Fabriken besser ausgebildete Mitarbeiter und leistungsfähigere Maschinen haben. Um eine Entscheidung über Ort und Art der Beschaffungsquellen treffen zu können, muss also eine Fülle von Faktoren - parallel - analysiert werden. Hat sich ein Unternehmen schließlich für eine Beschaffungsregion entschieden, bedürfen die potenziell infrage kommenden Zulieferer einer genaueren Betrachtung. 2.5 Global Sourcing und Low-Cost Country Sourcing - eine genauere Analyse 55 <?page no="56"?> Lieferanten Entscheidet sich das Unternehmen, eigens entwickelte Produkte im Ausland fertigen zu lassen oder fremdentworfene Produkte zu beziehen, also einen Zulieferbetrieb zu engagieren, müssen diese Zulieferer einige für eine effektive und effiziente Zusammenarbeit notwendige Rahmenbedingungen erfüllen. Diese müssen nicht nur bei der Vertragsanbahnung geprüft, son‐ dern fortwährend kontrolliert werden. Diverse Kriterien werden - neben Solvenz und Liquidität des Betriebs - dabei abgefragt. Ein entscheidender Punkt ist die Zuverlässigkeit des Zulieferbetriebs, insbesondere im Hinblick auf Lieferzeiten, Liefermengen, Lieferpreise, Lie‐ ferqualität und die Umsetzung aller anderen vertragsrelevanten Themen. Von Gewicht ist dabei auch, wie flexibel der Betrieb bei (kurzfristigen) Produkt- und Mengenänderungen reagieren kann. Von Vorteil ist es, wenn der Betrieb bereits über Kontakte zu Rohstofflieferanten verfügt. Des Wei‐ teren ist, sofern möglich, das Geschäftsgebaren zu durchleuchten, denn dieses kann sich in anderen Kulturkreisen von dem in Industrieländern stark unterscheiden, zum Beispiel wenn es um die Rechtsauslegung in Streitfällen oder etwaiges Unrechtsbewusstsein bei (Kommunikations-)Mängeln geht. Zulieferbetriebe und Auftragsproduzenten sollten über ausreichend reife Rahmenbedingungen für die Geschäftstätigkeit, also eine geeignete Perso‐ nalaufstellung wie ausgebildete Führungskräfte und ein starkes, stabiles Management verfügen. Die Angestellten müssen neben den Fertigkeiten des Lesens und Schreibens ebenso die Finanzmathematik beherrschen. Auch die Mitarbeiter in der Produktion müssen die notwendige Fachbildung vorweisen. Zu hinterfragen ist, ob der Auftragsproduzent über Kontakte zu Rohstofflieferanten verfügt, ob er Erfahrungen in der Fertigung der in Auftrag gegebenen Produkte vorweisen kann und ob er über die dafür notwendige technische Ausstattung verfügt. Es liegt auf der Hand, dass für eine gute Zusammenarbeit die Qualität der produzierten Waren ausschlaggebend ist. Das heißt, die Fertigungsqualität des Produktionsbetriebs muss den Ansprüchen des Auftraggebers genügen. Die Qualität der Ware spielt eine wesentliche Rolle, wenn über die Verla‐ gerung in Niedriglohnländer nachgedacht wird: Ist sie zu niedrig, können Lohnkostenvorteile durch nötige Ausbesserungen und Retouren überkom‐ pensiert werden. Da viele Unternehmen in Industrieländern an freiwillige und gesetzlich vorgegebene Umweltstandards, Compliance- und Verhal‐ tenskodizes sowie an spezielle Corporate-Social-Responsibility (CSR)-Maß‐ 56 2 Fertigung, Beschaffung und Sourcing multinationaler Unternehmen <?page no="57"?> gaben gebunden sind, zum Beispiel in Bezug auf Umweltverträglichkeit und Arbeitsbedingungen, müssen etwaige Lieferanten in der Lage sein, diese Vorgaben im Sinne des Unternehmens umzusetzen. Außerdem ist zu klären, wie gut der Lieferant zu erreichen ist und wie effektiv sich der Transport der fertigen Waren vom Lieferanten zum Auftraggeber organisieren lässt. Weitere Prämissen Für die erfolgreiche Umsetzung einer Global-Sourcing-Strategie müssen auch seitens der beauftragenden Unternehmen einige Grundvoraussetzun‐ gen erfüllt werden, darunter die folgenden: Das Unternehmen sollte eine gewisse Mindestgröße vorweisen, um nötige Marktforschungs- und Implementierungsaktivitäten vor Ort finanziell bewältigen sowie die nötige datentechnische Infrastruktur über Ländergrenzen hinweg auf- oder ausbauen zu können. Zudem sind die Kosten durch Reisen und die nötige Reisezeit ungleich höher, als wenn ein lokales oder regionales Unternehmen beauftragt würde. Das Unternehmen sollte Erfahrungen in der internationalen Beschaf‐ fungsorganisation haben und über Mitarbeiter verfügen, die interna‐ tionaler Verkehrssprachen mächtig sind (Wildemann, 2006, S. 266, und Arnolds et-al., 2013, S.-377 und 379). Für das Global Sourcing kommen fast nur Beschaffungsobjekte mit einem hohen Beschaffungsvolumen infrage, da sonst Einsparungen durch (hohe) Transport- und Logistikkosten überkompensiert wer‐ den. Das Unternehmen muss mit deutlich längeren Lieferzeiten rechnen als bei regionaler Beschaffung oder Produktion. Es ist sinnvoll, mit einer Vielzahl von Lieferanten langfristige Verträge zu vereinbaren, um sich so Rabatte zu sichern, die sonst nur bei der Strategie „wenige Lieferanten - hohe Mengenrabatte“ zu erzielen wären. 2.5 Global Sourcing und Low-Cost Country Sourcing - eine genauere Analyse 57 <?page no="58"?> 2.5.3 Risiken Zu den Risiken zählen Ereignisse, die potenziell eintreten können, aber nicht müssen. Die Risiken des Global Sourcings und speziell des Low-Cost Country Sourcings werden in der Literatur unterschiedlich klassifiziert. Zölle, Versicherungen etc. fallen nicht darunter - sofern sie vorhersehbar sind und Unternehmen bereits im Vorfeld der Auslandsaktivität mit ihnen rechnen müssen. Sie werden deshalb an dieser Stelle nicht berücksichtigt. Arnolds et al. unterscheiden zwischen allgemeinen Risiken, politischen Risiken, wirtschaftlichen Risiken und lieferantenspezifischen Leistungsri‐ siken (Arnolds et al., 2013, S. 373 f.). Stölzle und Kirst unterscheiden be‐ schaffungsmarktspezifische Risiken (politische, rechtliche, finanzielle und soziokulturelle Risiken), lieferantenspezifische Risiken (noch untergliedert in Leistungsrisiken, wie Qualitätsmängel, Lieferfehler, Lieferantenausfall) und Verhaltensrisiken (darunter fallen die mit der Prinzipal-Agent-Theorie thematisierten Probleme) (Stölzle & Kirst, 2007, S. 63). Köhler differenziert - hier mit Blick auf die Supply Chain - in Supply Chain-exogene und Supply Chain-endogene Risiken. Zu den exogenen Risiken zählt er politische, rechtliche, wirtschaftliche und soziokulturelle Risiken. Zu den endogenen Risiken gehören laut Köhler Lieferrisiken, Informationsrisiken, Finanzrisi‐ ken und Rechtsrisiken (Köhler, 2011, S. 68 ff.). Daneben existiert eine Vielzahl anderer Risikosystematisierungen. Allen gemein ist, dass sie die gleichen Risiken anführen, wenn es um das Abwägen von Global-Sourcing- und Low-Cost-Country-Sourcing-Maßnahmen geht. Am 1.2.2023 wurde das Lieferkettengesetz in Kraft gesetzt, Dieses Gesetz verpflichtet die Unternehmen die Menschenreche und den Umweltschutz in ihren globalen Lieferketten zu beachten. In 2023 gilt es zunächst für Unternehmen mit mindstens 3000 Arbeitnehmer*innen und ab 2024 für Unternehmen mit mindestens 1000 Arbeitnehmer*innen. (Industrie und Handelskammer Stade, 2023). Länderrisiken Rechtliche Risiken Mit diesen Risiken ist vor allem in Ländern mit wenig Rechtssicherheit und geringen Standards des Rechtssystems zu rechnen. Dazu zählen Qualitäts-, 58 2 Fertigung, Beschaffung und Sourcing multinationaler Unternehmen <?page no="59"?> Haftungs- und Schutzrisiken (Produktpiraterie, Plagiate), die Umsatzeinbu‐ ßen und den Verlust von Marktanteilen nach sich ziehen. Politische Risiken Besonders hoch sind die politischen Risiken in Schwellen- und Entwick‐ lungsländern, also in den Ländern, die für das Low-Cost Country Sour‐ cing grundlegend sind. Dies sind in der Regel Länder mit einer großen politischen Instabilität. Sie weisen eine potenziell größere Anfälligkeit für Streiks, militärische Konflikte, Terrorismus, Wirtschaftskriminalität und Korruption und ein schlechteres Bildungssystem auf. Daneben können häufige Regierungswechsel durch instabile Machtverhältnisse gravierende Änderungen der Rechts- und Wirtschaftslage zur Folge haben. Weitere politische Risiken sind Risiken, die aus unvorhergesehenen fiskalpolitischen Maßnahmen von Regierungen resultieren, wie Handelshemmnisse in Form von Exportsteuern oder protektionistische Gesetze wie Exportquoten, Ex‐ portverbote, Local-Content-Vorschriften und komplizierte Sicherheits- und Umweltvorschriften. Neumair führt hier noch die Transferrisiken an, die bestehen, weil die Rückführung von Erlösen bzw. investiertem Kapital in das Herkunftsland des Investors erschwert oder verhindert wird (Neumair, 2006, S.-59). Wirtschaftliche Risiken Zu den wirtschaftlichen Risiken zählen Währungsrisiken, vor allem die Risiken von Wechselkurs- und Konjunkturschwankungen. Technologische Risiken Hier können eine instabile und unzureichende Informations- und Kommu‐ nikationstechnologie sowie der Mangel an Know-how und Infrastruktur für den Transport, die Produktion und die Energieversorgung genannt werden. Soziokulturelle Risiken Dazu zählen Kommunikationsschwierigkeiten verbaler und nonverbaler Natur, was insbesondere bei der Beschaffung in asiatischen Ländern von Relevanz ist. Weitere Hürden können ein unterschiedliches Qualitätsbe‐ wusstsein, unterschiedliche Unternehmenskulturen und möglicherweise fremde Geschäftsgebaren sein. 2.5 Global Sourcing und Low-Cost Country Sourcing - eine genauere Analyse 59 <?page no="60"?> Ebenfalls zu den Länderrisiken, jedoch nicht zu einer der genannten Kategorie, kann das Risiko für die Anfälligkeit von Naturkatastrophen gezählt werden. Dabei kann es für Unternehmen entscheidend sein, ob sie ihre Produktion zum Beispiel in erdbebengefährdete Gebiete verlagern oder dort Produzenten beauftragen. Ein Risiko, das kaum ein Unternehmen davon abhalten wird, in Niedrig‐ lohnländern zu produzieren oder produzieren zu lassen, ist im Absatzmarkt zu verorten: Speziell in der Textil- und Bekleidungsindustrie, aber auch in anderen Industrien wie der Elektronikindustrie ist die Akzeptanz von Produktionsverlagerung in Schwellen- oder Niedriglohnländer sehr gering. Diese Problematik kann im schlimmsten Fall wirtschaftliche Auswirkungen für Unternehmen bedeuten. Gerade für Unternehmen, die die Ablehnung bestimmter Arbeitsbedingungen und die Einhaltung von Umweltstandards stark mit ihrem Image verknüpfen, kann ein wirtschaftlicher Schaden ent‐ stehen, weil die Einhaltung bestimmter Compliance- und CSR-Regelungen nicht immer lückenlos überprüft werden kann. Leistungs- und Lieferantenrisiken Viele Unternehmen fürchten die Verletzbarkeit unternehmensinterner und wettbewerbsrelevanter Information, etwa von Betriebsgeheimnissen. Die Diskretion im Hinblick auf strategische und operative Entscheidungen des Unternehmens ist eine wichtige Kompetenz, über die ein Lieferant verfügen sollte. Darunter fällt die Scheu, Kompetenzen und Know-how zu verlieren - das Problem der Produktpiraterie ist besonders in China gravierend, da das Land mit der Ahndung dieses Problems sehr lax umgeht. Das Risiko, in Abhängigkeit von Auftragnehmern, Zulieferern und Dienstleistern zu geraten, ist hoch. So kann die Abhängigkeit vom Dienstleister bei Ver‐ tragsverlängerung zu höheren Entgeltforderungen durch den Dienstleister führen (Knolmayer, 2007, S.-6). Eine Vielzahl der Leistungsrisiken kann auf Missverständnissen in der Kommunikation beruhen, eine Problematik, die gerade bei der Zusammenarbeit mit Partnern in anderen Ländern in Betracht gezogen werden muss. So kann es passieren, dass sich Lieferanten nicht an Preisabsprachen halten (Preisrisiko), falsche Liefermengen versenden, Lieferungen nicht in der vereinbarten Qualität erfolgen, zu spät kommen oder an einen anderen Ort als vereinbart gelangen (Köhler, 2011, S. 222 f.). Die hier genannten Risiken können zu nicht unerheblichen Transaktions- und Steuerungskosten führen, die die Kostenvorteile des Global Sourcings 60 2 Fertigung, Beschaffung und Sourcing multinationaler Unternehmen <?page no="61"?> wieder eliminieren. Auch mit Finanzrisiken ist zu rechnen, nämlich dann, wenn die Beschaffungskosten deutlich höher ausfallen als geplant und Lohnkostenvorteile, die Logistikkosten, Kosten der Auftragsabwicklung, Kosten des Problem-Handlings, Aufwendungen für Steuern und Zölle nicht aufwiegen. Zu den Lieferantenrisiken zählt etwa die Unsicherheit über die Geschäftssituation potenzieller Geschäftspartner, da es sich schwierig gestalten kann, über diese Lieferanten belastbare Informationen zu erhalten. 2.5.4 Strategien zur Risikominimierung Risiken, also Gefahren, deren Eintrittswahrscheinlichkeit nicht vorherseh‐ bar ist, können mithilfe verschiedener Strategien verringert werden. Eine gründliche Lieferantenauswahl anhand der oben genannten Kriterien kann dabei unterstützen, lieferantenbezogene Risiken so gering wie möglich zu halten. Das Stichwort ist Risikostreuung: Beispielsweise können Transaktions‐ kosten umso niedriger gehalten werden, je mehr unterschiedliche Produkte ein Unternehmen in derselben Region beschafft. Auch die regionale Streu‐ ung von Herstellern minimiert Ausfallrisiken. Diese Vorgehensweise kann zu einer stärkeren Leistungsbereitschaft beim herstellenden Betrieb füh‐ ren, da es den Wettbewerb unter den Fabriken erhöht. Das Verteilen von Zulieferern auf verschiedene Länder kann zudem im Fall von Konjunktur‐ schwankungen und einem sich ändernden Lohnniveau notwendig werden. Wenn Unternehmen in so einem Fall rasch auf andere Beschaffungsmärkte ausweichen können, beugen sie finanziellen Verlusten vor. Eine langfristige Zusammenarbeit zwischen Auftraggeber und Lieferant schafft Routine und Vertrauen auf beiden Seiten. Sie minimiert Kommuni‐ kationsprobleme sowie die auf der Prinzipal-Agent-Theorie basierenden Probleme, die vor und nach Vertragsabschluss entstehen können, wenn beide Seiten unterschiedliche Interessen verfolgen. Viele Unternehmen setzen auf eine starke Lieferantenintegration, -kooperation und -förderung. Diese Maßnahmen helfen, die Transparenz zwischen den einzelnen Ver‐ tragspartnern zu vergrößern - etwaige Schwachstellen können so schneller erkannt und Schäden vermieden werden. Indem Unternehmen kompetente Lieferanten aufbauen, kann das Lieferantenmängelrisiko schon im Vorfeld abgebaut werden. Dies kann mittels Schulungen und ständiger Qualitäts‐ prüfungen geschehen. 2.5 Global Sourcing und Low-Cost Country Sourcing - eine genauere Analyse 61 <?page no="62"?> Gerade hinsichtlich der Zuverlässigkeit von Lieferanten und einem für westeuropäische Verhältnisse ungewöhnlichem Geschäftsgebaren sind vor einer Zusammenarbeit stets Vereinbarungen zu Leistungsstörungen zu treffen. Dies setzt eine gründliche Auseinandersetzung voraus mit den jeweiligen Rechtsordnungen, dem Landes- und Schuldnerrisiko sowie eine Prüfung, inwieweit mögliche Ansprüche im Ausland durchgesetzt werden können (Kerkhoff, 2005, S.-185-ff.). Wechselkursrisiken können für Unternehmen reduziert oder gar elimi‐ niert werden, indem sie mittels speziell formulierter Kaufverträge auf den Lieferanten oder per Financial Hedging (dies sind spezielle Waren- und Devisentermingeschäfte; Köhler, 2011, S.-80) auf Dritte übertragen werden. Politische Risiken können in Ländern mit einem hohen staatlichen Ein‐ fluss, wie dies in Low-Cost Countries häufig der Fall ist, auch durch ein Public-Affairs-Management minimiert werden, also Öffentlichkeitsarbeit, Selbstverpflichtungen oder Lobbying. Auch im Fall der politischen Risiken bleibt die Streuung von Zulieferern auf verschiedene Länder mit jeweils unterschiedlich großen Risikopotenzialen eine empfehlenswerte Taktik. Üblicherweise wählen Unternehmen für unterschiedliche Zwecke unter‐ schiedliche Ländermärkte, in denen Lieferanten sitzen. So wird je nach Fertigungskompetenz, nach Kostenstruktur und abhängig vom zu produzie‐ renden Objekt eine strenge Auswahl der Beschaffungsregion des Landes und des Lieferanten stattfinden. Lieferanten in Ländern mit einem hohen Average Cost Index werden für die Sortimentsplanung herangezogen. Zu diesen Ländern zählen westeuropäische Staaten, die ein hohes Lohnniveau, aber auch eine hohe Fertigungskompetenz vorweisen. Je niedriger die benötigte Fertigungskompetenz und je niedriger der Average Cost Index des Fertigungslandes, desto höher die Produktionsmenge. So wird die kosten‐ orientierte Massenproduktion in Schwellen- und Entwicklungsländern mit einem geringen Lohnniveau durchgeführt. Wenn die Produktion nach der Pull-Logik erfolgt, wird das erste Auftragsvolumen in Asien, die Nachorder aber in einem nahen Beschaffungsmarkt produziert, um bei großer Nach‐ frage schnell in die Läden zu gelangen. Die rechtlichen, gesellschaftlichen und nicht zuletzt ökonomischen Rah‐ menbedingungen in den einzelnen infrage kommenden Beschaffungsländern zu überprüfen, bleibt eine wichtige Maßnahme bei der Entscheidung für oder gegen ein konkretes Beschaffungsland. Gerade in Schwellen- und Dritte-Welt-Ländern ist die politische und wirtschaftliche Lage häufig so instabil, dass eine regelmäßige Überprüfung des Status quo angezeigt bleibt. 62 2 Fertigung, Beschaffung und Sourcing multinationaler Unternehmen <?page no="63"?> Die ost- und südeuropäischen Länder gelten gemeinhin als zuverlässig. Dass man sich darauf jedoch nicht immer verlassen kann, zeigt die aktuelle Schuldenkrise einiger südeuropäischer Länder. Auch die Wirtschaftsdaten der Beschaffungsländer, also Informationen über Wirtschaftskraft, Management‐ qualität, das Potenzial für Wirtschaftswachstum, die Arbeitsmarktsituation, Entwicklung der Staatsverschuldung und des Zinsniveaus, technologisches Potenzial, die Ausprägung von Korruption sind die Basis für eine stichhal‐ tige Vorauswahl. Auskünfte darüber geben die Außenhandelskammern, die Welthandelsorganisation, Länderbonitätsrankings durchgeführt von Rating‐ agenturen wie M O OD Y ’ S und S TANDA R D & P O O R ’ S , der jährlich vom W O R LD E C ON OMIC F O R UM aktualisierte Business Competitiveness Index, die Veröffent‐ lichungen von T R AN S PA R E NC Y I NT E R NATIO NAL sowie zahlreiche weitere Pu‐ blikationen von Nichtregierungsorganisationen (Kerkhoff, 2005, S. 70 f.). Allein Informationen über die tatsächlichen Lohn- und Lohnnebenkosten sind nicht einfach zu erlangen. Unternehmen sind dabei überwiegend auf eigene Recherchen angewiesen, wobei die Industrie- und Handelskammern sowie die Wirtschaftsministerien der einzelnen Länder - entsprechende Sprachkenntnisse vorausgesetzt - als Recherchegrundlage dienen können. Über die Risiken in den einzelnen Ländern informieren auch Länderberichte von Kreditinstituten und „Institutional Investor’s Country Credit Ratings“, die auf Befragungen internationaler Banken zur Kreditwürdigkeit einzelner Län‐ der beruhen. Abgesehen davon müssen Unternehmen vor Ort Erkundungen durchführen - was wiederum mit Transaktionskosten verbunden ist. 2.5.5 Corporate Social Responsibility als Wettbewerbsvorteil bei Low-Cost Country Sourcing Die Kritik am Modell des Low-Cost Country Sourcings ist enorm, da die Arbeit in den Fabriken der Low-Cost Countries nicht den Anforderungen entspricht, die in Deutschland an Arbeitsplatzsicherheit und Arbeitsbedin‐ gung gestellt werden. Kein Unternehmen, das sich in sogenannten Niedrig‐ lohnländern engagiert, sei es, weil es dort produziert oder produzieren lässt, kommt umhin, sich mit der Problematik der Social Responsibility zu befassen, denn der Wert einer Marke bemisst sich auch nach dem Image des dahinterstehenden Unternehmens. Die Verbraucher sind kritisch und - dank der Globalisierung - bestens informiert über Vorkommnisse fernab ihrer Lebensrealität. Es steht völlig außer Frage, dass Arbeit und das gesamte Arbeitsumfeld einem sozialen und ökologischen Standard entspre‐ 2.5 Global Sourcing und Low-Cost Country Sourcing - eine genauere Analyse 63 <?page no="64"?> chen müssen, der sowohl den Menschen als auch der Umwelt respektvoll begegnet. Kinder- und Zwangsarbeit, sexuelle Belästigung, Missbrauch, das Verbot von Arbeitnehmervertretungen, Diskriminierungen, mangelnde Arbeitssicherheit und Umweltschutz sind die Realität in Entwicklungs- und Schwellenländern. Löhne, die nicht ausreichen, eine Familie zu ernähren, Arbeitsstandards, die die Sicherheit und Gesundheit der Fabrikarbeiter gefährden, und ein Gebaren, das der Umwelt massiv schadet, werden vom Konsumenten nicht goutiert. Ganz im Gegenteil steht angesichts eines aus‐ reichenden Angebots von Bekleidungsunternehmen stets das ökonomisch wirksame Druckmittel des Boykotts im Raum. Neben den Konsumenten sind es auch die Industriestaaten selber, die durch gesetzliche Maßgaben Grenzen setzten. So ist der Einsatz von in der EU unerlaubten Chemikalien bei der Fertigung nicht möglich, wenn die Waren in die EU eingeführt werden sollen. „Nachhaltigkeit“, „Compliance“, „Corporate Social Responsibility“, „Corpo‐ rate Citizenship“ oder „Sustainability“ sind nicht nur bloße Schlagworte, sie sind mittlerweile Teil der Unternehmensstrategie, denn der Verbrau‐ cher macht seine Kaufentscheidung vom Unternehmensimage abhängig. Compliance als übergeordneter Begriff steht dabei für die Einhaltung von Gesetzen, Standards und Regularien und für die Erfüllung darüber hinaus gehender, vom Unternehmen selbst gesetzter ethischer Standards und Ansprüche. Nicht nur für das Unternehmensimage scheint das Thema Compliance von Brisanz zu sein. Es ist unbestritten, dass bessere Arbeitsbe‐ dingungen eine höhere Produktivität bewirken: Ein gesunder, zufriedener Mitarbeiter ist körperlich leistungsfähiger und motivierter. Wie schnell ein Unternehmen in die Schlagzeilen geraten kann angesichts von Nachrichten über einstürzende Fabrikbauten und Meldungen über nach westlichen Ge‐ sichtspunkten unzumutbaren Arbeits- und Umweltstandards, haben nicht nur Bekleidungsunternehmen immer wieder erfahren können. Wenn es nach Negativschlagzeilen zu großangelegten Boykottaufrufen durch NGOs kommt, kann dem Absatz und somit dem Unternehmen schwerer Schaden entstehen. Ein dadurch entstandener Imageschaden kann selten durch Aussitzen, sondern häufig erst mittels neuer Investitionen in Marketing und Öffentlichkeitsarbeit wieder repariert werden. 64 2 Fertigung, Beschaffung und Sourcing multinationaler Unternehmen <?page no="65"?> Zusammenfassung (Internationales) Sourcing steht für den Prozess, die für die eigentliche Unternehmensleistung benötigten Vorleistungen zielgerichtet und unter un‐ ternehmensstrategischen Gesichtspunkten zu beschaffen. Das strategische Sourcing kann als kleinstes Element der Beschaffungs- und Supply-Strategie angesehen werden. Mitunter wird auch der Einkauf als Sourcing bezeichnet. Eine exakte Trennung der Begriffe Beschaffung, Einkauf und Sourcing gelingt in der Fachliteratur nicht. Deshalb werden die Begrifflichkeiten sinnähnlich verwendet: Beschaffung und Einkauf sind auch Sourcing, denn Sourcing wird als Teilbereich des Beschaffungsmanagements verstanden. Die wichtigste Aufgabe des Sourcings im klassischen Sinne ist die ’Suche, Bewertung und Selektion von Beschaffungsquellen’. Das Sourcing verfolgt drei entscheidende Ziele: • kundengerichtete Ziele: Dazu zählt alles, was die Versorgung der Kun‐ den sicherstellt, denn deren Anspruchsniveau ist im Vergleich zu vor 50 Jahren enorm gestiegen. • lieferantengerichtete Ziele: Sie zielen auf Verbesserung der Konditionen durch stabile Lieferantenbeziehungen über Mengeneffekte und eine Vertrauensbasis zwischen Unternehmen und Lieferanten ab. • wettbewerbsgerichtete Ziele: Sie haben den Wettbewerber im Blick und laufen auf deren Ausgrenzung mittels Ausschließlichkeitsverträgen hinaus. Es gibt in Theorie und Praxis eine Vielzahl von Sourcing-Konzepten, bei denen unter anderem nach Trägern der Wertschöpfung (Eigenfertigung oder Fremdbezug), Art der Bereitstellung (Zeitkonzepte: stock sourcing, demand-tailored sourcing, just-in-time), Anzahl der Bezugsquellen (Liefer‐ antenkonzepte wie single oder multiple sourcing), Größe des Marktraums (Arealkonzepte: local sourcing, domestic sourcing, global sourcing) oder nach Sourcing-Objekt (unit sourcing, modular sourcing, system sourcing) unter‐ schieden wird. Die einzelnen Sourcing-Konzepte finden häufig kombiniert Anwendung, beispielsweise wenn diverse Sourcing-Objekte global über eine Vielzahl von Lieferanten beschafft werden. Für die erfolgreiche Umsetzung einer Global-Sourcing-Strategie müs‐ sen auch seitens der beauftragenden Unternehmen einige Grundvorausset‐ zungen erfüllt werden, darunter die folgenden: Zusammenfassung 65 <?page no="66"?> • Das Unternehmen sollte eine gewisse Mindestgröße vorweisen, um nötige Marktforschungs- und Implementierungsaktivitäten vor Ort fi‐ nanziell bewältigen sowie die nötige datentechnische Infrastruktur über Ländergrenzen hinweg auf- oder ausbauen zu können. • Zudem sind die Kosten durch Reisen und die nötige Reisezeit ungleich höher, als wenn ein lokales oder regionales Unternehmen beauftragt würde. • Das Unternehmen sollte Erfahrungen in der internationalen Beschaf‐ fungsorganisation haben und über Mitarbeiter verfügen, die internatio‐ naler Verkehrssprachen mächtig sind. Für das Global Sourcing kommen fast nur Beschaffungsobjekte mit einem hohen Beschaffungsvolumen infrage, da sonst Einsparungen durch (hohe) Transport- und Logistikkosten überkompensiert werden. Das Unternehmen muss mit deutlich längeren Lieferzeiten rechnen als bei regionaler Beschaffung oder Produktion. Es ist sinnvoll, mit einer Vielzahl von Lieferanten langfristige Verträge zu vereinbaren, um sich so Rabatte zu sichern, die sonst nur bei der Strategie „wenige Lieferanten - hohe Mengenrabatte“ zu erzielen wären. Man könnte annehmen, dass für Unternehmen, die die Produktion aus der unternehmensinternen Wertschöpfungskette ausgelagert haben, aus‐ schließlich die Beschaffungskosten, nicht direkt die Produktionskosten von Relevanz sind. Dies trifft so nicht zu. Denn auch Händler, die nicht selber produzieren, profitieren vom niedrigen Lohnniveau des Beschaffungslan‐ des, da sich das Lohnniveau auf den Preis der produzierten Ware direkt auswirkt. Übung 8 Welche Auswahlkriterien gelten beim Global Sourcing? Übung 9 Welche Prämissen gelten bei der Implementierung einer Globalstrate‐ gie? Übung 10 Welche Risiken müssen bei der internationalen Beschaffung von Roh‐ stoffen und Produkten berücksichtigt werden? 66 2 Fertigung, Beschaffung und Sourcing multinationaler Unternehmen <?page no="67"?> Fazit zu Kapitel 1 und 2 Nach der Einführung und Historie folgt die Theorie. Die Ursprünge der Internationalisierung sind schon im vorchristlichen Alten Orient, Indien, China und im alten Ägypten zu finden. Wer hätte das gedacht? Dachten wir nicht, wir wären die „Schmiedemeister der Globalisie‐ rung“? Die Ursachen für die Globalisierung im wirtschaftlichen Gebiet sind vielfältig. Als wichtige treibende Kräfte der Globalisierung können die folgenden Punkte betrachtet werden: • eine zunehmende Liberalisierung der Märkte. • Kooperationstendenzen in Form von Abkommen zwischen Staaten steigen. • Es ist ein Trend zu mehr Freihandelsabkommen, Zollunionen, gemein‐ samen Märkten, Wirtschaftsunionen und politischen Unionen zu erken‐ nen (mal schauen, ob das anhält). • Ehemalige Planwirtschaften öffnen sich mehr als früher. • Neue Wettbewerber (südamerikanische oder asiatische Länder, die noch zu den Schwellenländen gehören) treten auf dem Weltmarkt auf. • Der technologische Fortschritt ist enorm. • Einschneidende politische Umwälzungen (bspw. Ende des Eisernen Vor‐ hangs) machen den Weg für eine freie, weltumspannende Wirtschafts‐ tätigkeit frei. Sie haben die Erklärungsansätze für den Außenhandel kennengelernt und kennen die wichtigsten Internationalisierungsstrategien und -theorien von multinationalen Unternehmen. Zusammenfassung 67 <?page no="69"?> 3 Organisationstheoretische Perspektiven „Multis“ oder multinationale Organisationen gibt es in der heutigen Welt im‐ mer mehr. Als klassische „Multis“ werden in der Regel Siemens, Coca Cola, Unilever, Zara u. ä. Unternehmen bezeichnet. Um als multinationales Unter‐ nehmen zu gelten, muss das Unternehmen nicht nur länderübergreifend, sondern in sehr vielen Ländern der Erde tätig sein. Wie solche Unternehmen organisiert werden können, wird in diesem Beitrag aufgezeigt. Multinationale Organisationen erfordern eine Zusammenarbeit in inter‐ nationalen Teams. Solche Unternehmen arbeiten beispielsweise in 40 oder sogar 60 Ländern der Erde, und daher ist zu lösen, wie eine solche Zusam‐ menarbeit gelingen kann. In Abschnitt 3.1 werden die grundsätzlichen Herausforderungen, die an solche Teams gestellt werden, aufgezeigt. In Abschnitt 3.2 geht es um Modelle und Grundlagen internationaler Teams. Abschnitt 3.3 geht auf die Interkulturalität ein. Abschnitt 3.4 zeigt den Zusammenhang zwischen Teams und Interkulturalität. Das Folgekapitel 4 zeigt später auf, wie die Organisation multinationaler Unternehmen in der Praxis aussehen kann. 3.1 Interkulturelle Teams als Erfolgspotenzial und Herausforderung für Unternehmen Lernziele Nach Bearbeitung dieses Abschnitts haben Sie verstanden: Um als multi‐ nationales Unternehmen erfolgreich zu sein, muss man Märkte sowohl global als auch lokal adäquat bedienen können. Interkulturelle Teams sind sowohl für globale als auch lokale Erfolge multinationaler Unternehmen enorm entscheidend, und zwar besonders im Forschungs- und Entwick‐ lungsbereich innovativer Geschäftsmodelle sowie im Marketingbereich. Zur Führung interkultureller Teams gibt es keinen universellen Organi‐ sationsansatz, sondern vier Organisationsansätze, die sich komplementär ergänzen können. Sie sollten alle vier Organisationsansätze mit ihren Prämissen kennen, und deren komplementäre Organisationsansätze in multinationalen Unternehmen anwenden können. <?page no="70"?> Die Welt unterliegt einem permanenten Wandel. Gab es im Jahr 1993 noch ein weltweites Exporthandelsvolumen von circa 3.684 Milliarden US-Dol‐ lar, hat sich dieses binnen zehn Jahren auf 18.301 Milliarden US-Dollar verfünffacht (WTO, 2014, S. 24; Minarsch, 2016). Im Jahr 2022 lag das weltweite Exporthandelsvermögen bei ca. 24,9 Billionen US-Dollar (UN‐ CTAD,5. April, 2023). Ursache dafür ist die vielzitierte Globalisierung, die für „eine weltweite Verflechtung der Unternehmensaktivitäten“ (Rothlauf, 2006, S. 3) steht und als Megatrend zur zentralen Herausforderung des 21. Jahrhunderts avanciert. Denn mit der Globalisierung findet nicht nur eine weltweite wirtschaftliche, sondern in gleicher Weise eine technische, kulturelle, politische und ökonomische Verflechtung statt, die die ganze Welt verändert (Eickelpasch & Rademacher, 2004, S. 57 f.). Dies schlägt sich auch in der enormen Anzahl an international tätigen Unternehmen nieder, die sich bereits im Jahr 2008 auf weltweit circa 82.100 transnationale Unternehmen mit über 800.000 Tochterfirmen belief. Die Globalisierung und die damit verbundene Internationalisierung hat die deutsche Wirtschaft ebenfalls stark verändert. Die Importquote Deutsch‐ lands für Waren und Dienstleistungen hat sich seit dem Jahr 1991 mit 39,1 Prozent (2015) fast verdoppelt, während bei der Exportquote mit 46,9 Prozent (2015) sogar eine Verdoppelung zu verzeichnen ist. Produkte und Dienstleistungen werden demzufolge weltweit gehandelt und verkauft, was wiederum neue Herausforderungen für die Unternehmen, besonders im Marketing, im Forschungs- und Entwicklungsbereich und im Produkti‐ onsbereich, birgt. Abnehmer und Kunden in verschiedenen Ländern und Kulturen haben unterschiedliche Ansprüche an das Unternehmen und dessen Produkte. Infolgedessen müssen sich die Unternehmen zunehmend bewusstwerden, dass sie Mitarbeiter brauchen, die diese unterschiedlichen Kundenanforderungen kennen und verstehen. Passende Arbeitskräfte müs‐ sen die Unternehmen heute nicht mehr nur auf dem landeseigenen Arbeits‐ markt suchen, denn mit der Globalisierung hat sich auch dieser über die nationalen Grenzen ausgedehnt. Laut einer Studie des Marktforschungsin‐ stituts Finaccord haben im Jahr 2013 bereits 50,53 Millionen Menschen au‐ ßerhalb ihres Heimatlandes gearbeitet und studiert (Finaccord, 2014, S.-16). In Anbetracht der Tatsache, dass die lokalen Grenzen des Arbeitsmarktes aufgebrochen werden, gewinnt nicht nur die Globalisierung, sondern auch die Lokalisierung zunehmend an Bedeutung. Nach Bartlett und Ghoshal gibt es für internationale Unternehmen so‐ wohl den Druck der globalen Integration als auch die Notwendigkeit zur 70 3 Organisationstheoretische Perspektiven <?page no="71"?> lokalen Anpassung. Die globale Integration geht dabei im Wesentlichen auf Standardisierungserfordernisse ein und steht für eine weltweite Unter‐ nehmensstrategie. Die Notwendigkeit lokaler Anpassung hingegen passt die Unternehmensstrategie an die Bedürfnisse des jeweiligen Gastlandes an, um so Differenzierungsvorteile zu generieren. Je nachdem, wie stark die internationalen Unternehmen auf Globalisierungs- und Lokalisierungs‐ erfordernisse eingehen, ergeben sich vier Strategien für internationale Geschäftstätigkeiten, wie in Abb. 3 dargestellt (Bartlett & Ghoshal, 1990, S.-82 ff.). Abb. 3: Internationalisierungsstrategien nach Bartlett und Ghoshal (in Anlehnung an Hutzschenreuter, 2015, S.-397) Die Globale Strategie steht für globale Effizienz, wobei die Strategien beziehungsweise Ziele zentralisiert und mit Ausrichtung auf den Weltmarkt entwickelt werden. Bei der Internationalen Strategie ist das Ziel, unter‐ nehmensinternes Wissen weltweit zu nutzen, indem die Strategien des Heimatlandes auf die anderen Länder übertragen werden - meist zu Beginn einer Internationalisierung. Die Multinationale Strategie stellt sich hingegen auf die unterschiedlichen nationalen Bedingungen und Erfordernisse ein, um so einen internationalen Unternehmenserfolg erzielen zu können. Die 3.1 Interkulturelle Teams als Erfolgspotenzial und Herausforderung für Unternehmen 71 <?page no="72"?> Transnationale Strategie hingegen versucht alle drei bereits genannten Stra‐ tegien zu verbinden, um sowohl die lokale Anpassung als auch die globale Effizienz und die weltweite Lernfähigkeit ausnutzen zu können (Bartlett & Ghoshal, 1990, S. 29 ff.). Gerade bei der Multinationalen Strategie und der Transnationalen Strategie ist es folglich für die Unternehmen wichtig, Mitarbeiter aus verschiedenen Kulturen und Ländern zu beschäftigen, die die lokale Strategie mit der globalen Unternehmensstrategie verknüpfen können. Mit der Globalisierung geht jedoch gleichermaßen eine Entwicklung von neuen Arbeitsformen - sogenannte New Work Formate - einher, die mehr denn je auf Kollaboration und Teamarbeit setzen. Folglich werden auch interkulturelle Teams immer interessanter für die Unternehmen, wie schon Snow, Snell, Davison und Hambrick (1996, S. 66) in ihrer Studie konkludieren: „Transnational teams are at the heart of the globalization process“. Darüber hinaus werden viele Organisationseinheiten, wie bei‐ spielsweise Teams, Arbeitsgruppen oder Projektgruppen, in der Arbeitswelt interkulturell zusammengesetzt (Podsiadlowski, 2002, S. 16). Diese interkul‐ turelle Teamarbeit bietet für internationale Unternehmen viele Vorteile aufgrund der unterschiedlichen kulturellen Hintergründe und Wissensge‐ biete der einzelnen Teammitglieder. Andererseits ist eine interkulturelle Teamarbeit mit verschiedenen Nationalitäten und Kulturen nicht immer einfach umzusetzen. Schnell kommt es dazu, dass in diesen Teams (Watson, Kumar & Michaelsen, 1993, S. 595 f.; Minarsch, 2016; Schmeisser, Reisser, Rolf & Popp, 2014) kulturelle Machtkämpfe ausgetragen werden, es zu Missverständnissen kommt oder das Team aufgrund von unterschiedlichen Perspektiven Effektivitätsverluste zu verzeichnen hat (Köppel, 2007, S. 78 ff.). Govindarajan und Gupta zeigen in ihrer Studie auf, dass in einem Unternehmen nur 18,0 Prozent der 70 untersuchten globalen Teams sehr erfolgreich zusammenarbeiten, während ein Drittel der Teams an ihrer Aufgabe scheitern (Govindarajan & Gupta, 2001, S. 63). Ebenso berichten die Medien täglich von gescheiterten Merger and Acquisitions (M&A), wie beispielsweise Chrysler-Daimler Benz oder Reebok-Adidas, die oftmals in zu großen kulturellen Unterschieden und einem defizitären kulturellen Integrationsmanagement begründet liegen (Syre, 2006, 5. September). Angesichts der weltweiten Entwicklungen hin zur interkulturellen Team‐ arbeit stellt sich die Frage, auf welche Weise interkulturelle Teams in inter‐ nationalen Unternehmen effektiv und effizient organisatorisch eingesetzt werden können. 72 3 Organisationstheoretische Perspektiven <?page no="73"?> Durch die vier Organisationsansätze ergibt sich ein multikontextuales Verständnis, das ergänzt durch praktische Handlungsempfehlungen den Unternehmen bei dem Umgang und dem Einsatz mit interkulturellen Teams eine Hilfestellung bietet. Im weiteren Verlauf werden folgende Thesen geprüft: These 1: Die Unternehmen müssen aufgrund der Einsatzmöglichkeit von interkulturellen Teams eine Make-or-Buy-Entscheidung treffen. These 2: Interkulturelle Teams bedürfen einer teamspezifischen in‐ terkulturellen Kommunikation und Führung, um erfolgreich zu sein. These 3: In interkulturellen Teams treten spezifische Konflikte auf, deren Lösung organisatorische und kulturspezifische Mechanismen verlangen. These 4: Die Leistung interkultureller Teams lässt sich durch eine adäquate Unternehmenskultur positiv beeinflussen. Zusammenfassung In diesem Abschnitt haben Sie gelernt, dass interkulturelle Teams - gerade unter dem Gesichtspunkt einer sich wandelnden Welt - entscheidend zum Erfolg bzw. Misserfolg eines Unternehmens beitragen können. Multinatio‐ nale Unternehmen stehen vor dem Dilemma der globalen Integration oder der Notwendigkeit zur lokalen Anpassung. Bartlett und Ghoshal (1990) un‐ terscheiden vier Internationalisierungsstrategien: Globale, Transnationale, Internationale oder Multinationale Strategie. 3.2 Grundlegende Termini und Modelle interkultureller Teamarbeit Lernziele Nach Bearbeitung dieses Abschnitts haben Sie ein Grundverständnis von den grundlegenden Modellen zur interkulturellen Teamarbeit in multinationalen Organisationen. Sie haben abzuschätzen und zu begründen gelernt, was in solchen Teams von überragender Bedeutung ist. 3.2 Grundlegende Termini und Modelle interkultureller Teamarbeit 73 <?page no="74"?> 3.2.1 Kultur Die Erläuterung und terminologische Eingrenzung des Phänomens Kultur ist bereits „seit langer Zeit Gegenstand verschiedener wissenschaftlicher Disziplinen“ (Kutschker & Schmid, 2011, S. 671), wie beispielsweise der Psychologie, der Anthropologie oder der Soziologie. In der Management- und Betriebswirtschaftslehre hingegen wurde Kultur lange Zeit nicht als ernsthafter Einfluss auf Mitarbeiter angesehen. Einfluss von Kultur in Unternehmen Erst seit dem Aufkommen des Grundlagenproblems im Management zwi‐ schen Universalismus und Kulturismus in den 1960er-Jahren stellt sich auch für Unternehmen, insbesondere internationale Unternehmen, die Frage, wie sich Kultur auf dieselbigen auswirkt. Die Universalisten schließen mit der Culture-free-These den Einfluss von kulturellen Bedingungen auf Unternehmen und deren Management weitestgehend aus. Im Gegensatz dazu gehen die Kulturisten mit der Culture-bound-These davon aus, dass die kulturellen Einflüsse beim Management eines Unternehmens zwingend zu berücksichtigen sind, um organisationsspezifisch die bestmögliche Lösung zu finden (Kutschker & Schmid, 2011, S.-807). Da keine dieser Thesen generell anwendbar ist, wird entsprechend durch das Management eine Entscheidung für die jeweilige Auffassungsrichtung getroffen (Welge & Holtbrügge, 2022, S. 103). Die Culture-bound-These wird vorzugsweise bei der Betrachtung von Makrovariablen, wie z. B. bei technischen Größen, herangezogen, wohingegen die Culture-free-These bei der Analyse von Mikrovariablen, wie z. B. bei Motivationsprozessen, zum Einsatz kommt (Hüfner, 2003, S.-79). Im Zusammenhang mit dieser Argumentationsgrundlage stellt sich die Frage, was Kultur überhaupt impliziert. Ursprünglich lässt sich der Termi‐ nus Kultur auf das lateinische Wort cultura (zu Deutsch: Bearbeitung, Pflege, Anbau) zurückführen, was darauf hindeutet, dass Kultur etwas von Menschen selbst Erschaffenes ist und sich nur durch Pflege weiterentwi‐ ckeln kann. Eine rein etymologische Herleitung ist in diesem Fall jedoch nicht ausreichend. Es ist deshalb schwierig, eine einheitliche Terminologie herauszustellen, wie Kroeber und Kluckhohn (1963) mit über 160 sehr differierenden Kulturdefinitionen unter Beweis stellen. Für den Bereich der Betriebswirtschafts- und Managementlehre haben Kutschker und Schmid 74 3 Organisationstheoretische Perspektiven <?page no="75"?> dennoch eine terminologische Grundlage geschaffen, die sich als Synthese der bekannten Definitionen erweist: Kultur ist die Gesamtheit der Grundannahmen, Werte, Normen, Einstel‐ lungen und Überzeugungen einer sozialen Einheit, die sich in einer Vielzahl von Verhaltensweisen und Artefakten ausdrückt und sich als Antwort auf die vielfältigen Anforderungen, die an diese soziale Einheit gestellt werden, im Laufe der Zeit herausgebildet hat (Kutschker & Schmid, 2011, S.-674). „In meiner Zeit bei IBM habe ich gelernt, dass Kultur das Wichtigste ist“ (Louis V. Gerstner Jr.) (Marcouse et al., 2015, S.-107). 3.2.2 Kulturmerkmale Zur genaueren Kulturcharakterisierung bietet sich eine Betrachtung von unterschiedlichen Merkmalen an. Ebenen von Kultur Eine Merkmalsspezifizierung liefert Osgood (1951), bei dem Kultur durch zwei Ebenen abgebildet werden kann: die „Concepta-“ und die „Per‐ cepta-Ebene“. Die Concepta-Ebene bezieht sich auf kulturelle Phänomene, die nicht direkt beobachtbar und wahrnehmbar sind. Diese mentale Kultur‐ ebene beinhaltet das tiefliegende Fundament der Kultur, also beispielsweise Einstellungen, Werte und Normen. Die Percepta-Ebene hingegen steht für die beobachtbaren und wahrnehmbaren Phänomene von Kultur. Dazu zählt die materielle Kultur, wie Gegenstände oder Artefakte, und die soziale Kultur, wie Sprache oder Verhaltensweisen. Eine bildliche Analogie stellt der Eisberg dar, wobei die Percepta-Ebene als klar erkennbare Spitze des Eisberges bezeichnet werden kann, während die Concepta-Ebene den größ‐ ten Teil des Eisberges widerspiegelt, die sich unter der Wasseroberfläche einer direkten Beobachtung entzieht (ebd., S.-209 ff.). 3.2 Grundlegende Termini und Modelle interkultureller Teamarbeit 75 <?page no="76"?> Wandelbarkeit von Kultur Ein statischer Charakter ist bei Kultur vergeblich zu suchen. In der Ver‐ gangenheit entstanden, passt sie sich jedoch der Gegenwart und Zukunft an, wodurch ihr eine gewisse Wandlungsfähigkeit zugesprochen werden kann (Keller, 1982, S. 118). Für diese dynamische Anpassung besteht eine Notwendigkeit, die in gegenwärtigen Umständen und Trends begründet liegt, um den Ansprüchen der Menschen genügen zu können. Gerade im Themenbereich Arbeit kann diese kulturelle Anpassungsfähigkeit, die den Wandel von einer Arbeitsorientierung zu einer Freizeitorientierung zugelassen hat (Opaschowski, 1988, S.-32 ff.), beobachtet werden. Erlernbarkeit von Kultur Jeder Mensch wird in eine primäre Kultur hineingeboren und eignet sich im Zuge seines Sozialisationsprozesses eine eigene Kultur an. Dieser Prozess wird auch Enkulturation genannt und erlaubt es, sich in seiner Kultur zurechtzufinden und zu wissen, was in dieser richtig und falsch ist. Aller‐ dings stoßen die Menschen an Grenzen der kulturellen Erlernbarkeit, wenn sie sich eine zweite oder dritte Kultur aneignen wollen. Zwar können sie versuchen, diese Kultur zu verstehen und sich ihr anzupassen, jedoch wird dieser Akkulturationsprozess aufgrund der eigenen Primärkultur nie vollständig funktionieren, da sich die grundlegenden Handlungsmuster nie komplett ändern lassen (Kumbruck & Derbroven, 2015, S.-104). Abb. 4 zeigt diesbezüglich, dass Kultur klar von der Persönlichkeit und der allgemeinen menschlichen Natur abzugrenzen ist. Die menschliche Natur wird universell von allen Individuen durch ihre Gene ererbt und bildet dabei die Basis, analog zum Betriebssystem eines Computers. Die Persönlichkeit besteht hingegen aus individuellen und einzigartigen Kombinationen an Merkmalen, die teilweise vererbt und teilweise durch den Einfluss der Kultur und der persönlichen Erfahrungen erlernt sind. 76 3 Organisationstheoretische Perspektiven <?page no="77"?> Abb. 4: Drei Ebenen der Verhaltensprägung nach Hofstede (in Anlehnung an Hofstede & Hofstede, 2011, S.-5) Handlungsbeeinflussende Kulturwirkung In ergänzender Betrachtung ist Kultur in erster Linie das Produkt von menschlichen Handlungen, da sie erst durch diese entsteht. Allerdings wird auch der Mensch in seinen Handlungen von bereits bestehender und geschaffener Kultur beeinflusst (Clarke, Jefferson & Roberts, 1979, S. 42). An dieser Stelle kann von einer wechselseitigen Beeinflussung der zuvor beschriebenen Concepta- und Percepta-Ebene gesprochen werden, die dergestalt ist, dass Kultur gleichzeitig einen „Einfluss- oder auch Rest‐ riktionsfaktor für Handlungen“ (Kutschker & Schmid, 2011, S. 676) darstellt. Kollektivitätscharakter von Kultur Jedes Individuum hat seine eigene Persönlichkeit und unterscheidet sich so‐ mit von anderen Individuen seiner Kultur, dennoch „bestehen Ähnlichkeiten zwischen den Persönlichkeitsstrukturen der Mitglieder gleicher Kultur[en]“ (Kammel & Teichelmann, 1994, S. 35). Die jeweilige Kultur gibt den Men‐ schen gewisse Standards vor, an die sie sich halten und an denen sie sich orientieren können, wie beispielsweise Fühl-, Denk- oder Handlungsmuster (Götz & Bleher, 2006, S. 13). Hofstede spricht an dieser Stelle von Kultur als „kollektive Programmierung des Geistes, die die Mitglieder einer Gruppe 3.2 Grundlegende Termini und Modelle interkultureller Teamarbeit 77 <?page no="78"?> oder Kategorie von Menschen von einer anderen unterscheidet“ (Hofstede & Hofstede, 2011, S. 4). Die Wortwahl Programmierung verdeutlicht, dass es für die Individuen sogar einen Druck gibt, dieser kollektiven Kultur zu folgen, um Mitglied einer spezifischen Gruppe zu sein. „Culture is for a group what personality is for an individual“ (Laurent, 1991, S. 1). Trotzdem ist jeder Mensch nicht nur Mitglied einer, sondern vieler verschiedener Kulturen. Quellen für diese einzelnen Kulturen können beispielsweise Erziehung, Familie, Nationalität, Geschlecht oder das Unternehmen, in welchem sich der Arbeitsplatz befindet, sein (Usunier & Walliser, 1993, S.-30). Aufgrund der verschiedenen Merkmale von Kultur kann konstatiert wer‐ den, dass Kultur viele Funktionen besitzt, wobei die Orientierungsfunktion als wichtigste herausgehoben werden muss. Demzufolge gibt Kultur etwas vor, an das sich gehalten werden kann - sie legt gewisse Regeln fest, zeigt, was gut und böse ist, und hilft, sich in der Welt zurechtzufinden. 3.2.3 Kulturelemente Der Aufbau einer Kultur und ihrer Merkmale lässt sich durch das Kultur‐ zwiebelmodell von Hofstede darstellen (Hofstede & Hofstede, 2011, S. 8 ff.). Demnach offenbart sich eine Kultur durch Symbole, Helden, Rituale und Werte, wie in Abb. 5 dargestellt. Abb. 5: Kulturzwiebelmodell nach Hofstede (in Anlehnung an Hofstede & Hofstede, 2011, S. 8) 78 3 Organisationstheoretische Perspektiven <?page no="79"?> Die dabei gewählte Form einer Zwiebel für das Kulturmodell skizziert bereits den Aufbau einer Kultur. Um die darunterliegenden Schichten zu verstehen, ist eine Kultur von außen nach innen zu begreifen. Die Praktiken mit ihren Bestandteilen Symbole, Helden und Rituale sind sichtbar und klar zu erfassen, genau wie bei der bereits vorgestellten Percepta-Ebene. Doch um sie zu verstehen, bedarf es eines weiteren Vordringens bis hin zu den Werten, die nicht sichtbar sind und mit der Concepta-Ebene verglichen werden können. Der erste Eindruck einer Kultur wird bei Hofstede durch die äußerste und sichtbarste Schicht der Symbole gewonnen. „Symbole sind Worte, Gesten, Bilder oder Objekte, die eine bestimmte Bedeutung haben, welche nur von denjenigen als solche erkannt wird, die der gleichen Kultur angehören“ (Hofstede & Hofstede, 2011, S. 8). Mögliche Symbole können beispielsweise Sprache, Architektur, Kunst oder Kleidung sein, die durch kulturfremde Individuen wahrgenommen und als Realität erfasst werden (Blom & Meier, 2004, S.-41). Die zweite Schicht des Modells bilden die Helden als Verbindung zwischen Symbolen und Ritualen. „Helden sind Personen, tot oder lebend, echt oder fiktiv, die Eigenschaften besitzen, die in einer Kultur hoch angesehen sind“ (Hofstede & Hofstede, 2011, S. 9). Die in der jeweiligen Kultur lebenden Menschen nehmen oft auf ihre Helden Bezug, ohne dass Außenstehende die Anspielungen verstehen können. Die dritte und letzte Schicht der sichtbaren Praktiken bilden die Rituale, die „kollektive Tätigkeiten [repräsentieren], die für das Erreichen der angestrebten Ziele eigentlich überflüssig sind, innerhalb einer Kultur aber als sozial notwendig gelten: sie werden daher um ihrer selbst willen ausge‐ übt“ (ebd.). Solche Rituale können beispielsweise nationale Feiertage oder Karnevalsumzüge sein. Die tiefste Ebene der Kultur bilden die Werte, die für eine „allgemeine Neigung [stehen], bestimmte Umstände anderen vorzuziehen. Werte sind Gefühle mit einer Orientierung zum Plus- oder zum Minuspol hin“ (ebd.). Somit sind Werte der grundlegende Kern einer Kultur, der auch von den eigenen Mitgliedern der Kultur nur sehr schwer erfasst oder gar sprachlich ausgedrückt werden kann. Sie bestimmen, was die Menschen als gut oder schlecht empfinden, und drücken sich beispielsweise auch in religiösen Einstellungen aus. 3.2 Grundlegende Termini und Modelle interkultureller Teamarbeit 79 <?page no="80"?> 3.2.4 Kulturdimensionen von Hofstedes empirischer Studie Hofstedes umfangreiche Studie und aufgrund seiner unterschiedlichen Herangehensweisen im Umgang mit Fragestellungen zur Kultur wird im Folgenden das empirische Modell von Hofstede ausführlich behandelt. Abb. 6: Kulturdimensionen nach Hofstede (in Anlehnung an die Ausführungen von Hofs‐ tede, Hofstede & Minkov, 2010) Hofstede befragte in den 1960er- und 1970er-Jahren über 116.000 Mitarbeiter des Unternehmens IBM in über 70 Ländern per Fragebogen zu dem Thema Kulturdimensionen. Nach Kutschker und Schmid zielte Hofstede darauf ab, „Dimensionen herauszuarbeiten, mit denen man Unterschiede und Ge‐ meinsamkeiten zwischen Ländern darstellen kann“. Als Ergebnis der Faktor- und Varianzanalyse fand Hofstede vier Dimensionen heraus, die 49 Prozent der Gesamtvarianz und somit einen Großteil der kulturellen Unterschiede erklären. Aufgrund der Ergebnisse späterer Studien fügte Hofstede dem Modell zwei weitere Dimensionen hinzu (Huber, Kornmann & Köksecen, 2016, S. 27), weshalb hier von sechs Dimensionen ausgegangen wird, die auch in Abb. 6 dargestellt sind. 80 3 Organisationstheoretische Perspektiven <?page no="81"?> Machtdistanz Die erste Kulturdimension ist die Machtdistanz, die das Ausmaß beschreibt, „bis zu welchem die weniger mächtigen Mitglieder von Institutionen bzw. Organisationen eines Landes erwarten und akzeptieren, dass Macht un‐ gleich verteilt ist“ (Hofstede & Hofstede, 2011, S. 57 f.). Konkret geht es um die Frage, inwiefern die Mitglieder von verschiedenen Kulturen einen gewissen Machtunterschied tolerieren, wie Tab. 2 mit Beispielen aufzeigt. So können in Ländern mit hoher Machtdistanz (z. B. Mexiko) viele Hierarchiestufen, Statussymbole und eine zentrale Entscheidungsfindung in Unternehmen beobachtet werden. Die meisten europäischen Länder hingegen weisen eine geringe Machtdistanz auf, was sich auch in der Einbeziehung der Mitarbeiter in Unternehmen zeigt (Kutschker & Schmid, 2011, S.-720 ff.). Gesellschaften mit niedriger Machtdistanz Gesellschaften mit hoher Machtdistanz • Mitbestimmung • Gleiche Rechte für alle • Tendenz zur Delegation von Aufga‐ ben und Verantwortung • Kreative, erkenntnisbildende Lern‐ methoden • Eltern werden eher, wie Partner be‐ handelt • Machtgebrauch/ Machteinsatz muss legitimiert sein (Wahlen, Kompe‐ tenz) • Autokratie • Mächtige genießen Privilegien • Tendenz zur Zentralisation von Ent‐ scheidungen und Verantwortung • Reproduzierende Lernmethoden • Eltern werden als Respektsperson behandelt • Macht geht vor Recht, Macht ist ver‐ erbbar; stützt sich z. T. auf Gruppen- oder Familienclans Tab. 2: Beispiele unterschiedlicher Wertehaltung in Bezug auf Machtdistanz (in Anlehnung an Weidmann, 1995, S.-45) Unsicherheitsvermeidung Die zweite Dimension wird als Unsicherheitsvermeidung bezeichnet. Für Hofstede zeigt diese den „Grad, bis zu dem die Mitglieder einer Kultur sich durch uneindeutige oder unbekannte Situationen bedroht fühlen“ (Hofstede & Hofstede, 2011, S. 220). Tab. 3 verdeutlicht in diesem Zusammenhang, dass eine Kultur mit starker Unsicherheitsvermeidung (z. B. Japan) versucht, die Zukunft unter Kontrolle zu halten und Konflikte zu vermeiden, indem sie viele Regeln, Gesetze und Vorschriften erlässt. Kulturen mit schwacher 3.2 Grundlegende Termini und Modelle interkultureller Teamarbeit 81 <?page no="82"?> 1 Xenophobie bedeutet Fremdenfeindlichkeit und Dogmatismus bezeichnet ein unkriti‐ sches bzw. starres Festhalten an Meinungen oder Anschauungen. Unsicherheitsvermeidung (wie Irland oder Schweden) legen hingegen mehr Wert auf verschiedene Meinungen und Toleranz gegenüber fremden Kultu‐ ren, sodass in Unternehmen auch mehr Innovationen entstehen können (Rothlauf, 2006, S.-32). Gesellschaften mit schwacher Unsicherheitsvermeidung Gesellschaften mit starker Unsicherheitsvermeidung • Internationalismus, Offenheit für „Fremdes“ • Toleranz, Meinungsvielfalt • Innovationsbereitschaft • Flexible Organisation und Arbeits‐ gestaltung • „Was nicht verboten ist, ist erlaubt“ • Abweichungen von der Norm sind interessant • Nationalismus, Xenophobie 1 • Dogmatismus • Widerstand gegen Veränderung • Formalisierung und Standardisie‐ rung • „Was nicht erlaubt ist, ist verboten“ • Abweichungen von der Norm sind gefährlich Tab. 3: Beispiele unterschiedlicher Wertehaltung in Bezug auf Unsicherheitsvermeidung (in Anlehnung an Weidmann, 1995, S.-49) Individualismus versus Kollektivismus Die dritte Dimension bezeichnet die Spannung zwischen Individualismus und Kollektivismus. In individualistischen Gesellschaften (z. B. USA) sind die Beziehungen zwischen den Menschen unabhängiger Natur. Ebenso tragen die Individuen jener Gesellschaften nur Verantwortung für sich selbst und enge Familienangehörige. In der Arbeitswelt wird der Arbeitsaufgabe und der Selbstverwirklichung eine höhere Bedeutung beigemessen als der Beziehung zu den Kollegen. In einer kollektivistisch geprägten Kultur (bspw. Pakistan) spielt hingegen die Eigenschaft Loyalität eine große Rolle. Eine starke Orientierung an der eigenen Gruppe und die Fürsorge für andere Personen in der gleichen Gruppe (bspw. Großfamilie oder Arbeitsteam) stehen an dieser Stelle im Fokus, wie die Gegenüberstellung von weiteren Wertehaltungen in Tab. 4 herausstellt (Emrich, 2014, S.-39). 82 3 Organisationstheoretische Perspektiven <?page no="83"?> Kollektivistische Gesellschaften Individualistische Gesellschaften • Identität durch Gruppen- und Fir‐ menzugehörigkeit • Politische Macht wird von Interes‐ sengruppen ausgeübt • Arbeitgeber-Arbeitnehmer-Bezie‐ hung ist moralisch fundiert (z. T. le‐ benslange Beschäftigung/ Betriebs‐ treue) • „Lernen“ wird nur auf die Jugend bezogen • Harmonie, Respekt, Scham • Fremdbestimmung • Identität durch berufliche, gesell‐ schaftliche Einbindung • Politische Macht wird von Wählern ausgeübt • Arbeitgeber-Arbeitnehmer-Bezie‐ hung ist zweckbezogen und ver‐ traglich fundiert (Arbeitsmarkt) • Permanente Weiterbildung • Schuldgefühle • Selbstverwirklichung, Selbstbestim‐ mung Tab. 4: Beispiele unterschiedlicher Wertehaltung in Bezug auf Kollektivismus und Indivi‐ dualismus (in Anlehnung an Weidmann, 1995, S.-46) Maskulinität versus Femininität Durch die vierte Dimension werden Gesellschaften nach ihrer Maskulinität bzw. Femininität unterschieden. Ist eine Kultur eher maskulin (wie Japan), so bedeutet dies, dass jene Gesellschaft viel Wert auf ein selbstbewusstes Auftreten legt. Es geht dabei meist um materielle und harte Werte, wie Ehrgeiz, Karriereorientierung und ein hohes Einkommen. In feministisch orientierten Kulturen (wie Schweden) geht es eher um die Lebensqualität an sich, wie Tab. 5 mit einigen Beispielen herausstellt. Die Menschen dieser Kultur nehmen mehr Rücksicht aufeinander und sind bescheiden, wodurch es vorrangig zu Kompromissen und Kooperationen kommt (Rothlauf, 2006, S.-31-f.). Feminine Gesellschaften Maskuline Gesellschaften • Prinzip: Solidarität • Wohlfahrtsstaat als Ideal • Intuition • Anpassungsbereitschaft • „Arbeiten, um zu leben“ • Bescheidenheit • Prinzip: Konkurrenz • Leistungsgesellschaft als Ideal • Aggression • Durchsetzungsvermögen • „Leben, um zu arbeiten“ • Stolz Tab. 5: Beispiele unterschiedlicher Wertehaltung in Bezug auf Maskulinität und Femininität (in Anlehnung an Weidmann, 1995, S.-48) 3.2 Grundlegende Termini und Modelle interkultureller Teamarbeit 83 <?page no="84"?> 2 Während der Normativismus die Vernunft vor die Theorie stellt, ist dies beim Pragma‐ tismus umgekehrt und Handeln wird vor die Vernunft gestellt. Langzeitorientierung versus Kurzzeitorientierung Die fünfte Dimension betrachtet die langfristige bzw. kurzfristige Orientie‐ rung von Kulturen, wie Tab. 6 durch einige Beispiele verdeutlicht. Eine kurzfristig orientierte Gesellschaft (wie Kanada) zeichnet sich durch Merk‐ male wie Respekt vor der Tradition und Wahrung des Gesichts aus. Lang‐ fristig orientierte Länder (wie China) werden eher durch Beharrlichkeit, Respekt vor Rangordnungen, langfristigen Unternehmensstrategien und einer hohen Investitionstätigkeit charakterisiert. Gesellschaften mit Kurzzeitorientierung Gesellschaften mit Langzeitorientierung • Ungeduld, kurzfristige Erfolge • Normativismus 2 • Tendenz zur absoluten Wahrheit • Eigene Ziele dominieren, Abneigung gegen Fremdbestimmung • Bewahrung von Traditionen • Hohe Investitionen für schnelle Ent‐ wicklung (Verschuldung) • Ausdauer, langfristige Zielverfol‐ gung • Pragmatismus • Viele „Wahrheiten“ (Abhängig von Zeit, Ort, Gegebenheit) • Bereitschaft, sich einem kollektiven Zweck unterzuordnen • Pragmatische Anpassung von Tradi‐ tionen • Haushalten zur Zukunftssicherung (Sparen) Tab. 6: Beispiele unterschiedlicher Wertehaltung in Bezug auf Langzeit- und Kurzzeitori‐ entierung (in Anlehnung an Weidmann, 1995, S.-50) Beherrschung versus Nachgiebigkeit In Ergänzung zur fünften Dimension übernahm Hofstede von Minkov die bislang letzte und sechste Dimension, die ein Spektrum zwischen Beherr‐ schung und Nachgiebigkeit aufspannt. Demnach streben Gesellschaften, die einen nachgiebigen Charakter aufweisen (wie z. B. die USA) danach, ihr Le‐ ben frei zu gestalten, Spaß an Freizeitaktivitäten zu haben und ihre eigenen Wünsche und Gefühle zu erfüllen. Gesellschaften mit großer Beherrschung (z. B. China) schränken sich hingegen stark ein, indem Spaß, Genuss oder freie Sexualität als verpönt gelten (Hofstede, Hofstede & Minkov, 2010, S.-277-ff.). 84 3 Organisationstheoretische Perspektiven <?page no="85"?> Kritische Betrachtung der Kulturdimensionen von Hofstede Neben dem vorgestellten Modell von Hofstede gibt es weitere Studien, die andere Dimensionen für einen Landeskulturvergleich identifizieren (Trompenaars & Hampden-Turner, 2012). So bezieht sich beispielsweise Hall in seinen Kulturdimensionen auf unterschiedliche Aspekte der Kom‐ munikation innerhalb von Kulturen. Für ihn hat Kultur vier verschiedene Dimensionen. Die erste Dimension Kontextorientierung verweist auf die Mindestmenge an Information, welche gebraucht wird, damit der Empfän‐ ger die Botschaft versteht. Die zweite Dimension Raumorientierung sagt aus, welche Privatsphäre und welches Territorium eine Kultur benötigt, um sich wohlzufühlen. Die dritte Dimension Zeitorientierung veranschaulicht eine Tendenz zu linearen Zeitabschnitten (monochrone Zeitauffassung) oder eine Annahme von verschwimmenden Zeitfenstern (polychrone Zeitauffas‐ sung). Mit der vierten Dimension Informationsgeschwindigkeit verweist Hall auf die unterschiedliche Geschwindigkeit, mit welcher Informationen in der Kommunikation codiert und decodiert werden (Hall, 1990, S.-3-ff.) Hofstede wird kritisch die Prägung seiner Studie durch die westliche Kultur und eine mangelnde Trennschärfe zwischen den Dimensionen vorge‐ halten. Jedoch bringen Kutschker und Schmid (2011) auch die Bedeutsamkeit der Studie zum Ausdruck. Hofstede erreichte mit seiner Studie einen großen Stichprobenumfang, welcher so nie durch andere Studien erreicht werden konnte. Auch die Tatsache, dass kaum eine Studie so oft zitiert und als Basis für weitere Arbeiten und Untersuchungen herangezogen wurde, zeugt von ihrem großen Einfluss (ebd., S.-731-ff.) Übung 11 Definieren Sie den Fachbegriff Kultur. Übung 12 Warum ist die empirische Studie von Hofstede bis heute so bedeutsam? Übung 13 Erläutern Sie die Kulturdimensionen von Hofstede. 3.2 Grundlegende Termini und Modelle interkultureller Teamarbeit 85 <?page no="86"?> 3.3 Interkulturalität Um Kulturen getrennt voneinander vergleichen zu können, gilt es zu wissen, was Kultur prägt. In den meisten Situationen treffen zwei oder mehrere Kulturen direkt aufeinander und es entstehen sogenannte kulturelle Über‐ schneidungssituationen, die nur durch einen interkulturellen Hintergrund verstanden werden können. 3.3.1 Kulturelle Überschneidungssituationen Kulturelle Überschneidungssituationen entstehen, wenn Menschen aus zwei unterschiedlichen Kulturen aufeinandertreffen und sich eine Si‐ tuation ergibt, „in der sie nicht allein aus einem kulturspezifischen Orientierungssystem heraus agieren können, sondern es mit zwei unter‐ schiedlichen Orientierungssystemen zu tun haben, die mehr oder weniger deutlich wahrgenommen werden können“ (Thomas, 2005, S. 44). Die Eigenheit liegt darin begründet, dass beide Individuen in der Situation aufgrund ihres eigenkulturellen Orientierungssystems handeln, sich des‐ sen aber keineswegs bewusst sind. Sie wähnen sich im Recht, das Richtige zu tun und werten das Verhalten des Gegenübers als falsch, da sie dessen kulturelles Orientierungssystem zunächst weder erkennen noch verstehen können. Wie Abb. 7 zeigt, müssen sich das vertraute Eigene und das ungewisse Fremde erst annähern, um einen Raum „der Nichteindeutigkeit, Vagheit und Neuartigkeit, der bedrohlich, aber auch anregend wirken kann“ (Thomas, 2005, S. 46), zu überwinden. Denn nur so kann das Fremde für das Eigene an Bedeutsamkeit gewinnen und eine gewisse Wechselwirkung entstehen, damit Kultur und Interkulturalität erfahrbar werden: „Kultur erfährt man immer über den Kontrast des Fremden mit dem Eigenen. Unsere eigene Welt kommt durch Eingrenzung von Vertrautem und Ausgrenzung von Fremden überhaupt erst zustande; man wird sich dem Eigenen, der eigenen Kultur, genauso bewusst wie dem Fremden“ (Brandenburger, 1995, S.-32-f.). 86 3 Organisationstheoretische Perspektiven <?page no="87"?> Abb. 7: Dynamik kultureller Überschneidungssituationen (in Anlehnung an Thomas, 2005, S.-46) Daraus ergeben sich drei Anforderungen an die Bewältigung kulturel‐ ler Überschneidungssituationen, um gemeinsam interkulturelle Synergieef‐ fekte erzielen und etwas Neues kreieren zu können. Zunächst ist ein Ken‐ nenlernen des eigenkulturellen Orientierungssystems vonnöten. Im Zuge dessen gilt es vor allem, das eigene Denken, Verhalten und Wahrnehmen zu reflektieren und zu verstehen. Darüber hinaus besteht die Notwendigkeit, dass als zweite Anforderung auch das fremdkulturelle Orientierungssystem verstanden und anerkannt wird. Als dritte und schwierigste Anforderung bedarf es dann einer Abstimmung von dem Fremden mit dem Eigenen, was einen Perspektivenwechsel und eine Distanz zum Gewohnten mit sich bringt (Thomas, 2005, S.-49-ff.). Die Verhaltensregulationen unterscheiden sich in der Praxis jedoch stark voneinander, wie Bochner (1982) in Forschungen zum Thema Dynamik in kulturellen Überschneidungssituationen herausstellt. Je nach eigenem kultu‐ rellen Orientierungssystem und eigenen Erfahrungen kommt eines von vier Verhaltenskonzepten zum Tragen: Dominanzkonzept, Assimilationskon‐ zept, Divergenzkonzept oder Synthesekonzept. Bei dem Dominanzkonzept wird ein Anpassungsdruck auf den Partner ausgeübt und die eigene Kultur 3.3 Interkulturalität 87 <?page no="88"?> der Fremden als überlegen angesehen. Im Zuge des Assimilationskonzepts findet das Gegenteil statt und eine Kultur unterwirft sich der anderen, indem sie deren Normen und Werte freiwillig übernimmt. Kommt das Divergenzkonzept zum Tragen, so werden beide Kulturen als bedeutsam angesehen, wobei die Werte und Normen so gegensätzlich sind, dass ständig zwischen dem eigen- und fremdkulturellen Orientierungssystem geschwankt wird und große Verunsicherungen entstehen. Nur wenn das Synthesekonzept als Verhalten beider Kulturen zum Vorschein kommt, kann es gelingen, ein gemeinsames kulturelles Orientierungssystem mit neuen Normen und Werten hervorzubringen und das Interkulturelle aufblühen zu lassen (Thomas, 2005, S.-47-f.). 3.3.2 Terminologische Grundlagen von Interkulturalität Der Terminus Interkulturalität resultiert aus kulturellen Überschneidungs‐ situationen, die keine terminologische Eingrenzung begründen. Diese kann jedoch durch die lateinische Ableitung erfolgen. Demnach setzt sich Inter‐ kulturalität aus dem bereits erörterten Terminus cultura (zu Deutsch: Anbau, Bearbeitung, Pflege) und dem Begriff inter (zu Deutsch: zwischen) zusam‐ men. Diese zwischenkulturelle Bedeutung deckt sich mit den Herleitungen aus der kulturellen Überschneidungssituation und deutet gleichzeitig auf eine Interaktion oder einen Prozess zwischen zwei oder mehreren Kulturen hin (Broszinsky-Schwabe, 2011a, S. 86). Eine ähnliche Auffassung vertritt auch die UNESCO, die in ihrem Übereinkommen über den Schutz und die Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen. Interkulturalität wie folgt definiert: „,Interkulturalität’ bezieht sich auf die Existenz verschiedener Kulturen und die gleichberechtigte Interaktion zwischen ihnen sowie die Möglichkeit, durch den Dialog und die gegenseitige Achtung gemeinsame kulturelle Ausdrucksformen zu schaffen“ (UNESCO, 2005, Art.-4 Nr.-8). Neben der Bezeichnung interkulturell findet sich in der Literatur eine Vielfalt ähnlicher Termini, wie die deutschen Bezeichnungen multikulturell und transkulturell oder die englischen Bezeichnungen cross-cultural, inter‐ cultural, multicultural, diversity und teilweise auch transnational (Schneider & Hirt, 2007, S. 44). Jeder dieser Begriffe hat eine ganz eigene Bedeutung und lässt sich dadurch von den anderen abgrenzen. Für ein angemessenes und erfolgreiches Aufeinandertreffen mehrerer Kulturen bedarf es einer interkulturellen (Handlungs-)Kompetenz aller 88 3 Organisationstheoretische Perspektiven <?page no="89"?> Beteiligten als notwendige Voraussetzung. Thomas definiert den Begriff wie folgt: Interkulturelle Kompetenz zeigt sich in der Fähigkeit, kulturelle Bedin‐ gungen und Einflussfaktoren im Wahrnehmen, Urteilen, Empfinden und Handeln bei sich selbst und bei anderen Personen zu erfassen, zu respek‐ tieren, zu würdigen und produktiv zu nutzen im Sinne einer wechselsei‐ tigen Anpassung, von Toleranz gegenüber Inkompatibilitäten und einer Entwicklung hin zu synergieträchtigen Formen der Zusammenarbeit, des Zusammenlebens und handlungswirksamer Orientierungsmuster in Bezug auf Weltinterpretation und Weltgestaltung (Thomas, 2003, S. 143). Dabei ist die interkulturelle Kompetenz der Bezugsfaktor für fachliche, strategische, soziale und individuelle Kompetenzen, wie Abb. 8 verdeutlicht. Abb. 8: Modell der interkulturellen Kompetenz nach Bolten (in Anlehnung an Bolten, 2006, S.-65) 3.3 Interkulturalität 89 <?page no="90"?> Nach Gertsen (1990) lässt sich die interkulturelle Kompetenz in drei Dimen‐ sionen aufteilen, die der Übersicht in Tab. 7 zu entnehmen sind. Die affektive Dimension bezieht sich auf die Bewusstseinsebene. Es geht vor allem darum, sensibel für kulturelle Situationen zu sein, diese zu durchschauen und „eventuell auftretende Probleme als kulturbedingt zu erkennen“ (Pernet, 2005, S. 14). Entscheidend dabei ist beispielsweise eine Vorurteilsfreiheit und Toleranz gegenüber anderen Kulturen. Bei der kognitiven Dimension geht es um interkulturelles Wissen, welches das Wissen über Unterschiede, Problempotenziale, aber auch Gemeinsamkeiten zwischen den Kulturen, durch welche die Komplexität einer Kultur verstanden werden kann, um‐ fasst. Die verhaltensbezogene Dimension bezieht sich auf die interkulturelle Handlungskompetenz, die es erlaubt, in interkulturellen Situationen effektiv zu handeln und Konflikte zu umgehen. Das Auftreten ist an dieser Stelle durch eine Handlungssicherheit und eine gute Kommunikationsfähigkeit geprägt (Gertsen, 1990, S.-346). Affektive Dimension Kognitive Dimension Verhaltensbezogene Dimension • Ambiguitätstoleranz • Frustrationstoleranz • Fähigkeit zur Stressbe‐ wältigung und Kom‐ plexitätsreduktion • Selbstvertrauen • Empathie, Rollendis‐ tanz • Vorurteilsfreiheit, Of‐ fenheit, Toleranz • Geringer Ethnozen‐ trismus • Akzeptanz/ Respekt gegenüber anderen Kulturen • Interkulturelle Lern‐ bereitschaft • Verständnis des Kul‐ turphänomens in Bezug auf Wahr‐ nehmung, Denken, Einstellungen sowie Verhaltens- und Hand‐ lungsweisen • Verständnis fremdkul‐ tureller Handlungszu‐ sammenhänge • Verständnis eigenkul‐ tureller Handlungszu‐ sammenhänge • Verständnis der Kul‐ turunterschiede der Interaktionspartner • Verständnis der Be‐ sonderheiten interkul‐ tureller Kommunikati‐ onsprozesse • Metakommunikati‐ onsfähigkeit • Kommunikationswille und -bereitschaft i. S. der initiierenden Pra‐ xis der Teilmerkmale der affektiven Dimen‐ sion • Kommunikationsfä‐ higkeit • Soziale Kompetenz (Beziehungen und Vertrauen zu fremd‐ kulturellen Interakti‐ onspartnern aufbauen können) Tab. 7: Dimensionen der interkulturellen Kompetenz nach Gertsen (in Anlehnung an Bolten, 2006, S.-63) 90 3 Organisationstheoretische Perspektiven <?page no="91"?> 3.4 Teams und Interkulturalität In Unternehmen sind Situationen, die eine interkulturelle Kompetenz erfor‐ dern, oftmals in Verhandlungen mit Geschäftspartnern oder beim Kontakt mit Kunden vorzufinden, wobei Interkulturalität bei der Zusammenarbeit in Teams die wohl prägnanteste Rolle einnimmt. 3.4.1 Terminologische Grundlagen von Teams In der Literatur findet sich, wie bei dem Begriff Kultur, keine einheitliche Terminologie von Team. Vielmehr existiert eine Diskussion darüber, ob ein Unterschied zwischen einer Gruppe und einem Team besteht. So wird eine Gruppe meist nach der Definition von Rosenstiel abgegrenzt, wonach eine Gruppe eine „Mehrzahl von Personen in direkter Interaktion, über eine längere Zeitspanne, bei Rollendifferenzierung und gemeinsamen Normen, verbunden durch ein Wir-Gefühl“ (Rosenstiel, 1992, S. 261) ist. Der Team‐ begriff geht über die Merkmale einer Gruppe hinaus, indem ein Team im Gegensatz zu einer Gruppe ein gemeinsames Ziel bzw. eine gemeinsame Aufgabe verfolgt. Katzenbach und Smith stellen darüber hinaus fest, dass Teams einen kooperativen Arbeitsstil besitzen und sich die Fähigkeiten der Teammitglieder ergänzen (Katzenbach & Smith, 1993, S. 68 ff.). Zusammen‐ fassend ist festzustellen, dass die Bezeichnung Team die Merkmale einer Gruppe miteinschließt, weshalb die Feststellung „jedes Team ist auch eine Gruppe, aber nicht jede Gruppe ist ein Team“ (Frech, 1996, S. 296) zutreffend ist. 3.4.2 Entwicklungsstadien von Teams Ein erfolgreiches Team ist allerdings nicht sofort nach der Zusammenstel‐ lung gegeben. Vielmehr muss sich dieses Team erst selbst finden und dafür Entwicklungsphasen durchlaufen, um wirklich effektiv zu arbeiten. Tuck‐ man (1965) hat diese Entwicklungsphasen in seinem Teambildungsmodell zusammengefasst. Demnach gibt es fünf Phasen, die in Abb. 9 dargestellt sind. 3.4 Teams und Interkulturalität 91 <?page no="92"?> Abb. 9: Phasenmodell der Teamentwicklung nach Tuckman (in Anlehnung an Brodbeck, 2007, S.-429) Die Forming-Phase kann auch als Entstehungsphase bezeichnet werden. Die Teammitglieder orientieren sich und lernen sich untereinander kennen. Gegenseitige Erwartungen und Eigenschaften sowie die Teamaufgabe sind noch nicht erkennbar, weshalb eine große Unsicherheit herrscht. Dieser ist durch viel Kommunikation, Information und Feedback zu begegnen, weshalb der Teamleiter in dieser Phase besonders gefordert ist (Rowold, 2015, S.-35). In der Storming-Phase kommt es häufig zu Konfrontationen und Konflik‐ ten. Die Teammitglieder klären ihre Teamziele und die Beziehungen unter‐ einander. Sie testen ihre Grenzen aus und beharren auf ihren Meinungen. Wenn die Konflikte nicht gelöst werden können, leidet die Teamaufgabe darunter. Der Teamleiter fungiert als Streitschlichter, hat sich aber auch gleichzeitig in seiner Führungsrolle zu behaupten. Mit dem Überwinden von Konflikten und der damit einhergehenden Bildung eines Wirgefühls wird die Norming-Phase erreicht, in der die Teammitglieder ihre Rollen finden und sich mit dem Team identifizieren. Zwischen den Teammitgliedern entwickeln sich Beziehungen, sodass die Kohäsion steigt und gemeinsame Regeln sowie Normen festgelegt werden. Der Teamleiter fungiert dabei als Motivator und Aufgabenkoordinator. In der darauffolgenden Performing-Phase treten die einzelnen Teammit‐ glieder in den Hintergrund und es kommt zur Höchstleistung des Teams. Aus diesem Grund wird diese Phase auch als Arbeits- oder Wachstumsphase bezeichnet. Durch eine funktionale Gruppenstruktur, eine hohe Motivation und die Fokussierung auf die Arbeitsbewältigung ist die Arbeitseffizienz in dieser Phase am größten. Der Teamleiter unterstützt sein Team durch Koordinations- und Delegationstätigkeiten, erinnert aber auch an die ge‐ meinsame Vision. 92 3 Organisationstheoretische Perspektiven <?page no="93"?> Nachdem die gemeinsame Aufgabe abgeschlossen ist, löst sich das Team in der Adjourning-Phase auf, wobei die Teammitglieder neuen Aufgaben nachgehen und der Teamleiter für einen klaren Abschluss und die Erledi‐ gung von Formalitäten sorgt (Schneider & Hirt, 2007, S.-278). 3.4.3 Terminologische Grundlagen von interkulturellen Teams Teamarbeit wird in Unternehmen eingesetzt, um Fehler von Individuen zu mindern bzw. zu verhindern und mithilfe von unterschiedlichen Kompeten‐ zen der Teammitglieder bessere Ergebnisse zu erzielen (Merten, 2011, S. 106). Für die Generierung dieses synergetischen Potenzials durch Teamarbeit kommen interkulturelle Teams zum Einsatz. Die Gründe für diesen Einsatz sind vielfältig. So können beispielsweise Spezialisten für ein Fachgebiet aus verschiedenen Ländern kommen, zwei Unternehmen gehen eine Fusion ein oder das Unternehmen beschäftigt Mitarbeiter mit unterschiedlichen kulturellen Hintergründen. Unter einem konkludierenden Gesichtspunkt betrachtet, kann ein inter‐ kulturelles Team als Arbeitsgruppe aus Mitgliedern mit verschiedenen kulturellen Orientierungssystemen verstanden werden. Im engeren Sinne wird von interkulturellen Teams allerdings nur dann gesprochen, „wenn mehr als zwei Kulturen vertreten sind und fast jedes Teammitglied einer unterschiedlichen Kultur angehört“ (Fleischmann, 2014, S.-88). Ein interkulturelles Team ist jedoch deutlich von sogenannten Token Teams und bikulturellen Teams abzugrenzen. Während bei einem Token Team nur ein Mitglied einen anderen kulturellen Hintergrund als die restlichen Teammitglieder hat, bestehen bikulturelle Teams aus zwei Kulturen mit etwa gleicher Anzahl an Mitgliedern. Alle Teams, die mehr als drei verschiedene Kulturen beinhalten, werden hingegen als interkulturell bezeichnet. Zusammenfassung Gerade in Leitungsbeziehungen und Organisationsstrukturen multinationa‐ ler Unternehmen ist die interkulturelle Teamarbeit nicht mehr wegzuden‐ ken, will man in den Abteilungen Forschung und Entwicklung aber auch im Marketing in multinationalen Unternehmen erfolgreich sein. Unternehmen sind deshalb darauf orientiert, internationale Teams auf verschiedenen Organisationsebenen zusammenzustellen. Darauf, dass es bei der interkul‐ 3.4 Teams und Interkulturalität 93 <?page no="94"?> turellen Teambildung unterschiedlichste Probleme gibt, hat die Studie von Hofstede bereits Ende der 1960er-Jahre hingewiesen; und wie Interkultura‐ lität gelebt werden kann, ist immer noch ein strittiges Thema. 94 3 Organisationstheoretische Perspektiven <?page no="95"?> 4 Interkulturelle Teams aus vier organisationstheoretischen Perspektiven Lernziel: Nach Bearbeitung dieses Abschnitts haben Sie ein Grundverständnis von interkulturellen Teams aus den verschiedenen organisationsspezi‐ fischen Perspektiven. 4.1 Zur Notwendigkeit von vier organisationstheoretischen Perspektiven Eine Vielzahl von Wissenschaftlern aus unterschiedlichen Fachbereichen vertritt die Ansicht, die einzig wahre, universelle Perspektive in Bezug auf ihr Themengebiet zu besitzen, und baut deshalb eine ablehnende Haltung gegenüber anderen Ansichten auf. Jedoch kann keiner von ihnen die abso‐ lute Richtigkeit seiner Aussagen zweifelsohne beweisen. Es wurde bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch keine einheitliche Weltformel gefunden, die alle Phänomene von Unternehmen beschreiben kann. In der Organisationsforschung gibt es eine Vielzahl von Denkschulen, die mit ihren Annahmen und Konzepten völlig verschiedene Ansichten hinsichtlich der Funktion und Kontrollierbarkeit der Organisation vertreten. Obwohl alle Denkrichtungen wissenschaftlich fundiert sind, grenzen sie sich dennoch voneinander ab. Bolman und Deal (2008) bündeln das Potenzial der verschiedenen Denkrich‐ tungen, um ein umfassendes Bezugssystem mit vier Perspektiven respektive Ansätze für das Management in Organisationen zu beschreiben. Dabei stützen sie sich weitestgehend auf Erkenntnisse der Sozialwissenschaften und der Betriebswirtschaft. Daraus resultiert ein Four-Frame-Modell, das eine Multi‐ perspektivität zulässt, indem es die Tatsache anerkennt, dass jede Perspektive ein eigenes richtiges Bild der Realität beansprucht. Durch die Verbindung von struktureller, politischer, symbolischer und personeller Perspektive können Organisationen ganzheitlich verstanden werden. Der Ansatz von Bolman und Deal (ebd.) wird von Schmeisser et al. (2014) als Rahmen für die Organisations- und Managementanalyse weiter‐ entwickelt. Durch das Verknüpfen unterschiedlicher Denkschulen kann es <?page no="96"?> zur Entwicklung integrativer und interdisziplinärer Lösungen kommen, die sich nicht nur auf ein starres Lösungsmuster beziehen. Hinzu kommt, dass mithilfe dieses multikontextualen Rahmens verschiedene Organisati‐ onsziele untersucht werden, die „unterschiedlichste Kausalitätserkenntnisse zur Organisation heraus[stellen], die wiederum als Grundlage zur Organi‐ sationsgestaltung dienen können“ (Schmeisser et-al., 2014, S.-46). Abb. 10 zeigt auf, dass keine Perspektive für sich steht, sondern sich alle Ansätze ergänzen und nur gemeinsam ein umfassendes Organisationsbild ergeben. Abb. 10: Multikontextuale Perspektiven (in Anlehnung an Schmeisser et-al., 2014, S.-48) 4.1.1 Strukturelle Perspektive: Die Organisation als Maschine Der strukturelle Ansatz gilt als notwendige Voraussetzung für eine instru‐ mentelle Organisationsgestaltung aller anderen Organisationsansätze. Im Mittelpunkt dieses Ansatzes stehen die Aufgaben und Informationen durch die Organisation, die mithilfe einer sinnvollen und zweckmäßigen Wahl der 96 4 Interkulturelle Teams aus vier organisationstheoretischen Perspektiven <?page no="97"?> Primär- und Sekundärorganisation gesichert werden. Der Vorstand legt dazu eine hierarchische Grundstruktur fest, die auch als Primär- oder Aufbauor‐ ganisation bezeichnet wird. Diese Struktur regelt vor allem die „Aufgaben‐ verteilung ab der zweiten Hierarchieebene des Unternehmens“ (unterhalb des Vorstands bzw. der Geschäftsführung) und richtet sich primär an den Gliederungskriterien Funktionen (Beschaffung, Produktion, Absatz) und Objekte (Produkte, Regionen oder Kunden/ Kundengruppen) aus. Durch die Sekundär- oder Ablauforganisation werden die Über- und Unterordnungs‐ verhältnisse der Organisationsmitglieder und Organisationseinheiten her‐ ausgearbeitet, indem „hierarchieergänzende und hierarchieübergreifende Organisationsstrukturen“ (Schulte-Zurhausen, 2014, S. 306) zum Einsatz kommen. Die Bildung einer Ablauforganisation kann beispielweise durch das Stabsprinzip, das Matrixprinzip, das Ausgliederungsprinzip oder das Arbeitsgruppenprinzip erfolgen. Die Primär- und Sekundärorganisation sind so zu gestalten, dass „alle Aufgaben/ Informationen/ Kommunikationsströme wie Zahnräder einer me‐ chanischen Uhr“ ineinandergreifen. Der Erfolg wird an „der Erfüllung der Unternehmensaufgabe (Sachziel) und an den Unternehmenszielen der Tech‐ nizität, Produktivität, Wirtschaftlichkeit und Rentabilität (Formalziele)“ (Schmeisser, Clermont & Krimphove, 2000, S.-6) gemessen. Darüber hinaus gilt es, einige begrenzende Variablen bzw. Organisations‐ prämissen zu beachten, die hier in verkürzter Version dargestellt sind. Organisationsprämissen des strukturellen Ansatzes (in Anlehnung an Schmeisser et al., 2014, S.-49 f.) Prämissen: 1. Die Organisation wird als eine Maschine bzw. ein Management‐ informationssystem eines Computers verstanden. 2. Die Unternehmensorganisation wird nicht von einer sozialen, einer politischen, einer kulturellen oder einer ökonomischen Um‐ welt beeinflusst. 3. Die betriebswirtschaftlichen Organisationsziele beschränken die Organisation auf ein rationales, quantitatives Zweck-Mittel-Mo‐ dell und enden in einer Aufbauorganisation. 4. Es wird mehr oder weniger implizit ein mechanisches-instrumen‐ telles Menschenbild (homo oeconomicus) gefordert. 4.1 Zur Notwendigkeit von vier organisationstheoretischen Perspektiven 97 <?page no="98"?> 5. Die Technik wird als gegebenes passives oder aktives Element angesehen, wie beispielsweise in Projektorganisationen, die durch (technische) Innovationen und Organisationswandel geprägt sind. 6. Nur die politische Spitze, also der Vorstand bzw. die Geschäftslei‐ tung, haben das Recht, Unternehmensziele und damit Organisati‐ onszielerategien und Visionen zu bestimmen. 7. Gegebene Organisationsziele, Effektivität und Effizienz durch ein (Organisations-)Controlling, Strategien, Organisationsstrukturen und Organisationsprozesse stehen im Mittelpunkt einer struktu‐ rellen Organisationsgestaltung. 8. Organisatorische Aktivitäten, die nicht in der Wertschöpfung enthalten sind, nicht der Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens dienen und nicht den Unternehmenswert (Shareholder Value) er‐ höhen, dürfen und können organisatorisch nicht beachtet werden. Umgesetzt wird der strukturelle Ansatz bereits seit mindestens 130 Jahren, da er auf dem Scientific Management von Ford und Taylor aufbaut. Ford und Taylor haben in den Jahren von 1911 bis 1914 durch eine Funktions‐ meisterorganisation/ Matrixorganisation als Primärorganisation und eine optimierte Ablauforganisation mittels Fließband viele Erfolge vorweisen können, da sie unbewusst die Gesetzmäßigkeiten der Erfahrungskurve verwirklichten. Die zweckmäßige Implementierung von einer Aufbau- und Ablauforganisation führte schließlich zu einer hohen Produktivität, Wirt‐ schaftlichkeit, Rentabilität und auch der Kostenführerschaft nach Porter in der Automobilbranche, die später z. B. bei VW und Toyota wiederholt worden sind (Taylor, 1911; dazu auch Schmeisser et-al., 2014, S.-27-f.). Zum gegenwärtigen Zeitpunkt kommt der strukturelle Ansatz vor allem dann zum Einsatz, wenn es um Make-or-Buy-Entscheidungen geht. Ob ein Unternehmen eher auf Selbstherstellung oder (internationalen) Fremdbezug der Produkte/ Dienstleistungen setzt, hängt maßgeblich davon ab, ob Pri‐ mär- und Sekundärorganisation hinreichend geregelt sind und reibungslos ineinandergreifen. Denn funktioniert dies nicht, kann das Unternehmen die Aufgabe nicht effizient lösen und sieht sich gezwungen, den Auftrag entwe‐ der abzulehnen oder an ein anderes Unternehmen outzusourcen (Schmeisser et al., 2014, S. 26). Outsourcen bezeichnet das Ausgliedern von bestimmten Unternehmensbereichen, Produkten oder Dienstleistungen. 98 4 Interkulturelle Teams aus vier organisationstheoretischen Perspektiven <?page no="99"?> Der strukturelle Ansatz liefert die Grundlage für alle folgenden Perspek‐ tiven und ist als Ausgangspunkt für weitergehende Betrachtungen anzuse‐ hen. Nur dann können „weitere Organisationsansätze alleine oder additiv berücksichtigt werden (Schmeisser et-al., 2014, S.-45-f.). 4.1.2 Verhaltenswissenschaftliche Perspektive: Die Organisation als soziales System Der verhaltenswissenschaftliche Ansatz setzt an den Defiziten des struktu‐ rellen Ansatzes an, denn „trotz aller rationaler Mittel, Instrumente und Methoden kann eine Organisation nicht wunschgemäß funktionieren, wenn der Mensch als bedürftiges und kreatives Wesen nicht betrachtet wird“ (Schmeisser et-al., 2000, S.-6). Durch die Hawthorne-Experimente in den Jahren von 1927 bis 1932, die vor allem von Mayo, Roethlisberger und Dickson durchgeführt wurden, konnte die Alleingültigkeit des Scientific Management von Ford widerlegt werden. Die Experimente zeigten, dass die Rahmenbedingungen für die Produktivität der Mitarbeiter eine entscheidende Rolle spielten. Denn trotz Veränderung bzw. Verschlechterung der Arbeitsbedingungen stieg die Ar‐ beitsleistung an, da die Mitarbeiter durch Vorgesetzte und Forscher beson‐ dere Aufmerksamkeit erhielten (Hawthorne-Effekt). Ebenso sind informelle soziale Netzwerke und Freundschaften ein Faktor, durch welchen die Ar‐ beitsleistung beeinflusst wird. Ab diesem Zeitpunkt wurde die Organisation nicht mehr als Maschine, sondern vielmehr als ein soziales und produktives System verstanden, das den strukturellen Organisationsansatz inkludiert (Mayo, 1945, und Roethlisberger & Dickson, 1961). Der verhaltenswissenschaftliche Ansatz stellt im Rahmen dieses sozialen Systems das (internationale) Verhalten, das Handeln und die Bedürfnisse der Menschen in den Mittelpunkt seiner Analysen. Deshalb erfolgt eine Konzentration auf die Beziehungen zwischen Mitarbeitern, Organisations‐ einheiten (z.-B. Gruppen) und der Gesamtorganisation. Mitarbeiter können durch ihre Kreativität die Effektivität der Organisation steigern, jedoch durch Verweigerung auch hemmen. Mithilfe einer angemessenen Kommu‐ nikation, Führung und Einbeziehung der Mitarbeiter kann bei diesen ein Selbstlern- und Selbstentwicklungsprozess einsetzen, aus dem dann ein organisationales Lernen und eine größere Innovationsfähigkeit resultieren (Schmeisser, Clermont & Krimphove, 2001, S.-13-f.). 4.1 Zur Notwendigkeit von vier organisationstheoretischen Perspektiven 99 <?page no="100"?> Einer der wichtigsten Faktoren für die Umsetzung des Ansatzes in multinationalen Unternehmen ist eine fähige internationale Führungskraft. Sie hat die Aufgabe, dafür zu sorgen, dass die Mitarbeiter und ihre Bedürf‐ nisse im Arbeitsalltag berücksichtigt werden. Ein situationsspezifischer Führungsstil, klare Kommunikationsrichtlinien, Konfliktlösungen und die Unterstützung von Team- und Personalentwicklung müssen dabei Anwen‐ dung finden. Die zur weiteren Eingrenzung des verhaltenswissenschaftlichen Ansatzes zu beachtenden Organisationsprämissen werden hier dargestellt. Organisationsprämissen des verhaltenswissenschaftlichen Ansatzes (in Anlehnung an Schmeisser et al., 2014, S.-51) Prämissen: 1. Der Ansatz wählt den Methodologischen Individualismus, da hö‐ here verhaltenswissenschaftliche Organisationseinheiten (bspw. die Gruppe, die Führung oder die Organisation als soziale Einheit) nur als Aggregation von Individuen sozialpsychologisch unter‐ sucht werden können. 2. Organisationen, wie bspw. Unternehmen, existieren, um mensch‐ liche Bedürfnisse, Motivationen zu befriedigen und einen Glücks‐ zustand durch die Arbeit zu bewirken. 3. Organisation und Mitarbeiter benötigen einander im Rahmen der Strategieimplementierung in Strukturen und Prozessen. 4. Wenn die Zusammenarbeit zwischen individuellen Mitarbeitern und/ oder aggregierten Organisationseinheiten und/ oder der ge‐ samten Organisation mangelhaft ist, wird einer von ihnen oder beide in Mitleidenschaft gezogen. 5. Passen sich Organisation und Individuum/ Mitarbeiter hingegen gut aneinander an, ist das vorteilhaft für beide. 6. Konflikte sind verhaltenswissenschaftliche Störphänomene und müssen deshalb harmonisch-psychologisch gelöst werden. Das heißt Konflikte sind nicht erwünscht oder sie müssen offengelegt, diskutiert und konstruktiv mittels Coaching, Mediation usw. bei‐ gelegt werden. 100 4 Interkulturelle Teams aus vier organisationstheoretischen Perspektiven <?page no="101"?> Der situative/ kontingenztheoretische Ansatz als Teilperspektive des verhal‐ tenswissenschaftlichen Ansatzes vereint diesen mit dem strukturellen Ansatz. Für einen Organisationserfolg mit größtmöglicher Effizienz und Effektivität benötigt es einen Fit von Struktur- und Situationsvariablen einer Organisation, weshalb Organisationsstruktur und Kontextsituation (z.-B. Arbeitsbedingun‐ gen) eine konfliktfreie Kompatibilität aufweisen sollen (Scherm & Pietsch, 2007, S. 40 f.). Deshalb ist eine strukturelle Organisationsentwicklung im‐ mer durch eine verhaltenswissenschaftliche-arbeitspsychologische Organisa‐ tionsentwicklung zu begleiten (Schmeisser et-al., 2014, S.-46). 4.1.3 Politisch-rechtliche Perspektive: Die Organisation als politische Arena Die politisch-rechtliche Perspektive geht von „begrenzt rationalen Akteuren aus, die über begrenztes Wissen, begrenzte Informationsverarbeitungskapazi‐ täten und eine eingeschränkte Moral verfügen“ (Schmeisser et al., 2014, S. 53). Dieses Menschenbild gilt für alle Organisationsmitglieder, die gemeinsam ein Unternehmen als „Koalition von Individuen“ (Cyert & March, 1963, S. 27) bilden. Mitglieder einer spezifischen Koalition sind alle Personen, die die Unternehmung als Mittel zur Zielerreichung sehen und ein gemeinsames Interesse an ihr haben (Schmeisser et al., 2001, S. 8). Neben den internen Koalitionsmitgliedern (z. B. Mitarbeiter, Führungskräfte und die Unterneh‐ mensleitung) werden auch externe Koalitionspartner registriert, die nicht im Unternehmen arbeiten, aber ein Interesse am Unternehmen haben (z. B. Kunden, Lieferanten, Banken, der Staat oder die Öffentlichkeit). Da die verschiedenen Koalitionen und Individuen unterschiedliche Ansichten und Interessen verfolgen, wird in der politisch-rechtlichen Perspektive nicht von einer Zielkongruenz aller Beteiligten ausgegangen. Vielmehr existieren Indi‐ vidual-, Gruppen- und Organisationsziele, die sich konträr gegenüberstehen oder auch überschneiden können. Diese Zielvielfalt führt dazu, dass eine Veränderbarkeit der primären Organisationsziele vorhanden ist, die durch die verschiedenen Koalitionen in Aushandlungsprozessen immer wieder neu festgelegt werden. Dabei kommt es im Wesentlichen darauf an, wie viel Macht die jeweilige Koalition besitzt und wie sie diese einsetzt, um unternehmerische Organisationsziele zu verändern (Schmeisser et-al., 2000, S.-9). Ein rechtlich-institutioneller Unternehmensrahmen und weitere rechtli‐ che Regelungen (z. B. die Europäische Aktiengesellschaft oder das Betriebs‐ verfassungsgesetz) geben den Aushandlungs-, Abstimmungs- und Koordi‐ 4.1 Zur Notwendigkeit von vier organisationstheoretischen Perspektiven 101 <?page no="102"?> nationsprozessen eine Ordnung. So werden sowohl das Direktionsrecht des Vorstands als auch die Mitbestimmungsmöglichkeiten der Mitarbeiter und weiterer Interessengruppen gesichert. Hier wird die beschränkenden Organisationsprämissen des Ansatzes noch einmal aufgezeigt. Organisationsprämissen des politisch-rechtlichen Ansatzes (in Anleh‐ nung an Schmeisser et al., 2014, S.-55) Prämissen: 1. Unternehmerische Strategieentscheidungen betreffen immer die Allokation knapper betrieblicher Ressourcen in der Organisation. 2. Eine Unternehmung ist eine Organisation, die als Koalitionsge‐ bilde angesehen wird. Koalitionen bestehen aus internen Inter‐ essensgruppen (bspw. Vorstand, Aufsichtsrat, Betriebsrat, Funkti‐ onsbereiche) und externen Interessensgruppen (bspw. Banken, Gewerkschaften, Staat). 3. Koalitionen bzw. Interessensgruppen sind Individuen und/ oder Gruppen. 4. Die Koalitionen verfolgen aufgrund persönlicher Werte, Normen und Einstellungen unterschiedliche Ziele. 5. Unternehmensziele sowie Strategieentscheidungen entstehen aus der Interaktion dieser Koalitionen untereinander heraus, und zwar durch ständiges Feilschen, Verhandeln, Drohen und Wetteifern um machtvolle Positionen in der Organisation. 6. Wegen der Ressourcenknappheit sind Machtspiele und konflikt‐ orientierte Auseinandersetzungen bei der Strategiesuche, -bil‐ dung, -verabschiedung und -durchsetzung in der betrieblichen Organisation die Regel. 7. Konflikte zwischen Koalition sind normal und können bzw. sollten nicht psychologisch harmonisch gelöst werden. Die po‐ litische Setzung durch eine Institution, einen Vertrag (bspw. Unternehmenssatzung, Organisationsrichtlinien, Betriebsverein‐ barung, Tarifvertrag) sind zeitlich begrenzte Konfliktlösungsme‐ chanismen für die Organisation. 102 4 Interkulturelle Teams aus vier organisationstheoretischen Perspektiven <?page no="103"?> Trotz der rechtlichen Rahmenbedingungen, wie beispielsweise Gesetze und Richtlinien, sind Konflikte in der politisch-rechtlichen Perspektive als nor‐ mal anzusehen. So gilt die Unternehmung in diesem Zusammenhang auch als „politische Arena der Ziel- und Strategiefindung“ (Schmeisser et al., 2014, S. 55). Die unterschiedlichen Koalitionen befinden sich in einem ständigen Aushandlungsprozess, beispielsweise über Budgetallokationen oder neue Arbeitsplätze, in welchem durch die verschiedenen Ziele und Strategien zwangsweise auch Konflikte entstehen. Diese Konflikte können und sollen nicht „psychologisch harmonisch“ (ebd.) gelöst werden, da sie „ein gesunder Indikator für Dynamik, Wachstum und Innovation einer Organisation“ sind. Konflikte dürfen zwar nicht vollständig gelöst werden, lassen aber sogenannte Quasi-Lösungen (Cyert & March, 1963, S. 117 f.) zu. Diese zeitlich begrenzten Quasi-Lösungen, wie beispielsweise Tarifverträge oder (internationale) Unternehmenssatzungen, gelten als förderlich und bringen das Unternehmen voran, indem sich dadurch neue Koalitionsgruppen ange‐ sprochen fühlen und gemeinsame Lösungen erarbeitet werden. Kommuni‐ kationsstrategien, Konfliktlösungsmechanismen und rechtliche Regelungen stehen bei diesem Ansatz im Vordergrund und geben den anderen drei Perspektiven einen gewissen Rahmen. 4.1.4 Symbolische Perspektive: Die Organisation als Theater Die symbolische Perspektive wird vor allem durch die Ansichten von Mead und Goffman geprägt, wonach der Mensch ein soziales und symbolisches Wesen ist, das „durch Sprache, Kultur, Ethik, Riten, Rituale, Bräuche geprägt ist“ (Schmeisser et-al., 2000, S.-11). Die Organisationsmitglieder können das organisatorische Geschehen nicht rational begreifen, sondern sehen sich oftmals mehrdeutigen oder unverständ‐ lichen Situationen, Strategien oder Zielen ausgesetzt. Um diese Ereignisse für sich begreiflich zu machen, sprechen die Organisationsmitglieder ihnen bestimmte Bedeutungen und Interpretationen in Form von Symbolen zu. Als Ergebnis entsteht eine Unternehmenskultur, die durch die organisationsinter‐ nen Ereignisse und deren Bedeutungen herangewachsen ist. Ableitend aus den unten zusammengefassten Prämissen, stärkt die Unter‐ nehmenskultur das Gemeinschaftsgefühl der Mitglieder, kann jedoch auch als erklärendes Hilfsmodell der Aufbauorganisation angesehen werden. „Die Aufbauorganisation dient maßgeblich dem Hierarchieprinzip, damit der 4.1 Zur Notwendigkeit von vier organisationstheoretischen Perspektiven 103 <?page no="104"?> Vorstand bzw. die Geschäftsführung ihren Willen konfliktfrei im Unterneh‐ men durchsetzen kann“ (Schmeisser et al., 2014, S. 26 f.). Darüber hinaus unterstützt die Unternehmenskultur die Vorgesetzten mithilfe verschiede‐ ner Riten oder Symbole (z. B. Kleidung oder Firmenautos) darin, ihre Macht zu demonstrieren und ihr Direktionsrecht durchzusetzen (ebd.). Organisationsprämissen des symbolischen Ansatzes (in Anlehnung an Schmeisser et al., 2014, S.-57) Prämissen: 1. Nicht das (Marketing-)Ereignis mit einer Unternehmensmission, -vision -strategie ist wichtig, sondern seine Bedeutung für die Unternehmensorganisation. 2. Die Bedeutung eines Ereignisses oder einer Strategie wird erst mit Hilfe deren Interpretation durch die Mitarbeiter erlangt. 3. Die meisten Visionen, Ziele und Strategien in der Organisation sind für die Belegschaft und das Management nicht eindeutig zu interpretieren. 4. Mit dem symbolischen Organisationsansatz und der symbolischen Führung will man die „Eindeutigkeit“ vermeiden, um den konflikt‐ orientierten Organisationswandel mit den Interessensgruppen weniger kontrovers zu gestalten. 5. Vieldeutigkeit von Strategien und Zielen fördert rationale Pro‐ blemlösungen, unterminiert politisch gewollte Interessenskoaliti‐ onen und erleichtert Innovationen und deren Strategieimplemen‐ tierung in der Organisation, um zu einem neuen Strukturellen Ansatz im Unternehmen zu kommen. 6. Bei der Konfrontation mit der Ungewissheit und Mehrdeutigkeit der Arbeitsplatzerhaltung und Produktionsstandortschließung und/ oder -erhaltung neigen Organisationsmitglieder und Orga‐ nisationen dazu, Symbole der Solidarität und Gemeinschaft zu entwickeln, um unternehmerische Strategien für sie verständli‐ cher zu machen, obwohl sie vielleicht gegen die eigenen Interessen der eigenen Koalition verstoßen. 104 4 Interkulturelle Teams aus vier organisationstheoretischen Perspektiven <?page no="105"?> Gerade bei Changemanagement-Situationen wird der Einbezug der Unter‐ nehmenskultur oftmals vergeblich gesucht, wie beispielsweise im Rahmen von Unternehmensfusionen oder innovationsgetriebenen Struktur- und Prozesswechseln bei internationalen Unternehmen. Solche strukturellen Veränderungen fordern jedoch gleichzeitig auch einen Wechsel der Un‐ ternehmenskultur, sodass die Mitarbeiter sich den neuen Anforderungen anpassen können. Damit die Mitarbeiter jedoch keinen Widerstand gegen das Changemanagement und den Wandel ausüben, bedarf es eines Ver‐ ständnisses für deren Kulturen und die gesamte Unternehmenskultur, um neue Werte, Richtlinien und Normen etablieren zu können, mit denen alle Beteiligten zurechtkommen (Schmeisser et-al., 2001, S.-17). Wird die Unternehmenskultur verändert, so zieht dies auch eine struktu‐ relle Änderung der Aufbau- und Ablauforganisation nach sich, die somit einen neuen Raum für Innovationen gibt. Demzufolge kann mithilfe einer neuen oder veränderten Unternehmenskultur Personalentwicklung zur Organisationsentwicklung werden und den gesamten Organisationserfolg beeinflussen (Schmeisser et-al., 2014, S.-57). Zusammenfassend lässt sich die symbolisch-kulturelle Perspektive auch mit einem „Theater von Visionen und Mythen“ (ebd., S. 56) vergleichen, wo‐ bei Innovationen und Veränderungen auch neue Skripte für die Mitarbeiter vorgeben, die ihre Rollen und das benötigte Bühnenbild neu erkunden und erlernen. Daher sind alle Organisationsmitglieder, vergleichbar mit einer Gruppe von Theaterspielern, angehalten, sich Veränderungen anzupassen und gemeinsame Regeln für das Zusammenspiel zu finden. Übung 14 Welche Organisationsansätze respektive Organisationsperspektiven kennen Sie? Übung 15 Welche Prämissen kann man jedem Organisationsansatz zuordnen? 4.1 Zur Notwendigkeit von vier organisationstheoretischen Perspektiven 105 <?page no="106"?> 4.2 Interkulturelle Teams aus einer strukturellen Perspektive Lernziel: Bei der Betrachtung organisatorischer Fragestellungen aus einer struk‐ turellen Perspektive geht es für Unternehmen um die Frage einer adäquaten Primär- und Sekundärorganisation für die Erreichung mög‐ lichst hoher Rentabilitäts-, Wirtschaftlichkeits- und Produktivitätsziele (Schmeisser et-al., 2000, S.-4-ff.). 4.2.1 Primärorganisation Die Grundlage für den Einsatz interkultureller Teams bildet die Primäror‐ ganisation, denn durch die Aufgabenanalyse und die anschließende Auf‐ gabensynthese wird die hierarchische Grundstruktur der Unternehmung festgelegt, wie Abb. 11 verdeutlicht (Töpfer, 2007, S.-1184-ff.). Abb. 11: Aufgabenanalyse und Aufgabensynthese (in Anlehnung an Bleicher, 1991, S. 49) Im Zuge dessen zerlegt die Aufgabenanalyse die Gesamtaufgabe der Or‐ ganisation in Teilaufgaben und ordnet diesen in der Aufgabensynthese wiederum Stellen zu, welche sich zu Abteilungen zusammenfassen lassen (Kosiol, 1976, S. 42 ff.). Eine Stelle ist „die kleinste organisatorische Einheit im Unternehmen, die gestaltet werden muss“ (Heise, 2009, S. 45), und der sowohl ein spezifischer Aufgabenkomplex als auch Aufgabenträger zugeordnet werden können. Die so gebildeten Stellen werden anschließend 106 4 Interkulturelle Teams aus vier organisationstheoretischen Perspektiven <?page no="107"?> zu Abteilungen zusammengefasst und hierarchisch verknüpft (Schulte-Zur‐ hausen, 2014, S.-263). Um die Gesamtaufgabe der Organisation zu analysieren und die Teilauf‐ gaben anschließend Stellen zuzuordnen, führt Kosiol fünf Organisations‐ prinzipien an, die in sachliche und formale Kriterien unterteilt werden (Kosiol, 1976, S. 49). An dieser Stelle empfiehlt Kosiol den Unternehmen, ihre Organisation jeweils nach einem Prinzip zu zentralisieren und nach den anderen Prinzipien zu dezentralisieren, um eine klare Organisationsstruktur zu entwickeln. Das erste sachliche Organisationsprinzip ist die Verrichtung, die auch als Funktion oder Aufgabe bezeichnet werden kann (Schmeisser et al., 2014, S. 64). Dabei wird die Aufgabenanalyse nach funktionalen Kriterien durchgeführt und anschließend werden die „Organisationseinheiten der zweiten Hierarchieebene nach Funktionen gebildet“ (Schulte-Zurhausen, 2014, S. 264). Diese Funktionsbereiche können leistungsorientierter Natur (z. B. Forschung und Entwicklung, Produktion, Vertrieb) oder ressourcenori‐ entierter Natur (z. B. Personal- oder Finanzwirtschaft) sein. Insgesamt ergibt sich daraus eine „Primärorganisation der funktionalen Organisationsstruk‐ tur“ (Schmeisser et-al., 2014, S.-64). Das zweite sachliche Organisationsprinzip ist das Objekt, nach welchem die Organisation gegliedert wird. Diese objektbezogene Gliederung erlaubt den Unternehmen einen besseren Überblick und eine bessere Erfolgszuwei‐ sung, da die hierarchische Bildung nach Produkten, Sparten, Regionen, Kunden oder Geschäftsfeldern erfolgt. Durch dieses Objektprinzip entsteht eine sogenannte Produktorganisation, die auch als Sparten- oder Geschäfts‐ feldorganisation bezeichnet wird. Funktionsorientierte und objektorientierte Gliederungskriterien können jedoch auch gleichzeitig zum Einsatz kommen, woraus eine Matrixorga‐ nisation (zwei Gliederungskriterien) oder eine Tensororganisation (drei Gliederungskriterien) resultiert. Das dritte Organisationsprinzip ist formal und stellt die Phase in den Mit‐ telpunkt. Als Phase gilt an dieser Stelle der Managementprozess mit seinen Funktionen Planung, Organisation, Personaleinsatz, Führung und Kontrolle. Diese Phase wird nicht wie bei den anderen Prinzipien aufgeteilt, sondern bleibt als ganzer Prozess erhalten und wird einheitlich abgewickelt. So führt das Verrichtungsprinzip zur Projektorganisation als Aufbauorganisation. Als viertes Organisationsprinzip ist der Rang zu nennen, der für die „Hier‐ archie in der Aufbauorganisation“ steht. Beim Rangkriterium geht es um die 4.2 Interkulturelle Teams aus einer strukturellen Perspektive 107 <?page no="108"?> Aufteilung der Aufgaben in Ausführungs- und Entscheidungsaufgaben und darum, weshalb dieses Prinzip als formales gilt. Das fünfte Organisationsprinzip bezieht sich schließlich auf die Zweckmä‐ ßigkeit. Dadurch werden primäre und sekundäre Zwecke im Unternehmen unterschieden. Primäre Zwecke sind Kernaufgaben, die immer in der Leis‐ tungssphäre des Unternehmens (z. B. Beschaffung, Produktion, Absatz) zu finden sind und beim Betriebszweck als Einzelkosten verrechnet werden. Sekundäre Aufgaben (z. B. Verwaltungsaufgaben) unterstützen hingegen die primären Aufgaben, sind aber selbst nicht produktiv (Schmeisser et al., 2014, S.-64-f.) und werden als Gemeinkosten verrechnet. Interkulturelle Teams können bei allen genannten Formen der Primär‐ organisation zum Einsatz kommen, unabhängig davon, nach welchem Kriterium das Unternehmen seine Organisation zentralisiert. Dabei sticht jedoch das Organisationsprinzip Phase hervor, das zu einer Projektorga‐ nisation führt. Diese Projektorganisation legt eine Teamarbeit nahe, da es sich bei Projekten um erstmalige, komplexe, neuartige, zeitlich klar begrenzte Aufgaben handelt, die ein „funktions- und ressourcenübergrei‐ fendes Know-how“ benötigen und als internationale Einzelarbeit nicht zu bewältigen sind. Darüber hinaus spielt die Primärorganisation bei interkultureller Team‐ arbeit eine große Rolle, wenn es um die Thematik der Stellenbildung geht. Diese entscheidet durch Zuordnung von benötigten Kompetenzen zu spezifischen Aufgaben, welches Mitarbeiterprofil sich für eine Stelle ergibt. Da einer Stelle anschließend eine passende Person zugeordnet wird, die auch Mitglied eines interkulturellen Teams sein kann, bildet sie die Grundlage für die Besetzungsmöglichkeiten dieser Teams. 4.2.2 Sekundärorganisation Auf Grundlage der Primärstruktur erweitert die Sekundärstruktur diese „um zusätzliche, für die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens zentrale Gesichtspunkte“ (Schulte-Zurhausen, 2014, S. 306), wobei die Primärorga‐ nisation überlagert wird, ohne dass es zu einer Ersetzung ihrer Struktur kommt. Die Sekundärorganisation hilft mit ihren Gestaltungsmaßnahmen die Schnittstellenproblematiken der Primärorganisation zu lösen und auf Innovationsprozesse spezifisch einzugehen. Dabei unterliegt die Sekundärorganisation den fünf Organisationsprinzi‐ pien der Primärstruktur. Diese werden, wie in Abb. 12 dargestellt, durch drei 108 4 Interkulturelle Teams aus vier organisationstheoretischen Perspektiven <?page no="109"?> zusätzliche Organisationsprinzipien ergänzt, die beschreiben, wie die Auf‐ gaben zu bewältigen sind. Das zeitliche Organisationsprinzip regelt dabei die zeitliche Abfolge der einzelnen Arbeitselemente. Dazu gehören sowohl Anfangs- und Endzeiten als auch die Dauer der Arbeitsgänge. Nach diesen zeitlichen Aspekten werden auch die „zeitlichen, personalen und sachlichen Abhängigkeiten zwischen den Arbeitsgängen gestaltet“ (Schmeisser et al., 2014, S. 65). Darüber hinaus bezieht sich das räumliche Organisationsprinzip auf die lokale Anordnung und Zuordnung der Arbeitsplätze, sodass Lauf- und Transportwege verringert und die Durchlaufzeiten optimiert werden. Das ergänzende personale Organisationsprinzip sorgt für eine Zuordnung von Eignungsprofilen zu den erforderlichen Kompetenzprofilen der Stellen. Die Ablauf- und Aufbauorganisation verknüpft sich dann durch eine für die Besetzung der Stelle angedachte Person mit dem Personalmanagement (Kosiol, 1976, S.-81-ff.). Abb. 12: Arbeitsanalyse und Arbeitssynthese (in Anlehnung an Bleicher, 1991, S.-49) Durch die ergänzenden Aspekte der Sekundärorganisation erweitert sich somit die Primärorganisation zu einer mehrdimensionalen Organisations‐ struktur. So können sich je nach Fokus verschiedene Formen der Sekun‐ därorganisation ergeben, wie in Tab. 8 dargestellt. Geht es beispielsweise darum, schnell und flexibel auf internationale Kundenbedürfnisse einzu‐ gehen, so eignet sich das Kundenmanagement als Sekundärorganisation. Sollen hingegen komplexe und innovative Probleme gelöst werden, liegt das Projektmanagement nahe. 4.2 Interkulturelle Teams aus einer strukturellen Perspektive 109 <?page no="110"?> Ergänzender Aspekt Sekundärorganisation Produktorientierte Koordination → Produktmanagement Kundenorientierte Koordination → Kundenmanagement Funktionsorientierte Koordination → Funktionsmanagement Prozessorientierte Koordination → Prozessmanagement Strategische Planung → Strategische Geschäftseinheiten Komplexe und innovative Pobleme → Projektmanagement Tab. 8: Formen der Sekundärorganisation (in Anlehnung an Schulte-Zurhausen, 2014, S.-307) Diese sekundären Organisationsstrukturen können mithilfe von vier unter‐ schiedlichen Prinzipien gebildet werden. Eine Methode ist das Stabsprinzip, bei welchem „die Leitungsstellen der Primärorganisation um Stabstellen“ (Schulte-Zurhausen, 2014, S. 308) zu einer Stablinienorganisation ergänzt werden. Diese Ergänzung ist vor allem für Koordinationsaufgaben sinnvoll, „die eine intensive Informations‐ sammlung und -verarbeitung erfordern“ (ebd.). Begründet liegt dies in der Hauptaufgabe einer Stabsstelle, die sich in entscheidungsvorbereitenden Aktivitäten für die Leitungsstelle widerspiegelt. Dadurch kann die Leitungs‐ stelle quantitativ und qualitativ entlastet werden und ihre Entscheidungen mit einer höheren Qualität fällen. Im Gegensatz dazu kommt das Matrixprinzip vor allem zum Tragen, „wenn eine Problemstellung die gleichzeitige Behandlung aus unterschied‐ lichen Richtungen und von unterschiedlichen Standpunkten aus erfor‐ dert“(ebd., S. 311). Dabei ergeben sich in der Sekundärorganisation internationale Matrixschnittstellen, die bei komplexen Problemen eine Zusammenarbeit unterschiedlicher Dimensionen kontrollieren und deren Kommunikation sowie Koordination sicherstellen. Im Zuge dessen kann sich eine Matrixstruktur auch ergeben, wenn „einer Stabstelle [sic] fachlich beschränkte Weisungsrechte eingeräumt sind“ (ebd., S.-313). Einen anderen Ansatz liefert das Ausgliederungsprinzip, welches neu gebildeten Organisationseinheiten die Koordination erleichtert, indem es „problemrelevante Komponenten aus der Primärorganisation ausgliedert“ (ebd.). Diese ausgegliederten Organisationseinheiten sind autonom und 110 4 Interkulturelle Teams aus vier organisationstheoretischen Perspektiven <?page no="111"?> bekommen dann alle notwendigen Ressourcen und Kompetenzen zugeteilt. Anwendung findet dieses Prinzip vor allem im Bereich der Forschung und Entwicklung, in welcher die Organisationseinheiten für die Entwicklung und Umsetzung von Innovationen und Ideen verantwortlich sind. Organisa‐ tionseinheiten als Zentralabteilungen, die der geschäftsbereichsübergreifen‐ den Steuerung des Unternehmens dienen, bilden den zweiten wesentlichen Anwendungsbereich. Das letzte Prinzip ist das Arbeitsgruppenprinzip. Bei Anwendung dieses Prinzips werden hierarchieübergreifende Arbeitsgruppen gebildet, denen Entscheidungsbefugnisse übertragen werden, um eine Aufgabe möglichst effizient zu lösen. Die Mitglieder der Arbeitsgruppe kommen dabei aus un‐ terschiedlichen Bereichen des Unternehmens und haben so unterschiedliche Perspektiven, unterschiedliches Wissen und unterschiedliche Ansichten, die sie zur Lösung des Problems einbringen. Teams „haben ihren Anwendungsschwerpunkt als befristete Organisati‐ onseinheiten in der Sekundärorganisation“ (Krüger, 2011, S. 209) gemäß dem vorgestellten Arbeitsgruppenprinzip. Bei dem Einsatz von Teams als Sekundärstruktur werden die Teammitglieder von ihrer Stammfunktion los‐ gebunden und die hierarchischen Beziehungen werden innerhalb des Teams aufgehoben. Dadurch kann das Unternehmen Teams zur einzelfallspezifi‐ schen und flexiblen Strukturierung von Organisationseinheiten einsetzen. Abhängig vom zu fokussierenden Aspekt kann ein Team beispielsweise im Rahmen eines Produktmanagements oder Projektmanagements sinnvoll sein. 4.2.3 Zur Aufgabe als Auslöser für den Einsatz von Teamarbeit Der Einsatz von Teams als Sekundärorganisation steht in Abhängigkeit der zu bewältigenden Aufgabe. Da Teams als sekundäre Organisations‐ struktur fungieren, werden sie, wie bereits kurz angesprochen, nicht für Routineprozesse, sondern für Innovationsprozesse eingesetzt, die in Tab. 9 gegenübergestellt werden. 4.2 Interkulturelle Teams aus einer strukturellen Perspektive 111 <?page no="112"?> Routineprozesse Innovationsprozesse • Geringe Unsicherheit über Aktivi‐ täten und Prozessergebnisse; hohe Planbarkeit • Zeitbedarf weitgehend bekannt • Feste Aufgabenzuweisung; hohe Austauschbarkeit der Personen • Klare Zielvorstellungen • Determinierte, optimierte Prozess‐ abwicklung; festgelegte Entschei‐ dungsregeln • Hohe Unsicherheiten über Aktivitä‐ ten und Prozessergebnisse; geringe Planbarkeit • zeitbedarf nicht exakt abschätzbar; häufiger Zeitdruck • Kaum Methoden verfügbar • Hohe Spezialisierung und geringe Austauschbarkeit der Personen; in‐ dividuelle Leistungbeiträge • Häufig alternative Zielvorstellungen • Eher zufallsbestimmte Prozessab‐ wicklung; fallbezogene Entschei‐ dungen Tab. 9: Merkmale von Routineprozessen und Innovationsprozessen (in Anlehnung an Schulte-Zurhausen, 2014, S.-307) Erfordern Innovationsprozesse eine hierarchieübergreifende Zusammenarbeit von Spezialisten mit unterschiedlichen Perspektiven, Methoden und Wissen, so kann es zum Einsatz von Teams kommen, welche sich in ihren Fähigkeiten gegenseitig ergänzen und die Aufgabe in Selbstabstimmung lösen. Zur Problematik der Besetzung interkultureller Teams Im Zuge der Stellenbildung in der Primärorganisation und der personalen Synthese in der Sekundärorganisation stellt sich für Unternehmen nicht nur die Frage nach dem Einsatz interkultureller Teams, sondern auch nach deren optimaler Besetzung, um möglichst gute Unternehmensergebnisse zu erreichen. Größe von Teams Ein Fokus bei der Besetzung von (interkulturellen) Teams liegt auf der Teamgröße. Die Anzahl der Teammitglieder ist ausschlaggebend für eine erfolgreiche Zusammenarbeit (Grunwald, 1996, S. 742 f.). Im Zuge dessen sollte ein Team „groß genug sein, um eine produktive Vielfalt von Erfah‐ rungen, Wissen und Fertigkeiten zu repräsentieren; es sollte aber auch klein genug sein, um rein praktisch den Austausch von Informationen und Argumenten zwischen allen Beteiligten reibungslos zu ermöglichen“ 112 4 Interkulturelle Teams aus vier organisationstheoretischen Perspektiven <?page no="113"?> (Krüger, 2009, S. 29). Eine optimale Anzahl von Teammitgliedern wird in der Literatur ausgiebig diskutiert, wobei die meisten Autoren eine kleine Anzahl für sinnvoll erachten (Forsyth, 2010, S. 3). So gibt Saurwein basierend auf einer Literaturanalyse eine optimale Teamgröße von drei bis fünfzehn Mitgliedern an (Saurwein, 1996, S. 99). Auch Grunwald liegt mit seiner Analyse in dieser Spanne und definiert sieben Mitglieder als Optimum (Grunwald, 1996, S. 744). Im Idealfall sind gerade Mitgliederzahlen zu umgehen, um Pattsituationen bei Entscheidungen und Aufspaltungen in gleichstarke Untergruppen zu vermeiden. Zudem sind zur Bestimmung der optimalen Teamgröße jedoch immer aufgaben- und situationsspezifische Variablen zu berücksichtigen. Zusammensetzung des Teams Ein weiterer relevanter Einflussfaktor auf den Unternehmens- und Teamer‐ folg stellt die Zusammensetzung des Teams dar. Aus struktureller Perspek‐ tive geht es dabei um die Frage, ob homogene Teams bessere Leistungen erbringen als heterogene Teams. Diesbezüglich existieren verschiedene und zum Teil konträre Studien, die im Folgenden nur exemplarisch aufgezeigt werden. Thomas kommt in seiner Studie zu dem Ergebnis, dass homogene Teams aufgrund einer geringeren kulturellen Distanz bessere Leistungen erbringen als heterogene Teams. Cox, Lobel und McLeod (1991) hingegen postulieren einen positiven Zusammenhang zwischen heterogenen Teams und deren Leistung, da die dazugehörigen Gruppen einen höheren Grad an Koopera‐ tion aufweisen, sofern die Mitglieder aus kollektivistischen Kulturen kom‐ men. Eine Erklärung für diese widersprüchlichen Ergebnisse der genannten Studien liefern Watson, Kumar und Michaelsen (1993), indem sie in ihrer Untersuchung einen neuen Zusammenhang zwischen Teamheterogenität und Teamleistung aufzeigen. So offenbart sich zu Beginn der Teamarbeit eine wirkungsvollere Zusammenarbeit in homogenen Teams. Nach einigen Wochen werden diese jedoch von heterogenen Teams aufgrund einer grö‐ ßeren Perspektivenvielfalt und mehr Lösungsvorschlägen in ihrer Leistung übertroffen (Watson et al., 1993, S. 595 f.). Stahl, Maznevski, Voigt und Jonsen (2010) bleiben hingegen eher neutral und schreiben heterogenen Teams sowohl eine negative Wirkung in Bezug auf vermehrte Aufgaben‐ konflikte und geringe soziale Integration als auch eine positive Wirkung in Bezug auf Kreativität und Zufriedenheit zu. Ein weiterer entscheidender 4.2 Interkulturelle Teams aus einer strukturellen Perspektive 113 <?page no="114"?> Faktor in diesem Zusammenhang ist die Anzahl der Teammitglieder mit unterschiedlicher Kultur. Weißbach, Schülken und Hüttig (2007) schließen aus ihren Befragungen, dass „je höher die Anzahl von Teammitgliedern unterschiedlicher kultureller Herkunft ist, desto eher ist die Gruppe darauf angewiesen, sich auf Leistungsziele und die Mittel zur Zielerreichung zu einigen“ (ebd., S. 44), die eine höhere aufgabenbezogene Produktivität zum Resultat haben. Earley und Mosakowski (2000) können dies durch ihre Untersuchungen bestätigen, da ihre Ergebnisse zeigen, dass sehr heterogene und sehr homogene Teams die Leistung mäßiger heterogener Teams auf lange Sicht übertreffen, wodurch sich ein U-förmiger Verlauf zwischen kultureller Teamheterogenität und der Teamleistung ergibt. Gründe für die unterschiedlichen Ergebnisse der Studien sind vor allem die Art der Studienteilnehmer, die Messung der kulturellen Unterschiede und die Messung der Leistungskriterien. Beispielsweise fokussiert die Studie von Cox et al. (1991) auf kooperatives Verhalten von Studierenden im Team anhand des Diversitätskriteriums Ethnizität, wohingegen Earley und Mosakowski (2000) die Teamleistung von Mitarbeitern multinationaler Unternehmen mit unterschiedlichen Nationalitäten untersuchten. 4.2.4 Konsequenzen für den Einsatz interkultureller Teams Interkulturelle Teamarbeit von Unternehmen kann unabhängig von der Primärorganisationsstruktur als ergänzende Organisationseinheit der Se‐ kundärorganisation eingesetzt werden. Einen empirischen Beleg für die Wirksamkeit von Teamarbeit gibt es bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht, dennoch erscheint Teamarbeit in der Praxis vor allem bei komplexen Innovationsprozessen und -aufgaben als sinnvoll (z. B. bei Apple, Nokia, Airbus), wenn die Teamgröße geringgehalten wird. Da interkulturelle Teams nur in spezifischen situations- und aufgabenab‐ hängigen Bereichen eingesetzt werden können und die Leistung einer solchen Teamarbeit umstritten ist, kann folglich auch nicht von der in These 1 formulierten Annahme ausgegangen werden, dass Unternehmen aufgrund der Einsatzmöglichkeit von interkulturellen Teams eine Make-Entscheidung an‐ statt eine Buy-Entscheidung treffen. Zwar bieten interkulturelle Teams durch ihre flexible Einsetzbarkeit und ihre vielfältigen Perspektiven diverse Vorteile, jedoch hängt eine solche Make-or-Buy-Entscheidung von einer Vielzahl wei‐ terer Faktoren ab, wie beispielweise den entstehenden Kosten, der verfügbaren Kapazität, der Konkurrenz, der Aufgabe und der Kontrollnotwendigkeit. 114 4 Interkulturelle Teams aus vier organisationstheoretischen Perspektiven <?page no="115"?> 4.3 Interkulturelle Teams aus einer verhaltenswissenschaftlichen Perspektive Die zuvor erwähnten Studien kommen zu dem Schluss, dass die Leistung interkultureller Teams und deren Erfolg sehr kritisch betrachtet werden müssen. Allerdings zeigen sie auch, dass die Teamleistung von vielen Einflussfaktoren abhängt, die meist einer verhaltenswissenschaftlichen Perspektive zuzuordnen sind, wie beispielsweise Kommunikation, persön‐ liche Beziehungen oder Führung. Deshalb gilt es an dieser Stelle, die verhaltenswissenschaftliche Dynamik bei der interkulturellen Teamarbeit aufzudecken und zu analysieren, um herauszufinden, was ein erfolgreiches interkulturelles Team ausmacht. 4.3.1 Entwicklungsprozess interkultureller Teams In diesem Zusammenhang ist zu konstatieren, dass der Entwicklungsprozess eines interkulturellen Teams in fünf Phasen (Abb. 13) erfolgt. Entwicklungsprozess nach DiStefano und Maznevski Erfolgreiche interkulturelle Teams durchlaufen jedoch drei weitere Schritte, welche parallel zu der normalen Teamentwicklung stattfinden und die Voraussetzung für eine gute Teamleistung bilden. DiStefano und Maznevski (2000) nennen diese drei Schritte Mapping, Bridging und Integrating, wie in Abb. 13 dargestellt. Abb. 13: Entwicklungsschritte leistungsstarker interkultureller Teams nach DiStefano und Maznevski (in Anlehnung an DiStefano & Maznevski, 2000, S.-49) Der erste Schritt eines leistungsstarken interkulturellen Teams ist demnach das Mapping. Dabei geht es vorrangig darum, dass alle Teammitglieder 4.3 Interkulturelle Teams aus einer verhaltenswissenschaftlichen Perspektive 115 <?page no="116"?> die Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen ihnen verstehen. Dieses Verständnis können die Teammitglieder erreichen, indem sie identifizieren, welche Kulturunterschiede wirklich einen Unterschied machen, da diese nicht immer offensichtlich sind (z. B. unterschiedliche Lernstile). Diese Differenzen sind dann am besten anhand von bestimmten Skalen oder Dimensionen direkt zu vergleichen. Im Zuge dessen können beispielsweise die Kulturdimensionen von Hofstede helfen, die Verschiedenartigkeit der Teammitglieder zu erkennen, um daraus mögliche Probleme und Potenziale abzuleiten (DiStefano & Maznevski, 2000, S.-48-ff.). Im zweiten Schritt erfolgt dann das Bridging, bei dem eine effektive Kommunikation im Fokus steht. Im Rahmen dieser Kommunikation gilt es, die Unterschiede zwischen den Teammitgliedern zu berücksichtigen und gemeinsame Kommunikationsmuster zu entwickeln, damit alle Perspekti‐ ven und Ideen in die Aufgabenbewältigung mit einfließen. Ein Verständnis für andere Ansichten und Kulturen bringt aber noch keine guten Teamleistungen hervor. Deshalb werden Mapping und Bridging durch den dritten Schritt des Integrating ergänzt. Integrating sorgt dafür, dass Verständnis und Kommunikation zu produktiven Ergebnissen führen. Von entscheidender Bedeutung ist dabei, dass sich alle Teammitglieder aktiv an der Teamaufgabe beteiligen, Uneinigkeiten gelöst und neue Teamperspek‐ tiven eingenommen werden, die alle Arten von Ideen als mögliche Lösung ansehen. Entwicklungsprozess nach Zeutschel Auch Zeutschel geht davon aus, dass ein interkulturelles Team nicht nur die fünf Phasen des Teamentwicklungsmodells durchläuft, sondern darüber hinaus vier eigene Interaktionskategorien vorweist, wie Abb. 14 verdeut‐ licht. Diese vier Kategorien sind als Entwicklungsstufen eines effektiven in‐ terkulturellen Teams zu sehen und bauen systematisch aufeinander auf. Für eine innovative Zusammenarbeit des Teams ist das Durchlaufen aller vier Stufen eine notwendige Voraussetzung. Ein Überspringen von Stufen ist dabei nicht möglich, dennoch sind Stufenrückschritte „als bewusste Korrektur beim Scheitern auf einer höheren Stufe“ (Zeutschel, 2003, S. 264) oder „als resignierte Rückfälle im Zuge von Alltagsroutine“ (ebd.) denkbar. Im Zuge dessen erkennen die Teammitglieder auf der ersten Stufe der Dominanz/ Anpassung kulturelle Unterschiede als tatsächlich existent an, 116 4 Interkulturelle Teams aus vier organisationstheoretischen Perspektiven <?page no="117"?> Abb. 14: Entwicklungsstufen eines interkulturellen Teams nach Zeutschel (in Anlehnung an Zeutschel, 2003, S.-263) reagieren darauf allerdings entweder mit bestimmendem oder nachgiebigem Verhalten. Beispielsweise kann die Dominanz einer Kultur als Vorgabe für eine gemeinsame Arbeitssprache, und Pünktlichkeitsnormen entweder durch den Druck einer Kultur einseitig vorgegeben werden oder wechselsei‐ tig in Abstimmungsprozessen für spezifische Teilbereiche festgelegt werden. Durch eine bewusste wechselseitige Dominanz und Anpassung kann das Team die Stärken und Potenziale der verschiedenen Kulturen erkennen und die Stufe der Koaktion erreichen. Diese Stufe ist besonders kritisch zu sehen, da die Teams in kulturellen Subgruppen getrennte Aufgaben erledigen, die ihren Stärken entsprechen. Die Teammitglieder haben auf dieser Stufe die Aufgabe, zu erkennen, welchen Beitrag die kulturellen Stärken für die Teamaufgaben leisten. Am besten geschieht dies, indem die Teammitglieder ergänzende Aufgaben übernehmen, die zeitlich begrenzt sind. Haben die Teammitglieder den Nutzen aller Kulturen erkannt, so kann das Team zur dritten Stufe der Integration gelangen. Bei der Integration werden durch die Kombination der verschiedenen kulturellen Elemente 4.3 Interkulturelle Teams aus einer verhaltenswissenschaftlichen Perspektive 117 <?page no="118"?> gemeinsame Handlungsmuster geschaffen, die allen Teammitgliedern ein identifizierendes Wirgefühl und Sicherheit geben. Mithilfe dieser gemeinsamen Handlungsmuster können interkulturelle Teams im abschließenden Schritt der Innovation ein Vertrauen aufbauen, das die Teammitglieder dazu veranlasst, eine eigene Teamkultur mit eigenen Handlungsmustern zu entwickeln, die „über alle beteiligten kulturspezifi‐ schen Repertoires hinausgehen und für dieses Team spezifisch sind“ (Zeut‐ schel, 2003, S.-266). Die vorgestellten Modelle von DiStefano und Maznevski sowie von Zeutschel verdeutlichen, dass es viele erfolgskritische Prozesse gibt, die ein erfolgreiches interkulturelles Team ausmachen. Diese Entwicklungspro‐ zesse können aus verhaltenswissenschaftlicher Perspektive vor allem durch Kommunikations- und Führungsaspekte gehemmt, aber auch unterstützt werden, wie eine genauere Betrachtung des Kommunikationsprozesses verdeutlicht. Übung 16 Wie groß sollten Teams idealerweise sein? Übung 17 Nennen Sie zwei verhaltenswissenschaftliche internationale Teamkon‐ zepte. 4.3.2 Kommunikation in interkulturellen Teams Um die Kommunikationsaspekte eines Teams betrachten zu können, ist die etymologische Herleitung des Wortes Kommunikation ein hilfreicher Schritt. So lässt sich Kommunikation auf das lateinische Wort communicare (zu Deutsch: mitteilen oder besprechen) zurückführen, wobei sich mitteilen im Kommunikationsprozess nicht nur auf konkrete Informationen, sondern auch auf Emotionen, Appelle oder Meinungen bezieht. Aus diesem Grund lässt sich Kommunikation auch als ein „Prozess der Vermittlung von Bedeu‐ tung“ spezifizieren. 118 4 Interkulturelle Teams aus vier organisationstheoretischen Perspektiven <?page no="119"?> Kommunikationsmodell Der Kommunikationsprozess kann durch ein einfaches Kommunikations‐ modell dargestellt werden, wie Abb. 15 verdeutlicht. Abb. 15: Kommunikationsprozess (in Anlehnung an Hodgetts & Luthans, 2000, S.-197) Im Rahmen dieses Prozesses wird eine vom Sender verschlüsselte Nachricht mittels eines Mediums an den Empfänger, der diese Nachricht wiederum entschlüsselt, übertragen. Der entscheidende Punkt dabei ist, wie der Emp‐ fänger die Nachricht wahrnimmt und interpretiert, denn eine erfolgreiche Kommunikation entsteht erst dann, wenn der „Empfänger die Botschaft so versteht, wie sie der Sender gemeint hat“ (Blom & Meier, 2004, S. 74). Durch den anschließenden Rückkopplungsprozess kann der Sender an den Reaktionen des Empfängers erkennen, ob die vermittelte Nachricht im beabsichtigten Sinne aufgenommen wurde (Schmeisser et al., 2014, S. 53 f.). Treffen unterschiedliche Kulturen im Kommunikationsprozess aufeinan‐ der, so ergeben sich vermehrt Probleme, die auf kulturspezifische Codes und differierende Kommunikationsverhalten zurückzuführen sind. Jede Kultur sendet und empfängt die Nachricht im Kommunikationsprozess „auf Basis des eigenkulturellen Wissens“, ohne die fremdkulturellen Kom‐ munikationseigenheiten zu beachten. Dadurch werden die Nachrichten oftmals verzerrt oder falsch verstanden und es kommt zu interkulturellen Missverständnissen und Konflikten (Broszinsky-Schwabe, 2011b, S.-21). Vier Seiten einer Nachricht Diese Missverständnisse und Konflikte können sich dabei sowohl auf die Inhaltsebene als auch auf die Beziehungsebene der Kommunikation bezie‐ hen. Während die Inhaltsebene die reinen Sachinformationen beinhaltet, regelt die Beziehungsebene die sozialen Verhältnisse, indem sie Hinweise enthält, wie die Kommunikationspartner zueinanderstehen. Kommunikati‐ onsstörungen können dabei auf beiden Ebenen entstehen, aber auch gelöst 4.3 Interkulturelle Teams aus einer verhaltenswissenschaftlichen Perspektive 119 <?page no="120"?> werden (Schulz von Thun, 1996, S. 26 f.; dazu auch Watzlawick, Beavin & Jackson, 2007, S.-53-ff.). Darüber hinaus enthält eine Nachricht nicht nur Inhalts- und Beziehungs‐ aspekte, sondern schließt eine Selbstoffenbarung sowie einen Appell des Senders mit ein. Indem der Sender eine Nachricht übermitteilt, richtet er einen Appell an den Empfänger, um eine Reaktion bei diesem hervorzurufen und sein Ziel zu erreichen. Gleichzeitig sagt die Nachricht auch immer etwas über den Sender aus, da dieser durch die Art und Weise der Kommunikation eine Vielzahl an Informationen von sich preisgibt. Diese vier in Abb. 16 dargestellten Ebenen werden auch als vier Seiten einer Nachricht bezeichnet, die in jeder Art von Kommunikation, egal, ob zwischen Kulturen oder innerhalb einer Kultur, vorhanden sind. Abb. 16: Vier Seiten einer Nachricht (in Anlehnung an Schulz von Thun, 1996, S.-30) Kommunikationsregeln Über die vier Ebenen einer Nachricht hinaus gibt es im Kommunikations‐ prozess spezifische Kommunikationsregeln, die für alle Arten von Kommu‐ nikation gültig sind und von Watzlawick et al. (2007) in fünf Axiomen der Kommunikation zusammengefasst werden (ebd., S.-50-ff.). • Das erste Axiom bezieht sich auf die Unmöglichkeit, nicht zu kommuni‐ zieren. Jede Kommunikation, egal ob Worte, Schweigen oder Weggehen, umfasst Verhalten. Genau so wie Personen sich „nicht nicht verhalten“ können, können sie auch „nicht nicht kommunizieren“. • Ergänzend dazu schreibt das zweite Axiom jeder Kommunikation eine Inhalts- und eine Beziehungsebene zu, die zuvor bereits erläutert wurden. 120 4 Interkulturelle Teams aus vier organisationstheoretischen Perspektiven <?page no="121"?> • Das dritte Axiom versteht Kommunikation darüber hinaus immer gleichzeitig als Ursache und Wirkung, denn „die Natur einer Beziehung ist durch die Interpunktion der Kommunikationsabläufe seitens der Partner bedingt“ (ebd., S.-61). • Zusätzlich geht das vierte Axiom von der Tatsache aus, dass jede Kommunikation eine digitale und analoge Seite hat. Der digitalen Seite liegt eine logische Syntax zugrunde, die sich meist auf die Inhaltsebene beschränkt. Die Beziehungsebene und im Hintergrund verborgene Ana‐ logien werden hingegen nur analog vermittelt (ebd., S.-61-ff.). • Das fünfte Axiom konstatiert Kommunikation schließlich entweder als symmetrische oder komplementäre Interaktion. Symmetrische Kom‐ munikationsabläufe ergeben sich durch Beziehungen der Kommunika‐ tionspartner, die auf Gleichheit beruhen. Hingegen sind komplementäre Kommunikationsabläufe durch Beziehungen gekennzeichnet, die auf Unterschiedlichkeit basieren. Diese fünf Axiome sind im interkulturellen Kontext als besonders wichtig zu erachten, da sie ungeahnte Quellen für Missverständnisse enthalten. So haben unterschiedliche Kulturen verschiedene Analogien nach dem vierten Axiom. Der Vergleich einer europäischen Weltkarte mit einer australischen Weltkarte verdeutlicht, dass die Welt um 180 Grad verschoben dargestellt wird und Begrifflichkeiten wie oben oder unten in diesem Kontext bereits sehr verschieden gedeutet werden können (Schneider & Hirt, 2007, S. 268). Ebenso bietet das erste Axiom Konfliktpotenzial, denn Schweigen gilt in einigen Kulturen als bloße Zurückhaltung, während dies in anderen Kultu‐ ren als aktives Kommunikationsinstrument angesehen wird (Walch, 2007, S. 171). Das dritte Axiom kommt bei der interkulturellen Kommunikation deutlich zum Tragen. Haben die Kommunikationspartner unterschiedliche Interpretationsmuster und kulturspezifische Codes beim Senden und Emp‐ fangen von Nachrichten, so lassen sich Auslöser für Missverständnisse kaum nachvollziehen und Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge nur auf einer Me‐ taebene betrachten (Schneider & Hirt, 2007, S.-268). Kommunikationsarten Die größten Konfliktpotenziale interkultureller Kommunikation liegen al‐ lerdings in den Kommunikationsarten begründet (Blom & Meier 2004, S. 80). Eine Übersicht der verschiedenen Kommunikationsarten bietet Abb. 17. 4.3 Interkulturelle Teams aus einer verhaltenswissenschaftlichen Perspektive 121 <?page no="122"?> Abb. 17: Kommunikationsarten mit beispielhaften Kommunikationsinstrumenten (in An‐ lehnung an Blom & Meier, 2004, S.-80 sowie die Ausführungen von Knapp, 2003, S.-114- 118 und Schmeisser et-al., 2014, S.-55-57) 4.3.3 Führung interkultureller Teams Um diese herausfordernden Kommunikationsaspekte bei der interkulturel‐ len Teamarbeit beachten zu können, ist der interkulturelle Kommunikati‐ onsprozess durch eine Führungskraft zu unterstützen und zu leiten (Haug, 2003, S. 120 ff.). Darüber hinaus verlangt die Führung von interkulturellen Teams die Berücksichtigung weiterer Besonderheiten, die meist auf unter‐ schiedlichen Ausprägungen bestimmter Kulturdimensionen beruhen und im Folgenden genauer erläutert werden. Einstellung von interkulturellen Teammitgliedern gegenüber Teamarbeit Als erste Besonderheit hat die Führungskraft des interkulturellen Teams (ab jetzt Teamleiter genannt) die verschiedenen Einstellungen der inter‐ kulturellen Teammitglieder gegenüber Teamarbeit einzuschätzen und zu verstehen. So stellen Kirkman und Shapiro (2001) fest, dass die Kulturdi‐ mensionen Machtdistanz und Kollektivität die Einstellung der Kulturen gegenüber Teamarbeit beeinflussen. Besonders Mitarbeiter mit einer ausge‐ 122 4 Interkulturelle Teams aus vier organisationstheoretischen Perspektiven <?page no="123"?> prägten Individualismus-Dimension zeigen Widerstand gegen Teamarbeit, wohingegen Mitarbeiter mit einer hohen Machtdistanz-Dimension nicht in Teams arbeiten wollen, die einem Selbstmanagement unterliegen. Auch die bereits erwähnte Studie von Cox et al. (1991) belegt, dass individualistisch geprägte Mitarbeiter weniger kooperatives Verhalten in interkulturellen Teams zeigen als kollektivistisch geprägte Mitarbeiter. Darüber hinaus untersuchten Gibson und Zellmer-Bruhn (2001) in einer Studie, welche Metaphern (Militär, Sport, Familie, Gemeinschaft, Kollegialität) die Kulturen der Teamarbeit zuschreiben. Die Ergebnisse dieser Studie zeigen, dass kultu‐ relle Dimensionen einen Einfluss auf die Metaphernauswahl für Teamarbeit nehmen, da individualistische Gesellschaften beispielsweise eher Sport oder Vereinigung als Metapher wählen, was den individualistischen Charakter von Teamarbeit unterstreicht. Barmeyer und Davoine (2006) untersuchen in einer Studie die unter‐ schiedliche Wahrnehmung interkultureller Teamarbeit von deutschen und französischen Teammitgliedern. Im Zuge dessen konnte festgestellt werden, dass deutsche Teammitglieder ein Team als eine Gemeinschaft ansehen, in der alle Teammitglieder mit gleichem Einsatz und gleicher Intensität auf gemeinsame Teamziele hinarbeiten. Französische Teammitglieder sehen ein Team hingegen eher als Gruppe von Individuen an, die zwar ihren indivi‐ duellen Beitrag leisten, jedoch nicht fest in das Team eingebunden sind und keine Gesamtverantwortung tragen. Diese Ergebnisse lassen sich auch der Kulturdimension Machtdistanz von Hofstede zuordnen. Während Franzosen eine sehr hohe Machtdistanz besitzen, die ein starkes Hierarchiedenken mit sich bringt, zeichnen sich Deutsche durch eine geringe Machtdistanz aus, die eine Gleichberechtigung von Leistungen und Meinungen zur Folge hat (Barmeyer & Davoine, 2006, S.-36-f.). Die erwähnten Einstellungen der verschiedenen Kulturen gegenüber Teamarbeit müssen daher in interkulturellen Teams vom Teamleiter wahr‐ genommen werden. Die Hauptaufgabe des Teamleiters besteht dann darin, diese verschiedenen Einstellungen in Einklang zu bringen und eine positive Haltung aller Teammitglieder gegenüber der Teamarbeit zu erzeugen. Dies kann erreicht werden, indem der Teamleiter als Führungskraft überzeugt. Führungsstile in interkulturellen Teams Die interkulturellen Teammitglieder haben jedoch nicht nur kulturspezifi‐ sche Einstellungen gegenüber Teamarbeit, sondern auch ihre eigenen Vor‐ 4.3 Interkulturelle Teams aus einer verhaltenswissenschaftlichen Perspektive 123 <?page no="124"?> stellungen vom Begriff Führung. So zeigt beispielsweise die bereits erwähnte Studie von Barmeyer und Davoine auf, dass Franzosen den Teamleiter als Verantwortlichen ansehen, der dem Team die Richtung aufzeigt, es kontrolliert, betreut und motiviert. Die Verantwortung bleibt in diesem Fall immer beim Teamleiter, obwohl Aufgaben delegiert werden. Die Deutschen sehen den Teamleiter hingegen eher in der Rolle eines strukturierenden Moderators, der den Teamzusammenhalt fördert, Feedback gibt und den Prozess lenkt, sich dabei aber im Hintergrund hält. Anhand dieses Beispiels wird deutlich, dass jede Kultur eine andere Führungspersönlichkeit und einen anderen Führungsstil erwartet, insbe‐ sondere wenn die Teammitglieder nur die eigenkulturelle Führungsweise kennen. Grundsätzlich reicht das Spektrum der Führungsstile von autoritär (Anweisung durch die Führungskraft) bis autonom bzw. partizipativ (selbst‐ ständige Entscheidungen und Verantwortung der Mitarbeiter), wie Abb. 18 veranschaulicht. Abb. 18: Spektrum der Führungsstile nach Tannenbaum und Schmidt (in Anlehnung an Meier & Schindler, 1995, S.-175) Empirisch bewiesen ist jedoch, dass „die Effizienz des Führungsstiles stark von den kulturell geprägten Partizipationserwartungen der Mitarbeiter abhängig ist“ (Blom & Meier, 2004, S. 227). Je größer „die subjektiv empfundene Diskrepanz zwischen den Partizipationserwartungen der Mit‐ arbeiter und dem Führungsstil des Vorgesetzten“ (ebd.) ist, desto mehr sinken Mitarbeiterzufriedenheit, Motivation, Leistungsbereitschaft und es entstehen Konflikte (Thomas & Stumpf, 2003, S. 83). Kulturen mit hohen 124 4 Interkulturelle Teams aus vier organisationstheoretischen Perspektiven <?page no="125"?> Partizipationserwartungen haben meist eine geringe Ausprägung in der Dimension Machtdistanz (ebd., S. 81). So bevorzugen die Amerikaner eher einen partizipativen und die Inder einen autoritären Führungsstil (Keller, 1987, Sp. 1287 f.). Smith und Noakes (1996) zeigen darüber hinaus, dass sich ein partizipativer Führungsstil in individualistischen Kulturen effektiver erweist als in kollektivistischen Kulturen. Weitere Forschungen belegen zudem, dass unsicherheitsvermeidende Kulturen eindeutig und klar geführt werden müssen, beispielsweise durch formale Regeln (Smith & Noakes, 1996, S. 482) und das Festhalten an Autoritäten oder Experten. Je nach erwarteter Partizipation sollen die Teammitglieder auch in Zielsetzungsent‐ scheidungen einbezogen werden, insbesondere wenn die Teammitglieder aus Kulturen mit niedriger Machtdistanz und Kollektivismus kommen (Thomas & Stumpf, 2003, S.-81). Empirische Befunde für die Zuordnung von Führungspräferenzen zu Kulturen und Nationen dürfen jedoch nie generalisiert werden, da jeder Mitarbeiter eigene Erfahrungen mit Führung hat und deshalb nicht pauschal einer Kultur zugeordnet werden kann (ebd., S. 84 f.). Demzufolge ist es möglich, dass ein Inder, der bereits große internationale Arbeitserfahrung hat, auch einen partizipativen Führungsstil präferiert, da er dessen Vorzüge kennengelernt hat. Führungspräferenzen anhand von Kulturdimensionen und Nationen sind demnach immer nur als richtungsweisend anzusehen, ermöglichen dem Teamleiter jedoch eine grobe Einordnung der Teammitg‐ liedererwartungen. Motivation und Anreize von interkulturellen Teams Kulturelle Präferenzen können auch im Zuge der Motivation und Anreize der Teammitglieder eine grobe Richtung aufzeigen. Teammitglieder aus kollektivistischen Kulturen bevorzugen Anreize, die sich auf das komplette Team beziehen, denn Leistung gilt als Erfolg des Teams und nicht des Einzelnen. Soziale Wertschätzungsbedürfnisse sind in kollektivistischen Kulturen hoch ausgeprägt, weshalb diese eine nicht leistungsbezogene Be‐ wertung (z. B. soziale Umgänglichkeit) und Motivation (z. B. Zugehörigkeit zu einem speziellen Team) bevorzugen. Individualistische Kulturen sehen hingegen individuelle Karrieren und persönliche Anreize als wichtiger an, weshalb Menschen dieser Kulturen eher nach der individuellen Leistung beurteilt werden wollen und durch individuelle Karrierewege motiviert werden können. 4.3 Interkulturelle Teams aus einer verhaltenswissenschaftlichen Perspektive 125 <?page no="126"?> In Kulturen mit hoher Unsicherheitsvermeidung wirken beispielsweise Arbeitsplatzgarantien als Anreize. Kulturen mit niedriger Unsicherheits‐ vermeidung hingegen sind leichter durch extrinsische Anreize zu moti‐ vieren, wie beispielsweise ein variables, leistungsabhängiges monetäres Vergütungssystem (Müller & Gelbrich, 2015, S. 543; dazu auch Blom & Meier, 2004, S. 226). Der größte Motivations- und Anreizunterschied besteht jedoch zwischen maskulinen und femininen Kulturen. Maskuline Kultu‐ ren lassen sich vor allem durch materialistische Werte wie Gehalt und Statussymbole motivieren. In femininen Kulturen gelten hingegen flexible Arbeitszeiten, anspruchsvolle Arbeitsaufgaben oder Sozialleistungen als motivierend (Müller & Gelbrich, 2015, S. 543; dazu auch Blom & Meier, 2004, S.-226 und Thomas & Stumpf, 2003, S.-81). 4.3.4 Konsequenzen für den Einsatz interkultureller Teams Anhand der vorhergehenden Ausführungen wird deutlich, dass ein inter‐ kulturelles Team aus verhaltenswissenschaftlicher Perspektive den Teamentwicklungsprozess Mapping, Bridging und Integrating nach DiStefano und Maznevski zu durchlaufen beziehungsweise die Stufe Innovation im Teamentwicklungsmodell von Zeutschel zu erreichen hat, um erfolgreich zusammenarbeiten zu können. Dieser Entwicklungsprozess hin zu einem erfolgreichen interkulturellen Team ist dabei vom Teamleiter durchzufüh‐ ren, indem dieser die Teammitglieder dabei unterstützt, ihre kulturellen Unterschiede zu identifizieren und den Nutzen daraus zu erkennen. Schlussfolgernd kann vorläufig von der in These 2 formulierten Annahme ausgegangen werden, dass interkulturelle Teams einer teamspezifischen interkulturellen Kommunikation und Führung bedürfen, um erfolgreich zu sein. 4.4 Interkulturelle Teams aus einer politisch-rechtlichen Perspektive Da bei der Betrachtung interkultureller Teamarbeit aus einer strukturel‐ len und einer verhaltenswissenschaftlichen Perspektive bereits einige Kon‐ fliktfelder zur Sprache gekommen sind, gilt es, diese nun aus einer poli‐ tisch-rechtlichen Perspektive zu analysieren. 126 4 Interkulturelle Teams aus vier organisationstheoretischen Perspektiven <?page no="127"?> 4.4.1 Konfliktauslöser in interkulturellen Teams Um einen Konflikt deutlich von einem Streit oder einem Disput abgrenzen zu können, ist eine terminologische Eingrenzung des Begriffs Konflikt vonnöten, der diesen als eine Interaktion zwischen Aktoren (Individuen, Gruppen, Organisatio‐ nen usw.) [ansieht], wobei wenigstens ein Aktor eine Differenz bzw. Unvereinbarkeiten im Wahrnehmen und im Denken bzw. Vorstellen und im Fühlen und im Wollen mit dem anderen Aktor (den anderen Aktoren) in der Art erlebt, dass beim Verwirklichen dessen, was der Aktor denkt, fühlt oder will, eine Beeinträchtigung durch einen anderen Aktor (die anderen Aktoren) erfolgt (Glasl, 2010, S.-17). Durch diese Begriffsbestimmung wird deutlich, dass ein Konflikt zwar eine wechselseitige Abhängigkeit der beteiligten Personen im Sinne einer Interaktion bedarf, jedoch bereits durch die Wahrnehmung einer Person entstehen kann, ohne dass die andere Person bzw. andere Personen einen Konflikt für sich feststellen. Darüber hinaus kann der eine Auslöser für einen Konflikt in der Praxis nur sehr schwer festgestellt werden, da es sich meist nicht um eine konkrete Konfliktursache handelt, sondern ein ganzes Ursachennetz existiert. Während Teamarbeit durch Konflikte bezüglich Themen wie Rollenver‐ teilung, Macht und Abhängigkeiten geprägt ist, finden sich im Rahmen interkultureller Teamarbeit aufgrund kultureller Differenzen der Teammit‐ glieder mehr potenzielle Konfliktauslöser. Missverständnisse So kommt es in interkulturellen Teams oft zu interkulturellen Missverständ‐ nissen, die sich auf die verschiedenen Ebenen der Kommunikation beziehen. Im Zuge dessen können interkulturelle Missverständnisse bereits durch unterschiedliche Denkmuster entstehen. Beispielsweise praktizieren kollek‐ tivistische Kulturen eher eine intuitive Denkweise, während individualisti‐ sche Kulturen ein analytisches Denken präferieren. Darüber hinaus kann eine kulturspezifische Wahrnehmung Unstimmigkeiten hervorrufen, wenn beispielsweise Europäer ein Familienfest in Afrika als laut wahrnehmen, 4.4 Interkulturelle Teams aus einer politisch-rechtlichen Perspektive 127 <?page no="128"?> während die Einheimischen es als normal bezeichnen. Des Weiteren können Missverständnisse aber auch durch unterschiedliche (Körper-)Sprachen und Interaktionen entstehen. Die durch unterschiedliche Wahrnehmungen, Denkmuster, Sprachen und Interaktionen entstandenen interkulturellen Missverständnisse lassen sich in drei wesentliche Kategorien einteilen, auf die im Folgenden näher eingegangen wird (Sievert, 2014, S.-28). Die erste Kategorie interkultureller Missverständnisse bezieht sich auf die Erwartungsverletzung, die entsteht, wenn das Verhalten eines Akteurs vom erwarteten bzw. typischen Verhalten abweicht. Dies bringt eine erhöhte Auf‐ merksamkeit und Beobachtung des Akteurs mit sich, dessen abweichendes Verhalten und Eigenschaften entweder negativ oder positiv beurteilt wer‐ den, wobei eine positive Erwartungsverletzung zu einer verbesserten Kom‐ munikation und eine negative Erwartungsverletzung zu einer schlechteren Kommunikation im Team führt. Darüber hinaus ergeben sich durch negative Erwartungsverletzungen auch Hindernisse in der Informationsweitergabe und Verschlechterungen der sozialen Beziehungen, die in Konsequenz zu einer Verschärfung von Konfliktsituationen beitragen können und das Team an seiner Aufgabenerfüllung hindern. Des Weiteren können interkulturelle Missverständnisse auch durch Pro‐ bleme in der Decodierung von Nachrichten im Kommunikationsprozess entstehen (Köppel, 2007, S. 83 f.). Nämlich wie übermittelt im Kommunikati‐ onsprozess ein Sender eine durch sein eigenkulturelles Orientierungssystem verschlüsselte Nachricht mittels eines Mediums an den Empfänger, welcher die Nachricht wiederum mithilfe seines kulturellen Orientierungssystems interpretiert bzw. decodiert (Blom & Meier, 2004, S. 73 ff.). Im Rahmen der Entschlüsselung durch den Empfänger schreibt dieser der Nachricht eine bestimmte Bedeutung zu, die „nicht eine Wahrnehmung realer Ge‐ gebenheiten“, sondern vielmehr die Konstruktion einer sozialen Umwelt darstellt. Diese Bedeutungszuschreibung kann dabei eine ganz andere sein, als der Sender intendiert hat, wodurch es zu Fehlinterpretationen und Missverständnissen kommt. Vor allem im interkulturellen Kontext tauchen solche Decodierungsprobleme häufig auf, da die Kommunikation durch große kulturelle Unterschiede und differierende Codes zunehmend belastet wird oder ganz scheitert, wenn beispielsweise ein Empfänger die gesendete Nachricht aufgrund seiner kulturellen Selektion erst gar nicht wahrnimmt. Diese Kommunikationsproblematik beeinträchtigt darüber hinaus den Aus‐ tausch von Informationen und folglich auch die Aufgabenbewältigung sowie 128 4 Interkulturelle Teams aus vier organisationstheoretischen Perspektiven <?page no="129"?> die Zusammenarbeit in interkulturellen Teams, sodass es zu verspäteten Aufgabenerledigungen oder Fehlleistungen kommt. Selbst wenn Missver‐ ständnisse aufgrund unterschiedlicher kulturspezifischer Codes erkannt werden, können diese zu erheblichen Zeit- und Energieeinbußen führen sowie die Teamleistung mindern. Neben Erwartungsverletzungen und Decodierungsproblemen gibt es eine dritte Kategorie von interkulturellen Missverständnissen, die sich auf die At‐ tributionstheorie zurückführen lässt, welche sich der Ursachenzuschreibung zwischenmenschlicher Ereignisse (beispielsweise Verhalten) zuwendet. Im Zuge dessen stellt der Handlungspartner für sich eine Kausalität zwischen einem Ereignis und dessen Ursache her, wobei die Ursachenerkenntnis Auswirkungen auf seine Reaktionen hat (Fincham & Hewstone, 2002, S. 216). Begleitet wird diese Zuschreibung durch externe und interne Attributionen (Köppel, 2007, S. 87). Bei einer externen Attribution schreibt der Beobach‐ ter die Verhaltensursache der externen Situation zu (wie beispielsweise Zufall, Glück oder Aufgabenschwierigkeit), wohingegen der Beobachter die Verhaltensursache bei einer internen Attribution in der handelnden Person (wie beispielsweise Fähigkeiten oder Anstrengung) verankert sieht. Während des Attributionsprozesses erfolgt die Ursachenzuschreibung meist nach dem fundamentalen Attributionsfehler, welcher ein negatives Verhalten des Handlungspartners eher in dessen Person (intern) verankert sieht, ein eigenes negatives Verhalten jedoch der Situation (extern) zuschreibt. Im Rahmen einer Teamarbeit wird dieser Fehler als ultimativer Attributionsfeh‐ ler bezeichnet, da negatives Verhalten bei Mitgliedern des eigenen Teams (Ingroup) intern und negatives Verhalten anderer Personen (Outgroup) extern attribuiert wird, wobei es sich bei positivem Verhalten umgekehrt verhält (Gudykunst & Kim, 1992, S. 139). Kommt es zu einer interkulturel‐ len Teamarbeit, äußert sich der ultimative Attributionsfehler, indem die Teammitglieder kulturelle Unterschiede nicht als solche erkennen und sie stattdessen als individuelle Defizite oder Inkompetenz des Teampartners be‐ zeichnen. In jedem Fall führen solche Attributionsfehler zu Erschwernissen oder Unterbrechungen des Interaktionsprozesses, da Verhaltensursachen der Eigenschaft einer Person zugeschrieben werden, ohne dass dabei das Verhalten richtig interpretiert wird (Köppel, 2007, S. 88). Auch wirken sich die Fehlattributionen negativ auf das Teamklima, die Teamzufriedenheit, die persönlichen Beziehungen, den Teamzusammenhalt und im schlimmsten Fall auf die Aufgabenerledigung aus. Diverse Studien konnten in diesem Zusammenhang feststellen, dass es kulturelle Unterschiede in Bezug auf 4.4 Interkulturelle Teams aus einer politisch-rechtlichen Perspektive 129 <?page no="130"?> die Häufigkeit von Fehlattributionen gibt, da individualistische Kulturen beispielsweise viel häufiger zu diesen Attributionsfehlern neigen als kollek‐ tivistische Kulturen (Gudykunst & Kim, 1992, S.-138). Ethnozentrismus Ein Konfliktauslöser bei interkultureller Teamarbeit kann darüber hinaus auch Ethnozentrismus sein, der „zu einer Verstärkung der bisher erläu‐ terten interkulturellen Konflikte [durch] De- und Encodierungsprobleme sowie Fehlattributionen“ (Köppel, 2007, S.-93) führt. Ethnozentrismus steht dabei für eine Beurteilung fremder Verhaltensweisen aufgrund des eigen‐ kulturellen Orientierungs- und Sozialsystems. Dies sorgt dafür, dass die Mitglieder einer gemeinsamen Kultur gleiche Standards und Werte als richtig empfinden und diese nicht infrage stellen. Durch diese Standards und Werte entsteht ein Referenzrahmen für die Kulturmitglieder, der ihnen hilft, sich zu orientieren und Situationen sowie Verhalten in richtig und falsch einzuteilen. Daher ist ein gewisses Maß an Ethnozentrismus für alle Individuen eine ,notwendige Grundlage für Denken und Handeln‘, wobei ein zu hohes Maß an Ethnozentrismus Dysfunktionalitäten zur Folge hat. So kommt es bei interkultureller Teamarbeit dazu, dass die Teammitglie‐ der anderskulturelle Teammitglieder aufgrund ihrer eigenen Standards be‐ urteilen, anstatt Verständnis für differierende Ansichten zu zeigen. Vielmehr erkennen sie Unterschiede zum eigenkulturellen Referenzrahmen, werten oder lehnen die fremden Verhaltensweisen jedoch ab, wenn die Differenzen zu groß sind. Im Falle hoch ethnozentrischer Teammitglieder kann dies eine Ablehnung von Zusammenarbeit mit anderskulturellen Teammitgliedern, eine eingeschränkte Informationsweitergabe, einen sinkenden Teamzusam‐ menhalt oder eine Bildung von Subgruppen nach sich ziehen. Stereotype Als letzter Konfliktauslöser bei interkultureller Teamarbeit werden die Stereotype angeführt, die „Vorstellungen über typische Eigenschaften ei‐ ner Personengruppe“ terminieren. Dabei sind Stereotype strenggenommen wertneutral, werden aber für gewöhnlich als Vorurteile aufgefasst, die den Vorstellungen eine negative Konnotation zuweisen. Die Nutzung von Stereotypen beruht vor allem darauf, dass sich Men‐ schen die komplexe Umwelt verständlich machen wollen. Im Rahmen dessen 130 4 Interkulturelle Teams aus vier organisationstheoretischen Perspektiven <?page no="131"?> entsteht die Tendenz, Verhalten, Ereignisse und Lebewesen in bestimmte Kategorien und Schemata einzuteilen, um die Realität zu strukturieren (Stephan, 1989, S. 40 f.). Des Weiteren erfolgt die Informationsaufnahme sehr selektiv, indem die Informationsfilterung nur bereits bekannte Merkmale er‐ fasst (Bodenhausen & Wyer, 1985, S. 280). Die Anwendung von Stereotypen vereinfacht diese Komplexitätsreduktion, dient als Orientierungsfunktion, macht Menschen handlungsfähig und erhöht deren Selbstwertschutz in interkulturellen Überschneidungssituationen, auch wenn dies fehlerhafte Wahrnehmungen und Kognitionen mit sich bringt (Schmid, 2001, S.-12-f.). Bei der Begegnung mit fremden Kulturen werden stereotype Denkweisen automatisch aktiviert, aber gleichzeitig durch die verbreitete Meinung der moralischen Verwerflichkeit versucht zu unterdrücken (Devine, 1989, S. 6). Allein durch das Vorhandensein dieser Stereotype können Schuldge‐ fühle oder Selbstkritik bei Mitgliedern interkultureller Teams ausgelöst werden. Darüber hinaus fühlen sich stereotypisierte Teammitglieder oftmals nicht als Individuum wahrgenommen oder in ihrer kulturellen Auffassung verstanden, wodurch es zu Bildungen von Subgruppen, zum Einbruch der Teamleistung oder sogar zu Mitgliederfluktuation kommen kann. Im schlimmsten Fall schlägt Stereotypisierung in Diskriminierung um, die vorliegt, „wenn Individuen oder Gruppen von Menschen die Gleichbehand‐ lung vorenthalten wird, die sie wünschen“ (Allport, 1954, S. 51). Während einer interkulturellen Teamarbeit kann dies beispielweise dazu führen, dass Teammitglieder vom Informationsfluss, von Ressourcen oder dem Team ausgeschlossen werden. Eine typische Stereotype ist, Russen trinken gerne… Und hier die Antort: „Alkohol ist wirklich gern gesehen auf unseren Tischen. Aber: Wir haben gute Gründe dafür! Denn bei uns wird stets auf etwas getrunken: Auf die Gesundheit, die Liebe oder die Freund‐ schaft. Und weil jemand Geburtstag hat. Oder der internationale Tag des Kosmonauten ist. Genug Anlässe hat man ja. Aber eigentlich trinken wir den Schnaps nicht aus Wassergläsern - Pinnchen reichen uns auch“ (Star, V. 28.03.2017). 4.4 Interkulturelle Teams aus einer politisch-rechtlichen Perspektive 131 <?page no="132"?> 4.4.2 Konfliktarten und deren Auswirkungen Durch interkulturelle Missverständnisse, Ethnozentrismus und Stereotype können im Rahmen interkultureller Teamarbeit verschiedene Konflikte aus‐ gelöst werden, welche sich hinsichtlich ihrer Konfliktbasis unterscheiden lassen. In der Literatur findet sich unter anderem die Trennung zwischen Aufgaben- und Beziehungskonflikten. Während Aufgabenkonflikte Inhalte wie Aufgabenziele, Ressourcenverteilung, Vorgehensweisen oder die Be‐ wertung und Interpretation von Fakten thematisieren, beschäftigen sich Beziehungskonflikte mit persönlichen Werten, Stilen, Geschmäcken und Präferenzen. Darüber hinaus identifiziert Jehn (1997) in ihrer Studie eine prozessbedingte Konfliktart (Prozesskonflikt), die die Art der Aufgabenbe‐ wältigung in den Mittelpunkt stellt, wie beispielsweise die Zuordnung von Verantwortlichkeiten und die Delegation von Aufgaben. Die Auswirkungen von Aufgaben- und Beziehungskonflikten auf interkul‐ turelle Teamarbeit werden in der Literatur ausgiebig diskutiert, sodass eine Vielzahl von Studien zu dieser Thematik existiert (Puck, 2009, S. 60 f.). In Bezug auf die Effekte von Beziehungskonflikten liegen übereinstimmende Studienergebnisse in der Gestalt vor, dass sich diese Art von Konflikten immer negativ auf die Teamleistung auswirkt (Dreu & Weingart, 2003, S.-741). Da die Teammitglieder viel Zeit und Energie damit verbringen, die persönli‐ chen Beziehungen zu klären, anstatt sich der Teamaufgabe zu widmen, wird der Aufgabenlösungsprozess gehemmt, die Teamzufriedenheit sinkt und die Teamleistung verschlechtert sich (Jehn, 1997, S. 530). Allerdings konnten Earley und Mosakowski auch feststellen, dass Beziehungskonflikte eher in Teams mit wenigen verschiedenen Kulturen vorkommen als in Teams mit einer Vielzahl an unterschiedlichen Kulturen (Earley & Mosakowski, 2000, S. 45). Dieser Tatbestand liegt darin begründet, dass gering kulturdiverse Teams vermehrt zur Bildung von Subgruppen sowie einer verlangsamten Entwicklung einer Teamidentität und eines gemeinsamen Teamsprachstils neigen (ebd.). Aufgrund der unterschiedlichen kulturspezifischen Werte und Ansichten kommt es in interkulturellen Teams ebenfalls zu vermehrten Aufgabenkonflik‐ ten als in Teams ohne kulturelle Vielfalt (Elron, 1997, S.-404). Diese Aufgaben‐ konflikte reduzieren zwar grundsätzlich, ebenso wie die Beziehungskonflikte, die Teamleistung, die Teamzufriedenheit und die soziale Integration der Teammitglieder, können aber auch positive Wirkungen nach sich ziehen. Vor allem im Zuge hochkomplexer Teamaufgaben können interkulturelle Teams durch Aufgabenkonflikte kreativere und innovativere Lösungen generieren, 132 4 Interkulturelle Teams aus vier organisationstheoretischen Perspektiven <?page no="133"?> insofern sie diese konstruktiv lösen, die Teammitglieder offen bzw. kooperativ sind und ein hohes Maß an Vertrauen im Team existiert. Da die Aufgaben- und Beziehungskonflikte miteinander zusammenhängen, sind diejenigen interkul‐ turellen Teams am effizientesten, die zwar Aufgabenkonflikte, jedoch keine Beziehungskonflikte in ihrem Team akzeptieren. 4.4.3 Verhaltensweisen in Konfliktsituationen In der Praxis lässt sich ein kulturspezifischer Umgang mit den erläuterten Konflikten identifizieren, wodurch es zu einer verlangsamten Konfliktlö‐ sung oder sogar einer Konflikteskalation kommen kann. So gilt ein spezi‐ fischer Konfliktumgang in der einen Kultur als wünschenswert, in der anderen jedoch als inakzeptabel (Ohbuchi & Takahashi, 1994, S. 1346), da das Konfliktkonstrukt in jeder Kultur anders aufgefasst wird. Eine konflikthafte Situation in Japan kann von Amerikanern beispielsweise als problemlos bezeichnet werden. Diese unterschiedlichen kulturellen Auffassungen von Konflikten lassen sich größtenteils durch die verschiedenen Ausprägun‐ gen der Kulturdimensionen, insbesondere Femininität/ Maskulinität und Individualismus/ Kollektivismus, erklären. Maskuline Kulturen versuchen beispielsweise Konflikte auszufechten, während feminine Kulturen eine kooperative Konfliktlösung durch Kompromisse und Vereinbarungen an‐ streben (Weidmann, 1995, S.-48). Im Umgang mit Konflikten spielt jedoch die Kulturdimension Indivi‐ dualität versus Kollektivität eine noch entscheidendere Rolle, da in indi‐ vidualistischen Kulturen die Aufgabe und in kollektivistischen Kulturen die Beziehung als relevant erachtet wird (ebd., S. 46). Deshalb versuchen kollektivistische Kulturen (z. B. China, Thailand und Japan) Konflikte zu vermeiden, um die Harmonie zu den Teampartnern zu bewahren. Konflikte werden dabei von kollektivistischen Teammitgliedern als bedrohliches Pro‐ blem mit zerstörender Wirkung empfunden, das die Beziehung zu den Team‐ mitgliedern gefährdet (Rathje, 2004, S. 115). Dementsprechend versuchen kollektivistische Teammitglieder, einen Konsens zu erreichen, und drücken ihre konträre Meinung nie direkt aus, sondern fordern beispielsweise den Teampartner mehrmals auf, seine Meinung zu wiederholen. In individua‐ listischen Kulturen (wie Deutschland und den USA) werden Konflikte hingegen offen und direkt ausgetragen, da sie als konstruktives Mittel zur Problemlösung gelten. Aufgrund der Tatsache, dass individualistische Teammitglieder im Konflikt hauptsächlich auf die Problemlösung fokussiert 4.4 Interkulturelle Teams aus einer politisch-rechtlichen Perspektive 133 <?page no="134"?> sind, werden zur Überzeugung von Teampartnern weniger emotionale, sondern vorwiegend rationale Argumente vorgebracht. Wie in Abb. 19 dargestellt, lassen sich die genannten kulturellen Um‐ gangsformen mit Konflikten auch in das Konflikttypenmodell von Thomas (1976) einordnen, welches fünf mögliche Verhaltensweisen in Konfliktsitua‐ tionen aufzeigt. Demnach reagieren Individuen je nach Orientierung an den eigenen und/ oder fremden Interessen in Konflikten entweder mit Vermei‐ dungs-, Durchsetzungs-, Nachgabe-, Kompromiss- oder Konsensstrategien. Abb. 19: Konflikttypen nach Thomas (in Anlehnung an Thomas, 1976, S.-900) Empirische Studien belegen allerdings, dass kooperative und konsensorien‐ tierte Verhaltensweisen in Konflikten im Rahmen einer Teamarbeit innova‐ tionsförderlicher sind als vermeidende, durchsetzende und nachgebende Verhaltensweisen (Gobeli, Koenig & Bechinger, 1998, S.-423). 4.4.4 Lösungs- und Quasilösungsstrategien für Konflikte Damit interkulturelle Teams effektiv und effizient arbeiten können, ist in der Praxis eine Lösung bzw. Quasilösung der Konflikte essenzielle Voraussetzung, um nicht zu viel Zeit und Energie zu verlieren (Dreu & Weingart, 2003, S. 748). Die politisch-rechtliche Perspektive beschränkt mit ihrer siebten Prämisse die Möglichkeiten der Konfliktlösung zwar auf 134 4 Interkulturelle Teams aus vier organisationstheoretischen Perspektiven <?page no="135"?> rechtliche Quasilösungen, jedoch werden auch verhaltenswissenschaftliche Konfliktlösungen aufgezeigt, da je nach Art des Konflikts und der Situation eine andere Herangehensweise sinnvoll sein kann. Konfliktlösungsmechanismen nach Glasl Glasl schlägt deshalb Konfliktlösungsmechanismen vor, die sich nach der jeweiligen Eskalationsstufe des Konflikts ausrichten. Tab. 10 zeigt die einzelnen Eskalationsstufen mit ihren jeweiligen Merkmalen auf, wo‐ bei eine Dreiteilung der Konfliktlösungen in Win-Win-, Win-Lose- und Lose-Lose-Szenarien zu erkennen ist (Glasl, 2010, S.-234). Ebene Stufe Merkmale Mögliche Lösung I 1. Verhärtung Spannungen/ gelegentliche Auseinan‐ dersetzungen Win-Win Eigenstän‐ dig lösbar; beide Par‐ teien kön‐ nen dabei gewinnen 2. Polarisierung und Debatte Auseinandersetzungen eskalieren zu ei‐ nem Streit Versuche, andere von der eigenen Mei‐ nung zu überzeugen 3. Taten statt Worte Verbale Kommunikation wird reduziert Keine Empathie für andere II 4. Sorge um Image und Koali‐ tion Es geht nicht mehr um die Sache, son‐ dern um Gewinne Verbündete werden gesucht Win-Lose Nur mit Hilfe lösbar; nur eine Par‐ tei gewinnt 5. Gesichtsverlust Demütigung des Gegners 6. Drohstrategien Drohungen werden ausgesprochen Eigene Macht soll veranschaulicht wer‐ den III 7. Begrenzte Ver‐ nich-tungs‐ schläge Es wird versucht, dem Gegner empfind‐ lichen Schaden zuzufügen Eigener begrenzter Schaden wird in Kauf genommen Lose-Lose Nicht lösbar; beide Par‐ teien verlie‐ ren 8. Zersplitterung Gegner soll zerstört werden 9. Gemeinsam in den Abgrund Eigene Vernichtung bei Zerstörung des Gegners wird in Kauf genommen Tab. 10: Eskalationsstufen nach Glasl (in Anlehnung an Klötzel, 2015) 4.4 Interkulturelle Teams aus einer politisch-rechtlichen Perspektive 135 <?page no="136"?> Wie in Abb.20 dargestellt, führt Glasl aufgrund der spezifischen Merkmale der Eskalationsstufen sechs verschiedene Konfliktlösungsmechanismen an, die zwar nicht immer eine gewinnbringende Lösung für beide Konfliktpar‐ teien bereithalten, aber eine möglichst effiziente und konfliktreduzierende Lösung anstreben (Glasl, 2010, S.-396-ff.). Demnach sind Konflikte auf den ersten drei Eskalationsstufen (Verhärtung, Polarisierung und Debatte und Taten statt Worte) idealerweise durch die beteiligten Personen selbst oder mithilfe eines Moderators zu lösen, da in dieser Phase der Konflikt noch für alle beteiligten Personen zu gewinnen ist. So fördert ein Moderator lediglich die Selbstklärung und hilft die Beziehungen zwischen allen Beteiligten zu verbessern (Glasl, 2010, S.-396-f.). Mit Fortschreiten der dritten bis zur fünften Eskalationsstufe (Taten statt Worte, Sorge um Image bzw. Koalition und Gesichtsverlust) kann der Konflikt nur noch mithilfe außenstehender Personen (wie dem Teamleiter) durch Prozessbegleitung gelöst werden, da die beteiligten Personen nicht mehr miteinander reden und sich der Konflikt von der Sachauf die Beziehungsebene verlagert hat. Durch eine Prozessbegleitung wird den beteiligten Partnern nützliches Wissen vermittelt, um Konflikte in Zukunft selbst lösen zu können (ebd., S.-398). Abb. 20: Konfliktlösungsmechanismen für die Eskalationsstufen nach Glasl (in Anlehnung an Glasl, 2010, S.-397) 136 4 Interkulturelle Teams aus vier organisationstheoretischen Perspektiven <?page no="137"?> Diese Prozessbegleitung kann auf den Stufen vier bis sechs (Sorge um Image bzw. Koalition, Gesichtsverlust und Drohstrategien) durch sozio-therapeu‐ tische Elemente ergänzt werden, die vor allem die Gefühle und unbewussten Blockaden der Beteiligten in den Fokus stellen. Hat sich der Konflikt bereits auf der fünften bis siebten Stufe (Gesichts‐ verlust, Drohstrategien und begrenzte Vernichtungsschläge) verhärtet, ist der Konfliktprozess nicht mehr nur zu begleiten. Es gilt vor allem, die Konfliktursachen durch Mediation aufzudecken und einen Kompromiss zwischen den Beteiligten auszuhandeln. Gelangt die Mediation an ihre Grenzen, kann auf der sechsten bis achten Stufe (Drohstrategien, begrenzte Vernichtungsschläge und Zersplitterung) ein Schiedsverfahren bzw. Gerichtsverfahren eingesetzt werden. Im Zuge dessen wird der Konflikt durch Fakten und Tatsachen von einem neutralen (Schieds-)Gericht gelöst, dessen Entscheidungen die beteiligten Personen dann akzeptieren. Bei hoch eskalierten Konflikten auf den Stufen sieben bis neun (begrenzte Vernichtungsschläge, Zersplitterung und gemeinsam in den Abgrund) hilft dann allerdings nur noch ein direkter Machteingriff von außen, der eine weitere Eskalation verhindert und Maßnahmen gegen den Willen der Beteiligten durchsetzt. Rechtlich-politische Konfliktlösungsmechanismen Neben Moderation, Mediation, Prozessbegleitung, Schiedsverfahren und Machteingriff können in interkulturellen Teams auch rechtlich-politische Konfliktlösungsmechanismen eingesetzt werden, die als Quasilösungen Re‐ geln für den Umgang mit unterschiedlichen Ansichten und Konfliktsitua‐ tionen vorgeben (Cyert & March, 1963, S.-117-f.). Auf Landesebene kann durch Antidiskriminierungsgesetze, wie zum Beispiel das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz in Deutschland (AGG), bereits eine Grundlage für den Umgang in Unternehmen und damit auch in interkulturellen Teams gelegt werden (§§ 6-18 AGG). Das AGG in Deutschland regelt, dass beispielsweise eine Benachteiligung aufgrund der ethnischen Herkunft oder der Weltanschauung gesetzlich nicht toleriert wird und rechtliche Konsequenzen bei einem Verstoß nach sich zieht (§ 1 AGG; Verstöße gegen das AGG werden straf- und arbeitsrechtlich verfolgt). Damit erfahren unterschiedliche kulturelle Ansichten in interkultureller Teamarbeit und in anderen interkulturellen Unternehmenssituationen einen 4.4 Interkulturelle Teams aus einer politisch-rechtlichen Perspektive 137 <?page no="138"?> ersten Schutz, der durch weitere Maßnahmen der Unternehmen ausgebaut werden kann. An dieser Stelle sind besonders Unternehmensrichtlinien und Code of Conducts (zu Deutsch: Verhaltenskodizes) herauszustellen, welche den Mitarbeitern Verhaltensregeln vorgeben (Dietzfelbinger, 2015, S. 116). So werden Mitarbeiter bei BASF durch den dortigen Verhaltenskodex bei‐ spielsweise dazu aufgefordert, einen persönlichen Interessenkonflikt dem Vorgesetzten zu melden (BASF, 2017, S. 15), während der Code of Conduct bei Beiersdorf einen sachorientierten und nicht durch kulturelle Haltung beeinflussten Umgang mit Konflikten präferiert (Beiersdorf, 2017, S. 13). Die Einhaltung der Verhaltensregeln wird dabei von den Vorgesetzten über‐ wacht und jeder Mitarbeiter kann Verstöße melden, die dann rechtlich ge‐ prüft und gesetzlich oder disziplinarisch geahndet werden. Ebenso können Unternehmen durch ein breit angelegtes Diversity Management kulturelle Vielfalt fördern und zu einem festen Bestandteil des Unternehmens werden lassen, wodurch kulturabneigende Haltungen und Verhaltensweisen eine Verringerung erfahren. 4.4.5 Konsequenzen für den Einsatz interkultureller Teams Es kann konstatiert werden, dass Missverständnisse, Ethnozentrismus und Stereotypisierung interkulturelle Aufgaben- und Beziehungskonflikte aus‐ lösen können, die zu einer Bildung von Subgruppen, Kommunikationsver‐ schlechterungen und Leistungseinbußen in interkulturellen Teams führen. Die Umgangsformen und Verhaltensweisen in solchen interkulturellen Konflikten unterscheiden sich dabei je nach kulturellem Hintergrund der Teammitglieder und der Eskalationsstufe des Konflikts. Konflikte können aber auch positive Effekte, wie beispielsweise die Schärfung des Problembewusstseins der Beteiligten, das Erhalten von Teamgrenzen und den Aufbruch von festgefahrenen Strukturen, haben, wenn ihnen durch ein kooperatives Konfliktmanagement und angepasste Konfliktlösungsmechanismen begegnet wird. Unterstützend wirkt dabei der Teamleiter, der mithilfe von Führungs-, Beteiligungssowie Kommunikati‐ onsmitteln den konstruktiven Charakter von Konflikten betont und für die Einhaltung von Gesetzen, Richtlinien, Regeln und Vereinbarungen sorgt, die viele Konflikte bereits in ihrem Ursprung an einer Entstehung hindern. Folglich kann von der in These 3 formulierten Annahme ausgegangen werden, dass in interkulturellen Teams spezifische Konflikte auftreten, deren Lösung situations- und kulturspezifische Mechanismen verlangt. 138 4 Interkulturelle Teams aus vier organisationstheoretischen Perspektiven <?page no="139"?> Übung 18 Welche Verhaltensweisen in Konfliktsituationen kennen Sie? Übung 19 Welche Konfliktlösungsmechanismen nach Glasl kennen Sie? 4.4.6 Unternehmenskultur Terminologische Grundlagen von Unternehmenskultur Um den Einfluss von Unternehmenskultur auf die unternehmerischen Aktivitäten und den Unternehmenserfolg begreifen zu können, hilft eine terminologische Eingrenzung des Begriffs Unternehmenskultur, die als „Ge‐ samtheit der Grundannahmen, Werte, Normen, Einstellungen und Überzeu‐ gungen einer Unternehmung [verstanden wird], die sich in einer Vielzahl von Verhaltensweisen und Artefakten ausdrückt und sich als Antwort auf die vielfältigen Anforderungen, die an multinationale Unternehmungen gestellt werden, im Laufe der Zeit herausgebildet hat“(Kutschker & Schmid, 2011, S. 686). Im Zuge dieser Begriffsbestimmung zeigt sich eine große Deckungsgleichheit mit der terminologischen Eingrenzung des Konstrukts Kultur. Einfluss der Unternehmenskultur auf interkulturelle Teams Die Unternehmenskultur beeinflusst jedoch nicht nur den allgemeinen Unternehmenserfolg, sondern besitzt auch direkte Auswirkungen auf die Leistung von interkulturellen Teams. Dabei sind vor allem die Auffassungen der Unternehmenskultur bezüglich Interkulturalität und Offenheit von großer Bedeutung. Da die Akzeptanz von Fremdkulturen mit der Unternehmenskultur vari‐ iert, werden auch die Einstellungen der interkulturellen Teammitglieder gegenüber ihren fremdkulturellen Teamkollegen beeinflusst. Demnach hilft eine offene und interkulturelle Unternehmenskultur dabei, die Teammit‐ glieder auf interkulturelle Begegnungen und unterschiedliche Ansichten vorzubereiten. Polzer, Milton und Swann (2001) sowie Ely und Thomas (2001) zeigen auf, „dass sich kulturelle Diversität nur positiv auf den 4.4 Interkulturelle Teams aus einer politisch-rechtlichen Perspektive 139 <?page no="140"?> Teamerfolg und besonders auf die Kreativität im Team auswirkt, wenn sie im Unternehmen offen thematisiert, wertgeschätzt und akzeptiert wird“ (Fleischmann, 2014, S. 185). Auch Mathieu, Gilson und Ruddy (2006) weisen nach, dass sich ein offenes Unternehmensklima (als Bestandteil der Unternehmenskultur) positiv auf die Teamprozesse auswirken kann, wenn dadurch eine offene Kommunikation und Kooperation innerhalb und zwischen den Teams entsteht. Gleichzeitig wird durch eine offene Kommunikation und Kooperation auch eine diversitätsfördernde Unternehmenskultur entwickelt, die indi‐ viduelle kulturelle Unterschiede der Mitarbeiter berücksichtigt und als Leistungspotenzial begreift (Watrinet, 2008, S. 114). In Ergänzung zu einer Unternehmenskultur, die Fehler zulässt und als Lernchancen sieht, kann dar‐ aus eine Vertrauenskultur entstehen, die im Besonderen die interkulturelle Teamarbeit positiv beeinflusst, indem sie eine vertraute Teamatmosphäre schafft, in der alle Meinungen als konstruktiv angesehen werden. Weiter‐ hin sensibilisiert eine interkulturelle und offene Unternehmenskultur die Teammitglieder dahingehend, Veränderungen und wechselnde Rahmenbe‐ dingungen wahrzunehmen, wodurch die Anpassungsfähigkeit und Innova‐ tionskraft der interkulturellen Teams steigen, was wiederum zu besseren Teamleistungen führt (Bauschke, 2014, S.-17). Andererseits können interkulturelle Teams jedoch auch die Unterneh‐ menskultur beeinflussen, indem die Teammitglieder im Rahmen der Team‐ arbeit neue Erfahrungen machen, die ihre Werte und Einstellungen verän‐ dern. Die damit einhergehende Veränderung von Werten und Einstellungen fließt wiederum in die Unternehmenskultur mit ein, indem die Teammit‐ glieder beispielsweise ihre Arbeitsweise ändern oder andere Mitarbeiter von ihrer neuen Einstellung überzeugen. 4.4.7 Konsequenzen für den Einsatz interkultureller Teams Aus den vorangegangenen Ausführungen kann gefolgert werden, dass bei Veränderungsprozessen in Unternehmen neben strukturellen und stra‐ tegischen Maßnahmen die Unternehmenskultur als kritischer Faktor zu beachten ist. Eine starke Unternehmenskultur (hoher Verankerungsgrad und hohes Übereinstimmungsausmaß), die systemkompatibel ist, kann die Umsetzung von Unternehmensentwicklungen durch diverse Funktionen, wie beispielsweise Koordination, Motivation und Integration, unterstützen und somit die Interessen der Mitarbeiter mit den Interessen des Unterneh‐ 140 4 Interkulturelle Teams aus vier organisationstheoretischen Perspektiven <?page no="141"?> mens in Einklang bringen, um damit auch den Unternehmenserfolg zu beeinflussen. Diese katalysatorischen Wirkungen gelten auch für interkulturelle Teams. Demnach sensibilisiert eine starke, offene und interkulturelle Un‐ ternehmenskultur die Mitglieder interkultureller Teams für wechselnde Rahmenbedingungen, schafft eine Vertrauenskultur und fördert die Kreati‐ vität, wodurch sich auch die Prozesse und Leistungen in den interkulturellen Teams verbessern. Folglich kann von der in These 4 formulierten Annahme ausgegangen werden, dass sich die Leistung interkultureller Teams von der Unternehmenskultur positiv beeinflussen lässt. Kultur ist wichtig Die 5 Dimensionen von Kultur sind in jeder Unternehmenskultur unterschiedlich stark ausgeprägt. Ist die Führungskraft gut kennt sie die Kulturen in den verschiedenen Teilen ihrer Organisation und auch in den verschiedenen Teilen der Welt. Gute Führungskräfte passen ihren Führungsstil entsprechend an. In asiatischen Niederlassungen werden bspw. kollektive Ansätze gewählt (Marcouse et al., 2015, S.-108). Peter Druckers Zitat betont die Wichtigkeit der Kultur: „Die Kultur verspeist die Strategie zum Frühstück“ (Marcouse et al., 2015, S.-109). Zusammenfassung Wie interkulturelle Teams gebildet werden können, lässt sich wohl am besten aus unterschiedlichen Organisationstheorien (Ansätzen) bzw. -per‐ spektiven erläutern, da es nicht „die Theorie“ dafür gibt. Der strukturelle Organisationsansatz ist der grundsätzlichste Ansatz und muss, wie im Exkurs zu den formalen Organisationsstrukturen bei interna‐ tionalen Unternehmen behandelt, unbedingt berücksichtigt werden, ob als Struktur oder als Prozessorganisation. Alle weiteren Organisationsansätze sind komplementär zum strukturellen Organisationsansatz zu betrachten, und man kann je nach Organisationsproblem auf den einen oder anderen weiteren Organisationsansatz verzichten. 4.4 Interkulturelle Teams aus einer politisch-rechtlichen Perspektive 141 <?page no="142"?> • Bildung interkultureller Teams aus verhaltenswissenschaftlicher Orga‐ nisationsperspektive: Der Mensch will in einer formalen Organisations‐ struktur wie ein Mensch behandelt werden. Gerade in interkulturellen Teams prallen anerzogene Werte und Verhaltensweisen aufeinander, die erkannt, analysiert und gesteuert werden müssen, will das multina‐ tionale Unternehmen in seinen wirtschaftlichen Aktivitäten und dem Verkauf von Produkten erfolgreich sein. Gerade der Kommunikation und der Führung in interkulturellen Teams kommen hier Schlüsselrollen zu. • Politisch-rechtlicher Organisationsansatz zur Bildung politisch formaler und rechtlicher Rahmenbedingungen für die internationale Unterneh‐ mung: Bereits der römische Gelehrte Cicero wies vor 2000 Jahren darauf hin, dass alle Organisationsregeln und Gesetze von Menschen gemacht werden, und keine kulturelle Religion „naturgemäß“ oder „göttlich“ bestimmen kann, was gut und schlecht in Organisationen ist. Schließlich ist jede Religion von Menschen erdacht und nicht von Gott gegeben. Die Organisation und die interkulturellen Teams entwickeln eigene Regeln der Zusammenarbeit bzw. richten sich an staatlichen Gesetzen aus, z. B. Betriebsverfassungsgesetz, Mitbestimmungsgesetz, Einführung der Frauenquote, Diskriminierungsverbot etc. • Symbolischer Organisationsansatz zur Bildung von interkulturellen Teams: Die Mehrheit der Mitarbeiter brauchen Märchen, Mythen, Sagen, Religion(en), Rituale, um mit unverständlichen Aufgaben, Situationen, Unsicherheiten und Risiken in multinationalen Unternehmungen und in verschiedenen Ländern zurechtzukommen. Unternehmenskulturen in formalen Organisationsstrukturen helfen hier den Mitarbeitern, Ori‐ entierung zu bekommen und Rückschläge in der Arbeitswelt besser zu verkraften bzw. einen Organisationswandel aufgrund von internationa‐ len Zusammenschlüssen von Unternehmen besser zu verstehen. 142 4 Interkulturelle Teams aus vier organisationstheoretischen Perspektiven <?page no="143"?> 5 Organisationsstrukturen in multinationalen Unternehmen 5.1 Strukturelle Organisationsstrukturen Lernziel: Nach Bearbeitung dieses Abschnitts haben Sie ein Grundverständnis dafür, wie die Organisation eines multinationalen Unternehmens ge‐ staltet werden könnte. Sie haben abzuschätzen gelernt, welche Fakto‐ ren hierbei eine große Rolle spielen. Eine Organisation wird bestimmt durch die Art und Weise, wie die Aufga‐ ben, die zum Funktionieren des Unternehmens im Inland und im Ausland erforderlich sind, auf die einzelnen Stellen und Niederlassungen verteilt sind. Hintergrund ist ein kostenrechnerischer, unternehmerischer Ansatz und ein finanzorientierter Eigentümeransatz. • Zum kostenrechnerischen Ansatz: Jede Organisationsstelle, Niederlas‐ sung usw. ist kostenrechnerisch auch eine Kostenstelle. Das heißt, das Management fragt danach, wie diese Kostenstellenfunktion produktiv gelöst wird bzw. wie viel Kosten verursacht werden und welche „Er‐ träge“ durch diese Auslandsstelle(n) erzielt werden. • Zur finanzorientierten Perspektive der Aktionäre bzw. Eigentümer: Wie viel Kapital benötigt eine Auslandsniederlassung und mit welchem Free Cashflow kann gerechtet werden bzw. wann werden die Auslandsinves‐ titionen über die Organisation wieder eingespielt? Dabei wird folgende Risikofrage mitschwingen: Kann unter ausländischer Staatsführung der Niederlassung das Eigentum der Unternehmung z. B. auch verstaatlicht werden oder das organisatorische Durchgriffsrecht der Unternehmens‐ führung behindert werden? • Grundsätzlich stehen internationale Organisationsstrukturen im Fokus des Interesses, wenn Unternehmenswachstum eines Unternehmens besonders durch internationale Aktivitäten möglich ist. <?page no="144"?> Folgende Fragen müssen dabei u.-a. gelöst werden: • Will das Unternehmen seine Produktions- und Marketingaktivitäten 1: 1 ins Ausland übertragen? • Hat die Unternehmensleitung eine oder mehrere Strategien für das multinationale Unternehmen, die dann in entsprechende Organisations‐ strukturen und Organisationsprozesse überführt werden können? • Hat das Unternehmen genügend qualifiziertes Personal (Expatriates), das den organisatorischen Notwendigkeiten des Unternehmens ent‐ spricht, um alle Organisationsstellen zu besetzen? • Soll eine kapitalmarktorientierte Managerkontrolle der Landesnieder‐ lassungen im Sinne eines Shareholder-Value-Ansatzes erfolgen? • Wie können interne Schnittstellenprobleme zwischen der Mutterge‐ sellschaft und den Töchterunternehmen, aber auch zwischen der For‐ schungs- und Entwicklungsabteilung im In- und Ausland mit den Produktions- und Marketingabteilungen gelöst werden? • Wie kann ein sozialpsychologisches Modell der Commitment-Förde‐ rung in multinationalen Unternehmen verankert werden? Dieses Mo‐ dell besagt, dass die Beteiligung der Betroffenen in organisatorischen Stellen an den strategischen internationalen Entscheidungen der Unter‐ nehmung erfolgt, damit die Implementierung der Programme durch Manager und Mitarbeiter gefördert wird. Den Strukturen nationaler und internationaler Unternehmen wird seit den 1970er-Jahren in der Organisationsforschung in der deutschen Betriebswirt‐ schaft starke Beachtung geschenkt (Kutschker & Schmid, 2011, S. 475 ff. und Schmeisser et-al., 2014). Organisationsstrukturen beschreiben die Weisungs- und Kommunika‐ tionsstrukturen in multinationalen Unternehmen zwischen den Manage‐ mentebenen, die formalen Produktions- und Marketingzusammenhänge zwischen der Mutter- und den Tochterunternehmen in den verschiedenen Ländern sowie die internen und externen Verrechnungszusammenhänge, um den kostenrechnerischen und finanzwirtschaftlichen Notwendigkeiten gerecht zu werden. Die formalen internationalen Organisationsstrukturen bilden damit das Gerüst einer multinationalen Unternehmung ab. Formale Organisationsstrukturen können bis hinunter auf die individuellen Akteure festgelegt werden, um deren Effizienz kostenrechnerischer und finanzwirt‐ schaftlicher Art zu beurteilen. 144 5 Organisationsstrukturen in multinationalen Unternehmen <?page no="145"?> Formale Organisationstrukturen werden oft nach folgenden Kriterien beurteilt, um auf ihre Effizienz zu schließen: • Arbeitsteilung: Die Arbeitsteilung wird als strukturelles Grundprinzip betrachtet, denn je mehr Mengenteilung, Spezialisierung (Artenteilung) und Professionalisierung durch Bildung hochqualifizierter Stellen und damit Einsatz von Spezialisten erfolgt, desto höher wird die Produkti‐ vität. Oder anders ausgedrückt: Je größer die Arbeitsteilung, d. h. die Aufgliederung der zu erreichenden betrieblichen Ziele auf die Aktivitä‐ ten und deren Verteilung auf die Organisationsmitglieder (Sichtbar im Organigramm der multinationalen Unternehmung), desto höher ist die zu erwartende Produktivität. • Koordination: Je höher die Arbeitsteilung, desto höher ist der Ab‐ stimmungsbedarf in arbeitsteiligen Prozessen durch Manager, Teams, Automatisierung sowie durch Strategien und Programme. • Leitungsbeziehungen: Äußere Form des Gefüges organisatorischer Einheiten: Strukturelle Lenkungssysteme wie Stablinienorganisation, Teams, Geschäftsführungen der Auslandsniederlassungen etc. • Delegation: Zuordnung von Aufgaben, Verantwortlichkeiten, Ent‐ scheidungsbefugnissen (= Kompetenzen) auf verschiedenen Ebenen und Stellen im In- und Ausland der Unternehmung. • Standardisierung: Festlegung einheitlicher technischer Vorgaben im Rahmen der Arbeitsteilung zur besseren Aufgabenwahrnehmung bei der Erzielung und Erstellung unternehmerischer Geschäftsfelder und Produkte, um die Produktivität zu erhöhen und eine bessere kostenrech‐ nerische Wirtschaftlichkeit zu erzielen. In der Praxis findet man eine Vielzahl von strukturellen Alternativen, mit de‐ nen multinationale Unternehmen versuchen, auf die an sie herangetragenen politisch-rechtlichen, kulturellen und ökonomischen externen Umweltbe‐ dingungen und internen Anforderungen ihrer Anteilseigner, Manager und technologisch-produktionstechnischen, absatzwirtschaftlichen und verwal‐ tungsmäßigen internen Anforderungen zu reagieren. Folgt man Kutschker und Schmid (2011, S. 475 ff.), dann werden zur Bildung internationaler Organisationsstrukturen meist zwei Kriterien herangezogen: 1. Die organisatorische Stellung des Auslandsgeschäfts im Vergleich zum Inlandsgeschäft der Unternehmung. 2. Die Art der Spezialisierung, die die Organisationsstruktur bestimmt. 5.1 Strukturelle Organisationsstrukturen 145 <?page no="146"?> Charakterisiert man diese beiden Kriterien genauer, wie die organisatori‐ sche Stellung des Auslandsgeschäfts, muss eine weitere Differenzierung vorgenommen werden: (zu 1) ob das Auslandsgeschäft vom Inlandsgeschäft organisatorisch getrennt wird oder ob das Auslandsgeschäft mit dem Inlandsgeschäft vereinigt und zusammengefasst wird. Wird das Auslandsgeschäft der Tochterunternehmen vom Inlandsgeschäft der Muttergesellschaft organi‐ satorisch separiert bzw. abgespaltet, dann wird von segregierten bzw. differenzierten Organisationseinheiten oder Strukturen gesprochen. Wird dagegen das Auslandsgeschäft mit dem Inlandsgeschäft organisato‐ risch zusammengefasst, spricht man von integrierten Strukturen. Die „integrierten Organisationsstrukturmodelle“ werden auch als „globale Or‐ ganisationsstrukturmodelle“ bezeichnet. Was jedoch als „global“ im Fol‐ genden bezeichnet wird, ist in Anlehnung an Bartlett und Goshal (1989) zu verstehen. Globale Unternehmen sind nach Bartlett und Goshal auch internationale, multinationale und transnationale Unternehmen. (zu 2): Die Art der Spezialisierung ist wie bei nationalen Unterneh‐ mensstrukturen (Schmeisser et-al., 2014, S.-120-ff.) eine Gliederung nach • Funktionen (bzw. Aufgaben, Verrichtungen oder Handlungen, wie beschaffen, produzieren, verkaufen, verwalten); • Geschäftsbereichen und Produkten (bzw. Sachziele, wie beim VW-Konzern, Porsche, Audi etc.); • Regionen (bzw. Kontinente, Länder oder Märkte wie USA-Geschäft, China-Geschäft, Europa, Afrika, Frankreich, Spanien, Deutschland oder Märkte für Sportwagen, für Geschäftswagen etc.); • Kunden (für Diesel, Verbrennungsmotoren, Elektroautos etc. bis zum Verkaufspreis von 10 000, 20 000, 30 000, 50 000, 100 000 Euro) Es lässt sich analog sprechen von entweder • einer funktionalen Organisationsstruktur, • einer Geschäftsbereichsorganisationsstruktur angelehnt an ein strategi‐ sches Management mit unterschiedlichen Strategien, • einer Regionalorganisationsstruktur wie bei General Motors oder VW oder • einer Key-Account-Organisationsstruktur mit Deutscher Post, Bundes‐ wehr oder Geschäftskunden als gut zahlende Klientelen. 146 5 Organisationsstrukturen in multinationalen Unternehmen <?page no="147"?> Kombiniert man Organisationsstrukturen zwei-, drei- oder mehrmals, spricht man von Matrixbzw. Tensorstrukturen. Abb. 21 gibt eine Übersicht über die Grundformen internationaler Orga‐ nisationsstrukturen (Kutschker & Schmid, 2011, S.-491). Existiert eine ausländische erste Tochtergesellschaft, so erhält der Ge‐ schäftsführer (beispielsweise als „Expatriate“) eine Leitungsbeziehung (Lei‐ tungsspanne) mit einem relativ großen Entscheidungsspielraum. Die Muttergesellschaft will beobachten, wie sich der Absatz ihrer Pro‐ dukte und die Umsätze im Ausland entwickeln und ob irgendwann sogar Produktionsverlagerungen mit entsprechenden Investitionen anstehen. Aufgrund der geringen Bedeutung des bisherigen Auslandsgeschäfts kann eine kostspielige Anpassung der unspezifischen Organisationsstruktur unterbleiben und eine Aufblähung von Personal- und Sachkosten vermieden werden. Abb. 21: Übersicht über die Organisationsstrukturen (Kutschker & Schmid, 2011, S.-496) 5.1 Strukturelle Organisationsstrukturen 147 <?page no="148"?> 5.2 Unspezifische Organisationsstrukturen Gerade am Anfang der Internationalisierung von Unternehmen schlagen sich diese Aktivitäten im Ausland weder in der Strategie noch in der Organisation nieder. In Unternehmen werden eher zufällig erste Exporte getätigt und man erkennt, dass man sich mit dem Land bzw. den Ländern, in die man exportiert, genauer auseinandersetzen muss. Solange diese Auslandsengagements nur eine geringe Bedeutung haben, führen sie zu keiner nennenswerten Veränderung in der Gesamtorganisati‐ onsstruktur der Unternehmung. Erst wenn der Auslandsumsatz vom Gesamtumsatz relevante Größen von ca. 10 Prozent und mehr erreicht, sollte über andere Organisationsstrukturen nachgedacht werden, aufgrund von Zöllen, Wechselkursrisiken, Rohstoffen, Personalkosten, Materialkosten, Logistikkosten und protektionistischen Tendenzen von Regierungen. Diese Tatbestände verlangen in der Regel, Teile der Produktion ins Ausland zu verlegen und internationale Strategien etc. zu entwickeln, wie beispielsweise • Zielmarktstrategien, die den Zusammenhang von Marktpräsenz z. B. in Europa darlegen, • Marktselektionsstrategien z. B. für Großbritannien, Frankreich, Italien und • Marktsegmentierungsstrategien für länderübergreifende Zielgruppen, z. B. Sportwagen, SUVs wie Audi, BMW oder Mercedes, die international und integral ein Angehen erfordern. 5.3 Segregierte Organisationsstrukturen Segregierte Organisationsstrukturen zeichnen sich dadurch aus, dass das Auslandsgeschäft und das Inlandsgeschäft organisatorisch voneinander abgespalten werden bzw. das Charakteristikum des Organisationsmodells „Internationale Divisionen“ ist die Dichotomie von Inlandsgeschäft und Auslandsgeschäft auf der ersten Hierarchieebene unterhalb des Vorstands bzw. der Geschäftsleitung der Mutterunternehmung. Internationale Divisionen werden vor allem unter folgenden Be‐ dingungen gewählt: 148 5 Organisationsstrukturen in multinationalen Unternehmen <?page no="149"?> • Das Auslandsgeschäft hat eine so große Bedeutung erlangt, dass es mit unspezifischen Organisationsstrukturen nicht mehr zu steuern, zu koordinieren und kostenrechnerisch zu kontrollieren ist. • Das Auslandsgeschäft ist geografisch weit gestreut und auf viele Toch‐ tergesellschaften verteilt. In Abb. 22 werden Grundmodelle segregierter Organisationsstrukturen vorgestellt. Fall 1: Segregierte Organisation bei Funktionalgliederung des Inlandsgeschäfts Fall 2: Segregierte Organisation bei Geschäftsbereichs-/ Produktglieder und des Inlandsgeschäfts Fall 3: Segregierte Organisation bei Regionalgliederung des Inlandsgeschäfts - Abb. 22: Grundmodelle segregierter Organisationsstrukturen (eigene Darstellung in An‐ lehnung an Kutschker & Schmid, 2011, S.-502) 5.3 Segregierte Organisationsstrukturen 149 <?page no="150"?> 5.4 Integrierte Organisationsstrukturen Integrierte internationale Funktionalstrukturen werden dann gewählt, wenn in multinationalen Unternehmen weltweit relativ einheitliche Pro‐ dukte und Technologien vertrieben werden, wie bei Airbus, Apple, BMW, und wenn eine weltweit hohe Neigung zur technischen Standardisierung und Programmierung im Unternehmen vorliegt. In dieser Organisationsform erhalten die Funktionalressorts weltweite Verantwortung (Kutschker & Schmid, 2011, S.-507). Abb. 23: Grundmuster der integrierten Funktionalstruktur (aus Kutschker & Schmid, 2011, S.-507) Wird die Organisationsform der integrierten Geschäftsbereichs-/ Produkt‐ struktur gewählt, erhalten die Manager der Geschäfts- und Produktbereiche weltweite Linienverantwortung. Somit sind diese Manager im In- und Ausland für die entsprechenden Geschäftsbzw. Produktbereiche verant‐ wortlich. Abb. 24: Grundmuster der integrierten Geschäftsbereichs-/ Produktstruktur (aus Kutschker & Schmid, 2011, S.-512) 150 5 Organisationsstrukturen in multinationalen Unternehmen <?page no="151"?> Die Organisationsform der integrierten Regionalstrukturen beinhal‐ tet, dass unterschiedliche Produkte, Geschäftsbereiche und Funktionen unter einem Dach implementiert werden. Dieses Modell wird gewählt, wenn • ein relativ hoher Umfang an internationalen Tätigkeiten anfällt und im Ausland eine Produktionsstätte errichtet wird (und nicht nur eine Niederlassung), • die Notwendigkeit zu einer starken länderbzw. regionalspezifischen Anpassung vorhanden ist und • zudem die Verhandlungen mit den ausländischen Behörden, Verbänden und Regierungsstellen eine zentrale Rolle für den Geschäftserfolg dar‐ legen (Kutschker & Schmid, 2011, S.-519). Abb. 25: Grundmuster der integrierten Regionalstruktur (aus Kutschker & Schmid, 2011, S.-519) Mehrdimensionale integrierte Strukturen werden von Unternehmen mit zunehmender Internationalisierung gewählt, da die integrierten Funk‐ tional-, Geschäftsbereichs-, Produkt-, Regional und Key-Account-Struktu‐ ren in diesem Fall entscheidende Nachteile aufweisen. Wenn zwei Kritierien zur Organisationsgliederung ausgewählt werden, wird von einer Matrixstruktur gesprochen. Eine Tensorstruktur ergibt sich, wenn drei Kriterien simultan berück‐ sichtigt werden. 5.4 Integrierte Organisationsstrukturen 151 <?page no="152"?> Abb. 26: Beispiel Basisvariante: Internationale Matrixorganisation (Pausenberger, 1992, S.-1061; aus Siedenbiedel, 2008, S.-225) 152 5 Organisationsstrukturen in multinationalen Unternehmen <?page no="153"?> Abb. 27: Tensororganisation (Kutschker & Schmid, 2011, S. 532; Siedenbiedel, 2008, S. 227) Abb. 28: Intra- und interorganisationale Netzwerkstrukturen (aus Kutschker & Schmid, 2011, S.-546) 5.4 Integrierte Organisationsstrukturen 153 <?page no="154"?> Interorganisationale Netzwerke unterhalten auf langfristiger Basis Be‐ ziehungen zwischen zwei oder mehreren unabhängigen und selbstständi‐ gen Firmen. In der Regel geben unabhängige und rechtlich selbstständige Unternehmen einen Teil ihrer Unabhängigkeit und Selbstständigkeit auf, um mit anderen Unternehmen zu kooperieren. Netzwerke entstehen dabei durch eine partielle Ausgliederung betrieblicher Funktionen und durch eine partielle Integration externer Faktoren (Kutschker, 2011, S. 538). Laut Kutschker sind intraorganisationale Netzwerkstrukturen in der Praxis bis‐ her nur ansatzweise verwirklicht (Kutschker & Schmid, 2011, S.-546). Übung 20 Welche vier Grundformen des strukturellen Ansatzes werden für inter‐ nationale Unternehmen unterschieden? Finden Sie je ein Beispiel-Un‐ ternehmen für so eine Organisationsstruktur. Zusammenfassung Der strukturelle Organisationsansatz ist der entscheidende und grundsätzli‐ che Theorieansatz für jede Unternehmung. Welche Organisationsstrukturen daraus abgeleitet werden können, hängt von der Technologie und vom Produktprogramm der multinationalen Unternehmung ab. Inwiefern man psychologische, politisch-rechtliche oder kulturelle Aspekte neben den strukturellen Aspekten bei Unternehmensorganisationen zusätzlich berück‐ sichtigen will und muss, hängt von den internen und externen Problemen ab, denen sich das multinationale Unternehmen ausgesetzt sieht. Fazit zu Kapitel 3 bis 5 Zum Abschluss dieses Kapitels folgt eine kurze Zusammenfassung der wesentlichen Inhalte. Gestartet sind wir mit einer Erklärung, warum interkulturelle Teams in multinationalen Organisationen so wichtig sind. Sie sind es deshalb, da sie über den Erfolg oder Misserfolg eines Unternehmens entscheiden können. Dem folgten die Grundlagen der Interkulturalität in Bezug auf Teams. Multinationale Unternehmen müssen sich auf die unterschiedlichen Kulturen einlassen und multinational aufgestellt sein. 154 5 Organisationsstrukturen in multinationalen Unternehmen <?page no="155"?> Es wurden die interkulturellen Teams aus vier organisationstheoreti‐ schen Perspektiven betrachtet: • Die Organisation als Maschine (strukturelle Perspektive) • Die Organisation als soziales System (verhaltenswissenschaftliche Perspektive) • Die Organisation als politische Arena (politisch-rechtliche Per‐ spektive) • Die Organisation als Theater (symbolische Perspektive) Dieser Abschnitt schloss mit der Erläuterung der Konsequenzen für den Einsatz internationaler Teams. Das Kapitel endet mit der Darstel‐ lung, wie Organisationsstrukturen in multinationalen Unternehmen aussehen und aussehen können. 5.4 Integrierte Organisationsstrukturen 155 <?page no="157"?> Bearbeitungshinweise zu den Übungen Übung 1: Multinationale Unternehmen sind Unternehmen, die mindestens in zwei Ländern einkaufen, produzieren und/ oder ihre Ware verkaufen. Übung 2: Seit mindestens 8.000 - 10.000 Jahren wird internationaler Handel von Unternehmen betrieben. Mit dem internationalen Handel erwarb man Rohstoffe, Produkte, Sklaven usw., die man im eigenen Land nicht oder nur sehr teuer bekommen konnte. Übung 3: Unter Globalisierung versteht man die gesamte Vernetzung von Unterneh‐ men und Ländern weltweit durch informative, kommunikative, technische, politische und ökonomische Prozesse untereinander. Übung 4: Anhand der Umsätze, der Vernetzungen von Unternehmen untereinander, des Rohstoff-, Energie-, Arbeitskräfte- und Warenaustausches, der internationalen Handelsverträge, der Schifffahrt, der Eisenbahnverknüpfungen, der Flugzeug‐ verbindungen, der Wanderungsquoten von Bevölkerungsgruppen usw. kann Internationalisierung und Globalisierung messbar gemacht werden. Übung 5: Absoluter Kostenvorteil im Sinne von Adam Smith: Ein Unternehmen kauft in dem Land - Freihandel zwischen den Staaten vorausgesetzt -, in dem die Produkte, Rohstoffe und die menschliche Arbeitskraft aufgrund der in‐ ternationalen Arbeitsteilung am billigsten sind. Relativer oder komparativer Kostenvorteil: Der englische Nationalökonom David Ricardo hat nachge‐ wiesen, dass der internationale Tauschhandel zur Wohlfahrtssteigerung <?page no="158"?> der Länder beiträgt. Auch wenn man nur die relativen Kostenvorteile von Produktionskosten der entsprechenden Güter zueinander in Vergleich setzt. Übung 6: Heckscher (1949) und Ohlin (1933) erläuterten Aussagen über die Wirkung internationalen Handels auf die Faktorpreise getauschter Güter, wonach sich Unterschiede in den Faktorpreisrelationen vermindern und über die Zeit vollständig ausgleichen. Übung 7: Vernon betrachtet mit seinem Ansatz nur Direktinvestitionen, was zumin‐ dest im Widerspruch zum Heckscher/ Ohlin-Theorem steht, sofern es sich um kapitalintensive Güter handelt. Übung 8: Auswahlkriterien 158 Bearbeitungshinweise zu den Übungen <?page no="159"?> Übung 9: Für die erfolgreiche Umsetzung einer Global-Sourcing-Strategie müssen seitens der beauftragenden Unternehmen einige Grundvoraussetzungen erfüllt werden, darunter die folgenden: • Das Unternehmen sollte eine gewisse Mindestgröße vorweisen, um nötige Marktforschungs- und Implementierungsaktivitäten vor Ort fi‐ nanziell bewältigen sowie die nötige datentechnische Infrastruktur über Ländergrenzen hinweg auf- oder ausbauen zu können. • Zudem sind die Kosten durch Reisen und die nötige Reisezeit ungleich höher, als wenn ein lokales oder regionales Unternehmen beauftragt würde. • Das Unternehmen sollte Erfahrungen in der internationalen Beschaf‐ fungsorganisation haben und über Mitarbeiter verfügen, die internatio‐ naler Verkehrssprachen mächtig sind. • Für das Global Sourcing kommen fast nur Beschaffungsobjekte mit einem hohen Beschaffungsvolumen infrage, da sonst Einsparungen durch (hohe) Transport- und Logistikkosten überkompensiert werden. • Das Unternehmen muss mit deutlich längeren Lieferzeiten rechnen als bei regionaler Beschaffung oder Produktion. • Es ist sinnvoll, mit einer Vielzahl von Lieferanten langfristige Verträge zu vereinbaren, um sich so Rabatte zu sichern, die sonst nur bei der Strategie „wenige Lieferanten - hohe Mengenrabatte“ zu erzielen wären. Übung 10: Länderrisiken und Lieferantenrisiken Übung 11: Der Aufbau einer Kultur und ihrer Merkmale lässt sich durch das Kultur‐ zwiebelmodell von Hofstede darstellen. Demnach offenbart sich eine Kultur durch Symbole, Helden, Rituale und Werte, wie in Abbildung 5 dargestellt. Die dabei gewählte Form einer Zwiebel für das Kulturmodell skizziert bereits den Aufbau einer Kultur. Um die darunterliegenden Schichten zu verstehen, ist eine Kultur von außen nach innen zu begreifen. Die Praktiken mit ihren Bestandteilen Symbole, Helden und Rituale sind sichtbar und klar zu erfassen, genau wie bei der bereits vorgestellten Percepta-Ebene. Doch Bearbeitungshinweise zu den Übungen 159 <?page no="160"?> um sie zu verstehen, bedarf es eines weiteren Vordringens bis hin zu den Werten, die nicht sichtbar sind und mit der Concepta-Ebene verglichen werden können. Der erste Eindruck einer Kultur wird bei Hofstede durch die äußerste und sichtbarste Schicht der Symbole gewonnen. „Symbole sind Worte, Gesten, Bilder oder Objekte, die eine bestimmte Bedeutung haben, welche nur von denjenigen als solche erkannt wird, die der gleichen Kultur angehören.“ Mögliche Symbole können beispielsweise Sprache, Architektur, Kunst oder Kleidung sein, die durch kulturfremde Individuen wahrgenommen und als Realität erfasst werden. Die zweite Schicht des Modells bilden die Helden als Verbindung zwischen Symbolen und Ritualen. „Helden sind Personen, tot oder lebend, echt oder fiktiv, die Eigenschaften besitzen, die in einer Kultur hoch angesehen sind.“ Die in der jeweiligen Kultur lebenden Menschen nehmen oft auf ihre Helden Bezug, ohne dass Außenstehende die Anspielungen verstehen können. Die dritte und letzte Schicht der sichtbaren Praktiken bilden die Rituale, die „kollektive Tätigkeiten [repräsentieren], die für das Erreichen der angestrebten Ziele eigentlich überflüssig sind, innerhalb einer Kultur aber als sozial notwendig gelten: Sie werden daher um ihrer selbst willen ausgeübt“. Solche Rituale können beispielsweise nationale Feiertage oder Karnevalsumzüge sein. Die tiefste Ebene der Kultur bilden die Werte, die für eine „allgemeine Neigung [stehen], bestimmte Umstände anderen vorzuziehen. Werte sind Gefühle mit einer Orientierung zum Plus- oder zum Minuspol hin“. Somit sind Werte der grundlegende Kern einer Kultur, der auch von den eigenen Mitgliedern der Kultur nur sehr schwer erfasst oder gar sprachlich ausge‐ drückt werden kann. Sie bestimmen, was die Menschen als gut oder schlecht empfinden und drücken sich beispielsweise auch in religiösen Einstellungen aus. Übung 12: Bis heute ist eine derartige Studie nie wieder erreicht worden. Sie gilt deshalb als die Vorzeigestudie überhaupt. Übung 13: Kulturdimensionen lassen sich wie in Abbildung 6 unterscheiden: 160 Bearbeitungshinweise zu den Übungen <?page no="161"?> Übung 14: Abbildung 10 gibt die entscheidenden Hinweise. Übung 15: Die jeweiligen Organisationsprämissen finden sich in den Boxen in den Abschnitten 4.1.1 bis 4.1.4. Übung16: Die Anzahl der Teammitglieder ist ausschlaggebend für eine erfolgreiche Zusammenarbeit (Grunwald, 1996, S. 742 f.). Im Zuge dessen sollte ein Team „groß genug sein, um eine produktive Vielfalt von Erfahrungen, Wissen und Fertigkeiten zu repräsentieren; es sollte aber auch klein genug sein, um rein praktisch den Austausch von Informationen und Argumenten zwischen allen Beteiligten reibungslos zu ermöglichen“ (Krüger, 2009, S. 29). Eine optimale Anzahl von Teammitgliedern wird in der Literatur ausgiebig dis‐ kutiert, wobei die meisten Autoren eine kleine Anzahl für sinnvoll erachten (Forsyth, 2010, S. 3). So gibt Saurwein basierend auf einer Literaturanalyse eine optimale Teamgröße von drei bis fünfzehn Mitgliedern an (Saurwein, 1996, S. 99). Auch Grunwald liegt mit seiner Analyse in dieser Spanne und definiert sieben Mitglieder als Optimum (Grunwald, 1996, S. 744). Im Idealfall sind gerade Mitgliederzahlen zu umgehen, um Pattsituationen bei Entscheidungen und Aufspaltungen in gleichstarke Untergruppen zu vermeiden. Zudem sind zur Bestimmung der optimalen Teamgröße jedoch immer aufgaben- und situationsspezifische Variablen zu berücksichtigen. Übung 17: (1) Entwicklungsprozess nach DiStefano und Maznevski Erfolgreiche interkulturelle Teams durchlaufen drei Schritte, welche parallel zu der normalen Teamentwicklung stattfinden und die Voraussetzung für eine gute Teamleistung bilden. DiStefano und Maznevski nennen diese drei Schritte Mapping, Bridging und Integrating. Siehe auch Abbildung 13. (2) Zeutschel geht davon aus, dass ein interkulturelles Team fünf Phasen der Teamentwicklung durchlaufen muss, und darüber hinaus vier eigene Interaktionskategorien vorweisen muss. Siehe dazu die Abbildung 14. Bearbeitungshinweise zu den Übungen 161 <?page no="162"?> Übung 18: Wie in Abbildung 19 dargestellt, lassen sich die genannten kulturellen Um‐ gangsformen mit Konflikten auch in das Konflikttypenmodell von Thomas einordnen, welches fünf mögliche Verhaltensweisen in Konfliktsituationen aufzeigt. Demnach reagieren Individuen je nach Orientierung an den eige‐ nen und/ oder fremden Interessen in Konflikten entweder mit Vermeidungs-, Durchsetzungs-, Nachgabe-, Kompromiss- oder Konsensstrategien. Übung 19: Wie in der folgenden Abbildung dargestellt, führt Glasl aufgrund der spe‐ zifischen Merkmale der Eskalationsstufen sechs verschiedene Konfliktlö‐ sungsmechanismen an, die zwar nicht immer eine gewinnbringende Lösung für beide Konfliktparteien bereithalten, aber eine möglichst effiziente und konfliktreduzierende Lösung anstreben. Siehe auch Abbildung 20. Demnach sind Konflikte auf den ersten drei Eskalationsstufen (Verhär‐ tung, Polarisierung und Debatte und Taten statt Worte) idealerweise durch die beteiligten Personen selbst oder mithilfe eines Moderators zu lösen, da in dieser Phase der Konflikt noch für alle beteiligten Personen zu gewinnen ist. So fördert ein Moderator lediglich die Selbstklärung und hilft, die Beziehungen zwischen allen Beteiligten zu verbessern. Mit Fortschreiten der dritten bis zur fünften Eskalationsstufe (Taten statt Worte, Sorge um Image bzw. Koalition und Gesichtsverlust) kann der Konflikt nur noch mithilfe außenstehender Personen (wie dem Teamleiter) durch Prozessbegleitung gelöst werden, da die beteiligten Personen nicht mehr miteinander reden und sich der Konflikt von der Sachauf die Beziehungsebene verlagert hat. Durch eine Prozessbegleitung wird den beteiligten Partnern nützliches Wissen vermittelt, um Konflikte in Zukunft selbst lösen zu können. Diese Prozessbegleitung kann auf den Stufen vier bis sechs (Sorge um Image bzw. Koalition, Gesichtsverlust und Drohstrategien) durch sozio-the‐ rapeutische Elemente ergänzt werden, die vor allem die Gefühle und unbe‐ wussten Blockaden der Beteiligten in den Fokus stellen. Hat sich der Konflikt bereits auf der fünften bis zur siebten Stufe (Ge‐ sichtsverlust, Drohstrategien und begrenzte Vernichtungsschläge) verhär‐ tet, ist der Konfliktprozess nicht mehr nur zu begleiten. Es gilt vor allem, 162 Bearbeitungshinweise zu den Übungen <?page no="163"?> die Konfliktursachen durch Mediation aufzudecken und einen Kompromiss zwischen den Beteiligten auszuhandeln. Gelangt die Mediation an ihre Grenzen, kann auf der sechsten bis zur achten Stufe (Drohstrategien, begrenzte Vernichtungsschläge und Zersplit‐ terung) ein Schiedsverfahren bzw. Gerichtsverfahren eingesetzt werden. Dabei wird der Konflikt durch Fakten und Tatsachen von einem neutralen (Schieds-)Gericht gelöst, dessen Entscheidungen die beteiligten Personen dann akzeptieren. Bei hoch eskalierten Konflikten auf den Stufen sieben bis neun (begrenzte Vernichtungsschläge, Zersplitterung und gemeinsam in den Abgrund) hilft dann allerdings nur noch ein direkter Machteingriff von außen, der eine weitere Eskalation verhindert und Maßnahmen gegen den Willen der Beteiligten durchsetzt. Übung 20: Es lassen sich • die funktionale Organisationsstruktur, • die Geschäftsbereichsorganisationsstruktur, • die Regionalorganisationsstruktur und • die Key-Account-Organisationsstruktur unterscheiden. Beispiele recherchieren Sie bitte im Netz. Bearbeitungshinweise zu den Übungen 163 <?page no="165"?> Literatur Allport, G. W. (1954). The Nature of Prejudice. Reading, MA: Addison-Wesley. Badische Anilin- & Soda-Fabrik [BASF]. (2017). Verhaltenskodex. Compliance-Pro‐ gramm der BASF-Gruppe [PDF]. Verfügbar am 01.08.2017 unter http: / / on.basf.c om/ 2akx1jB Barmeyer, C. I. & Davoine, E. (2006). Interkulturelle Zusammenarbeit und Führung in internationalen Teams: Das Beispiel Deutschland-Frankreich. Zeitschrift Füh‐ rung + Organisation, 75(1), 35-39. Bartlett, C. A. & Ghoshal, S. (1990). Internationale Unternehmensführung: Innova‐ tion, globale Effizienz differenziertes Marketing. Frankfurt: Campus. Bauschke, R. (2014). Unternehmenskultur und Unternehmenserfolg. In N. Homma, R. 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Primärorganisation-98, 107-110 Primärorganisationsstruktur-114 Primär- und Sekundärorganisation-106 Sekundärorganisation-97f., 109ff., 114 Supply Chain Management-32, 45 Teamarbeit-93, 108, 113f., 123, 127, 129, 140 interkulturelle-93, 114, 130, 132, 140 Teams- interkulturelle-93, 108, 118, 132, 134, 137, 141, 154 Unternehmenskultur-103, 105, 141 Vertikalisierung-37 Wertschöpfungskette-66 <?page no="176"?> Bisher sind erschienen: Ulrich Sailer Digitalisierung im Controlling Transformation der Unternehmenssteuerung durch die Digitalisierung 2023, 104 Seiten €[D] 17,90 ISBN 978-3-381-10301-0 Michael von Hauff Wald und Klima Aus der Perspektive nachhaltiger Entwicklung 2023, 85 Seiten €[D] 17,90 ISBN 978-3-381-10311-9 Ralf Hafner Unternehmensbewertung 2024, 133 Seiten €[D] 17,90 ISBN 978-3-381-11351-4 Irene E. Rath / Wilhelm Schmeisser Internationale Unternehmenstätigkeit Grundlagen, Führung, Organisation 2024, 175 Seiten €[D] 17,90 ISBN 978-3-381-11231-9 nuggets Die Reihe nuggets behandelt anspruchsvolle Themen und Trends, die nicht nur Studierende beschäftigen. Expert: innen erklären und vertiefen kompakt und gleichzeitig tiefgehend Zusammenhänge und Wissenswertes zu brandneuen und speziellen Themen. Dabei spielt die richtige Balance zwischen gezielter Information und fundierter Analyse die wichtigste Rolle. Das Besondere an dieser Reihe ist, dass sie fachgebiets- und verlagsübergreifend konzipiert ist. Sowohl der Narr-Verlag als auch expert- und UVK-Autor: innen bereichern nuggets. <?page no="177"?> ISBN 978-3-381-11231-9 Dieses Buch umfasst die Grundlagen zur internationalen Unternehmenstätigkeit und die damit verbundene Fertigung, Beschaffung und das Sourcing multinationaler Unternehmen. Dabei spielen sowohl Wertschöpfungskette - am Beispiel der Bekleidungsindustrie in sogenannten Niedriglohnländern - als auch die industrielle Revolution als Globalisierungstreiber eine Rolle. Das Schlagwort Industrie 4.0 ist hierbei ein wesentliches Thema. Danach geht das Buch auf die unterschiedlichen organisationstheoretischen Perspektiven ebenso ein wie auch auf die Untersuchung interkultureller Teams aus vier organisationstheoretischen Perspektiven. Abschließend werden die wichtigsten Organisationsstrukturen in multinationalen Unternehmen dargestellt. Leser: innen finden in den einzelnen Kapiteln und Abschnitten sowohl Lernziele und Inhaltsstrukturhinweise zu Beginn als auch Übungen und Zusammenfassungen am Ende. Hinweise zur Bearbeitung der Übungen haben die Autor: innen an das Ende des Buches gestellt. Das Buch richtet sich an Studierende der Betriebswirtschaftslehre an Universitäten und Hochschulen. Rath / Schmeisser Internationale Unternehmenstätigkeit Irene E. Rath / Wilhelm Schmeisser Internationale Unternehmenstätigkeit Grundlagen, Führung, Organisation