Das Lehrwerk im Fremdsprachenunterricht der Sekundarstufe I
Eine Mixed-Methods-Studie zu subjektiven Sicht- und Verwendungsweisen von Spanischlehrkräften
0115
2024
978-3-3811-1262-3
978-3-3811-1261-6
Gunter Narr Verlag
Johanna Lea Korell
10.24053/9783381112623
Lehrwerke stellen im Fremdsprachenunterricht ein maßgebliches Instrument dar, das die Lehr- und Lernkultur nachhaltig beeinflusst. Doch noch immer liegen kaum empirische Erkenntnisse zur Wahrnehmung von und zum Umgang mit Lehrwerken durch Lehrende und Lernende vor. Mit der vorliegenden Mixed-Methods-Studie wird die Interaktion von Lehrkräften mit dem Lehrwerk erstmalig einer multiperspektivischen Betrachtung unterzogen und das Lehrwerk in der Faktorenkomplexion des Fremdsprachenunterrichts ergründet. Anhand der Kombination und Integration quantitativer und qualitativer Erhebungs- und Auswertungsmethoden werden lehrwerk(verwendungs-)bezogene Kenntnisse, Einstellungen, Rezeptions- und Verwendungsweisen von Spanischlehrkräften sowie strukturelle Faktoren der Lehrwerknutzung ermittelt. Die Untersuchung liefert damit zentrale Erkenntnisse, die für die Lehrwerkforschung und Lehrer:innenbildung von Bedeutung sind.
<?page no="0"?> Giessener Beiträge zur Fremdsprachendidak�k Johanna Lea Korell Das Lehrwerk im Fremdsprachenunterricht der Sekundarstufe I Eine Mixed-Methods-Studie zu subjektiven Sicht- und Verwendungsweisen von Spanischlehrkräften <?page no="1"?> Das Lehrwerk im Fremdsprachenunterricht der Sekundarstufe I <?page no="2"?> G I E S S E N E R B E I T R ÄG E Z U R F R E M D S P R A C H E N D I DA K T I K Herausgegeben von Eva Burwitz-Melzer, Wolfgang Hallet, Jürgen Kurtz, Michael Legutke, Hélène Martinez, Franz-Joseph Meißner (†) und Dietmar Rösler Begründet von Lothar Bredella, Herbert Christ und Hans-Eberhard Piepho <?page no="3"?> Johanna Lea Korell Das Lehrwerk im Fremdsprachenunterricht der Sekundarstufe I Eine Mixed-Methods-Studie zu subjektiven Sicht- und Verwendungsweisen von Spanischlehrkräften <?page no="4"?> DOI: https: / / doi.org/ 10.24053/ 9783381112623 © 2024 · Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5 · D-72070 Tübingen Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Alle Informationen in diesem Buch wurden mit großer Sorgfalt erstellt. Fehler können dennoch nicht völlig ausgeschlossen werden. Weder Verlag noch Autor: innen oder Herausgeber: innen übernehmen deshalb eine Gewährleistung für die Korrektheit des Inhaltes und haften nicht für fehlerhafte Angaben und deren Folgen. Diese Publikation enthält gegebenenfalls Links zu externen Inhalten Dritter, auf die weder Verlag noch Autor: innen oder Herausgeber: innen Einfluss haben. Für die Inhalte der verlinkten Seiten sind stets die jeweiligen Anbieter oder Betreibenden der Seiten verantwortlich. Internet: www.narr.de eMail: info@narr.de CPI books GmbH, Leck ISSN 0175-7776 ISBN 978-3-381-11261-6 (Print) ISBN 978-3-381-11262-3 (ePDF) ISBN 978-3-381-11263-0 (ePub) Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http: / / dnb.dnb.de abrufbar. www.fsc.org MIX Papier aus verantwortungsvollen Quellen FSC ® C083411 ® <?page no="5"?> 11 1 13 1.1 13 1.2 16 2 19 2.1 19 2.1.1 19 2.1.2 25 2.1.3 28 2.1.4 31 2.2 40 2.3 54 2.3.1 55 2.3.2 65 2.3.2.1 65 2.3.2.2 69 2.3.2.3 76 2.3.3 99 2.3.4 106 2.4 106 2.4.1 108 2.4.1.1 109 Inhalt Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Forschungsanlass, Zielsetzungen und Untersuchungsdesign . . . . . . . . . Struktur der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Theoretischer Teil: Grundlagen und Bezugsrahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das (Spanisch-)Lehrwerk als Forschungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . Terminologische Klärung und Abgrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . Konzeptionelle und strukturelle Betrachtung . . . . . . . . . . . . . . . Einflussfaktoren auf Lehrwerke und ihre Erforschung . . . . . . . Zur Bedeutung des Lehrwerks im Fremdsprachenunterricht: Funktionen, Grenzen und Alternativen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Fremdsprachenunterricht Spanisch und seine Lehr- und Lernmaterialien im Wandel der Zeit: historische Entwicklung und aktuelle Tendenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fremdsprachendidaktische Lehrwerkforschung: Von der Lehrwerkanalyse zur Verwendungsforschung - eine Systematisierung des Forschungsfelds . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dimensionen der Lehrwerkforschung: Begriffs- und Konzeptbestimmung sowie -abgrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Spanischdidaktische Lehrwerkforschung: Analyse des Forschungsstands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Lehrwerkanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Lehrwerkentwicklung: Fortschritt, Probleme und Perspektiven Empirische Lehrwerkforschung im engeren Sinn: Meinungen, Erwartungen und Nutzungsverhalten von Lehrenden und Lernenden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Interaktion von Lehrenden mit Lehrwerken: theoretische Zugänge und Konzeptualisierungsversuche im Forschungsdiskurs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zwischenfazit und Ausgangsbasis für die vorliegende Studie . . Erkenntnisinteresse, terminologische Standortbestimmung und Konzeptualisierung des Untersuchungsgegenstands - ein multidimensionaler Zugang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Subjektive Sichtweise auf das Lehrwerk und seine Verwendung Kognitive Dimension . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . <?page no="6"?> 2.4.1.2 113 2.4.1.3 117 2.4.2 120 2.4.3 122 2.4.4 123 3 127 3.1 127 3.2 131 3.2.1 131 3.2.2 132 3.2.3 136 3.2.4 137 3.3 137 3.4 142 3.4.1 142 3.4.2 146 3.5 154 3.5.1 154 3.5.2 160 3.5.3 164 3.5.4 167 3.6 167 3.7 173 3.8 176 3.8.1 177 3.8.2 181 3.8.3 187 3.8.4 189 Affektive Dimension . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zwischenfazit und Abgrenzung von anderen Konzepten . . . . . . Rezeption und Verwendung des Lehrwerks . . . . . . . . . . . . . . . . . Strukturelle Faktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zwischenfazit und abschließende Konzeptualisierung des Untersuchungsgegenstands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Empirischer Teil: Konzeption und Durchführung der Studie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Forschungsfragen und Einordnung der Studie in das Forschungsfeld . . Kontextuelle Rahmung der empirischen Studie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zugang zum Forschungsfeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Samplingstrategien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Untersuchungszeiträume . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pandemiebezogene Umstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Forschungsethische Gesichtspunkte: Perspektiven und Handlungsfelder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mixed Methods . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Forschungsmethodologische Verortung: Grundlegendes Methodenverständnis sowie terminologische Standortbestimmung und Abgrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Methodische Überlegungen und Begründung eines Mixed-Methods-Designs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erhebungsmethoden und Konzeption der Erhebungsinstrumente . . . . . Quantitative explorative Studie: schriftliche Online-Befragung Qualitativer Studienteil I: videographische Unterrichtsbeobachtung unter Einbezug von Unterrichtsvorbereitungen und Materialnutzungsdokumentationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Qualitativer Studienteil II: leitfadengestützte mündliche Befragung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pilotierung der Erhebungsinstrumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Datenaufbereitung: Verfahren anhand der einzelnen Datensätze . . . . . Datenauswertung: theoretische Überlegungen und Begründung der Gegenstandsangemessenheit der gewählten Auswertungsmethoden . . Quantitative Auswertungsmethode: uni- und bivariate Statistik Qualitative Auswertungsmethode: qualitative Inhaltsanalyse . . Datenanalyse in der vorliegenden Mixed-Methods-Studie . . . . . Software beim Datenauswertungsprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 Inhalt <?page no="7"?> 4 193 4.1 195 4.2 198 4.2.1 198 4.2.1.1 199 4.2.1.2 205 4.2.2 222 4.2.2.1 223 4.2.2.2 227 4.2.2.3 247 4.2.3 251 4.3 261 4.3.1 262 4.3.1.1 262 4.3.1.2 275 4.3.2 277 4.3.3 291 4.3.3.1 291 4.3.3.2 304 4.3.4 370 4.3.4.1 370 4.3.4.2 386 Empirische Untersuchungsergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zur Kontextualisierung der Untersuchungsergebnisse: Demographisch-biographische Daten unter lehrwerkbezogenen Gesichtspunkten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die subjektive Sichtweise auf Lehrwerke und ihre Verwendung von Spanischlehrkräften (Quant-Qual) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zur kognitiven Dimension . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kenntnisse über das Lehrwerk (deklarativ) . . . . . . . . . . . . . . . . . Kenntnisse über die Lehrwerkverwendung (prozedural) und selbstbezogene Kognitionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zur affektiven Dimension . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (Un-)Zufriedenheit mit dem Lehrwerk, Erwartungen und Wünsche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einstellungen der Lehrkräfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Motivational-volitionale Aspekte und ihre Auswirkung auf den Umgang mit Lehrwerken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusammenfassung, Diskussion und Einbettung der Befunde in den fremdsprachendidaktischen Forschungsdiskurs . . . . . . . . . . Die Rezeption und Verwendung des Lehrwerks von Spanischlehrkräften (Quant-QUAL) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Motive der Lehrwerkrezeption und -verwendung im Verbund mit den subjektiven Sichtweisen der Lehrkräfte . . . . . . . . . . . . . Fremdsprachendidaktische Motive: didaktisch-methodische Prinzipien und Tendenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Situative Parameter: lerngruppenbedingte Umstände und Unterrichtsvorkommnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rezeption des Spanischlehrwerks im Zuge der Unterrichtsvor- und -nachbereitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verwendung des Spanischlehrwerks im Unterricht . . . . . . . . . . Globale Rahmung: Eine quantitative und quantifizierende Perspektive auf die beobachtete Lehrwerkverwendung und Lektionsarbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Feinanalyse der beobachteten Unterrichtseinheiten unter lehrwerkverwendungsbezogenen Gesichtspunkten aus einer qualitativen Perspektive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Synthese der empirischen Forschungsergebnisse und Schlussfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusammenfassung, Diskussion und Einbettung der empirischen Befunde in den fremdsprachendidaktischen Forschungsdiskurs Ableitung von empirisch-gestützten Verwendungsweisen des Lehrwerks unter Berücksichtigung ihrer Multifaktorialität, Situationsspezifik und Dynamik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Inhalt 7 <?page no="8"?> 4.4 388 4.4.1 389 4.4.2 396 4.4.3 400 4.5 402 4.5.1 403 4.5.2 406 4.5.3 411 5 415 5.1 415 5.2 420 5.3 431 5.4 432 6 437 7 467 469 471 Strukturelle Parameter und Lehrwerkarbeit (Quant-Qual) . . . . . . . . . . . Äußere Umstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Exkurs: COVID-19-Pandemie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusammenfassung, Diskussion und Einbettung der Befunde in den fremdsprachendidaktischen Forschungsdiskurs . . . . . . . . . . Zur Identifikation von Zusammenhängen zwischen den verschiedenen Dimensionen des Untersuchungsgegenstands: Eine bivariate Analyse unter Ableitung von Hypothesen (Quant) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zur subjektiven Sichtweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zur subjektiven Sichtweise, Rezeption und Verwendung . . . . . Die Variable der Berufserfahrung unter lehrwerkbezogenen Gesichtspunkten: eine explorative Datenanalyse . . . . . . . . . . . . Abschließende Bemerkungen und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gesamtschau: Der Beitrag der vorliegenden Studie zur Fundierung der empirischen Lehrwerkverwendungsforschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Implikationen für die Lehrwerkentwicklung und die Lehrer*innenbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rückschau: Kritische Reflexion des Forschungsansatzes . . . . . . . . . . . . Ausblick: Forschungsdesiderata und Anschlussforschung . . . . . . . . . . . Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abbildungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tabellenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 Inhalt <?page no="9"?> In Erinnerung an Anna Elisabeth Korell (geb. Pfalzgraf) <?page no="11"?> Vorwort Bei dem vorliegenden Band handelt es sich um die leicht überarbeitete Fassung meiner Dissertation, die im Mai 2023 am Fachbereich 05 der Justus-Liebig-Universität Gießen eingereicht wurde. Über die verschiedenen Phasen des Forschungsprozesses hinweg begleiteten mich einige Menschen, denen ich hier für den konstruktiven Austausch und ihre Unterstützung danken möchte. Zuerst bedanke ich mich bei den an der vorliegenden Untersuchung beteiligten Lehr‐ kräften und ihren Schulklassen für das mir entgegengebrachte Vertrauen, ihre Offenheit, mit mir persönliche Sichtweisen und Erfahrungen zu teilen sowie für ihr großes Interesse an dem Forschungsprojekt. Ohne den Zugang zu ihren Klassenzimmern hätte ein in der Unterrichtsforschung angesiedeltes Projekt nicht durchgeführt werden können. Mein besonderer Dank gilt meiner Erstbetreuerin Prof. Dr. Hélène Martinez. Sie hat mich nicht nur zu jeder Zeit unterstützt, meinen Weg im akademischen Kontext zu beschreiten, sondern auch das Promotionsprojekt neben den vielzähligen anderen Aufgaben an der Universität in den Vordergrund gestellt. Für ihre konstruktiven und inspirierenden Anmer‐ kungen sowie die mir gewährten Freiheiten bin ich sehr dankbar. Durch ihren Weitblick und ihre förderliche Begleitung hat sie maßgeblich zum Gelingen dieser Arbeit beigetragen. Ebenfalls möchte ich mich bei meinem Zweitbetreuer Prof. Dr. Jürgen Kurtz für die stete Begleitung des Projekts über den gesamten Forschungsprozess hinweg herzlich bedanken. Von der ersten Vorstellung im GCSC Forschungskolloquium „Fremdsprachendidaktik und Sprachlehrforschung“ an unterstützte er mich durch seinen kritisch-konstruktiven und systematisierenden Blick auf das Thema und die Daten sowie durch seine fachliche Expertise im Bereich der Lehrwerkforschung. Prof. Dr. em. Michael Legutke danke ich für den produktiven Austausch zu methodolo‐ gischen, methodischen und forschungsethischen Aspekten der Studie sowie ihm und Prof. Dr. Falk Seiler für das Mitwirken in der Prüfungskommission. Ein weiterer herzlicher Dank gilt Dr. Sophie Engelen, Jana Keidel, Svenja Haberland und Luana Sommer, die mir nicht nur als wissenschaftliche Dialogpartnerinnen zur Seite standen, sondern mich in jedweder Hinsicht durch die herausfordernde Phase der Promo‐ tion begleitet haben. Vielen Dank für die hilfreichen Rückmeldungen zu früheren Versionen der Arbeit, die Durchsicht des Manuskripts sowie die kritischen Anmerkungen, die mir neue Perspektiven eröffneten - und nicht zuletzt für die stets kollegiale Zusammenarbeit und die gemeinsamen Erlebnisse! Auch Darja Brotzmann, Dr. Tamara Zeyer, Dr. Christine Beckmann, Dr. Leo Will und Jan Simon Schäfer danke ich an dieser Stelle für konstruktive Hinweise zur Arbeit, interessierte Nachfragen und die ermutigenden Worte. Aus meinem privaten Umfeld bedanke ich mich aufrichtig bei Christian und Martin, die mich nicht nur durch ihren Einsatz beim Lektorieren und Formatieren des Manuskripts tatkräftig unterstützt haben, sondern mich auch durch die Einnahme einer fachfremden Perspektive, ihre analytischen Fähigkeiten und schnelle Auffassungsgabe zum Nachdenken über das Thema und Reflektieren meines Vorgehens anregten. Dir, Christian, danke ich <?page no="12"?> zudem für dein Verständnis, deine Ruhe und schier grenzenlose Geduld über den gesamten Zeitraum der Promotion. Von Herzen bedanke ich mich bei meiner Familie, insbesondere bei meiner Mutter. Sie hat durch ihre liebevolle Konsequenz, ihren Rückhalt und ihre Unterstützung von klein auf nicht nur im Wesentlichen zum erfolgreichen Abschluss dieses Projekts beigetragen, sondern auch den Grundstein für meine persönliche und berufliche Entwicklung gelegt. In großer Dankbarkeit widme ich diese Arbeit meiner Großmutter Anna Elisabeth Korell (geb. Pfalzgraf). 12 Vorwort <?page no="13"?> 1 Einleitung 1.1 Forschungsanlass, Zielsetzungen und Untersuchungsdesign Auch im 21. Jahrhundert behaupten sich […] nach wie vor Lehrwerke als Grundlage der Aneignung fremder Sprachen, insbesondere im Kontext der Spracherwerbsphase in der Schule. (Michler 2017, 5) Trotz der Veränderung der Medienumwelt der Lernenden und der mittlerweile existie‐ renden Vielfalt an Lehr- und Lernmaterialien kommt dem Lehrwerk insb. in den ersten Lernjahren des Fremdsprachenunterrichts noch immer besondere Bedeutung zu (vgl. Doll/ Rehfinger 2012, 20). Daran scheint auch die lang-tradierte Kritik an Lehrwerken im fremdsprachendidaktischen Forschungsdiskurs nichts verändert zu haben (vgl. Fäcke/ Mehlmauer-Larcher 2017, 8). In der Bildungsforschung und (Fremdsprachen-)Didaktik werden Lehrwerke - neben den fachlichen, didaktischen und pädagogischen Kompetenzen der Lehrkräfte - zu den zentralsten Einflussgrößen für die Gestaltung von Unterricht gezählt (vgl. Rückl 2017, 248): „Lehrwerke strukturieren den Unterricht, bestimmen durch die Art der Aufgabenstellung den lerntheoretischen Zugang, legen das Leistungsniveau und die Progression fest und setzen (inter-)nationale Richtlinien um […]“ (ebd.) (vgl. dazu auch Franke 2022, 219; Guerrettaz/ Johnston 2013, 792 ff.). Mit der Festlegung von Unterrichtsverfahren und -zielen sowie der Vorgabe der Lehr- und Lerninhalte werden Lehrwerke zu einem maßgeblichen Instrument, „das Unterricht, aber auch das Verhalten von Lehrer/ innen und Schüler/ innen nachhaltig beeinflusst“ (Rückl 2017, 248) (vgl. dazu auch Fäcke/ Mehlmauer-Larcher 2017, 10). Umso problematischer ist es daher, dass angesichts der Einflussnahme von Lehrwerken auf die gesamte Lehr-, Lern- und Unterrichtskultur sowie deren Relevanz für sämtliche fremdsprachendidaktische Themenfelder, welche die unterrichtliche Praxis in den Blick nehmen, kaum empirisch gesicherte Erkenntnisse über das Ausmaß und die Art und Weise ihrer Nutzung durch Lehrende und Lernende vorliegen (vgl. Dakla 2022, 195 ff.; Kurtz 2020, 198). Seit mehr als drei Jahrzehnten zählt die empirische Lehrwerkforschung in den Fremdsprachendidaktiken, aber auch in den Didaktiken anderer Schulfächer ebenso wie in der empirischen Psychologie und Pädagogik zu den am geringsten erforschten Gebiete des nationalen und internationalen Forschungsdiskurses (vgl. dazu u. a. Brill 2005; Ezeiza Ramos 2009; Fäcke/ Mehlmauer-Larcher 2017; Franke/ Plötner 2022; Fuchs/ Henne 2018; Garton/ Graves 2014; Hansen 2018; Harwood 2014; Kleppin 1984; Kurtz 2020; Krumm 1999; Marcos Miguel 2015; Martinez 2011; Sercu 2004; Sikorová/ Červenková 2014). Research into selection processes for textbooks and teaching materials and their practical implementation by teachers in the classroom remains at a rudimentary stage, […]. (Fuchs/ Henne 2018, 39) […] there has been far less research conducted on how teachers use this material in class, and why. (Menkabu/ Harwood 2014, 145) <?page no="14"?> Diese Forschungslücke wird insb. - aber nicht nur - für den Bereich der romanischen Sprachen (v. a. Spanisch) ausgewiesen (vgl. Franke 2022, 219; Franke/ Plötner 2022, 9). Die Betonung liegt hierbei auf der Notwendigkeit einer Forcierung dieses Forschungszweiges (vgl. Hansen 2018, 376), damit die nutzungs- und wirkungsorientierte Lehrwerkforschung keinen „weißen Fleck [mehr, JLK] auf der Wissenslandkarte“ (Rückl 2017, 249) darstellt und die Problematik einer Beschäftigung mit „scheinbaren Realitäten“ (Würffel 2021, 294) minimiert wird (vgl. dazu auch Marcos Miguel 2015, 311). Es ergibt sich somit in der Fremdsprachendidaktik ein grundlegendes Desiderat für qualitative und quantitative Forschungsarbeiten. Ziel der vorliegenden Dissertationsstudie ist es daher, an dieser Leerstelle anzusetzen. Die folgende Untersuchung nimmt sich der laut Würffel (2021, 298) „größte[n] Aufgabe der fremdsprachendidaktischen Forschung im Bereich der Lehr- und Lernmedien“ (ebd.) an, indem kontextspezifische Erkenntnisse zum Einsatz des mutmaßlich zentralsten Mediums des Fremdsprachenunterrichts der Se‐ kundarstufe I und damit einhergehend zum Großteil der hauptsächlich lehrwerkbasierten Lehr- und Lernprozesse generiert werden (vgl. auch Akbari 2008, 647 zur textbook-defined practice der Lehrkräfte). Diese Studie zeichnet sich insb. dadurch aus, dass sie einen „Blick aus der und für die Unterrichtspraxis“ (Bohnensteffen 2011, 122) einnimmt sowie einen verwendungsorientierten Ansatz unter Bezugnahme auf das Gesamtsystem Lehrwerk (u. a. Lehrbuch, Arbeitsheft, Handreichungen für Lehrkräfte, digitale Lehrwerkbestandteile) aus einer pre-, while- und post-teaching-Perspektive verfolgt. Damit einher geht auch das Verständnis von Lehrwerken, das dieser Arbeit zugrunde liegt. Begreift man Lehrwerke als „vielschichtige und polysemantische Artefakte“ (Hansen 2018, 377), so kann deren „dyna‐ mische Natur“ (Kolbeck/ Röhl 2018, 400) nur bedingt durch Formund/ oder Inhaltsanalysen bestimmt werden (vgl. Hansen 2018, 377): Alle Analysen, die das Schulbuch unabhängig von seiner Nutzung betrachten, können nur Potentiale des Buches aufzeigen. Über die tatsächliche Rolle des Schulbuches im Unterricht, über seine Verwendung durch Lehrer und Schüler, über die Realisierung seiner Potentiale kann keine Aussage gemacht warden. (Rezat 2010, 13) Any discussion that sees materials independently of their users, the learners and teachers […], can only be partial. (Garton/ Graves 2014a, 7) Das Erkenntnisinteresse der Studie richtet sich daher auf die empirische Ergründung der (1) lehrer*innenseitigen subjektiven Sichtweise auf Lehrwerke und ihre Nutzung; (2) Rezeption und Verwendung durch Spanischlehrkräfte im Zuge der Unterrichtsvor- und -nachbereitung und im Unterricht sowie (3) strukturellen Faktoren, die die Rahmenbedingungen für den Umgang mit Lehrwerken darstellen. Der Untersuchungsgegenstand wird somit aus drei Perspektiven betrachtet, die in einer wechselseitigen Relation zueinanderstehen und jeweils unterschiedliche Facetten des Forschungsgegenstandes beleuchten, die in der Folge zu einem Gesamtverständnis führen. Aus dieser Zielsetzung geht hervor, dass die Interaktion der Lehrkräfte mit dem Lehrwerk das Kernthema der Studie darstellt und aus beiden der im Forschungsdiskurs geforderten Blickrichtungen (aus der Sicht und in der Praxis von Lehrpersonen) ergründet wird (vgl. 14 1 Einleitung <?page no="15"?> dazu Hansen 2018, 377; Lammert 2017, 187; McGrath 2013, 129; Moulton 1997, vii). Diese Kombination der Schwerpunktbereiche (1) und (2) in der vorliegenden Untersuchung wird auch von Koenig (1999, 86) und Thaler (2011, 27) als zwangsläufig erforderlich für eine empirische und tiefgreifende Lehrwerkforschung erachtet. Wir müssen mehr über die Ergebnisse und Wirkungen existierender Materialien herausfinden. Wir müssen mehr darüber herausfinden, was Lehrer und Lerner von Lehrmaterialien erwarten. (Koenig 1999, 86) Am wissenswertesten wäre die empirische Erforschung der Wirkungsgeschichte von Lehrwerken, wie, wann, wozu wird ein Lehrwerk verwendet? (Thaler 2011, 27) Die Charakteristika des Untersuchungsgegenstands erfordern eine Integration des quali‐ tativen und quantitativen Forschungspoles im Sinne einer pragmatist position (vgl. Gläser- Zikuda et al. 2012, 8). Dabei kommt ein sequenzielles dreigliedriges Mixed-Methods-Design zur Anwendung, um die Interaktion mit Lehrwerken einer multiperspektivischen Betrach‐ tung zu unterziehen, die im Forschungsdiskurs seit langem gefordert wird (vgl. McGrath 2013, 129). Die vorliegende Untersuchung ist charakterisiert durch die Kombination von quantitativen (n=105) und qualitativen (n=7) Befragungen sowie videographischen Unterrichtsbeobachtungen (n=7) und durch deren Integration auf einer sequenz-, daten- und resultatbasierten Ebene (vgl. Creswell/ Plano Clark 2011; Rädiker/ Kuckartz 2019). Erst diese Verflechtung verschiedener Erhebungs-, aber auch Auswertungsmethoden (hier: uni- und bivariate Statistik sowie qualitative Inhaltsanalyse) ermöglicht die Eruierung eines globalen und fundamentalen Themas des Fremdsprachenunterrichts, das zwei der drei zentralen Faktoren (Lehrende, Lernende, Lehrwerke) (vgl. Martinez 2005, 111) sowohl aus der Breite als auch in der Tiefe betrachtet. In der folgenden schematischen Darstellung werden die vorangegangenen Ausführungen gebündelt und der Zusammenhang von Erkenntnisinteresse sowie Erhebungs- und Auswertungsmethoden visualisiert. Abbildung 1: Erkenntnisinteresse und Untersuchungsdesign 1.1 Forschungsanlass, Zielsetzungen und Untersuchungsdesign 15 <?page no="16"?> Weiterhin setzt sich die folgende Erhebung zum Ziel, der unverändert gültigen Forderung Tomlinsons (2001, 66) nachzukommen, indem die der Lehrwerkforschung zugehörigen Erkenntnisgebiete (hier insb. Entwicklung und Verwendung) miteinander vernetzt werden. In der gegenwärtigen methodischen Diskussion bleibt ein Zusammenführen dieser Be‐ reiche nach wie vor ein Desiderat (vgl. Schleicher 2017, 109). Mit dieser Vorgehensweise und Forschungsperspektive können die Ergebnisse der Erhebung der Sichtweise auf Lehr‐ werke sowie deren Rezeption und Verwendung für die (zukünftige) Lehrwerkentwicklung fruchtbar gemacht werden: As a field it studies the principles and procedures of the design, implementation and evaluation of language teaching materials. As an undertaking it involves the production, evaluation and adaption of language teaching materials, by teachers for their own classrooms and by materials writers for sale or distribution. Ideally these two aspects of materials development are interactive in that the theoretical studies inform and are informed by the development and the use of classroom materials. (Tomlinson 2001, 66, Hervorh., JLK) Die Ausrichtung des vorliegenden Forschungsinteresses und das Untersuchungsdesign erlauben es, das Lehrwerk nicht länger isoliert, sondern in der „Faktorenkomplexion im Fremdsprachenunterricht“ (Kleppin 1984, 16) zu ergründen. Mit der eingenommenen Forschungsperspektive kann demnach also nicht nur untersucht werden, wie das Lehrwerk verwendet wird, sondern es lassen sich gleichsam auch weitere „Schlüsse auf den Fremd‐ sprachenunterricht selbst ziehen“ (Fäcke 2016, 45) (z.-B. unterrichtliche Interaktionen und Prozesse, Kompetenzförderung, Leistungs- und Prüfungskultur), womit die Anschlussfähigkeit an verschiedene vergangene, aktuelle und zukünftige fremdsprachendidaktische Diskurse gewährleistet wird, auch an solche, die das Lehrwerk nicht direkt in den Blick nehmen. 1.2 Struktur der Arbeit Die Arbeit umfasst fünf Hauptkapitel. Der theoretische Teil setzt sich aus vier übergeord‐ neten Teilkapiteln (2.1-2.4) zusammen. In Kapitel 2.1 wird der Forschungsgegenstand grundlegend im Zuge einer terminologischen Bestimmung und Abgrenzung sowie einer konzeptionellen und strukturellen Betrachtung aufbereitet. Daran schließt sich eine Ana‐ lyse seiner Einflussfaktoren sowie eine funktionale und kritische Untersuchung an. Im zweiten Oberkapitel (2.2) erfolgt eine Beleuchtung des Spanischlehrwerks unter histori‐ schen Gesichtspunkten. Hier wird ein Rückgriff auf die geschichtliche Entwicklung des Fremdsprachenunterrichts Spanisch sowie auf aktuelle Tendenzen an weiterführenden Schulen in Deutschland vollzogen. Dieser dient als kontextueller Rahmen für die Schilde‐ rung der vergangenen und insb. der aktuellen (lehrwerkbezogenen) Situation des Spani‐ schen als Schulfremdsprache und ihrer spezifischen Materialien-/ Lehrwerkentwicklung. In dem daran anknüpfenden Theoriekapitel (2.3) wird das Untersuchungsfeld der Lehr‐ werkforschung mit einem Fokus auf den fremdsprachlichen Unterricht Spanisch termino‐ logisch bestimmt, strukturell aufbereitet und in seinen Erkenntnissen und Entwicklungen systematisiert. Dabei wird auch die Interaktion der Lehrkräfte mit Lehrwerken anhand 16 1 Einleitung <?page no="17"?> theoretischer Zugänge und Konzeptualisierungsversuchen des Forschungsdiskurses un‐ tersucht. Beschlossen wird dieses Kapitel mit einem Zwischenfazit zur Feststellung der Ausgangsbasis für die vorliegende Studie, das in die terminologische Bestimmung und Konzeptualisierung des Untersuchungsgegenstands mündet (2.4). Mit dem dritten Hauptkapitel werden die Konzeption und Durchführung der Erhebung erläutert. Ausgehend vom Erkenntnisinteresse der vorliegenden Studie werden konkrete Forschungsfragestellungen präsentiert (3.1), an der die Entwicklung des Untersuchungs‐ designs ausgerichtet ist. In diesem Zuge erfolgt auch eine Einordnung der Studie in das Forschungsfeld. Nach einer kontextuellen Rahmung der empirischen Studie (3.2), indem der Zugang zum Forschungsfeld, der Auswahlprozess der Studienteilnehmenden, die konkreten Untersuchungszeiträume und pandemiebezogene Umstände dargeboten wurden, folgt die Schilderung forschungsethischer Gesichtspunkte. Diese werden aus ver‐ schiedenen Perspektiven betrachtet und dienen als Ausgangspunkt für die anschließende Bestimmung konkreter Handlungsfelder der Forscherin (3.3). Daraufhin wird eine for‐ schungsmethodologische Verortung (Mixed Methods) vorgenommen (3.4.1), auf deren Basis die methodischen Überlegungen sowie die Entscheidung für ein Mixed-Methods-Design begründet werden (3.4.2). Hieran anknüpfend erfolgen die Darstellung und Begründung der Erhebungsmethoden und deren Gegenstandsangemessenheit (3.5) sowie die Beschrei‐ bung der konkreten Erhebungsinstrumente aus einer prozess- und produktorientierten Perspektive. Nach einem Einblick in die Pilotierung der Erhebungsinstrumente und den daraus ab‐ geleiteten Konsequenzen für die Hauptstudie (3.6) wird der Prozess der Datenaufbereitung anhand der einzelnen Datensätze fokussiert (3.7). Den letzten Bereich des empirischen Teils stellt der Datenauswertungsprozess dar (3.8). Infolge der Erläuterung theoretischer Überlegungen und Begründungen zur Wahl sowie zur Gegenstandsangemessenheit der verschiedenen Auswertungsmethoden werden diese hinsichtlich ihrer Umsetzung im Rahmen der Untersuchung gezielter in den Blick genommen. Abschließend stehen die Anpassung des Datenanalyseprozesses an die Charakteristika der vorliegenden Mixed- Methods-Studie sowie die Wahl der eingesetzten Softwares für den Datenauswertungspro‐ zess im Fokus dieses Kapitels. Zu Beginn der Ergebnisdarstellung werden demographisch-biographische Daten der Studienteilnehmenden unter lehrwerkbezogenen Gesichtspunkten berichtet, mit denen die nachfolgenden Untersuchungsergebnisse kontextualisiert und gezielter eingeordnet werden können (4.1). Die empirischen Untersuchungsergebnisse der Datenanalyse werden in vier Kapiteln präsentiert (4.2-4.5), die sich verschiedener integrativer Mixed- Methods-Darstellungsformen bedienen. In ihrer Strukturierung orientieren sich diese an der Herangehensweise an den Untersuchungsgegenstand (Abfolge der durchgeführten Studienstränge), der Logik zur Beantwortung der Forschungsfrage(n) und an inhaltlichen Schwerpunktsetzungen. Ausgehend von einer globalen und weitläufigen Perspektive auf alle Dimensionen des Untersuchungsgegenstandes im Zuge des quantitativ-orientierten Studienteils werden die Fragebogendaten mit den gewonnenen Erkenntnissen aus den qualitativen Studienteilen vernetzt, vertieft und teils auch neu perspektiviert. Schließlich erfolgt deren tabellarische, visuelle und textuelle Verknüpfung miteinander im Rahmen einer Gesamtinterpretation. Im Anschluss an jedes Ergebniskapitel werden die erzielten 1.2 Struktur der Arbeit 17 <?page no="18"?> Erkenntnisse zusammengefasst, unter Rückbindung an den theoretisch-konzeptionellen Rahmen der Arbeit diskutiert und in den fremdsprachendidaktischen Forschungsdiskurs eingebettet. Im ersten Ergebniskapitel (4.2) wird die subjektive Sichtweise der Lehrkräfte auf Lehrwerke aus einer kognitiven und affektiven Dimension heraus ergründet. Hierbei stehen deklarative, prozedurale und selbstbezogene Kognitionen im Vordergrund. Auf einer affektiven Ebene werden lehrwerk(verwendungs-)bezogene attitudinale und motiva‐ tional-volitionale Aspekte erschlossen. Das zweite Ergebniskapitel (4.3) thematisiert die Rezeption und Verwendung von Lehrwerken durch Lehrkräfte zur Unterrichtsvor-/ -nachbereitung und -durchführung aus verschiedenen Perspektiven. Zum einen werden hierbei die der Lehrwerknutzung zugrunde liegenden Motive im Verbund mit den subjektiven Sichtweisen der Lehrkräfte sowie situative Parameter eruiert. Zum anderen wird in diesem Kontext der Fokus auf eine prozedurale Ebene gelegt, mit der aus einem quantitativen, quantifizierenden und qualita‐ tiven Blickwinkel Aufschluss über die konkrete Lehrwerkrezeption und -verwendung zur Unterrichtsvor-/ -nachbereitung sowie im Unterricht selbst geliefert werden kann. Im dritten Teil (4.4) erfolgt die Aufschlüsselung struktureller Faktoren, welche die Rahmenbedingungen für die Lehrwerkverwendung darstellen. Aktuelle Entwicklungen aufgreifend wird dieses Ergebniskapitel durch einen Exkurs zur Lehrwerkverwendung während der COVID-19-Pandemie erweitert, wodurch empirische Erkenntnisse zur Rolle und Nutzung des Lehrwerks im Fremdsprachenunterricht zur Zeit einer gesundheitlichen, sozialen und politischen Ausnahmesituation generiert wurden. Im letzten Ergebniskapitel (4.5) werden unter Anwendung inferenzstatistischer Ana‐ lyseverfahren Zusammenhänge in den Fragebogendaten identifiziert und die integrativ gewonnenen Erkenntnisse der vorherigen Ergebniskapitel neu perspektiviert. Denn diese gehen über die Dimension der subjektiven Sichtweise hinaus und ermöglichen Hinweise auf Wechselwirkungen zwischen den einzelnen Dimensionen des Untersuchungsgegen‐ standes (insb. subjektive Sichtweise, Rezeption und Verwendung). Den Abschluss bildet das fünfte Kapitel, in dem in einer Gesamtschau der geleistete Beitrag der vorliegenden Studie zur Fundierung der empirischen Lehrwerkverwendungs‐ forschung aufgezeigt wird (5.1). Im Anschluss daran werden auf Basis der empirischen Befunde und deren Diskussion vor dem Hintergrund aktueller fremdsprachendidaktischer Diskurse Implikationen für die Lehrwerkentwicklung und die Lehrer*innenbildung abge‐ leitet (5.2). Daraufhin folgt im Zuge einer Rückschau eine kritische Reflexion des gewählten Forschungsansatzes (5.3). Zuletzt werden in Form eines Ausblicks Forschungsdesiderata und konkrete Möglichkeiten für zukünftige Forschungsprojekte formuliert (5.4). 18 1 Einleitung <?page no="19"?> 2 Theoretischer Teil: Grundlagen und Bezugsrahmen Im ersten Oberkapitel des theoretischen Teils (2.1) wird der Forschungsgegenstand grund‐ legend aufbereitet. Dazu erfolgt zunächst eine terminologische Bestimmung des Lehrwerks in Abgrenzung zu anderen Begriffen (2.1.1), woran eine konzeptionelle und strukturelle Betrachtung von Lehrbüchern und -werken anknüpft (2.1.2). Anschließend liegt das Augenmerk auf dem Lehrwerk im Gefüge seiner Einflussfaktoren. Diese bilden einen zentralen Ausgangspunkt für die Erforschung von Lehrwerken, da sie ein Konglomerat aus Erkenntnissen und Forderungen verschiedenster Akteur*innen darstellen (z. B. Bil‐ dungspolitik, Fachdidaktik, Fachwissenschaft, Wirtschaft) (2.1.3). Mit einer funktionalen Betrachtung des Lehrwerks unter Diskussion seiner Potentiale, Grenzen und Alternativen für den schulischen Fremdsprachenunterricht schließt der erste Teil (2.1.4). Im Fokus des zweiten Oberkapitels (2.2) steht die Untersuchung des Spanischlehrwerks unter historischen Gesichtspunkten. In diesem Zuge wird ein Rückgriff auf die geschicht‐ liche Entwicklung des Fremdsprachenunterrichts Spanisch sowie auf aktuelle Tendenzen an weiterführenden Schulen in Deutschland vollzogen. Dies trägt zu einem tiefgreifenden Verständnis der vergangenen und insb. der aktuellen lehrwerkbezogenen Situation des Spanischen als Schulfremdsprache und ihrer spezifischen Materialienentwicklung bei. In dem sich daran anschließenden Teil (2.3) wird das Untersuchungsfeld der Lehrwerk‐ forschung mit einem Fokus auf den fremdsprachlichen Unterricht Spanisch terminologisch bestimmt, strukturell aufbereitet und systematisiert. Nach einer Begriffs- und Konzept‐ bestimmung der Lehrwerkforschung und ihrer Dimensionen (2.3.1) werden relevante Erkenntnisse und Entwicklungen innerhalb der verschiedenen Bereiche ausgelotet (2.3.2) und in ihren Ergebnissen geordnet (2.3.2.1 zur Lehrwerkanalyse, 2.3.2.2 zur Lehrwerkent‐ wicklung und 2.3.2.3 zur empirischen Lehrwerkforschung). Zudem erfolgt eine Aufberei‐ tung der Interaktion der Lehrkräfte mit Lehrwerken mittels theoretischer Zugänge und Konzeptualisierungsversuchen des Forschungsdiskurses (2.3.3). Beschlossen wird dieses Kapitel mit einem Zwischenfazit zur Feststellung der Ausgangsbasis für die vorliegende Studie (2.3.4), das zur terminologischen Bestimmung und Konzeptualisierung des Untersu‐ chungsgegenstands führt (2.4). 2.1 Das (Spanisch-)Lehrwerk als Forschungsgegenstand 2.1.1 Terminologische Klärung und Abgrenzung Im Zentrum dieses Teilkapitels steht die Begriffsbestimmung und -abgrenzung der Termini Lehrwerk und Lehrbuch sowie deren Einordnung im Hinblick auf die im Forschungsdiskurs - teils auch als Oberbegriff - verwendeten Konzepte (insb. Lehr- und Lernmaterialien). Dazu werden Definitionen und Erkenntnisse aus dem nationalen sowie englisch- und spanischsprachigen Forschungskontext zu Lehrbüchern und -werken analysiert, um der Arbeit ein begriffssicheres Fundament zu geben. <?page no="20"?> Nach wie vor lässt sich keine einheitliche Bezeichnung „für Dinge [antreffen, JLK], die Lernende zum Lernen und Lehrende zum Lehren bzw. zur Förderung des Lernens nutzen“ (Würffel 2021, 282). Die Vielfalt an Begriffen führe laut Würffel (ebd.) zu einer unklaren Lage hinsichtlich der Terminologie, da sowohl Konzepte wie Lehr- und Lernmaterialien, -mittel, -medien als auch -werkzeuge existieren, von denen einige häufig synonym ver‐ wendet werden. Zum Teil wird auch der eine Begriff als Ober- und der andere als Teilbegriff des jeweils anderen verstanden (vgl. ebd., 283). Funk (2016, 436) verwendet sowohl Sprachlehr- und -lernmaterialien als auch -medien in seinen Ausführungen und subsumiert darunter „alle Texte im weitesten Sinne, Materialien und Medien, die von Lehrenden und Lernenden zur Unterstützung von Sprachlernprozessen verwendet werden“. Eine Differen‐ zierung beider Begriffe wird nicht vorgenommen. Im spanischsprachigen Forschungskon‐ text gebraucht Fernández López (2004, 724) den Begriff materiales in seiner generischen Form als übergeordnetes Konzept, worunter er auch Lehrwerke und -bücher subsumiert. Dabei geht er ähnlich wie auch Funk (2016, 436) von einem weiten Begriffsverständnis aus. Nach Fernández López (2004, 724) können unter materiales vorrangig Instrumente zur Unterstützung der Lehrenden und Lernenden beim Sprachlehr-/ -lernprozess verstanden werden: „[…] instrumentos complementarios que se elaboran con el fin de proporcionar al alumno y al profesor un mayor apoyo del aprendizaje de una lengua“ (ebd.). Auch McGrath (2013, 3) verwendet materials als Oberbegriff für sämtliche Materialien, die zum Zwecke des Lehrens und Lernens fremder Sprachen in der Schule eingesetzt werden. Er unterscheidet vier Arten von Materialien aus einer internen und externen Perspektive: • those that have been specifically designed for language learning and teaching (textbooks etc.); • authentic materials (off-air recording etc.) that have been specifically selected and exploited for teaching purposes by the classroom teacher; • teacher-written materials; • learner-generated materials (ebd.). Ähnlich gelagert versteht sich die Systematisierung nach Funk (2016, 436), in der zwei grundlegende Arten von Materialien vorgesehen sind: Zum einen handelt es sich dabei um solche, die von den Lernenden selbst produziert werden und zum anderen um didaktisiertes bzw. undidaktisiertes, extern produziertes Material. Würffel (2021, 282) erscheint die Verwendungsweise des Terminus Lehr- und Lernmedien sowie -materialien im Forschungsdiskurs willkürlich und wenig begründet. Zudem stellt sie eine zunehmende Tendenz der Verwendung des Begriffs Medien fest. Dieser finde ihrer Ansicht nach eine breitere Verwendung im Sinne von Lehr- und Lernmaterialien, was sie dazu veranlasst, diesen auch zu nutzen und darunter „alle Lehr- und Lernmedien in irgendeiner materiellen Form vorliegenden Dinge, die zum Fremdsprachenlernen und / oder -lehren eingesetzt werden“ zu subsumieren (vgl. ebd.). Darüber hinaus entwirft Würffel (ebd., 291) auf Basis bisheriger Arbeiten im Forschungsdiskurs (vgl. dazu u. a. Funk 2016) einen Systematisierungsvorschlag des Terminus der Lehr- und Lernmedien, den sie aus didaktischen, werkzeugbezogenen, organisatorischen, ökonomischen und ideologischen Gesichtspunkten betrachtet. Angepasst an den vorliegenden Untersuchungsgegenstand gilt dieser als strukturierendes Element für die nachfolgende Abhandlung. 20 2 Theoretischer Teil: Grundlagen und Bezugsrahmen <?page no="21"?> Perspektive Elemente Didaktisch • Zielgruppenspezifik (z.-B. Alter, Lernort, Niveaustufe, fachliche Ausrichtung, Bezug zur Ausgangssprache und anderen Sprachen, individuelles Lernen etc.) • Lernziel (z.-B. Förderung verschiedener Kompetenzen) • Grad der Didaktisierung (z.-B. gering vs. in hohem Maße) • Form der Adaption (z.-B. sprachliche Vereinfachung, Lernhilfen, steuernde Hilfen, Verknüpfung mit einer Methode) • Leitmedium (z.-B. zusätzliche auf das Leitmedium bezogene Lehr- und Lernmedien, zusätzliche vom Leitmedium unabhängige Lehr- und Lernmedien) • didaktische Textsorte Werkzeug • Medialität (z.-B. Hardware, Software) • Modalität (visuell, auditiv, haptisch etc.) • Kodierung (gesprochener Text, schriftlicher Text, Zahlen) • unterstützte Handhabung (Kommunikations-, Informations-, Speicher-, Produktions- und Publikationsmedium) • Zeitlichkeit (Prozessvs. Produktmedium, kontinuierlich vs. zeitun‐ abhängig diskret, synchron vs. asynchron) • Interaktivität (Steuerungsinteraktivität, didaktische Interaktivität) Organisatorisch • Leitmedium (Leitmedium, zusätzliche auf das Leitmedium bezogene Lehr- und Lernmedien, unabhängige Lehr- und Lernmedien) Ökonomisch • Kosten (kostenpflichtig vs. -frei) • Profit (finanzieller Gewinn, Marketingmaßnahme, ohne ökonomi‐ sches Profitziel) Ideologisch • Qualität (gute vs. schlechte Materialien) • Wirkung (politische Interessen, gesellschaftliche Interessen) Tabelle 1: Systematisierungsvorschlag des Begriffs der Lehr- und Lernmedien (nach Würffel 2021, 291) Aus den vorangegangenen Ausführungen geht hervor, dass Lehrwerke und -bücher eine Teilmenge von den von Würffel (2021, 282) so bezeichneten Lehr- und Lernmedien darstellen (können), weshalb sie in diesem Kontext auch den Begriff des „Spezialfalls Lehrwerk“ verwendet. Im fremdsprachendidaktischen Diskurs in Deutschland werden die Termini Lehrwerk und Lehrbuch häufig uneinheitlich und teilweise missverständlich verwendet (vgl. Brill 2005, 15), weshalb nachfolgend die Bedeutung und der Verwendungs‐ kontext o. g. Konzepte eruiert und an den oben vorgestellten Systematisierungsvorschlag von Würffel (2021) rückgebunden wird. Eine häufig anzutreffende Verwendungsweise betrifft den synonymen Gebrauch der Begriffe Lehrbuch und Lehrwerk (vgl. dazu u. a. Hofinger 2016; Michler 2005; Usener 2016). Zahlreiche Beiträge der Fachdiskussion bestätigen die dargestellte Beobachtung, dass die Differenzierung zwischen Lehrwerk und Lehrbuch nicht immer vorhanden ist. So verweist bspw. auch Gadatsch (1991, 35, zit. nach Brill 2005, 16) darauf, dass die „Unterscheidung zwischen dem Lehrwerk als umfassendes Hilfsmittel des Unterrichts und dem Lehrbuch als ein Bestandteil des Lehrwerks“ nicht geläufig sei. Bereits zu Beginn der 1990er-Jahre war man sich also im Forschungsdiskurs zu Lehrwerken der Notwendigkeit einer Differenzierung beider Begriffe bewusst. 2.1 Das (Spanisch-)Lehrwerk als Forschungsgegenstand 21 <?page no="22"?> Dennoch konstatiert Michel (2006, 137) auch Anfang der Nullerjahre, dass diese Termini in der Literatur noch immer nicht klar differenziert werden. In jedem Fall wird nachweislich der Lehrwerkbegriff im Vergleich zu dem des Lehrbuchs in fremdsprachendidaktischen Publikationen der letzten Jahre/ Jahrzehnte immer häufiger verwendet (vgl. dazu u. a. Brill 2005; Franke/ Plötner 2022; Hofinger 2016; Kuhn 2017; Michler 2005; Rückl 2017), um auf die „Kombination verschiedener Medien“ (Erdmenger 1997, 90) Bezug zu nehmen. Bei der Durchsicht verschiedener Publikationen konnte in diesem Zusammenhang festgestellt werden, dass teils vom Lehrwerk (z. B. im Titel) die Rede ist, obwohl der eigentliche Kon‐ zeptionsgedanke und Aufbau eines Lehrwerks als strukturell und inhaltlich verbundenes Mehrkomponentensystem nicht aufgegriffen werden. Primär handelt es sich dabei um isolierte Untersuchungen des Lehrbuchs (vgl. dazu Kap. 2.3.2.1). Fäcke (2011, 208) und Brill (2005, 16, 80) plädieren daher für die Notwendigkeit einer Abgrenzung der Begriffe Lehrbuch und Lehrwerk im Kontext von Forschungsunternehmungen und stützen damit die terminologische Herangehensweise der vorliegenden Arbeit, mit der das Begriffsver‐ ständnis der Forscherin umfassend dargelegt und eingeordnet wird. Um die Komplexität des Terminus Lehrwerk gegenüber dem des Lehrbuchs zu verdeutli‐ chen, wird ersterer im deutschsprachigen Forschungsdiskurs häufig mit weiteren Zusätzen zur näheren Erläuterung des Bezugsworts versehen. Oft wird es als „komplexes Medienver‐ bundsystem“ (Elsner 2016, 441), „gedrucktes und elektronisches Mehrkomponentensystem“ (Kurtz 2020, 198) sowie als „multimedialer Verbund verschiedenster Materialien“ (Nieweler 2017, 206) bezeichnet, worunter die zahlreichen Elemente, die dem Lehrwerk zugehörig sind, subsumiert werden. Das Lehrbuch als ein Teil eines Lehrwerks kann nach Neuner (2003, 399) als ein „in sich geschlossenes Druckwerk mit fest umrissener didaktischer und methodischer Konzeption, in dem alle zum Lehren und Lernen benötigten Hilfsmittel (Texte, Übungen etc.) zwischen zwei Buchdeckeln enthalten sind“, verstanden werden (vgl. dazu auch Fäcke 2011, 208). Ivić, Pešikan und Antić (2013, 42) definieren das Lehrbuch im Vergleich zu Neuner (2003, 399) deutlich weiter und nehmen insb. auch auf die Kombination verschiedener Materialien Bezug bzw. bezeichnen diese als Lehrbuch: A textbook is any teaching tool or combination of teaching tools which contains a systematisation of knowlegde and information on a particular subject matter and which is didactically designed for a specific educational level and student age group in order to fulfil a developmental and formative role in students’ construction of knowledge. (Ivić, Pešikan & Antić 2013, 42) Die vorliegende Arbeit distanziert sich allerdings - ähnlich wie Beyer (2018, 41) - von dieser weiten Definition des Lehrbuchs, indem es „als Teil eines sich gegenseitig ergänzenden Lehrwerks“ (Beyer 2018, 41) interpretiert wird. Letzteres enthält weitaus noch mehr Komponenten (vgl. dazu u. a. Edge/ Garton 2009, 55) und versteht sich demnach als ein komplexes Medium mit einem „offenere[n] didaktische[n] und methodische[n] Konzept“ (Brill 2005, 15), das dazu verhelfen soll, individuell auf Interessen und Bedürfnisse der Lernenden einzugehen (vgl. ebd.). 22 2 Theoretischer Teil: Grundlagen und Bezugsrahmen <?page no="23"?> 1 Auf eine weitere Analyse der inhaltlichen Ausrichtung und Verwendungsweisen der im englischspra‐ chigen Forschungskontext geläufigen Begriffe schoolbook, textbook und coursebook wird aufgrund bedingter Relevanz für die thematische Ausrichtung dieser Abhandlung verzichtet. Exkurs: englisch- und spanischsprachiger Forschungskontext zur Terminologie Im englischsprachigen Kontext hingegen entspricht die Begriffsverwendung von Lehrwerk bzw. -buch, bspw. im Sinne von schoolbook, textbook oder coursebook, nicht unbedingt der Bedeutung, die dem deutschen Terminus Lehrwerk zugrunde liegt. So wird in englisch‐ sprachigen Publikationen häufig auf weitere Aspekte verwiesen, um den Kerngedanken des Lehrwerks zu erfassen: „printed textbooks and ancillary print-based or electronic resources“ (Kurtz 2018a, 45) oder „the aids that accompany them“ (Harwood 2014, 1). 1 Auch die Analyse der im spanischsprachigen Kontext verwendeten Begriffe für das Lehrbuch und -werk fördert eine Fülle zutage, die von Torres und Moreno (2008, 62) in Anlehnung an Ossenbach und Somoza (2000, 15 f.) ausgelotet wird: Se usan principalmente tres sustantivos para indicar el nivel más general y abarcativo: libros, textos y manuales, seguidos o no, del adjetivo “escolar”. Tendríamos así, en principio: libros escolares, libros de texto, textos escolares, manuales, o manuales escolares. (Torres/ Moreno 2008, 62) Ossenbach und Somoza (2000, 19) plädieren daher für den Gebrauch des Terminus manual escolar, um dessen Entstehungskontext und Intention zur Begleitung des Lehr-/ Lernpro‐ zesses zu betonen - denn: „[…] aquellas obras [están, JLK] creadas intencionalmente para ser usadas en el proceso de enseñanza-aprendizaje“ (ebd.). Torres und Moreno (2008, 68) definieren das Lehrbuch umfänglich unter Bezugnahme auf die im Forschungsdiskurs zu Lehrbüchern häufig geäußerten Charakteristika und beziehen damit bereits einige Elemente der verschiedenen Perspektiven (insb. didaktisch, werkzeugbezogen, ideologisch) der Systematisierung nach Würffel (2021, 291) ein: El texto escolar es un recurso didáctico, que puede ser de sustrato material o virtual, en el cual se materializa un discurso compuesto por palabras, palabras y símbolos o palabras, símbolos e ilustraciones, estructurado de manera secuencial y sistemática en atención a la maduración intelectual y emocional del lector, y creado con la intención expresa de ser utilizado como un recurso pedagógico en el proceso de enseñanza-aprendizaje del sistema escolar formal, con el fin de brindar información sobre algún área del conocimiento en atención a la oferta curricular establecida en los programas de estudio, elaborados por las autoridades educativas nacionales, quienes a su vez autorizan, supervisan y reglamentan sus contenidos, extensión y tratamiento. (Torres/ Moreno 2008, 68, Hervorh., JLK) Das Lehrbuch wird gemäß dieser Definition, die Coronado Padilla, Castañeda Tibaquirá und Tique Riaño (2015, 45) als eine der vollständigsten und ausdifferenziertesten Begriffs‐ bestimmungen im spanischsprachigen Diskurs erachten, als „didaktische Print- oder Online-Ressource“ verstanden, die einem sequenziellen und systematischen Aufbau folgt und ausdrücklich für die Unterstützung im Lehr-/ Lernprozess erstellt wurde sowie an Vorgaben bildungspolitischer Dokumente ausgerichtet ist. Seit den 2000er-Jahren spricht man im spanischsprachigen Forschungskontext zu Lehrwerken und -büchern, insb. im Rahmen von Digitalisierungsprozessen, auch vom libro multimedia, um auf die digitale 2.1 Das (Spanisch-)Lehrwerk als Forschungsgegenstand 23 <?page no="24"?> Diversifizierung des Lehrwerks bzw. -buchs im Rahmen einer Reihe von Peripheriekom‐ ponenten hinzuweisen (vgl. dazu u. a. Lotero Ovalles/ de Hoyos Peinado 2015; Velásquez Aponte/ Martínez 2015). Systematisierung des Lehrwerkbegriffs Das Lehrwerk kann folglich anhand der von Würffel (2021, 286, 291) eingenommenen und nicht voneinander getrennt zu betrachtenden didaktischen, organisatorischen und ideologischen Perspektive eingeordnet bzw. systematisiert werden: Lehrwerke sind i. d. R. spezifisch für gewisse Lerngruppen und ihre Charakteristika konzipiert (z. B. Alter, Niveau‐ stufe, fachliche Ausrichtung, Bezug zur Ausgangssprache/ zu anderen Sprachen). Dabei liegt ihnen das übergeordnete Ziel der Erreichung einer gewissen Sprachniveaustufe am Ende eines bestimmten Zeitraums (z. B. Schuljahr) zugrunde. Mit den einzelnen Lektionen werden weitere (Teil-)Lernziele verfolgt, mit denen verschiedene Kompetenzen gefördert und die Lernenden auf dem Weg zur Erreichung des Globalziels begleitet werden. Damit sind Lehrwerke im Wesentlichen nach bildungspolitischen Vorgaben ausgerichtet und decken die vorgeschriebenen Inhalte in Lehrplänen im Regelfall ab. Deutlich wird hier bereits, dass in Lehrwerken bildungspolitische Interessen vertreten werden. Im Vergleich zu anderen Lehr- und Lernmaterialien weisen Lehrwerke ein Höchstmaß an Didaktisierung auf, indem die Lehr- und Lerninhalte kontinuierlich und aufeinander aufbauend über einen Zeitraum von mehreren Jahren hinsichtlich ihrer didaktischen Vermittelbarkeit aufbereitet werden. Einher geht damit u. a., dass didaktisierte Texte sprachlich so angelegt sind, dass sie hinsichtlich der „Menge der neuen lexikalischen Einheiten beschränkt“ (Leupold 2006, 4) sind und eine „willkürliche Ansammlung von komplexen grammatischen Strukturen vermeiden“ (ebd.). Dazu können Texte gezielt ent‐ wickelt, bereits existierendes Textmaterial abgeändert sowie durch das Einbetten von z. B. Vokabelhilfen, Textverständnisaufgaben didaktisierende bzw. adaptierende Maßnahmen ergriffen werden (vgl. Würffel 2021, 286). Betrachtet man Lehrwerke im Vergleich zu eher undidaktisierten Materialien ist zu beachten, dass es „strenggenommen keine undidakti‐ sierten Lehr- und Lernmedien“ (ebd.) im Fremdsprachenunterricht gibt bzw. man diese nur hinsichtlich des Grades der Didaktisierung unterscheiden kann. Denn die Auswahl von Lehr- und Lernmaterialien erfolgt stets lernzielorientiert und durch die Anbindung an eine Aufgabe wird diese zu einer Lernanforderung (vgl. ebd.). Dass Lehrwerke zu einer Art Leitmedium erhoben werden, hat unter didaktischen Gesichtspunkten unmittelbare Auswirkungen auf die Unterrichtsgestaltung und den Lern‐ prozess (vgl. ebd.). Denn wenn Lehrwerke als steuerndes Unterrichtselement verstanden werden, geht damit einher, dass sich der Unterricht im Wesentlichen an ihrer Aufmachung orientiert und damit die Lernziele, zu behandelnde Themen, abzuprüfende sprachliche Mittel sowie die Progression vorgegeben werden (vgl. ebd.). Mit der Charakterisierung des Lehrwerks als Leitmedium geht gemäß dem Begriffsver‐ ständnis der vorliegenden Arbeit jedoch nicht einher, dass Lehrwerke den größten Einfluss auf die Kompetenzentwicklung der Lernenden haben oder dass sie die Lernfortschritte der Schüler*innen maßgeblicher beeinflussen als andere (lehrwerkunabhängige bzw. vom Leitmedium unabhängige) Lehr- und Lernmaterialien (vgl. dazu auch Würffel 2021, 287). 24 2 Theoretischer Teil: Grundlagen und Bezugsrahmen <?page no="25"?> Zwischenfazit Die terminologische Analyse verschiedener Begriffe im nationalen sowie internationalen Forschungskontext erlaubt die Schlussfolgerung, dass trotz teilweise uneinheitlicher und missverständlicher Verwendungsweisen die einzelnen Konzepte inhaltlich gefüllt und theoretisch ausgearbeitet worden sind. Zu beachten ist, dass im Rahmen dieser Abhandlung die Begriffe Lehrbuch und Lehrwerk weder synonym gebraucht noch das Lehrwerk auf das Lehrbuch reduziert wird, auch wenn dem zuletzt Genannten in der schulunterrichtlichen Realität die meiste Bedeutung zukommen mag (vgl. Kap. 4.2.2.2.3, 4.3.2, 4.3.3). Das Lehrwerk wird in dieser Arbeit als „Mehrkomponentensystem“ (Kurtz 2020, 198) verstanden, also als eine „Menge von geordneten Elementen mit Eigenschaften, die durch Relationen verknüpft sind“ (vgl. Feess/ Gillenkirch 2018). Dieses System besteht aus mehreren Komponenten unterschiedlicher Art und Funktion, die in mehr oder weniger ausgeprägtem Maße syste‐ matisch aufeinander bezogen bzw. sinnvoll miteinander ergänzt werden (z. B. Lehrbuch, Arbeitsheft, Audio-CD, Kopiervorlagen und Handreichungen für Lehrkräfte). Dabei ist stets zu bedenken, dass sich die in diesem Teilkapitel bestimmten Begriffe als „dynamische Kategorien“ (Hansen 2018, 369) verstehen, die sich historisch entwickelt haben (vgl. Kap. 2.2) und mit den soziokulturellen Praktiken, die sie umgeben, variieren können (vgl. Hansen 2018, 369). 2.1.2 Konzeptionelle und strukturelle Betrachtung Im Anschluss an die terminologische Klärung und Systematisierung des Lehrwerk- und Lehrbuchbegriffs liegt der Fokus im Folgenden auf konzeptionellen und strukturellen Gesichtspunkten. Die von Funk (2016, 437) entworfene Übersicht veranschaulicht den Umfang und die verschiedenen Teilkomponenten von aktuellen Lehrwerken. Diese umfassen für Franzö‐ sisch und Spanisch meist zwischen 30 bis 40 Bestandteile (vgl. Franke/ Plötner 2022, 7), die je nach Anlage und Intention unterschiedliche Lehr-/ Lernzwecke erfüllen und sowohl in gedruckter und digitaler Version vorliegen als auch über das Internet abgerufen werden können. Funk (2016, 437) unterteilt diese in Kern- und Peripheriekomponenten. Erstere sind für die Unterrichtssituation in der Schule konzipiert, letztere bedienen hingegen primär außerschulische Lernorte für die selbstständige Auseinandersetzung der Lernenden. Damit wird bereits eine zentrale Funktion von Lehrwerken offensichtlich: der Zusammenhalt und die Kontextualisierung des Fremdsprachenlernens in schulischen und außerschulischen Settings. 2.1 Das (Spanisch-)Lehrwerk als Forschungsgegenstand 25 <?page no="26"?> Printmedien Digital verfügbare Materialien Internetangebote Kernbereich: Materialien für den Unterricht Lehrbuch, Test-Trai‐ ning, Lehrerhandbuch, Arbeitsbuch, Folien‐ satz, Klassenarbeitsge‐ nerator, Lektüre, Diffe‐ renzierungsangebote Audio-/ Video-DVD, digi‐ tale Whiteboardmaterialien, digitales Lehrbuch/ Tablet-Version, E-Book-DVD, digitaler Unterrichtsplaner und -manager Internetportal, Übungen, Zu‐ satz-Audios/ -Videos, PDF-Downloads, Sprachlernspiele, Differenzierungsangebote Peripheriebe‐ reich: Materialien für außerschuli‐ sche Lernorte Intensivtrainer, Zu‐ satz-Lesehefte, Wort‐ schatztrainer, Vokabel‐ taschenbuch Vokabel-Apps, Wörter‐ buch-App, Lernsoftware, Klassenarbeitstrainer - Tabelle 2: Übersicht zu Lehrwerkbestandteilen (nach Funk 2016, 437) Aufgrund der Vielzahl der Lehrwerkbestandteile wird seit Ende der 1990er-Jahre immer wieder diskutiert, welche Anforderungen ein Lehrwerk zu erfüllen hat, damit es als „Medienverbund“ gelten kann (vgl. dazu u. a. Jung, Riechert und Westhofen 2000, 577; Wernsing 1999, 253). Jung, Riechert und Westhofen (2000, 577) fokussieren in ihren Ausführungen primär die Herstellung eines „integrierten Gesamtkonzepts“, „bei dem etwa ein Buch und Internet spezifische Aufgaben übernehmen und ineinander verzahnt“ sind. Erdmenger (1997, 159) führt den Gedanken der Verzahnung weiter aus, indem dem Lehrwerk „eine funktionsspezifisch differenzierte arbeitsteilige Kombination verschie‐ dener Medien (bestehend aus personalen und nicht personalen Medien)“ zugrunde liegen müsse. Die Mindestanforderungen an den „Medienverbund“ werden in der Anpassung „der zusätzlichen, mediengerechten Inhalte an die Lehrwerkprogression“, der Anbindung der Internetangebote an die „Buchlektionen in Gliederung, Benennung und didaktischem Aufbau“ sowie in der kontinuierlichen Begleitung des Lehrwerks und der Web-Unterstüt‐ zung in allen Lektionen gesehen (vgl. Brill 2005, 23). Ein Medienverbund kann je nach Verständnis des Terminus Medium sowohl enger als auch weiter gefasst werden, d. h. nicht nur digitale Medien können als Marker für ein Verbundsystem gelten. In Anlehnung an Grünewald (2017a, 239) können Medien „ganz allgemein als Vermittlungsträger von Informationen“ verstanden werden. Zu den Anforderungen an ein Medienverbundsystem, die sich nicht ausschließlich auf die Vernetzung von digitalen und analogen Teilen beziehen, formuliert Cunningsworth (1995, 28) folgende drei Fragen: • How well do the different parts relate to the whole? • Is there an overall guide to using the package? • Is there cross-referencing between different parts? Reinfried (1999, 177) hingegen knüpft die Anforderungen an einen Verbund weniger eng an konkrete (digitale) Materialien bzw. Medien, sondern sieht diese darin, dass „in den unterschiedlichen Lernbereichen Auswahlmöglichkeiten [geboten, JLK] und durch ihre offene Struktur noch mehr Handlungsspielräume für Kommunikationsprozesse“ ermög‐ licht werden sollen. Ob Lehrwerke tatsächlich als Medienverbundsysteme charakterisiert werden können, wird im Forschungsdiskurs kritisch betrachtet. Rösler (1992, 49) begegnet 26 2 Theoretischer Teil: Grundlagen und Bezugsrahmen <?page no="27"?> dem Verbundkonzept skeptisch, da dieser Begriff suggeriere, dass es sich um „ein harmo‐ nisches Ganzes mit fein aufeinander abgestimmten Teilen“ handle, was seiner Ansicht nach auf Aspekten der Verlagskosmetik und des Marketings fuße. Darüber hinaus stellt sich ihm die Frage, ob alle Materialien, die sich Lehrwerk nennen, diese Bezeichnung auch tatsächlich „verdienen“ (ebd.). Von Lehrwerkteilen grenzen Heuer, Müller und Schrey (1973, 10 ff.) Lehrwerkschichten ab, worunter sie u. a. den Umfang des Lehrwerks (z. B. Verhältnis von Masse der Lehrwerkeinheiten und Zeitraum) und Strukturprinzipien (z. B. psychologisch richtig verteilte Lernschwierigkeiten, sinnvolle Verknüpfung der Themen der Einheiten) subsumieren. Diese Differenzierung stellt den Ausgangspunkt für die nachfolgende Abhandlung zur Struktur des Lehrbuchs dar. Unterzieht man die Struktur des Lehrbuchs als Bestandteil des komplexen Systems Lehr‐ werk einer näheren Betrachtung, so wird diese etwa von Michler (2005, 105 ff.) im Rahmen ihrer kritischen Fallstudie zu vier Lehrwerken für den gymnasialen Französischunterricht mittels einer Makro- und Mikrostruktur beschrieben. Zur Makrostruktur zählt Michler (ebd.) die Bereiche Lektionen, Textanzahl pro Lektion und Texte pro Band sowie charakteris‐ tische Lehrwerkbestandteile. Die Mikrostruktur wird anhand der spezifischen Betrachtung von Lektionen der vier Lehrwerke analysiert, im Rahmen derer thematische Schwerpunkte, der Aufbau und die Dosierung der lexikalischen Einheiten und grammatischen Inhalte in der Lektion erläutert werden (vgl. ebd., 114 ff.). Im Vergleich zu Michlers Modell (ebd.) gliedert Rezat (2009) im Rahmen seiner um‐ fassenden Untersuchung zu Strukturelementen des Mathematiklehrbuchs diese in eine Makro-, Meso- und Mikroebene. Diese werden wiederum nach fünf Kategorien syste‐ matisiert, die sich auf inhaltliche Aspekte, sprachliche und typografische Merkmale, didaktische Funktionen sowie auf situative Bedingungen beziehen und auch für den Aufbau fremdsprachlicher Lehrwerke relevant sind (vgl. dazu Beyer 2018). Auf einer makrostrukturellen Ebene steht die „grundlegende Systematik der Bücher“ (z. B. Wahl und Aufstellung der Themen) im Vordergrund (vgl. Rezat 2009, 78). Dazu entwickelt Rezat (ebd., 94) elf Strukturelementtypen, die im Folgenden exemplarisch kurz skizziert werden. Diese sind gemäß der chronologischen Abfolge eines Lehrbuchs ausgearbeitet (z. B. Inhaltsverzeichnis, Übersicht über die jeweiligen Inhalte, Kompetenzen, einzelne Lektionen/ Kapitel zu verschiedenen Themen, sprachliche Mittel, weitere Lektionsteile, (kapitelübergreifende) Selbstevaluationsseiten). Die mesostrukturelle Ebene stellt bei Rezat (ebd., 96) eine Neuerung dar, deren Notwen‐ digkeit darin begründet liegt, dass die Einteilung in eine Makro- und Mikroebene nicht auf die in fast allen Lehrbüchern enthaltenen Lektionen bzw. Lektionsteile zutreffe. Auf dieser Ebene erarbeitet er acht weitere Strukturelementtypen, die ebenfalls nach den o. g. fünf Kategorien aufgegliedert sind. Bei diesen handelt es sich u. a. um Einführungsseiten, Aktivitäten, Themenseiten und Aufgaben zu Inhalten früherer Lektionen. Die mikrostrukturelle Ebene kann sich nach Rezat (ebd., 82) auf verschiedene Teile einer Lektion beziehen (z. B. Themenkomplex, Themenseite, Lerneinheit). Dies hänge davon ab, wie die Mesostruktur aufgebaut sei. Auf dieser Ebene arbeitet er weitere elf Strukturelementtypen heraus, die u. a. den Einstieg in die Lektion, Einstiegsaufgaben, Lektionstexte, Übungen und Zusatzinformationen (z.-B. Hinweiskasten) beinhalten. 2.1 Das (Spanisch-)Lehrwerk als Forschungsgegenstand 27 <?page no="28"?> Erweiternd zu Rezats Strukturmodell entwirft Beyer (2018) im Rahmen der von ihr entwickelten Theorie zur Konzeption von Lateinlehrbüchern eine weitere Strukturierung, die die drei Ebenen nach Rezat (2009) um eine weitere ergänzt, die als Nanoebene (Modul) bezeichnet wird. Diese wird als notwendig erachtet, da „sie als Ebene von Mikro-Lernein‐ heiten nicht auf den ersten Blick sichtbar ist und unter der Ebene einer Lektion (Mikro‐ ebene) liegt“ (Beyer 2018, 338). Gemäß der Theorie von Beyer (ebd.) ist die Einbindung dieser Ebene unter die anderen drei unbedingt notwendig, „da didaktische Kernelemente zunächst auf unterschiedliche Weise zu Mikro-Lerneinheiten zusammengeführt werden können, bevor diese Einheiten wiederum mithilfe spezifischer Zwischenelemente zu einer Einheit auf der Mikroebene (Lektion) zusammengefasst werden“ (ebd.). Schematisch dargestellt, sieht die von Beyer (ebd.) erarbeitete Struktur wie folgt aus: Modul (Nanoebene) →-Lektion (Mikroebene) →-Sequenz (Mesoebene) →-Lehrbuch (Makroebene). 2.1.3 Einflussfaktoren auf Lehrwerke und ihre Erforschung Da sich Lehrwerke als „Konvergenzpunkte der vielschichtigen Diskussionen, die um sie in unterschiedlichen Zusammenhängen geführt wurden und weiterhin geführt werden“ (Kurtz 2011, 5) verstehen, ergeben sich zahlreiche Einflussfaktoren, die auf sie, ihre Entwicklung und Erforschung einwirken. Lehrwerke können nach Kurtz (2011, 5 f.) auch als „zeitlich versetzte ‚Materialisierungen‘“ verstanden werden, die u. a. aus bildungspoli‐ tischen, fachdidaktischen und fachwissenschaftlichen sowie kommerziellen „Überlegungen und Entwicklungen […], Theorien und Modelle[n], Werte[n] und Normen, Ansprüche und Forderungen […]“ (ebd.) resultieren. Im Folgenden werden mögliche Einflussfaktoren unter Bezugnahme auf die von Neuner (1994a, 13) entworfene Graphik einer näheren Betrachtung unterzogen sowie neuere Entwicklungen im Forschungsdiskurs dazu eingebunden. Abbildung 2: Einflussfaktoren auf Lehrwerke und ihre Erforschung (nach Neuner 1994a, 13) 28 2 Theoretischer Teil: Grundlagen und Bezugsrahmen <?page no="29"?> 2 Unter Produkt wird das „Ergebnis der Produktion und Sachziel einer Unternehmung oder auch Mittel der Bedürfnisbefriedigung“ verstanden. Produkte können in Sachgüter (materiell, Gebrauchsgüter und Verbrauchsgüter), Dienstleistungen (immateriell) und Energieleistungen unterteilt werden (vgl. Voigt et al. 2018, o.-S.). Die Einflussfaktoren auf Lehrwerke und ihre Entwicklung lassen sich grundlegend in zwei Bereiche unterteilen, nämlich einerseits in allgemeine, fachübergreifende Gesichtspunkte und andererseits in fachspezifische Bereiche. In der erstgenannten Gruppe werden v. a. le‐ gitimative und reflexive Bedingungen geführt. Hierbei handelt es sich um gesellschaftliche Vorgaben zur Institution Schule und ihrer Fächer sowie um übergeordnete pädagogischdidaktische Konzepte. Auf einer Art „Zwischenebene“ der genannten Faktorengruppen finden sich u. a. institutionelle Rahmenbedingungen (z. B. Lehrpläne, Stundentafeln). Lehr‐ werke verstehen sich demnach als „Instrumente bildungspolitischer Steuerung“ (Niehaus et al. 2011, 20) und unterliegen umfangreichen und strengen Genehmigungsverfahren hinsichtlich der Prüfung auf Übereinstimmung mit den Lehrplänen (vgl. ebd.; Nieweler 2005, 126). Daraus resultiert vonseiten der Bildungspolitik die Forderung, dass derart geprüfte und einheitliche Lehrwerke in der Folge auch verbindlich eingesetzt werden, was primär mit politischen und ökonomischen Überlegungen begründet wird - denn die eher offen gestalteten Kerncurricula rechtfertigen nur bedingt ein einheitlich zugelassenes Lehrwerk (vgl. Niehaus et al. 2011, 20). Neben institutionellen Rahmenbedingungen wirken auch solche materieller Natur auf Lehrwerke ein (insb. Faktoren der Lehrwerkproduktion). Dementsprechend steht die kommerzielle Perspektive im Zentrum der folgenden Abhandlung (vgl. dazu auch den öko‐ nomischen Blickpunkt in der Systematisierung nach Würffel 2021, 291). Deutlich werden hier bereits auch die Wechselwirkungen, die zwischen den in der Abb. 2 dargestellten Elementen bestehen. In den meisten Ländern sind Lehrwerke eine Ware, die von kommerziell agierenden Verlagen produziert werden und kostenpflichtig sind. Meist dient die Produktion von Lehrwerken demnach nicht nur der Erfüllung bildungspolitischer Anforderungen, sondern bedient auch einen Markt mit einem hohen wirtschaftlichen Wert (vgl. Fuchs/ Henne 2018, 40). Daher können Lehrwerke auch als Produkte 2 betrachtet werden, die wirtschaftlichen Gesetzen unterliegen. Die Anfertigung von Lehrwerken im Sinne einer Herstellung von Gütern i. w. S. ist demnach bedingt durch die Kombination verschiedener Produktionsfak‐ toren (z. B. Produktionskosten: Autor*innen- und Berater*innenhonorare, Redaktions-, Werbe-, Druck- und Marketingkosten) (vgl. ebd.). Auch Choppin (2001, 211) unterstreicht die Bedeutsamkeit wirtschaftlicher, (haushalts-)politischer und regulatorischer Faktoren bei der Erstellung von Lehrwerken: Su producción material y, consecuentemente, su aspecto, evolucionan con el progreso tecnológico y con el concurso de otros soportes de la información; su comercialización, su distribución, su coste depende del contexto económico, presupuestario, político y reglamentario. (ebd.) Aufgrund der zahlreichen Aspekte im Zusammenhang mit der Lehrwerkproduktion geht Ezeiza Ramos (2009, 9) in seinen Ausführungen - in Anlehnung an u. a. Rubdy (2003) und Sheldon (1988) - auf die Problematik des Interessenkonfliktes bei der Herstellung von 2.1 Das (Spanisch-)Lehrwerk als Forschungsgegenstand 29 <?page no="30"?> 3 Vgl. dazu auch Gray (2013, 7): „Textbooks are more than educational tools and cultural objects, they are also commodities to be bought and sold“. Lehrwerken ein, die durch die Vielzahl der beteiligten Akteur*innen bedingt ist und teils langwierige Entwicklungsprozesse mit sich bringt: un conflicto de intereses profesionales, económicos e, incluso, políticos que conciernen no solo a profesores y alumnos, sino también a administradores, autoridades educativas, autoridades ministeriales y gobernadores estatales. (Ezeiza Ramos 2009, 9) Richtet man den Fokus spezifischer auf das Zusammenspiel von Materialentwicklung auf inhaltlicher und didaktisch-methodischer Ebene sowie Materialproduktion unter wirt‐ schaftlichen Gesichtspunkten wird aus den Erläuterungen von Littlejohn (2012, 284) folgendes deutlich: Es bestehen problematische Wechselwirkungen, die im Regelfall zu Lasten der inhaltlichen und didaktisch-methodischen Aufbereitung von Lehrwerken gehen und ökonomischen Interessen Vorrang geben. 3 Although materials are aimed to use inside a classroom, they will always bear the hallmarks of the conditions of their production outside the classroom. This is particularly the case with materials which are produced in a commercial context, where the need to maximise sales, satisfy shareholders, and achieve corporate goals may have a direct impact on the design of materials, quite distinct from their pedagogic intent. (ebd., Hervorh., JLK) Beyer (2018, 357) bestätigt die vorangegangenen Erläuterungen, dass aus der Vielzahl an Faktoren ein komplexes Unterfangen der Lehrwerkentwicklung resultiert, dessen Schwä‐ chen aufgrund der teils nicht miteinander zu vereinbarenden Bereiche akzeptiert bzw. selbst durch die Lehrkräfte kompensiert werden müssen (z. B. Genehmigungsverfahren der Bundesländer und sich daraus evtl. ergebende länder-spezifische Ausgaben, fachspezifische Anforderungen, Entwicklungskosten, kürzer werdende Lebenszyklen von Lehrwerken). Unter kommerziellen Gesichtspunkten unterzieht Kurtz (2002, 8) Verlagskataloge für das Fach Englisch einer marketingstrategischen, sprachlichen und fremdsprachendidaktischen Analyse. Das Material beschreibt er (ebd.) als „bedeutsame Marketinginstrumente, die der Verkaufssicherung und der Verkaufsförderung dienen“ sollen. Auf sprachlicher Ebene werden „zahlreiche adjektivistische Beifügungen“ (ebd.) identifiziert, mit denen die Beson‐ derheit des Produkts in den Vordergrund gestellt werden soll, um eine Verankerung im Kurzzeitgedächtnis der potenziellen Kund*innen zu erzielen. Darüber hinaus identifiziert Kurtz (ebd., 9) eine tendenzielle Personifizierung von Lehrwerken und stellt unter marke‐ tingstrategischen Gesichtspunkten fest, dass das Ziel vorrangig darin liege, Image- und Pro‐ duktwerbung mithilfe „einer auf das besondere Kundenprofil der Lehrenden ausgerichteten werbespezifischen Pull-Strategie“ miteinander zu vernetzen (vgl. ebd., 10). Eine Erkenntnis der fremdsprachendidaktischen Analyse ist, dass sich Werbemaßnahmen vorrangig auf die Kombination von „bewährten fremdsprachenunterrichtlichen Erfahrungen“ mit „neusten fremdsprachendidaktischen Erkenntnissen“ beziehen (vgl. ebd.). Im Bereich der fachspezifischen Faktoren werden konstruktive und analytische Bedin‐ gungen formuliert, die auf Lehrwerke und ihre Entwicklung einwirken. Erstere beziehen sich auf fremdsprachendidaktische Lehr- und Lerntheorien und verstehen sich im Kontext 30 2 Theoretischer Teil: Grundlagen und Bezugsrahmen <?page no="31"?> veränderter Konzeptionen der Fremdsprachendidaktik und -methodik. Zweitere ergeben sich aus (neu) gewonnenen Erkenntnissen in den Fachbzw. Bezugswissenschaften (z. B. Sprach- und Literaturwissenschaft) (vgl. dazu auch Brill 2005, 64). Die Rolle der Fremdspra‐ chendidaktik bei der Entwicklung neuer Lehrwerke wird dabei verstanden als „Mittlerin zwischen eigentlichem Fremdsprachenunterricht und Anforderungen an Lehrer, Lerner, Medien und den Erkenntnissen der Bezugswissenschaften“ (ebd.). Als weitere Einflussfaktoren hat die Fachdiskussion die Unterrichtspraxis und -erfah‐ rung der Lehrkräfte sowie die Perspektive der Lernenden und der Lehrwerkverfassenden identifiziert (vgl. Brill 2005, 64 ff.; Heuer/ Müller 1973, 7; Rösler 1992, 112). Krumm (1994, 23) stellt in seinen Ausführungen die Bedeutsamkeit der Einbindung der Lernenden in die Lehrwerkentwicklung heraus, da von der Entscheidung für bestimmte Inhalte und Formen Wirkungen auf die Lernenden, ihre Wahrnehmung der Aktivitäten und auf die gemachten Erfahrungen ausgehen. Heuer und Müller (1973, 7) sowie Rösler (1992, 112) geben außerdem zu bedenken, dass die Lehrwerkverfassenden, ihr wissenschaftlicher Hintergrund sowie ihre Involviertheit in die fachdidaktische Diskussion als zusätzlicher Einflussfaktor mitein‐ bezogen werden müssen, da den Autor*innenteams eine Art Filterfunktion zukommt, wenn es darum geht, zu entscheiden, was Gegenstand der unterrichtlichen Praxis wird (vgl. Brill 2005, 65 f., 69). Die Studie von Niehaus et al. (2011, 21, 25) mit einer wissenschaftlichen Recherche und Analyse zur Gestaltung, Verwendung und Wirkung von Lehrmitteln sowie die Unter‐ suchungen von u. a. Bohnensteffen (2011), Michler (2005) und Müller-Bittner (2008) zeigen, dass die Perspektive der Lehrenden und Lernenden und ihre Forderungen verstärkt in den Diskurs zu Lehrwerken und ihrer Entwicklung aufgenommen wurden. Exemplarisch können die folgenden empirisch-gestützten Ergebnisse berichtet werden: Lehrende fordern eine stärkere Einbindung kultureller Vielfalt und differenzierender Angebote in Lehrwerke sowie die Befähigung zum sprachlichen Handeln aufseiten der Lernenden. Schüler*innen erwarten eine selbsterklärende Aufmachung des Lehrwerks, Lösungsmaterialien zu Kon‐ trolle sowie die Einbindung aktueller Themen und offener Arbeitsformen (vgl. Niehaus et al. 2011, 21 f., 24 f.). Unter Bezugnahme auf die anfangs formulierte Gegebenheit, dass Lehrwerke „Konver‐ genzpunkte der vielschichtigen Diskussionen“ (Kurtz 2011, 5) darstellen, können Lehr‐ werke und ihre Analyse, Entwicklung sowie Verwendung folglich nicht losgelöst von ihrem Faktoren- und Bedingungsgefüge sowie von unmittelbar beteiligten Interaktant*innen (u. a. Lehrende, Lehrende, Autor*innen) erforscht werden. Darüber hinaus sind die auf Lehrwerke einwirkenden Faktoren nicht statisch, sondern entwickeln sich weiter, was eine „fortlaufende Überprüfung, Überarbeitung, Weiter- und Neuentwicklung“ (ebd., 6) notwendig macht. 2.1.4 Zur Bedeutung des Lehrwerks im Fremdsprachenunterricht: Funktionen, Grenzen und Alternativen Im letzten Teilkapitel zum Forschungsgegenstand wird das Lehrwerk einer funktionalen Betrachtung unterzogen und seine Bedeutung im schulischen Fremdsprachenunterricht in 2.1 Das (Spanisch-)Lehrwerk als Forschungsgegenstand 31 <?page no="32"?> den Fokus gerückt. Im Anschluss daran werden Grenzen des Lehrwerks sowie mögliche Alternativen diskutiert. Der hohe Stellenwert von Lehrwerken im Fremdsprachenunterricht wird sowohl im nationalen als auch internationalen Forschungskontext zu Lehr- und Lernmaterialien regelmäßig über Jahrzehnte hinweg betont. Die nachfolgend exemplarisch angelegte Zusammenstellung von Aussagen verschiedener Lehrwerkforschenden veranschaulicht nicht nur die Reichweite von Lehrwerken, sondern auch deren substanziellen Charakter im Fremdsprachenunterricht auf der ganzen Welt: Much of the language teaching that occurs throughout the world today could not take place without the extensive use of commercial materials. (Richards 2001, 251) Por décadas y aún hoy, maestros y alumnos han orbitado y siguen orbitando en torno al texto escolar. (Ramírez 2003, 274) Dass Lehrwerke seit Jahrzehnten als bedeutsames Medium des Fremdsprachenunterrichts angesehen werden, dieser als lehrwerkbasiert gilt und insb. in den Anfangsjahren maßgeb‐ lich daran ausgerichtet wird, heben auch Fäcke (2016, 35), Franke und Plötner (2022, 9) sowie Rückl (2017, 248) hervor. Nicht nur in der fremdsprachendidaktischen Forschung, sondern auch in der empirischen Bildungsforschung stellt man noch immer fest, dass trotz des Umstands, dass Schüler in einer veränderten Medienumwelt aufwachsen und Lehrende wie Lernende auf ein breites Spektrum an Bildungsmedien zurückgreifen können, Schulbücher nach wie vor für Schule und Unterricht große Relevanz haben. (Doll/ Rehfinger 2012, 20) Betrachtet man die Ergebnisse des Forschungsdiskurses der letzten vier Jahrzehnte zu Funktionen des Lehrwerks, können eine Vielzahl an Aspekten mit verschiedenen Graden der Bedeutsamkeit und Reichweite sowie unterschiedliche Perspektivierungen identifiziert werden. Funktionen des Lehrwerks mit besonderer Bedeutsamkeit und Reichweite werden insb. im Forschungsdiskurs der 1990er-Jahre u. a. von Rösler (1994, 73 f.) und Neuner (1999, 160) angeführt. Laut Rösler (1994, 73 f.) liege der Anspruch, den das Lehrwerk erhebt, darin, „den gesamten Lernprozess über einen bestimmten Zeitraum zu begleiten oder gar zu steuern […]“. Die Funktion der Unterrichtssteuerung, „die nachhaltig das Verhalten von Lehrenden und Lernenden“ (Neuner 2003, 400) beeinflusse sowie bestimme, „was im Fremdsprachen‐ unterricht geschieht“ (ebd., 1994a, 8), findet sich ebenfalls durchgängig in den Ausfüh‐ rungen von Neuner. Im Forschungsdiskurs zu Lehrwerken der 1990er-Jahre wird vor dem Hintergrund des substanziellen Charakters des Lehrwerks auch vom „Lehr- und Lern‐ schrittmacher“ (Bausch 1999, 17) gesprochen, dem die oben erläuterten Steuerungsfunk‐ tionen zukommen. Anfang der 2000er-Jahre werden die Funktionsbereiche des Lehrwerks für Lehrkräfte explizit in fachdidaktische und fachmethodische Elemente gegliedert, was die nachfolgende Tabelle zeigt: 32 2 Theoretischer Teil: Grundlagen und Bezugsrahmen <?page no="33"?> Fachdidaktische Elemente (Auswahl) Fachmethodische Elemente (Auswahl) • Unterrichtszielbestimmung • Präzision und Gewichtung des Lehr-/ Lern‐ stoffs • Überführung in eine abgestufte und koor‐ dinierte Lehr-/ Lernprogression • Bestimmung der Unterrichtsverfahren • Unterrichtsgliederung • Einteilung von Unterrichtsphasen • Auswahl von Unterrichtsmedien und Sozial‐ formen Tabelle 3: Funktionsbereiche des Lehrwerks (nach Neuner 2003, 400) Weitere Funktionen, die sich auf die Lehrkräfte beziehen, liegen neben der Orientierungs- und „Geländerfunktion“ (Nieweler 2017, 206) in der Systematik der Stoffaufbereitung, der Arbeitserleichterung und Zeitersparnis durch das Bereitstellen aller erforderlichen Lehr- und Lernmaterialien in einer aufbereiteten Reihenfolge sowie in der Unterstützung bei der Umsetzung curricularer Vorgaben und der Vergleichbarkeit von Abschlüssen (vgl. Hansen 2018, 369; Michler 2017, 21; Nieweler 2017, 206; Würffel 2021, 291 f.). Eine weitere lehrer*in‐ nenbezogene Funktion von Lehrwerken, die u. a. Nieweler (2000, 14) betont, ist deren „ka‐ talysierende Wirkung bei der Umsetzung neuer didaktischer Erkenntnisse“. Auch Leupold (1999, 139) beschreibt das Lehrwerk als „Motor zur Einführung didaktischer Innovationen“ für Lehrkräfte (vgl. zum Lehrwerk als „agent of change“ Hutchinson/ Torres 1994). Dadurch würden Lehrkräfte bei der Umsetzung eines Fremdsprachenunterrichts unterstützt, der sich an aktuellen fremdsprachendidaktischen Erkenntnissen und didaktisch-methodischen Prinzipien orientiert (vgl. Fuchs/ Henne 2018, 25 f.; Würffel 2021, 292 f.). Laut Würffel (ebd.) könne daher mit Lehrwerken ein Beitrag zur Qualifizierung der Lehrkräfte, die diese verwenden, geleistet werden (z. B. durch detaillierte Lehrer*innenhandreichungen, die Unterstützung bei der didaktisch-methodischen Umsetzung bieten). Neben diesen grundlegenden Funktionen, die sich durch ihre besondere Reichweite auszeichnen, werden dem Lehrwerk im Forschungsdiskurs der 1980er- und 1990er-Jahre auch (damals) neuartige Aufgaben zugeschrieben (vgl. Königs 1999, 108). Königs (1983, 395 ff. und 1999, 108) bezieht sich in seinen Ausführungen auf lerner*innenorientierte Funktionen des Lehrwerks, z.-B. als Nachschlagewerk und Lernhilfe für Lernende. Weitere lerner*innenorientierte Funktionen des Lehrwerks sind u. a. das Angebot verlässlicher Korrektheitsmodelle für Lernende durch Lehrwerke, die Stimulation von Unterrichtsinteraktion durch Aufgaben und die Generierung von Vorschlägen zur Verbes‐ serung des Sprachlernprozesses (vgl. Knapp-Potthoff 1999, 99). Der lerner*innenbezogene Funktionsbereich von Lehrwerken wird im Laufe der folgenden Jahre und Jahrzehnte ausgeweitet, indem Aspekte wie die Lernsicherheit, das Angebot von Wiederholungsmög‐ lichkeiten, die Orientierungsfunktion für Lernende sowie die Hilfe zum selbstständigen Lernen aufgenommen werden (vgl. Fuchs/ Henne 2018, 25 f.; Michler 2017, 21; Würffel 2021, 292 f.). Darüber hinaus kommen dem Lehrwerk Aufgaben zu, die die fachbezogene Kommuni‐ kation zwischen Lehrenden und Lernenden auf organisatorischer, aber auch inhaltlicher Ebene erleichtern können (z. B. organisatorische Absprachen, inhaltliche Erwartungen) (vgl. Würffel 2021, 291 f.). In Anlehnung an die Studie von Wipperfürth und Will (2019, 204 f.) mit Englischlehrkräften sind folgende Funktionen als zentral einzustufen (vgl. dazu u.-a. Garton/ Graves 2014a; Koenig 2013; McGrath 2002; Thaler 2011): 2.1 Das (Spanisch-)Lehrwerk als Forschungsgegenstand 33 <?page no="34"?> • Erfüllung der Lehrplanziele; • Struktur (Layout, Aufbau); • Progression (insb. in den sprachlichen Mitteln, v. a. in der Unterstufe, auch noch in der Mittelstufe); • Erleichterung der Unterrichtsplanung (insb. in der Ausbildung und dem Berufsein‐ stieg); • „Fundgrube“, „Ideensammlung und Inspiration“, „Steinbruch“, „Materialpool“; • Grundlage für die Kooperation mit Kolleg*innen; • Grundlage für gemeinsame Unterrichtsplanung und gemeinsame Prüfungen; • sichere Grundlage für die Kolleg*innen der Folgejahre; • Gesprächsgrundlage für Unterrichtserfahrungen; • Kommunikationsmedium mit den Eltern; • Übungspool insbesondere für Grammatik. Im Forschungsdiskurs zur Funktionsbestimmung von Lehrwerken wird ihre Notwendigkeit im Fremdsprachenunterricht jedoch auch kritisch hinterfragt, da von Lehrwerken nicht unerhebliche Beeinflussungstendenzen auf den Lehr- und Lernprozess ausgehen können (vgl. dazu u. a. Cunningsworth 1995; Harmer 2001; McGrath 2002). „Trotz oder gerade wegen dieser Dominanz“ (Thaler 2011, 16) von Lehrwerken hat die Kritik ihrer Verwendung im Unterricht schulischer Fremdsprachen eine lange Tradition (vgl. ebd.). Es gilt hier jedoch darauf zu verweisen, dass vornehmlich das Lehrbuch Gegenstand der Kritik ist, da nur selten auf das System Lehrwerk Bezug genommen wird. Lehrbuchbezogene Kritik ist in ihrem Erkenntnisgehalt nur bedingt auf das Konzept des Lehrwerks als Kompendium und Impulsgeber zu übertragen bzw. nur teilweise von Aussagekraft, wenn man das Lehrwerk in dieser Anlage zu begreifen versucht. Thaler (ebd., 17) fasst grundlegende kritische Stimmen im Hinblick auf Lehrwerke zusammen und bezieht sich insb. auf Begrenzungen, die vom Lehrwerk auf Lehrende und Lernende, die Darstellung der Inhalte und auf den Authentizitätsgrad im Klassenzimmer ausgehen können: Irrelevance Textbooks may not be relevant to the needs of a particular group of learners. Homogeneity Textbooks ignore the heterogeneity of pupils we find in most classrooms. Length Textbooks include texts which may be too long or too short. Difficulty Textbooks include texts which may be too difficult or too easy. Publication Textbooks quickly go out of date. Boredom Textbooks deal with topics that are not interesting, humorous or relevant to pupils. Routine Textbooks can be repetitive (same character, same topic, same format for every unit). Passivities The activities in textbooks do not deserve their name, do not really activate pupils and do not automatically guarantee acquisition of learning input. 34 2 Theoretischer Teil: Grundlagen und Bezugsrahmen <?page no="35"?> 4 Es sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass auch vor den 1990er-Jahren Kritik am Lehrwerk bzw. -buch geübt wurde (vgl. dazu Heuer 1968). 5 Vgl. zur Diskussion um Authentizität trotz bzw. in Lehrwerken den Begriff der Authentisierung. Mittels dieses Begriffes kann nicht nur auf eine Eigenschaft von Texten referiert werden, son‐ dern Authentisierung kann auch als Ergebnis eines Prozesses (der Authentisierung) verstanden werden, indem Lehrkräfte das Material versuchen zu authentisieren (z. B. im Kommunikati‐ onsakt)-(vgl.-Leitzke-Ungerer 2017,-13). Bias Textbooks present a middle-class view of reality - sanitized, elitist - and avoid controversial topics or present them in too formalized a way. Dependence Textbooks prohibit the learners’ freedom of choice and act against spontaneity in the classroom. Straitjacket Textbooks threaten the teacher’s freedom of action. Economic interest Textbooks are merely money-spinners for publishers. Tabelle 4: Nachteile von Lehrwerken (nach Thaler 2011, 17) Auch im spanischsprachigen Forschungsdiskurs zu Nachteilen von Lehrwerken werden vorrangig Aspekte thematisiert, die die Grundsatzfrage stellen, ob man überhaupt an einen komplexen, individuellen und heterogenen Fremdsprachenlernprozess mit vorgefertigtem Material herantreten könne (vgl. Ezeiza Ramos 2009, 8): El proceso de aprendizaje de una lengua es demasiado complejo como para pretender que pueda ser satisfecho plenamente con unos materiales prefabricados. Existe un amplio conjunto de aspectos fundamentales de la enseñanza y del aprendizaje que, difícilmente, éstos podrán abordar, gestionar o cubrir: por ejemplo, el control sobre los procesos, la orientación pedagógica, la interacción, el “feedback”, el uso del espacio y del tiempo, etc. (ebd., Hervorh., JLK) Im deutschsprachigen Forschungskontext wurde daher in den 1990er-Jahren der Einsatz von Lehrwerken grundlegend infrage gestellt. 4 Argumente gegen die Verwendung von Lehrwerken beziehen sich u. a. darauf, dass diese zur fehlenden Effektivität des Unterrichts beitragen und authentische Kommunikation in der Fremdsprache verhindern würden, weshalb sie durch einen Pool an authentischen Materialien 5 ersetzt werden sollten (vgl. Freudenstein 1999, 63 f.). Verschärfend dazu führen Kritiker*innen an, dass keine gesicherte Grundlage darüber existiere, ob Lehrwerke tatsächlich den Lehr-/ Lernprozess unterstützen. Laut Bleyhl (1999, 27) beziehe man sich auf die traditionelle Annahme, dass „Wissen durch Instruktion transferierbar“ sei. Seines Erachtens sei es die Aufgabe der Lehrkraft, das Lehrwerk so schnell wie möglich überflüssig werden zu lassen (vgl. ebd.). Die Forderung eines radikalen Verzichts auf Lehrwerke findet sich vorrangig in den Ausführungen von Vertreter*innen der konstruktivistischen Fremdsprachendidaktik (vgl. dazu u. a. Krüssel 1993; Wolff 1996). In Anlehnung an Freudenstein (1999) plädiert auch Wolff (1996, 549) für den Einsatz von authentischen Materialien anstelle von Lehrwerken, damit Lernenden die Chance zuteilwerde, ihr „eigenes Wissen mit dem angebotenen Wissen verbinden zu können“. Auch Thornbury (2000, 2) spricht sich mit seinem Dogme Approach für 2.1 Das (Spanisch-)Lehrwerk als Forschungsgegenstand 35 <?page no="36"?> 6 Digitale Medien werden als „Oberbegriff für alle elektronischen Medien [verstanden, JLK], die auf der Basis digitaler Informations- und Kommunikationstechnologien arbeiten“ (Grünewald 2016, 463). Hierunter werden Computer, Internet, E-Book-Reader, DVDs, Lernsoftware etc. subsumiert. Grundlegend können digitale Medien zum Sprachenlernen als Offline-Medien oder Online-Medien vorliegen (vgl. ebd.). eine „pedagogy of bare essentials“ und ein „teaching unplugged“ aus, wodurch „echte“ Kommunikation zwischen Lehrenden und Lernenden ermöglicht werden könne: Along with the quantity of coursebooks in print, there is an embarrassment of complementary riches in the form of videos, CD-ROMs, photocopiable resource packs, pull-out word lists, even websites, not to mention the standard workbook, teachers book and classroom and home study cassettes […] Where is the inner life of the student in all his? Where is the real communication? (ebd.) Der Forschungsdiskurs zu Grenzen des Lehrwerks ist auch ab den 2000er-Jahren von einer Fülle von Aspekten gekennzeichnet, die den Einsatz von Lehrwerken im Fremdspra‐ chenunterricht kritisch sehen. Wiederholt betont werden dabei die lineare und starre Progression, implizite und explizite Normierungen, ein geringes Maß an Flexibilität durch übermäßige Strukturierung des Lehrwerks sowie Authentizität, die Grammatikdominanz, fehlende hinreichend reale Kommunikationssituationen sowie das schnelle Veralten (vgl. Fäcke 2011, 210 f.; Richards 2017, 246 f.; Nieweler 2017, 207). Des Weiteren wird fortwährend darauf verwiesen, dass das Verständnis eines Lehrwerks als „Mittler zwischen Lehrplan und konkreter Unterrichtsstunde“ (Thaler 2016, 180) illusorisch sei; vielmehr verstehe sich das Lehrwerk als „heimlicher Lehrplan“ (Fäcke 2011, 210): El texto escolar se torna un dispositivo de mediación entre la planeación de la clase y la planeación curricular anual. Algo así como que el “currículo oculto” es el texto escolar; el péndulo sobre el que oscilan la propuesta educativa del año lectivo y la ejecución de la siguiente clase. (Velásquez Aponte/ Alberto López 2015, 8) Aufgrund der Vorgaben, die durch das Lehrwerk gemacht werden, und den daraus resultierenden Schwierigkeiten der Lehrkräfte, sich davon zu lösen, könne sich laut Ezeiza Ramos (2009, 9) eine Tendenz der De-/ Entprofessionalisierung bei den Lehrenden durch die Verwendung kommerzieller Lehr-/ Lernmaterialien abzeichnen, die diese zu ‚schlichten Vermittelnden‘ machen (vgl. dazu auch Richards 2017, 247): Los materiales comerciales pueden llegar a usurpar las funciones de los profesores desplazándolos a una posición de simples mediadores. Esto derivaría en una trivialización de la tarea del profesor y una “desprofesionalización” de éste. (Ezeiza Ramos 2009, 9) Ein weiterer Aspekt, der sich durch die Kritik an Lehrwerken und -büchern zieht, geht von Wirkungen der Digitalisierung aus. Im Zuge der fachdidaktischen Diskussion über digitale Medien 6 haben viele Befürworter*innen digitaler Medien prophezeit, dass das Lehrwerk im Fremdsprachenunterricht der Zukunft und der von der Digitalisierung ausgehenden Entwicklungen seine Notwendigkeit verlieren werde (vgl. dazu u. a. Brill 2005; Wolff 1996, 549). 36 2 Theoretischer Teil: Grundlagen und Bezugsrahmen <?page no="37"?> Vertreter einer eher vermittelnden Position des Forschungsdiskurses sehen in den digi‐ talen Medien eine Erweiterung und Bereicherung des Lehrwerks, womit Veränderungen in der Funktion und Gestaltung von Lehrwerken einhergehen (vgl. Donath 1997, 34; Funk 1999, 6). Diese Position vertreten auch Leupold (1998) sowie Jung, Riechert und Westhofen (2000), indem sie in ihren Ausführungen „das Lehrbuch als Basiskomponente“ (Leupold 1998, 135) ausweisen und dies insb. auf praktische Gründe zurückführen: Das Buch dagegen bleibt unschlagbar praktisch, weil handlich, gut lesbar, schnell, mobil, trans‐ portabel, unabhängig von Leitungen, Programmabstürzen und Hardwarefehlern ebenso wie von teuer ausgestatteten Medienräumen. ( Jung, Riechert & Westhofen 2000, 578) Wernsing (1999, 253) führt den Gedanken zum Lehrbuch als Basiskomponente unter struk‐ turellen Gesichtspunkten weiter, indem sich die einzelnen Komponenten des Lehrwerks als „variabel nutzbarer Medienverbund“ (Brill 2005, 22) verstehen, in dem das Lehrbuch als „Wegweiser“ fungiert, das die Nutzung der Medien koordiniert. Entgegen den oben dargestellten Vermutungen und Prophezeiungen besteht die Bedeut‐ samkeit des Lehrwerks (in seinen analogen Bestandteilen) bis heute fort (vgl. dazu u. a. Miera-Yacoub 2020, 5), und laut Rückl (2017, 248) werde das Lehrwerk auch in Zukunft das „Leitmedium des Unterrichts“ bleiben. Eine Verdrängung des Lehrwerks durch digitale Materialien und/ oder seine fehlende Notwendigkeit konnten bisher nicht beobachtet werden, vielmehr handelt es sich um eine Integration digitaler Komponenten in das nach wie vor weiter analog existierende Lehrwerk: […] despite the opportunities provided by blended learning and other web-based initiatives, traditional books or print-based learning materials continue to play an important role in the lives of the majority of teachers and learners. (Harwood 2010, ix) Eine weitere Perspektive auf das Verhältnis von Digitalisierung und Lehrwerk nimmt Miera-Yacoub (2020, 5) ein. Ihr liegt die Annahme zugrunde, „dass die Lehrwerkdominanz eine entscheidende Barriere für den Einsatz digitaler Formen im Fremdsprachenunterricht“ darstelle und die Ausschöpfung digitaler - aber auch in der Kombination von analogen und digitalen Formaten liegenden - Potenziale behindere sowie die Tatsache untergrabe, dass der Einsatz neuer Technologien die Lebenswelt der Lernenden charakterisiert. Miera-Yacoub (ebd., 164) prägt in diesem Zusammenhang den Begriff der Einstellungs‐ barriere bei Lehrkräften, die dazu führe, dass Lehrende keine anderen Unterrichtsstile und -materialien nutzen würden, wodurch lehrwerkunabhängiges Arbeiten erheblich er‐ schwert werde. Neben der Unterrichtskultur, die durch die Lehrwerktradition bestimmt sei, werden weitere Barrieren für die „Integration computerunterstützter Unterrichtsformen“ genannt, die in den Bereichen der Ausstattung der Schule, der professionellen Entwick‐ lungsmöglichkeiten der Lehrkräfte und der Einstellungen von Schulleitungen liegen (vgl. ebd., 166). Vor diesem Hintergrund fokussiert sie (ebd.) in ihrer Dissertation die Entwicklung einer digitalen Alternative zum vorwiegend analogen Lehrbuch, mit der die Nachteile der Print-Version des Lehrbuchs ausgemerzt werden sollen (vgl. ebd., 157). Unter Bezugnahme auf eine im Auftrag des Cornelsen-Verlags von Rüschoff, Rumlich und Altenbeck (2013) durchgeführte Befragungsstudie zu Erwartungen von Lehrkräften an digital-weiterentwi‐ 2.1 Das (Spanisch-)Lehrwerk als Forschungsgegenstand 37 <?page no="38"?> ckelte Lehrbücher (z. B. Arbeitsbelastung, Datenschutzproblematik, Lernplattformen) stellt Miera-Yacoub (2020) folgendes fest: Die Bedenken zu digitalen Umsetzungsformen im Fremdsprachenunterricht sind durch die bestehende Unterrichtskultur, die vom Lehrwerk dominiert wird, geprägt, auch wenn die befragten Lehrkräfte gegenüber einer verstärkten Nutzung digitaler Unterrichtsformen prinzipiell aufgeschlossen sind (vgl. ebd., 140 ff.). Dies nimmt sie zum Anlass, um vorhandene digitale Lehr- und Lernmittel sowie Plattformen (Moodle, G Suite for Education, Scook) einer Qualitätsanalyse (vgl. ebd., 199 ff.) zu unterziehen. Davon ausgehend leitet sie Qualitätsmerkmale für digitale Lehr- und Lernmittel ab, die sie auf Basis der Konstituenten des Fremdsprachenunterrichts (Lernkultur, sprachliche Mittel, Thema, Text, Aktivität, Monitoring, Rahmenbedingungen, Gestaltung) bestimmt (vgl. ebd., 196 ff.) und die „als Strukturvorgabe für die Aufstellung der Qualitätsmerkmale“ (ebd., 174) dienen. Unter Einbezug zweier Ansätze zu Strategien für den Fremdsprachenunterricht und Prinzipien für die Materialentwicklung, die Miera-Yacoub (2020) analysiert und mithilfe der von ihr entwickelten Konstituenten durch einen Abgleich mit Paradigmen des Fremdsprachenunterrichts und der CALL-Forschung systematisiert, arbeitet sie Merkmale heraus, die zur Qualitätsbestimmung von digitalen Materialien genutzt werden können (vgl. ebd., 174). Des Weiteren werden Anforderungen an digitale Lehr- und Lernmittel skizziert und eine „Vision für ein Arrangement digitaler Lehr- und Lernmittel im System Schule“ (ebd.) kreiert. Als Ergebnis ihrer Analyse hält Miera-Yacoub (ebd., 234 f.) fest, dass sich die untersuchten Plattformen aus den folgenden Gründen nur bedingt für den Fremdsprachenunterricht eignen: • Mangel an spezifischen Werkzeugen für den Fremdsprachenunterricht; • Problematik der Umsetzung einer langfristigen Progression und systematischen Wort‐ schatzarbeit; • hohe Arbeitsbelastung für Lehrkräfte (beim Versuch der Umsetzung des vorausge‐ henden Punktes). Ausgehend von der Feststellung, dass Schulbuchverlage die didaktischen und technologi‐ schen Potenziale nicht vollständig ausschöpfen (z. B. Übertragung des Printlehrwerks in digitaler Form mit wenigen digitalen Funktionen) fordert Miera-Yacoub (2020, 235) von den Verlagen eine Neuausrichtung ihrer Lehrwerkkonzeption als „tatsächliche Innovationen“, die einen Beitrag zur Auflösung der Barriere in der Unterrichtskultur und Lehrwerkdo‐ minanz leisten können (vgl. ebd., 168). Konkret bezieht sie sich auf interaktive Formen, die die Lernenden in eine mitbestimmende Rolle versetzen, kollaborative Arbeitsformen ermöglichen und individualisierte Lernformen integrieren (vgl. ebd., 235). Betrachtet man die oben erläuterten Analyseergebnisse, werden jedoch auch problema‐ tische Aspekte deutlich, die mit einer solchen digitalen Variante des Lehrbuchs einhergehen und die sich zum einen aus der von Rüschoff, Rumlich und Altenbeck (2013) durchgeführten Befragungsstudie mit Lehrkräften sowie zum anderen aus den Ergebnissen zu den digitalen Lehr- und Lernmedien von Miera-Yacoub (2020) ergeben. Für Mishan (2021, 492), Quetz (1999a, 169) und Thaler (2011, 18) scheint der Ersatz von Lehrwerken durch unabhängige Materialien vor dem Hintergrund der Spezifika des Aneignungsprozesses fremder Sprachen in der Schule mit Blick auf die Planung, Steuerung, Arbeitsökonomie und Kosten „tatsächlich alternativlos“ (Thaler 2011, 18) zu sein. Anstelle 38 2 Theoretischer Teil: Grundlagen und Bezugsrahmen <?page no="39"?> von Lehrwerken werden bspw. von Thaler (ebd.) autodidaktische Verfahren, die eigene Erstellung von Materialien oder die Nutzung von Online-Materialien genannt. Dabei stellen die genannten Möglichkeiten hohe Anforderungen an die didaktisch-methodische sowie fremdsprachliche Kompetenz der Lehrkräfte. Unter zeitlichen, aber auch professionellen Gesichtspunkten erscheint ferner eine (dau‐ erhafte) Erstellung von eigenen Materialien im beruflichen Alltag schwierig realisierbar bzw. ggf. unsystematisch und nicht angemessen (vgl. ebd.; Martinez 2005, 112). Auch die Berücksichtigung und konkrete unterrichtspraktische Umsetzung bildungspolitischer, fachdidaktischer und curricularer Neuerungen erscheint ohne den Einsatz eines Lehrwerks fraglich (vgl. Thaler 2011, 18). Eine Kombination aus lehrwerkabhängigen und -unabhängigen Materialien wird folg‐ lich als sinnvoll erachtet. Diese würde durch eine möglichst flexible und dynamisch angelegte Struktur sowie Anordnung von Inhalten in Lehrwerken den Lehrenden mehr Freiheiten einräumen, je nach Unterrichtskontext vom Lehrwerk abzuweichen und unab‐ hängige (Online-)Materialien einzubinden. Die Ausführungen von Ezeiza Ramos (2009, 11) untermauern dies: Así las cosas, actualmente, la postura más generalizada no renegaría de los materiales como instrumentos para la enseñanza, pero abogaría por una oferta lo suficientemente amplia y específica que permita a los profesores poder articular diferentes tipos de recursos en función de las necesidades particulares de cada grupo de alumnos; siempre guiados por una concepción flexible y dinámica de la enseñanza y el aprendizaje. (ebd., Hervorh., JLK) Trotz der Diskussion zum Einsatz von Lehrwerken und zu ihrer Rolle innerhalb des Sprachlehr- und -lernprozesses wird man gegenwärtig weiter davon ausgehen können, dass das Medium sich mit Blick auf Funktion und Gestaltung zwar verändert (hat), dass es aber ungeachtet dessen weiterhin einen wichtigen Platz in den ersten Lernjahren im institutionellen Fremdsprachenunterricht einnehmen wird (vgl. Rückl 2017, 248). Obgleich unterschiedliche Meinungen zur Notwendigkeit und Sinnhaftigkeit der Verwendung von Lehrwerken im Fremdsprachenunterricht vorliegen, sind sich die Vertreter*innen der Fremdsprachendidaktik weitgehend einig, „dass Lehrwerke ein sinnvolles Hilfsmittel im Unterricht darstellen, ihr Einsatz aber nicht dazu dienen sollte, diesen im Sinne eines hidden curriculum zu steuern“ (Elsner 2016, 443). Abschließend soll eigens betont werden, dass Materialien immer erst in einer kritischen, kreativen und flexiblen Auseinandersetzung mit Endnutzer*innen ihr Potenzial bei der Unterrichtsvor- und -nachbereitung sowie im Unterricht entfalten und so problematische Aspekte identifiziert und optimiert werden können (vgl. dazu u. a. Würffel 2021, 298). Dies lässt sich exemplarisch mit folgenden Aussagen des Forschungsdiskurses bekräftigen: a textbook does not teach itself. (Prodromou 2002, 27) […] si son susceptibles de ser adaptados y modificados por los profesores-, pueden resultar una ayuda muy util […]. (Ezeiza Ramos 2009, 7) 2.1 Das (Spanisch-)Lehrwerk als Forschungsgegenstand 39 <?page no="40"?> 7 Vgl. zur Entwicklung und zum Status des Spanischen als Schulfremdsprache (und im universitären System) in den USA, Brasilien, Frankreich und Großbritannien u. a. Franzbach/ Navarro de Adriaen‐ sens (1966), Haensch (1970), Koch (2020) und Sánchez Pérez (1992). 8 Vgl. zur Darstellung des Spanischunterrichts in Deutschland u. a. Helle (1993), Hüllen (2005), Lehberger (2003), Steinhilb (1985) und Voigt (1998). 2.2 Der Fremdsprachenunterricht Spanisch und seine Lehr- und Lernmaterialien im Wandel der Zeit: historische Entwicklung und aktuelle Tendenzen Zu Beginn dieses Oberkapitels wird die Entwicklung des Spanischen als Fremdsprache im deutschen Bildungskontext historisch skizziert und in Bezug zur Konstituierung anderer Schulfremdsprachen im deutschen Schulsystem gesetzt. Denn die vergangene und insb. aktuelle lehrwerkbezogene Situation des Spanischen als Schulfremdsprache und ihrer spezifischen Materialien-/ Lehrwerkentwicklung kann nur dann in der Tiefe nachvollzogen werden, „wenn man [ihre, JLK] Geschichte kennt […]“ (Hüllen 1981, 20 f.). Spanisch zählt neben Chinesisch, Englisch und Hindi zu den vier meistgesprochenen Sprachen (vgl. Neveling 2019, 446). Bär (2016, 553) charakterisiert Spanisch als eine der „Top-3-Sprachen der Welt“. Die Bedeutung des Spanischen und der angedeutete Anstieg spanischsprechender Personen lassen sich nicht nur im erstsprachlichen Kontext beobachten, auch als Fremdsprache gewinnt Spanisch (als internationale Verkehrssprache) zunehmend an Bedeutung (vgl. Bär 2016, 554; Grünewald 2017b, 12; Ossenkop 2014, 55). Mittlerweile stellt Spanisch mit ca. 20 Millionen Lernenden nach Englisch die meistgelernte Fremdsprache weltweit dar (vgl. Bär 2016, 554): „El español es el segundo idioma que más se estudia en el mundo“ (El País 2007). Spanisch wird daher auch als „eine Art Zweitsprache der globalisierten westlichen Welt“ bezeichnet 7 (vgl. Kabatek/ Pusch 2011, 26). Spanisch als Fremdsprache im deutschen Schulsystem Hinsichtlich der spezifischen Situation des schulischen Spanischunterrichts in Deutsch‐ land 8 lässt sich feststellen, dass in den letzten Jahrzehnten Spanisch wie keine der anderen Fremdsprachen „derart an Attraktivität hinzugewonnen“ hat (vgl. Klump/ Willems 2014, 164). Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes (2019) besuchten im Schuljahr 2018/ 19 463.968 Schüler*innen den Spanischunterricht an allgemeinbildenden Schulen. Dies stellt einen Zuwachs von mehr als 79 % im Vergleich zum Schuljahr 2006/ 07 dar, in dem 259.301 Schüler*innen Spanisch lernten. Hieraus ergibt sich ein größerer Markt für immer spezifischer werdende und an verschiedene Lehr- und Lernkontexte angepasste Spanisch-Lehrwerke (vgl. Kap. 2.3.2.2). Verglichen mit den Lernendenzahlen in anderen fremdsprachlichen Fächern, wie z. B. Französisch oder Latein, stellt Spanisch die einzige Fremdsprache dar, „die überhaupt Zugewinne in den letzten gut zehn Jahren vorweisen kann“ (vgl. Koch 2020, 12). Auch die wachsende Bedeutung des Spanischen als zweite Fremdsprache lässt sich mit steigenden Belegzahlen untermauern. Während im Schuljahr 2003/ 04 die Zahl der Spanischlerner*innen der Klassen 6 bei 3.277 lag, hat sie sich bis 2013/ 14 fast um das 40 2 Theoretischer Teil: Grundlagen und Bezugsrahmen <?page no="41"?> Fünffache auf 15.904 erhöht. Dies lässt darauf schließen, dass Spanisch als Fremdsprache nicht nur häufiger, sondern auch tendenziell früher gewählt wird (vgl. Fritz 2020, 30). Dennoch ist Spanisch nach Englisch, Französisch und Latein nach wie vor lediglich die am vierthäufigsten gewählte Fremdsprache in der Sekundarstufe I an allgemeinbildenden Schulen (vgl. Grünewald 2017c, 42). Bundesweit wird Spanisch als „klassische Tertiärfremd‐ sprache“ (Fritz 2020, 27) angesehen. Als zweite Fremdsprache ist der Status des Spanischen je nach Bundesland zwar etwas weniger gefestigt, dennoch lässt sich eine Tendenz zur Wahl als zweite Fremdsprache ausmachen (vgl. Christ 2004, 87; Fritz 2020, 27 f.). An Berufsschulen hingegen ist Spanisch traditionell stark vertreten (vgl. Vences 2015, 16). Fast doppelt so viele Schüler*innen lernen in dieser Schulform Spanisch anstelle von Französisch. An berufsbildenden Schulen werden ca. 30 % mehr Spanischals Französi‐ schlernende im bundesweiten Durchschnitt gezählt (vgl. Grünewald 2017c, 45). Spanisch kann demnach erste, zweite, dritte oder auch vierte Schulfremdsprache sein. Daraus resul‐ tieren unterschiedliche Lernvoraussetzungen, didaktisch-methodische Anforderungen und damit Konsequenzen für die Lehrwerkentwicklung (z. B. Differenzierung, Mehrsprachig‐ keit) (vgl. Bär 2012a, 37; Vences 2015, 12 ff.). Aktuelle Tendenzen zur Wahl des Spanischen als zweite Fremdsprache auf Basis einer Lernendenzahlerhebung im Schuljahr 2022/ 23 an ausgewählten hessischen Schulen Die Tendenz zur Wahl des Spanischen als zweite Fremdsprache kann durch eine von der Forscherin im Schuljahr 2022/ 23 an ausgewählten hessischen Schulen durchgeführte Lernendenzahlerhebung untermauert werden. Dabei wurden Schulen ausgewählt, die sich zum einen zur Auskunft über Lernendenzahlen bereit erklärt haben, zum anderen aber auch unterschiedliche Schulformen beinhalten, in verschiedenen Stadt- und Landkreisen liegen sowie unterschiedlich kurze oder lange Traditionen des Angebots von Spanisch als zweiter Fremdsprache aufweisen. Eindeutig bestätigt werden kann mit dieser (nicht repräsentativen, aber dennoch einen Trend zeichnenden) Stichprobe, dass im Durchschnitt über 50 % (vgl. Forsa 2012) - nämlich rund zwei Drittel - der Lernenden Spanisch als zweite Fremdsprache wählt, wenn das schulische Sprachenangebot nicht durch administrative und schulpolitische Regelungen begrenzt wird (z. B. kein Angebot des Spanischen als zweite Fremdsprache oder eingeschränkte Möglichkeiten durch eine gewisse Anzahl an Klassen und Lernenden im Fach Spanisch, die nicht überschritten werden darf). Im Zuge der Ermittlung der Lernendenzahlen geben Schulleitungen verschiedener weiterführender Schulen einen Einblick in den Implementierungsprozess des Spanischen und in die nach Jahrzehnten immer noch fehlenden Vorbedingungen und Entwicklungs‐ möglichkeiten. Daraus resultiert bspw. ein erst seit Kurzem an den Schulen vorhandenes Angebot, das jedoch aufgrund personeller Engpässe nur eine Spanischklasse pro neuem Schuljahr erlaubt. Zwischen Angebot und Nachfrage im Fach Spanisch als zweite Fremd‐ sprache besteht an einigen weiterführenden Schulen (in Hessen) noch immer kein Gleichge‐ wicht, was die folgenden Lernendenzahlen an einem Gymnasium in einer mittelhessischen Stadt verdeutlichen: Von insgesamt 120 Lernenden, die mit der zweiten Fremdsprache in Klasse 7 im Schuljahr 2022/ 23 neu beginnen, haben 63 als Erstwunsch Spanisch angegeben (52,5 %). Aufgrund der oben erläuterten Begrenzungen wurde dieser Wunsch 2.2 Der Fremdsprachenunterricht Spanisch und seine Lehr- und Lernmaterialien im Wandel der Zeit 41 <?page no="42"?> 9 Vgl. zur historischen Entwicklung des Spanischen als Fremdsprache im Zeitraum vom 9. Jahrhundert bis zum Beginn der Neuzeit Voigt (1998). bei lediglich 25 Lernenden berücksichtigt. In 58,5 % der Fälle konnte dem Erstwunsch der Schulfremdsprache Spanisch demnach nicht nachgekommen werden. Rückblick: Historische Entwicklung des Spanischen als Fremdsprache im deutschen Schulsystem als Ausgangspunkt zur Genese von Lehr- und Lernmaterialien Die vorangegangenen Ausführungen lassen bereits vermuten, dass Spanisch im Vergleich zu Englisch, Französisch und Latein keine „fest verankerte Schulfremdsprache“ (Koch 2020, 14) war und weit hinter Französisch und Latein (hier verstanden als zweite Fremdsprachen) zurücklag bzw. teils noch zurückliegt (vgl. Fritz 2020, 25). Spanisch als Fremdsprache verfügt in Deutschland über eine sehr kurze Tradition (vgl. Koch 2020, 12), was einen signi‐ fikanten Unterschied zur Entwicklung des (staatlich geförderten) Französischunterrichts in Deutschland darstellt (vgl. Fritz 2020, 26; Reinfried 2013, 32-ff.). Die nachfolgende tabellarische Systematisierung der historischen Entwicklung des Spanischen als Fremdsprache über die Jahrhunderte hinweg ermöglicht es, wichtige Hinweise auf die Materialien- und Lehrwerkentwicklung vor dem Hintergrund geschicht‐ licher Ereignisse, (bildungs-)politischer Entscheidungen sowie fehlender Vorbedingungen und Entwicklungsmöglichkeiten (z. B. Missverhältnis von Angebot und Nachfrage, Spani‐ schlehrkräftemangel) zu gewinnen. Zu berücksichtigen ist dabei, dass über die Anfänge des Spanischlernens in Deutschland nur wenig bekannt ist (vgl. Voigt 1998, 23). Auch Steinhilb (1985, 1) bestätigt, dass für den schulischen Bereich nur wenige Informationen speziell zum Spanischen vor dem 20. Jahrhundert vorliegen. Daher wird mit Blick auf die Relevanz für das vorliegende Forschungsprojekt und den Grundstein für die Materialien- und Lehrwerkkonzeption die historische Entwicklung des Spanischen als Fremdsprache ab dem 16.-Jahrhundert skizziert. 9 Mit den hervorgehobenen Passagen wird der (Entwick‐ lungs-)Stand und der Stellenwert bzw. der Bedarf an Lehr- und Lernmaterialien für Spanisch im jeweiligen Jahrhundert deutlich. Zeitraum Historische Entwicklung des Spanischen als Fremdsprache mit einem Fokus auf Lehr- und Lernmaterialien 16.-Jahr‐ hundert • Intensivierung politischer und wirtschaftlicher Kontakte zwischen Deutschland und Spanien • Verbesserung der Technik des Buchdrucks und Zunahme zur Verfügung stehender Lehr-/ Lernmittel (z.-B. Grammatiken, Wörterbücher) (vgl. Voigt 1998, 26) • Diversifizierung der Orte des Spanischlernens (z.-B. Privatunterricht in Residenzen des Adels, Universitäten und akademischen Gymnasien sowie pri‐ vaten Sprachschulen) (vgl. ebd., 28 ff.) und daraus resultierende Notwendigkeit spezifischer(er) und kontextangemessener Lehr- und Lernmaterialien • Ausrichtung der Unterrichtspraxis an der lateinischen Grammatik, Überset‐ zungen, Einübung von Dialogen, Anfertigung von Vokabellisten (vgl. Koch 2020, 10) 17. und 18.-Jahr‐ hundert • Festigung des Spanischunterrichts in institutionellen Kontexten (z.-B. an Gymnasien in Kassel (1618) und Stuttgart (1700) sowie spanischsprachige 42 2 Theoretischer Teil: Grundlagen und Bezugsrahmen <?page no="43"?> 10 Obligatorisch wird Spanisch nur in den Hansestädten sowie Pforzheim und Schwäbisch-Gmünd (vgl. Haack 1937, 75 f.). Zeitraum Historische Entwicklung des Spanischen als Fremdsprache mit einem Fokus auf Lehr- und Lernmaterialien Veranstaltungen an der Universität Gießen (1650) und Helmstedt (1650) (vgl. Voigt 1998, 31 f.) • geringer Stellenwert des Spanischen an Schulen (Vorrang des Französischen und Englischen) (vgl. Grünewald 2017b, 13) • Bedeutungsverlust des Spanischen bis in die zweite Hälfte des 19.-Jahr‐ hunderts aufgrund des politischen Niedergangs Spaniens Anfang des 17.-Jahr‐ hunderts (vgl. Reinfried 2013,-32) und davon ausgehende Konsequenzen für die Lehr- und Lernmaterialienentwicklung (weniger Bedarf) • Verschiebung der Unterrichtsschwerpunkte in den Bereich des Bürger‐ tums (Bedarf an sprachkundigen kaufmännischen Mitarbeitenden in nördlichen und südlichen Handelsstädten Deutschlands aufgrund steigender Handelsbezie‐ hungen mit Latein- und Südamerika) (vgl. Koch 2020, 10; Reinfried 2013, 32; Voigt 1998,-36) und damit einhergehender Bedarf an thematisch spezifisch ausgerichteten Lehr- und Lernmaterialien • Verwendung von Grammatiken und Dialogbüchern als Lehr- und Lern‐ mittel, die in den spanischen Niederlanden hergestellt wurden (vgl. Koch 2020, 10) 19.-Jahr‐ hundert • Zentren der Anfänge des Spanischunterrichts: Bremen (1817) und Ham‐ burg (1851) • Reform des höheren Schulwesens und der Gymnasien (1870): Randposition des Spanischen (außerhalb offizieller und obligatorischer Lehrpläne) (vgl. Koch 2020, 10) • Erweiterung des Angebots von Lehr-/ Lernmitteln für Spanisch (als Fremdsprache) (vgl. Voigt 1998, 36-ff.) • geringe Anzahl Spanischlehrender und -lernender, u.-a. aufgrund der unzureichenden Ausbildung von Spanischlehrkräften (vgl. Voigt 1998, 42), der fehlenden Vorbedingungen und Entwicklungsmöglichkeiten des Fachs Spanisch im Vergleich zum Französischen • geringer Stellenwert des Spanischen als Fremdsprache (vgl. Koch 2020, 10; Voigt 1998, 41 f.), mangelnde Verwendung und durch diesen Umstand bedingte geringe Bedeutsamkeit bereits existierender Lehr- und Lernmaterialien sowie deren weiterer Entwicklung 20.-Jahr‐ hundert (bis 1945) • Spanischunterricht an Höheren Schulen, Oberrealschulen und neusprachlich ausgerichteten Gymnasien mit leicht ansteigender Tendenz (als dritte Fremd‐ sprache und fakultatives Angebot 10 ) (vgl. Voigt 1998, 42) • Spanisch als erste Fremdsprache in Bremen und Hamburg (vgl. Grünewald 2017b, 13) - Aufschwung und Zunahme der Beliebtheit des Spanischen nach dem Ersten Weltkrieg aufgrund der erwiesenen Neutralität der hispanophonen Länder gegenüber Deutschland (vgl. Koch 2020, 10; Reinfried 2013, 32) 2.2 Der Fremdsprachenunterricht Spanisch und seine Lehr- und Lernmaterialien im Wandel der Zeit 43 <?page no="44"?> 11 Erste Bestrebungen um die Einführung des Spanischunterrichts gibt es in Hamburg bereits im Jahr 1800 (vgl. Haack 1937, 69). Vgl. vertiefend zur Entwicklung des Unterrichtsfachs Spanisch in Hamburg Haack (1937). 12 In Hamburg wird bspw. ein Sonderstudium für das Staatsexamen Spanisch angeboten, womit Lehrende die Fakultas für das Fach Spanisch erwerben können. Insgesamt werden in kurzer Zeit 100 Lehrkräfte ausgebildet (vgl. Haack 1937, 77). Darüber hinaus wurden „spanische Ferienkurse“ an verschiedenen Universitäten und in neu gegründeten iberoamerikanischen Instituten zur Einführung und Fortbildung im Bereich der spanischen Sprache und Literatur für Lehrkräfte und Studierende angeboten (vgl. ebd., 84). 13 Steinhilb (1985, 88) bezeichnet Spanisch auch als eine „engagierte Sprache des Dritten Reichs“, die aus utilitaristischen Gründen am stärksten gefördert wurde. Zeitraum Historische Entwicklung des Spanischen als Fremdsprache mit einem Fokus auf Lehr- und Lernmaterialien • Bestrebungen der Ausweitung des Spanischunterrichts (1920er-Jahre) insb. in Bremen und Hamburg 11 als Vorreiter 12 (vgl. Lehberger 2003, 611 f.) - Bis 1924 keine einheitliche Einführung des Spanischunterrichts in ganz Deutschland aufgrund von Lehrkräftemangel und uneinheitlicher Situation im Hinblick auf die Verbindlichkeit des Fachs (vgl. Steinhilb 1985, 48) • Durch die Reform des Höheren Schulwesens (1936-38) im Dritten Reich wird Spanisch dritte Fremdsprache 13 (vgl. Grünewald 2017b, 13) • Bis 1945: drei Möglichkeiten des Wahlpflichtfachs Spanisch in Berlin, Bremen und Hamburg (erste oder zweite Fremdsprache sowie Abiturfach) (vgl. Franzbach/ Navarro de Adriaensens 1966, 421 f.) • Nach 1945: Krise des Spanischunterrichts nach dem Zweiten Weltkrieg aufgrund der politischen Affinität von Hitler zu Franco (vgl. Koch 2020, 11; Steinhilb 1985, 51). • Angebot des Spanischen in Arbeitsgemeinschaften oder in Form von freiwilligem Zusatzunterricht (vgl. Voigt 1998, 45) → kaum Bedarf an Lehr- und Lernma‐ terialien. 20.-Jahr‐ hundert (1950-1990) • Ab 1950/ 60er-Jahre: Wiederaufwertung des Spanischen als Unterrichts‐ fach in Bremen (zweite Fremdsprache) und Bayern (Wahlpflichtfach) (vgl. Steinhilb 1985, 51) • Konferenz der Kultusminister (1960): flächendeckende Wiedereinführung des Spanischen als Wahlfach (vgl. Navarro 1968, 52) - Wahlpflichtstatus des Spanischen (als zweite Fremdsprache) in Bayern, Bremen und Schleswig-Holstein (vgl. Heupel 1963, 432) • Entwicklung von Richtlinien und Lehrplänen zur qualitativen Konsoli‐ dierung des Spanischunterrichts in Deutschland (vor 1945: Hamburg, 1950: Bremen, ab 1970: weitere Bundesländer) (vgl. Bernecker 2006, 157; Steinhilb 1985, 49) und daraus resultierende (stärkere) Notwendigkeit von spezifischen Lehr- und Lernmaterialien (je nach Status des Spanischen und Alter der Lernenden) • Ab Mitte der 1960er-Jahre: Spanisch als eigenes Studienfach an Universi‐ täten (vgl. Koch 2020, 11) und damit einhergehende intensive (wissenschaft‐ liche) Beschäftigung mit dem Spanischunterricht und seinen Lehr- und Lernmaterialien • Bis in die 1970er-Jahre: schleppende Entwicklung des Spanischunterrichts in Deutschland (vgl. Bernecker 2006, 155) • Abkommen, Verträge und Beschlüsse zur Förderung des Spanischunterrichts • 1970: Konstituierung des Deutschen Spanischlehrerverbands (DSV) als Grundlage für die Einführung des Unterrichtsfachs Spanisch (vgl. Fritz 2020, 26 f.) - Beginn der Entwicklung curricularer Lehrpläne für Spanisch als spätbegin‐ nende Fremdsprache (vgl. Bernecker 2006, 157) und daraus resultierend die Notwendigkeit von spezifischen Spanischlehr- und -lernmaterialien für die Oberstufe 44 2 Theoretischer Teil: Grundlagen und Bezugsrahmen <?page no="45"?> 14 Als besonders auffällig erweist sich die Steigerungsrate der Spanischlernenden auf dem Gymnasium. Im Zeitraum von 1972-1980 steigt die Lernendenzahl von 2.457 auf 20.813 an (vgl. Steinhilb 1985, 79). Vgl. zur Entwicklung der Schüler*innenzahlen für den Spanischunterricht in den verschiedenen Schulformen und zur Erarbeitung von Spanischcurricula in den verschiedenen Bundesländern für den Zeitraum von 1964-1980 Steinhilb (1985). 15 Vgl. vertiefend zur Entwicklung des Spanischunterrichts in der DDR Helle (1993). 16 Im Vergleich zu anderen Bundesländern lernen an allgemein- und berufsbildenden Schulen in Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt nach wie vor deutlich weniger Schüler*innen Spanisch (vgl. Bär 2016, 555; Bernecker 2006, 159 f.). Zeitraum Historische Entwicklung des Spanischen als Fremdsprache mit einem Fokus auf Lehr- und Lernmaterialien • 1970er-Jahre: Mit der Reform der gymnasialen Oberstufe erhält Spanisch seinen „Platz an deutschen Schulen“ (vgl. Fritz 2020, 26). • Bis in die 1980er-Jahre: Spanisch als zweite Fremdsprache insb. in Berlin, Bremen und Hamburg in der Sekundarstufe I (insb. an (Wirtschafts-)Gym‐ nasien 14 ) • Ab Mitte der 1980er-Jahre: Attraktivitätssteigerung des Spanischen und Inter‐ esse, das bis heute anhält (Trend zur Wahl des Spanischen als (zweite) Fremdsprache) (vgl. Bär 2016, 555; Reinfried 2013, 43) und damit verbundene Notwendigkeit von Lehr- und Lernmaterialien für die zweite Fremd‐ sprache Exkurs: DDR (1949-1990) 15 • 1964, 1966, 1968: Ausbildung von Spanischlehrkräften (vgl. Helle 1993, 49) • 1969: Einführung des Spanischunterrichts an allgemeinbildenden Schulen als fakultative dritte Fremdsprache ab Klasse 11 an der Erweiterten Oberschule oder als wahl-obligatorische dritte Fremdsprache in Spezialklassen mit erweitertem neusprachlichem Unterricht (vgl. ebd., 48) • Marginaler Status des Spanischen (aufgrund des Primats des Russischen) und geringer gesellschaftlicher Bedarf an Spanischkenntnissen (vgl. ebd., 123) und daraus hervorgehende geringe Notwendigkeit von Spanischlehr- und -lernmaterialien • Ab den 1990er-Jahren: Zunahme der sprachenpolitischen Bedeutsamkeit des Themas Spanischunterricht in den neuen Bundesländern 16 (vgl. ebd., 126) Tabelle 5: Systematisierung der historischen Entwicklung des Spanischen als Fremdsprache vom 16.-Jahrhundert bis zu den 1990er-Jahren Aufgrund erschwerter Bedingungen für eine Weiterentwicklung des Spanischen als Un‐ terrichtsfach seit Anfang der 1990er-Jahre, indem der steigenden Nachfrage und der zurückgewonnenen Attraktivität des Spanischen als Unterrichtsfach nicht mit ausreichend qualifiziertem Personal begegnet werden konnte, wurde es zunächst lediglich als neu einsetzende Fremdsprache in der Oberstufe in Form von Grund- und Leistungskursen unterrichtet (vgl. Grünewald 2017b, 14; Grünewald 2017c, 42; Vences 2015, 10 f.). Damit einher geht, dass kaum neue oder breitere Angebote des Spanischunterrichts für Lernende geschaffen werden konnten. Dadurch blieb der Bedarf an Spanischlehr- und -lernmate‐ rialien gering und eine Weiterentwicklung und Spezifizierung dieser vorerst aus (z. B. Einsatz von Spanischlehrwerken für Erwachsene in der Sekundarstufe I und II), sodass die Bedeutung dieser Schulfremdsprache im Allgemeinen nur langsam zunahm: Las cifras de crecimiento no son tan satisfactorias. La oferta de español en el sistema educativo no crece al ritmo de la demanda y se muestra tozuda e irritantemente rígida. Todos conocemos 2.2 Der Fremdsprachenunterricht Spanisch und seine Lehr- und Lernmaterialien im Wandel der Zeit 45 <?page no="46"?> 17 Der Anteil von Spanischlernenden schwankt bspw. zwischen 16,9 % in Hamburg und 1,9 % in Rheinland-Pfalz (über alle Schuljahre hinweg) (vgl. Bär 2017, 88). las causas: las limitaciones presupuestarias limitan el crecimiento de las plazas, sin las que no hay nuevos alumnos ni estímulos para que se formen más profesores. (Íñiguez Hernández 2003, 31) Je nach Bundesland genießt Spanisch bis heute einen unterschiedlichen Stellenwert. Der Blick auf die verschiedenen Bundesländer 17 zeigt, dass Spanisch insb. in Bremen und Hamburg die zweithäufigste gelernte Fremdsprache (nach Englisch) ist (vgl. Neveling 2019, 447). Auch Hessen, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen verfügen über zahlreiche Angebote von Spanischunterricht auf Wahlpflichtebene bzw. als zweite Fremdsprache (vgl. Grünewald 2017b, 15). In Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt spielt Spanisch nach wie vor nur eine marginale Rolle (vgl. Bär 2016, 555) und in Rheinland-Pfalz und im Saarland lernen zehnbzw. elfmal so viele Lernende Französisch statt Spanisch (vgl. Koch 2020, 13). Da es in Bayern, Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und dem Saarland kaum Angebote für Spanisch als zweite Fremdsprache an staatlichen Schulen gibt, entsteht der Eindruck, dass in diesen Bundesländern der Spanischunterricht von politischer Seite noch immer kaum gefördert wird (vgl. ebd., 11). Es steht zwar nicht (mehr) infrage, „dass Spanisch bereits seit einigen Jahren boomt“ (ebd., 13), jedoch kann noch immer nicht von „einer gleichberechtigten Belegung im Vergleich mit der Schulfremdsprache Französisch die Rede sein“ (ebd.), sodass es wohl angemessener scheint, von einem „Boom der prozentualen Werte“ (Bär 2012b, 241) zu sprechen. Nichtsdestotrotz kann davon ausgegangen werden, dass - ungeachtet regionaler Unterschiede - perspektivisch deutschlandweit immer mehr Lernende den Spanischunter‐ richt besuchen werden (vgl. Bär 2016, 555). Zwischenfazit I Mittels der historischen Perspektivierung wurde der kontextuelle Rahmen für die Genese von Spanischlehrwerken gelegt. Dabei zeigte sich, dass die spezifische und eigenständige Materialienentwicklung für Spanisch als Fremdsprache und ihr (mangelnder) Fortschritt maßgeblich durch die fehlenden Vorbedingungen und Entwicklungsmöglichkeiten des Unterrichtsfachs beeinflusst wurden. Spanisch musste über Jahrhunderte hinweg auf sub‐ stanzieller Ebene um seine Daseinsberechtigung „kämpfen“ und wurde stets im Vergleich zu anderen (zweiten) Fremdsprachen, die teils auf eine lange Tradition im deutschen Schulsystem zurückblicken konnten, betrachtet. Materialienentwicklung vor dem 19.-Jahrhundert Die Tradition des Lehrbuchs im Allgemeinen begann in der Mitte des vierten Jahrhunderts mit zwei grammatischen Lehrbüchern für das Lateinische, die von Donatus stammen und die bis heute das „Denken und Reden über Sprache“ prägen (vgl. Brill 2005, 13). Für das Spanische geht die Historie der Erstellung von Lehrbüchern so weit jedoch nicht zurück. Bedeutsame Veränderungen ergaben sich aus der Intensivierung politischer und wirtschaft‐ licher Kontakte zwischen Deutschland und Spanien sowie aus den Errungenschaften im Bereich des Buchdrucks im 16. Jahrhundert, womit die Anzahl zur Verfügung stehender Lehr- und Lernmaterialien zunahm (vgl. Voigt 1998, 26; Tab. 5). Sammler (2018, 19) führt 46 2 Theoretischer Teil: Grundlagen und Bezugsrahmen <?page no="47"?> 18 Vgl. vertiefend zu Spanischgrammatiken des 17. und 18.-Jahrhunderts Neumann-Holzschuh (1991). 19 Vgl. vertiefend zur Entwicklung von Wörterbüchern und Glossaren bis zum 20. Jahrhundert Sánchez Pérez (1992). 20 Vgl. zu weiteren Materialien, die zu dieser Zeit im Fremdsprachenunterricht verwendet wurden Sánchez Pérez (1992). 21 Dieses Werk gilt als „erste“ Grammatik der spanischen Sprache und als wichtiger Baustein für die Ausgestaltung des Spanischunterrichts (Orientierungsgrundlage für einen strukturierten Gramma‐ tikerwerb) (vgl. Sánchez Pérez 1992, 11; Voigt 1998, 26). in diesem Kontext die „Technologie der Papierherstellung“ an, die den „Grundstein für die Schulbuchproduktion“ legte, indem sie ein „dauerhaftes Medium für den Schulunterricht“ schuf. Vorerst waren die Lehr- und Lernmaterialien für Spanisch für Bildungseliten bestimmt und entstanden tendenziell nicht in Deutschland (vgl. Voigt 1998, 24, 27), weshalb der erste Teil der nachfolgenden Abhandlung vorrangig im Ausland produzierte Materialien fokussiert. Unter Lehr- und Lernmaterialien wurden in der Frühen Neuzeit vornehmlich Gramma‐ tiken 18 und Wörterbücher 19 sowie Konversations- und Dialogbücher 20 verstanden (vgl. Koch 2020, 10; Voigt 1998, 26). Da man die Anfänge des schulischen Spanischunterrichts in Deutschland auf etwa Anfang des 19. Jahrhunderts datiert, werden gemäß den Inhalten der Tab. 5 zur Konstituierung des Spanischen als Schulfach vor dem 19. Jahrhundert erschienene Spanischlehr- und -lernmaterialien der Vollständig- und Übersichtlichkeit halber aufgelistet. Verfassende Titel des Werks De Nebrija (1492) Gramática de la lengua castellana 21 Anonym (1520) Vocabulario para aprender francés, español y flamini Garonus (1533) Wörterbuch mit dem Sprachenpaar Deutsch-Spanisch Garonus (1535) Septem linguarum Latinae De Berlainmont (1551) Vocabulario de quatro lenguas. Tudesco, francés, latino y español, muy provechoso para los que quisieren aprender estas lenguas Anonym (1555) Util y breve institución para aprender los principios y fundamentos de la lengua hespañola Meurier (1558) Coniugaisons, règles et instructions: mout propres et nécessairement requises pour ceux qui désirent apprendre françois, Italien, Espagnol et Flamen Villalón (1558) Gramatica castellana. Arte breve y compendiosa para saber hablar y escrevir en la lengua Castellana congrua Anonym (1558/ 59) Gramática de la lengua vulgar de España D’Urbino (1560) Il paragone della lingua Toscana et Castigliana Miranda (1566) Osservationi della lingua Castigliana 2.2 Der Fremdsprachenunterricht Spanisch und seine Lehr- und Lernmaterialien im Wandel der Zeit 47 <?page no="48"?> 22 Dieses Werk gilt als erste in Deutschland verfasste lateinisch-spanische Grammatik (vgl. Voigt 1998, 32 f.). 23 Dieses Werk wird auch als das erste ausschließlich spanisch-deutsche Wörterbuch bezeichnet (vgl. Voigt 1998, 32; Sánchez Pérez 1992, 127). 24 Diese Grammatik enthält drei Bände zu Elementen der Formenlehre, Syntax und der Phraseologie (vgl. Franzbach 1975, 28; Sánchez Pérez 1992, 144). 25 Dieses Werk gilt als erste ausschließlich von einem Erstsprachler in Deutschland erarbeitete Spanischgrammatik. Die grammatischen Inhalte werden hier in Form von Dialogen präsentiert (vgl. Sánchez Pérez 1992, 143). 26 In diesem Werk liegt der Fokus auf syntaktischen Strukturen der spanischen Sprache und auf dem Sprachgebrauch. Erstmalig ist ein Teil zur Didaktik des Spanischunterrichts in dreizehn Regeln enthalten (vgl. Franzbach 1975, 32; Sánchez Pérez 1992, 148). 27 Hierbei handelt es sich um ein aus der unterrichtlichen Praxis hervorgegangenes Spanischlehrbuch (vgl. Franzbach 1975, 30), das folgende Bestandteile beinhaltet, die dem heutigen Aufbau von Lehrwerken näherkommen: I. Diálogos españoles y tudescos, mezclados con historias recreativas, II. Una pequeña y utilissima Gramatica tan para los alemanes que aman lo Español, quan aun para los Españoles aficionados a la lengua Tudesca, III. Cartas Españolas y Alemanas, IV. Un Lexicon Español y Tudesco, V. Un Vocabolario Aleman y Español (vgl. Sánchez Pérez 1992, 145). 28 Hierbei handelt es sich im engeren Sinne um eine Textsammlung, die Zugang zur spanischen Literatur ermöglichen soll (vgl. Franzbach 1975, 33; Sánchez Pérez 1992, 146). Verfassende Titel des Werks Meurier (1568) Coniugaciones, arte, y reglas muy proprias, y necessarias para los que quisieren deprender, espanol y frances Antonio del Corro (1586) Reglas gramaticales para aprender la lengua española y francesa Oudin (1596) La parfaicte Méthode pour entendre, escrire et parler la langue espagnole, devisée en deux parties Doergangk (1614) Institutiones in linguam Hispanicae 22 Mulerius (1662) Linguae Hispanicae compendiosa institutio Mez (1670) diccionario muy copioso 23 Reinhardt (1696) Der Spannisch Liebende Hochdeutscher Cramer (1702) Grammatica & syntaxis linguae hispanicae 24 Sobrino (1705) Diccionario nuevo de las lenguas española y francesa Sotomayor (1706) Llave capital 25 Vayrac (1714) Nouvelle grammaire espagnole pour apprendre facilement & en peu de temps, à prononcer, écrire, & parler la Langue Castillane […]“ 26 Moratori (1723) Instruccion fundamental 27 Bertuch (1770/ 90) Manual de la lengua española 28 Calvi (1790) Nouvelle grammaire espagnole avec une chrestomatie Wagener (1795) Spanische Sprachlehre, nebst Uebungen zur Anwendung der Grundsätze, der Wortfügung und der Schreibart der Spanischen Sprache, mit einer Einleitung in die Grundsätze der Spanischen Sprache 48 2 Theoretischer Teil: Grundlagen und Bezugsrahmen <?page no="49"?> 29 Vgl. zur intensiveren Auseinandersetzung mit dem Begriff der Lehrwerkgeneration Brill (2005). Verfassende Titel des Werks Fischer (1799) Spanisch-deutsche Gespräche über Gegenstände des gemeinsamen Le‐ bens, der Politik und der Handlung Tabelle 6: Zusammenschau einer Auswahl von Lehr-/ Lernmaterialien für Spanisch als Fremdsprache vom 16. bis zum 18. Jahrhundert (zit. nach Briesemeister 2004, 259, Franzbach 1975, 28 f., 31 ff., Sánchez Pérez 1992, 32, 52, 127, 143 f., 146 ff., 266 ff., Voigt 1998, 27 f., 32 f.) Materialienentwicklung ab dem 19.-Jahrhundert Im 19. Jahrhundert entstand eine neue Generation 29 von Lehrbüchern, u. a. auch bedingt durch die von verschiedenen Autor*innen entwickelten Methoden (vgl. Voigt 1998, 37). In Anlehnung an Meidinger entwarf Beneke eine spanische Grammatik, die an jeweilige Lektionen praktische Übungen, Dialoge und Alltagssituationen anschließt (vgl. Sánchez Pérez 1992, 179; Voigt 1998, 37). Beachtliche methodische Alternativen für die Konzeption von Materialien für den Spanischunterricht werden u. a. mit der Methode nach Ollendorff, der als führender Lehrbuchautor des 19. Jahrhunderts gilt, erzielt. 1848 erschien unter Velázquez de la Cadena eine Version für Spanisch (vgl. Sánchez Pérez 1992, 288; Voigt 1998, 38). Ollendorffs New Method of Learning to read, write and speak the Spanish Language (1848, zit. nach Voigt 1998, 38) enthält zahlreiche innovative Elemente. Hierbei handelt es sich u. a. um Frage- und Antwortteile zu Lektionstexten, die zur Interaktion zwischen Lernenden und Lehrenden führen, eine Betonung des Mündlichen, eine Berücksichtigung der Progression, sowie ein Abrücken von der Grammatik, wodurch eine Zusammenstellung des sprachlichen Übungsmaterials nach pragmatischen und situativen Gesichtspunkten wie auch nach Sprachfunktion herbeigeführt wurde (vgl. Voigt 1998, 38). Die Sprachlehre von Funck (1868, zit. nach Voigt 1998, 38 f.) schließt sich vorausgehenden Entwicklungen an und ist „ausdrücklich auf Bedürfnisse deutschsprachiger Lernender“ zugeschnitten. Der Lehrinhalt ist in eine praktische und wissenschaftliche Grammatik aufgeteilt, wobei grammatische Regeln auf das Wesentlichste begrenzt werden (vgl. Voigt 1998, 38 f.). Weitere Methoden, an denen sich die Konzeption von Spanischlehrbüchern orientiert, wurden von Otto/ Marquard Sauer (1868, zit. nach Voigt 1998, 39 f.) und Toussaint-Lan‐ genscheidt (zit. nach Voigt 1998, 39 f.) entwickelt. Erstere gilt als eher konservativ und grammatikorientiert, wohingegen letztere das Vorbereiten auf ein Selbststudium bzw. autonomes Lernen (ohne Lehrkraft) intendiert. Für das Erlernen der spanischen Sprache nach der Methode von Toussaint-Langenscheidt wurden erst im 20. Jahrhundert Werke konzipiert (vgl. Voigt 1998, 39 f.). Ergänzend zu den Grammatiken, Gesprächs- und Kon‐ versationsbüchern kamen im 19. Jahrhundert nun auch vermehrt Lesebücher hinzu (vgl. ebd., 40). Auch Einflüsse aus dem Ausland und dort vorherrschende didaktisch-methodische Prinzipien wirkten sich auf die Gestaltung von Lehrbüchern für das Spanische in Deutsch‐ land aus, so u. a. die Methode nach Hamilton, Jacotot, Marcel, Dufief und Robertson. 2.2 Der Fremdsprachenunterricht Spanisch und seine Lehr- und Lernmaterialien im Wandel der Zeit 49 <?page no="50"?> 30 Vgl. vertiefend dazu Sánchez Pérez (1992). 31 Vgl. vertiefend dazu Sánchez Pérez (1992). Als Vorläufer der audio-oralen Methode wurde das Mastery-System (Prendergast, 1864, zit. nach Sánchez Pérez 1992, 223 ff.) von Rosenthal 30 für das Spanische aufgenommen und für deutsche Lernende aufbereitet (vgl. Sánchez Pérez 1992, 223 ff.; Voigt 1998, 40). Hinzu kam gegen 1890 die Aufnahme von Charakteristika der Berlitz-Methode 31 in die Konzeption von Spanischlehrbüchern und in den Spanischunterricht. Dabei liegt der Fokus auf einer authentischen Sprache, der mündlichen Konversation sowie auf dem Einsatz von Erstsprachler*innen im Unterricht (vgl. Voigt 1998, 41). Materialienentwicklung ab dem 20.-Jahrhundert Im 20. Jahrhundert werden im Bereich der Spanischdidaktik nur „wenige eigenständige theoretische Titel“ (Voigt 1998, 43) gezählt. Das Lehren und Lernen der spanischen Sprache in institutionellen Kontexten wurde stets „unter dem Gesichtswinkel der philologischen Bezugswissenschaften“ betrachtet (ebd.). Zwar ist die methodische Bandbreite der Lehr- und Lernmaterialien für Spanisch durchaus mit der anderer Fremdsprachen (z. B. Franzö‐ sisch) vergleichbar, weist aber dennoch deutliche Unterschiede in der Anzahl auf und wird zumeist erst nach den Materialien für andere Fremdsprachen publiziert (vgl. ebd., 43). In Anlehnung an die von Voigt (ebd., 43 ff.) ausgewiesenen Titel kann das inhaltliche und methodische Panorama von Lehr- und Lernmaterialien für Spanisch als Fremdsprache in den 1920er-Jahren wie folgt systematisiert werden: • Lehrwerke zum Selbstlernen (Fernstudium); • kommunikative, visuelle, dialogische und einsprachige Verfahren; • fachsprachliche und adressatenspezifische Inhalte; • Aspekte der Aussprache und Phonetik. Mit der Entwicklung und Etablierung spezifischer (Sprach-)Lernmethoden und fremdspra‐ chendidaktischer Konzepte des Unterrichts (fachdidaktischer Paradigmenwechsel) sowie im Zuge der technischen Anforderungen im Zusammenhang mit der Herstellung von Materialien verändert sich auch die Zielvorstellung von fremdsprachlichem Unterricht. Im Vordergrund stehen einerseits die Beherrschung der gesprochenen Sprache und die Bewältigung alltäglicher Kommunikationssituationen sowie andererseits die Erweiterung des Lehrbuchs als Folge medialer Veränderungen (vgl. Bade 2017, 281; Bär 2016, 555; Franke/ Plötner 2022, 7; Funk 2016, 435 f., 438; Sammler 2018, 14). So entstanden ab Mitte des 20. Jahrhunderts mit dem Aufkommen der audiolingualen, dann audiovisuellen Methode neue Spanischlehrbücher, die erstmals auch Tonträger, Folien und Videos enthielten und sich als erste wichtige Elemente für das heutige Verständnis des Lehrwerks herauskristallisierten (vgl. Fäcke 2016, 37; Elsner 2016, 442). Der damalige „Prototyp eines fremdsprachlichen Lehrbuchs“ (Freudenstein 2001, 8) in einem „überset‐ zungs-orientierten, situativen und anschaulichen Fremdsprachenunterricht“ (Elsner 2016, 442) reichte zu dieser Zeit bereits nicht mehr aus. Die weitere Entwicklung von Lehrwerken für den fremdsprachlichen Unterricht Spa‐ nisch kann anhand der im fachdidaktischen Diskurs dargelegten Phasen der Lehrwerkkon‐ 50 2 Theoretischer Teil: Grundlagen und Bezugsrahmen <?page no="51"?> zeption von 1950-2000 skizziert werden (vgl. dazu Miera-Yacoub 2020, 154 f.). Gemäß dieser Einteilung gelten fremdsprachliche Lehrwerke ab 1950 als grammatikorientiert und weisen von 1960-1970 audiolinguale Charakteristika auf, die ab 1970 von einem stärkeren kommu‐ nikativen Fokus gekennzeichnet sind. Seit den 1980er-Jahren werden in fremdsprachlichen Lehrwerken interkulturelle Dimensionen aufgegriffen sowie ab 1990 auch metakognitive Verfahren integriert. Die Lehrwerke der Nullerjahre werden auch als „Lehrwerke des integrativen Ansatzes“ (Funk 2001, 283) bezeichnet, da sie „Elemente bisheriger Ansätze in unterschiedlicher Gewichtung“ (ebd.) und „ein differenziertes Lernangebot“ (ebd.) integrieren. Bei der Einteilung der Lehrwerkkonzeption in verschiedene Phasen ist zu beachten, dass diese nicht statisch und unvereinbar sind. Ein Lehrwerk entsteht zwar zu einer „bestimmten historischen Epoche“ (Kurtz 2011, 5), weist in seiner Konzeption jedoch eher einen „Mix von älteren und neueren, traditionellen und aktuellen Vorstellungen, Überzeugungen und Erkenntnissen zum Lehren und Lernen fremder Sprachen“ (ebd.) auf. Die Spanischlehr- und -lernmaterialien der 1950-1970er-Jahre verfügten i. d. R. in der ersten Auflage über ein bis zwei Bestandteile (Lehrbuch und Handreichungen). In den folgenden Auflagen kamen zumeist weitere Materialien hinzu. Der Hueber-Verlag nahm für die Spanisch-Lehrmaterialerstellung eine Vorreiterrolle ein. Ursprünglich für den Erwachsenenunterricht konzipierte Lehrbücher wurden aufgrund des Mangels an spezifischen Materialien auch an Gymnasien oder berufsbildenden Schulen eingesetzt (vgl. Bade 2017, 281). Im Allgemeinen enthalten die Materialien (Kurz-)Lektionen zu alltagsnahen Themen und fokussieren die mündliche Kommunikationsfähigkeit. In den Handreichungen für Lehrkräfte finden sich methodische Anmerkungen zu verschiedenen Aspekten, z. B. zu Unterrichtsphasen, Wechsel der Aktivitäten der Lernenden, zur Einführung neuer Grammatik, Texte, Übungen etc. Ab den 1970er-Jahren wurden erste Lehrwerke (gemäß dem heutigen Verständnis) für den Fremdsprachenunterricht Spanisch konzipiert, die in Lektionen untergliedert sind und über mehrere Begleitmaterialien verfügen (vgl. Fäcke 2011, 208). Eso es (Masoliver 1976) wird als erstes reguläres Lehrwerk für Spanisch bezeichnet, das ein Arbeitsbuch, einen Lehrer*innenband und Schallplatten bzw. Audiokassetten zum begleitenden Hörverstehen enthält (vgl. Bade 2017, 281). Es weist in seinem Inhaltsverzeichnis Texte, Strukturen und Wiederholungselemente aus und orientiert sich an der kommunikativen Methode. Das Lernziel wird über die Erreichung der Kommunikationsfähigkeit bestimmt (vgl. Reimann 2016, 18 f.). Die meisten Texte spiegeln authentische Situationen wider und/ oder enthalten landeskundliche Informationen zu Spanien und Lateinamerika. Es werden verschiedene Arten von Übungen angeboten und grammatische Inhalte primär mittels Beispielsätzen präsentiert. Weitere Lehrwerke, die in den 1980er-Jahren erschienen sind, enthalten bereits in den ersten Auflagen eine Kombination aus verschiedenen Materialien (z. B. Arbeits- und Übungsbuch, Tonaufnahmen, Folien für den Tageslichtprojektor). In einigen Lehrwerken dieser Zeit lässt sich eine Orientierung an der linguistischen Pragmatik feststellen. In den Lektionsteilen findet sich eine Einführung mit kürzeren Dialogen, bevor das entsprechende Sprachmaterial in eigenen Kommunikationsversuchen angewendet werden soll (vgl. ebd., 19-f.). In den Lehrkräfte-Handreichungen finden sich Hinweise sowohl zu Adressat*innen und Lernzielen als auch zu Differenzierungsmöglichkeiten sowie zur Nutzung und Funk‐ 2.2 Der Fremdsprachenunterricht Spanisch und seine Lehr- und Lernmaterialien im Wandel der Zeit 51 <?page no="52"?> tion der einzelnen Lehrwerkbestandteile. Bis Anfang der 1980er-Jahre wurden u. a. die nachfolgenden Lehrwerke bzw. -bücher für den fremdsprachlichen Unterricht Spanisch für Erwachsene produziert: Lehrbücher/ -werke für den fremdsprachlichen (Erwachsenen-)Unterricht Spanisch im Zeitraum der 1950erbis Anfang der 1980er-Jahre (Auswahl) Weltsprache Spanisch (Lepiorz 1954) Español vivo (Haensch et al. 1960) El Español - ein praktisches Lehrbuch der spanischen Sprache (Macchi 1964) (DDR) Modernes Spanisch (Halm et al. 1965) Estudiamos Español (Domke 1969) (DDR) Spanisch für Sie (Halm et al. 1973) Español para todos (Halm et al. 1974) Eso es (Masoliver 1976) Kontakte Spanisch (Halm et al. 1980) Temas (Halm et al. 1983) Tabelle 7: Zusammenschau von Lehrbüchern/ -werken für den fremdsprachlichen (Erwachsenen-)Un‐ terricht Spanisch im Zeitraum der 1950erbis Anfang der 1980er-Jahre Spanisch-Lehrbücher in der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) Auf den gesamtdeutschen Kontext bezogen ist im 20. Jahrhundert insb. die Materiallage in der DDR von Bedeutung, die in Anlehnung an die Ausführungen in Tab. 5 erheblich von der Situation im Westen Deutschlands abwich. Bis 1989 ist das einzige autorisierte Spanischlehrbuch - zuletzt in stark überalterter Form - Estudiamos Español (Domke 1969), das Inhalte zur DDR und zum befreundeten Kuba ausweist und „ein vielfach ideologisch verzerrtes und überzeichnetes Bild politischer und sozialer Gegebenheiten“ liefert (vgl. Helle 1993, 125). Darüber hinaus wurde teilweise noch El Español - ein praktisches Lehrbuch der spanischen Sprache (Macchi 1964) verwendet. Spanischlehrwerke ab den 1990er-Jahren bis heute In den 1990er-Jahren folgten weitere Spanischlehrwerke, deren Bestandteile immer um‐ fangreicher wurden (Lehrwerke, die in etwa dem Unterrichtsumfang entsprechen vs. Lehrwerke als Kompendium, auf die selektiv und begründet zugegriffen wird), und die unterschiedlichen didaktischen Ausrichtungen folgen (vgl. Bade 2017, 281; Fäcke 2016, 37). Stehen bei manchen Lehrwerken insb. das selbstständige Lernen sowie die Vermittlung von Arbeitsstrategien, das Sprechen sowie die Rolle der Lehrkraft als Organistor*in/ Be‐ rater*in im Vordergrund, fokussieren andere eine eher strukturell- und deduktiv-orientierte Grammatikvermittlung sowie die Ausspracheschulung. Ab 1990 begann ebenfalls die Konzeption von Spanischlehrwerken für die Sekundarstufe I (vgl. Tab. 8). Zunächst wurden ausschließlich Lehrwerke für Spanisch als dritte Fremd‐ 52 2 Theoretischer Teil: Grundlagen und Bezugsrahmen <?page no="53"?> 32 Die nachfolgenden Ausführungen beziehen sich auf die erste Auflage des ersten Bandes des jeweils genannten Lehrwerks. Mittlerweile sind mehrere Auflagen, neue Fassungen und weitere Begleitmaterialien der genannten Lehrwerke erschienen. 33 Vgl. vertiefend zu einigen der gelisteten Lehrbücher/ -werke Ramos Méndez/ Rodríguez Castrillón (1998). sprache entwickelt. 32 Im Fokus stehen ein interaktiver Spracherwerb sowie selbstständiges und interkulturelles Lernen. Weiterhin werden konkrete Bezüge zu bildungspolitischen Dokumenten hergestellt bzw. diese in den Handreichungen für Lehrkräfte ausgewiesen. Im Regelfall soll induktiv-entdeckendes Lernen ermöglicht sowie auf allgemeine Vorkennt‐ nisse, aber auch auf solche aus vorher gelernten Fremdsprachen referiert werden. Des Weiteren gab es erste Wiederholungsseiten/ -teile. Zudem wurde auf Erkenntnisse aus der Lernpsychologie Bezug genommen (z. B. Prinzip der Lernendenaktivierung). Bis in die Anfänge der 2000er-Jahre waren die folgenden Lehrbücher und -werke für den Erwachsenen- und Tertiärfremdsprachenunterricht Spanisch in Verwendung: Lehrwerke für den Erwachsenen- und Tertiärfremdsprachenunterricht Spanisch im Zeitraum der 1990erbis Anfang der 2000er-Jahre 33 (Auswahl) Eso si (Hakanson et al. 1990) Encuentros (Amann et al. 1994) Intercambio (Miquel López et al. 1994) Rápido (Miquel López et al. 1995) Línea Uno ( Jaeschke et al. 2000) Línea verde (Bade et al. 2006) Tabelle 8: Zusammenschau von Lehrwerken für den Erwachsenen- und Tertiärfremdsprachenunter‐ richt Spanisch im Zeitraum der 1990erbis Anfang der 2000er-Jahre Aufgrund des vermehrten Interesses an Spanisch als zweiter Fremdsprache und graduell steigender Schüler*innenzahlen (vgl. Christ 2004, 87) wurden ab Anfang der Nullerjahre zunehmend Lehrwerke für Spanisch als zweite Fremdsprache konzipiert. 2006 erschien ¿Qué pasa? (Martos Villa et al. 2006/ 2016, Westermann) und zwei Jahre später ¡Apúntate! (Balser et al. 2008/ 2016, Cornelsen) in der ersten Auflage. In den Jahren 2014 und 2015 wurden ¡Vamos! ¡Adelante! (Arriagada et al. 2014, Klett) und ¡Arriba! (Hohmann et al. 2015, C.C. Buchner) veröffentlicht. Mittlerweile existieren zahlreiche Lehrwerke mit (digitalen) Begleitmaterialien für Spanisch als zweite Fremdsprache, teilweise bereits in mehreren Auflagen (vgl. Bär 2016, 555; Leitzke-Ungerer 2012, 60; Leitzke-Ungerer, Blell & Vences 2012, 11). In der Gesamtheit beinhalten aktuelle Lehrwerke u. a. Ansätze eines Differenzierungs- und Digitalisierungskonzepts, flexibel einsetzbare Module, eine von der Lernaufgabe ausgehende unterrichtliche Planung sowie eine Fokussierung der Mündlichkeit mittels kontextualisierter Kommunikationsanlässe (vgl. dazu u. a. Bade 2017, 282; Bär 2016, 555 f.; Fäcke 2016, 37, 39). Die gegenwärtige Lehrwerkentwicklung für das Lehren und Lernen der spanischen Sprache wird sowohl von aktuellen als auch sich abzeichnenden 2.2 Der Fremdsprachenunterricht Spanisch und seine Lehr- und Lernmaterialien im Wandel der Zeit 53 <?page no="54"?> 34 Vgl. dazu z. B. ¡Adelante! Curso profesional (Blissenbach et al. 2018, Klett) als ein spezifisches Lehrwerk für Spanisch als spät beginnende Fremdsprache an beruflichen Schulen. zukünftigen Trends begleitet und passt sich immer stärker an spezifische Gegebenheiten und Lernbedarfe an. 34 Zwischenfazit II Die Entwicklung von Spanischlehr- und -lernmaterialien setzte mit erheblichem Verzug ein. Eine Fülle an spezifischen Lehrwerken für unterschiedliche Schulformen und verschiedene Lehrgänge (zweite, dritte und neu einsetzende Fremdsprache in der Oberstufe) musste in wesentlich kürzerer Zeit (als im Falle der anderen Fremdsprachen) erarbeitet werden. Bspw. galt es im Vergleich zu den zuerst entwickelten Lehrwerken für die dritte Fremdsprache zu berücksichtigen, dass bei Lehrwerken für die zweite Fremdsprache u. a. Änderungen in der Anlage der Progression (zur Verfügung stehende Zeit), der Bezugnahme auf vorgelernte Sprachen (i. d. R. Englisch und keine romanische Sprache), der Funktion des Spanischen als Brückensprache sowie hinsichtlich des Alters der Lernenden (lerner*innenspezifische Faktoren) vorgenommen werden mussten. Um mit dem Entwicklungsstand der Lehrwerke für andere Fremdsprachen (insb. Fran‐ zösisch) weitgehend gleichziehen zu können, hat man sich (vorerst) bei der Erstellung von Spanischlehrwerken an den Erkenntnissen anderer fremdsprachendidaktischer Disziplinen und der Ausrichtung ihrer Lehrwerke orientiert. Dies erweist sich insofern jedoch als problematisch, als anderen Schulfremdsprachen andere Entwicklungsbedingungen und -möglichkeiten im Schulsystem zugrunde liegen. Daraus wiederum resultieren spezifische inhaltliche, didaktisch-methodische, lerner*innenspezifische und systembedingte Anfor‐ derungen an die Lehrwerkkonzeption (u. a. Englisch und Französisch als erste bzw. zweite Fremdsprachen in der Grundschule und an weiterführenden Schulen). In den Curricula und damit in den Spanisch- (und Französisch-)Lehrwerken muss also hinsichtlich der Menge und Komplexität berücksichtigt werden, dass erheblich weniger Zeit als im Langzeitfach Englisch zur Verfügung steht, sodass ein Abarbeiten der Inhalte vermieden und kommunikativen Aktivitäten mit und ohne Lehrwerk mehr Raum gegeben werden sollte. 2.3 Fremdsprachendidaktische Lehrwerkforschung: Von der Lehrwerkanalyse zur Verwendungsforschung - eine Systematisierung des Forschungsfelds In diesem Oberkapitel steht die Lehrwerkforschung als wissenschaftliche Disziplin (in Kombination mit einer schulpraxisbezogenen Perspektive) mit ihren verschiedenen Dimen‐ sionen im Mittelpunkt. Diese werden begrifflich bestimmt und anschließend systematisiert (2.3.1). Darauf folgt die Präsentation der Analyseergebnisse des (inter-)nationalen For‐ schungsstands. Hierbei werden relevante Erkenntnisse und Entwicklungen innerhalb der einzelnen Dimensionen der Lehrwerkforschung für den Bereich des Spanischen als Fremd‐ sprache strukturiert (2.3.2) (2.3.2.1 zur Lehrwerkanalyse, 2.3.2.2 zur Lehrwerkentwicklung 54 2 Theoretischer Teil: Grundlagen und Bezugsrahmen <?page no="55"?> 35 Vgl. dazu vertiefend Fuchs/ Henne (2018, 27). und 2.3.2.3 zur empirischen Lehrwerkforschung). Zum Abschluss des Kapitels wird die Interaktion der Lehrkräfte mit Lehrwerken mittels theoretischer Zugänge und Konzeptua‐ lisierungsversuchen des Forschungsdiskurses aufbereitet (2.3.3) und ein Zwischenfazit zur Feststellung der Ausgangsbasis für die vorliegende Studie gezogen (2.3.4). 2.3.1 Dimensionen der Lehrwerkforschung: Begriffs- und Konzeptbestimmung sowie -abgrenzung Bei der Systematisierung des Forschungsfelds ist es von besonderer Bedeutung, zwischen den Entwicklungen im Bereich der fremdsprachendidaktischen Lehrwerkforschung und den das Schulbuch verschiedener (nicht-fremdsprachlicher) Fächer betreffenden Entwick‐ lungen zu unterscheiden. Auch wenn Erkenntnisse und Weiterentwicklungen der Schul‐ buchforschung für die fremdsprachendidaktische Lehrwerkforschung relevant sein können (z. B. Handlungsoptionen zur Modifikation von Lehrwerkbestandteilen), liegen fremd‐ sprachlichen Lehrwerken andere Inhalte und Charakteristika (z. B. sprachliche Progression) zugrunde, die sich nur bedingt mit Schulbüchern etwa für Mathematik, Geschichte oder Musik vergleichen lassen. Betrachtet man die historische Entwicklung der Schulbuchforschung bis heute, erlebte diese nach Fuchs und Henne (2018, 27 f.) sowie Sammler (2018, 14) ihren ersten Aufschwung nach dem Ersten Weltkrieg im Zuge von Schulbuchanalysen, die jedoch weitgehend politi‐ schen und normativen Zielen unterlagen, sodass die Autor*innen erst ab den 1970er-Jahren vom Beginn einer systematischen Schulbuchforschung sprechen. 35 Zu dieser Zeit wurde insb. das Fehlen einer theoretischen Diskussion über ein derart bedeutsames Medium sowie das Ausbleiben einer Forschungsmethodik und theoretischen Reflexion über das Schulbuch kritisiert (vgl. Fuchs/ Henne 2018, 28). Zu einer Institutionalisierung der Schulbuchfor‐ schung an wissenschaftlichen Zentren und Universitäten trug die Diskussion um die Reform der Bildungssysteme vor dem Hintergrund des Kalten Krieges in den 1970er-Jahren bei (z. B. die Gründung einer Forschungsgruppe für historische Schulbuchforschung durch Choppin am Institut national de recherche pédagogique (seit 2011: Institut français de l'éducation), vgl. dazu u. a. Choppin 2001; das Leibniz-Institut für Bildungsmedien | Georg-Eckert-Institut) (vgl. Sammler 2018, 15). Das Ende des Kalten Krieges eröffnete neue Perspektiven der Schulbucharbeit mit anderen Ländern, da Schulbücher nicht mehr wie in vorherigem Ausmaß auf „traditionelle politische Feindbilder“ (insb. Tschechien, Ungarn und baltische Staaten) untersucht werden mussten (vgl. Fuchs/ Sammler 2015, 10). Von Choppins Arbeiten ausgehend wurden weitere Zentren für historische Schulbuch‐ forschung in Europa und Kanada gegründet. Ende der 1980er-Jahre begann die internatio‐ nale Vernetzung verschiedener national agierender Forschungsgruppen (z. B. Colloquium Schulbuch, Schule und Gesellschaft 1988, Internationale Gesellschaft für historische und systematische Schulbuchforschung 1997) (vgl. Sammler 2018, 15). In den späten 1960er-Jahren begann die insb. für die Erforschung fremdsprachlicher Lehrwerke relevante Ausarbeitung von Systematiken des Forschungsgebiets (vgl. Heuer/ Müller 1973). Diese wurden im Laufe der Zeit ausdifferenziert und zeigen auf, dass 2.3 Fremdsprachendidaktische Lehrwerkforschung 55 <?page no="56"?> 36 Dies erschwere nach Fuchs und Henne (2018, 42) die Einschätzung und Bewertung des Forschungs‐ felds, da es auf vielen Ebenen erhebliche Unterschiede zwischen den verschiedenen Ansätzen gebe. Lehrwerk- und Schulbuch-Forschung als „breites, multidisziplinäres Feld“ (Bock 2018, 58) charakterisiert werden kann, das aufgrund der Menge und Vielfalt von theoretischen und methodischen Ansätzen „ein äußerst komplexes, mehrdimensionales und vielschichtiges Unterfangen“ (Weinbrenner 1992, 52) darstellt (vgl. Bock 2018, 58). 36 Wegen des multiperspektivischen und interdisziplinären Charakters der Lehrwerk- und Schulbuchforschung wird bereits mit Beginn der systematischeren Erforschung der Versuch unternommen, Klassifizierungen des Forschungsfelds vorzunehmen (vgl. Bock 2018, 58; Weinbrenner 1992/ 95; Wiater 2003). Für Weinbrenner (1995, 28 ff.) resultiert daraus die Notwendigkeit der Einbindung von Ansätzen und Erkenntnissen aus den Bezugswissenschaften, die er vorrangig in der Wissenschaftstheorie, dem Design, der Fachwissenschaft und -didaktik sowie in der Erziehungswissenschaft sieht. Ähnlich dazu gelagert versteht sich auch der Klassifizierungsversuch nach Wiater (2003, 14 ff.), der die Schulbuchforschung in fünf Schwerpunkte unterteilt, die sich auf die kulturgeschichtliche Forschung, die Medienforschung, Forschung aus fachspezifischer Sicht, textanalytische Forschung und auf die historische Quellenforschung beziehen. Auch Christophe et al. (2018, 421) sehen Lehrwerkforschung stets im Dialog mit anderen relevanten wissenschaftlichen Disziplinen (insb. Sozial- und Geisteswissenschaften), auch wenn es sich ihrer Ansicht gemäß bei der Lehrwerk- und Schulbuchforschung in Bezug auf Theorie, Methodik und Forschungsschwerpunkte mittlerweile um ein eigenständiges Forschungsfeld mit klar(er) definierten Konturen handle. Um die Lehrwerkforschung als Untersuchungsfeld der vorliegenden Studie beschreiben und systematisieren zu können, bedarf es vorher, insb. aufgrund teils uneinheitlicher und missverständlicher Verwendungsweisen des Terminus Lehrwerkforschung, einer begriffli‐ chen Aufbereitung. Denn mit der fehlenden begrifflichen Trennschärfe im Forschungsdis‐ kurs geht eine uneinheitliche Einschätzung des gegenwärtigen Forschungsstands einher (vgl. Brill 2005, 13). Im deutschsprachigen Forschungskontext der 1990er- und frühen 2000er-Jahre ist die damals geführte Diskussion zu nennen, die das konkrete Aufgabenfeld der Lehrwerk‐ forschung fokussierte. Deutlich sichtbar werden unterschiedliche Verständnisarten und Schwerpunktsetzungen. Neuner (1994a) sieht die Aufgabenfelder der Lehrwerkforschung in der „wissenschaftlichen Lehrwerkanalyse“ (ebd., 14) im Sinne einer Untersuchung der Grundlagen, Faktoren (fachübergreifend und -spezifisch) und des Bedingungsgefüges des Lehrwerks. Darunter fallen u. a. die Bedingungen der Lehrwerkkonzeption und der Einfluss eines Lehrwerks auf den Lernprozess (vgl. ebd., 9 ff., 17). Die Betrachtungsweise kann sowohl synchron als auch diachron sein. Bei der synchronen Perspektive steht die Analyse von Faktoren im Vordergrund, die je nach didaktisch-methodischer Konzeption auf die Lehrwerkgestaltung einwirken können (z. B. institutionell, konstruktiv, reflexiv) (vgl. ebd., 12 ff.). Diachrone Lehrwerkforschung nach Neuner (1999, 162) betrachtet das Lehrwerk als „Manifestation von historisch bedingten - und deshalb sich beständig wandelnden - Faktoren“, die übergreifender gesellschaftlicher, allgemeinpädagogischer, fachlicher sowie unterrichtlicher Art sein können. Gemäß dem Verständnis von Lehrwerkforschung nach 56 2 Theoretischer Teil: Grundlagen und Bezugsrahmen <?page no="57"?> Neuner (1994a) steht das Lehrwerk als Produkt im Vordergrund der Betrachtungen. Lehrwerkverwendungsbzw. -wirkungsforschung stellt seinem Verständnis nach nur einen „kleinen Teilbereich möglicher Forschungsaufgaben dar“ (vgl. Brill 2005, 28). Krumm und Ohms-Duszenko (2001, 1036) sehen den Aufgabenbereich der Lehrwerkfor‐ schung primär im Kontext von empirischen Untersuchungen, weshalb sie diese auch als empirische Lehrwerkforschung bezeichnen, die „im Sinne einer Wirkungsforschung“ den Lern- und Unterrichtsprozess fokussiert. Dazu definieren sie drei Bereiche der empirischen Lehrwerkforschung: Lehrwerkerprobung, Lehrwerkwirkung und historische Forschung (vgl. ebd.). Die Lehrwerkerprobung dient der Einsichtnahme in erreichte Wirkungen, Fehleinschätzungen und aufgrund der Erprobung durchgeführte Korrekturen (vgl. Krumm 2010, 1219). Sie versteht sich nach Krumm (ebd.) „als erste Stufe einer unterrichtsbezo‐ genen Lehrwerkforschung“, „als Lehrwerkentwicklung auf empirischer Grundlage“. Die Lehrwerkwirkung untersucht den Einfluss von Lehrwerken auf den Unterrichtsprozess sowie ihre spezielle Nutzung durch Lehrende und Lernende (vgl. Brill 2005, 26). Zu diesem Bereich der Lehrwerkforschung gilt es auf die von Weinbrenner (1995, 23) erarbeitete Unterscheidung von vier Wirkebenen hinzuweisen, die von Lehrwerken ausgehen können und die den Grundstein für eine wirkungsorientierte Lehrwerkforschung legen. Die vier Wirkebenen beziehen sich auf die Lernenden, Lehrenden, die Öffentlichkeit und auf internationale Beziehungen. Die historische Lehrwerkforschung weist Parallelen zu der von Neuner (1994a) als diachron aufgefassten Lehrwerkforschung auf, die Lehrwerke vor dem Hintergrund zu‐ rückliegender gesellschaftlicher Entwicklungen untersucht (vgl. Krumm/ Ohms-Duszenko 2001, 1036). Der im Rahmen dieser Abhandlung verwendete Terminus Lehrwerkforschung versteht sich als Oberbegriff, der o. g. Dimensionen subsumiert und die Konzepte von Neuner (1994a) sowie Krumm und Ohms-Duszenko (2001) vereint. Denn ein sich primär auf die Analyse von Lehrwerken beziehendes Verständnis würde eine prozessorientierte Unter‐ suchung und die konkrete Verwendung von Lehrwerken in der Praxis unberücksichtigt lassen, wohingegen umgekehrt eine vorrangig verwendungs- und wirkungsorientierte Forschungsperspektivierung das Lehrwerk als Produkt und seine inhaltliche Füllung vernachlässigen würde. Daraus resultiert, dass sich in dieser Forschungsarbeit an der Dreiteilung der Erkenntnisgebiete der Lehrwerkforschung in Analyse, Entwicklung und Verwendung (Kurtz 2011, 3) orientiert wird, die Parallelen zur Klassifizierung von Sheldon (1987, 2) in Evaluation, Production und Adaption sowie nach Weinbrenner (1995, 22 ff.) in eine produkt-, prozess- und wirkungsorientierte Schulbuchforschung aufweist. Auch Harwood (2014, 2 ff.) bezieht sich bei seiner Systematisierung der Lehrwerkforschung auf die Ebenen Content, Production und Consumption. Mit der Wahl des Systematisierungsvorschlags nach Kurtz (2011) wird weder ein Bereich der Lehrwerkforschung in besonderem Ausmaß hervorgehoben noch über die anderen hinweg hierarchisiert. Darüber hinaus umfasst diese Dreiteilung nicht nur eine produktori‐ entierte Sichtweise auf das Lehrwerk, welche am häufigsten Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchungen ist (vgl. Kap. 2.3.2.1), sondern bezieht auch die Prozesskomponente im Kontext der Entwicklung und Gestaltung von Lehrwerken sowie eine nutzungsorientierte Perspektive mit ein, die die Interaktion der Verwendenden mit dem Lehrwerk berücksich‐ 2.3 Fremdsprachendidaktische Lehrwerkforschung 57 <?page no="58"?> tigt. Sowohl im nationalen als auch im internationalen Forschungskontext zu Lehrwerken besteht weitgehend Konsens über diese Form der Systematisierung des Forschungsfelds - auch wenn sich teils unterschiedliche begriffliche Ausführungen finden, die im Folgenden diskutiert werden. Während bspw. die von Sheldon (1987, 2) als Evaluation bezeichnete Ebene eine stärkere Beurteilungskomponente aufweist, liegt der Definition von Harwood (2014, 2) bzgl. der von ihm als Content beschriebenen Dimension eine deskriptivere Note zugrunde: „We can investigate what textbooks include and exclude in terms of topic, linguistic information, pedagogy, and culture“. Die im deutschsprachigen Forschungskontext thematisierte Ebene der Analyse umfasst beide der zuvor genannten Schwerpunktsetzungen, zum einen bspw. die Analyse bestimmter Aspekte in Lehrwerken, zum anderen aber auch damit einherge‐ hend eine Beurteilung der gefundenen Ergebnisse (vgl. Kurtz 2011, 3 f.). Der von Sheldon (1987, 2) und Harwood (2014, 2) verwendete Begriff der Production bindet wirtschaftliche Komponenten stärker ein und legt einen Fokus auf Publikationsbedingungen und weniger auf die Umsetzung didaktisch-methodischer Prinzipien und weiterer Aspekte im Entwick‐ lungsprozess. Zur Ebene der Production erläutert Harwood (ebd.) näher: […] at the level of production, we can investigate the processes by which textbooks are shaped, authored, and distributed, looking at textbook writers’ design processes, the affordances and constraints placed upon them by publishers, and the norms and values of the textbook industry as a whole. (ebd.) Der Begriff der Lehrwerkentwicklung im deutschsprachigen Raum lässt sich daher nicht ganz synonym verwenden. Auch wenn er Elemente des Begriffsverständnisses nach Sheldon (1987) und Harwood (2014) aufweist, werden nicht nur diese fokussiert, sondern ein Schwerpunkt wird auf die Implementierung didaktisch-methodischer Prinzipien und deren konkrete Umsetzung im Material gelegt (z. B. auf Basis von gewählten Inhalten, Texten/ Textsorten, Aufgabenformaten etc.). Weiterhin führt Harwood (ebd.) aus, dass auf der Ebene Consumption der Fokus darauf liege, wie Lehrkräfte und Lernende das Lehrbuch bzw. Lehrwerk verwenden. Übersetzt man den von Harwood (ebd.) verwendeten Begriff ins Deutsche, steht dieser in Relation zum wirtschaftlich konnotierten Terminus der Production. Bei der Dimension der Verwendung wird mit dem im deutschsprachigen Forschungsdiskurs geprägten Konzept das Augenmerk primär auf die Interaktion der Verwendenden mit dem Material vor dem Hintergrund eines spezifischen Lehr- und Lernkontexts gelegt und weniger auf wirtschaftliche Gesichts‐ punkte. Ähnlich verhält es sich hier mit dem von Sheldon (1987, 2) geprägten Begriff der Adaption, der unmittelbar auf die notwendige Aktivität vonseiten der Endnutzer*innen im Umgang mit dem Lehrwerk hinweist bzw. diese bereits im Begriff impliziert und weniger den Konsumgedanken aufgreift. Vertiefend zur (Grob-)Systematisierung der Lehrwerkforschung, wird diese im Fol‐ genden unter einer begriffs- und konzeptbezogenen Perspektive genauer erläutert. Ihr liegt eine Differenzierung innerhalb der einzelnen Dimensionen der Lehrwerkforschung zugrunde, die sowohl eine wissenschaftliche als auch eine eher schulpraxisbezogene Komponente aufweist. 58 2 Theoretischer Teil: Grundlagen und Bezugsrahmen <?page no="59"?> Beide Komponenten verstehen sich als essenziell für die Konzeptualisierung des Unter‐ suchungsgegenstands sowie die inhaltliche Ausrichtung und Erstellung der Erhebungsin‐ strumente (vgl. Kap. 2.4.1.1, 3.5), und ermöglichen so einen Zugang zu deren empirischer Erforschung. Exemplarisch lassen sich hierfür z. B. das eher theoretisch-wissenschaftliche Konzept der Lehrwerkanalyse und das Verständnis von einem kritischen und kreativen Umgang mit dem Lehrwerk in der Unterrichtspraxis anführen. Um darüber hinaus die Ausgangsbasis des Forschungsfelds, in dem die Studie verortet wird, in der Breite und Tiefe nachvollziehen und in den Gesamtkontext einordnen zu können, werden die einzelnen Erkenntnisgebiete hinsichtlich des „vielschichtigen Zusammenspiels“ (Michler 2005, 15) und damit einhergehender Vernetzungen und Wech‐ selwirkungen gemäß dem dieser Arbeit zugrunde liegenden integrativen Verständnis von Lehrwerkforschung ausführlicher dargestellt. Die folgenden Erläuterungen zum Begriff der Lehrwerkanalyse und -entwicklung werden auf wesentliche Aspekte, die im Zusam‐ menhang mit dem primär im Bereich der Lehrwerkverwendungsforschung verorteten Untersuchungsgegenstand stehen, zugeschnitten. Lehrwerkanalyse Betrachtet man das Erkenntnisgebiet der Lehrwerkanalyse unter terminologischen Ge‐ sichtspunkten, trifft man sowohl im nationalen als auch internationalen Forschungsdiskurs auf die Begriffe Analyse und Kritik, die teils synonym, aber auch im gegensätzlichen Sinne Verwendung finden. Während bspw. Krumm und Ohms-Duszenko (2001, 1034 f.) die Ter‐ mini Lehrwerkanalyse und -kritik als deckungsgleich ansehen, unterscheidet Neuner (1994a, 17) diese dahingehend, dass er die wissenschaftliche Lehrwerkforschung als „Analyse der Grundlagen, Faktoren und des Bedingungsgefüges“ definiert und unter Lehrwerkkritik die Frage nach der Eignung eines Lehrwerks für eine bestimmte Lerngruppe versteht. Mit der Lehrwerkkritik werde das Ziel der Entwicklung eines „validen Rasters von Beurteilungs‐ kriterien“ (ebd.) verfolgt, mit dem Lehrwerke beurteilt und Empfehlungen zum Einsatz formuliert werden können. Demnach weise sie im Vergleich zur Lehrwerkanalyse einen präskriptiven Charakter auf (vgl. Brill 2005, 29). Auch Tomlinson (2012, 148) differenziert zwischen beiden Termini und versteht Lehrwerkanalyse ähnlich wie Neuner (1994a): „which focuses on the materials and aims to identify what they contain, what they ask learners to do and what they say they are trying to achieve“ (Tomlinson 2012, 148). Damit im Einklang steht auch das Verständnis der Lehrwerkanalyse nach Littlejohn (2011, 185 ff.), demgemäß drei Ebenen formuliert werden: • what is there (objective description); • what is required of users (subjective analysis): focus on tasks, their content, what the learner is expected to do and who with; • what is implied (subjective inference): deducing aims, principles of selection and sequence, teacher and learner roles and demands on the learners’ process competence. Lehrwerkkritik hingegen definiert Tomlinson (2012, 148), indem der Fokus stärker auf die von dem Material potenziell ausgehenden Wirkungen auf die Lernenden gelegt wird. Zu berücksichtigen ist hierbei, dass von einer (theoriebasierten) Beurteilung von Lehr- und Lernmaterialien nur hypothetische Annahmen über die Wirkungen auf Lernende getroffen 2.3 Fremdsprachendidaktische Lehrwerkforschung 59 <?page no="60"?> werden können (vgl. McGrath 2002, 22). Auch Michler (2005, 16) verweist auf einen Unterschied im Bereich der Lehrwerkanalyse und -kritik. Unter Lehrwerkanalyse sei „eine systematische, oft vergleichende, auch exemplarisch angelegte Untersuchung eines oder mehrerer Gegenstände von Lehrwerken gemeint“ (ebd.). Lehrwerkkritik dagegen sei die „wissenschaftliche Beurteilung der vorgefundenen Sachverhalte“ (ebd.). So bemerken auch Fredriksson und Olsson (2006, 11) dazu: „The textbook analysis needs to be performed before commencing the textbook evaluation“ (vgl. dazu auch Littlejohn 2011, 182). Deutlich an den letzten beiden begrifflichen Bestimmungen wird die Perspektive der zeitlichen Abfolge und das Bedingungsgefüge, in der/ dem sich die Lehrwerkanalyse als notwendiger „Vorschritt“ versteht, um die gewonnenen Erkenntnisse beurteilen zu können. Geschlussfolgert wird daraus, dass beide Konzepte (Analyse und Kritik) nur bedingt voneinander zu trennen sind und sich in einem Abhängigkeitsverhältnis wiederfinden (vgl. dazu u.-a. Brill 2005, 30). Nach Auffassung der Verfasserin handelt es sich bei der Analyse von und Kritik an Lehrbüchern/ -werken in Anlehnung an de Pablos-Ortega (2019, 81) um ein dynamisches, sich wechselseitig beeinflussendes Prozedere. Deshalb wird im Folgenden ausschließlich der Begriff der Lehrwerkanalyse verwendet, aus dessen Prozess eine Beurteilung hervor‐ geht: „el análisis de materiales conlleva la evaluación de los mismos“ (ebd.). In die Aufbereitung des Konzepts der Lehrwerkanalyse werden überdies kontextuelle Faktoren nach McGrath (2016, 21) eingebunden, die er in einen Makro- und Mikrokontext unterteilt. Auf der Makroebene werden Faktoren erläutert, wie bspw. die Funktion der Fremdsprache im jeweiligen Land und die dortige Sprachenpolitik, der Lehrplan oder Prüfungen. Die Mikroebene bezieht sich auf den konkreten Kontext, in dem das Lehrwerk verwendet wird und untersucht Faktoren, die sich u. a. auf die jeweilige Institution, die Klasse oder die Lehrkraft beziehen. Auf zuerst genannter Ebene wird Lehrwerkanalyse als ein zyklischer Prozess verstanden, dem verschiedene Phasen zugeordnet werden, die in einem wechselseitigen Bezug zuein‐ ander stehen sowie in die jeweils nächste Phase überführen. Auf einer letzten Stufe münden diese in eine Reflexion und Optimierung des gesamten Beurteilungsprozesses und der Ergebnisse (vgl. ebd., 21 f.): „[…] data gathered at each stage - pre use etc. - feeds into the next stage and may ultimately lead to the modification of the evaluation process itself“ (ebd., 2013, 52). Konkret bezeichnet McGrath (2016, 21) die einzelnen Phasen wie folgt: pre-use evaluation, whilst (in)-use evaluation und post-use evaluation. Die pre-use evaluation wird als subjektiv und unzuverlässig charakterisiert, da sie primär nur dazu diene, sich einen allgemeinen Überblick über das Lehrbuch zu verschaffen (vgl. Alkhaldi 2010, 286). Die whilst (in)-use evaluation fokussiert die Analyse und Beurteilung von Lehr-/ Lernmaterialien „[…] whilst observing or using them“ (ebd., 287). Sie wird als verlässlicher beschrieben: „[…] it makes use of measurement rather than prediction“ (ebd.), gleichzeitig verweist Alkhaldi (ebd.) jedoch auf folgende Problematik: „[…] it cannot measure durable and effective learning because of the delayed effect of instruction“. Potenzielle Analyseaspekte in dieser Phase können nach Tomlinson (2014a, 24) u. a. die folgenden sein: clarity of instructions, practicality, teachability, flexibility, appeal, motivating power und impact. Ein zentraler Aspekt der whilst (in-)use evaluation ist das Einbeziehen der Lehrenden und Lernenden und ihrer Wahrnehmungen und Erfahrungen während des Verwendungskontextes (vgl. McGrath 2002, 120). Die gewonnenen Erkenntnisse können dann in die post-use evaluation 60 2 Theoretischer Teil: Grundlagen und Bezugsrahmen <?page no="61"?> 37 Vgl. zu impressionistic overview Cunningsworth (1995) und zu external evaluation McDonough, Shaw und Masuhara (2003). eingebettet werden (vgl. ebd.). Die post-use evaluation wird als wichtigste und nützlichste Phase der Bewertung von Lehrwerken erachtet, da sie in Verbindung mit den vorherigen Abschnitten Auskunft über die Wirkungen des Materials auf die Akteur*innen liefern könne (vgl. Alkhaldi 2010, 287): […] it can measure the actual effects of the materials on the users […] provide reliable information. […] short term effects such as motivation, impact achievability […] instant learning […] long term effects such as durable learning and application. (ebd.) Ausgehend von der Makroebene befasst sich die Mikroebene näher mit der Erstellung und Gestaltung von Instrumenten, mittels derer Lehrwerke innerhalb der beschriebenen Phasen analysiert und beurteilt werden können (vgl. McGrath 2016, 21). McGrath (ebd., 32 ff.) unterscheidet ergänzend drei Methoden voneinander, die er wie folgt bezeichnet: impressionistic method, checklist method und in-depth method. Mittels erstgenannter Methode soll ein allgemeiner Eindruck des Lehrwerks gewonnen werden. 37 Hierbei handelt es sich bspw. um den Aufbau, Themen oder das Layout (vgl. ebd., 32). McGrath (ebd.) betont allerdings, dass diese Methode nicht als alleinige Grundlage für die Bewertung und Auswahl von Lehrwerken herangezogen werden sollte, sondern nur eine Hilfe darstelle, um eine erste Auswahl von Materialien zu treffen, die einer tiefergehenden Analyse unterzogen werden (vgl. ebd., 35; Cunningsworth 1995, 1). Dazu stellt McGrath (ebd., 36 f.) unter Bezugnahme auf Ansätze anderer Lehrwerkforschenden (u. a. McDonough, Shaw & Masuhara 2013) einige Leitfragen/ -aspekte vor, die bei einer ersten Analyse eines Lehrwerks von Nutzen sein können. Exemplarisch handelt es sich um folgende: • intended audience, proficiency level and context of use; • the views of the author(s) on language and methodology and the relationship between language, the learning process and the learner; • whether layout and presentation are clear; • whether there is any cultural bias or cultural specificity; • the cost of any digital components and whether they are an integral part of the package; • whether there are tests and, if so, the suitability of these (McGrath 2016, 36 f.). Die checklist-Methode wird von McGrath (ebd., 32 f.) als systematisch und kriteriengeleitet bezeichnet, sie kann einen Vergleich verschiedener Materialien erleichtern. Die Anwen‐ dung dieser Methode setzt demnach Instrumente bzw. Kriterienraster zur Analyse und Beurteilung von Lehrwerken voraus, zu deren Entwicklung u. a. McGrath (2002, 40 f.) verschiedene Möglichkeiten erläutert. Er führt an, dass drei Verfahren zur Ausarbeitung eines Kriterienkatalogs zur Verfügung stehen, die sowohl auf der Verwendung bereits bestehender Kataloge bzw. deren Adaption als auch auf der Generierung neuer Ideen auf theoretischer Basis sowie auf empirischen Befragungen von Lehrenden und Lernenden fußen: borrow/ adapt (look at all the checklists available), originate (brainstorm ideas for a 2.3 Fremdsprachendidaktische Lehrwerkforschung 61 <?page no="62"?> checklist) und research (find out what teachers and learners consider to be important) (vgl. dazu auch Alkhaldi 2010, 292-ff.; Cohen, Manion & Morrison 2007). Die dritte Methode (in-depth), die eine tiefergehende Betrachtung des Lehrwerks fokus‐ siert, ist laut McGrath (2016, 33 f.) an spezifischen Lektionsteilen ausgerichtet, die in ihrem Aufbau und auf andere spezifische Aspekte hin untersucht werden: As well as seeing what is prominent and obvious in a coursebook, we need to examine how specific items are dealt with, particularly those which relate to students learning needs, syllabus requirements, how different aspects of language are dealt with […]. (Cunningsworth 1995, 2) Kritisiert werden kann an der in-depth Analyse, dass die Auswahl einzelner Lektionen nur bedingt als repräsentativ für das gesamte Lehrwerk gewertet werden kann, eine hohe fachbezogene Kompetenz der analysierenden Person voraussetzt sowie sehr zeitaufwendig ist (vgl. McGrath 2016, 34). McGrath (ebd.) schlägt daher einen integrativen Ansatz (integrated approach) vor, der für jeden individuellen Fall der Lehr-/ Lernmaterialanalyse in seinen Charakteristika und Kriterien modifiziert werden müsse. Hierzu verweist er auf die Unterscheidung zwischen allgemeinen und spezifischen Kriterien und differenziert darüber hinaus die Lehrwerkanalyse nach ihrem jeweiligen Verwendungskontext (vgl. ebd.). Die Dimension der Lehrwerkanalyse und ihre Aufbereitung für den vorliegenden Untersuchungsgegenstand (vgl. Kap. 2.4.1.1) sowie die Ausrichtung der Erhebungsinstru‐ mente (vgl. Kap. 3.5) können mit nachfolgendem Schaubild von Ezeiza Ramos (2009, 20) hinsichtlich der Ebenen, Methoden, Instrumente, Zeitpunkte und Blickwinkel der Lehr‐ werkanalyse aus einer forschungs- und schulpraxisbezogenen Perspektive terminologisch und strukturell gerahmt werden (vgl. Kap.-4.2 zu Untersuchungsergebnissen). Abbildung 3: Systematisierung der Dimension der Lehrwerkanalyse (nach Ezeiza Ramos 2009, 20) 62 2 Theoretischer Teil: Grundlagen und Bezugsrahmen <?page no="63"?> 38 Im englischsprachigen Forschungskontext zu Lehrwerken findet man häufig eine wirtschaftliche Betrachtung von Lehrwerken (vgl. dazu u. a. Apple 1985). Vgl. dazu im deutschsprachigen For‐ schungskontext u.-a. Kurtz (2002) und Quetz (1999b). Abschließend kann mit den Ausführungen von Alkhaldi (2010, 284) in Anlehnung an Tomlinson und Masuhara (2004) sowie Heuer und Müller (1973) gezeigt werden, wie die einzelnen Dimensionen der Lehrwerkforschung ineinander verwoben sind. Damit wird zur zweiten Dimension, der Lehrwerkentwicklung, übergeleitet: Der Hauptzweck der Analyse und Beurteilung von Lehrwerken liegt laut Alkhaldi (ebd.) in der (Weiter-)Entwicklung von bereits bestehenden oder neuen Lehr-/ Lernmaterialien, indem Stärken und Schwächen der bestehenden Fassung des Lehrwerks eruiert werden. Lehrwerkentwicklung Mit dem Erkenntnisgebiet der Lehrwerkentwicklung gehen weitere terminologische Unsi‐ cherheiten im Forschungsdiskurs einher, was u. a. auch damit zusammenhängt, dass bis Mitte der 1990er-Jahre kaum Publikationen zu dieser Dimension vorlagen (vgl. Brill 2005, 61). Krumm und Ohms-Duszenko (2001, 1032) führen das u. a. darauf zurück, dass „das Verhältnis von Fremdsprachendidaktik und Unterrichtspraxis eher „analytischer Natur“ sei „und Präskription als unwissenschaftlich angesehen“ werde (vgl. Brill 2005, 62). Im Forschungskontext zu Lehrwerken existieren verschiedene begriffliche Verwen‐ dungsweisen: Wie bereits aus obiger Einteilung der Dimensionen der Lehrwerkforschung ersichtlich wird, spricht Kurtz (2011) bspw. von Lehrwerkentwicklung, Harwood (2014) hingegen eher von Lehrwerkproduktion. 38 Weitere Begriffe, die im Kontext der Lehr‐ werkentwicklung auftauchen, beziehen sich u. a. auf die Gestaltung, Konstruktion oder Erstellung von Lehrwerken. Der Terminus der Gestaltung stellt zumeist einen Teilbereich der Lehrwerkentwicklung dar und bezieht sich bspw. auf das Layout, die Anordnung der Inhalte und Grafiken oder auf die Farbenauswahl, kann jedoch nicht mit dem gesamten Entwicklungsprozess und der Implementierung fachdidaktischer Konzepte gleichgesetzt werden. Der Begriff Konstruktion (vgl. dazu Neuner 1994a, 13) fokussiert ähnlich wie der der Entwicklung die Prozesshaftigkeit. Heuer, Müller und Schrey (1973, 9 ff.) verwenden darüber hinaus den Begriff der Lehrwerkerstellung, der häufig synonym zu dem der Entwicklung verwendet wird. Der Terminus Entwicklung umfasst demnach den Implementierungsprozess und berück‐ sichtigt die länger anhaltenden Entwicklungsphasen von Lehrwerken. Neben der Anlage der Lernstoffprogression, dem Lektionsaufbau und der -gestaltung (z. B. Einführung, Kog‐ nitivierung, Übung, Anwendung), der Integration digitaler Medien, dem Umfang und der Ausrichtung der zugehörigen Lehrwerkbestandteile sowie der Entwicklung eines grundle‐ genden Lernschemas (vgl. Neuner 1994b, 230 f.) muss die Lehrwerkentwicklung aktuelle und zukünftige Entwicklungstrends und Erkenntnisse der fremdsprachendidaktischen Forschung integrieren (u. a. Kompetenz- und Aufgabenorientierung, Mehrsprachigkeit, Differenzierung, Digitalisierung, Modularisierung) (vgl. Fäcke 2016/ 2017; Kurtz 2018a; Martinez 2011; Thaler 2011; Kap. 2.3.2.2 zu Lehrwerkentwicklungstrends). 2.3 Fremdsprachendidaktische Lehrwerkforschung 63 <?page no="64"?> 39 Kurtz (2020, 198) weist in seinen Ausführungen darauf hin, dass dieser Begriff missverständlich sei, da er suggeriere, dass es im Unterricht primär darum gehe, „im Lehrwerk vorgezeichnete Arbeitspensen zu erledigen“. Die Aufgaben der Lehrwerkentwicklung erweisen sich als vielfältig und teils vor dem Hintergrund der Vielzahl an Forderungen des Forschungsdiskurses, Produktionsbedin‐ gungen (z. B. Kosten, Produktionsdauer) sowie angesichts der Vorgaben durch bildungs‐ politische Dokumente, die an Lehrwerke herangetragen werden, als nicht vollständig umsetzbar (vgl. Beyer 2018, 357). In der vorliegenden Untersuchung wird mit dem Konzept Lehrwerkentwicklung für die Aufbereitung des Untersuchungsgegenstands weitergearbeitet. Dieses Konzept steht in einem wesentlichen Zusammenhang mit der Lehrwerkverwendung (aus der Pro- und Retrospektive) der Lehrkräfte und ihren materialbezogenen Erfahrungswerten. Denn die Lehrenden als Hauptnutzende werden mit dem Ergebnis der während der Lehrwerk‐ entwicklung vorgenommenen Änderungen konfrontiert, müssen mit diesen (zukünftig) umgehen und blicken aus der Vergangenheit auf vorherige Entwicklungs- und Implemen‐ tierungsprozesse mit ihren Auswirkungen auf den eigenen (zukünftigen) Unterricht zurück (vgl. Kap. 2.4.1.1 und dazugehörige Untersuchungsergebnisse in Kap. 4.2.1.1.4). Lehrwerkrezeption und -verwendung Die nachfolgende Abhandlung komplettiert die begriffliche Bestimmung und Systematisie‐ rung der Dimension der Lehrwerkverwendung, in die sich der vorliegende Untersuchungs‐ gegenstand einordnen lässt. Es werden daher verschiedene Begriffe definiert, voneinander abgegrenzt und verortet. Unter Bezugnahme auf die obigen Ausführungen zur Bestimmung des Terminus Lehrwerkforschung kann festgehalten werden, dass sich die Dimension der Lehrwerk‐ verwendung der von Krumm und Ohms-Duszenko (2001) als empirisch bezeichneten Lehrwerkforschung zuordnen lässt. Im (fremdsprachendidaktischen) Forschungsdiskurs werden verschiedene Termini angeführt, um auf das Verhältnis zwischen Endnutzer*innen und Lehrwerk zu verweisen. Im deutschsprachigen Raum werden häufig die Begriffe der Verwendung und Nutzung (vgl. dazu u. a. Kurtz 2020, 198; Thaler 2011, 18) sowie des Einsatzes (vgl. dazu u. a. Franke 2022, 219) und der Lehrwerkarbeit 39 (vgl. dazu u. a. Koenig 2013, 177) gebraucht. Parallelen zu den Begriffen der Verwendung und Nutzung lassen sich auch zum Gebrauch der Terminologie im anglo- und hispanophonen Forschungskontext ziehen (textbook use, uso de un material comercializado) (vgl. dazu u. a. Ezeiza Ramos 2009, 9; McGrath 2016, 3). Ein weiterer im deutschen Forschungsdiskurs verwendeter Terminus ist die Lehrwerkrezeption (vgl. Fäcke 2016, 41), die in Ergänzung zu o. g. Konzepten stärker die aktive Vorab-Auseinandersetzung bzw. Interaktion der Lehrkraft mit dem Lehrwerk vor dessen Verwendung im Unterricht in den Vordergrund rückt (vgl. Müller-Bittner 2008, 86). Die genannten Begriffe implizieren Aspekte des Gebrauchs und der unterrichtsprak‐ tischen Umsetzung des Materials in bestimmten Lehr- und Lernsituationen (Unterrichts‐ vorbereitung, Unterricht), womit eine „reine“ Materialebene verlassen wird und die Lehrwerkverwendenden explizit in den Vordergrund gerückt werden. In Anlehnung an die Ausführungen von Fäcke (2016), Kurtz (2020) und Müller-Bittner (2008) werden in 64 2 Theoretischer Teil: Grundlagen und Bezugsrahmen <?page no="65"?> dieser Arbeit nachfolgend die Termini der Lehrwerkrezeption und -verwendung mit Blick auf die Konzeptualisierung des Untersuchungsgegenstands als angemessen erachtet. Dies erlaubt es, hinsichtlich der Verwendungszeitpunkte zu differenzieren (z. B. wie sich mit dem Lehrwerk vor der Verwendung im Unterricht auseinandergesetzt wird und welche materialbezogenen Entscheidungen getroffen werden) und ein Panorama an Verwendungssituationen im Unterricht aufzuzeigen (z. B. Nutzung von Handlungsoptionen zur Veränderung von Lehrwerkbestandteilen, Unterrichtsphasen und -sequenzen) (vgl. Kap. 2.4.2). Zwischenfazit Mit den Ausführungen in diesem Teilkapitel wurde das Untersuchungsfeld anhand der einzelnen Dimensionen der Lehrwerkforschung auf einer terminologischen und konzep‐ tionellen Ebene beschrieben und systematisiert sowie auf seine Relevanz für die Kon‐ zeptualisierung des Untersuchungsgegenstands zugeschnitten. Deutlich geworden sind die Multifaktorialität und Komplexität bei der Erforschung von Lehrwerken und daraus resultierend die Entscheidung für eine Berücksichtigung der bestehenden Vernetzungen zwischen den einzelnen Dimensionen der Lehrwerkforschung (hier insb. Entwicklung und Verwendung) bei der Konzeptualisierung des vorliegenden Untersuchungsgegenstands (vgl. dazu u. a. Tomlinson 2001). Auch wenn sich dieser vorrangig dem Bereich der Lehrwerkverwendung bzw. genauer gesagt der empirischen Lehrwerkforschung (vgl. Kap. 2.3.2.3) zuordnen lässt, kann mit diesem integrativen Ansatz eine präzise(re) Verortung in der Domäne der Lehrwerkforschung und eine umfangreichere sowie tiefergehende Beantwortung der Forschungsfragen ermöglicht werden. 2.3.2 Spanischdidaktische Lehrwerkforschung: Analyse des Forschungsstands Nachfolgend werden konkrete Erkenntnisse und Entwicklungen innerhalb der einzelnen Dimensionen der Lehrwerkforschung für den Bereich des Spanischen als Fremdsprache erläutert und in den Gesamtkontext eingeordnet. - 2.3.2.1 Lehrwerkanalyse In der vorliegenden Untersuchung wird die Lehrwerkanalyse zwar auch als theore‐ tisch-wissenschaftliches Konzept begriffen, jedoch vorrangig mit Bezug zum Untersu‐ chungsgegenstand aus einer schulpraxisbezogenen Perspektive betrachtet. Daher wird die Entwicklung dieser Dimension als wissenschaftliche Disziplin im Bereich des Spanischen als Fremdsprache nur in ihren Grundzügen beleuchtet. Mit Blick auf den Ursprung der Lehrwerkforschung in Deutschland zeigt sich, dass insb. der Lehrwerkanalyse eine besondere Rolle bei der Konstituierung und Entwicklung der Lehrwerkforschung zukommt (vgl. Heuer, Müller & Schrey 1973, 9). Lehrwerkanalysen haben sich in den letzten Jahrzehnten als eigenständiger Bereich der fremdsprachendidak‐ tischen Forschung etablieren können (vgl. Fäcke 2016, 36) und werden nach Martinez (2005, 111) sowie Sikorová und Červenková (2014, 112) als der häufigste Lehrwerk-/ -buchfor‐ schungstyp beschrieben, der sich vorwiegend mit dem Inhalt und der Gestaltung von Lehr‐ 2.3 Fremdsprachendidaktische Lehrwerkforschung 65 <?page no="66"?> 40 Die Datierung auf den genannten Zeitraum steht im Zusammenhang mit dem heutigen Verständnis von Lehrbüchern als Teil des Mehrkomponentensystems Lehrwerk (vgl. Kurtz 2020, 198). werken und -büchern befasst. Hierbei handelt es sich sowohl um allgemeinere/ globalori‐ entierte als auch spezifischere Analysen zu Inhalten und/ oder Fremdsprachenlerntheorien sowie zu Einzelaspekten von Lehrbüchern und teilweise zu ausgewählten Bestandteilen von Lehrwerken. Partiell geht hier die Entwicklung von (mehr oder weniger umfangreichen) Kriterienkatalogen und Analyseinstrumenten mit einher (vgl. Fäcke/ Mehlmauer-Larcher 2017, 7). Ezeiza Ramos (2009, 17) verzeichnet im Jahr 2009 für den Bereich der Lehrwerkanalyse für Spanisch als Fremdsprache eine geringe Entwicklung, der es an theoretischer Aufbe‐ reitung und Konzeptualisierung mangele: De hecho, a la luz de las aportaciones que se han ido realizando acerca de la naturaleza, funciones y diseño del componente material de la enseñanza de lenguas a lo largo de las tres últimas décadas (ver Ezeiza 2004: 13-78), no parece arriesgado afirmar que contamos con un constructo teórico suficientemente consolidado como para abordar la investigación y la conceptualización de los materiales desde una instancia con estatuto propio. (ebd.) Auch zehn Jahre später stimmt de Pablos-Ortega (2019, 82) der Feststellung von Ezeiza Ramos (2009, 17) zu und weitet diese auf die letzten 40 Jahre der Unternehmungen im spa‐ nischsprachigen Forschungskontext zu Lehrwerken sowie auf den Bereich der Lehrwerk‐ entwicklung aus. Die bisher vorliegenden Erkenntnisse im Bereich der Lehrwerkanalyse systematisiert de Pablos-Ortega (2019, 82 f.) aus den folgenden Forschungsperspektiven heraus: • Entwicklung von Kriterienkatalogen und Analysemodellen (herramientas empleadas para su análisis y evaluación); • longitudinal-historische Lehrbuchanalysen (el análisis longitudinal). Kriterienkataloge und Analysemodelle Auch im internationalen Forschungskontext zur Lehrwerkanalyse stellt das Anfertigen von Kriterienkatalogen oder Analysemodellen ein zentrales Charakteristikum dar, deren Tradition bis in die Gegenwart anhält (vgl. Fäcke/ Mehlmauer-Larcher 2017, 10). Erste Analysen zu Einzelaspekten in Spanischlehrbüchern 40 können ca. ab Anfang der 1980er-Jahre ausgemacht werden. Bspw. betrachtet Scotti-Rosin (1980) das Spanienbild unter Aspekten der Authentizität, Aktualität und Relevanz. Darüber hinaus fokussiert er in seiner Analyse, ob eine problemorientierte Vermittlung realisiert und die Position der Ver‐ fassenden erkennbar wird, ob Stereotype gemieden und Sympathie und Verständnis gegen‐ über der Zielkultur sowie kontrastive Aspekte zwischen Ausgangs- und Zielkultur deutlich gemacht werden. Neuroth-Hartmann (1986) untersucht das Bild von Spanier*innen, das Lehrbuchpersonen vermitteln. Nach den ersten veröffentlichten Lehrbuchanalysen setzt sich eine produktorientierte Betrachtungsweise fort. Es erscheinen zahlreiche Analysen von Spanischlehrbüchern, die einer unterschiedlichen thematischen und konzeptionellen Ausrichtung folgen. 66 2 Theoretischer Teil: Grundlagen und Bezugsrahmen <?page no="67"?> Im nationalen Forschungsdiskurs entwickeln bspw. Usener (2016), Barquero Pipín (2020), Gómez Medina (2022) und Heisel (2022) umfangreichere (theorieund/ oder empirieba‐ sierte) Kriterienkataloge im Rahmen von Qualifikationsarbeiten, die den Analysefokus auf einen spezifischen inhaltlichen Teilbereich legen. Usener (2016) untersucht das Potenzial von Spanischlehrbüchern der dritten Fremdsprache zur Förderung der interkulturellen Kompetenz. Barquero Pipín (2020) fokussiert die Behandlung der pragmatischen Kom‐ petenz in Spanischlehrbüchern für Anfänger*innen. Gómez Medina (2022) analysiert soziokulturelle Inhalte und sprachliche Variation, und Heisel (2022) beurteilt, inwiefern in fremdsprachlichen Spanischlehrbüchern Ansätze zur politischen Bildung enthalten und wie diese im Material umgesetzt sind. Weitere Lehrbuchanalysen können der nachfolgenden Systematisierung unter Betrach‐ tung des deutsch-, englisch- und spanischsprachigen Forschungskontextes entnommen werden: Analyseschwerpunkte Konkrete Analyseaspekte und Beispiele (Auswahl) Didaktisch-methodische Prinzipien Kompetenzorientierung u. a. Martinez (2011) Aufgabenorientierung u. a. González (2022) Kompetenzen und sprachliche Mittel Hörverstehen u.-a. Wilske (2010) Leseverstehen u.-a. Ezeiza Ramos (2006); Núñez Del‐ gado/ Rodríguez Guerrero (2017); Ortiz Rodríguez (2008) Sprechen u.-a. Fernández Martín/ Núnez Cortés (2017); Plötner (2020) Schreiben u. a. Ortiz Rodríguez (2008) Sprachmittlung u.-a. Fäcke (2013); Schilling (2015) Interkulturelle Kompe‐ tenz u. a. Álvarez Baz (2014); Grünewald (2011); Sánchez Casado (2006) Grammatik u.-a. Michler (2014); Navarro-Carrascosa (2021); Orozco/ Thoms (2014) Lexik u.-a. Hidalgo Gallardo (2019); López Ji‐ ménez (2009) Kultur, Gender, Identität, Ideologie und politische Bildung Kultur u.-a. Gil Bürman/ León Abío (1998); Luis Blanco (2014); Morales Vidal/ Cassany (2020) Gender u.-a. Korell (2021); Morales Vidal/ Cassany (2020) Identität und Ethnie u.-a. Thomas (2008); Morales Vidal/ Cas‐ sany (2020) Ideologie u.-a. Vernal Schmidt (2020) Linguistik, Pragmatik, Sprachvarietäten Linguistik und Prag‐ matik/ Pragmadidaktik u.-a. Frings (2006); Plötner (2020) 2.3 Fremdsprachendidaktische Lehrwerkforschung 67 <?page no="68"?> Analyseschwerpunkte Konkrete Analyseaspekte und Beispiele (Auswahl) und Mehrsprachig‐ keit(-sdidaktik) Sprachvarietäten u.-a. Caro Reina/ López Pacheco (2020); Corti (2016); Montemayor/ Neusius (2017) Mehrsprachigkeit(-sdi‐ daktik) u.-a. Frings (2006); Meißner, Tesch & Váz‐ quez (2011); Sánchez Castro (2012) Aussprache und Ortho‐ grafie Aussprache u.-a. Lange (2022); Reimann (2016); Šifrar Kalan (2017) Orthografie u.-a. Visser (2016) Weitere Analyseaspekte Metaphern u.-a. Koch (2013) Lehrwerksintegrierte Lernvideos u.-a. Schäfer (2017) Tabelle 9: Systematisierung der einzelaspektfokussierenden Lehrbuchanalysen im Bereich des Spa‐ nischen als Fremdsprache Longitudinal-historische Lehrbuchanalysen Die zweite Forschungsperspektive ist historisch orientiert und von einem longitudinalen Fokus gekennzeichnet. Das heißt, verschiedene Lehrbücher werden (in ihrer (Weiter-)Ent‐ wicklung und im Vergleich zueinander) über einen längeren Zeitraum unter ausgewählten Aspekten betrachtet. So untersucht Ezquerra (1974) methodische und didaktische Gesichts‐ punkte von in Europa veröffentlichten Lehrbüchern der 1970er-Jahre für Spanisch als zweitgelernte Fremdsprache, und Pardiñas-Barnes (1998) betrachtet inhaltliche und kon‐ zeptuelle Veränderungen von Lehrbüchern für Spanisch, die in den USA im 19. Jahrhundert eingesetzt wurden. In jüngerer Zeit ermittelt Cubillos (2014) in einer vergleichenden Analyse von Lehrbüchern für den L2-Spanischunterricht in den USA pädagogische Trends. Im deutschsprachigen Forschungskontext konnte für Spanisch als Fremdsprache keine longitudinale Lehrbuch-/ -werkanalyse ermittelt werden. Zwischenfazit Die vorausgehende Darstellung zeigt die unterschiedliche Ausrichtung, Zielsetzung und inhaltliche Orientierung von Analysen von Spanischlehrbüchern verschiedenen Umfangs und mit unterschiedlichen Endprodukten (z. B. Modifikation des Materials auf Basis der Analyseergebnisse, Entwurf eines Leitfadens). Gleichzeitig wird auch die thematische Breite der Lehr-/ Lernmaterialanalysen für den Fremdsprachenunterricht Spanisch deutlich. Nur in wenigen der vorgestellten Untersuchungen werden andere Lehrwerkbestandteile als das Lehrbuch fokussiert. Darüber hinaus sind hauptsächlich fremdsprachliche Lehrbücher für ältere oder fortgeschrittenere Lernende (in der Oberstufe) oder für die Erwachsenen‐ bildung Gegenstand der Analyse. Bei einer Vielzahl der Lehrbuchanalysen handelt es sich um unabhängig vom jewei‐ ligen Verwendungskontext durchgeführte Untersuchungen, die mehr oder weniger ausge‐ prägt nach einer systematischen Vorgehensweise (z. B. Kriterienkataloge/ Analysemodelle) verfahren. Es konnten demnach keine Lehrbuch-/ -werkanalysen identifiziert werden, die empiriebzw. praxisorientiert(er) ausgerichtet sind, etwa solche, die auf Basis von 68 2 Theoretischer Teil: Grundlagen und Bezugsrahmen <?page no="69"?> 41 Vgl. zu empiriebasierten Lehrbuchanalysen (und der -entwicklung) für das Fach Englisch u. a. Masuhara et al. (2008) und Mukundan (2009) sowie für das Fach Musik Kojanitz (2019). 42 Vgl. vertiefend zur Kritik am Einsatz von Kriterienkatalogen u. a. Gnutzmann (1999, 72), Knapp-Pott‐ hoff (1999, 101 f.) und Neuner (1994a, 19). Vorab-Befragungen der Nutzenden oder nach der Verwendung des Materials durchgeführt wurden. 41 Dies vernachlässigt die Wechselwirkungen zwischen den zur Lehrwerkforschung zugehörigen Dimensionen sowie die den Lehrwerkanalysen zugrunde liegende Proble‐ matik der Losgelöstheit vom Verwendungskontext („[…] they may still fail to predict what actually happens when the material is used“ (Harmer 2001, 301)). Im Übrigen verstärkt es die Begrenztheit von Kriterienkatalogen 42 (z.-B. Mangel an „theoretischer Rückbindung und bewusste[r] Positionierung im Kontext verschiedener fachlicher Diskurse“ (Fäcke 1999, 97) sowie „Defiziterhebung oder eine Vernachlässigung interessanter neuer Aspekte“ (Abendroth-Timmer 1998, 28)). Der Lehrwerkanalyse kommt folglich nach wie vor eine zentrale Rolle im Kontext der Lehrwerkforschung zu, mit der Lehrbücher und -werke insb. in ihrer inhaltlichen Füllung, Konzeption und der methodischen Ansätze tiefgehend untersucht werden können. Dabei handelt es sich jedoch primär um eine Analyse von enthaltenen Angeboten und Impulsen bzw. Anregungen (vgl. Würffel 2021, 284). Würffel (ebd.) führt dazu berechtigterweise an, dass Lehrwerke „immer erst [ihre, JLK] Wirkung in der Interaktion mit Lehrenden und Lernenden“ entfalten (vgl. dazu auch die Unterscheidung von Littlejohn (2011, 11, 181) zwischen materials as they are und materials in action). Mit einem Plädoyer für die verstärkte Einbindung empirischer Methoden in die Lehr‐ werkanalyse und den Einbezug der Verwendenden zu unterschiedlichen Zeitpunkten (vor, während und nach der Verwendung) - um über Inhalte von Lehrwerken und deren postulierte Wirkungen auf die Nutzenden hinauszugehen (vgl. Fäcke 2016, 36) - schließt dieses Teilkapitel. - 2.3.2.2 Lehrwerkentwicklung: Fortschritt, Probleme und Perspektiven In Europa wurde die Rolle von Verlagen, Autor*innen und anderen Akteur*innen in der Schulbuchproduktion erst in den 1970er-Jahren von der Forschung gründlicher untersucht, während dies in den USA bereits seit den 1930er-Jahren üblich war (vgl. Fuchs/ Henne 2018, 41). In der deutschsprachigen Schulbuchforschung wurden in den 1980er-Jahren die Gestaltung und die Eignung von Schulbüchern zu einem weiteren Forschungsthema. Neben der Angemessenheit des Textes wurden auch andere Gestaltungselemente wie Bilder, Grafiken und Tabellen sowie Gesamtkonzepte der Schulbuchgestaltung erforscht (vgl. ebd., 39). In aktuelleren Publikationen wird der Fokus u. a. auf gegenwärtige Forschungs- und Produktionsbedingungen (vgl. dazu u. a. Bläsi 2018), politische und wirtschaftliche Gegebenheiten (vgl. dazu u.-a. Höhne 2018) sowie auf die Rolle der Schulbuchautor*innen (vgl. dazu u. a. Otto 2018) gelegt. Hingegen werden die Geschichte der Schulbuchverlage, ihre Produktionsmechanismen, ihre sozialen und öffentlichen Auswirkungen sowie die Autor*innen und ihre Interaktion mit Bildungseinrichtungen und -praktiken weiterhin als Forschungsdesiderate beschrieben (vgl. Fuchs/ Henne 2018, 41). In der fremdsprachendidaktischen Lehrwerkforschung entstehen Mitte der 1990er-Jahre erste Veröffentlichungen, die sich auf Aspekte der Lehrwerkentwicklung beziehen, was u. a. 2.3 Fremdsprachendidaktische Lehrwerkforschung 69 <?page no="70"?> damit begründet wird, dass sich der „kreative Prozess der Ausarbeitung eines Planungs‐ schemas einer systematischen Beschreibung“ entziehe (vgl. Neuner 1994b, 230). Nieweler (2005, 124) führt zwei Gründe für den damaligen Mangel an Erkenntnissen zu dieser Lehr‐ werkforschungsdimension an: Zum ersten handelt es sich bei den Lehrwerkanalysierenden aus dem Hochschulkontext nicht um die Lehrwerkverfassenden aus der Schulpraxis und zum zweiten ist eine wirtschaftliche Konkurrenzsituation zwischen den Lehrwerkverlagen vorherrschend, die die Preisgabe von Informationen zurückhält. Quetz (1999b, 23) schildert in diesem Zusammenhang, dass die Entwicklung eines neuen Lehrwerks häufig nicht den Forderungen des wissenschaftlichen Diskurses, sondern vielmehr aus der Redaktion von Lehrwerkverlagen (ent-)stamme und somit wirtschaftliche Hintergründe aufweise. Des Weiteren gibt Quetz (ebd.) als einer der ersten Lehrwerkautor*innen einen Einblick in Erfahrungen und Zwänge, unter denen diese „leiden“. Als Konfliktherde führt er u. a. die Verlagspolitik und ökonomische Zwänge sowie Zeitdruck und Entscheidungen konzeptioneller und inhaltlicher Art an (vgl. Brill 2005, 61). Dabei ist offensichtlich, dass die Lehrwerkproduktion von zahlreichen Spannungen beeinflusst wird (vgl. Sammler 2018, 13 f.) und dass „das Bedingungskonglomerat aus fachdidaktischen, ökonomischen und administrativen Bedürfnissen“ (Thaler 2011, 27) äußerst komplex und teils nicht miteinander vereinbar erscheint, um auf sämtliche Forderungen einzugehen zu können (vgl. Beyer 2018, 357). Trotz der Komplexität und teils auch Unvereinbarkeit der unterschiedlichen Interessen werten Franke und Plötner (2022, 8) die Beteiligung einer Vielzahl an Akteur*innen aus Theorie und Praxis (u. a. Verlagswesen, Universität, Bildungsverwaltung, Schulpraxis) vor dem Hintergrund einer stärkeren Verzahnung von Theorie und Praxis in der Lehrwerkent‐ wicklung positiv. Dies führe dazu, dass Lehrwerke stets weiterentwickelt werden und im Laufe der Zeit veränderte Erwartungen an diese herangetragen werden, die u. a. aus der Kommerzialisierung des Lehrwerks, der „Popularisierung des Kompetenzbegriffs“ und der Einbindung von Bildungskonzepten - z. B. der Differenzierung oder Mehrsprachigkeit - resultieren (vgl. ebd.). Blickt man vom heutigen Standpunkt der Lehrwerkentwicklung zurück auf die oben beschriebenen Anfänge, so ist festzustellen, dass Lehrwerke vor dem Hintergrund gesell‐ schaftlicher und politischer Themen der jeweiligen Zeit, der Ideologie, der Grundüberzeu‐ gungen und Werte einer Gesellschaft sowie der vorherrschenden Spracherwerbskonzepte und fremdsprachendidaktischen Methoden entstehen und als eine Art Spiegel der jewei‐ ligen Zeit verstanden werden (vgl. Fäcke 2016, 34, 39; Franke/ Plötner 2022, 8; Nieweler 2017, 206). Neuner (1994a, 14) beschreibt Lehrwerke demnach auch als „Kinder ihrer Zeit“. Daher werden im Folgenden Erkenntnisse zur Weiterentwicklung von (Spanisch-)Lehr‐ werken, den damit verbundenen Fortschritt, aber auch Problematiken sowie gegenwärtige und zukünftige Entwicklungstrends, die Einfluss auf die Lehrwerkerstellung nehmen, skizziert und diskutiert. Aufgrund der erschwerten Entwicklungsbedingungen und -mög‐ lichkeiten des Unterrichtsfachs Spanisch sowie als wissenschaftliche Disziplin (vgl. Kap. 2.2) wird auf Erkenntnisse anderer fremdsprachendidaktischer Diskurse zurückgegriffen, die in ihrer Bedeutung und Aussagekraft für den vorliegenden Untersuchungsgegenstand eingeordnet werden. 70 2 Theoretischer Teil: Grundlagen und Bezugsrahmen <?page no="71"?> 43 Erdmenger verweist bereits 1997 in seinen Ausführungen zu Fundamentum und Additum auf die notwendige Berücksichtigung von Unterschieden in Leistungen, Lerntempi, Interessen etc. in Lehrwerken (vgl. ebd., 91). In seinem Beitrag zum „Lehrwerk der Zukunft“ beschreibt Thaler (2011) verschiedene Entwicklungstrends, mittels derer aktuelle Lehrwerke für den Fremdsprachenunterricht charakterisiert werden können. Der erste bezieht sich auf die Expansion, die „zahlenmäßige Ausdehnung des Lehrwerks“ (ebd., 21). Doff und Klippel (2007, 143) sprechen in diesem Kontext auch von einer „Materialschwemme“. Die Fülle an Materialien führe laut Richards (2014, 34) zu einer Überforderung der Lehrkräfte sowie zu Unübersichtlichkeit und Abarbei‐ tungsdruck: „Teachers are sometimes overwhelmed with the large range […]“. Nach Franke und Plötner (2022, 7) existieren mittlerweile 30 bis 40 Lehrwerkbestandteile pro Lehrwerk, was in den didaktisch-methodischen Herausforderungen, die an die Lehrwerkentwicklung herangetragen werden, begründet liege. Thaler (2011, 21) verweist zudem darauf, dass mit einer solchen quantitativen Erweiterung auch mehr Lehr- und Lernbedürfnisse abgedeckt werden könnten. Ein weiterer Entwicklungstrend, mit dem sich die (aktuelle) Lehrwerkentwicklung stärker denn je konfrontiert sieht, ist die Differenzierung 43 (vgl. ebd.). Auf struktureller Ebene lassen sich hier bspw. das binnendifferenzierende Angebot des Lehrbuchs sowie spezifisch differenzierend angelegte Lehrwerkbestandteile durch u. a. „Modularisierung, Trennung in obligatorische und fakultative Teile oder Abstufung in leichtere und schwie‐ rigere Aufgaben“ (ebd.) nennen (z. B. im Lehrwerk ¡Apúntate! ). Darüber hinaus enthalten die meisten Spanischlehrwerke Begleitmaterialien zur Selbsteinschätzung, Förderung lang‐ samer Lernender (Förderheft, zusätzliche Hilfsangebote im Lehrbuch), Berücksichtigung unterschiedlicher Vorkenntnisse oder die individuelle Vorbereitung auf Klassenarbeiten (Prüfungstraining) (vgl. ebd.). Neben dem Angebot alternativer Texte, Aufgaben und Übungen, „die je nach Leistungsstand der Lernenden individuell als alternative Option angeboten werden“ (Fäcke 2016, 37) (z. B. als Plateauphasen oder in Form von binnen‐ differenzierenden Angeboten nach Leistungsund/ oder Interessendifferenzierung), weist Fäcke (ebd.) zusätzlich zur Berücksichtigung der Heterogenität auch die sprachlich-kulturelle Diversität von Lerngruppen aus, die für die Lehrwerkentwicklung von zentraler Bedeutung sei. Als Beispiele für die Realisierung führt sie (ebd., 40) das Lehrwerk Descubramos el español - Spanisch interlingual (Holzinger et al. 2012) an, das explizite „Überlegungen zu romanischer Interkomprehension und Mehrsprachigkeit“ (Fäcke 2016, 40) anstellt, indem kontinuierlich angelegte Sprachvergleiche und Bezüge zu anderen romanischen Sprachen hergestellt werden. Nach diesem Schema verfährt auch die Spanischgrammatik Gramática de la lengua española (Dorn et al. 2012), die „konstitutiv Hinweise auf Parallelen zu anderen romanischen Sprachen sowie zum Englischen“ (Fäcke 2016, 40 f.) enthält. Für den Spanischunterricht sind ferner mehrsprachige Aufgabenplattformen (Leitzke-Ungerer 2012) entwickelt worden, die mehrsprachiges und sprachenvernetzendes Lernen in der Sprachenfolge Spanisch nach Englisch ab Klasse 5/ 6 ermöglichen. Diese sind in Anlehnung an Inhalt und Form gängiger Spanisch- und Englischlehrwerke entwickelt worden und können in verschiedenen unterrichtlichen Kontexten - u. a. Projektarbeit, Tandem-Tea‐ ching - eingesetzt werden. 2.3 Fremdsprachendidaktische Lehrwerkforschung 71 <?page no="72"?> Im Rahmen der Multimedialisierung lässt sich eine Vielzahl auditiver, visueller, audio‐ visueller und interaktiver Elemente des Lehrwerks beschreiben (z. B. Hördateien zur Integration von zielsprachlichen Sprecher*innen in den Unterricht, DVDs mit authenti‐ schen Filmaufnahmen, Lernsoftware). Das digitale Material für Lehrkräfte vereint mit dem E-Book als digitale Version des Print-Lehrbuchs verschiedene Lehrwerkbestandteile miteinander bzw. ist durch diese angereichert. So finden sich bspw. in der digitalen Version des Lehrbuchs integrierte Audio- und Videodateien, Kopiervorlagen und weitere Zusatzma‐ terialien im PDF-Format, Vorschläge zur mündlichen und schriftlichen Leistungsmessung und Handreichungen für die Lehrkräfte (vgl. dazu auch Thaler 2011, 21 f.). Mittlerweile enthalten alle neuen Versionen von Spanischlehrwerken internetbasiertes Lernmaterial (z. B. authentischeres Material zur Bearbeitung von Aufgaben im Lehrwerk ¡Arriba! ). Ein weiterer Trend, dem sich die (aktuelle) Lehrwerkentwicklung gegenübergestellt sieht, ist die Entwicklung neuer Lehrwerkkomponenten und die Verfeinerung bestehender Materialien, wodurch die Arbeit der Lehrkraft erleichtert und verbessert werden soll (Arbeitsökonomisierung). Als Beispiel lässt sich die Handreichung für Lehrkräfte anführen, die u. a. methodische Vorschläge und Differenzierungsmöglichkeiten beinhaltet, Lernstra‐ tegien präsentiert sowie Anregungen für abweichende Ideen des Lehrwerks bietet (vgl. Thaler 2011, 22). Darüber hinaus finden bspw. neuere Entwicklungen wie der Wechsel von der Inputzur Output-Orientierung, technologische Neuerungen oder auch konstruktivistische Ansätze Eingang in Lehrwerke, was mit dem Entwicklungstrend der Innovation betont wird. Die Integration von innovativen Elementen zeige sich laut Thaler (ebd., 22 f.) in der Initiierung von handlungsorientiertem Lernen, im Angebot von offenen Techniken zur Förderung der Sprachlernkompetenz und in einem Pool kreativer Aufgabenformate (vgl. ebd.; z. B. im Lehrwerk ¡Arriba! ). Ein weiterer Entwicklungstrend wird mit der Regionalisierung von Lehrwerken be‐ schrieben, der eine „regionale Ausdifferenzierung der Lehrwerke“ (Thaler 2011, 24) nach sich zieht bzw. nach sich ziehen soll. Positiv hervorgehoben wird im Forschungsdiskurs an regionale(re)n Lehrwerken u. a., dass sie adressatenspezifisch sind, die Unterrichtsbedin‐ gungen, -ziele, -inhalte und -methoden sowie Lerntraditionen in den einzelnen Ländern berücksichtigen. Überdies orientieren sie sich an den bildungspolitischen und gesellschaft‐ lichen Rahmenbedingungen der jeweiligen Länder und gehen auf Interferenzen im mor‐ phologischen, syntaktischen und semantischen Bereich der Ziel- und Ausgangssprache ein (vgl. Breitung/ Lattaro 2001, 1043; Mishan 2021, 495, 501). Für den Bereich des Spanischen als zweite Fremdsprache werden im Schulkontext überwiegend Bundesausgaben von Spani‐ schlehrwerken (z. B. ¡Arriba! , ¡Apúntate! ) eingesetzt, die in Deutschland entwickelt wurden, an die vorliegende Situation in den meisten Bundesländern angepasst sind und die landes‐ spezifischen Themen sowie Prüfungsformate abdecken. Auch in der Erwachsenenbildung gibt es einige regionale Lehrwerke, die in Deutschland für deutsche Spanischlernende konzipiert wurden und bspw. in Volkshochschulkursen eingesetzt werden (z. B. Con gusto, Impresiones). Zudem existieren zahlreiche global-ausgerichtete Spanischlehrwerke, die überwiegend von Verlagen mit Sitz in Spanien (z. B. difusión in Barcelona, Edelsa in Madrid, SGEL in 72 2 Theoretischer Teil: Grundlagen und Bezugsrahmen <?page no="73"?> Barcelona/ Madrid, Edinumen in Madrid) produziert und oftmals in Ländern ohne eigene Tradition und Infrastruktur der Lehrwerkentwicklung eingesetzt werden (vgl. dazu auch Breitung/ Lattaro 2001, 1043). Hierzu zählen u. a. die Lehrwerke Aula Internacional und Nos vemos hoy. Aula Internacional gilt gemäß den Verlagsangaben als das meistverwendete Lehrwerk weltweit. Des Weiteren werden vom difusión-Verlag auch spezifischere Spanischlehrwerke konzi‐ piert, die sich bspw. explizit an Lernende in den USA und/ oder Latein- und Südamerika richten. Genannt seien an dieser Stelle die Lehrwerke Aula América und Aula Latina. Weitere Entwicklungen werden bspw. in der Ausweitung der internationalen Ausgabe des genannten Lehrwerks sichtbar, das mittlerweile in einer gesonderten Version für englischsprachige Lernende auf aller Welt vorliegt. Einzelne Verlage befinden sich darüber hinaus z. B. in Chile und Kolumbien. Hierbei handelt es sich zumeist um Universitätsverlage (u. a. das Lehrwerk Punto c/ ele des Verlags ediciones uc und Enlace des Externado-Verlags). Eine Ausnahme stellt die Spanischlehrwerkproduktion in China dar. Hier wurde ein von Chines*innen entwickeltes Lehrbuch für die Erwachsenenbildung herausgegeben, das an die Landesspezifik und Kultur angepasste Inhalte sowie einen sprachbezogenen Vergleich zwischen Chinesisch und Spanisch beinhaltet (español moderno, FLTRP-Verlag). Einen weiteren Ansatz zur Steigerung des Grades an regionaler Ausrichtung in Lehr‐ werken lotet Mishan (2021, 501) unter Integration digitaler Möglichkeiten in der Lehrwerk‐ entwicklung aus: Global-ausgerichtete Lehrwerke könnten durch webbasierte regionale Versionen der Lehrwerke angereichert werden, auf die je nach Spezifik des Lehr- und Lernkontextes zurückgegriffen werden kann und die je nach Inhalt angepasste Versionen und Sprachvergleiche anbieten. Problembereiche der Lehrwerkentwicklung Ungeachtet des erreichten Fortschritts, den die Lehrwerkentwicklung bisher verzeichnen konnte, ist sie nach wie vor von einigen Problematiken gekennzeichnet, die auch maßgeb‐ lich Gegenstand der Kritik an Lehrwerken sind (vgl. Kap. 2.1.4). Fäcke und Mehlmauer-Lar‐ cher (2017, 8 ff.) weisen dazu „Problembereiche der Lehrwerkentwicklung“ aus, die sie als zentral erachten und die die Lehrwerkentwicklung weiterhin begleiten werden. Der Grad der Authentizität der eingesetzten Texte und Aufgaben sowie die Forderung nach dem Einsatz authentischer Texte anstatt solchen, die adaptiert oder rein für pädagogi‐ sche Zwecke verfasst wurden, stellt einen der nahezu rituell begründeten Problembereiche von Lehrwerken und ihrer Entwicklung dar (vgl. Fäcke/ Mehlmauer-Larcher 2017, 8). Eine andere Problematik wird in der Monotonie der zugrunde liegenden sprachdidakti‐ schen Ansätze im Lehrwerk gesehen, die „einen wesentlichen und grundlegenden Einfluss auf das Design und die mögliche Rezeption von Lehrmaterialien haben“ (ebd., 9). Dement‐ sprechend fordern Fäcke und Mehlmauer-Larcher (2017) verstärkt die Implementierung experimenteller Ansätze (vgl. ebd., 10). Der schnelle Verlust der Aktualität des Lehrwerks stellt nach Matthes und Neumann (2017, 33) einen weiteren Problembereich der Lehrwerkentwicklung dar. Dieser ergibt sich zwangsläufig aus lang andauernden Entwicklungs- und Produktionsprozessen, was dazu führt, dass Themen, die in der Entwicklungsphase noch aktuell waren, dies bis zur Nutzung des Materials nicht mehr sind. 2.3 Fremdsprachendidaktische Lehrwerkforschung 73 <?page no="74"?> 44 Abzugrenzen sind hiervon die fortschrittlicheren Entwicklungen der Implementierung von AR-Ele‐ menten in Englischlehrwerke. 45 Vgl. vertiefend dazu u.-a. Kurtz (2018a). 46 Vgl. vertiefend zu Funktion und Zweck hybrider Bildungsmedien Kurtz (2018a). Funk und Kuhn (2020, 238) führen hierzu jedoch an, dass sich die Darstellungsformen in Lehrwerken perspektivisch verändern werden, indem bspw. Bilder und Texte durch die Verlage schneller aktualisiert und Texte als Hypertexte mit zusätzlichen Informationen angereichert werden. Digitale Perspektiven für die Lehrwerkentwicklung Auf längere Sicht sollen zum Training digitaler Text-, Kooperations- und Kommunikati‐ onsformen im Fremdsprachenunterricht Lernszenarien konzipiert werden, die in authen‐ tischen Handlungskontexten Sprache und Medien zusammenführen, z. B., indem WhatsApp genutzt wird, um aufgabenorientiert kommunikative Ziele zu erreichen und einen Bezug zur Alltagswelt der Lernenden herzustellen. Derartige Szenarien machen dann jedoch nicht nur Lernplattformen erforderlich, sondern auch Lernumgebungen, die Lehr- und Lernmaterialangebote und Medien integrieren sowie digitale Lösungen für Interaktion, Personalisierung und Individualisierung des Lernens bieten (vgl. Funk/ Kuhn 2020, 239 f.). Funk und Kuhn (ebd., 240) erarbeiteten im Hinblick auf die Entwicklung vom Lehrwerk zur Lernumgebung ein Kontinuum, das wie folgt dargestellt werden kann: Lehrwerk Print-Lehrwerk, Audios, Zusatzmaterialien in Print Lehrwerkverbund Print-Lehrwerk, Audios, Videos, Online-Übungen, interaktive Unter‐ richtsplanung etc. Lernplattform Digitales Lehrwerk, E-Book, digitale Zusatzmaterialien, interaktive Übungen, interaktive Unterrichtsplanung Lernumgebung Digitales Lehrwerk, interaktive Übungen, digitaler Unterrichtsassistent, authentische Informations-, Kommunikations- und Kooperationswerk‐ zeuge Tabelle 10: Entwicklungskontinuum vom Lehrwerk zur Lernumgebung (nach Funk/ Kuhn 2020, 240) Ein weiterer zukünftiger Trend bei der Entwicklung von Spanischlehrwerken 44 beschäftigt sich mit der Implementierung von Augmented-Reality(AR)-Elementen in Lehrwerke. 45 Insgesamt werden vier Forschungstrends im Bereich des AR-unterstützten Fremdsprachen‐ lehrens und -lernens identifiziert (vgl. Kurtz 2018a, 52 f.), von denen der zuletzt genannte für die Lehrwerkentwicklung von Relevanz ist: • AR for digitally enhanced, place-based language learning; • AR for game-based language learning/ the gamification of learning; • AR for inter-/ transcultural education and learning; • AR for designing hybrid (print, digital) learning environments. In Verbindung mit einem gedruckten Lehrbuch und weiteren Komponenten können AR-gestützte Verfahren eine Vielzahl von Funktionen und Zwecke erfüllen 46 , bspw. 74 2 Theoretischer Teil: Grundlagen und Bezugsrahmen <?page no="75"?> 47 Vgl. vertiefend zur Rolle hybrider Bildungsmedien im Kontext von Differenzierung Kurtz (2018a). • als Lernhilfe zum besseren Verständnis von Aufgaben und Anweisungen auf der gedruckten Seite durch nahtlose digitale Unterstützung; • zur Bereicherung der gedruckten Lehrbuchseite durch überlagerte virtuelle Bilder (Videos, 3-D-Rundgänge); • zur Unterstützung der Lernenden beim Erkennen von lexiko-grammatischen Aspekten der Zielsprache mittels interaktiver Pop-ups mit Lerntipps oder in Form eines kommu‐ nikativen Austauschs im Klassenzimmerblog (vgl. ebd., 54). Auch in Verknüpfung mit dem Entwicklungstrend der Differenzierung kann AR eine zentrale und innovative Rolle spielen und in Verbindung mit dem Lehrbuch u. a. folgende Leistungen anbieten: • Erfassung der Interessen einzelner Lernender und Integration in das Lernen durch Bereitstellung einer flexiblen, multimodalen Benutzeroberfläche zur vielfältigen Dar‐ stellung von Sprache und Kultur (visuell, auditiv); • Angebot ergänzender Aufgaben und Tätigkeiten in Abstimmung auf den Einzelnen, z. B. im Bereich Textverständnis zur hervorgehobenen digitalen Darstellung von Textpassagen oder durch digitale Lesezeichen- und Notizenoption der Verständnisfragen im Buch 47 (vgl. ebd., 55 f.). Mit der Implementierung von AR-Elementen in die Lehrwerkarbeit wird der Versuch unternommen, „lehrbuchgesteuertes Stift- und Papierlernen“ mit digitalem Lernen in all seinen verschiedenen Formen zu kombinieren, das Lehrbuch in seiner analogen Form aber nicht zu ersetzen (vgl. ebd., 59). Weitere Perspektiven für die Lehrwerkentwicklung: Modularisierung, Individualisierung und Abweichungsmöglichkeiten vom Lehrwerk Mit Blick auf die zukünftige Entwicklung von Lehr-/ Lernmaterialien führt Fäcke (2016, 41) an, dass sich „das lineare Lehrwerk hin zu einem modulartigen Pool an gebündelten Unterrichtsmaterialien“ verändern müsse/ werde, der von den Lehrkräften individuell zu‐ sammengestellt, in der Auswahl didaktisch-methodisch begründet und für den spezifischen Lehr-/ Lernkontext adaptiert werden kann. Nur so könne das Material durch die Auseinan‐ dersetzung seitens der Endnutzer*innen „zum Leben erweckt“ werden: „A textbook does not teach itself […]. It is the teacher, in collaboration with the class, who brings the material to life […]“ (Prodromou 2002, 27). Vier Jahre nach der Forderung von Fäcke (2016, 41) wurde mit dem eCourse für das Französischlehrwerk Découvertes (Bernklau et al. 2020, Klett), das hier als „Vorreiter-Mo‐ dell“ für das Spanische dienen soll, ein digitales und lehrplankonformes Lehr-/ Lernmedium entwickelt. Dieses ermöglicht den Lehrkräften, Inhalte anzupassen bzw. umzustrukturieren (z. B. durch das Ausblenden oder Einfügen von (eigenen) Inhalten), auf verschiedene Audio- und Videodateien sowie interaktive Übungen zuzugreifen und andere Lehrwerk‐ bestandteile bei Bedarf mit dem eCourse zu kombinieren. Hinzu kommt, dass die von den Lehrpersonen vorbereitete Sitzung mit den Lernenden geteilt werden kann (z. B. auf 2.3 Fremdsprachendidaktische Lehrwerkforschung 75 <?page no="76"?> Schulplattformen) und diesen bei der Bearbeitung die Möglichkeit gegeben wird, eine au‐ tomatische Rückmeldung sowie weitere Hinweise und Erklärungen zum jeweiligen Thema zu erhalten. Mit dem eCourse soll den Unterrichtenden ein Abweichen vom Lehrwerk und das Einbinden von eigenen Ideen und Ansätzen ermöglicht werden, die sich auf einfachere Weise implementieren lassen, als dies mit den bisherigen Lehrwerkbestandteilen als „vorgefertigte“ Konstrukte möglich war. Nichtsdestotrotz bietet der eCourse ein didaktisch-methodisches Konzept mit einer gewissen Strukturierung und Abfolge von Texten, Aufgaben und Übungen an, mit dem die Professionalität des Materials gewährleistet werden soll, an dem sich Lehrkräfte orientieren, aber auch leichter davon lösen können. - 2.3.2.3 Empirische Lehrwerkforschung im engeren Sinn: Meinungen, Erwartungen und Nutzungsverhalten von Lehrenden und Lernenden Da eine lehrwerkanalytische und -entwicklungsbezogene Fokussierung die direkte Inter‐ aktion der Lehrenden und Lernenden mit dem Material weitgehend außer Acht lässt, stellt die Hinwendung zu den Nutzenden des Materials einen entscheidenden Schritt in der wissenschaftlichen Beschäftigung mit Lehr-/ Lernmaterialien dar. Dabei ist das Ziel, die der Lehrwerkforschung zugehörigen Dimensionen zu verbinden, die Einflussfaktoren von Lehrwerken aufzuschlüsseln und damit umfassendere theoriesowie empiriebasierte Erkenntnisse zu generieren (vgl. Kap. 2.1.3; Kojanitz 2019). Die historische Entwicklung dieser Dimension der Lehrwerkforschung zeigt, dass sich seit Mitte der 1980er-Jahre ein sozialwissenschaftlich orientierter Zweig herausgebildet hat, wodurch Ansätze zur Erforschung der Rezeption und Wirkung von Lehrbüchern im Unterricht zunehmend an Bedeutung gewinnen (vgl. Fuchs/ Henne 2018, 35). Allerdings wird dabei ebenfalls deutlich, dass sich die überwiegende Mehrheit der Arbeiten aus theoriegeleiteten Textanalysen und dokumentbasierten Studien zusammensetzt, die sich vorrangig auf den Inhalt konzentrieren (vgl. Hansen 2018, 376; Würffel 2021, 294; Ausfüh‐ rungen in diesem Kapitel). Die Ergebnisse, die bisher im Bereich der empirischen Lehrwerkforschung im engeren Sinne vorliegen, liefern zumeist Einblicke in die Auswahlprozesse und -entscheidungen hinsichtlich des Materials sowie den Einstellungen hierzu und geben einen Überblick über die Verbreitung und Häufigkeit der Verwendung von Lehrwerken bzw. Schulbüchern (vgl. Hansen 2018, 373). Hansen (ebd.) klassifiziert die vorliegenden Erkenntnisse (für nicht-fremdsprachliche Fächer) einerseits in quantitative Studien, die einen (repräsenta‐ tiven) Überblick über die Nutzungsmuster geben, und andererseits in qualitativ-orientierte Untersuchungen, die i. d. R. mittels semistrukturierter Interviewformen Einsicht in die psychologische und soziokulturelle Dynamik geben, die diese Nutzung reguliert (vgl. ebd.). Dennoch wird nach wie vor für den Umgang mit Lehrwerken von Lehrenden und Lernenden ein Forschungsdefizit ausgewiesen. Dies gilt sowohl für die (inter-)nationale Lehrbuchforschung in nicht-fremdsprachlichen Fächern als auch für die fremdsprachen‐ didaktische Lehrwerkforschung sowie Disziplinen der empirischen Psychologie und der Pädagogik (vgl. dazu u. a. Fäcke/ Mehlmauer-Larcher 2017; Fuchs/ Henne 2018, 35, 39; Hansen 2018, 376; Krumm 1999, 126; Kurtz 2020, 198; Marcos Miguel 2015, 310). 76 2 Theoretischer Teil: Grundlagen und Bezugsrahmen <?page no="77"?> Im Folgenden werden bisher vorliegende Ergebnisse erläutert, die vorwiegend dem (schul-)fremdsprachlichen Deutsch- oder Englisch- und teils Französischunterricht ent‐ stammen und somit zumindest in Ansätzen auch für die Erforschung des lehrwerkbasierten Fremdsprachenunterrichts Spanisch an weiterführenden Schulen in Deutschland von Re‐ levanz sein können. Vorrangig werden daher aufgrund eines ähnlichen bildungspolitischen Kontextes Studien diskutiert, die in Deutschland durchgeführt worden sind. Sofern es sich der Ergründung des Untersuchungsgegenstands als dienlich erweist, wird die nationale Perspektive auf den Forschungsstand durch internationale Studien erweitert, bei denen jedoch der jeweilige landes- und schul(form-)spezifische sowie -politische Kontext der Untersuchungen berücksichtigt werden muss. Die nachfolgend erläuterten Studien zur Verwendung von Lehrbüchern und -werken wurden u. a. in Deutschland, Tschechien, den USA sowie in asiatischen, lateinamerikanischen und afrikanischen Ländern durchgeführt. Darüber hinaus beleuchten sie den Grundschul-, Sekundarstufensowie Universitätskon‐ text, woraus sich unterschiedliche Rollenzuschreibungen und Funktionen des Lehrbuchs bzw. -werks ergeben. Meinungen zu und Erwartungen an Lehrwerke/ n aus der Sicht von Lehrenden Im (fremdsprachendidaktischen) Forschungsdiskurs finden sich verschiedene Klassifizie‐ rungsmuster von Meinungen zum Lehrwerk. Zum einen gehen u. a. Velásquez Aponte und Alberto López (2015, 9) davon aus, dass Lehrende gegenüber dem Lehrwerk eine positive oder negative Haltung einnehmen können, indem es entweder als notwendige Unterstützung im Lehr- und Lernprozess akzeptiert oder aufgrund der Ansicht, dass es nicht lernförderlich sei, abgelehnt wird: Algunos docentes consideran que el texto escolar es un apoyo necesario y acuden cotidianamente a él. Otros piensan que es más un objeto que obstaculiza el aprendizaje, dado que no permite contextualizar de manera pertinente los planes de estudio institucionales ni los ritmos personales de comprensión. (ebd.) In der Interviewstudie von Müller-Bittner (2008, 275) zur Rezeption und Verwendung von geografischen Lehr- und Lernmaterialien (u. a. Lehrbücher) im bilingualen Sachfach‐ unterricht Französisch wird eine Einteilung in positive und negative Einstellungen zum Lehrwerk zwar im Allgemeinen als sinnvoll erachtet, jedoch wird für eine Auflösung der Extrema bzw. für ein drittes Einstellungsmuster plädiert, das sowohl positive als auch negative Meinungen in sich vereint. Im Zuge der Datenauswertung ermittelt Müller-Bittner (ebd., 273 ff.) drei Lehrer*innentypen bezogen auf deren Materialzufriedenheit im bilin‐ gualen Erdkundeunterricht. Diese gliedert sie wie folgt und schreibt ihnen folgende Charakteristika zu: • „Der Zufriedene“: positiver Subjekt-Objekt-Bezug zwischen der jeweiligen Lehrkraft und dem Materialangebot (u.-a. großer Materialfundus) (vgl. ebd., 273 f.); • „Zufriedenheitsambivalenz“: gleichzeitige zustimmende und ablehnende Bewertung des Materials, eingeschränkte Zufriedenheit, das Material als „Chance und Problem“ (vgl. ebd., 275); • „Der Unzufriedene“: negativer Subjekt-Objekt-Bezug (vgl. ebd., 276). 2.3 Fremdsprachendidaktische Lehrwerkforschung 77 <?page no="78"?> Eine positive und/ oder negative Einstellung zum Lehrwerk ist eng an die Einschätzung der jeweils vom Lehrwerk (nicht) erfüllten Funktionen geknüpft, die den Grundstein für eine tendenziell positive oder negative Wertung legt. Dies zeigt sich auch in den Ergebnissen der von Müller-Bittner (2008) durchgeführten Studie: Eine positive Einstellung wird von den Lehrenden u. a. mit der Struktur- und Orientierungsfunktion für Lehrende und Lernende, der einfachen Verfügbarkeit des Materials sowie den darin enthaltenen didaktisch-metho‐ disch bereits aufbereiteten Angeboten begründet (vgl. ebd., 169 ff.). Negative Aspekte, die zu einer Zufriedenheitsambivalenz bzw. zur Unzufriedenheit mit dem Lehrwerk führen können, sind bspw. das schnelle Veralten und die fehlende Aktualität sowie der mangelnde Adressat*innenbezug (vgl. ebd., 171 f., 277). Dennoch stellt Müller-Bittner (ebd., 172) grundsätzlich eine „buchfreundliche Grundeinstellung“ bei den Lehrenden fest (vgl. dazu auch Bolster 2015, 19), die sich in ähnlicher Form auch in den Ergebnissen der Studie von Bohnensteffen (2011) wiederfindet, die im Folgenden erläutert werden. Bohnensteffen (2011) untersucht im Rahmen einer schriftlichen Befragungsstudie die Einstellungen zu und Erwartungen an Englischlehrwerke vonseiten der Lehrkräfte. Die Ergebnisse zeigen, dass 95 % der 20 befragten Englischlehrkräfte den Einsatz des Lehrbuchs und workbook als zwingend notwendig erachten. Zwar geben nur 25 % der Lehrkräfte an, dass sie mit dem Lehrwerk (sehr) zufrieden sind, jedoch äußert niemand vollstän‐ dige Unzufriedenheit (vgl. ebd., 126 f.). Gründe für die Zufriedenheit der Lehrkräfte mit dem Lehrwerk basieren u. a. auf der abwechslungsreichen Gestaltung, dem vielseitigen Übungsmaterial sowie der angemessenen Berücksichtigung aller Kompetenzen. Dennoch kritisieren insgesamt 70 % der Englischlehrkräfte ihr Lehrwerk und bewerten es als weniger zufriedenstellend, was u. a. mit einem fehlenden roten Faden, unübersichtlichen Aufbau, nicht ausreichend vorhandenem Übungsmaterial, der Kürze der Texte sowie im Unterricht nicht realisierbaren didaktischen Ansätzen begründet wird (vgl. ebd., 127 f.). Die Teilnehmenden erachten die Bereiche der didaktischen Aufbereitung der Lehrwerke, der Grammatikdarstellung, des Differenzierungs- und Übungsangebots und des Begleitmaterials als verbesserungswürdig. Insgesamt 50 % legen dar, dass sich zwar „neue(re) (fach-)di‐ daktische und schulpolitische Konzeptionen“ (ebd., 128) (z. B. selbstständiges Lernen, Kompetenz- und Handlungsorientierung, Differenzierung) in den von ihnen verwendeten Lehrwerken finden, sie diese jedoch nicht konkret im Lehrwerk aufzeigen könnten. Fast die Hälfte der Befragten (45 %) negiert sogar, dass o. g. Ansätze in Lehrwerken vorzufinden sind (vgl. ebd., 128). Insbesondere diese Feststellung von Bohnensteffen (2011) zeigt, dass eine Beurteilung von Lehrwerken nicht ausschließlich auf einer materialbezogenen Ebene realisiert werden kann. Stets ist die Lehrkraft als Endnutzerin des Lehrwerks mit ihren Kenntnissen, Meinungen und Nutzungsmustern, die in eine Interaktion mit dem Material tritt, in den Gesamtkontext einzubeziehen. Denn sie ist letztlich die Person, die zu großen Teilen die Verantwortung für einen sachgemäßen Umgang mit dem Lehrwerk trägt. Weiterhin erachten die von Bohnensteffen befragten Lehrpersonen den Einsatz der zur Verfügung stehenden Hörmaterialien als wichtig (im Unterschied zu den Schüler*innen), wobei sie teilweise Defizite der Materialien hervorheben, da „die Möglichkeit des Hörens fast nur in Zusammenhang mit der Einführung von Lesetexten angeboten“ (ebd., 126 f.) werde. Die Hälfte der Lehrkräfte sieht den Einsatz von DVDs/ Filmmaterial als notwendig an. Ebenfalls erachten sie Vokabeltrainer, OHP-Folien, Klassenarbeitstrainer sowie ergänzende 78 2 Theoretischer Teil: Grundlagen und Bezugsrahmen <?page no="79"?> Fördermaterialien als sinnvoll. Interessant ist in diesem Kontext die von den Schüler*innen vertretene Auffassung, dass diese Materialien jedoch weniger häufig zum Einsatz kämen. Hier zeigt sich die bereits erläuterte Diskrepanz zwischen der Sichtweise und der tatsäch‐ lichen (Häufigkeit der) Verwendung des Materials (vgl. dazu die Untersuchungsergebnisse in Kap. 4.2.2, 4.3.3). Digitale Komponenten wie bspw. die Unterrichtsmaterialien für das Whiteboard oder auch der digitale Unterrichtsplaner werden von 60 % der Lehrkräfte als überflüssig bewertet. 80 % der befragten Englischlehrkräfte erachten die von den Verlagen angebotenen Freiar‐ beitsmaterialien ebenfalls als nicht notwendig. Das Lehrer*innenhandbuch hingegen ist für einen Großteil wichtig (vgl. ebd., 127). Auch wenn die Mehrheit der von Bohnensteffen (2011) befragten Lehrkräfte mit den von ihnen verwendeten Lehrwerken eher nicht zufrieden ist, können sich 90 % der Engli‐ schlehrkräfte nicht vorstellen, ohne Lehrwerk zu unterrichten und als Ersatz ausschließlich lehrwerkunabhängige Materialien (z. B. Themendossiers, Kopiervorlagen) zu verwenden. Dies wird vorrangig unter pragmatischen Gesichtspunkten begründet, wie bspw. „durch eine zu hohe Arbeitsbelastung durch das Zusammenstellen und Kopieren der benötigten Materialien“ (ebd., 128; vgl. dazu auch Bolster 2015, 19). Darüber hinaus legen die Beteiligten dar, dass ohne ein Lehrwerk die Möglichkeit der Orientierung für Lernende verloren gehe (vgl. ebd., 128). Die Englischlehrkräfte geben zu verstehen, dass sie auf ein Lehrwerk dementsprechend nicht verzichten wollen würden, insb. aufgrund des „Fehlens eines tra‐ genden Konzepts der Sprachvermittlung“, wegen der „Beliebigkeit und Unübersichtlichkeit für Schülerinnen und Schüler“, der „Erschwerung selbstgesteuerten Lernens“ und der „Vergleichbarkeit von Leistungen der Lernenden“ (ebd., 128 f.). Nichtsdestotrotz merken sie an, offen für die Einbindung ergänzender sowie aktueller Materialien zu sein (z. B. Internetseiten, Nachrichten etc.) (vgl. ebd., 129). Bohnensteffen (ebd., 131) schlussfolgert aus den Ergebnissen, dass für die Englischlehr‐ kräfte vorrangig „Aspekte des Spaßmachens und der Motivation“ für die Beurteilung eines guten Lehrwerks von Bedeutung sind. Diese Feststellung gilt es kritisch zu beleuchten, da Lehrwerke „Motivationsförderung nicht als gegenstandsimmanentes Merkmal“ (Königs 2010, 166, zit. nach Bohnensteffen 2011, 131) innehaben, sondern vielmehr auf die kritische und kreative Auseinandersetzung mit dem Material und die daraus resultierende Aufberei‐ tung durch die Lehrkraft angewiesen sind. Die dargestellten Befunde verdeutlichen die Verschiedenheit und die Mehrdimensiona‐ lität der an ein Lehrwerk herangetragenen Einstellungen (und teils auch der Erwartungen), die sich u.-a. auch in den Ergebnissen der Untersuchungen von McGrath (2002, 8) zeigen. McGrath (ebd.) wählt zur Ergründung der Einstellungen der Lehrenden zu Lehrwerken einen anderen Ansatz. Er bedient sich der Metaphernforschung und lässt das Lehrwerk von den Lehrenden einzelnen Metaphern zuordnen. Auch hier zeigen sich Parallelen zu den Klassifizierungsmustern nach Müller-Bittner (2008) sowie Velásquez Aponte und Alberto López (2015). Lehrwerke werden von den Lehrkräften oftmals als „Supermarkt“, „Sprung‐ brett“ oder „Zwangsjacke“ bezeichnet (vgl. McGrath 2002, 8). Mit den Zuordnungen gehen unterschiedliche Perspektivierungen einher. Einige der befragten Lehrpersonen fühlen sich durch das Lehrwerk eingeengt und in ihrer Autonomie beschränkt. Andere hingegen heben den Angebotscharakter des Lehrwerks, durch den die Auswahl von Materialien erleichtert 2.3 Fremdsprachendidaktische Lehrwerkforschung 79 <?page no="80"?> 48 Vgl. weiterführend zu Erwartungen von Lehrkräften an Lehrwerke u. a. Jazadi (2003), Chandran (2003), Litz (2005), Fredriksson/ Olsson (2006) und Velásquez Aponte/ Alberto López (2015). werde, aber auch die Notwendigkeit der Nutzung von materialbezogenen Freiheiten hervor, was wiederum Auswirkungen auf das Verständnis vom und die Zufriedenheit mit dem Lehrwerk hat. Um den Fokus neben Einstellungsmustern konkreter auf die Erwartungen und Wünsche von Lehrkräften an Lehrwerke zu richten, können mittels der von Ezeiza Ramos (2009, 13 ff.) durchgeführten Befragungsstudie die Erkenntnisse von Bohnensteffen (2011) vertieft und konkretisiert werden, da Ezeiza Ramos (2009, 13 ff.) zwei unterschiedliche Perspektiven von Lehrwerkakteur*innen - die der Lehrenden und Forschenden - miteinander kombiniert. Er stellt in umfassender Weise 28 Erwartungen von Lehrkräften und Forschenden an Lehr‐ werke dar. In der nachfolgenden Auflistung der geäußerten Erwartungen zeigt sich nicht nur der Facettenreichtum der Aspekte, sondern gleichzeitig auch die hohen Anforderungen, die an ein Lehrwerk herangetragen werden. Diese kann das Lehrwerk aufgrund seines Charakters als Material letztlich nur im Dialog mit seinen Endnutzer*innen erfüllen: • Accesiblidad, Atractivo, Autenticidad, Autonomía; • Calidad de edición, Coherencia, Congruencia, Concienciación, Contextualización; • Disponibilidad, Diversidad; • Equilibrio; • Fondo afectivo, Funcionalidad; • Generatividad; • Innovación, Integración; • Maleabilidad, Modularidad, Motivación; • Organización, Orientación y asistencia; • Relevancia, Rigor; • Significatividad comunicativa, Socialización; • Temporalización, Transparencia. Weiterhin werden in den Untersuchungen von Law (1995), Sercu, Mendez Garcia und Castro Prieto (2004) sowie auch bei Xu (2004) Erwartungen an Lehrwerke vonseiten der Lehrkräfte ermittelt, die im Vergleich zu der Studie von Ezeiza Ramos (2009) zwar in einem kleineren Handlungsrahmen angesiedelt sind, jedoch zu ähnlichen Teilergebnissen gelangen. Die Forschenden kommen alle zu dem Ergebnis, dass Lehrpersonen v. a. von Lehrwerken erwarten, dass sich diese einfach und sinnvoll mit anderen Lehrwerkbestandteilen und/ oder unabhängigen Materialen verknüpfen lassen bzw. daran angepasst werden können. 48 Eine weitere Erwartung von Lehrer*innen an Lehrwerke setzt an einer anderen Stelle im Interaktionsprozess zwischen Lehrkraft und Material an. Law (1995) stellt fest, dass Lehrkräfte aktiv mit in den Auswahlprozess von Lehrwerken einbezogen werden wollen, was annähernd zwei Jahrzehnte später durch McGrath (2013, 115) bestätigt wird: „[…] teachers would like to be more fully involved in selection decisions, but to be provided with guidelines to support them in this“ (ebd., 117). Doch sowohl Tomlinson (2008, 7) als auch McGrath (2013, 113 ff.) ermitteln, dass die Beteiligung von Lehrenden bei der Auswahl von 80 2 Theoretischer Teil: Grundlagen und Bezugsrahmen <?page no="81"?> Lehrwerken eher gering ausfällt. Die von Tomlinson durchgeführte Umfrage in 12 Ländern zur Beteiligung von Lehrkräften bei der Auswahl von Lehrwerken ergibt, dass nur 15 % der Lehrwerke mitunter von Lehrpersonen ausgewählt werden. Meinungen zu und Erwartungen an Lehrwerke aus der Sicht von Lernenden Betrachtet man die beteiligten Akteur*innen in der Interaktion mit Lehrwerken, so nehmen neben der Lehrkraft die Lernenden eine zentrale Rolle mit Blick auf ihre Wahrnehmung von und Positionierung zu Materialien im vorrangig lehrwerkbasierten Fremdsprachenunter‐ richt ein. Die Schwerpunkte und Perspektivierungen in den Studien zu Meinungen und Erwartungen von Lerner*innen lassen sich grob in zwei Bereiche einteilen. Zum einen finden sich eher allgemein ausgerichtete (schriftliche) Befragungen (z. B. zur Struktur, Ge‐ staltung von Lehrwerken) und zum anderen einzelaspektfokussierende Analysen (z. B. zu sprachlichen Mitteln und Kulturvermittlung in Materialien) (vgl. dazu u. a. Ravelonanahary 2007, Sikorová 2011, Yakhontova 2001). Analog zu Einstellungsmustern von Lehrpersonen lässt sich auch in den Untersuchungen zur Perspektive der Lernenden das grundlegende Muster positiv/ negativ feststellen (vgl. dazu u. a. Hutchinson/ Torres 1994, Jolly/ Bolitho 2011, Litz 2005). Einerseits erachten Lernende das Lehrbuch/ -werk als nützlich und sinnvoll: Learners see the textbook as a 'framework' or 'guide' that helps them to organize their learning both inside and outside the classroom - during discussions in lessons, while doing activities and exercises, studying on their own, doing homework, and preparing for tests. It enables them to learn better, faster, clearer, easier, more. (Hutchinson/ Torres 1994, 318) […] three quarters of students regarded textbooks as very useful […]. (Sikorová 2011, 19) Damit im Einklang stehen auch die Ergebnisse der Studie von Ravelonanahary (2007, 171). Darin wird über den Zufriedenheitsgrad im Hinblick auf das Lehrbuch aus Sicht der Lernenden herausgearbeitet, dass diese das Lehrbuch als Schlüsselelement im Fremd‐ sprachenlernprozess ansehen. 80 % der Befragten beurteilen Lehrbücher als interessant und nützlich für den Lernprozess erachten. Andererseits bewerten Lernende das Lehrwerk allerdings auch als unnötig. Aus ihren Ausführungen kann abgeleitet werden, dass sie sich insb. von den Lehrkräften wünschen, dass diese flexibel mit dem Lehrbuch/ -werk umgehen und es durch weitere/ neue Materialien ergänzen, die für die Lernenden von Bedeutung sind: „[…] they want the teacher to breathe life into the book and they want some variety in the form of supplementary materials which have intrinsic interest and relevance“ (McGrath 2013, 189; Fritz 2020, 209). Die oben erläuterten Studien zeigen exemplarisch, dass Lerner*innen dazu in der Lage sind, ihre Meinung zu Lehrbüchern/ -werken und deren Inhalten sachgemäß kundzutun und diese auch zu bewerten. Daher wird im Forschungsdiskurs dafür plädiert, Lernende verstärkt in die Analyse von und den Erfahrungsaustausch zu Materialien einzubinden (vgl. dazu u.-a. McGrath 2013, 150-ff.; Harmer 2001, 303 zu student response). Zwischenfazit Meinungs- und Zufriedenheitsstudien zu Lehrwerken stellen eine bedeutsame Komponente der empirischen Lehrwerkforschung dar. Sie geben Aufschluss über die Wahrnehmung 2.3 Fremdsprachendidaktische Lehrwerkforschung 81 <?page no="82"?> 49 Aufgrund der Ausrichtung des vorliegenden Forschungsprojekts werden die Untersuchungen zur Verfügbarkeit von Lehrwerken/ -büchern nur ausschnitthaft dargestellt. von und Positionierung zu Lehrwerken, ihren Funktionen, Charakteristika und Problemen und stehen darüber hinaus im Zusammenhang mit der Rezeption und Verwendung von Lehrwerken (vgl. dazu u. a. Müller-Bittner 2008). Isoliert betrachtet lassen sie hingegen nur bedingt Rückschlüsse auf konkrete unterrichtsbezogene Praktiken mit dem Lehrwerk zu, was zur wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit dem zweiten Bereich der empirischen Lehrwerkforschung im engeren Sinne führt, der Lehrwerkrezeption und -verwendung durch Lehrende und Lernende. Lehrwerknutzung aus der Sicht und in der unterrichtlichen Praxis von Lehrenden Der Beginn fremdsprachendidaktischer Unternehmungen zur Generierung von (unter‐ richtsbezogenen) Erkenntnissen im Bereich der empirischen Lehrwerkverwendungsfor‐ schung lässt sich auf Mitte der 1970erbzw. Anfang der 1980er-Jahre datieren. Sowohl Quetz (1976, 20 ff.) als auch Niskanen (1987) stellen in ihren Untersuchungen zur Lehrbuchver‐ wendung im Englischunterricht fest, dass sich der unterrichtliche Verlauf hauptsächlich am Lehrbuch ausrichte und kaum eine flexible Handhabung des Lehrbuchs auszumachen sei. Quetz (1976, 20 ff.) ermittelt im Rahmen seiner Studie, dass 82 % der gesamten Unter‐ richtszeit im fremdsprachlichen Englischunterricht für Erwachsene durch das Lehrbuch bestimmt seien. In der Studie zur Häufigkeit der Lehrbuchverwendung von Sigurgeirsson (1992, 11) fällt der Anteil der durch das Lehrbuch bestimmten Unterrichtszeit im Englischunterricht noch höher aus und liegt bei fast 100 %. Im Zuge ihrer Ausführungen stellt sie auch die Frage nach „the real influence of textbooks“ (ebd.) und kommt dabei zu folgender Einschätzung, die den hohen Grad der Steuerung durch das Lehrbuch verdeutlicht: Although teachers differed considerably in the extent to which they relied on published curriculum materials, such materials provided the basis for learning in the majority of lessons observed, both in what was being taught and how. (ebd.) Mit den Ergebnissen der Studie von Zimmermann (1990, 52) zum Lehrwerkeinsatz im Fremdsprachenunterricht Deutsch (Erwachsenenbildung) können die genannten Erkennt‐ nisse zur Häufigkeit und zum Ausmaß der Unterrichtssteuerung durch Lehrwerke weit‐ gehend bestätigt werden: 84 % der Lehrkräfte verwenden das Lehrbuch zur Einführung neuer grammatischer Inhalte und 43 % die Handreichungen für Lehrkräfte. Im Vergleich zur Lehrbuchverwendung in nicht-fremdsprachlichen Unterricht zeigt die ethnographische Studie in 127 botswanischen Klassen der Primar- und Sekundarstufe I von Fuller und Snyder (1991), dass Lehrbücher signifikant häufiger im Fremdsprachenunterricht zum Einsatz kommen (vgl. Moulton 1997, 5). Ende der 1990er-Jahre erscheint eine umfangreiche Darstellung des Forschungsstands zur Lehrwerkverwendung in Entwicklungsländern und den USA von Moulton (1997). Daraus geht hervor, dass sich die meisten Studien in sog. Entwicklungsländern zur Lehrbuchforschung vorerst auf die Verfügbarkeit von Lehrbüchern und davon ausgehende Wirkungen auf den Lernerfolg von Schüler*innen konzentrier(t)en. 49 Exemplarisch lassen 82 2 Theoretischer Teil: Grundlagen und Bezugsrahmen <?page no="83"?> 50 Vgl. vertiefend dazu Moulton (1997). 51 Vgl. vertiefend dazu u.-a. Borries (2012). 52 Vgl. vertiefend dazu u.-a. Rezat (2009) und Sikorová (2011). 53 Vgl. vertiefend dazu u.-a. Sikorová (2011). 54 Die nachfolgende Darstellung der Forschungsergebnisse bezieht sich aufgrund der thematischen Ausrichtung des vorliegenden Projekts hauptsächlich auf den Englischunterricht. sich dazu u. a. Studien von Fuller und Clarke (1993) sowie Lockheed und Komenan (1989) anführen, die in unterschiedlichen Ländern Untersuchungen durchführten. Diese Studien stellen fest, dass in der Regel das Vorhandensein von Lehrbüchern positive Auswirkungen auf Ergebnisse in Leistungstests hat. 50 Auch im Rahmen aktueller Forschungsprojekte wird u.-a. das Verhältnis von Verfügbarkeit von Lehrbüchern und Lernerfolg der Schüler*innen thematisiert (vgl. dazu u. a. Coronado Padilla, Castañeda Tibaquirá & Tique Riaño 2015; Opoku-Amankwa 2010). Zentrale Studien zur Lehrwerkverwendung im fremdsprachlichen (Sekundarstufen-)Un‐ terricht, die auch für die vorliegende Untersuchung von besonderer Relevanz sind, werden ab den 2010er-Jahren durchgeführt. So untersucht bspw. Sikorová (2011) auf Basis der Kom‐ bination von Befragungen und Unterrichtsbeobachtungen über einen Zeitraum von drei Jahren die Rolle(n) von Lehrwerken im Englisch-, Geschichts- 51 , Mathematik- 52 und Sozial‐ kundeunterricht 53 achter Klassen in Sekundarschulen in Ostrava (Tschechien). Die Rolle des Lehrwerks wird aus vier Perspektiven betrachtet, die sich auf die Verwendungshäufigkeit, schulbuchbasierte Aktivitäten, auf Hausaufgaben und auf die Lehrbuchsteuerung beziehen (vgl. ebd., 1). Den unterschiedlichen Perspektiven sind weitere u. a. für die vorliegende Studie zentrale Detailfragen zugeordnet (vgl. ebd., 9, Hervorh., JLK): • What is the frequency and time of textbook use? • What is the frequency of textbook use in lesson phases? • What is the frequency of use for the main components of the textbook (expository texts, tasks, pictures)? • What textbook-based activities do teachers and students perform in lessons? • What is the cognitive complexity of textbook-based activities? • How often do students use textbooks and other text materials in their homework? • What learning strategies do students apply while learning from texts? • Do these strategies vary between successful and unsuccessful students? • What are students’ opinions of the role of textbooks? • To what extent do the teachers follow the textbook in planning the lessons? • For what purposes do the teachers use the textbooks? • Do the textbooks control the content and methodology of lessons? • What principal styles of textbook use do the teachers employ? Sikorová (ebd., 10) 54 stellt fest, dass neben dem Lehrbuch insb. das workbook im Englisch‐ unterricht verwendet wird. Andere Lehrwerkkomponenten werden von den Lehrkräften hingegen eher selten benutzt: „Other structural components of the textbook were used only marginally“ (ebd.). Diese Feststellung lässt sich auf die Ergebnisse von Studien anderer Lehrwerkforschenden übertragen. Auch Kurtz (2020, 198) merkt an, dass die Vielzahl unterschiedlicher Materialien der Lehrwerkverlage nicht voll ausgeschöpft werde. 2.3 Fremdsprachendidaktische Lehrwerkforschung 83 <?page no="84"?> Vielfach beschränke sich der Einsatz auf die eher „traditionellen“ Lehrwerkteile wie das Lehrbuch, Arbeitsheft, Audio-CDs und ggf. Lehrer*innenhandreichungen und Leistungs‐ messungsvorschläge. Mittels der von Thaler im Jahr 2010 durchgeführten Befragung von 150 Gymnasiallehrkräften im Fach Englisch kann die marginale Nutzung der Lehrwerkbe‐ standteile untermauert werden. Nur 20 % der Lehrkräfte verwenden bspw. regelmäßig ein Lehrer*innenhandbuch (vgl. Thaler 2011, 22). Dies wird u. a. darauf zurückgeführt, dass Lehrkräfte auf Basis von Erfahrungen und Introspektion bereits gelernt haben, „welche Verfahren bei ihnen am besten funktionieren, hinter welchen Methoden sie selbst stehen und mit welchen Aktivitäten sie überzeugen“ (Erdmenger 1997, 90). Richards (2014, 20) führt zur Verwendung anderer Bestandteile des Lehrwerks ergänzend an, dass mittlerweile vermehrt digitale Komponenten zum Einsatz kämen. Er bezieht sich bspw. auf die E-Book-Version des Lehrbuchs sowie online workbooks. In allen Fächern treten im Unterricht insb. folgende lehrbuchbasierte Aktivitäten in Erscheinung (Sikorová 2011, 12 f.): • the teacher explained the subject matter; • the students followed the text at the same time; • the students read the expository, explanatory or supplementary text aloud one after another; • the teacher called them up. Lehrbücher werden hauptsächlich für Aktivitäten verwendet, die auf der Wahrnehmung von Texten basieren, z. B. lautes und leises Lesen, Abschreiben von Texten, Beschreiben von Bildern und Hören von Texten. Darüber hinaus zeigt sich im Rahmen durchgeführter Beobachtungen während der Studie, dass das Lehrwerk hauptsächlich zum Üben und Testen eingesetzt wird und weniger als Basis für kommunikative Tätigkeiten (vgl. ebd., 15 f.). Dies wird durch die Studienergebnisse von Koskenniemi und Komulainen (1983, 17) zum Einfluss des Lehrbuchs auf verschiedene Aspekte des Unterrichtsprozesses sowie mit der Untersuchung von Abdel Latif (2012, 84) bekräftigt: Schüler*innenzentrierte und kooperative Arbeitsformen im Unterricht nehmen durch Lehrwerkarbeit ab bzw. werden von den Lehrkräften als weniger wichtig erachtet als die Lektionsbereiche zum Lesen und zu sprachlichen Mitteln. Im Bereich der Lehrbuchsteuerung bzw. Beeinflussung des Unterrichts, die vom Lehr‐ buch bzw. -werk ausgeht, stellt Sikorová (2011, 18 f.) fest, dass Lehrbücher i. d. R. für die umfassende Planung und Strukturierung des Unterrichts sowie für die Auswahl von Inhalten verwendet werden: Teachers used the textbooks as fundamental sources for intended curriculum. Most teachers prepared their lessons with textbooks in mind (strictly speaking also in hand). Textbooks seemed to have a really strong impact, at least on the content. The majority of teachers reported they used textbooks as a source of subject matter, not only for the selection of topics, but for determining scope and sequence. (ebd.) Insbesondere Englischlehrkräfte folgen den Inhalten und dem Aufbau des Lehrbuchs meist systematischer als bspw. Sozialkunde- und Mathematiklehrkräfte. Fast alle Lehrkräfte, die sich strikt an das Lehrbuch hielten, waren laut Sikorová (ebd., 15) Englischlehrkräfte. 84 2 Theoretischer Teil: Grundlagen und Bezugsrahmen <?page no="85"?> Es gilt jedoch zur Lehrbuchbzw. Lehrwerkverwendung kritisch zu vermerken, dass die Anforderungen, die insb. an den Fremdsprachenunterricht in den Anfangsjahren gestellt werden, nur bedingt mit denen anderer Fächer zu vergleichen sind (z. B. hinsichtlich der inhaltlichen und sprachlichen Progression). Die maßgebliche Bestimmung der Organisation, der Inhalte des Unterrichtsdiskurses sowie der Interaktion zwischen Lehrenden und Lernenden durch Lehrwerke bestätigen auch Guerrettaz und Johnston (2013, 779 ff.). Für die Forschenden stellt das Lehrwerk einen bedeutsamen Teil der „Ökologie des Klassenraumes“ (ebd.) dar. Auch Fäcke (2016, 43) stellt fest, dass die befragten Lehrkräfte in ihrer Studie zum selbstständigen Lernen im lehrwerkbasierten Französischunterricht regelmäßig das Lehrwerk einsetzen und sich an der angelegten Progression, den Themen und Inhalten orientieren. Teilweise integrieren sie Aufgaben und Übungen in den Unterricht, die nicht direkt an das Lehrwerk angelehnt sind. Bestätigt werden demnach die vorangegangenen Annahmen und Feststellungen, dass das Lehrwerk als „heimlicher Lehrplan“ fungiere und maßgeblich an der Steuerung des Unterrichts beteiligt sei (vgl. ebd.). Weitere Faktoren, die die Rolle des Lehrwerks beeinflussen können, untersucht Sikorová (2011). Sie bezieht sich auf die Unterrichtserfahrung sowie auf die Qualifikation der Lehrkräfte. Im Kontext der angenommenen Beeinflussungstendenz auf die Lehrwerkver‐ wendung durch die Unterrichtserfahrung sind u. a. Elliot und Woodward (1990) und Tsui (2003) der Ansicht, dass sich unerfahrene Lehrkräfte stärker auf das Lehrwerk verlassen als Lehrkräfte mit mehr Erfahrung. Die Studie Sikorovás (2011, 17 f.) bestätigt diese Ergebnisse jedoch nicht. Sie beobachtet stattdessen, dass Lehrkräfte mit weniger Unter‐ richtserfahrung das Lehrbuch deutlich seltener verwendet haben, was jedoch auch darauf zurückgeführt werden könnte, dass die jüngere Generation tschechischer Lehrkräfte andere Studienschwerpunkte in der Lehrer*innenbildung (u. a. unterschiedliche Lehrmethoden, kommunikative Ansätze etc.) erfahren habe. Diese Ansicht, die auch von Horsley und Walker (2005) geteilt wird, fasst Sikorová (2011, 19) wie folgt zusammen: „[…] newly appointed teachers seem to be using textbooks for teaching in a more constructivist way“. Zur Beeinflussung der Lehrwerkverwendung durch die Qualifikation der Lehrkräfte beobachtet Sikorová (2011, 18) Englischstunden, die von Lehrkräften abgehalten wurden, die für das Fach Englisch nicht qualifiziert waren, woraus jedoch keine vermehrte Verwen‐ dung des Lehrwerks resultierte. Sikorová und Červenková (2014, 119) leiten auf Basis statistischer Berechnungen daraus ab, dass kein systematischer Zusammenhang zwischen der Qualifikation der Lehrkräfte (für das jeweilige Fach) und der Verwendungsintensität von Lehrwerken besteht. Auch die Dauer der Unterrichtserfahrung stehe in keinem Zusammenhang mit der jeweils gezeigten Lehrwerkverwendungsweise (vgl. ebd.). Dies sei laut Sikorová (2011, 18) darauf zurückzuführen, dass die jüngere Generation der tschechischen Lehrkräfte während der Ausbildung dazu angeregt worden sei, weitere Materialien neben dem Lehrwerk einzusetzen. Dies habe in der Folge dazu geführt, dass häufiger Modifizierungen am Material vorgenommen bzw. eigenes Material entworfen wurde, was nicht zwingend mit der Unterrichtserfahrung und dem Alter einhergehen muss. Eine wichtige Perspektive nimmt Fäcke (2016, 43) mit Blick auf die geschilderten Erkenntnisse ein. Sie verweist darauf, dass „die Steuerung in Abhängigkeit vom Lehrerhan‐ deln“ (ebd.) zu bewerten sei und sich nicht „allein aus dem Lehrwerk heraus“ (ebd.) erkläre. 2.3 Fremdsprachendidaktische Lehrwerkforschung 85 <?page no="86"?> 55 Hier wird die Verwendung des Lehrbuchs als Basis-Komponente im Rahmen eines flexiblen Umgangs durch weitere Modifizierungen konzeptualisiert. 56 Dieser Verwendungstyp wird nach Moulton (1997, 10) wie folgt beschrieben: „[…] as an aid to teachers, the district provided a list that coordinated textbook exercises with each instructional objective.“ Hiermit thematisiert Fäcke (ebd.) das zentrale Verhältnis von Lehrkraft und Lehrwerk (vgl. Kap. 2.3.3), welches Aufschluss über unterschiedliche Ausprägungen lehrwerkbasierten Fremdsprachenunterrichts trotz Verwendung des gleichen Lehrwerks geben kann. Denn auch mit der Arbeit von Watt (2015, 48 f.) können große Unterschiede zwischen den Lehrkräften bei der Art und Weise der Lehrwerkverwendung nachgewiesen werden. In dieser Untersuchung werden die Ergebnisse der veröffentlichten Forschungsliteratur zur Lehrwerkverwendung in den USA systematisiert, die sowohl eine Reihe quantitativer Forschungsarbeiten als auch Fallstudien umfasst und die verschiedene Erhebungsmethoden verwenden bzw. miteinander kombinieren (schriftliche und mündliche Befragungen sowie Unterrichtsbeobachtungen). Damit im Einklang steht das von Erdmenger (1997, 89) so be‐ zeichnete „Potpourri“ an möglichen Handlungs- und Verwendungsweisen des Lehrwerks, dem ein dynamisches Verständnis zugrunde liegt: […] eher formal und regelgebunden, auf Korrektheit und Genauigkeit zielend, oder eher locker, kommunikativ mit dem Fokus auf den Gebrauch der Sprache für vielfältige, möglichst echte und bedeutungstragende Aussagen, mal mit Disziplin und konsequent durchgehaltenen Unterrichts‐ schritten, mal eher im Sinne einer anregenden, unterhaltsamen und Neugierde weckenden bunten Mischung der Verfahren, mal streng an die Vorlage gebunden, mal überspringend und durch eigene Materialien ergänzt. (ebd.) Klassifizierungsversuche von Lehrwerkverwendungsweisen Im (fremdsprachendidaktischen) Forschungsdiskurs existieren demnach verschiedene Klassifizierungsversuche von Lehrwerkverwendungsweisen, die auf unterschiedlichen Ansätzen (theorie-/ empiriebasiert, qualitativ/ quantitativ) fußen und mit verschiedenen Erhebungsmethoden (z. B. Befragung, Beobachtung) gewonnen wurden. Die erarbeiteten Nutzungsmuster von Lehrkräften sind in sich nicht homogen, und auch die Bezeichnung und Strukturierung der Verwendungsweisen zeigen eine große (terminologische) Vielfalt. Die nachfolgende Darstellung illustriert eine Auswahl von zentralen Klassifizierungsver‐ suchen zu Verwendungsweisen von Lehrwerken und -büchern: Lehrwerkforschende*r Struktur und Elemente der Klassifizierung Freeman et al. (1983) textbook-bound, basics 55 , management by objectives teacher 56 Cunningsworth (1995) the book will be followed very closely and in the exact order, more balanced-relationship between teacher and coursebook, no use of the textbook Thöneböhn (1995) das Schulbuch als Leitmedium, didaktische Leitlinie und Ergänzungs‐ medium 86 2 Theoretischer Teil: Grundlagen und Bezugsrahmen <?page no="87"?> 57 Der erste Typus entwickelt den Unterricht unabhängig von Lehrbüchern und Lehrplänen, während sich der zweite Typus stärker an Lehrbüchern orientiert. Der dritte Typus stützt seinen Unterricht auf den nationalen Lehrplan und versucht, eine stärker schüler*innenzentrierte Lernerfahrung zu erzielen, wohingegen sich der vierte Typus auf eine Neuformulierung des Lehrplans konzentriert und Lehrbücher selektiv einsetzt (vgl. Hansen 2018, 370). 58 Beim „Offloading“ verlassen sich die Lehrkräfte auf die in den Lehrmaterialien enthaltenen Anwei‐ sungen. Der zweite Typus passt die Materialien an den jeweiligen Kontext sowie an eigene Vorlieben und die Lernbedürfnisse der Schüler*innen an und der dritte Typus steht in einer minimalen Abhängigkeit zum Lehrwerk (vgl. Kolbeck/ Röhl 2018, 400). 59 Negrin (2009, 200) lotet einen etwas differenzierteren Handlungsrahmen aus, indem sie zu den drei genannten Verwendungsweisen zwei weitere Zwischenstufen einfügt. 60 Curriculum makers tendieren zu einer Nichtverwendung von Lehrbüchern. Curriculum developers nutzen das Lehrbuch als Inputgeber bzgl. Inhalten, didaktisch-methodischen Vorgehensweisen etc. Im Gegensatz dazu betrachten curriculum transmitters Lehrbücher als primäre Quelle für Input und folgen den Vorgaben durch das Material (vgl. Shawer, Gilmore & Banks-Joseph 2009, 125 ff.). Lehrwerkforschende*r Struktur und Elemente der Klassifizierung Heinonen (2005) individual innovators, teachers reliant on educational materials, curriculum-minded innovators, target-oriented innovators 57 Haß (2006) vollständige Verwendung des Lehrwerks, Orientierung am Lehrwerk mit Ergänzungen, Verzicht auf ein Lehrwerk Müller-Bittner (2008) der Authentische, der Kreative, der Entlastungssuchende, der Authen‐ tisch-Kreative, der Material-Ausgewogene Brown (2009) offloading, adapting, improvising 58 Negrin (2009) Verschiedene Grade der Abhängigkeit bei der Verwendung von Lehr‐ werken: vollständige Nutzung, sporadische Verwendung des Lehr‐ werks unter Hinzunahme von Zusatzmaterialien, kompletter Verzicht auf Lehrwerke 59 Shawer (2010) curriculum makers, curriculum developers, curriculum transmitters 60 Kurtz (2011) hoher Abhängigkeitsgrad vom Lehrwerk und Abarbeiten der Vor‐ gaben des Lehrwerks, Orientierung an der Systematik des Lehrwerks unter Einbezug anderer Materialien und Medien, Orientierung an der Systematik des Lehrwerks unter Einbezug anderer Materialien und Medien über einen längeren Zeitraum Thaler (2016) Typ A (ausschließliche, lineare Abarbeitung des Lehrbuchs), Typ B (Wechsel zwischen Lehrwerk und anderen Materialien), Typ C (Verzicht auf Lehrwerk) Tabelle 11: Zusammenschau der Klassifizierungsversuche von Lehrer*innentypen der Lehrwerknut‐ zung Die Zusammenschau möglicher Verwendungsweisen des Lehrwerks durch Lehrkräfte weist größtenteils ähnliche Strukturierungen auf. Zumeist finden sich drei Lehrwerknut‐ zungsmuster, von denen sich eine in ihrer extremen Form dadurch charakterisieren lässt, dass die Struktur des und Progression im eingesetzten Lehrwerk/ s sowie inhaltliche Vor‐ gaben vollständig eingehalten und das Pensum „abgearbeitet“ wird. Cunningsworth (1995, 10) erachtet insb. diese Verwendungsweise als äußerst problematisch, der es an abwech‐ 2.3 Fremdsprachendidaktische Lehrwerkforschung 87 <?page no="88"?> selnden Unterrichtsverfahren, Spontaneität und Kreativität mangele und die individuelle Bedürfnisse der Lernenden außer Acht lasse. Durch eine solche Nutzungsweise erscheine die Rolle der Lehrkraft im Umgang mit dem Lehrwerk als unwichtig und unreflektiert (vgl. ebd.). Zur anderen Extremform, die durch einen kompletten Verzicht auf Inhalte und strukturelle Vorgaben des Lehrwerks charakterisiert wird, merkt Cunningsworth (ebd., 11) an, dass in der unterrichtspraktischen Realität aufgrund der Rahmenbedingungen selten auf ein Lehrwerk komplett verzichtet werden könne. Deshalb wird dieser Verwendungstyp bspw. in den Ansätzen von Thöneböhn (1995) und Kurtz (2011) nicht ausgewiesen und durch die Verwendung lehrwerkunabhängiger Materialien über einen längeren Zeitraum ersetzt. Wenn Lehrkräfte auf das vorliegende Lehrwerk (zumindest zeitweise) verzichten, werden stattdessen zumeist Inhalte eines anderen Lehrwerks im Unterricht verwendet bzw. Inhalte, Aufgaben und Übungen modifiziert und/ oder selbst erstellte Materialien eingesetzt. Ob und inwiefern auf ein Lehrwerk verzichtet werden kann, hängt nach Cunningsworth (1995, 11) maßgeblich vom Grad der Abhängigkeit der Lehrkräfte ab, die sich u. a. auf den Ebenen des Bildungssystems und des Lehrplans, der Erfahrung und dem Selbstvertrauen der Lehrkräfte sowie der Verfügbarkeit von alternativen Lehr-/ Lernmaterialien zeigt. Insbesondere die extremen Formen der strengen Anlehnung an die Vorgaben des Lehrbuchs oder der komplette Verzicht darauf verdeutlichen unter Bezugnahme auf vorausgehende Erläuterungen zu Funktionen und Grenzen des Lehrwerks, dass diese nur als bedingt adäquat für einen ertragreichen Fremdsprachenunterricht gelten können (vgl. Kap. 2.1.4). Ein drittes Nutzungsmuster wird in der Kombination der beiden erwähnten Einteilungen von Lehrkräften hinsichtlich ihrer Lehrwerkverwendung manifest. Dabei werden selbst erstellte oder bereits bestehende Materialien, u. a. aus anderen Lehrwerken und/ oder unabhängigen Quellen zum grundsätzlich akzeptierten und hauptsächlich verwendeten Lehrwerk ergänzt, bzw. es wird auf Teile des Lehrwerks verzichtet. Der Kombinationstyp unter den Lehrkräften, der sowohl Lehrwerkkomponenten als auch unabhängige Materia‐ lien integriert und spezifische Lehr-/ Lernkontexte berücksichtigt, verfügt nach Thaler (2012, 116) über die Grundlage eines ausgeglichenen Umgangs mit dem Lehrwerk, indem er zwischen beiden Extremen zu balancieren versucht (vgl. dazu auch Mandler 2017). Die Balance im Umgang mit dem Lehrwerk kann nach verschiedenen Ebenen differenziert werden, die sowohl materialals auch personenbezogen sein können (vgl. Thaler 2014, 7 f.): • innerhalb des Lehrbuchs (in verschiedenen Bereichen, z. B. Kompetenzen, Stunden‐ phasen, Erarbeitungsmodi, Materialien etc.); • zwischen Lehrbuch und Lehrkraft (balancierte Nutzung der Handlungsoptionen); • innerhalb des Lehrwerks (verschiedene Bestandteile). Im (fremdsprachendidaktischen) Forschungsdiskurs wird davon ausgegangen, dass der zu‐ erst genannte Verwendungstyp (Ausrichtung des Unterrichts eng an Inhalte und Strukturen des Lehrwerks) vermutlich der am häufigsten anzutreffende im Fremdsprachenunterricht ist (vgl. Kurtz 2011, 7). Bei solchen Beobachtungen gilt es insb., den landessowie schulspezifischen Kontext zu berücksichtigen; bspw. stellt Ravelonanahary (2007, 171) im Rahmen ihrer Untersuchung zur Lehrbuchverwendung von Lehrkräften und Schüler*innen im madagassischen Englischunterricht fest, dass nur 20 % der Lehrkräfte dem erstgenannten Verwendungstyp entsprechen, und begründet diese einseitige Verwendung u.-a. wie folgt: 88 2 Theoretischer Teil: Grundlagen und Bezugsrahmen <?page no="89"?> „We follow the content and methods because we have no training in using it effectively.“ 65 % nutzen das Lehrwerk als Hauptkomponente, nehmen jedoch weitere Adaptionen und Ergänzungen vor, wohingegen 15 % angeben, auf das Lehrbuch zu verzichten. Häufig wird hierfür als Grund ein Mangel an Lehrwerken angeführt. Vergleicht man die Ergebnisse der Studie von Ravelonanahary (2007) mit denen von Sikorová, (2011) fällt auf, dass auch im erstgenannten Fall „nur“ 25,9 % der Lehrkräfte die Gestaltung des Unterrichts ausschließlich am Lehrwerk ausrichten (z. B. durch „Abar‐ beiten“ der Seiten). Die Mehrheit der Lehrkräfte (55,2 %) orientiert sich zwar in erster Linie am Lehrwerk, nimmt jedoch fortwährend Modifizierungen vor. 19 % der Lehrkräfte verwenden das Lehrwerk nicht als Hauptquelle, sondern überwiegend davon unabhängiges Material (vgl. Sikorová/ Červenková 2014, 116). Zur Modifikation von Lehrwerken Lehrkräften stehen einige Handlungsoptionen zur Verfügung, um inhaltliche oder auch strukturelle Aspekte des Lehrwerks zu modifizieren und es ggf. durch weiteres bzw. anderes Material zu ergänzen oder zu ersetzen. Studien, die die Adaption von Lehrwerkmaterialien fokussieren, lassen sich nach McGrath (2013, 129) in forschungsmethodischer Hinsicht grob in zwei verschiedene Gruppen einteilen: „[…] those which are based on teacher selfreport“ (z. B. Befragungen von Lehrkräften, vgl. dazu u. a. Fäcke 2016; Jazadi 2003; Lee/ Bathmaker 2007; Müller-Bittner 2008) und „[…] those which draw on observational or other evidence“ (z. B. videographische Unterrichtsbeobachtung, vgl. dazu u. a. Tsui 2003). Nur wenige Studien kombinieren die beiden Perspektiven (vgl. dazu u. a. Sikorová 2011) und setzen die Wahrnehmung des eigenen Verhaltens und Handelns mit dem konkreten Tun in der Praxis in Verbindung. Um die von Lehrkräften vor, während und/ oder nach dem Unterricht vorgenommenen Veränderungen in Lehrwerkbestandteilen näher zu untersuchen, wird sich an den von McGrath (2013, 133 ff.) ausgeloteten Blickwinkeln des Warum, Wann, Was und Wie der Modifikation orientiert, nach denen die nachfolgenden Ausführungen strukturiert sind. Warum modifizieren Lehrkräfte Lehrwerke? Im Allgemeinen liegt ein wesentlicher Grund zur Veränderung von Lehrwerken darin, dass Defizite in verschiedenen Bereichen des Materials ausgemacht werden und daraus die Notwendigkeit resultiert, das Material an spezifische Gegebenheiten anzupassen, die die Unterrichtssituation erfordert. McDonough und Shaw (2003, 76) formulieren den übergeordneten Grund bzw. Zweck der Modifizierung des Lehrwerks wie folgt: „[…] to maximize the appropriacy of teaching materials in context, by changing some of the internal characteristics of a coursebook to suit our particular circumstances better.“ Die spezifi‐ scheren Gründe für eine Abänderung des Lehrwerks können didaktischer, pädagogischer sowie motivationspsychologischer Natur (vgl. Wipperfürth/ Will 2019, 205) sein und unter Bezugnahme auf (inter-)nationale Forschungsergebnisse wie folgt systematisiert werden. Studien, die Befragungen und Beobachtungen kombinieren bzw. in deren Ergebnisse integrieren und an konkretes Nutzungsverhalten rückbinden, sind mit einem * markiert. 2.3 Fremdsprachendidaktische Lehrwerkforschung 89 <?page no="90"?> Gründe für die Modifizierung des Materials (Auswahl) Untersuchungen-(theorie--und/ oder empiriebasiert) (Auswahl) Lerner*innenorientierung und Aktualität (z.-B. Leistungsniveau, (Vor-)Kenntnisse, Interessen) u.-a. Bolster (2015, 19); Bosompem (2014)*; Cunningsworth (1995, 136-f.); Dunford (2004, 36); Humphries (2014)*; Islam/ Mares (2003, 89); McDonough, Shaw & Masuhara (2013); McGrath (2013, 66); Tomlinson (2014b, 9); Wip‐ perfürth/ Will (2019) Abwechslung-und-Variation-(z.-B. thematisch, methodisch, Sozialform) u. a. Bolster (2015, 19); Bosompem (2014)*; Dun‐ ford (2004, 36); McGrath (2013, 66); Tomlinson (2014b, 9); Wipperfürth/ Will (2019) Schwächen, Lücken oder Fehler des Lehrwerks (z.-B. didaktisch, thematisch, sprachlich) u.-a. Bosompem (2014)*; Wipperfürth/ Will (2019) Flexibilität und Vereinfachung für eine kreative Verwendung des Materials u.-a. Dunford (2004, 36); Tomlinson (2014a, 9) Einbindung von Mehrkulturalität und Mehrsprachigkeit u.-a. Dunford (2004, 36); Tomlinson (2014a, 9) Förderung der Lernendenautonomie und Strate‐ gienschulung u.-a. Islam/ Mares (2003, 89); Tomlinson (2014a, 9) Erweiterte Lernziele (z.-B. demokratische Erzie‐ hung, fächerübergreifendes Arbeiten) u.-a. Wipperfürth/ Will (2019) Anpassung des Materials an lokale und struktu‐ relle Gegebenheiten (z. B. Ausstattung, zeitliche Faktoren) u. a. Bolster (2015, 19); Bosompem (2014)*; Cun‐ ningsworth-(1995,-136-f.); McDonough, Shaw & Masuhara (2013); McGrath (2013, 66); Tomlinson (2014b, 9); Wipperfürth/ Will (2019) Erleben von Professionalität und Wertschätzung eigener Materialien u.-a. Wipperfürth/ Will (2019) Tabelle 12: Zusammenschau der Gründe für die Modifizierung von Lehr-/ Lernmaterialien Eine weitere Perspektive auf das Warum der Veränderung von Lehrwerken nehmen Kolbeck und Röhl (2018, 402) ein, die die vorgelegte Zusammenschau um politische, gesellschaftliche und kulturelle Gesichtspunkte (z. B. eigene Überzeugungen, Normen und Werte) erweitern, die ebenfalls Gründe für die Nutzung von Handlungsoptionen zur Vornahme von Modifikationen im Material darstellen können. In Anlehnung an Bosompem (2014, 106) ist jedoch festzustellen, dass die Notwendigkeit und Bedeutsamkeit der Adaption von Lehrwerken, die von Lehrkräften hervorgehoben wird, nicht zwingend mit der tatsächlichen Anpassung bzw. Veränderung von Materialien einhergehen muss (vgl. Kap. 4.3.3.2.2). Wann modifizieren Lehrkräfte Lehrwerke? Hinsichtlich des konkreten Zeitpunktes bzw. -raumes der Modifikation lassen sich zwei grundlegende Situationen differenzieren. Diese basieren im Wesentlichen auf Ergebnissen von Befragungsstudien und können daher nicht unmittelbar auf konkret beobachtetes Nutzungsverhalten rückgeführt werden. Es handelt sich dabei einerseits um eine geplante 90 2 Theoretischer Teil: Grundlagen und Bezugsrahmen <?page no="91"?> Veränderung unter Bezugnahme auf eine konkrete Unterrichtssituation vorab, bspw. aus den o. g. Gründen, und andererseits um eine durch spontane Umstände bedingte Abänderung, deren Notwendigkeit sich erst aus der Interaktion der Lehrkraft mit den Lernenden im Unterricht sowie aus konkreten Unterrichtsvorkommnissen ergibt (vgl. dazu u. a. Cunningsworth 1995, 136 f. zu dynamics of the classroom; Humphries 2014 * ; Hutchinson/ Torres 1994; McGrath 2013, 133 ff.). Was modifizieren Lehrkräfte an Lehrwerken? Das Was der Veränderung des Lehrwerks bezieht sich auf die Materialebene selbst. McGrath (2013, 138) führt unter Bezugnahme auf zentrale Studien zur Lehrwerkmodifizierung, die überwiegend auf Unterrichtsbeobachtungen fußen und teils auch mit Befragungen kombiniert wurden (s. *) (vgl. u. a. Gray 2000*; Ravelonanahary 2007*; Zacharias 2005) aus, dass insb. in vier Bereichen Anpassungen erfolgen: language, process, content, level. Auf der Ebene der Sprache sind darunter bspw. Aufgabenstellungen und Erklärungen zu verstehen, die je nach Gegebenheiten und Bedarfen verändert werden können. Die Prozessebene schließt sämtliche Unterrichtsaktivitäten (z. B. Ansätze, Methoden, Sozialformen) ein, die unter einer materialbezogenen Perspektive verändert werden können. Unter einer inhaltlichen Betrachtung können Themen oder Kontexte geändert bzw. angepasst sowie auf einer anforderungs- und leistungsbezogenen Ebene graduell Differenzierungsmaßnahmen vorgenommen werden. Wie modifizieren Lehrkräfte Lehrwerke? Das Wie der Adaption zielt auf die Modifizierungsmöglichkeiten, welche den Lehrkräften zur Verfügung stehen. In der Forschungsliteratur finden sich verschiedene Darstellungen dieser Handlungsoptionen, die u. a. auf den gewonnenen Erkenntnissen o. g. befragungsund/ oder beobachtungsbasierter Studien fußen (vgl. dazu u. a. Cunningsworth 1995; Maley 2011; McGrath 2002; Negrin 2009; Thaler 2016; Tomlinson/ Masuhara 2004) und sich nicht nur hinsichtlich ihres Umfangs und Detailreichtums, sondern auch in Bezug auf die verwendete Terminologie unterscheiden. Bosompem (2014, 106 ff.) wie auch Menkabu und Harwood (2014, 147 ff.) gehen in ihren Klassifizierungsversuchen von vier Möglichkeiten der Veränderung von Inhalten, Aufgaben und Übungen in Lehrwerken aus. Im fremdsprachendidaktischen Diskurs lassen sich darüber hinaus auch Klassifizie‐ rungsversuche identifizieren, die fünf und mehr Veränderungsoptionen von Inhalten, Aufgaben und Übungen in Lehrwerken ausweisen. Sowohl Islam und Mares (2003, 90 ff.) als auch McDonough, Shaw und Masuhara (2013) differenzieren die Modifizierungsmöglich‐ keiten weiter aus und nehmen unter Hinzufügung des Erweiterns und Vereinfachens fünf Adaptionstechniken an: adding, deleting, simplifying, reordering und replacing. Auch im spanischsprachigen Forschungskontext zu Adaptionstechniken der Inhalte, Aufgaben und Übungen nennt Negrin (2009, 202 f.) fünf Möglichkeiten, die allerdings im Vergleich zu den zuvor erläuterten Handlungsoptionen teils andere Schwerpunkte aufweisen. In der Klassifizierung nach Negrin (ebd.) wird überdies die Option des Aus‐ lassens/ Löschens weiter differenziert, indem sie darunter die Option des Kürzens als Teilauslassen (recorte) und das Auslassen (supresión) subsumiert. Die Kategorie des Verein‐ 2.3 Fremdsprachendidaktische Lehrwerkforschung 91 <?page no="92"?> fachens wird bei Negrin (ebd., 203) nicht aufgeführt, dafür jedoch die Handlungsoption construcción, mit der sie das selbstständige „Zusammenbauen“ der Abfolge von Inhalten, Aufgaben und Übungen im Rahmen einer Lektion fokussiert. In den Bereichen montaje und agregado lassen sich Parallelen zu den Klassifizierungsversuchen von Islam und Mares (2003) sowie McDonough, Shaw und Masuhara (2013) in den Kategorien reordering und adding feststellen. In den Ansätzen zu Adaptionstechniken von Richards (2017, 251) und Thaler (2016, 183) werden bis zu acht Modifizierungsmöglichkeiten angenommen. In den nach Richards (2017, 251) ausgewiesenen Veränderungsweisen (modifying, adding, deleting, reorganizing) lassen sich deutliche Parallelen zu den oben vorgestellten Klassifizierungsversuchen erkennen. Zwei weitere Ebenen (addressing und extending) weisen eine andere Schwerpunktsetzung auf. Mit der zuerst genannten Adaptionstechnik steht die Anpassung an den individuellen Lehr- und Lernkontext im Vordergrund, was primär einen Grund für die Nutzung einer Veränderungsoption darstellt und verschiedene Modifizierungsmöglichkeiten notwendig machen kann. Das extending stellt bereits eine mögliche Ausprägung des adding dar. Thaler (2016, 183) hingegen verfolgt mit seinem Klassifizierungsversuch acht Handlungs‐ optionen zur Veränderung von Lehrwerken. Diese umfassen neben dem Ergänzen, Kürzen, Umschreiben, Umstellen, Teilersetzen, Ersetzen und Auslassen auch die Verwendung ohne Änderungen. Eine weitere Differenzierung im Vergleich zu den vorherigen Ausführungen wird hier auf der Ebene des (Teil-)Ersetzens vorgenommen sowie auch in Betracht gezogen, dass keine Veränderungsmöglichkeiten genutzt werden (vgl. ebd.) Unterzieht man ausgewählte Kategorien einer Feinanalyse, lassen sich weitere Ausprä‐ gungen feststellen. McGrath (2013, 64 f.) erläutert bspw. unter Bezugnahme auf Ergebnisse von Lehrwerkmodifizierungsstudien zur Handlungsoption adding sechs Ausprägungen, in denen diese vorliegen kann: examples/ explanations, more practice or item tests, increase the length, depth or difficulty of a text, creative use of the material in ways not intended, provision of alternatives to an existing activity und new material. Auch Bosompem (2014, 106 ff.) spezifiziert die Ebene der addition weiter in extemporisation, supplementation, extension, exploitation. Auf die Notwendigkeit der Bereitstellung von neuem bzw. anderem Material, der sog. supplementation, wird im Forschungsdiskurs immer wieder verwiesen (vgl. dazu u. a. McGrath 2016, 79 f.; Ravelonanahary 2007, 172). McGrath (2016, 79 f.) versteht darunter Folgendes: […] adding something new […] it is an attempt to bridge the gap between a coursebook and an official syllabus (or statement of aims), or a coursebook and the demands of a public examination, or a coursebook and students’ needs, or core materials of other kinds and any of the above. (ebd.) Supplementation kann nach zwei Arten unterschieden werden (cognitively-motivated und affectively-motivated) sowie in zwei Ausprägungen vorliegen: zum einen in Form der Verwendung von anderen/ weiteren bereits veröffentlichten Materialien und zum anderen in Form von eigens kreierten Texten, Aufgaben, Übungen etc. (vgl. McGrath 2016, 80). Betrachtet man die erläuterten Modifizierungsmöglichkeiten von Inhalten, Aufgaben und Übungen in Lehrwerken kann mit den Ergebnissen der empirischen Untersuchung von Menkabu und Harwood (2014, 166 f.) resümiert werden, dass es zahlreiche Variationen 92 2 Theoretischer Teil: Grundlagen und Bezugsrahmen <?page no="93"?> 61 Bolster (2015, 19) stellt hingegen fest, dass die von ihr befragten Lehrkräfte Aufgaben und Übungen häufig hinsichtlich ihrer Komplexität reduzieren und damit vereinfachen bzw. angeben, dies zu tun. in der Adaption von Materialien gibt, um die spezifischen Bedürfnisse der Lernenden zu berücksichtigen und die eigenen pädagogischen Präferenzen und Vorzüge aufzunehmen. Die beiden Autor*innen gehen auf Basis ihrer Studienergebnisse jedoch von einem eher konservativen Umgang mit Adaptionsmöglichkeiten aus, der u. a. auf zeitliche Engpässe, institutionelle Rahmenbedingungen und Vorgaben (z. B. Klausuren) sowie auf mangelndes Training der Lehrkräfte im adaptiven Umgang mit Lehrwerken zurückgeführt werden könne. Sie stellen u. a. fest, dass häufig weiteres Material zur Erklärung gramma‐ tischer Inhalte hinzugezogen wird und als irrelevant für die Klausur eingestufte Inhalte ausgelassen werden. Eine ganze Lektion hingegen wird selten ausgelassen, und auch die Umstellung/ -ordnung von Texten, Aufgaben und Übungen ist eher nicht zu beobachten. Bolster (2015, 20) stellt demgegenüber in ihrer Befragungsstudie von 18 erfahrenen Lehrkräften eines Sprachenzentrums der Universität in Nottingham fest, dass keine der partizipierenden Lehrkräfte angab, das Material vollständig so zu verwenden, wie es vorliegt, sondern fast jede Aufgabe und Übung an den jeweiligen Lehr- und Lernkontext anzupassen. Auch wenn der Grad der von den Lehrkräften angegebenen vorgenommenen Adaptionen stark variierte, beschließt sie die Ausführungen zu ihrer Studie mit einem hohen Maß an Materialveränderungen vonseiten der Lehrkräfte. Drei Studien zur Lehrbuchverwendung mit besonderem Bezug zur vorliegenden Untersuchung Das Augenmerk der folgenden Abhandlung liegt auf drei zentralen Studien, die aufgrund ihrer Forschungsfragen, ihres Untersuchungsdesigns und Forschungskontexts für die vorliegende Studie besonders relevant sind. Marcos Miguel (2015, 309) untersucht auf Basis der Kombination von Befragungen und Beobachtungen die Verwendung von Lehrbüchern von drei Lehrkräften in Ausbildung, die einen Spanisch-Sprachkurs im Hochschulkontext in den USA leiten. Ziel ist es, Aufschluss darüber zu erlangen, wie die Lehrpersonen Inhalte, Aufgaben und Übungen anpassen und welche Beweggründe sie dafür anführen (vgl. ebd., 310). Als theoretische Grundlage ihrer Studie nutzt Marcos Miguel (ebd.) die Arten der Lehrbuchverwendung nach Shawer (2010) sowie die Klassifizierung der Modifizierungsmöglichkeiten von Lehrbüchern nach McDonough, Shaw und Masuhara (2013). Ein Ergebnis ihrer Studie ist, dass Anpassungen in Lehrbüchern von den Studienteilnehmenden häufig vorgenommen werden (vgl. dazu auch Bolster 2015, 19). Dabei kann sie im Datenmaterial alle Formen der Modifizierungs‐ möglichkeiten nach McDonough, Shaw und Masuhara (2013) - mit der Ausnahme des Vereinfachens - identifizieren. 61 Die am häufigsten genutzte Handlungsoption ist - i. d. R. aufgrund von Zeitmangel - das Auslassen (vgl. Marcos Miguel 2015, 309, 315; Bolster 2015, 19). Die meisten der verwendeten Aktivitäten wurden hinsichtlich der Durchführung, des Hinzufügens von Fragen - um die Lernenden und die kommunikative Praxis gezielter zu unterstützen -, sowie mit Blick auf die Art und Weise, wie die Aktivitäten durchgeführt wurden (z. B. Umwandlung von Einzelin Partnerarbeit), modifiziert. Die von den Anpas‐ sungen betroffenen Bereiche sind vorrangig die der Sprache und Prozesse (vgl. Marcos 2.3 Fremdsprachendidaktische Lehrwerkforschung 93 <?page no="94"?> Miguel 2015, 315 ff.; McGrath 2013, 138). Auf Basis des Datenmaterials charakterisiert Marcos Miguel (ebd., 309) die Lehrpersonen als einen Mischtyp aus curriculum transmitters und curriculum developers (vgl. Shawer 2010). Ein weiterer interessanter Befund ist, dass das Lehrbuch meist linear, d. h. in der Reihenfolge der Abschnitte und chronologisch verwendet wird. Die Bearbeitung der Lektionsteile konzentriert sich auf wortschatz- und grammatikbasierte Aktivitäten, die von allen drei Lehrkräften in den Unterricht eingebunden werden. Auch kurzfilmbasierte Aktivitäten werden von zwei der drei Lehrkräfte mit den Studierenden bearbeitet. Hingegen werden die Lektionsabschnitte zu kulturellen und literarischen Inhalten nur von einer Lehrkraft eingesetzt, und videobasierte Aktivitäten, kulturbasierte Textformate sowie weitere Aufgaben zum Sprechen und Schreiben sogar von niemandem (vgl. Marcos Miguel 2015, 313 f.). Im Zuge der Unterrichtsbeobachtungen konnte Marcos Miguel (2015) Erkenntnisse über die Art und Weise sowie den Zweck der von den Lehrenden vorgenommenen Ergänzungen des Lehrbuchs gewinnen. Bspw. erweiterte eine Lehrperson die Einführung in den Vokabelteil durch eine selbst erstellte PowerPoint-Präsentation. Ebenfalls wurden On‐ line-Ressourcen zur Wiederholung hinzugenommen, die als Zusatzmaterial zum Lehrbuch vorlagen (vgl. ebd., 314). Des Weiteren fügten die drei Lehrer*innen weitere Fragen, Bei‐ spiele und zusätzliche Erklärungen bei der Bearbeitung der Grammatik-, Wortschatz- und kulturbezogenen Abschnitte der Lektion hinzu. Dies war insb. auch bei der Besprechung komplexerer Themen sowie Verständnisschwierigkeiten der Studierenden der Fall (vgl. ebd., 315). Eine Lehrkraft ergänzte eine gesamte neue Aktivität, mit der die Studierenden auf die Durchführung einer Debatte als mündliche Abschlussprüfung vorbereitet werden sollten (u. a. Brainstorming zu einem Thema, Entwicklung von Argumenten). Während sich zwei der drei Lehrpersonen enger an die Aktivitäten aus dem Lehrbuch hielten, ließ die dritte Lehrkraft Inhalte des Lehrbuchs des Öfteren aus. Darüber hinaus zog sie im Vergleich zu den anderen beiden tendenziell offenere Aktivitäten hinzu, die auf Basis einer Lehrbuchaufgabe verändert wurden (vgl. ebd., 314). Trotz unterschiedlicher unterrichtspraktischer Umsetzungen und Einstellungen zum Fremdsprachenunterricht sowie zu Lehrwerken, lässt sich bei allen drei Lehrer*innen ein ähnliches Verhalten mit Blick auf die vorgenommenen Veränderungen des Lehrbuchs feststellen (vgl. ebd., 315). Die Daten zeigen auch, dass die Studienteilnehmenden motiviert waren, der Verwendung des Lehrbuchs „eine persönliche Note zu verleihen“ (ebd.) und diese an den individuellen Lehr- und Lernkontext anzupassen. Dies kann bspw. daran festgemacht werden, dass eine Lehrkraft verstärkt an literarischen und kulturellen Inhalten mit den Studierenden arbeitete, während die anderen beiden Lehrkräfte vorrangig die Bereiche fokussierten, die den Studierenden Probleme bereiteten (z. B. Grammatik) (vgl. ebd.). Ebenfalls konnte Marcos Miguel (2015) im Zuge der Datenanalyse ermitteln, dass einige Anpassungen auch aus zeitsowie systembedingten Gründen vorgenommen wurden (vgl. ebd., 317). Die zweite für die vorliegende Studie relevante Untersuchung stammt von Müller-Bittner (2008). Auch sie untersucht die Verwendung von Lehrbüchern im Rahmen einer Inter‐ viewstudie mit 18 Lehrkräften mit Fokus auf Französischlehrbüchern im bilingualen Erdkundeunterricht. Wie auch Marcos Miguel (2015) zieht sie als theoretische Grundlage 94 2 Theoretischer Teil: Grundlagen und Bezugsrahmen <?page no="95"?> 62 Die verbleibenden vier Lehrkräfte erteilen zum Zeitpunkt der Studie keinen Erdkundeunterricht (vgl. Müller-Bittner 2008, 172). eine Klassifizierung von Verwendungstypen nach Thöneböhn (1995) heran, nach denen die Studienteilnehmenden eingeordnet werden. Dabei stellt Müller-Bittner (2008) ein heterogenes Verwendungsmuster fest, das eine annähernd gleiche Verteilung der jeweiligen Nutzungstypen aufweist. Sie ordnet die Beteiligten den einzelnen Verwendungstypen wie folgt zu (vgl. ebd., 172): • Das Lehrbuch als „Leitmedium“: 5 von 18 Lehrkräften; • Das Lehrbuch als „Leitfaden“: 5 von 18 Lehrkräften; • Das Lehrbuch als „Steinbruch“: 4 von 18 Lehrkräften. 62 Mit den unterschiedlichen Zuordnungen gehen auch verschiedene Verständnisarten des Lehrwerks und seiner Funktionen einher. Während die Lehrkräfte, die das Lehrbuch als Leitmedium verwenden, generell die Notwendigkeit solcher Materialien herausstellen und nicht darauf verzichten wollten (u. a. aus didaktisch-methodischen und pragmatischen Gründen), geben die Lehrkräfte, die das Lehrbuch als „Steinbruch“ nutzen, an, dass das Lehrbuch für sie einen Materialfundus darstelle und Impulse zur weiteren Verwendung sowie zur Erstellung eigener Materialien gebe (vgl. ebd., 173). In ihrer Studie identifiziert Müller-Bittner (2008) darüber hinaus fünf Lehrer*innentypen der Materialnutzung im deutsch-französischen Erdkundeunterricht. Diese unterteilt sie wie folgt (vgl. ebd., 245 ff.): „der Authentische“, „der Kreative“, „der Entlastungssuchende“, „der Authentisch-Kreative“ und „der Material-Ausgewogene“ (vgl. Tab.-11). Dabei kommen die Typen „authentisch-kreativ“ und „material-ausgewogen“ am häufigsten vor. Nur jeweils ein Mal wurden die Typen „authentisch“ und „entlastungssuchend“ von Müller-Bittner (2008) anhand der Daten nachgewiesen. Während zwischen den Typen „authentisch“, „kreativ“ und „entlastungssuchend“ nach Müller-Bittner (2008, 264) trennscharfe Grenzen bestehen, weist „der Kreative“ Überlappungen zu den Typen „der Authentische“ und „der Authentisch-Kreative“ auf. Diese Überschneidungen bestehen auch mit einzelnen Kategorien des Merkmalsraums „des Materialausgewogenen“. Weitere relevante Erkenntnisse, die aus der Datenanalyse von Müller-Bittner (2008) resultieren, lassen die Feststellung zu, dass zwischen der Ausbildung der Lehrkräfte und dem jeweiligen Materialnutzungstypen kein Zusammenhang besteht und eine ähnliche bilinguale Berufserfahrung nicht zu dem gleichen Verwendungsmuster von Lehr- und Lernmaterialien führt (vgl. ebd., 265 f.). Die dritte hier besonders relevante Analyse stammt von Abdel Latif (2012). Er untersucht in seiner befragungs- und beobachtungsbasierten (dreigliedrig-angelegten) Studie Einstel‐ lungen und Praktiken ägyptischer Sekundarstufenlehrkräfte (Fragenbogen n=263, Inter‐ view n=33) zu bzw. mit einem kommunikativ-ausgerichteten Englischlehrwerk. Er ermittelt wie auch Sikorová (2011) und Koskenniemi und Komulainen (1983), dass schüler*innen‐ zentrierte und kooperative Arbeitsformen im Unterricht durch Lehrwerkarbeit abnehmen bzw. von den Lehrkräften als weniger wichtig erachtet werden als die Lektionsbereiche zum Lesen und zu sprachlichen Mitteln. Abdel Latif (2012, 85) stellt darüber hinaus eine von den Lehrpersonen vorgenommene Rangordnung der Lektionsteile gemäß ihrer 2.3 Fremdsprachendidaktische Lehrwerkforschung 95 <?page no="96"?> Bedeutsamkeit fest. Diese lautet: Grammatik, Lesen, Wortschatz, Schreiben, Sprechen, Hören, Aussprache und Wörterbuchbenutzung. Augenfällig ist, dass die Beteiligten den sprachlichen Mitteln und dem Lesen Vorrang gewähren. Daraus resultiert, dass 82,2 % der Unterrichtszeit für Grammatik, Wortschatz und das Lesen aufgewendet werden. 17,8 % entfallen auf andere Bereiche, wie z. B. Schreiben, Sprechen oder Hören (vgl. ebd.). Erweiternd zu den Ergebnissen der Studie von Sikorová (2011, 15 f.) identifiziert Abdel Latif (2012, 85 f.) von den Lehrer*innen ergriffene Maßnahmen, die das Lehrwerk zu einem Übungs- und Testinstrument unter weitgehendem Ausschluss kommunikativer Aktivitäten werden lassen: • Ersatz induktiv-ausgelegter Grammatikaktivitäten durch deduktive Vorgehensweisen; • Fokussierung auf sprachliche Mittel in der Einstiegsphase in den Unterricht; • Ersatz lesebasierter Aktivitäten durch eine Zentrierung auf Wortschatzvermittlung; • Umwandlung von u. a. Hörverstehensaktivitäten in grammatik- und wortschatzbasierte Aktivitäten; • Ausrichtung von lese- und hörverstehensbasierten Aktivitäten zur Überprüfung von Grammatik- und Wortschatzkenntnissen. Abdel Latif (ebd., 86) hält als zentrales Ergebnis fest, dass ein ursprünglich kommuni‐ kativ-angelegtes Lehrwerks nicht als solches von den Lehrkräften verstanden und ver‐ wendet wird. Der fremdsprachliche Unterricht Englisch wird nach wie vor mit einer grammatikzentrierten Methode umgesetzt und das Lehrwerk kann hier nicht in seiner Funktion als Katalysator für neue Ideen und einen innovativen Umgang mit dem Material gesehen werden (vgl. ebd., 93). Des Weiteren ermittelt er fünf Faktoren, die die Praktiken der Lehrpersonen beeinflussen. Dazu zählt er den Washback-Effekt, die Unterrichtskultur, Zeitmangel, ein niedriges Sprachniveau der Lernenden und ausstattungsbezogene Mängel (vgl. ebd., 86 ff.), wobei er die Einflussnahme des Washback-Effekts als am zentralsten erachtet. Abdel Latif (ebd., 93) misst derartigen kontextuellen Faktoren (u. a. Schulsystem, Prüfungskultur) besonders hohes Gewicht bei der Verwendung des Lehrwerks und der (fehlenden) Umsetzung kommunikativer Aktivitäten bei. Diese stellen ein wesentliches Hindernis dar, warum die Lehrenden ein kommunikativ-ausgelegtes Lehrwerk nicht auch als ein solches in ihren Unterricht implementiert haben (vgl. ebd.). Weitere Studien zu Teilaspekten der Lehrbuch-/ -werkverwendung Weitere Untersuchungen, die in verschiedenen Bildungskontexten und mit unterschiedli‐ cher theoretischer sowie empirischer Ausrichtung durchgeführt wurden, gehen u. a. von Dakla (2022), Fäcke (2016), Franke (2022), Humphries (2014), Lammert (2017) und Seferaj (2014) aus. In den genannten Studien stellt die Lehrwerkverwendung einen Teilaspekt dar, weshalb diese stellenweise für die Konzeptualisierung des vorliegenden Untersuchungsge‐ genstands von Relevanz sind. Humphries (2014) untersucht den Einsatz von neuen Lehrwerken in einem technischen Kolleg in Japan mit dem Ziel der Eruierung von Faktoren, die den adäquaten Einsatz von innovativen Lehrwerken fördern. Seferaj (2014) hingegen beleuchtet Herausforderungen, mit denen sich eine albanische Sprachlehrerin konfrontiert sieht, die Lehrwerke, denen ein kommunikativer Ansatz zugrunde liegt, in ihrem örtlichen Bildungskontext einsetzen soll. 96 2 Theoretischer Teil: Grundlagen und Bezugsrahmen <?page no="97"?> Fäcke (2016) eruiert im Rahmen einer Befragungsstudie die Möglichkeiten des selbststän‐ digen Lernens in einem lehrwerkbasierten Französischunterricht. Auf Basis der Daten und Studienergebnisse von Fäcke (ebd.) fokussiert Lammert (2017) das Auswahlmoment von In‐ halten, Aufgaben und Übungen in Lehrbüchern zur Förderung des selbstständigen Lernens. Sie stellt fest, dass das Moment der Auswahl entsprechender Lehr- und Lernmaterialien stark von der Präsenz des Lehrwerks geprägt wird, das für die befragten Lehrkräfte „auf implizite Weise eine Richtlinie darstellt“, auch wenn sie in ihren Ausführungen angeben, dass sie das Lehrwerk nicht als maßgeblich für die eigene Unterrichtspraxis erachten (vgl. Lammert 2017, 184). Dakla (2022) ergründet mittels einer qualitativen Befragungsstudie von Lehrkräften, mit denen sie leitfadenbasierte Experteninterviews führt, Anforderungen an Französischlehrwerke in der Einstiegsphase der Lehrwerkarbeit in der Primarstufe. Drei der insgesamt fünf befragten Lehrkräfte geben an, sich stark an die Struktur des Lehrbuchs zu halten und es nur zu ergänzen, indem sie neue Perspektiven auf ein Thema werfen oder es um einzelne Themenfelder erweitern. Die anderen beiden Lehrkräfte räumen dem Lehrbuch eine weniger hohe Stellung im Fremdsprachenlernprozess ein und gestalten die Arbeit damit freier und differenzierter. So nehmen sie etwa grundlegende Umstrukturierungen der Lektion vor, indem sie bspw. die Reihenfolge abändern (vgl. ebd., 205 f.). Franke (2022) wertet die Daten ihrer Studie zur Lehrbuchverwendung im Französisch- und Spanischunterricht der Sekundarstufe I mit einem Fokus auf die Förderung der Sprechhandlungskompetenz deskriptiv-statistisch aus. Dies erfolgt auf Basis strukturierter Unterrichtsbeobachtungen (insg. 42 Unterrichtseinheiten), die von Lehramtsstudierenden durchgeführt wurden (vgl. ebd., 219, 221). Dabei stellt sie fest, dass in 21 der 36 ausgewer‐ teten Unterrichtseinheiten Aktivitäten mit dem Lehrwerk identifiziert wurden, die der Sprechförderung zugeordnet werden können. Die Aktivitäten lassen sich laut Franke (ebd., 229 ff.) wie folgt systematisieren: • Unterrichtsverfahren zur Vorbereitung von Sprechhandlungen (Schulung der Aus‐ sprache, Erstellen von Unterstützungssystemen für Sprechhandlungen); • Unterrichtsverfahren zur Förderung des zusammenhängenden monologischen Spre‐ chens; • Unterrichtsverfahren zur Förderung des Teilnehmens an Gesprächen; • Mischformen aus den vorherigen Unterrichtsverfahren. Lehrwerknutzung aus der Sicht und in der Praxis von Lernenden Da sich die Interaktion mit Lehr- und Lernmaterialien nicht nur auf Lehrende beschränkt (vgl. Marcos Miguel 2015, 310), soll ergänzend die Perspektive der Lernenden als unmit‐ telbar beteiligte Akteur*innen am unterrichtlichen Diskurs miteinbezogen werden. Im (fremdsprachendidaktischen) Forschungsdiskurs wird die Interaktion von Lerner*innen mit Lehrwerken nach wie vor vernachlässigt, und es liegen bislang nur wenige Studien vor, die sich mit der Nutzung von Lehrwerken durch Schüler*innen befassen (vgl. Kolbeck/ Röhl 2018, 402 f.). Fäcke (2016, 44) beleuchtet auf Basis einer Befragungsstudie die Verwendung des Lehr‐ buchs der Lernenden und stellt fest, dass diese das Lehrbuch hauptsächlich zum Erledigen der Hausaufgaben bzw. der Arbeitsaufträge, zum Vokabellernen und zur Grammatikarbeit 2.3 Fremdsprachendidaktische Lehrwerkforschung 97 <?page no="98"?> nutzen. Die Verwendung zur Ausführung von „Tätigkeiten, die auf eine weiterführende und intrinsische Motivation sowie auf das Interesse an der Sprache oder den Kulturen schließen lassen“ (ebd.), spielt kaum eine Rolle. Damit im Einklang stehen die Ergebnisse der kombinierten Befragungs- und Beobachtungsstudie von Ravelonanahary (2007, 171), die zeigen, dass Lerner*innen das Lehrbuch hauptsächlich zum Lesen der Lektionstexte sowie zum Erledigen der Hausaufgaben verwenden. Auch wenn die im Folgenden vorgestellte Studie keinen fremdsprachendidaktischen Fokus hat, können die Forschungsergebnisse und das komplexe Untersuchungsdesign auch für die (Erforschung der) Nutzung fremdsprachlicher Lehrwerke von Interesse sein. Durch die Analyse von Interviews, Unterrichtsbeobachtungen und Markierungen in Mathematiklehrbüchern entwickelt Rezat (2009) eine Reihe typischer Schemata, wie Lernende Lehrbücher verwenden (vgl. Kolbeck/ Röhl 2018, 402 f.). Rezat (2009) untersucht vor dem Hintergrund eines handlungstheoretischen Schwerpunkts das spezifische Nut‐ zungsverhalten und den Nutzungszweck einzelner Lehrbuchelemente. Es werden vier Aspekte identifiziert, die sowohl zweck- und zielgebunden sind als auch aus eigener Motivation entstehen (vgl. ebd., 319): Bearbeiten von Aufgaben, Festigen, Aneignen von Wissen und interessenmotiviertes Lernen. Darüber hinaus ermittelt Rezat (2009) drei Verwendungstypen von Lernenden, die er als „Regellernender“, „Festigungstyp“ und „interessenmotiviert“ bezeichnet (vgl. ebd., 321). Erweiternd dazu stellt er fest, dass sich Lerner*innen auch selbstständig und ohne direkte Instruktion der Lehrkraft mit dem Material - zum Lösen von Aufgaben und Vertiefen von Wissen - auseinandersetzen. Dies geschieht jedoch nur dann, wenn offen und reflektiert mit dem Material im Unterricht gearbeitet wird und die Lehrkraft es auf einer Metaebene zum expliziten Unterrichtsgegenstand macht (vgl. ebd., 333, 335). In einer weiteren Nutzungsstudie von Rezat (2012, 126) wurde herausgearbeitet, dass Schüler*innen jene Inhalte in Mathematikschulbüchern gezielt und selektiv auswählen, denen sie eine Bedeutung für ihren Lernerfolg zuschreiben. Dabei werden verschiedene Arten des Übens unterschieden, die wie folgt beschrieben werden (vgl. Rezat 2013, 665 ff.): • positionsabhängiges Üben (Annahme, dass Übungen, die nebeneinander angeordnet sind, Ähnlichkeiten aufweisen); • blockabhängiges Üben (Annahme, dass das Lehrbuch in thematische Blöcke gegliedert ist, was zur Auswahl von Übungen aus einem bestimmten Block führt, die wiederum mit anderen Übungen desselben Blocks verbunden sein könnten); • salienzabhängiges Üben (Auswahl von Übungen auf Basis visueller Merkmale, die den von den Lehrkräften gewählten Übungen ähnlich erscheinen). Lehrwerkverwendung und weitere Einflussfaktoren Mit den Ergebnissen der Studien von Abdel Latif (2012, 90 f.), Bohnensteffen (2011, 120 f., 128), Dakla (2022, 208 f.), Garton und Graves (2014a/ b), Lee und Bathmaker (2007), McGrath (2013) sowie Wipperfürth und Will (2019, 204) wird dieses Teilkapitel beschlossen. Zentrale Befunde zeigen, dass die Lehrwerkverwendung von einer Vielzahl an Faktoren beeinflusst wird, die organisatorischer, struktureller, zeitlicher, ausstattungsspezifischer und personaler Natur sind. Darunter lassen sich bspw. die Schulform und Klassenstufe, die Ausstattung der Schule, Zeitknappheit, Arbeitsbelastung sowie persönliche Einstellungen 98 2 Theoretischer Teil: Grundlagen und Bezugsrahmen <?page no="99"?> der Lehrkraft und die Bereitschaft zur kritischen Auseinandersetzung mit dem eigenen Unterricht subsumieren (vgl. Kap. 2.4.3). 2.3.3 Die Interaktion von Lehrenden mit Lehrwerken: theoretische Zugänge und Konzeptualisierungsversuche im Forschungsdiskurs Im fremdsprachendidaktischen Diskurs wird das Verhältnis zwischen Lehrenden, Ler‐ nenden und Lehr-/ Lernmaterialien seit einigen Jahrzehnten theoretisch aufbereitet und diskutiert. So entwerfen Allwright (1981, zit. nach Ezeiza Ramos 2009, 17), Koenig (2013, 177) und McArthur (1984, zit. nach Ezeiza Ramos 2009, 17) bspw. Schemata zur Darstellung dieser Interaktion, denen unterschiedliche Perspektivierungen zugrunde liegen (vgl. Ezeiza Ramos 2009, 17). Während in Abb. 4 bei der Schaffung von Lernmöglichkeiten alle drei Faktoren als gleichwertig und gleichbeteiligt angesehen werden, zeigt Abb. 5, dass sich die drei Akteure bzw. Faktoren je nach Lehr-/ Lernsituation und mit Blick auf Dynamiken im Klassenzimmer hinsichtlich ihrer Häufigkeit und Dominanz im unterrichtlichen Ge‐ schehen abwechseln können (vgl. ebd.). Koenig (2013, 177) merkt an, dass derartige schematische Darstellungen und die ihnen zugrunde liegenden Differenzierungen „rein analytisch“ zu verstehen seien, da sich die beteiligten Akteur*innen „in der Realität eines Lehr-Lernprozesses wechselseitig bedingen“. Nichtsdestotrotz wird mit einer Erläuterung der nachfolgenden Abbildungen der Versuch unternommen, die Lehrwerkarbeit zu skiz‐ zieren und die „Komponenten“ der Planungs- und Unterrichtsebene zu verdeutlichen. Es wird offensichtlich, dass zwischen den drei genannten Bereichen (Lehrende, Lernende, Material) Wechselwirkungen unterschiedlicher Intensität vorliegen, die dynamischer Natur sind (vgl. ebd.). Abbildung 4: Modell zur Interaktion zwischen Lehrenden, Lernenden und Materialien (I) (eigene Darstellung nach Koenig 2013, 177) 2.3 Fremdsprachendidaktische Lehrwerkforschung 99 <?page no="100"?> Abbildung 5: Modell zur Interaktion zwischen Lehrenden, Lernenden und Materialien (II) (eigene Darstellung nach McArthur 1984, zit. nach Ezeiza Ramos 2009, 17) Deutlich wird zudem, dass obwohl im vorliegenden Projekt vornehmlich die Interaktion der Lehrkraft mit dem Lehrwerk thematisiert wird, Lernende hier nicht per se außer Acht gelassen werden. Dennoch nimmt die Lehrperson eine zentrale(re) Rolle ein, wenn es um die Analyse, Rezeption, Auswahl und Verwendung von Lehrwerkbestandteilen sowie um die unterrichtspraktische Umsetzung der Inhalte, Aufgaben und Übungen geht, die Eingang in den Unterricht finden. Die Interaktion der Lehrenden mit dem Lehrwerk ist insb. mit Blick auf die Wahrnehmung materialimmanenter Grenzen und die Aufbereitung für unterschied‐ liche Lehr-/ Lernkontexte und -gruppen unerlässlich (vgl. Mishan/ Timmis 2015, 61). Denn ein Lehrwerk kann nie die spezifischen Ansichten und Interessen aller Unterrichtenden und Lernenden vollständig antizipieren oder Entscheidungen darüber abnehmen, welches Material wie im Unterricht eingesetzt wird (vgl. Elliott/ Woodward 1990, 183). Die wichtige Rolle der Lehrkraft beim kritischen, kreativen und flexiblen Umgang mit dem Lehrwerk, die bereits in der fremdsprachendidaktischen (Lehrwerk-)Diskussion seit Jahrzehnten hervorgehoben wird (vgl. dazu u. a. Rösler 1992; Thaler 2011), steht außer Frage. Wie auch unter Verweis auf die Ausführungen von González Sánchez (2016, 5) bekräftigt werden kann, kommt der Lehrperson die hauptsächliche Verantwortung im Umgang mit dem Lehrwerk zu. Lehrkräfte sollten über Kenntnisse zum spezifischen Lehrwerk und seiner Verwendung verfügen und die Anlage sowie das Angebot des Lehrwerks durchdringen. So können sie davon ausgehend beurteilen, inwiefern das Material zur Erreichung der Lernziele und vor dem Hintergrund der spezifischen Lerngruppe geeignet ist bzw. ob und welche Änderungen vorgenommen werden müssen: […] el docente, puesto que es el que guía el aprendizaje, debe conocer qué producto se le está ofreciendo para valorar si los contenidos se adaptan a los objetivos del curso que ha de impartir, pero, sobre todo, para decidir si la metodología que se propone es la adecuada para alcanzar sus propósitos y, más aún, para satisfacer las necesidades e intereses de los alumnos, así como estilos de aprendizaje variados. (ebd., Hervorh., JLK) Damit die Interaktion der Lehrenden mit dem Lehrwerk optimal gelingen kann, sollten diese in der Lage sein, die für eine Problemlösung notwendigen Ressourcen, die deklara‐ 100 2 Theoretischer Teil: Grundlagen und Bezugsrahmen <?page no="101"?> 63 Vgl. vertiefend zur Mobilisierung von Ressourcen u.-a. Le Boterf (2008). tiver, personenbezogener sowie prozeduraler Art sind, zu identifizieren, zu mobilisieren 63 und miteinander zu verknüpfen (vgl. Martinez 2015, 336). „Optimale Lehrwerkverwen‐ dung“ ist dabei nicht mit „maximaler Lehrwerkverwendung“ gleichzusetzen (vgl. Kurtz 2010, 156). Vielmehr geht es um die Wahrnehmung des Angebotscharakters von Lehr‐ werken, die als „proposals for action“ und nicht als „instructions for use“ verstanden werden sollen (vgl. Harmer 2001, 8). Auch Ezeiza Ramos (2009, 7) greift in seinen Ausführungen den Angebotscharakter auf und führt aus, dass sich Lehrwerke als eine große Hilfe erweisen, wenn genau dieses Angebot, welches das Lehrwerk liefert, aus dem man sich individuell bedienen müsse, auch von Lehrkräften so verstanden werde: Si se conciben como un “paquete de recursos” - y si son susceptibles de ser adaptados y modificados por los profesores-, pueden resultar una ayuda muy útil; entre otras razones, porque permiten acceder en cualquier momento a un amplio abanico de actividades, contenidos e informaciones. (ebd., Hervorh., JLK) Um die für einen kritischen, kreativen und flexiblen Umgang mit dem Lehrwerk notwen‐ digen Ressourcen zur Problemlösung identifizieren, mobilisieren und vernetzen zu können, fordern Edge und Garton (2009, 60), dass die Lehrkraft in der Lage sein müsse, sich verschiedener Handlungsoptionen zu bedienen und Materialien spezifisch an individuelle Bedingungen anzupassen (vgl. dazu u. a. auch Gray 2013, 220). Ezeiza Ramos (2009, 15) spricht in diesem Kontext von der „capacidad del docente para elegir, adaptar y utilizar adecuadamente los materiales“, die er als „clave principal“ für einen reflexiven Umgang mit Materialien ansieht. De Pablos-Ortega (2019, 87) fokussiert in seinen Ausführungen zum Thema das kritische Bewusstsein (espíritu crítico) und die daraus von der Lehrperson abgeleiteten Handlungskonsequenzen im Umgang mit dem Material („ser capaz de detectar las partes mejorables y de reforzarlas mediante actividades o tareas adicionales“). Wie de Pablos-Ortega (2019) verwendet auch Koenig (2013, 178) im deutschsprachigen Forschungs‐ kontext den Begriff der textbook awareness, die er als Kompetenz von Lehrenden definiert, „die im Material angelegten Möglichkeiten und methodischen Angebote zu erkennen und adäquat umzusetzen“. Die Konzepte des kritischen bzw. lehrwerkbezogenen Bewusstseins werden auch von McGrath (2002, 12) aufgegriffen. Er verwendet hierfür vorrangig den Begriff der kritischen Haltung gegenüber dem Material, bezogen auf lerner*innenseitige Bedürfnisse und struktu‐ relle Bedingungen, die Bereitschaft, sich tatsächlich mit dem Material und dessen Auswahl beschäftigen zu wollen und materialbezogene Entscheidungen zu treffen: […] it is important that they are able to adopt a critical stance in relation to the material they are expected to use. This implies an awareness of learner needs and contextual constraints and the willingness and capacity in the light of this awareness to make decisions concerning the selection from the textbook of what is appropriate, and the extension/ exploitation, adaption and supplementation of this as necessary. (ebd., Hervorh., JLK) Anhand dieses Zitats wird deutlich, dass McGrath (2002, 12) eine Kombination verschie‐ dener Begriffe (u. a. Einstellung, Bewusstsein, Kompetenz) verwendet, deren Grenzen nicht 2.3 Fremdsprachendidaktische Lehrwerkforschung 101 <?page no="102"?> 64 Vgl. zur intensiveren Auseinandersetzung mit dem Wissen von Lehrkräften im fremdsprachendidak‐ tischen Diskurs in Deutschland u. a. die Studien von Appel (2000) und Caspari (2003), die intendieren, „eine Art Gesamtbild des Wissens von Lehrkräften“ (Appel 2018, 39) zu zeichnen und die eine struktur-, handlungstheoretische und/ oder berufsbiographische Perspektive auf Professionalität und Professionalisierungsprozesse von Lehrkräften einnehmen (vgl. Gerlach 2022, 35). Vgl. vertiefend zur Diskussion verschiedener Wissensarten und ihrer integrativen Ausrichtung, zur Systematisierung des Forschungsfelds und der Ergebnisse zu Lehrer*innenwissen sowie zu (aktuellen) Forschungsan‐ sätzen, empirischen Methoden und Zugängen zum Wissen von Lehrkräften u. a. Appel (2018, 35 f.), Gerlach (2022, 30 ff., 35), Kunze (2004, 30), Legutke, Saunders und Schart (2022), Schädlich (2019, 9, 51) und Scherf (2013, 22). trennscharf sind und die sich teils überlappen bzw. auch als ein Teil des jeweils anderen Konzepts verstanden werden (vgl. Kap. 2.4.1). Den Kompetenzgedanken der vorherigen Ansätze aufgreifend definiert Thaler (2016, 183) eine sog. Lehrwerk-Kompetenz anhand von drei Domänen, die sich primär auf das Material und weniger auf personen- und erfahrungssowie kontextbezogene Faktoren beziehen. Letztere kommen wiederum in der Interaktion mit dem Material durch die Lehrkraft zum Tragen. Mit ihnen können „die Gefahr eines starren Umgangs mit einem Lehrwerk“ (Fäcke 2016, 35), „einer wenig eigenständigen und damit unmündigen Nutzung des Lehrwerks als Leitmedium“ (ebd.) sowie die Entwicklung und das Erstarken von Routinen, die keinen Raum für Abweichungen lassen, minimiert werden (vgl. Erdmenger 1997, 90-f.): • Wissen 64 (u.-a. Bedeutung und Entwicklung des Lehrwerks, Lehrwerkbestandteile); • Haltungen (u.-a. Wertschätzung von Balance im Umgang mit Materialien); • Fertigkeiten (u.-a. Anwendung der Handlungsoptionen) (Thaler 2016, 183). Mit der Systematisierung von Wissensdomänen von Englischlehrpersonen nach Roters (2017, 171, übersetzt von Gerlach 2020, 56 f.) kann der Bereich der Kenntnisse zu Materialien dahingehend weiter ausdifferenziert werden, dass stärker auf das kritische Hinterfragen der Materialien vor dem jeweiligen Lehr-/ Lernkontext abgezielt und die Verschränkung mit affektiven und insb. handlungsbezogenen Bereichen deutlich wird (vgl. Kap. 2.4). Gerlach (ebd.) verwendet in Anlehnung an Roters (2017, 171) im Bereich des allgemein-päd‐ agogischen Wissens den Begriff des Ressourcenmanagements, mit dem eine Prüfung auf Authentizität, Verfügbarkeit und Angemessenheit der Materialien vonseiten der Lehrkräfte einhergeht. Die Kategorie des fachdidaktischen Wissens beinhaltet im Unterbereich des Wissens um Lehrstrategien, die Adaption von Materialien für unterrichtliche Anforde‐ rungsbereiche. In eine ähnliche Richtung und insb. den Autonomie- und Unabhängigkeitsgedanken im Lehrberuf und speziell im Umgang mit Materialien aufgreifend, zielt auch das Subkonzept der „didaktischen Selbstständigkeit“, die „didaktische Kritik- und Theoriefähigkeit“ nach Hallet (2018, 71 f.). Unter letztgenanntem Begriff wird die Kompetenz von Lehrkräften subsumiert, „Curricula, Lehrwerke und andere Vorgaben als Instrumente des Lernens, aber nicht als Ziele“ anzusehen, die „im Licht des eigenen Konzeptwissens“ (ebd., 72) kritisch gelesen und hinterfragt werden müssen, um zu verhindern, dass Lehrwerke „das Unterrichtshandeln und didaktische Denken vollständig determinieren und überlagern“ (ebd., 75). 102 2 Theoretischer Teil: Grundlagen und Bezugsrahmen <?page no="103"?> Mit den resümierenden Ausführungen des von Garton und Graves (2014b) herausgege‐ benen international perspektivierten Sammelbandes zum Einsatz kommerzieller Materia‐ lien im Englischunterricht, können die von Thaler (2016, 183) sog. Lehrwerk-Kompetenz und die vorherigen Ausführungen von Gerlach (2020) und Hallet (2018) in einen spezifischeren theoretischen Rahmen überführt werden, der noch gezielter die Interaktion der Lehrkraft mit dem Lehrwerk adressiert. Die Zusammenführung der Komponenten nach Garton und Graves (2014b) ist in ihrer Anlage weniger normativ (als in kompetenzorientierten Konzepten) und beschreibt die Einflussfaktoren, die auf die Interaktion der Lehrkraft mit dem Material einwirken können. Im Vergleich zum Ansatz von Thaler (2016) binden Garton und Graves (2014b) nicht nur eine material-, sondern auch eine sprachlerntheorie-, persönlichkeits- und kontextbezogene Ebene ein (vgl. dazu teils auch Gerlach 2020, 56 f.). Im Folgenden findet sich eine Zusam‐ menschau der Aspekte, die die Interaktion der Lehrkraft mit dem Lehrwerk kennzeichnen (vgl. Garton/ Graves 2014b, 273 ff., Hervorh., JLK): • The teacher’s understanding of … - the materials (vgl. u.-a. Nuangpolmak 2014); - the language and how it is learnt (vgl. u.-a. Humphries 2014); - learners and their backgrounds (vgl. u.-a. Humphries 2014; Seferaj 2014); - their own role (teacher’s role) (vgl. u.-a. Seferaj 2014); - managing a classroom (vgl. u.-a. Seferaj 2014); - context (vgl. u.-a. Humphries 2014; Nuangpolmak 2014). • The fit with their beliefs, expertise and experience (vgl. u. a. Garton/ Graves 2014a/ b; Humphries 2014; Lammert 2017); • Their ability to adapt the materials to their particular learners (vgl. u. a. Garton/ Graves 2014b; Igielski 2014). Die Befunde zeigen folglich, dass in eine kritische, kreative und flexible Verwendung des Lehrwerks verschiedene Komponenten deklarativer, prozeduraler, affektiver und fähig-/ fertigkeitsbezogener Natur involviert sind, die sich gegenseitig bedingen und beeinflussen, was den Umgang mit dem Lehrwerk im Allgemeinen zu einem anspruchsvollen und multifaktoriellen Unterfangen werden lässt (vgl. Kap. 2.4). Die Lehrkraft versteht sich in diesem Unterfangen demnach als Instanz, die darüber entscheidet, in welcher Form, Intensität und Art und Weise das Lehrwerk im Fremdsprachenunterricht verwendet wird (vgl. dazu Kolbeck/ Röhl 2018, 400; Lammert 2017, 176). Dementsprechend trägt sie gegenüber den Lernenden zum einen die Verantwortung für die Gewährleistung eines kontinuierlichen (materialbasierten) Lehr-/ Lernprozesses, die Auswahl relevanter Inhalte und ihre angemessene Aufbereitung sowie für die Erhöhung der (lebensweltbezogenen) Bedeutsamkeit des Materials für die Lernenden: Teachers have an important role to play in animating the materials, in bringing them to life, making them meaningful and relevant. (McGrath 2013, 46) […] materiales […] apelen a la responsabilidad, la creatividad y el compromiso de los profesores y que promuevan la iniciativa […]. (Rubdy 2003, 41) 2.3 Fremdsprachendidaktische Lehrwerkforschung 103 <?page no="104"?> Zum anderen trägt sie auf einer lehrer*innenbezogenen Ebene Sorge für eine sorgfältige Planung, kontinuierliche Überwachung und Reflexion des eigenen Verwendungsprozesses (vgl. Richards 2014, 34). Mit den Worten von Cunningsworth (1995, 7) kann das Verhältnis von Lehrkraft und Lehrwerk als „eine Art Partnerschaft, die auf Interaktion beruht“, beschrieben werden. Die Aufgabe der Lehrkraft ist es, materialimmanente Grenzen zu kompensieren und an die Adressat*innen und ihre Bedürfnisse anzupassen; denn wie Neuner (1994b, 237) treffend formuliert, kann „das Lehrwerk das Lehrangebot strukturieren, aber nicht das Lehrver‐ halten des Unterrichtenden bzw. das Lernverhalten der Schüler ‚programmieren‘“. Nicht nur die aktive Auseinandersetzung mit dem Material, sondern insb. auch ein (kritisches) Bewusstsein über eigene materialbezogene Meinungen, Auswahl- und Adaptionsprozesse sowie Entscheidungen sind für einen kritischen und kreativen Umgang mit dem Material kennzeichnend (vgl. Cunningsworth 1995, 7; Schocker-von Ditfurth 2001, 21). Zur Förderung eines solchen Umgangs mit dem Lehrwerk und als Reaktion auf die fehlende (empirische) Erforschung o. g. Konzepte, die damit einhergehend inhaltlich meist nur gering gefüllt sind, entwirft Kurtz (2020, 199 ff.) einen vierstufigen Likert-skalierten Reflexionsbogen. Mit diesem Instrument können sich Lehrende eigener Haltungen gegen‐ über dem Lehrwerk, bevorzugten Verwendungsweisen sowie eigener Kenntnisse in Bezug auf das jeweils verwendete Lehrwerk bewusstwerden. Der Reflexionsbogen ist in die Dimensionen der Meinungen, Haltungen und Einstellungen (z. B. Stellenwert und Funk‐ tionen des Lehrwerks, Zufriedenheit), Verwendungsweisen (z. B. Selbstbestimmung bei der Lehrwerkverwendung, Umgang mit Lektionsteilen und ihren Inhalten, Aufgaben etc.) und Kenntnisse (z. B. zu fremdsprachendidaktischen Ansätzen in Lehrwerken, zum aktuellen Stand der Lehrwerkforschung, zum Nutzungsverhalten der Lernenden) gegliedert. Mit dieser Aufteilung wird sich an den o. g. Konzeptualisierungsversuchen orientiert und ihnen zugrunde liegenden Dimensionen weiter inhaltlich gefüllt und konkreter an die Unterrichtspraxis rückgebunden. Den einzelnen Bereichen des Reflexionsbogens werden die folgenden Unterkategorien zugeordnet, die bereits eine Bandbreite an Aspekten, die Einfluss auf den Umgang mit dem Lehrwerk haben, abdecken und einen der Aus‐ gangspunkte für die weitere Aufschlüsselung und Konzeptualisierung des vorliegenden Untersuchungsgegenstands darstellen (vgl. Kap. 2.4): Kenntnisse • Ich bin … - mit den fremdsprachendidaktischen Leitideen vertraut, die dem verwendeten Lehrwerk zugrunde liegen. - mit allen Medien und Materialien vertraut, die zu dem verwendeten Lehrwerk gehören. - mit dem aktuellen Stand der Lehrwerkforschung in Grundzügen vertraut. • Ich weiß, … - wie sich das verwendete Lehrwerk von den Lehrwerken anderer Anbieter unter‐ scheidet. - wie meine Schüler das Lektionsmaterial zum Lernen nutzen. 104 2 Theoretischer Teil: Grundlagen und Bezugsrahmen <?page no="105"?> - wie meine Schüler den Grammatikteil, die Wortschatzsammlung, das audiovisuelle Material und das Lehrwerk zum häuslichen Lernen nutzen. • Ich kenne Handlungsoptionen der Lehrwerkverwendung. Meinungen, Haltungen, Einstellungen • Heutige Lehrwerke sind so konzipiert und genehmigungsbehördlich geprüft, … - dass sie sämtliche der im Lehrplan (Kerncurriculum) und in den Bildungsstandards dargelegten Kompetenzbereiche und Kompetenzanforderungen berücksichtigen. - dass sie den von Jahrgangsstufe zu Jahrgangsstufe ansteigenden Kompetenzer‐ wartungen und Niveaustufen entsprechen, wie sie im Lehrplan (Kerncurriculum) und in den Bildungsstandards vorgegeben sind. • Heutige Lehrwerke sind … - unterrichtsmethodisch so konzipiert, dass sie eine sinnvolle, effektive und un‐ terrichtszeitlich angemessene Progression zur Entwicklung prüfungsrelevanter Kompetenzen vorzeichnen. - Dreh- und Angelpunkt des fremdsprachlichen Lehrens und der Lernenden in der Sekundarstufe I. - mediale Verbundsysteme, die die Verwendung zusätzlicher bzw. die Erstellung weiterer Lehr- und Lernmaterialien überflüssig machen. - transparent konzipiert, von daher erübrigt sich der Blick in das Lehrerhandbuch. • Heutige Lehrwerke entsprechen dem aktuellen Stand der fremdsprachendidaktischen Forschung. • Heutige Lehrwerke ermöglichen eine effiziente Unterrichtsvorbereitung. • Ich denke, dass … - ich das Lehrwerk großenteils so verwende, wie es von den Lehrwerkautoren vorgesehen ist. - ein phasenweise lehrwerkunabhängiger Unterricht mit einem erheblichen (kaum zu vertretenden) Mehraufwand verbunden ist. - meine Schüler gerne mit dem eingeführten Lehrwerk arbeiten. • Ich bin mit dem eingeführten Lehrwerk zufrieden. Verwendungsweisen • Ich bestimme, … - wann das Lehrwerk im Unterricht eingesetzt wird. - wie das Lehrwerk im Unterricht verwendet wird. • Ich halte mich an die im Lehrwerk vorgezeichnete sprachliche Progression. • Ich übernehme das im Lehrwerk vorgefundene Themenangebot. • Ich verwende … - die im Lehrwerk angebotenen Texte, Bilder und Fotos. - das zum Lehrwerk gehörende audiovisuelle Material. - die im Lehrwerk vorgefundenen Fragen, Übungen und Aufgaben. - die im Lehrwerk angebotenen Materialien zur schülerseitigen Selbstevaluation. - die im Lehrwerk angebotenen Vorschläge zur Lernerfolgsüberprüfung. - das Lehrwerk zur Stellung von Hausaufgaben. 2.3 Fremdsprachendidaktische Lehrwerkforschung 105 <?page no="106"?> 65 Vgl. dazu auch das Plädoyer von Zingerle (2019, 297), „Lehrer*innenkognitionsforschung als Teilbe‐ reich der Unterrichtsforschung“ zu betrachten. • Ich setze ergänzend zum Lehrwerk Lektüren ein. • Ich lasse das Lehrwerk beiseite, wenn Projektwochen etc. anstehen. 2.3.4 Zwischenfazit und Ausgangsbasis für die vorliegende Studie Das spezifische Verhältnis von Lehrkraft und Lehrwerk bzw. die Interaktion der Lehrkraft mit dem Material wurde im Forschungsdiskurs theoretisch aufbereitet und versucht zu systematisieren. Es konnten kognitive, affektive und handlungsbezogene Komponenten identifiziert werden, die auf die lehrer*innenseitige Interaktion mit dem Lehrwerk ein‐ wirken. Dabei handelt es sich um das Wissen (1), also um Kenntnisse u. a. zum Lehrwerk, zur Rolle als Verwendende und zur jeweiligen Lerngruppe, um Einstellungen und Erfahrungen der Lehrkräfte (2) sowie um deren Lehrwerkverwendungsweisen und Fähig- und Fertig‐ keiten, Materialien lerngruppen- und kontextbezogen anpassen zu können (3). Zum zweiten und dritten Bereich liegen Annahmen und teils auch empirisch-basierte Erkenntnisse zu Lehrer*innentypen der Materialzufriedenheit und der Lehrwerkverwendung sowie zu Handlungsoptionen zur Modifizierung von Lehrwerken vor. Der als gesichert geltenden Annahme folgend, dass Lehrer*innenkognitionen, der situative Kontext und die unterricht‐ liche Praxis in einem wechselseitigen und dynamischen Verhältnis zueinanderstehen (vgl. dazu u. a. Borg 2009, 3; Caspari 2014, 24; Schart 2014, 40; Zingerle 2019, 18) 65 , werden zudem Wechselwirkungen zwischen den einzelnen Bereichen angenommen. Der Forschungsstand sowie die Systematisierung der Ergebnisse und Entwicklungen zeigen, dass die Mehrheit der erläuterten Erkenntnisse theoriebasiert ist und/ oder auf Befra‐ gungsstudien zurückgeht. Diese lassen jedoch nur bedingt eine konkrete Rückbindung an das tatsächliche Nutzungsverhalten und den Verwendungskontext zu. Ferner berücksich‐ tigen sie selten die Faktorenkomplexion und sind inhaltlich meist nur gering ausgearbeitet sowie kaum empirisch ergründet. Folglich liegen bspw. nur eingeschränkt Antworten vor, welche Lehrwerkbestandteile wann, wie oft, wozu und wie zur Unterrichtsvorbereitung und im Unterricht verwendet werden. Unberücksichtigt blieb bisher auch, was Lehrkräfte zum Lehrwerk, seiner Analyse, Entwicklung und Verwendung wissen (deklarativ und prozedural) sowie welche Aufgaben sie sich in der Rolle als Lehrwerkverwendende zuschreiben. Wie Lehrkräfte Lehrwerken gegenüber eingestellt sind, welche Vor- und Nachteile sie sehen und für wie sinnvoll sie bestimmte Lehrwerkbestandteile erachten, ist ebenso nur begrenzt erfasst. 2.4 Erkenntnisinteresse, terminologische Standortbestimmung und Konzeptualisierung des Untersuchungsgegenstands - ein multidimensionaler Zugang Die identifizierten Forschungslücken stellen den Ausgangspunkt für das vorliegende Erkenntnisinteresse dar. Im Fokus steht dabei die oft vernachlässigte Komplexität bei 106 2 Theoretischer Teil: Grundlagen und Bezugsrahmen <?page no="107"?> 66 Unter Motiven werden in Anlehnung an Kleppin (2002, 26 ff.) „relativ konstante Wertedispositionen im Individuum, die Handlungen in Gang bringen, sie aufrechterhalten oder sie beenden“ verstanden. Motive stellen „eine Basis von Motivation“ (Becker 2023, o. S.) dar, also einen Auslöser für eine bestimmte Motivation (vgl. ebd.) und können nach verschiedenen Kriterien unterschieden werden, bspw. nach ihrer Genese, Stärke, Persistenz und Frequenz (vgl. ebd.). Vgl. vertiefend zum Begriffsverständnis von Motiv, Motivation und Volition Kap. 2.4.1.2 der Konzeption eines solchen Untersuchungsgegenstands. Hier gilt es im Besonderen, verschiedene Faktoren zusammenzuführen und in ihrer Wechselwirkung zu betrachten. Das Erkenntnisinteresse der Studie richtet sich daher auf die empirische Ergründung der (1) lehrer*innenseitigen subjektiven Sichtweise auf Lehrwerke und ihre Nutzung; (2) Rezeption und Verwendung durch Spanischlehrkräfte im Zuge der Unterrichtsvor- und -nachbereitung und im Unterricht sowie (3) strukturellen Faktoren, die die Rahmenbedingungen für den Umgang mit Lehrwerken darstellen. Der Untersuchungsgegenstand wird dementsprechend aus drei Perspektiven betrachtet. Diese verstehen sich zur Ergründung des Erkenntnisinteresses als gleichberechtigt, stehen in einer wechselseitigen Relation zueinander und beleuchten jeweils unterschiedliche Facetten des Forschungsgegenstandes, die in der Folge zu einem Gesamtverständnis führen. Das empirische Forschungsprojekt verfolgt dabei die untenstehenden Zielsetzungen: • Die Eruierung der kognitiven Dimension der subjektiven Sichtweise, die deklarative, prozedurale und selbstbezogene Kognitionen zu Lehrwerken, ihren Termini, ihrer Analyse, Entwicklung und Verwendung sowie das lehrwerk(verwendungs-)bezogene Aufgabenverständnis von Lehrkräften umfasst. • Die Analyse von affektiven Faktoren, die Einfluss auf die Sichtweise der Lehrkräfte zum Lehrwerk und dessen Verwendung nehmen sowie damit einhergehend die Po‐ sitionierung der Lehrkräfte zum Lehrwerk, seinen Funktionen, Charakteristika und Problematiken. • Die Erforschung der Rezeptionsprozesse und Verwendungsweisen des Lehrwerks während der Unterrichtsvor- und -nachbereitung sowie im Unterricht selbst und vorgenommene Materialselektionsprozesse und -veränderungsmaßnahmen (Gründe, Art und Weise), die Nachzeichnung der stattgefundenen Lektionsarbeit der Lehrkräfte unter Einbezug der unterrichtspraktischen Umsetzung (wann, wie oft, warum, wie) und der Motive 66 , die der Lehrwerkrezeption und -verwendung sowie daraus resultierenden materialbezogenen Entscheidungen zugrunde liegen. • Die Identifikation von strukturellen Faktoren und die Ermittlung ihres Ausmaßes auf die Verwendung des Lehrwerks (z. B. institutionelle, zeitliche, thematische und schulausstattungspezifische Faktoren). • Die Aufschlüsselung des Bedingungsgefüges beim Einsatz von Lehrwerken unter Vernetzung aller o.-g. Faktoren und ihrer Wechselwirkungen. Die folgenden Ausführungen zur terminologischen Standortbestimmung und Konzeptua‐ lisierung orientieren sich an den o.-g. Strukturierungsdimensionen und der Herangehens‐ 2.4 Erkenntnisinteresse, terminologische Standortbestimmung und Konzeptualisierung 107 <?page no="108"?> weise an den Untersuchungsgegenstand. Schematisch kann das entwickelte Rahmenkon‐ zept wie folgt visualisiert werden: Abbildung 6: Konzeptualisierung des Untersuchungsgegenstands (I) 2.4.1 Subjektive Sichtweise auf das Lehrwerk und seine Verwendung Mit Blick auf die Sicht des Individuums existiert im fremdsprachendidaktischen For‐ schungsdiskurs „eine große terminologische Vielfalt“ (Méron-Minuth 2018, 73). Bereits Kallenbach (1996, 17) äußert, dass „die Begrifflichkeiten ausgesprochen vielfältig“ seien und „nicht immer trennscharf voneinander abgegrenzt“ werden. Auch Riese (2009, 50) konstatiert eine fehlende „deutliche definitorische Abgrenzung“ im deutschsprachigen Forschungskontext. Es werden insb. Termini wie z. B. Einstellungen, Überzeugungen, Werthaltungen, mentale Prozesse, creencias, beliefs und représentations verwendet, mit denen teils eigene Schwerpunktsetzungen, aber auch Überschneidungen einhergehen (vgl. dazu u. a. Baumert/ Kunter 2006; Fäcke 2006; Holec 1987; Venus 2017a/ b). Das Konzept beliefs wird häufig als theoretischer Rahmen für Untersuchungen zum Lehrer*innendenken und -handeln genutzt. Hierzu stellt Riese (2009, 50) jedoch fest, dass dieses besonders in der anglophonen Forschungsliteratur nicht selten uneinheitlich gebraucht werde (vgl. dazu auch Pajares 1992 zum „messy construct“, zit. nach Riese 2009, 50). Mit den o. g. Termini werden demnach in der Regel zumeist nur Teilaspekte abge‐ deckt (z. B. (subjektives) Wissen, Einstellungen), wobei wie Zingerle (2019, 18) feststellt, „zwischen den unterschiedlichen Bezeichnungen nicht gezwungenermaßen eindeutige Unterschiede in der Bedeutung auszumachen sind“. Diese Aussage lässt sich anhand der nachfolgenden Ausführungen veranschaulichen und konkretisieren: Riese (2009, 50) übersetzt beliefs als Überzeugungen und Venus (2017a, 41) bewertet das Konzept der beliefs als „kognitive Teilkomponente der Einstellung“. Méron-Minuth (2018, 75) weist in ihren Ausführungen zur Begriffsbestimmung aus, dass das Konzept der subjektiven Theorien über deutliche Parallelen zu dem der beliefs und représentations verfüge und darüber hinaus 108 2 Theoretischer Teil: Grundlagen und Bezugsrahmen <?page no="109"?> synonym zu Einstellungen, Einschätzungen, Auffassungen und Überzeugungen gebraucht werde. Des Weiteren verwendet sie (ebd.) bspw. das Begriffskonzept der Einstellungen synonym zu dem der beliefs und attitudes, worunter sie wiederum „Überzeugungen (als beliefs), Meinungen und verallgemeinertes Erfahrungswissen“ subsumiert. Diese Beispiele verdeutlichen die fehlende Trennschärfe und die Verflochtenheit der verschiedenen Begriffe und Konzepte sowie ihrer Teilaspekte. Nichtsdestotrotz werden die Möglichkeiten, welche eine Erforschung mentaler Prozesse bietet, bspw. von Caspari (2016a, 307) als gewinnbringend eingeschätzt, da „[…] diese Arbeiten eine Vielzahl von Einsichten in die subjektiven Sichtweisen von Lehrkräften [erlauben, JLK]“. Für die vorliegende Studie wird mit dem Konzept der subjektiven Sichtweise (auf das Lehrwerk und seine Verwendung) weitergearbeitet, das sich in Anlehnung an Caspari (2014, 21 f.) als neutraleres Konstrukt versteht und häufig auch als Oberbegriff für verschiedene der o. g. Termini verwendet wird bzw. diese unter sich subsumiert. Mit der Entscheidung für die subjektive Sichtweise kann nicht nur auf Inhalte Bezug genommen, sondern auch die „Perspektive dieser Forschungen […] markier[t]“ werden (ebd., 22). Insbesondere die Wahl eines solchen neutraleren Konzepts, das häufig auch als übergeordneter Bezugspunkt wahrgenommen wird, erfordert eine genaue terminologische Standortbestimmung, um die Gegenstandsangemessenheit für die Untersuchung begründen zu können. Die subjektive Sichtweise auf das Lehrwerk und seine Verwendung wird in der vorliegenden Studie unter Bezugnahme auf den Forschungsdiskurs zum Professionswissen und zu Lehrer*innenkog‐ nitionen (vgl. dazu u. a. Borg 2015, 324; Legutke/ Schart 2016, 16; Schädlich 2019, 16; Scherf 2013, 22) mittels zweier (miteinander verschränkter) Komponenten konzeptualisiert, die kognitiver und affektiver Natur sind (vgl. dazu Legutke, Saunders & Schart 2022). Aus der Argumentation von Borg (2015, 321) kann abgeleitet werden, dass Konzepte wie teacher knowledge, thoughts und beliefs nicht voneinander zu trennen sind; vielmehr sollten affektive und kognitive Aspekte (z. B. Wissen) als „fließende und im Gebrauch verschwim‐ mende“ (Zingerle 2019, 20) sowie als in sich verwobene Konstrukte verstanden werden. Auch Legutke, Saunders und Schart (2022, 9 f., 22) erachten eine trennscharfe Abgrenzung als problematisch und nicht unbedingt zielführend, da sich fachliches Wissen, Meinungen, Einstellungen und Haltungen überlappen und darüber hinaus in einem Zusammenhang mit dem Handeln in der unterrichtlichen Praxis stehen (vgl. dazu auch Schädlich 2019, 51). In der vorliegenden Arbeit wird auf Basis der vorangegangenen Ausführungen von einem „übergreifenden erweiterten Kognitionsbegriff “ (Scherf 2013, 18 ff.; Zingerle 2019, 20) ausgegangen, da kognitive Aspekte nach Legutke, Saunders und Schart (2022, 22) ein „höchst subjektives und individuelles, dynamisches Konstrukt [darstellen, JLK], in das biographische Faktoren, lebensgeschichtliche Ereignisse und soziokulturelle Diskurse eingehen“. Demnach steht der Kognitionsbegriff in Wechselwirkung mit o. g. Konzepten (vgl. Kunze 2004, 31; Legutke, Saunders & Schart 2022, 22). - 2.4.1.1 Kognitive Dimension Die kognitive Komponente ist für die subjektive Sichtweise auf das Lehrwerk von zentraler Bedeutung, da sie positive und negative Zuschreibungen von Charakteristika zum Gegen‐ stand beinhaltet. Diese wiederum prägen Meinungen, Einstellungen und Haltungen, die mit dem Gegenstand assoziiert oder über ihn vertreten werden (vgl. dazu Legutke, Saunders 2.4 Erkenntnisinteresse, terminologische Standortbestimmung und Konzeptualisierung 109 <?page no="110"?> & Schart 2022, 22). Venus (2015, 5) verwendet in diesem Kontext in Anlehnung an Güttler (2000, 100, zit. nach Venus ebd.) auch den Terminus des „subjektiven Wissens über ein Einstellungsobjekt“. Bspw. kann die Sichtweise der Lehrkraft auf das Lehrwerk je nach vorhandenen Kenntnissen über das Lehrwerk und dessen Entwicklung, Aufbau und Funktionen sowie spezifische Handhabung eher positiv oder negativ ausfallen. Dies steht wiederum in einem Zusammenhang damit, ob und inwiefern sich die Lehrperson (intensiv) mit dem Material beschäftigt (hat) bzw. beschäftigen möchte (vgl. Kap. 2.4.1.2). Eine tendenziell positiv- oder negativ-konnotierte Sichtweise auf Lehrwerke hat schließlich abermals Konsequenzen für die Beurteilung des Nutzens, der Brauchbarkeit sowie der Bedeutung des Materials (vgl. Venus 2017a, 41), die laut Appel (2000, 212) in unmittelbarem Zusammenhang zu den Kenntnissen über einen Gegenstand stehen, über die eine Person verfügt. Kenntnisse der Lehrkräfte zu Lehrwerken und deren Verwendung werden mit Blick auf die Erkenntnisse des Forschungsdiskurses zum Professionswissen und die inhaltliche Aufbereitung des vorliegenden Untersuchungsgegenstandes in einen deklarativen und prozeduralen Bereich eingeteilt. Dies liegt darin begründet, dass inhaltlich- und handlungs‐ orientierte Wissensanteile in der Ausübung der beruflichen Tätigkeit, hier die Verwendung des Lehrwerks zur Unterrichtsvor- und -nachbereitung sowie im Unterricht, ineinander‐ greifen (vgl. dazu auch Hoinkes/ Weigand 2016, 48). Der zugrunde gelegte Wissensbegriff umschließt in diesem Kontext also sowohl explizites lehrwerkbezogenes Wissen als auch implizite Wissensanteile (vgl. Legutke/ Schart 2016, 16; Schädlich 2019, 16). Lehrwerk(ver‐ wendungs-)wissen wird hier als Teil des Professionswissens von Lehrkräften verstanden. Deklarative Kenntnisse zu Lehrwerken können auch als Lehrwerkwissen bezeichnet werden. Hierbei handelt es sich vorrangig um (explizit vorhandene) Kenntnisse zum Lehr‐ werk (inkl. verschiedener Bestandteile) sowie seiner Termini, Analyse und Entwicklung auf einer begrifflichen und konzeptionellen Ebene. Auf der begrifflichen Ebene stehen Kenntnisse zu den verschiedenen Termini (u. a. Lehrbuch, -werk- und -analyse) sowie ihren Parallelen und Unterschieden im Vordergrund. Die konzeptionelle Ebene geht über erstere hinaus und fokussiert das Konstrukt Lehrwerk, d. h. dessen Aufbau und Struktur sowie Analyse und Entwicklung, u. a. unter Rückbezug auf ihnen zugrunde liegenden bildungspolitischen Vorgaben (Bildungsstandards, Kerncurricula) (vgl. dazu auch Kurtz 2020, 199-ff.). In den prozeduralen Bereich fallen lehrwerk(verwendungs-)bezogene Kenntnisse, die sich auf bereichsspezifisch einschlägige Prozeduren (u. a. Abläufe, Handlungen, Fertig‐ keiten) beziehen (vgl. Anderson/ Krathwohl 2001), also insb. auf den Umgang mit Lehr‐ werken und auf lehrwerkanalytische Ansätze und Fähigkeiten (vgl. dazu auch Schön 1983: handlungsleitendes Wissen als knowing-in-action). Hoinkes und Weigand (2016, 48) bezeichnen ein solches prozedurales Wissen auch als „Lehrtätigkeits-Wissen“. Übertragen auf den Untersuchungsgegenstand kann hier von einem sog. Lehrwerkumgangs-/ -ver‐ wendungswissen bzw. von der Kenntnis der Anwendung von Lehrwerkbestandteilen gesprochen werden, das „theoretische Anteile transformiert und integriert hat“ (Schädlich 2019, 22). Unter einem prozeduralen lehrwerk(verwendungs-)bezogenen Wissen werden demnach folgende Aspekte subsumiert: das Funktionsverständnis von Lehrwerken bei der Lehr‐ 110 2 Theoretischer Teil: Grundlagen und Bezugsrahmen <?page no="111"?> 67 Vgl. vertiefend zum Erfahrungswissen und zu inkorporierten Alltagspraktiken u.-a. Appel (2000). werkverwendung, Kenntnisse zu einer zielgerechten Lehrwerknutzung, zur Ausgestaltung von Lernumgebungen hinsichtlich des Materialeinsatzes, Aufgabenformaten und Arbeits‐ formen sowie zu Handlungsoptionen zur Veränderung des Materials (vgl. dazu allgemein Appel 2000, 212; Riemer 2018, 133). Im Vergleich zum deklarativen Lehrwerkwissen entsteht ein solches prozeduraler Art vorrangig durch gemachte Erfahrungen im Umgang mit dem Material (vgl. dazu allgemein Neuweg 2021, 10; Zingerle 2019, 29). Das im Rahmen der vorliegenden Studie konzeptualisierte lehrwerk(verwendungs-)be‐ zogene Erfahrungswissen 67 „im Sinne der Erfahrung im fachspezifischen unterrichtlichen Handeln“ (Kirchhoff 2016, 76) wird als Teilbereich des prozeduralen lehrwerk(verwen‐ dungs-)bezogenen Wissens verstanden (vgl. dazu allgemein Riemer 2018, 133). Dieses setzt sich demnach aus Kenntnissen, Einsichten und Routinen aus jeweils von der Lehr‐ kraft wiederholt erlebten Verwendungssituationen zusammen. Es wird als Maßstab bzw. Ausgangspunkt für die aktuelle und zukünftige Lehrwerkverwendung hinzugezogen. Die Verwendung von Lehrwerken wird folglich durch die Erfahrung der Lehrkräfte zu einer Art Gewohnheit und aufgrund der mehrfachen und ständigen Konfrontation mit ähnlichen (Unterrichts-)Situationen zur Routine, die im Gedächtnis verankert ist und automatisch zur Verfügung steht (vgl. dazu allgemein Dreßler 2018; Stangl 2023a). Lehr‐ werk(verwendungs-)bezogene Handlungsabfolgen können aufgrund ihrer Internalisierung und Habitualisierung schneller und ggf. auch erfolgreicher bewältigt werden (vgl. Stangl 2023a). Lehrwerk(verwendungs-)bezogenes (Erfahrungs-)Wissen liegt häufig implizit vor, lässt sich nur teils verbalisieren und wird unbewusst abgerufen (vgl. Legutke/ Schart 2016, 16). Hinter diesem Phänomen verbirgt sich meist „eine spontane und rasche Mustererken‐ nung“ (Stangl 2023b) auf Basis berufs- und materialbezogener Erfahrungen und Routinen, die intuitive lehrwerkbezogene Entscheidungen nach sich ziehen (vgl. zu intuitivem Handlungswissen auch Legutke/ Schart 2016, 16). Lehrwerk(verwendungs-)bezogenes (Erfahrungs-)Wissen kann folglich nicht losgelöst vom unterrichtlichen Kontext und seiner vielfältigen Einflussfaktoren gedacht werden, indem „es eine Wirkung entfalten soll“ (Legutke, Saunders & Schart 2022, 11), weshalb in der Konzeptualisierung des Untersuchungsgegenstands eine Anbindung an konkrete unterrichtliche Situationen, in denen sich das Professionswissen im Können zeigt, vor‐ gesehen ist (vgl. Kap 2.4.2). Damit einhergeht, dass lehrwerk(verwendungs-)bezogenes (Erfahrungs-)Wissen zumeist kontextuell situiert ist, also auf konkrete unterrichtliche An- und Herausforderung bezogen (vgl. dazu Borg 2003). Dies führt zu der Notwendigkeit, dass Lehrkräfte über die Fähigkeit verfügen, Lehrwerke und die/ deren eigene Verwendung an „lokale Gegebenheiten und Erfordernisse“ (Legutke, Saunders & Schart 2022, 12) flexibel anzupassen. Neben einer deklarativen und prozeduralen Komponente der kognitiven Dimension der subjektiven Sichtweise auf Lehrwerke und ihre Verwendung werden überdies selbst‐ bezogene Kognitionen als lehrwerk(verwendungs-)bezogenes Aufgabenverständnis von Lehrkräften konzeptualisiert. Damit kann Aufschluss darüber geben, welche Aufgaben Lehrpersonen mit der (eigenen) Lehrwerkarbeit verbinden, welche sie als besonders bedeutsam bzw. als nicht bedeutsam erachten (z. B. ein kritischer und kreativer Umgang 2.4 Erkenntnisinteresse, terminologische Standortbestimmung und Konzeptualisierung 111 <?page no="112"?> mit dem Lehrwerk, die Erstellung eigener Materialien) und wie sie sich in ihrer Rolle als Lehrwerkverwendende sowie als Verantwortliche für eine zielgerechte Lehrwerkverwen‐ dung wahrnehmen (vgl. dazu allgemein Caspari 2003; Legutke, Saunders & Schart 2022, 12; Schocker-von Ditfurth 2001, 21; Zimpelmann 2020). Auf das lehrwerk(verwendungs-)bezogene Aufgabenverständnis wirken zudem äußere Faktoren ein und es wird „in irgendeiner Beziehung zur Außenwelt gedacht“ (Rotter 2014, 112). Dazu zählen u. a. die verschiedenen Anforderungen an den Beruf und seine Leitbilder (vgl. dazu Fäcke 2017, 20) sowie Erwartungen, die von außen an die Rolle als Lehr‐ werkverwendende herangetragen werden (Aufgabenfelder). Hinzu kommen strukturelle Aspekte (vgl. Kap. 2.4.3), die vom institutionellen Kontext der Schule ausgehen (vgl. dazu Rotter 2014, 113). Das lehrwerk(verwendungs-)bezogene Aufgabenverständnis beinhaltet demnach alle Kognitionen (und teils auch Empfindungen und Bewertungen) einer Lehrkraft (vgl. dazu allgemein ebd., 103), die sie sich selbst bei der Arbeit mit Lehrwerken zuschreibt und welche die Interaktion mit dem Material maßgeblich mitbestimmen (vgl. ebd.). Dazu zählt auch, warum und wie die Lehrperson lehrwerkbezogene Auswahlentscheidungen trifft und wovon sie sich dabei leiten lässt (u. a. Wissensbestände, Erfahrungen) (vgl. dazu allgemein Legutke 2010, 1352; Stangl 2023b). Exemplarisch illustriert werden können die vorangegangenen Erläuterungen mit zwei Aussagen von Französischlehrkräften, die Fäcke (2017, 222 f., Hervorh., JLK) in ihrer Einführung in die Fachdidaktik präsentiert. Aus den unterschiedlich gelagerten Beispielen geht hervor, welche lehrwerk(verwendungs-)bezogenen Aufgaben (z. B. kritischer Umgang, Erstellung eigener Materialien) sich die Lehrkräfte zuschreiben, wie sie sich in ihrer Rolle als Lehrwerkverwendende sehen und welche Handlungskonsequenzen sie daraus für den Umgang mit dem Lehrwerk sowie für die Gestaltung ihres Unterrichts ableiten. „[…] Ich mache mir keinen Kopf in diesem Sinne, ich will das Rad nicht neu erfinden, sondern ich gehe vor nach dem französischen Programm. Ich habe ein Lesebuch, ein Livre Complet, da drin hat man eine gute Progression. In jeder Lektion werden bestimmte Schwerpunkte behandelt, Grammatik, Kollokationen, Orthographie, mündlicher Ausdruck, Textproduktion und ich arbeite mich da vor. Ich habe parallel dazu ein Cahier d’exercices und ich gebe den Kindern aus dem Cahier d’exercices immer die passenden Seiten zu bearbeiten, zu den Themen, die wir besprochen haben.“ (ebd.) „[…] Die meisten Kollegen legen das Buch ihrem Unterricht zu Grunde, ich selbst mach das allerdings weniger. Meistens gefallen mir die Übungen nicht, die Texte find ich zu steril und zu langweilig. Deswegen will ich das mit den Schülern nicht so gern ständig durchnehmen. Also oft lesen wir die Texte einer Lektion nicht und machen nur einige der Übungen dazu. Wenn es geht, nehme ich eigene Texte, die ich entweder selbst geschrieben hab oder in französischen Zeitschriften oder im Internet gefunden hab. Inzwischen hab ich schon eine größere Textsammlung, auf die ich schnell zurückgreifen kann. Deswegen ist ein Lehrwerk bei mir nur ein Baustein unter vielen anderen.“ (ebd.) Die Aufschlüsselung und Reflexion des eigenen lehrwerk(verwendungs-)bezogenen Auf‐ gabenverständnisses stellt einen zentralen Schritt in der Bewusstwerdung, Analyse und Wertung eigener Sichtweisen und Reaktionen hinsichtlich des Umgangs mit dem Lehrwerk dar, wodurch es der Lehrkraft möglich werden kann (vgl. dazu auch Jöckel 2016, 252) … 112 2 Theoretischer Teil: Grundlagen und Bezugsrahmen <?page no="113"?> • sich kritisch-reflexiv mit eigenen lehrwerkbezogenen Ansichten und der eigenen Verwendungsweise auseinanderzusetzen; • daraus Hinweise zu gewinnen, die darin unterstützen, bisher vertretene (materialbezogene) Ansichten und Vorurteile oder Verweigerungen zu überdenken und ggf. aufzubrechen; • sich einer (notwendigen) Veränderung bzw. Optimierung (der eigenen Lehrwerkarbeit) zu öffnen. - 2.4.1.2 Affektive Dimension Im Folgenden wird die zweite Komponente der subjektiven Sichtweise auf das Lehrwerk begrifflich bestimmt und konzeptualisiert. Vorangestellt sei an dieser Stelle, dass affektive Faktoren „eng mit Kognition verbunden“ (Diehr 2020, 35) und nicht „einfach voneinander zu differenzieren“ (Burwitz-Melzer, Riemer & Schmelter 2020, 7) sind. Aufgrund dieser Fest‐ stellung im fremdsprachendidaktischen Forschungsdiskurs werden affektive und kognitive Faktoren in der vorliegenden Arbeit als ein nicht trennbares „interagierende[s] System“ (Ogasa 2011, 17) verstanden. Mit Blick auf die Konzeptualisierung des Untersuchungsgegenstands werden die Faktoren dennoch getrennt voneinander aufbereitet und berichtet, um ihre Spezifik und ihre Funktion in der vorliegenden Untersuchung aufzuzeigen, auch wenn von Wechselwirkungen ausgegangen wird (vgl. dazu auch Rymarczyk 2020, 190). Vorweggenommen sei einleitend auch, dass affektive und kognitive Faktoren in Verbindung mit handlungsbezogenen Aspekten stehen (vgl. Kap. 2.4.2) und erstere stets situations- und gegenstandsbezogen sind (vgl. Riemer 2020, 161; Kap. 2.4.3). Affektive Faktoren werden nach Riemer (2016, 266) verstanden als „Teil der personalen Faktoren“, die im Vergleich zu kognitiven Dimensionen kurz- und langzeitigen Verän‐ derungen ausgesetzt sind. Darüber hinaus sind sie in ihrer Anlage mehrdimensional, veränderbar und liegen meist tief in der Persönlichkeit verankert (vgl. ebd., 266 f.). Der Sammelband, welcher die Arbeitspapiere der 40. Frühjahrskonferenz zur Erforschung des Fremdsprachenunterrichts aus dem Jahre 2020 vereint, fokussiert affektiv-emotionale Dimensionen beim Lehren und Lernen von Fremd- und Zweitsprachen. Im Titel wird bereits deutlich, wie auch Riemer (2020, 160) erwähnt, dass kein einheitliches Verständnis der Termini affektive Faktoren, Affekt, Emotion und Gefühl auszumachen ist bzw. dass nicht eindeutig (bestimmbar) ist, welche Konstrukte darunter zu subsumieren sind. Teils werden diese synonym oder auch in Abgrenzung zueinander verwendet (vgl. Rossa 2020, 174). Einige Autor*innen des fremdsprachendidaktischen Forschungsdiskurses schlagen eine Unterscheidung von Gefühl und Emotion vor (vgl. Ogasa 2011, 44). Mit dem Begriff des Gefühls wird im Regelfall „die Bewertung und Deutung durch das Individuum betont“ (Diehr 2020, 26). Emotion meint hingegen eher die im Gehirn ablaufenden neurologischen Prozesse, die handlungsleitend wirken (vgl. ebd.). Gefühle entstehen nach Rymarczyk (2020, 189) somit als Folge von Emotionen und verstehen sich als „der bewusste Teil der Emotionen“ (ebd.). Dem stimmt auch Settinieri (2020, 215) zu, die das Gefühl als „Teilkomponente der Emotion“ (ebd.), als „ihre subjektive und innerlich bewusst erlebte Seite“ (Kuhbander/ Frenzel 2019, 188, zit. nach Settinieri 2020, 215) definiert (vgl. dazu auch Ogasa 2011, 44). Bezogen auf das Lehrwerk als Untersuchungsgegenstand handelt es sich bei Gefühlen vorrangig um „Sympathie und An‐ 2.4 Erkenntnisinteresse, terminologische Standortbestimmung und Konzeptualisierung 113 <?page no="114"?> tipathie, d. h. um Zu-/ Abneigungsgefühle, die einem Einstellungsobjekt entgegengebracht werden“ (Venus 2017a, 40). Nach Ogasa (2011, 46) werden affektive Faktoren von einigen Autor*innen als Bestandteil des theoretisch definierten Konstrukts der Einstellungen aufgefasst. Dieses beschreibt in seiner Anlage als Dreikomponentenmodell (u. a. kognitiv) die affektive Dimension „als das Fühlen über das Einstellungsobjekt“. Andere Autor*innen der Fremdsprachenforschung hingegen ordnen Konzepte wie Motivation, Einstellungen und individuelle Lebenserfahrungen dem Oberbegriff der emotionalen Faktoren zu (vgl. dazu u. a. Hufeisen 2005, 9). Bei Betrachtung der Verwendung des Begriffs affect in inter‐ nationaler Forschungsliteratur, fällt auf, dass dieser hier im Regelfall als Oberbegriff geführt wird, „der sich auf Faktoren wie Emotion, Gefühl, Stimmung oder Einstellung bezieht, die das Verhalten der Menschen beeinflussen“ (vgl. Ogasa 2011, 47). Diese Verwendungsweise des Begriffs affect lässt sich insb. in der englischsprachigen Forschungsliteratur beobachten: „[…] the term “affect” is used as an overarching category that encompasses moods, feelings and emotions“ (Martinez 2014, 312). Deutlich wird hierdurch, dass die semantischen Felder der Termini im Deutschen und Englischen nicht übereinstimmen: affect als neutralerer Oberbegriff steht dem Affekt als „Bezeichnung starker Erregung“ (vgl. Riemer 2020, 160) bzw. als „Emotionszustand von kurzer und sehr intensiver Zeitdauer, der durch eine starke Verhaltenstendenz charakteri‐ siert ist (‚Handeln im Affekt‘)“ (Settinieri 2020, 215) gegenüber. Der Begriff der Stimmung wird, wie auch der des Affekts, als „Variante des allgemeineren Begriffs ‚Emotion‘“ (ebd.) verstanden (vgl. dazu auch Ogasa 2011, 45). Mit Stimmungen sind i. d. R. länger andauernde Emotionszustände von geringerer Intensität gemeint (vgl. Settinieri 2020, 215). Aus den vorangegangenen Ausführungen können eine begriffliche Unschärfe, das Ineinanderverwobensein der Konzepte und daraus resultierend eine erschwerte Abgren‐ zungsmöglichkeit gefolgert werden. Diehr (2020, 36) erläutert dies exemplarisch anhand des Terminus der Emotion: Emotionen sind vernetzt mit Gefühlen, Stimmungen, Affekten sowie Motivationen, können daher in der Unterrichtsrealität nur bedingt voneinander abgegrenzt werden und stehen überdies im Zusammenhang mit kognitiven Elementen. Terminologisch betrachtet wurde den o. g. Begriffen also nicht nur eine große Bandbreite von Bedeutungen zugeschrieben (vgl. Martinez 2014, 312). Sie beinhalten zudem auch, wie die obigen Ausführungen bereits vermuten lassen, meist weitere Konzepte, wie z. B. Motivation, Einstellungen und Persönlichkeitsmerkmale. Hierbei handelt es sich „bei jedem einzelnen [wieder, JLK] um weitere komplexe Konzepte“ (vgl. Ogasa 2011, 22). Dies kann mit dem Verständnis von Emotion nach Martinez (2014, 313) bekräftigt werden: Neben einer kognitiven und affektiven Dimension der Emotion werden insb. motivationale Komponenten darunter subsumiert. Riemer (2020, 160) weist jedoch darauf hin, dass in manchen Ansätzen Emotionen auch von Motivation abgegrenzt bzw. beide als „komplementäre Felder“ (ebd.) verstanden werden. Mit Bezugnahme auf die Annahmen der Emotions- und Motivationsforschung kann zusammenfassend festgehalten werden, dass sich die Konzepte eher überlappen und ergänzen (u. a. Motivation als „Moderatorvariable“ in der Emotionsforschung und Auf‐ nahme emotionaler Aspekte (z. B. intrinsische Motivation) in der Motivationsforschung) (vgl. Settinieri 2020, 215 f.). Unter Motivation wird in der vorliegenden Arbeit die Bereit‐ 114 2 Theoretischer Teil: Grundlagen und Bezugsrahmen <?page no="115"?> 68 Motivation und Bereitschaft werden als zusammengehörige Konzepte verstanden, die Überschnei‐ dungsbereiche aufweisen bzw. sich als Teilbereich des jeweils anderen verstehen (vgl. dazu Diehr 2020; Meißner 2013). 69 Motivation und Volition sind hier zu verstehen als miteinander verbundene Konzepte. Bei der Motivation handelt es sich um das Streben nach bestimmten Zielen oder Zielobjekten (vgl. Acht‐ ziger/ Gollwitzer 2018, 361; LeDoux 2006, 338 f.). Diese Ziele können nur erreicht werden, wenn volitionale Prozesse der Selbststeuerung in Gang gesetzt werden. Volition bezieht sich hier also auf Phänomene, die die konkrete Realisierung von Zielen im Handeln adressieren (vgl. Achtziger/ Goll‐ witzer 2018, 361). 70 Unter Neugierde wird die „erhöhte Bereitschaft“ verstanden, sich mit neuen, ggf. ungewohnten und komplexen Angelegenheiten auseinanderzusetzen. Teilweise wird Neugierde auch als wichtigster „Kern der Motivation“ verstanden (vgl. Voss 1983, 220 ff.). 71 Unter Interesse wird in der vorliegenden Arbeit die Anteilnahme bzw. Aufmerksamkeit verstanden, die eine Person (an) einer Sache zuteilwerden lässt bzw. der sie einen „subjektiven Wert“ beimisst (vgl. Stangl 2023c). schaft 68 verstanden, „sich intensiv und anhaltend mit einem Gegenstand auseinander zu setzen“ (Hasselhorn/ Gold 2009, 103, zit. nach Diehr 2020, 36). Appel (2001, 188) schreibt motivationalen Orientierungen demnach „eine ernstzunehmende Rolle in Bezug auf das unterrichtliche Handeln“ zu, da Lehrkräfte nicht nur dazu motiviert sein müssen, ihr Wissen weiterzuentwickeln, sondern dafür ebenfalls (volitionale) Prozesse der Selbststeuerung benötigen, durch die sie ihre Absichten schließlich in unterrichtspraktischen Situationen auch umsetzen. Die motivationale Dimension der Emotion nach Martinez (2014, 313) findet sich in ähnlicher Form auch in den Ausführungen zur inhaltlichen Strukturierung des Kompetenz‐ deskriptors savoir être des REPA (Einstellungen und Haltungen) nach Meißner (2013, 52, 58, 61 f.) wieder. Deutlich wird hier erneut das Verwobensein der verschiedenen Konzepte: Motivation wird gemäß diesem Ansatz unter Einstellungen und Haltungen subsumiert (vgl. ebd.). Nach Auffassung beider Autor*innen sind explizit motivationale, jedoch ebenso volitionale Komponenten 69 zu berücksichtigen, die u. a. auch als affektive Faktoren definiert werden (vgl. Legutke 2017, 254 ff.). Forschende nennen dazu Aspekte wie Aufmerksam‐ keit, Neugierde, Offen-/ Aufgeschlossenheit, Bereitschaft sowie den Willen zur kritischen Auseinandersetzung und Hinterfragung (vgl. Meißner 2013, 52, 58, 61 f.). Übertragen auf den Untersuchungsgegenstand werden hierunter eine ausgeprägte Bereitwilligkeit und Fähigkeit zur Reflexion des/ der lehrwerk(verwendungs-)bezogenen Wissens, Erfah‐ rungen und Erwartungen, zur Übernahme von Verantwortung für den eigenen Umgang mit Lehrwerken sowie zum Erkennen von lehrwerkbezogenen „Spielräume[n] für […] Innovation“ (Riemer 2018, 134) verstanden (vgl. dazu ebd., 133). Daraus ergeben sich u. a. die folgenden Faktoren: Bereitschaft und Wille zum Nachdenken über den eigenen Umgang mit dem Lehrwerk, Neugierde 70 und Interesse 71 am Ausprobieren neuer Ansätze und Methoden sowie an Neuerungen der Lehrwerkforschung. Damit im Zusammenhang steht auch die Bereitschaft, sich mit (neuen) Inhalten und Entwicklungen (z. B. im Bereich Lehrwerke) und mit der eigenen Rolle als Lehrkraft im Umgang mit dem Lehrwerk auseinanderzusetzen. Dies rückt volitionale Aspekte in den Vordergrund der folgenden Ausführungen, die im Zusammenhang mit der Bereitwilligkeit und Motivation stehen, sowie ein Indikator dafür sein können, ob sich eine Lehrkraft grundsätzlich näher mit Lehrwerken, ihren Funktionen und Charakteristika sowie dem eigenen Umgang mit diesen 2.4 Erkenntnisinteresse, terminologische Standortbestimmung und Konzeptualisierung 115 <?page no="116"?> kritisch auseinandersetzen will und wird (z.-B. Bereitschaft und Wille zu einem kritischen und kreativen Umgang mit dem Lehrwerk). Unter Volition als „Prozess der Willensbildung“ wird demnach Folgendes verstanden. Das Zitat illustriert dabei auch das dieser Arbeit zugrunde liegende Begriffsverständnis und die Verwobenheit beider Konzepte, weshalb im Fortgang der Terminus der motivational-volitionalen Faktoren genutzt wird. Volition bezeichnet also das, was sich zwischen der Motivation und der Ausführung einer Handlung in einem Menschen abspielt, denn jemand, der gerade motiviert ist, eine Leistung zu erbringen, muss erst einmal überlegen, wie er diese Leistung erbringen kann. Dazu muss er eine Intention fassen, d. h. eine konkrete Handlung planen, anschließend diese geplante Handlung in die Tat umsetzen […]. (Stangl 2023d) Zu den für die Konzeptualisierung des Untersuchungsgegenstands relevanten affektiven Faktoren zählen in Anlehnung an das Verständnis von Ogasa (2011, 22) und Riemer (2020, 164) demnach auch (lehrwerkbezogene) Einstellungen sowie Persönlichkeitsmerkmale der Lehrkräfte, die mit den oben erläuterten Konzepten interagieren (vgl. dazu auch Meißner 2013, 52). Auch Koreik (2020, 78) hebt die Verbindungen zwischen den o. g. Konstrukten hervor: Einstellungen sind mit Gefühlen verknüpft, die u. a. durch (lehrwerkbezogene) Erlebnisse geprägt sind und sich in diesem Zuge zu Erwartungshaltungen weiterentwickeln können. Im deutschsprachigen Raum existiert keine deutliche definitorische Abgrenzung von Einstellungen, Haltungen, Überzeugungen, Vorstellungen, subjektiven Theorien und hand‐ lungsleitenden Kognitionen (vgl. Méron-Minuth 2018, 74 f.). In Forschungsprojekten zu affektiven Faktoren wird bis heute oftmals nicht zwischen den o. g. Konzepten differenziert bzw. angesichts deren Überlappungen auch nicht zumindest der Versuch hierzu unter‐ nommen (vgl. Fritz 2020, 52; Riemer 2001, 379; Venus 2017b, 123). Einige der wenigen Ar‐ beiten, in denen eine Abgrenzung der Begriffe Meinungen, Einstellungen und Überzeugungen angestrebt wird, stellt die Untersuchung von Caspari (2003, 34) dar. Sie gelangt zu dem Ergebnis, dass Meinungen den geringsten Grad an Dauerhaftigkeit und Allgemeingültigkeit aufweisen und eher als „kurzlebiges Urteil“ (ebd.) zu verstehen sind. Einstellungen hingegen seien zeitlich stabiler und weniger situationsabhängig. Überzeugungen wiederum weisen nach Caspari (ebd.) ein Höchstmaß an Stabilität und situativer Unabhängigkeit auf und zählen zu den zentralen Werteorientierungen einer Person (vgl. ebd.). Neuere fremdspra‐ chendidaktische Publikationen zeigen einen unterschiedlichen Umgang mit den Begriffen: Funk (2018, 63) und Kurtz (2018b, 93) verwenden vorrangig die Termini Haltungen und Einstellungen, wobei Funk (ebd.) die Begriffe synonym zueinander gebraucht. Die Kombi‐ nation beider Begriffe (als Oberbegriff) findet sich, wie den vorherigen Ausführungen zu entnehmen ist, auch in den Deskriptoren des REPA wieder (vgl. Meißner 2013, 52). Dakla (2022, 201) entscheidet sich für die Kombination der Begriffe Einstellungen und Meinungen. In der vorliegenden Arbeit wird mit dem Begriff (nicht mit dem Dreikomponenten-Modell) der lehrwerkbezogenen Einstellungen als zeitlich stabile und weniger situationsabhängige Tendenzen bzw. Bewertungen (in Abgrenzung zu Überzeugungen als zentrale Werteorientie‐ rungen einer Person und zu Meinungen als kurzlebige Urteile) weitergearbeitet (vgl. dazu auch Méron-Minuth 2018, 75; Venus 2017a, 40). Dies ermöglicht einerseits eine Berücksichtigung der Vernetzungen der oben erläuterten Konzepte (konkret: Gefühle, Motivation, Volition, Haltungen 116 2 Theoretischer Teil: Grundlagen und Bezugsrahmen <?page no="117"?> und Einstellungen), und andererseits das Herausstellen von Spezifika und Nuancen der einzelnen Konstrukte. Bezogen auf den Untersuchungsgegenstand handelt es sich hierbei u.-a. um Einstel‐ lungen zu Funktionen, Vor- und Nachteilen, der Sinnhaftigkeit von Lehrwerkbestandteilen und Alternativen von bzw. zu Lehrwerken. - 2.4.1.3 Zwischenfazit und Abgrenzung von anderen Konzepten Es bleibt festzuhalten, dass der Terminus der affektiven Faktoren (als ein Teil der subjek‐ tiven Sichtweise) hier im Sinne seiner Verwendung in englischsprachigen Forschungskon‐ texten als neutraler Oberbegriff für die verschiedenen in diesem Teilkapitel erläuterten und nicht synonym verstandenen Konzepte steht (u. a. Zu-/ Abneigungsgefühl, Haltungen, Ein‐ stellungen, Motivation) (vgl. dazu auch Ogasa 2011, 47; Martinez 2014, 312). Abzugrenzen ist davon die Bezeichnung als „starke Erregung“ (Riemer 2020, 160) oder als „Emotionszustand von kurzer und sehr intensiver Zeitdauer […]“ (Settinieri 2020, 215). Trotz der Problematik der begrifflichen Trennschärfe und der Überlappungen zwischen den einzelnen Konzepten wurde in der vorangegangenen Abhandlung der Versuch unter‐ nommen, die Spezifik der einzelnen Dimensionen herauszuarbeiten, aber zugleich auch ihre Vernetzungen untereinander aufzuzeigen. Die subjektive Sichtweise auf Lehrwerke und ihre Verwendung besteht gemäß der vorliegenden Konzeptualisierung aus zwei in Zusammenhang miteinander stehenden Dimensionen: Abbildung 7: Konzeptualisierung der subjektiven Sichtweise auf das Lehrwerk und seine Verwendung Die Entscheidung für die vorgestellte Konzeptualisierung der subjektiven Sichtweise auf Lehrwerke und ihre Verwendung kann darüber hinaus mittels einer kontrastiven Darstellung zu den Konzepten der Einstellung und subjektiven Theorien hinsichtlich ihrer Gegenstandsangemessenheit begründet und weiter untermauert werden. Unter Einstellungen werden „psychische Tendenzen und Gesamtbewertungen eines Einstellungsobjektes“ (Venus 2017a, 40) verstanden, denen eine kognitive, affektive und konative (Verhaltens-)Komponente zugrunde liegt (vgl. Haddock/ Maio 2007, 190). Diese Definition zeigt mit Bezug auf die vorangegangenen Erläuterungen, dass sich das Konstrukt der Einstellungen aus mehreren Bestandteilen zusammensetzt, zwischen denen Verknüp‐ fungen bestehen und die alle „ihren Anteil an einer Gesamteinstellung“ haben (vgl. Venus 2017a, 41). Venus (ebd., 42 f.) beschreibt die Richtung dieser Elemente auf zwei verschiedene Weisen: zum einen als „attitudes as a product of cognitive, affective, and behavioral 2.4 Erkenntnisinteresse, terminologische Standortbestimmung und Konzeptualisierung 117 <?page no="118"?> processes“ und zum anderen als „attitudes as responses“, die aus der Einstellung resultieren. Dies lässt sich mittels nachfolgender Abbildung visualisieren: Abbildung 8: Einstellungskomponenten und deren Richtung (nach Venus 2017a, 43, eigene Darstel‐ lung) Obgleich Teilaspekte des Konzepts der Einstellung auf den vorliegenden Untersuchungs‐ gegenstand angewendet werden können, ist für die vorliegende Konzeptualisierung die Zentrierung auf den attitudinalen Bereich, von dem weitere Beeinflussungstendenzen ausgehen oder die sich aus diesem ergeben, problematisch. Insbesondere zu nennen ist hier das Verhältnis von Einstellungen und ihrer konativen Dimension, was den Anlass für eine kritische Beschäftigung mit der Relation von Einstellungen und Handlungen (zueinander) darstellt. Vor dem Hintergrund der vorgestellten Begründung erscheint es wenig sinnhaft, den Untersuchungsgegenstand aus einer Richtung zu denken, nämlich, dass Einstellungen als Ausgangspunkt betrachtet werden, von dem aus ein gewisses Handeln im Unterricht bzw. mit dem Lehrwerk erfolgt. Handlungsweisen spielen zur Eruierung der Verwendung des Lehrwerks eine zentrale Rolle und werden vornehmlich auf einer deskriptiven Ebene konzeptualisiert (Dimension der Rezeption und Verwendung) (vgl. Kap. 2.4.2). Beobachtete Verwendungsweisen werden nicht zwingend in einen Kontext zu Einstellungen gesetzt bzw. von diesen als Ausgangspunkt aus gedacht. Die Untersuchung und Testung, ob und inwiefern sich die einzelnen Dimensionen (subjektive Sichtweise und Verwendung) gegenseitig beeinflussen, würden das vorliegende Erkenntnisinteresse und das Untersuchungsdesign der Studie nicht nur überfrachten, sondern auch von einer anderen Forschungsfragestellung ausgehen. Nichtsdestotrotz werden im Rahmen der quantitativen Auswertung potenzielle Hinweise zum Verhältnis dieser Variablen gegeben (vgl. Kap. 4.5). Die Ermittlung von Korrelationen zwischen Einstellungen und Handeln wird von Caspari (2014, 23 f.) unter Bezugnahme auf verschiedene Studien des (fremdsprachen-) didaktischen Forschungsdiskurses (vgl. dazu u. a. Lee 2009; Schart 2003) darüber hinaus als „außerordentlich komplex“ (Caspari 2014, 24) beschrieben. Denn die Gestaltung des Unterrichts werde von weiteren Faktoren beeinflusst und es müsse zwischen verschiedenen Handlungstypen/ -formen unterschieden werden, wie z. B. Affekthandlungen oder men‐ tales, zielgerichtetes und prozessorientiertes Handeln (vgl. Caspari 2014, 24; Wieser 2008, 68). Einige der Studien (vgl. dazu Lee 2009; Schart 2003) zeigen, dass sich Einstellungen der Lehrkräfte zum Unterricht und Unterrichten durchaus von ihrem Verhalten in konkreten Unterrichtssituationen unterscheiden können. An Phänomenen wie der „aufgesetzten“ oder „bloßen Überzeugung und an Routinen“ (Trautmann 2005, 49), die für die Material- 118 2 Theoretischer Teil: Grundlagen und Bezugsrahmen <?page no="119"?> 72 Nicht nur das Verhältnis von Einstellungen und Handeln wird im (fremdsprachendidaktischen) Forschungsdiskurs analysiert und diskutiert, sondern auch das von Wissen und Handeln (vgl. dazu kognitives Element der subjektiven Sichtweise auf Lehrwerke), das hier nur exkursartig behandelt werden soll. Insgesamt lassen sich drei verschiedene Positionen aufführen, die ein jeweils unterschiedliches Verhältnis von Wissen und Handeln annehmen: 1. Entscheidungen in Handlungs‐ situationen als unmittelbare Anwendung vorweg etablierter Wissensstände, 2. Bestimmtheit des Handeln der Lehrkräfte durch ihr berufliches Können und 3. Verortung des Wissens und Handelns in einem zirkulären Prozess und in unterschiedlichen Handlungstypen („dritte Wissensform“, in welcher sich wissenschaftliche und praktische Handlungsweisen begegnen) (vgl. Schädlich 2019, 14 f., 19 ff.; Wieser 2008, 67 ff., 74, 82 f.). Die grundlegende Problematik des Verhältnisses von Wissen und Handeln sieht Schädlich (2019, 15) im „Bruch zwischen der handelnden Einübung in die Praxis einerseits, und einer nicht in konkrete unterrichtliche Handlungen transformierbaren Aneignung theoretischen Wissens andererseits“. Schädlich (ebd., 15, 21) nennt in diesem Kontext die Beispiele des „trägen Wissens“ und der „blinden Routine“, mit denen sie aufzeigt, dass das Handeln von Lehrkräften zwar durch bestimmte (bewusste) Wissensanteile bestimmt sein kann, aber darüber hinaus „unbewusste Routinen“ (ebd., 21) und (implizite) „inkorporierte Praktiken unterliegende Wissensbereiche“ (ebd.) eine zentrale Rolle spielen (vgl. dazu auch Neuweg (1999) zum Konzept der „Könnerschaft“, Theorien des impliziten Wissens und Habitustheorien). nutzung eine maßgebliche Rolle spielen können, wird deutlich, „dass Vorstellungen darüber, wie man handelt oder handeln sollte, nicht mit dem tatsächlichen Handeln übereinstimmen müssen, oder dass Handeln auch nichtreflexiv stattfinden kann“ (ebd.). Bezugnehmend auf die sich laut Caspari (2016b, 44) verfestigende Erkenntnis im fremdsprachendidaktischen Diskurs wird davon ausgegangen, „dass die subjektiven Über‐ zeugungen von Lehrkräften zwar sehr wirkmächtig sind, ihr Handeln aber nur teilweise erklären können“ (ebd.), da ihre Aussagekraft „aufgrund situativer und sozial wie indivi‐ duell unbewusster Faktoren begrenzt“ sei (ebd., 2016a, 308). 72 Auch die Intention des Forschungsprogramms und -konzepts der subjektiven Theo‐ rien mit einem spezifischen methodischen Zugang (vgl. Scheele/ Groeben 1988) sowie Ansätze, die subjektive Theorien „als gedankliches Konstrukt dem Handeln als Realität gegenüberstellen“ (Kallenbach 1995, 91), erscheinen für die vorliegende Konzeptualisierung nicht angemessen. Im Zentrum des methodischen Vorgehens des Forschungsprogramms der subjektiven Theorien steht der Abgleich zwischen der kommunikativ validierten rekonstruierten subjektiven Theorie (auf Basis der Struktur-Lege-Technik) und der von den Forschenden rekonstruierten Struktur der subjektiven Theorie (vgl. Wieser 2008, 57). Die Anwendung von Ansätzen, die subjektive Theorien „als gedankliches Konstrukt dem Handeln als Realität gegenüberstellen“ (Kallenbach 1995, 91), ist vor dem Hintergrund der Mehrfaktorialität des Untersuchungsgegenstands fragwürdig. Dies ist damit zu be‐ gründen, dass sie von „Einseitigkeiten in der Forschungsausrichtung“ (Wieser 2008, 57) gekennzeichnet sind und „interaktive und soziale Einflüsse“ (ebd., 59) vernachlässigen. Auch Schocker-von Ditfurth (2001, 164) führt an, dass sich das „Handeln in komplexen Situationen“ nicht durch eine „Übereinstimmung von Handlungstheorie und -vollzug“ ermitteln lasse, sondern von den Akteur*innen unterschiedlich interpretiert werde und aufgrund der Vielzahl zusammenwirkender Faktoren multiperspektivisch ausgerichtet sei. Auch wenn Beeinflussungstendenzen zwischen den einzelnen Dimensionen ange‐ nommen werden (müssen), liegt der Fokus weder auf einem Abgleich noch auf der Beantwortung der Frage, ob und inwiefern die subjektive Sichtweise der Lehrkräfte deren 2.4 Erkenntnisinteresse, terminologische Standortbestimmung und Konzeptualisierung 119 <?page no="120"?> Verwendungsweise des Lehrwerks steuert bzw. handlungsleitend ist. Vielmehr kann durch die vorliegende Konzeptualisierung des Untersuchungsgegenstands und einem daran an‐ gepassten Mixed-Methods-Untersuchungsdesign (vgl. Kap. 3.4) den Charakteristika sowie der Spezifik des Forschungsprojekts Rechnung getragen werden. 2.4.2 Rezeption und Verwendung des Lehrwerks Die zweite zentrale Dimension zur Eruierung des Untersuchungsgegenstands umfasst die Rezeption und Verwendung des Lehrwerks durch Lehrende aus verschiedenen Per‐ spektiven. Zum einen werden hierbei die der Lehrwerknutzung zugrunde gelegten Mo‐ tive im Verbund mit den subjektiven Sichtweisen der Lehrkräfte (u. a. fachdidaktische Kenntnisse, didaktisch-methodische Prinzipien, Einstellungen) sowie situative Parameter ergründet (v. a. lerngruppenbedingte Umstände, Unterrichtsvorkommnisse, Reaktionen der Lernenden). Somit können die vielfältigen Hintergründe bestimmter materialbezogener Entscheidungen (z. B. wie das Lehrwerk verwendet wird) offengelegt werden. Zum anderen wird in diesem Zuge eine prozedurale Ebene fokussiert, mit der aus einem quantitativen, quantifizierenden und qualitativen Blickwinkel Aufschluss über die konkrete Lehrwerkrezeption und -verwendung zur Unterrichtsvor- und -nachbereitung sowie im Unterricht geliefert werden kann (u. a. Unterrichtsphasierung und -sequenzierung, konkrete Lekti‐ onsarbeit, unterrichtspraktische Umsetzung, Nutzung von Handlungsoptionen). Da im Forschungsdiskurs zu Lehrwerken eine terminologische Vielfalt existiert, folgt an dieser Stelle auf Basis der Ausführungen in Kap. 2.3.1 eine Begründung für die Weiterarbeit mit den beiden o. g. Konzepten. Bei näherer Betrachtung ihres Bedeutungsgehalts, fällt auf, dass mit ihnen unterschiedliche Aktionen und Prozesse einhergehen bzw. von ihnen aus‐ gehen, die in Relation zueinander stehen und sich gegenseitig bedingen (vgl. Müller-Bittner 2008, 86). Die Rezeption von Materialien kann als „aktive Auseinandersetzung bzw. Interaktion von Personen“ (ebd.) mit diesen verstanden werden. Müller-Bittner (ebd.) beschreibt Rezeption auch als „Transformation, als Übersetzung bzw. Einfügung in das eigene Begriffssystem bzw. den ei‐ genen normativen Bezugsrahmen“ (ebd.), vor dessen Hintergrund dann eine Selektion stattfindet, indem das Material ausgewählt und bewertet (Annahme/ Ablehnung) wird. Die Verwendung hingegen stellt eine beobachtbare Handlung in einem spezifischen Kontext dar (vgl. ebd., 87). Von Bedeutung ist, dass sowohl die Rezeption als Prozess, der sich zuerst im Individuum abspielt, als auch die in der Folge gezeigte Verwendung als Resultat des vorausgehenden Prozesses der aktiven Auseinandersetzung eine zentrale Rolle bei der Erforschung des Untersuchungsgegenstands spielen. Beide Abläufe sind miteinander vernetzt und können sich gegenseitig beeinflussen (vgl. ebd.). Im Zuge der Rezeption des Materials vor der Verwendung im Unterricht sind insb. Aspekte von Relevanz, die in Relation zum eigenen Begriffssystem und Bezugsrahmen stehen. Hierbei steht im Vordergrund, … • wie bei der Durchsicht des Materials bzw. der Lektion vorgegangen wird; • welche Lehrwerkbestandteile als Analysegrundlage dienen; • welche Analyseansätze vorhanden sind; • warum und wie Auswahlentscheidungen getroffen werden; • inwiefern die Analyse mit Instrumenten (z.-B. Kriterienraster) durchgeführt wird. 120 2 Theoretischer Teil: Grundlagen und Bezugsrahmen <?page no="121"?> Bei näherer Betrachtung der Verwendungsweise von Lehrwerken im Unterricht durch Lehrkräfte sind verschiedene Gesichtspunkte von Bedeutung, bspw. welche Lehrwerkbe‐ standteile wie oft, wann, zu welchem Zweck und auf welche Weise genutzt werden. Bezogen auf den zeitlichen Rahmen einer Unterrichtsstunde sind darüber hinaus der Zusammenhang von Lehrwerkverwendung und der jeweiligen Unterrichtsphase/ -sequenz sowie deren Zeitanteile von Interesse. Vertiefend dazu steht der Umgang mit der jewei‐ ligen Lektion im Vordergrund, da sich an dieser Einteilung die Lehrwerkverwendung häufig maßgeblich orientiert (z. B. obligatorische und fakultative Teile, Einführungsseiten, Lesetexte etc.). Dies leitet zur konkreten unterrichtspraktischen Umsetzung von Inhalten, Aufgaben und Übungen (z. B. Durchführung, Besprechung) sowie der Nutzung von Handlungsoptionen zur Veränderung von Lehrwerkbestandteilen über. Mit der Modifizie‐ rung von Lehrwerkbestandteilen und ihren Inhalten, Aufgaben und Übungen kann dann einhergehen, dass sich Lehrkräfte (phasenweise) gegen die Einbindung des Lehrwerks entscheiden und ihren Unterricht lehrwerkunabhängig(er) gestalten. Von Bedeutung ist hier, wann, wie oft und wie lehrwerkunabhängigere Formate und Phasen eingebunden werden und in welchem Verhältnis diese zu den lehrwerkzentrierten Unterrichtsanteilen stehen. Neben einer rein verwendungsspezifischen Dimension wird Lehrwerknutzung darüber hinaus auch auf einer Metaebene und in einem interaktionalen Kontext betrachtet, mit der/ dem Aufschluss darüber erlangt werden soll, ob und wenn ja, wie Lehrkräfte das Lehr‐ werk explizit im Unterricht thematisieren und die Lernenden in die Lehrwerkbesprechung einbinden. Wie bereits obigen Erläuterungen entnommen werden kann (vgl. Kap. 2.3.2.3), er‐ scheinen Lehrkräften Inhalte und Vorgehensweisen zentral, die sich als sinnvoll sowie praktikabel und infolgedessen kompatibel mit dem Schulalltag erwiesen haben. Dement‐ sprechend setzen Lehrkräfte diese fortlaufend ein und bedienen sich ihrer Routinen (vgl. Erdmenger 1997, 90). Von Lehrkräften getroffene lehrwerkbezogene Entscheidungen müssen dabei nicht immer diskursiv-methodisch angelegt sein oder auf Reflexion (im Sinne eines prüfenden Nachdenkens) basieren (vgl. dazu u. a. Schocker-von Ditfurth 2001, 23). Sie können ebenso impulsgeleitet stattfinden und spontan unter situationsspezifischen Bedingungen an die Gegebenheiten angepasst werden. Weiterhin von Bedeutung auf der Ebene der Rezeption und Verwendung von Materialien ist die Fähigkeit der Lehrenden, ihre Lernenden „lesen“ zu können (vgl. Legutke 2018, 100), indem sie die „Lernvoraussetzungen der Lernenden verstehen, ihre Haltungen (…) dekodieren und ihre Sprachentwicklung im sozio- und psychodynamischen Kontext der Gruppe fördern“. In der Konsequenz können dann (neue) Lernwege ermittelt und Hilfen angeboten werden (vgl. ebd.). Mit Blick auf den Untersuchungsgegenstand ist insb. die notwendige Fähigkeit von Lehrenden anzuführen, „in Lehr-/ Lernmaterialien, Unterrichts‐ entwürfen und bei der Wahl konkreter Aktivitäten die Spielräume aufzuspüren“ (ebd.), damit es den Lernenden ermöglicht werden kann, selbst aktiv zu werden und eigene (Lern-)Wege auszuprobieren (vgl. ebd.). 2.4 Erkenntnisinteresse, terminologische Standortbestimmung und Konzeptualisierung 121 <?page no="122"?> 2.4.3 Strukturelle Faktoren Als dritter Bereich werden strukturelle Faktoren begrifflich bestimmt und konzeptualisiert, die im Vergleich zu den vorherigen Dimensionen primär externer bzw. systembezogener Natur sind. Hierbei handelt es sich um institutionelle und curriculare Rahmenbedingungen, zeitliche, thematische, klassenspezifische Aspekte sowie um Ausstattungsmerkmale der Schule. Der institutionelle Rahmen, der die Lehrwerkverwendung kennzeichnet, ist die Schule. Diese versteht sich als „eine Institution der Gesellschaft“ (Hintz, Pöppel & Rekus 1993, 118) und ist gleichzeitig „auch eine für die Gesellschaft“ (ebd.). Demnach wird sie von gesellschaftlichen Interessen geleitet und soll dem Zweck des (organisierten) Lernens dienen, wozu der Staat zentrale Auflagen festsetzt, wie z. B. die Schulpflicht oder allgemeine Inhalte und Prüfungen (vgl. Tremp 2004, 347). Folglich werden der Schule verschiedene Funktionen zuteil, insb. die der Erziehung, Qualifikation, Selektion und Legitimation (vgl. Blömeke/ Herzig 2009, 1, 3 ff.). Mit diesem kurzen Abriss zur Institution Schule wird bereits deutlich, dass bei der Ergründung des Untersuchungsgegenstandes wesentliche systembedingte und nur partiell veränderbare Faktoren mitgedacht und in den Ergebnissen reflektiert werden müssen (z. B. das Verhältnis von Lehrwerkverwendung und vorgeschrie‐ benen Inhalten und Prüfungen sowie eigene Ansichten und Interessen der Lehrenden und Lernenden). Damit geht einher, dass die in den bildungspolitischen Dokumenten und Curricula enthaltenen Vorgaben die Nutzung des Lehrwerks durch die Lehrkraft eher befördern, da sich in ihnen bereits eine systematische und gebündelte Darbietung von Inhalten, Möglichkeiten zur Kompetenzförderung etc. findet. Dieses Angebot kann der Lehrkraft als eine Art „Absicherung“ dienen, den Anforderungen nachzukommen und dies zudem auf eine kontrollierbare bzw. nachvollziehbare Weise. Das macht die Auseinandersetzung mit dem Lehrwerk für Lehrkräfte unausweichlich, denn aktuell lassen sich kaum tatsächlich umsetzbare Alternativen zu diesem finden, die mit dem Schulalltag und den beruflichen Anforderungen kompatibel sind (vgl. Kap. 2.1.4). Weitere Faktoren, die sich auf die Verwendung des Lehrwerks auswirken können, sind zeitlich sowie thematisch bedingt. Da kaum eine Unterrichtsstunde frei von Zeitdruck ist, insb. in der unmittelbaren Phase vor Leistungsüberprüfungen, ist dieser Gesichtspunkt von besonderer Bedeutung. So können sich zeitliche Aspekte v. a. sowohl auf die Auswahl der Inhalte, Methoden und spezifischen Aufgaben und Übungen auswirken als auch den Umgang der Lehrkraft mit dem Lehrwerk folgendermaßen lenken, dass primär Aufgaben und Übungen (ggf. additiv) bearbeitet werden, die für die Leistungsüberprüfung relevant sind (vgl. dazu u. a. Menkabu/ Harwood 2014). Als eine mögliche Konsequenz folgt hieraus, dass die Lehrkraft ggf. nur teilweise ihre Ideen zu einem kritischen, kreativen und flexiblen Umgang mit dem Lehrwerk realisieren kann. Thematische Aspekte können dahingehend eine Rolle spielen, dass ggf. Inhalte in Bestandteilen von Lehrwerken aus Sicht der Lehrkraft nicht sinnvoll und sprachniveau‐ passend aufbereitet wurden oder an einer anderen Stelle (in der Lektion) bearbeitet werden sollten, weshalb sich weiterer Materialquellen bedient wird oder Verschiebungen vorgenommen werden. 122 2 Theoretischer Teil: Grundlagen und Bezugsrahmen <?page no="123"?> 73 An dieser Stelle soll angemerkt werden, dass im Forschungsdiskurs fortwährend betont wird, dass sich Lehrwerke als Angebot verstehen, derer man sich bedienen kann und die nicht in aller Gänze oder in der dargelegten Reihenfolge bearbeitet werden müssen (vgl. Kap. 2.1.4). Zudem kann die Verwendung des Lehrwerks auch von der Klassenstufe abhängig sein. Insbesondere in der Sekundarstufe II (fortgeführte Fremdsprache) wird das Lehrwerk i. d. R. nicht mehr in seiner steuernden Funktion zur Aneignung sprachlicher Grundlagen ver‐ wendet, sondern vielmehr als Materialpool oder Dossier für weiterführende Aktivitäten. 73 Auch ausstattungsspezifische Merkmale von Schulen und Klassenräumen können Aus‐ wirkungen auf die Nutzung des Lehrwerks haben. Sofern insb. dementsprechend ausge‐ stattete Multimedia-Räume sowie eine Internetverbindung nur begrenzt vorhanden sind, lassen sich zahlreiche Materialien des Lehrwerks, v. a. digitaler Natur, nicht oder nur teil‐ weise didaktisch-methodisch sinnvoll nutzen, was demnach in die fehlende (komfortable) Möglichkeit der Verwendung von Lehrwerkbestandteilen mündet. Im Bereich der strukturellen Faktoren wird darüber hinaus die COVID-19-Pandemie als gesundheitliche, soziale und politische Ausnahmesituation vor dem Hintergrund der davon ausgehenden Wirkungen auf die subjektive Sichtweise auf und Verwendung von Lehrwerke/ n mit konzeptualisiert. Hierdurch werden empirische Erkenntnisse zur Rolle und Nutzung des Lehrwerks im Fremdsprachenunterricht während einer Krisensituation gewonnen, auf die sich insb. der schulische Bildungsbetrieb mit Heranwachsenden relativ unvermittelt einstellen musste. Von Relevanz für die Untersuchung ist hierbei bspw. inwie‐ fern die Lehrkräfte einen unterschiedlichen Stellenwert des Lehrwerks (vor und nach der Hauptzeit der Pandemie) wahrgenommen haben und inwieweit sich ihre Lehrwerkverwen‐ dung während der COVID-19-Pandemie verändert hat. Überdies werden lehrwerkbezogene Probleme aufgedeckt und Konsequenzen identifiziert, die die Lehrpersonen für ihren eigenen Unterricht daraus abgeleitet haben. 2.4.4 Zwischenfazit und abschließende Konzeptualisierung des Untersuchungsgegenstands Die Nutzung und Wirkung von Lehrwerken ist stets lehrkraft-, klassen-, schüler*innen- und kontextabhängig (vgl. Doll/ Rehfinger 2012, 25 f.). Die theoretische Aufbereitung sowie die Anlage des Untersuchungsdesigns liegen dabei in einer Form vor, die möglichst viele Aspekte der Verwendung des Lehrwerks auf unterschiedlichen Ebenen berücksichtigt, sodass diese aufgeschlüsselt und miteinander vernetzt werden können. Ausgehend von der begrifflichen Bestimmung und Konzeptualisierung erfolgt die inhaltliche Füllung des Untersuchungsgegenstands, indem dieser gemäß den oben erläuterten Dimensionen in Indikatoren zerlegt wird, die eine empirische Erhebung ermöglichen. Dieses Vorgehen erfolgt unter Einbezug bisher vorliegender Erkenntnisse aus Theorie und Empirie (vgl. Kap. 2.3) sowie unter Adaption der für das Erkenntnisinteresse und der durch die Forscherin weiterbzw. teils auch neu entwickelten Konstrukte sowie der eingenommenen Perspek‐ tiven(-vielfalt). 2.4 Erkenntnisinteresse, terminologische Standortbestimmung und Konzeptualisierung 123 <?page no="124"?> Dimension des Unter‐ suchungsgegenstands Inhaltliche Füllung und Indikatoren Subjektive Sichtweise (kognitiv) • Deklarative Kenntnisse zum Lehrwerk auf einer begrifflichen und konzeptionellen Ebene - Terminologie, Aufbau, Struktur, Analyse, Entwicklung • Prozedurale Kenntnisse zur Lehrwerkverwendung („Lehrwerkver‐ wendungswissen“) - u. a. Funktionsverständnis von Lehrwerken, Kenntnisse zu einer zielgerechten Lehrwerkverwendung, zur Ausgestaltung von Lernumgebungen hinsichtlich des Materialeinsatzes, Auf‐ gabenformaten und Arbeitsformen sowie zu Handlungsop‐ tionen zur Veränderung des Materials • Lehrwerk(verwendungs-)bezogenes Erfahrungswissen - Kenntnisse, Einsichten und Routinen aus wiederholt er‐ lebten Verwendungssituationen, intuitive lehrwerkbezogene Entscheidungen • Selbstbezogene Kognitionen als lehrwerk(verwendungs-)bezo‐ genes Aufgabenverständnis von Lehrkräften - v. a. Aufgaben bei der Lehrwerkarbeit, Rolle als Lehrwerkver‐ wendende und Verantwortliche für eine zielgerechte Verwen‐ dung und Reflexion darüber • z. B.: kritischer, kreativer und flexibler Umgang mit dem Lehrwerk, Veränderung von Inhalten, Aufgaben und Übungen in Lehrwerkbestandteilen und deren Anlässe, Erstellung eigener Materialien und lehrwerkunabhän‐ giger Unterricht, eigene Verantwortung beim Umgang mit dem Lehrwerk - äußere Faktoren/ Erwartungen von außen, strukturelle As‐ pekte Subjektive Sichtweise (affektiv) • (Un-)Zufriedenheit mit dem Lehrwerk • Erwartungen und Wünsche an Lehrwerke • Einstellungen zu/ r… - Funktionen, Vor- und Nachteilen von Lehrwerken für Leh‐ rende und Lernende - Sinnhaftigkeit von verschiedenen Lehrwerkbestandteilen und deren Verzahnung - Abschaffung von Lehrwerken und deren Alternativen • Motivationale und volitionale Aspekte - Bereitschaft und Wille … • zum Nachdenken über den eigenen Umgang mit dem Lehrwerk • zu einem kritischen, kreativen und flexiblen Umgang mit dem Lehrwerk • zur Offenlegung des eigenen Umgangs mit dem Lehrwerk • zur Analyse und Weiterentwicklung des eigenen Um‐ gangs mit dem Lehrwerk (z.-B. durch Peer-Verfahren) - Neugierde und Interesse … • am Ausprobieren neuer/ anderer Ansätze und Methoden • an Neuerungen der Lehrwerkforschung - Entschlossenheit zum Vertreten der eigenen Meinung zu Lehr‐ werken - Aufgeschlossen-/ Offenheit-gegenüber-der Veränderung der eigenen Meinung zu Lehrwerken und der eigenen Lehrwerk‐ arbeit (z.-B. Revidierung von Vorurteilen, Aufbruch) Rezeption und Verwen‐ dung • Motive der Lehrwerkrezeption und -verwendung sowie material‐ bezogener Entscheidungen im Verbund mit den subjektiven Sicht‐ weisen der Lehrkräfte (u. a. fremdsprachendidaktische Kenntnisse) 124 2 Theoretischer Teil: Grundlagen und Bezugsrahmen <?page no="125"?> Dimension des Unter‐ suchungsgegenstands Inhaltliche Füllung und Indikatoren • Situative Parameter (u. a. Unterrichtsvorkommnisse, Verhalten/ Re‐ aktion der Lernenden) • Vorab-Auseinandersetzung mit dem Material und dessen Aus‐ wahl-(eigenes-Begriffssystem-und-normativer Bezugsrahmen) • Lehrwerkrezeption und -verwendung … - zur Unterrichtsvor- und -nachbereitung sowie im Unterricht (u.-a. Zeitpunkt, Häufigkeit, Anlass/ Zweck, Art und Weise, Verhältnis der einzelnen Lehrwerkbestandteile zueinander) - in verschiedenen Unterrichtsphasen und -sequenzen - und Unterrichtsprinzipien • Lektionsarbeit (Umgang mit einzelnen Lektionsteilen) • unterrichtspraktische Einbindung/ Umsetzung von Texten, Auf‐ gaben und Übungen • Nutzung von Handlungsoptionen und Gründe zur Veränderung von Lehrwerkbestandteilen (Häufigkeit, Dauer, Art und Weise) • Positionierung-zu-und-Durchführung-von lehrwerkunabhängigem Unterricht • Metaebene der Lehrwerkarbeit: explizite Thematisierung des Lehr‐ werks und der Arbeit damit im Unterrichtskontext • Einbindung der Lernenden in die Lehrwerkbesprechung Strukturelle Faktoren • institutionelle und curriculare Rahmenbedingungen • zeitliche Faktoren • Thema/ Inhalt • Klasse/ Klassenstufe • technische Ausstattung der Schule • räumliche Ausstattung der Schule • Exkurs: COVID-19-Pandemie Tabelle 13: Konzeptualisierung des Untersuchungsgegenstands (II) 2.4 Erkenntnisinteresse, terminologische Standortbestimmung und Konzeptualisierung 125 <?page no="127"?> 3 Empirischer Teil: Konzeption und Durchführung der Studie Im zweiten Hauptkapitel der vorliegenden Arbeit wurden u. a. der Forschungsstand und zentrale Desiderate der (empirischen) Lehrwerk(verwendungs-)forschung geschildert. Diese bestehen insb. in der direkten Rückbindung empirischer Studien an den Verwen‐ dungskontext von Lehrwerken und an die (beobachtete) Interaktion der Lehrkräfte mit dem Material. Ausgehend von dem formulierten Erkenntnisinteresse und der Konzeptua‐ lisierung des Untersuchungsgegenstands (2.4) werden konkrete Forschungsfragestellungen abgeleitet (3.1), an der die Entwicklung des Untersuchungsdesigns ausgerichtet ist. Im Zuge dessen wird die vorliegende Studie in das Untersuchungsfeld eingeordnet. Im Anschluss erfolgt eine kontextuelle Rahmung der empirischen Studie (3.2), indem der Zugang zum For‐ schungsfeld (3.2.1), der Auswahlprozess der Studienteilnehmenden (3.2.2), die konkreten Untersuchungszeiträume (3.2.3) und pandemiebezogenen Umstände (3.2.4) präsentiert werden. Daran anknüpfend folgt die Erläuterung forschungsethischer Gesichtspunkte, die aus verschiedenen Perspektiven beleuchtet und von denen aus konkrete Handlungsfelder bestimmt werden (3.3). Daraufhin wird eine forschungsmethodologische Verortung (Mixed Methods) vorge‐ nommen, in deren Rahmen das grundlegende Methodenverständnis der empirischen Untersuchung sowie eine terminologische Standortbestimmung und Abgrenzung (3.4.1) dargelegt werden. Auf dieser Grundlage werden methodische Überlegungen und die Entscheidung für ein Mixed-Methods-Design begründet (3.4.2) und davon ausgehend die Erhebungsmethoden und deren Gegenstandsangemessenheit dargestellt sowie die konkreten Erhebungsinstrumente aus einer prozess- und produktorientierten Perspektive beschrieben (3.5.1-3.5.3). Nach einem Einblick in die Pilotierung der Erhebungsinstrumente sowie der daraus abgeleiteten Konsequenzen für die Hauptstudie (3.6) wird der Prozess der Datenaufbereitung anhand der einzelnen Datensätze fokussiert (3.7). Den letzten Bereich des empirischen Teils stellt die Datenauswertung dar (3.8). Nach einer Schilderung theoretischer Überlegungen und Begründungen zur Wahl sowie zur Gegenstandsangemes‐ senheit der verschiedenen Auswertungsmethoden werden diese konkreter hinsichtlich ihrer Umsetzung im Rahmen der Untersuchung in den Blick genommen (3.8.1-3.8.2). Abschließend wird der Prozess der Datenanalyse auf die Charakteristika der vorliegenden Mixed-Methods-Studie zugeschnitten (3.8.3) und die eingesetzte Software beim Datenaus‐ wertungsprozess erläutert (3.8.4). 3.1 Forschungsfragen und Einordnung der Studie in das Forschungsfeld In Anbetracht der Tatsache, dass die empirische Lehrwerk(verwendungs-)forschung zu den unterrepräsentiertesten Untersuchungsfeldern der Fremdsprachendidaktik gehört und den damit einhergehenden grundlegenden Forschungslücken, liegt ein zentrales Anliegen der Arbeit darin, empirische Zugänge zum begrenzt erforschten Gegenstandsbereich der <?page no="128"?> Lehrwerkverwendung im Spanischunterricht der Sekundarstufe I zu entwickeln. Dabei soll insb. eine unmittelbare Rückbindung an den Unterrichtskontext aus einer prozessbe‐ zogenen Perspektive erfolgen. Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf der Ergründung der subjektiven Sichtweise der Lehrkräfte auf das Lehrwerk und seine Verwendung. Ferner werden strukturelle Faktoren und deren Einfluss auf die Lehrwerknutzung adressiert. Der gewählte Mixed-Methods-Ansatz (vgl. Kap. 3.4) erlaubt es dabei im Besonderen, die verschiedenen Datenerhebungsinstrumente miteinander zu verflechten. Auf diese Weise kann eine Perspektivenvielfalt mit Blick auf die Faktorenkomplexion des Untersuchungs‐ gegenstands gewährleistet werden, um so einen breiten und tiefen Erkenntnisgewinn zu erzielen. Aus dem Erkenntnisinteresse der Studie ergeben sich vier Fragenkomplexe, deren Inhalte in einem wechselseitigen Verhältnis zueinanderstehen bzw. sich gegenseitig bedingen. Daher kann deren Struktur als netzwerkartig beschrieben werden. Dimension des Untersuchungsgegenstands Fragenkomplexe Kognitive Dimension der subjek‐ tiven Sichtweise Über welche deklarativen und prozeduralen Kenntnisse ver‐ fügen Lehrkräfte zum Lehrwerk, seiner Analyse, Entwicklung und Verwendung? (Ia) Wie definieren Lehrkräfte ihr lehr‐ werk(verwendungs-)bezogenes Aufgabenverständnis? (Ib) Affektive Dimension der subjek‐ tiven Sichtweise Wie positionieren sich Lehrkräfte zum Lehrwerk? (IIa) Welche Rolle spielen dabei motivational-volitionale Faktoren? (IIb) Rezeption und Verwendung des Lehrwerks -- Wie wird das Lehrwerk zur Unterrichtsvor- und -nachberei‐ tung rezipiert sowie im Unterricht verwendet? Wie gestalten sich Materialselektionsprozesse? Welche Veränderungsmaß‐ nahmen werden vorgenommen, warum und wie? (IIIa) Welche Motive liegen der Lehrwerkrezeption und -verwendung sowie daraus resultierenden materialbezogenen Entscheidungen zu‐ grunde? (IIIb) Strukturelle Faktoren - Welche strukturellen Faktoren sind beim Umgang mit dem Lehrwerk von Bedeutung? In welchem Ausmaß und wie nehmen sie Einfluss? (IV) Tabelle 14: Zuordnung der Dimensionen des Untersuchungsgegenstands zu Fragenkomplexen Die Anlage des Erkenntnisinteresses und die netzwerkartige Struktur der Forschungsfragen ermöglichen die Aufschlüsselung eines wesentlichen Teils des Faktoren- und Bedingungs‐ gefüges, in dem sich Lehrwerke wiederfinden (s. dazu die mit einem * markierten Bereiche und zwischen ihnen bestehende Wechselwirkungen in Abb. 9). 128 3 Empirischer Teil: Konzeption und Durchführung der Studie <?page no="129"?> Abbildung 9: Konzeptualisierung des Faktoren- und Bedingungsgefüges des Lehrwerks (nach Ezeiza Ramos 2009, 18) unter Darbietung der Studienschwerpunkte Die präsentierte Graphik zeigt die Vielschichtigkeit möglicher Perspektiven auf den Unter‐ suchungsgegenstand Lehrwerk. Darüber hinaus macht sie aber auch die bereits erläuterte Multifaktorialität und Dynamik des Themas deutlich, das in Wechselwirkung zu diversen Bereichen steht (z. B. Lehrende, Lernende, Autor*innen, Verlage), die wiederum von wei‐ teren Entwicklungen und Charakteristika geprägt werden (z. B. Wissen, Ausbildung und Einstellung der Lehrkraft, Kontakte zu Ausbilder*innen sowie Kolleginnen und Kollegen, Verlagswesen, Materialspezifika etc.). Auf der Materialebene wird das Zusammenspiel verschiedener Faktoren besonders deutlich: An Verlage werden bestimmte Anforderungen zur Lehrwerkkonzeption gestellt, die bspw. die Umsetzung gewisser Sprachlernkonzepte sowie didaktisch-methodischer Ausrichtungen und ausgewählte Inhalte vorgeben. Diese interagieren in der Folge mit den Kenntnissen, Erfahrungen und Einstellungen der Autor*innen im Zuge einer Zusammenarbeit in multiprofessionellen Teams, die mögliche Lernendenfaktoren und deren Reak‐ tionen antizipieren sowie versuchen, die vielfältigen, teils nicht immer zu vereinbarenden Anforderungen miteinander zu verbinden (vgl. Kap. 2.3.2.2), um die Genehmigung des Materials durch die Kultusministerien zu erreichen. Die vorausgehenden Beispiele zeigen deutlich, dass in diesem vielschichtigen Unter‐ suchungsfeld nicht alle Wechselwirkungen und Abhängigkeiten berücksichtigt werden können. Es ist daher notwendig und zielführend, eine Auswahl und Spezifizierung des je‐ weiligen Untersuchungsgegenstandbereichs zu treffen, um eine tiefgründige Beschäftigung mit dem Forschungsgegenstand (im Rahmen eines Promotionsprojekts) gewährleisten zu können. Die eingezeichneten Stern-Symbole in der Graphik (Abb. 9) veranschaulichen 3.1 Forschungsfragen und Einordnung der Studie in das Forschungsfeld 129 <?page no="130"?> 74 Vgl. vertiefend zur fremdsprachendidaktischen Lehrer*innenforschung u. a. Burwitz-Melzer, Riemer & Schmelter (2018), Caspari (2016b), Legutke/ Schart (2016) und Roters/ Trautmann (2014). exakt den Bereich, dem sich das vorliegende Forschungsprojekt widmet, wohlwissend, dass der ausgewählte und begründete Teilbereich in Wechselwirkung zu den anderen Akteur*innen steht und von diesen maßgebliche Beeinflussungstendenzen ausgehen (z. B. Kultusministerien, Verlage etc.). Aus den vorangegangenen Erläuterungen ist zu folgern, dass die Studie maßgeblich dem Feld der empirischen Lehrwerk(verwendungs-)forschung zuzuordnen ist. Ausgehend von einem materialbezogenen und nutzungsorientierten Fokus wird das Verhältnis zwi‐ schen Lehrkraft und Lehrwerk näher betrachtet. Durch die begründete Entscheidung für Lehrende als Untersuchungsteilnehmende dieser Studie (vgl. Kap. 2.3.3) wird im Folgenden in Kombination mit der von Caspari (2014, 22) dargelegten Systematisierung der Felder der empirischen fremdsprachendidaktischen Lehrer*innenforschung 74 das vorliegende Forschungsvorhaben inhaltlich, thematisch und forschungsmethodologisch gerahmt. Inhaltlich betrachtet stellt das Forschungsprojekt eine Untersuchung dar, die sich nicht auf die subjektive Sichtweise von Lehrkräften beschränkt, sondern gleichzeitig die Verwendungspraxis fokussiert. Dies wird hier jedoch nicht als Abgleich von zwei Perspektiven verstanden, sondern als grundlegend erachtet, um der Komplexität des Un‐ tersuchungsgegenstands und seinen zahlreichen Facetten gerecht zu werden (vgl. Kap. 2.4). In diesem Kontext wird berücksichtigt, dass sich der Zusammenhang zwischen subjektiven Sichtweisen und Lehrer*innenhandeln aufgrund des Zusammenwirkens verschiedener Faktoren als äußerst komplex erweist (vgl. Caspari 2014, 22 ff.). Dies hat zur Folge, dass in die Konzeptualisierung des Untersuchungsgegenstands diverse weitere Faktoren (z. B. strukturell) aufgenommen werden, die potenziell Auswirkungen auf den Umgang mit Lehrwerken haben können. Thematisch findet eine Konzentration auf die subjektive Sichtweise der Lehrkräfte auf das Lehrwerk und dessen Rezeption und Verwendung vor bzw. im Spanischunterricht der Sekundarstufe I unter Berücksichtigung struktureller Faktoren statt. Die konkrete inhalt‐ liche Konzeptualisierung und Aufbereitung des Untersuchungsgegenstands (und seiner Dimensionen), mit der die Inhalte des Theorieteils gebündelt und in einen Zusammenhang gesetzt werden, sind Kap. 2.4 zu entnehmen. Forschungsmethodologisch wird basierend auf der terminologischen Standortbestim‐ mung und Konzeptualisierung des Untersuchungsgegenstands sowie der Ausrichtung und Spezifik der Forschungsfragen ein dreigliedriges sequenzielles Mixed-Methods- Untersuchungsdesign mit verschiedenen Erhebungsinstrumenten entwickelt, dessen Ge‐ genstandsangemessenheit in Kap. 3.4 ausgeführt wird. Damit versteht sich die vorliegende Untersuchung als eine der wenigen Studien im deutschsprachigen Raum zum fremdspra‐ chendidaktischen Diskurs, die neben der Vielzahl qualitativ-empirischer Arbeiten und zunehmenden quantitativen Messungen (z. B. im Kompetenzparadigma) (vgl. Schädlich 2019, 13 f.) eine Kombination und Integration beider Forschungspole im Sinne des Mixed- Methods-Ansatzes vollzieht, um weitläufigere sowie tiefgründigere Erkenntnisse zu er‐ zielen, die einen wechselseitigen Beitrag zur Erforschung komplexer Untersuchungsgegen‐ stände leisten. 130 3 Empirischer Teil: Konzeption und Durchführung der Studie <?page no="131"?> Die Ausführungen in diesem Teilkapitel und die Konzeptualisierung des Untersuchungs‐ gegenstands bilden die weitere Grundlage für die Planung und Durchführung der empiri‐ schen Studie, stellen den Ausgangspunkt für die Anlage des Untersuchungsdesigns dar und werden in die Konstruktion spezifischer Erhebungsinstrumente überführt. In einem weiteren Schritt werden die generierten Daten mit angepassten Auswertungsmethoden analysiert, um die daraus gewonnenen Erkenntnisse gemäß den vier Fragenkomplexen in Kap. 4 integrativ zu präsentieren. 3.2 Kontextuelle Rahmung der empirischen Studie Um die Konzeption und Durchführung der vorliegenden Untersuchung in der Tiefe erläutern zu können, bedarf es zunächst einer kontextuellen Rahmung der empirischen Studie, die den Zugang zum Forschungsfeld (3.2.1.), den Auswahlprozess der Studienteil‐ nehmenden (3.2.2.), die konkreten Untersuchungszeiträume (3.2.3.) und pandemiebezogene Umstände (3.2.4.) darlegt. 3.2.1 Zugang zum Forschungsfeld Die Organisation und Gestaltung des Zugangs zum Untersuchungsfeld sind von der Aneignung umfangreichen Vorwissens inhaltlicher und organisatorischer Art geprägt. Auf inhaltlicher Ebene steht die Auswahl des genauen Forschungsfeldes, das Zugang zu reichhaltigen und detaillierten Informationen gewährt, im Vordergrund (vgl. Ophuysen, Bloh & Gehrau 2017, 77 f.). Auf organisatorischer Ebene zählt zum sog. Vorwissen insb. „die Kenntnis aller nötigen Schritte“ (ebd., 78) und ihrer Abfolge (z. B. Institutionen, Kon‐ taktaufnahme, Vorstellungen) sowie das Einholen von Genehmigungen zur Durchführung der Datenerhebung. Hierunter werden v. a. die Prüfung rechtlicher Einschränkungen (u. a. zum Datenschutz) und die Einwilligung von Institutionen, in denen beobachtet wird, bzw. Personen, die befragt werden sollen, subsumiert (vgl. ebd., 78). Aus den vorgelegten Ausführungen lassen sich sog. „Barrieren“ (ebd., 77) beim Zugang zum Forschungsgebiet ableiten, die Ophuysen, Bloh und Gehrau (ebd.) in formale und soziale Zugangsregeln, feld‐ spezifisches Wissen und forschungsethische Probleme unterteilen (vgl. zu feldspezifischem Wissen und forschungsethischen Problemen Kap. 3.3). Aufgrund dieser potenziell auftre‐ tenden Spannungsverhältnisse bei der Zugangsfindung zum Forschungsfeld beschreibt Flick (2016, 149) diesen Vorgang mit der Metapher vom „Forschenden als professioneller Fremder“. Forschende finden sich demnach in einem Aushandlungsprozess von „Nähe und Distanz, Offenlegung, Transparenz […] wechselseitige[n] Erwartungen, Ziele[n] und Interessen“ (ebd., 151) wieder, weshalb er den Zugang zum Feld auch als einen „komplexe[n] Prozess der Selbstverortung und des Verortetwerdens“ (ebd., 152) charakterisiert. Für das weitere Vorgehen der Forscherin beim Feldzugang waren demnach die folgenden Fragen nach Wolff (2017, 33) leitend: • Wie gelingt es mir, mit dem Forschungsfeld in Kontakt zu treten und mein Gegenüber zur Mitwirkung zu bewegen? 3.2 Kontextuelle Rahmung der empirischen Studie 131 <?page no="132"?> • Wie kann ich mich selbst im Verhältnis zum Feld so positionieren, dass die sachlichen, zeitlichen und sozialen Rahmenbedingungen für eine sachgerechte Durchführung der geplanten Forschungsarbeit gewährleistet sind oder zumindest meine entsprechenden Handlungsmöglichkeiten nicht entscheidend eingeschränkt werden? Inhaltliche Ebene des Zugangs zum Forschungsfeld In der vorliegenden Studie konnte der institutionelle Rahmen - das Feld, in dem die empi‐ rische Untersuchung durchgeführt wurde - aufgrund der Anlage der Forschungsfragen und der damit einhergehenden Fokussierung konkret bestimmt und klar abgesteckt werden (vgl. Kap. 3.1). Außerdem wurde im Zuge der längerfristigen Erkundung der Charakteristika des Untersuchungsfelds Schule und Fremdsprachenunterricht bereits vor und während der Pilotierung der Erhebungsinstrumente feldspezifisches (Vor-)Wissen erworben. Organisatorische Ebene des Zugangs zum Forschungsfeld Bevor der Kontakt zum vorliegenden Forschungsfeld hergestellt werden durfte, wurde die Genehmigung der Forschungsunternehmung beim Hessischen Kultusministerium eingeholt. Bei der Beantragung wurde die Untersuchung ausführlich erläutert (theoretische Grundlagen, Untersuchungsdesign) sowie von der Forscherin ergriffene datenschutzrecht‐ liche und aufklärende Maßnahmen dargestellt (u. a. Datenaufbewahrungs- und Lösch‐ konzept, Informationsschreiben, Einverständniserklärungen). Weitere Ebenen, die an der „Regelung des Zugangs“ (Flick 2016, 154) beteiligt waren, betrafen die jeweilige Schule und deren Schulleitung, die direkten (Lehrende) und indirekten (Lernende) Studienteilnehm‐ enden sowie die Erziehungsberechtigten der Lernenden. Die Kontaktaufnahme zum vorliegenden Forschungsfeld erfolgte hauptsächlich direkt, indem Schulmitglieder (i. d. R. Schul-, Fachbereichs- und Fachleitung sowie Spanischlehr‐ kräfte) vorab über grundlegende Aspekte der Studie, Ziele der Erhebung und das Unter‐ suchungsdesign schriftlich informiert und um die Möglichkeit einer Projektvorstellung im Schulkontext, z. B. auf Schul- und Fachkonferenzen, gebeten wurden. Des Weiteren wurde eine Kurzvorstellung des Forschungsprojekts auf der Website des Deutschen Spani‐ schlehrerverbandes veröffentlicht, über die sich potenziell interessierte Personen gezielt informieren und die Forscherin bei Bedarf kontaktieren konnten. Der Zugang zu den Schulen und den Spanischlehrkräften, die sich an der Gesamtstudie (schriftliche Befragung, videographische Beobachtung, mündliche Befragung) beteiligt haben, wurde darüber hinaus mittels einer Gatekeeperin realisiert, die aufgrund ihrer beruflichen Position andere Angehörige des Untersuchungsfelds zur Partizipation an der Untersuchung motivieren konnte (vgl. Misoch 2019, 201). Dieses Vorgehen wird daher als angemessen erachtet, da anderenfalls der Zugang zu Institutionen und Personen, die sich zur Beobachtung ihres Unterrichts in Anwesenheit von Schutzbefohlenen bereit erklären, ohne tiefergehendes Vertrauensverhältnis schwierig wäre. 3.2.2 Samplingstrategien Die Zusammensetzung der Studienteilnehmenden nimmt maßgeblich Einfluss auf die Datenerhebung, -auswertung und Präsentation der Ergebnisse und damit einhergehend 132 3 Empirischer Teil: Konzeption und Durchführung der Studie <?page no="133"?> insb. auch auf die Aussagekraft der Studie (vgl. Grum/ Legutke 2022, 85). Des Weiteren kann sie von äußeren Umständen beeinflusst werden (z. B. durch die Bereitschaft der Teilnehmenden und/ oder den zeitlichen Umfang der Untersuchungen). Im Rahmen der vorliegenden Studie war es trotz intensiven Bemühens der Forscherin nicht vollständig möglich, die Gesamtanzahl von Spanischlehrenden zu ermitteln, die Spanisch als zweite Fremdsprache unterrichten, da in den Ministerien ausschließlich Dokumentationen von allen Spanischlehrenden des jeweiligen Bundeslandes existieren. Die festgelegte Zielgruppe darf sich jedoch ausschließlich aus Spanischlehrkräften zusam‐ mensetzen, die im Unterricht der zweiten Fremdsprache tätig sind, denn sonst können keine zuverlässigen Erkenntnisse zum Wahlpflichtunterricht (der zweiten Fremdsprachen) generiert werden (vgl. dazu die Unterschiede zum Unterricht der dritten Fremdsprachen hinsichtlich Verpflichtungsgrad, Stundenanzahl, Lerndauer etc.). Darüber hinaus ist Spa‐ nisch ein äußerst heterogen verteiltes Unterrichtsfach in Deutschland. So gibt es bspw. Bundesländer wie Bayern und das Saarland, in denen Spanisch als zweite Fremdsprache nicht angeboten wird. Andere Bundesländer hingegen, wie Bremen, Hamburg, Berlin, Hessen und Niedersachen, verfügen über ein sehr breites Angebot (vgl. Kap. 2.2). Hinzu kommen Unterschiede bei der Größe von Schulen und der Anzahl von Schüler*innen sowie der daraus resultierende Bedarf an Spanischlehrkräften (für die zweite Fremdsprache) in den einzelnen Bundesländern. Die Auswahl der Studienteilnehmer*innen fand unter Rückgriff auf einige etablierte Samplingstrategien statt (vgl. dazu Grum/ Legutke 2022, 87 ff.; Misoch 2019, 204), die im Folgenden genauer erläutert werden. Für die Zusammenstellung eines aussagekräftigen Samples ist die Klärung der erforderlichen Anzahl der Studienteilnehmenden nötig. Zur Erzielung aufschlussreicher Ergebnisse, die sich im Idealfall zumindest teilweise auf die Grundgesamtheit der Sekundarschullehrkräfte übertragen lassen, darf die Untersuchungs‐ gruppe nicht nur ähnliche sowie typische Fälle beinhalten, sondern muss vielmehr durch eine maximale Variation gekennzeichnet sein. Um eine möglichst breite Erhebungsgrund‐ lage zu schaffen, wurde der Fragebogen an Spanischlehrkräfte in ganz Deutschland ver‐ sandt. Letztlich konnte ein Stichprobenumfang von 105 Spanischlehrkräften, die Spanisch als zweite Fremdsprache an weiterführenden Schulen unterrichten, erzielt werden. Die konkrete Wahl und Kombination verschiedener Samplingstrategien werden im Folgenden vor dem Hintergrund der Mixed-Methods-Anlage der Studie und ineinander‐ greifender, aber auch unterschiedlicher Erhebungsphasen für die quantitativ- und quali‐ tativ-orientierten Studienteile differenziert. Die Teilnehmenden der Fragebogenerhebung wurden gezielt ausgewählt (purposive sampling), indem ein zentrales Kriterium festgelegt wurde, dem die Lehrkräfte entsprechen mussten: die Erteilung des Unterrichts des Spani‐ schen als zweite Fremdsprache an weiterführenden Schulen in Deutschland. Dieses Verfahren gewährleistet, dass die „inhaltliche Entsprechung“ der Teilnehmenden vorliegt, und aufgrund dieses einzigen zentralen Kriteriums wird die Gefahr minimiert, dass ggf. relevante Merkmale außer Acht gelassen werden (vgl. Misoch 2019, 209). Einige Studienteilnehmer*innen konnten über das Schneeballprinzip zur Partizipation bewegt werden, indem die bereits am Fragebogen beteiligten Personen die Kontaktdaten weiterer ihnen bekannter Lehrkräfte an die Forscherin bzw. die Kontaktdaten der Forscherin an diese übermittelt haben. Anschließend wurde vor Aufnahme der vorgeschlagenen 3.2 Kontextuelle Rahmung der empirischen Studie 133 <?page no="134"?> Personen das Vorliegen des o. g. Kriteriums geprüft. Die Problematik, die dieser Sam‐ plingstrategie im Forschungsdiskurs zugeschrieben wird, nämlich das Risiko potenzieller Verzerrungen durch die bewusste oder unbewusste Vorselektion der Beteiligten, kann für die vorliegende Teilnehmendenauswahl vernachlässigt werden, da die Fragebogen‐ studie für einen verhältnismäßig großen Personenkreis geöffnet war und der relevante Auswahlparameter eingehalten wurde (vgl. ebd., 207). Zudem erfolgte der Versuch, so viele dem Untersuchungskriterium entsprechende Personen wie möglich zu gewinnen, um die Wahrscheinlichkeit zu reduzieren, dass Merkmalsträger*innen die Ergebnisse verfälschen (vgl. dazu u.-a. Duscha 2007, 239). Basierend auf einer ersten Auswertung der Fragebogendaten wurden sieben Lehrkräfte der Fragebogenerhebung ausgewählt, die sich an der Gesamtstudie (schriftliche Befragung, videographische Beobachtung, mündliche Befragung) beteiligt haben. Um ein maximal variables Sample realisieren zu können, wurden für die qualitativen Studienteile konkretere Auswahlparameter zum gezielten Sampling (purposive sampling) festgelegt (vgl. Misoch 2019, 208): • Geschlecht und Alter; • Bezug zur spanischen Sprache (Erst-/ Fremdsprache); • Fächerkombination; • Aus- und Weiterbildungskontext (fach- und materialbezogen, weitere Tätigkeit im Schuldienst); • Berufserfahrung im Fach Spanisch als zweite Fremdsprache; • Erfahrung mit verschiedenen Lehrwerken/ Materialien im Spanischunterricht (Anzahl, Dauer). Für die vorliegende Wahl der Untersuchungsteilnehmenden erschien eine Kombination aus einem Profilsampling und einer Maximalvariation angemessen. Aufgrund der Mixed-Me‐ thods-Anlage des Untersuchungsdesigns können mit der quantitativ-orientierten Fragebo‐ generhebung bereits erste Informationen über die Teilnehmer*innen generiert werden, welche im Anschluss daran die Grundlage für das Sample der qualitativen Studie bzw. der Gesamtstudie bilden und einer tiefergehenden Analyse unterzogen werden (vgl. ebd., 209). Auch Silverman (2000, 104 ff.) rät in solchen Fällen zur Kombination von quantitativen Angaben mit Hinweisen auf die Grundgesamtheit und qualitativen Einzelfällen, was bei der gewählten Teilnehmendenauswahl durch die Orientierung an o. g. Auswahlparametern umgesetzt wurde. Die Strategie der Maximalvariation dient der Herstellung eines möglichst heterogenen Samples, das sich aus „unterschiedliche[n] Fällen im Hinblick auf die zu untersuchende[n] Merkmalsausprägungen“ zusammensetzt (vgl. Misoch 2019, 210). Konkret heißt das für diese Untersuchung, dass der Versuch unternommen wurde, nach Möglichkeit eher ab‐ lehnende, zustimmende und mittlere Haltungen zum Lehrwerk sowie unterschiedlich intensives Nutzungsverhalten der Teilnehmenden in das Sample aufzunehmen. Die oben erläuterte Kombination von Samplingstrategien wurde durch die Selbstakti‐ vierung (vgl. dazu Reinders 2005, 141) erweitert. Dies begründet sich vor dem Hintergrund des stark invasiven Charakters videographischer Unterrichtsbeobachtungen und deren Auswirkung auf die Stimmung und das Verhalten der beobachteten Person. Um das Beein‐ 134 3 Empirischer Teil: Konzeption und Durchführung der Studie <?page no="135"?> flussungsausmaß, das von dem potenziellen Unbehagen und der Skepsis der Beteiligten ausgehen kann (vgl. dazu u. a. Dinkelaker/ Herrle 2009, 18), auf die Datenqualität der Aufzeichnungen so gering wie möglich zu halten, wurden für die Beobachtung ausschließ‐ lich Personen ausgewählt, die ihre Bereitschaft dazu offen bekundeten. Personen, die bis zur Bearbeitung des Fragebogens noch unentschlossen waren, wurde die Möglichkeit gegeben, am Ende des Fragebogens ihr Interesse an der Partizipation an der Gesamtstudie mitzuteilen. Auch wenn die „Selbstselektion der Untersuchungsteilnehmenden“ (Seifert 2016, 169) durchaus kritisch im Forschungsdiskurs betrachtet wird, stand insb. vor dem Hintergrund der Einhaltung forschungsethischer Standards (vgl. Kap. 3.3) die Freiwilligkeit und Motivation der Studienteilnehmer*innen im Vordergrund, die im Übrigen auch zur Reduzierung von Verzerrungen des videographierten Unterrichts führen kann (vgl. dazu u.-a. Ricart-Brede 2011, 113). In Ergänzung zu den oben erläuterten Samplingstrategien wurde die Auswahl der Teilnehmenden an weiteren inhaltlichen bzw. untersuchungsgegenstandspezifischen sowie strukturellen Gesichtspunkten (im Sinne des o. g. purposive sampling) ausgerichtet, deren Umsetzung jedoch vor dem Hintergrund der Möglichkeiten und Begrenzungen, die aus der Selbstselektion der Beteiligten an der Gesamtstudie resultieren, betrachtet werden muss. Bei der Auswahl der partizipierenden Lehrpersonen stand nicht der Anspruch im Vor‐ dergrund, soziodemographische Merkmale der Grundgesamtheit der Spanischlehrkräfte in Deutschland genau darzustellen. Dennoch sollte mindestens eine männliche Person für die Gesamtstudie gewonnen werden. Mit Bezug auf das Alter und die Berufserfahrung konnten sowohl sehr erfahrene und erfahrene Lehrkräfte als auch ein*e Berufsanfänger*in gewonnen werden. Dies ist insb. mit Blick auf Unterrichtsroutinen und den Materialum‐ gang für die Beantwortung der Forschungsfragen von Interesse. In geografischer Hinsicht konnte eine gewisse regionale Streuung ermöglicht werden. Die Mehrheit unterrichtet an einem Gymnasium in einer südhessischen Großstadt, das über eine jahrzehntelange Tradition im Bereich des Spanischen als zweite Fremdsprache verfügt. Eine Lehrkraft unterrichtet am Gymnasialzweig einer kooperativen Gesamtschule in einer Gemeinde Südhessens mit einer kurzen Tradition des Spanischen als zweite Fremdsprache. Darüber hinaus wurden die Untersuchungsteilnehmenden nach den zum Zeitpunkt der Untersuchung unterrichteten Klassenstufen ausgewählt, um sowohl einen möglichst umfassenden Blick auf das Untersuchungsfeld (Sekundarstufe I) werfen zu können als auch innerhalb einer Klassenstufe einen gewissen Grad an Tiefe zu ermöglichen. Hinsichtlich des von den Lehrkräften zum Zeitpunkt der Untersuchung verwendeten Materials wurde der Versuch unternommen, ebenfalls ein größtmögliches Maß an Varianz bezüglich des Verlags (zwei Lehrwerke unterschiedlicher Verlage) und des Erscheinungs‐ jahrs (2008 und 2016) zu erzielen. Mit den getroffenen Entscheidungen konnte ein gewisses Maß an Repräsentativität erreicht werden (vgl. dazu Przyborski/ Wohlrab-Sahr 2021, 227 ff.), das sich jedoch ohne statistische Relevanz versteht (vgl. dazu Peuschel 2012, 72). 3.2 Kontextuelle Rahmung der empirischen Studie 135 <?page no="136"?> 3.2.3 Untersuchungszeiträume Die Vorbereitung und Organisation der Datenerhebung im Sinne der Pilotierung der Erhebungsinstrumente umfasste den Zeitraum von Dezember 2019 bis März 2020. Die eigentliche Datenerhebung - nach Vorstellung und Prüfung der Erhebungsinstrumente im Rahmen von Forschungskolloquien - fand im Zeitraum von sieben Monaten zwischen Mai 2020 und November 2020 statt. Über den gesamten Zeitraum hinweg konnten interessierte und dem o. g. Auswahlparameter entsprechende Lehrkräfte an der Fragebogenerhebung teilnehmen. Aufgrund der COVID-19-Pandemie, mit der deutschlandweit flächendeckende Schul‐ schließungen einhergingen, konnte der ursprüngliche Beginn der Beobachtung nicht realisiert werden, weshalb dieser auf den frühestmöglichen Zeitraum ab August 2020 nach den Sommerferien in Hessen verschoben werden musste. Darüber hinaus wurde der Beobachtungszeitraum mit inhaltlichem Bezug zur Beantwortung der Forschungsfragen bestimmt, indem bewusst Unterrichtseinheiten einige Wochen vor der Leistungsüberprü‐ fung sowie kurz vor und nach dieser ausgewählt wurden, um Hinweise auf den Einfluss schulstruktureller Rahmenbedingungen auf die Lehrwerkverwendung zu erhalten und ggf. dadurch entstehende verzerrende Effekte zu minimieren. Die Zeiträume der Gesamtstudie können der nachfolgenden schematischen Darstellung entnommen werden. Sie ergeben sich darüber hinaus vor dem Hintergrund der hessischen Schulferien, der Klausurtermine sowie anderweitiger Verpflichtungen und Erkrankungen der Beteiligten. Lehrkraft I Fragebogen: 05/ 20 Beobachtung: 07.09.-02.10.20 und 27.10.20 Interview: 19.11.20 Lehrkraft II Fragebogen: 05/ 20 Beobachtung: 09.09.-18.09.20 und 20.11.20 Interview: 28.11.20 Lehrkraft III Fragebogen: 05/ 20 Beobachtung: 09.09.-30.09.20 Interview: 28.10.20 Lehrkraft IV Fragebogen: 05/ 20 Beobachtung: 07.09.-29.09.20 Interview: 05.11.20 Lehrkraft V Fragebogen: 05/ 20 Beobachtung: 07.09.-28.09.20 Interview: 02.11.20 Lehrkraft VI Fragebogen: 05/ 20 Beobachtung: 29.10.-06.11.20 Interview: 21.11.20 Lehrkraft VII Fragebogen: 05/ 20 Beobachtung: 09.09.-30.09.20 Interview: 22.10.20 Tabelle 15: Untersuchungszeiträume der Gesamtstudie nach Studienteilnehmenden 136 3 Empirischer Teil: Konzeption und Durchführung der Studie <?page no="137"?> 3.2.4 Pandemiebezogene Umstände Für die Forscherin stellten die mit der COVID-19-Pandemie verbundenen Einschränkungen eine erhebliche Herausforderung bei der Durchführung der Studie dar. Nach intensiven Gesprächen mit Wissenschaftler*innen aus verschiedenen Kontexten sowie den Schullei‐ tungen und Lehrkräften fiel die Entscheidung für die Datenerhebung in den in Kap. 3.2.3 genannten Zeitraum. So konnten die Wiederaufnahme der Studie gewährleistet (s. dazu die erneuten Schulschließungen nach Studienende) und grundlegende inhaltliche Veränderungen sowie solche des Untersuchungsdesigns vermieden werden. Diese hätten ansonsten die ursprünglich geplante und begründete Studie und ihr Erkenntnisinteresse im Wesentlichen verändert, die aus der Pilotierung gewonnenen Erkenntnisse unbrauchbar gemacht und die bisher geleistete Forschungsarbeit und Erhebungsinstrumententwicklung auf einen Stand zu Beginn des Vorhabens zurückgeworfen. Aus dem Vorgehen und der Reaktion der Forscherin im Dialog mit den o. g. Partner*innen (Universität, Schule) wird ersichtlich, welchen besonderen Umständen insb. empirische Forschungsprojekte ausge‐ setzt sein können, denen es regelkonform, gegenstandsangemessen, ressourcenadäquat, aber auch flexibel zu begegnen gilt. 3.3 Forschungsethische Gesichtspunkte: Perspektiven und Handlungsfelder Nach einer kontextuellen Rahmung der empirischen Untersuchung erfolgt eine Darlegung forschungsethischer Gesichtspunkte, mit denen unterschiedliche Perspektiven beleuchtet und von denen ausgehend konkrete Handlungsfelder bestimmt werden. Nach Hopf (2017a, 590) werden unter Forschungsethik „Prinzipien und Regeln“ verstanden, mit denen be‐ stimmt wird, wie die Beziehung zwischen Forschenden und Teilnehmenden zu gestalten ist. Daher verstehen sich forschungsethische Überlegungen in allen Phasen des Forschungs‐ prozesses sowie die Reflexion der Sichtweise(n) aller Beteiligten als grundlegend für jede wissenschaftliche Untersuchung (vgl. Miethe 2013, 928). Küster (2011, 139) unterscheidet vor dem Hintergrund seiner Einordnung von Ethik in der Fremdsprachenforschung zwei Perspektiven, die er in fünf Handlungsfelder unterteilt. Unter einer „prudentiellen Perspek‐ tive“ werden die Gebiete der „Verantwortung der Forschenden vor und für sich selbst“ sowie „gegenüber dem privaten Umfeld“ (z. B. Vereinbarkeit von beruflichem Engagement und privaten Verpflichtungen) subsumiert. Der „moralischen Perspektive“ ordnet Küster (ebd.) die „Verantwortung der Fremdsprachenforschenden gegenüber … • der scientific community; • den unmittelbar Beforschten (quantitative Forschung) bzw. den am Forschungsprozess unmittelbar Beteiligten (qualitative Forschung und Handlungsforschung); • gesellschaftlichen und universitären Institutionen und deren Anforderungen“ zu. In Anlehnung an die von Küster (ebd., 140) ausgeloteten Handlungsfelder betreffen forschungsethische Fragen im engeren Sinne eher die zweite, also moralische Perspektive, die hinsichtlich der Relevanz für das vorliegende Untersuchungsprojekt den Schwerpunkt der folgenden Ausführungen bildet. Außerdem wird sich an den Empfehlungen von Flick 3.3 Forschungsethische Gesichtspunkte: Perspektiven und Handlungsfelder 137 <?page no="138"?> (2009, 296) und dem Ethikkodex der Deutschen Gesellschaft für Fremdsprachenforschung (DGFF 2019) orientiert. Die Forscherin trägt gegenüber der Forschungsgemeinschaft die Verantwortung für einen sorgfältigen, vertrauenswürdigen und ehrlichen Umgang mit Literatur sowie den von anderen Autor*innen vertretenen Positionen und Untersuchungsergebnissen. Darüber hinaus ist es ihre Aufgabe, Arbeitsweisen, den Datenerhebungs- und -auswertungsprozess sowie Argumentationen und Interpretationen transparent und nachvollziehbar zu erläu‐ tern. Zudem dürfen der Forschungsöffentlichkeit keine Inhalte und/ oder Widersprüche in den Daten vorenthalten werden (vgl. Legutke/ Schramm 2022, 114, 120). Des Weiteren sind von der Forscherin gewisse forschungsethische Prinzipien einzu‐ halten. Die vorliegende Studie ist maßgeblich an den folgenden Maximen (Flick 2009, 282; Hopf 2017a, 589 ff.; Miethe 2013, 929 ff.) ausgerichtet, deren Ausführungen schwerpunkt‐ mäßig diesem Teilkapitel sowie je nach Angabe weiteren Teilkapiteln zu entnehmen sind: • Begründung der Notwendigkeit der Erforschung des gewählten Untersuchungsgegens‐ tands (vgl. Kap.-1, 2.3.2.3, 2.4); • informierte Einwilligung - Erläuterung des Forschungsziels und des Ausmaßes der Mitwirkung der Teilneh‐ menden (vgl. dazu dieses Teilkapitel; Kap.-1.1, 2.4, 3.5); - Darlegung des methodischen Vorgehens (vgl. Kap. 3.5); - Einschätzung über positive/ negative Folgen der Forschungstätigkeit für die Teil‐ nehmenden (vgl. dazu dieses Teilkapitel); • Freiwilligkeit der Teilnahme (vgl. dazu dieses Teilkapitel); • Vermeidung von Schädigungen der Forschungsteilnehmenden (vgl. dazu dieses Teil‐ kapitel); • Absicherung der Anonymitäts- und Vertraulichkeitszusage und Beachtung geltender Datenschutzbestimmungen (vgl. dazu dieses Teilkapitel). Mit der informierten Einwilligung geht ein Offenlegen der Ziele der Studie, Aufklärungen über die Dauer, Belastungen und Risiken sowie über den Umgang mit Daten und Ergeb‐ nissen einher. Weiterhin gilt es, auf die Freiwilligkeit der Teilnahme und auf die Möglichkeit der Beendigung der Partizipation an der Studie hinzuweisen (vgl. Miethe 2013, 929). Mit der Einhaltung des Prinzips der Anonymisierung ist die Problematik verbunden, dass ggf. für die Eruierung des Untersuchungsgegenstands relevante Inhalte der Öffentlichkeit vorent‐ halten werden müssen, weshalb es „zwischen dem Schutz der individuellen Privatsphäre und dem wissenschaftlichen Erkenntnisinteresse“ (ebd., 931) stets abzuwägen gilt. Eine weitere Schwierigkeit ist dadurch gekennzeichnet, dass sich Teilnehmende oft untereinander trotz des Einsatzes anonymisierender Verfahren (wieder-)erkennen können (z. B. anhand von Meinungen zu Lehrwerken oder der Unterrichtsgestaltung). Weiterhin fordern manche Studienteilnehmer*innen sogar, dass sie in der Publikation offen genannt werden und empfinden dies anderenfalls als „Entwertung ihrer Informationen“ (vgl. ebd.). Kritisch zu bemerken ist hier jedoch, dass die Beteiligten ggf. „die tatsächliche Reichweite der Publikation und der von ihnen gemachten Aussagen“ (ebd., 932) nicht genau einschätzen können. 138 3 Empirischer Teil: Konzeption und Durchführung der Studie <?page no="139"?> Zum Prinzip der Nicht-Schädigung lässt sich anmerken, dass Untersuchungsteilneh‐ mende in geisteswissenschaftlichen Studien meist weniger durch das Forschungsvorhaben an sich gefährdet sind, sondern vielmehr durch potenzielle Folgen der Partizipation, wie bspw. durch die Verletzung der Vertraulichkeitszusagen, die Weitergabe personenbezo‐ gener Daten und die fehlerhafte Anonymisierung in Publikationen (vgl. Hopf 2017a, 594 ff.). Bei der „normativen Gestaltung der eigenen Forschungspraxis“ (ebd., 590) sind darüber hinaus Datenschutzgesetze auf Bundes- und Länderebene in den Bereichen der Erhebung, Auswertung, Aufbewahrung, Weitergabe und Veröffentlichung von Daten heranzuziehen, insb. im Hinblick auf die Wahrung der Persönlichkeitsrechte bzw. des „informationellen Selbstbestimmungsrechts“ (ebd.) der Teilnehmenden (vgl. ebd.). Zu berücksichtigen gilt dabei stets, dass auch wenn Forschende über Forschungsziele und -vorgehen informieren, ein gewisses Risiko besteht, dass Beteiligte die übermittelten Inhalte nicht vollständig verstehen oder ggf. anders interpretieren, weshalb sich auf den „Wahrnehmungs-, Inter‐ pretations- und Werthorizont“ der Untersuchungsteilnehmenden eingestellt werden muss (vgl. ebd., 592-f.; erläuterte Maßnahmen beim Zugang zum Feld in Kap. 3.1.2). Nach Erteilen des schriftlichen Einverständnisses der Untersuchungsteilnehmenden und der Aufklärung über die Möglichkeit des Widerrufs wurden zum Schutz der Beteiligten alle Namen und Ortsangaben und alle weiteren Bezeichnungen, die zur Identifizierung führen könnten, anonymisiert. Zum Zwecke der Wahrung der Anonymität wurden auch sämtliche elektronisch sowie im Druck verfügbare Materialien von Beginn an unter einem Code geführt, sodass die Verschlüsselung der Daten auch hier das Wiedererkennen der Teilnehmer*innen unmöglich macht. Neben der Aufklärung der partizipierenden Lehrkräfte über Inhalte, Zielsetzungen, forschungsmethodologische und -methodische Aspekte sowie über ihre Rechte und rechtliche Grundlagen in Bezug auf den weiteren Umgang mit ihren Daten sind darüber hinaus folgende Maßnahmen zur Sicherheit der Daten des Online-Fragebogens in Anlehnung an Pflüger und Dobel (2014, 512) umgesetzt worden: • Einsatz von Verschlüsselungsprotokollen für die Datenübertragung von und zu der Server-Plattform, auf der die Befragung stattfindet; • individueller und passwortgesicherter Zugang der Befragten zum Online-Fragebogen; • Sperrung des individualisierten Zugangs für Befragte nach vollständiger Teilnahme (Unterbindung mehrmaligen Ausfüllens und nachträglicher Änderungen sowie Ein‐ sichtnahme Dritter); • Löschung der E-Mails mit enthaltenem Link an Befragte (Minimierung der Verknüp‐ fungsmöglichkeiten der Daten). Die verwendete Fragebogen-Erstellungssoftware LimeSurvey richtet sich nach den aktu‐ ellen Bestimmungen der DSGVO, und die Bereitstellung der Befragung sowie die Daten‐ speicherung findet ausschließlich auf den Servern des Rechenzentrums der Hochschule und damit einhergehend auf den beruflich genutzten Endgeräten (Stand-PC, Laptop) statt. Das andere erhobene Datenmaterial (aus der Beobachtung und mündlichen Befragung) wurde ausschließlich auf direktem Wege (über USB-Stick oder Speicherkarte) aus dem jeweiligen Aufnahmegerät (Kamera oder Audio-Gerät) auf die beiden o. g. beruflich genutzten Endgeräte übertragen und mit Passwort gesichert. Zudem wurden keine Cloud-Dienste 3.3 Forschungsethische Gesichtspunkte: Perspektiven und Handlungsfelder 139 <?page no="140"?> verwendet. Angesichts der vorgenommenen Diskretion im Umgang mit dem vorliegenden Datenmaterial besteht kein Grund zur Annahme, dass den Betroffenen durch Nachlässig‐ keit der Forscherin Nachteile entstanden sind (vgl. dazu u.-a. Miethe 2013). Zusätzlich zu den erläuterten Maßnahmen wurde das Risiko einer empfundenen oder tatsächlichen Schädigung der Forschungsteilnehmenden weiter minimiert, indem ihnen Transkripte und Beobachtungsprotokolle zur Durchsicht vorgelegt wurden und sie auf potenzielle inhaltliche Verzerrungen hinweisen sowie weitere Neutralisierungen von Eigennamen, Orts- und Zeitangaben vornehmen konnten. In Anbetracht der kontroversen Diskussionen zur Übermittlung von Forschungs(teil-)ergebnissen an Beteiligte vor deren Veröffentlichung (vgl. dazu u. a. Flick 2009; Kuckartz 2016, 218 zum member checking; Miethe 2013) wurde sich für die Darbietung der aufbereiteten Daten entschieden, um das Prinzip der Information nicht zu verletzen und gleichzeitig das Verletzungsrisiko im Umgang mit den Rohdaten zu minimieren (vgl. Miethe 2013, 933). Zugleich wurden Teilnehmer*innen auf Problematiken der Vorabübermittlung der aufbereiteten Daten hingewiesen. Wenngleich die Lehrkräfte durch ihre Partizipation am Projekt nicht direkt geschädigt oder beeinträchtigt wurden, hat die Untersuchung doch zumindest zeitlich eine Belastung für die Betroffenen dargestellt. Das vorliegende Design wurde jedoch so konzipiert, dass weder Unterrichtsstörungen, -ausfälle oder sonstige direkte Eingriffe durch die Forscherin stattfanden. Den Ort und Zeitpunkt der schriftlichen sowie mündlichen (Online)-Befragung konnten die Lehrkräfte selbst wählen. Darüber hinaus wurden sie vorab über den konkreten Beobachtungszeitraum (ca. drei bis vier Wochen vorher) informiert. Über diese Ebene hinaus gilt es, über die Rolle der Forscherin und ihre Sichtweise mit einem spezifischeren inhaltlichen Fokus zu reflektieren, die sowohl die Datenerhe‐ bung als auch -auswertung erheblich beeinflussen kann. Im Folgenden werden daher zentrale Aspekte der individuellen Sichtweise (auf den Untersuchungsgegenstand) der Forscherin offengelegt. Ein zentrales Spannungsfeld, das die individuelle Sichtweise von Forschenden kennzeichnet, charakterisiert Deters-Philipp (2018, 186) als „Spannungsfeld zwischen Vorwissen und Offenheit“. Hier gilt es, sich eigene Konzepte und Theorien zum Untersuchungsgegenstand bewusst zu machen, die unausweichlich Einfluss auf das forscher*innenseitige Verständnis sowie auf die Datenerhebung nehmen, und sich dabei gleichzeitig die „notwendige Offenheit gegenüber dem Untersuchungsgegenstand“ (ebd.) und den Studienteilnehmenden zu bewahren (vgl. ebd.). Im Zuge der vorherigen inhaltlichen Auseinandersetzung (u. a. Theorieerstellung, Entwicklung von Erhebungsinstrumenten und Festsetzung inhaltlicher Schwerpunkte, Erhebung von Daten) wurde bereits eine thematische Fokussierung und Theoriebildung vollzogen, die nicht mit dem „Ideal einer völligen Offenheit gegenüber dem Untersu‐ chungsgegenstand“ (ebd., 187) einhergehen kann. Auch die Datenauswertung wird durch Vorannahmen der Forscherin, z. B. hinsichtlich potenzieller (erwarteter) Erkenntnisse, die aus der Datenanalyse gezogen werden können, beeinflusst, denn Forschende „sind mit ihren individuellen sprachlichen und symbolischen Kenntnissen wie auch ihrem alltäglichen und theoretischen Vorverständnis in den Prozess der Erkenntnisproduktion involviert“ (Kuckartz/ Rädiker 2020, 11). 140 3 Empirischer Teil: Konzeption und Durchführung der Studie <?page no="141"?> Vor diesem Hintergrund erscheint es daher unvermeidbar, dass das „Vorwissen die Wahrnehmung strukturiert“ (Meinefeld 2017, 271) und als „Grundlage jeder Forschung“ (ebd.) akzeptiert werden muss. Als Konsequenz wird deshalb die eigene Person im For‐ schungsprozess verortet. Hierbei wird sich vorrangig auf das theoretische Vorwissen, auf die Auswirkungen der für das Erkenntnisinteresse vorliegenden Annahmen und Theorien, auf die Gestaltung der Beziehung zu Untersuchungsteilnehmenden sowie auf Aspekte der Gewährleistung der notwendigen Offenheit gegenüber Sichtweisen der Teilnehmer*innen bezogen (vgl. dazu u.-a. Deters-Philipp 2018, 188). Das Vorwissen der Forscherin setzt sich aus Erfahrungen der Schulzeit, Inhalten der Ausbildung und dem eigenen Interesse am Forschungsgegenstand zusammen. Aus den bis zum Zeitpunkt der Studie nur begrenzt vorliegenden Unterrichtserfahrungen als Spanischlehrkraft ergab sich die notwendige Distanz zu den Beteiligten und dem Unter‐ suchungsgegenstand aus einer praxisorientierten Perspektive (vgl. ebd., 189). Unter Rück‐ bezug auf die vorherigen Erläuterungen kann dem Untersuchungsgegenstand „nicht völlig objektiv begegne[t, JLK]“ (ebd.) werden, was den Anlass für die kontinuierliche Reflexion eigener Annahmen, den Vergleich mit Sicht- und Verwendungsweisen der Teilnehmenden sowie ggf. für die Überarbeitung eigener Standortbestimmungen und Konzeptualisierungen darstellt (vgl. ebd., 190; Kuckartz/ Rädiker 2020, 11). Darüber hinaus trägt die Forscherin Sorge dafür, dass zentrale ethische Prinzipien gegenüber den Forschungsteilnehmer*innen, aber auch rechtliche Anforderungen berücksichtigt werden. Die vorausgehenden Ausführungen komplettierend wird die Abschlussphase der Daten‐ erhebung reflektiert. Konkret bedeutet dies, dass die Forscherin das Feld verlässt und die Beziehung zu den Beteiligten einstellt. Legutke und Schramm (2022, 116) beschreiben diesen „Feldrückzug“ auch „als Beendigung einer Beziehung“, die den Teilnehmenden erläutert werden muss. Anzumerken ist hier, dass die Datenerhebung zwar mit dem zuletzt geführten Interview abgeschlossen war, die Beziehung zu den teilnehmenden Lehrkräften jedoch in Form einer fachlichen Kooperation bzw. Interaktion über einen gewissen Zeitraum aufrechterhalten wurde. Hierbei handelte es sich um die Teilnahmemöglichkeit an einem Online-Workshop zu einem die Studienteilnehmenden interessierenden Themengebiet, um die Information über andere Forschungsprojekte und deren ggf. für die Teilnehmenden relevanten Ergebnisse sowie um konkrete Angebote des Ausbaus der Kooperation zwischen den jeweiligen Schulen und der Universität. Die das vorliegende Forschungsprojekt leitenden ethischen Prinzipien und ergriffenen Maßnahmen können resümierend in schematischer Form nach Legutke und Schramm (ebd., 118) wie folgt dargestellt werden: 3.3 Forschungsethische Gesichtspunkte: Perspektiven und Handlungsfelder 141 <?page no="142"?> Abbildung 10: Schematische Darstellung forschungsethisch relevanter Aspekte (nach Legutke/ Schramm 2022, 118) 3.4 Mixed Methods Im Anschluss an die erläuterten Grundlagen der empirischen Untersuchung wird im Folgenden eine forschungsmethodologische Verortung vorgenommen und damit das grundlegende Methodenverständnis der Studie vorgestellt. Daran schließt sich eine terminologische Standortbestimmung und Abgrenzung von im Mixed-Methods-Diskurs thematisierten Begriffen und Konzepten mit Blick auf deren Relevanz für das vorliegende Untersuchungsdesign an (3.4.1). Die terminologische Bestimmung und Abgrenzung wird im zweiten Teilkapitel in konkrete methodische Überlegungen und in die Begründung für das vorliegende Mixed-Methods-Design, unter Bezugnahme auf die Umsetzung des Gütekriteriums der Integration auf allen Ebenen des Forschungsprozesses, überführt (3.4.2). 3.4.1 Forschungsmethodologische Verortung: Grundlegendes Methodenverständnis sowie terminologische Standortbestimmung und Abgrenzung Der vorliegenden Arbeit liegt ein Methodenverständnis gemäß der pragmatist position zugrunde (vgl. Gläser-Zikuda et al. 2012, 8; Settinieri 2012, 252). Entsprechend werden qualitative und quantitative Methoden nicht mehr als gegensätzliche Forschungsansätze betrachtet, sondern als solche, die je nach Untersuchungsgegenstand sinnvoll miteinander vernetzt werden können bzw. sollten (vgl. Gläser-Zikuda et al. 2012, 8; Settinieri 2012, 252). Zwar sind nach wie vor qualitative und quantitative Forschungsstile vorhanden, und auch der Paradigma-Begriff ist weiterhin in Gebrauch (vgl. dazu u. a. Greene 2008; Mertens 2012). Doch erscheint die Relevanz solcher Paradigmen für die Forschungspraxis teils fragwürdig (vgl. dazu u. a. Bryman 2007; Kuehn/ Rolfing 2016). Dies lässt sich mittels nachfolgenden Zitats untermauern: 142 3 Empirischer Teil: Konzeption und Durchführung der Studie <?page no="143"?> […] applied social inquirers appear to ground inquiry decisions primarly in the nature of the phenomena being investigated and the contexts in which the studies are conducted. Inquiry decisions are rarely, if ever, consciously rooted in philosophical assumptions or beliefs. (Greene/ Caracelli 2003, 107) Dass der Einsatz von quantitativen und qualitativen Methoden in einem Forschungsprojekt nicht mehr als Novum bezeichnet werden kann, zeigen u. a. die Studien von Campbell und Fiske (1959) sowie Jahoda, Lazarsfeld und Zeisel (1935/ 1975). Die Herausbildung einer spezifischen Mixed-Methods-Methodologie und ihrer Terminologie hingegen blickt auf eine deutlich kürzere Tradition zurück, was laut Kelle (2022, 164) auf historische Entwicklungen in der empirischen Sozialforschung, insb. auf die seit 1920 „sehr stark[e, JLK]“ und „unabhängig voneinander“ vonstattengegangene Entwicklung der qualitativen und quantitativen Methoden rückzuführen ist. Im wissenschaftlichen Diskurs existieren mittlerweile zahlreiche Begriffe (z. B. „Mixed methods“ (Creswell/ Plano Clark 2011), „Mixed research“ ( Johnson/ Onwuegbuzie 2004), „Mixed methodology“ (Tashakkori/ Teddlie 1998), „Multimethod research“ (Goertz 2017), „Triangulation“ (Flick 2020), „Methodenplurale Forschung“ (Burzan 2016)), mit denen die systematische Kombination bzw. Integration qualitativer und/ oder quantitativer Methoden mit dem Ziel der Perspektivenerweiterung und/ oder der Steigerung der Validität einher‐ geht. Zwar lassen sich einige Überschneidungen zwischen den verschiedenen Termini ausmachen, aber vollständig synonym sind sie nicht zu verstehen (vgl. Kuckartz 2014a, 44). Die Sichtung der Forschungsliteratur förderte neben einer terminologischen Vielfalt auch Inkonsistenzen im Sprachgebrauch zutage (vgl. dazu u. a. Johnson, Onwuegbuzie & Turner 2007). Auch wenn sich im Forschungsdiskurs keine konsensuelle trennscharfe Abgrenzung zwischen den (im deutschsprachigen Raum) am häufigsten verwendeten Begriffen der Triangulation und Mixed Methods ausmachen lässt (vgl. Burzan 2016, 26), soll dennoch begründet werden, warum im Rahmen der vorliegenden Studie der Mixed-Methods-Ansatz als gegenstandsangemessen(er) erachtet wird, womit eine Schärfung der eigenen Positio‐ nierung einhergeht. Um der Argumentation ein begriffssicheres Fundament zu verleihen, wird vorab eine terminologische Bestimmung des Mixed-Methods-Ansatzes vorgenommen. Der Begriff Mixed Methods stammt aus der anglo-amerikanischen Methodendebatte in den Sozial- und Erziehungswissenschaften und erlangte ab dem Ende der 1990er-Jahre mit der Publikation der Monografie „Mixed Methodology“ (Tashakkori/ Teddlie 1998) zentrale(re) Bedeutung. Ausgehend von den amerikanischen Erziehungswissenschaften hat sich seitdem eine eigene Mixed-Methods-Bewegung im Forschungsdiskurs entwickelt, zu der mittlerweile umfangreiche Lehr- und Handbücher sowie eine Zeitschrift und eine in‐ ternationale Fachgesellschaft gehören (vgl. Kelle 2022, 163). Bei näherer Betrachtung lassen sich für den Begriff Mixed Methods knapp 20 Definitionen identifizieren, die unterschiedlich gelagerte Schwerpunkte aufweisen (vgl. Kuckartz 2014a, 31 f.). Ein übereinstimmendes Element einiger Definitionen liegt in einem methodisch und prozedural orientierten Verständnis (vgl. dazu u. a. Creswell; Tashakkori/ Teddlie, zit. nach Kuckartz 2014a, 32 f.). Bei Kelle (zit. nach Kuckartz 2014a, 32 f.) steht bspw. die Zielsetzung der Validierung und der Triangulation im Mittelpunkt. Dennoch unterscheidet er explizit zwischen der Zielsetzung der Validierung und dem Ziel, eine breitere Perspektive einzunehmen und dadurch zu einem fundierteren Verständnis des Untersuchungsgegenstands zu gelangen. 3.4 Mixed Methods 143 <?page no="144"?> Zuletzt genannter Aspekt findet sich z. B. auch bei Greene (zit. Kuckartz 2014a, 32 f.). Creswells Definition (zit. nach Kuckartz 2014a, 32 f.) geht bspw. darüber hinaus, indem er explizit den Begriff der Methodologie aufgreift, womit der Mixed-Methods-Forschung ein „eigenes methodologisches Fundament“ verliehen wird (vgl. Kuckartz 2014a, 32 f.). Im Rahmen der vorliegenden Studie wird sich an den eher methodologisch-methodisch akzentuierten Begriffsverständnissen von Mixed Methods orientiert, um zu betonen, dass in einer Studie sowohl quantitative als auch qualitative Herangehensweisen systematisch in jeder Phase des Forschungsprozesses zum Einsatz kommen. Basierend auf weithin geteilten sprachlichen Konventionen wird unter Mixed Methods demnach die spezifische Kombination von qualitativen und quantitativen Elementen verstanden (vgl. Schreier 2013, 292). Betrachtet man den Einsatz beider Forschungsmethodologien näher, rückt „die Inte‐ gration von Methoden, Verfahren und Techniken, die zwei verschiedenen Ansätzen bzw. Methodenbereichen entstammen“ (ebd.) in den Vordergrund. Im Rahmen der genannten Definitionen erweisen sich bereits zwei Begriffe als zentral für die Diskussion über Mixed Methods: Kombination und Integration. Burzan (2015, 125 f.) führt näher aus, worin Unter‐ schiede zwischen der Methodenkombination und -integration liegen. Bei zuerst genannter werden Teilergebnisse aufeinander bezogen, während bei einem integrativen Vorgehen die Forschungsfrage erst beantwortet werden kann, wenn verschiedene Methoden zur Anwendung kommen. Das Untersuchungsergebnis entsteht demnach erst in der „Zusam‐ menschau der Interpretation verschiedener Daten“ (ebd., 126). Dazu stellt Brake (2018, 46) eine zentrale Frage, die maßgeblich für die integrative Nutzung beider Zugänge ist: Wie kann sichergestellt werden, dass in einem bestehenden Forschungszusammenhang tatsächlich nicht nur mehrere Forschungszugänge parallel realisiert werden, sondern inwieweit gelingt es, diese in einen wechselseitigen Verweisungszusammenhang zu bringen, sie zu integrieren? (ebd.) Daher orientiert sich die vorliegende Studie an den von Brake (ebd., 51) dargelegten Bestimmungselementen für die Abgrenzung von Mixed-Methods-Untersuchungen, die sich in folgenden drei Aspekten zeigen können: • Kombination von qualitativen und quantitativen Zugängen (1); • Ausweitung der Kombination qualitativer und quantitativer Elemente auf den ge‐ samten Forschungsprozess (keine ausschließliche Beschränkung auf die Datenerhe‐ bung) (2); • Realisierung einer Single Study (und kein Zerfallen in unabhängige Teilstudien) (3). Den hier gelisteten Aspekten sind eine gewisse Progression und Intensivierung der Integration der qualitativen und quantitativen Elemente inhärent. Mit dem vorliegenden Untersuchungsdesign werden insb. der zweite (2) und dritte (3) Punkt umgesetzt. Von der Forschungsfrage an liegt der Studie ein methodenintegrierendes Verständnis zugrunde und die Erkenntnisse lassen sich nur mittels einer „systematisch explizierten wechselsei‐ tigen Bezugnahme“ (ebd., 52) auf die verschiedenen Datensorten und Analyseergebnisse darstellen, sodass keine voneinander unabhängigen Teilstudien entstehen. Beim Mixed-Me‐ thods-Ansatz wird deutlich, dass primär die Beurteilung der Angemessenheit von Methoden und die für die Erforschung komplexer Untersuchungsgegenstände angepasste Kombina‐ tion und Integration von qualitativen und quantitativen Methoden im Vordergrund stehen. 144 3 Empirischer Teil: Konzeption und Durchführung der Studie <?page no="145"?> Diese liegen zumeist in einer sehr konkreten und studienspezifischen Form vor (z. B. spezifische Mixed-Methods-Designs), lassen unterschiedliche Gewichtungen zu und zielen vorrangig auf die Funktion der Komplementarität (vgl. Dörnyei 2007, 44 f., 164, 168 ff.). Bezugnehmend auf die eingangs erläuterte terminologische Vielfalt sowie auf sprach‐ gebrauchsbezogene Inkonsistenzen und daraus resultierende Abgrenzungsproblematiken wird nachfolgend die (methodologische) Positionierung in dieser Arbeit in Abgrenzung zum im deutschsprachigen Raum häufig verwendeten Begriff der Triangulation dargelegt und begründet. Triangulation wird primär als ein deskriptives Konzept mit eher weitem Bedeutungsfeld verstanden, das einer allgemeinen Konzeption von Validierung oder Berei‐ cherung von Perspektiven entspricht und verschiedene Unterformen (z. B. hinsichtlich Daten, Methoden, Perspektiven) beinhaltet (vgl. dazu u. a. Baur, Kuckartz & Kelle 2017, 5; Burzan 2016, 25; Kelle 2022, 168; Kuckartz 2014a, 46, 49; Lüdemann/ Otto 2019, 3). Im Forschungsdiskurs finden sich verschiedene Versuche zur Unterscheidung der Konzepte Mixed Methods und Triangulation. Nach Deppe (2017, 3) verstehen Gläser-Zikuda (zit. nach Deppe 2017, 3) sowie Tashakkori und Teddlie (zit. nach Deppe 2017, 3) Mixed Methods als „eine eigenständige Forschungsstrategie, die nichts mit der Methodentriangulation bei Denzin bzw. Flick zu tun zu haben scheint“ (Deppe 2017, 3). Auch Kuckartz (2014a, 18) versteht Mixed Methods und Triangulation als „sehr unterschiedliche Ansätze“, führt jedoch aus, „dass in Teilen der Forschungsliteratur Mixed Methods als eine spezifische Variation von Triangulation aufgefasst“ (Hervorh., JLK) werde. Demnach finden sich drei Lesarten von Mixed Methods im Forschungsdiskurs, von denen Burzan (2016, 26) zwei wie folgt beschreibt: Zum einen werde Mixed Methods als eine „bestimmte Art der Methodentrian‐ gulation verstanden“, zum anderen weisen beide Ansätze „einen Überschneidungsbereich“ auf. Die dritte Lesart bezieht sich auf das Verständnis, dass es sich bei Mixed Methods und Triangulation um grundsätzlich verschiedene Ansätze handle. Dass integrative (Mixed-Me‐ thods-)Untersuchungsdesigns Überschneidungen mit triangulativen Verfahren aufweisen können, steht für Grecu und Völcker (2018, 233) außer Frage. Auch die Funktionen und Zwecke von Triangulation und Mixed Methods mit Blick auf deren Multiperspektivität und Validität müssen sich keineswegs widersprechen (vgl. Kelle/ Erzberger 2003, 461, 484). Darüber hinaus teilt der Triangulationsmit dem Mixed-Methods-Ansatz bspw. die forschungspraktische Ausrichtung und eine komplementäre Perspektive auf den Unter‐ suchungsgegenstand (vgl. dazu u. a. Knorr/ Schramm 2022, 97). Damit gehe gemäß den Ausführungen von Grecu und Völcker (2018, 233 f.) jedoch nicht einher, dass Mixed Methods als eine Subform der (methodologischen) Triangulation zu verstehen sei, so wie sie bspw. bei Knorr und Schramm (2022, 99) anzutreffen ist. Vielmehr werde Triangu‐ lation in Mixed-Methods-Forschungsdesigns realisiert und Strategien der Triangulation seien als Varianten der Integration aufgefasst (vgl. Grecu/ Völcker 2018, 233 f.). Sowohl Fringer (2018, 2) als auch Grecu und Völcker (2018, 233) erachten die Klassifizierung von Mixed Methods im Sinne einer (Unter-)Form der Triangulation als unangemessen, da Mixed-Methods-Forschung in ihren Ansätzen „viel weiter [gehe, JLK] als Triangulation und Methodenkombination“ (Fringer 2018, 2), indem sie konkret die Integration des qualitativen und quantitativen Strangs in der Datenerhebung, der Analyse und im Ergebnisbericht fokussiere (vgl. ebd.). In Mixed-Methods-Verfahren können verschiedene Fragestellungen 3.4 Mixed Methods 145 <?page no="146"?> integriert werden, „während Triangulation lediglich die Bearbeitung einer Fragestellung aus unterschiedlichen Blickwinkeln mit verschiedenen Methoden umfasst“ (Grecu/ Völcker 2018, 233). Kelle (2022, 168) geht in seinen Ausführungen über diese Argumentationslinie hinaus, da seiner Ansicht nach Triangulation selbst „noch gar kein methodologisches Konzept oder Modell der Methodenintegration, sondern nur eine deskriptive Metapher mit einem nicht klar umgrenzten Bedeutungsfeld“ darstelle. Auch wenn sich Teilaspekte des Triangulationsansatzes auf das vorliegende Unter‐ suchungsdesign anwenden lassen (z. B. Teile der Daten- und Methodentriangulation), entspricht das Triangulationskonzept im Vergleich zum Mixed-Methods-Ansatz nicht auf einer ganzheitlichen und insb. studienspezifischen Ebene der Anlage der vorliegenden Untersuchung, da es zu allgemein bleibt. Mit der Einordnung als Mixed-Methods-Studie werden demnach die nachfolgenden Aspekte forciert: • das Verhältnis beider Positionen innerhalb eines Forschungsdesigns; • die Entwicklung eines spezifischen Mixed-Methods-Designs unter integrativer Anwen‐ dung quantitativer und qualitativer Forschungsmethoden (in Abgrenzung zur Within- und Between-Method-Triangulation); • die Abfolge des Einsatzes der jeweiligen Methoden; • die (unterschiedliche) Gewichtung der Ergebnisse (vgl. dazu u. a. Knorr/ Schramm 2022, 99). 3.4.2 Methodische Überlegungen und Begründung eines Mixed-Methods-Designs Zu Beginn dieses Teilkapitels wird eine kurze Verortung des Mixed-Methods-Ansatzes in der Fremdsprachenforschung vorgenommen, um die vorliegende Studie vor dem Hinter‐ grund der Forschungstraditionen gezielter einordnen zu können. Anschließend werden Charakteristika von Mixed-Methods-Studien sowie Kriterien und Gründe für den Einsatz methodenintegrativer Verfahren erläutert und auf die Studie unter Bezugnahme auf die von Brake (2018, 45, 58 ff.), Creswell (2009, 204 f.) und Flick (2011, 96) entworfenen Leitfragen/ -aspekte angewendet. In der fremdsprachendidaktischen Forschung lässt sich eine tendenziell stärkere qua‐ litative Herangehensweise an Untersuchungsgegenstände, insb. auch im Bereich der Professions- und Lehrer*innenforschung, feststellen (vgl. Roters/ Trautmann 2014, 52; Schramm 2022, 57). Dadurch lassen sich zwar nur wenige Mixed-Methods-Studien im fremdsprachendidaktischen Forschungsdiskurs, aber mit eher steigender Tendenz erinnern (vgl. dazu u. a. Frank Schmid 2021; Gardemann 2021; Kaliampos 2022; Neigert 2019; Reckermann 2018). Auch die Diskussion über theoretische Konstrukte und Zwecke von Mixed Methods wird in der fremdsprachendidaktischen Forschung nur am Rande geführt. Doch insb. mit Blick auf die Faktorenkomplexion fremdsprachiger Lehr-/ Lernprozesse kann die Kombination und Integration qualitativer und quantitativer Elemente bereichernd sein, um eine umfassendere und tiefgründigere Auseinandersetzung mit dem Untersuchungsge‐ genstand zu gewährleisten (vgl. Neigert 2019, 70). Basierend auf theoretischen Vorannahmen, die durch eine breite Literaturrecherche gestützt wurden (vgl. Kap. 2.3, 2.4), erweist sich das Lehrwerk und besonders der Umgang 146 3 Empirischer Teil: Konzeption und Durchführung der Studie <?page no="147"?> mit diesem, der eine prozessorientierte Komponente miteinschließt, als multifaktorielles Phänomen, dem nur mit einem gleichsam auffächernden und zahlreiche Perspektiven ermöglichenden Untersuchungsdesign begegnet werden kann. Kleppin (1984, 19 ff.) zählt im Rahmen ihres Versuchs einer empirisch begründeten Lehrwerkforschungsrichtung bereits in den 1980er-Jahren Datenerhebungsverfahren auf, die ihrer Ansicht nach die Basis einer empirischen Lehrwerkforschung darstellen. Hierzu benennt sie die Kombination aus Befragungen von Lehrenden und Lernenden sowie Unterrichtsbeobachtungen. Auch in neueren Veröffentlichungen (vgl. dazu u. a. Bolster 2015; Borries 2012; Opoku-Amankwa 2010) finden sich nahezu fortlaufend Forderungen nach einem Untersuchungsdesign, das verschiedene Methoden zur Eruierung des Umgangs mit Lehrwerken durch Lehrende kombiniert und integriert. Dem liegt die Annahme zugrunde, dass mit der Kombination und Integration verschiedener Forschungsmethoden unterschiedliche Facetten des Un‐ tersuchungsgegenstands beleuchtet werden können, die in Ergänzung bzw. Vertiefung zueinanderstehen und mit deren Hilfe Ergebnisse neu perspektiviert werden. Gemäß der Analyse des Forschungsstands (vgl. Kap. 2.3.2.3) existieren kaum empirische Lehrwerkverwendungsstudien, in denen Befragungen und Beobachtungen miteinander kombiniert werden (vgl. dazu u. a. Marcos Miguel 2015; Sikorová 2011). Das vorliegende Untersuchungsdesign erfüllt die Forderung des Forschungsdiskurses zu Lehrwerken, beide Perspektiven (durch Befragungen und Beobachtungen) miteinander zu vereinen, deren Notwendigkeit sich mit folgendem Zitat von Moulton (1997, vii) belegen lässt: It is difficult to find out how teachers use textbooks without actually observing them […] what they think about their use without actually asking them […]. Observing how teachers use textbooks and asking them why they use them as they do will reveal significant information about the learning-teaching process and how it can be improved. (ebd.) Anhand dieses Zitats kann gefolgert werden, dass allein auf der Ebene der Verwen‐ dung eines Lehrwerks verschiedene Erhebungsmethoden und -instrumente zum Einsatz kommen sollten, um nicht nur beleuchten zu können, welche Bestandteile wie häufig, sondern auch warum und v. a. wie diese zur Unterrichtsvorbereitung und im Unterricht selbst verwendet werden. Darüber hinaus bleibt der Umgang mit dem Lehrwerk nicht nur auf der Ebene der Verwendung, sondern speist sich ferner auch aus der subjektiven Sichtweise auf das Lehrwerk, der es wiederum in ihrer kognitiven und affektiven Anlage sachgemäß mit zweckmäßigen Erhebungsmethoden und -instrumenten zu begegnen gilt. Da subjektive Sichtweisen häufig nur teils bewusst und in unterschiedlichen Formen gespeichert sind, sind diese vorrangig Gegenstand der schriftlichen und mündlichen Befragungen (vgl. Caspari 2003, 35). Die Beobachtung ermöglicht hingegen den Einblick in die Verwendungsweise von Lehrwerken im Unterricht, womit Bereiche erschlossen werden können, die einer ausschließlichen Befragung in dieser Tiefe und Intensität weitgehend verschlossen bleiben würden (z. B. Lehrwerkverwendung und Unterrichtspha‐ sierung/ -sequenzierung, Lektionsarbeit, unterrichtspraktische Umsetzung der Inhalte/ Auf‐ gaben). Diese Forschungspraxis erlaubt es, auch potenzielle Wechselwirkungen zwischen den einzelnen Dimensionen des Untersuchungsgegenstands zu ermitteln bzw. mögliche Hinweise darauf zu gewinnen, indem Diskrepanzen zwischen von der Lehrkraft Erzähltem und tatsächlich Beobachtetem thematisiert werden können (vgl. Méron-Minuth 2018, 313). 3.4 Mixed Methods 147 <?page no="148"?> Für die Anwendung quantitativer und qualitativer Studienstränge in einer Untersuchung spricht zudem, dass ein derart grundlegender Untersuchungsgegenstand auch in der Breite ergründet werden sollte, um nicht nur auf einer Einzelfallebene zu verbleiben, sondern umfassendere und weiter gestreute Erkenntnisse zu generieren. Aufgrund der vorausgehenden Darstellung werden die nachfolgend erläuterten Konse‐ quenzen für das Forschungsdesign in seiner Endversion gezogen. Der vorliegenden Form gehen vereinzelte Revisions- und Präzisierungsprozesse während der Pilotierung (vgl. Kap. 3.6) voraus, die zu einer Verfeinerung des Untersuchungsdesigns führten. Hierbei wurde sich an den von Settinieri (2014, 66 f.) formulierten Maximen zur Entwicklung eines Forschungsdesigns orientiert. Im Folgenden wird das vorliegende Mixed-Methods-Design in seinen Charakteristika erläutert und begründet. Dazu wird sich - wie eingangs formuliert wurde - verschiedener Leitaspekte/ -fragen und Kriterien des Forschungsdiskurses bedient. Ausgehend von der von Johnson, Onwuegbuzie und Turner (2007, 123) erarbeiteten Definition, die die zentralen Elemente einer inhaltsanalytischen Auswertung von 19 Vertreter*innen der Mixed-Methods-Bewegung umfasst, kristallisieren sich insb. folgende Leitfragen heraus, die von der Forscherin übersetzt und teils ergänzt wurden (vgl. Brake 2018, 57 ff.; Kuckartz 2014a, 55): • Warum ist der Einsatz qualitativer und quantitativer Methoden in der vorliegenden Studie gegenstandsangemessen/ gerechtfertigt? • Was wird konkret kombiniert bzw. integriert? • Wie läuft der Prozess der Methodenkombination/ -integration ab? Auf welchen Ebenen? Da sich die Methodenintegration als konstitutives Element von Mixed-Methods-Studien versteht, werden folgende weiterführende Aspekte von Flick (2011, 96) auf das Untersu‐ chungsdesign angewendet: • Wird beiden Zugängen gleiches Gewicht eingeräumt? • Werden beide Zugänge lediglich getrennt angewendet oder tatsächlich aufeinander bezogen? • Was ist die logische Beziehung von beiden? • Werden die Methoden sequenziell verknüpft oder werden sie in ein Multi-Me‐ thoden-Design integriert? Das Warum des vorliegenden Mixed-Methods-Untersuchungsdesigns Die Integration von qualitativen und quantitativen Methoden wird in der vorliegenden Studie vorrangig in Bezug auf die Konzeption der Fragestellung(en) und deren Logik begründet und weniger mit philosophischen oder epistemologischen Grundannahmen (vgl. Kuckartz 2014a, 35). Dadurch kann mit dem vorliegenden Untersuchungsdesign (vgl. dazu Ausführungen in diesem Teilkapitel) eine gegenstandsangemessene Berücksichtigung unterschiedlicher zentraler Aspekte und Komponenten gewährleistet werden: „questions before methods“ (Punch 2014, 7). Eine umfassende Untersuchung der Aspekte von Arbeits‐ weisen mit dem Lehrwerk im Spanischunterricht macht den Einsatz von qualitativen und quantitativen Methoden notwendig. Dies liegt im spezifischen Erkenntnisinteresse der vorliegenden Studie begründet, das sowohl quantitative Aspekte, wie z. B. Häufigkeiten, 148 3 Empirischer Teil: Konzeption und Durchführung der Studie <?page no="149"?> Dauer (Nutzung von Lehrwerkbestandteilen), als auch qualitative Aspekte, wie z. B. Gründe und Motive für die Sichtweise auf das Lehrwerk oder dessen Nutzung im Unterricht, umfasst (vgl. Kap. 1, 2.4). Die Betrachtung des Untersuchungsgegenstands aus einer Per‐ spektive würde relevante Aspekte ausklammern und diesen bspw. nur aus der Breite oder Tiefe betrachten können. Die beiden Forschungszugänge decken demnach unterschiedliche Aspekte des zu untersuchenden Phänomens ab, ergänzen sich wechselseitig und tragen gemeinsam zur Beantwortung der Forschungsfrage(n) bei (vgl. Kelle 2022, 167-f.). Neben dieser komplementären Funktion des Mixed-Methods-Ansatzes (complementary function) spielt darüber hinaus auch die Funktion der Methodenentwicklung eine zentrale Rolle (development function). Hiermit können basierend auf den Ergebnissen und Katego‐ rien einer vorausliegenden Erhebung Hinweise für die Strukturierung bzw. Konstruktion für folgende Erhebungen gewonnen werden (z. B. vom Fragebogen zum Interviewleitfaden) (vgl. Dörnyei 2007, 164 f.). Resümierend kommen demnach folgende Funktionen des Mixed-Methods-Ansatzes zum Tragen (Hervorh., JLK): Abbildung 11: Funktionen des Mixed-Methods-Ansatzes in der vorliegenden Studie Das Was der Integration im vorliegenden Mixed-Methods-Ansatz Mit Blick auf den Untersuchungsgegenstand gilt es im Anschluss konkrete qualitative und quantitative Methoden auszuwählen, mit denen sich die Fragestellung erschöpfend beantworten lässt. In dieser Studie wird daher der gemeinsame Einsatz von Befragungen und Beobachtungen gewählt (vgl. dazu u. a. Bolster 2015; Borries 2012; Kleppin 1984; Opoku-Amankwa 2010), um die von McGrath (2013, 129) erläuterten unterschiedlichen Studienrichtungen und ihnen zugrunde liegenden Perspektivierungen („which are based on teacher selfreport“ und „which draw an observationals or other evidence“) zu integrieren und umfassendere Ergebnisse zu erhalten. Das Mixed-Methods-Design der vorliegenden Studie verpflichtet sich daher zu einer Integration verschiedener Erhebungsmethoden und -instrumente. Im Einzelnen werden die folgenden Datensätze zyklisch erhoben und aufeinander bezogen: 3.4 Mixed Methods 149 <?page no="150"?> Abbildung 12: Dreigliedriges sequenzielles Mixed-Methods-Untersuchungsdesign der vorliegenden Studie Das Wie der Integration im vorliegenden Mixed-Methods-Ansatz Die qualitativen und quantitativen Daten werden sequenziell erhoben und in etwa gleich gewichtet. Mit den quantitativen Daten kann sichergestellt werden, dass der Untersu‐ chungsgegenstand in der Breite erfasst und durch die große Teilnehmendenzahl die Wahr‐ scheinlichkeit erhöht wird, belastbarere Erkenntnisse zu einem weltweit relevanten Thema des institutionellen Fremdsprachenunterrichts zu generieren. Darüber hinaus dienen die quantitativen Daten (insb. der Personen, die sich an der Gesamtstudie beteiligt haben) der Methodenentwicklung und Strukturierung des Interviewleitfadens. Den qualitativen Daten der Beobachtung und mündlichen Befragung wird dahingehend besonderer Stellenwert beigemessen, da sie die Tiefe (über Einzelbeispiele) in der Heran‐ gehensweise an den Forschungsgegenstand gewährleisten. Dabei dient die Verknüpfung beider Stränge sowie die Überführung qualitativer Daten in wiederum quantifizierende Zugänge (z. B. nach inhaltsanalytischer Auswertung der offenen Fragen oder Zeitanteile der Beobachtung) zur „Herstellung eines allgemeineren Bildes des untersuchten Gegenstands“ (Flick 2011, 76) und ermöglicht eine globalere Perspektive auf ihn. Eine nähere Betrachtung vorliegender Mixed-Methods-Designtypologien (vgl. dazu u. a. Creswell/ Plano Clark 2011, 53 ff.; Dörnyei 2007, 169) verdeutlicht eine Bandbreite an po‐ tenziellen Mixed-Methods-Designs. Deren schematische Darstellung erfolgt häufig mittels einer gewissen Mixed-Methods-Designformel (z. B. QUANT + QUAL; qual → QUANT etc.). Die exemplarisch dargestellten Formeln geben bereits Hinweise auf die Vielfalt potenzieller Einsatz- und Abfolgemöglichkeiten der jeweiligen Stränge. Im Kontext sequenzieller Mixed-Methods-Designs werden insb. die beiden Basis-Designformen des explanativen und explorativen sequenziellen Designs genannt (vgl. Creswell/ Plano Clark 2011, 81 ff., 86 ff.). Die Erläuterungen lassen vermuten, dass das explorative sequenzielle Design für die vorliegende Untersuchung angemessen sei. Die Erklärung zu dieser Designform (quan → QUAL) (vgl. Dörnyei 2007, 172) wirkt hingegen für die vorliegende Studie stark reduzierend, indem z. B. ausschließlich auf die Samplingfunktion eines vorausgehenden Fragebogens eingegangen wird: „[…] we include an initial questionnaire in the study whose role is to help to select the participants for the subsequent qualitative phase systematically“ (ebd.). Auch das von Mayring (2001, 7 ff.) dargestellte Vertiefungsmodell trifft nicht die erläuterte Grundintention und Charakteristik des vorliegenden Untersuchungsdesigns 150 3 Empirischer Teil: Konzeption und Durchführung der Studie <?page no="151"?> bzw. stellt nur eine Teilfunktion der Fragebogenerhebung dar. Denn in diesem Ansatz folgt auf eine quantitative Erhebung eine kleinere, fallzentrierte qualitative Studie, mittels letzterer erzielt werden soll, dass die quantitativen Ergebnisse besser verstanden werden (vgl. ebd.). Die ausgearbeiteten Mixed-Methods-(Basis-)Designs erlauben eine erste Orientierung, liefern wichtige Hinweise auf Einsatzmöglichkeiten und lassen sich ganz allgemein ver‐ standen auch auf zahlreiche Mixed-Methods-Studien anwenden. Mit beiden Beispielen kann jedoch auch verdeutlicht werden, dass ein adaptiver und auf den Untersuchungsgegenstand zugeschnittener Umgang mit den Mixed-Methods-Designtypologien notwendig ist, was sich auch aus nachfolgenden Zitaten ableiten lässt: Indeed, most of the typologies have been constructed in largely theoretical terms and have not been apparently influenced in a systematic way by examples of multi-strategy research. To a large extent, they are exercises in logically possible types of integration, rather than being built up out of examples. (Bryman 2006, 98) This [the focus on design-typologies, JLK] entails the danger of straight-jacketing reflection about the use of methods, decoupling it from theoretical and empirical considerations, thus favoring the unreflexive use of a standard methodology. (Timans, Wouters & Heilbron 2019, 206) Resümierend bleibt festzuhalten, dass mit dem sequenziellen explorativen Design zwar Teilaspekte des vorliegenden Untersuchungsdesigns aufgegriffen werden, die Grundaus‐ richtung allerdings nicht in Gänze mit vorliegendem Projekt übereinstimmt, da - wie die folgenden Ausführungen veranschaulichen - die vorrangige Funktion der qualitativen Daten nicht ausschließlich in der interpretativen Verdichtung der quantitativen Daten liegt. Bei der vorliegenden Studie handelt es sich um eine explorative quantitative Studie, an die sich zwei qualitative Erhebungen (Beobachtung und mündliche Befragung) anschließen. Die Beobachtung wird nicht nur von den Aspekten und Ergebnissen der Fragebogener‐ hebung geleitet, sondern bietet auch Raum für (neue) Facetten des Untersuchungsgegens‐ tands, die nur im Unterricht selbst beobachtet werden können. Die mündliche Befragung dient zwar dem Aufgreifen und Erweitern der Fragebogenergebnisse und thematisiert diese auch konkret, lässt aber darüber hinaus Raum für Geschehnisse der Beobachtung sowie für gänzlich neue Aspekte, die sich im Rahmen des Gesprächs ggf. erst ergeben. Integration als Gütekriterium von Mixed-Methods-Studien Nach Beantwortung der ersten drei oben formulierten Fragen (Warum? Was? Wie? ) liegt im Folgenden der Fokus auf der Integration qualitativer und quantitativer Methoden, die als Gütekriterium von Mixed-Methods-Untersuchungen angesehen wird (vgl. Brake 2018, 52). Im Anschluss an die Erläuterung, welche Bedeutung Integration im Kontext von Mixed Methods zukommt und wie der Grad an Integration bzw. das Ausmaß festgestellt werden kann, wird beleuchtet, wie und auf welchen Ebenen ein höchstmöglicher Grad an Integration im Rahmen der vorliegenden Untersuchung erreicht wird. Methodenintegration bzw. methodenintegrative Forschung kann nach Kelle (2008, 291) in einem weiteren und engeren Sinne definiert werden. Gemäß zuerst genanntem Verständnis meint sie die „Kenntnisnahme und Berücksichtigung von Wissensbeständen aus qualitativen und quantitativen Forschungsrichtungen“ (ebd.). In einem engeren Sinne 3.4 Mixed Methods 151 <?page no="152"?> umfasst sie die „Kombination qualitativer und quantitativer Methoden zu methodenintegra‐ tiven Designs“ (ebd.). Hierbei werden bereits bei der Anlage der Untersuchung qualitative und quantitative Forschungszugänge aufeinander bezogen. Brake (2018, 54) weist darauf hin, dass sich Methodenintegration nicht nur auf der Ebene der Untersuchungsanlage, sondern insb. auch bei der Datenauswertung zeige. Hier misst sich der Grad der Integration zum einen daran, „inwieweit Ergebnisse aus den qualitativen und den quantitativen Forschungszugängen in die abschließenden Schlussfolgerungen einbezogen werden und zum anderen daran, inwieweit es den Forschenden gelingt, diese zu einem zusammenhän‐ genden, ineinander verwobenen Ganzen werden zu lassen“ (ebd.). Als Maßstab für die vorliegende Studie fungiert das von Brake (ebd., 57) dargelegte Kriterium, demgemäß ein hohes Maß an Integration dann gegeben ist, wenn über den gesamten Untersuchungsablauf - angefangen bei der Entwicklung und Begrün‐ dung der Fragestellung bis hin zum Projektbericht oder der Buchpublikation eine enge Verzahnung der qualitativen und quantitativen Zugänge deutlich wird. (ebd.) Ebenen der Integration im Rahmen der vorliegenden Studie Basierend darauf wird nachfolgend der Grad der Integration innerhalb der einzelnen Ebenen des Forschungsprozesses dargelegt (vgl. Brake 2018, 58 ff.). Auf der Ebene der Entwicklung und Spezifizierung der Fragestellung werden die Voraus‐ setzungen dafür geschaffen, dass eine Verbindung von qualitativen und quantitativen Zugängen sinnvoll hergestellt werden kann. Aus den Fragenkomplexen und der Spezifik der Dimensionen des Untersuchungsgegenstands, die verschiedene Blickrichtungen mitein‐ schließen (z. B. das Was/ Welche, Wie oft, Wann, Warum und Wie der Verwendungsweise), zeigt sich bereits in der Anlage die Notwendigkeit beider Zugänge für die Untersuchung des Phänomens (vgl. Kap. 3.1). Auch Rekrutierungsstrategien von Untersuchungsteilnehmenden können nach dem Ausmaß der realisierten Integration unterschieden werden. Im Sinne einer substanziellen Integration wird der Forderung von Yin (2006, 44) nachgekommen: „[…] the samples of each method may be nested within that of the other“. Es handelt sich demnach um eine überlappende bzw. genestete Teilnehmendenkonstellation, da die Fallauswahl für die qualitativen Studien aus der Analyse der quantitativen Daten hervorgeht (vgl. dazu u. a. Kelle 2022, 174). Dadurch können Fälle identifiziert werden, die von besonderem Interesse sind. Hierbei wurde nach dem Prinzip der maximalen Variation verfahren (vgl. Kap. 3.2.2). Auf der Ebene der Datenerhebung gilt es darzulegen, wie die einzelnen Datensorten ineinandergreifen, und zu gewährleisten, dass sie einen gemeinsamen inhaltlichen Bezug aufweisen. Die Wahl verschiedener Datensorten liegt in ihrer thematischen Eignung begründet. So dient die schriftliche Befragung bspw. dazu, aus einer breiten und eher quan‐ titativ-orientierten Perspektive auf alle Dimensionen des Untersuchungsgegenstands zu blicken. Hierbei liegt der Fokus auf vielfältigen Aspekten der Sicht- und Verwendungsweise sowie auf strukturellen Faktoren. Gleichzeitig beeinflusst sie auch die Konstruktion und inhaltliche Ausrichtung des Interviewleitfadens. Der Schwerpunkt der videographischen Unterrichtsbeobachtung liegt demnach auf der Verwendung der Lehrwerkbestandteile im konkreten Unterrichtskontext. Neben quantitativen Elementen, wie z. B. Zeitanteilen, finden sich hier insb. auch qualitative Aspekte des Warum und Wie der Verwendung. 152 3 Empirischer Teil: Konzeption und Durchführung der Studie <?page no="153"?> Diese sind auf die konkrete Lektionsarbeit, die unterrichtspraktische Umsetzung der Inhalte, Aufgaben und Übungen, die Nutzung von Handlungsoptionen, die Unterrichts‐ phasierung/ -sequenzierung sowie die Förderung von Kompetenzen und Arbeit mit/ an sprachlichen Mitteln bezogen. Die abschließende mündliche Befragung greift auf zentrale vorausgehende Erkenntnisse zurück, gibt Raum für Begründungen und Reflexionen und bildet somit ein Rahmenele‐ ment, das letztlich die zuvor ermittelten Ergebnisse vertieft, weiter vernetzt und kontex‐ tualisiert. Hierbei dominiert eine qualitative Vorgehensweise. Ausführlich werden die einzelnen Erhebungsmethoden und -instrumente in ihrer Spezifik und Sinnhaftigkeit im folgenden Kapitel erläutert (vgl. Kap. 3.5). Dennoch zeigt sich auch anhand dieses kurzen Abrisses, welche Funktionen den einzelnen Erhebungsmethoden und -instrumenten zukommen, wie sie sich ergänzen, aber auch neu perspektivieren und am Ende der Untersuchung einen Gesamtblick auf den Untersuchungsgegenstand ermöglichen sollen. Auf der Ebene der Datenauswertung liegt nach Brake (2018, 61) die „Hauptlast für den Erfolg des Unterfangens“, wobei sich die vorherigen Phasen als „wichtige Gelingensfak‐ toren einer substanziellen Integration“ verstehen. Um einen höheren Grad an Integration zu erzielen, werden an ausgewählten Stellen der Datenauswertung Verschränkungen zwischen beiden Strängen vorgenommen, indem Befunde des einen Studienteils Impulse für die weitere Auswertung des jeweils anderen Studienteils liefern. Bspw. gibt die Auswertung der Fragebogenstudie Hinweise auf potenzielle Vertiefungsmöglichkeiten oder besonders zu adressierende Aspekte bei der Auswertung der Interviewdaten. Darüber hinaus können Ergebnisse der qualitativen Untersuchungen wieder zurück in globalere Zusammenhänge überführt werden und die quantitativen Daten verdichten, aber auch über diese hinaus‐ gehen. Weiterhin kommen auch quantitative und qualitative Auswertungsmethoden in einem eher quantitativ-orientierten Instrument zum Einsatz, indem offene Fragen in einem mehrheitlich quantitativ-ausgerichteten Fragebogen bspw. mit der qualitativen Inhaltsana‐ lyse ausgewertet (vgl. Kap. 3.8) und je nach Sinnhaftigkeit wieder in quantifizierbare Merkmale überführt werden. Auf der Ebene der Ergebnispräsentation steht eine integrierte Darstellung der Ergebnisse im Vordergrund. Nach Guetterman, Fetters und Creswell (2015, 555) stehen dafür zwei grundlegende Verfahrensweisen zur Verfügung: „by writing about the data in a discussion wherein the separate results of quantitative and qualitative analysis are discussed“ oder „by presenting the data in the form of a table or figure, a joint display, that simultaneously arrays the quantitative and qualitative results“. Bryman (2007, 21) spricht in diesem Kontext auch von der Herstellung eines „negotiated account of what they mean together“. Für die vorliegende Studie wird ein Format gewählt, das verschiedene Elemente der genannten Möglichkeiten vereint, um der Logik der Konzeptualisierung des Untersu‐ chungsgegenstands und -designs in den jeweiligen Ergebniskapiteln (vgl. Kap. 4.2-4.4) gerecht zu werden. Die Ergebnisse der integrativen Analysen werden sowohl tabellarisch (z. B. Darstellung der Ergebnisse der mit der qualitativen Inhaltsanalyse ausgewerteten offenen Frage-Antwortformate in einem quantitativen Erhebungsinstrument) und visuell mittels speziell entworfener Quant-Qual-Darstellungen (Symbole, Verschränkungsfunkti‐ onshinweise) als auch textuell (in einem vergleichenden Fließtext) miteinander integriert (vgl. Creswell/ Plano Clark 2018, 259 ff.; Kuckartz 2014a, 115 f., 139). Die Form und ihre 3.4 Mixed Methods 153 <?page no="154"?> 75 Vereinzelte theoretische Erkenntnisse zu potenziellen Lehrwerkverwendungsweisen/ -typen sowie Erkenntnisse kleinerer Studien zu Einstellungen von Lehrkräften zum Lehrwerk (z. B. hinsichtlich ihrer Funktionszuschreibung und Erwartungen an ein Lehrwerk) (vgl. Kap. 2.3.2.3) wurden in die Fragebogenentwicklung einbezogen. Kombination mit der Berichterstattung hängen von dem strukturellen Aufbau und der inhaltlichen Aufmachung des jeweiligen Kapitels ab. Konkret bedeutet dies, dass in eher quantitativ-orientierten Ergebniskapiteln Erkenntnisse vermehrt tabellarisch und visuell integriert werden und qualitatives Datenmaterial mittels textbasierter Exkurse eingestreut wird. In mehrheitlich qualitativ-ausgerichteten Ergebniskapiteln hingegen wird die An‐ reicherung der überwiegend im Textformat berichteten qualitativen Erkenntnisse durch tabellarische und visuelle Integrationsdarstellungen quantitativer Ergebnisse realisiert. 3.5 Erhebungsmethoden und Konzeption der Erhebungsinstrumente Ausgehend von den getroffenen methodischen Überlegungen und der Begründung des vorliegenden Mixed-Methods-Designs werden in den nachfolgenden drei Teilkapiteln (3.5.1-3.5.3) die gewählten Erhebungsmethoden und die entwickelten Erhebungsinstru‐ mente sowie deren spezifische Funktion in der Mixed-Methods-Anlage der Gesamtstudie erläutert und mit Blick auf deren Gegenstandsangemessenheit begründet. Der Fokus liegt dabei auf der Passgenauigkeit von Gegenstandskonzeption und Methode sowie von Fragestellung, Forschungsziel und Methode. 3.5.1 Quantitative explorative Studie: schriftliche Online-Befragung Bisher liegen für den Fremdsprachenunterricht nur wenig bis keine Erkenntnisse zur subjektiven Sichtweise auf Lehrwerke sowie zu deren Rezeption und Verwendung vor. Des‐ halb kann das Untersuchungsfeld nicht ausreichend theoretisch vorstrukturiert werden, um ein vollständig standardisiertes und hypothesenprüfendes Erhebungsinstrument zu entwickeln. Die im Voraus erläuterten Charakteristika des Untersuchungsgegenstands (vgl. Kap. 2.4, 3.4) machen eine breite Erhebungsgrundlage erforderlich, die Hinweise auf die Gesamtsituation zulässt und sich nicht nur auf Einzeldarstellungen bezieht. Deshalb wird eine explorative quantitative Forschungsstrategie gewählt, welche der Erkundung eines Untersuchungsgegenstands dient, zu dem es kaum theoretische Vorannahmen und vorherige Studien gibt. 75 Ziel einer solchen Forschungsstrategie ist eine konkrete Beschreibung und Ergründung des Forschungsgegenstands sowie ein Vorantreiben der Hypothesen- und Theoriebildung. Typisch für eine quantitative Explorationsstudie ist darüber hinaus, dass eine Vielzahl verschiedener Variablen zum Forschungsgegenstand an einer nicht notwendigerweise repräsentativen Stichprobe erhoben wird, um im Rahmen der quantitativen Datenanalyse (vgl. Kap. 3.8.1) Zusammenhänge und neue Effekte im Sinne eines „panoramischen Überblicks“ (Bonnet 2012, 288) zu entdecken (vgl. Döring/ Bortz 2016, 612). Die schriftliche Form der Befragung ermöglicht die Erfassung größerer Gruppen von Be‐ fragten in ihrem bereits vorliegenden Umfeld sowie „eine relativ effiziente Weise“ (ebd.) der 154 3 Empirischer Teil: Konzeption und Durchführung der Studie <?page no="155"?> Erhebung von differenzierten Datensätzen größeren Umfangs (large-scale data gathering) zu nicht unmittelbar beobachtbaren Phänomenen, wie z. B. zu Einstellungen, Motiven und Interessen (vgl. Zydatiß 2012, 116). Weiterhin wird der Einsatz der schriftlichen Befragung im Rahmen der Studie als dem Erkenntnisinteresse dienlich erachtet, da (subjektive) Erfahrungen mit dem Lehrwerk (in größerer Breite) erfasst werden können. Der Einsatz von Fragebogen ermöglicht demnach die Erfassung einer Vielzahl von Aspekten, Äußerungen und Rückmeldungen der befragten Personen, die „situativ und kontextbezogen“ (Zingerle 2019, 73) eingeordnet und einem tieferen Verständnis zugänglich gemacht werden können (vgl. Riemer 2022, 164). Darüber hinaus wird die Entscheidung für einen Fragebogen vor dem Hintergrund des von Flick (2009, 113) angeführten und von der Forscherin als erfüllt erachteten Kriteriums des ausreichenden Vorwissens der Teilnehmenden über den Untersuchungsgegenstand als angemessen erachtet. Die teilnehmenden Lehrkräfte werden als Hauptnutzende des Lehrwerks verstanden, mit dem sie sich nahezu täglich und dies ggf. seit Jahren bzw. Jahrzehnten in unterschiedlichen Bildungskontexten (Universität, Schule) auseinandersetzen. Bezogen auf die vorangegangenen Erläuterungen kann aufgrund der Charakteristika einer schriftlichen Befragung spezifisch auf alle dem Untersuchungsgegenstand zugrunde liegenden Dimensionen aus einer globaleren Perspektive Bezug genommen und eine umfassende Erhebungsgrundlage geschaffen werden. Dies kann der Einsatz von Einzel- und Gruppeninterviews so nicht gewährleisten, und es hätte die Teilnehmenden sowie die Forscherin in zeitökonomischer Hinsicht überdurchschnittlich eingebunden. Ein wei‐ terer inhaltsbezogener Vorteil besteht darin, dass die konzeptualisierten lehrwerk(ver‐ wendungs-)bezogenen deklarativen, prozeduralen und selbstbezogenen Kognitionen (vgl. Kap. 2.4.1.1) mit dem entwickelten Fragebogen auf weniger invasive Weise als bspw. im Rahmen einer mündlichen Befragung erhoben werden können, da den Teilnehmenden zur tiefergehenden Beantwortung komplexerer Fragen mehr Zeit gegeben wird, ohne sie (persönlich) „unter Druck“ zu setzen. Damit geht einher, dass den Teilnehmenden insb. zu Beginn der Erhebung mehr Diskretion als bspw. im Rahmen eines Interviews gewährt wird und die Befragten den Fragebogen zu einer Zeit und an einem Ort ihrer Wahl bearbeiten können (vgl. Riemer 2022, 164). Zudem werden mit Fragebogenstudien vergleichbare Antworten von allen Beteiligten generiert, da die Befragungssituationen und die Antwort‐ möglichkeiten im Regelfall für alle Teilnehmenden gleich sind (vgl. Flick 2009, 105) und nicht durch sog. Interviewer*innen-Effekte und Reaktionen der Gesprächspartner*innen beeinflusst werden (vgl. Albert/ Marx 2016, 63). Bevor im Folgenden der Prozess der Fragebogenkonstruktion erläutert wird, werden zunächst Vor- und Nachteile von Online-Befragungen im Vergleich zu anderen Befra‐ gungsmethoden eruiert, um anknüpfend daran zu begründen, warum eine Online-Ver‐ sion für die Untersuchung des vorliegenden Untersuchungsgegenstands geeignet ist (vgl. Taddicken/ Batinic 2014, 158; Wagner-Schelewsky/ Hering 2019, 788). Unter einer Online-Befragung kann nach Taddicken und Batinic (2014, 152) „zunächst jede Form der internetbasierten Befragung von Personen“ verstanden werden. Die Vorteile von Online-Befragungen sind auf unterschiedlichen Ebenen angesiedelt und sind im Folgenden tabellarisch benannt. Sie können sich auf den Konstruktionsprozess sowie auf die Daten‐ qualität positiv auswirken: 3.5 Erhebungsmethoden und Konzeption der Erhebungsinstrumente 155 <?page no="156"?> Technische Vorteile Datenaufbereitung und -auswertung Wirkung und Ant‐ wortverhalten Forschungsteilnehmende • Erfassung von Einzel‐ reaktionen und Para‐ daten • steuerbare Fragenreihenfolge • Erhöhung der Daten‐ qualität durch Kontroll‐ skripte (Filterführung) • automatische Item-Ro‐ tation zur Vermeidung von Reihungseffekten • Automatisierbarkeit • direkte Eingabe der Antworten in ein System (z.-B. gela‐ belter Datensatz in SPSS) • Zeiteffizienz und Forschungsökonomie • Ehrlichkeit der Antworten • stärker empfun‐ dene Anonymität • geringerer Effekt der sozialen Er‐ wünschtheit • Flexibilität • Erreichbarkeit • Ort Tabelle 16: Zusammenschau der Vorteile von Online-Befragungen im Kontext der vorliegenden Studie (nach Daase, Hinrichs & Settinieri 2014, 108; Mayer 2013, 104 f.; Taddicken/ Batinic 2014, 160 f.; Thielsch/ Weltzin 2012, 111-f.; Wagner-Schelewsky/ Hering 2019, 794) Zugleich gilt es, gewisse Problematiken zu berücksichtigen, wenn diese auch im Allge‐ meinen für sämtliche Arten schriftlicher Befragungen gelten und an ausgewiesenen Stellen für das Online-Format spezifiziert werden. Albert und Marx (2016, 63) sowie Taddicken und Batinic (2014, 162 ff.) weisen berechtigterweise darauf hin, dass schriftliche Befragungssitu‐ ationen nur bedingt kontrollierbar sind. So können z. B. andere Personen die Beantwortung der Fragen beeinflussen oder übernehmen, was auf sämtliche Formen der Befragung zutrifft, es sei denn, die forschende Person ist beim Ausfüllen des Fragebogens anwesend. Im Rahmen der vorliegenden Befragung wurde zu allen Teilnehmenden persönlicher Kontakt hergestellt, sodass die Forscherin einen genauen Überblick über diese hatte. Zudem eignete sich für die Partizipation am Fragebogen nur eine spezifische Berufsgruppe, womit einhergeht, dass aus den Antworten weitgehend „herausgelesen“ werden kann, ob sich tatsächlich eine Person, die der Adressatengruppe des Fragebogens angehört, beteiligt hat. Darüber hinaus wird das Risiko, das die Adressierten den Fragebogen von einer anderen Person ausfüllen lassen, von der Forscherin als gering eingeschätzt, da aus einer Nicht-Teilnahme keine negativen Konsequenzen für die Personen resultieren. Weiterhin wurden Paradaten (Uhrzeit, Dauer, Unterbrechungen etc.) erhoben, die einer traditionellen schriftlichen Befragung verschlossen geblieben wären und weiteren Aufschluss über das Bearbeitungsverhalten der Forschungsteilnehmenden liefern. Die Problematik der unklaren Identität (vgl. dazu u. a. Thielsch/ Weltzin 2012, 110) wird somit weitgehend ausgeschlossen. Ein weiteres Problem schriftlicher Befragungen bezieht sich darauf, dass in der Regel Fragen nur von Personen beantwortet werden, die Interesse an der jeweiligen Fragestellung haben oder die aus anderen Gründen den Fragebogen ausfüllen. Insofern kann nicht davon ausgegangen werden, dass die teilnehmenden Personen die Grundgesamtheit in wesentlichen Merkmalen abbilden (vgl. Albert/ Marx 2016, 63). Im Rahmen der vorliegenden Studie wurde aus der Gesamtheit der teilnahmewilligen Personen auf Basis ausgewählter Samplingstrategien und zugrunde liegender Auswahlparameter versucht, eine Aussage für einen möglichst großen Anwendungsbereich zu gewährleisten (vgl. Kap. 3.2.2). 156 3 Empirischer Teil: Konzeption und Durchführung der Studie <?page no="157"?> Als weiterer Nachteil von schriftlichen Befragungen wird in der Forschungsliteratur an‐ geführt, dass Missverständnisse nicht durch eine Ansprechperson geklärt werden können, was sich auf die Beantwortung der Fragen und Aussagekraft der Antworten auswirken kann (vgl. Albert/ Marx 2016, 70). Dem wurde in der vorliegenden Untersuchung durch einen Pretest zur schriftlichen Befragung Rechnung getragen (vgl. Kap. 3.6). Ferner werden verschiedene Erhebungsinstrumente kombiniert und integriert, die es ermöglichen, sich dennoch ergebende Unklarheiten bzw. Rückfragen im Kommentarfeld des Fragebogens zu vermerken oder im Fall der Gesamtstudienteilnehmenden im Interview aufzudecken und zu diskutieren. Darüber hinaus gilt es, die Phänomene der Akquieszenz und sozialen Erwünschtheit (vgl. dazu u. a. Brosius, Haas & Unkel 2022, 107; Raab-Steiner/ Benesch 2008, 59 ff.) bei sämtlichen Befragungen zu berücksichtigen, die somit auch für schriftliche Online-Befragungen von Relevanz sind bzw. bei der Datenauswertung mitbedacht werden müssen. Hinzu kommt, dass die befragten Personen im Regelfall kooperativ um eine Antwort bemüht sind, was dazu führen kann, dass sich die Teilnehmenden trotz eigentlicher Meinungslosigkeit einen Standpunkt ausdenken (vgl. dazu u. a. Dörnyei/ Taguchi 2010, 6 ff.). Um dem zu entgegnen, wurde den Beteiligten eingeräumt, bei jeder Frage die Option „weiß nicht“ bzw. „keine Angabe“ zu wählen. Eine weitere potenzielle Problematik stellt der Rücklauf von Fragebogen dar, da diese häufig nicht zurückgesandt oder nur teilweise ausgefüllt werden (vgl. Flick 2009, 111). In dieser Studie hingegen wurden die Fragebogen nicht beliebig an potenzielle Teilnehmende übermittelt, sondern nach Kontaktaufnahme zu den Schulen und Personen, deren Rück‐ meldung und des Angebots der Vorstellung des Projekts an diejenigen Personen direkt versandt, die sich zu einer Teilnahme bereit erklärt haben. Bis auf wenige Ausnahmen wurde der Fragebogen von allen Personen vollständig ausgefüllt und rückübermittelt. Zusammenfassend lässt sich somit festhalten, dass die Vorteile einer schriftlichen Online-Befragung unter Berücksichtigung der Gegenstandsangemessenheit überwiegen und die dargestellten potenziellen Nachteile weitgehend vernachlässigt werden können. Im Folgenden wird nun der Prozess der Fragebogenkonstruktion erläutert. Vor der Erstellung eines Fragebogens ist es unerlässlich, den Untersuchungsgegenstand zu defi‐ nieren und auf theoretische Vorannahmen zu stützen (vgl. Prüfer 2012, 138). Weiterhin müssen Entscheidungen über die Art der Fragen sowie die Formulierung und Reihenfolge getroffen werden (vgl. Albert/ Marx 2016, 75). Außerdem gilt es, unerwünschte Einflüsse auf die Ergebnisse zu kontrollieren, weshalb es von besonderer Bedeutung ist, Richtlinien bezüglich der Frageformulierung und -anordnung zu beachten (vgl. dazu u. a. Porst 2014, 137 ff.; Riemer 2022, 168). Auf der Ebene der Frageformulierung lassen sich drei Probleme identifizieren, die das Wie der Formulierung, die Art von Frage und das Warum der Frage betreffen. Denn wie aussagekräftig letztlich die erhaltenen Informationen sind, hängt von der Art der Frage und ihrer Anordnung (im Fragebogen) ab. Weiterhin ist dies beeinflusst davon, ob die Frage dem Bezugsrahmen der Befragten entspricht und ob ihr Bezugsrahmen und der des Fragenstellenden übereinstimmen sowie an den Informationsstand des Befragten angepasst ist (vgl. Flick 2009, 106). Um dies zu gewährleisten, werden die von Riemer (2022, 167) aufgestellten Faustregeln für die Erstellung von Fragebogenitems herangezogen. 3.5 Erhebungsmethoden und Konzeption der Erhebungsinstrumente 157 <?page no="158"?> Die bewusste Entscheidung für eine Kombination aus geschlossenen Fragen mit Ra‐ tingskalen sowie halboffenen und offenen Fragen ermöglicht einerseits die gezielte Beant‐ wortung verschiedener Fragen mit vergleichbaren Antwortoptionen, die jedoch unter Umständen das Konstrukt nicht vollumfänglich abbilden, und erlaubt es andererseits gleichzeitig den Teilnehmenden, durch den Einsatz von (halb-)offenen Fragen neue Ideen anzuführen (vgl. Prüfer 2012, 139). Mit allen Fragetypen sind gewisse Vor- und Nachteile verbunden, sodass geschlossene Fragen ausschließlich dann als angemessen erachtet wurden, wenn im Vorfeld der Untersuchung bzw. nach der Pilotierung die Bandbreite möglicher Antworten eruiert werden konnte (vgl. Daase, Hinrichs & Settinieri 2014, 104). Die mittlere Anzahl (halb-)offener Fragen kann damit begründet werden, dass die Befragten ihr eigenes Bezugssystem bei der Beantwortung wenig vorstrukturierter bzw. erschlossener Themenbereiche wählen konnten, was dem großen Spektrum möglicher Antworten gerecht wird sowie die Gefahr minimiert, die Befragten durch Antwortvorgaben zu stark in eine Richtung zu lenken. Dies trägt wiederum zu einer Reduzierung von Antwortverzerrungen und zur Profundität der Daten bei, indem Meinungen, Ansichten und Erfahrungen kundgetan werden (vgl. ebd.; Rädiker/ Kuckartz 2020, 4). Da ein Schwerpunkt der Fragebogenerhebung auf der Generierung solcher Meinungen, Motive und Interessen der Teilnehmenden mit Blick auf das Lehrwerk liegt, wurden zum einen Multi-Items, die als Aussagesätze formuliert sind, sowie Satzanfänge, die von den Beteiligten weiter auszuführen sind, eingesetzt. In Anlehnung an Dörnyei und Taguchi (2010, 23 ff.) stellen erstere insb. in der Einstellungsforschung ein bewährtes Instrument zur systematischen Erhebung dar. Aufgrund der Tatsache, dass in den einzelnen thematischen Blöcken des Fragebogens mehrere Items zum gleichen Thema positioniert wurden, kann zudem ggf. trotz Pilotierung des Erhebungsinstruments ungenauen oder missverständlichen Formu‐ lierungen entgegenwirkt werden. Die Antwortoptionen, die bei halbgeschlossenen oder geschlossenen Befragungsitems vorgegeben wurden, orientieren sich an der Empfehlung von Raab-Steiner und Benesch (2008, 55), die eine fünfbis neunstufige Skala vorsehen. Mit der Entscheidung für eine fünfstufige Likertskala wird intendiert, Verwirrung (bei zu breiten Skalen) sowie Pseudodifferenzierung zu vermeiden (vgl. Daase, Hinrichs & Settinieri 2014, 106) und keine Positionierung von den Teilnehmenden zu erzwingen (vgl. Prüfer 2012, 139). Um „zwischen einer tatsächlich mittleren Haltung und Meinungslosigkeit zu differenzieren und um die Ergebnisse nicht zu verfälschen“ (Daase, Hinrichs & Settinieri 2014, 106), wurde daher die zusätzliche Antwortmöglichkeit „weiß nicht“ verwendet. Bei der vorliegenden Fragebogenkonstruktion kommt erschwerend hinzu, dass Ver‐ wendungshäufigkeiten abgefragt wurden. Daase, Hinrichs und Settinieri (ebd., 107) unter‐ scheiden hier zwischen exakter und relativer Häufigkeit. Im Fragebogen wurden daher Angaben zu subjektiven Häufigkeiten in der Verwendung von Lehrwerkbestandteilen auf den Rahmen einer Lektion (ca. drei bis vier Wochen) begrenzt. Während der Erstellung des Fragebogens wurden die einzelnen Fragen „zu einem stimmigen Gesamtbogen“ (ebd.) zusammengefügt, der zudem ein kurzes Anschreiben mit wesentlichen Informationen zum Thema, Ziel der Befragung, Kontaktperson, Institution und Dauer der Befragung beinhaltet. Weiterhin wurden Hinweise zum Ausfüllen (Antwort‐ möglichkeiten etc.) und notwendige Voraussetzungen zur Befragungssituation sowie kurze 158 3 Empirischer Teil: Konzeption und Durchführung der Studie <?page no="159"?> Ausführungen zum Datenschutz dargelegt (vgl. ebd.; Taddicken/ Batinic 2014, 171). Darauf folgt der eigentliche Frageteil, der sich in Anlehnung an Zydatiß (2012, 120 f.) und Dörnyei (2007, 109 ff.) auf Basis des erarbeiteten theoretischen Konstrukts (vgl. Kap. 2.4) in folgende Gruppen einteilen lässt: • biographisch-demographische Angaben (u. a. Fächerkombination, Berufserfahrung, Aus- und Weiterbildungskontext); • Fragen zu subjektiv-internen, nicht direkt beobachtbaren Phänomenen (deklarative, prozedurale sowie selbstbezogene Kognitionen zu Lehrwerken und ihrer Verwendung und Einstellungen); • Fragen zum Erfassen konkreter Verhaltensweisen und Erfahrungen der Beteiligten (u. a. Einschätzung der individuellen Nutzung und Veränderung von Lehrwerkbestand‐ teilen); • Fragen zu strukturellen Faktoren (u. a. institutionelle Rahmenbedingungen, zeitliche Aspekte). Die Anordnung der Fragenblöcke und darin enthaltener Fragen wurde nach dem Trichter-Prinzip vorgenommen, verläuft also vom Allgemeinen zum Konkreten und be‐ rücksichtigt mögliche „Halo-Effekte“ (vgl. Echterhoff 2013, 80; Flick 2009, 110). Bspw. wurden Fragen zu lehrwerkbezogenen Kognitionen direkt nach den biographisch-demo‐ graphischen Angaben platziert, damit sich daran anschließende Fragen zu Meinungen, Erwartungen und Interessen sowie dem konkreten Nutzungsverhalten nicht auf die Beantwortung der vorherigen Fragen auswirken. Am Anfang des Fragebogens wurden biographische Angaben erhoben sowie erste allgemeine und offene Fragen mit thematischem Bezug gestellt, um den Teilnehmenden einen leichten Einstieg zu ermöglichen. Analog wurde das Ende der Befragung gestaltet, das Raum für Wünsche, Erwartungen und weitere Anmerkungen zum Thema und zum Fragebogen ermöglichte (vgl. Daase, Hinrichs & Settinieri 2014, 108). Die Anordnung der im Zentrum stehenden Frageblöcke und -items folgte einigen Faustregeln. So wurden Fragen zum gleichen Thema in einem Frageblock (z. B. Nutzung) gestellt, „um den Eindruck von Unordnung zu vermeiden“ (ebd.) und das Verständnis der Beteiligten nicht zu behindern (logische vs. psychologisch durchdachte Anordnung der Fragen) (vgl. ebd.). Die Lehrkräfte erreichten die Befragung über einen passwortgeschützten und einmal gültigen Link zu LimeSurvey und wurden von der Forscherin „aktiv rekrutiert“ (Taddi‐ cken/ Batinic 2014, 153). Hierdurch konnte kontrolliert werden, welche Personen an der Befragung teilnahmen, und Mehrfachteilnahmen wurden ausgeschlossen (vgl. ebd., 154). Das Ausfüllen des Fragebogens konnte sowohl vom stationären PC als auch mit dem Laptop oder über mobile Endgeräte (Smartphones, Tablets) erfolgen. Resümierend bleibt festzuhalten, dass die mit dem Fragebogen generierten Daten im Wesentlichen „zum mehrperspektivischen Blick auf die faktorenkomplexe Realität“ (Zydatiß 2012, 115) des Untersuchungsgegenstands beitragen. Der schriftlichen Online-Befragung kommen demnach folgende Funktionen zu (vgl. dazu u.-a. Zingerle 2019, 74; Zydatiß 2012, 116): 3.5 Erhebungsmethoden und Konzeption der Erhebungsinstrumente 159 <?page no="160"?> 76 Eine Zuordnung der Fragebogen zu einzelnen Personen ist ausschließlich über die vergebenen Codes und nur der Forscherin möglich. Dies wird aufgrund der in Kap. 3.3 ergriffenen Datenschutzmaß‐ nahmen und der Anlage des Untersuchungsdesigns als angemessen und zielführend zur tieferen Erforschung des Untersuchungsgegenstands erachtet. • Erhebung für die Studie relevanter kontextueller und berufsbiographischer Daten; • Einstieg in den Forschungsgegenstand mit der Intention eines allgemeineren und weit‐ läufigeren Blicks auf ein globales Thema auf Basis vorausgehender theoriegestützter (Vor-)Annahmen; • Erhebung grundlegender Inhalte aller Dimensionen, die aus der Konzeptualisierung des Untersuchungsgegenstands hervorgehen; • Generierung von Hinweisen auf das potenzielle Sample der Gesamtstudie nach dem Prinzip der maximalen Variation; • Inhaltlicher und struktureller Ausgangspunkt für die Entwicklung und Auswertung der Leitfadeninterviews sowie Hinweise auf mögliche Beobachtungsdimensionen/ -aspekte. 3.5.2 Qualitativer Studienteil I: videographische Unterrichtsbeobachtung unter Einbezug von Unterrichtsvorbereitungen und Materialnutzungsdokumentationen Im Forschungsprozess der vorliegenden Studie schließt sich an die schriftliche Befragung in zyklischer Anordnung und nach Auswahl der Teilnehmenden (vgl. Kap. 3.2.2) die Phase der videographischen Unterrichtsbeobachtung an. Diese richtet sich unter Einbet‐ tung von Unterrichtsvorbereitungen und Materialnutzungsdokumentationen v. a. auf äußerlich wahrnehmbares Verhalten und generiert Erkenntnisse über (automatisierte und unbewusste) Verhaltensbzw. Verwendungsweisen (vgl. Schramm/ Schwab 2022, 147). Zur tiefergehenden Ergründung des Untersuchungsgegenstands kann die Methode der Beobachtung Einblicke in die Praxis der Unterrichtenden, ablaufende Unterrichtsprozesse, das Ausmaß der Unterrichtssteuerung durch das Lehrwerk, aber insb. auch in die konkrete Verwendung von Materialien gewährleisten, z. B. welches Material wann, wie häufig, warum und wie eingesetzt wird und welche Anpassungsmaßnahmen warum ausgewählt werden. Mit der Unterrichtsbeobachtung werden in der vorliegenden Studie verschiedene Ziele verfolgt. Zum einen soll damit das Untersuchungsfeld exploriert (vgl. dazu u. a. Ballweg 2015, 171) sowie die Grundlage für eine vertiefte Besprechung der Facetten des Untersuchungsgegenstands, die dem Fragebogen und Interview verschlossen geblieben wären, geschaffen werden. Zum anderen kann die Beobachtung dazu verhelfen, die bereits getätigten Angaben der Lehrenden im Fragebogen zu kontextualisieren, zu vertiefen und neu zu perspektivieren. 76 Denn mittels einer Beobachtung kann v. a. das Handeln der Studienteilnehmenden und der Umstand berücksichtigt werden, dass Ansichten in Befra‐ gungen von tatsächlich beobachtetem Verhalten abweichen können (vgl. Schramm/ Schwab 2022, 148). Die Entscheidung für eine videographische Aufzeichnung liegt zudem in der Komplexität des Untersuchungsgegenstands begründet. Durch die Bild-Ton-Aufzeichnung wird der Videographie eine „komplexitätserhaltende Dokumentation“ (Schramm/ Aguado 160 3 Empirischer Teil: Konzeption und Durchführung der Studie <?page no="161"?> 77 Die an der Gesamtstudie beteiligten Lehrkräfte haben sich explizit zur Teilnahme an der videogra‐ phischen Beobachtung bereiterklärt und wirkten in ihrem Unterrichtsverhalten und in der Reflexion im anschließenden Interview in geringerem Maße beeinflusst. Das Spektrum des gezeigten Verwen‐ dungsverhaltens in Bezug auf Materialien im Rahmen der Pilotphase und Hauptstudie sowie die aus den institutionellen Rahmenbedingungen resultierenden Konsequenzen für die Lehrwerkarbeit (z.-B. schriftliche Leistungsüberprüfung, Zeitknappheit) bestätigen diesen Eindruck. 2010, 186) zuteil. Anders als bei der teilnehmenden analogen Beobachtung geht man bei der videographischen Aufzeichnung davon aus, weniger „von den theoretischen Vorannahmen oder der fachlichen Sozialisation der Forschenden eingefärbt zu sein“ (Seifert 2016, 154) und demnach „subjektive Verzerrungen“ (ebd.) zu vermeiden. Des Weiteren ermöglicht die videographische Aufzeichnung eine Wiederholung der Beobachtung zu beliebig wählbaren Zeitpunkten, woraus für Schramm und Schwab (2022, 155) ein „enormes Potential für Analysen von Unterricht“ resultiert. Letztlich kann jedoch auch die videographische Beobachtung „die soziale Wirklichkeit nicht vollständig erfassen“ (Seifert 2016, 156), da ein gewisses Maß an Selektivität vorliegt (vgl. ebd.). Daher gilt es beim Einsatz der Erhebungsmethode der Beobachtung einige Aspekte kritisch zu reflektieren. Zu bedenken ist bei der offenen Form der Beobachtung, „dass das Bewusstsein um die Erhebungssituation zu Verhaltensänderungen bei den beobachteten Personen führen kann“ (Ricart Brede 2014, 138). Das bedeutet, die Beobachtung beeinflusst die jeweilige Situation und es kann somit nicht festgestellt werden, wie die Situation ohne Beobachtung verlaufen wäre (vgl. ebd.). Demnach stellen Videoaufnahmen keine „realitätsgetreue Repräsentation von Wirklichkeit“ (Kurtz 2016, 46) dar. Dennoch wird davon ausgegangen, dass trotz der Invasivität der Kameraeffekte v. a. die Lehrkräfte, auf denen der Fokus der Studie liegt, „ihren Unterrichtsstil nur aufgrund der Kamerapräsenz nicht dauerhaft oder grundlegend ändern werden bzw. können“ 77 (Ballweg 2015, 172). Eine weitere Problematik, die des Öfteren beim (alleinigen) Einsatz der Beobachtung gesehen wird, ist die fehlende Einsicht in „die Innenperspektive des Feldes und der Beobachteten“ (Flick 2016, 286). Auch Ophuysen, Bloh und Gehrau (2017, 75) weisen darauf hin, dass Meinungen und Werthaltungen zumeist nur indirekt aus der Beobachtung erschlossen werden können, weshalb Kurtz (2016, 42) dafür plädiert, zur Videographie komplementäre Erhebungsverfahren einzusetzen, um über die beobachtbare Außenperspektive hinauszugehen und zu Erkenntnissen aus der Innenperspektive der Videographierten zu gelangen. Dieser Forderung wird hier mit dem Einsatz von (quantitativen und qualitativen) Befragungen und Beobachtungen unter Einbezug unterrichtsbezogener Produkte nachgekommen, sodass diese Problematik im Rahmen der vorliegenden Studie irrelevant sein dürfte. Vor dem Hintergrund der Abwägung von Vor- und Nachteilen von Unterrichtsbeobach‐ tungen wird deutlich, dass sich einzelne Dimensionen des Untersuchungsgegenstands nur durch die technische Aufzeichnung der Beobachtung vollständig erfassen lassen. Dies gilt insb. für die Lehrwerkverwendung sowie deren Komplexität, Mehrfaktorialität und Spe‐ zifik (insb. Unterrichtsablauf, -phasen, unterrichtspraktische Umsetzung, materialbezogene Lehrenden-Lernenden-Interaktion). Zur Auswahl der Beobachtungsform und ihrer Durchführung wurde sich an den von Flick (2016, 365 f.) dargestellten Richtlinien orientiert. Bei der im Rahmen dieses Forschungsprojekts durchgeführten Beobachtung handelt es sich um eine offene sowie 3.5 Erhebungsmethoden und Konzeption der Erhebungsinstrumente 161 <?page no="162"?> 78 Unter unterrichtsbezogenen Produkten können „die unterschiedlichsten Formen schriftlicher, mündlicher, graphischer und multimodaler Texte“ (Caspari 2022, 203) verstanden werden, „die in unterrichtlichen Arrangements oder in direktem Zusammenhang mit ihnen entstehen“ (ebd.). Vgl. vertiefend zur Systematisierung von unterrichtsbezogenen Produkten Caspari (ebd.). nicht-teilnehmende Beobachtung, im Rahmen derer die Forscherin nicht in den Unter‐ richt eingreift oder währenddessen Kontakt zur Lehrkraft oder den Lernenden herstellt (observer-as-participant) (vgl. Ricart Brede 2014, 138). Eine nicht-teilnehmende Beobach‐ tungsform wurde gewählt, um den Grad an Invasivität so gering wie möglich zu halten (vgl. ebd.). Weiterhin lässt sich die Beobachtung im Rahmen dieser Studie als teilweise systematisch charakterisieren, da zwar vorab Beobachtungsfragen und -dimensionen erarbeitet wurden, insg. aber eine offene Erkundung des Felds möglich war. Denn durch die videographische Aufzeichnung, die im Folgenden begründet wird, ergibt sich die Möglichkeit der schrittweisen Erkundung des Beobachteten und es kann das Risiko der Beschränkung der Aufmerksamkeit und des Verlusts von neuen Aspekten minimiert werden (vgl. Flick 2016, 289; Ricart Brede 2014, 138; Ausführungen in diesem Teilkapitel). Darüber hinaus kann die vorliegende Beobachtung als Fremdbeobachtung charakterisiert werden, die in einer natürlichen Situation stattfand (vgl. Ricart Brede 2014, 138). Die videographische Beobachtung dient dem Hineinversetzen und Verstehen der be‐ obachteten Akteur*innen in ihrem Umfeld. Zu berücksichtigen ist dabei, dass dem zu beobachtenden Untersuchungsgegenstand ein bestimmtes theoretisches Vorverständnis zugrunde liegt, das im Rahmen vorab entwickelter Beobachtungsfragen und -dimensionen festgehalten wird (vgl. Schramm/ Schwab 2022, 148). In Anbetracht der Tatsache, dass insb. bei videographischen Beobachtungen deutlich mehr Informationen generiert werden als in der Auswertung berücksichtigt werden können, ist eine systematische Auswahl von Beobachtungsaspekten unabdingbar, durch die die Vielfalt an Informationen strukturiert und auf die für die Fragestellung zentralen Inhalte reduziert wird (vgl. Albert/ Marx 2016, 47). Daher wird ein Beobachtungsbegleitbogen (während der videographischen Beobachtung) eingesetzt, der sich an den Empfehlungen von Przyborski und Wohlrab-Sahr (2021) orientiert. Dem Bogen gehen allgemeine Daten voraus, z. B. zu Zeit, Ort, Klasse und weiteren Kontextinformationen. Inhaltlich bezieht sich das Raster auf vorab definierte Dimensionen, die den Untersuchungsgegenstand aufschlüsseln und die überwiegend nur einer Beobachtung zugänglich sein können, bspw. in welcher Unterrichtsphase welche Materialien wozu und wie eingesetzt wurden, in welchem Verhältnis die verwendeten Materialien zueinander stehen und ob die Lehrkraft im Unterricht Materialien verän‐ dert/ verwirft und wenn ja, auf Basis welcher Faktoren. Der Begleitbogen speist sich sowohl aus geschlossenen, halboffenen als auch offenen Fragen. Dies ermöglicht es, eine größere Bandbreite an Phänomenen zu beobachten, ohne den Fokus auf den eigentlichen Untersuchungsgegenstand zu verlieren. Wichtig ist insb. auch, Einblicke in Planungs- und Auswahlprozesse, Vorüberlegungen und in die konkrete Unterrichtspraxis unter den Aspekten der Materialnutzung und Handlungsoptionen zu erhalten. Insofern wird es als ein zentraler Bestandteil zur Ergrün‐ dung der Lehrwerkrezeption erachtet, die von Lehrkräften vor, während und nach dem Unterricht angefertigten unterrichtsbezogenen Produkte 78 privater Natur (Unterrichtsvor- und -nachbereitungen) mit in die Beobachtung einfließen zu lassen, da das zu beobachtende 162 3 Empirischer Teil: Konzeption und Durchführung der Studie <?page no="163"?> 79 Vgl. vertiefend zur Terminologie und zu Arten von Dokumenten Kolb/ Klippel (2022). Geschehen zumeist in einem direkten oder indirekten Zusammenhang mit Handlungsge‐ genständen oder darauf bezogenen Dokumenten steht (vgl. Ophuysen, Bloh & Gehrau 2017, 87). Zur Bestimmung und Eingrenzung potenziell infrage kommender Dokumente 79 wurde sich an den von Kolb und Klippel (2022, 131 f.) formulierten Fragen zum Forschungsgegen‐ stand, den Forschungsfragen sowie der Eignung der Dokumente für die Forschungsfragen orientiert. Es handelt sich in diesem Fall um Dokumente, die nicht eigens erhoben werden müssen, sondern ggf. bereits vorliegen oder auch ohne Teilnahme am Forschungsprojekt angefertigt worden wären (vgl. Caspari 2022, 202). Dennoch können die Auswahl und Gewichtung der Dokumente von potenziellen Fehlerquellen, bspw. der Subjektivität der Forscherin, gekennzeichnet sein (vgl. Mayring 2016, 47). Zur Systematisierung der unterrichtsbezogenen Produkte erfolgte eine Orientierung an dem Vorschlag von Caspari (2022, 208), der Informationen zum Umfang, Zeitpunkt, Erfassungskontext, zum Verhältnis von Natürlichkeit und Planung sowie zu Zielen enthält. Insbesondere hinsichtlich der videographischen Aufzeichnung der Unterrichtsstunden und damit einhergehenden hier bereits diskutierten Problematiken können unterrichtsbe‐ zogene Dokumente, die ohne direkte Absicht der Forscherin entstanden sind, „eine neue und ungefilterte Perspektive auf das Feld und die Prozesse darin eröffnen“ (vgl. Flick 2016, 330). Um eine solche Perspektive zu erlangen, wurden die Studienteilnehmenden im Nachgang gebeten, ihre Unterrichtsplanungen der Forscherin zu Forschungszwecken zur Verfügung zu stellen. Um potenziellen Bedenken der Lehrkräfte Rechnung zu tragen, dass deren Unterlagen nicht so gestaltet worden sind, „wie es dem Anspruch der Lehrperson an sich selbst“ (Caspari 2022, 211) entsprochen hätte, erhielten die teilnehmenden Lehrkräfte die Möglichkeit, ihre Erlaubnis zu jeder Zeit wieder zurückzuziehen (vgl. ebd.). Mit dieser Vorgehensweise wurde intendiert, so wenig Einfluss wie möglich auf die Lehrpersonen zu nehmen (vgl. dazu das Phänomen der professionellen und sozialen Erwünschtheit). Die videographische Beobachtung wird durch die Materialnutzungsdokumentation als zusätzliches Element im Untersuchungsdesign gestützt. Hierbei handelt es sich um ein Dokument, das von der Forscherin entworfen wurde und tabellenförmig angelegt ist. Darin können Studienteilnehmende vor und nach dem Unterricht alle Materialien eintragen, die sie zur Vorbereitung und/ oder im Unterricht selbst verwenden/ verwendet haben. Der Fokus liegt insb. auf dem Umgang mit den spezifischen Materialien, bspw. ob diese bei der Vorbereitung oder während des Unterrichts verändert/ verworfen wurden, wodurch die Forscherin erste Hinweise auf (vorausgehende) Auswahl- und Denkprozesse erhält. Die konkrete Verwendungsweise des spezifischen Materials stellt das Kernelement einer tiefgründigen Aufbereitung des Untersuchungsgegenstands dar, dem in dieser Intensität und unter Berücksichtigung der Charakteristika von Fremdsprachenunterricht nur mit der Erhebungsmethode der (videographischen) Beobachtung begegnet werden kann. Wei‐ terhin stellen die kurzen Ausführungen in der Materialnutzungsdokumentation und die unterrichtsbezogenen Produkte in Kombination mit der videographischen Beobachtung (ergänzende) Anknüpfungspunkte für das Interview dar, liefern Diskussionsimpulse und bieten Anlass für die weitergehende Reflexion. 3.5 Erhebungsmethoden und Konzeption der Erhebungsinstrumente 163 <?page no="164"?> 3.5.3 Qualitativer Studienteil II: leitfadengestützte mündliche Befragung Im Rahmen dieser Studie wird die mündliche Befragung im Anschluss an die vorherigen Erhebungen, auch im Sinne einer abschließenden Erhebungsmethode, eingesetzt. Sie hält Untersuchungsteilnehmende dazu an, Erfahrungen und Meinungen zu verbalisieren, bietet aber auch Raum für Elaborationen, Klarstellungen und Reflexionen und kann damit zu „tiefgründigeren und glaubwürdigeren Auskünften“ verhelfen (vgl. Riemer 2022, 169). Ins‐ besondere in qualitativen Forschungsansätzen stellen mündliche Befragungen bedeutende Datenerhebungsmethoden dar, die auf die „Erhebung möglichst reichhaltiger […] Daten“ (ebd.) zielen. Die Wahl dieser Erhebungsmethode wird dahingehend als bedeutsam für das vorliegende Erkenntnisinteresse erachtet, als die aus den vorherigen Datenerhebungszyklen resultie‐ renden Erkenntnisse erklärt, reflektiert und vernetzt werden können. Basis der Interviews sind die Lehrwerkmaterialien selbst sowie Erkenntnisse aus den Fragebogen, Transkrip‐ tauszügen der videographischen Daten des Unterrichts, weitere Inhalte der Beobachtungs‐ protokolle (z. B. Unterrichtsverlaufspläne, Beobachtungskategorien), unterrichtsbezogene Produkte und Angaben zum konkreten Umgang mit spezifischen Materialien in der Mate‐ rialnutzungsdokumentation. Darüber hinaus wird den Untersuchungsteilnehmenden die Möglichkeit geboten, aus ihrer Perspektive heraus weitere Ansichten zum Untersuchungs‐ gegenstand darzulegen, aus denen sich ggf. noch neue zu diskutierende Gesichtspunkte für das Interview ergeben. Schließlich erhalten die Teilnehmenden des Interviews die Gelegenheit, sich rückblickend zur Untersuchung zu äußern. Vor dem Hintergrund eines breiten Spektrums an unterschiedlichen Interviewformen und -varianten gilt es, diese mit Blick auf die jeweiligen Fragestellungen und Forschungs‐ ziele auszuwählen. In den seltensten Fällen ist es möglich und auch nicht immer sinnvoll, sich bei einem bestimmten Forschungsvorhaben für eine spezifische Interviewmethode zu entscheiden (vgl. Kruse 2015, 204). Die Wahl der Interviewmethode hängt von drei zentralen Entscheidungsschritten ab, die im Rahmen eines Forschungsprojekts durchlaufen werden: dem Was (Forschungsthema), Wie (Forschungsmethode) und Wer (Forschungsteil‐ nehmende) (vgl. ebd., 205). Im Rahmen der vorliegenden Untersuchung wurde die Form eines leitfadengestützten Interviews gewählt, durch das die Erhebungssituation vorstrukturiert wird. Da Leitfäden unterschiedlich ausgestaltet sein können, soll nachfolgend mit Bezug zum Untersuchungsgegenstand begründet werden, warum sich hinsichtlich der Maxime „[s]o offen wie möglich, so strukturierend wie nötig“ (Helfferich 2022, 876) für eine Fokussierung auf den zweiten Teil des Zitats von Helfferich (ebd.) entschieden wurde. Die Wahl für eine Strukturierung des Interviews geht gleichsam auch mit den Anknüpfungspunkten aus den oben dargestellten Erhebungsmethoden einher, die zum Zeitpunkt des Interviews bereits vielfältige und dichte Impulsdaten lieferten. Bei einer offenen Erzählaufforderung zu einem weitverbreiteten Thema des Fremdsprachenunterrichts (Lehrwerke) kristallisierte sich in der Pilotierung (vgl. Kap. 3.6) die „Problematik“ heraus, dass spezifische studienrelevante Aspekte nicht thematisiert wurden, da die Lehrkräfte auf eine Masse an Erfahrungen und Erinnerungen zurückgreifen konnten, die häufig auch in berufsbiographische Erzählungen (ohne direkten Bezug zum Thema) mündeten. 164 3 Empirischer Teil: Konzeption und Durchführung der Studie <?page no="165"?> Der zugrunde liegende Leitfaden versteht sich daher als ein Gerüst mit einer festgelegten Reihenfolge relevanter (halb-)offener Fragen. Dieses Gerüst ermöglicht eine gewisse inhalt‐ liche Vergleichbarkeit der geführten Interviews. Gleichzeitig kann es aber dennoch flexibel an die jeweilige Interviewsituation bzw. an die interviewte Person angepasst werden (vgl. Aguado 2019, 78), es lässt die individuelle Sicht der Teilnehmenden auf das Thema (Flick 2009, 114) sowie die Elaboration eigener Sinnzusammenhänge bzw. die Setzung eigener Schwerpunkte (vgl. Riemer 2022, 170) zu und gibt den Befragten die Chance, auch nicht antizipierte Gesichtspunkte zur Geltung zu bringen (vgl. Hopf 2017b, 354). Je nach Studienteilnehmer*in und Gesprächsverlauf wurden individuelle Anpassungen vorgenommen, indem bspw. Fragen vorgezogen, übersprungen oder vertieft wurden (vgl. Döring/ Bortz 2016, 358). Zur Leitfadenentwicklung wurde sich an dem von Helfferich (2022, 883 f.) konzipierten SPSS-Verfahren (Sammeln, Prüfen, Sortieren, Subsumieren) orientiert, das die Entwicklung in mehrere Phasen unterteilt. Zuerst wurden zahlreiche Fragen gesammelt, diese dann auf ihre Eignung bezüglich des Erkenntnisinteresses geprüft und sortiert sowie zum Abschluss in Kategorien subsumiert (vgl. Daase, Hinrichs & Settinieri 2014, 111). Da sich leitfaden‐ gestützte Interviews permanent im Spannungsfeld von Offenheit und Strukturierung bewegen, wurden folgende praktische Konsequenzen für das Aufbau- und Strukturprinzip des Leitfadens und für die Formulierung von Fragen bzw. Stimuli gezogen (vgl. Kruse 2015, 209-ff.): • Aufbau- und Strukturprinzip: Einteilung von thematischen Blöcken (Dimensionen des Untersuchungsgegenstands) mit Leit- und Unterfragen, die sich in inhaltliche bedeut‐ same Aspekte, Aufrechterhaltungsfragen sowie konkrete Nachfragen unterteilen (vgl. ebd., 213); • Formulierung von Stimuli: keine uneindeutigen, mehrdeutigen, suggestiven oder wer‐ tenden Fragen, keine Andeutung von Erwartungen, keine Fragen, die nicht beantwortet werden können (vgl. ebd., 215-ff.). Um die Reaktivierung von Handlungskognitionen und Motiven zu materialbezogenen Auswahlentscheidungen zu unterstützen, kann die Erinnerungsleistung der Forschungs‐ teilnehmenden mit Impulsen wie im vorliegenden Fall durch Fragebogen-, Beobachtungs‐ protokollsowie Materialausschnitte und unterrichtsbezogene Dokumente erhöht werden (vgl. Aguado 2019, 81; Knorr/ Schramm 2012, 192 f.). Bei der Auswahl der Datenaus‐ schnitte wurde sich an den Kriterien der Repräsentativität (z. B. bei besonders häufig vorkommenden Verwendungsweisen) und der Relevanz (z. B. bzgl. des Stellenwerts von Teilaspekten der Sicht- und Verwendungsweise) orientiert (vgl. dazu u. a. Seifert 2016, 198). Weiterhin wurden die Forschungsteilnehmenden vorab aufgefordert, freiwillig Stellen im Erhebungsprozess anzugeben, die sie als interessant und zentral einstufen und/ oder über die sie viel nachgedacht haben (vgl. Knorr/ Schramm 2012, 195). Um zu verhindern, dass relevante Erfahrungen und Erinnerungen nicht mehr aus dem Langzeitgedächtnis abgerufen werden können „bzw. andere Ereignisse in der Zwischenzeit die Erinnerung an das Vorangegangene überlagern“ (vgl. ebd., 196), betrug der Zeitraum zwischen dem Ende der Beobachtung und der mündlichen Befragung i. d. R. nicht mehr als etwas über vier 3.5 Erhebungsmethoden und Konzeption der Erhebungsinstrumente 165 <?page no="166"?> 80 Eine Verringerung des zeitlichen Abstands von Beobachtung und mündlicher Befragung war auf‐ grund der Parallelität der durchgeführten Beobachtungen von einer forschenden Person, der umfang‐ reichen Transkription und Erstellung des Interviewleitfadens sowie der durch die COVID-19-Pan‐ demie bedingten zeitlichen Begrenzung des Beobachtungszeitraums nicht umsetzbar. Wochen. 80 Im Anschluss an die durchgeführten Interviews wurde jeweils ein Postskriptum erstellt, um „atmosphärische Besonderheiten oder interaktionelle Phänomene zu notieren, die [sich, JLK] während oder vor der Einstiegsinteraktion, oder in Hinsicht auf die Gesprächsdynamik etc. [ereignet haben, JLK]“ (Kruse 2015, 278). Die Postskripta bildeten ebenfalls eine Datengrundlage für die spätere Analyse, da diese Informationen häufig nicht in den Transkripten enthalten sind. Folgende Merkmale wurden berücksichtigt: Atmosphäre, Befindlichkeiten, Rapport, Gesprächsverlauf, Interaktionen, Besonderheiten, auffallende Themen und Störungen (vgl. ebd., 278-f.). Beim Einsatz von Interviews jeglicher Art gilt es immer die Effekte zu reflektieren, die von dem*r Interviewer*in auf die interviewte Person ausgehen. Letztere nimmt zahlreiche Merkmale der Situation und des*r Interviewenden wahr, analysiert und bewertet diese und überlegt sich i.-d.-R. eine Antwort. All diese Schritte stehen in einem Zusammenhang mit Erwartungen und sozialen Normen (vgl. Albert/ Marx 2016, 61). Für die interviewende Person sind verschiedene Anforderungen zu berücksichtigen. Bspw. sollte sie über eine inhaltlich-theoretische Kompetenz verfügen, mit der die Einschätzung des Zeitpunkts zum Abweichen vom Leitfaden, zum intensiveren Nachfragen und zur Identifikation von Stellen in der Befragung einhergeht, an denen den Befragten „breite[re, JLK] Artikulati‐ onschancen“ ermöglicht werden (vgl. Hopf 2017b, 358). Denn mit einem Leitfaden geht in gewisser Hinsicht auch die Gefahr einher, diesen zu einem „Disziplinierungsinstrument“ (ebd., 359) zu modifizieren und „eine Tendenz zum oberflächlichen Abhaken der Fragen“ zu entwickeln (vgl. ebd., 358). Grundlegend für die Qualität von strukturierten Interviews ist demnach eine „permanente Vermittlung zwischen dem Interviewverlauf und dem Leitfaden“ (Flick 2012, 223). Von besonders zentraler Bedeutung erweist sich zudem die Gestaltung des Einstiegs in das Interview. Die interviewende Person trägt die Verantwortung für einen offenen und entspannten Start in das Gespräch, sodass sich die Befragten ohne Befürchtungen mit ihren jeweiligen Ansichten, Gefühlen und Handlungen äußern möchten (vgl. Hermanns 2017, 363). Weitere evtl. problematische Effekte können von der audiografischen Aufzeichnung des Interviews ausgehen, die durch entsprechende Maßnahmen zu kompensieren versucht wurden. So wurde vor Beginn des Interviews offen über das Ziel der Aufnahme, der Untersuchung und über die Nebeneffekte gesprochen. Den befragten Personen wurde das Aufnahmegerät gezeigt und erklärt. Eine Vorlaufphase der Aufnahme wurde vorgesehen, die als besondere Eingewöhnungszeit diente. Zu beachten bleibt, dass „alle Interviews immer und unhintergehbar Deutungen der Erzähler/ innen [sind, JLK]. Sie sind also immer Ego-Dokumente, also Dokumente, die das erzählerische Ich geschaffen hat (Ich-Konstruktion), aber auch dieses Ich dokumentieren (Selbstzeugnis)“ (Reichertz 2016, 187). Albert und Marx (2016, 61) sprechen in diesem Kontext auch von einer „gefilterten Wirklichkeit“, woraus resultiert, dass die Darstellung von Erlebnissen nicht mit den Erlebnissen selbst gleichgesetzt werden darf (vgl. Aguado 166 3 Empirischer Teil: Konzeption und Durchführung der Studie <?page no="167"?> 2019, 76). Deswegen wurde es im Rahmen dieser Studie als notwendig erachtet, vorab eine Beobachtung durchzuführen, da man nicht vollumfänglich davon ausgehen kann, dass das Verhalten auch „so wahrgenommen wird, wie es tatsächlich stattfindet“ (Albert/ Marx 2016, 61). Hinzu kommt, dass die Interviewsituation „aufgrund der unvermeidbaren Inter‐ aktionen zwischen Dialogpartner*innen stets unvorhersehbar und kontingent“ (Kruse 2015, 225 f.) ist und die interviewte Person sich häufig schon vor dem Interview Antworten gedanklich zurechtlegt und eigenstrukturiert erzählt (vgl. ebd.). 3.5.4 Zwischenfazit Die Wahl des vorliegenden Untersuchungsdesigns lässt sich mit der Feststellung von Zy‐ datiß (2012, 135) pointiert begründen: „Befragungen (nicht zuletzt in der Kombination von Interviews und Fragebogen, Unterrichtsbeobachtungen, Lehrwerkanalysen) sind eine we‐ sentliche Komponente einer mehrperspektivischen empirischen Fremdsprachenforschung, die möglichst viele Sichtweisen auf die untersuchten Gegenstände und möglichst viele beteiligte Gruppen in den Forschungsprozess involviert.“ Ein institutionell-unterrichtlich gesteuerter Fremdsprachenerwerb zeigt sich laut Zydatiß (ebd., 117) auf den folgenden drei Ebenen: • in direkt beobachtbaren/ dokumentierbaren Interaktionen des Unterrichtsdiskurses →-videographische Beobachtung und mündliche Befragung; • in den zu Produkten gewonnenen Ergebnissen des Lehrens und Lernens → unter‐ richtsbezogene Produkte und Materialnutzungsdokumentationen; • in subjektiv-mentalen Prozessen als nicht direkt beobachtbare Charakterisierung einzelner Personen →-schriftliche und mündliche Befragung. Diesen drei Ebenen und verschiedenen Perspektiven (pre-, while- und post-teaching) kann mit dem vorliegenden Untersuchungsdesign umfänglich begegnet werden. 3.6 Pilotierung der Erhebungsinstrumente Der Konzeption der Erhebungsinstrumente in ihrer finalen Version geht ihre Pilotierung voraus, die sich nach Porst (2014, 190) als „eine unabdingbare Voraussetzung zur Vorberei‐ tung auf die Hauptstudie“ versteht. In diesem Zuge wurden die Erhebungsinstrumente unter den Gesichtspunkten der Funktionalität sowie der Vollständigkeit und Klarheit der Informationen überprüft (vgl. Maar, Schellhardt & Şimşek 2022, 193). Die Pilotie‐ rung wurde über einen Zeitraum von vier Monaten (Dezember 2019 bis März 2020) durchgeführt. Insgesamt wurde der Fragebogen mit fünf Lehrkräften (vier weibliche und eine männliche Person/ en) pilotiert, die an verschiedenen Schulformen (kooperative Gesamtschule, Gymnasium) in unterschiedlichen hessischen Landkreisen Spanisch als zweite Fremdsprache unterrichten. Weiterhin wurden sieben Unterrichtsstunden bei einer Lehrkraft im Spanischunterricht der Klasse 7 (2. Lernjahr) an einem hessischen Gymnasium videographisch aufgezeichnet und parallel der von der Forscherin erstellte Beobachtungsbogen erprobt. In diese Phase wurden zudem unterrichtsbezogene Produkte 3.6 Pilotierung der Erhebungsinstrumente 167 <?page no="168"?> 81 Die Erprobung technischer Geräte und von Softwareprogrammen zur Datenaufbereitung und -auswertung wird schwerpunktmäßig in Kap. 3.8.4 erläutert. (insb. Unterrichtsvorbereitungen) aufgenommen und auf ihre Zweckmäßigkeit hinsichtlich der Ergründung des Untersuchungsgegenstands geprüft. Mit zwei Lehrkräften wurde zusätzlich das Instrument der Materialnutzungsdokumentation vor dem Hintergrund der Umsetzbarkeit im Unterrichtsalltag getestet. Schließlich wurde mit einer Lehrkraft, die alle Erhebungsinstrumente durchlief, ein Interview geführt und der Interviewleitfaden erprobt. Die Pilotierung verfolgte folgende Ziele, die sich auf einer allgemeinen sowie auf einer spezifischen Ebene darstellen lassen: Allgemeine Ebene Spezifische Ebene • Prüfung und Präzisierung der Fragestellungen • Einordnung eines theoretisch aufbereiteten Untersuchungsgegenstands in die Praxis • Erprobung technischer Geräte • Erprobung von Softwarepro‐ grammen zur Datenaufberei‐ tung und -auswertung 81 • Beurteilung der Angemessen‐ heit der gewählten qualita‐ tiven und quantitativen Aus‐ wertungsmethoden • Exploration von integra‐ tiven Umsetzungsmöglich‐ keiten der Studienergebnisse (quant/ qual) • schriftliche Befragung: Pretest auf Zweckdienlichkeit, Ver‐ ständlichkeit und Praktikabilität, Prüfung des Umfangs und der inhaltlichen Ausrichtung (Abdecken aller Dimensionen des Untersuchungsgegenstands) • videographische Beobachtung: Einblick in Unterrichtsset‐ ting und -verlauf sowie in die Materialnutzung in einem „natürlichen“ Kontext, Erprobung eines Aufnahmekonzepts • Beobachtungsbogen: Prüfung der Zweckdienlichkeit und Praktikabilität eines parallel zur videographischen Auf‐ zeichnung von der Forscherin auszufüllenden Begleitbo‐ gens sowie die konkrete(re) inhaltliche Ausrichtung von Untersuchungsaspekten, die ausschließlich in der Form und Tiefe mittels einer Unterrichtsbeobachtung erschlossen werden können (in Vernetzung/ im Abgleich zur schriftli‐ chen Befragung) • unterrichtsbezogene Produkte: Erprobung des Auswahl‐ prozesses und Prüfung der Zweckdienlichkeit und des „Mehrwerts“ der Einbeziehung unterrichtsbezogener Pro‐ dukte mit Blick auf das Erkenntnisinteresse • Materialnutzungsdokumentation: Prüfung auf Notwendig‐ keit und „Mehrwert“ einer separaten Dokumentation ver‐ wendeter Materialien mit Blick auf die Integrierbarkeit in den Unterrichtsalltag und den Grad der Intervention durch die Forscherin (als Variante zu Kurz-Reflexionen nach der Unterrichtstunde) • Interview: Erprobung der Interviewform, von Interview‐ techniken und des Leitfadens sowie Testung der von den formulierten Fragen bzw. Stimuli auf die Teilnehmenden ausgehenden Wirkungen in ihrem Antwortverhalten • Erkundung und Auswahl angemessener Datenaufberei‐ tungsverfahren mit Blick auf die Spezifik der unterschiedlichen Datensätze, Erprobung und Auswahl eines Trans‐ kriptionsprogramms der video- und audiobasierten Daten • Generierung von konkrete(re)n Hinweisen auf die Integra‐ tion spezifischer Studienteile und ihnen zugrunde liegender Datensätze Tabelle 17: Ziele der Pilotierung auf einer allgemeinen und spezifischen Ebene Die aus der Pilotierung der Erhebungsinstrumente gewonnenen Erkenntnisse werden nachfolgend in resümierender Form dargeboten. Der Untersuchungsgegenstand wurde vor der Erstellung der Erhebungsinstrumente umfassend theoretisch aufbereitet und 168 3 Empirischer Teil: Konzeption und Durchführung der Studie <?page no="169"?> anhand einer breiten Literaturbasis abgesteckt (vgl. Kap. 2.3, 2.4), wodurch sich die Einordnung in praktische Gegebenheiten problemlos vollziehen ließ. Lehrwerke stellen zentrale Materialien des Schulfremdsprachenunterrichts der Sekundarstufe I dar, sodass deren Nutzung nicht eigens hervorgerufen werden musste, sondern auch ohne die Anwe‐ senheit der Forscherin im beobachteten Unterricht in der Weise oder zumindest ähnlich vonstattengegangen wäre. Daher mussten im Rahmen der Pilotierung keine spezifischen Zeitpunkte der Unterrichtsbeobachtung vereinbart und/ oder Lehrkräfte explizit darum gebeten werden, gewisse Schwerpunktsetzungen mit Blick auf die Ausgestaltung des Unterrichts vorzunehmen (insb. Materialeinsatz, Kompetenzförderung, Methoden). Das Erkenntnisinteresse und weitere Detailfragen der Studie sind demnach maßgeblich an der unterrichtlichen Realität orientiert. Vor dem Einsatz des Fragebogens wurde dieser zunächst im Rahmen von wissenschaft‐ lichen Kolloquien im universitären Kontext begutachtet und dann mit Vertreter*innen der Zielgruppe mittels kognitiver Pretest-Techniken „aktiv“ pilotiert. Hierbei wurden die Teilnehmenden beim Ausfüllen um schriftliche Notizen gebeten (vgl. Porst 2014, 193; Raab-Steiner/ Benesch 2008, 58 f.), womit der Antwortprozess, die Bearbeitungszeit sowie vorhandene Probleme zum Fragenverständnis erkennbar gemacht und der Fragebogen in Inhalt und Form präzisiert bzw. optimiert werden konnte (vgl. Porst 2014, 191, 193). Im Rahmen der Pilotierung stellte sich heraus, dass alle Fragen verstanden und beantwortet werden konnten. Die Beteiligten fühlten sich nicht überfordert oder emotional belastet. Durch die einleitenden biographischen bzw. allgemeinen Angaben fanden die Studienteil‐ nehmer*innen einen leichten Einstieg in den Fragebogen. Jedoch zeigte sich ein für die Studie problematisches Begriffsverständnis der Termini Lehrwerk und Lehrbuch, sodass viele Fragen, die das Lehrwerk thematisierten, für das Lehrbuch beantwortet wurden, was die Aussagekraft der Antworten einschränkte (z. B. zu Potenzialen und Grenzen des Lehrwerks). Deshalb wurde nach den Fragen zu deklarativen lehrwerkbezogenen Kognitionen für die Hauptstudie ein Hinweis zur Differenzierung zwischen den Begriffen formuliert. Die Reihenfolge der Fragen konnte weitgehend in der konzipierten Weise bestehen bleiben. An einer Stelle wurden zwei Fragen in der Anordnung getauscht, weil dadurch ein leichterer, erzählgenerierender Einstieg in die Dimension der subjektiven Sichtweise auf das Lehrwerk erzielt werden konnte. Alle enthaltenen Fragen wurden - teils mit Formulierungsänderungen - für die Hauptstudie übernommen, da sie einen vielfältigen und weitläufigen Blick auf den Untersuchungsgegenstand ermöglichen. Die potenzielle Problematik einer neutralen Tendenz bei Befragten durch die Verwendung einer fünfstu‐ figen Skala konnte nicht bestätigt werden. In Anlehnung an Empfehlungen der Fragebogenliteratur und mit Berücksichtigung einer realistischen Einschätzung der Konzentrationsfähigkeit der Befragten betrug die durchschnittliche Bearbeitungsdauer des Fragebogens ca. 35 Minuten (vgl. Daase, Hin‐ richs & Settinieri 2014, 108). Auch wenn einige Studienteilnehmer*innen länger zur Beantwortung der Fragen benötigt haben (bis zu 60 Minuten), kann die Beobachtung von Taddicken und Batinic (2014, 168) bestätigt werden, dass viele Teilnehmende den Fragebogen dennoch zu Ende ausfüllten bzw. von der Möglichkeit der Unterbrechung/ Zwi‐ schenspeicherung Gebrauch machten. Weiterhin konnte im Vergleich zu den Antworten 3.6 Pilotierung der Erhebungsinstrumente 169 <?page no="170"?> 82 Es gilt an dieser Stelle darauf hinzuweisen, dass aufgrund von bundesweit ergriffenen Maßnahmen sowie schulinternen Regelungen zur Eindämmung der COVID-19-Pandemie die Forscherin während der Beobachtungen im Rahmen der Hauptstudie nicht im Unterricht anwesend sein durfte. Die technischen Geräte wurden demnach bereits vor Unterrichtsbeginn auf- und nach diesem wieder abgebaut. Auf Basis der gesammelten Erfahrungen während der Pilotierung der Beobachtungsin‐ strumente (als die Forscherin parallel anwesend war), der begründeten Entscheidung für den Einsatz der Materialnutzungsdokumentation (anstelle von Kurz-Reflexionen nach dem Unterricht, vgl. dazu Ausführungen in diesem Teilkapitel) und der komplexitätserhaltenden Dimensionen durch die videographische Aufzeichnung wird diese Entscheidung als angemessen und vor dem Hintergrund der vorliegenden pandemiebezogenen Einschränkungen und der Realisierung der Studie unter solchen Umständen als unabdingbar angesehen. 83 Die genaue Anzahl der beobachteten Unterrichtsstunden kann vor dem Hintergrund institutio‐ neller Rahmenbedingungen, unterschiedlicher Stundentafeln, anderweitiger Verpflichtungen der Lehrkräfte sowie aufgrund von Erkrankungen variieren (vgl. dazu Kap. 3.2). 84 Auf die Audioaufnahmen der Lernenden wird ausschließlich zurückgegriffen, wenn dies für die Beantwortung der Forschungsfragen notwendig ist. Die wortwörtlichen Aussagen der Lernenden werden im Rahmen dieser Arbeit nicht veröffentlicht. des Paper-Pencil-Formats der Pilotstudie festgestellt werden, dass Antworten auf offene Fragen online ausführlicher waren (vgl. ebd., 163). Im Zuge der Pilotierung wurden für die Hauptstudie Leitlinien erarbeitet, mit denen sichergestellt wird, dass die Unterrichtsaufnahmen untereinander einem Vergleich unter‐ zogen und die Erhebungsbedingungen offen dargelegt werden können (vgl. dazu u. a. Seifert 2016, 180). 82 Dazu erfolgte eine Erprobung des entwickelten Aufnahmekonzepts, das folgende Aspekte beinhaltet (vgl. ebd., 172-ff.): • Zeitpunkt der Aufnahme: zur jeweiligen Unterrichtszeit, teils parallel; • Kameraeinsatz: eine Kamera; • Kamerapositionierung: auf Stativ stehend; • Nachbereitung der Aufnahme: zügiger Abbau, Datensicherung. Der Zeitraum der Aufnahme wurde für die Hauptstudie auf insgesamt drei Wochen kontinuierlicher Unterrichtsbeobachtung jeder Lehrkraft festgesetzt, was in der Spezifik der Lehrwerk- und Lektionsarbeit begründet liegt (i. d. R. dauert die Bearbeitung einer Lektion drei bis vier Wochen). Um eine gewisse kontextuelle Vergleichbarkeit zwischen den einzelnen Aufnahmen unterschiedlicher Lehrkräfte herzustellen und ähnliche Voraus‐ setzungen zu schaffen, wurde der Zeitraum auf eineinhalb Wochen vor einer Klausur und eineinhalb Wochen nach der Klausur fixiert. In Summe handelt es sich dabei in etwa um 12 Unterrichtsstunden (à 45 Minuten) pro Lehrkraft. 83 Beim Kameraeinsatz, der -positionierung und -führung erwies sich die Verwendung einer Kamera auf einem Dreibeinstativ als dienlich, die von der Forscherin an- und ausgeschaltet, jedoch nicht geschwenkt oder in ihren Einstellungen verändert wurde. Die ausschließliche Aufnahme der Lehrpersonen in Weitwinkeleinstellung mit Tafelbzw. Smartboardansicht erwies sich als ausreichend, da diese die primären Adressat*innen der Studie sind (vgl. Kap. 2.3.3). Zu Kontextualisierungszwecken und zur Rückverfolgung der Interaktion, sofern dies für das Erkenntnisinteresse sinnvoll war, konnten auf Basis der nicht auf einzelne Lernende rückführbaren Audioaufnahmen (durch das Mikrofon der Kamera) Aussagen der Schüler*innen miteinbezogen werden. 84 Nach den ersten videogra‐ 170 3 Empirischer Teil: Konzeption und Durchführung der Studie <?page no="171"?> phisch aufgezeichneten Unterrichtsstunden wurde die Lehrkraft in einem kurzen Gespräch zur Einflussnahme der Kamera und der Anwesenheit der Forscherin im Klassenzimmer auf ihr eigenes Verhalten (im Unterricht) und das ihrer Lernenden befragt. Die Forscherin verhielt sich im Klassenraum so zurückhaltend wie möglich, bewegte sich während des Unterrichts nicht durch den Raum und baute währenddessen keinen Kontakt zur Lehrkraft oder den Lernenden auf. Die Tätigkeit der Forscherin während der videographischen Aufzeichnung richtete sich vorrangig auf die Erprobung des Beobachtungsbegleitbogens und die Bedienung der Kamera. Auf inhaltlicher Ebene zeigte sich in den videographischen Aufnahmen primär, welche Materialien, wie häufig, wann eingesetzt und wie diese im unterrichtspraktischen Kontext bearbeitet bzw. in der Interaktion mit den Lernenden besprochen wurden. Ebenfalls konnten Hinweise zur Nutzung von Handlungsoptionen, zur Veränderung des Materials, zur Einflussnahme des Lehrwerks zu unterrichtssteuernden Zwecken, zur Materialverwen‐ dung in unterschiedlichen Unterrichtsphasen/ -sequenzen und zur Kompetenzförderung sowie zu Anlässen der Einbindung von lehrwerkunabhängige(re)m Material und dessen Ausgestaltung im Unterricht gewonnen werden. Um während der Beobachtung im Unterricht den Fokus auf das Wesentliche der Unter‐ suchung nicht zu verlieren, erwies sich der parallel eingesetzte Beobachtungsbegleitbogen als hilfreich, um die direkt beobachteten Situationen unmittelbar an das Erkenntnisinter‐ esse rückkoppeln zu können und einen Eindruck darüber zu erhalten, ob ausreichende Informationen zum Untersuchungsgegenstand gewonnen werden konnten. Weiterhin wurde im Rahmen des Pilotierungsprozesses ersichtlich, dass die Wort-für-Wort-Transkriptionen der beobachteten Unterrichtsstunden aufgrund der Multi‐ faktorialität und Dynamik der potenziell zu beobachtenden Elemente sowie der Vielzahl an diversen Unterrichtsinteraktionen (z. B. Einsatz der Unterrichtssprache Spanisch, Fehlerkorrektur, Rollenverhalten) nur phasenweise Aufschluss über den Kernbereich der Studie lieferten. Diese Tatsache eröffnete noch einmal mehr die Notwendigkeit, auch während der Beobachtung einen stärkeren Fokus auf das Material und dessen Verwendung zu legen, weshalb die Aufbereitung der Videodaten reduktiv vollzogen wurde (vgl. Kurtz 2016, 50). Ergänzend lieferten die Unterrichtsvorbereitungen und Materialnutzungsdoku‐ mentationen wichtige Erkenntnisse zur Verwendung der Materialien vor dem Unterricht, die der Forscherin in der Beobachtungssituation selbst verschlossen geblieben wären. Da diese jedoch nicht eigens für die Studie angefertigt werden sollten oder von der Lehrkraft als rein gedankliche Entscheidungen zur Vorbereitung getroffen wurden, ergab sich im Rahmen der Pilotierung das Problem, dass diese Hinweise teilweise nicht vorlagen. Somit konnten diese Inhalte auch nicht dokumentiert werden, weshalb sich deren Einbettung in das Interview als schwierig erwies. Um eine gewisse Tiefe erzielen zu können, sollten die Äußerungen der Lehrkräfte konkret am spezifischen Material vorgenommen bzw. darauf rückbezogen werden. Daher wurde das Instrument der Materialnutzungsdokumentation eingesetzt, in das Lehrkräfte während des Untersuchungszeitraums eintragen, welche Materialien sie zur Vorbereitung und/ oder im Unterricht (Seite, Nummer) verwendet und ob sie in irgendeiner Form Änderungen (vorab) vorgenommen haben ( Ja-/ Nein-Option). Im Zuge der Pilotierung wurde dieses Instrument als gut in den Unterrichtsalltag integrierbar beschrieben und belastete die teilnehmenden Lehrkräfte über einen Zeitraum von drei 3.6 Pilotierung der Erhebungsinstrumente 171 <?page no="172"?> Wochen nicht sonderlich. Die Angaben in der Materialnutzungsdokumentation lieferten wichtige Impulse für das Interview und ermöglichten einen tieferen Einblick in die verschiedenen Handlungsoptionen, die Lehrkräfte bei der Verwendung von Materialien nutzen. Als Alternative wurde in der Pilotierung angedacht, mit den Lehrkräften unmittelbar nach den Unterrichtsstunden Kurz-Reflexionen durchzuführen. Das erwies sich jedoch als wenig praktikabel, da die Lehrkräfte nach dem Unterricht häufig direkt weitere Verpflich‐ tungen hatten und sich durch den Zeitdruck nur bedingt auf ein tiefergehendes Gespräch einlassen konnten. Zudem war in der Situation selbst ad hoc nicht vollständig abrufbar, welche Materialien zur Vorbereitung verwendet und ob diese ggf. verändert wurden, sodass auch hier die Motive, die hinter den getroffenen materialbezogenen Entscheidungen liegen, ausgeklammert worden wären. B: #01: 30: 41-0# […] Oft braucht man dann noch mal so ein bisschen Abstand, weil im gleichen Moment nach der Stunde meistens gar nicht so die Zeit ist. […]. #01: 32: 12-2# (Interviewtranskript, LII, 146) Für die Pilotierung der sich daran anschließenden leitfadengestützten Befragung wurden vorab verschiedene Impulsdaten aus den vorherigen Datensätzen zu den verschiedenen Dimensionen des Untersuchungsgegenstands durch die Forscherin mit Relevanz für das Erkenntnisinteresse ausgewählt, die dann als Gesprächsanlass/ -inhalte dienten. Mithilfe der von Kruse (2015) und Helfferich (2011) erarbeiteten Verfahren und Strukturprinzipien wurde ein Leitfaden entwickelt, der im Pilotierungsinterview erprobt und optimiert wurde. Nach einer kurzen Einleitung der Forscherin (u. a. Intention des Interviews, Verfahrens‐ weise) wurde zuerst eine inhaltliche Warming-up-Frage gestellt, die von der Lehrkraft problemlos beantwortet werden konnte. Zur Besprechung der einzelnen thematischen Blöcke wurden lehrwerk- und datenbasierte Dokumentausschnitte gezeigt. Das Rederecht lag hauptsächlich bei der interviewten Person und wurde durch konkrete Nachfragen der Forscherin ergänzt. Der entwickelte Leitfaden diente der Rückversicherung, dass Kernelemente der ein‐ zelnen thematischen Blöcke behandelt wurden. Im Rahmen der Pilotierung wurde die Leit‐ fragenliste „im Anschluss aufgrund der in den ersten Interviews gemachten Erfahrungen“ (Reinders 2005, 156) weiterentwickelt. Im Zuge der Pilotierung des Interviews bestätigte sich auch im Anschlussgespräch mit der Lehrkraft, dass eine weitgehende Strukturierung zur Sicherung der Thematisierung relevanter Aspekte sinnvoll ist, da Lehrwerke ein allgemein bekanntes Thema darstellen, zu dem sich die Lehrenden, die teils über mehr als 15 Jahre Berufserfahrung verfügen, in vielerlei Hinsicht und darüber hinaus äußern können. Eine weitgehende Strukturierung ist im vorliegenden Fall jedoch nicht damit gleichzusetzen, dass keine Abweichungen vom Leitfaden vorgenommen wurden. Je nach Gesprächsverlauf und Antwortverhalten wurde die Reihenfolge der Fragen umgestellt, und es erfolgten Ergänzungen aber auch Kürzungen. Resümierend konnte die Pilotierung relevante Aufschlüsse für die Durchführung der Haupterhebung liefern und Aspekte aufzeigen, die weiterer Prüfung bzw. Präzision be‐ durften. Weiterhin konnten die notwendige Kombination und Integration sowie die Spezifik der einzelnen Erhebungsinstrumente vor dem Hintergrund der Mixed-Methods-Anlage der 172 3 Empirischer Teil: Konzeption und Durchführung der Studie <?page no="173"?> Studie ausgewiesen und transparent gemacht werden. Mit Blick auf das Erkenntnisinteresse hat sich das vorliegende Untersuchungsdesign in der Pilotierung für eine breite sowie tiefe Ergründung des Untersuchungsgegenstands als nützlich erwiesen. 3.7 Datenaufbereitung: Verfahren anhand der einzelnen Datensätze Um Daten, die mit technischen Medien generiert wurden, auswerten und analysieren zu können, müssen diese zunächst im Zuge ihrer Verschriftung einer Analyse zugänglich gemacht werden (vgl. Flick 2016, 379; Mempel/ Mehlhorn 2014, 147). Deshalb veranschau‐ licht dieses Kapitel die unterschiedlichen Verfahren der Datenaufbereitung anhand der erhobenen und erfassten Datensätze gemäß ihrer Funktion und Spezifik. Der Aufbereitung des Online-Fragebogens liegt ein geringer Eingriff in die Daten zugrunde. Die Angaben und Antworten der Forschungsteilnehmenden wurden von Lime‐ Survey in SPSS und bei qualitativen Formaten in MAXQDA übertragen. Die Datenmatrix und einzelne Antwortdatensätze wurden auf Plausibilität geprüft - bspw. wurden Antwort‐ muster (z. B. Mittelklicks bei allen Items auf einer Seite) in Relation zur Bearbeitungszeit gesetzt (vgl. Taddicken/ Batinic 2014, 171). Der Schwerpunkt der Aufbereitung lag vielmehr auf der Verschriftlichung der Audio- und Videodaten, die mit der Transkriptionssoftware f4 durchgeführt wurde. Transkription „meint eine Regel geleitete Verschriftlichung von Interviews, Gruppendiskussionen oder Alltagsgesprächen zu Auswertungszwecken“ (Fuß/ Karbach 2019, 17). Demnach stellen Transkripte die „zentrale Ausgangsbasis der wissenschaftlichen Analyse“ (ebd.) dar. Kri‐ tisch ist jedoch, dass es sich bei Transkripten immer um eine „selektive Konstruktion“ handelt und diese als Tertiärdaten in verschriftlichter Form vorliegen, da wiederum die Originaldaten, also die jeweiligen Gesprächsund/ oder Unterrichtssituationen bereits durch die Audio- oder Videoaufzeichnung zu Sekundärdaten wurden (vgl. ebd., 27). Wie die vorausgehende Schilderung zeigt, durchlaufen die Daten verschiedene (Bearbei‐ tungs-)Schleifen, innerhalb derer sie von Primärzu Tertiärdaten werden. Bei der Erstellung eines Transkripts ist demnach zu bedenken, dass es beim Prozess der Verschriftlichung zu Fehlern und Störungen kommen kann und somit die Gefahr eines „erhebliche[n] Informationsverlust[s]“ besteht (vgl. ebd.). Um das Ausmaß der Gefahr eines Daten- und Qualitätsverlusts so gering wie möglich zu halten, erfolgte die Transkription in mehreren Durchgängen (mit Pausen) und wurde vielfach geprüft (vgl. dazu u. a. Seifert 2016, 204). Da in der Folge mit den Transkripten der audio- und videobasierten Datensätze weitergear‐ beitet wird, nehmen diese eine zentrale Funktion im gesamten Forschungsprozess und insb. in der Auswertungs- und Analysephase ein, da diese maßgeblich von den angefertigten Tertiärdaten bestimmt sind (vgl. Mempel/ Mehlhorn 2014, 147). Die Transkription von Videodaten unterliegt im Vergleich zu der von Audiomaterial gewissen Schwierigkeiten, die aus der „Fülle an Handlungs- und Interaktionselementen“ (Seifert 2016, 201) resultieren und „aufgrund der Überführung des Filmmaterials in Schriftsprache“ (Mempel/ Mehlhorn 2014, 157) Forschende vor beachtliche Herausforderungen stellen. Da während des Beobachtungszeitraums naturgemäß weitere Daten generiert wurden (z. B. Unterrichtsvorbereitungen), die in Relation zu den direkten Beobachtungen stehen 3.7 Datenaufbereitung: Verfahren anhand der einzelnen Datensätze 173 <?page no="174"?> bzw. daraus hervorgegangen sind, wurde für die Aufbereitung bzw. Verschriftlichung der zur videographischen Unterrichtsbeobachtung gehörenden Daten sowie Lehrwerkmateri‐ alien ein erweitertes Beobachtungsprotokoll angefertigt (vgl. Dinkelaker/ Herrle 2009, 36 f.; Ophuysen, Bloh & Gehrau 2017, 90). Herrle, Kade und Nolda (2013, 607) sprechen hier auch von „Kontextmaterialien zum Unterricht“, die dem Protokoll beigefügt und damit der Analyse zugänglich gemacht werden. Die umfangreiche Aufbereitung und Integration der unterschiedlichen Datensätze zur Phase der Beobachtung gewährleistet eine Rückkopplung an die einzelnen Datensätze. Die Beobachtung kann somit in einen mehrdimensionalen Kontext (in Bezug auf die unterschiedlichen Facetten des Untersuchungsgegenstands) eingeordnet, ihr verschlossen gebliebene Daten (durch zusätzliche erhobene und erfasste Daten) integriert sowie die Komplexität dieser Erhebungsphase erhalten und transparent gemacht werden. Durch diese Art der Aufbereitung der Videodaten mit weiteren in dieser Phase entstandenen Datensätzen lässt sich die notwendige Vernetzung zur tieferen Ergründung des Untersu‐ chungsgegenstands erreichen. So kann bspw. die Nutzung von Materialien im Beobach‐ tungszeitraum durch die Einbindung eines parallel ausgefüllten Unterrichtsverlaufsplans unmittelbar den einzelnen Unterrichtsphasen/ -sequenzen zugeordnet werden. Angaben im Fragebogen (ausschließlich über anonymisierte Codes) sowie die Materialnutzungsdo‐ kumentation - insb. auch zur Vorbereitung - können wiederum die direkt beobachteten Situationen im Unterricht und die konkrete Verwendung der Materialien kontextualisieren und vorausgehende Auswahl- und Denkprozesse der Lehrkraft integrieren, die in der Folge im Interview ausgeführt und vertieft werden. Das erweiterte Beobachtungsprotokoll wurde jeweils für eine Unterrichtseinheit (à 45 oder 90 Minuten) erstellt, bündelt die verschiedenen beobachtungsbezogenen Datensätze und macht diese einer Auswertung zugänglich. Es setzt sich aus den folgenden Bestand‐ teilen zusammen: • allgemeine Daten- und Kontextinformationen; • inhaltliche Aspekte (Beobachtungsbegleitbogen); • Unterrichtsverlaufsplan (Phase/ Sequenz, Aktivität, Sozialform, Material); • Verbaltranskript (auf videographischer Basis); • Materialnutzungsdokumentation (Unterrichtsvorbereitung und Unterricht); • unterrichtsbezogene Produkte (Unterrichtsvorbereitungen etc.) (Erfassung); • Ausschnitte des verwendeten (Lehrwerk-)Materials. Für die wissenschaftliche Grundtranskription der Audio- und Videodaten fiel die Entschei‐ dung auf ein kombiniertes System bestehend aus Transkriptionsregeln nach Kuckartz (2014b) sowie aus dem modulartigen Transkriptionssystem nach Fuß und Karbach (2019), das nach jedem Interview mit vorangestelltem Transkriptionskopf (z. B. Interviewnummer, Datum, Ort, Code, Transkribientin, Besonderheiten) verschriftlicht wurde (vgl. ebd., 66). Die Transkription der Videodaten erfolgte aus einer Kombination der zusammenfassenden, kommentierten und Wort-für-Wort-Transkription (vgl. ebd., 18 ff.; Steffen/ Doppler 2019, 53 ff.). Die Entscheidung für dieses Transkriptionsverfahren liegt in der Arbeit mit dem Videomaterial im Rahmen der Pilotierung begründet (vgl. Kap. 3.6). Alle videographisch aufgezeichneten Unterrichtsstunden der Pilotierung wurden Wort für Wort transkribiert. 174 3 Empirischer Teil: Konzeption und Durchführung der Studie <?page no="175"?> Nach weiterer Beschäftigung und Analyse der Transkripte zeigte sich, dass bestimmte Unterrichtsphasen für die Beantwortung der Forschungsfrage nur bedingt von Relevanz waren (vgl. dazu u. a. Steffen/ Doppler 2019, 55). Sämtliche Audiodaten hingegen wurden Wort für Wort mit leichter Sprachglättung transkribiert. Folgendes Zeicheninventar sowie Transkriptions-Module fanden einheitlich für die Verschriftlichung der Audio- und Vide‐ odateien mit Blick auf deren Passgenauigkeit für das vorliegende Erkenntnisinteresse Anwendung (vgl. Fuß/ Karbach 2019, 40-ff.): • Modul Sprachglättung: leicht, Korrektur des Dialekts, Beibehalten umgangssprachlicher Ausdrucksweisen, fehlerhafte Ausdrucksweisen sowie fehlerhafter Satzbau; • Modul Pause: intervallskalierte Pause (kurze Pause bis 2 Sekunden: (..), mittlere Pause bis 5 Sekunden (…), Pause ab 5 Sekunden: (Pause)); • Modul Lautäußerungen, Wortabbrüche, Verschleifungen: Bindestrich nach Abbruch des Wortteils (Lehr-); • Modul nicht-sprachliche Ereignisse: einfache Klammern für nonverbale Äußerungen (lacht), hörbare Handlungen (haut auf den Tisch) und Hintergrundgeräusche (Handy klingelt); • Modul Unsicherheit, Unterbrechung, Auslassung: Angabe für unverständliches Wort (unv.); • Modul Zeichensetzung: Anwendung grammatikalischer Zeichensetzung. Zustimmende Äußerungen der Interviewerin wurden nicht mit transkribiert, und für jeden einzelnen Sprechbeitrag wurde ein Absatz verwendet (vgl. Kuckartz 2014b, 136 f.). Sprach‐ liche Details wie Vokaldehnungen, Verschleifungen oder Planungsäußerungen wurden nicht erfasst. Insgesamt resultieren aus der Orientierung an der Kombination beider Systeme wenige Notationszeichen, eine Orientierung an der Schriftsprache und eine gute Lesbarkeit (vgl. Fuß/ Karbach 2019, 31). Der formale Aufbau des Transkripts orientiert sich an den von Fuß/ Karbach (ebd., 73 ff.) formulierten Kriterien zur Transkriptgestaltung, die sich u. a. auf den Einsatz eines Textverarbeitungsprogramms, das Layout, die Schriftart, die Zeilennummerierung, Sprecher*innenkennzeichnung/ -wechsel, Zeitmarken und einen Transkriptionskopf beziehen. Weiterhin gilt es noch, das Aufbereitungsverfahren der unterrichtsbezogenen Doku‐ mente (insb. Unterrichtsvorbereitungen) und der Materialnutzungsdokumentationen dar‐ zulegen. Die freiwillig eingereichten medial schriftlichen Unterrichtsvorbereitungen lagen überwiegend in handschriftlicher Form vor. Um diese Dokumente in Programme wie MAXQDA überführen zu können, wurden diese eingescannt bzw. übertragen und dann mittels Microsoft Office Word digital verschriftlicht. Peuschel (2012, 75 f.) bezeichnet dieses Verfahren auch als „Transliteration“, womit eine „schriftbasierte Digitalisierung“ der analog vorliegenden Dokumente gemeint ist. 3.7 Datenaufbereitung: Verfahren anhand der einzelnen Datensätze 175 <?page no="176"?> 3.8 Datenauswertung: theoretische Überlegungen und Begründung der Gegenstandsangemessenheit der gewählten Auswertungsmethoden Nach der Datenerhebung und -aufbereitung soll nachfolgend der Prozess der Datenaus‐ wertung dargelegt werden. Zu Beginn erfolgt eine Erläuterung der theoretischen Vorüber‐ legungen zu den gewählten Auswertungsmethoden, die anschließend auf den konkreten Untersuchungsgegenstand und das erhobene sowie erfasste Datenmaterial zugeschnitten und in Bezug auf das Kriterium der Gegenstandsangemessenheit begründet werden. Das Ziel der Auswertung von Daten bezieht sich nach Demirkaya (2014, 213) „auf das Ableiten von wissenschaftlich relevanten Erkenntnissen aus den erhobenen/ erfassten Rohdaten, die vor dem jeweiligen Forschungsinteresse gedeutet und interpretiert werden“. Dazu ist es von Bedeutung, nicht nur das angemessene Vorgehen zu identifizieren, sondern dieses auch je nach Charakteristika des Untersuchungsgegenstands zu modifizieren (vgl. ebd., 214) und ggf. verschiedene, zueinander passende, Analysemethoden miteinander zu kombinieren bzw. zu integrieren. Auch Aguado (2013, 120) weist darauf hin, dass die Eignung eines Verfahrens für bestimmte Untersuchungszwecke „nicht ohne Weiteres“ (ebd.) einschätzbar sei, was Modifizierungen insb. im qualitativen Paradigma notwendig machen könne und als „Ausdruck des Primats der Daten“ gewertet werde (vgl. ebd., 122). Hinzu kommt, dass qualitative Daten im Vergleich zu quantitativ erhobenen Daten „weniger vorstrukturiert“ sind, weshalb ihnen mit einem „höheren Grad an Offenheit und Flexibilität“ hinsichtlich der Datenerhebung, aber auch -auswertung begegnet werden sollte (vgl. ebd., 125). In Anlehnung an die Ausführungen in Kap. 3.3 gilt es zu reflektieren, dass Forschende auf das Datenmaterial „aus einer vorgeprägten Perspektive“ blicken, weshalb „das eigene Vorverständnis“ stets offengelegt und hinterfragt werden sollte (vgl. Kuckartz/ Rädiker 2020, 11). Hierzu wurde sich an den von Kuckartz und Rädiker (ebd., 11 f.) formulierten Fragen orientiert, die den Prozess der Datenauswertung begleiten: • Welche Vermutungen habe ich über die untersuchten Zusammenhänge? • Wovon gehe ich implizit aus, wenn ich diese Frage stelle? • Unterstelle ich z. B. das Vorhandensein einer Herausforderung oder eines Problems, das möglicherweise gar nicht als solches erlebt wird? Die nachfolgenden Ausführungen zur Wahl und Durchführung der Auswertungsmethoden unter Bezugnahme auf besondere Anforderungen, die mit der Auswertung unterschiedli‐ cher Datensätze und deren Spezifika einhergehen, sind an die von Kuckartz (2016, 204, 217 f.) aufgestellten Kriterien zur Beurteilung der internen sowie externen Studiengüte angelehnt. Die Entscheidung für die gewählten Auswertungsverfahren ist stets im Zusammenhang mit der Mixed-Methods-Anlage der Untersuchung zu betrachten. Die beiden Auswertungs‐ methoden werden dabei nicht als isoliert voneinander verstanden, sondern erfahren vielmehr eine kombinierte und integrative Anwendung. 176 3 Empirischer Teil: Konzeption und Durchführung der Studie <?page no="177"?> 3.8.1 Quantitative Auswertungsmethode: uni- und bivariate Statistik Mit der Wahl eines quantitativ-orientierten Datenerhebungsinstruments (Fragebogen) geht zumeist auch bereits „die Entscheidung für die computergestützte statistische Aus‐ wertung der Daten“ einher (vgl. Gültekin-Karakoç/ Feldmeier 2014, 183). Dennoch gilt es, basierend auf den Ausführungen zum vorliegenden Mixed-Methods-Design (vgl. Kap. 3.4), die nachfolgende Wahl und Begründung der statistischen Auswertungsverfahren vor dem Hintergrund der zugrunde liegenden explorativen Forschungsstrategie zu erläutern. Für die computergestützte statistische Datenauswertung stehen sowohl deskriptivals auch inferenzstatische Verfahren zur Verfügung (vgl. Settinieri 2012, 253). Während sich die deskriptive Statistik „mit der zahlenmäßigen Beschreibung von Stichproben mit dem Ziel einer strukturierenden Zusammenfassung [beschäftigt, JLK]“ (ebd.), wird mit der Anwen‐ dung inferenzstatistischer Verfahren intendiert, „Aussagen über die untersuchten Gegen‐ stände hinaus [zu] treffen“ (ebd.), also mithilfe von Signifikanztests von der Stichprobe auf die Grundgesamtheit zu schließen (vgl. ebd.). Der Einsatz inferenzstatistischer Verfahren wird mit Blick auf die explorative Forschungsstrategie dieser quantitativen Studie einer kritischen Betrachtung hinsichtlich seiner Gegenstandsangemessenheit unterzogen. Im Zuge der Auswertung quantitativer explorativer Studien kommen insb. deskriptivstatistische Verfahren zum Einsatz, die die Daten der Stichprobe in zusammenfassender Form über Stichprobenkennwerte (z. B. Maße der zentralen Tendenz sowie der Dispersion) beschreiben, wodurch u. a. auch Ausreißer sichtbar werden können (vgl. Döring/ Bortz 2016, 612). Um einen Überblick über die Fragebogendaten und deren (grundlegende) Struktur zu erhalten, wurden zunächst univariate Analyseverfahren eingesetzt, mit denen einzelne Variablen genauer untersucht werden (vgl. ebd., 621). Neben der Beschreibung über Stichprobenkennwerte werden insb. bei explorativen quantitativen Studien Visuali‐ sierungstechniken eingesetzt, da die „optische Inspektion [von, JLK] Merkmalsverteilungen erheblich mehr Denkanstöße zur Hypothesenbildung vermitteln kann als rein numerische Deskriptionen“ (ebd., 623). Ein zentrales Kriterium für die Berechnung zahlreicher statistischer Kennwerte sowie deren grafische Darstellungsweise ist das Skalenniveau. Von diesem hängt es ab, „welche Rechenoperationen an den jeweiligen Variablen“ (Settinieri 2012, 256) vorgenommen werden dürfen. Die im Fragebogen erhobenen Variablen sind entweder nominal- oder im Likert-Antwortformat (z. B. Meinung, Zufriedenheit) ordinalskaliert. In der geistes- und sozialwissenschaftlichen Forschung existiert keine einheitliche Praxis hinsichtlich der Zuordnung des Skalenniveaus bei likertbasierten Antwortformaten, sodass diese teils auch als intervallskaliert bzw. pseudo-metrisch erachtet werden. Als Anforderung wird dafür u. a. eine mindestens fünfstufige Skala angeführt (vgl. Döring/ Bortz 2016, 269 f.; Kuckartz et al. 2013, 19; Kühnel/ Krebs 2006, 34 f.). Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wird sich trotz des ordinalen Skalenniveaus für die Berechnung des arithmetischen Mittels und der Standardabweichung im Bereich der Lageparameter und Streuungsmaße entschieden, was im Folgenden begründet wird. Der Mittelwert kann nach Stocker und Steinke (2022, 59) als „der bedeutendste Lagekennwert in der Statistik“ charakterisiert werden, Bortz und Schuster (2010, 25) bezeichnen ihn auch als das „gebräuchlichste Maß zur Kennzeichnung der zentralen Tendenz“. Die Wahl des arithmetischen Mittels legitimiert sich vor dem Hintergrund, dass es sich bei den vorlie‐ 3.8 Datenauswertung 177 <?page no="178"?> genden Variablen in den meisten Fällen um solche im Likert-Antwortformat handelt. Hier treten keine extremen Ausreißer auf, die den Mittelwert stark beeinflussen (Begrenzung der Skala auf eine Spanne von 1-5) und auch kleinere Lageunterschiede zwischen den Variablen können besser mit dem Mittelwert als bspw. mit dem Median sichtbar gemacht werden (vgl. Frost 2020, 30 f.). Kühnel und Krebs (2006, 34) stufen die potenziell aus der Berechnung des Mittelwerts auf Basis ordinaler Daten resultierende Ungenauigkeit der Messung im Vergleich zu anderen Fehlerquellen als „eher vernachlässigbar“ ein. Die Verwendung von ordinalen Messungen als intervallskaliert stellt eine Forschungspraxis dar, die sich auch in „großen professionell durchgeführten internationalen Studien wie etwa dem Eurobarometer“ wiederfindet, in denen auf Basis ordinaler Skalen Mittelwerte berechnet werden (vgl. Kuckartz et al. 2013, 20). Als Streuungsparameter wird die Standardabweichung gewählt, da sie im Vergleich zur Varianz die gleiche Maßeinheit wie die ursprüngliche Variable hat, was die Interpretation des Wertes erleichtert (vgl. Frost 2020, 38). Darüber hinaus weist sie Vorteile im Vergleich zu anderen Dispersionsmaßen auf, wie z. B. Spannweite (vgl. ebd., 35 ff.) und Interquartilsab‐ stand (vgl. Hornsteiner 2012, 47). Bei der Spannweite kann bereits ein Ausreißer die Aussage erheblich verfälschen (vgl. Bambert, Baur & Krapp 2011, 20 f.). Der Interquartilsabstand hingegen erweist sich dann als angemessen, wenn große Ausreißer vorhanden sind, was wiederum die Aussagekraft der Standardabweichung verfälschen könnte. Für die graphische Darstellung der Ergebnisse univariater Verfahren werden vorrangig Balkendiagramme eingesetzt, da mit ihnen „sehr schnell ein Bild über die quantitative bzw. relative Rangfolge von Merkmalsausprägungen vermittel[t]“ werden kann (vgl. Kuckartz et al. 2013, 43). Darüber hinaus finden Histogramme Anwendung, die es ermöglichen, die Häufigkeitsverteilung der Daten über ihre gesamte Bandbreite zu repräsentieren (vgl. Döring/ Bortz 2016, 476). Je nach Skalenniveau wird die Häufigkeit sortiert, damit Grup‐ penunterschiede in der zentralen Tendenz direkt ersichtlich werden (häufigste und seltenste Ausprägungen) (vgl. ebd., 622). Bei nominalskalierten Variablen erfolgt die Sortierung nach der Häufigkeit, bei ordinalen Daten nach den jeweiligen Kategorien (vgl. Kuckartz et al. 2013, 43 f.). Mit den erläuterten univariaten Analysen (Verteilung der Daten) lassen sich zentrale Hinweise darauf ermitteln, welche Aspekte der Daten genauer mit Blick auf Muster und Zusammenhänge untersucht werden sollten (vgl. Burkhardt/ Sedlmeier 2015, 9). Sie stellen somit die Grundlage für die nachfolgend erläuterten statistischen Verfahren dar. In einer explorativen quantitativen Studie können über die Stichprobenbeschreibung hinaus Techniken der explorativen Datenanalyse (EDA) zur Identifikation von Strukturen, Trends und Mustern in quantitativen Datensätzen zum Einsatz kommen, um „ein mög‐ lichst vollständiges und übersichtliches Bild des gesamten Datensatzes“ zu erhalten (vgl. Döring/ Bortz 2016, 621). Damit einher geht eine tiefere Betrachtung einzelner sowie mehrerer Variablen und ihnen zugrunde liegender Verteilungen und Zusammenhänge (vgl. Burkhardt/ Sedlmeier 2015, 9; Döring/ Bortz 2016, 621; Schäfer 2010, 99). Daher werden in der nachfolgend erläuterten EDA auch bivariate Verfahren eingesetzt. Erweiternd dazu können gefundene Stichprobeneffekte inferenzstatistisch mit einem Signifikanztest gegen den Zufall abgesichert werden (vgl. Döring/ Bortz 2016, 612). Gemäß einer explorativen 178 3 Empirischer Teil: Konzeption und Durchführung der Studie <?page no="179"?> quantitativen Forschungsstrategie finden folgende statistische Datenanalysestrategien in der vorliegenden Studie Anwendung (vgl. ebd., 612-f., 621): • explorative Datenanalyse und deskriptivstatistische Methoden mit dem Ziel der Be‐ schreibung und Strukturierung der Daten sowie des Aufdeckens besonderer oder unerwarteter Effekte; • inferenzstatistische Verfahren zur „zufallskritischen Betrachtung von Effekten“ (keine Hypothesentests) und zum „Vorantreiben“ der Hypothesen- und Theorienbildung. Bei der explorativen quantitativen Datenanalyse gilt es, wie auch bei anderen quantitativen Forschungsstrategien, bestimmte (Test-)Voraussetzungen einzuhalten. Zu berücksichtigen ist, dass bei explorativen quantitativen Studien aufgrund ihrer in Kap. 3.5.1 erläuterten Grundintention und Charakteristik zwischen den an deskriptivsowie explanativ-quanti‐ tative Studien herangetragenen (Test-)Voraussetzungen differenziert werden muss (z. B. Kriterium der Repräsentativität) (vgl. Döring/ Bortz 2016, 621). Die nachfolgend begründete Wahl der Testverfahren gewährleistet, dass die Testvoraussetzungen nicht verletzt worden sind. Für das Ziel des Aufdeckens von Zusammenhängen zwischen zwei Merkmalen kommen bivariate Analyseverfahren zur Verwendung, mit denen errechnet werden kann, wie stark ein (statistischer) Zusammenhang zwischen zwei Merkmalen ist (vgl. Burzan 2015, 144 f.). Hierfür wird die Rangkorrelation nach Spearman verwendet. Mit diesem Maß können positive und negative Korrelationen bestimmt sowie die Stärke des Zusammenhangs ermittelt werden (vgl. Döring/ Bortz 2016, 347). Spearman’s Rho ist bei ordinalen, nicht normalverteilten Daten und moderater Nicht-Linearität anwendbar (vgl. Bortz/ Schuster 2010, 178; Döring/ Bortz 2016, 681; Stocker/ Steinke 2022, 163). Bei der Berechnung von Korrelationen ist das Problem der Scheinkorrelation kritisch zu berücksichtigen. Es besagt, dass Maßzahlen zwar statistische Zusammenhänge andeuten und damit „potenziell Hinweise auf Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge geben“ (Burzan 2015, 156) können, diese jedoch nicht beweisen. Ebenfalls ist die Richtung eines mögli‐ chen Wirkungszusammenhangs ohne Hinweis auf die zeitliche Abfolge auf Basis von Korrelationen nicht problemlos auszumachen. Zudem besteht die Möglichkeit, „dass eine Korrelation verschwindet, sobald weitere Merkmale berücksichtigt werden“ (ebd.) und der vermutlich ermittelte Zusammenhang zwischen zwei Variablen nicht mehr gegeben ist (vgl. ebd.). Insbesondere für Forschungsfelder, die viele mögliche Einflussfaktoren bei der Ergründung ihrer Untersuchungsgegenstände zu berücksichtigen haben (und hierzu zählt auch die fremdsprachendidaktische Forschung), kann das Entdecken von Zusammen‐ hängen verschiedener Variablen erschwert bzw. viele dieser nicht direkt messbar sein (vgl. Grum/ Zydatiß 2022, 346). Gemäß der begründeten explorativen Ausrichtung der quantitativen Studie werden Ergebnisse weder kausal interpretiert noch Rückschlüsse auf die Grundgesamtheit gezogen, sodass diese Problematik und damit einhergehend die Kontrolle möglicher Störvariablen weitgehend zu vernachlässigen ist. Zur Untersuchung der Unterschiedshypothesen kommen statistische Verfahren zum Einsatz, mit denen Unterschiede in der Lage der zentralen Tendenz zwischen zwei (un-)abhängigen Stichproben auf Signifikanz geprüft werden können (vgl. ebd., 146). Üblicherweise findet hierfür der t-Test Anwendung. Dieser ist jedoch an eine Reihe an Vor‐ 3.8 Datenauswertung 179 <?page no="180"?> 85 Die Untergrenze der inhaltlichen Interpretation liegt bei Rho 0,1. Ein Wert von unter 0,1 gilt als zu schwach und wird nicht angegeben. aussetzungen geknüpft. Zum einen setzt er als parametrisches Verfahren intervallskalierte und normalverteilte Daten voraus (vgl. Settineri 2012, 262), zum anderen darf die Streuung der Daten beider Gruppen nicht zu unterschiedlich sein (vgl. Bortz/ Schuster 2010, 130). Mit Blick auf die ordinale Datenstruktur im Likert-Antwortformat sowie auf die Erfüllung der Voraussetzungen auf der Ebene des Messniveaus und der Verteilungsformen wird sich für den Mann-Whitney-U-Test (MWU-Test) als etabliertes Verfahren entschieden, dessen Testvoraussetzungen im Rahmen der vorliegenden Studie erfüllt sind. Es liegt bspw. eine ähnliche Verteilungsform zwischen beiden Gruppen vor. Damit ist gemeint, dass erstens die Streuung der Daten beider Gruppen und zweitens die Schiefe nicht zu unterschiedlich sein dürfen. Darüber hinaus ist die Unabhängigkeit der zu vergleichenden Stichproben erfüllt und die unabhängige Variable ist nominalskaliert (vgl. Bortz, Lienert & Boehnke 2008, 200; Bortz/ Schuster 2010, 130; Settinieri 2012, 262). In Relation zu den vorher erläuterten bivariaten Verfahren wird zur Berechnung der Effektstärke das standardisierte Effektstärkemaß r verwendet, da es vergleichbar bzw. nach den gleichen Kriterien zum Spearman’s Rho und MWU-Test interpretiert werden kann, wodurch mit r die Stärke der Zusammenhänge (Spearman’s Rho) und Unterschiede (MWU-Test) beschrieben wird (vgl. Lienert 1986, 608). Die Eignung dieses Effektstärke‐ maßes liegt ferner auch darin begründet, dass die Effektstärke immer zwischen 0 (kein Effekt) und 1 (maximaler Effekt) liegt, was zu einer Erleichterung der Interpretierbarkeit führt (vgl. Field 2018, 117). Im Ergebniskapitel wird daher für die gerechneten MWU-Tests r und für die Korrelationen Spearman’s Rho berichtet. Das Effektstärkemaße wird wie folgt interpretiert (vgl. Field 2018, 344, 351); zu beachten ist dabei, dass Spearman’s Rho negative Werte annehmen kann (negative Korrelationen): • 0,1 bis 0,3 = schwacher Zusammenhang 85 ; • > 0,3 bis 0,5 = mittlerer Zusammenhang; • > 0,5 = starker Zusammenhang. Neben dem Effektstärkemaß r werden auch p-Werte berechnet, die die statistische Signifi‐ kanz des gefundenen Unterschieds oder Zusammenhangs belegen. Das Signifikanzniveau für die Irrtumswahrscheinlichkeit (p) wurde auf die in der geistes- und sozialwissenschaftli‐ chen Forschung üblichen Werte festgelegt (p ≤ 0.05 = signifikant; p ≤ 0.01 = sehr signifikant; p ≤ 0.001 = hochsignifikant) (vgl. Settinieri 2022, 358). P-Werte werden als signifikant interpretiert, wenn sie kleiner als 0,05 sind. Mit den vorliegenden Fallzahlen können bereits mittlere Zusammenhänge zuverlässig als signifikant ermittelt werden (Sensitivitätsanalyse für MWU-Test, zweiseitiger Test mittels GPower 3.1.9.7., r = 0,3345). Basierend auf den Ergebnissen der Sensitivitätsanalyse mittels GPower und der explorativen Ausrichtung der quantitativen Studie wird eine substanzielle Interpretation der Effektstärken vorgenommen und p-Werte als Absicherung gegen den Zufall ausgewiesen. Zur Visualisierung der Ergebnisse bivariater Verfahren werden vorrangig Kreuztabellen eingesetzt. Kreuztabellen eignen sich insb. zur Darstellung und Analyse von Häufigkeits‐ verteilungen von zwei Variablen und sind sowohl für nominalals auch für ordinalskalierte 180 3 Empirischer Teil: Konzeption und Durchführung der Studie <?page no="181"?> Variablen geeignet (vgl. Kuckartz et al. 2013, 87). Darüber hinaus können mit dieser Darstellungsform sowohl absolute als auch relative Häufigkeiten ausgewiesen werden (vgl. ebd., 89). Als faktische Voraussetzung für eine Kreuztabelle formulieren Kuckartz et al. (ebd., 88) außerdem noch, dass „die Zahl der Kategorien nicht allzu groß“ sein sollte, da diese sonst schnell unübersichtlich werde. Sollen mehrere Merkmale auf einen besonderen Zusammenhang hin untersucht werden, bietet sich der Einsatz von Streudiagrammen an, mit dem die Stärke, Richtung und Art eines Zusammenhangs zügig erfasst werden können (vgl. Stocker/ Steinke 2022, 142). Streudiagramme eignen sich in erster Linie für metrischskalierte und stetige Variablen (z. B. Alter, Einkommen) (vgl. Döring/ Bortz 2016, 623; Kuckartz et al. 2013, 209), da „sich die einzelnen Punkte gewissermaßen auf der ganzen Fläche ausbreiten können […], ohne übereinander gedruckt zu werden“ (Kuckartz et al. 2013, 209 f.). Da die likertskalierten Variablen wie zuvor beschrieben kein metrisches Skalenniveau aufweisen, wird im Rahmen dieser Arbeit auf die Verwendung von Streudiagrammen verzichtet. Die ordinale Natur der Variablen ermöglicht keinen mehrwertbringenden Einsatz dieser Visualisierungsmög‐ lichkeit, da keine stetige Verteilung in den Diagrammen sichtbar wird. Deshalb wird sich im Falle von erklärungsbedürftigen Zusammenhängen ausschließlich der Kreuztabellen bedient. Die Ausführungen in diesem Teilkapitel sind ausnahmslos vor dem Hintergrund der zugrunde gelegten explorativen quantitativen Forschungsstrategie zu verstehen, mit der „keine theoretisch abgeleiteten Hypothesen“ (Döring/ Bortz 2016, 627) getestet, sondern die Bildung neuer intendiert wird. Dazu fanden erweiternd statistische Signifikanztests Anwendung, „um die gefundenen Effekte gegen den Zufall abzusichern“ (ebd.). Zu be‐ achten ist, dass diese Art von Signifikanztestung als Grundlage der Formulierung von A-priori-Hypothesen bzw. Forschungsfragen für zukünftige Studien dient (vgl. ebd.; Kap. 4.5). Von der in vorliegender Studie angewandten Form des Signifikanztests sind daher „Pseudo-Hypothesentests“ abzugrenzen, im Rahmen derer im Sinne von „Ex-post-Erklä‐ rungen“ explorative als hypothesenprüfende Studien dargestellt werden (vgl. ebd., 628). Ermittelte datenimmanente (signifikante) Unterschiede und Zusammenhänge sind in der vorliegenden Studie zu verstehen als statistisch betrachtete Assoziationen, die wertvolle Hinweise auf mögliche Befunde und Zusammenhänge in der Grundgesamtheit liefern. 3.8.2 Qualitative Auswertungsmethode: qualitative Inhaltsanalyse Zur qualitativen Datenanalyse können unterschiedliche Verfahren hinzugezogen werden. In der Regel wird zwischen datenreduzierenden und datenexpandierenden Verfahren unterschieden. Analysestrategien zur Datenreduzierung sind insb. zusammenfassende, abstrahierende, kondensierende, codierende und kategorisierende Verfahren von Daten‐ auszügen. Eine Expansion von Daten liegt vor, wenn Datenausschnitten explizierende, kontextualisierende und theoretisierende Texte beigefügt werden, „um den verdeckten Sinngehalt von Aussagen […] freizulegen und zu entfalten“ (vgl. Demirkaya 2014, 216). Es ist zu erwähnen, dass sich beide Verfahren nicht gegenseitig ausschließen; bspw. „können 3.8 Datenauswertung 181 <?page no="182"?> 86 Unter Kategorie wird nach Kuckartz und Rädiker (2022, 53) das „Ergebnis einer Klassifizierung von Einheiten“ verstanden. Zu verweisen gilt es an dieser Stelle auf ein weit gefasstes Spektrum von Kategorien (z. B. thematische, analytische, theoretische, formale, In-vivo- und evaluative Kategorien) (vgl. ebd., 55 ff.). Dabei soll auch auf die Problematik der Begriffsverwendung von Kategorie und Code hingewiesen werden. Der Begriff des Codes stammt ursprünglich aus dem Zusammenhang quantitativer Forschungsansätze (vgl. ebd., 59). Kuckartz und Rädiker (ebd.) geben an, dass in manchen Veröffentlichungen keine „durchgängig einheitliche und in sich konsistente“ Begriffsverwendung anzutreffen sei. Im vorliegenden Forschungsprojekt werden die Begriffe ver‐ wendet, die im Deutschen gebräuchlicher sind, z. B. Kategorie, Kategoriensystem, Kategorienbildung, Kategorisieren. in Kategorien 86 zusammengefasste Datenausschnitte durch weitere, differenzierende theo‐ retische Ausführungen“ und Textteile desselben oder anderer Datensätze erweitert werden (vgl. ebd., 217). Flick (2011, 389 ff.) subsumiert unter datenreduzierenden Verfahren bspw. die qualitative Inhaltsanalyse (QIA), die nach Burwitz-Melzer und Steininger (2022, 277) für die Fremd‐ sprachenforschung dann „eine gewinnbringende Forschungsmethode darstellt, wenn Kom‐ munikationsmaterial (Texte, Hypertexte, Videosequenzen, bildliches oder musikalisches Material) theorieund/ oder datengeleitet untersucht und ausgewertet werden soll“. Mit dieser Auswertungsmethode wird das Textmaterial nicht isoliert betrachtet, sondern in seinen kontextuellen Zusammenhang eingebettet und in seiner kommunikativen Absicht berücksichtigt. Hierbei können „Fragen zum Verhältnis zwischen Sender und Empfänger, Medium, Textmerkmale und Gestaltung, Wirkungsabsicht und Wirkung auf die Adres‐ saten“ (ebd., 279) von Bedeutung sein. Damit erweist sich die QIA insb. für komplexere Forschungsgebiete als geeignet, da verschiedenartige Datensätze wie bspw. Antworten auf offene Fragen im Fragebogen, Transkriptionen von Audio- und Videomaterial sowie unterrichtsbezogene Produkte analysiert werden können (vgl. ebd.). Da in der vorliegenden Studie umfangreiche Datensammlungen sowie verschiedene erhobene und erfasste Da‐ tensätze existieren, die in unterschiedlichen Kontexten entstanden sind und einen unter‐ schiedlichen Grad der Strukturiertheit aufweisen, wird die QIA als gegenstandsangemessen erachtet. Besonders eignet sie sich zur Analyse von Analogien und Differenzen, aber auch, um die den einzelnen Datensätzen zugrunde liegenden „unterschiedlichen Perspektivie‐ rungen und Gewichtungen“ zu eruieren (vgl. ebd., 281). Aguado (2013, 129) weist zudem das „besondere Potential“ der QIA nicht nur für komplexe Fragestellungen aus, sondern insb. auch für unerforschte Themengebiete, die eines „differenzierten und reflektierten Instrumentariums“ bedürfen, wozu der hier behandelte Untersuchungsgegenstand gezählt werden kann (vgl. Kap.-1, 2.3.2.3, 2.4, 3.5). Basierend auf diesen Ausführungen erweist sich das systematische und komplexitäts‐ bewältigende Vorgehen der QIA bei der Vielschichtigkeit der vorliegenden Daten als sinnvoll. Durch eine gewisse Regel- (konkrete Analyseschritte in einer gewissen Abfolge) und Theoriegeleitetheit kann einerseits eine theoretische Vorstrukturierung vollzogen und andererseits eine Einbettung des Forschungsstands bei allen Verfahrensschritten gewährleistet werden (vgl. Mayring 2015, 50 f.). Mit Blick auf die Mixed-Methods-Anlage der Untersuchung erweist sich die QIA in Kombination mit statistischen Verfahren als gewinnbringend, da sie nicht nur zur inten‐ siveren Auseinandersetzung mit den quantitativen Daten anregt und neue Erkenntnisse 182 3 Empirischer Teil: Konzeption und Durchführung der Studie <?page no="183"?> durch die Auswertung der qualitativen Studienteile hervorbringt, sondern bspw. auch Quantifizierungen qualitativer Ergebnisse bzw. Kategorien (z. B. quantitatives Vorkommen von Kategorien) ermöglicht und diese als eigenes Ergebnis versteht (vgl. Tesch 2018, 54). Dies ist für die vorliegende Studie insofern zentral, als dass in einem primär quantitativen Erhebungsinstrument offene Frageformate mit der QIA ausgewertet werden und das den verschiedenen Kategorien zugeordnete Textmaterial wiederum quantifiziert, also in Prozentangaben überführt wird. Nach einer Begründung zur Wahl der Auswertungsmethode soll im Folgenden die QIA in ihrer auf die Erforschung des vorliegenden Untersuchungsgegenstands zugeschnittenen Form dargelegt werden. In der Forschungsliteratur werden verschiedene (Grund-)Formen und Techniken der QIA unterschieden (vgl. dazu u. a. Kuckartz/ Rädiker 2022; Mayring 2015). Im Rahmen dieser Studie wird sich vorerst auf das allgemeine Ablaufmodell der QIA nach Kuckartz und Rädiker (2022, 106) bezogen, da dieses zum einen „die prinzipielle sequenzielle Abfolge“ der einzelnen Auswertungsschritte beinhaltet, zum anderen gleichsam „aber auch Möglichkeiten zu zirkulären“ Prozessen aufzeigt, die Iterations- und Feedbackschritte beinhalten. Die Analysephasen sind hier „nicht strikt voneinander“ zu trennen, sondern können dynamisch angepasst und präzisiert werden (vgl. ebd.). In der vorliegenden Studie wird die QIA daher als „iterativer und kommunikativer Dialog des Forschers mit dem eigenen Theorieverständnis und den eigenen Vorannahmen sowie mit dem konkret aus den Daten ermittelten empirischen Befunden“ (Aguado 2013, 131) verstanden. Abbildung 13: Ablaufmodell qualitativer Inhaltsanalysen (nach Kuckartz/ Rädiker 2022, 106) Ausgehend von dem zuvor erläuterten allgemeinen Ablaufmodell wird für diese Unter‐ suchung die Form der inhaltlich strukturierenden und teils auch zusammenfassenden 3.8 Datenauswertung 183 <?page no="184"?> 87 In der vorliegenden Arbeit findet eine vorrangige Orientierung an dem Konzept von Kuckartz/ Rä‐ diker (2022) statt. Diese Entscheidung liegt in der Kompatibilität mit der Mixed-Methods-Anlage des Untersuchungsdesigns und der Software-Funktionen von MAXQDA (insb. Integrationsstrategien) begründet. Inhaltsanalyse 87 als angemessen erachtet, mit der „eine Strukturierung und Reduktion der gesammelten Daten“ (Burwitz-Melzer/ Steininger 2022, 286) intendiert wird. Die erste Phase der Datenauswertung stellt im vorliegenden Fall die „initiierende Textarbeit“ (Kuckartz/ Rä‐ diker 2022, 119) dar, die hermeneutisch-interpretativ angelegt ist und ein sorgfältiges Lesen des Textes umfasst, um ein erstes Gesamtverständnis zu erzielen. Weiterhin werden formale Charakteristika des Datenmaterials berücksichtigt. Konkret wurden im vorliegenden Fall folgende Maßnahmen der „initiierenden Textarbeit“ ergriffen (vgl. ebd., 121-f.): • Anlegen der Forschungsfragen an den Text; • Markierung zentraler Begriffe; • Kennzeichnung wichtiger Abschnitte und unverständlicher/ schwieriger Stellen; • Analyse der Argumentationsstruktur; • Identifikation inhaltlicher Strukturen (Abschnitte, Brüche). Sämtliche Gedanken, Ideen und Hypothesen oder auch reflektiertere Anmerkungen werden während des Analyseprozesses schriftlich in Form von Memos festgehalten. Nach Bearbeitung der Texte werden erste themenbezogene Zusammenfassungen der Daten des Online-Fragebogens, der videographischen Beobachtung und des Interviews angefertigt, die systematisch geordnet sind, Charakteristika der einzelnen Beteiligten umfassen und bezogen auf die Perspektive der Forschungsfragen verfasst sind (vgl. ebd., 124; Schmidt 2017, 447 ff.). Im vorgenommenen Datenauswertungsprozess werden die Zusammenfas‐ sungen ausformuliert und in der Weise strukturiert, dass den jeweiligen Absätzen eine Überschrift/ Kurzbezeichnung in Anlehnung an die Struktur der Kategorie vorangestellt ist (vgl. ebd., 125). Mit Zusammenfassungen kann unmittelbar zu Beginn der Datenauswertung der Blick auf die einzelnen Teilnehmenden (insb. die der Gesamtstudie) geschärft und erste Hypothesen und Kategorien generiert werden (vgl. ebd., 128). Der Entwicklung der Kategorien liegt gemäß dem zirkulären Verständnis der QIA (vgl. Kuckartz/ Rädiker 2022, 102 f.) ein mehrstufiges Verfahren zugrunde (vgl. Bur‐ witz-Melzer/ Steininger 2022, 286), das aus der Spezifik des Untersuchungsgegenstands resultiert. Eine Kombination aus a-priori und am Material gebildeten Kategorien wird „insbesondere zur Erfassung subjektiver Wahrnehmungen und Deutungsprozesse sowie für die Aufdeckung latenter Sinnstrukturen“ (Aguado 2013, 130) vorgeschlagen. Dies er‐ scheint auch insofern für die vorliegende Studie sinnvoll, als der Untersuchungsgegenstand nur geringfügig empirisch erforscht ist, aber die Analyse des Forschungsstands (vgl. Kap. 2.3) wichtige Hinweise zur Ergründung des Themas liefern konnte, sodass theoretische (und teils empirisch-basierte) Erkenntnisse durch am Material gebildete Kategorien aufge‐ schlüsselt, aber auch neue spezifische Ergebnisse zu Tage befördert werden (vgl. Schmidt 2013, 473 f.). 184 3 Empirischer Teil: Konzeption und Durchführung der Studie <?page no="185"?> 88 Kuckartz und Rädiker (2022, 72) verzichten auf den Begriff der deduktiv abgeleiteten Kategorien, da gemäß den Autoren hier ein problematisches Begriffsverständnis zugrunde liege. Mit dem Begriff der Deduktion gehe einher, dass das „Besondere aus dem Allgemeinen erschlossen“, „also eine logische Ableitung vorgenommen“ (ebd.) werde. Der Begriff der a-priori-Kategorien erscheint hier neutraler und fokussiert ausschließlich das Vorgehen. Die thematischen Hauptkategorien werden a priori 88 auf Basis der Forschungsfragen (vgl. Kuckartz/ Rädiker 2022, 133), einer umfangreichen Literatursichtung (vgl. Ricart Brede 2014, 142) und Konzeptualisierung des Untersuchungsgegenstands sowie aus Kategorien gebildet, die sich an zentralen Themen des Fragebogens, der Beobachtungsprotokolle und des Interviewleitfadens orientieren (vgl. Mayring 2015, 62). Die Festlegung von Kategorien vorab dient der Identifikation bestimmter Elemente aus dem Material (vgl. ebd.). Im weiteren Datenauswertungsprozess werden diese ausdifferenziert und bilden die Grundlage für die Bildung weiterer Kategorien (vgl. Burwitz-Melzer/ Steininger 2022, 286). Als Hauptkategorien - verbunden mit weiteren Unterkategorien - verstehen sich für den ersten Durchgang die folgenden: Hauptkategorien Kognitiver Bereich (Subjektive Sichtweise I/ II kognitiv) Affektiver Bereich (Subjektive Sichtweise affektiv) Rezeption und Verwendung Strukturelle Faktoren Didaktisch-methodische Prinzipien und Lehrwerkarbeit Demographisch-biographische Daten und Persönliches Tabelle 18: A priori gebildete Hauptkategorien Die der vorangegangenen Tabelle zu entnehmenden Kategorien werden im weiteren Verlauf mit verschiedenen Detailfragen und der inhaltlichen Ausrichtung der Erhebungs‐ instrumente spezifiziert. Daran knüpft die Phase an, in der dem gesamten Text bzw. den Textabschnitten Kategorien zugeteilt werden, wobei auch die Zuordnung mehrerer Kate‐ gorien zu einer Textstelle möglich ist (vgl. Kuckartz/ Rädiker 2022, 134). In der Folge werden alle Textstellen zusammengestellt, die in die gleiche Hauptkategorie einsortiert wurden. Die bisher gebildeten Haupt- und Unterkategorien werden nun weiter differenziert, indem ihnen neue/ erweiterte Sub-Subkategorien, die aus dem Material abgeleitet sind, zugeordnet und diese in Relation zueinander gesetzt werden. Bspw. gehen aus dem Fragebogen und den Beobachtungsdimensionen bereits Kategorien hervor, die durch die videographische Aufzeichnung sowie die Materialnutzungsdokumen‐ tation um weitere direkt am Material gebildete Sub(-Sub)-Kategorien ergänzt werden. Im Anschluss daran erfolgt eine neue Zusammenstellung der Haupt- und dazugehörigen Unter- und Sub-Sub-Kategorien mit Definitionen und Zitaten zur Illustration (vgl. ebd., 138). Es schließt sich ein zweiter Kategorisierungsprozess an, dem ein ausgearbeitetes Kate‐ 3.8 Datenauswertung 185 <?page no="186"?> 89 Unter einem Kategoriensystem wird nach Kuckartz und Rädiker (2022, 61) die „Gesamtheit aller Kategorien“ verstanden, die als lineare Liste, Hierarchie oder Netzwerk organisiert sein kann. 90 Kuckartz und Rädiker (2020, 34 ff.) legen folgende Kriterien zur Bewertung eines Kategoriensystems an: Bezug zu Forschungsfragen, Gründlichkeit, Trennschärfe, Formulierung, Subkategorien als Unteraspekte der Oberkategorie, Verständlichkeit, Nachvollziehbarkeit. 91 Die Kategoriendefinitionen im Rahmen des vorliegenden Datenauswertungsprozesses sind wie folgt strukturiert: inhaltliche Beschreibung, Anwendung der Kategorie (wenn folgende Aspekte genannt werden), Beispiele für Anwendungen (Zitate), ggf. weitere Anwendungen sowie Abgrenzung zu anderen Kategorien (wird nicht kategorisiert, wenn …). Die Kategoriendefinitionen werden dann im Kategorisierungsleitfaden zusammengestellt, der um konkrete Handlungsanweisungen ergänzt wird (vgl. Kuckartz/ Rädiker 2022, 75). goriensystem 89 zugrunde liegt, das sowohl konzeptbasiert als auch datengeleitet entwickelt wurde, in einer netzwerkartigen Struktur (Haupt- und Subkategorien) angelegt ist und sich an den Empfehlungen des Forschungsdiskurses orientiert 90 (vgl. ebd.; Kuckartz/ Rädiker 2020, 34-ff.). Aus den vorangegangenen Ausführungen geht hervor, dass zu Beginn der vorliegenden Datenauswertung die Kategorien a-priori gebildet wurden, d. h., bevor die ersten Daten angesehen wurden (vgl. Kuckartz/ Rädiker 2022, 71). Die grundlegende Problematik von vorab entwickelten Kategorien liegt in einer möglichst präzisen Formulierung der Kate‐ goriendefinition 91 , sodass Überschneidungsfreiheit erreicht wird (vgl. ebd., 75). Darüber hinaus wurden Ankerbeispiele, also konkrete Textstellen, als Musterbeispiele für die jeweilige Kategorie angeführt, um aufzeigen zu können, wie die Daten und Kategorien zusammenhängen (vgl. Mayring 2015, 111). Durch Anwendung eines Mischverfahrens bei der Kategorienbildung können Verände‐ rungen bzw. Präzisierungen an vorab entwickelten Kategorien vorgenommen werden (vgl. Kuckartz/ Rädiker 2022, 92), weshalb im Folgenden der Prozess und die Umsetzung der Ka‐ tegorienbildung am Material genauer erläutert wird. Bei der Kategorienbildung am Material - auch hier wird von dem Begriff „induktiv“ abgesehen - wird sich an die von Kuckartz und Rädiker (ebd., 90 ff.) aufgestellte „Guideline“ angelehnt, die sechs Stationen umfasst, die zirkulär durchlaufen werden können. Für die konkrete Ausführung der Empfehlungen werden fokussierte Zusammenfassungen in Form von Tabellen mit mindestens drei Spalten erstellt, die wie folgt strukturiert sind: Originaltext, Zusammenfassung und Kategorie (vgl. ebd., 93 f.). In der Phase der Kategorienbildung und -anwendung steuern vorab aufgestellte Regeln das Vorgehen. In Anlehnung an Rädiker und Kuckartz (2020, 15 f.) wurde sich für die Kategorisierung offener Fragen an folgenden Regeln orientiert: • Umfang der Kategorisierung (Kategorieeinheit): einzelne Aussagen bzw. Sinneinheiten aufgrund der unterschiedlichen Freitextantworten (stichpunktartig, elaborierter Fließ‐ text etc.); • wiederholte Informationen: Vergabe von mehreren Kategorien bei mehreren rele‐ vanten Aspekten, sonst einmalige Vergabe; • verteilte Informationen: Kategorisierung aller relevanten Antworten, z. B. bei thema‐ tisch ähnlichen Fragen (auch wenn sie bei einer anderen offenen Frage stehen); • fehlende Antworten: keine Kategorisierung leerer Antworten, Löschung von Nichtant‐ worten, die bspw. durch einen Gedankenstrich o. Ä. angezeigt werden, bei Antworten 186 3 Empirischer Teil: Konzeption und Durchführung der Studie <?page no="187"?> wie „nichts“ oder „keine“ wird je nach Thema und Inhalt entschieden, ob sie genauso wie eine leere Antwort zu interpretieren sind. Abschließend kann der Prozess der Kategorienbildung und qualitativen Datenanalyse mit den Worten Aguados (2013, 132) treffend zusammengefasst werden: […] es handelt sich bei dieser integrierten Analyse um einen dynamischen, iterativen Prozess zur Bildung von theorie- und empiriegeleitet ermittelten und rekursiv am Datenmaterial überprüften Kategorien zur optimalen Beschreibung und Erklärung des Gegenstands bzw. zur Beantwortung der eingangs aus dem Erkenntnisinteresse abgeleiteten Forschungsfragen. (ebd.) Im Anschluss an die Phase der Kategorienbildung und -anwendung wurden integrative the‐ matische Zusammenfassungen aller Datensätze der Beteiligten der Gesamtstudie angefer‐ tigt, die die von den Studienteilnehmenden dargelegten Sichtweisen auf und die gezeigten Verwendungsweisen von Lehrwerke/ n fokussieren, diese im Gesamtpanorama verorten und mit denen Hinweise auf Übereinstimmungen und Differenzen ermittelt werden können (vgl. Burwitz-Melzer/ Steininger 2022, 286; Kuckartz/ Rädiker 2022, 143 ff., 152). Die Zusammenfassungen dienen als Grundlage für die themenorientierte Darstellungsweise der im Zuge der Datenanalyse gewonnenen Erkenntnisse gemäß den Dimensionen des Untersuchungsgegenstands (vgl. Kuckartz/ Rädiker 2022, 150; Kap. 3.8.3., 4.). 3.8.3 Datenanalyse in der vorliegenden Mixed-Methods-Studie In Mixed-Methods-Studien kommt neben der (separaten) Analyse des quantitativen und qualitativen Datenstrangs ein zusätzlicher Analyseabschnitt hinzu, der sich konkret mit der „Integration der Analysestränge und Ergebnistypen“ (Kuckartz 2014a, 101), dem sog. Mixing, beschäftigt. Die vergleichend angelegte Perspektive auf die Erkenntnisse, die aus beiden Analysesträngen gewonnen werden können, sowie die gezielte Bezugnahme aufeinander stellen bekanntlich „den entscheidenden Gewinn einer Mixed-Methods-Studie dar“ (ebd.). Kuckartz (ebd., 101 f.) unterscheidet zwei prinzipielle Varianten der Integration auf der Ebene der Datenanalyse: • Verschiedenheit der Analysestränge (Vorhandensein eines quantitativen und qualita‐ tiven Analysestrangs); • Anwendung von quantitativen und qualitativen Methoden bei der Auswertung des gleichen Datentyps. Die zweite Variante der Integration nach Kuckartz (ebd.) wird von einigen Forscher*innen des Mixed-Methods-Diskurses kritisch eingeschätzt. Es wird argumentiert, dass auch die Kombination von qualitativen und quantitativen Daten - wenn diese nicht in zwei Studiensträngen, sondern im Rahmen eines Erhebungsinstruments (z. B. Fragebogen) erhoben wurden - als Mixed-Methods-Studie angesehen werden könne (vgl. ebd., 102; Monostrand-Designs des Mixed-Model-Typs nach Tashakkori/ Teddlie 2009). Dem gegenüber steht die Ansicht, dass das Vorhandensein von zwei Strängen der Datenerhebung „eine zwingend erforderliche Bedingung“ (Kuckartz 2014a, 102) darstelle, 3.8 Datenauswertung 187 <?page no="188"?> um eine Studie dem Mixed-Methods-Typ zuordnen zu können (vgl. dazu u. a. Creswell 2015, 2 f.). In der vorliegenden Datenanalyse finden beide Varianten der Integration Anwendung. Zum einen werden verschiedene Analysestränge unterschiedlicher Datensätze (qualitativ und quantitativ) behandelt, zum anderen finden sich auch bei der Auswertung des gleichen Datentyps (z. B. Fragebogen) quantitative und qualitative Methoden. Da das vorliegende Mixed-Methods-Design sequenziell angelegt ist, werden Daten und Resultate auf verschie‐ denen Ebenen miteinander verbunden (vgl. Brake 2018, 58 ff.; Kuckartz 2014a, 114 f.; Kap. 3.4): • Entwicklung von Erhebungsinstrumenten (z. B. Einwirkung der Daten und Resultate der schriftlichen Befragung und der videographischen Beobachtung bei der Konstruk‐ tion des Interviewleitfadens); • Datenerhebung und -auswertung; • Ergebnispräsentation (z.-B. Integrationstechniken und Darstellungsweisen). Die Ergebnispräsentation wird im Rahmen der vorliegenden Studie in vier Kapiteln voll‐ zogen, die sich in ihrer Strukturierung an der Herangehensweise an den Untersuchungs‐ gegenstand (Abfolge der durchgeführten Studienstränge) und der Logik zur Beantwortung der Forschungsfrage(n) orientieren (vgl. Kap. 4.). Damit geht einher, dass je nach Dimension des Untersuchungsgegenstands und dem damit verbundenen Erhebungsinstrument bzw. der Kombination und Integration dieser sowie der Spezifik des jeweiligen Datensatzes verschiedene Formen der integrativen Darstellung der Erkenntnisse hinzugezogen werden (vgl. dazu u.-a. Kuckartz 2014a, 115). Ausgehend von einer weitläufigen Perspektive auf alle Dimensionen des Untersuchungs‐ gegenstands im Zuge des quantitativ-orientierten Studienstrangs mit einer größeren Anzahl von Teilnehmenden wird der Fragebogendatensatz zunächst unabhängig von den qualitativ-orientierten Studienteilen sowohl mit quantitativen als auch qualitativen Verfahren ausgewertet und interpretiert, um ihn „in [seinem, JLK] Erhebungskontext und in [seiner, JLK] Gänze zu erfassen“ (Settinieri 2015, 29). Für die Analyse von offenen und geschlossenen Antworten in den einzelnen Datensätzen wird der Fokus auf die Auswertung qualitativer Freitextantworten mit quantitativ-standardisierten Antworten gelegt. Dieses Vorgehen orientiert sich an den von Rädiker und Kuckartz (2020, 8 ff.) beschriebenen Funktionen in MAXQDA, die mit Blick auf die vorliegende Datenauswertung hinsichtlich ihrer Relevanz ausgewählt wurden. Es handelt sich dabei u. a. um die folgenden Funktionen: Exploration aller Datensätze und Entwicklung geeigneter Ansatzpunkte für die Auswer‐ tung, themenorientierte Exploration und Anfertigung von integrativen thematischen Zusammenfassungen (vgl. ebd.). In einer sich daran anschließenden Auswertungsphase werden bezogen auf die jeweils fokussierte Dimension des Untersuchungsgegenstands die Interviewdaten mit den gewonnenen Erkenntnissen aus der Analyse der Fragebogendaten vernetzt, vertieft und teils auch neu perspektiviert und schließlich im Rahmen einer Gesamtinterpretation tabellarisch, visuell und textuell miteinander integriert. In einem weiteren Analyseschritt werden die qualitativen Datensätze, die aus der videographischen Beobachtung und den Interviews gewonnen wurden, gemeinsam aus‐ gewertet, da sich diese gegenseitig ergänzen und ausdifferenzieren. Erweiternd dazu 188 3 Empirischer Teil: Konzeption und Durchführung der Studie <?page no="189"?> wird der qualitative Datensatz der videographischen Beobachtung einer quantifizierenden Perspektive unterzogen (z. B. Zeitanteile und Verwendungshäufigkeiten). Nach der ge‐ meinsamen Auswertung der Beobachtungs- und Interviewdaten werden diese mit den Fragebogendaten verknüpft, wodurch sich die gewonnenen Erkenntnisse der qualitativen Datenanalyse durch die globaler gefassten Ergebnisse der Fragebogenauswertung in einen breiteren Kontext einordnen lassen. Insbesondere zur Eruierung der Verwendungsweise von Lehrwerken liegt der Fokus auf den qualitativen Datensätzen (teils unter Anwendung quantifizierender Verfahren), mit denen letztlich eine größere Erkenntnisfülle und Detail‐ schärfe zu dieser Dimension des Untersuchungsgegenstands erzielbar ist. Daher sind die gewonnenen Erkenntnisse der qualitativen Datensätze von besonderer Bedeutung und können durch die breiter gefassten Ergebnisse der Fragebogenauswertung in ihrer Multifaktorialität aufgeschlüsselt werden. Die Integration der Ergebnisse der quantitativen und qualitativen Auswertung der Fragebogenbzw. Beobachtungs- und Interviewdaten erlaubt zudem eine Aufschlüsselung struktureller Faktoren. Diese sind für die Sichtweise auf Lehrwerke und insb. für ihre Verwendung von Relevanz und entscheiden mit darüber, inwiefern Lehrwerkbestandteile und deren Inhalte, Aufgaben und Übungen auf welche Art und Weise Eingang in den Unterricht finden. Ferner werden durch die Anwendung inferenzstatistischer Analyseverfahren Zusam‐ menhänge in den Fragebogendaten identifiziert, die die integrativ gewonnenen Erkennt‐ nisse der vorherigen Ergebniskapitel neu perspektivieren bzw. globaler denken. Im Zen‐ trum der Untersuchung steht hier nun nicht mehr die Betrachtung einzelner Variablen, sondern vielmehr das Verhältnis von zwei Variablen zueinander, die über einen einzelnen Untersuchungsgegenstandbereich hinausgehen und Hinweise auf Wechselwirkungen zwi‐ schen den einzelnen Dimensionen sowie auf weitere Faktoren ermöglichen, die sich erst im Zuge der explorativen Datenanalyse ergeben haben. Dies mündet in die Aufstellung von Hypothesen, die aus der Anwendung bivariater Verfahren ermittelt werden konnten. Der Aspekt der Integration (vgl. Kap. 3.4.2) umfasst in der hier vorgestellten Analyse demnach mehrere Dimensionen: Auf der Datenebene werden einerseits Freitextantworten mit standardisierten Daten integriert (qualitativ + quantitativ), was anhand von zwei verschiedenen Dimensionen erfolgt, die sich sowohl eigens auf einen Datensatz als auch übergreifend auf alle Datensätze beziehen. Der Fragebogen und das videobasierte Beobachtungsprotokoll enthalten qualitative und quantitative Elemente, die miteinander integriert werden (bezogen auf alle Teilnehmenden der Fragebogenerhebung sowie der Gesamtstudie). Darüber hinaus werden die quantitativen und qualitativen Elemente des Fragebogens sowie des Beobachtungsprotokolls mit den qualitativen Daten des Interviews vernetzt. Andererseits werden aber auch die Antworten auf verschiedene offene Fragen sowohl erhebungsinstrumentspezifisch als auch -übergreifend untersucht bzw. integriert (qualitative und quantitative Befragungen und Beobachtungen). 3.8.4 Software beim Datenauswertungsprozess Der Einsatz von Software ermöglicht es, die in den Datensätzen enthaltenen Informationen vollumfänglich auszuschöpfen sowie gewissen „Fragestellungen nachzugehen und Analysetechniken anzuwenden, die ohne Computereinsatz nicht möglich wäre[n, JLK] oder einen 3.8 Datenauswertung 189 <?page no="190"?> unverhältnismäßig hohen Zeitaufwand erfordern würden“ (Kuckartz/ Grunenberg 2013, 503). Im vorliegenden Auswertungsprozess werden im Wesentlichen zwei Programme zur computergestützten Datenauswertung hinzugezogen. Der Grund hierfür ist, dass mit den vorliegenden Erhebungsinstrumenten Datenantwortsätze generiert wurden, die de‐ skriptiv- und inferenzstatistisch sowie qualitativ-inhaltsanalytisch ausgewertet werden (vgl. Zydatiß 2012, 118). Für die quantitative Datenanalyse stehen mittlerweile verschiedene Statistikprogramme zur Verfügung (z. B. SPSS, Stata, R). SPSS wurde im Rahmen der vorliegenden Datenauswertung als Software ausgewählt, weil damit sowohl deskriptiv-sta‐ tistische und einfache Zusammenhangsmaße berechnet als auch umfangreichere Analysen und Signifikanztests durchgeführt werden können (vgl. Tausendpfund 2019, 5 f.). Im Vergleich zu den anderen genannten Programmen weist SPSS darüber hinaus in den Bereichen der Menüsteuerung, Befehlssprache und der deutschen Sprachversion Vorteile auf (vgl. ebd., 6). Während Programme zur Auswertung numerischer Daten in ihrer Anzahl überschaubar sind, gilt dies nicht für die Analyse qualitativer Daten. Dies liegt darin begründet, dass viele Arten qualitativer Daten existieren, wie z. B. Interviewtranskripte, Dokumente, Ton- und Videoaufnahmen, denen wiederum verschiedene Charakteristika zu eigen sind (vgl. Rädiker/ Kuckartz 2019, 2). Als Software zur qualitativen Datenauswertung wird MAXQDA als angemessen er‐ achtet, das sich als „ein Programm zur Analyse qualitativer Daten“ versteht und „zur Gat‐ tung CAQDAS“ (Computer Assisted Qualitative Data Analysis Software) gezählt wird (vgl. ebd.). Mit MAXQDA kann eine Vielfalt qualitativer Daten analysiert werden, die für die vor‐ liegende Untersuchung relevant ist (z. B. (Text-)Dokumente, Audio- und Videoaufnahmen, Fragebogen, Daten von Online-Erhebungstools) (vgl. ebd., 3 f.). Die Entscheidung für die Verwendung von MAXQDA liegt demnach zum einen in der forschungsmethodologischen und -methodischen Vereinbarkeit des Programms mit dem Auswertungsverfahren und zum anderen in der Anwendungsfreundlichkeit der Software begründet. Darüber hinaus verfügt MAXQDA über spezifische Funktionen im Bereich der Mixed-Methods-Analyse, mit der die Integration beider Datenstränge technisch umgesetzt werden kann. Ein eigens dafür vorgesehener Tab ermöglicht die Verwaltung eines „parallel zu den qualitativen Daten […] verbundenen Datensatz[es, JLK] quantitativer Daten“ sowie die Verknüpfung qualitativer und quantitativer Daten während des Auswertungsprozesses (vgl. Rädiker/ Kuckartz 2019, 181). Im Folgenden werden daher relevante Schnittstellen betrachtet, mögliche Integrationsst‐ rategien aufgezeigt und in Bezug auf die konkrete Umsetzung mit MAXQDA erläutert. Durch die Option des Aktivierens via Dokumentvariablen können Variablen des quantita‐ tiven Datensatzes „für den gezielten Zugriff auf die qualitativen Daten genutzt“ und in Form von „Dokumentensets“ gespeichert werden, und sind somit zu einem späteren Zeitpunkt zugänglich für Analysen (vgl. Rädiker/ Kuckartz 2019, 185). Ergänzend zu dieser Option steht eine Vielzahl von Integrationsstrategien zur Verfügung. Rädiker und Kuckartz (ebd., 184 ff.) unterscheiden hierbei zwischen daten- und resultatbasierten sowie sequen‐ zorientierten Strategien. Für die vorliegende Untersuchung sind insbesondere folgende Integrationsstrategien von MAXQDA relevant: 190 3 Empirischer Teil: Konzeption und Durchführung der Studie <?page no="191"?> Integrationsstrategie Beschreibung Basis Aktivieren via Dokumen‐ tenvariablen Selektion von qualitativen Daten via Variablen Daten Verlinken der Resultate von QUAL und QUANT Verbindung von Ergebnissen qualita‐ tiver und quantitativer Studien mittels Hyperlinks Resultat Side-by-Side-Display (Kategorisierung) Tabellarische Gegenüberstellung von Ergebnissen qualitativer und quanti‐ tativer Studien Resultat (kategorisierte Segmente) Side-by-Side-Display (Summarys) Tabellarische Gegenüberstellung von Ergebnissen qualitativer und quanti‐ tativer Studien Resultat (thematische Zu‐ sammenfassung) Qualitative Exploration von Extremfällen der quantita‐ tiven Studie Identifikation von Extremfällen und ihre detaillierte Analyse auf Basis von Ergebnissen quantitativer Stu‐ dien/ statistischer Analysen Daten Tabelle 19: Integrationsstrategien von MAXQDA in der vorliegenden Studie (nach Rädiker/ Kuckartz 2019, 184 ff.) 3.8 Datenauswertung 191 <?page no="193"?> 4 Empirische Untersuchungsergebnisse Die Präsentation der empirischen Untersuchungsergebnisse umfasst vier Kapitel (4.2-4.5), die sich verschiedener integrativer Darstellungsformen bedienen und in ihrer Strukturie‐ rung an der Herangehensweise an den Untersuchungsgegenstand (Abfolge der durchge‐ führten Studienstränge), der Logik zur Beantwortung der Forschungsfrage(n) und an inhaltlichen Schwerpunktsetzungen (innerhalb der einzelnen Dimensionen des Untersu‐ chungsgegenstandes) orientieren. Zu Beginn der Ergebnisdarstellung werden demographisch-biographische Daten der Studienteilnehmenden unter lehrwerkbezogenen Gesichtspunkten berichtet, mit denen die nachfolgenden Untersuchungsergebnisse kontextualisiert und gezielter eingeordnet werden können (vgl. Kap. 4.1). Ausgehend von einer weiten Perspektive auf alle Dimensionen des Untersuchungsgegenstandes im Zuge des quantitativ-orientierten Studienteils mit einer größeren An‐ zahl von Teilnehmenden werden mit Blick auf die jeweils fokussierte Dimension des Untersuchungsgegenstandes die Fragebogendaten mit den gewonnenen Erkenntnissen der qualitativen Studienteile vernetzt, vertieft und teils auch neu perspektiviert und schließlich im Rahmen einer Gesamtinterpretation tabellarisch, visuell und textuell miteinander verknüpft. Im ersten Ergebniskapitel (4.2) wird die subjektive Sichtweise aus einer kognitiven und affektiven Dimension heraus ergründet. Hierbei stehen deklarative, prozedurale und selbstbezogene Kognitionen der Lehrkräfte im Vordergrund. Auf einer affektiven Ebene werden lehrwerk(verwendungs-)bezogene attitudinale und motivational-volitionale Aspekte erschlossen. Das zweite Ergebniskapitel (4.3) fokussiert die Dimension der Rezeption und Verwen‐ dung von Lehrwerken durch Lehrkräfte zur Unterrichtsvor- und -nachbereitung sowie -durchführung aus verschiedenen Perspektiven. Zum einen werden die der Lehrwerk‐ nutzung zugrunde gelegten Motive im Verbund mit den subjektiven Sichtweisen der Lehrkräfte (u. a. fachdidaktische Kenntnisse, Einstellungen) sowie situative Parameter (v. a. lerngruppenbedingte Umstände und Unterrichtsvorkommnisse) ergründet. Somit können die vielfältigen Hintergründe bestimmter materialbezogener Entscheidungen (z. B. wie das Lehrwerk verwendet wird oder nicht) offengelegt werden. Zum anderen wird eine prozedurale Ebene fokussiert, mit der aus einem quantitativen, quantifizierenden und qua‐ litativen Blickwinkel Aufschluss über die konkrete Lehrwerkrezeption und -verwendung zur Unterrichtsvor- und -nachbereitung sowie im Unterricht geliefert werden kann. Im Zuge der Feinanalyse der beobachteten Unterrichtseinheiten wurden überdies Erkenntnisse zu folgenden Kernbereichen generiert: die Unterrichtsphasierung und -sequenzierung, die konkrete Lektionsarbeit, die unterrichtspraktische Umsetzung und Nutzung von Handlungsoptionen, der lehrwerkunabhängige Unterricht sowie die Thematisierung des Lehrwerks und seiner Verwendung auf einer Meta-Ebene im Unterricht in Interaktion mit den Lernenden. Dabei wird insb. den qualitativen Daten, die primär aus der videogra‐ phischen Beobachtung und den Interviews gewonnen wurden, besondere Relevanz zur <?page no="194"?> tiefergehenden, detaillierten und v. a. unterrichtsbasierten Eruierung dieser Dimension des Untersuchungsgegenstands beigemessen. Im Anschluss an die gemeinsame Auswertung der Beobachtungs- und Interviewdaten werden diese mit den Fragebogendaten vernetzt, wodurch die gewonnenen Erkenntnisse der qualitativen Datenanalyse durch die weiter gefassten Ergebnisse der Fragebogenauswertung an einen breiteren Kontext rückgebunden und in diesen eingeordnet werden können. Im dritten Ergebniskapitel (4.4) erfolgt durch die Integration der quantitativen und qualitativen Auswertungsergebnisse der Fragebogen-, bzw. Beobachtungs- und Interview‐ daten die Aufschlüsselung struktureller Faktoren, welche die Sichtweise auf Lehrwerke und insb. deren Verwendung beeinflussen können. Aktuelle Entwicklungen aufgreifend wird dieses Ergebniskapitel durch einen Exkurs zur Lehrwerkverwendung während der COVID-19-Pandemie erweitert, wodurch empirische Erkenntnisse zur Rolle und Nutzung des Lehrwerks im Fremdsprachenunterricht während einer gesundheitlichen, sozialen und politischen Ausnahmesituation gewonnen werden konnten. Im letzten Ergebniskapitel (4.5) werden unter Anwendung inferenzstatistischer Ana‐ lyseverfahren Zusammenhänge in den Fragebogendaten identifiziert und die integrativ gewonnenen Erkenntnisse der vorherigen Ergebniskapitel neu perspektiviert, da diese über eine Dimension hinausgehen und Hinweise auf Wechselwirkungen zwischen den einzelnen Bereichen des Untersuchungsgegenstandes (insb. subjektive Sichtweisen sowie Rezeption und Verwendung) ermöglichen. Grundlegend sei hier vorab angemerkt, dass im Anschluss an die im Fließtext berichteten Analyseergebnisse der offenen Fragebogenformate diese an notwendigen Stellen in Form einer Tabelle mittels abgedruckter Ankerbeispiele resümiert und überblicksartig dargestellt werden. Dieses Vorgehen dient, aufgrund der Menge und Komplexität der Daten, einer Verbesserung der Leser*innenfreundlichkeit. An ausgewiesenen Stellen wurde sich zudem dafür entschieden, Inhalte in Tabellen aus dem Text auszulagern und explizit mit Anker‐ beispielen zu versehen, um eine Fokussierung auf Kernelemente visuell zu vereinfachen sowie die notwendige Detailschärfe zu bewahren (visuelle Leser*innenlenkung). Mit der Einbindung von Zitaten der Lehrkräfte, welche im Zuge der Analyseergebnisse der quali‐ tativen Studienteile (Beobachtung, Befragung) ermittelt wurden, werden unterschiedliche Intentionen verfolgt. Zum einen handelt es sich dabei, wie im Vorfeld ausgeführt, um Ankerbeispiele, die eine Kategorie „bestmöglich repräsentieren“ (Gläser-Zikuda 2013, 143) sollen, vorrangig der Untermauerung dienen und eine Fein-Nuancierung gewährleisten. Zum anderen werden längere Transkriptpassagen analysiert und interpretiert, denen be‐ sondere Bedeutung hinsichtlich der Beantwortung der Forschungsfragen zukommt. Die in allen Ergebniskapiteln hervorgehobenen Begriffe bzw. Abschnitte dienen der Fokussierung auf die Kernelemente, die mit Blick auf die Ergründung des jeweiligen Aspekts besonders aussagekräftig sind. 194 4 Empirische Untersuchungsergebnisse <?page no="195"?> 4.1 Zur Kontextualisierung der Untersuchungsergebnisse: Demographisch-biographische Daten unter lehrwerkbezogenen Gesichtspunkten An der Fragebogenteilstudie, die die Hauptkomponente des quantitativen Strangs der Arbeit darstellt, nahmen insgesamt 105 Spanischlehrpersonen (n=105) teil, die an weiter‐ führenden Schulen in Deutschland unterrichten. Alle befragten Lehrkräfte unterrichten Spanisch als zweite Fremdsprache. Das Durchschnittsalter der Teilnehmenden liegt bei 39,9 Jahren. Die jüngste befragte Person ist 25 Jahre und die älteste 64 Jahre alt. Abbildung 14: Verteilung des Alters der Studienteilnehmenden Die Beteiligten legten ihr Studium und ihren Vorbereitungsdienst zum Großteil in Deutsch‐ land ab. Für diesen Anteil von Befragten, sieht die Verteilung nach Bundesländern wie nachfolgend dargestellt aus: Bundesland Studium Vorbereitungsdienst Hessen 21,2-% 20,2-% Niedersachsen 19,2-% 26,9-% Nordrhein-Westfalen 13,5-% 14,4-% Berlin 9,6-% 11,5-% Schleswig-Holstein 6,7-% 5,8-% Sachsen 5,8-% 2,9-% Baden-Württemberg 4,8-% 2,9-% Hamburg 3,8-% 1,9-% Brandenburg 2,9-% 4,8-% Rheinland-Pfalz 2,9-% 1,0-% 4.1 Zur Kontextualisierung der Untersuchungsergebnisse 195 <?page no="196"?> Bundesland Studium Vorbereitungsdienst Bremen 2,9-% - Bayern 2,9-% 1,0-% Sachsen-Anhalt 1,9-% 1,9-% Mecklenburg-Vorpommern 1,9-% - Thüringen 1,0-% - Tabelle 20: Verteilung des Ortes des Studiums und des Vorbereitungsdiensts (nach Bundesländern) Vereinzelte Personen (7,6 %) haben in Spanien studiert. In 3,8 % dieser Fälle wurde der Vorbereitungsdienst in Deutschland anerkannt. Darüber hinaus ist für 11,4 % der Teilnehmenden Spanisch die Erstsprache. Die weiteren Unterrichtsfächer der partizipierenden Lehrkräfte sind in ihren Kombi‐ nationen heterogen und reichen vom sprachlich-künstlerischen-musischen Fächerfeld (73,1 %) über den gesellschaftswissenschaftlichen (21,2 %) hin zum mathematisch-natur‐ wissenschaftlichen Fächerkanon (5,8-%) und Sport (13,5-%). Die Dauer der Lehrtätigkeit der teilnehmenden Lehrpersonen im Fach Spanisch als zweite Fremdsprache zeigt eine relativ gleichmäßige Verteilung zwischen Lehrkräften, die seit einigen Jahren im Dienst sind (1-3 und 4-8 Jahre) sowie Lehrer*innen, die mehr als neun Jahre Spanischunterricht erteilen. Ebenfalls konnten sechs unmittelbare Berufs‐ einsteiger*innen für die schriftliche Befragung gewonnen werden, die unter 12 Monaten Spanisch als zweite Fremdsprache unterrichten. Abbildung 15: Verteilung der Dauer der Lehrtätigkeit im Fach Spanisch als zweite Fremdsprache Im Rahmen der Ausbildung der Befragten geben 44,8 % an, sich während ihres Studiums mit Lehrwerkanalysen beschäftigt zu haben. Im Vorbereitungsdienst sind es dann bereits 64,8-%. Die Dimension der Lehrwerkverwendung scheint eine eher untergeordnete Rolle im Studium zu spielen. 33,3 % teilen mit, sich während ihres Studiums mit Aspekten der Lehrwerkverwendung beschäftigt zu haben. Im Vorbereitungsdienst liegt der Prozentsatz bei 72,4-%. 196 4 Empirische Untersuchungsergebnisse <?page no="197"?> Der Bereich der Lehrwerkentwicklung wird laut den Teilnehmenden am wenigsten sowohl im Studium als auch im Referendariat thematisiert. 6,7 % legen dar, sich im Rahmen ihres Studiums mit Aspekten der Lehrwerkentwicklung auseinandergesetzt zu haben. Auch im Vorbereitungsdienst spielt die Lehrwerkentwicklung eine untergeordnete Rolle (8,6 %). Im Vergleich zur Beschäftigung mit lehrwerkunabhängigen Materialien fällt auf, dass die Prozentsätze hier höher ausfallen, obwohl das Lehrwerk, wie eingangs diskutiert, das zentrale Medium des Fremdsprachenunterrichts darstellt, mit dem sich Lehrkräfte über Jahrzehnte hinweg auseinandersetzen (müssen), steht es weniger im Fokus der ersten Ausbildungsphase von Lehrkräften. Bereits 49,5 % beschäftigen sich bspw. mit der Verwendung von lehrwerkunabhängigen Materialien während ihres Studiums. Die Spanne der Anzahl der Lehrwerke, mit denen die Teilnehmenden bereits gearbeitet haben, liegt zwischen einem und fünfzehn Lehrwerk(en). Die Befragten haben im Mittel mit etwas über fünf Lehrwerken gearbeitet (M=5,2; SD=2,9). Bei näherer Betrachtung, welche Lehrwerke aktuell von den Beteiligten verwendet werden, fällt auf, dass der größte Anteil (47,5 %) das Lehrwerk ¡Apúntate! (Cornelsen) verwendet. Weiterhin arbeiten 31,7 % mit ¡Vamos! ¡Adelante! (Klett) und 17,8 % mit ¿Qué pasa? (Diesterweg). Andere Lehrwerke, die genannt werden, sind a tope (6,9 %), ¡Arriba! (5,0 %), Punto de vista (3,0 %), Bachillerato (3,0 %), Línea amarilla (2,0-%), Encuentros hoy (1,0-%) und Encuentros (1,0-%). An der Auswahl der für den Spanischunterricht verwendeten Lehrwerke waren 50,5 % der Teilnehmenden beteiligt und 12,4 % teilweise beteiligt. Von den Befragten, die nicht an der Auswahl des verwendeten Lehrwerks beteiligt waren (37,1 %), hätten sich 12,4 % eine Beteiligung an der Auswahlentscheidung gewünscht. Neben der Erteilung von Spanisch‐ unterricht in der Schule gehen 11,4 % einer Tätigkeit im Verlagswesen (Herausgeber*innenund/ oder Autor*innentätigkeit) nach. Aus den Fragebogenteilnehmenden wurden dann gemäß der in Kap. 3.2.2 erläuterten Samplingstrategien und der vorgestellten Kriterien die folgenden Lehrkräfte für die Ge‐ samtstudie ausgewählt: Lehrkraft Geschlecht Alter Bezug zur spanischen Sprache Berufserfahrung (Spanisch als 2. Fremdsprache) Anzahl verwendeter Lehrwerke Aus- und Weiterbildungskontext Zum Zeitpunkt der Untersuchung unterrichtete Klassenstufe Zum Zeitpunkt der Untersuchung verwen detes Lehrwerk I w 43 Fremd‐ sprache Mehr als 15 Jahre (Unter-, Mittel- und Oberstufe) 15 Fachsprecher*in Spanisch, Mentor*in von Referendar*innen Klasse 9, 4. Lern‐ jahr ¡Apúntate! Band-4 (Cor‐ nelsen, 2013) II w 48 Fremd‐ sprache 9-14 Jahre (Unter- und Mittelstufe) 11 - Klasse 8, 2. Lern‐ jahr ¡Arriba! Band 2 (C.C. Buchner, 2016) 4.1 Zur Kontextualisierung der Untersuchungsergebnisse 197 <?page no="198"?> Lehrkraft Geschlecht Alter Bezug zur spanischen Sprache Berufserfahrung (Spanisch als 2. Fremdsprache) Anzahl verwendeter Lehrwerke Aus- und Weiterbildungskontext Zum Zeitpunkt der Untersuchung unterrichtete Klassenstufe Zum Zeitpunkt der Untersuchung verwen detes Lehrwerk III w 63 Fremd‐ sprache Mehr als 15 Jahre (Unter-, Mittel- und Oberstufe) 6 Fachspre‐ cher*in Spa‐ nisch Klasse 8, 2. Lern‐ jahr ¡Arriba! Band 2 (C.C. Buchner, 2016) IV w 49 Erst‐ sprache 9-14 Jahre (Unter-, Mittel- und Oberstufe) 8 - Klasse 9, 4. Lern‐ jahr ¡Apúntate! Band-4 (Cor‐ nelsen, 2013) V w 38 Fremd‐ sprache 9-14 Jahre (Unter-, Mittel- und Oberstufe) 7 - Klasse 9, 4. Lern‐ jahr - ¡Apúntate! Band-4 (Cor‐ nelsen, 2013) VI m 45 Fremd‐ sprache Weniger als 12 Monate (Mittel‐ stufe) 3 - Klasse 8, 2. Lern‐ jahr ¡Apúntate! Band-1 (Cor‐ nelsen, 2016) VII w 38 Fremd‐ sprache 9-14 Jahre (Unter-, Mittel- und Oberstufe) 7 Mentor*in von Referendar*innen, Verlagsar‐ beit Klasse 8, 2. Lern‐ jahr ¡Arriba! Band 2 (C.C. Buchner, 2016) Tabelle 21: Teilnehmende der Gesamtstudie 4.2 Die subjektive Sichtweise auf Lehrwerke und ihre Verwendung von Spanischlehrkräften (Quant-Qual) Die Präsentation der Untersuchungsergebnisse zur kognitiven und affektiven Dimension der subjektiven Sichtweise auf Lehrwerke wird inhaltlich durch die Forschungsfragen und (Teil-)Bereiche des in Kap. 2.4 konzeptualisierten Untersuchungsgegenstands strukturiert (4.2.1-4.2.2). Abschließend werden die vorangegangenen Ergebnisse zusammengefasst, diskutiert und in den fremdsprachendidaktischen Forschungsdiskurs eingebettet (4.2.3). 4.2.1 Zur kognitiven Dimension Die nachfolgenden Ausführungen zur empirischen Ergründung der kognitiven Dimension sind gegliedert in die Bereiche der deklarativen und prozeduralen sowie selbstbezogenen Kognitionen der Lehrkräfte. 198 4 Empirische Untersuchungsergebnisse <?page no="199"?> 92 Die prozentualen Angaben beziehen sich im weiteren Verlauf der Arbeit - insofern nicht explizit anderweitig angegeben - auf die Anzahl der vollständigen Antworten. 93 Hierbei handelt es sich um die Fragebogen-ID. 4.2.1.1 Kenntnisse über das Lehrwerk (deklarativ) In den folgenden Teilkapiteln werden die Untersuchungsergebnisse zu Kenntnissen über das Lehrwerk deklarativer Natur berichtet, die sich in die Bereiche der Terminologie und Struktur des Lehrwerks, der Vertrautheit mit dem Gesamtlehrwerk, bildungspolitischen Dokumenten und der Lehrwerkforschung sowie in Kenntnisse zur Lehrwerkanalyse und -entwicklung aufteilen. 4.2.1.1.1 Lehrwerkbegriff, Aufbau und Struktur Quant-Qual │ Die begriffliche Unterscheidung zwischen Lehrwerk und Lehrbuch wird von einem geringen Teil der Befragten vorgenommen. In 15,5 % 92 der Antworten wird explizit das Lehrwerk in Abgrenzung zum Lehrbuch definiert. Die Lehrkräfte verstehen darunter u. a. „eine Sammlung aufeinander abgestimmter und speziell für den Schulunterricht entwi‐ ckelter Medien“ (FB09 93 ) und noch stärker auf den fremdsprachlichen Kontext bezogen „eine strukturierte Zusammenstellung von Materialien, um den Fremdsprachenlernprozess im Hinblick auf die Kompetenzen, den Wortschatz und die Grammatik progressiv zu begleiten“ (FB63). 9,7 % beziehen sich in ihren Ausführungen ausschließlich auf das Lehrbuch und geben dies auch explizit an: „Buch, das didaktisch und methodisch das Erlernen einer Sprache ermöglicht“ (FB11). Die Mehrheit der Befragten führt an, sich mit den verschiedenen Lehrwerkbestandteilen voll und ganz bzw. eher auszukennen (M=1,9; SD=0,8). Mit den Ergebnissen, die bspw. aus der Tab. 37 (zur Sinnhaftigkeit der Lehrwerkbestandteile) hervorgehen, können die ermittelten statistischen Kennwerte des Items „Auskennen mit den verschiedenen Lehrwerkbestandteilen“ untermauert, aber auch mit Blick auf den jeweils vorliegenden Lehrwerkbestandteil weiter ausdifferenziert werden. In Kombination zeigen die vorangegangenen Befunde, dass die Lehrkräfte über Kennt‐ nisse zum strukturellen Aufbau von Lehrwerken als Mehrkomponentensysteme (vgl. dazu Kurtz 2020, 198) verfügen und die verschiedenen Lehrwerkbestandteile in unter‐ schiedlichem Ausmaß kennen. Dennoch werden die Begriffe des Lehrbuchs- und -werks mehrheitlich deckungsgleich verwendet bzw. das Lehrbuch als eine Art Synonym für das Lehrwerk gebraucht (74,8 %). Ebenfalls in der Beschreibung des Aufbaus von Lehrbüchern und -werken wird sich vorrangig auf erstere bezogen (v. a. Lektionsaufbau/ -bestandteile) - auch wenn explizit nach Lehrwerken gefragt wird. Dies kann mit den nachfolgend gewonnenen Ankerzitaten aus der Fragebogendatenanalyse bekräftigt werden: „Übersicht über die Kapitelinhalte, vor jedem Kapitel eine Übersicht, was in diesem an Kenntnissen erworben werden soll, Text als Ausgangsbasis (für darauffolgende Übungen inhaltlicher und grammatikalischer Natur), grammatikalische und lexikalische Erläuterungen, […].“ (FB05, Anker‐ beispiel) „Motivationsseite mit Fotos, Lektionstext, Aufgaben zum neuen Wortschatz, Erklärung und Aufgaben zur neuen Grammatik, Anwendungsaufgaben für die neu erlernten Kenntnisse […].“ (FB110, Ankerbeispiel) 4.2 Die subjektive Sichtweise auf Lehrwerke und ihre Verwendung 199 <?page no="200"?> Lediglich in 6,3 % der Antworten wird explizit auf den Aufbau des Lehrwerks (als Mehr‐ komponentensystem) Bezug genommen und es werden ausgewählte Lehrwerkbestandteile genannt sowie vereinzelte Charakteristika und teils auch ihre Funktion erläutert. 36,5 % der Lehrkräfte beschreiben den Aufbau bzw. die Ausrichtung von Lehrbüchern unter Einbindung eher normativ-orientierter Elemente, indem sie einen sog. „Soll-Zustand“ erläutern (z. B. Einbettung verschiedener didaktisch-methodischer Prinzipien, Abwechs‐ lungsreichtum an Aufgabenformaten, ausreichendes Übungsangebot). 4.2.1.1.2 Vertrautheit mit dem Gesamtlehrwerk, bildungspolitischen Dokumenten und der Lehrwerkforschung Ein weiteres Element der kognitiven Dimension der subjektiven Sichtweise auf Lehrwerke stellt die Vertrautheit mit dem Gesamtlehrwerk, dem ihm zugrunde liegende Vorgaben durch bildungspolitische Dokumente und mit der Lehrwerkforschung dar. Denn bildungs‐ politische Dokumente sowie Erkenntnisse und Entwicklungen der Lehrwerkforschung werden als Grundlage für die Entstehung und Entwicklungstrends von Lehrwerken betrachtet und wirken in erheblichem Maße auf diese ein. Quant-Qual │ 87,6 % der Befragten fühlen sich mit dem von ihnen verwendeten Lehrwerk und seinen verschiedenen Bestandteilen vertraut. Die qualitative Datenauswertung hat ergeben, dass dies primär danach beurteilt wird, inwiefern die Lehrkräfte die Konzeption des Lehrwerks verstehen (u. a. Lehr-/ Lerntheorien, didaktisch-methodische Prinzipien) und wie sicher sie davon ausgehend das Material in unterschiedlichen Lehr- und Lernkontexten einsetzen können. Im Mittel geben die Befragten überdies an, sich mit den dem Lehrwerk zugrunde liegenden bildungspolitischen Dokumenten auszukennen (M=1,7; SD=0,8). Die Ergebnisse der qualitativen Auswertung der Interviewdaten weisen allerdings darauf hin, dass es sich hierbei um ein Auskennen basalerer Natur handelt. Die Lehrkräfte sind zwar mit den Grundzügen der bildungspolitischen Dokumente, ihrem Aufbau und ihrer Intention vertraut, verlassen sich tendenziell jedoch stärker auf das Lehrwerk und seine Ausrichtung, mit dem bzw. mit der die Vorgaben der bildungspolitischen Dokumente umgesetzt werden und hinterfragen dies weniger. Als Primärquellen werden die Bildungsstandards und Kerncurricula selten konsultiert und auch ein Vergleich der Vorgaben mit den Lehrwerken findet lediglich sporadisch und nicht systematisch statt. Ein Großteil der befragten Lehrkräfte setzt sich teilweise bis eher nicht mit der wissen‐ schaftlichen Diskussion zu Lehrwerken auseinander (M=3,5; SD=1,1). 28,6 % hingegen verfolgen den Diskurs und konsultieren dabei die nachstehenden Quellen. Kategorien (am Material gebildet) Prozentangabe • Fachliteratur (z.-B. Zeitschriften) 53,3-% • Fort- und Weiterbildungsangebote (z. B. von Universitäten, Verlagen) 40,0-% • Meinungs- und Erfahrungsaustausch mit Kolleg*innen und Aus‐ bilder*innen 36,7-% Tabelle 22: Konsultierte (wissenschaftliche) Quellen zur Diskussion zu Lehrwerken in [%] 200 4 Empirische Untersuchungsergebnisse <?page no="201"?> 4.2.1.1.3 Lehrwerkanalyse Neben dem Verständnis vom Lehrwerk und dessen Aufbau liegt ein Schwerpunkt bei der Ergründung des Umgangs mit dem Lehrwerk darauf, wie sich mit diesem auseinanderge‐ setzt wird, bevor es im Unterricht Anwendung findet. Dabei spielt das Verständnis von Lehrwerkanalyse eine relevante Rolle. Die Ergebnisse der Untersuchung bilden zwar unterschiedliche Schwerpunktsetzungen und Nuancen ab, dennoch wird ersichtlich, dass sich zahlreiche übereinstimmende Mo‐ mente ausmachen lassen, insb. wenn es um die Beurteilung der Eignung des Lehrwerks für den Einsatz im eigenen Unterricht und die damit verbundene Prüfung der (Erreichung der) Lehr- und Lernziele geht. Quant-Qual │ Schaut man sich die Häufigkeitsverteilung der nachfolgenden Tabelle an, fällt auf, dass knapp die Mehrheit der befragten Spanischlehrkräfte eine genaue Vorstellung von Lehrwerkanalyse hat. Mit dem höchsten Prozentsatz (52,1 %) verbinden die Teilneh‐ menden mit Lehrwerkanalyse einen konkreten schulpraxisbezogenen Untersuchungsas‐ pekt bzw. Analysefokus vor dem Hintergrund des jeweils vorliegenden Lehr-/ Lernkontexts und ihrer spezifischen Lerngruppen (fokussiertes schulpraxisbezogenes Verständnis). Dies betrifft bspw. den Aufbau des Lehrwerks, die Lerner*inneneignung sowie die Darbietung und den Umfang von Inhalten und sprachlichen Mitteln. Über ein Lehrwerk bzw. Lehrwerkbestandteil hinausgehend, geben 2,1 % der Befragten an, dass sie unter Lehrwerkanalyse auch ein lehrwerkvergleichendes Verfahren verstehen, indem sie zwei Lehrwerke bzw. ausgewählte Lehrwerkbestandteile unterschiedlicher Verlage unter einem gewissen Blickwinkel (z.-B. o.-g. Aspekte) miteinander vergleichen. Der zweitgrößte Anteil der Befragten (41,7 %) versteht Lehrwerkanalyse aus einer weniger fokussierten Blickrichtung (kursorisches Verständnis). Mit ihren Antworten geben die Teilnehmenden einen Einblick in ihre Verständnisweise des Terminus, die auf einer eher oberflächlichen Ebene verbleibt und wenig konkret erscheint. Dafür werden von den Befragten mehrheitlich die Begriffe der Reflexion, Auseinandersetzung und Beschäftigung genannt. Unklar bleibt im Vergleich zum fokussierten schulpraxisbezogenen Verständnis, über was konkret reflektiert bzw. mit was sich beschäftigt wird. Im Einklang damit steht, dass sich 8,6 % der Befragten außerdem nicht sicher sind, was sie unter der Analyse von Lehrwerken verstehen. Etwas weniger als 10 % der Lehrkräfte verknüpfen Lehrwerkanalyse mit wissenschafts‐ bezogenen sowie didaktisch-methodischen Gesichtspunkten und legen bspw. die folgenden Fragen an das Material an: „Inwiefern entsprechen Lehrwerke aktuellen Erkenntnissen bzw. Empfehlungen des Forschungsdiskurses? “ (FB292) „Inwieweit finden sich Erkenntnisse aus Lerntheorien in der Anlage des Lehrwerks wieder? “ (FB88)). Im Zusammenhang mit den generierten Verständnisweisen von Lehrwerkanalyse kann mittels der letzten Kategorie in Tab. 23 geschlussfolgert werden, dass der Kontext der Untersuchung mitbedacht werden muss. Im Zuge der Datenanalyse konnte ermittelt werden, dass Lehrwerkanalyse im universitären Kontext von der in der Schule unter‐ schieden wird. Letztere beschäftigt sich vorrangig mit schulpraxisbezogenen Aspekten vor dem Hintergrund konkreter/ eigener Lerngruppen. Die kritische Beschäftigung mit Lehrwerken im universitären Kontext versteht sich demgegenüber als „wissenschaftliche Untersuchung“, die sich bspw. mit Konstrukten wie z. B. Gender auseinandersetzt, die sie 4.2 Die subjektive Sichtweise auf Lehrwerke und ihre Verwendung 201 <?page no="202"?> 94 Auf Grund des offenen Antwortformats und der Wahl eines freien Bezugsrahmens wurde den Beteiligten die Möglichkeit gewährt, sämtliche Assoziationen anzuführen. Daraus resultieren um‐ fangreiche und verschiedene Aspekte aufgreifende Antworten, die sich teils mehreren Kategorien zuordnen lassen. Dies trifft auf alle Fälle zu, in denen Kategorien am Material gebildet wurden. theoretisch aufbereitet und die zumeist kriteriengeleitet analysiert werden. Dabei steht sie eher nicht in einem unterrichtsspezifischen Zusammenhang. Kategorien (am Material gebildet) 94 Ankerbeispiele Fokussiertes schulpraxisbezogenes Verständnis (52,1-%) • „Eine gezielte Untersuchung des Lehrwerks auf einen/ mehrere Aspekte hin, die etwas über das Funktionieren/ den Fokus des Lehrwerks in Bezug auf einen bestimmten Aspekt aussagen.“ (FB26) • „kritische Prüfung seiner Eignung für jeweilige Lerner“ (FB36) • „kritische Hinterfragung/ Untersuchung, wie ein Lehrwerk auf‐ gebaut ist und ob die Anforderungen des KCs damit umge‐ setzt werden können.“ (FB119) • „Ein Auseinandersetzen mit den sprachlichen und inhalt‐ lichen Aspekten des Werks, Umfang des Wortschatzes pro Lektion, der neuen Grammatik, der landeskundlichen Aspekte.“ (FB37) Kursorisches Verständnis (41,7-%) • „Reflexion und Auseinandersetzung mit dem Lehrbuch und/ oder Lehrwerk beim Einsatz im Unterricht“ (FB03) • „Beschäftigung mit dem Lehrwerk“ (FB07) Wissenschaftsbezogenes/ didaktisch-methodisches Verständnis (8,3-%) • „Überprüfung eines Lehrwerkes auf bestimmte methodische und didaktische für den Unterricht wesentliche Parameter. Inwieweit setzt das Lehrwerk Erkenntnisse aus der Lerntheorie um bzw. inwieweit bietet es der Lehrer*in Unterstützung die Parameter umzusetzen? “ (FB88) • „Das Auseinandersetzten mit einem Lehrwerk unter den ak‐ tuellen Forschungsschwerpunkten zum Fremdsprachenun‐ terricht“ (FB102) Lehrwerkvergleichendes Verständnis (2,1-%) • „Darunter verstehe ich die Untersuchung und den Vergleich ver‐ schiedener Lehrwerke und der dazugehörigen Materialien unter dem Aspekt der Sprachvermittlung und der Einsetz‐ barkeit im Unterricht.“ (FB99) Kontextabhängiges/ situ‐ atives Verständnis (1,0-%) • „Universität: wissenschaftliche Untersuchung, die Lehrwerke in Hinblick auf bestimmte Teilaspekte näher untersucht (z.-B. Gender, Rolle der Grammatik). Schule: Analyse in Hinblick auf Kompetenzorientierung, Sinnhaftigkeit, Passung, Aktualität der Aufgaben in Hinblick auf die Unterrichtsziele, individuellen Voraussetzungen der SchülerInnen“ (FB27) Tabelle 23: Verständnisarten der Lehrbuch-/ -werkanalyse in [%] und Ankerzitate Quant │ Von 77,1 % der Teilnehmenden wird das Lehrbuch als Hauptlehrwerkbestandteil vorab analysiert. 70 % unterziehen darüber hinaus weitere Lehrwerkmaterialien einer kritischen Betrachtung. In etwa ein Viertel der Befragten analysiert weder das Lehrbuch noch weitere Komponenten. Welche Bestandteile von wie vielen der befragten Lehrkräfte 202 4 Empirische Untersuchungsergebnisse <?page no="203"?> kritisch gesichtet werden, die über das Lehrbuch hinaus weitere Lehrwerkelemente analy‐ sieren, kann der nachfolgenden Tabelle entnommen werden. Analysierte Lehrwerkbestandteile (außer Lehrbuch) Prozentangabe (Mehrfachnennung möglich) Arbeitsheft (cuaderno de ejercicios) 95,9-% Lehrer*innenhandreichung 62,2-% Digitale Lehrwerkbestandteile (insb. E-Book) 58,1-% Audio-CD 51,4-% Materialien zur Leistungsmessung 6,8-% Tabelle 24: Analysierte Lehrwerkbestandteile (außer Lehrbuch) in [%] Abgeleitet werden kann, dass eine theoretische Vorab-Auseinandersetzung mit dem Ma‐ terial, unabhängig von ihrem Umfang oder ihrer Perspektivierung, einen notwendigen Vorschritt in der (kritischen und kreativen) Weiterarbeit mit dem Lehrwerk darstellt. Die kritische Durchsicht von Lehrwerken erscheint als eine Art Ausgangspunkt, wenn es um die Identifikation und Nutzung von Handlungsoptionen zur Veränderung und Optimierung von Lehrwerkinhalten geht, womit sie wichtige Hinweise auf die Rezeption von Materialien vor der eigentlichen Verwendung im Unterricht liefert. 4.2.1.1.4 Lehrwerkentwicklung Das im Voraus ergründete Begriffs- und Konzeptverständnis des Lehrbuchs/ -werks und seiner Analyse steht in Relation zu Kenntnissen der Lehrkräfte zur Lehrwerkentwicklung bzw. dazu, wie Lehrkräfte die Entwicklung von Lehrwerken über die letzten Jahrzehnte hinweg wahrgenommen haben (z. B. hinsichtlich des Aufbaus, der Inhalte sowie didak‐ tisch-methodischer Prinzipien) und inwiefern sie daraus Konsequenzen für ihren Umgang mit Lehrwerken ableiten. Insbesondere aktuellere Lehrwerke weisen meist einen höheren Grad der Modularisierung auf und erfordern vor dem Hintergrund des Überangebots einen höheren Handlungsbedarf vonseiten der Lehrkraft (z. B. mit Blick auf Selektionsprozesse, die Zusammenstellung eigener Verfahrensweisen und die Integration anderer/ neuerer Methoden) (vgl. Kap. 2.3.2.2). Quant-Qual │ 93,3 % der befragten Lehrkräfte haben eine Veränderung von Lehrwerken innerhalb der letzten Jahre bzw. Jahrzehnte festgestellt. Von den Teilnehmenden werden die in der nachfolgenden Abbildung tabellarisch dargelegten Veränderungen genannt, die gemäß ihrer Häufigkeit gelistet sind. Die von den Lehrkräften geäußerten Aspekte werden überwiegend positiv hervorgehoben. In den Bereichen der Erweiterung und der Verknappung des Materials weisen die Lehrkräfte auf ein Zwiegespaltensein hin, woraus gefolgert wird, dass sowohl Erweiterungen als auch Reduzierungen des Materials nicht per se als positiv oder negativ angesehen werden können, da dies maßgeblich vom jeweiligen Lehr- und Lernkontext und von den Bedürfnissen der Lerngruppe abhängt. 4.2 Die subjektive Sichtweise auf Lehrwerke und ihre Verwendung 203 <?page no="204"?> Kategorien (am Material gebildet) Prozentangabe Verbesserte, balanciertere und vielfältigere Umsetzung didaktischmethodischer Prinzipien • Kompetenzorientierung (insb. Sprechen und Sprachmittlung) • Lernendenaktivierung und -orientierung • Aufgabenorientierung • Differenzierung • Digitalisierung • Lernendenautonomie (Selbstevaluation, Strategien) • Mehrsprachigkeit und interkulturelles Lernen 68,4-% 24,2-% 20,0-% 20,0-% 17,9-% 13,7-% 4,2-% Gestaltung/ Layout 15,8-% Erweiterung und Variation • des Lehrwerkangebots (Lehrwerkbestandteile) • der Texte und Medien 15,8-% 8,4-% Reduktion der Inhalte, Themen und Texte 15,8-% Fokussierung einer integrativen Grammatik- und Wortschatzarbeit 8,4-% Verbesserung der inhaltlichen und sprachlichen Authentizität 6,3-% Inhaltliche Aktualisierungen 5,3-% Tabelle 25: Feststellungen im Bereich der Lehrwerkentwicklung in [%] Funktion der Quant-Qual-Verschränkung • Vertiefung, Erweiterung und Neu-Perspektivierung der Fragebogenergebnisse • Konkretisierung durch Rückbindung an Erfahrungen und Erlebnisse der Gesamt‐ studienteilnehmenden Qual │ Eine neue Perspektive kann mit den Erkenntnissen, die aus der qualitativen Analyse der Interview-Daten gewonnen wurden, auf die teilnehmendenseitige Wahrnehmung des Entwicklungstrends der Digitalisierung in/ von Lehrwerken geworfen werden. Hierzu wird sich mehrheitlich kritisch geäußert. Dies wird mit fehlendem Lernertrag, einer unange‐ messenen Input-Output-Relation (gegenüber der analogen Variante) und mangelhafter Qualität hinsichtlich ihrer sprachlichen Anbindung (z. B. über Mediencodes im Lehrbuch zu erreichende Videos ohne sprachlichen Umsatz) begründet. Darüber hinaus konnten strukturelle Faktoren identifiziert werden, aus denen resultiert, dass die Lehrkräfte digitale Lehrwerkarbeit vor dem Hintergrund der schulausstattungsspezifischen Gegebenheiten nicht ohne erheblichen Mehraufwand, Zeitverlust und Unruhe im Klassenzimmer (u. a. durch Auf- und Abbau der Technik, Aufmerksamkeitsverlust der Lernenden) umsetzen können. Mit den Ausführungen von Lehrkraft III kann abschließend ein grundlegendes Posi‐ tionierungsmuter zur Lehrwerkentwicklung identifiziert werden, aus dem zentrale Kon‐ sequenzen für die materialbezogene Praxis abgeleitet werden können: Der Bereich der 204 4 Empirische Untersuchungsergebnisse <?page no="205"?> Lehrwerkentwicklung wird als höchst komplex erachtet, da sich Fremdsprachenunterricht stets verändert und die Lehrwerkentwicklung sich mit neuen/ anderen Trends konfrontiert sieht, sodass man weniger wertend an die Dimension der Lehrwerkentwicklung heran‐ gehen und vielmehr den Fokus auf den eigenen kritischen und kreativen Umgang damit legen sollte. - 4.2.1.2 Kenntnisse über die Lehrwerkverwendung (prozedural) und selbstbezogene Kognitionen Ausgehend von einer deklarativen Ebene zu Kenntnissen über das Lehrwerk kann mit der Analyse der Ausführungen von Lehrkraft III aus dem vorherigen Teilkapitel überge‐ leitet werden zum prozeduralen Bereich. Dieser fokussiert Kenntnisse zur Verwendung des Lehrwerks als sog. Lehrwerkverwendungswissen sowie selbstbezogene Kognitionen, mit denen Aufschluss über das lehrwerk(verwendungs-)bezogene Aufgabenverständnis geleistet werden kann. Hier steht im Vordergrund, was Lehrkräfte zu ihrem lehrwerk(ver‐ wendungs-)bezogenen Aufgabenverständnis bzw. -feld zählen. Gegliedert sind die nachfol‐ genden Teilkapitel in die Bereiche des lehrer*innenseitigen Funktionsverständnisses von Lehrwerken bei der Lehrwerkverwendung, in Kenntnisse über eine zielgerechte Lehrwerk‐ verwendung sowie in das lehrwerk(verwendungs-)bezogene Aufgabenverständnis von Lehrkräften (kritischer und kreativer Umgang, Veränderung von Inhalten, Aufgaben und Übungen sowie deren Anlässe, Erstellung eigener Materialien und lehrwerkunabhängiges Unterrichten sowie die eigene Verantwortung beim Umgang mit dem Lehrwerk). 4.2.1.2.1 Wegweiser, Kompass, Rezept oder Supermarkt: Funktionsverständnis von Lehrwerken bei der Lehrwerkverwendung Zur Ergründung des lehrer*innenseitigen Funktionsverständnisses von Lehrwerken bei der Lehrwerkverwendung wurde in Anlehnung an McGrath (2002, 8) ein Ansatz der Me‐ taphernforschung gewählt, mit dem ein höheres Maß an Deutlichkeit, Anschaulichkeit und sprachlicher Dichte für die Datenauswertung erzielt und semantische Lücken geschlossen werden konnten, die sonst nur durch aufwendigere Umschreibungen zu erläutern gewesen wären (vgl. Peil 2013, 517). Quant-Qual │ Mit den höchsten Prozentsätzen werden von den Lehrkräften Metaphern gewählt, die auf die Kontrolle durch das Lehrwerk abzielen (vgl. McGrath 2016, 11). Hierbei handelt es sich um den Wegweiser (77,1 %), den Kompass (75,2 %) und das Rezept (44,8 %), wodurch die struktur- und sicherheitgebende Funktion sowie die Orientierung auf unterschiedlich direktive Weise in den Vordergrund gestellt werden. Die Beschreibung des Lehrwerks als Wegweiser weist auf eine Kernfunktion von Lehr‐ werken hin: die (Vor-)Strukturierung des und Orientierung im Spanischunterricht(s) mit Blick auf Unterrichtsinhalte, -methoden und -sozialformen. Ein Wegweiser (im klassischen Sinne auch als Verkehrszeichen angedacht) enthält Ziel- und Richtungsangaben, auf die sich die Lehrenden vor, im und nach dem Unterricht rückbeziehen können und die ihnen Verlässlichkeit auf dem Weg zur Erreichung des (Unterrichts-)Ziels bieten. Auch die mehrheitliche Wahl der Beschreibung des Lehrwerks als Kompass zielt auf ähnliche Aspekte ab, indem das Lehrwerk Hilfe zur Orientierung bei der Unterrichtsvorbereitung und im Unterricht selbst bietet. Darüber hinaus wird mit dieser metaphorischen Umschreibung der 4.2 Die subjektive Sichtweise auf Lehrwerke und ihre Verwendung 205 <?page no="206"?> Fokus stärker auf die Notwendigkeit des aktiven Einbindens und der Bereitschaft vonseiten der Lehrkraft gelegt, die das Lehrwerk als Kompass zur eigenen Verortung im Materialver‐ wendungsprozess sowie zur (Neu-)Bestimmung der eigenen Position begreifen und nutzen muss, um ein „Verlaufen“ bei der Vielfalt an Lehrwerkbestandteilen zu verhindern und davon ausgehend weitere handlungs- und materialbezogene Konsequenzen abzuleiten. Mit der Beschreibung des Lehrwerks als Rezept wird ebenfalls der Fokus auf die orientierende und weisende Funktion des Materials gelegt. Bei Rezepten, sowohl medizinisch als auch auf das Zubereiten von Speisen/ Getränken bezogen, handelt es sich um eine planmäßige und programmatische (Arbeits-)Anweisung in mehr oder weniger detaillierter Form. Darüber hinaus geben Rezepte Informationen zur Reihenfolge der Abläufe (auf das Lehrwerk bezogen z.-B. Aufgabenreihenfolge, Lektionsteile). Diese drei am häufigsten gewählten Metaphern lassen die Schlussfolgerung zu, dass die Mehrheit der Lehrkräfte die Funktionen der Strukturierung, Orientierung und Führung am zentralsten einschätzt. Zudem belegen die hohen Prozentsätze für die strukturierenden und weisenden Charakteristika des Lehrwerks, dass sich der Großteil eher vom Lehrwerk leiten lässt bzw. leiten lassen will und sich an den Vorgaben, die durch das Lehrwerk gemacht werden, entlang hangelt. Die am vierthäufigsten gewählte Metapher ist die des Lehrwerks als Supermarkt (35,2 %). Hiermit wird gemäß der Aufteilung nach McGrath (2016, 11) ein Sinnbild gewählt, das eher auf den Angebotscharakter von Lehrwerken und damit einhergehende Wahlmöglich‐ keiten und Freiheiten der Lehrkraft abhebt. Dadurch wird eine die vorausgehenden meta‐ phorischen Zuschreibungen erweiternde Perspektive auf den Untersuchungsgegenstand eröffnet, die stärker die Notwendigkeit der Eigeninitiative, Aktivität und des Interesses der Lehrkraft miteinbezieht. In einem Supermarkt wählt man Lebensmittel vor dem Hintergrund der Notwendigkeit für ein Vorhaben und des Gefallens/ Geschmacks aus und bedient sich selbst aus einem (großen) Sortiment an diversen Artikeln. Ergänzend wird damit auch der eingangs in Kap. 2.1.3 diskutierte Produkt-/ Warencharakter des Lehrwerks unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten aufgegriffen. Neben den erläuterten Charakterisierungen konnten im quantitativen und qualitativen Studienteil insb. auch noch solche ermittelt werden, die den Aspekt des Schutzes betonen, den Lehrkräfte durch Lehrwerke erfahren und der sie vor den Konsequenzen möglicher Fehlentscheidungen und einer sog. „Bruchlandung“ bewahrt (z. B. das Lehrwerk als Fallschirm). Ähnlich perspektiviert ist auch die Metapher des Lehrwerks als Krücke, mittels der es möglich wird, den Lehr- und Lernprozess trotz Schwierigkeiten und Unsicherheiten aufrechtzuerhalten. Mit den verschiedenen metaphorischen Umschreibungen gehen unterschiedliche Wahr‐ nehmungen der Lehrwerkfunktionen (bei der Lehrwerkverwendung) einher bzw. liegen diesen implizit (andere) prozedurale Wissensbestände und selbstbezogene Kognitionen zugrunde. Exemplarisch lässt sich dies wie folgt veranschaulichen: Wird ein Lehrwerk als Supermarkt verstanden, fußt dies auf einem anderen Verständnis der Funktion, der Bindung an das Lehrwerk sowie der eigenen Rolle als Lehrwerkverwendende*r, als wenn das Lehrwerk als Wegweiser oder Rezept begriffen wird. Resultieren kann daraus, dass sich im ersten Fall weniger eng an den Inhalten und der Struktur des Lehrwerks orientiert 206 4 Empirische Untersuchungsergebnisse <?page no="207"?> wird und die Lehrkraft andere Materialien und/ oder Umsetzungsformen integriert als im zweiten Beispiel, wenn die Lehrwerkverwendung vorrangig an den Vorgaben durch das Lehrwerk auf verschiedenen Ebenen (Inhalte, Aktivitäten, Struktur) ausgerichtet wird. Im ersten Fall schreibt sich die Lehrkraft ein höheres Maß an Eigeninitiative bzw. Aktivität und Unabhängigkeit zu, versteht sich nicht als reine Rezipientin eines Produkts, deren Anweisungen sie befolgt, sondern denkt die Impulse durch das Lehrwerk weiter und grenzt sich ggf. davon auch ab. Im Zusammenhang damit steht auch der Werkzeugcharakter des Lehrwerks als Hilfsangebot, womit impliziert wird, dass man zum einen wissen muss, wozu das Werkzeug geeignet ist bzw. für was es eingesetzt werden soll und zum anderen, dass man es auf Funktionalität überprüfen und dem man sich aktiv bedienen muss. Die Kombination der gewählten Metaphern illustriert also nicht nur auf eindrückliche Weise den hohen Stellenwert des Lehrwerks im Fremdsprachenunterricht der Sekundar‐ stufe I („Herzstück des Unterrichts“) und die Einflussnahme des Materials auf sämtliche Lehr- und Lernprozesse, sondern zeigt ebenso deutlich auf, dass der Lehrkraft eine Schlüsselrolle beim Einsatz des Lehrwerks im Fremdsprachenunterricht zukommt - denn von ihrem Funktionsverständnis hängt maßgeblich ab, wie sie das Lehrwerk (in der Verwendung) versteht und welche Aufgabe(n) sie sich selbst bei der Interaktion mit dem Material zuschreibt. 4.2.1.2.2 Zielgerechte Lehrwerkverwendung und lehrwerk(verwendungs-)bezogenes Aufgabenverständnis von Lehrkräften Die Befunde zum lehrer*innenseitigen Funktionsverständnis von Lehrwerken bei der Lehr‐ werkverwendung beeinflussen also gemäß den vorherigen Ausführungen das Verständnis einer zielgerechten Verwendung (Wissen, wie) und das lehrwerk(verwendungs-)bezogene Aufgabenverständnis von Lehrkräften. Inhaltslogisch werden daher zuerst Kenntnisse über die Lehrwerkverwendung herausge‐ arbeitet, von denen ausgehend wiederum erschlossen wird, was Lehrkräfte auch tatsächlich ihrem Aufgabenfeld bei der Lehrwerkverwendung zuschreiben. Als Kernelemente des Verständnisses einer zielgerechten Verwendung konnten im Zuge der Datenanalyse ein kritischer und kreativer Umgang mit dem Lehrwerk und Lehrwerkunabhängigkeit identi‐ fiziert und ergründet werden. Quant-Qual │ Fast alle befragten Personen (85,6 %) verstehen unter einem kritischen Umgang mit dem Lehrwerk die Prüfung auf Eignung und Sinnhaftigkeit sowie eine begründete Auswahl der Inhalte, Aufgaben und Übungen hinsichtlich der Lerngruppe, des Lernziels, der curricularen Übereinstimmung, der Richtigkeit und Funktionalität sowie der Aktualität und Authentizität. Über den Inhalt und Zweck des Materials hinausgehend, sieht fast die Hälfte der befragten Lehrkräfte (44,3 %) einen kritischen Umgang mit dem Lehrwerk in (der Bewusst‐ werdung) der eigenen Selbstbestimmung bzw. Selbstbestimmtheit und Verortung der eigenen Person bei der Arbeit mit Lehrwerken. Dies steht in einem Zusammenhang mit den deklarativen lehrwerkbezogenen Kenntnissen der Lehrkräfte (z. B. Lehrwerk als Angebot) (vgl. Kap. 4.2.1.1), was mit der nachfolgenden Zusammenschau an Ankerbeispielen reprä‐ sentiert wird. 4.2 Die subjektive Sichtweise auf Lehrwerke und ihre Verwendung 207 <?page no="208"?> „Ich selbst bestimme, welche Aufgabe(n) ich wann (nicht) einsetze.“ (FB07) „Ich entscheide, was ich unterrichte---nicht der Verlag.“ (FB297) „An den Stellen, an denen ich die Themen durch weiteres Material ergänzen möchte, tue ich das; an den Stellen, an denen ich mit den SuS andere Arbeitsformen praktizieren möchte, tue ich das (Präsentationen zur Landeskunde, Rezensionen zu aktuellen Filmen, […]).“ (FB08) „Es muss als Angebot gesehen werden, dass den Unterricht bereichern kann, nicht aber als "Bibel", der kritiklos gefolgt werden muss.“ (FB69) In diesem Zusammenhang wird auch über materialbezogene Freiheiten, die Lehrkräften im Umgang mit dem Material zuteilwerden (können) (z. B. Einsatz authentischer Mate‐ rialien, Erprobung neuer Methoden), über Möglichkeiten eines flexiblen Umgangs mit dem Lehrwerk, bspw. hinsichtlich vorzunehmender Änderungen und/ oder Abgrenzungen sowie über eigene (Weiter-)Entwicklungsmöglichkeiten bei der Arbeit mit Lehrwerken reflektiert (insb. Aufbruch der Starrheit beim Umgang mit Lehrwerken als Motor für eine materialbezogene Weiterentwicklung der Lehrkraft). „Man sollte nicht der Reihenfolge des Lehrbuchs starr folgen und jede einzelne Auf‐ gabe mit den Schüler/ innen bearbeiten wollen. Dies führt m. E. […] zur Starrheit der Lehrkraft, die sich nicht flexibel zeigt und selbst in ihrer Entwicklung stehenbleibt. ‚Überraschungen‘ an geeigneter Stelle sind für mich sehr wichtig. Dies kann beispielsweise der Einsatz authentischer Materialien als Ergänzung zu den Lehrwerksinhalten sein oder auch eine ganz neue Methode, die man mit der Gruppe ausprobiert und sich somit vom Lehrwerk und seiner Struktur löst.“ (FB26, Ankerbeispiel) Geschlussfolgert werden kann aus den vorangegangenen Befunden, dass die Lehrkräfte über das Maß der eigenen (Un-)Abhängigkeit vom Lehrwerk und deren Rolle bei der Ver‐ wendung des Materials reflektieren. Deutlich wird auch, dass die Mehrheit der Lehrkräfte dafür sensibilisiert ist, dass ein Lehrwerk „nicht von allein funktioniert, sondern zielge‐ richtet vom Lehrer im Unterricht eingesetzt werden“ (FB41) muss. Auch ein Bewusstsein über und die Akzeptanz von Grenzen des Lehrwerks konnte im Zuge der Datenanalyse identifiziert werden: „Ein Lehrwerk kann und muss auch nicht alles leisten“ (FB93). Im Kontrast dazu steht dann jedoch die Erkenntnis von einigen Lehrkräften, die in Form eines Theorie-Praxis-Abgleichs zu dem Entschluss kommen, dass das Lehrwerk verstanden als „Pool an Möglichkeiten und Aufgaben, den man verwenden, auf dem man aufbauen kann“ (FB213) zumeist aufgrund struktureller Faktoren „viel zu selten“ (FB213) auch so verwendet werde, sondern eher vorgebe bzw. bestimme, wie der Unterricht geplant und durchgeführt werde. Quant-Qual │ Im Rahmen der Sichtung der Antworten und der am Material gebildeten Kategorien konnte apostrophiert werden, dass sich in einigen der vorausgehenden Aus‐ führungen der Lehrkräfte bereits Elemente eines kreativen Umgangs mit dem Lehrwerk finden (z. B. Einsatz authentischer Materialien und neuer Methoden), sodass sich hier Verknüpfungen und teils Überschneidungen zwischen einem kritischen und kreativen Umgang mit dem Lehrwerk ergeben. Ersterer wird häufig als „Vorarbeit“ für eine kreative Arbeit mit dem Material angesehen, da bevor andere Materialien und/ oder Methoden 208 4 Empirische Untersuchungsergebnisse <?page no="209"?> und Sozialformen eingesetzt werden, zuerst Stellen bzw. Defizite im Material identifiziert werden müssen, die Anlass für eine kreative(re) Auseinandersetzung sind. Dennoch können anhand der am Material gebildeten Kategorien auch Spezifika des Verständnisses eines kreativen Umgangs mit Lehrwerken aufgeschlüsselt werden (z. B. Dimension der Fantasie und Inspiration). Ersichtlich wird, dass Kreativität im Umgang mit Lehrwerken von der Mehrheit der befragten Lehrkräfte (79,8 %) als eine Veränderung (Ver‐ kürzung/ Erweiterung) und (Weiter-)Entwicklung von Inhalten, Aufgaben, Sozialformen und Methoden beschrieben wird. Veränderungen werden vorrangig in Bezug auf die Methode und Sozialform, aber auch hinsichtlich des Themas, der jeweils zu fördernden Kompetenzen und insb. mit Blick auf die Lerngruppe (Leistungsniveau, Lebenswelt) vorgenommen, um u. a. auch die Bedeutung, Motivation und den Spaßfaktor vonseiten der bzw. für die Lernenden zu erhöhen. Die selbstständige Entwicklung von Materialien ist i. d. R. an die Lehrwerkinhalte/ -themen angelehnt, um diese leichter integrieren zu können. In den meisten Fällen wird hier das Lehrwerk auch als Basis für (die Entwicklung) weiterführende(r) Aktivitäten charakterisiert, d. h., dass auf der Grundlage einer Aktivität des Lehrwerks etwas Anderes geschaffen oder eine bestimmte Aktivität als Reiz für die Erfindung einer neuen Aktivität genommen wird. Eine kreative (Weiter-)Arbeit mit Inhalten und Aufgaben wird in der Unterrichtspraxis u. a. mit Aktivitäten zur Textsorten- und Perspektivenveränderung, der Implementierung literatur- und theaterpädagogischer Ansätze (z. B. szenisches Spiel) sowie mit Projektar‐ beiten umgesetzt. Das Lehrwerk kann dabei inspirierend wirken und die Fantasie von Lehrkräften anregen, indem diese bspw. offenere Aufgabenformate kreieren, mit denen die Lernenden Sprache unter Einbezug ihrer Fantasie kreativ begegnen können (z. B. Verfassen eines Textes aus einer anderen Perspektive, Gestaltung von Fotonovelas). „[…] dass man nicht nur die Lektionen abarbeitet, sondern sich auf der Grundlage von bestimmten Themen in Lehrwerken weiterführende kreative Aufgaben überlegt (z. B. sich in die Perspektive einer anderen Person hineinzuversetzen und aus deren Sicht einen neuen Text zu verfassen oder das Gestalten von Plakaten, Broschüren und Fotonovelas).“ (FB59) Ein kreativer Umgang mit dem Lehrwerk wird demnach auch verstanden als Anlass zur Weiterarbeit mit eigenen bzw. lehrwerkunabhängigeren Materialien. Damit konvergiert, dass etwas mehr als ein Drittel der Befragten (35,1 %) die Verknüpfung von kreativer Lehr‐ werkarbeit mit Aspekten des Loslösens von Lehrwerken, der Flexibilität und Spontaneität verbindet, die in ähnlicher Weise auch beim kritischen Umgang mit dem Lehrwerk genannt wurden. Anhand der Ausführungen der Lehrkräfte kann gefolgert werden, dass „kreativ“ für die Studienteilnehmenden bedeutet, sich frei in der und über die Lektion hinaus zu be‐ wegen, nicht „sklavisch“ die Inhalte, Aufgaben und Übungen des Lehrwerks „abzuarbeiten“, eine eigene Standortbestimmung vorzunehmen („sich vom Lehrwerk entfernen“ (FB49)) und dabei „selbst Impulse zu geben“ (FB49). Kreative Lehrwerkarbeit ist dabei auch von den jeweiligen Unterrichtsbedingungen und spontan eintretenden Vorkommnissen geprägt bzw. passt sich daran an (vgl. Kap. 4.2.1.2): „[…] sich spontan im Unterrichtsgespräch mit den Schüler/ innen vom Lehrwerk zu lösen und ggf. einen Exkurs oder eine spontane Aufgabe zu starten, die so nicht im Lehrwerk vorgesehen ist.“ (FB26) 4.2 Die subjektive Sichtweise auf Lehrwerke und ihre Verwendung 209 <?page no="210"?> Funktion der Quant-Qual-Verschränkung • Einordnung in einen erweiterten Zusammenhang • Anreicherung und Neu-Perspektivierung der Fragebogenergebnisse Qual │ Eine aus den qualitativen Daten generierte Verständnisart des kreativen Umgangs mit Lehrwerken bezieht das Konzept der Lehrwerkunabhängigkeit mit ein und liefert ergänzende Hinweise darauf, was die Lehrkräfte unter dem Abweichen bzw. Loslösen vom Lehrwerk vor dem Hintergrund eines kreativen Umgangs mit dem Material verstehen. Unter Lehrwerkunabhängigkeit wird zum einen die Verwendung von nicht lehrwerkbezo‐ genem Material (z. B. aus anderen verlagsgebundenen Materialien, literarische Texte, au‐ diovisuelles (digitales) Material) und zum anderen die Erstellung von eigenem Material mit selbst entwickelten Arbeitsaufträgen (z. B. Lesetagebuch zu einer lehrwerkunabhängigen Lektüre) verstanden. Lehrwerkunabhängigkeit kann darüber hinaus auch bedeuten, dass Lehrwerkmaterial auf andere (als in den Handreichungen empfohlene) didaktisch-methodi‐ sche, mediale und sozialformbezogene Weise umgesetzt bzw. indirekt lehrwerkunabhängig unterrichtet wird, indem z. B. eine Idee des Lehrwerks aufgegriffen, aber ohne das Lehrwerk an sich gearbeitet wird (z. B. ohne Textgrundlage). Geschlussfolgert werden kann daraus, dass Lehrwerkunabhängigkeit nicht nur meint, unabhängiges Material zu verwenden, sondern auch den Ideen und Ansätzen im Lehrwerk kritisch und kreativ zu begegnen und sie ggf. anders umzusetzen. Nachdem Kernaspekte des lehrer*innenseitigen Verständnisses einer zielgerechten Ver‐ wendung ergründet wurden, liegt der Fokus der nachfolgenden Ausführungen darauf, inwiefern die Teilnehmenden die Umsetzung einer solchen Art und Weise der Lehrwerk‐ verwendung auch zu ihrem Aufgabenbereich zählen (lehrwerk(verwendungs-)bezogenes Aufgabenverständnis). Kritischer und kreativer Umgang mit dem Lehrwerk Quant │ Anhand der statistischen Ergebnisse ist deutlich erkennbar, dass den Teilneh‐ menden im Mittel ein kritischer und kreativer Umgang mit dem Lehrwerk wichtig sind (kritischer Umgang: M=1,1, SD=0,9; kreativer Umgang M=2,1, SD=0,9). Damit geht jedoch ein unterschiedliches Ausmaß der Zuschreibung in das lehrer*innenseitige lehrwerk(ver‐ wendungs-)bezogene Aufgabenfeld einher. Funktion der Quant-Qual-Verschränkung • Untermauerung, Ausdifferenzierung, Relativierung und Neu-Perspektivierung der ermittelten statistischen Kennwerte • Konkretisierung durch Rückbindung an die konkrete Unterrichtspraxis Qual │ Die Gründe für die Notwendig- und Bedeutsamkeit eines kritischen Umgangs mit dem Lehrwerk werden vorranging in der Anpassung des Materials an die Lernenden und 210 4 Empirische Untersuchungsergebnisse <?page no="211"?> ihre Lebenswelt, in der Schaffung von Identifizierungsmöglichkeiten mit den Inhalten und in der Überführung der Lehrwerkangebote in einen für die Lernenden bedeutsamen und realistischen Kontext gesehen. B: #01: 28: 28-5# Ja, also, dass man nicht mit Scheuklappen unbedingt immer gucken muss, sondern auch ein bisschen als Lehrer die Aufgabe hat, sie aus diesem Kontext rauszuholen und auf, wie gesagt, die eigenen Erfahrungen und Lebenswelt umzumünzen. Man kann ja nicht nur diese abstrakte Situation des Lehrwerks dann berücksichtigen. Na also, dass man auch nach rechts und links schaut, ist klar. #01: 29: 00-4# (Interviewtranskript, LII, 140) Erweiternd dazu konnte ein maßgeblicher Grund für einen kritischen Umgang mit dem Lehrwerk ermittelt werden, der in der Prüfung des Materials auf Angemessenheit hinsicht‐ lich des Lern- und Anforderungsniveaus und in der daraus resultierenden (inhalts- und strukturbezogenen) Aufbereitung für die Lernenden begründet liegt. Aus der Datenanalyse wird darüber hinaus geschlussfolgert, dass die Wichtigkeit eines kritischen Umgangs mit dem Lehrwerk auch von der Anlage des jeweils zu verwendenden Lehrwerks abhängt, z. B. hinsichtlich der Struktur, Menge und Komplexität. Die Ausführungen von Lehrkraft VII stützen den vorangegangenen Befund. B: #00: 19: 53-9# […] und da muss man als Lehrer bisschen mehr auf der Hut sein, als ich das vorher beim Apúntate sein musste, beim Apúntate wusste ich, das bleibt alles so gelevelt, das schaffen die immer alles und hier muss ich wirklich gucken, wie gliedere ich den Text, wo mache ich einen Punkt, wie bereite ich das auf, was lasse ich weg und so weiter, weil das Buch anspruchsvoll ist. Das ist auf der einen Seite toll, weil wir auf einer anspruchsvollen Ebene mit den Schülern arbeiten können und auf der anderen Seite muss man das auch manchmal mit Vorsicht genießen […]. #00: 23: 40-2# (Interviewtranskript, LVII, 23) Der Datenauszug illustriert, dass Lehrkraft VII vor dem Hintergrund des jeweils von ihr verwendeten Lehrwerks und des Anforderungsniveaus einem kritischen Umgang mit dem Lehrwerk unterschiedliche Bedeutung beimisst. Daraus resultiert, dass je nach Lehrwerk mehr oder weniger Handlungsoptionen in unterschiedlicher Intensität genutzt werden. Quant-Qual │ Die Notwendigkeit des (ständigen) Hinterfragens von Lehrwerken und deren Aufmachung sowie Angemessenheit mit Blick auf den eigenen Lehr-/ Lernkontext wird von der Mehrheit der Befragten jedoch auch infrage gestellt. Die vollzogene Katego‐ rienbildung am Material ermöglichte es, folgende, teils unterschiedlich perspektivierte, Gründe zu identifizieren und mit Ankerbeispielen zu untermauern, die in ihrer Gesamtheit ein Panorama an möglichen Gründen für das Anzweifeln der Notwendigkeit eines kriti‐ schen Umgangs mit dem Lehrwerk zeichnen. Ein ermittelter Grund dafür liegt in der Kombination aus Zeitknappheit und der Professionalität des Materials: „[…] Generell finde ich dieses ständige Hinterfragen von 4.2 Die subjektive Sichtweise auf Lehrwerke und ihre Verwendung 211 <?page no="212"?> Lehrbüchern/ -werken richtig anstrengend, weil es massiv Zeit raubt und in den Verlagen ebenso Profis und auch Lehrer arbeiten, […]“ (FB53). Aus den Ausführungen der Lehrkräfte kann auch abgeleitet werden, dass sie teils genervt und auch mit Unverständnis auf die Forderung nach einem kritischen Umgang mit dem Lehrwerk reagieren: „[…] Warum dann die Lehrer als Umsetzende das dann alles hinterfragen müssen, ist mir ein Rätsel. […]“ (FB53). Im Zusammenhang mit der berichteten Professionalität des Lehrwerks steht der zweite identifizierte Grund für die Skepsis ggü. des (ständigen) kritischen Hinterfragens der Lehrwerkangebote, der in der grundlegenden Akzeptanz des Lehrwerks und in dem Vertrauen in das Material vonseiten der Lehrkräfte liegt. B: #01: 15: 56-7# (..) Ich bin da jemand, der das Lehrwerk eben so zur Hand nimmt, wie es vorliegt und versuche damit zu arbeiten. Ich gehe jetzt nicht da in die Schule rein, nehme das Lehrwerk und sage oh mein Gott, was muss ich daran jetzt alles verändern, […]. #01: 16: 22-6# (Interviewtranskript, LIII, 154) B: #01: 11: 51-7# […] man setzt sich ja mit einem Lehrwerk auseinander, mit dem, was es halt anbietet und so weiter und man findet dann auch sozusagen ein Stück weit Vertrauen in das Lehrwerk, […] und deswegen jetzt immer permanent kritisch zu sein. Ja, würde ich jetzt so nicht stützen, also das ist schon oftmals okay. #01: 12: 56-9# (Interviewtranskript, LV, 152) Die Lehrkräfte setzen sich mehrheitlich vor der Anschaffung eines Lehrwerks mit seiner Anlage intensiv auseinander und entscheiden sich zumeist in der Fachschaft gemeinsam für ein Lehrwerk. Nach dieser Entscheidung wird das Lehrwerk als grundsätzlich akzeptiert betrachtet und im Zuge der weiteren Auseinandersetzung damit Vertrauen in das Material gewonnen. Eine dauerhafte kritische Grundhaltung gegenüber dem Material ist für die Mehrheit der Lehrkräfte daher nicht indiziert. Der letzte ermittelte Grund für das Infragestellen eines kritischen Umgangs mit dem Material wird in inhaltlich unkritischeren Themen in Lehrwerken bis zum dritten Lernjahr in der Sekundarstufe I gesehen, wie dies mit den Ausführungen von Lehrkraft VII belegt werden kann: B: #01: 00: 48-9# […] deswegen muss ich es inhaltlich nicht so kritisch betrachten. Das wird spannender dann in der neunten und zehnten Klasse, wenn es darum geht, was weiß ich, wenn wir über Chile, über Diktaturen sprechen und so weiter. Klar müssen wir dann ein bisschen kritisch hinterfragen, welche Texte sind im Buch, aber im Anfangsunterricht nicht. #01: 01: 21-2# (Interviewtranskript, LVII, 103) Qual │ Analog zur Eruierung eines kritischen Umgangs mit dem Lehrwerk wurden auch Gründe für die Relevanz einer kreativen Arbeit mit dem Material sowie Beispiele aus der Unterrichtspraxis im Zuge der videographischen Beobachtung und der Interviews generiert. Die Mehrheit der Lehrkräfte bindet kreative Ansätze in die Lehrwerkarbeit 212 4 Empirische Untersuchungsergebnisse <?page no="213"?> mit ein, um die Attraktivität für die Lernenden und deren Motivation zu steigern. Aus ihren unterrichtspraktischen Beispielen gehen u. a. Projektarbeiten, die Integration thea‐ terpädagogischer Ansätze (z. B. Verschriftlichen einer kleinen Szene mit anschließender freier Vorstellung auf der Forumsbühne der Schule), spielerische Formate zur Arbeit mit bzw. an sprachlichen Mitteln (z.-B. Würfelspiele zur Konjugation, Grammatikgeschichten, Songs, pantomimische und lautmalerische Wortschatzarbeit) und die Einbindung digitaler Elemente (z.-B. Videos von Streaming-Plattformen) hervor. Des Weiteren konnte bestätigt werden, dass das Lehrwerk bei der Einbindung kreativerer/ unabhängigerer Formate Dreh- und Angelpunkt ist bzw. bleibt, von dem ausgehend materialbezogene Entscheidungen getroffen bzw. Lehrkräfte dazu animiert werden und Impulse erhalten, Änderungen vorzunehmen bzw. andere Vorgehensweisen zu erproben: B: #01: 13: 11-8# […] Das Lehrwerk gibt mir an irgendeiner Stelle einen Input. Ich komme auf eine Idee und habe […] dann die Bereitschaft dazu, zum Beispiel ein ja YouTube Video zu finden oder einen Text zu finden oder oder oder. #01: 13: 35-9# (Interviewtranskript, LV, 154) Die Integration solcher Formate wird mehrheitlich in Situationen bzw. zu Anlässen als notwendig erachtet, die mit dem Lehrwerk in der Form so nicht bewältigt werden können (B: #00: 39: 51-6# […] Solche kreativen Formate dazu, das kann ein Buch nicht machen und das kann auch ein Arbeitsheft nicht leisten, […] #00: 43: 42-5# (Interviewtranskript, LII, 76)). Des Weiteren betten die Lehrkräfte kreative Ansätze in die Lehrwerkarbeit ein, um einen (konkreten) Situationsbezug für die Lernenden herzustellen und Sprache „erfahrbar“ zu machen bzw. werden zu lassen, indem diese bspw. im Rahmen einer Szenenaufführung unter Nutzung von Kostümteilen und Requisiten über einen anderen Wahrnehmungskanal (u.-a. haptisch) mit Vokabeln konfrontiert werden und diese sprachlich umwälzen. Zudem konnte ermittelt werden, dass mit der Implementierung kreativer Formate im (sonst eher) lehrwerkbasierten Spanischunterricht eine stärkere Adressierung der Hör-Seh-Gewohn‐ heiten und der Aufmerksamkeit der Lernenden intendiert wird, indem bspw. anstatt des Anhörens einer Liedstrophe das Song-Video über einen Streaming-Dienst abgespielt wird und darauf angepasst andere Aufgabenstellungen (als im Lehrbuch) mit einem Fokus auf der Förderung des Hörsehverstehens entwickelt werden. Letztlich dient die Einbindung kreativer Formate auch der Herstellung von Bedeutung für die Lernenden, sich den Aufgaben und Übungen zu widmen und diese lösen zu wollen, um am Ende der Lektion eine möglichst für die Schüler*innen relevante Lernaufgabe bzw. eine Kommunikationssituation bewältigen zu können (z. B. Erschaffen/ Verdeutlichen von Wissenslücken, Darlegen der Relevanz etc.). Veränderung von Inhalten, Aufgaben und Übungen sowie deren Anlässe Quant-Qual │ Auch wenn dem Großteil der Befragten ein kritischer und kreativer Um‐ gang mit dem Lehrwerk wichtig ist und dieser mehr oder weniger dem lehrwerk(ver‐ wendungs-)bezogenen Aufgabenfeld von Lehrkräften zugeordnet wird, zeigt sich bei der Veränderung von Lehrwerkinhalten, -aufgaben und -übungen, die aus der Analyse bzw. kritischen Durchsicht des Materials hervorgehen kann, mehr Zurückhaltung. Die Veränderung von Lehrwerkbestandteilen und ihren Inhalten, Aufgaben und Übungen 4.2 Die subjektive Sichtweise auf Lehrwerke und ihre Verwendung 213 <?page no="214"?> ist den Befragten eher bis teilweise wichtig (M=2,9; SD=1,0). Anlässe für Änderungen am Material werden in den jeweiligen Unterrichtsbedingungen sowie in der Spezifik der Lerngruppe hinsichtlich des Anforderungs- und Leistungsniveaus, der Methode und Sozialform, des Lernziels sowie des Lebensweltbezugs gesehen (84,0 %). Dem begegnen die Lehrkräfte mit thematischen und didaktisch-methodischen Änderungs-/ Differenzierungs‐ maßnahmen, um … • eine Anpassung an den Lehr-/ Lernkontext vorzunehmen; • Aufgaben und Übungen zu vereinfachen bzw. für leistungsstärkere Lernende Zusat‐ zaufträge zu entwickeln; • die Anbindung an die Lebenswelt und die Interessen der Lernenden zu gewährleisten bzw. zu erhöhen (z. B. hinsichtlich der Stadt im Lehrbuch bzgl. des bevorstehenden Schüler*innenaustausches); • ein höheres Maß der Übereinstimmung der zu fördernden Kompetenzen und dem Lernziel zu erreichen (z.-B. Wahl anderer Kompetenzschwerpunkte); • Abwechslung und Vielfalt hinsichtlich der eingesetzten Methoden herzustellen (z. B. Spannungsaufbau, Aufbruch der Monotonie in den Handreichungen für Lehrkräfte insb. bei der Lektionstexterschließung). Ferner konnte eine inhaltliche Ebene in Bezug auf Themen und Texte identifiziert werden (17,3 %), die Lehrkräfte dazu veranlasst, Inhalte, Aufgaben und Übungen zu verändern, da sie bspw. zu lang, veraltet, zu monoton angelegt oder realitätsfern für die Lernenden sind (z. B. Cybercafes in den 2020er-Jahren). Zwei weitere Anlässe liegen in der fehlenden Eignung und Sinnhaftigkeit für den individuellen Lehr-/ Lernkontext (z. B. hinsichtlich Aufgaben, Sozialformen) (10,7 %) sowie in identifizierten Fehlern in Lehrwerkbestandteilen (6,7 %) begründet. Aufgrund von situationsbedingten/ spontan eintretenden Faktoren (z. B. Unterrichtsvorkommnisse, Tagesform der Lernenden, sich konkret ergebende Lernbedarfe) werden ebenfalls Änderungen am Material vorgenommen (6,7 %). Zudem können umständ‐ liche und unklare Aufgabenstellungen oder übermäßig konstruierte Situationen (5,3 %), zeitliche Faktoren (1,3 %) sowie von den Lehrkräften bereits gemachte materialbezogene Erfahrungen in der Vergangenheit hinsichtlich der Umsetzbarkeit der Aufgaben und Übungen (1,3-%) Anlässe darstellen, die zur Veränderung des Materials führen. Funktion der Quant-Qual-Verschränkung • Relativierung und Neu-Perspektivierung der Fragebogenergebnisse Qual │ Aus den Analyseergebnissen der qualitativen Studienteile kann, ähnlich zu den vorange‐ gangenen Befunden, die Schlussfolgerung gezogen werden, dass auch hier die Notwendigkeit der Veränderung von Lehrwerkangeboten infrage gestellt wird. Dafür konnten unterschiedliche Gründe identifiziert werden, die primär in der bereits oben erläuterten Professionalität des Lehrwerks und dem Vertrauen (wollen) in das Material (Erarbeitung durch multiprofessionelle Teams über einen längeren Zeitraum) sowie in ihrer Angemessenheit für bzw. in ihrem „Zugeschnittensein“ auf das jeweilige Sprachniveau liegen. 214 4 Empirische Untersuchungsergebnisse <?page no="215"?> Insbesondere der letztgenannte Aspekt stellt einen wesentlichen Grund dar, warum es Lehrkräften hinsichtlich der Übereinstimmung von Inhalten und sprachlicher Progression schwerfällt, Lehrwerkbestandteile zu verändern oder unabhängiges Material einzubinden. B: #01: 10: 48-3# […] Und es ist aber auch so, dass das in der Mittelstufe weniger Bedeutung hat, weil ich da mit den Texten, die mir vorliegen, so arbeiten muss, insbesondere von der Progression her. […] diese Texte hier in der Mittelstufe sind ja auch zugeschnitten auf die Lerngruppe und passen ja vom Sprachniveau her auch dann dazu dem, was die leisten können. […] #01: 11: 29-9# (Interviewtranskript, LIII, 142) Die Auswertungsergebnisse belegen, dass zwar die Notwendigkeit der Veränderung von Lehrwerken kritisch hinterfragt wird, damit jedoch nicht einhergeht, dass Lehrkräfte keine Änderungen am Material vornehmen, wenn ihnen dies sinnvoll erscheint. Grundsätzlich jedoch stimmen sie mit den Inhalten und didaktisch-methodischen Ansätzen im Lehrwerk überein. B: #01: 10: 09-2# […] Ich gehe davon aus, wenn da so viele erfahrene Kollegen zusammen geplant haben, dass sie schon wissen, wie das funktioniert. Da verlasse ich mich einfach drauf. Was aber nicht heißt, dass ich mich da immer 100 % dranhalte. Ich gucke immer durch, bin ganz froh, dass es das gibt und zum größten Teil halte ich mich daran und was mir nicht gefällt, das wird kritisch betrachtet, darüber nachgedacht oder auch mal mit Kollegen besprochen und dann wird das vielleicht verändert. #01: 10: 39-4# (Interviewtranskript, LVI, 150) Erstellung eigener Materialien und lehrwerkunabhängiges Unterrichten Quant │ Im Zusammenhang mit einem kritischen und kreativen Umgang sowie der damit teilweise einhergehenden Notwendigkeit der Veränderung von Lehrwerkinhalten, -aufgaben und -übungen steht auch die Einschätzung der befragten Lehrkräfte hinsichtlich der Bedeutung der Erstellung eigener Materialien und des (phasenweise) lehrwerkunab‐ hängigen Unterrichts. Dies stufen sie als eher wichtig ein (M=2,1/ 2,2; SD=0,9/ 1,0). Funktion der Quant-Qual-Verschränkung • Ausdifferenzierung, Konkretisierung und Neu-Perspektivierung der ermittelten statistischen Kennwerte unter Rückbindung an die Unterrichtspraxis der Lehrkräfte und Unterrichtsbedindungen/ -umstände sowie Spezifika des jeweils verwendeteten Lehrwerks Qual │ Für lehrwerkunabhängiges Arbeiten und die Erstellung eigener Materialien konnten im Rahmen der Datenanalyse verschiedene Vorteile und Gründe abgeleitet werden, die sich 4.2 Die subjektive Sichtweise auf Lehrwerke und ihre Verwendung 215 <?page no="216"?> v. a. auf die Abwechslung, Flexibilität, Aktualität und die Orientierung an der Lebenswelt der Lernenden beziehen. Insbesondere die beiden zuletzt genannten Merkmale können als schnelllebig charakterisiert werden und sind oftmals in den über Jahre andauernden Lehrwerkentwicklungsprozessen nur bedingt umsetzbar (vgl. Kap. 2.1.4, 2.3.2.2). An dieser Stelle zeigt sich das Potenzial des Einsatzes von (digitalen) lehrwerkunabhängigeren und (sehr) aktuellen Lehr- und Lernmedien, die von der Lehrkraft didaktisch-methodisch auf‐ bereitet werden müssen und dem Lehrwerk (natürlicherweise zugrunde liegende) Grenzen kompensieren können. Weiteres Potenzial liegt in der Konzeption und Überarbeitung der Aktualisierungsmöglichkeiten digitaler Lehrwerkbestandteile bzw. dem Einsatz solcher Formate wie dem eCourse des Klett-Verlags (vgl. Kap. 2.3.2.2). Diese lassen den Lehrkräften unter Gewährleistung eines professionellen Rahmens Raum für unabhängiges und aktuelles Material bzw. geben konkrete Hinweise auf möglicherweise einzubindende Lehr- und Lernmaterialien. Als lehrwerkunabhängigere Formate werden v. a. andere als im Lehrwerk vorgeschla‐ gene methodische Ansätze (z. B. Stationenlernen) oder die Wahl anderer Textformate oder medialer Grundlagen (z. B. aktuelle Songs, Filme) definiert. Die Einbindung eigener Mate‐ rialien in den Unterricht und die Umsetzung lehrwerkunabhängigen Unterrichtens erfolgen angabegemäß häufig über Exkurse im sonst eher lehrwerkbasierten Spanischunterricht bzw. verstehen sich als (bewusste) Abgrenzung davon (z. B. auch in Lektürephasen während der sonst vorzufindenden Lektionsarbeit zur Steigerung der Handlungs- und Produktorien‐ tierung bei der Textarbeit). Neben den o. g. Formaten werden mit lehrwerkunabhängigerem Unterricht also auch längere Phasen ohne expliziten Rückgriff auf das Lehrwerk bzw. unter Gestaltung mit anderen Materialien verstanden. Eine ausgewogene Kombination aus Lehrwerkarbeit und unabhängigen Materialien wird mehrheitlich als sinnvoll erachtet. Verortet man in den globalen Kontext der Fragebogenerhebung die Analyseergebnisse der qualitativen Studienteile, wird offensichtlich, dass eine Differenzierung der statisti‐ schen Kennwerte hinsichtlich der beigemessenen Bedeutsamkeit lehrwerkunabhängigen Unterrichtens vorgenommen werden muss. Im Zuge der qualitativen Datenanalyse konnte ermittelt werden, dass lehrwerkunabhängiger Unterricht für die Teilnehmenden trotz der o. g. Vorteile teils bis eher nicht von Bedeutung ist und sie es nicht als ihre primäre Aufgabe verstehen, Abweichungsmöglichkeiten vom Lehrwerk zu identifizieren. Vor dem Hintergrund der Menge, Vielfalt und Komplexität der Lehrwerkbestandteile und der im Unterricht notwendigerweise zu behandelnden Inhalte sowie institutioneller Rahmenbe‐ dingungen und zeitlicher Aspekte wird dies als nicht praktikabel erachtet. Überdies kann mit den Analyseergebnissen konstatiert werden, dass die Sinnhaftig- und Notwendigkeit in der Sekundarstufe I (überwiegend) lehrwerkunabhängig zu unterrichten, infrage gestellt und eine grundlegende Akzeptanz des Lehrwerks bekundet wird. Zur Untermauerung der vorangegangenen Befunde können die folgenden Auszüge aus den Interviewtranskripten dienen: B: #01: 09: 29-0# […] Die Leute, die Lehrwerke konzipieren, die haben sich, […] ihre Gedanken gemacht und vieles von davon ergibt auch so Sinn. […] Ja, die [Aufgaben, JLK] nehme ich meistens so, wie sie sind. Das ist mir dann eher 216 4 Empirische Untersuchungsergebnisse <?page no="217"?> unwichtig, weil das ist schon gut gemacht, […]. #01: 10: 23-9# (Interviewtranskript, LV, 148) B: #01: 17: 15-6# Ja, das Buch bietet ja genügend Materialien und wenn ich jetzt mal eine Idee von einem Kollegen habe oder mir was eigenes einfällt, dann nutze ich die auch, wenn es für den Unterricht passt, aber ich bin dann eher so, dass ich das nutze, was mir vorliegt und das ist auch gut. Da stehe ich auch dazu. #01: 17: 32-7# (Interviewtranskript, LVI, 172) Qual │ Darüber hinaus konnte aus der Datenanalyse gefolgert werden, dass die bekundete Bedeutsamkeit der Erstellung eigener Materialien mit den jeweiligen Unterrichtskontexten und -umständen sowie mit der Aufmachung und dem Angebot des Lehrwerks zusammenhängt. Illustriert wird dies mit einem von Lehrkraft VII vorgenommenen Vergleich zweier Lehrwerke, mit denen sie zum Zeitpunkt der Studie gearbeitet hat. Bei einem der von ihr genutzten Lehrwerke wurden aufgrund der Anlage und des Angebots des Materials viele Zusatzaktivitäten selbst erstellt, die Defizite z. B. bei der Anbindung an den Unter‐ richtskontext, bei den Lernbedarfen, dem Anwendungsbezug, aber auch hinsichtlich des Interessantheitsgrades für Lernende behoben haben. Aufgrund der Konzeption des anderen von ihr verwendeten Lehrwerks wird diese Zusatzbzw. Neukonzeption von Materialien als nicht mehr notwendig erachtet, da durch die Angebotsmenge und -vielfalt zahlreiche Möglichkeiten und Vorschläge bereits enthalten sind, aus denen man auswählen kann. Daher spielt angabegemäß die Erstellung eigener Materialien und das lehrwerkunabhän‐ gige Unterrichten hier eine bedeutend geringere Rolle als im ersten Fall. Mit den im Voraus dargebotenen Ergebnissen geht jedoch nicht einher, dass sich die Lehrkräfte nicht vom Lehrwerk lösen und/ oder lehrwerkunabhängige(re) Materialien sowie Verfahrensweisen einbinden. Im Zuge der Datenanalyse konnten die folgenden Anlässe identifiziert werden, die Lehrkräfte zum Abweichen vom Lehrwerk bewegen: • Feststellung von Defiziten bzw. Unangemessenheit des Materials: insb. hinsichtlich des Sprachniveaus, der im Lehrbuch dargebotenen Reihenfolge grammatischer Struk‐ turen (bspw. futuro inmediato erst am Ende des Lehrwerkbandes), der Inhalte (insb. interkulturelle Themen) und affektiver Lernziele (Spaß, Freude); • inhaltliche und didaktisch-methodische Abwechslung und Variation; • Erhöhung des Grades an Lebensweltbezug und Anpassung an die Interessen der Lernenden (z.-B. durch Musik und Filme). Ein bloßes Abweichen vom Lehrwerk, um (An-)Forderungen und Empfehlungen des (Forschungs-)Diskurses und der zweiten Phase der Lehrer*innenbildung bzgl. des Einsatzes aktuellerer und authentischerer Materialien nachzukommen und erhöhtes Ansehen im beruflichen Kontext (Kompetenz der Erstellung eigener Materialien, Unabhängigkeit vom Lehrwerk) zu genießen, lehnen die Lehrkräfte ab (vgl. dazu Wipperfürth/ Will 2019). Im Einklang mit den Forderungen des Forschungsdiskurses zur Lehrwerkverwendung kann mit einer von Lehrkraft III im Interview getätigten Aussage das Verhältnis von Lehrwerkbasierung und -unabhängigkeit aufgeschlüsselt und gleichsam resümiert werden (so viel Lehrwerk wie nötig und so viel Lehrwerkunabhängigkeit wie möglich und sinnvoll): 4.2 Die subjektive Sichtweise auf Lehrwerke und ihre Verwendung 217 <?page no="218"?> B: #01: 12: 29-9# […] dass man lehrwerkunabhängiges Material dann hinzuzieht, wo das Lehrwerk Grenzen hat […] dann teils-teils, also sowohl Lehrbuch-Arbeit, aber eben auch Zusatzmaterial in den Unterricht einzubeziehen. #01: 13: 38-2# (Interviewtranskript, LIII, 148) Eigene Verantwortung beim Umgang mit dem Lehrwerk Quant-Qual │ Mit der Erforschung der von den befragten Lehrkräften angegebenen (eigenen) Verantwortung beim Umgang mit dem Lehrwerk lassen sich die Ergebnisse bündeln. Die Teilnehmenden sehen zum Umgang mit Lehrwerken folgende Bereiche als ihre Verantwortung bzw. ihr Aufgabenfeld an: Kategorien (am Material gebildet) Prozentangabe 1. Kritische Sichtung und Auswahl geeigneter Inhalte 81,3-% 2. Notwendigkeit des Kürzens und Abweichens von Lehrwerkinhalten, Bewahrung von Freiräumen und Flexibilität 24,2-% 3. Ergänzung und Anreicherung der Lehrwerkinhalte durch zusätzliches Material 22,0-% 4. Begleitung der Lernenden während Lehrwerkarbeit, Ermöglichen eines autonomen Umgangs mit dem Material 13,2-% 5. Setzung von Kompetenzschwerpunkten 4,4-% 6. Gestaltung eines kontinuierlichen Lernprozesses 4,4-% Tabelle 26: Verantwortung beim Umgang mit dem Lehrwerk in [%] Funktion der Quant-Qual-Verschränkung • Ausdifferenzierung und Konkretisierung der Fragebogenergebnisse mittels einer Untermauerung mit Beispielen aus der Unterrichtspraxis und der Rückbindung an spezifische Unterrichtssituationen Qual │ Aus der qualitativen Datenanalyse konnten die nachfolgenden (über die vorherigen Befunde hinausgehenden) Verantwortungsbereiche, die die Lehrkräfte in Verbindung mit dem Umgang mit Lehrwerken assoziieren bzw. als ihr lehrwerk(verwendungs-)bezogenes Aufgabenfeld bezeichnen, identifiziert werden: • Organisation und Aufbereitung des Materials zur optimalen Aufnahme der Inhalte durch die Lernenden; • Auswahl der Lehrwerkinhalte nach aktueller Relevanz (z. B. Vorziehen/ Einbinden von Inhalten zum Anlass des Europa-Tages oder zu politischen Wahlen), Lebensweltbezug und Identifikationsmöglichkeiten für Lernende (z. B. Herauslösen aus abstrakter Lehrwerksituation); 218 4 Empirische Untersuchungsergebnisse <?page no="219"?> • Weiterentwicklung/ Optimierung des Lehrwerkangebots und Integration eigener Ideen (auf Basis von Impulsen durch das Lehrwerk); • Integration von und Erweiterung um literatur- und theaterpädagogische Ansätze zu Motivationszwecken (z.-B. szenisches Spiel, Aufführung auf Forumsbühne); • Deutung des Verhaltens und der Reaktionen der Lernenden in Bezug auf die Mate‐ rialnutzung sowie Reflexion über Unterrichtsstunden (z. B. bei Verständnis- und Konzentrationsschwierigkeiten, Wiederholungsbedarf, Interesse/ Gefallen). 4.2.1.2.3 Lehrwerk(verwendungs-)bezogenes Erfahrungswissen Aus den vorangegangenen Befunden kann gefolgert werden, dass prozedurales Lehrwerk‐ verwendungswissen insb. auch durch gemachte Erfahrungen im Umgang mit dem Material entsteht (vgl. dazu Neuweg 2021, 10). Im Zuge der kritisch-reflexiven Auseinandersetzung mit dem Lehrwerk unter Ableitung von Implikationen für das weitere (lehrwerkunabhän‐ gige) Handeln und für die Nutzung von Handlungsoptionen zur Optimierung des Materials (insb. Aufbau, Logik, Inhalte: Ergänzen bzw. Ersetzen durch anderes (authentischeres) Material sowie Auslassen von Lektionsbestandteilen) greifen die teilnehmenden Lehrkräfte des Öfteren auf material- und lerngruppenbezogene Erfahrungswerte zurück. Quant │ Der Einfluss der Berufserfahrung und Routine auf die Lehrwerkverwendung wird von den 105 befragten Lehrkräften mit einem Mittelwert von 2,0 und einer Standard‐ abweichung von 0,8 als zentral ausgewiesen. Funktion der Quant-Qual-Verschränkung • Verdichtung und Ausdifferenzierung der ermittelten statistischen Kennwerte • Konkretisierung und Neu-Perspektivierung durch Rückbindung an spezifische Unterrichtssituationen Qual │ Die Lehrkräfte I-V und VII gehören zu der Mehrheit der interviewten Lehrkräfte, die sich beim Umgang mit dem Lehrwerk auf ihre Erfahrungen aus anderen Lerngruppen und der Arbeit mit vorherigen Lehrwerken verlassen sowie dabei auf routinisierte und erprobte Schemata und Abläufe (aus der Vergangenheit) im Sinne einer internalisierten bzw. habitualisierten Lehrwerkverwendung zurückgreifen. Mit den Erläuterungen von Lehrkraft II kann dieses Phänomen auch als automatisierte Lehrwerkarbeit bezeichnet werden: B: #00: 28: 08-3# […] Da schleicht sich ja automatisch so ein Automatismus mit ein. […] #00: 29: 31-0# (Interviewtranskript, LII, 52). B: #01: 02: 30-1# (..) Im Prinzip ist viel im Kopf drin an Erinnerungen und Verfahrensweisen, wie habe ich das schon mal gemacht, erlebt? War das sinnvoll? War das erfolgreich? Könnte das jetzt für die Gruppe klappen oder könnte das nicht? […] Wie werden die da wahrscheinlich darauf reagieren? Weiß ich ja, und die hier spielen Fußball und die andere da Volleyball, und sei es, der andere spielt ein Instrument. […]. Ja, dass 4.2 Die subjektive Sichtweise auf Lehrwerke und ihre Verwendung 219 <?page no="220"?> man das schon vorneweg so ein bisschen durchspielt. Wie könnte man das quasi auf diese Schüler dann anwenden? […] Ich denke mal, da geht man einfach von den Erfahrungswerten aus der Vergangenheit. […]. #01: 05: 31-6# (Interviewtranskript, LII, 116) Die Lehrkräfte I-V und VII haben sich im Rahmen der (langjährigen) Arbeit mit vorherigen Lehrwerken bereits intensiv mit deren Inhalten, Aufgaben und Übungen auseinanderge‐ setzt. Daraus resultiert eine Auswahl von ihrer Ansicht nach zielführenden und ertragrei‐ chen inhaltsbezogenen sowie didaktisch-methodischen Herangehensweisen (z. B. bei der Einführung eines neuen Lektionstexts und der darin enthaltenen grammatischen Struktur) und Materialien für ihren Spanischunterricht, die sie in der Form auf andere materialbezo‐ gene Unterrichts- und Verwendungssituationen übertragen. Dies wird als Erleichterung der Lehrwerkarbeit erlebt und mit Zeitersparnis bei der Unterrichtsvorbereitung begründet. Im Zuge des erläuterten Einarbeitungsprozesses haben die Lehrkräfte bereits auch Stellen im Lehrwerk identifiziert, die weiterer Ausführung oder zusätzlichem Material bedürfen und dieses dazu entwickelt oder aus anderen verlagsgebundenen Materialien hinzugezogen: B: #00: 28: 08-3# Das Apúntate kenne ich natürlich schon länger und man hat natürlich je länger man ein Lehrwerk benutzt, schon mehr Erfahrung damit und weiß im Prinzip die Texte schon fast auswendig und welche Übungen sich dann eignen dazu und welche man dann lieber weglässt. Man hat sich auch schon ein paar Extraübungen natürlich dann erstellt und […]. #00: 29: 31-0# (Interviewtranskript, LII, 52) B: #01: 29: 52-0# Wenn man so einen Lektionstext einführt, dann hat man das ja bisher schon immer nach bestimmten Methoden getan. […] Also diese Vorgehensweisen liegen einem ja eigentlich vor, sodass man da keine größere Vorbereitung braucht, […]. #01: 30: 46-5# (Interviewtransrkipt, LIII, 194) Mit den vorangegangenen Befunden geht jedoch nicht einher, dass sich die Lehrkräfte nicht über den sich bei ihnen „einschleichenden Automatismus“ im Rahmen ihrer Lehrwerkarbeit bewusst sind. Sie wägen vor dem Hintergrund der jeweiligen Lerngruppe und Angebote im Lehrwerk ab, ggf. von bisherigen Verfahrensweisen abzuweichen bzw. sich durch die Ideen in den Lehrwerkbestandteilen inspirieren zu lassen. B: #01: 02: 30-1# […] Ist es vielleicht sogar zielführender als das, was ich früher mal in einer Lerngruppe gemacht habe, um das ja einzuführen? Da wäge ich ab. Vielleicht mische ich das ein bisschen. Vielleicht nehme ich sogar nur den Ansatz in den Handreichungen, […] oder streiche ich was raus. Je nachdem für wie sinnvoll ich das mit Blick auf die Lerngruppe halte. […]. #01: 05: 31-6# (Interviewtranskript, LII, 116) Die Ergebnisse zu Erfahrungswerten und Routinen in der Lehrwerkverwendung können anhand weiterer Analyseergebnisse ausdifferenziert werden. Ermittelt werden konnten Unterschiede in der Herangehensweise an ein Lehrwerk und die Nutzung von Handlungs‐ 220 4 Empirische Untersuchungsergebnisse <?page no="221"?> optionen vonseiten der Lehrkräfte, je nachdem, ob man mit dem Lehrwerk vertraut oder weniger vetraut ist. Konkret bedeutet das, dass Lehrkräfte mit ihnen weniger vertrauten Lehrwerken kritischer umgehen als mit solchen, die sie mittlerweile aus der Gewohnheit heraus verwenden, was sie dazu veranlasst, nicht mehr über den eigenen Umgang damit nachzudenken. B: #00: 32: 32-4# […] und bei Arriba ist alles neu, da muss man sich wirklich erstmal damit auseinandersetzen und ja. #00: 33: 43-1# (Interviewtranskript, LIV, 70) B: #01: 11: 41-1# […] aber beim Apúntate nicht mehr, kann auch sein wegen der Gewohnheit, weil ich das schon kenne. Am Anfang […] habe ich mir die Gedanken gemacht und habe z. B. mir überlegt, wie ich damit umgehe, aber jetzt mache ich das einfach aus der Erfahrung von anderen Jahren. […]. #01: 12: 54-3# (Interviewtranskript, LIV, 142) Ähnliches berichtet auch Lehrkraft VI, die erst seit Kurzem mit dem Lehrwerk der beobach‐ teten Lehrwerklektion arbeitet sowie zum Zeitpunkt der Studie erst seit wenigen Monaten als Lehrkraft (nach dem Vorbereitungsdienst) tätig ist. Daher verfügt sie im Vergleich zu den anderen sechs Lehrkräften allgemein über weniger Berufs- und Materialerfahrung, greift auf einen geringeren Erfahrungsschatz zurück und setzt sich intensiver mit den Inhalten und den verschiedenen Lehrwerkbestandteilen auseinander: B: #01: 05: 04-7# […] aber jetzt bin ich ja auch relativ neu als Spanischlehrer […] und da gucke ich mir natürlich schon alle Lehrwerkbestandteile […] zu einem bestimmten Thema an, weil die ja immer wieder etwas anderes anbieten, andere Schwerpunkte setzen. Da muss man sich erstmal richtig einarbeiten. #01: 05: 33-4# (Interviewtranskript, LVI, 140) Die vorangegangenen Befunde bestätigen, dass die Lehrwerkverwendung durch die Erfahrungen und Einsichten der Lehrkräfte zu einer Art Gewohnheit und aufgrund der mehrfachen und ständigen Konfrontation mit ähnlichen lehrwerkbezogenen (Unter‐ richts-)Situationen zum Maßstab bzw. Ausgangspunkt für die aktuelle und zukünftige Lehrwerknutzung wird. Als problematisch ist dieses Ergebnis dann zu erachten, wenn die von den Lehrkräften internalisierte und habitualisierte Lehrwerkverwendungspraxis unhinterfragt auf sämtliche Lehr- und Lernkontexte übertragen wird. Im Zusammenhang mit der Einflussnahme der Berufserfahrung und Routine der Leh‐ renden auf die Lehrwerkverwendung steht als weiterer Faktor die Intuition, die häufig als ein „unbewusstes Abrufen“ (Stangl 2023b) des bereits erläuterten Erfahrungswissens verstanden wird. Im Vergleich zu den ermittelten statistischen Kennwerten der Analyse des vorherigen Items zeigt sich bei diesem Aspekt etwas mehr Heterogenität in den Ergebnissen. Quant │ Die Mehrheit der 105 befragten Lehrkräfte stimmt der Beeinflussung der eigenen Lehrwerkverwendung durch ihre Intuition eher bis teilweise zu (M=2,7; SD=1,2). 4.2 Die subjektive Sichtweise auf Lehrwerke und ihre Verwendung 221 <?page no="222"?> Funktion der Quant-Qual-Verschränkung • Verdichtung und Ausdifferenzierung der ermittelten statistischen Kennwerte • Konkretisierung und Neu-Perspektivierung durch Rückbindung an spezifische Unterrichtssituationen • Identifikation neuer Aspekte Qual │ Bekräftigt werden kann mit den qualitativen Analyseergebnissen, dass die Intuition eine Rolle bei der Unterrichtsvorbereitung und beim (spontanen/ abgewandelten) materi‐ albezogenen Handeln im Unterricht selbst spielt. Die Lehrkräfte haben angabegemäß im Zuge ihrer (langjährigen) Tätigkeit als Lehrkraft ein „Gefühl“ für die Attraktivität, Relevanz, Menge aber auch für die Komplexität von Inhalten, Aufgaben und Übungen entwickelt. Ohne die jeweiligen Aktivitäten im Unterricht durchgeführt bzw. ausprobiert zu haben, verlassen sich die Lehrenden in der Regel auf ihr Bauchgefühl (nicht losgelöst von Erfahrungswerten zu verstehen), das über die Art und Weise der Einbindung der Inhalte, Aufgaben und Übungen im Voraus entscheidet bzw. mit dem die potenzielle Reaktion der Lernenden antizipiert wird. B: #01: 14: 51-7# […] aber man hat tatsächlich, wenn man sich die Aufgaben durchliest, im Lehrbuch oder die Texte durchliest oder die neuen Vokabeln anschaut, dann hat man schon ein Bauchgefühl. Da hat man schon ein Vorgefühl, wie das bei den Schülern ankommt, wie komplex es ist, wie sie reagieren könnten. Davon macht man die Entscheidung schon im Voraus abhängig. […]. #01: 15: 47-0# (Interviewtranskript, LVII, 149) Dass Erfahrung und Intuition nicht losgelöst voneinander zu betrachten sind, wurde bereits in Kap. 2.4.1.1 dargelegt und durch die vorangegangenen Befunde bestätigt. Besonders deutlich wird dies mit den Ausführungen von Lehrkraft V: Die Intuition fußt auf berufs- und materialbezogenen Erfahrungen und entwickelten Routinen. Ersteres geht demnach aus letzterem hervor. Belegt werden kann damit also, dass es sich auch bei intuitiv erschei‐ nenden lehrwerk(verwendungs-)bezogenen Entscheidungen und Handlungsweisen nicht um solche handelt, die auf dem „Zufallsprinzip“ (Stangl 2023b) oder einem „imaginären Bauchgefühl“ (ebd.) basieren. B: #01: 23: 23-5# Ja, genau, also mein Bauchgefühl spricht im Prinzip meine Routine an, mein Wissen darüber, was sich in der Vergangenheit bewährt hat […]. #01: 23: 46-4# (Interviewtranskript, LV, 178) 4.2.2 Zur affektiven Dimension Im Zusammenhang mit den vorausgehenden Erläuterungen zur kognitiven Dimension der subjektiven Sichtweise wird im Folgenden der zweite Teilbereich, die affektive Dimension, empirisch eruiert. Gegliedert sind die nachfolgenden Ausführungen in die Bereiche der 222 4 Empirische Untersuchungsergebnisse <?page no="223"?> (Un-)Zufriedenheit mit dem Lehrwerk, Erwartungen und Wünsche vonseiten der Lehr‐ kräfte sowie in Einstellungen zu Funktionen, Vor- und Nachteilen, zur Sinnhaftigkeit der Lehrwerkbestandteile und deren Verzahnung sowie zur Abschaffung von Lehrwerken und deren Alternativen. Abschließend werden motivational-volitionale Aspekte erläutert, die auf den Umgang mit Lehrwerken einwirken (z. B. die Bereitschaft zu einem kritischen und kreativen Umgang mit dem Material). - 4.2.2.1 (Un-)Zufriedenheit mit dem Lehrwerk, Erwartungen und Wünsche Quant-Qual │ 80 % der Befragten geben an, dass sie sehr bis eher zufrieden mit dem Lehrwerk sind (M=2,0; SD=1,0). Betrachtet man die aus der qualitativen Analyse resultierenden Gründe dafür näher, zeigt sich, dass der größte Anteil der Befragten anführt, dass in dem Material didaktisch-methodische Prinzipien umgesetzt sind (z. B. Kompetenz-, Aufgaben- und Lernendenorientierung, Differenzierung), wodurch es ihnen erleichtert werde, diese in den eigenen Spanischunterricht zu implementieren (74,4 %). Die Digitalisierung bzw. Inte‐ gration digitaler Elemente in Lehrwerke weist dabei mit 7,1 % mit Abstand den geringsten Prozentsatz auf und scheint für die von den Lehrkräften empfundene Zufriedenheit mit Lehrwerken nicht maßgeblich zu sein. Des Weiteren legen 38,8 % der Befragten dar, dass sie aufgrund des didaktisch-methodisch sinnvoll vernetzten Lehrwerkmaterials für Lehrende und Lernende und dem vielfältigen Aufgaben- und Übungsangebot mit dem Lehrwerk zufrieden sind. Aus den Angaben der Teilnehmenden geht überdies hervor, dass eine sinnvolle Strukturierung für 18,4 % der Befragten einen ausschlaggebenden Grund für die Zufriedenheit mit dem Material darstellt. Weitere genannte Aspekte sind u. a. eine übersichtliche und klare Gestaltung (11,2 %) und eine angemessene Progression (8,2 %). Mit geringen Prozentsätzen werden pragmatische Faktoren (4,1 %), die (Ziel-)Transparenz (2,0 %), die integrativ ausgerichtete Arbeit mit/ an sprachlichen Mitteln (1,0 %), die Konformität mit curricularen Dokumenten (1,0 %) sowie die Möglichkeit zur Einbindung von Extra-Aktivitäten (z.-B. Lektüre) (1,0-%) angeführt. Die vorangegangenen Befunde lassen die Schlussfolgerung zu, dass die Lehrkräfte ihre Zufrie‐ denheit primär aus einer didaktisch-methodischen Perspektive heraus begründen. Pragmatische Faktoren, deren Wirkkraft und Bedeutsamkeit im Rahmen dieser Studie apostrophiert werden konnte (vgl. Kap. 4.4), spielen hier eine nachgeordnete Rolle und werden nicht unmittelbar mit der empfundenen Zufriedenheit mit dem Material in Verbindung gebracht. Die nachfolgende Tabelle bildet die am Material gebildeten Gründe für Zufriedenheit am Lehrwerk ab. Gründe für die Zufriedenheit mit dem Lehrwerk (am Material gebildete Kategorien) Umsetzung didaktisch-methodischer Prinzipien (74,4-%) • Kompetenz- (insb. Sprechen), Aufgaben- und Handlungsorientierung • Differenzierung • Lernendenautonomie (insb. Strategien) • Schüler*innenorientierung und Lebensweltbezug • Digitalisierung Didaktisch-methodisch sinnvoll vernetzte Lehrwerkbestandteile und vielfältiges Aufgaben- und Übungsangebot (38,8-%) 4.2 Die subjektive Sichtweise auf Lehrwerke und ihre Verwendung 223 <?page no="224"?> 95 Die prozentualen Angaben der genannten Gründe für eine (Teil-)Unzufriedenheit mit dem Lehrwerk beziehen sich nicht nur auf die 8,6 %, die dies explizit äußerten. Jede*r Teilnehmer*in hatte die Möglichkeit unabhängig von dem angegebenen Zufriedenheitsgrad potenzielle Gründe für eine (Teil-)Unzufriedenheit anzugeben. Gründe für die Zufriedenheit mit dem Lehrwerk (am Material gebildete Kategorien) Sinnvolle Strukturierung (18,4-%) Übersichtlichkeit und klare Gestaltung (11,2-%) Angemessene Progression (8,2-%) Zeitersparnis und Arbeitserleichterung (4,1-%) (Ziel-)Transparenz (2,0-%) Kommunikative, integrative und schülerinitiierende Arbeit mit/ an sprachlichen Mitteln (1,0-%) Konformität mit curricularen Dokumenten (1,0-%) Raum zur Einbindung von Extra-Aktivitäten (z.-B. Lektüre) (1,0-%) Tabelle 27: Gründe der Zufriedenheit mit Lehrwerken in [%] Von 8,6 % der Teilnehmenden wird Unzufriedenheit mit dem verwendeten Lehrwerk geäußert. Gründe liegen im Wesentlichen in den Bereichen Aufbau/ Struktur/ Progression (29,6 %) sowie Zusatzmaterialien des Lehrwerks (13,3 %). 95 Häufig geben die Befragten hier ergänzend an, dass es sich bei den von ihnen verwendeten Lehrwerken um Versionen handelt, die veraltete Inhalte und Ansätze beinhalten. Im zuerst genannten Bereich wird eine zu schnelle oder langsame Progression, eine Überfrachtung des Lehrwerkangebots und das Fehlen einer logischen bzw. nachvollziehbaren Struktur bemängelt. Besonders oft finden sich diese Angaben bei Lehrenden, die an Gesamtschulen unterrichten und bspw. Spanischunterricht an der Realschule erteilen. Im zweiten Bereich wird in 13,3 % der Fälle negativ betrachtet, dass das Angebot an Lehrwerkbestandteilen und Zusatzmaterialien unausgewogen und teils fehlerbehaftet sei: Während Lehrkräfte mittlerweile mit einer Vielzahl an Lehrwerkkomponenten konfron‐ tiert werden, die eine kontinuierliche kritische Durchsicht und Bewertung hinsichtlich der Eignung für den eigenen Unterricht unabdingbar machen und die gelegentlich als nicht geeignet empfunden werden, fehlen ihrer Ansicht nach des Öfteren Übungsmöglichkeiten (z. B. zu sprachlichen Mitteln) oder es tauchen inhaltliche und/ oder grammatische Fehler in den als zentral eingestuften Lehrwerkmaterialien auf. Der vorausgehende Befund kann mit den nachfolgenden Zuschreibungen der Teilnehmenden affirmiert werden: Das Zusatzangebot des Lehrwerks wird als „unübersichtlich“ (FB200) und „zu viel“ (FB278) erachtet. Die Befragten nehmen eine „Tendenz zur Unübersichtlichkeit“ (FB41) in den Lehrwerkbestandteilen wahr und erleben dies als „Verlust des Überblicks“ (FB59). Weitere Gründe für die Unzufriedenheit mit dem Lehrwerk liegen in der fehlenden Umsetzung didaktisch-methodischer Prinzipien (z. B. keine lebensweltnahen Themen) oder in einem veralteten didaktisch-methodischen Ansatz (11,2 %). Weitere Defizite sehen 6,1 % 224 4 Empirische Untersuchungsergebnisse <?page no="225"?> der Lehrkräfte im Bereich der Inhalte und Texte sowie bei der Umsetzung sprachlicher Mittel. Im zuerst angeführten Bereich wird insb. das Veralten von Themen, die Monotonie und Länge von Lektionstexten, teils diskriminierende Inhalte und die Wiederholung von Themen als kritisch betrachtet. Bei der Umsetzung von sprachlichen Mitteln werden bspw. die fehlende logische Einbettung der Grammatik in den thematischen Kontext, ein zu komplexes Niveau der Grammatikerklärungen und eine willkürliche und isolierte Wortschatzdarstellung ausgewiesen. In 2,0 % der Fälle wird darüber hinaus ein unübersicht‐ liches/ überfrachtetes Layout als Grund für die Unzufriedenheit mit Lehrwerken genannt. Gründe für die Unzufriedenheit mit dem Lehrwerk (am Material gebildete Kategorien) Aufbau/ Struktur/ Progression (29,6-%) • Progression (zu schnell/ langsam) • Überfrachtung und Unübersichtlichkeit des Angebots • Keine logische Struktur Zusatzmaterialien des Lehrwerks (13,3-%) • Wenig Zusatzmaterial und Übungsmöglichkeiten • Fehlende Zugriffsmöglichkeiten auf Zusatzmaterialien, Lösungen • Fehler in Materialien Fehlende Umsetzung didaktisch-methodischer Prinzipien (11,2-%) • Defizite in den Bereichen Lebensweltbezug, Aufgabenorientierung, Authentizität und Diffe‐ renzierung • Veraltung Inhalte/ Texte (6,1-%) • Veraltung der Inhalte • Monotonie und Länge der Lektionstexte • Diskriminierende Inhalte • Wiederholung von Themen Umsetzung sprachlicher Mittel (6,1-%) • Grammatik • Keine logische Einbettung der Grammatik • Reihenfolge der Vergangenheitszeiten • Zu hohes Niveau der Grammatikerklärungen • Willkürliche und isolierte Wortschatzdarstellung Unübersichtliches/ überfrachtetes Layout (2,0-%) Tabelle 28: Gründe der Unzufriedenheit mit Lehrwerken in [%] Funktion der Quant-Qual-Verschränkung • Ausdifferenzierung und Neu-Perspektivierung der Fragebogenergebnisse und pro‐ zentualen Verteilungen 4.2 Die subjektive Sichtweise auf Lehrwerke und ihre Verwendung 225 <?page no="226"?> Qual │ Unzufriedenheit mit dem Lehrwerk bezieht sich gemäß den Ausführungen der Lehrkräfte I-VII selten auf das gesamte Lehrwerk bzw. Lehrbuch, und auch die Notwendigkeit von Lehrwerken wird nicht infrage gestellt. Vielmehr handelt es sich dabei um Teilbereiche/ -aspekte, die problematisiert werden, jedoch keinen Grund zur Kritik (am Einsatz) von Lehrwerken oder einen Anlass darstellen, darauf zu verzichten. Bei den meisten der o. g. Gründe für Unzufriedenheit werden Lehrwerken natürlicherweise inhärente Problematiken thematisiert (z. B. lange Entwicklungsprozesse, Veralten des Materials, heterogene Lernbedarfe). Als eine Konsequenz für den Umgang mit dem Lehrwerk wird die Notwendigkeit einer adaptiven und konstruktiven Auseinandersetzung abgeleitet, die die Voraussetzung dafür darstellt, mögliche Problempunkte von Lehrwerken selbst zu kompensieren. B: #01: 06: 26-9# (…) Das wird ja eher als Problematik gesehen. Ja, das liegt natürlich daran, dass diese Lehrbücher auch immer eine Zeit brauchen, bis die erscheinen und das manchmal so ein bisschen hinter den Interessen der Schüler hinterherhinkt, aber das hat halt damit zu tun, dass die erstmal erarbeitet und dann herausgegeben werden und bis die dann auf dem Markt sind und die Schüler das dann besprechen, sind die eigentlich schon wieder an den Interessen der Schüler vorbei. Also, das ist aber ein Mangel, der allgemein, glaube ich, bei Lehrbüchern passiert. Das kann man, glaube ich, kaum ändern. #01: 07: 31-7# (Interviewtranskript, LIII, 132) B: #01: 22: 15-4# Ich bin froh, das Buch zu haben und ich arbeite gerne mit dem Buch, das kann ich einfach sagen. Es gibt mir einfach eine klare Struktur vor und an der kann ich mich entlanghangeln und wenn mir etwas nicht gefällt, kann ich es auch weglassen. […]. #01: 23: 43-8# (Interviewtranskript, LVI, 184) Quant-Qual │ Vor dem Hintergrund der (Un-)Zufriedenheit mit Lehrwerken konnten im Zuge der Fragebogendatenanalyse ebenfalls Erwartungen an ein gutes Lehrwerk generiert werden, die sich für die Ergründung des Umgangs mit dem Lehrwerk in der Praxis als zentral erweisen. Hierunter fällt insb. die Kategorie der einfachen und flexiblen Handhabung und die Notwendigkeit von Freiräumen (11,0 %), die das Lehrwerk schaffen sollte. Daraus resultiert, dass Lehrkräfte sich von den Inhalten, Aufgaben und Methoden in den Lehrwerken lösen können, ihnen die Integration eigener/ anderer Materialien leichter fällt und dies nicht mit tiefergehenden Umstrukturierungen und hohem Zeitaufwand einhergeht. Hinzu kommen Aspekte der Motivation und des Spaßes (14,3 %), die durch den Einsatz des Lehrwerks erzielt, sowie Einsprachigkeit und Sprachvarietäten, die durch das Unterrichten mit dem Lehrwerk ermöglicht werden und die Lehrkraft im Zuge eines vorrangig einsprachigen Spanischunterrichts unterstützen sollen (4,4-%). 226 4 Empirische Untersuchungsergebnisse <?page no="227"?> Funktion der Quant-Qual-Verschränkung • Vertiefung und Erweiterung der Fragebogenergebnisse und prozentualen Vertei‐ lungen • Illustration der Heterogenität und Bandbreite der Erwartungen und Wünsche an Lehrwerke Qual │ Die von den Teilnehmenden verbalisierten Erwartungen und Wünsche an Lehr‐ werke reichen von globalen, sich auf die Gesamtanlage des Lehrwerks beziehenden bis zu spezifischeren lehrwerkbestandteilund/ oder aufgaben-/ übungsbezogenen Aspekten. Extrahiert werden konnten im Zuge der Datenanalyse die folgenden Anforderungen an Lehrwerke, die u.-a. von den Lehrkräften II, V und VI formuliert worden sind. Gefordert werden eine balanciertere Gesamtanlage hinsichtlich Text- und Grammatik‐ zentrierung, ein Mehrangebot an differenzierenden Aufgabentypen und Übungen, eine Erleichterung des Zurechtfindens im Material (u. a. Übersichtlichkeit, Klarheit der Aufga‐ benstellungen) sowie zur Vermeidung der Überforderung der Lehrenden und Lernenden ein nicht zu breit gefächertes Lehrwerkangebot (z. B. hinsichtlich Wortschatzarbeit und der Abwechslung in einem bekannten Spektrum des Vokabulars). Darüber hinaus wird eine Weiterentwicklung im Bereich der Digitalisierung von Lehrwerken erwartet, mit der eine sprachliche Umwälzung in anderen Kommunikationskontexten sowie eine komfortable, zeiteffiziente und spontane Konsultation von Lehrwerkbestandteilen (v. a. Lehrer*innen‐ materialien, Audio-/ Videodateien) über mobile Endgeräte (insb. Smartphones) per App ermöglicht wird. - 4.2.2.2 Einstellungen der Lehrkräfte In den nachfolgenden Teilkapiteln werden die Einstellungen der Lehrkräfte zu Funktionen und Vor- und Nachteilen von Lehrwerken für Lehrende und Lernende ermittelt. Ferner werden Untersuchungsergebnisse präsentiert, die die Positionierung der Lehrkräfte zur Sinnhaftigkeit verschiedener Lehrkwerkbestandteile und ihrer didaktisch-methodischen Verzahnung sowie zur Abschaffung von Lehrwerken und ihren Alternativen widerspiegeln. 4.2.2.2.1 Funktionen und Vorteile von Lehrwerken für Lehrende und Lernende In Ergänzung zur Erforschung der Erwartungen von Lehrkräften an ein gutes Lehrwerk wurde erhoben, inwiefern die Lehrkräfte auch der Meinung sind, dass die Lehrwerke den an sie herangetragenen Erwartungen gerecht werden bzw. welche konkreten Vorteile sie bei Lehrwerken für Lehrende und Lernende sehen und welche Funktionen sie ihnen zuschreiben. Quant │ Die statistischen Ergebnisse zeigen, dass die befragten Lehrkräfte den poten‐ ziellen Funktionen der Zeitersparnis, Strukturierungshilfe, Unterstützung bei der Stoff‐ auswahl und -menge sowie des Abdeckens der Lehrplaninhalte voll und ganz bis eher zustimmen. Hingegen scheint das Lehrwerk die Lehrkräfte teilweise bis eher nicht in den Bereichen der vielfältigen Unterrichtsgestaltung sowie des Agierens in der spanischen Sprache zu unterstützen. 4.2 Die subjektive Sichtweise auf Lehrwerke und ihre Verwendung 227 <?page no="228"?> N M SD Zeitersparnis bei der Unterrichtsvor- und -nachbereitung 105 1,3 0,7 Strukturierungshilfe 105 1,5 0,8 Unterstützung bei der Stoffauswahl und -menge 105 1,7 0,7 Sicherheit der Abdeckung der Lehrplaninhalte 104 2,0 1,0 Hilfe zur vielfältigen Unterrichtsgestaltung 105 2,6 1,0 Sicherheit in der spanischen Sprache zu agieren 100 3,1 1,2 Tabelle 29: Grad der Zustimmung zu Funktionsbereichen des Lehrwerks Quant │ In Ausdifferenzierung zur Positionierung zu Funktionen des Lehrwerks und deren Erfüllung, erachten die befragten Lehrpersonen die folgenden fünf Vorteile von Lehrwerken für Lehrende als am zentralsten. Neben Übereinstimmungen im Bereich der Sicherheit, Struktur und Erleichterung nehmen die Befragten ebenfalls Vorteile wahr, die darüber hinausgehen, wie bspw. die Funktion des Lehrwerks als Ideenpool sowie als Hilfsmittel zur Erzielung von Vergleichbarkeit. Vorteile des Lehrwerks für Lehrende (Mehrfachnennungen möglich) Planungssicherheit und -erleichterung (86,7-%) Didaktisierte Struktur (71,4-%) Ideensammlung und -inspiration (56,2-%) Erfüllung der Lehrplanziele (44,8-%) Vergleichbarkeit der Inhalte und Abschlüsse (35,2-%) Tabelle 30: Vorteile des Lehrwerks für Lehrende in [%] Der Konzeptualisierung des Items der Vorteile von Lehrwerken liegt eine Doppelperspek‐ tivierung zugrunde, mit der ebenfalls explizit auch die Vorteile des Lehrwerks für Lernende aus der Sicht der Lehrenden erhoben wurden. Mit den höchsten Prozentsätzen wählen die Befragten hier die Orientierung und Struktur durch das Lehrwerk, seine Funktion als Nachschlagewerk und das Ermöglichen von Lernsicherheit aus. Etwas weniger als die Hälfte der Befragten sieht darüber hinaus einen Vorteil von Lehrwerken für Lernende darin, dass diese sie zur selbstständigen Auseinandersetzung mit Inhalten anleiten können und der Wiederholung von Inhalten dienen. Vorteile des Lehrwerks für Lernende (Mehrfachnennungen möglich) Orientierung und Struktur (85,7-%) Nachschlagewerk (61,0-%) 228 4 Empirische Untersuchungsergebnisse <?page no="229"?> Vorteile des Lehrwerks für Lernende (Mehrfachnennungen möglich) Lernsicherheit (53,3-%) Anleitung zur selbstständigen Auseinandersetzung mit Inhalten (41-%) Wiederholungsmöglichkeit (40-%) Tabelle 31: Vorteile des Lehrwerks für Lernende in [%] Funktion der Quant-Qual-Verschränkung • Bestätigung der Fragebogenergebnisse • Spezifizierung durch Unterfütterung mit konkreten Beispielen aus der Unterrichts‐ praxis • Neu-Perspektivierung der Fragebogenergebnisse • Identifikation neuer Aspekte (über den Fragebogen hinausgehend) Qual │ Alle Lehrkräfte (I-VII) schreiben dem Lehrwerk mehr Vorals Nachteile zu und sehen die wesentlichen Funktionen (u. a. Orientierung, Strukturierung, Arbeitserleichterung) für Lehrende und Lernende als erfüllt an. Sie charakterisieren sich durchweg als Befür‐ worter*innen von Lehrwerken und möchten ohne diese nicht (dauerhaft) in der Sekundar‐ stufe I unterrichten. Die Auswertung der Interviewdaten verdeutlichte unterschiedliche Perspektivierungen und Schwerpunktsetzungen, die jedoch im Wesentlichen darin über‐ einstimmen, dass sich Lehrwerke im Fremdsprachenunterricht der Sekundarstufe I über Jahrzehnte (im Fach Spanisch) bewährt haben und als wichtige Orientierung für Lehrkräfte und ihre Planung sowie Durchführung des Unterrichts dienen. Herauskristallisiert hat sich die Wahrnehmungstendenz, dass Lehrkräfte ihren Spanischunterricht ohne Lehrwerk als weniger strukturiert empfinden und keine gleichwertige Alternative zu Lehrwerken sehen. B: #02: 01: 47-6# […] Durch das Lehrwerk strukturierter als sonst. Ich glaube, ich wäre ohne Lehrwerk unstrukturierter. […]. #02: 02: 55-8# (Interviewtranskript, LVI, 304) B: #01: 00: 17-2# […] weil es gerade für den Anfangsunterricht und für die ersten Jahre nichts Besseres gibt als so eine Strukturvorgabe, […]. #01: 00: 36-0# (Interviewtranskript, LVII, 101) Das Lehrwerk wird demnach als das essenzielle Medium zur Planung und Durchführung von Spanischunterricht erachtet, durch das Struktur und Sicherheit in sämtlichen un‐ terrichtsbezogenen Situationen ermöglicht bzw. geboten wird. Affirmiert werden kann der Befund durch die metaphorische Umschreibung des Lehrwerks von Lehrkraft II als das „Herzstück“ ihres Unterrichts. Hiermit werden dem Lehrwerk derart wesentliche Funktionen zugeschrieben, die vergleichbar mit denen sind, die das Herz im menschlichen Körper zur Aufrechterhaltung der Blut-, Sauerstoff- und Nährstoffversorgung übernimmt. 4.2 Die subjektive Sichtweise auf Lehrwerke und ihre Verwendung 229 <?page no="230"?> Zur Unterfütterung und teils auch Neu-Perspektivierung der vorangegangenen Ausfüh‐ rungen wurden die nachfolgenden Kategorien im Zuge der Interviewdatenauswertung gebildet, mit denen weitere Vorteile und Funktionen von Lehrwerken ermittelt werden konnten: Kategorien (am Material gebildet) • Sicherheit für Lehrende (z.-B. bei wenig Berufserfahrung und sprachlicher Sicherheit sowie fehlender Unterrichtsvorbereitung) • Unterstützung bei der Umsetzung didaktisch-methodischer Prinzipien durch das Lehrwerk (z.-B. Differenzierung durch ayuda-Angebote) • Unterstützung durch das Lehrwerk bei der Reflexion eigener Ideen und Vorgehensweisen (insb. Handreichungen für Lehrkräfte) • Erweiterte Möglichkeiten der Flexibilität im Umgang mit dem Lehrwerk und des Abweichens davon (z.-B. durch Modularisierung) • Erhalt von (neuen) Impulsen und Anlässen zum Weiterdenken der inhaltlichen sowie metho‐ dischen Ideen (u.-a. Ideen-Potpourrie) • Unterstützung bei bzw. Vereinfachung der Erstellung von Leistungsüberprüfungen durch die Vorschläge zur Leistungsmessung • Verzahnung und komfortablere Nutzung (digitaler) Lehrwerkbestandteile durch Verlagsplatt‐ formen und/ oder USB-Sticks/ CDs • Erweiterung des Lehrwerkangebots/ der -inhalte zum mehrkanaligen Spracherwerb und ver‐ stärkte Einbindung der Strategienvermittlung • Professionalität und Qualität der Materialien Tabelle 32: Vorteile und Funktionen von Lehrwerken Quant-Qual │ Neben den Funktionen und Vorteilen von Lehrwerken für Lehrende und Lernende konnten Aspekte identifiziert werden, die eine weitere Ebene adressieren, näm‐ lich die des Kollegiums und der Schule. Dem Lehrwerk werden dabei folgende Funktionen zugeschrieben. • Grundlage für die fach- und materialbezogene Kooperation und Kommunikation im Kollegium; • Erleichterung der Übernahme von Klassen/ Kursen anderer Lehrkräfte; • Gemeinsame Unterrichtsplanung; • Gemeinsame Erstellung von Leistungsüberprüfungen. Resümiert man die Ergebnisse des quantitativen und qualitativen Datenstrangs ergibt sich als eine Hauptaussage, dass durch die zentralen Funktionen des Lehrwerks Fremdspra‐ chenlehren und -lernen überhaupt erst ermöglicht und kontinuierlich gewährleistet wird. Bekräftigt werden kann dies nach Ansicht der Lehrkräfte durch den Mangel an realistisch umsetzbaren Alternativen zu Lehrwerken in der Anfangsphase, weshalb der Einsatz von Lehrwerken in der Sekundarstufe I nicht grundlegend infrage gestellt wird. 230 4 Empirische Untersuchungsergebnisse <?page no="231"?> 4.2.2.2.2 Nachteile von Lehrwerken für Lehrende und Lernende Quant │ Die befragten Lehrkräfte geben ebenfalls Nachteile von bzw. Problematiken bei Lehrwerken für Lehrende und Lernende an, die in der nachfolgend präsentierten Reihenfolge als am zentralsten erachtet werden. Nachteile des Lehrwerks für Lehrende (Mehrfachnennungen möglich) • Fehlende Berücksichtigung aktueller Themen (68,6-%) • Schnelles Veralten des Lehrwerks (61-%) • Fehlende Differenzierungsmöglichkeit nach Interessen und Leistungsniveaus (38,1-%) • Inhaltliche Einengung (33,3-%) • Fehlende Flexibilität im Umgang (30,5-%) Tabelle 33: Nachteile des Lehrwerks für Lehrende in [%] Nachteile des Lehrwerks für Lernende (Mehrfachnennungen möglich) • Fehlende reale Kommunikationssituationen (57,1-%) • Fehlende thematische und didaktisch-methodische Abwechslung (43,8-%) • Fehlender Lebensweltbezug (41,9-%) • Fehlende Individualisierungsmöglichkeiten (31,4-%) • Fehlende Flexibilität im Umgang (26,7-%) Tabelle 34: Nachteile des Lehrwerks für Lernende in [%] Kontextualisierend soll zu diesem in einem Ranking-Format konstruierten Item angemerkt werden, dass nicht mehr als drei Nachteile von Lehrwerken für Lernende ausgewählt wurden und sich in diesem Fall auch nicht der Option „Sonstiges“ bedient wurde. 24,8-% wählten einen Nachteil, 32,4 % zwei und 37,1 % drei Nachteile von Lehrwerken für Lernende. 5,7 % sehen gar keine Nachteile von Lehrwerken für Lernende. Etwas heterogener sieht dies bei den Nachteilen von Lehrwerken für Lehrkräfte aus. In den meisten Fällen wurden von den Befragten drei (25,7 %) oder fünf (26,7 %) Nachteile für Lehrkräfte gewählt. Jeweils 14,3 % wählten einen oder zwei sowie 17,1-% vier Nachteile von Lehrwerken für Lehrende aus. Nachfolgend werden die genannten Nachteile grafisch dargestellt. Hier wird deutlich, dass für Lehrkräfte tendenziell mehr Nachteile von Lehrwerken als für Lernende genannt werden. Die vorangegangenen Ausführungen können in gebündelter Form dem nachfol‐ genden Diagramm entnommen werden. 4.2 Die subjektive Sichtweise auf Lehrwerke und ihre Verwendung 231 <?page no="232"?> Abbildung 16: Genannte Nachteile von Lehrwerken für Lernende und Lehrkräfte Funktion der Quant-Qual-Verschränkung • Ausdifferenzierung durch konkrete Rückbindung an die Unterrichtspraxis • Relativierung und Neu-Perspektivierung der Fragebogenergebnisse Qual │ Im Rahmen der Interviewdatenanalyse konnte teils kontrastierend zu den Frage‐ bogenergebnissen ermittelt werden, dass einige dem Lehrwerk zugeschriebene Nachteile nach Ansicht der Lehrkräfte nicht in den eigentlich dem Lehrwerk zugedachten Funkti‐ onsbereich fallen. Dies kann mit dem Standpunkt von Lehrkraft VII untermauert werden: Funktionen wie Differenzierung, Individualisierung und Lebensweltorientierung können sachgemäß betrachtet nicht vom Lehrwerk erwartet werden. Vielmehr ist es Aufgabe der Lehrkraft, derartige Unterrichtsprinzipien bei Bedarf mit geeigneten Maßnahmen im Un‐ terricht umzusetzen. Diesen Befund bekräftigend und teils auch neu perspektivierend kann mit den Erläuterungen von Lehrkraft III konstatiert werden, dass sich generell betrachtet gewisse Nachteile von Lehrwerken, wie z. B. das Veralten, längere Entwicklungsprozesse und die fehlende Behandlung aktueller Themen nicht vermeiden lassen und akzeptiert werden müssen. Deutlich wurde eine übereinstimmende Wahrnehmungstendenz, dass über die realistisch vom Lehrwerk zu erfüllenden Funktionen vor dem Hintergrund material‐ immanenter Grenzen, institutioneller Rahmenbedingungen sowie schulsystembedingten Beschränkungen grundlegend nachgedacht werden muss. Weiter illustriert werden kann der vorangegangene Befund mit der ermittelten unent‐ schiedenen bzw. zwiegespaltenen Positionierung der Lehrkräfte zu Spannungsfeldern des Lehrwerks, zu denen Lösungsmöglichkeiten fehlen. Geschlussfolgert wird daraus, dass sich Lehrkräfte durchaus Herausforderungen und Zwängen der Lehrwerkentwicklung bewusst sind, dass sie ebenso über das Für und Wider ihrer eigenen Position zu Lehrwerken (und ihrer Entwicklung) reflektieren sowie über die eigene Rolle als Lehrwerkverwendende nachdenken (u. a. Durchdenken und Kompensation der Problempunkte). Davon ausgehend werden Handlungskonsequenzen für den Spanischunterricht abgeleitet (z. B. Anpassung 232 4 Empirische Untersuchungsergebnisse <?page no="233"?> an Interessen der Lernenden, Ersetzen von Lehrwerkinhalten durch aktuelles Material). Die nachfolgend gelisteten und kontrovers diskutierten Aspekte wurden im Zuge der am Interviewdatenmaterial gebildeten Kategorien identifiziert und als Spannungsfelder herausgearbeitet: • Fehlende Berücksichtigung aktueller Themen vs. länger andauernde Lehrwerkent‐ wicklungsprozesse, Schnelllebigkeit und Dynamik (z.-B. Weltgeschehen, Interessen); • Fehlende reale Kommunikationssituationen vs. inhaltliche Vorgaben, Progression und angepasste sprachliche Mittel; • Fehlende Identifikationsmöglichkeit der Lernenden mit den Inhalten des Materials vs. inhaltliche Vorgaben, Heterogenität, Schnelllebigkeit und Dynamik; • Steigerung der Authentizität in den Audio- und Videoaufnahmen vs. Unverständlich‐ keit für Lernende (z.-B. Einsatz von Varietäten). Konkretisierend und neu perspektivierend zu den Ergebnissen der Fragebogenstudie kann anhand der Interviewanalyseergebnisse darüber hinaus konkludiert werden, dass Lehrkräfte häufig Nachteile benennen, die sie spezifisch an einem (aktuell) verwendeten Lehrwerkbestandteil oder an einem Lektionsteil ausmachen und nicht allgemein auf Lehrwerke (als System) beziehen. Darüber hinaus zeigte die Analyse der Interviewdaten auch noch neue potenzielle Problematiken von Lehrwerken auf, die in dieser Form im Fragebogen nicht hätten erhoben werden können, da sie an konkrete Unterrichtssituationen/ -bedingungen rückgebunden sind, die naturgemäß eher Gegenstand der videogra‐ phischen Beobachtung sind bzw. sich hiermit tiefgreifender erfassen lassen. Dabei werden Aspekte als zentral erachtet, die die Lehrkräfte in irgendeiner Form am Fortgang des Unterrichts und der Fortführung des Lehr-/ Lernprozesses hindern, da sie bspw. Texte kürzen sowie zusätzliches Material erstellen müssen oder nicht bzw. nur unkomfortabel auf gewisse Lehrwerkbestandteile zugreifen können. Globale Nachteile, wie z. B. ein fehlender Lebensweltbezug, werden als weniger gravierend erachtet, da man diesen auch spontan und unabhängig vom Lehrwerk begegnen könne. Hingegen stellt die Lehrkräfte bspw. ein zu großer Lektionsumfang oder ein zu hohes Anspruchsniveau vor grundlegendere Probleme. Die der nachfolgenden Tabelle zu entnehmenden Nachteile konnten im Zuge der Interviewdatenanalyse ermittelt werden. In einem weiteren Schritt wurden von den von den Lehrkräften ergriffenen materialbezogenen Maßnahmen Handlungskonsequenzen abgeleitet, die auf einer Rückbindung an die konkrete Unterrichtspraxis basieren (s. Spalte datenbasierte Beispiele). 4.2 Die subjektive Sichtweise auf Lehrwerke und ihre Verwendung 233 <?page no="234"?> Kategorien (am Material gebildet) Abgeleitete Hand‐ lungskonsequenzen Datenbasierte Beispiele Menge und Komplexität der Lektions‐ texte und Grammatik‐ themen grundlegende und in‐ tensive thematische und sprachliche Aufbe‐ reitung (am Beispiel der gleichzeitigen Ein‐ führung zweier Gram‐ matikthemen in einem Lektionsteil und der inhaltlichen und wort‐ schatzbezogenen Über‐ frachtung der Lektions‐ texte) B: #00: 32: 41-6# Also ich habe wirklich lange Zeit damit verbracht, diese Themen und den Text einzuführen bzw. in den Unterricht einzubetten, weil alles so voll an Informationen, an neuem Wortschatz und einfach sehr komplex ist […]. #00: 35: 39-0# (Interviewtranskript, LIII, 74) Erarbeitung weiterer (Übungs-)Formate zur Versprachlichung/ zum Zugänglichmachen für die Lernenden z. B. Erstellung von Vokabelnetzen, Konjugationsübungen grundlegendes Nach‐ denken und Verände‐ rung der eigenen Lehr‐ werkverwendungsweise (Aufbruch von bishe‐ rigen Lehrwerkverwen‐ dungsweisen) B: #00: 34: 31-2# […] Ich schaue immer, […] was lasse ich raus, weil ich letztes Jahr festgestellt habe, mit Arriba 1, dass ich dann alles machen will, weil ich finde auch viele Aufgaben super, aber man kann sich so leicht verlaufen, […] Ich bin nämlich eher der Typ, der denkt, das mache ich jetzt und das mache ich auch noch und nicht das lasse ich weg und das lasse ich weg. Das habe ich nun aufgrund meiner Erfahrung im letzten Jahr geändert. #00: 35: 49-2# (Interviewtranskript, LI, 104) Zu komplexes Anforde‐ rungsniveau und fehlende Orientierung an der (sprach-)kom‐ petenzbezo‐ genen Realität der Lernenden Auslassen von Aufgaben und Übungen aufgrund des Ausmaßes, das mit einer Überarbei‐ tung/ Vereinfachung des Materials einhergehen würde B: #00: 19: 10-7# Da hätte man wirklich das da oben alles noch mal ganz kleinschrittig erklären müssen, was die jeweils heißen diese Wörter, wie man die grammatisch verwendet, zum Beispiel antes de + infinitivo, […]. Also, es ist völlig an der Realität der Schüler vorbei, was da gefordert wird. #00: 19: 37-6# (Interviewtranskript, LIII, 28). Verzicht auf Audio- und Videoaufnahmen des Lehrbuchs B: #00: 54: 16-7# […] die haben so schnell gesprochen und auch dieses Sevillano da dabei, dass es kaum verständlich war für die Schüler. Deswegen das war mein letztes Mal, dass ich diese einsetze, das ist einfach nicht schülergerecht. […]. #00: 55: 09-0# (Interviewtranskript, LII, 98) Überfrachtung und Anlage Auslassen von Aufgaben und Übungen aufgrund B: #00: 30: 51-3# […] Das sind tolle Ideen, aber das sind so Projekt- 234 4 Empirische Untersuchungsergebnisse <?page no="235"?> Kategorien (am Material gebildet) Abgeleitete Hand‐ lungskonsequenzen Datenbasierte Beispiele von Aufgaben vor dem Hin‐ tergrund un‐ terrichtlicher Rahmenbedin‐ gungen und zeitlicher Fak‐ toren der fehlenden Vereinbar‐ keit mit situativen Um‐ ständen ideen, da kann man ein Vierteljahr dran arbeiten. Also ich kann mir schlecht vorstellen, dass man das im Verlauf des normalen Unterrichts innerhalb von einer Woche hinkriegt so etwas. (..) Also sowas muss ja dann auch bearbeitet, vorgestellt und irgendwie bewertet werden. […] und für mich ist das eher so eine Sache, die man vielleicht so als Extra-Aufgabe an Stelle einer Klassenarbeit über zwei bis drei Wochen mal reinbringen kann. #00: 31: 41-5# (Interviewtranskript, LIII, 70) Wenig Vertie‐ fungsmöglich‐ keiten und geringes Übungsan‐ gebot Konsultation anderer Lehrwerkbestandteile, Lehrwerke und/ oder lehrwerkunabhängiges Material zur Anreiche‐ rung und Implementie‐ rung eigener/ anderer Vorgehensweisen z. B. bei der Grammatikarbeit Fehlende Sinnhaftigkeit und Vernet‐ zung ausge‐ wählter Lekti‐ onsteile (z.-B. Aní‐ mate-Seiten) Auslassen von solchen Angeboten zum spiele‐ rischen Umgang mit Sprache aufgrund feh‐ lender thematischer An‐ knüpfung an das Lektionsthema B: #00: 14: 41-9# […] Für mich steht sie halt in keinem guten Zusammenhang zum Lektionsinhalt, hat weder was mit Zukunft zu tun noch was mit irgendwie Casting-Show. […]. #00: 15: 22-9# (Interviewtranskript, LV, 40) Einge‐ schränkter, ortsabhän‐ giger und wenig komfor‐ tabler Zugang zu Lehrwerk‐ bestandteilen Keine Konsultation der (digital vorliegenden) Handreichungen für Lehrkräfte während der Unterrichtsvorberei‐ tung in der Schule aufgrund der Hürde der Beschaffung des Materials (Verfügbarkeit der E-Book-Version des Lehrbuchs auf dem Standrechner zu Hause, Wunsch nach printba‐ sierten Handreichungen für Lehrkräfte), Verzicht auf Mitbringen weiterer Geräte in die Schule (z. B. Laptop, CD-Player) B: #00: 51: 51-1# […] ich habe das E-Book auf meinem Rechner, der steht zuhause und dann will ich das aber irgendwie in der Schule planen […]. #00: 52: 19-6# (Interviewtranskript, V, 106) B: #00: 36: 49-7# Und dann gefällt mir nicht bei Arriba, dass man sich das ständig ausdrucken müsste […] manchmal drucke ich auch die Lösungen aus, aber manchmal auch gar nicht mehr, weil ich finde das alles immer so nervig […]. #00: 37: 45-3# (Interviewtranskript, LI, 110) Geringe Qua‐ lität und At‐ traktivität der über Medien‐ codes erreich‐ Kritische Hinterfragung der Sinnhaftigkeit und Funktion der Inhalte sol‐ cher Mediencodes und daraus resultierend ein B: #01: 43: 43-4# […] Die Mediencodes sind teilweise gut und zu verwenden, […] aber die sind hier nicht alle wirklich qualitativ so in Ordnung, dass man die verwenden könnte. Also 4.2 Die subjektive Sichtweise auf Lehrwerke und ihre Verwendung 235 <?page no="236"?> Kategorien (am Material gebildet) Abgeleitete Hand‐ lungskonsequenzen Datenbasierte Beispiele baren Materia‐ lien (kaum Sprachumsatz, wenig Lernertrag) höheres Maß an Selek‐ tionsnotwendigkeit digi‐ taler Elemente zum Beispiel bei diesem langen Text über Mexiko. […] dann kommt das Video über die Geburtstagsfeier, bei dem zehn Kinder auf diese Piñata da einhauen. […] Das muss ich nicht zeigen, das bereichert meinen Unterricht in keiner Weise, und das nimmt Zeit in Anspruch und ist einfach überflüssig. […] #01: 45: 14-0# (Interviewtranskript, LIII, 220) Tabelle 35: Nachteile von Lehrwerken unter Darbietung abgeleiteter Handlungskonsequenzen und datenbasierter Beispiele Aus den Analyseergebnissen des Interviewdatenmaterials (insb. Lehrkräfte III und VII) wird geschlussfolgert, dass angabegemäß kaum ein Nachteil von Lehrwerken existiert, der nicht durch die Interaktion mit der jeweiligen Lehrkraft behoben werden kann. Die Anlage und Intention eines Lehrwerks implizieren bzw. machen einen kritischen und kreativen Umgang unter Nutzung von Handlungsoptionen vor dem Hintergrund der o. g. Bezugspunkte (z. B. Lerngruppe, Thema, Erfahrungswerte) notwendig. Dies kann u. a. mit den Ausführungen von Lehrkraft VII am Beispiel der Individualisierung veranschaulicht werden: In einem lehrwerkbasierten Fremdsprachenunterricht kann Individualisierung nicht in dem Ausmaß von einem Lehrwerk erwartet werden. Dies widerspricht der Charakteristik von einheitlich vorgefertigtem Material, das an heterogene Lernbedarfe herangetragen werden soll. Die Lehrkraft selbst sollte einen stärkeren Bezug zur Lebens‐ welt, den Erlebnissen der Lernenden und/ oder dem Leistungsniveau herstellen, indem sie bspw. die Perspektivierung einer Aufgabe (z. B. anderer/ neuer Kommunikationskontext) oder den Komplexitätsgrad verändert. Ein weiteres Beispiel von Lehrkraft III zur Authentizität in Lehrwerken und zum „Spaß‐ faktor“ des Materials untermauert die vorangegangenen Ausführungen: Ein Lehrwerk kann nicht „wirklich authentisch“ sein und auch keinen „Spaß an der Sprache und dem Land“ vermitteln, weshalb die Lehrkraft selbst dafür u. a. durch eine Einbindung anderer Materialien und authentischerer Medien dafür verantwortlich ist. Exemplarisch werden hier mit lehrwerkunabhängigeren Materialien gestaltete kulturorientierte Exkurse (z. B. zu Mexiko) angeführt, um den Authentizitäts- und Interessantheitsgrad für die Lernenden zu erhöhen. Eine Kombination aus Lehrwerkarbeit und unabhängigen Zusatzmaterialien wird als zielführend erachtet (z. B. Abwandlung der Aufgabenstellungen im Lehrbuch, Konsultation anderer medialer Quellen (Video zu mexikanischer Musik)). Quant-Qual │ Trotz der angeführten Nachteile des Lehrwerks bzw. potenziell mit dem Lehrwerk einhergehenden Problematiken fühlen sich die meisten Lehrkräfte durch das Lehrwerk und seine Begleitmaterialien nicht eingeengt oder unter (Abarbeitungs-)Druck gesetzt (M=3,9; SD=1,0). 34,7 % der Befragten äußern sich so, dass sie sich (teilweise) eingeengt fühlen, während 65,3 % dem eher nicht oder gar nicht zustimmen. Die Gründe für 236 4 Empirische Untersuchungsergebnisse <?page no="237"?> eine erlebte Einengung durch Lehrwerke können der nachfolgenden Tabelle entnommen werden. Die Ankerzitate verdeutlichen einerseits das Spannungsverhältnis zwischen der im Forschungsdiskurs gewünschten und teils auch von den Lehrkräften geäußerten Wahrnehmung des Lehrwerks als Angebot, das es nicht streng „abzuarbeiten“ gilt, und andererseits institutionelle und soziale Zwänge (z. B. Schul- und Prüfungssystem, ggü. dem Kollegium, den Erziehungsberechtigten). Zu berücksichtigen ist nachfolgend, dass sich die Gründe für die wahrgenommene Einengung durch das Lehrwerk auf die 30 Teilnehmenden beziehen, welche im Rahmen der Fragebogenerhebung einen Grund angegeben haben. Kategorien (am Material gebildet) Ankerbeispiele 1. Abarbeitungsdruck, Verpflich‐ tung und fehlender Raum für Krea‐ tivität und Flexibilität (70,0-%) • „Das Lehrwerk kann dazu verführen, alle Inhalte des Lehrwerks im Unterricht behandeln zu wollen, auch wenn dies angesichts der in Lerngruppen gege‐ benen Bedingungen nicht ratsam ist.“ (FB09) • „Ich stehe unter Druck die Unidades abzuarbeiten und habe dadurch kaum Möglichkeiten lehrwerkunab‐ hängige Materialien zu benutzen.“ (FB100) • „Ich soll/ möchte parallel mit meinem Kollegen arbeiten, der den Parallelkurs hat, daher ist es eher schwierig, mich vom Buch zu entfernen und eigene kreative Aufgaben einzubauen.“ (FB256) • „Die Verzahnung der Grammatik mit be‐ stimmten Themen erschwert das individuelle Weg‐ lassen/ Umsortieren von Unterrichtsinhalten.“ (FB54) 2. Fehlende Möglichkeit der freien Themenwahl (53,3-%) • „freie Themenwahl nur schwer möglich“ (FB07) • „wenig thematische Flexibilität […]“ (FB156) • „[…], es bleibt kein Freiraum für andere Inhalte abseits des Lehrwerks.“ (FB50) Tabelle 36: Gründe für die Einengung durch Lehrwerke in [%] und Ankerzitate Funktion der Quant-Qual-Verschränkung • Neu-Perspektivierung der Fragebogenergebnisse Qual │ Eine vollumfängliche Perspektive kann abschließend auf den Komplex der Nachteile und die erlebte Einengung durch Lehrwerke im Wege der Ermittlung des Einflussfaktors der Berufserfahrung eingenommen werden. Die Berufserfahrung ermöglicht angabegemäß die kritische, kreative und flexible Arbeit mit jedem Lehrwerk, die Identifikation von Änderungs- und Optimierungsbedarfen sowie eine angepasste und ggf. auch spontane lehr- und lernkontextbezogene Umsetzung im Unterricht. Mit diesem Befund können wesentliche Diskussionspunkte im Forschungsdiskurs zu Nachteilen von Lehrwerken unter einem anderen Blickwinkel betrachtet werden und werden von den Lehrkräften selbst relativiert. Konkludiert wird, dass erst die Betrachtung der Interaktion der Lehrkraft mit dem Material (und keine vom Verwendungskontext unabhängige Analyse des Lehrwerks) Aufschluss darüber gibt, wie die Impulse des Materials wahrgenommen werden, wie mit ihnen umgegangen wird und wie diese im Klassenzimmer ihre Wirkung entfalten. 4.2 Die subjektive Sichtweise auf Lehrwerke und ihre Verwendung 237 <?page no="238"?> B: #01: 22: 37-8# […] Ich denke, ich habe in die Handreichungen von Apúntate auch mehr reingeschaut, weil ich Anfängerin, ja, war. Jetzt könnte ich mit jedem Lehrwerk einfach beginnen und mir überlegen, ja, wie kann ich da einen Einstieg machen und dann weitermachen. #01: 23: 03-2# (Interviewtranskript, LI, 234) B: #01: 02: 30-1# […] da geht man einfach von den Erfahrungswerten aus der Vergangenheit. Je länger man halt im Lehrbetrieb schon ist, geht man ganz anders und flexibel mit möglichen Problemen um, als wenn man völlig neu mit dem Buch konfrontiert ist und überhaupt erst einsteigt in den Unterricht. […]. #01: 05: 31-6# (Interviewtranskript, LII, 116) 4.2.2.2.3 Sinnhaftigkeit der Lehrwerkbestandteile und ihrer Verzahnung Nachdem der Fokus der vorherigen Ausführungen auf den Funktionen sowie Vor- und Nachteilen des Lehrwerks im Gesamten lag, also globaler perspektiviert war, werden nun spezifisch die einzelnen Lehrwerkbestandteile hinsichtlich ihrer Sinnhaftigkeit und Verzahnung aus der Sicht der Lehrkräfte in den Vordergrund gerückt. Quant │ Nachfolgende Tabelle zeigt die ermittelten Ergebnisse in Form von statistischen Kennwerten. Die Lehrwerkbestandteile sind in ein Ranking überführt worden, beginnend mit dem am sinnvollsten eingeschätzten Lehrwerkbestandteil. Die Orientierung für das Ranking liegt in den jeweiligen Mittelwerten begründet. Weiterhin kann anhand der Standardabweichung erkannt werden, wie groß die Streuung um den Mittelwert ist. Gefolgert wird aus den statistischen Ergebnissen, dass die meisten der gelisteten Lehrwerk‐ bestandteile von der Mehrheit der Befragten als sehr oder eher sinnvoll eingeschätzt werden. Das Lehrbuch und das Arbeitsheft, beide in der Lernendenfassung, werden von den befragten Lehrkräften als am sinnvollsten erachtet. Beim Lehrbuch (Lernendenfassung) wurden die Optionen gar nicht sinnvoll sowie beim Arbeitsheft (Lernendenfassung) eher nicht sinnvoll sowie gar nicht sinnvoll von keiner der befragten Lehrkräfte gewählt. Die Mehrzahl der Lehrkräfte schätzt die Audio-CD, die Vorschläge zur Leistungsmessung sowie das Arbeitsheft (Lehrendenfassung) als sehr sinnvoll ein. Die Lehrwerkbestandteile ab einem Mittelwert von 1,7 bis 2,0, darunter auch die Lehrer*in‐ nenhandreichungen und die E-Book-Version des Lehrbuchs, werden im Schnitt als eher sinnvoll erachtet. Die danach in der Tabelle gelisteten Lehrwerkbestandteile weisen eine größere Standardabweichung auf, was bedeutet, dass hier die Meinungen über die Sinnhaftigkeit etwas weiter auseinandergehen, sodass die Zweckhaftigkeit beim Arbeitsheft (differenzierend, Lehrendenfassung), der Grammatik zum Selbstschreiben, den lehrwerkbasierten Vokabel-Apps, dem Grammatikheft, dem digitalen Unterrichtsassistenten/ -planer und dem Vokabeltaschenbuch als teilweise bzw. eher nicht gegeben angesehen wird. Anhand der Spalte N lässt sich gleichzeitig jedoch auch ablesen, dass bei einigen Lehrwerkbestandteilen, z. B. bei internetbasierten Tools des Lehrwerks, dem Arbeitsheft (differenzierend) sowie den Smart- und Whiteboardmaterialien, bis zu 16 Befragte die weiß nicht-Option genutzt haben, was darauf zurückzuführen ist, dass sie diese Lehrwerk‐ bestandteile kaum bis nicht kennen bzw. sich damit nicht auseinandergesetzt haben. 238 4 Empirische Untersuchungsergebnisse <?page no="239"?> 96 % zustimmend= prozentualer Anteil der Antworten „eher sinnvoll“ oder „sehr sinnvoll“. 97 % ablehnend= prozentualer Anteil der Personen, die „eher nicht sinnvoll“ oder „gar nicht sinnvoll“ gewählt haben. - N M SD % zustimmend 96 % ablehnend 97 Lehrbuch (Lernendenfassung) 105 1,1 0,4 99,0 1,0 Arbeitsheft (Lernendenfassung) 105 1,1 0,4 98,1 1,9 Audio-CD 104 1,3 0,7 92,3 2,0 Vorschläge zur Leistungsmessung 105 1,3 0,7 90,5 1,0 Arbeitsheft (Lehrendenfassung) 104 1,6 0,9 82,7 4,8 Lehrbuch (Lehrendenfassung) 102 1,7 1,0 78,4 6,9 Video-DVD 102 1,8 0,9 82,4 5,9 Lehrer*innenhandreichung 104 1,8 0,9 79,8 5,8 Kopier- und Arbeitsfolien 103 1,8 0,9 79,6 3,9 Klassenarbeitstrainer/ Prüfungsheft 100 1,8 1,0 75,0 5,0 Lehrbuch (E-Book) 99 1,9 1,1 74,4 11,1 Arbeitsheft (diff., Lernendenfassung) 99 2,0 0,9 74,4 7,1 Digitale Smart- und Whiteboardmaterialien 95 2,0 1,0 68,4 8,4 Internetbasierte Tools 89 2,0 1,0 71,9 6,7 Lehrwerkbasierte Lektüre 101 2,1 1,0 66,3 7,9 Arbeitsheft (diff., Lehrendenfassung) 94 2,1 1,0 69,1 10,7 Grammatik zum Selbstschreiben 98 2,1 1,1 63,3 9,1 Vokabel-Apps 95 2,2 1,1 67,4 12,6 Grammatikheft 103 2,2 1,0 63,1 10,6 Digitaler Unterrichtassistent/ -planer 96 2,5 1,3 56,3 25,0 Vokabeltaschenbuch 101 3,2 1,1 25,7 40,6 Tabelle 37: Einschätzung der Sinnhaftigkeit von Lehrwerkbestandteilen unter Angabe statistischer Kennwerte (1=sehr sinnvoll; 5=gar nicht sinnvoll) Quant │ Mit einem spezifischeren Blick auf die Sinnhaftigkeit verschiedener Lehrwerkbestand‐ teile zu Zwecken der Unterrichtsvor- und -nachbereitung, der Aufbereitung und Vertiefung von Inhalten sowie der (kreativen) Weiterarbeit damit, geben 94,3 % der befragten Lehrkräfte an, dass ihnen das Lehrwerk bei der Unterrichtsvor- und -nachbereitung hilft. Im Bereich der Aufbereitung und Vertiefung von Inhalten sind es 68,6 % der Lehrkräfte, die sich durch das Lehrwerk in diesem Bereich unterstützt fühlen sowie 41-% bei der (kreativen) Weiterarbeit mit 4.2 Die subjektive Sichtweise auf Lehrwerke und ihre Verwendung 239 <?page no="240"?> Inhalten, Aufgaben und Übungen. Anhand der ermittelten Prozentangaben lässt sich ablesen, dass das Lehrwerk im Allgemeinen und gewisse Lehrwerkbestandteile im Besonderen mit der Zunahme des Grades an Kreativität und Offenheit der Unterrichtsformate als Ausgangspunkt bzw. Impulsgeber von geringerer Bedeutung werden. In nur noch 15,8-% der Antworten werden das Lehrbuch und Arbeitsheft als hilfreich dafür eingestuft. Betrachtet man genauer, welche drei bzw. vier Lehrwerkbestandteile zu den einzelnen Zwecken hauptsächlich als sinnvoll erachtet werden, ergibt sich folgendes Bild. Unterstützungsbereich Lehrwerkbestandteil Prozentangabe (Mehrfachnennung möglich) Unterrichtsvor- und -nach‐ bereitung Lehrer*innenhandreichungen 52,2-% Lehrbuch (Print-Version) 50,0-% Arbeitsheft 40,0-% Aufbereitung und Vertiefung von Inhalten Arbeitsheft 48,4-% Lehrbuch (Print-Version) 30,6-% Grammatikheft 19,4-% Lehrer*innenhandreichungen 19,4-% (kreative) Weiterarbeit mit Inhalten Lehrer*innenhandreichungen 23,7-% CD/ DVD 21,1-% Lehrbuch (Print-Version) 15,8-% Arbeitsheft 15,8-% Tabelle 38: Von den Befragten als sinnvoll erachtete Lehrwerkbestandteile zur Unterrichtsvor- und -nachbereitung, Aufbereitung und Vertiefung sowie (kreativen) Weiterarbeit mit Inhalten in [%] Funktion der Quant-Qual-Verschränkung • Ausdifferenzierung und Neu-Perspektivierung der Fragebogenergebnisse durch die konkrete Rückbindung an die Unterrichtspraxis Qual │ Aus den Analyseergebnissen der qualitativen Studienteile kann gefolgert werden, dass die Einschätzung über die Sinnhaftigkeit von Lehrwerkbestandteilen an das jeweilige Unterrichtskonzept der Lehrkraft und an von ihr als zentral erachtete didaktisch-metho‐ dische Prinzipien geknüpft wird. Exemplarisch zeigt sich dies bei Lehrkraft I in der weitgehend digital-gestützten Ausrichtung ihres lehrwerkbasierten Spanischunterrichts und damit ihrer Ansicht nach einhergehenden Verbesserungspotenzialen gegenüber analog-ausgerichteter Varianten (z. B. hinsichtlich Aufmerksamkeitszentrierung, Visua‐ lisierungsmöglichkeiten, Attraktivitätssteigerung), woraus resultiert, dass nahezu alle digitalen Lehrwerkbestandteile als sinnvoll erachtet werden. 240 4 Empirische Untersuchungsergebnisse <?page no="241"?> Hingegen spielt bspw. für Lehrkraft VII Digitalisierung keine bedeutsame Rolle für ihren Spanischunterricht. Dies wird sowohl mit einer fehlenden angemessenen Input-Output-Re‐ lation als auch mit einer inhaltlichen Überfrachtung und zeitlichen Überforderung für Lehrende und Lernende begründet. Hingegen stellt die (kontinuierliche) Integration literaturdidaktischer Ansätze in ihren Spanischunterricht angabegemäß ein zentrales Unterrichtsprinzip dar, weshalb sie bspw. im Vergleich zu Lehrkraft I die literaturbasierten Lehrwerkbestandteile als sinnvoll erachtet. Eine andere Perspektive konnte exemplarisch mit den Ausführungen von Lehrkraft II einge‐ nommen werden. Hieraus geht hervor, dass jeder Lehrwerkbestandteil vor dem Hintergrund verschiedener Lernbedarfe, Unterrichtssituationen und -ziele sinnvoll sein kann, woraus ge‐ schlussfolgert wird, dass eine Einteilung von Lehrwerkbestandteilen in „per se sinnvoll“ oder „weniger sinnvoll“ nicht zielführend ist. Bündelt man die aus der quantitativen und qualitativen Analyse der Fragebogen- und Interviewdaten gewonnenen Erkenntnisse, wird die Funktionalität der meisten Lehrwerkbestandteile von allen Teilnehmenden als gegeben angesehen. Quant │ Die Einschätzung der Sinnhaftigkeit der Lehrwerkbestandteile steht auch im Zusam‐ menhang mit der Ansicht darüber, ob und inwiefern die einzelnen Komponenten didaktischmethodisch sinnvoll miteinander verknüpft sind. Die statistischen Ergebnisse zeigen, dass die Befragten im Mittel voll und ganz oder eher zustimmen, wenn es um die Beurteilung der Lernförderlichkeit durch die Verzahnung der einzelnen Lehrwerkmaterialien für den Spanischunterricht geht (M=1,7; SD=0,9). Betrachtet man die dafür angeführten Begrün‐ dungen näher, konnten folgende Inhalte herausgearbeitet werden. Zum einen werden Potenziale genannt, die mit einer (stärkeren) Verzahnung einhergehen, zum anderen aber auch Schwierigkeiten für Lehrwerknutzende. Am häufigsten wird das Potenzial im Bereich der Vertiefung, Anwendung und Integration von Inhalten und Methoden und hinsichtlich der Progression gesehen (71,1 %). Knapp 15 % der Befragten nennen verbesserte Möglichkeiten, Inhalte und Methoden abzuwechseln. Auffällig ist jedoch, dass nur 4,0 % ein erhöhtes Maß an Transparenz für Lehrende und Lernende durch die Verzahnung der Lehrwerkbestandteile wahrnehmen und kaum Lehrkräfte verbesserte Möglichkeiten der Differenzierung nach Leistungsniveau, Lerntypen und Interessen (trotz der Vielfalt an Lehrwerkbestandteilen) erkennen. Es gilt dabei zu berücksichtigen, dass nur 72,4 % der Teilnehmenden ein Potenzial zur Verzahnung von Lehrwerkbestandteilen anführen konnten. Kategorien (am Material gebildet) Vertiefung, Anwendung und Vernetzung (Inhalte, Aufgaben, Progression) (71,1-%) Abwechslungsreichtum (Inhalte/ Methoden) (14,5-%) Arbeitserleichterung für Lehrkräfte (10,5-%) Transparenz/ Nachvollziehbarkeit für Lehrende und Lernende (4,0-%) Berücksichtigung verschiedener Lerntypen (4,0-%) Differenzierungsmöglichkeiten (nach Leistungsniveau und Interessen) (1,3-%) Tabelle 39: Potenziale der Verzahnung von Lehrwerkbestandteilen in [%] 4.2 Die subjektive Sichtweise auf Lehrwerke und ihre Verwendung 241 <?page no="242"?> Quant │ Die am Material gebildeten Kategorien aus Tab. 39 bestätigen, dass die Menge an Lehrwerkbestandteilen überfordernd wirken kann und Lehrkräfte sich teils auch durch eine starke Verzahnung der Komponenten eingeschränkt fühlen, z. B. hinsichtlich des lehrwerkunabhängigeren Unterrichtens und der Wahl der thematischen Bereiche, in denen sie Inhalte und Kompetenzen präsentieren können. Von den Befragten wird die (vernetzte) Menge an Lehrwerkmaterialien als wenig zielführend erachtet vor dem Hintergrund der institutionellen Rahmenbedingungen und der unterrichtlichen Umstände (insb. Zeitknapp‐ heit, Prüfungskultur). Dennoch fällt auf, dass deutlich weniger Schwierigkeiten (14,5 %) im Vergleich zu den genannten Potenzialen (85,5-%) identifiziert werden konnten. Kategorien (am Material gebildet) Menge der Bestandteile und Abarbeitungs-Stress Starrheit der Vernetzung und Einschränkung der Lehrkraft Zeitknappheit Tabelle 40: Schwierigkeiten der Verzahnung von Lehrwerkbestandteilen Funktion der Quant-Qual-Verschränkung • Untermauerung und Ausweitung der Fragebogenergebnisse Qual │ Die inhaltliche sowie didaktisch-methodische Verzahnung möglichst vieler Lehr‐ werkbestandteile wird als unabdingbar für einen lernförderlichen Spanischunterricht erachtet, da dies den Lernenden ermöglicht, in einem bekannten Kontext verschiedene Materialien des gleichen Themas bzw. der gleichen grammatischen Struktur zu bearbeiten, zu vertiefen und insb. kontinuierlich mit Blick auf Lexik und Grammatik zu wiederholen. Am häufigsten werden die folgenden Lehrwerkkomponenten genannt, die inhaltlich, didaktisch-methodisch sowie von den sprachlichen Mitteln her sinnvoll miteinander vernetzt sind: Lehrbuch, Arbeitsheft, Vorschläge zur Leistungsmessung, Prüfungstraining, Handreichungen für Lehrkräfte und Audio-CD/ Video-DVD. Mit der Verzahnung der genannten Lehrwerkmaterialien können der Spanischunterricht vor- und nachbereitet, Inhalte und Strukturen aufbereitet und vertieft, anwendungsbezogen eingesetzt sowie kreativ damit weitergearbeitet werden (das Lehrwerk hier verstanden als Inspiration und Anlass zum Weiterdenken von Inhalten). Die Vernetzung der Elemente des Lehrwerks ermöglicht einen Lehr- und Lernkreislauf, der die Lehrenden und Lernenden von Beginn an (der Lektion) bis zum Ende bzw. zur Prüfung begleitet (u. a. Unterrichtsplanung, Einführung neuer Inhalte und Strukturen, Übung und (kreative) Anwendung, Überprüfung und Bewertung). Quant │ Die vorangegangenen Befunde illustrieren die mittlerweile hohe Anzahl von Lehrwerkbestandteilen. Mit einem Mittelwert von 3,7 und einer Standardabweichung von 1,2 stimmen die Befragten im Mittel teilweise zu, dass die große Menge an Lehrwerkkom‐ ponenten eher unnötig ist. Folgende Lehrwerkmaterialien werden von einigen Lehrkräften 242 4 Empirische Untersuchungsergebnisse <?page no="243"?> (29,5 %) als überflüssig erachtet, da sie in andere Lehrwerkelemente bereits (teilweise) integriert seien und somit Dopplungen/ Überschneidungen vermieden werden könnten. Exemplarisch hierfür führen die zuvor identifizierten 29,5 % der Befragten die Inhalte der Vokabel- (48,4 %) und Grammatikhefte (35,5 %) an. Des Weiteren erachten fast 10 % dieser Befragten die Lehrer*innenhandreichungen als unnötig und begründen dies mit der ihnen zugrunde liegenden Komplexität und ihrem Umfang, die/ der es unmöglich mache, diese unter den alltäglichen Gegebenheiten des Fremdsprachenunterrichts, u. a. auch aus Gründen der Zeitknappheit und Prüfungskultur, einzusetzen. Zu beachten ist allerdings, dass diese Auffassung nicht von allen Lehrkräften geteilt wird, worauf auch die generell hohen mittleren Zustimmungen auf die Frage nach der Sinnhaftigkeit der Lehrwerkbestandteile (vgl. Tab. 37) verweisen. Funktion der Quant-Qual-Verschränkung • Ausdifferenzierung, Erweiterung und Neu-Perspektivierung der Fragebogenergeb‐ nisse durch die Identifikation von Mustern und die Rückbindung an die konkrete Unterrichtspraxis Qual │ Im Zuge der qualitativen Datenanalyse konnten zwei grundlegende Positionierungs‐ muster zur Notwendig- und Sinnhaftigkeit der Menge an Komponenten des Lehrwerks konstatiert werden. In beiden Argumentationssträngen werden die Vorteile einer solchen Vernetzung für Lehrende (insb. digitale Lehrer*innenplattform) und Lernende hervorge‐ hoben. (1) Einer Ansicht gemäß wird eine stärkere Prüfung der Notwendigkeit und des Aufeinander-Abgestimmtseins der Materialien (z. B. Grammatikheft, Vokabeltaschenbuch) sowie eine Fokussierung auf als zentral erachtete Lehrwerkbestandteile gemäß dem Anspruch „weniger ist mehr“ gefordert (insb. Lehrbuch, Arbeitsheft, Handreichung für Lehrkräfte) (Lehrkräfte I, III und V). B: #01: 54: 59-2# Ja, für mich das Wichtigste sind diese Lehrerarbeitsmaterialien, die schon die wichtigsten Lehrwerkbestandteile beinhalten und dem Lehrer eben helfen, wie man so eine Stunde aufbauen könnte und die Vorgaben für die Klassenarbeiten mit Lösungen. […] Die Materialien müssen gar nicht so weit auseinander gefächert sein. Also man braucht nicht dazu noch das Heft mit den Kopiervorlagen und die Vokabelhefte und das kleine Grammatikheft. Man braucht wirklich nicht so viel […]. #01: 56: 23-4# (Interviewtranskript, LIII, 242) (2) Auf der anderen Seite wird das (bewusste) Mehrangebot als impuls- und ideengenerie‐ rend charakterisiert und dadurch ggf. entstehende Überschneidungen/ Wiederholungen in den verschiedenen Lehrwerkmaterialien akzeptiert (Lehrkräfte II, IV, VI, VII). Die Vorteile liegen darin, dass man als Lehrkraft unterstützt wird, auf spezifische Unterrichtssituationen und individuelle Bedarfe der Lernenden eingehen zu können (z. B. Differenzierung, Automatisierung grammatischer Strukturen (z.-B. Grammatikheft), Lektürephase etc.). 4.2 Die subjektive Sichtweise auf Lehrwerke und ihre Verwendung 243 <?page no="244"?> Die ermittelten Positionierungsmuster und exemplarisch die Ausführungen von Lehr‐ kraft II erlauben die Schlussfolgerung, dass das „Nötigsein“ oder „Unnötigsein“ von Lehrwerkbestandteilen vor dem Hintergrund des jeweiligen Lehr-/ Lernkontexts, der (indi‐ viduellen) Lernbedarfe und -ziele und nicht pauschal zu bewerten ist. Je nach Unterrichtssituation kann sich der Einsatz von bestimmten Lehrwerkkompo‐ nenten sowohl als sinnvoll oder auch als nicht adäquat erweisen. Nichtsdestotrotz konnte im Zuge der Datenanalyse auch in den Ausführungen der Lehrkräfte, die sich eher dem zweiten Argumentationsstrang zuordnen lassen, ermittelt werden, dass die Möglichkeit der „Verzettelung“ bei der Fülle an Materialien als problematisch angesehen wird (B: #01: 41: 50-0# […] Man verzettelt sich doch […] mit den ganzen verschiedenen Möglich‐ keiten. #01: 42: 27-7# (Interviewtranskript, LVII, 215)). 4.2.2.2.4 Abschaffung von Lehrwerken und ihre Alternativen Quant-Qual │ Entgegen den kritischen Stimmen zu Lehrwerken, die im Forschungsdiskurs geäußert werden und in ihrer Extremform für die Abschaffung von Lehrwerken plädieren (vgl. Kap. 2.1.4), hat im Rahmen der vorliegenden Befragung keine der 105 befragten Lehrkräfte angegeben, dass die Abschaffung von Lehrwerken sinnvoll wäre. Es ergibt sich hier ein einheitliches Bild, dass sich 100 % der Befragten für die Berechtigung des Lehrwerks aussprechen, insb. unter dem Aspekt, dass es keine realistisch umsetzbaren Alternativen unter zeitökonomischen Gesichtspunkten und der mit dem Lehrberuf einher‐ gehenden (weiteren) Tätigkeiten und der Arbeitsbelastung gibt („[…] Außerdem haben die Lehrkräfte neben der Auswahl und Gestaltung von Unterrichtsmaterialien noch zahlreiche andere wichtige Aufgaben.“ (FB09)). Darüber hinaus konstatieren die Befragten, dass sich Lehrwerke im Laufe der Zeit und unter neuen Entwicklungstrends (u. a. Differenzierung, Modularisierung) positiv verändert haben (vgl. Kap. 4.2.1.1.4) und nach wie vor die Notwendigkeit eines aufeinander abgestimmten Materialpools, unabhängig von der Form, in der er dargeboten wird, bestehen bleibe. Des Weiteren konnten die von Lehrkräften gemachten Erfahrungen in Lerngruppen ohne Lehrwerk als ein weiterer Faktor identifiziert werden, mit der angabegemäß die Berechtigung des Lehrwerks bekräftigt wird. „[…] Ich habe bereits Erfahrungen mit Waldorfunterricht gemacht und weiß um die Überfor‐ derung von Schüler*innen, Lehrern und Eltern beim Fremdsprachenunterricht ohne Lehrwerk.“ (FB81) Die angeführten Gründe gegen eine Abschaffung von Lehrwerken passen zu den ermit‐ telten Ergebnissen der Items Vorteile und Funktionen von Lehrwerken. Die bereits erläuterte Orientierungs- und Sicherheitsfunktion (75,6 %) von Lehrwerken sowie eine damit einher‐ gehende Arbeitserleichterung bzw. Verringerung des Arbeitsaufwands (41,9 %) kann durch die Analyse des vorliegenden Items der Positionierung zur Abschaffung von Lehrwerken affirmiert werden. Die Analyseergebnisse belegen, dass Lehrkräfte die beiden o. g. Bereiche als derart grundlegend erachten, dass ohne sie die Gewährleistung und Aufrechterhaltung eines strukturierten, verbindlichen und transparenten Lehr- und Lernprozesses für alle Beteiligten in der Form nicht möglich wäre. 244 4 Empirische Untersuchungsergebnisse <?page no="245"?> „[…] Ein strukturierter Lernprozess ist ohne Lehrwerk kaum möglich […].“ (FB110) „[…] ohne eine nachvollziehbare Progression gibt es keinen ‘Halt’, keine Transparenz und keine Verbindlichkeit.“ (FB24) „[…] die ganze Arbeit, die in diesen Lehrwerken schon gemacht wurde, die können wir so nicht leisten.“ (FB174) 30,2 % der befragten Lehrkräfte äußern zudem, dass es jederzeit die Möglichkeit gibt, vom Lehrwerk abzuweichen sowie flexibel und kreativ mit dem Material umzugehen. Das Lehrwerk ist demnach nicht als isoliertes Instrument zu betrachten und kann stets mit anderen/ unabhängigen Materialien ergänzt werden, sodass potenzielle Nachteile des Lehrwerks durch die Lehrkraft selbst überwunden werden können („Lehrwerke sind hilfreich, man kann sie durch authentische Materialien gut ergänzen […]“ (FB25)). Mit den zugeordneten Ankerbeispielen während der Kategorienbildung wird der Zusammenhang zwischen deklarativen, prozeduralen und selbstbezogenen lehrwerk(verwendungs-)bezo‐ genen Kognitionen deutlich (vgl. Kap. 4.2.1.2): Im Falle der Antworten dieser Lehrkräfte soll das Lehrwerk in seiner Funktion als „Angebot“, „Buffet“, „Werkzeug“ und „Steinbruch“ betrachtet und flexibel unter Nutzung von Handlungsoptionen eingesetzt sowie auch davon abgewichen werden (z. B. Unabhängigkeit vom Lehrwerk), womit sich die Frage nach der Abschaffung von Lehrwerken für sie erübrigt. „[…] wichtig ist es (! ), wie bei allem, den SchülerInnen eine Kombination aus Lehrwerk und authentischen Materialien zur Verfügung zu stellen und das Lehrwerk als 'Buffet' anzusehen […]. Gelegentlich auch mal komplett ohne Lehrwerk.“ (FB27) „[…] Man darf als Lehrer nicht komplett vom Buch abhängig sein und man soll es einfach als ein wichtiges Werkzeug betrachten, aber es ist ein nötiges Werkzeug.“ (FB32) „[…] Man sollte sie als Steinbruch […] betrachten, nicht sklavisch abarbeiten und es kann auch mal eine Teillektion wegfallen […].“ (FB37) Quant-Qual │ Ferner wird die Erleichterung der Zusammenarbeit im Kollegium (z. B. bei der parallelen Arbeit im Kollegium oder der Übernahme von Klassen) sowie die durch den Einsatz von Lehrwerken erzielbare Vergleichbarkeit von Inhalten und Abschlüssen (9,3 %) genannt. Auch das Einsparen von Ressourcen im Sinne der Nachhaltigkeit (7,0 %) (u. a. im Vergleich zu Kopien) sowie die Professionalität der Materialien (4,7 %) stellen Gründe gegen die Abschaffung dar. Mit einem Prozentsatz von 2,3 % werden zudem die von den Befragten als positiv erachteten Fortschritte der Lehrwerkentwicklung (vgl. Kap. 2.3.2.2) sowie pragmatische Gründe geäußert (u. a. (begründete) Gewohnheit der Verwendung von Lehrwerken im Fremdsprachenunterricht der Sekundarstufe I). Ein weiterer pragmatischer Aspekt, der von 1,2 % der Befragten ausgewiesen wird, ist die flexible und zuverlässige Zugriffsmöglichkeit auf Lehrwerke (u. a. im Vergleich zu digitalen Varianten). Die Analyse der Fragebogendaten konnte belegen, dass Lehrkräfte über potenziell in Frage kommende, im Lehrberuf realistisch plan- und anwendbare, Formate als Alternative zu Lehrwerken nachdenken. Die Schlussfolgerung aus der Datenauswertung ist dabei jedoch eindeutig: „[…] Lehrwerke sind immer sinnvoll. Und wenn es sie nicht geben sollte, bräuchte man sowieso von den Verlagen (z. B. RAABITS) Einheiten, die man im Unterricht einsetzen 4.2 Die subjektive Sichtweise auf Lehrwerke und ihre Verwendung 245 <?page no="246"?> kann. Im Endeffekt braucht man eine thematische ‘Linie’ mit sinnvollen und sprachlich passenden Materialien für jedes Schuljahr.“ (FB18) Eine Alternative kann es also nur in ähnlicher Form zum Lehrwerk selbst geben, bspw. in Form einer übersichtlichen, modularisierten und an das Sprachniveau angepassten Materialsammlung, aus der man Inhalte, Aufgaben und Übungen auswählen kann. Dennoch bezweifeln die Lehrkräfte, ob eine solche Alternative den Grad an Qualität und Professio‐ nalität von Lehrwerken erreichen könnte: „[…] das wäre wahrscheinlich trotzdem nicht so ansprechend und zielführend wie ein durchdachtes Werk für ein ganzes Lernjahr, das von Leuten erstellt wird, deren Arbeit sich darauf spezialisiert.“ (FB93) Die Ähnlichkeit der identifizierten Alternative zu Lehrwerken hinsichtlich des Aufbaus und der Funktion von Lehrwerken ist dabei nicht von der Hand zu weisen. Im Einklang mit dieser Feststellung steht, dass die Lehrkräfte den Sinn von kompletten Alternativen zu Lehrwerken vor dem Hintergrund der Umsetzbarkeit, des Mehrwerts und den Bedingungen des Schulalltags infrage stellen. Zur Untermauerung dieses Befunds dienen die von den Lehrkräften berichteten Erfahrungen im eher lehrwerkfernen Spanischunterricht (der Oberstufe). „[…] Es ist nicht möglich, in der Mehrheit der Lerngruppen und Stunden losgelöst vom Lehrbuch zu unterrichten […].“ (FB26) „[…] Jedoch bezweifle ich, dass es ohne Lehrwerk ginge. Was wäre die Alternative? Ständiges Kopier- und Blätterchaos? Das geht schon in der Oberstufe schief.“ (FB278) Funktion der Quant-Qual-Verschränkung • Konkretisierung und Erweiterung der Fragebogenergebnisse durch die Rückbin‐ dung an die konkrete Unterrichtspraxis von Lehrkraft I Qual │ Die ermittelten Befunde bekräftigend, kann geschlussfolgert werden, dass auch der von Lehrkräften so bezeichnete „lehrwerklose“ Unterricht oftmals an Themen, Strukturen, dem Sprachniveau und der Progression anderer verlagsgebundener Materialien oder an Lehrwerken anderer Fremdsprachen ausgerichtet wird. Dies bestätigen die Ausführungen von Lehrkraft I zu ihren Erfahrungen und Erlebnissen in einem so von ihr bezeichneten „nicht-lehrwerkbasierten“ Fremdsprachenunterricht in der Sekundarstufe I aufgrund von Lehrwerkmangel. Im konkreten Fall von Lehrkraft I wurden u. a. Inhalte und Strukturen aus Lehrwerken anderer Fremdsprachen auf das jeweilige Unterrichtsfach übertragen, andere verlagsgebundene Materialien genutzt (z. B. Grammatiken, thematische Einheiten etc.) und eine Art Dossier erstellt („Mix aus allen möglichen Lehrbüchern“). B: #01: 27: 01-9# […] es gab da kein Lehrwerk, auch in der Mittelstufe nicht, […] und dann mussten wir uns das immer so zusammenstellen. […] Ja, ich habe mich so 246 4 Empirische Untersuchungsergebnisse <?page no="247"?> ein bisschen an dem Spanischlehrbuch orientiert und mit unterschiedlichen Lehrwerken oder selbst erstellten Dingen oder Büchern gearbeitet, […], da auch Teile kopiert […]. [Name der Lehrkraft] hatte zum Beispiel für Italienisch mal so ein Dossier erstellt, […], das war auch ein Mix aus allen möglichen Lehrbüchern. #01: 27: 59-2# (Interviewtranskript, LI, 252) - 4.2.2.3 Motivational-volitionale Aspekte und ihre Auswirkung auf den Umgang mit Lehrwerken Wie aus der Konzeptualisierung des Untersuchungsgegenstands hervorgeht (vgl. Kap. 2.4), ist die affektive Sichtweise auf das Lehrwerk durch motivational-volitionale Elemente ge‐ kennzeichnet, die weiteren Aufschluss zur Beantwortung der Forschungsfragen gewähren (vgl. Kap. 2.4.1.2). Die nachfolgenden Ausführungen geben Hinweise auf mögliche Fak‐ toren, die auf einer affektiven Ebene im Zusammenhang mit lehrwerkbezogenen Sicht- (und Verwendungs-)weisen stehen. Im ersten thematischen Bereich wird die Bereitschaft und der Wille unter lehrwerk(ver‐ wendungs-)bezogenen Gesichtspunkten empirisch ergründet. In Erweiterung zur obigen Analyse des lehrwerk(verwendungs-)bezogenen Aufgaben- und Funktionsverständnisses (vgl. Kap. 4.2.1.2) konnten hier unter Integration von motivational-volitionalen Faktoren Erkenntnisse gewonnen werden, inwiefern die befragten Lehrkräfte auch bereit sind bzw. angeben es zu sein, eine kritische und kreative Umgangsweise mit dem Lehrwerk in der Praxis umzusetzen. Quant │ Die statistischen Ergebnisse zeigen, dass die meisten Lehrkräfte eher zustimmen, wenn es darum geht, die Initiative zur kritischen und kreativen Auseinandersetzung mit dem Lehrwerk zu ergreifen (M=2,0; SD=1,0). Des Weiteren stimmt die Mehrheit der befragten Lehrkräfte hinsichtlich ihrer Bereit‐ schaft voll und ganz bis eher zu, über den eigenen Umgang mit dem Lehrwerk nachzudenken und diesen offenzulegen (z. B. in Form von Gesprächen mit Kolleg*innen oder im Rahmen von Hospitationen) sowie ihren eigenen Umgang mit dem Lehrwerk im Verbund, z. B. mit dem Kollegium, zu analysieren und weiterzuentwickeln (bspw. durch Peer-Beobach‐ tung/ -Feedback). - N M SD Offenlegung des eigenen Umgangs mit dem Lehrwerk 105 1,5 0,7 Nachdenken über den eigenen Umgang mit dem Lehrwerk 105 2,0 0,8 Analyse und Weiterentwicklung des eigenen Umgangs mit dem Lehrwerk durch externe Verfahren 102 2,1 1,1 Tabelle 41: Grad der Zustimmung im Bereich des motivational-volitionalen Faktors Bereitschaft und Wille unter Angabe statistischer Kennwerte (1=stimme voll und ganz zu; 5=stimme gar nicht zu) 4.2 Die subjektive Sichtweise auf Lehrwerke und ihre Verwendung 247 <?page no="248"?> Funktion der Quant-Qual-Verschränkung • Ausdifferenzierung, Erweiterung und Neu-Perspektivierung der ermittelten statistischen Kennwerte zum Nachdenken über den eigenen Umgang sowie zu/ r (Gründen zur) Bereitschaft und Initiative zu einer kritischen und kreativen Ausein‐ andersetzung mit dem Material • Rückbindung an konkrete (materialbezogene) Prozesse in unterrichtsvor- und -nachbereitenden Situationen sowie im Unterricht selbst Qual │ Die Analyseergebnisse des interviewbasierten qualitativen Studienteils verdeutli‐ chen, dass sich einige Lehrkräfte vor der Teilnahme an der Studie weniger kritisch und kreativ mit dem Lehrwerk auseinandergesetzt haben und auch das Nachdenken über den eigenen Umgang mit dem Lehrwerk nicht im Vordergrund stand. Durch die Studienteilnahme konnte dementsprechend eine (z. T. erstmalige) Sensibili‐ sierung für die Notwendigkeit einer kritischen, kreativen und flexiblen Lehrwerkarbeit (in Kooperation mit anderen Lehrkräften) und für gewisse Problematiken bzw. Abhängigkeiten vom Lehrwerk erzielt werden. Dieser Befund wird exemplarisch mit den Ausführungen von Lehrkraft III untermauert und liefert wichtige Erkenntnisse für die aus der vorliegenden Studie abgeleiteten Implikationen (vgl. Kap. 5.2): B: #01: 16: 33-3# Ja, das ist jetzt auch erst so durch diese Perspektive und deine Arbeit, da so reingekommen. […] ich habe bisher immer bei allen Lehrbüchern das zur Hand genommen und habe gesagt, so, damit arbeite ich jetzt. Ich bin noch nie auf die Idee gekommen, mal zu sagen, ah, da ist ja jetzt dieses Material in dieser Form gestaltet. Könnten wir jetzt da nicht mal in der Spanisch-Fachschaft darüber sprechen, ob wir bei diesem Lehrwerk das und das verändern oder das gemeinsam so und so machen und nicht so wie es ist. Also dieser kritische Ansatz, dass man überhaupt auch mal überlegt, warum ist das so, wie das ist. Der ist mir wirklich erst durch deine Arbeit so bewusstgeworden. Bisher habe ich immer gedacht, ach die werden schon wissen in ihrem Verlag, warum sie das so machen. Es wird schon richtig sein. #01: 17: 42-5# (Interviewtranskript, LIII, 156) Die Analyse des qualitativen Studienteils führte darüber hinaus zu konkreten Fragestel‐ lungen, die die Lehrkräfte beim Nachdenken über den eigenen Umgang leiten. Diese geben wichtige Hinweise darauf, in welcher Rolle sich die Lehrenden als Lehrwerkverwendende sehen, wie sie ihre Abhängigkeit vom Lehrwerk einschätzen und wie sie ihren eigenen Unterricht mit Blick auf die Orientierung am Lehrwerk wahrnehmen. • Wie groß ist der Anteil, den ich in einer Stunde mit dem Lehrwerk arbeite? • Wäre es manchmal besser, sich ein bisschen davon zu lösen? 248 4 Empirische Untersuchungsergebnisse <?page no="249"?> • Habe ich selbst als Lehrkraft (noch) die Kontrolle über meinen Unterricht oder das Lehrwerk? Hierbei zeigte sich ein Zusammenhang zwischen dem Reflektieren über die Arbeit mit dem Lehrwerk und den Erinnerungen aus dem erlebten Fremdsprachenunterricht als ehemalige Lernende. Die nachfolgende Ausführung von Lehrkraft VII untermauert dies: B: #01: 05: 26-0# Weil, wenn ich eins als Schüler selbst gehasst habe, waren Lehrer, die gesagt haben, Seite 12, Nummer 1, Seite 12, Nummer 2, Seite 12, Nummer 3, […]. #01: 05: 59-5# (Interviewtranskript, LVII, 113) Anzumerken ist hier jedoch, dass mit der Ansprache und Vergegenwärtigung negativ konnotierter lehrwerkbezogener Erfahrungen als ehemalige Lernenende nicht einhergeht, dass derartige Verwendungspraktiken auch keinen Eingang mehr in den eigenen Unterricht finden (vgl. Kap. 4.3.3.2.1). Ferner konnten Erkenntnisse zum Wirkungsausmaß der Berufs- und Lehrwerkerfahrung auf die Bereitschaft (und die wahrgenommene Notwendigkeit) zur Auseinandersetzung mit der eigenen Lehrwerkverwendung gewonnen werden: Erfahrungswerte stehen demnach in einem Zusammenhang mit motivational-volitionalen Bereichen des Umgangs mit Lehr‐ werken. Auf Basis der Ausführungen von Lehrkraft IV wird gefolgert, dass ein hohes Maß an Erfahrung die Beschäftigung mit dem eigenen Umgang mit dem Lehrwerk hemmen bzw. in den Hintergrund rücken kann und von Erfahrungswerten überlagert wird. B: #01: 11: 41-1# […] Bei Arriba überlege ich das wirklich öfters, aber beim Apúntate nicht mehr, kann auch sein wegen der Gewohnheit, weil ich das schon kenne. Am Anfang, wie gesagt, habe ich mir die Gedanken gemacht und habe z. B. mir überlegt, wie ich damit umgehe, aber jetzt mache ich das einfach aus der Erfahrung von anderen Jahren. […]. #01: 12: 54-3# (Interviewtranskript, LIV, 142) Im zweiten thematischen Bereich werden die Neugierde und das Interesse der Lehrkräfte unter lehrwerkbezogenen Gesichtspunkten fokussiert. Quant │ Die Mehrheit der Befragten gibt an, am Ausprobieren neuer/ anderer Ansätze und Methoden, die in Lehrwerken vorgeschlagen werden, interessiert und diesen gegen‐ über offen zu sein. Auch Neuerungen der Lehrwerkforschung wecken im Mittel bei den befragten Lehrkräften eher Interesse. - N M SD Ausprobieren neuer Ansätze/ Methoden im Bereich der Lehrwerkarbeit 105 1,8 0,9 Neuerungen der Lehrwerkforschung 104 2,1 1,0 Tabelle 42: Grad der Zustimmung im Bereich des motivational-volitionalen Faktors Neugierde und Interesse unter Angabe statistischer Kennwerte (1=stimme voll und ganz zu; 5= stimme gar nicht zu) 4.2 Die subjektive Sichtweise auf Lehrwerke und ihre Verwendung 249 <?page no="250"?> Funktion der Quant-Qual-Verschränkung • Ausdifferenzierung und Neu-Perspektivierung der ermittelten statistischen Kenn‐ werte Qual │ Anhand der Analyseergebnisse des qualitativen Studienteils wird geschlussfolgert, dass zwar eine grundsätzliche Offenheit, Experimentierfreude und ein Interesse am Aus‐ probieren neuer Ansätze und Methoden in Lehrwerken besteht und damit das Ausmaß einer möglichen Einengung durch das Lehrwerk verringert werden kann. Identifiziert wurde dabei jedoch die Tendenz, Erprobtes und Bewährtes im Unterricht beizubehalten und ggf. mit Neuem zu kombinieren, um eine für den individuellen Lehr-/ Lernkontext sinnvolle Methodenvielfalt zu ermöglichen: B: #00: 35: 55-6# (..) Ja, also ich finde, man sollte Erprobtes und Altes, sag ich mal, sowie Neues zusammenbringen. Also nicht nur mit neuen Dingen […] arbeiten. Man kann nicht nur das eine machen, also (..) im Prinzip sollte man wirklich eine Verbindung zu beiden herstellen. #00: 36: 28-9# (Interviewtranskript, LII, 68) Neben den bereits ergründeten motivational-volitionalen Faktoren, die Einfluss auf die Sicht- (und Verwendungs-)weise auf das/ des Lehrwerk/ s nehmen können, kann die Ent‐ schlossenheit der Lehrkräfte zum Vertreten der eigenen Meinung über Lehrwerke, ihre Funktionen, Vor- und Nachteile etc. (vgl. dazu Kap. 2.4.1.2) eine wichtige Rolle beim Umgang mit dem Material in unterrichtlichen Kontexten spielen. Quant │ Nahezu alle befragten Lehrkräfte geben an, ihre Meinung über Lehrwerke im privaten sowie öffentlichen Raum unabhängig von der Erwartungshaltung des Gegenübers zu vertreten (M=1,4; SD=0,6), auch wenn damit einhergeht, Beteiligten (z. B. Kolleg*innen, Lehrwerkautor*innen) in materialbezogenen und unterrichtspraktischen Belangen zu wi‐ dersprechen. Als ein weiterer motivational-volitionaler Faktor wird die Offenheit der Lehrkräfte ggü. der Veränderung der eigenen Meinung zu Lehrwerken und der Lehrwerkarbeit untersucht. Hiermit sind bspw. die Revidierung von Vorurteilen, der Bruch mit materialbezogenen Verweigerungen oder die Erweiterung des Kenntnisstands zu Lehrwerken gemeint (u. a. Fortschritte der Lehrwerkentwicklung, Erprobung ausgewählter Ansätze und Methoden im Unterricht). Im Mittel geben die Befragten an, eher bis teilweise offen gegenüber solchen Veränderungen zu sein (M=2,4; SD=1,2). Funktion der Quant-Qual-Verschränkung • Ausdifferenzierung und Relativierung der ermittelten statistischen Kennwerte Qual │ Die Analyseergebnisse des qualitativen Studienteils belegen, dass die Lehrkräfte, wie auch bei der Analyse der Nachteile von Lehrwerken, die Inhalte weniger global denken. Das 250 4 Empirische Untersuchungsergebnisse <?page no="251"?> bedeutet, dass die Lehrkräfte den praktizierten Umgang mit dem Material und ihre Sicht auf Lehrwerke nicht als grundlegend problematisch erachten, was dann ggf. tiefgreifende Veränderungen erfordern würde. Vielmehr handelt es sich um Teilbereiche/ -aspekte (z.-B. Meinung zu einem Lektionsteil oder Thema, Umgang mit Grammatikübungen), die einen Anlass darstellen können, die sich auf einen spezifischen Aspekt beziehende eigene Sicht und Verwendung zu verändern bzw. zu optimieren. Ein zusätzlicher motivational-volitionaler Faktor, der auf die lehrwerkbezogene Sicht und Verwendung einwirkt, konnte im Zuge der induktiv-angelegten Analyse der Inter‐ viewdaten identifiziert werden. Hierbei handelt es sich um das persönliche Interesse der Lehrkraft, verstanden als „Tendenz, auf bestimmte Dinge besonders zu achten [und, JLK] ihnen eine gesteigerte Aufmerksamkeit zu widmen“ (Stangl 2023c). Die Analyseergebnisse zeigen, dass die Lehrkräfte an ausgewählten Themen (u. a. auch aufgrund weiterer berufsbedingter Positionen) und grammatischen Strukturen besonderes Interesse haben. Dies führt angabegemäß dazu, dass Lehrkräfte manchen Themen mit mehr Enthusiasmus begegnen und diese demnach auch intensiver besprechen sowie dafür andere Inhalte auslassen. Exemplarisch führt Lehrkraft VII dazu das Thema „Haustiere“ an, mit dem sie sich selbst auch als Privatperson identifiziert, im Rahmen der Unterrichtsbesprechung auch mehr über die Alltagswelt der Lernenden erfährt und diese persönlicher adressieren kann. Auch weitere Funktionen in der Schule können Einfluss auf die Lehrwerkverwendung nehmen. So erachtet die Erasmus-Beauftragte der Schule bspw. die Einbindung der Lektion zu Europa (z. B. anlässlich des Europa-Tages oder eines Erasmus-Projekts) im Sinne der Europäischen Erziehung als zentral, weshalb sie bspw. auf andere Lektionsteile und auf die Einbindung von Literatur verzichtet. 4.2.3 Zusammenfassung, Diskussion und Einbettung der Befunde in den fremdsprachendidaktischen Forschungsdiskurs Forschungsfragen I und II • Über welche deklarativen und prozeduralen Kenntnisse verfügen Lehrkräfte zum Lehr‐ werk, seiner Analyse, Entwicklung und Verwendung? (Ia) Wie definieren Lehrkräfte ihr lehrwerk(verwendungs-)bezogenes Aufgabenverständnis? (Ib) • Wie positionieren sich Lehrkräfte zum Lehrwerk? (IIa) Welche Rolle spielen dabei motivational-volitionale Faktoren? (IIb) In den vorherigen Ergebnisteilkapiteln wurden die subjektive Sichtweise auf Lehrwerke und ihre Verwendung in ihrer kognitiven und affektiven Dimension sowie zwischen ihnen bestehende Zusammenhänge empirisch eruiert. In diesem Zuge wurden deklara‐ tive, prozedurale und selbstbezogene lehrwerk(verwendungs-)bezogene Kognitionen der Lehrkräfte ermittelt. Außerdem konnten evidenzbasierte Aussagen zur (Un-)Zufriedenheit mit dem Lehrwerk, zu Erwartungen und Wünsche vonseiten der Lehrkräfte sowie zu Einstellungen hinsichtlich der Funktionen, Vor- und Nachteile, Sinnhaftigkeit der Lehr‐ werkbestandteile und deren Verzahnung sowie der Abschaffung von Lehrwerken und ihren Alternativen formuliert werden. Die Ergründung motivational-volitionaler Aspekte und 4.2 Die subjektive Sichtweise auf Lehrwerke und ihre Verwendung 251 <?page no="252"?> ihre Einflussnahme auf den Umgang mit Lehrwerken vervollständigt die Aufschlüsselung der subjektiven Sichtweise auf Lehrwerke. Aus den Fragebogen- und Interviewergebnissen kann geschlussfolgert werden, dass sich die Teilnehmenden auf einer deklarativen Verständnisebene in geringem Ausmaß mit den (Unterschieden zwischen den) Termini Lehrwerk und Lehrbuch auseinandersetzen. Die Ausführungen der Lehrkräfte im Fragebogen belegen, dass die beiden o. g. Begriffe häufig synonym verwendet werden und keine weitere Differenzierung vorgenommen wird. Daraus wird der Rückschluss gezogen, dass die begriffliche und damit einhergehend auch die konzeptionelle Unterscheidung zwischen dem Lehrwerk und dem Lehrbuch den Teilnehmenden nur bedingt bewusst bzw. für sie relevant ist. Von diesem Befund gehen wiederum Auswirkungen auf das Verständnis des Aufbaus, den damit verbundenen Intentionen und Funktionen des Lehrwerks bzw. -buchs, aber auch auf die eigene Handhabung des Materials bzw. auf das Aufgabenverständnis als Lehrwerkverwende*r aus (vgl. dazu Schocker-v. Ditfurth 2001, 21). Hier ergeben sich erhebliche Unterschiede dahingehend, wie das Lehrwerk hinsichtlich seiner Funktionen bei der Verwendung verstanden wird (Funktionsverständnis) bzw. welche Funktionen des Lehrwerks der Lehrwerkverwendung zugeschrieben werden. Damit verbunden ist auch die Frage, ob sich Lehrkräfte vorrangig auf das Lehrbuch als einzelne Komponente beziehen oder ob sie das Lehrwerk als Gesamtsystem in seiner Vernetzung, aber auch in seinem Überangebot begreifen. Die Ergebnisse verdeutlichen, dass den Teilnehmenden einige Lehrwerkbestandteile nicht (vollumfänglich) bekannt sind. Sie legen folglich eine Differen‐ zierung nahe, aus der hervorgeht, dass es Lehrwerkbestandteile (wie z. B. das Lehrbuch, Arbeitsheft und die Vorschläge zur Leistungsmessung) gibt, mit denen sich die Lehrkräfte gut auskennen. In eine zweite Kategorie fallen Lehrwerkkomponenten, die sie grob kennen (z. B. Kopier- und Arbeitsfolien). Zuletzt gibt es Lehrwerkelemente, mit denen sich die Lehrkräfte (noch) nicht auseinandergesetzt haben (z. B. digitale Lehrwerkbestandteile, differenzierende Ausgaben des Arbeitshefts). Mit den dem Lehrwerk zugrunde liegenden bildungspolitischen Richtlinien sind die Teilnehmenden auf einer basalen Ebene vertraut: Sie verlassen sich dabei jedoch eher auf das Lehrwerk und dessen Ausrichtung, mit dem bzw. der die Vorgaben der bildungs‐ politischen Dokumente umgesetzt werden, und hinterfragen dies nicht weiter (vgl. dazu Kurtz 2020, 199 ff.). Als Primärquellen werden die Bildungsstandards sowie Kerncurricula selten konsultiert und auch ein Vergleich der Vorgaben mit den Lehrwerken findet lediglich sporadisch und nicht systematisch statt. Mit der Entstehung und Entwicklung von Lehrwerken sind die Lehrkräfte vertraut und betrachten letztgenannte reflektiert. Sie sind sich den Charakteristika und Herausforderungen, welche die Lehrwerkentwicklung kennzeichnen, bewusst und positionieren sich dazu deutlich weniger kritisch als dies bspw. im fremdsprachendidaktischen Forschungsdiskurs zu Lehrwerken der Fall ist (vgl. Kap. 2.1.4). Andersherum sieht ein Großteil der Befragten ausgewählte Trends der Lehr‐ werkentwicklung eher kritisch. Beispielhaft zu nennen ist hier etwa die Digitalisierung: Während deren Potenziale in der fremdsprachendidaktischen Fachdiskussion fortwährend erläutert und der Einsatz digitaler Elemente überwiegend als gewinnbringend eingestuft werden (vgl. dazu u. a. Funk/ Kuhn 2020; Miera-Yacoub 2020), stellt der mehrheitliche Teil der Teilnehmenden den Mehrwert der digitalen Lehrwerkarbeit infrage (vgl. Kap. 2.3.2.2). 252 4 Empirische Untersuchungsergebnisse <?page no="253"?> Die Lehrwerkanalyse als eher theoretisch-wissenschaftliches Konzept ist fast der Hälfte der Teilnehmenden nicht geläufig. Die Ausführungen verbleiben auf einer oberflächlichen und wenig zielgerichteten Ebene (kursorisches Verständnis). Kongruierend dazu geben fast 10 % der Befragten explizit an, mit dem Begriffskonzept nicht richtig vertraut zu sein. Unter 10 % der Lehrkräfte setzen Lehrwerkanalyse in den Kontext von wissenschaftsbezogenen sowie didaktisch-methodischen Gesichtspunkten und stellen eine Verbindung zu ihrem materialbezogenen Handeln in der Schulpraxis her (z. B. Erkenntnisse aus Lerntheorien und ihre Umsetzung im Material). In wenigen Fällen wird darüber hinaus eine explizite Differenzierung zwischen der Lehrwerkanalyse in wissenschaftlichen bzw. universitären und in schulischen Kontexten vorgenommen. Der vorausgehende Befund kann dadurch konsolidiert werden, dass die Mehrheit der Teilnehmenden die wissenschaftliche Diskus‐ sion zu Lehrwerken nicht weiterverfolgt und aus einer eng zugeschnittenen Perspektive aus der Schulpraxis auf Lehrwerke blickt. Damit im Zusammenhang steht, dass über 50 % der befragten Lehrkräfte das Konzept der Lehrwerkanalyse vor dem Hintergrund ihrer schulpraktischen Tätigkeit verstehen (z. B. Eignung des Materials für die Lernenden). Dieser Befund korreliert mit der von Borg (2003) identifizierten kontextuellen Situierung von Lehrer*innenkognitionen, dass Lehrwerke vornehmlich im Hinblick auf konkrete un‐ terrichtliche Aufgaben sowie An- und Herausforderungen analysiert werden. Das Ergebnis knüpft an den Appell von Legutke, Saunders und Schart (2022, 11) an, lehrwerk(verwen‐ dungs-)bezogenes (Erfahrungs-)Wissen nicht losgelöst vom unterrichtlichen Kontext und seiner vielfältigen Einflussfaktoren zu denken. In unter 10 % der Fälle findet eine stärker reflexive Betrachtung des eigenen Umgangs mit dem Lehrwerk unter Ableitung von Implikationen für das weitere (materialbezogene) Handeln statt (z. B. Lehrkräfte in ihrer Rolle als Lehrwerkverwendende, Abhängigkeitsgrad der Lehrkraft vom Lehrwerk, Nutzung von Handlungsoptionen). Diese stellt gemäß dem Subkonzept der „didaktischen Kritik- und Theoriefähigkeit“ nach Hallet (2018, 71 f.) die Grundlage dar, um Lehrwerke „im Licht des eigenen Konzeptwissens“ (ebd., 72) kritisch lesen und hinterfragen zu können, damit diese „das Unterrichtshandeln und didaktische Denken nicht vollständig determinieren und überlagern“ (ebd., 75). Unter Gewährung eines schulpraxisorientierten Bezugsrahmens können fast 90 % der Befragten erläutern, was sie unter einem kritischen Umgang mit Lehrwerken verstehen (v. a. Prüfung auf Eignung für die Lerngruppe etc.). Dies korrespondiert mit der von Ezeiza Ramos (2009, 15) so bezeichneten „capacidad del docente para elegir, adaptar y utilizar adecuadamente los materiales“, die er als „clave principal“ für einen kritischen und flexiblen Umgang mit Materialien ansieht. Die empirischen Ergebnisse zu prozeduralen und selbst‐ bezogenen Kognitionen lassen sich an die von Roters (2017, 171, übersetzt von Gerlach 2020, 56 f.) entworfene Systematisierung von „Wissensdomänen“ unter einer Verschränkung mit affektiven und insb. handlungsbezogenen Bereichen angliedern (vgl. Kap. 2.4, 4.2.1; Schön 1983). Kenntnisse zu Materialien werden in diesem Ansatz stärker auf die Ebene des kritischen Hinterfragens der Materialien vor dem jeweiligen Lehr-/ Lernkontext gehoben, mit der eine Prüfung auf Authentizität, Verfügbarkeit und Angemessenheit der Materialien durch die Lehrkräfte einhergeht. Hierunter werden Lehrstrategien zur Adaptation von Lehrwerken für unterrichtliche Anforderungsbereiche subsumiert (vgl. Gerlach 2020, 56 f.; Riemer 2018, 133). Bestätigt werden kann, dass inhaltlich- und handlungsorientierte Wis‐ 4.2 Die subjektive Sichtweise auf Lehrwerke und ihre Verwendung 253 <?page no="254"?> sensanteile in der Analyse und Verwendung des Lehrwerks zu Zwecken der Unterrichtsvor- und -nachbereitung sowie im Unterricht (selbst) ineinandergreifen, wobei letzteren das meiste Gewicht zukommt (vgl. dazu Hoinkes/ Weigand 2016, 48). In fast 50 % der Fälle wird darüber hinaus ein kritischer Umgang mit dem Lehrwerk mit Selbstbestimmtheit und Flexibilität vonseiten der Lehrkräfte assoziiert. Zu bedenken ist hier, dass im Umkehrschluss weitere 50 % dies mit einem kritischen Umgang offensichtlich nicht verbinden bzw. nicht explizit angeben. Dafür werden von den Befragten verschiedene Gründe angeführt. Manche Teilnehmende verspüren nicht das Bedürfnis bzw. es erscheint ihnen nicht wichtig, sich vom Lehrwerk zu lösen und von Freiräumen Gebrauch zu machen. Andere wiederum haben einen kritischen Umgang und dessen Notwendigkeit bislang nicht tiefergehend reflektiert. Untermauert wird diese Feststellung auch durch das Ergebnis, dass etwas mehr als ein Drittel der Lehrkräfte weder das Lehrbuch noch andere Lehrwerkbestandteile analysiert. Vielmehr ziehen sie die Notwendigkeit zu einer Hinterfragung des Materials in Zweifel und akzeptieren dieses zumeist in der Form, in der es ihnen vorliegt. Ähnlich dazu verhält es sich mit den generierten Ergebnissen zum Verständnis eines kreativen Umgangs mit dem Material (v. a. Veränderung und Weiterentwicklung des Lehr‐ werks). Diese lassen sich anknüpfen an den von de Pablos-Ortega (2019, 87) so bezeichneten espíritu crítico und an die daraus von der Lehrkraft abgeleiteten Handlungskonsequenzen im Umgang mit dem Material („ser capaz de detectar las partes mejorables y de reforzarlas mediante actividades o tareas adicionales“). Fast alle Befragten können ausführen, was sie unter einem kreativen Umgang mit dem Lehrwerk verstehen und geben teils auch eigene Beispiele dazu aus ihrem Unterricht. Doch nur etwas mehr als ein Drittel verbindet mit einem kreativen Umgang auch explizit die Aspekte der Flexibilität und der Spontaneität im Sinne eines Abweichens und Loslösens vom Lehrwerk sowie des Unabhängigseins bzw. -werdens davon. Vor dem Hintergrund der Ergebnisse erscheint ein kritischer und kreativer Umgang mit dem Lehrwerk umso wichtiger, da die Lehrperson eine Schlüsselrolle in der lern‐ gruppenangepassten Umsetzung der Inhalte des Lehrwerks einnimmt. Ohne eine solche Umgangsweise kann die Lehrkraft die dem Lehrwerk immanenten Grenzen, die sich erst in ihrer Interaktion mit dem Material überwinden lassen, nicht auflösen (vgl. dazu den Begriff der texbook awareness nach Koenig 2013, 178 sowie Heitzmann/ Niggli 2010, 17). Die Analyseergebnisse belegen, dass das individuelle lehrwerk(verwendungs-)bezogene Aufgabenverständnis von Lehrkräften in Abhängigkeit zu deklarativen und prozeduralen Kognitionen unterschiedlich definiert wird. Dies führt dazu, dass die Interaktion der Lehr‐ kraft mit dem Lehrwerk verschiedenartig gestaltet wird. Mit den höchsten Prozentsätzen werden von den befragten Lehrenden zur Beschreibung ihres Funktionsverständnisses von Lehrwerken (bei der Lehrwerkverwendung) Metaphern gewählt, die auf die Kontrolle durch das Lehrwerk abzielen (vgl. McGrath 2016, 11). Hierbei handelt es sich um den Wegweiser (77,1 %), den Kompass (75,2 %) und das Rezept (44,8 %), wodurch die struktur- und sicherheitgebende Funktion sowie die Orientierung auf unterschiedlich direktive Weise in den Vordergrund gestellt werden. Zudem belegen die hohen Prozentsätze für die strukturierenden und weisenden Charakteristika des Lehrwerks, dass sich die Mehrheit der befragten Lehrkräfte eher vom Lehrwerk leiten 254 4 Empirische Untersuchungsergebnisse <?page no="255"?> lässt bzw. leiten lassen will und sich an den Vorgaben, die durch das Lehrwerk gemacht werden, entlang hangelt. Die am vierthäufigsten gewählte Metapher ist die des Lehrwerks als Supermarkt (35,2-%). Hiermit wird gemäß der Aufteilung nach McGrath (2016, 11) ein Sinnbild gewählt, das eher auf den Angebotscharakter von Lehrwerken und damit verbundene Wahlmöglich‐ keiten abhebt. Dies eröffnet eine Perspektive, welche die vorausgehenden metaphorischen Umschreibungen erweitert: Mit Blick auf den Untersuchungsgegenstand bezieht diese stärker die Notwendigkeit der Eigeninitiative und Aktivität der Lehrperson beim Umgang mit dem Lehrwerk ein. Mit den verschiedenen metaphorischen Umschreibungen gehen un‐ terschiedliche Wahrnehmungen der Lehrwerkfunktionen (bei der Lehrwerkverwendung) einher bzw. liegen diesen implizit (andere) prozedurale Wissensbestände und selbstbezo‐ gene Kognitionen zugrunde (Lehrwerk als Supermarkt vs. Lehrwerk als Wegweiser und damit einhergehendes Verständnis hinsichtlich Funktion(en), der Bindung an das Lehrwerk und der eigenen Rolle als Lehrwerkverwendende*r). Eine Lehrkraft, die das Lehrwerk als Angebot begreift, von dem ausgehend sie das Material kritisch durchdenkt und flexibel vor dem Hintergrund des individuellen Lehr- und Lernkontexts anpasst, verwendet es anders als eine Person, die es vielmehr als Wegweiser bzw. Vorschrift versteht, sich eng an Inhalten, Methoden sowie der Struktur entlang hangelt und einen kritischen und kreativen Umgang mit dem Lehrwerk eher nicht zu ihrem Aufgabenfeld zählt. Dies stimmt mit den Ansichten von Ezeiza Ramos (2009, 7), Harmer (2001, 8) sowie Kurtz (2010, 156), überein, dass Lehrwerke eine tatsächliche Hilfe darstellen können, insofern ihr Angebotscharakter und die notwendige Aktivität vonseiten der Lehrkräfte auch als solche begriffen werden. Die Kombination der gewählten Metaphern illustriert also nicht nur auf eindrückliche Weise den hohen Stellenwert des Lehrwerks im Fremdsprachenunterricht der Sekundar‐ stufe I („Herzstück des Unterrichts“) und die Einflussnahme des Materials auf sämtliche Lehr- und Lernprozesse, sondern zeigt ebenso deutlich auf, dass die Lehrkraft eine Schlüs‐ selfigur beim Einsatz des Lehrwerks im Fremdsprachenunterricht darstellt: Von ihrem Funktionsverständnis hängt maßgeblich ab, wie sie das Lehrwerk (in der Verwendung) versteht und welche Aufgabe(n) sie sich selbst bei der Interaktion mit dem Material zuschreibt. Im Zuge der Datenanalyse konnte in diesem Zusammenhang eine klare Tendenz zur Wahrnehmung des lehrwerk(verwendungs-)bezogenen Aufgabenverständnisses vor dem Hintergrund aktueller Lehrwerkentwicklungstrends herausgearbeitet werden. Hieraus geht hervor, dass sich die Zuordnung von lehrer*innenseitigen Aufgabenfeldern bei der Lehrwerkverwendung auch verschieben kann bzw. neu ausgerichtet wird. Die Auswertung lässt folgende Schlussfolgerung zu: Lehrkräfte sollten sich vor dem Hintergrund der Dynamik der Lehrwerkentwicklung zunehmend stärker in der Pflicht sehen, die dem Lehrwerk (natürlicherweise zugrunde liegende) Grenzen durch einen kritischen und kreativen Umgang zu kompensieren. Weitere Konsequenzen für den Umgang mit dem Lehrwerk ziehen die befragten Lehrkräfte in Hinblick auf die von ihnen festgestellte (Weiter-)Entwicklung von Lehrwerken in den letzten Jahren bzw. Jahrzehnten und die damit einhergehenden Veränderungen. Diese zeigen sich u. a. in einem gesteigerten Maß an Aktivität und der Notwendigkeit einer Auswahl- und Entscheidungskompetenz ihrerseits 4.2 Die subjektive Sichtweise auf Lehrwerke und ihre Verwendung 255 <?page no="256"?> (vgl. Legutke 2010, 1352) bei modularisiert angelegten Lehrwerken, die im Regelfall ein Überangebot aufweisen. Die Mehrheit der Lehrkräfte hinterfragt das Lehrwerk und seine Angemessenheit für den individuellen Lehrsowie Lernkontext und reflektiert die eigene Verantwortung mit dessen Umgang (u. a. kritische Sichtung des Materials, Erweiterung durch zusätzliches Material, Begleitung der Lernenden). Aus der Datenanalyse kann dabei jedoch auch die Notwendig‐ keit abgeleitet werden, die Berufs- und Unterrichtsrealität als einen wesentlichen externen Beeinflussungsfaktor mitzudenken. Dieser stellt einen Grund dafür dar, dass Lehrkräfte Veränderungen am Material nur dann vornehmen, wenn sie sie für tatsächlich notwendig und unter den gegebenen Umständen für realisierbar halten. Übereinstimmend erachten es die Lehrkräfte für die Sekundarstufe I jedoch nicht als ihre grundlegende Aufgabe, Lehrwerkinhalte, -aufgaben und -übungen zu modifizieren und (stets) lehrwerkunabhängiges bzw. eigenes Material in den Spanischunterricht einzu‐ binden. Damit geht allerdings nicht einher, dass sie dies nicht könnten, wenn sie es wollten (vgl. Kap. 4.2.1.2). Anlässe, welche die Lehrkräfte zur Modifizierung von Lehrwerken bewegen, liegen überwiegend - wie auch in den Studien von u. a. Bolster (2015), Bosompem (2014), Humphries (2014) sowie Wipperfürth und Will (2019) festgestellt wurde - in den jeweils vorliegenden Unterrichtsbedingungen und der Spezifik der Lerngruppe (z. B. hinsichtlich des Anforderungs- und Leistungsniveaus und des Lebensweltbezugs). Dem begegnen die Teilnehmenden in der Folge mit thematischen und didaktisch-methodischen Änderungs-/ Differenzierungsmaßnahmen. Weitere Gründe, die von den Befragten genannt werden, sind auf einer inhaltlichen Ebene in Bezug auf Themen und Texte verortet (z. B. Realitätsferne, Länge). Auch Fehler im Material (vgl. dazu u. a. Bosompem 2014, Wipperfürth/ Will 2019), das Einbinden von Abwechslung und Variation (z. B. in Bezug auf Themen, Methoden und Sozialformen) (vgl. dazu u. a. Bolster 2015, McGrath 2013, Wipperfürth/ Will 2019) sowie umständliche und unpassende Aufgabenstellungen können Faktoren für die Veränderung von Lehrwerkinhalten darstellen. Hinzu kommt eine Ebene, welche die Anpassung des Materials aus lokalen und strukturellen Gründen adressiert (z. B. Schulausstattung und zeitliche Gründe) und sich ebenfalls in den Studienergebnissen von u. a. Bolster (2015), Bosompem (2014) sowie Wipperfürth und Will (2019) widerspiegelt. Mit Hilfe der vorliegenden Ergebnisse können die Anlässe, die Lehrkräfte möglicherweise zu einer Modifizierung des Materials bewegen, weiter ausdifferenziert werden. In den Ausfüh‐ rungen der Teilnehmenden lassen sich situationsbedingte und spontan eintretende Aspekte identifizieren, wie z. B. Unterrichtsvorkommnisse und die Tagesform der Lernenden. Des Weiteren können Erfahrungswerte aus vorherigen Lerngruppen einen Anlass darstellen, Änderungen am Lehrwerk vorzunehmen. Entgegen den Ergebnissen der Studien von Dunford (2004), Islam und Mares (2003), Tomlinson (2014a/ b) sowie Wipperfürth und Will (2019) werden von den Befragten der vorliegenden Untersuchung Aspekte wie die Einbindung von Mehrsprachigkeit, die Förderung von Lernendenautonomie, die Verfolgung erweiterter Lernziele, die Flexibilität und Vereinfachung des Materials für eine kreative Verwendung sowie das Erleben von Professionalität und Wertschätzung eigener Materialien nicht genannt. Dies führt zu der Schlussfolgerung, dass die Teilnehmenden hier Anlässe zur Veränderung von Lehrwerken nur dann sehen, wenn sie grundlegender Natur sind und eine basale Unterrichtsebene 256 4 Empirische Untersuchungsergebnisse <?page no="257"?> betreffen. Hingegen werden Anlässe der Veränderung von Lehrwerken mit dem Ziel, diese im Anschluss kreativer einbetten oder die eigene Professionalität daran erleben zu können als weniger relevant erachtet. Im Zuge der Datenanalyse konnte sogar eine Abgrenzungstendenz (seitens der Lehrkräfte) von Forderungen des Forschungsdiskurses zum kritischen, kreativen und flexiblen Umgang mit dem Lehrwerk und zum Abweichen von diesem ermittelt werden. Die Teilnehmenden stören sich daran, dass Lehrkräfte, die ihren Fremdsprachenunterricht stärker lehrwerkbasiert ausrichten, oftmals als weniger kompetent und engagiert angesehen werden als solche, die des Öfteren vom Lehrwerk abweichen (vgl. dazu untermauernd Wipperfürth/ Will 2019, 201). Die Teilnehmenden der Studie von Wipperfürth und Will (ebd.) erleben das Abweichen vom Lehrbuch als „Zeichen und Ausdruck der didaktischen Kompetenz“ (ebd.) und zeigen sich als „selbstbewusst“ (ebd.) und „stolz“ (ebd.), wenn sie eigene Materialien verwenden. Wipperfürth und Will (ebd., 204) schlussfolgern daraus, dass sich „das professionelle Selbstverständnis der Befragten nicht mit einer ausschließlichen Verwendung des Lehrbuchs“ vereinen lässt. Die Ergebnisse der vorliegenden Studie legen die Notwendigkeit einer differenzierteren Betrachtung des sog. Abweichens vom Lehrwerk nahe. Die Ausführungen der Teilnehmenden zur Lehrwerkunabhängigkeit (vgl. Kap. 4.2.1.2) verdeutlichen, dass es sich beim Abweichen vom Lehrwerk nicht immer um einen vollstän‐ digen Verzicht und den Einsatz von lehrwerkunabhängigem Material handeln muss. Denn auch eine engere Bindung an das Lehrwerk macht eine kontinuierliche kritische Durchsicht erforderlich, aus der (materialbezogene) Konsequenzen abgeleitet werden müssen (z. B. Umstellung der Lektionsreihenfolge, Auslassen von Aufgaben und Übungen, Ersetzen mit anderen Materialien). Ein Abweichen vom Lehrwerk, so die hieraus generierte Erkenntnis, kann folglich auch bedeuten, dass die Lehrkraft grundsätzlich mit diesem arbeitet und dennoch von den Vorgaben in geringerem oder höherem Ausmaß Abstand nimmt. Gefolgert wird aus den vorherigen Befunden, dass sich die Sichtweisen, welche die Lehrenden verbalisieren, mit der jahrzehntelangen Diskussion zu Lehrwerken decken - und das obwohl die Lehrkräfte häufig den Forschungsdiskurs nicht kennen bzw. nicht zur Kenntnis nehmen. Belegt wird diese Übereinstimmung mit Ansichten verschiedener Lehrwerkforschenden, die in der wissenschaftlichen Diskussion zu Lehrwerken seit Ende der 1960er-Jahre kundgetan werden: Das Lehrbuch sollte als ein ‚Steinbruch‘ im Sinne eines Angebots betrachtet werden, aus dem entsprechende unterrichtliche (Bau-)Steine auszuwählen sind. (Raith 1967, 76) Das Lehrbuch darf nicht zum ‚didaktischen Diktator‘ werden und den ‚Aktionsradius des Engli‐ schlehrers‘ einengen. (Heuer 1968, 15) Wir dürfen nicht zulassen, daß die Fremdsprache zwischen die Seiten eines Buches eingekerkert wird und dort erstarrt. Es gehört zur Aufgabe des Lehrers, die Beziehungen der Schüler zum Buch in die rechte Relation zu setzen, indem er ihre Erfahrungen aus ihrer Umwelt aufgreift und sprachlich realisiert, bis sie schließlich die Welt des Buches mit einbeziehen. (Billows 1973, 69) Es konnte also mittels der Datenanalyseergebnisse eine Kongruenz von wissenschaftlichem Theoriewissen und unterrichtspraktischem Handlungswissen bei den teilnehmenden Lehr‐ kräften festgestellt werden (vgl. dazu Neuweg 2013). Zu bedenken sind bei diesem Befund jedoch die vielfältigen Faktoren, die auf die Lehrwerkverwendung einwirken. Lehrkräfte 4.2 Die subjektive Sichtweise auf Lehrwerke und ihre Verwendung 257 <?page no="258"?> finden sich in einem spezifischen institutionellen Kontext, vor curricularen Setzungen und gewissen unterrichtlichen Rahmenbedingungen wieder, an dessen Vorgaben sie sich weitgehend orientieren bzw. an die sie sich anpassen müssen (vgl. dazu Fäcke 2017, 20; Rotter 2014, 113). Die Untersuchungsergebnisse zeigen deutlich, dass Lehrkräfte sich ihrer überwiegenden Abhängigkeit vom Lehrwerk im Spanischunterricht bewusst sind, nicht immer selbstbestimmt materialbezogene Entscheidungen treffen und auch des Öfteren von ihren lehrwerkbezogenen Freiheiten keinen Gebrauch machen. In den Begründungen der Lehrkräfte dafür finden sich im Einklang mit den Ergebnissen von Bohnensteffen (2011, 120 f., 128), Bolster (2015, 19) sowie Wipperfürth und Will (2019, 204) zumeist pragmatische bzw. strukturelle Faktoren, wie z. B. berufliche Umstände, Zeiteffizienz und Arbeitsbelastung. Diese werden als Gründe für einen grundlegenden Verlass auf das Lehrwerk angeführt, auch wenn die Lehrkräfte wissen, dass es womöglich in der ein oder anderen Unterrichtssituation effektivere Vorgehensweisen und (lehrwerkunabhängige) Alternativen gegeben hätte und selbst in Anbetracht der Tatsache, dass sie ihre Abhängig‐ keit vom Lehrwerk kritisch betrachten. Der Einsatz des Materials erfolgt vorrangig auf Basis von Erfahrungswerten, Erinne‐ rungen und Routinen, aber auch auf Grundlage der Intuition (lehrwerk(verwendungs-)be‐ zogenes Erfahrungswissen). Diese Aspekte bilden sich im Laufe der Zeit als Handlungs‐ praktiken (aus der Erfahrung) heraus und fungieren als sog. best-practice-Beispiele (vgl. dazu Dreßler 2018; Neuweg 2021, 10; Riemer 2018, 133). Daraus folgt, dass mit zunehmender Berufs- und Lehrwerkerfahrung tendenziell weniger Zeit in die Auseinandersetzung mit dem Lehrwerk investiert wird. Lehrkräfte, die erst seit Kurzem mit einem Lehrwerk arbeiten, gehen meist kritischer mit dem Material um und denken mehr über ihren eigenen Umgang mit diesem nach. Die Befunde belegen, dass Lehrwerkverwendung durch die Erfahrung der Lehrkräfte zur Gewohnheit wird. Aufgrund der mehrfachen und ständigen Konfrontation mit ähnlichen (Unterrichts-)Situationen entwickelt sie sich zu einer Routine, die im Gedächtnis verankert ist und automatisch zur Verfügung steht (vgl. dazu Stangl 2023a). Das lehrwerk(verwen‐ dungs-)bezogene Erfahrungswissen dient demnach als Maßstab bzw. Ausgangspunkt für die aktuelle und zukünftige Lehrwerkverwendung. Als problematisch ist dieses Ergebnis dann zu erachten, wenn die von den Lehrkräften internalisierte und habitualisierte Lehr‐ werkverwendungspraxis undifferenziert auf sämtliche Lehr- und Lernkontexte übertragen wird. Des Weiteren bestätigen die Forschungsergebnisse der vorliegenden Arbeit die An‐ nahme, dass die Intuition eine nicht zu unterschätzende Rolle bei der Unterrichtsvorbe‐ reitung und beim (spontanen/ abgewandelten) materialbezogenen Handeln im Unterricht spielt. Die Lehrkräfte haben angabegemäß im Zuge ihrer (langjährigen) beruflichen Tätig‐ keit ein „Gefühl“ für die Attraktivität, Relevanz, Menge aber auch für die Komplexität von Inhalten, Aufgaben und Übungen entwickelt. Ohne die jeweiligen Aktivitäten im Unterricht durchgeführt bzw. ausprobiert zu haben, verlassen sich die Lehrenden in der Regel auf ihr Bauchgefühl (nicht losgelöst von Erfahrungswerten zu verstehen), das über die Art und Weise der Einbindung von Inhalten, Aufgaben und Übungen im Voraus entscheidet bzw. mit dem die potenzielle Reaktion der Lernenden antizipiert wird. 258 4 Empirische Untersuchungsergebnisse <?page no="259"?> In Kombination mit den Untersuchungsergebnissen zur affektiven Dimension der subjektiven Sichtweise auf Lehrwerke und ihre Verwendung, die durch das „subjektive Wissen“ (Güttler 2000, 100, zit. nach Venus 2015, 5) der Lehrkräfte beeinflusst wird, können eine positive Grundeinstellung gegenüber dem Lehrwerk, eine grundlegende Zufriedenheit sowie der Wunsch nach einem Fortbestand solcher Materialien vonseiten aller Lehrkräfte abgeleitet werden. Dieser Befund korrespondiert mit den Ergebnissen der Befragungsstudie von Müller-Bittner (2008), steht aber im Kontrast zu jenen von Bohnensteffen (2011). Bohnensteffen (ebd., 126 ff.) stellt fest, dass 70 % der 20 Teilnehmenden das Englischlehr‐ werk aufgrund inhaltlicher und pragmatischer Faktoren als weniger zufriedenstellend bewerten; wiederum können sich jedoch 90 % der Befragten nicht vorstellen, ohne Lehrwerk zu unterrichten und als Ersatz ausschließlich lehrwerkunabhängiges Material einzusetzen. In den Studienergebnissen von Bohnensteffen (ebd.) zeigt sich dahingehend eine Ambivalenz zwischen dem, was die Englischlehrkräfte von Lehrwerken erwarten und was sie unter realistischen unterrichtlichen Rahmenbedingungen unabhängig von diesem überhaupt umsetzen könnten. Prinzipiell überwiegen für fast alle Befragten der vorliegenden Studie die Vorteile des Lehrwerks gegenüber den Nachteilen. Erstere werden als derart wesentlich eingestuft, dass potenzielle Nachteile im Zusammenhang mit den maßgeblichen Funktionen des Lehrwerks (z. B. Strukturierung und Orientierung, einfache Verfügbarkeit, didaktisch-methodisch aufbereitetes Angebot) in den Hintergrund zu rücken scheinen. Dies deckt sich mit den Ergebnissen der Studie von Müller-Bittner (2008, 169 ff.), mit denen sie eine „buchfreund‐ liche Grundeinstellung“ bei den von ihr befragten Lehrkräften feststellt (ebd., 172) (vgl. dazu auch Bolster 2015, 19). Die im (fremdsprachendidaktischen) Forschungsdiskurs aufgestellten Klassifizierungs‐ muster von Meinungen zu Lehrwerken, die besagen, dass Lehrende dem Lehrwerk ent‐ weder positiv oder negativ gegenüber eingestellt seien (vgl. Velásquez Aponte/ Alberto López 2015, 9) sind mit Blick auf die vorliegenden Befunde sowie angesichts des Plädoyers von Müller-Bittner (2008, 275) für ein drittes Einstellungsmuster („Zufriedenheitsambi‐ valenz“) zu diskutieren. Mit den Ergebnissen der vorliegenden Studie lässt sich der wenig spezifische Typ der „Materialunzufriedenheit“ empirisch nicht nachweisen. Eine allgemeine Einordnung in „zufrieden“ und „unzufrieden“ oder auch in eine Mischkategorie als Kompromiss würde daher ohne Ausweisung der konkreten Bezugsdimension-/ ebene (Aspekt und Ausmaß der Unzufriedenheit) missverständliche Bedeutungen transportieren. Darüber hinaus würde sie zu ungenauen Einschätzungen führen, die in ihrer globalen bzw. pauschalen Anlage die spezifische Situation, ihre Dynamik sowie Veränderbarkeit nicht abzubilden vermögen. Die Untersuchungsergebnisse der quantitativen und qualitativen Studienteile zeigen in aller Deutlichkeit, dass typenbildende Auswertungsverfahren, auch wenn sie feiner aufgeschlüsselt werden, in (empirischen) Lehrwerkforschungsprojekten kritisch und differenziert(er) betrachtet werden müssen. Generell betrachten die Teilnehmenden mögliche Nachteile des Lehrwerks deutlich weniger kritisch als dies im Forschungsdiskurs zu beobachten ist (vgl. Kap. 4.2.2.2.2-3). Nachteile von Lehrwerken werden sehr spezifisch und i. d. R. ausschließlich auf einzelne (digitale) Lehrwerkbestandteile und Teilaspekte bezogen sowie auf einzelne Lektionsteile oder Aufgaben und Übungen zugeschnitten (vgl. dazu Bohnensteffen 2011, 126 f.). Zu 4.2 Die subjektive Sichtweise auf Lehrwerke und ihre Verwendung 259 <?page no="260"?> dieser Feststellung trug in besonderem Maße die Verschränkung der quantitativen und qualitativen Datenstränge bei, indem die Ergebnisse nicht nur konkretisiert und erweitert, sondern auch kontrastiert, relativiert und neu perspektiviert wurden. Im Fragebogen wurden von den Lehrkräften bis zu fünf Nachteile von Lehrwerken für Lehrende und Lernende ausgewählt. Dabei handelt es sich z. B. um die fehlende Be‐ rücksichtigung aktueller Themen oder den Mangel an realen Kommunikationssituationen. Betrachtet man genauer die Anzahl der genannten Nachteile im Fragebogen wird deutlich, dass nicht mehr als drei Nachteile für Lernende ausgewählt wurden und einige Lehrkräfte auch gar keine Nachteile sehen. Etwas heterogener sieht dies bei den Nachteilen für Lehrkräfte aus. In den meisten Fällen wurden drei (25,7%) oder auch die Maximalanzahl von fünf (26,7%) Nachteilen gewählt. Unter Bezugnahme auf die Interviewdaten konnte ein lehrer*innenseitiges Meinungsbild identifiziert werden, das besagt, dass einige dem Lehrwerk zugeschriebenen Nachteile nicht in den eigentlich dem Lehrwerk zugedachten Funktionsbereich fallen (z. B. Defizite in den Bereichen Authentizität und Individualisie‐ rung). Ermittelt werden konnte eine übereinstimmende Wahrnehmungstendenz unter den Lehrkräften, dass bei jeder Kritik an Lehrwerken über die realistisch vom Material zu er‐ füllenden Funktionen vor dem Hintergrund materialimmanenter Grenzen, institutioneller Rahmenbedingungen sowie schulsystembedingten Beschränkungen nachgedacht werden muss. Außerdem wurden Spannungsfelder von Lehrwerken und ihrer Entwicklung herausge‐ arbeitet, die für die Teilnehmenden in der Folge dazu führen, dass gewisse Nachteile von Lehrwerken akzeptiert und von den Nutzenden kompensiert werden müssen (z. B. Aktualität der Inhalte in Lehrwerken vs. lang andauernde Entwicklungsprozesse und die Schnelllebigkeit und Dynamik des Weltgeschehens und der Interessen der Lernenden). Die „harte“ Kritik an Lehrwerken erschließt sich daher der Mehrheit der Teilnehmenden nicht. Konkludiert wird, dass Lehrkräfte mögliche Problematiken von Lehrwerken (an)er‐ kennen, sie annehmen und sich selbst in der Verantwortung sehen, damit lösungsorientiert für ihren individuellen Lehr- und Lernkontext umzugehen. Die globalen Nachteile, die im Forschungsdiskurs fortwährend herausgestellt werden, scheinen für Lehrkräfte in der Schulpraxis deutlich weniger ausschlaggebend zu sein. Gemäß der Ansicht der Teilnehmenden und entgegen den Ergebnissen der Studie von Müller-Bittner (2008, 171 f., 277) werden diese Gesichtspunkte daher nicht als Gründe für Unzufriedenheit mit dem und als Erwartungen an das Lehrwerk angeführt. Gemeinhin kann aus den Analyseergebnissen der vorliegenden Studie somit geschlussfolgert werden, dass Erwartungen an das Lehrwerk laut den Lehrkräften dosiert formuliert und eher dar‐ über reflektiert werden sollte/ n, ob diese realistisch vom Lehrwerk und den Anforderungen, die an die Lehrwerkentwicklung herangetragen werden, zu erfüllen sind. Die Analyseergebnisse belegen ferner, dass insb. motivational-volitionale Faktoren auf die lehrwerkbezogene Sicht- (und Verwendungs-)weise einwirken, denn die Persönlichkeit stellt ein „relativ stabiles Merkmal“ (Stangl 2023e) dar, das „charakteristische Muster des Denkens, Fühlens und Handelns“ (ebd.) umfasst und das sich nur bedingt verändert lässt bzw. verändert werden sollte. Ermittelt werden konnte, dass sich die Bereitschaft zu einem kritischen und kreativen Umgang, die Offenheit für die Analyse des eigenen Umgangs und für die Veränderung sowie das Interesse an lehrwerkbezogenen Themen 260 4 Empirische Untersuchungsergebnisse <?page no="261"?> und Neuerungen (der Lehrwerkforschung) als konstitutiv verstehen, wenn das Lehrwerk sinnvoll und lerngruppenadäquat eingesetzt, materialimmanente Grenzen aufgelöst sowie sein volles Potenzial entfaltet werden sollen (vgl. Kap. 4.2.2.3). Darüber hinaus führte die induktiv-angelegte Analyse der qualitativen Daten zur Bestimmung eines weiteren motivational-volitionalen Faktors: das persönliche Interesse der Lehrkraft. Dieser Aspekt wirkt sich maßgeblich auf die Auswahl von Themen und den damit verbundenen Grad an Interesse und Enthusiasmus, mit dem die Lehrkraft dem jeweiligen Thema begegnet, aus. Folglich besprechen Lehrkräfte angabegemäß gewisse Themen intensiver und lassen dafür andere Inhalte aus. Beispielsweise wird das Thema der Haustiere aufgrund des persönlichen Interesses von Lehrkraft VII und der Möglichkeit der Herstellung eines direkten Bezugs zur Alltagswelt der Lernenden oder von Lehrkraft I das Thema Europa bzw. Europa-Tag vor dem Hintergrund seiner Anbindung an Ziele europäischer Erziehung im Unterricht ausführlicher thematisiert und mit weiteren Materialien angereichert und dafür bspw. literaturbasierte Lektionsteile ausgelassen. 4.3 Die Rezeption und Verwendung des Lehrwerks von Spanischlehrkräften (Quant-QUAL) Nachdem im ersten Ergebniskapitel vorrangig die subjektive Sichtweise durch Integration der in der quantitativen und qualitativen Erhebung generierten Erkenntnisse ergründet wurde, wird das zweite Ergebniskapitel die Rezeption und Verwendungsweise von Lehr‐ werken durch Lehrkräfte fokussieren. Analog zur Strukturierung des vorherigen Ergebnis‐ kapitels orientiert sich auch die folgende Präsentation der Untersuchungsergebnisse an der terminologischen Standortbestimmung, Konzeptualisierung und Operationalisierung des Untersuchungsgegenstands. Zudem ist sie inhaltlich ebenfalls durch die (Logik der) Forschungsfragen und die Konstruktion der Erhebungsinstrumente bestimmt. Die Lehrwerkrezeption und -verwendung sowie daraus resultierende materialbezogene Entscheidungen werden aus zwei Perspektiven aufgeschlüsselt, die in ihrer Gesamtheit einen wechselseitigen Beitrag zur Beantwortung der dritten Forschungsfrage leisten. Zum einen werden zu Beginn die der Lehrwerknutzung zugrunde gelegten Motive im Verbund mit fachdidaktischen Kenntnissen und Einstellungen der Lehrkräfte eruiert. Neben fachdidaktischen Motiven spielen hier auch situative Parameter (v. a. lerngruppen‐ bedingte Umstände und Unterrichtsvorkommnisse) eine Rolle, die auf die Verwendung des Lehrwerks Einfluss nehmen (4.3.1). Dies ermöglicht eine Offenlegung der vielfältigen Hintergründe bestimmter materialbezogener Entscheidungen (z. B. wie das Lehrwerk verwendet wird). Zum anderen wird eine prozedurale Ebene adressiert, mit der aus einem quantitativen, quantifizierenden und qualitativen Blickwinkel Aufschluss über die konkrete Lehrwerkrezeption und -verwendung zur Unterrichtsvor- und -nachbereitung sowie im Unterricht (selbst) geliefert werden kann (4.3.2 und 4.3.3). Im Rahmen einer Feinanalyse der beobachteten Unterrichtseinheiten wurden ferner Erkenntnisse zur Unter‐ richtsphasierung und -sequenzierung, zur konkreten Lektionsarbeit, der unterrichtsprak‐ tischen Umsetzung und der Nutzung von Handlungsoptionen generiert. Des Weiteren konnten Ergebnisse zu lehrwerkunabhängigem Unterricht und zur Thematisierung des 4.3 Die Rezeption und Verwendung des Lehrwerks von Spanischlehrkräften (Quant-QUAL) 261 <?page no="262"?> Lehrwerks und seiner Verwendung auf einer Meta-Ebene im Unterricht in Interaktion mit den Lernenden produziert werden (4.3.3.2). Daran anknüpfend erfolgt eine Zusammen‐ fassung der erzielten Ergebnisse in Form einer Synthese sowie deren Diskussion und Einbettung in den fremdsprachendidaktischen Forschungsdiskurs (4.3.4.1). Abschließend werden empirisch-gestützte Verwendungsweisen des Lehrwerks unter Berücksichtigung ihrer Multifaktorialität, Situationsspezifik und Dynamik abgleitet (4.3.4.2). 4.3.1 Motive der Lehrwerkrezeption und -verwendung im Verbund mit den subjektiven Sichtweisen der Lehrkräfte In den beiden nachfolgenden Teilkapiteln werden zwei Faktorengruppen ergründet, die Aufschluss über die der Lehrwerkrezeption und -verwendung zugrunde liegenden Motive in Vernetzung mit der subjektiven Sichtweise der Lehrkräfte liefern. Einerseits handelt es sich dabei um fachdidaktische Motive, insb. didaktisch-methodische Prinzipien und Tendenzen, die den Spanischunterricht strukturieren bzw. kennzeichnen. Andererseits werden situative Parameter fokussiert, die lerngruppenbedingte Umstände und Unter‐ richtsvorkommnisse umfassen und auf die Lehrwerknutzung einwirken. - 4.3.1.1 Fremdsprachendidaktische Motive: didaktisch-methodische Prinzipien und Tendenzen Qual │ Die lehrwerkbasierte Unterrichtsplanung und -durchführung wird von den Lehrkräften an verschiedenen didaktisch-methodischen Prinzipien in unterschiedlichem Ausmaß ausgerichtet. Dabei konnte jedoch festgestellt werden, dass die Unterrichtsgestal‐ tung und die Integration didaktisch-methodischer Prinzipien maßgeblich von dem dem Lehrwerk zugrunde liegenden Angebot und Konzept abhängig sind. Das bedeutet, dass das Angebot und die Anlage des Lehrwerks (z. B. aufgaben- und handlungsorientiert, mehr‐ sprachigkeitsdidaktische Ansätze) darüber entscheiden, ob und in welchem Ausmaß be‐ stimmte didaktisch-methodische Prinzipien in den Spanischunterricht eingebettet werden (Lehrwerk als agent of change, vgl. dazu Hutchinson/ Torres 1994). In die Interpretation der nachfolgenden Befunde ist stets die subjektive Sichtweise der Lehrkraft mit ihren Kogni‐ tionen und Einstellungen sowie motivational-volitionalen Komponenten einzubeziehen, von denen es letztlich abhängt, ob die im Lehrwerk enthaltenen Impulse weitergedacht bzw. fehlende Aspekte erkannt und davon ausgehend weiterer Handlungsbedarf abgeleitet und in ein konkretes Handeln überführt werden. Das übergeordnete Prinzip, das den Spanischunterricht der Lehrkräfte strukturiert, ist die Handlungsorientierung. Als vorrangiges Lernziel wird hier die „rezeptive und produktive Sprachverwendung“ (Hille/ Schiedermair 2021, 245) formuliert, die ein Handeln in der Fremdsprache ermöglicht, die Lernenden „vom Verstehen zum eigenständigen Äußern“ (Biebighäuser 2021, 245) anleiten und „in für sie relevante Aushandlungsprozesse“ (Abendroth-Timmer/ Gerlach 2021, 233) einbinden soll. Im Folgenden werden nun sowohl die einzelnen didaktisch-methodischen Prinzipien im Kontext der von den Lehrkräften praktizierten materialbezogenen Verwendungsweisen des Lehrwerks als auch ihnen zugrunde liegende Intentionen weiter ausgelotet, die durch die Unterrichtsbeobachtungen sowie die in den mündlichen Befragungen getätigten Angaben 262 4 Empirische Untersuchungsergebnisse <?page no="263"?> ausdifferenziert werden. Dazu werden exemplarisch Auszüge aus den Video- und Inter‐ viewtranskripten eingebunden, mit denen nicht nur deutlich wird, was die Lehrkräfte unter den Konzepten verstehen, sondern auch wie sich diese in der konkreten Lehrwerkarbeit widerspiegeln bzw. wie das Lehrwerk Einfluss auf die Umsetzung der Unterrichtsprinzipien nimmt. Kompetenzorientierung Im Wesentlichen richten alle Lehrkräfte ihren Spanischunterricht kompetenzorientiert aus, woraus resultiert, dass sich die lehrwerkbasierte Unterrichtsplanung und -gestaltung auf die „Kompetenzen, die die Lernenden erwerben müssen“ (Biebighäuser 2021, 245) stützt (vgl. dazu auch Küster 2016). B: #00: 50: 14-1# […] welche Kompetenzen vermittelt werden und schaue mir dann an, was an Angeboten in der Lektion in Bezug auf die verschiedenen Kompetenzen an sich geliefert wird und entscheide dann sozusagen mit Blick auf die Lerngruppe, welche Texte und welche Aufgaben erarbeitet werden sollen, und mache mir einen Ablaufplan mit Notizen zu den einzelnen Kompetenzen, Wortschatz und Grammatik. Also erst die, dann die, dann die oder manchmal wird auch eine Aufgabe übersprungen. […]. #00: 51: 13-4# (Interviewtranskript, LV, 102) Hierbei verfolgen die Lehrkräfte das Ziel, mit der Auswahl und Zusammenstellung der im Lehrwerk existierenden Aufgaben und Übungen (unter Nutzung verschiedener Handlungsoptionen) eine Grundlage zur Förderung möglichst aller funktional-kommuni‐ kativen Kompetenzen und zur Anwendung sprachlicher Mittel herzustellen. Im Zuge der Rekonstruktion der erfolgten Lektionsarbeit konnte ermittelt werden, dass der Fokus dabei insb. auf der Förderung des Lesens, Schreibens und Sprechens liegt (vgl. Kap. 4.3.3.2). Weniger im Fokus der beobachteten Unterrichtseinheiten stand die Förderung der interkulturellen kommunikativen Kompetenz und der Sprachbewusstheit sowie der Sprachlernkompetenz (vgl. damit im Einklang die Ausführungen in diesem Teilkapitel zur Mehrsprachigkeitsdidaktik). In diesem Zusammenhang konnte nur bedingt eine integrative Förderung der verschiedenen Kompetenzen und der Arbeit mit/ an sprachlichen Mitteln festgestellt werden. Zur Umsetzung eines kompetenzorientierten Spanischunterrichts binden die Lehrkräfte verschiedene didaktisch-methodische Prinzipien ein, womit die Gestaltung eines auf die Bedarfe der Lernenden zugeschnittenen Spanischunterrichts sowie die Orientierung an aktuellen Erkenntnissen und Empfehlungen aus der und für die materialgestützte Unter‐ richtspraxis intendiert wird. Diese sind den nachfolgenden Ausführungen zu entnehmen. Aufgabenorientierung Mit der Ausrichtung eines kompetenz- und handlungsorientierten Spanischunterrichts geht das didaktisch-methodische Unterrichtsprinzip der Aufgabenorientierung einher, mit dem auf Basis ausgewählter (Lern-)Aufgaben und Übungen auf die Erreichung bestimmter Kompetenzen zur Bewältigung von Kommunikationssituationen hingearbeitet wird (vgl. Müller-Hartmann/ Schocker 2016, 325). Lernende werden in diesem Zuge befähigt, in der 4.3 Die Rezeption und Verwendung des Lehrwerks von Spanischlehrkräften (Quant-QUAL) 263 <?page no="264"?> Fremdsprache zu handeln, indem sie die (Lern-)Aufgaben lösen und somit kommunikative Herausforderungen bewältigen (vgl. Biebighäuser 2021, 247). Im Regelfall planen die Lehrkräfte ihre Lektionsarbeit von der (Teil-)Lernaufgabe her bzw. identifizieren die Ziele der jeweils zu bearbeitenden Lektionen und wählen danach Texte, Aufgaben und Übungen sowie ggf. Zusatzmaterial aus. B: #00: 05: 36-7# […] ich lese erstmal die Lehrerhandreichung durch und von daher sehe ich halt auf einen Blick was ist die tarea, was ist das Ergebnis, es soll eine E-Mail sein, dann weiß ich aha, die Schüler müssen schreiben und davon leite ich dann weiter meine Entscheidungen ab, dass sie das Ziel erreichen können. […]. #00: 07: 10-5# (Interviewtranskript, LVI, 10) Weitestgehend erfolgt die Aufbereitung der Lektion im Sinne der Rückwärtsplanung, obgleich dies nicht explizit von den Lehrkräften so bezeichnet oder in Form eines Schemas eingetragen wird. Im Zuge der Rekonstruktion der Lektionsarbeit (vgl. Kap. 4.3.3.2) konnte das Vorgehen orientiert an der (Lern-)Aufgabe bzw. am Lernziel nachgezeichnet werden. Ermittelt wurde auch, dass die Lehrkräfte kritisch und flexibel mit den angebotenen Lern‐ aufgaben umgehen. Bspw. wird die eigentlich vorgesehene Lernaufgabe durch (z. T. selbst festgelegte) Teillernaufgaben (minitareas) der Lektionen ersetzt, da erstere als unpassend für den jeweils vorliegenden Lehr- und Lernkontext erachtet wird. Mögliche Gründe dafür sind u. a. ein zu geringer Grad an sprachlichem Umsatz, eine nicht angemessene Anbindung an das Sprachniveau der Lernenden, Lebensweltferne sowie eine zu umfangreiche Anlage der Aufgabe, die sich aus zeit- und systembedingten Faktoren nicht umsetzen lässt. Anhand der Analyseergebnisse kann außerdem belegt werden, dass die Lehrkräfte, die während des Beobachtungszeitraums mit zwei Lehrwerken (Erscheinungsjahr: 2008 und 2016) in unterschiedlichen Klassenstufen arbeiteten, das Prinzip der Aufgabenorientierung selbst auf das ältere Lehrwerk (nicht explizit aufgabenorientiert angelegt) übertragen haben. Hierzu wurden mögliche (Teil-)Lernaufgaben identifiziert und weiter ausgearbeitet (z. B. inhaltlich, sprachlich) sowie eine zur Erreichung des Unterrichtsziels angelegte Zusammenstellung an Texten, Aufgaben und Übungen entwickelt. Inhalts- und Lernendenorientierung Die analysierte Lektionsarbeit (vgl. Kap. 4.3.3.2) zeigt darüber hinaus, dass die Lehrkräfte die Themen, Texte, Aufgaben und Übungen neben der balancierten Förderung verschiedener Kompetenzen und der Bewältigung der Lernaufgabe, insb. nach dem potenziellen Interes‐ santheitsgrad und der Identifizierungsmöglichkeit für die Lernenden auswählen. Auch die außerunterrichtliche Relevanz stellt ein Kriterium bei der Auswahl der Mate‐ rialien dar. Der nachfolgende Interviewtranskriptauszug von Lehrkraft II demonstriert aber auch die Problematik bei der Umsetzung dieses Prinzips in einem lehrwerkbasierten Fremdsprachenunterricht bzw. die ergriffenen Handlungsmaßnahmen: B: #01: 00: 21-3# […] es ist immer der Blickpunkt, inwieweit können das Schüler mit ihrer Lebenswelt überhaupt verbinden? Ja, weil immer nur mit der Geschichte, mit den mellizos 264 4 Empirische Untersuchungsergebnisse <?page no="265"?> finde ich jetzt auch nicht so spannend, […]. Und finde ich jetzt nicht so, dass man sich identifizieren kann. […] Ach, ich versuche, das immer so umzuwandeln, dass im Prinzip ja alltäglichen Leben erleben wir das ja auch so, dass man den Blickpunkt so ein bisschen wendet. Nicht so immer diese Identifizierung mit denen jetzt in Sevilla, das finde ich ein bisschen aufoktroyiert das Ganze. #01: 02: 01-4# (Interviewtranskript, LII, 114) Lehrwerke werden im Regelfall von Autorenteams erstellt, die nicht unbedingt in Kon‐ takt zu potenziellen zukünftigen Lernendengruppen stehen, weshalb Inhalte ausgewählt werden, von denen angenommen wird, dass diese für Lernende von Relevanz sein könnten (vgl. Biebighäuser 2021, 245). Lehrkraft II versteht es daher als eine ihrer Aufgaben bei der Auswahl und Aufbereitung von Materialien, die konstruierte Situation im Lehrwerk zu hinterfragen, ggf. aufzulösen und mit der Alltagswelt der Lernenden zu verbinden (z. B. Hobbies, Interessen), sodass die Lernenden Anknüpfungsmöglichkeiten sehen und eine Bedeutung für die eigene Lebenswelt erfahren. Im Zuge der Datenanalyse konnten von den Lehrkräften konkret ergriffene materialbezogene Maßnahmen ermittelt werden, die den Grad der Lernendenorientierung und Anknüpfungsmöglichkeiten an die eigene Lebenswelt erhöhen sollen und mit denen handlungsorientierte Verfahren eingebettet werden (vgl. dazu Abendroth-Timmer/ Gerlach 2021, 156). Zur Herstellung eines Lebens‐ welt- und Anwendungsbezugs mit dem Ziel einer Steigerung der (Lern-)Motivation und des Identifikationspotenzials für die Lernenden binden die Lehrkräfte u. a. Song-Videos, einen Film zu mexikanischer Musik sowie eine Lektüre zu einem für Lernende greifbaren Thema (Ferien, Urlaub) ein. Der Interviewtranskriptauszug von Lehrkraft VI zeigt, wie sie durch die Einbettung von aktueller Musik (z. B. über Streaming-Dienste mit Songtexten) eine Anbindung an die Lebenswelt der Lernenden zu erzielen versucht. Oftmals handelt es sich dabei um spanische Lieder, die die Lernenden teilweise auch privat in ihrer Freizeit hören. B: #01: 28: 57-2# […] man merkt schon […], dass immer mehr spanische Musik kommt, ja immer mehr Rhythmen und dass die Schüler das auch teilweise privat hören. #01: 29: 11-9# (Interviewtranskript, VI, 208) Eine weitere Maßnahme stellt die Einbindung kreativer und spielerischer Zugänge sowie authentischer (digitaler) Materialien und Medien in die Lehrwerkarbeit dar, womit die Aufrechterhaltung der Begeisterung und Motivation sowie die Gewährleistung von Au‐ thentizität und Anbindung an die Realität intendiert wird. Dazu werden u. a. neben (aktuellen) Song-Videos und Liedern (aus den Playlists bekannter Streaming-Dienste) Fernsehsendungen, z. B. die aktuelle Staffel bzw. Teile von einer Castingshow (bei Lehrwerkthema), Kurzfilme, Sprachlernspiele, Grammatikgeschichten und Literatur ein‐ gebunden. Außerdem wurde herausgearbeitet, dass Lehrkräfte zur Intensivierung der Lernendenorientierung versuchen, Inhalte und grammatische Strukturen unter Darbietung von konkreten Anwendungsmöglichkeiten erfahrbarer bzw. erlebbarer für die Lernenden 4.3 Die Rezeption und Verwendung des Lehrwerks von Spanischlehrkräften (Quant-QUAL) 265 <?page no="266"?> bzw. zu einem gemeinsamen Erlebnis zu machen, das in Erinnerung bleibt (z. B. Gramma‐ tikgeschichten/ -lieder). B: #00: 13: 23-9# […] Ich mache das dann auch bei der Grammatik immer so, dass man da Zeichnungen zu hat, dass man sich das einprägt. […] oder wie so ein kleiner Rap dann dazu […], dass man das zusammen darstellt und das zusammen erlebt. […]. #00: 17: 55-9# (Interviewtranskript, LII, 24) Als letzte Maßnahme konnte die Veränderung von Lehrwerkinhalten und -aufgaben hinsichtlich der Anknüpfung an die Erfahrungswelt identifiziert werden. Damit ist gemeint, dass Lehrkräfte bspw. nicht, wie im Lehrbuch vorgeschlagen, mit den Lernenden allgemein über das Wetter während der verschiedenen Jahreszeiten sprechen, sondern die Lernenden das Wetter am letzten Ferienort oder bei einer vergangenen Aktivität beschreiben. Differenzierung Aus den Analyseergebnissen kann abgeleitet werden, dass die Lehrkräfte über mögliche Differenzierungsangebote nachdenken und diese vermehrt in ihren Spanischunterricht einbinden. Dabei handelt es sich, wie von Biebighäuser (2021, 247) angenommen, aber nicht nur um Differenzierungsangebote, die „auf zwei oder drei Niveaustufen beschränkt [sind]“ (ebd.) und denen die Lernenden gemäß ihrem Leistungsvermögen zugeteilt werden, sondern bspw. auch um (stärker individualisierende) inhaltliche oder arbeits- und sozial‐ formbezogene differenzierende Maßnahmen (vgl. dazu Eisenmann 2016, 358 ff.). Das didaktisch-methodische Prinzip der Differenzierung sorgt bei den teilnehmenden Lehrkräften der Gesamtstudie im Vergleich zu den im Voraus erläuterten Konzepten für mehr Unbehagen, und die Datenanalyse zeigt eine von den Teilnehmenden wahrge‐ nommene Grundproblematik bei der materialbezogenen Umsetzung dieses Prinzips im Unterricht. Zum einen wird dies damit begründet, dass beim Angebot verschiedener Auf‐ gaben- und Bearbeitungsvarianten die Lernenden häufig aufgrund fehlender Motivation, geringen Interesses und mit dem Ziel der Minimierung des Arbeitsaufwands ungefiltert die einfachste Bearbeitungsvariante wählen, sodass die eigentliche Intention des Wahlangebots aufgehoben wird. Zum anderen gestehen sich die Lernenden häufig einen erhöhten Förderbedarf bzw. ein erhöhtes Maß an Differenzierungsmaßnahmen nicht ein (Gefühl des „Schlechter-Seins“). B: #01: 07: 43-4# […] Die Schüler fühlten sich, sobald sie die leichtere Übung machen dürfen, minderwertig behandelt. […] Ich habe teilweise Unterricht gemacht, […], Gruppe A schreibt mir den Text ganz frei. Gruppe B kriegt Stichpunkte und macht daraus einen Text und Gruppe C kriegt einen Lückentext und füllt aus. Also als typische Differenzierungsaufgabe. […]. Ja, oder alle machen C, weil da müssen wir am wenigsten arbeiten, weil wir sind hier alle faul, und wir bekennen uns dazu. Wir haben ja gar keine Lust, was Freies zu schreiben. Also, das fährt ganz oft vor die Wand, das Differenzieren. […]. #01: 08: 55-2# (Interviewtranskript, LVII, 123). 266 4 Empirische Untersuchungsergebnisse <?page no="267"?> In der Konsequenz führt dies dazu, dass die im Lehrwerkverbund bereits differenzierend angelegten Lehrwerkbestandteile (z. B. die differenzierende Ausgabe des Arbeitshefts) selten bis nie verwendet werden. Darüber hinaus stellen die teilnehmenden Lehrkräfte die Sinnhaftigkeit solcher Lehrwerkbestandteile vor dem Hintergrund der von den Lernenden erlebten „Herabstufung“ in Bezug auf das Leistungsniveau infrage. B: #01: 37: 47-6# […] Ich würde das [differenzierende Version des Arbeitshefts, JLK] aber nicht die Schüler explizit anschaffen lassen, dass der eine nur das eine und der andere nur das andere hat, weil das führt, glaube ich, zu so ein bisschen, ja, du hast das, was die Schlaueren haben, und so weiter. […]. #01: 38: 30-2# (Interviewtranskript, LI, 280). Mit den vorangegangenen Befunden geht jedoch nicht einher, dass die Lehrkräfte keinen Gebrauch von Differenzierungsmaßnahmen machen. Allerdings wählen sie zumeist For‐ mate, die weniger offensichtlich und offensiv sowie teils den Lernenden auch nicht bewusst sind (z. B. Hilfe-Seiten im Lehrbuch oder durch Symbole gekennzeichneter Schwierigkeitsgrad der Aufgabe und/ oder Übung). Im Regelfall erhalten alle Lernenden vorerst dieselbe Version der Aufgabe oder Übung. Je nach Bearbeitungsverlauf bekommen die Lernenden individuell von den Lehrkräften den Verweis mit den Hilfeund/ oder Zusatzseiten weiterzuarbeiten bzw. sie erhalten direkt zusätzliche Erklärungen. B: #01: 25: 03-4# […] Von daher würde ich dann lieber im normalen cuaderno leichte und schwere Aufgaben machen […]. #01: 26: 20-2# (Interviewtranskript, LVI, 196) B: #00: 39: 32-4# (…) Meistens gleich, es sei denn-, also in manchen Fällen, wer schon fertig ist, dem gebe ich dann halt nochmal die ideas oder noch eine Zusatzaufgabe, ja, genau, bei denen, wo ich weiß, die stehen eher auf der Leitung, gebe ich die ayuda noch dazu […]. #00: 40: 11-7# (Interviewtranskript, LI, 122). Im Zuge der Datenanalyse konnte die folgenden von den Lehrkräften konkret ergriffenen und über die bloße Form der Leistungsdifferenzierung hinausgehenden Maßnahmen in Bezug auf ihre Lehrwerkarbeit identifiziert werden: • Entwicklung von selbst erstelltem am Lehrwerk orientiertem/ vom Lehrwerk ausge‐ henden Material, z.-B. - zur Vorentlastung/ Vereinfachung im Bereich Wortschatz und Schreiben (u. a. Positionierung zum Song-Video oder Kurzfilm zu Mexiko); - zur Gewährleistung der inhaltlichen Offenheit (u. a. beim Mitteilen der eigenen Meinung und Interessen); - über das Thema hinausgehende und vertiefende Arbeitsaufträge (u. a. genrespe‐ zifische Aspekte zum Kurzfilm zu Mexiko, Schreiben eines kurzen Kommentars); - methodische Variation (insb. bei Wortschatzaktivitäten); - Lektürearbeit und Lesetagebuch (lehrwerkunabhängig); • Wahlmöglichkeit der Arbeits- und Sozialform (z. B. bei (induktiv-angelegter) Gramma‐ tikarbeit in Einzel- oder Partnerarbeit); 4.3 Die Rezeption und Verwendung des Lehrwerks von Spanischlehrkräften (Quant-QUAL) 267 <?page no="268"?> • Angebot von Wahlmöglichkeiten bei der Bearbeitung einer Aufgabe (z. B. drei Vari‐ anten des Schreibens eines spanischsprachigen Texts auf Basis des Lehrbuchs (freies Schreiben, Schreiben auf Basis von Stichpunkten, Ausfüllen eines Lückentexts). Mehrsprachigkeit Die Lehrkräfte berücksichtigen in unterschiedlicher Form und Intensität die schulische Mehrsprachigkeit ihrer Lernenden. Dazu ergreifen sie im Rahmen der Lehrwerkarbeit verschiedene Maßnahmen, mit denen sprach(lern-)bezogene Vorkenntnisse und bereits vorhandene Ressourcen vonseiten der Lernenden adressiert werden (i. d. R. vorgelernte (Fremd-)Sprachen) (vgl. dazu auch Bredthauer/ Engfer 2018, 6). Im Regelfall verwenden die Lehrkräfte die bereits im Lehrwerk enthaltenen Hinweise bzw. Ansätze zur Bezugnahme auf andere Sprachen. Querverweise zwischen Sprachen und Sprachvarietäten (katalanisch) werden vorrangig in den Bereichen Lexik und Grammatik hergestellt und überwiegend mündlich in den Unterrichtsdiskurs eingebettet (z. B. beim Lesen und Verstehen eines Lektionstextes) (vgl. ebd.). Die nachfolgende Zusammenstellung von Interview- und Videotranskriptauszügen illustriert die vorangegangenen Befunde: B: #00: 45: 48-5# […] Generell bei unbekannten Wörtern oder wenn sie fragen, was irgendwas heißt, […]. Mittlerweile haben sie auch schon so eine Strategie entwickelt, dass sie überlegen und manche sogar von selbst sagen, ach, das ist ja wie im Englischen. […]. #00: 46: 11-5# (Interviewtranskript, LI, 130) L: #00: 08: 36-1# […] L fragt S nach den Unterschieden beider Zukunftsformen anhand zweier Beispielsätze. L nimmt S nach und nach dran. S stellen Bezüge zum Englischen her (going to-/ will-future). S liest weitere Charakteristika der Zeit auf Lehrbuchseite vor. L lässt Beispielsätze zu den Zeiten im Buch von S übersetzen, um auf Funktion der Vermutung hinzuweisen. L erklärt Unterschiede im Vergleich zur Verwendung beider Futurformen im Englischen. […]. #00: 33: 58-3# (Videotranskript, LI, 07.09.20, 64) L: #00: 28: 53-7# […] L vergibt an einige S die Rolle des Experten des Englischen, die ihre Englischkenntnisse zur Erschließung weiterer Wörter aus dem spanischen Text nutzen. #00: 31: 52-6# (Videotranskript, LIII, 09.09.20, 50) Somit bleibt festzuhalten, dass die schulisch erworbene Mehrsprachigkeit der Lernenden im Spanischunterricht zwar nicht systematisch aufgegriffen und darüber reflektiert wird. Je‐ doch werden die Lernenden zur allgemeinen Mobilisierung einer sprachenübergreifenden Nutzung ihrer Ressourcen (u. a. Lernstrategien und -techniken, Vergabe von Expertenrollen des Englischen) insb. mit Blick auf die Erleichterung und Ökonomisierung des eigenen Fremdsprachenlernprozesses, des Durchdenkens von sprachlichen Strukturen und des Transfers der durchgeführten Prozeduren auf andere sprachliche Phänomene auf einer oberflächlichen Ebene angeregt (vgl. dazu auch Biebighäuser 2021, 247). 268 4 Empirische Untersuchungsergebnisse <?page no="269"?> B: #01: 31: 44-6# […] Mir das ist sehr wichtig, weil ich als Lernende fand das immer besonders leicht, wenn ich das aus einer anderen Sprache gekannt habe oder aus irgendeinem anderen Anlass. Ja, das waren für mich immer sehr gute Eselsbrücken und ich denke, das ist […] für viele vielleicht auch eine Erleichterung, dass ich mir bewusstwerde, in anderen Sprachen gibt es das auch. Dann kann ich das herleiten und auf andere Situationen übertragen. #01: 32: 28-3# (Interviewtranskript, LIV, 186) Eine über das Lehrwerkangebot hinausgehende lehrer*innenseitige Implementierung von spezifisch mehrsprachigkeitsdidaktisch-ausgerichteten Ansätzen bzw. von daraus hervor‐ gegangenen Aufgabenformaten (z. B. sprachenübergreifende Aufgaben) zur Fundierung dieses didaktisch-methodischen Prinzips (vgl. dazu auch Bredthauer/ Engfer 2018, 6) kann mit den vorliegenden Daten nicht nachgewiesen werden. Es wurden also bspw. keine mehrsprachigen Wörterbücher, lexikalischen Serien, interlinguale Tabellen, Paralleltexte oder Spontan-/ Hypothesengrammatiken eingesetzt (vgl. Rückl 2019, 378 f.). Auch spielt die Mehrsprachigkeit der Lerngruppe bei der Durchsicht und Auswahl von Lehrwerkmateria‐ lien kaum eine Rolle. Damit einhergeht, dass auch das besondere Potenzial mehrsprachigkeitsdidaktischer Verfahren, insb. sprachenübergreifender und -vergleichender Formate, zur Förderung der Sprach(en)bewusstheit und Sprachlernkompetenz (vgl. Budde/ Martinez 2023, 92 ff.), des eigenständigen Entdeckens und Erschließens sprachlicher Strukturen (auf Basis individu‐ eller Vorkenntnisse), der Übertragung dieser Erfahrung auf den eigenen Lernprozess, der Hypothesenbildung sowie Reflexions- und Dokumentationsfähigkeit (vgl. Haberland/ Ko‐ rell 2021, 26) in den beobachteten Unterrichtseinheiten nicht entfaltet wurde (vgl. dazu auch die Ausführungen in diesem Teilkapitel zur Kompetenzorientierung). Zu hinterfragen bleibt hier mit Blick mit auf die festgestellte Funktion des Lehrwerks als agent of change (vgl. Hutchinson/ Torres 1994), ob mehr und unterschiedliche mehr‐ sprachige Formate integriert worden wären und dies Auswirkungen auf die gesetzten Kompetenzschwerpunkte der Lehrkräfte sowie die integrative Förderung dieser gehabt hätte, wenn erstere im Material enthalten gewesen wären. Denn die Ergebnisse zeigen deutlich, dass Lehrkräfte grundsätzlich die Bereitschaft zeigen, dem Lehrwerk inhärente Formate auszuprobieren (vgl. Kap. 4.2.2.3), aber solche weniger aus eigener Kraft zusätzlich einbinden. Literaturdidaktische und dramapädagogische Ansätze In der beobachteten Lektionsarbeit konnte ebenfalls die Integration literaturdidaktischer und dramapädagogischer Ansätze identifiziert werden, die primär von den Lehrkräften I und VII eingesetzt werden. Lehrkraft VII bindet vom ersten Lernjahr an literarische Texte und dazu vom Lehrwerk unabhängiges (selbst erstelltes) Material in ihren Spanisch‐ unterricht mit unterschiedlichen Aufgabenformaten ein (u. a. Lesetagebuch zu lehrwerku‐ nabhängiger Lektüre). Diese enthalten phasenorientierte Aktivitäten (vor, während und nach der Lektüre) sowie kreative Verfahren im Umgang mit literarischen Texten, bspw. Anlässe zum kreativen Schreiben oder zur kreativen Rezeption von Texten (vgl. Fäcke 2017, 4.3 Die Rezeption und Verwendung des Lehrwerks von Spanischlehrkräften (Quant-QUAL) 269 <?page no="270"?> 210 ff.). In der beobachteten literaturbasierten Unterrichtsstunde konnte eine Kombination rezeptionsästhetischer Ansätze (vgl. ebd., 197) und Analyseformen des close reading (vgl. Nünning 2013, 105) identifiziert werden. Zum einen wurden die Rezipient*innen mit ihren Erfahrungswelten und Interessen in den Vordergrund gerückt, die mit dem Material inter‐ agieren und zum anderen wurde der Text und seine ästhetische Struktur in den Mittelpunkt gestellt und der sprachlich-stilistische und formale Aufbau des Textes untersucht. Lehrkraft VII intendiert mit der frühen Einbindung literarischer Texte vorrangig eine Sensibilisierung für den Umgang mit fremdsprachlicher Literatur und einen Abbau von Hemmungen beim bzw. Vorurteilen zum Lesen von Literatur und dem damit häufig verbundenen Komplexitätsbzw. Schwierigkeitsgrad solcher Texte. Demzufolge wählt sie für ihren Spanischunterricht einen weniger bewertungsintensiven Zugang zur Sprache über Literatur, um bei den Lernenden eine positive Konnotation hervorzurufen (vgl. Diehr/ Surkamp 2015 zur motivational-attitudinalen Dimension der Kompetenzförderung im fremdsprachlichen Literaturunterricht). B: #01: 16: 05-5# […] Ich habe ihnen das jetzt aber auch so verpackt als ja im Buch machen wir die schwierigen neuen Sachen und hier lehnen wir uns ein bisschen zurück und lesen […] ganz, ganz entspannt […], weil was Besseres kann mir nicht passieren, als wenn eine Lektüre positiv konnotiert ist, […]. #01: 19: 44-3# (Interviewtranskript, LVII, 151) Die Analyseergebnisse legen von Lehrkraft VII als zentral erachtete Funktionen literari‐ scher Texte im Spanischunterricht offen. Hierzu werden insb. inhaltliche, sprachliche und didaktisch-methodische Dimensionen hervorgehoben, die mit literarischen Texten adressiert werden können (z. B. Identifikationsangebot mit Figuren, kreativer Zugang zur Sprache, höherer Grad an Authentizität, Anschlussmöglichkeiten für die Alltagskommuni‐ kationen und ein adäquater(er) Zugang zu interkulturellen Aspekten) (vgl. Fäcke 2017, 192). Lehrkraft I bindet unter Bezugnahme auf ihr weiteres Unterrichtsfach und die positiven Rückmeldungen der Lernenden regelmäßig dramapädagogische Ansätze (vgl. Schewe 2016, 355) in ihre Lehrwerkarbeit im Spanischunterricht ein. Die Integration solcher Ansätze ist insb. zentral für die Förderung der sprachlichen Handlungskompetenz, das Erreichen affektiver Lernziele, das Ermöglichen eines Identifikationsangebots über Lerninhalte und die Herstellung einer Verbindung zwischen Sprachanwendung und Bewegung sowie Emo‐ tionen. Den Schüler*innen werden Lernangebote unterbreitet, die sie zum mehrkanaligen Lernen im Sinne einer Verschränkung von „Kopf, Herz, Hand und Fuß“ (Schewe 1993, 8 zit. nach Hille/ Schiedermair 2021, 20) anregen. Exemplarisch lässt sich hierzu das von Lehrkraft I implementierte Format des szenischen Spiels unter Erstellung eines eigenen Textes sowie der Einsatz von Requisiten und dessen Aufführung auf der Schulbühne unter Berücksichtigung theaterspezifischer Aspekte (u. a. Positionierung, Bühnenbild) anführen. Mit dem Verfassen eines eigenen Texts, der Szenengestaltung, der Verteilung von Rollen, der Kreation eines Bühnenbilds, mit den regelmäßigen Proben und der organisatorischen Vorbereitung der Aufführung sowie mit der Aufführung selbst (vgl. Hille/ Schiedermair 2021, 20 f.) implementiert Lehrkraft I ein Unterrichtsverfahren, das „Schüler*innen aktiv handelnd in für sie relevante Aushandlungsprozesse“ (Abendroth-Timmer/ Gerlach 2021, 270 4 Empirische Untersuchungsergebnisse <?page no="271"?> 233) einbindet und das an Kriterien eines handlungs- und projektorientierten Unterricht anknüpft (vgl. Hille/ Schiedermair 2021, 20 f.). B: #00: 59: 37-2# Also die Schüler erstellen beispielsweise einen Dialog zum Thema Taschengeld und dann sollen sie entscheiden, wer ist da vertreten, zum Beispiel eine Mutter und zwei Kinder, und dann erstellen sie so eine kleine Szene schriftlich, die sie dann frei mit Requisiten vorstellen müssen und allein, dass sie dann auf der Bühne sind, ich gehe dann ja immer ins Forum mit ihnen, und das so vorstellen auf Spanisch, ist das immer […] für sie sehr motivierend, […] auch letztens haben sie mich gefragt, wann machen wir so etwas in die Richtung, so ein Projekt, […]. #01: 00: 52-5# (Interviewtranskript, LI, 172) B: #01: 01: 16-2# […] Dann sage ich auch, ihr müsst auch an ein Kostümteil und Requisiten denken, die auch mit einbauen und somit lernen sie ja auch wieder die Vokabeln, wenn sie einen Regenschirm beispielsweise benutzen. […]. #01: 01: 57-6# (Interviewtranskript, LI, 176) Die weiteren Analyseergebnisse belegen, dass auch die anderen Lehrkräfte literaturdidak‐ tischen und dramapädagogischen Ansätzen im Spanischunterricht grundsätzlich offen ge‐ genüber eingestellt sind und deren Sinnhaftigkeit für den Fremdsprachenerwerb anführen. Vor dem Hintergrund zeitlicher Faktoren und der Fülle an sonstigen notwendigerweise zu bearbeitenden Inhalten messen die anderen Lehrkräfte solchen Ansätzen einen geringeren Stellenwert bei und orientieren sich eher enger am Lehrwerk sowie den Vorgaben durch die Lektion. B: #00: 19: 23-4# Ja, finde ich eigentlich ganz gut, weil sie dann noch mal einen anderen Input bekommen. Aber ja, es ist-, bleibt halt tatsächlich immer wenig Zeit dafür. […]. #00: 19: 58-2# (Interviewtranskript, LV, 56) B: #01: 23: 53-4# […] eine komplette Lektion habe ich nie ersetzt, es hat mal einen Teil einer Lektion ersetzt und wurde so eine Zeitlang eine halbe Stunde lang gemacht im Unterricht, […] Ich habe das nur so nebenbei gemacht. #01: 24: 46-5# (Interviewtranskript, LIV, 172) Projektunterricht Aus den vorherigen Ausführungen zu literaturdidaktischen und dramapädagogischen Ansätzen geht bereits die Anknüpfung an projektorientierten Unterricht, zumindest in Teilen, hervor. Nach Legutke (2016, 350) wird unter Projektunterricht „eine offene, themenzentrierte Unterrichtsform, die ein hohes Maß an Mitbestimmung der Lernenden erlaubt“ verstanden. Projekte im Fremdsprachenunterricht werden auf einem Kontinuum von reinen Textprojekten bis hin zu komplexen Begegnungsprojekten angeordnet (vgl. ebd., 352). Letztere konnten in der Phase der videographischen Unterrichtsbeobachtung 4.3 Die Rezeption und Verwendung des Lehrwerks von Spanischlehrkräften (Quant-QUAL) 271 <?page no="272"?> nicht identifiziert werden, erstere in zwei von sieben Fällen hingegen schon. Dies liegt vordergründig daran, dass die teilnehmenden Lehrkräfte kaum „Frei- und Spielräume“ für die Umsetzung projektorientierten Unterrichts in einem vornehmlich lehrwerkbasierten Setting sehen. Die Entwicklung von Rahmenbedingungen für Projektarbeit im Sinne von methodischen Voraussetzungen, Lernmethoden, Techniken der Gruppenarbeit und selbst‐ ständigem Arbeiten (vgl. ebd., 353) erscheint ihnen vor dem Hintergrund der Unterrichts- und Prüfungskultur sowie struktureller Faktoren (vgl. Kap. 4.4) nur bedingt möglich. B: #00: 30: 51-3# […] Das sind tolle Ideen, aber das sind so Projektideen, da kann man ein Vierteljahr dran arbeiten. Also ich kann mir schlecht vorstellen, dass man das im Verlauf des normalen Unterrichts innerhalb von einer Woche hinkriegt so etwas. (..) Also sowas muss ja dann auch bearbeitet, vorgestellt und irgendwie bewertet werden. […] und für mich ist das eher so eine Sache, die man vielleicht so als Extra-Aufgabe an Stelle einer Klassenarbeit über zwei bis drei Wochen mal reinbringen kann. #00: 31: 41-5# (Interviewtranskript, LIII, 70) Deutlich wird an dem vorangegangenen Interviewtranskriptauszug, dass selbst die im Lehrwerk angelegten projektorientierten Ansätze wenig bis keine Verwendung finden, auch nicht in adaptierter, auf den individuellen Lehr-Lern-Kontext abgestimmter Form (z. B. im Sinne der Aufgabenorientierung kreierte Projektaufgaben als tarea final). Zu schlussfolgern ist aus den Ergebnissen, dass Lehrwerkbasierung und institutionelle Rah‐ menbedingungen nicht per se nur als Hindernis für Projektunterricht wahrgenommen werden sollten, sondern vielmehr die Impulse, die das Lehrwerk gibt, aufgespürt und angepasst werden müssen, sowie die Vorstellungskraft der Lehrkraft befördern sollten, Abweichungsmöglichkeiten zu identifizieren und Projektunterricht einzubinden (vgl. Kap. 5.2 zu Implikationen). Digitalisierung: Lehrwerkarbeit und Medien Die beobachteten Unterrichtseinheiten können nicht als maßgeblich digital ausgerichtet gelten. Auch wenn die Teilnehmenden sich nicht gegen den Einsatz digitaler Medien und Lehrwerkbestandteile aussprechen, werden diese selten im Spanischunterricht eingesetzt. Dies wird vorrangig mit einer fehlenden angemessenen Relation von Input bzw. Aufwand und Output im Sinne von Lernertrag gegenüber analogen Zugängen begründet. Im Zuge der Datenanalyse konnten aber auch Vorteile von digitalen Zugängen im Bereich der Lehrwerkarbeit identifiziert werden (vgl. dazu auch Funk/ Kuhn 2020, 237): • Neu entstandene Visualisierungsmöglichkeiten zur Aufmerksamkeitsbündelung und Materialrezeption; • Adressierung der Hör-Seh-Gewohnheiten der Lernenden; • Fortwährende Aktualisierungsmöglichkeit des Lehrwerkmaterials (z. B. in Reaktion auf Veraltung und Ersetzen durch digital verfügbares neues Material); • authentischere und eindrücklichere Vermittlung z. B. interkultureller Inhalte (Videos anstatt Bilder oder Texte); 272 4 Empirische Untersuchungsergebnisse <?page no="273"?> • Abwechslung, Variation und Aufrechterhaltung der Begeisterung bzw. Lernmotiva‐ tion. Anhand der Analyseergebnisse kann gefolgert werden, dass sich die Lehrkräfte bewusst darüber sind, dass digital-gestützte Lehrwerkarbeit nicht per se besser und/ oder motivie‐ render für die Lernenden ist: B: #01: 10: 49-7# […] Ja, digital an und für sich heißt ja nicht unbedingt gleich besser. Es kann eine Unterstützung sein, wenn es für den Unterricht sinnvoll ist […]. #01: 11: 37-6# (Interviewtranskript, LII, 120). Der Einsatz digitaler Medien muss demnach hinterfragt und vor dem Hintergrund des jeweiligen Lernziels begründet werden. Ein einfacher Ersatz analoger durch digitale Zugänge erscheint den Teilnehmenden fragwürdig (z. B. analoge Präsentation des Materials und digitale Visualisierung auf dem Smart-/ Whiteboard): B: #00: 29: 17-2# […] Ob die den Blog auf dem Bildschirm lesen oder im Buch ist für die Schüler kein Unterschied und hat auch keinen Mehrwert […]. #00: 29: 59-5# (Interviewtranskript, LVII, 37). Die vorangegangenen Befunde knüpfen an den Forschungsdiskurs zur Arbeit mit digitalen Lehrwerken an, dessen Ergebnisse besagen, dass bei der bloßen Übertragung eines analogen Formats in ein digitales das Potenzial der bedeutsamen Funktion zur Anschaulichkeit, zum Feedback und zur Differenzierung unge‐ nutzt bleibt (vgl. Funk/ Kuhn 2020, 238). Dies steht auch im Einklang mit der Feststellung von Miera-Yacoub (2020, 235), dass Schulbuchverlage die didaktischen und technologischen Potenziale nicht vollständig ausschöpfen (z. B. Übertragung des Printlehrwerks in digi‐ taler Form mit wenigen digitalen Funktionen). Bezüge lassen sich aus den Ergebnissen auch zum SAMR-Modell (Puentedura 2006) herstellen, das vier Ebenen der Integration digitaler Medien in den Unterricht ausweist. Die erste Stufe der Ersetzung adressiert die von den teilnehmenden Lehrkräften kritisch betrachtete digitale Darbietung analoger Aufgaben. Mit den anderen Stufen der Erweiterung, Änderung und Neubelegung werden mit zunehmender Intensität funktionale Erweiterungen durch digitale Zugänge geschaffen (z. B. LearningApps, Kahoot! ), Aufgaben grundlegend verändert (z. B. Quizlet, Etherpad) oder neue Formate (z. B. Mobile Learning, Flipped Classroom) entwickelt (vgl. Grabner 2016). Die Charakteristika der drei zuletzt genannten Stufen konnten im Zeitraum der videographischen Beobachtungen nicht wahrgenommen werden. Zu hinterfragen ist hier, inwiefern den Lehrkräften derartige Möglichkeiten bekannt und sie damit vertraut sind. Auch die inhaltliche und sprachliche Qualität der digitalen Inhalte in Lehrwerken (z.-B. geringer inhaltlicher Beitrag, unverständliche (Aus-)Sprache) stellt einen Faktor dar, der Lehrkräfte zum Nachdenken über die Sinnhaftigkeit der Einbindung solcher digitalen Materialien (z. B. ergänzend zu einem Lektionstext) anregt. Die teilnehmenden Lehrkräfte können hier genau differenzieren zwischen digitalem Material, das eingebunden wurde, um ein Lehrwerk möglichst modern zu gestalten, unter Inkaufnahme, dass gewisse Qualitäts‐ kriterien (z.-B. Aufgaben- und Übungsgestaltung, Zielgruppenbezug, Lernzieltransparenz) nicht eingehalten werden und solchen digitalen Elementen, die den Qualitätskriterien entsprechen, die analoge überdies auch erfüllen müssen (vgl. dazu auch Funk/ Kuhn 2020, 238). B: #01: 43: 43-4# […] Ich glaube, dass das sehr schnell gemacht worden ist. Man hat versucht, das Buch herauszubringen und das 4.3 Die Rezeption und Verwendung des Lehrwerks von Spanischlehrkräften (Quant-QUAL) 273 <?page no="274"?> so modern wie möglich zu machen, indem man diese Mediencodes angegeben hat. […] aber die sind hier nicht alle wirklich qualitativ so in Ordnung, dass man die verwenden könnte. […] dann kommt das Video über die Geburtstagsfeier, bei dem zehn Kinder auf diese Piñata da einhauen. Dann öffnet sie sich, und alles fällt raus. Das muss ich nicht zeigen, das bereichert meinen Unterricht in keiner Weise, keine sprachliche Umwälzung, keinen Bezug zum Unterrichtsziel etc. […]. #01: 45: 14-0# (Interviewtranskript, LIII, 220). Ermittelt wurde auch die Wahrnehmungstendenz der Lehrkräfte, dass der Einsatz digitaler Medien den für die Lernenden obligatorischen Spanischunterricht, den sie naturgemäß als Verpflichtung erleben, nicht unbedingt motivierender und/ oder ertragreicher macht: B: #00: 29: 17-2# […] Es ist und bleibt Spanischunterricht. Es ist deswegen nicht viel moti‐ vierender, […]. #00: 29: 59-5# (Interviewtranskript, LVII, 37). Nichtsdestotrotz befürwortet ein Teil der Lehrkräfte (insb. I, V, VI) die Integration digitaler Medien durch die Angebote (digitaler) Lehrwerkkomponenten und die Vernetzungen innerhalb der E-Book-Version zu anderen Lehrwerkbestandteilen und sonstigen digitalen Materialien mit Blick auf die Unterrichtsvorbereitung und -planung. Dadurch wird der Einsatz des Lehrwerks im Unterricht und die didaktisch-methodische Verknüpfung der Aktivitäten erleichtert - auch wenn damit nicht zwingend einhergehen muss, dass tatsächlich digitale Medien in den Unterricht integriert werden (vgl. Kap. 4.3.3). Diese Befunde sind darüber hinaus vor dem Hintergrund der Ergebnisse der Studie von Miera-Yacoub (2020, 166) zu bewerten und bestätigen diese teilweise, legen aber auch eine differenziertere Betrachtung nahe: Die Ausstattung der Schulen und mangelnde professio‐ nelle Entwicklungsmöglichkeiten für Lehrkräfte stellen Gründe dafür dar, dass digitale Lehrwerkbestandteile und insb. auch davon unabhängiges digitales Material nur bedingt zum Einsatz kommen. Die Ergebnisse der vorliegenden Untersuchung zeigen gleichsam aber auch, dass mit einer lehrwerkdominierten Unterrichtskultur keine fehlende Einbin‐ dung digitaler Medien bzw. Alternativen einhergehen muss. Die teilnehmenden Lehrkräfte probieren digitales Lehrwerkmaterial und auch unabhängiges davon grundsätzlich aus und binden es zeitweise in ihren Spanischunterricht ein. Je nach Aufwand-Nutzen-Re‐ lation, Lernertrag und Funktionalität behalten sie die Einbettung der Materialien bei oder verwerfen diese (s. dazu insb. Lehrkraft I). Die vorliegenden Studienergebnisse bekräftigen aber auch die Bedeutsamkeit der Forderung von Miera-Yacoub (2020, 235) nach einer Neuausrichtung der Lehrwerkkonzeption mit „tatsächliche[n] Innovationen“, z. B. interaktive Formen, die die Lernenden in eine mitbestimmende Rolle versetzen, kollaborative Arbeitsformen ermöglichen und individualisierte Lernformen integrieren (vgl. ebd.), wodurch Lehrkräften nicht nur die Sinnhaftigkeit digitaler Formate in gewissen Unterrichtssituationen deutlich(er) gemacht werden könnte (vgl. dazu auch die Ausfüh‐ rungen SAMR-Modell nach Puentedura 2006 in diesem Teilkapitel), sondern ihnen auch die Einbindung dieser in einem lehrwerkbasierten Setting erleichtert werden würde. 274 4 Empirische Untersuchungsergebnisse <?page no="275"?> Autonomieförderung Die Autonomieförderung steht weniger im Fokus der lehrwerkbasierten Unterrichtspla‐ nung und -gestaltung der Lehrenden. Kritisch zu bemerken ist vorab, dass Autonomie insb. in institutionalisierten Lernprozessen mit didaktisierten Materialien und in Zusammenarbeit mit anderen Lernenden stets „im Spannungsfeld mit Fremdbestimmung“ (Biebig‐ häuser 2021, 247) zu betrachten ist und „eine vollständige Autonomie beim Lernen unmög‐ lich“ (ebd.) und auch fragwürdig erscheint. Eine Anleitung, den eigenen „Lernprozess selbst zu überwachen“ (ebd.), Verantwortung für den eigenen Lernprozess zu übernehmen (vgl. Schmenk 2016, 367) sowie ein bewusstes und kein beiläufiges Vertrautmachen mit Lernstrategien (vgl. Martinez 2016, 373 f.) gehen aus den Daten nicht hervor. Auch wenn sich in den Spanischlehrwerken vermehrt autonomieorientierte Ansätze finden und das Gesamtkonzept zum selbstständigen Lernen in aktuellen Spanisch- (und Französisch-)Lehrwerken mittlerweile über Anteile selbstständigen/ -reflexiven Ler‐ nens (insb. language learning awareness und die Konzentration sowie Aufmerksamkeit auf Lerner*innenstrategien), Möglichkeiten zur (Selbst-)Evaluation und Kontrollbereiche selbstständigen Lernens verfügt (vgl. dazu auch Valadez Vazquez 2016), werden diese nur von einer Lehrkraft teilweise aufgegriffen. Hierbei handelt es sich vorrangig um eine (mündliche) (Selbst-)Überprüfung der angeeigneten sprachlichen Mittel im Unterrichts‐ diskurs. Die Lernenden werden demnach nicht dazu aufgefordert, ihren Lernprozess zu planen, und sie erhalten wenig bis keine Möglichkeiten, Aspekte ihres Lernens selbst zu bestimmen (z. B. hinsichtlich Methoden), ihre Sprachkompetenzen einzuschätzen, Lerntechniken und -strategien auszuprobieren oder über ihr Lernen nachzudenken. Auch (systematische) Rückblicke auf den Lernprozess im Rahmen einer bearbeiteten Lehrwer‐ klektion konnten nicht ausgemacht werden (vgl. zur Autonomieförderung in bzw. mit Lehrwerken u.-a. Chudak 2007; Nodari 1995). - 4.3.1.2 Situative Parameter: lerngruppenbedingte Umstände und Unterrichtsvorkommnisse Neben den didaktisch-methodischen Faktoren konnten spezifische unterrichtsbzw. lern‐ gruppenbedingte Umstände ermittelt werden, die auf die Lehrwerkverwendung einwirken. Quant-Qual │ Mit einem Mittelwert von 2,0 und einer Standardabweichung von 0,8 stimmt die Mehrheit der befragten Lehrkräfte voll und ganz bis eher zu, die Verwendung der von ihnen ausgewählten Materialien im Voraus an ihre Lerngruppe anzupassen (z. B. Anforderungs- und Leistungsniveau, Lernziel). Material(auswahl-)entscheidungen und -umgangsweisen werden i.-d.-R. also bewusst (vorab) geplant. Aus den qualitativen Analyseergebnissen geht jedoch hervor, dass eine Adaption des Materials an die Spezifik der jeweiligen Lerngruppen eher nur in Ausnahmefällen vorgenommen wird: B: #01: 25: 20-0# (…) Nein, im Vorfeld direkt anpassen, eher selten. #01: 25: 29-5# (Interviewtranskript, LV, 182). Dies ist dann angezeigt, wenn für die Lehrkräfte offensichtlich ist, dass die Menge und Komplexität das Leistungsniveau der Mehrheit der Lernenden erheblich überschreiten, sodass sie folglich Materialanpassungen im Voraus durchführen (z. B. zur Vorentlastung, Differenzierung, Vereinfachung und Wiederholung bei komplexen grammatischen Themen (Pronomenkombinationen) und umfangreichen Lektionstexten). 4.3 Die Rezeption und Verwendung des Lehrwerks von Spanischlehrkräften (Quant-QUAL) 275 <?page no="276"?> Sonst verändern die Lehrkräfte die Inhalte, Aufgaben und Übungen nicht in größerem Ausmaß im Voraus. Zu Beginn erhalten alle Schüler*innen dieselbe Version der Texte, Aufgaben und Übungen des Lehrwerkmaterials: B: #01: 20: 18-2# Nein, nichts Explizites, weil da müssen sie alle durch. #01: 20: 26-4# (Interviewtranskript, LVII, 155). Stellen die Lehrkräfte während der Bearbeitung fest, dass die Lernenden Hilfestellungen benötigen, unterstützen sie die Betroffenen individuell, z. B. mit Differenzierungsseiten oder zusätzli‐ chen Erklärungen. Quant │ Neben einigen bewusst (vorab) getroffenen Auswahlentscheidungen und Um‐ setzungsformen finden sich auch solche, die spontaner Natur sind. Im Mittel geben die 105 befragten Lehrkräfte an, die Materialien auch spontan an Unterrichtsvorkommnisse anzupassen (M=2,2; SD=1,0). Funktion der Quant-Qual-Verschränkung • Verdichtung und Ausdifferenzierung der ermittelten statistischen Kennwerte • Konkretisierung und Neu-Perspektivierung durch Rückbindung an spezifische Unterrichtssituationen Qual │ Bei der qualitativen Datenanalyse ließen sich Gründe für spontan getroffene materialbezogene Entscheidungen ermitteln, mit denen Veränderungen in der geplanten Verfahrensweise (z. B. Wiederholungen, Umstrukturierungen, Anreicherungen) oder auch ein Abbruch einhergehen und die primär aus bestimmten Unterrichtsvorkommnissen oder -reaktionen der Lernenden resultieren. Folgende Unterrichtssituationen und -reaktionen konnten identifiziert werden: • Verständnisprobleme der Lernenden; • Konzentrationsfähigkeit der Lernenden (z.-B. Tagesform); • Besonderes Interesse an einem Thema vonseiten der Lernenden. Unterfüttert man die vorangegangenen Befunde mit konkreten Unterrichtssituationen und spontan vorgenommenen Materialanpassungen, zeigen die Daten eine Vielfalt an Situa‐ tionen und Verfahrensweisen. Mehrheitlich betten die Lehrkräfte weitere Erklär-, Übungs- und Wiederholungsschleifen zu Inhalten und sprachlichen Mitteln ein, die sie teils auch ohne Rückgriff auf das Lehrwerk unter Hinzunahme anderer Vermittlungsmethoden sowie mittels eigener Erklärungen und Beispiele (z. B. Grammatik-Geschichten) durchführen. Darüber hinaus lassen die Lehrkräfte die Aufgaben und Übungen teils auch mehrfach bearbeiten und/ oder wandeln ursprüngliche Unterrichtsplanungen sowie Intentionen der Aufgaben und Übungen ab bzw. lassen diese aus oder brechen die Bearbeitung ab (z. B. aufgrund der Reaktion der Lernenden). Dass (schul-)unterrichtliche Settings von einer Vielzahl an unterschiedlichsten Faktoren beeinflusst werden, ist unbestritten (vgl. Kap. 2.4). Diese Tatsache macht es notwendig, während des Unterrichtsgeschehens, spontan auf (nicht vorhersehbare) Vorkommnisse und Verhaltensweisen der Lernenden zu reagieren und flexibel Materialanpassungen vorzunehmen. 276 4 Empirische Untersuchungsergebnisse <?page no="277"?> B: #01: 13: 11-1# […] es gibt ja sonst was für Faktoren im Unterricht. […] Dann muss ich spotan gucken, ok, dann mache ich etwas anderes. […] das ist ganz wichtig, dass der Lehrer das merkt. Und dass wir auch flexibel sind, weil man kann nicht seinen Unterricht so durch durchexerzieren, wie man sich das vorstellt. Das geht ganz oft nicht. Also ich kann das schon. Nur ist die Frage, was dann hinterher rauskommt. […]. #01: 14: 26-6# (Interviewtranskript, LVII, 147) 4.3.2 Rezeption des Spanischlehrwerks im Zuge der Unterrichtsvor- und -nachbereitung Inhalte des Teilkapitels • Zeitpunkt/ -raum der Lehrwerkrezeption (zur Unterrichtsvorbereitung) • Häufigkeit der Nutzung von Lehrwerkbestandteilen • Vorgehensweisen bei der Lehrwerkverwendung zu unterrichtsvorbereitenden Zwecken • Entscheidungsprozesse und Gründe für/ gegen Lehrwerkbestandteile (auf Basis von Unterrichtsvorbereitungen, Materialnutzungsdokumentationen und Interviews) • Art und Weise der Lehrwerkrezeption (z.-B. Instrumente, Berufserfahrung) • Anzahl und prozentualer Anteil an (immer bis oft sowie nie) verwendeten Lehr‐ werkbestandteilen im Rahmen einer Lektion • (Nicht-)Verwendung digitaler (Lehrer*innen-)Lehrwerkbestandteile • Strukturierung, Format und Durchführungsform der Unterrichtsvorbereitung und Vorab-Veränderung des Materials vor dem Einsatz im Unterricht Quant │ Vor dem Einsatz von Lehrwerkbestandteilen im Unterricht werden diese i. d. R. im Zuge einer Vorab-Materialrezeption zur Unterrichtsvorbereitung analysiert bzw. kri‐ tisch gesichtet. Dies bestätigten 70,5 % der befragten Lehrkräfte, indem sie sich vor der Einführung eines neuen Lehrwerks in grundlegender Form damit auseinandersetzen. 60 % der Lehrkräfte sichten das Lehrwerk auch in kleinschrittigerer und kritischer Form im Rahmen der jeweiligen Lektion, die aktuell oder als nächstes Unterrichtsgegenstand ist bzw. sein wird. Auffällig ist, dass die Analyse von Lehrwerkbestandteilen nach ihrer Verwendung deutlich geringer ausfällt. Hier analysieren lediglich 19 % der befragten Lehrkräfte Lehrwerkkomponenten nach einer bearbeiteten Lektion und nur 17,1 % nach ihrer Verwendung über einen längeren Zeitraum, z.-B. zum Halbjahresende. 4.3 Die Rezeption und Verwendung des Lehrwerks von Spanischlehrkräften (Quant-QUAL) 277 <?page no="278"?> Abbildung 17: Zeitpunkte und -räume der Analyse von Lehrwerkbestandteilen in [%] Funktion der Quant-Qual-Verschränkung • Spezifizierung der Fragebogenergebnisse • Rückbindung der ermittelten Zeitpunkte und ihrer prozentualen Verteilung an die konkrete Vorgehensweise in der beruflichen Praxis Qual │ Mit etwas zeitlichem Abstand, u. a. noch während oder unmittelbar nach der Unter‐ richtsstunde, aber insb. während der Vorbereitung auf die folgende Unterrichtsstunde und an verschiedenen Orten (u. a. im Lehrer*innenzimmer, auf der Heimfahrt oder zu Hause) wird über den Ablauf und materialbezogene Vorkommnisse der letzten Unterrichtsstunde nachgedacht. Hierbei werden der Unterrichtsverlauf, die Reaktionen der Lernenden sowie situative Umstände reflektiert und davon ausgehend weiterer Handlungsbedarf abgeleitet (z.-B. Wiederholung von Themen, Nachsteuerung von Materialien): B: #01: 30: 41-0# Während und nach der Stunde, da denkt man dann schon nach. […] Aber spätestens, wenn ich dann wieder für die nächste Stunde vorbereiten muss, muss ich noch mal nachdenken, wie ist denn die letzte gelaufen […]. Was ist gut gelaufen, was nicht so gut, […]? Kann man das so stehen lassen oder muss man das nochmal anders machen? Muss ich was nachsteuern? Wie ist das bei den Schülern angekommen? […] Oft braucht man dann noch mal so ein bisschen Abstand, weil im gleichen Moment nach der Stunde meistens gar nicht so die Zeit ist. […]. #01: 32: 12-2# (Interviewtranskript, LII, 146) Der vorangegangene Interviewtranskriptauszug verdeutlicht zudem, dass die im quan‐ titativen Studienteil ausgewiesenen Analysezeiträume und -punkte zwar voneinander differenziert werden können, in der lehrwerkverwendungsbezogenen Praxis der Lehrkräfte 278 4 Empirische Untersuchungsergebnisse <?page no="279"?> jedoch parallel zueinander und zyklisch verlaufen, sich teils überlappen und wiederkehrend sind. Quant │ Die statistischen Ergebnisse zeigen, dass insb. das Lehrbuch in der Lernenden‐ fassung, die Audio-CD sowie die Vorschläge zur Leistungsmessung von der Mehrheit der befragten Lehrkräfte immer bis oft im Rahmen einer Lektion verwendet werden. Hinsicht‐ lich der anderen Lehrwerkbestandteile fällt auf, dass zwar bspw. auch das Arbeitsheft in der Lehrenden- und Lernendenfassung, die Kopier- und Arbeitsfolien, die Lehrer*innenhand‐ reichungen und das Lehrbuch in der Lehrendenfassung von der Mehrheit oft im Rahmen einer Lektion genutzt werden. Allerdings wird hier eine größere Standardabweichung deut‐ lich, woraus geschlussfolgert werden kann, dass bspw. die Lehrer*innenhandreichungen le‐ diglich oft bis gelegentlich verwendet werden. Ferner geben 24,7 % der befragten Lehrkräfte sogar an, die Lehrer*innenhandreichungen zu unterrichtsvor- und -nachbereitenden Zwe‐ cken selten bis nie zu nutzen. Bei den digitalen Lehrwerkbestandteilen zeigt ein genauerer Blick auf die statistischen Kennwerte, dass hier eine Differenzierung vorgenommen werden muss. Während der digitale Stoff- und Unterrichtsverteilungsplaner von der Mehrheit der befragten Lehrkräfte selten verwendet wird, wird das digitale Lehrbuch immer bis oft von 40,6 % der befragten Lehrkräfte im Rahmen einer Lehrwerklektion genutzt. Darüber hinaus belegen die statistischen Ergebnisse, dass 11 von maximal möglichen 19 (57,9 %) Lehrwerkbestandteilen (ab einem Mittelwert von 3,0) überhaupt nur gelegentlich bis selten zur Unterrichtsvorbereitung eingesetzt werden. Die vorangegangenen Befunde finden sich in der folgenden Tabelle wieder. Die Reihenfolge der gelisteten Bestandteile orientiert sich an dem errechneten Mittelwert und beginnt mit den am häufigsten hin zu den am seltensten verwendeten Lehrwerkkomponenten. - N M SD Lehrbuch (Lernendenfassung) 102 1,7 1,2 Audio-CD 104 1,8 1,1 Vorschläge zur Leistungsmessung 105 2,0 1,0 Arbeitsheft (Lernendenfassung) 103 2,1 1,4 Arbeitsheft (Lehrendenfassung) 104 2,2 1,4 Lehrer*innenhandreichungen 105 2,7 1,2 Kopier- und Arbeitsfolien 104 2,7 1,1 Lehrbuch (Lehrendenfassung) 103 2,7 1,6 Video-DVD 101 3,1 1,4 Digitales Lehrbuch 101 3,2 1,6 Klassenarbeitstrainer/ Prüfungsheft 102 3,2 1,2 PDF-Downloads 101 3,2 1,1 Grammatikheft 104 3,3 1,2 4.3 Die Rezeption und Verwendung des Lehrwerks von Spanischlehrkräften (Quant-QUAL) 279 <?page no="280"?> - N M SD Internetbasierte Tools 96 3,6 1,2 Differenzierendes Arbeitsheft (Lernendenfassung) 92 3,7 1,3 Digitale Smart- und Whiteboardmaterialien 94 3,7 1,5 Grammatik zum Selbstausfüllen 98 3,8 1,4 Differenzierendes Arbeitsheft (Lehrendenfassung) 92 3,8 1,3 Digitaler Stoff- und Unterrichtsverteilungsplaner 96 4,0 1,4 Tabelle 43: Nutzungshäufigkeit der gelisteten Lehrwerkbestandteile zur Unterrichtsvorbereitung im Rahmen einer Lehrwerklektion (1=immer; 5=nie) Funktion der Quant-Qual-Verschränkung • Verdichtung, Ausdifferenzierung und Neu-Perspektivierung der ermittelten statis‐ tischen Kennwerte • Konkretisierung durch Rückbindung an spezifische Unterrichts- und Verwendungs‐ situationen Qual │ Es konnten im Wesentlichen drei Vorgehensweisen bei der Lehrwerkverwendung zu unterrichtsvorbereitenden Zwecken herausgearbeitet werden. (1) Zu Beginn und während der Arbeit mit einer Lektion konsultieren bspw. die Lehrkräfte I, II und III zuerst die Handreichungen für Lehrkräfte und nehmen die darin enthaltenen Ideen wahr und legen diese wie eine Art Schablone an die Lehrbuchlektion an, bevor sie dann vor diesem Hintergrund weitere materialbezogene Entscheidungen treffen. (2) Lehrkraft V und VII nehmen als Ausgangsbasis der Analyse im Regelfall direkt das Lehrbuch und das Arbeitsheft und treffen Materialauswahlentscheidungen, ohne die Ideen in den Handreichungen für Lehrkräfte vorab zu kennen, da sie ihrer Ansicht nach selbst am besten beurteilen können, inwiefern eine Anpassbarkeit auf ihren eigenen Unterrichtsstil und die jeweilige Lerngruppe gegeben ist und welche handlungs- und materialbezogenen Konsequenzen sie daraus für ihre weitere Lehrwerkarbeit ableiten müssen: B: #00: 49: 12-8# […] und eben dann wirklich auch den Schwerpunkt auf Buch und cuaderno lege in der Planung meines Unterrichts. […] und sagen wir mal so, ich fahre eigentlich so ganz gut, wie ich es tue und deswegen schaue ich da nicht so in diese digitalen Hinweise hinein. (Interviewtranskript, LV, 100) (3) Lehrkraft II und VI gehen noch über die bereits genannten Lehrwerkbestandteile, die als Ausgangsbasis für die Materialrezeption der anderen Lehrkräfte dienen, hinaus und nehmen auch Einblick in digitale und weitere Lehrwerkmaterialien. Aufgrund der Komplexität und Menge von Lehrwerkkomponenten finden diese zwar keinen direkten 280 4 Empirische Untersuchungsergebnisse <?page no="281"?> Eingang in den Unterricht, werden aber zur Generierung von Ideen und neuen Impulsen (z. B. zu Methoden, Arbeitsformen) sowie eines Perspektivenwechsels auf das jeweilige Thema als gewinnbringend erachtet, da den einzelnen Lehrwerkelementen unterschied‐ liche Schwerpunktsetzungen und Herangehensweisen zugrunde liegen: B: #01: 05: 04-7# […] und da gucke ich mir natürlich schon alle Lehrwerkbestandteile zu einem bestimmten Thema an, weil die ja immer wieder etwas anderes anbieten, andere Schwerpunkte setzen. […] #01: 05: 33-4# (Interviewtranskript, LVI, 140). Die nachfolgend identifizierten Bezugspunkte erweisen sich in allen Fällen und unabhängig von der jeweiligen Verfahrensweise als maßgeblich bei der Auswahl und Verwendung des Materials: • Auswahl und Konsultation zentral erscheinender und enger aufeinander abgestimmter Lehrwerkbestandteile (insb. Lehrbuch und Arbeitsheft); • Herstellung von Vernetzungen innerhalb der Aufgaben und Übungen der verschie‐ denen Lehrwerkkomponenten und Festlegung einer Reihenfolge mit Blick auf die jeweils von der Lehrkraft intendierten Funktion (u. a. Vertiefung, Wiederholung, Automatisierung) → Navigation durch das Lehrwerk durch suchendes Lesen und/ oder Vorschläge in den Handreichungen für Lehrkräfte (Symbole), bei der Verwendung der E-Book-Version Rückgriff auf digitale Verknüpfungen zu verschiedenen Lehrwerkbestandteilen; • Anpassung der Materialien an die Lerngruppe, den jeweiligen Unterrichtskontext und die Unterrichtsreihe (u.-a. Inhalte, Anforderungsniveau); • Präferenzen, Annahmen und Erfahrungswerte der Lehrkraft. Trotz der verschiedenen Herangehensweisen und Konsultationen von unterschiedlichen Lehrwerkbestandteilen führen beide Prozesse in der Wahrnehmung der Lehrkräfte zu ähnlichen Resultaten. Es findet eine Prüfung der Inhalte, Reihenfolge und didaktischmethodischen Umsetzung statt und davon ausgehend wird vor dem Hintergrund der Eignung für den jeweiligen Lehr-/ Lernkontext im Spanischunterricht, beurteilt, ob und wie das Material zur Anwendung kommt (z. B. Zusammenfügung von Aufgaben, Auslassung, Kürzung, Ersetzung, Umschreibung, Umstellung). Aus den vorliegenden Befunden kann eine Diskrepanz zwischen der Einschätzung der Sinnhaftigkeit von Lehrwerkbestandteilen und deren tatsächlicher Verwendung abgeleitet werden. Anders formuliert bedeutet das, dass mit der begründeten Sinnhaftigkeit vieler Lehrwerkkomponenten nicht einhergehen muss, dass diese auch regelmäßig (zur Unter‐ richtsvorbereitung) verwendet werden. Unter Bezugnahme auf die im Voraus berichteten Ergebnisse und auf den im vierten Ergebniskapitel ermittelten Zusammenhang zwischen den Variablen Einschätzung der Sinnhaftigkeit von Lehrwerkbestandteilen und Häufigkeit der Verwendung dieser wird gefolgert, dass Lehrwerkmaterialien trotz hoher Zustimmungs‐ werte (z. B. Handreichungen für Lehrkräfte) in sehr unterschiedlichem Ausmaß verwendet werden. Die Entscheidung für oder gegen die Nutzung von Lehrwerkelementen hängt maß‐ geblich von pragmatischen (z. B. Zugriffsmöglichkeit, Zeit) und situativen Faktoren ab (z. B. unterrichtliche Rahmenbedingungen, Leistungsniveau der Lerngruppe, Reaktion der 4.3 Die Rezeption und Verwendung des Lehrwerks von Spanischlehrkräften (Quant-QUAL) 281 <?page no="282"?> Lernenden), wodurch die Unterschiede in der Häufigkeit und Art und Weise der Nutzung zu begründen sind (vgl. Kap. 4.2.1.2, 4.3). Dies gilt weitgehend unabhängig davon, ob diese als sinnhaft erachtet werden oder nicht. Exemplarisch lässt sich der vorangegangene Befund mit den nachfolgenden Ausführungen bestärken: B: #01: 25: 57-5# […] es ist auch so, weil ich dann manchmal denke, oh, jetzt muss ich mich da wieder einloggen bei den Lehrerhandreichungen, ja, das ist nervig und kostet viel mehr Zeit als ein Buch aufzuschlagen […]. #01: 26: 37-4# (Interviewtranskript, LI, 250) B: #00: 48: 01-5# […] aber sozusagen dadurch, dass ich die Gruppen kenne und weiß, worauf die so anspringen, wie die reagieren, was sie für Probleme haben, weiche ich auch ganz gerne mal davon ab. #00: 48: 32-8# (Interviewtranskript, LVI, 96) Quant │ Neben dem Was, Wann und Wo der Lehrwerkrezeption ist insb. das Wie für die Erschließung dieses Themenbereichs relevant. 75,2 % der befragten Lehrkräfte nutzen keine Materialien oder Instrumente, wie bspw. Kriterienkataloge oder Leitfragen zur Analyse des Lehrbuchs/ -werks. Der Abgleich des Materials mit dem und die Anpassung an den individuellen Lehr-/ Lernkontext wird in den meisten Fällen in Form einer direkten Durchsicht der hauptsächlich verwendeten Lehrwerkbestandteile (ggf. unter Hinzunahme der Handreichungen für Lehrkräfte) realisiert und mündet in eine Ableitung material- und handlungsbezogener Konsequenzen anhand der jeweils vorliegenden Aufgabe bzw. Übung. Beim Großteil der Befragten läuft die Analyse auf einer gedanklichen, erfahrungs‐ basierten und teils auch intuitiven Ebene ab, und die Auswahl von geeigneten Aufgaben, Texten etc. wird im Anschluss daran schriftlich festgehalten (analog/ digital). 7,6 % nutzen ausschließlich die dem Lehrwerk inhärenten Materialien zur Analyse. 6,7 % vergleichen Inhalte, Aufgaben und Übungen mit denen aus anderen Lehrwerken, und 3,8 % ziehen als Instrumente bildungspolitische Dokumente heran und gleichen diese mit Inhalten, Aufgaben und Übungen in den Lehrwerken ab. 2,9 % der Befragten nutzen bei der Analyse konkrete Materialien in Form von kriterienbasierten Katalogen oder Tabellen. Mit dem geringsten Prozentsatz von 1,9 % werden der Austausch im Kollegium sowie Rückmeldungen der Lernenden genannt. Auch die Berufserfahrung spielt bei der Analyse von Materialien eine Rolle, denn 8,6 % der Befragten geben explizit an, dass sie sich bei der Lehrbuch-/ -werkanalyse hauptsächlich auf ihre Erfahrungswerte verlassen. Funktion der Quant-Qual-Verschränkung • Aufschlüsselung und Konkretisierung durch Rückbindung an die Vorgehensweise der Lehrkräfte in der beruflichen Praxis • Verstärkung und Neu-Perspektivierung der Befunde • Identifikation neuer Aspekte (über Fragebogen hinausgehend) 282 4 Empirische Untersuchungsergebnisse <?page no="283"?> Qual │ Die Analyse der Interviewdaten legt offen, dass die zu behandelnde Lektion den Ausgangspunkt der Lehrwerkarbeit der teilnehmenden Lehrkräfte darstellt, die sie in ihrer Gesamtheit und vor dem Hintergrund des jeweiligen Lehrbuchbandes betrachten. Dabei werden im Regelfall zentrale Themen, Strukturen und Lernziele identifiziert und daran das Vorgehen in und die Arbeit mit der Lektion ausgerichtet. Mit Blick auf die Nützlichkeit, den Umfang und die Angemessenheit des Materials für das jeweilige Lernziel wird ein Pool an Texten, Aufgaben und Übungen (ggf. auch lehrwerkunabhängig) festgelegt, der schriftlich festgehalten (z. B. auch welche Aufgaben und Übungen ausgelassen werden) und evtl. mit Notizen zur Umsetzungsweise versehen wird (z. B. bzgl. der Abwechslung der Aktivitäten und Inhalte in den verschiedenen Unterrichtsphasen, 7-Minuten-Takt, Aufrechterhaltung des Aufmerksamkeitsfokus der Lernenden): B: #00: 50: 14-1# Also ich gehe natürlich erst mal auf diese Inhaltsseiten und schaue mir an, was das Lernziel ist, welches Thema aufgegriffen wird und welche Grammatiken in diesem Zusammenhang vermittelt werden sollen. Auch welche Kompetenzen vermittelt werden und schaue mir dann an, was an Angeboten in der Lektion an sich geliefert wird und entscheide dann sozusagen mit Blick auf die Lerngruppe, welche Texte und welche Aufgaben erarbeitet werden sollen und mache mir einen Ablaufplan mit Notizen zu den einzelnen Kompetenzen, Wortschatz und Grammatik. Also erst die, dann die, dann die oder manchmal wird auch eine Aufgabe übersprungen. […]. #00: 51: 13-4# (Interviewtranskript, LV, 102) B: #00: 47: 41-1# Ich schreibe das dann auf, ich schreibe die Reihenfolge auf, wie ich es gerne hätte. Ja, also ein bisschen diesen 7-Minuten-Takt, öfter mal ein neues Thema reinzubringen für die Schüler, nicht die ganze Stunde an einem Thema bleiben, die verschiedenen Phasen, […]. Dann versuche ich das so ein bisschen zu strukturieren, dass die Schüler aktiv bleiben, […]. #00: 48: 15-7# (Interviewtranskript, LVII, 71) Die qualitativen Untersuchungsergebnisse affirmieren, dass die Berufserfahrung beim Rezeptionsprozess des Lehrwerks eine entscheidendere Rolle zu spielen scheint, als dies die Ergebnisse der Fragebogenstudie nahelegen. Materialbezogene Erfahrungswerte stellen bei der Rezeption des Materials (vor und während der Verwendung im Unterricht) einen maßgeblichen Orientierungspunkt für die Lehrenden dar (vgl. Kap. 4.2.1.2). Dies lässt sich anhand der Ausführungen von Lehrkraft II exemplarisch veranschaulichen: B: #01: 02: 30-1# (..) Im Prinzip ist viel im Kopf drin an Erinnerungen und Verfahrensweisen, wie habe ich das schon mal gemacht, erlebt? War das sinnvoll? War das erfolgreich? Könnte das jetzt für die Gruppe klappen oder könnte das nicht? […] Wie werden die da wahrscheinlich darauf reagieren? Weiß ich ja, und die hier spielen Fußball und die andere da Volleyball, 4.3 Die Rezeption und Verwendung des Lehrwerks von Spanischlehrkräften (Quant-QUAL) 283 <?page no="284"?> und sei es, der andere spielt ein Instrument. […]. Ja, dass man das schon vorneweg so ein bisschen durchspielt. Wie könnte man das quasi auf diese Schüler dann anwenden? […] Ich denke mal, da geht man einfach von den Erfahrungswerten aus der Vergangenheit. […]. #01: 05: 31-6# (Interviewtranskript, LII, 116) Als Referenz dienen Erinnerungen und Eindrücke, bspw. dazu, wie ein bestimmtes Thema eingeführt wurde oder wie die vorherigen Lerngruppen auf einen gewissen Inhalt in einer Aufgabe reagiert haben. Vor diesem Hintergrund wird mit Blick auf die Charakteristika der aktuellen Lerngruppe abgewogen, ob dieses Vorgehen oder diese Inhalte auch für die aktuelle Lerngruppe (u. a. Leistungsniveau, Interessen, Hobbies) geeignet sein könnten und das unterrichtliche Szenario (mit möglichen Reaktionen der Lernenden) gedanklich abgespielt. Erfahrungswerte helfen, im Vergleich zu weniger Berufserfahrung, in diesem Kontext aber auch, sich eher vom Lehrwerk zu lösen und andere Herangehensweisen anzuwenden (vgl. konträr dazu das statistische Ergebnis in Kap. 4.5). Weitere Faktoren, die Einfluss auf die Rezeption des Lehrwerks vor der Verwendung im Unterricht nehmen, sind die Zeitknappheit und Ressourcenorientierung vonseiten der Lehrkräfte. Der Rückgriff auf erprobte Verfahrensweisen und Erfahrungswerte wird als zeiteffizienter und zielführender erachtet als die Konsultation umfangreicher zusätzlicher Lehrwerkbestandteile (u. a. Handreichungen für Lehrkräfte), deren Ansätze und Ideen sich angabegemäß vor dem Hintergrund o. g. Faktoren (pragmatisch, situativ) nur bedingt umsetzen lassen. Quant │ Zur Auswahl und Nutzung von verschiedenen Lehrwerkbestandteilen bei der Unterrichtsvorbereitung kann die Analyse der Angaben im Fragebogen weiteren Auf‐ schluss liefern. Die Bandbreite der genauen Anzahl verwendeter Lehrwerkkomponenten sowie deren Verwendungshäufigkeit im Rahmen einer Lehrwerklektion wird aus der nachfolgenden Tabelle ersichtlich. Die Reihenfolge der Darbietung orientiert sich dabei beginnend mit den Lehrkräften, die am meisten und am häufigsten Lehrwerkelemente zur Unterrichtsvorbereitung nutzen, hin zu denen, die weniger Lehrwerkbestandteile verwenden und vorab stärker selektieren. Dies lässt sich durch folgendes Beispiel veran‐ schaulichen: Während Lehrkraft I zu unterrichtsvorbereitenden Zwecken mehr als die Hälfte der Lehrwerkmaterialien in verschiedener Form und in unterschiedlichem Ausmaß hinzuzieht und prüft, inwiefern sie für das spezifische Vorhaben in der Unterrichtsstunde geeignet sein könnten, sieht man beim Auswahl- und Nutzungsverhalten der Lehrkräfte III-VI bereits, dass in etwa „nur noch“ ein Drittel des Lehrwerks zur Unterrichtsvorbereitung verwendet wird. Noch deutlicher wird die Vorselektion bei Lehrkraft VII, die letztlich 26,3 % der Bestandteile nutzt. Studienteilnehmende Anzahl an immer bis oft verwendeten Lehrwerkbestandteilen zur Unterrichtsvorbereitung im Rahmen einer Lektion (in-%) Lehrkraft I 52,7-% (10 von 19 Lehrwerkbestandteilen) Lehrkraft II 36,8-% (7 von 19 Lehrwerkbestandteilen) 284 4 Empirische Untersuchungsergebnisse <?page no="285"?> Studienteilnehmende Anzahl an immer bis oft verwendeten Lehrwerkbestandteilen zur Unterrichtsvorbereitung im Rahmen einer Lektion (in-%) Lehrkraft III 36,8-% (7 von 19 Lehrwerkbestandteilen) Lehrkraft IV 36,8-% (7 von 19 Lehrwerkbestandteilen) Lehrkraft VI 36,8-% (7 von 19 Lehrwerkbestandteilen) Lehrkraft V 31,6-% (6 von 19 Lehrwerkbestandteilen) Lehrkraft VII 26,3-% (5 von 19 Lehrwerkbestandteilen) Tabelle 44: Anzahl der immer bis oft verwendeten Lehrwerkbestandteile zur Unterrichtsvorbereitung im Rahmen einer Lehrwerklektion in [%] Quant │ Differenziert man weiter aus, wie hoch der prozentuale Anteil der Lehrwerkkom‐ ponenten ist, die nie zu unterrichtsvorbereitenden Zwecken eingesetzt werden, zeigt sich hier eine sehr große Spannweite von 0 % (Lehrkraft II) bis 63,2 % (Lehrkraft VII). Es gibt also erhebliche Unterschiede bei der Selektion der Lehrwerkelemente zur Unterrichts‐ vorbereitung. Aufgeschlüsselt werden muss hier bei den geringen Prozentsätzen, dass die Lehrkräfte trotz der auf das gesamte Lehrwerk bezogenen Itemformulierung ihren eigenen Bezugsrahmen gewählt haben, den der ihnen bekannten Lehrwerkbestandteile und davon ausgehend die Anzahl der verwendeten Materialien bestimmen. Es erscheint dabei fragwürdig im Abgleich mit den statistischen Kennwerten der Tab. 43, dass kein oder nur ein Lehrwerkbestandteil nie im Rahmen einer Lektion konsultiert wird. Studienteilnehmende Anzahl an nie verwendeten Lehrwerkbestandteilen zur Unterrichts‐ vorbereitung im Rahmen einer Lektion (in-%) Lehrkraft II 0-% (0 von 19 Lehrwerkbestandteilen) Lehrkraft I 5,3-% (1 von 19 Lehrwerkbestandteilen) Lehrkraft IV 31,6-% (6 von 19 Lehrwerkbestandteilen) Lehrkraft V 31,6-% (6 von 19 Lehrwerkbestandteilen) Lehrkraft III 36,8-% (7 von 19 Lehrwerkbestandteilen) Lehrkraft VI 52,6-% (10 von 19 Lehrwerkbestandteilen) Lehrkraft VII 63,2-% (12 von 19 Lehrwerkbestandteilen) Tabelle 45: Anzahl der nie verwendeten Lehrwerkbestandteile zur Unterrichtsvorbereitung im Rahmen einer Lehrwerklektion in [%] Quant-Qual │ Die vorausgehenden Tabellen illustrieren im Fall der Lehrkräfte VI und VII, dass die ausgewählten Lehrwerkkomponenten i. d. R. entweder immer bis oft oder nie verwendet werden. Gelegentliche oder seltene Verwendungshäufigkeiten finden sich in den Angaben im Fragebogen und den Interviews sowie in den Aufzeichnungen der Unterrichtsbeobachtungen in diesen beiden Fällen kaum. Hingegen sieht man bei den 4.3 Die Rezeption und Verwendung des Lehrwerks von Spanischlehrkräften (Quant-QUAL) 285 <?page no="286"?> Lehrkräften I und II, dass 26,3 % bzw. 47,4 % der Lehrwerkelemente auch gelegentlich zur Unterrichtsvorbereitung konsultiert und auf ihre Eignung für unterrichtliche Vorhaben geprüft werden. Betrachtet man darüber hinaus explizit die Verwendung von spezifischen Lehrwerkbestandteilen für Lehrkräfte (u. a. Handreichungen, Unterrichtsstoff- und Verteilungs‐ planer), die mittlerweile überwiegend digital vorliegen und über die Verlagshomepages zu erreichen sind, kann abgeleitet werden, dass digitales (Lehrer*innen-)Lehrwerkmaterial von drei von sieben Lehrkräften (Lehrkräfte I, II, V) zu unterrichtsvorbereitenden Zwecken konsultiert wird. Die genannten Lehrkräfte führen ihre Vorbereitung bspw. regelmäßig auf Basis der E-Book-Version des Lehrbuchs und darin enthaltenen Verknüpfungen zu anderen Lehrwerkkomponenten, Audio- und Video-Dateien sowie zu anderen (unabhängigeren) Materialien (z. B. Blogeintrag, Wetterhomepage) von zu Hause aus durch. Dies wird als komfortabel und ertragreich sowohl für Lehrende (schneller Zugriff durch Verlinkungen, größeres Materialangebot etc.) als auch für die Lernenden (u. a. Motivationssteigerung durch anderes/ authentischeres Material) erachtet. Die anderen vier Lehrkräfte verwenden zur Unterrichtsvorbereitung weder digitale Lehrer*innen-Lehrwerkbestandteile noch andere digitale Elemente (z. B. Video-DVD, digitale Smart- und Whiteboardmaterialien). Sie ziehen die analoge/ gedruckte Fassung der digitalen vor und sehen in der Nutzung der digitalen Lehrwerkbestandteile keinen zentralen Mehrwert mit Blick auf den Lernertrag sowie eine angemessene Input-Output-Relation (vgl. Kap. 4.3.1.1). Funktion der Quant-Qual-Verschränkung • Aufschlüsselung und Konkretisierung der Lehrwerkverwendung zu unterrichts‐ vorbereitenden Zwecken durch Rückbindung an Unterrichts- und Verwendungssituationen mittels von den Lehrkräften angefertigten Unterrichtsplanungen und Materialnutzungsdokumentationen Qual │ Nachfolgend werden die Analyseergebnisse der von den Lehrkräften V, VI und VII unabhängig von der Studienteilnahme angefertigten und freiwillig eingereichten Unterrichtsplanungen mit Blick auf die Nutzung von Lehrwerkmaterialien zur Unterrichts‐ vorbereitung präsentiert. Aus der schriftlich angefertigten Unterrichtsplanung von Lehrkraft VII geht hervor, dass sie mit Wochenplänen arbeitet, in denen sie für die einzelnen Unterrichtsstunden zu wiederholende Themen sowie zu besprechende Grammatikphänomene vorab festhält. Ebenfalls notiert sie anstehende schriftliche Leistungsüberprüfungen oder von ihr zusätz‐ lich angefertigte Wortschatz- und Grammatiktests. Anschließend wird verlaufsorientiert in detaillierterer Form das didaktisch-methodische Vorgehen festgehalten (z. B. zur Kompe‐ tenzförderung, Text- und Wortschatzarbeit, Grammatikerschließung). Ergänzt werden die Ausführungen durch eine Vokabelliste am Seitenrand, die die neu hinzukommenden Wörter bzw. Phrasen enthält, sowie durch die Niederschrift der ausgewählten Hausaufgaben für die Lernenden. 286 4 Empirische Untersuchungsergebnisse <?page no="287"?> Abbildung 18: Schriftliche Unterrichtsplanung von Lehrkraft VII (Beobachtungsprotokoll, 09.09.2020) In ähnlicher, etwas komprimierterer, Form hält auch Lehrkraft VI ihre Unterrichtsvorbereitung fest, die sie mittels einer App auf dem Smartphone realisiert. Im Anschluss an die jeweilige Unterrichtsstunde vermerkt sie, ob und wenn ja mit welchem Eindruck die jeweilige Aktivität von den Lernenden erarbeitet wurde (z. B. „grüner Haken“, Wiederho‐ lungsbedarf). 4.3 Die Rezeption und Verwendung des Lehrwerks von Spanischlehrkräften (Quant-QUAL) 287 <?page no="288"?> Abbildung 19: Schriftliche digitale Unterrichtsplanung von Lehrkraft VI (Beobachtungsprotokoll, 30.10./ 06.11.2020) Die Ausführungen zum unterrichtlichen Vorgehen von Lehrkraft V fallen in diesem Bereich etwas knapper aus. Sie beinhalten im Allgemeinen Abkürzungen der verwendeten Lehrwerkbestandteile mit den jeweiligen Seiten- und Aufgabennummern bzw. die Nennung konkreter Themen/ Aktivitäten sowie teils auch der Sozialformen, die in der jeweiligen Unterrichtsstunde zentral sind (z. B. Verfassen einer E-Mail) bzw. mit der die Aufgaben und Übungen bearbeitet werden. Konkretere Überlegungen zum Vorgehen und zu Umset‐ zungsformen gehen hieraus jedoch nicht hervor. Abbildung 20: Schriftliche Unterrichtsplanung von Lehrkraft V (Beobachtungsprotokoll, 28.09.2020) Qual │ Weiteren Aufschluss zur Verwendung des Lehrwerks zur Unterrichtsvorbereitung liefert die Auswertung der Materialnutzungsdokumentationen. Hieraus geht zusätzlich hervor, ob die Lehrkräfte das verwendete (Lehrwerk-)Material im Voraus verändert haben. In aller Regel ist dies nicht der Fall, was auch mit der Auswertung des Items zu im Voraus/ während der Unterrichtsvorbereitung vorgenommenen Veränderungen an Inhalten, Aufgaben und Übungen in Lehrwerkbestandteilen übereinstimmt. 288 4 Empirische Untersuchungsergebnisse <?page no="289"?> Exemplarisch bestätigen die Angaben der Lehrkräfte III, IV und V, dass hauptsächlich das Lehrbuch, das Arbeitsheft und die Audio-CD verwendet werden. Lehrkraft III nutzt darüber hinaus zusätzlich das über die Mediencodes zu erreichende digitale Material (vgl. Tab. 49). Aus den Materialnutzungsdokumentationen wird bspw. aber auch die Nutzung anderen verlagsgebundenen Materials (zur Grammatikarbeit, Lehrkraft III) sowie selbst erstellten Materials deutlich (vgl. Tab. 48, 49). Dies wurde in allen drei Fällen zu unterschiedlichen Zwecken eingesetzt, bspw. zur Klausurvorbereitung (Lehrkraft IV, Tab. 47), zur Überprüfung von Grammatik- und Wortschatzkenntnissen (Lehrkraft V, Tab. 46) oder als differenzierendes und ergänzendes Format zu einer filmbasierten Lehrbuchaufgabe zur Erhöhung des Lernertrags und zur Steigerung des Interessantheitsgrads (Lehrkraft III) (vgl. Tab. 49). Zur Illustration der vorangegangenen Befunde findet sich nachfolgend eine Auswahl an Ausschnitten der Materialnutzungsdokumentationen. Datum des Unterrichts: 07.09.2020 Verwendetes Material (z.-B. Lehrbuch, selbst erstelltes Ma‐ terial) Seite, Nummer, Text Haben Sie das Material (Auf‐ gabe, Übung, Text etc.) verän‐ dert? □ Keine Vorbereitung notwendig Test (G/ V): vorrangig selbst erstellt, Wdh. der Inhalte der Corona-Homeschooling-Phase, Aufgabe zum neg. Imp. aus der LM-CD zu Ap. 3 - X Ja □ Nein - Lehrbuch - S.-14, 3a □ Ja X Nein - Lehrbuch →-Lehrwerk-CD - S.-13, 2, S.-14, 4 □ Ja X Nein Tabelle 46: Materialnutzungsdokumentation zur Unterrichtsvorbereitung von Lehrkraft V (07.09.2020) Datum des Unterrichts: 21.09.2020 Verwendetes Material (z.-B. Lehrbuch, selbst erstelltes Ma‐ terial) Seite, Nummer, Text Haben Sie das Material (Auf‐ gabe, Übung, Text etc.) verän‐ dert? □ Keine Vorbereitung notwendig Selbst erstelltes Blatt zur Ar‐ beitsvorbereitung - X Ja □ Nein - Lehrbuch - S.-17, 7a/ b □ Ja X Nein - Cuaderno de ejercicios (Impera‐ tivo + 2 Pronomen) S.-9, 8 □ Ja X Nein Tabelle 47: Materialnutzungsdokumentation zur Unterrichtsvorbereitung von Lehrkraft IV (21.09.2020) 4.3 Die Rezeption und Verwendung des Lehrwerks von Spanischlehrkräften (Quant-QUAL) 289 <?page no="290"?> Datum des Unterrichts: 09.09.2020 Verwendetes Material (z.-B. Lehrbuch, selbst erstelltes Ma‐ terial) Seite, Nummer, Text Haben Sie das Material (Aufgabe, Übung, Text etc.) verändert? □ Keine Vorbereitung notwendig Lehrbuch - S.-16, 17, 1 + 2 □ Ja X Nein - Durchstarten in Spanisch 1 (Veritas-Verlag) - S.-77, 104-106 □ Ja X Nein - Selbst erstelltes Lösungsblatt - X Ja □ Nein - Selbst erstellter Vokabeltest - X Ja □ Nein - Lehrwerk-CD CD 1, Track 9 □ Ja X Nein Tabelle 48: Materialnutzungsdokumentation zur Unterrichtsvorbereitung von Lehrkraft III (09.09.2020) Datum des Unterrichts: 30.09.2020 Verwendetes Material (z. B. Lehrbuch, selbst erstelltes Material) Seite, Nummer, Text Haben Sie das Material (Aufgabe, Übung, Text etc.) verändert? □ Keine Vorbereitung notwendig Lehrbuch - S.-22, 9 □ Ja X Nein - Selbst erstelltes Arbeitsblatt zur Vorentlastung - - X Ja □ Nein - Cuaderno de ejercicios S.-10, 11 □ Ja X Nein - Lehrbuch-Mediencode 80022-03 □ Ja X Nein - Selbst erstelltes Arbeitsblatt zur Bearbeitung der Filminhalte (s. Mediencode) - X Ja □ Nein Tabelle 49: Materialnutzungsdokumentation zur Unterrichtsvorbereitung von Lehrkraft III (30.09.2020) Quant-Qual │ Die ermittelten Befunde stehen in einem engen Zusammenhang mit dekla‐ rativen Erkenntnissen zur Vorab-Rezeption des Lehrwerks, die aus der Fragebogendaten‐ analyse hervorgehen (vgl. Kap. 4.2.1.1). Weitere Erkenntnisse ergeben sich aus der Analyse der mündlichen Befragung und Beobachtung sowie aus den Unterrichtsplanungen und Materialnutzungsdokumentationen. Dies erlaubte es, die von den Lehrkräften vorgenom‐ menen materialbezogenen Konsequenzen im Anschluss an die von ihnen im Fragebogen berichteten Verfahren zur Analyse und kritischen Durchsicht des Lehrwerks (u. a. Art und Weise, Materialien zur Analyse, Zeitpunkt) zu integrieren und sichtbar zu machen. Des Weiteren wurden Erkenntnisse zu Materialauswahlentscheidungen (insb. Annahme, Ablehnung, Vorab-Veränderung des Materials), zum Format sowie zur Strukturierung 290 4 Empirische Untersuchungsergebnisse <?page no="291"?> nach Unterrichtsphasen/ -sequenzen generiert (z. B. Wochenpläne, Listung der Reihenfolge verwendeter Texte, Aufgaben und Übungen in Lehrwerkbestandteilen). Ferner konnten durch die Einbettung verschiedener Datensätze nicht nur unterschiedliche Perspektiven auf den Untersuchungsgegenstand eingenommen werden, sondern insb. auch Widersprüche oder zumindest kritisch zu hinterfragende Aspekte identifiziert werden. Dies betrifft z. B. die Angabe der Verwendungshäufigkeit im Fragebogen oder die gezeigte Verwendung in den Materialnutzungsdokumentationen und Unterrichtsvorbereitungen. 4.3.3 Verwendung des Spanischlehrwerks im Unterricht Die Verwendung des Lehrwerks im Spanischunterricht selbst wird in zwei Schritten er‐ gründet. Zuerst erfolgt im Zuge einer globalen Rahmung die Einnahme einer quantitativen und quantifizierenden Perspektive auf die Lehrwerkverwendung und Lektionsarbeit. Im Zentrum stehen hier u. a. die Häufigkeit der Nutzung von Lehrwerkbestandteilen und Handlungsoptionen, die Anzahl und der prozentuale Anteil an verwendeten Lehrwerkelementen, die Nutzung dieser Komponenten sowie sonstigen Materials (pro beobachtete Unterrichtseinheit) sowie die durch das Lehrwerk bestimmte Unterrichtszeit (vgl. Kap. 4.3.3.1). Dies stellt die Grundlage für die Feinanalyse der beobachteten Unterrichtseinheiten aus einer qualitativen Perspektive dar (v. a. Unterrichtsphasierung und -sequenzierung, konkrete Lektionsarbeit, unterrichtspraktische Umsetzung, Nutzung von Handlungsop‐ tionen sowie lehrwerkunabhängiger Unterricht) (vgl. Kap. 4.3.3.2). Außerdem dient dieses Vorgehen der (Rück-)Verortung der qualitativen Ergebnisse in einen breiter gefassten Kontext des quantitativen Studienteils sowie einem tiefergehenden Verständnis des Unter‐ suchungsgegenstands. - 4.3.3.1 Globale Rahmung: Eine quantitative und quantifizierende Perspektive auf die beobachtete Lehrwerkverwendung und Lektionsarbeit Inhalte des Teilkapitels • Häufigkeit der Nutzung von Lehrwerkbestandteilen • Immer bis oft verwendetes lehrwerk(un-)abhängiges Material • Anzahl und prozentualer Anteil an (immer bis oft) verwendeten Lehrwerkkompo‐ nenten im Rahmen einer Lektion • Nutzung von Lehrwerkelementen sowie lehrwerkunabhängigem Material pro beobachtete Unterrichtseinheit • Anzahl und prozentualer Anteil an (nie) verwendeten Lehrwerkmaterialien im Rahmen einer Lektion • (Nicht-)Verwendung digitaler (Lehrer*innen-)Lehrwerkbestandteile • Durch das Lehrwerk und lehrwerkunabhängiges Material bestimmte Zeitanteile auf Basis der beobachteten Unterrichtseinheit • Häufigkeit der Nutzung von Handlungsoptionen zur Veränderung von Lehrwerkinhalten, -aufgaben und -übungen 4.3 Die Rezeption und Verwendung des Lehrwerks von Spanischlehrkräften (Quant-QUAL) 291 <?page no="292"?> • Intensität der Nutzung von Materialien zur Veränderung von Lehrwerkinhalten und deren Verwendungshäufigkeit • Verhältnis von Lektionsumfang und Häufigkeit der Nutzung von Handlungsoptionen auf Basis der beobachteten Unterrichtseinheit • Prozentualer Anteil verwendeter Lektionsteile (Texte, Aufgaben, Übungen) auf Basis der beobachteten Unterrichtseinheit Neben der Unterrichtsvorbereitung ist insb. die Untersuchung des materialbezogenen unterrichtlichen Geschehens für die Beantwortung der Forschungsfragen relevant. Schaut man sich die Häufigkeit der Verwendung der verschiedenen Lehrwerkbestandteile im Rahmen einer Lehrwerklektion im Unterricht selbst an, zeigen sich in den statistischen Ergebnissen einige Parallelen zu den in Kap. 4.3.2 ermittelten Befunde. Abgeleitet werden kann daraus, dass die Lehrwerkbestandteile und ihre Inhalte, Aufgaben und Übungen we‐ niger vor dem (Einsatz im) Unterricht, sondern eher während oder vielmehr im Anschluss an diesen auf Angemessenheit für unterrichtliche Lehr- und Lernvorhaben geprüft und davon ausgehend Handlungsbedarfe ermittelt werden. Quant │ Am häufigsten werden das Lehrbuch (Lernendenfassung), die Audio-CD, die Arbeitshefte in beiden Versionen und die Vorschläge zur Leistungsmessung sowie die Kopier- und Arbeitsfolien verwendet. Digitale Lehrwerkkomponenten werden im Mittel gelegentlich bis selten im Unterricht eingesetzt. Fokussiert man die Verwendung der Lehrer*innenhandreichungen im Unterricht selbst, wird deutlich, dass diese nur noch gelegentlich verwendet werden (M=3,3; SD=1,4). Dies dürfte bedeuten, dass ein unmittel‐ barer oder auch spontaner Rückgriff auf die Handreichungen für Lehrkräfte im Unterricht weniger stattfindet. Aus der nachfolgenden Tabelle geht überdies hervor, dass über zwei Drittel der Lehrwerkbestandteile (69,9 %) im Unterricht überhaupt nur gelegentlich bis selten eingesetzt werden. - N M SD Lehrbuch (Lernendenfassung) 102 1,7 1,2 Audio-CD 104 1,9 1,1 Arbeitsheft (Lernendenfassung) 103 2,1 1,4 Arbeitsheft (Lehrendenfassung) 104 2,4 1,5 Vorschläge zur Leistungsmessung 104 2,7 1,4 Kopier- und Arbeitsfolien 101 2,8 1,1 Lehrbuch (Lehrendenfassung) 101 2,9 1,7 Digitales Lehrbuch 101 3,2 1,7 Video-DVD 103 3,2 1,3 Lehrer*innenhandreichungen 101 3,3 1,4 PDF-Downloads 99 3,3 1,2 292 4 Empirische Untersuchungsergebnisse <?page no="293"?> - N M SD Klassenarbeitstrainer/ Prüfungsheft 101 3,5 1,2 Lehrwerkbasierte Lektüren 98 3,6 1,1 Grammatikheft 104 3,6 1,2 Lehrwerkbasierte Sprachlernspiele 98 3,7 1,2 Differenzierendes Arbeitsheft (Lernendenfassung) 92 3,7 1,4 Digitale Smart- und Whiteboardmaterialien 96 3,7 1,5 Internetbasierte Tools 94 3,8 1,2 Grammatik zum Selbstausfüllen 96 3,9 1,3 Differenzierendes Arbeitsheft (Lehrendenfassung) 92 4,0 1,2 Wortschatztrainer 97 4,1 1,0 Lehrwerkbasierte Vokabel-Apps 97 4,4 1,0 Vokabeltaschenbuch 99 4,6 0,8 Tabelle 50: Von den Befragten angegebene Nutzungshäufigkeit der gelisteten Lehrwerkbestandteile im Unterricht im Rahmen einer Lehrwerklektion (1=immer; 5=nie) Ergänzend zu den gelisteten Lehrwerkelementen geben 32,6 % der Lehrkräfte weiteres lehrwerk(un-)abhängiges Material an, das sie zur Unterrichtsvorbereitung und/ oder im Unterricht selbst einsetzen. Die nachfolgend gelisteten Materialien werden von den Lehr‐ personen immer bis oft im Rahmen einer Lektion verwendet, was im Kontrast zu den generierten Erkenntnissen der videographischen Beobachtung steht. Kategorien (am Material gebildet) Prozentangabe Analoges und digitales authentisches Material (z.-B. Internetseiten, Apps, Filme, Videos, Songs) 67,8-% Selbst erstelltes/ eigenes Material (ohne nähere Beschreibung) 51,7-% Andere Verlagsmaterialien (u.-a. Raabits, Fundgrube Spanisch) 19,4-% Andere Lehrwerke 9,7-% Tabelle 51: Anzahl an immer bis oft verwendetem lehrwerk(un-)abhängigem Material zur Unter‐ richtsvorbereitung und im Unterricht in [%] 4.3 Die Rezeption und Verwendung des Lehrwerks von Spanischlehrkräften (Quant-QUAL) 293 <?page no="294"?> 98 Die Anzahl der beobachteten Unterrichtseinheiten variiert vor dem Hintergrund schulsys‐ tembedingter sowie individueller Faktoren (Stundentafeln, Schüler*innenvertretungsstunden (SV-Stunden), Unterrichtsausfall, Erkrankung der Lehrkräfte). Funktion der Quant-Qual-Verschränkung • Vertiefung und Ergänzung der ermittelten statistischen Kennwerte und prozen‐ tualen Verteilungen • Konkretisierung und Neu-Perspektivierung durch Rückbindung an spezifische Verwendungssituationen Quant-Qual │ Die Bandbreite der genauen Anzahl verwendeter Lehrwerkbestandteile sowie deren Verwendungshäufigkeit kann der nachfolgenden Tabelle entnommen werden. Die Reihenfolge der Auflistung orientiert sich dabei beginnend mit der Lehrkraft, die am meisten und am häufigsten Lehrwerkbestandteile im Unterricht nutzt, hin zu der, die weniger Lehrwerkbestandteile verwendet und stärker selektiert. Dies lässt sich anhand des folgenden Beispiels veranschaulichen: Während die Lehrkräfte I und VI im Unterricht rund ein Drittel der Lehrwerkbestandteile immer bis oft verwenden, ist dies bei den Lehrkräften II, IV, VII und III in geringerem Maße der Fall (lediglich 30,4 % bzw. 26,1 %). Noch deutlicher wird die Selektion bei Lehrkraft V, die nur 21,7-% der Lehrwerkbestandteile nutzt. Studienteilnehmende Anzahl an immer bis oft verwendeten Lehrwerkbestandteilen im Unterricht im Rahmen einer Lektion (in-%) Lehrkraft I 34,8-% (8 von 23 Lehrwerkbestandteilen) Lehrkraft VI 34,8-% (8 von 23 Lehrwerkbestandteilen) Lehrkraft II 30,4-% (7 von 23 Lehrwerkbestandteilen) Lehrkraft IV 30,4-% (7 von 23 Lehrwerkbestandteilen) Lehrkraft VII 30,4-% (7 von 23 Lehrwerkbestandteilen) Lehrkraft III 26,1-% (6 von 23 Lehrwerkbestandteilen) Lehrkraft V 21,7-% (5 von 23 Lehrwerkbestandteilen) Tabelle 52: Anzahl an immer bis oft verwendeten Lehrwerkbestandteilen im Unterricht im Rahmen einer Lehrwerklektion in [%] Die aus der videographischen Beobachtung gewonnenen Daten erlauben es, die vorausge‐ henden Erkenntnisse aus der Fragebogenstudie umfassender auszuarbeiten und zu diffe‐ renzieren. Denn die im Fragebogen doch teils abstrakt bleibenden Häufigkeitsangaben und daraus resultierenden Häufigkeitsanalysen können nun an konkrete Unterrichtsstunden und Zeiträume rückgebunden sowie genaue Zeitanteile ermittelt werden. Daher wurden von jeder Lehrkraft insgesamt 315, 360 bzw. 405 Minuten 98 Spanischunterricht aufge‐ zeichnet, die die gesamte Arbeit mit einer Lektion dokumentieren sowie auch die Zeiträume 294 4 Empirische Untersuchungsergebnisse <?page no="295"?> 99 Selbst erstellte bzw. zusammengestellte Klausurvorbereitungen werden trotz ihrer engen Anlehnung an das Lehrwerk bzw. andere Lehrwerke in der Kategorie „selbst erstelltes Material“ geführt. Zugleich kann mit ihnen aber auch die Verschiedenheit der dieser Kategorie zugeordneten Materialien deutlich gemacht bzw. diese von anderem selbst erstelltem und lehrwerkunabhängigerem Material differenziert werden. vor und nach einer schriftlichen Leistungsüberprüfung umfassen. In den beobachteten Unterrichtseinheiten kamen die nachfolgend gelisteten Lehrwerkbestandteile sowie lehr‐ werkunabhängiges Material gemäß ihrer Häufigkeit wie folgt beschrieben zum Einsatz. Alle Lehrkräfte verwenden im Unterricht nahezu dieselben Lehrwerkkomponenten (insb. Lehr‐ buch, Arbeitsheft, Audio-CD) in teils unterschiedlichem Ausmaß. Im Fall der Lehrkräfte II und VI wird der Schwerpunkt darüber hinaus auf die Arbeit mit dem Prüfungsbzw. Grammatikheft sowie den Kopiervorlagen (integriert in die Lehrer*innenhandreichungen) gelegt, die die Inhalte, Aufgaben und Übungen im Lehrbuch zumeist ersetzen. Auch die prozentuale Verteilung der Einbindung von lehrwerkunabhängigem bzw. selbst erstelltem Material innerhalb der beobachteten Unterrichtseinheiten ist in den meisten Fällen gleich, sie liegt i. d. R. bei einer von vier bzw. fünf Unterrichtseinheiten (20-25 %). Dabei handelt es sich um teils sehr verschieden angelegte lehrwerkunabhängige Phasen, die sowohl themenals auch grammatikbasiert ausgerichtet sind. Die Bandbreite reicht hier von selbst erstelltem Material zur Klausurvorbereitung 99 , der Entwicklung eigenen Materials zu Lehrbuchaufgaben bzw. zu über die Mediencodes zu erreichendem Material (z. B. weiterführende Aufträge, differenzierende Maßnahmen etc.) bis hin zu einem selbst erstellten Lesetagebuch zu einer lehrwerkunabhängigen Lektüre. Im Vergleich zu den im Fragebogen angegebenen Lehrwerkbestandteilen, die immer bis oft im Rahmen einer Lek‐ tion verwendet werden (vgl. Tab. 50), zeigt sich in den beobachteten Unterrichtseinheiten, dass in allen Fällen weniger als die im Fragebogen angegebenen Lehrwerkkomponenten zum Einsatz kamen. - Verwendeter Lehrwerkbestandteil oder unabhängiges Material Vorkommen pro Unter‐ richtseinheit (in-%) Lehrkraft I • Lehrbuch • Arbeitsheft • Audio-CD • Über Mediencodes (Lehrbuch) erreichtes digi‐ tales Material • Unabhängiges/ selbst erstelltes Material 5/ 5 (100-%) 5/ 5 (100-%) 2/ 5 (40-%) 1/ 5 (20-%) -1/ 5 (20-%) Lehrkraft II • Lehrbuch • Arbeitsheft • Audio-CD • Prüfungsheft • Unabhängiges/ selbst erstelltes Material 3/ 4 (75-%) 3/ 4 (75-%) 2/ 4 (50-%) 2/ 4 (50-%) 1/ 4 (25-%) Lehrkraft III • Audio-CD • Lehrbuch • Arbeitsheft • Über Mediencodes (Lehrbuch) erreichtes digi‐ tales Material • Unabhängiges/ selbst erstelltes Material 4/ 4 (100-%) 3/ 4 (75-%) 2/ 4 (50-%) 1/ 4 (25-%) -1/ 4 (25-%) 4.3 Die Rezeption und Verwendung des Lehrwerks von Spanischlehrkräften (Quant-QUAL) 295 <?page no="296"?> Verwendeter Lehrwerkbestandteil oder unabhängiges Material Vorkommen pro Unter‐ richtseinheit (in-%) Lehrkraft IV • Lehrbuch • Arbeitsheft • Audio-CD • Unabhängiges/ selbst erstelltes Material (zur Klausurvorbereitung) 5/ 5 (100-%) 4/ 5 (80-%) 2/ 5 (40-%) 1/ 5 (20-%) Lehrkraft V • Lehrbuch • Arbeitsheft • Audio-CD 4/ 4 (100-%) 3/ 4 (75-%) 2/ 4 (50-%) Lehrkraft VI • Lehrbuch • Grammatiheft • Kopiervorlagen (in den Handreichungen für Lehrkräfte) • Unabhängiges/ selbst erstelltes Material 4/ 5 (80-%) 2/ 5 (40-%) 2/ 5 (40-%) -1/ 5 (20-%) Lehrkraft VII • Lehrbuch • Audio-CD • Arbeitsheft • Anderes Lehrwerk • Unabhängiges/ selbst erstelltes Material 4/ 4 (100-%) 3/ 4 (75-%) 2/ 4 (50-%) 1/ 4 (25-%) 1/ 4 (25-%) Tabelle 53: Verwendete Lehrwerkbestandteile und selbst erstelltes/ lehrwerkunabhängigeres Material im Rahmen der beobachteten Lehrwerklektion in [%] Wichtige Erkenntnisse ergeben sich, wenn man den von den Studienteilnehmenden im Fragebogen ausgewiesenen prozentualen Anteil der nie verwendeten Lehrwerkbestandteile (Spannweite von 8,7 % bis 60,9 %, in etwa die Hälfte bzw. fast zwei Drittel der Lehrwerk‐ materialien findet keinen Eingang in den Spanischunterricht) in Relation zu den im Voraus berichteten quantifizierten Elementen der videographischen Beobachtung (vgl. Tab. 53) setzt. Dies erweckt den Eindruck, dass der Prozentsatz der selten bis nie verwendeten Lehrwerkkomponenten im Unterricht noch höher ausfallen könnte, wenn man bedenkt, dass über einen Beobachtungszeitraum von drei bis vier Wochen die in Tab. 53 gelisteten Lehrwerkbestandteile eingesetzt wurden. Studienteilnehmende Anzahl an nie verwendeten Lehrwerkbestandteilen im Unterricht im Rahmen einer Lektion (in-%) Lehrkraft II 2 von 23 Lehrwerkbestandteilen (8,7-%) Lehrkraft I 4 von 23 Lehrwerkbestandteilen (17,4-%) Lehrkraft IV 8 von 23 Lehrwerkbestandteilen (34,8-%) Lehrkraft V 11 von 23 Lehrwerkbestandteilen (47,8-%) Lehrkraft III 11 von 23 Lehrwerkbestandteilen (47,8-%) Lehrkraft VI 13 von 23 Lehrwerkbestandteilen (56,5-%) 296 4 Empirische Untersuchungsergebnisse <?page no="297"?> Studienteilnehmende Anzahl an nie verwendeten Lehrwerkbestandteilen im Unterricht im Rahmen einer Lektion (in-%) Lehrkraft VII 14 von 23 Lehrwerkbestandteilen (60,9-%) Tabelle 54: Anzahl an nie verwendeten Lehrwerkbestandteilen im Unterricht im Rahmen einer Lehrwerklektion in [%] Abschließend soll analog zu den Ausführungen zur Unterrichtsvorbereitung auch hier Bezug auf die Verwendung digitaler Lehrwerkbestandteile im Unterricht genommen werden. Ergänzend zu den bereits dargelegten statistischen Kennwerten aller Befragten (vgl. Tab. 50) konsultieren explizit drei der sieben Lehrkräfte im Rahmen der beobachteten Lektion digitales Lehrwerkmaterial, mit dem sie Lehrbuchaufgaben unterfüttern oder weiterdenken. Dies zeigt, dass die Verwendung digitaler Lehrwerkbestandteile noch immer stark von strukturellen und ausstattungsbezogenen Faktoren abhängig ist (vgl. z. B. Lehr‐ kraft V zur digitalgestützten Unterrichtsvorbereitung auf Basis digitaler Lehrwerkkompo‐ nenten zu Hause, aber analoge Lehrwerkverwendung im nicht vollständig ausgestatteten Klassenzimmer). Quant-Qual │ Um die Quantifizierung der in der videographischen Beobachtung ermit‐ telten prozentualen Verteilung der verwendeten Lehrwerkbestandteile und des selbst er‐ stellten bzw. lehrwerkunabhängigen Materials im Rahmen einer Lehrwerklektion (vgl. Tab. 53) weiter auszudifferenzieren, wurde die konkrete Unterrichtszeit in Minuten sowie in Pro‐ zentsätze überführt (vgl. Tab. 55). Die Zeitanteile beziehen sich auf die Zeiträume im Unter‐ richt, in denen direkt mit dem Lehrwerk gearbeitet wurde. Indirekte Bezugnahmen auf das Lehrwerk, wie bspw. durch Vokabelspiele oder die Vorstellung von Ein-Minuten-Vorträgen wurden nicht miteinberechnet. Dies zeigt sich exemplarisch bei Lehrkraft VII, die die ersten zwanzig bis dreißig Minuten jeder beobachteten Unterrichtsstunde wortschatzbasierten- und sprechfördernden Aktivitäten (u. a. Wortketten, charlas) widmet. Die Unterrichtszeit, die durch die Aufnahmen der CD bestimmt ist, wird ebenfalls nicht in Zeitanteile überführt, da es sich hierbei nur um die tatsächliche Abspieldauer der Datei handelt, und die Lernenden bei allen Lehrkräften parallel den Lektionstext mitlesen können/ sollen, sodass dies im eigentlichen Sinne nur bedingt eine hörverstehensbasierte Aktivität darstellt. Weiterhin beachtet werden muss, dass die beobachteten Unterrichtseinheiten sowohl vor als auch nach der schriftlichen Leistungsüberprüfung liegen, sodass die Unterrichtszeit, in der die Klausurergebnisse besprochen wurden, nicht mit einberechnet worden ist. Betrachtet man die genauen Zeitanteile näher, stellt man fest, dass die Lehrkräfte II, VI, VII in einigen Unterrichtsphasen nicht oder indirekt mit dem Lehrbuch arbeiten. Das heißt, das Lehrbuch stellt z. B. die inhaltliche Ausgangsbasis dar, wird aber nicht auf direktem Wege mit eingebunden, sondern durch andere Lehrwerkbestandteile (z. B. Prü‐ fungsheft, Kopiervorlagen) ersetzt oder durch andere inhaltliche Schwerpunktsetzungen oder didaktisch-methodische Umsetzungsformen gerahmt. Relevant ist darüber hinaus, dass bei Lehrkraft III, deren Unterricht zu 75,3 % (zweithöchster Wert) der Zeit durch das Lehrbuch bestimmt ist, hingegen auch am häufigsten lehrwerkunabhängige bzw. selbst erstellte Materialien eingesetzt werden. Somit muss Lehrbuchbasierung im Fremdspra‐ chenunterricht nicht unbedingt bedeuten, dass keine lehrwerkunabhängigen Materialien 4.3 Die Rezeption und Verwendung des Lehrwerks von Spanischlehrkräften (Quant-QUAL) 297 <?page no="298"?> 100 Die Nutzung und genauen Zeitanteile überlappen sich teilweise bzw. lassen sich nicht trennscharf voneinander behandeln. Dies ist der Grund dafür, dass teilweise mehr als 100 % der Unterrichtszeit ausgewiesen werden, da z. B. in einigen Fällen parallel mit mehreren Lehrwerkbestandteilen gleichzeitig gearbeitet wurde (z. B. Lehrbuch und Arbeitsheft). Aufgrund des Ausschlusses der Zeitanteile für die Klausurbesprechung, das Abspielen der Audio-CD etc. kann dies dazu führen, dass weniger als 100-% der Unterrichtszeit angegeben werden. eingebunden werden. Auch die Lehrkräfte I, VI und VII nutzen lehrwerkunabhängiges Material in unterschiedlichem Ausmaß, in verschiedenen Unterrichtsphasen sowie zu anderen unterrichtlichen Zwecken (vgl. Kap. 4.3.3.2.1). Bei den Lehrkräften II, IV und V ist dies demgegenüber nicht der Fall. Lehr‐ kraft Verwendeter Lehrwerkbestandteil oder unabhängiges Material Zeitanteile gesamt (in Minuten und-%) 100 I • Lehrbuch • Arbeitsheft • Unabhängiges/ selbst erstelltes Mate‐ rial 307/ 405 Minuten (75,8 % der Unterrichtszeit) 156/ 405 Minuten (38,5 % der Unterrichtszeit) 30/ 405 Minuten (7,4-% der Unterrichtszeit) II • Lehrbuch • Arbeitsheft • Prüfungsheft • Unabhängiges/ selbst erstelltes Mate‐ rial 200/ 360 Minuten (55,6 % der Unterrichtszeit) 80/ 360 Minuten (22,2-% der Unterrichtszeit) 60/ 360 Minuten (16,7-% der Unterrichtszeit) 25/ 360 Minuten (7-% der Unterrichtszeit) III • Lehrbuch • Arbeitsheft • Unabhängiges/ selbst erstelltes Mate‐ rial 271/ 360 Minuten (75,3 % der Unterrichtszeit) 54/ 360 Minuten (15-% der Unterrichtszeit) 50/ 360 Minuten (13,9-% der Unterrichtszeit) IV • Lehrbuch • Arbeitsheft • Selbst erstelltes Material zur Klausur‐ vorbereitung 291/ 405 Minuten (71,9 % der Unterrichtszeit) 68/ 405 Minuten (16,8-% der Unterrichtszeit) 70/ 405 Minuten (17,3-% der Unterrichtszeit) V • Lehrbuch • Arbeitsheft 192/ 315 Minuten (61-% der Unterrichtszeit) 135/ 315 Minuten (42,9 % der Unterrichtszeit) VI • Lehrbuch • Grammatikheft und Kopiervorlagen • Unabhängiges/ selbst erstelltes Mate‐ rial 107/ 315 Minuten (34-% der Unterrichtszeit) 99/ 315 Minuten (31,4-% der Unterrichtszeit) 38/ 315 Minuten (12,1-% der Unterrichtszeit) VII • Lehrbuch • Arbeitsheft • Unabhängiges/ selbst erstelltes Mate‐ rial 188/ 360 Minuten (52,2 % der Unterrichtszeit) 35/ 360 Minuten (9,7-% der Unterrichtszeit) 35/ 360 Minuten (9,7-% der Unterrichtszeit) Tabelle 55: Verwendete Lehrwerkbestandteile und selbst erstelltes/ lehrwerunabhängigeres Material im Rahmen der beobachteten Lehrwerklektion in Minuten und [%] Aus den Analyseergebnissen wird geschlussfolgert, dass Lehrwerkbasierung im Fremd‐ sprachenunterricht in teils sehr unterschiedlichem Ausmaß vorliegen kann. Sie sollte stets in Relation zu den Anteilen, in denen mit lehrwerkunabhängigem Material gearbeitet 298 4 Empirische Untersuchungsergebnisse <?page no="299"?> wird, betrachtet werden, um Aufschluss darüber zu erlangen, in welchem Verhältnis Lehrwerkbasierung und Lehrwerkunabhängigkeit zueinander stehen und wie dies am Beispiel konkreter Unterrichtseinheiten umgesetzt wird. Quant │ Neben dem Blick auf das Was, Wie viel, Wie oft und Wie lange der Nutzung von Lehrwerkbestandteilen, ist von zentralem Interesse, wie mit deren Inhalten, Aufgaben und Übungen umgegangen wird. Die nachfolgend abgebildeten statistischen Kennwerte zeigen, welche Handlungsoptionen die befragten 105 Lehrkräfte wie häufig nutzen, um Inhalte, Aufgaben, Übungen, methodische Ansätze und Sozialformen zu verändern. Die von den befragten Lehrkräften am häufigsten verwendete Option ist das Ergänzen. Mit einem Mittelwert von 2,4 und einer Standardabweichung von 0,7 wird diese Option von der Mehrheit oft bis gelegentlich im Rahmen einer Lektion eingesetzt. Ähnlich verhält es sich mit dem Kürzen. Die Lehrpersonen geben an, ebenfalls oft bis gelegentlich Inhalte, Aufgaben und Übungen auszulassen. Den Optionen Umstellen und (Teil-)Ersetzen wird sich gelegentlich bis selten bedient. Auch das Vorziehen von Lehrwerkinhalten und das Umschreiben von Aufgabenstellungen wird mit einem Mittelwert von 3,0 bzw. 3,4 im Schnitt gelegentlich bis selten genutzt. - N M SD Ergänzen 104 2,4 0,7 Kürzen 104 2,5 0,8 Auslassen 104 2,7 0,8 Umstellen 99 2,9 1,0 (Teil-)Ersetzen 103 3,0 0,7 Vorziehen 102 3,0 0,8 Umschreiben 97 3,4 1,1 Tabelle 56: Häufigkeit der Nutzung von Handlungsoptionen zur Veränderung von Lehrwerkbestand‐ teilen im Rahmen einer Lehrwerklektion unter Angabe statistischer Kennwerte Wenn Änderungen an Lehrwerkbestandteilen erfolgen, werden dafür meistens andere Ma‐ terialien mit der nachfolgend dargestellten Häufigkeit eingesetzt. In einer Lehrwerklektion werden am stärksten ausgeprägt eigene Materialien zur Veränderung hinzugezogen. Mit einem Mittelwert von 2,2 und einer Standardabweichung von 0,7 verwendet die Mehrheit der Befragten eigenes Material oft zur Abänderung von Lehrwerkinhalten, -aufgaben und -übungen. Ähnlich verhält es sich mit der Hinzunahme von analogem und digitalem Material (z. B. Songs, Blogs). Begleitmaterialien des Verlags hingegen werden in diesem Falle von den drei Optionen am seltensten genutzt und angabegemäß im Mittel nur gelegentlich im Rahmen einer Lektion zur Veränderung von Lehrwerkinhalten konsultiert. 4.3 Die Rezeption und Verwendung des Lehrwerks von Spanischlehrkräften (Quant-QUAL) 299 <?page no="300"?> - N M SD Eigenes Material 105 2,2 0,7 Analoges und digitales authentisches Material (z.-B. Songs, Filme, Blogs) 105 2,5 0,7 Begleitmaterialien des Verlags 104 2,8 0,9 Tabelle 57: Häufigkeit der Nutzung von Materialquellen zur Veränderung von Lehrwerkbestandteilen unter Angabe statistischer Kennwerte Darüber hinaus arbeiten 38 % der Befragten mit mehreren Lehrwerken in einer Klasse/ in einem Kurs. Folgende Gründe werden hierfür genannt: Die Mehrheit der Lehrkräfte ver‐ wendet andere Lehrwerke bzw. Lehrwerkbände zur Ergänzung, Variation und Einbindung dossier-artiger Arbeit und damit verbunden auch aus Gründen eines Ausgleichs von Defiziten (33,2 %). Das ist i. d. R. dann der Fall, wenn Inhalte, Strukturen und Zusatzangebote fehlen oder unpassend aufbereitet sind (z. B. vom Anforderungsniveau) sowie ein geringer Grad an Lebensweltbezug oder Aktualität festzustellen ist (vgl. Kap. 4.3.1.1). Ein weiterer Grund stellt ein Schulund/ oder Verlagswechsel (4,8 %) dar, der für die Übergangszeit den gleichzeitigen Einsatz von mehreren Lehrwerken erfordert. Funktion der Quant-Qual-Verschränkung • Verdichtung, Ausdifferenzierung und Kontextualisierung der Fragebogenergeb‐ nisse • Konkretisierung, Kontrastierung und Neu-Perspektivierung durch Rückbindung an die spezifische Lektionsarbeit Quant-Qual │ Mit der detailliert rekonstruierten Lektionsarbeit konnte die Nutzung von Handlungsoptionen konkret anhand der jeweils verwendeten Lehrwerke (vorerst aus einer quantifizierenden Perspektive) aufgeschlüsselt werden. Da insg. drei verschiedene Lehrwerke Gegenstand der videographischen Beobachtung und des Interviews waren, werden die nachfolgenden Ergebnisse nach dem jeweiligen Lehrwerk sortiert, dargeboten. Auf diese Weise gelingt es, sowohl ein Panorama über die Lehrwerknutzung in verschie‐ denen Klassenstufen der Sekundarstufe I herzustellen als auch tiefergehend innerhalb einer Klassenstufe Erkenntnisse zu gewinnen sowie unterschiedlich konzeptuell angelegte Lehrwerke (insb. Publikationsjahr, Lehr-/ Lernkonzept, Struktur, Verlag) und ebenso den unterschiedlichen Erfahrenheitsgrad mit dem Material miteinzubeziehen. Ferner lässt sich insb. anhand der Analyseergebnisse zur Verwendung von Handlungs‐ optionen bei der Lehrwerknutzung zeigen, wie die quantitativen und qualitativen Daten‐ stränge ineinandergreifen und wie dies letztlich zu einer umfassenderen Beantwortung der Forschungsfragen beiträgt. Wie Tab. 56 entnommen werden kann, wird eine Reihe an Handlungsoptionen laut der Selbsteinschätzung der Lehrkräfte relativ regelmäßig verwendet. Dabei weichen die 300 4 Empirische Untersuchungsergebnisse <?page no="301"?> Mittelwerte im Vergleich zur Standardabweichung nur geringfügig ab, sodass davon aus‐ zugehen ist, dass deren Verwendung im Unterricht relativ ausgeglichen sein sollte. Durch die Einbettung der qualitativen Erkenntnisse aus der Beobachtung wird eine konkrete Rückbindung an die Lektion möglich, indem man Einblick erhält, wie viel davon überhaupt bearbeitet wird und in welchem Verhältnis dies zur Nutzung von Handlungsoptionen steht. Die Tab. 58-60 zeigen die tatsächlich eingesetzten Veränderungsmöglichkeiten im Laufe der dreiwöchigen videographischen Unterrichtsbeobachtung. Ermittelt werden konnte, dass die Nutzung von Handlungsoptionen sehr spezifisch von der Anlage und dem Angebot des jeweiligen Lehrwerks abhängt. So wird deutlich, dass die mit Abstand am häufigsten ver‐ wendete Handlungsoption die des „Auslassens“ darstellt und das „Umstellen/ Umschreiben“ bzw. „Kürzen“ erst mit deutlichem Abstand als zweithäufigste Veränderungsoption folgt. Die Ergebnisse der qualitativen Studienteile zeigen entgegen den Angaben im Fragebogen nur bedingt eine ausgeglichene Nutzung von Handlungsoptionen zur Optimierung des Lehrwerks. Von den Adaptionsmöglichkeiten wurde in der Beobachtung also nicht so häufig Gebrauch gemacht, wie die Angaben im Fragebogen vermuten lassen. Umso deutli‐ cher wird hier die Notwendigkeit einer Kombination von Befragungen und Beobachtungen in empirischen Lehrwerkverwendungsforschungsprojekten, um Verzerrungen durch den Selbstwahrnehmungshorizont der Lehrkräfte aufzudecken. Außerdem konnte aufzeigt werden, dass konträr zu den Annahmen im Forschungsdiskurs, 85,7 % der Lehrkräfte weniger als die Hälfte bzw. weniger als 20 % der Lektion ohne Änderungen, also in der Form, wie es vorliegt, bearbeiten. ¡Arriba! (Band-2, C.C. Buchner, 2016) Die Lehrkräfte II, III und VII arbeiten zum Untersuchungszeitpunkt seit ca. einem Jahr mit dem o. g. Lehrwerk und verwenden den zweiten Band im zweiten Lernjahr zum ersten Mal. Sie bedienen sich in unterschiedlichem Ausmaß diverser Handlungsoptionen zur Veränderung von Inhalten, Aufgaben und Übungen in der Lektion. Die nachfolgend gelisteten Angaben zur Häufigkeit beziehen sich ausschließlich auf die Lehrbuchlektion mit insgesamt 53 Aufgaben bzw. Übungen. Da die Lehrkräfte i. d. R. im Arbeitsheft die gesamte Lektion von den Lernenden bearbeiten lassen und kaum Aufgaben und Übungen verändern, wurde die Häufigkeitsanalyse der Nutzung von Handlungsoptionen auf die Inhalte im Lehrbuch beschränkt. Ermittelt werden konnte, dass am häufigsten die Handlungsoption Auslassen zum Einsatz kommt. Hiermit ist im Unterschied zum Kürzen gemeint, dass die Aufgabe bzw. Übung im Ganzen nicht bearbeitet wird. Auffällig ist darüber hinaus, dass die im Fragebogen am häufigsten gewählte Option Ergänzen seltener genutzt wird. Hingegen wird vom Umstellen/ Umschreiben häufiger Gebrauch gemacht, als dies im Fragebogen ermittelt werden konnte. Mit Blick auf die gewonnenen Ergebnisse, die im folgenden Teilkapitel dargestellt werden, lässt sich an dieser Stelle schon vorwegnehmen, dass die Verwender*innen von Arriba 2 die meisten und am häufigsten Handlungsoptionen nutzen: 4.3 Die Rezeption und Verwendung des Lehrwerks von Spanischlehrkräften (Quant-QUAL) 301 <?page no="302"?> Aus‐ lassen Kürzen Umstellen/ Umschreiben Ergänzen Ersetzen Vor‐ ziehen Ohne Än‐ derung Lehrkraft II 37,7-% 1,9-% 7,5-% 1,9-% 1,9-% 1,9-% 47,2-% Lehrkraft III 30,2-% 3,8-% 15,1-% 7,5-% 5,7-% - 37,7-% Lehrkraft VII 39,6-% 17-% 9,4-% 15,1-% - - 18,9-% Tabelle 58: Von den Lehrkräften II, III und VII verwendete Handlungsoptionen im Rahmen einer Lehrbuchlektion in [%] Betrachtet man nun spezifischer die prozentualen Anteile der bearbeiteten Lektionsauf‐ gaben/ -übungen und -texte, kann aus den Ergebnissen gefolgert werden, dass von allen drei Lehrkräften weniger als die Hälfte der Aufgaben und Übungen im Lehrbuch bearbeitet wird. Lehrkraft II bindet 28,1 % der Lehrbuchlektion ein, Die Lehrpersonen III und VII tun dies etwas intensiver, bleiben jedoch unter der Hälfte, bei 47,4 % bzw. 40,4 %. Die Lektionstexte im Lehrbuch werden nahezu komplett bearbeitet. Aufgrund der Länge und Komplexität der Texte kürzt bspw. Lehrkraft VII den dritten Lehrbuchtext der Lektion um ein Drittel. Interessant ist jedoch, dass alle Aufgaben und Übungen im Arbeitsheft bearbeitet werden (100 %), entweder in Form von Hausaufgaben zu Übungs- und Wiederholungszwecken, zur Klausurvorbereitung oder auch zum Ersatz der Aufgaben und Übungen im Lehrbuch. Lehrkraft II nutzt in Ergänzung zum Arbeitsheft (teils als Ersatz zum Lehrbuch) auch das Prüfungsheft, in dem sie mit den Lernenden alle Inhalte zur Lektion bearbeitet (100-%). ¡Apúntate! (Band-4, Cornelsen, 2013) Die Lehrkräfte I, IV und V arbeiten, im Unterschied zu den Verwendenden von ¡Arriba! , seit mehreren Jahren mit diesem Lehrwerk und verwenden den vierten Band von ¡Apúntate! teils im zweiten oder dritten Durchgang. Sie bedienen sich in unterschiedlichem Ausmaß verschiedener Optionen zur Veränderung von Inhalten, Aufgaben und Übungen in der Lektion. Die nachfolgend gelisteten Angaben zur Häufigkeit beziehen sich ausschließlich auf die Lehrbuchlektion mit insgesamt 42 Aufgaben bzw. Übungen. Deutlich wird, dass im Vergleich zur Nutzung von Veränderungsmöglichkeiten bei den Verwender*innen von ¡Arriba! weniger und seltener davon Gebrauch gemacht wird. In allen drei Fällen wird analog zu den oben dargestellten Ergebnissen jedoch auch die Optionen des Auslassens am meisten genutzt. Im Vergleich zu ¡Arriba! enthält die hier analysierte Lehrbuchlektion weniger Aufgaben und Übungen. Hinzu kommt, dass sich alle drei Lehrkräfte mit den Lektionen gut auskennen, gewisse Vorgehensweise/ Schemata bereits mehrfach erprobt haben und auf Erfahrungswerte aus vorherigen Lerngruppen zurückgreifen können. - Aus‐ lassen Kürzen Umstellen/ Umschreiben Ergänzen Ersetzen Vor‐ ziehen Ohne Än‐ derung Lehrkraft I 40,5-% 16,7-% - 7,1-% - 2,4-% 33,3-% Lehrkraft IV 19-% 2,4-% 2,4-% 2,4-% - - 73,8-% 302 4 Empirische Untersuchungsergebnisse <?page no="303"?> Aus‐ lassen Kürzen Umstellen/ Umschreiben Ergänzen Ersetzen Vor‐ ziehen Ohne Än‐ derung Lehrkraft V 40,5-% 9,5-% - 2,4-% - - 47,6-% Tabelle 59: Von den Lehrkräften I, IV und V verwendete Handlungsoptionen im Rahmen einer Lehrbuchlektion in [%] Hinsichtlich der prozentualen Anteile der bearbeiteten Lektionsaufgaben/ -übungen und -texte zeigt sich etwas mehr Varianz im Umfang der verwendeten Lektionsteile als dies bspw. bei den Verwender*innen von ¡Arriba! der Fall ist. Während Lehrkraft IV mit dem höchsten Prozentsatz (64,3 %) mit Abstand die meisten Aufgaben, Übungen und Texte der beobachteten Lektion verwendet, liegt der Anteil bei Lehrkraft I unter einem Drittel (31 %) und bei Lehrkraft V unter der Hälfte (42,9 %). Von insg. drei Lektionstexten werden von den Lehrkräften I und IV zwei und von Lehrkraft V einer bearbeitet. Dies kann zum einen auf eine Fachschaftsentscheidung zur Auslassung der B-Teile der Lektionen zurückgeführt werden, zum anderen werden von Lehrkraft V dafür auch zeitliche Aspekte (Zeitknappheit) angeführt. Ähnlich zur gewonnenen Erkenntnis im Rahmen der vorherigen Ausführungen lassen auch die Lehrkräfte I, IV und V nahezu alle Aufgaben und Übungen im Arbeitsheft bearbeiten. Aufgrund der Auslassung des B-Teils im Lehrbuch wird dieser demnach auch im Arbeitsheft nicht bearbeitet. ¡Apúntate! (Band-1, Cornelsen, 2016) Lehrkraft VI arbeitet zum Untersuchungszeitpunkt seit wenigen Monaten erstmalig mit dem ersten Band dieses Lehrwerks und nutzt verschiedene Handlungsoptionen zur Verän‐ derung von Inhalten, Aufgaben und Übungen in der Lektion. Die nachfolgend gelisteten Angaben zur Häufigkeit beziehen sich ausschließlich auf die Lehrbuchlektion mit insgesamt 45 Aufgaben bzw. Übungen. Da Lehrkraft VI im Arbeitsheft sowie in den Kopiervorlagen und im Grammatikheft die gesamte Lektion von den Lernenden bearbeiten lässt und kaum Aufgaben und Übungen verändert, wurde die Häufigkeitsanalyse der Nutzung von Handlungsoptionen auf die Inhalte im Lehrbuch beschränkt. Deutlich wird, dass sich Lehrkraft VI ebenfalls am häufigsten der Option Auslassen bedient, aber auch mit die höchste Anzahl an vorgenommenen Ergänzungen sowie Ersetzungen von Inhalten, Aufgaben und Übungen im Lehrbuch aufweist: - Aus‐ lassen Kürzen Umstellen/ Umschreiben Ergänzen Ersetzen Vor‐ ziehen Ohne Än‐ derung Lehrkraft VI 37,8-% 4,4-% 6,7-% 8,9-% 11,1-% - 31,1-% Tabelle 60: Von der Lehrkraft VI verwendete Handlungsoptionen im Rahmen einer Lehrbuchlektion in [%] Betrachtet man nun auch hier spezifischer die prozentualen Anteile der bearbeiteten Lektionsaufgaben/ -übungen und -texte, konnte ermittelt werden, dass Lehrkraft VI in etwa die Hälfte (48,9 %) der in der beobachteten Lektion enthaltenen Inhalte, Aufgaben 4.3 Die Rezeption und Verwendung des Lehrwerks von Spanischlehrkräften (Quant-QUAL) 303 <?page no="304"?> und Übungen mit den Lernenden behandelt. Die Lektionstexte im Lehrbuch werden von Lehrkraft VI komplett in den Unterricht eingebettet. Ähnlich wie zur gewonnenen Erkenntnis im Rahmen der vorherigen Ausführungen lässt auch Lehrkraft VI nahezu alle Aufgaben und Übungen im Arbeitsheft sowie überwiegend im Grammatikheft und in den Kopiervorlagen von den Lernenden bearbeiten. - 4.3.3.2 Feinanalyse der beobachteten Unterrichtseinheiten unter lehrwerkverwendungsbezogenen Gesichtspunkten aus einer qualitativen Perspektive Die Präsentation der Ergebnisse der Feinanalyse der beobachteten Unterrichtseinheiten erfolgt in vier Teilkapiteln, wobei hinsichtlich des thematischen Zugangs vom Globalen zum Spezifischen übergegangen wird. Zu Beginn steht die Lehrwerkverwendung und die Unterrichtsphasierung sowie -sequenzierung im Blickpunkt, die den Verortungsrahmen für die rekonstruierte Lektionsarbeit, die unterrichtspraktische Umsetzung und die Nutzung von Handlungsoptionen darstellt. Diese bildet wiederum den Ausgangspunkt für die Ergründung der Nutzung von lehrwerkunabhängigeren Materialien. Zum Abschluss wird eine Meta-Perspektive eingenommen und auf dieser Grundlage die Materialienverwendung unter den Prinzipien der Transparenz vonseiten der Lehrkräfte und der Partizipation der Lernenden ergründet. 4.3.3.2.1 Unterrichtsphasierung und -sequenzierung Qual │ Die im Zuge der Datenauswertung der videographischen Unterrichtsbeobachtungen und der angefertigten Beobachtungsbogen (inkl. Unterrichtsverlaufsplan) gewonnenen Erkenntnisse belegen, dass fast alle Einführungs-, Erarbeitungs-, Vertiefungssowie Sicherungsphasen mit dem Lehrbuch und/ oder dem Arbeitsheft sowie der Audio-CD ausgestaltet werden. Dabei konnten u. a. folgende Aktivitäten identifiziert werden: Bespre‐ chung von Hausaufgaben, Hinführung zu einem Thema durch Hör-/ Lesetext, Erarbeitung von Inhalten der Texte und grammatischen Themen/ Strukturen sowie des Wortschatzes und Sicherung des Textverständnisses/ der grammatischen Themen. Dieser Befund wird exemplarisch mit dem nachfolgenden Auszug des Unterrichtsverlaufsplans aus dem Be‐ obachtungsprotokoll (Lehrkraft VII) bekräftigt. Zeit Unter‐ richtsphase Lehrenden-Lernenden-Aktivität Sozial‐ form Material/ Medium 10.01h Einführung (Hinführung) S beschreiben mündlich ein Bild. L gibt For‐ mulierungshilfen an der Tafel und notiert die Antworten der S. L stellt vertiefende Fragen, z. B. worüber die Personen potenziell sprechen könnten, und thematisiert im Anschluss daran mit den S mögliche unbekannte Vokabeln schriftlich an der Tafel. S hören den Text und lesen diesen dabei mit. S lesen den Text im An‐ schluss laut vor und erarbeiten in ihren Heften mittels einer Tabelle die Aktivitäten, denen die einzelnen Personen im Text nachgehen. Plenum/ Einzelarbeit Lehrbuch, Heft, Tafel 304 4 Empirische Untersuchungsergebnisse <?page no="305"?> Zeit Unter‐ richtsphase Lehrenden-Lernenden-Aktivität Sozial‐ form Material/ Medium 10.20h Besprechungs-/ Siche‐ rungsphase L schreibt Antworten der S an die Tafel. Auf Zwischenfrage von S, was das für Verb‐ formen seien, erklärt L dies kurz und verweist dann wieder auf die Bearbeitung des Inhalts des Textes. L gibt verschiedene Beispiele von Verben in der ersten Person Singular im Preté‐ rito Indefinido vor, deren Struktur die S auch für andere Verben nutzen können. L bespricht mit den S die Bedeutung von einzelnen Verben mittels spanischer Beispielsätze. Einzelarbeit Lehrbuch, Heft 10.35h Erarbeitung S bearbeiten die Aufgabe im Lehrbuch zum Textverstehen schriftlich in Einzelarbeit. Einzelarbeit Lehrbuch, Heft 10.45h Erarbeitung L führt Vergangenheitszeit ein und spricht kurz über deren Verwendung. L erarbeitet ge‐ meinsam mit S im Plenum die sechs verschie‐ denen Konjugationsformen für ar-Verben im Pretérito Indefinido auf Basis der Verben im Lektionstext. Plenum Lehrbuch, Heft, Tafel 10.55h Übung L nennt andere Verben, die auf -ar enden, die die S nach dem Schema an der Tafel mündlich konjugieren und im Anschluss eine Übung im Lehrbuch dazu mündlich bearbeiten. Plenum Lehrbuch Tabelle 61: Unterrichtsverlaufsplan (VII, 09.09.2020) Gelegentlich werden in Erarbeitungs- und Wiederholungsphasen vorherige Lehrwerk‐ bände und/ oder andere Lehrwerke/ verlagsgebundene Einheiten sowie selbst erstelltes bzw. das Lehrwerk erweiterndes (digitales) Material eingesetzt, die überwiegend als kommuni‐ kative (Anschluss-)Aktivitäten, u. a. zur Vertiefung, dienen (z. B. Schreiben von Texten, monologisches/ dialogisches Sprechen). Lehrkraft VII verwendet bspw. als Ausgangsbasis einen Dialog aus einem anderen Lehrwerk. Auf dieser Basis wiederholen die Lernenden in Einzelarbeit Redemittel zum Führen eines Telefongesprächs und zur Verabredung eines Treffens, denken sich potenzielle Antworten auf die vorgegebenen Fragen aus und halten diese schriftlich fest. Im Anschluss inszenieren die Lernenden mündlich Telefongespräche im Klassenkontext. Lehrkraft I ersetzt eine abgedruckte Liedstrophe im Lehrbuch durch das Song-Video aus dem Internet und entwickelt zur Förderung des Hörsehverstehens eigene Arbeitsaufträge, die das Vorwissen der Lernenden aktivieren, zur Hypothesenbildung anregen und das inhaltliche Verständnis der Lernenden sichern sollen. Mit der Wahl eines audiovisuellen anstatt eines auditiven Impulses wird eine Erleichterung des Zugangs zum Inhalt und eine stärkere Adressierung der Hörsehgewohnheiten der Lernenden intendiert. Auch Lehrkraft III entwickelt ein Arbeitsblatt mit weiterführenden Aktivitäten zu einer filmbasierten Lehrbuchaufgabe. Die adaptierten und zusätzlichen Aufträge dienen in Summe der umfassenderen Er- und Bearbeitung des Films unter Einbettung differen‐ zierender Maßnahmen (nach unten) sowie der Steigerung des Interessantheitsgrades für die Lernenden. Neben vorwissenaktivierenden, wortschatzvorentlastenden und -basierten sowie inhaltssichernden Aktivitäten finden sich u. a. auch Aufgaben, die auf das Genre des 4.3 Die Rezeption und Verwendung des Lehrwerks von Spanischlehrkräften (Quant-QUAL) 305 <?page no="306"?> Films und seine Charakteristika, die (traditionelle) Kleidung der Sängerin und auf eine von den Lernenden abzugebende Positionierung (Gefallen am Film) abzielen. Betrachtet man im Anschluss an die vorangegangenen Befunde nun spezifischer die Lehrwerkverwendung in den Einstiegs- und Ausstiegsphasen des Unterrichts können folgende Analyseergebnisse präsentiert werden. Der Unterrichtseinstieg ist bei allen sieben Lehrkräften hauptsächlich lehrwerkgebunden, indem i. d. R. mit der Besprechung der Hausaufgaben aus dem Lehrwerk, der Einführung eines neuen lehrwerkbasierten Themas oder mit einem auf Basis des Lehrwerks erstellten Kurztests zu Wortschatz und Grammatik begonnen wird. Dafür werden insb. das Lehrbuch und/ oder das Arbeitsheft verwendet. Exemplarisch lassen sich diese Feststellungen auch durch nachfolgende Auszüge des Videotranskripts untermauern: L: #00: 24: 18-5# La tarea. Vamos a comparar la tarea, los deberes. Ejercicio 104 y 106, sobre el gerundio. S öffnen Hefte. A ver, cuaderno, por favor. Abrilos, los cuadernos. […]. #00: 28: 14-4# (Videotranskript, LIII, 09.09.20, 44) L: #00: 10: 59-3# Empezamos con el test de vocabulario. […] S schreiben Vokabeltest (10min). #00: 23: 41-5# (Videotranskript, LI, 02.10.20, 43) L: #00: 10: 21-4# […] Entonces, hoy primero vamos a tratar un tema gramatical que todavía pertenece a la lección 1. Es el tema del subjuntivo o indicativo con cuando y mientras, porque las dos palabras pueden aparacer con el subjuntivo o indicativo y con este tema vamos a empezar primero […]. #00: 14: 26-0# (Videotranskript, LV, 28.09.20, 40) Trotz der mehrheitlich lehrwerkgebundenen Unterrichtseinstiege lassen die Analyseergeb‐ nisse die Folgerung zu, dass weitere Differenzierungen vorgenommen werden müssen, insb. bzgl. des Ausmaßes der Gebundenheit (direkt/ indirekt) und der didaktisch-methodischen Umsetzung. So wurde ein Unterrichtseinstieg von Lehrkraft VI beobachtet, in dem die Einführung eines neuen lehrwerkbasierten (grammatischen) Themas (Hobbies, Verb gustar) anhand von selbst erstellten Materialien gestaltet wurde, die persönlichen Bezug zu den Interessen der Lehrkraft aufwiesen. L: #00: 08: 39-7# Hoy tenemos un nuevo tema que es muy importante para vosotros, para hablar sobre vuestros hobbies. He preparado una hoja. L verteilt selbst erstellte Arbeitsblätter. La chica en la foto es mi pareja de [Sportart]. […] ¿Quién quiere leer? L nimmt S dran. S liest vor. Y ahora el diálogo, necesitamos un chico y una chica. L nimmt S dran. S fragen zwischendrin, ob man die Frau auf dem Bild schon mal im Fernsehen gesehen haben könnte. […] L erklärt, dass das seine [auf die Sportart bezogene) Partnerin ist. […] ¿Quién quiere leer? L nimmt S dran. #00: 14: 01-0# (Videotranskript, LVI, 06.11.20, 41) 306 4 Empirische Untersuchungsergebnisse <?page no="307"?> Neben lehrwerkunabhängigen Unterrichtseinstiegen konnten mit den analysierten Ein‐ stiegsphasen der Lehrkräfte VI und VII weitere Abstufungen bzgl. des Grades der Lehr‐ werkgebundenheit und der didaktisch-methodischen Umsetzung abgebildet werden. Die Lehrkräfte VI und VII steigen häufig indirekt bis kaum lehrwerkgebunden in ihren Spanischunterricht ein. Lehrkraft VI bindet als eine Art „Einstiegsritual“ global-angelegte Hörverstehensübungen sowie damit verbunden die Arbeit mit/ an sprachlichen Mitteln (Erschließungsstrategien, Wortschatz, Zeichnung zu Grammatikphänomenen (am Beispiel des Unterschieds von venir und llegar)) über authentisches lehrwerkunabhängiges Material ein (z.-B. spanische Lieder aus den Charts). Zeit Unterrichts‐ phase Lehrenden-Lernenden-Aktivität Sozialform Material/ Medium 09.24h Einstieg L spielt ein spanisches Lied ab und S no‐ tieren fünf Themen/ Aspekte, die sie ver‐ stehen. Im Anschluss lesen S ihre No‐ tizen vor und mitteln diese ins Deutsche. L notiert teilweise unbekannte Wörter an der Tafel. L regt S zur Umschreibung der Wörter auf Spanisch an (u. a. andere Wortarten aus derselben Wortfamilie). L baut eine grammatikbasierte Phase auf Basis des Lieds ein (Unterschied zwischen venir und llegar) und malt dazu eine Zeichnung mit einem Haus und verschiedenen Standorten von Per‐ sonen an die Tafel und erklärt daran die jeweilige Verwendung und lässt von den Lernenden Beispielsätze formulieren. L hält die Sätze schriftlich fest und formu‐ liert noch zwei weitere Merksätze, die die S in ihr Heft übertragen. Plenum, Einzelarbeit Smartphone, Musikbox, Heft, Tafel Tabelle 62: Unterrichtsverlaufsplan (VI, 06.11.2020) Lehrkraft VII fordert die Lernenden auf, aktiv mit dem Wortschatz der Lektion zu arbeiten (z. B. im Rahmen einer colecta de palabras). Zur Förderung des Sprechens bindet sie kontinuierlich lehrwerkthemenbezogene charlas (Ein-Minuten-Vorträge) in den Spanisch‐ unterricht ein, die i. d. R. in der Einstiegsphase (möglichst frei) präsentiert werden. Davor und danach erfolgt des Öfteren eine Art „Sprechstrategiensensibilisierung“, in dem Lehrkraft VII die Lernenden u. a. für Redewendungen, Paraphrasierungen und den Rückgriff auf vorgelernte Sprachen zu sensibilisieren versucht. Die Unterrichtseinstiege beider Lehrkräfte fordern von den Lernenden eine gewisse Aktivität und animieren sie dazu, ihr Vorwissen zu mobilisieren, sich Lernstrategien bewusst zu machen bzw. Lerntechniken anzuwenden und aktiv mit der Sprache umzugehen (z. B. in Form eines (freien) Sprechauftrags). Die Beendigung des Unterrichts findet stets unter Bezugnahme auf das Lehrwerk statt, entweder durch neue lehrwerkbasierte Hausaufgaben (direkt aus den Lehrwerkbestand‐ teilen entnommen oder Weiterführung der Arbeitsaufträge, z. B. eigenen Tagesablauf schreiben) oder durch klausurvor- und nachbereitende Aktivitäten, die die Lernenden mit‐ 4.3 Die Rezeption und Verwendung des Lehrwerks von Spanischlehrkräften (Quant-QUAL) 307 <?page no="308"?> tels der Bearbeitung verschiedener Lehrwerkbestandteile (insb. Prüfungsheft) realisieren. Zur Untermauerung der vorangegangenen Befunde können exemplarisch Auszüge aus den Beobachtungsprotokollen (insb. Videotranskripte, Unterrichtsverlaufspläne) herangezogen werden: L: #00: 16: 05-2# Entonces, deberes voc y cuaderno, página 6 número 1 y 2. […]. #00: 17: 01-2# (Videotranskript, LI, 08.09.20, 46) L: #00: 01: 50-3# Bueno, hasta aquí por el momento. […] En casa por favor preparad como deber esta charla de un minuto y preparad el texto entero para la próxima clase. Podéis leer todo el texto en casa y pasad por la lista del vocabulario del texto. Estos son los deberes. #00: 02: 27-0# (Videotranskript, LV, 08.09.20, 59) Die Auswahl von Hausaufgaben sowie die Erstellung von Klausuren sind dem Lehrbuch und/ oder Arbeitsheft entnommen bzw. hinsichtlich der Selektion und Strukturierung der Inhalte, Kompetenzen und sprachlichen Mittel maßgeblich an den Vorgaben orientiert, die durch das Lehrwerk (insb. der Vorschläge zur Leistungsmessung) gemacht werden. 4.3.3.2.2 Lektionsarbeit, unterrichtspraktische Umsetzung und Nutzung von Handlungsoptionen am Beispiel verschiedener Lehrwerke Qual │ Die Lehrwerklektion determiniert maßgeblich die Strukturierung, Einteilung sowie Phasierung und Sequenzierung während der Unterrichtsvorbereitung sowie im Unterricht selbst. Deshalb wird nach einer (überwiegend) quantitativen Perspektive auf den Untersu‐ chungsgegenstand, die durch quantifizierende Elemente der qualitativen Daten erweitert wurde, die Beschäftigung mit der Lektion durch die Lehrkräfte analysiert. Mit einer tiefgehenderen qualitativen Untersuchung unter Integration der gewonnenen Erkenntnisse aus der videographischen Beobachtung mit denen des Interviews werden detaillierte Einblicke in die konkret im Unterricht erfolgte und im Nachgang reflektierte Lektionsarbeit gewährt. Während der Arbeit mit einer Lektion stehen für die Lehrkräfte die Strukturierung, Organisation und Aufbereitung der Materialien im Vordergrund, die sich am Lernstand der Lernenden orientieren und regelmäßig Wiederholungsmöglichkeiten zu bereits behan‐ delten Themen und grammatischen Strukturen beinhalten. Zu Beginn der Arbeit mit der Lektion werden dabei auf Basis unterschiedlicher Lehrwerkbestandteile für notwendig und sinnvolle erachtete Inhalte, Aufgaben und Übungen ausgewählt, Defizite sowie An‐ knüpfungspunkte für eine (kreative) Weiterarbeit mit dem Lehrwerk identifiziert und ggf. weitere (unabhängige) Materialien integriert. Vor diesem Hintergrund werden dann Auswahlentscheidungen getroffen und mit Blick auf das Was an Materialien, das Wann, Warum und Wie begründet. Im Einklang mit der gewonnenen Erkenntnis zur Analyse des Lehrwerks vor der Einführung an der Schule geben die Teilnehmenden an, sich den dem aktuell verwendeten Lehrwerk zugrunde liegenden Lehr-/ Lerntheorien sowie dessen Struktur und Umfang bewusst zu sein, wodurch sie sich gezielt unter Nutzung von Handlungsoptionen mit dem Material befassen. Entsprechend gehen sie vor dem Hintergrund des individuellen Lehr-/ Lernkontexts, der thematischen Passgenauigkeit und 308 4 Empirische Untersuchungsergebnisse <?page no="309"?> 101 Im Anschluss an die Lektion und auch an keiner anderen Stelle im Print-Lehrbuch finden sich Möglichkeiten der (Selbst-)Evaluation. der Sinnhaftigkeit für die Lerngruppe nicht immer in der dargebotenen Reihenfolge des Lehrwerks vor, lassen Aufgaben und Übungen aus bzw. stellen sie um und erweitern sie. Aufgrund des oben erläuterten Grundlagencharakters einer Lehrwerklektion stellt diese auch den Rahmen der Darstellung der qualitativen Erkenntnisse dar. Dies erlaubt es, die vorausgehenden Befunde in den konkreten Kontext einer durchgeführten Lek‐ tion zu übertragen, die Chronologie der Lehrwerkarbeit zu bewahren, die Nachvoll‐ ziehbarkeit der getroffenen Materialentscheidungen zu gewährleisten sowie teils auch eine Vergleichbarkeit (zwischen der Lektionsarbeit der verschiedenen Lehrkräfte) zu erzielen. Eine ausschnitthafte Berichterstattung der Lektionsarbeit der Lehrkräfte wird vor dem Hintergrund der Dekontextualisierung der Ergebnisse und der fehlenden Rück‐ führbarkeit auf den Gesamtkontext der Lehrwerkarbeit als nicht angemessen erachtet. Darüber hinaus wird die Rekonstruktion der erfolgten Lektionsarbeit mit Blick auf die von den Lehrkräften festgelegten Kompetenzschwerpunkte und die Rekonstruktion der realisierten Arbeit mit/ an sprachlichen Mitteln in Anlehnung an die in Kap. 4.3.1.1 herausgearbeiteten fremdsprachendidaktischen Motive sowie analysierten didaktischmethodischen Prinzipien dargeboten. Um inhaltliche Überfrachtungen und Redundanzen zu vermeiden, wird eine resümierende und vergleichende Darstellung der Lektionsarbeit verschiedener Lehrkräfte innerhalb eines Lehrwerks als zielführend erachtet. Zur Orientie‐ rung in den nachfolgenden lektionsbasierten Ausführungen werden konkrete Seitenzahlen und Aufgaben-/ Übungsnummern angegeben, deren Anlage in aller Ausführlichkeit dem jeweiligen Material entnommen werden kann. 4.3.3.2.2.1 ¡Arriba! Band-2, Lektion 1 (C.C. Buchner, 2016): Lehrkräfte II, III, VII Die im Unterricht beobachtete Lektion lässt sich in fünf grundlegende Bereiche unterteilen: Einführungsteil, Teil A (ein Lektionstext), Teil B (zwei Lektionstexte), Übersicht zu Kon‐ versationsthemen, grammatischen Strukturen und themenbezogenen Schreibhilfen sowie ein bis zwei (Wahl-)Lernaufgaben. 101 Bevor die beobachtete Lektionsarbeit im Detail rekon‐ struiert wird, findet sich mittels nachfolgender Tabelle eine überblicksartige Darstellung des Anteils der Unterrichtszeit, die für die Förderung verschiedener Kompetenzen und die Arbeit mit/ an sprachlichen Mittel sowie aussprache- und strategiebezogenen Teile aufgewendet wurde. Die hervorgehobenen prozentualen Anteile spiegeln die von den Lehrkräften vorgenommenen Schwerpunktsetzungen wider. Diese Angaben dienen als Rahmen der nachfolgenden Ausführungen. - Hör(seh-)verstehen Lesever‐ stehen Spre‐ chen Schreiben Sprach‐ liche Mittel Landes‐ kunde/ Kultur Aus‐ sprache Strate‐ gien Lehr‐ kraft II 2,6-% 18,2-% 6,7-% 13,7-% 55,9-% 2,9-% - - Lehr‐ kraft III 3,2-% 24,5-% 14,5-% 6,5-% 43,2-% 6,5-% 1,6-% - 4.3 Die Rezeption und Verwendung des Lehrwerks von Spanischlehrkräften (Quant-QUAL) 309 <?page no="310"?> Hör(seh-)verstehen Lesever‐ stehen Spre‐ chen Schreiben Sprach‐ liche Mittel Landes‐ kunde/ Kultur Aus‐ sprache Strate‐ gien Lehr‐ kraft VII - 17,7-% 24,2-% 6,5-% 43,4-% 4,9-% - 3,3-% Tabelle 63: Prozentualer Anteil der Unterrichtszeit zur Adressierung verschiedener Kompetenzen und sprachlicher Mittel auf Basis der beobachteten Lektionsarbeit (Lehrkräfte II, III, VII) Einführungsteil Im Einführungsteil werden die jeweiligen Themen der Einheit (Wetter, Freizeitaktivitäten, Tagesablauf, vergangene Ereignisse) und in diesem Zusammenhang der Themenwortschatz und dazugehörige Redemittel vorgestellt, um die Erarbeitung der Lektionstexte vorzuent‐ lasten. Über einen visuellen Impuls zum Lektionsthema und dazugehörige Fragen sowie spielerische Aktivitäten (z. B. Pantomime-Spiel) werden die Lernenden zum Sprechen dar‐ über animiert. Ferner findet sich eine Schilderung der themenbezogenen Ausgangssituation der Lehrbuchpersonen sowie der Lernziele (LB, S.-8-9). Alle drei Lehrkräfte orientieren sich maßgeblich an den zentralen Themen der Lektion, steigen jedoch inhaltlich unterschiedlich in die Lektion ein. Während Lehrkraft III mit den visuellen Bildimpulsen zum Thema im Einführungsteil beginnt, um das Thema des folgenden Textmaterials (Postkarten aus dem Urlaub) inhaltlich sowie sprachlich vorzuentlasten, B: #00: 01: 32-7# Ja, also ich habe angefangen mit den Fotos und habe da über die Fotos gesprochen, die Ausdrücke, die an der rechten Seite angegeben sind, also einmal die Orte, an denen man seine Ferien verbringen kann und eben auch die Aktivitäten, die man in-, an den unterschiedlichen Orten ausüben kann. Das hat so ein bisschen gedient, eben als Vorentlastung und um das Vokabular über die Ferien zusammenzustellen. […]. #00: 07: 07-9# (Interviewtranskript, LIII, 2) nutzen die Lehrkräfte II und VII direkt das Textmaterial im Lektionsteil A, da sie dieses angesichts der aktuellen Ausgangssituation der Lernenden als lebensweltnaher und dadurch relevanter für sie erachten. B: #00: 01: 19-2# Also der erste Teil ist ja sehr schön, um aus dem ersten Lernjahr wieder zurückzukommen ins Spanische mit den Postkarten. Die kamen ja meist selbst alle aus den Ferien und dann war das ja ein Leichtes, hier wieder einzusteigen. […]. #00: 06: 29-3# ((Interviewtranskript, LVII, 3) Von den vier Aufgaben bzw. Übungen, die zu den Bildimpulsen bearbeitet werden können (Hypothesenbildung zu den Orten und Aktivitäten auf den Bildern, Sprechen über die eigenen Ferien, spielerische Wortschatzarbeit zu Aktivitäten in den Ferien), verwendet demnach ausschließlich Lehrkraft III die ersten drei, die sie mündlich im Plenum 310 4 Empirische Untersuchungsergebnisse <?page no="311"?> durchführt. Aufgrund der COVID-19-Pandemie verzichtet sie darauf, diese in Partner- oder Gruppenarbeit zu realisieren. Des Weiteren führt sie an, dass sie nur in der Plenargruppe den tatsächlichen inhaltlichen und sprachlichen Ertrag der Schüler*innen kontrollieren könne. B: #00: 07: 53-4# (…) Das habe ich mündlich gemacht, aber in der Klasse, also in der Großgruppe, nicht in Partnerarbeit, einmal wegen dieser Corona-Situation und einmal auch, weil es mir immer relativ schwerfällt, so den Ertrag dann zu kontrollieren. […] In der Großgruppe kann ich sehen, wer ernsthaft antwortet und wer die Antwort weiß und kann auch korrigieren. Bei der Partnerarbeit sprechen die dann miteinander. Zwei machen das richtig und zwei schwatzen nur […]. #00: 08: 55-8# (Interviewtranskript, LIII, 6) Die letzte Aufgabe zur Wortschatzarbeit auf der Einführungsseite ändert Lehrkraft III hinsichtlich der methodischen Umsetzungsform ab. Anstatt des vorgeschlagenen Panto‐ mime-Spiels in der Klasse wählt sie die ihrer Ansicht nach „langweiligere Methode“, indem sie gemeinsam mit den Lernenden das Vokabular durchliest und bespricht. Sie be‐ gründet dies vorrangig mit Zeitnot. Dies seien zwar „abwechslungsreichere und lebhaftere Methoden“, sie verliere aber dadurch viel Unterrichtszeit, die ihr für die Besprechung anderer notwendiger Themen fehle. Darüber hinaus sieht sie keine angemessene Auf‐ wand-Nutzen-Relation beim Einsatz solcher Vorgehensweisen, mit denen angabegemäß kein größerer Lernertrag und sprachlicher Umsatz einhergehe sowie sich sogar teils die Aufmerksamkeit und Konzentrationsfähigkeit der Lerner*innen verringere und mehr „Unruhe“ im Klassenzimmer herrsche. B: #00: 09: 49-1# Ja, ich finde da sind immer so methodische Vorgehensweisen, die vielleicht auf den ersten Blick ganz abwechslungsreich und ganz lebhaft erscheinen, die aber ein-, viel Aufwand, nicht Aufwand erfordern, aber Zeit einnehmen, Konzentration verloren gehen lassen, Unruhe in einer Klasse bringen und wenig Ertrag bringen. Also Bilder, Kärtchen zu Aktivitäten, die die Schüler, wer sich als erster meldet und so weiter. […] Ich weiß, dass es die langweiligere Methode ist und es ist vielleicht sehr kopflastig und nicht so abwechslungsreich, aber jugar al fútbol habe ich innerhalb von drei Minuten eingeführt. […]. #00: 10: 56-0# (Interviewtranskript, LIII, 8) Von den Lehrkräften II und VII wird auf den Einführungsteil nur punktuell im Rahmen der Wortschatzarbeit Bezug genommen, z. B. während oder vor der Textbesprechung. Es findet ein kontinuierlicher Rückgriff auf die Vokabelliste der Einführungsseiten während der gesamten Arbeit mit der Lektion statt. Die im Folgenden erläuterte Arbeit mit der Lektion ist in allen drei Fällen durchgehend an dem Textmaterial ausgerichtet. Dieses bildet den Ankerpunkt für die Besprechung von und die Arbeit mit/ an sprachlichen Mitteln und inhaltsbezogenen Themen. Die Auswahl und 4.3 Die Rezeption und Verwendung des Lehrwerks von Spanischlehrkräften (Quant-QUAL) 311 <?page no="312"?> Reihenfolge der bearbeiteten Texte, Aufgaben und Übungen ist stets in den thematischen Kontext eingebunden. Daher erfolgt die Bearbeitung nicht (immer) nach der Reihenfolge im Lehrbuch, sondern nach deren thematischer Eignung und Relevanz: B: #00: 01: 19-2# […] Nicht in der Reihenfolge, immer thematisch, genau, wenn ich mit den Verben gearbeitet, habe ich die Übung zu den Verben gemacht, das heißt ich habe die Aufgabe 8 gemacht und dazu habe ich dann gleich im Arbeitsbuch die Aufgabe (blättert). Genau, das war dann die 7 gewesen auf der Seite 7, immer was dann so zusammenpasst. […]. #00: 06: 29-3# (Interviewtranskript, LVII, 3) B: #00: 03: 00-4# […] B schaut ins Material. Genau da die Seite 5. Da waren diese ganzen Wetterphänomene mit dabei in der 4 und dann die Tageszeiten auch noch mit der 5 dann dabei. Das war ein großes Tafelbild noch zur Uhrzeit und auch wie das Wetter, die Wetterphänomene, die hatte ich auch angezeichnet an der Tafel, im Buch war es ja gar nicht so übersichtlich auf der Seite 11 zu el tiempo, steht zwar hay und hace- und bin dann auf die Verben spezifisch eingegangen […]. Genau, dann noch die Jahreszeiten, dann welche Ferien haben sie zum Beispiel verbracht im Winter und welche im Sommer, dass man da nochmal die Unterschiede herausgefiltert und im Prinzip alle Wetterphänomene hat. Und dann ging es auch gleich im Anschluss an den Tagesablauf von einem Ferientag, so in der Art wie war es denn da-, da hat man das indefinido. Da haben wir das gleich reinverpackt und wie es ist normalerweise, dass man das auch nochmal im Präsens durchgeht, sodass es thematisch alles in allem rund wird […]. #00: 05: 43-7# (Interviewtranskript, LII, 4) Für die nachfolgenden Ausführungen ist ergänzend zu beachten, dass sich analog dazu auch die Nutzung des Arbeitshefts (AH, S. 4-14) versteht. Dessen Inhalte, Aufgaben und Übungen werden passend zur Bearbeitung im Lehrbuch (z. B. zu grammatischen Strukturen) ausgewählt und unmittelbar im Anschluss von den Lernenden im Regelfall als Hausaufgabe bearbeitet. Es handelt sich hierbei um eine vernetzte Verwendung dieser beiden Lehrwerkbestandteile, die kontinuierlich aufeinander bezogen werden. B: #01: 18: 49-1# […] dann […] gucke mir das in dem Lehrbuch an und verwende dann die entsprechenden Übungen im Übungsbuch, die mir passend erscheinen, also die zum Thema, zur Grammatik passen, z. B. zur Vertiefung. Also ich gehe schon da auch nicht so stur jetzt von Seite zu Seite vor, sondern ich gucke wirklich, was erscheint mir sinnvoll. Wie kann man das vertiefen? Wo ist das im Arbeitsbuch aufgearbeitet? Und wie kann man das dann da einbringen? […] #01: 19: 49-9# (Interviewtranskript, LIII, 162). 312 4 Empirische Untersuchungsergebnisse <?page no="313"?> B: #00: 06: 32-6# […] Also ich mache immer, wenn ich eine Übung aus dem Buch nehme, gleich die Übung aus dem cuaderno dazu, meist nochmal als Hausaufgabe, damit sie es einfach nochmal für sich rekapitulieren können. […]. #00: 11: 51-9# (Interviewtranskript, LVII, 5) Alle drei Lehrkräfte geben an, dass sie nahezu alle Aufgaben und Übungen im Arbeitsheft von den Lernenden bearbeiten lassen. Es wird demnach nicht explizit auf jede einzelne verwiesen. Lehrkraft II ersetzt darüber hinaus aus Gründen der Erhöhung des Anwen‐ dungsbezugs Aufgaben und Übungen des Lehrbuchs bzw. ganze Lehrbuchlektionsteile durch Angebote im Arbeits- und Prüfungsheft, um das Maß an rezeptiver und produktiver Sprachverwendung zu erhöhen. B: #00: 11: 51-4# […] aber ich muss sagen, also im Buch habe ich das Wenigste dazu verwendet. Meistens habe ich das Arbeitsheft benutzt. […] ich habe das wirklich anhand des eigenen Tagesablaufs und plus im Prinzip Arbeitsheft gemacht. Das war dann ergiebiger, um es anzuwenden. Plus auch mal das Prüfungsheft zwischendrin, da sind mehr Anwendungen als nachher letztendlich im Buch oder Arbeitsheft […]. #00: 13: 15-8# (Interviewtranskript, LII, 22) Abschließend sei zum Einführungsteil noch erwähnt, dass Lehrkraft II und VII den Lektionseinstieg bedingt durch die COVID-19-Pandemie dahingehend abgeändert bzw. verschoben haben, dass an dieser Stelle Wiederholungsschleifen zu ihrer Ansicht nach geeigneten Themen aus dem ersten Lernjahr eingebunden werden (z. B. Wortschatz (u. a. Begrüßung, Fragepronomen), Grammatik (u.-a. unregelmäßige Verben im Präsens)): B: #00: 00: 45-9# […] Ah, ja also, so richtig eingestiegen ins Buch bin ich erst, nachdem ich wiederholt habe aus dem letzten Schuljahr. […] weil ja vorher alles per Home-Schooling und Drittel der Klasse und so weiter gelaufen ist, sodass ich die Schüler wieder abgeholt habe, wieder Verben eingeführt habe, wie ser, estar und hay und was habe ich noch gemacht. […]. #00: 02: 51-1# (Interviewtranskript, LII, 2) B: #00: 01: 19-2# […] Ich habe zudem aufgrund der Corona-Krise beachten müssen, dass ich alle Themen des ersten Schuljahres nochmal wiederholt habe. Das habe ich immer mit eingebunden […]. Wir haben nochmal geübt, sich zu begrüßen, Fragen zu stellen, die Fragepronomen wiederholt, um so einen kleinen Dialog zu machen. Das haben wir zum Einstieg gemacht […]. #00: 06: 29-3# (Interviewtranskript, LVII, 3). Teil A Im Anschluss an den Einführungsteil wird im Lektionsteil A Textmaterial in Form von drei Postkarten präsentiert (LB, S. 10), in denen die Lehrbuchpersonen über das Wetter, Freizeitaktivitäten und über ihren Tagesablauf sprechen. Damit sollen verschiedene Fertig‐ 4.3 Die Rezeption und Verwendung des Lehrwerks von Spanischlehrkräften (Quant-QUAL) 313 <?page no="314"?> keiten systematisch geübt oder wiederholt werden. Die Lernenden erfahren auf diesem Wege auch etwas über verschiedene spanische Regionen (z. B. Santiago de Compostela, Sevilla, Valencia). Gemäß den Ausführungen zu Beginn dieses Kapitels werden die fol‐ genden Analyseergebnisse nach der Struktur der Lektion und den von den Lehrkräften vorgenommenen Schwerpunktsetzungen in den Bereichen Kompetenzen und sprachliche Mittel präsentiert. Lesen, Wortschatz und … (Lehrkräfte II, III, VII) • Schreiben (II, III) • Hörverstehen (VII) Zu Beginn wird der erste Lektionstext von den Schüler*innen im Plenum laut vorgelesen. Entgegen den Empfehlungen in den Handreichungen wird der Lektionstext nicht über die Audio-CD dargeboten. Zur Textverständnissicherung bearbeitet Lehrkraft III die erste Teilaufgabe (LB, S. 11, 1a) des betreffenden Aufgabenkomplexes, indem eine Tabelle zu den Inhalten der Postkarten anhand von W-Fragen (Wo? Mit wem? Was wird gemacht? ) schriftlich angelegt wird: B: #00: 01: 32-7# […] Dann haben wir die beiden-, die drei Ansichtskarten gelesen, die da auf der Seite 10 vorkommen und auf diesen drei Ansichtskarten ist ja noch das Präsens die Zeit, die da verwendet wird. Also es ging da mehr so um die inhaltliche Einführung des Themas Urlaub und noch nicht so sehr um die Grammatik […]. #00: 07: 07-9# (Interviewtranskript, LIII, 2) Auf die zwei weiteren Aufgaben (LB, S. 11, 1b, c) zur intensiveren Beschäftigung mit dem Textmaterial mit der Methode eines Expertenpuzzles und dem Anlegen einer Tabelle (wie zum Textverstehen) zu Orten und Aktivitäten in Bezug auf die eigenen Ferien der Lernenden wird verzichtet. Lehrkraft III führt dazu vorrangig die Einschränkungen der COVID-19-Pandemie an. B: #00: 13: 15-6# Nochmal ergänzend dazu, also diese 1b, das ist eine schöne Arbeitsform. Wirklich, wenn das mit Corona nicht wäre, dann könnte man sowas gut machen, dass sie das vorbereiten und dann untereinander sich wieder gegenseitig präsentieren. […]. #00: 13: 56-1# (Interviewtranskript, LII, 16) Sie fügt dem jedoch hinzu, dass sie auch ohne derartige Beschränkungen immer nur einen Teil der Aufgaben und Übungen bearbeiten könne, aufgrund der von ihr bereits erläuterten Menge und Komplexität der Lektion. Die Lehrkräfte II und VII führen keine nähere (textverständnissichernde) Beschäftigung mit dem Material anhand der im Lehrbuch dafür vorgesehenen Teilaufgabe (LB, S. 11, 1a) durch und arbeiten auch nicht mit der vorgeschlagenen Methode des Expertenpuzzles, innerhalb derer sich Lernendengruppen mit ausgewählten Inhalten tiefergehend beschäftigen sollen (LB, S. 11, 1b). Dies wird von 314 4 Empirische Untersuchungsergebnisse <?page no="315"?> den beiden Lehrkräften mit Blick auf die Einführung der neuen Themen (über das Wetter sprechen, eigene Postkarte schreiben) als nicht ertragreich und zeitaufwändig erachtet. Lehrkraft VII ersetzt die drei beschriebenen Lehrbuchaufgaben, indem sie die Lerner*innen alle Begriffe im Textmaterial heraussuchen lässt, die das Thema Wetter betreffen. Dazu erstellt sie eine Mind-Map (an späterer Stelle im Lehrbuch vorgesehen) an der Tafel, in die die Begriffe eingetragen werden und spricht mit den Schüler*innen im Anschluss über das aktuelle Wetter am Ort der Schule sowie an den verschiedenen Ferienorten der Lerner*innen. Damit intendiert wird eine Erhöhung des Realitäts- und Lebensweltbezugs und eine sprachliche Umwälzung des Themas in einem anderen inhalt‐ lichen Kontext. B: #00: 01: 19-2# […] Wir haben die Postkarten gelesen und haben uns dann erst einmal mit dem Wetter beschäftigt. Wir haben alle Begriffe, die das Wetter betreffen, herausgesucht, raussortiert. Wir haben eine Mind-Map gemacht zu dem Wetter und dann haben wir aktuell über das Wetter gerade in [Ort der Schule] gesprochen, über das Wetter in den Ferien, von den Ferienorten verschiedener Schüler […]. #00: 06: 29-3# (Interviewtranskript, LVII, 3) Auch Lehrkraft III geht dann über zur Besprechung des ersten Themenkomplexes, dem Wetter, zu dem sie die Lernenden alle zugehörigen Begriffe im Textmaterial heraussuchen lässt und in Form einer Mindmap (LB, S. 11, Nr. 2a) festhält. Dabei geht sie gemäß den Empfehlungen in den Handreichungen insb. auf die Unterscheidung der beiden Verben zur Angabe des Wetters ein. B: #00: 01: 32-7# […] Dann haben wir (..) die Ausdrücke zum Wetter gesammelt, aus den Ansichtskarten und haben überlegt, was für verschiedene Möglichkeiten wir haben, über das Wetter zu sprechen und haben dann unten die Mind-Map erstellt, el tiempo, hay und hace und dann da jeweils die unterschiedlichen Ausdrücke dazu geschrieben und danach die (..) Substantive, was man braucht, um über das Wetter zu sprechen und so ergänzt und das Ganze dann gelernt. […]. #00: 07: 07-9# (Interviewtranskript, LIII, 2) Bevor sich Lehrkraft II zusammen mit den Schüler*innen näher mit dem Themenkomplex Wetter auseinandersetzt, lässt sie die erste Teillernaufgabe der ersten Lektion (Schreiben einer Postkarte) mittels einer Kombination der Teilaufgabe 1c (LB, S. 11) sowie einer später vorgesehenen Aufgabe zur schriftlichen Textproduktion (LB, S. 12, 5b) bearbeiten. Dabei verweist sie auf die oben beschriebene Teilaufgabe 1a (LB, S. 11) als Orientierungsrahmen (W-Fragen) für die eigene Textproduktion. B: #00: 07: 52-1# Ja genau, in die direkte Anwendung, dass man reagieren konnte, auf diese postales, dass man also die eigene postal geschrieben hat, weil, dann braucht man ja auch diese Fragen, dónde, con quién, qué hace. […]. #00: 08: 45-4# (Interviewtranskript, LII, 14) 4.3 Die Rezeption und Verwendung des Lehrwerks von Spanischlehrkräften (Quant-QUAL) 315 <?page no="316"?> Hierbei verzichtet sie auf die Empfehlungen in den Handreichungen für Lehrkräfte, die Postkarten in einem tatsächlichen Postkartenformat an Mitschüler*innen oder Austausch‐ partner*innen zu adressieren und im Klassenzimmer aufzuhängen. Im Folgenden geht dann auch Lehrkraft II zum zweiten Themenkomplex Wetter über und orientiert sich dabei an der im Lehrbuch vorgesehenen Aufgabe zur Erstellung einer Mind-Map (LB, S. 11, Nr. 2a). Auf dieser Basis sowie in Kombination mit den dafür im Arbeitsheft vorgesehenen Übungen (AH, S.-4-5) fertigt sie ein Tafelbild an und baut dies durch weitere Erklärungen zu wetterbezogenen Verben aus. Aus Gründen der thematischen Eignung, Relevanz und mit Blick auf einen weiteren Themenkomplex der Lektion (Tagesablauf) integriert sie weitere Teilthemen der Jahres- und Tageszeiten sowie der Uhrzeit. Diese hält sie ebenfalls in der Mind-Map fest und ergänzt sie teils auch zeichnerisch. Die weiteren im Lehrbuch vorgesehenen Aufgaben und Übungen zum Themenkomplex Wetter (LB, S.-11, 2b, c) werden anders als in den Handreichungen für Lehrkräfte vorgeschlagen umgesetzt. Die zweite Teilaufgabe (2b) zu Vorlieben der Lernenden bzgl. der Jahreszeiten wird von Lehrkraft II umformuliert, indem sie die Lerner*innen über das Wetter in einem eigenen Sommer- und Winterurlaub sprechen lässt, um eine Bandbreite an Wetter‐ phänomenen aufzugreifen und die Aufgabe stärker an der Lebenswelt der Schüler*innen auszurichten. B: #00: 07: 25-4# Genau, die hatte ich umgewandelt, so dass man also einmal den eigenen Winter- und einmal den Sommerurlaub quasi beschrieben hat, weil das dann auch andere Wetterphänomene waren und dass sie das eher auf sich beziehen. #00: 07: 41-1# (Interviewtranskript, LII, 12) Die dritte Teilaufgabe des Aufgabenblocks 2 (LB, S. 11) zu einer Internet-Recherche zum Wetter in verschiedenen spanischsprachigen Städten (per Mediencode erreichbar) wird von Lehrkraft II auf Basis einer anderen Materialgrundlage bearbeitet. Sie konsultiert im Unterricht eine bekannte Wetter-Homepage, wählt verschiedene Orte aus und lässt die Schüler*innen auf Basis der Angaben das Wetter dort mündlich beschreiben und (länderübergreifend) vergleichen. Dies erachtet sie als komfortabler und zeiteffizienter, als über den Mediencode auf das mit dem Lehrwerk verknüpfte Material zuzugreifen. B: #00: 06: 07-2# B schaut in das Material. Nein, also die find ich nicht so praktisch diese Übung. Man muss also hin- und herschwenken. Die Zeit hat man oft gar nicht alles so vorzubereiten und dann auch noch die Internetseiten zu finden und bereitzustellen, ja, sodass ich das zum Beispiel ersetzt habe mit einer richtigen Website. Zum Beispiel, dass man qué tiempo hace und dann hat man Nueva York und Madrid und Alemania verglichen, ja und welche Wetterphänomene da passieren. #00: 06: 51-8# (Interviewtranskript, LII, 6) Die Lehrkräfte III und VII verzichten auf die beiden weiteren Teilaufgaben zu den Vorlieben der Lernenden bzgl. der Jahreszeiten und zu einer Internet-Wetter-Recherche in spanischsprachigen Städten (LB, S. 11, 2b, c). Dies begründen sie zum einen mit Zeit‐ knappheit und der digitalen Anlage der zweiten Teilaufgabe, die sie vor dem Hintergrund 316 4 Empirische Untersuchungsergebnisse <?page no="317"?> der Raumausstattung nicht bzw. nur mit Mehraufwand umsetzen können sowie zum anderen mit fehlender Relevanz, Lernzielgerichtetheit und einem Ungleichgewicht der Input-Output-Relation. B: #00: 01: 19-2# […] Ich mache niemals diese Aufgaben mit den Filmen oder mit dem Internet. Die lasse ich immer gleich weg. Das ist meines Erachtens zu viel Medien für zu wenig Output. […]. #00: 06: 29-3# (Interviewtranskript, LVII, 3) Die beiden nachfolgenden Aufgaben zum Themenfeld Wetter werden von den Lehrkräften II und III ausgelassen. Die Lerner*innen sollten hier einen meteorologischen Vortrag über das Wetter in den dargestellten Orten erstellen (LB, S. 12, Nr. 3) sowie eine Hörverstehens‐ aufgabe zum Wetter in spanischsprachigen Städten (LB, S. 12, Nr. 4) bearbeiten. Lehrkraft III erscheinen die Inhalte dieser Aufgaben nicht aussagekräftig genug und sie hätte einen umfangreicheren Wetterbericht zu einer Stadt bevorzugt. Diesen hätte sie über das Internet abrufen bzw. auf einer Karte zeigen müssen, worauf sie aus ausstattungstechnischen Raumgegebenheiten verzichtet habe. B: #00: 14: 35-9# (…) B schaut ins Material. Also Seite 12 habe ich nichts gemacht, weil mir einfach da diese busca las ciudades en un mapa y prepara el pronostico del tiempo en las siguientes ciudades-. Diese Städte mit den Gradzahlen, das erschien mir nicht aussagekräftig genug und ich wollte da eine ganze-, eigentlich mehr so einen ganzen Wetterbericht von einer Stadt haben. Aber das hätte man über Internet machen müssen und auf einer Karte zeigen müssen. Und das ging nicht. B schaut weiter ins Material. Ja, das andere wäre wieder eine Hörverstehensübung, die habe ich auch nicht gemacht. […]. #00: 16: 38-4# (Interviewtranskript, LIII, 20) Lehrkraft II erachtet das Themenfeld Wetter auf Basis der vorab bearbeiteten Aufgaben und Übungen als ausreichend behandelt, weshalb sie keinen Mehrwert in der Einbindung dieser beiden Aufgaben in ihren Unterricht sieht. B: #00: 09: 31-8# Ja, (…). Das habe ich so nicht gemacht, wie gesagt, da hatte ich ja eine Wetterseite, dass sie da drauf reagieren konnten. #00: 09: 48-7# (Interviewtranskript, LII, 18) Lehrkraft VII hingegen lässt beide Aufgaben zum Themenfeld Wetter von den Lernenden bearbeiten. Die erste Aufgabe dazu wandelt sie ab, indem die Schüler*innen keinen meteorologischen Vortag über das Wetter in den dargestellten Orten erstellen, sondern spontan über die betreffenden Orte, Gradzahlen und Piktogramme sprechen sollen. Dies begründet sie zum einen mit Zeitknappheit und zum anderen mit der Bedeutsamkeit der Förderung des (freien/ spontanen) Sprechens in ihrem Spanischunterricht. Die zweite in diesen thematischen Kontext eingebundene Aufgabe zum Hörverstehen wird wie im Lehrbuch vorgeschlagen mittels einer Tabelle zur Textverständnissicherung (Name, Stadt, Wetter, Meinung) erarbeitet. Den weiteren Empfehlungen in den Handreichungen zur 4.3 Die Rezeption und Verwendung des Lehrwerks von Spanischlehrkräften (Quant-QUAL) 317 <?page no="318"?> methodischen Umsetzung (z. B. Erstellung von Lernplakaten und Piktogrammen zum Wetter) folgt diese Lehrkraft aus Zeitgründen und fehlender Lernzielgerichtetheit nicht. In Ergänzung zum Themenfeld Wetter lassen die drei Lehrkräfte die dazu vorgesehenen Aufgaben bzw. Übungen im Arbeitsheft von den Lerner*innen parallel bzw. als Hausaufgabe bearbeiten (AH, S. 4-5). Zum Abschluss des Themenkomplexes Wetter lässt Lehrkraft III die Lerner*innen als Hausaufgabe eine eigene Postkarte verfassen (LB, S. 12, Nr. 5b). Als Vorbereitung darauf ersetzt Lehrkraft III die erste Teilaufgabe zur Suche nach geeigneten Phrasen im Textmaterial, indem sie die Schüler*innen direkt mit den Schreibhilfen (LB, S.-25, Nr.-4) arbeiten lässt, was sie als zeiteffizienter und ertragreicher erachtet. B: #00: 30: 25-1# (..) Ja, genau, das habe ich ihnen sozusagen als Vorlage gegeben für diese Hausaufgabe, wo sie die Postkarte schreiben sollten, damit sie die Einleitung und den Abschied und das schreiben können. #00: 30: 43-9# (Interviewtranskript, LIII, 68) Dabei verzichtet sie wie auch Lehrkraft II darauf, entsprechend den Empfehlungen in den Handreichungen für Lehrkräfte die Postkarten in einem tatsächlichen Postkartenformat an Mitlernende oder Austauschpartner*innen zu adressieren und im Klassenzimmer auf‐ zuhängen. Grammatikund/ oder Wortschatz(-wiederholung) sowie… (Lehrkräfte II, III, VII) • Hörsehverstehen und Schreiben (II) • Landeskunde (III) • Lesen, Sprechen und Schreiben (VII) Im Rahmen der Bearbeitung der weiteren Aufgaben und Übungen des Lektionsteils A wiederholen die Lehrkräfte II und III gemäß den Empfehlungen in den Handreichungen Verben mit Diphthong, reflexive Verben und die Uhrzeit. Dazu nutzen sie in unterschied‐ lichem Umfang das dafür vorgesehene Material im Lehrbuch und Arbeitsheft (Lehrkraft II: LB, S. 13, 6b; AH, S. 5-7 / Lehrkraft III: LB, S. 13, 6b; S. 14, 8, 9; AH, S. 5-7), lassen jedoch Teilaufgaben (LB, S. 13, 6a, c) aus, die sie in die Bearbeitung anderer Aufgaben und Übungen integrieren (z. B. 6a in 6b) sowie ebenfalls auch aus Zeitgründen (Spaziergang durch die Schule, in Bewegung sprechen). Alle drei Lehrkräfte folgen den methodischen bzw. sozialformbezogenen Empfehlungen in den Handreichungen für Lehrkräfte nicht (u. a. Erstellung selbstgebastelter Drehuhren, zusätzliches Aufzeichnen von Uhrzeiten und Besprechung dieser in Partnerarbeit, Klassenumfrage zu Tätigkeiten und Uhrzeiten, Kugellagermethode). Ebenso verzichten sie auf den Einsatz des zusätzlich entworfenen Tandem-Bogens zur Wiederholung der Uhrzeit. Als Begründung werden die mangelnde Zugänglichkeit (digital), Zeitknappheit und fehlende Altersangemessenheit genannt. Direkt im Anschluss lässt Lehrkraft III im Arbeitsheft eine Aufgabe (S. 7, 8a) bearbeiten, im Zuge derer die Lernenden, den Tagesablauf einer Lehrbuchperson auf Basis visueller Bildimpulse, Uhrzeiten und Verben im Infinitiv schriftlich verfassen. Eine weitere im Lehrbuch vorgesehene Aufgabe zu Ferienorten und -aktivitäten basierend auf einem audiovisuellen Impuls (DVD) (LB, S. 13, 7) mit einer Tabelle zur Textverständnissicherung, der Korrektur vorgegebener inhaltlich bezogener Aussagen zum Material sowie der sich 318 4 Empirische Untersuchungsergebnisse <?page no="319"?> daran anschließenden Erstellung eines Dialogs auf Basis des Videos wird von Lehrkraft III und VII ausgelassen. Die Erklärung dafür liegt in der erschwerten Zugänglichkeit zum Material sowie der ihrer Ansicht nach fehlenden Lernzielgerichtetheit (auch zur Vermei‐ dung von Redundanzen). Lehrkraft II lässt diesen Aufgabenblock hingegen nicht aus, sondern kürzt diesen auf die letzte Teilaufgabe (7c) herunter. Dies begründet sie zum einen vor dem Hintergrund zeitlicher Faktoren und zum anderen aufgrund der Komplexität des Anforderungsniveaus. Ergänzend thematisiert Lehrkraft III eine weitere grammatische Struktur, das Gerundium, das eigentlich bereits Thema des ersten Lernjahrs gewesen wäre, aber aus Gründen der Umstände durch die COVID-19-Pandemie nicht besprochen wurde. Die Einbindung dieses grammatischen Themas ergänzt sie durch weiteres Material (erster Lehrwerkband und lehrwerkunabhängiges Grammatikbuch). B: #00: 01: 32-7# […] Und ich habe dann noch dazu genommen, das Gerundium, das auch im ersten Jahr dran gewesen ist, das aber nicht durchgenommen worden ist. Und das habe ich aus einem anderen Buch ergänzt und habe das noch da zusätzlich eingeführt und geübt mit Übungen aus diesem anderen Grammatikbuch, […]. #00: 07: 07-9# (Interviewtranskript, LIII, 2) Lehrkraft VII orientiert sich bei der Lektionsarbeit stärker am Textmaterial, denkt die grammatischen Inhalte von den thematischen Lektionsschwerpunkten aus und bündelt sich die Lektion selbst zu eigenen thematischen Einheiten, sodass sie im Vergleich zu den anderen beiden Lehrkräften die Inhalte der Lektion umstellt und an anderer Stelle bzw. in einer anderen Reihenfolge sowie in unterschiedlicher Intensität bearbeitet. Lehrkraft VII geht demnach zum Textmaterial des Lektionsteils A zurück und bearbeitet auf dieser Grundlage die Beschreibung des Tagesablaufs sowie die Adjektivangleichung. An dieser Stelle führt sie nun die zur Verständnissicherung des Textes vorgesehene Teil‐ aufgabe im Lehrbuch durch (LB, S.-11, 1a), erweitert diese jedoch um zusätzliche Inhalte, indem die Lernenden über ihren eigenen Tagesablauf in den Ferien sowie über diesen von Lehrbuchpersonen in den Postkarten sprechen und die ausgewählten Inhalte in die Tabelle (Name, Ort, Teilnehmende, Aktivitäten) eintragen sollen. Diese Erweiterung nimmt Lehrkraft VII vor, um die Schüler*innen individuell zu adressieren und ihren Tagesablauf mit denen der Lehrbuchpersonen vergleichen zu lassen. Die Idee, die Lerner*innen über ihre eigenen Ferien, den Tagesablauf und ihre Aktivitäten sprechen zu lassen, findet sich in ähnlicher Form auf der Einführungsseite (LB, S. 9) sowie in anderen Teilaufgaben wieder (LB, S. 11, 1c; S. 15, 11a). Lehrkraft VII erachtet die Thematisierung an dieser Stelle unter Einbindung in die von ihr gewählte Lehrbuch(teil-)aufgabe als sinnvoller und zeiteffizienter. In den thematischen Block des Tagesablaufs bindet Lehrkraft VII nun die Besprechung grammatischer Themen ein. Sie wiederholt mit den Lernenden die Präsenskonjugation und die Adjektivangleichung. Die Wiederholung der Verbkonjugation bearbeitet sie mittels einer dafür vorgesehenen (Teil-)Aufgabe im Lehrbuch (LB, S. 13, 6), die sie jedoch nur zum Teil bearbeiten lässt. Sie verzichtet auf die im Lehrbuch dafür vorgesehene erste Teilaufgabe zur Einführung in das Thema der Modalverben über Aussagesätze der Lehrbuchpersonen (LB, S. 13, 6a), die die Schüler*innen zum Nachdenken über die Konjugationsbesonderheiten von Modalverben im Spanischen anleiten sollen. 4.3 Die Rezeption und Verwendung des Lehrwerks von Spanischlehrkräften (Quant-QUAL) 319 <?page no="320"?> Lehrkraft VII spricht mit den Lerner*innen im Plenum direkt das Thema der Modalverben an und sammelt diese gemeinsam mit den Schüler*innen an der Tafel. Dies überführt sie dann zur zweiten Lehrbuchteilübung (6b), in der die Modalverben in vorgegebenen Sätzen konjugiert werden sollen. Auf die dritte Teilaufgabe (6c) zu Vorlieben von Ferienaktivitäten unter Nutzung von Modalverben wird aus Gründen der Vermeidung von Redundanzen und Zeitknappheit verzichtet. B: #00: 12: 37-5# […] Ja, zum Beispiel die Aufgabe 6, wo es nochmal um die Modalverben geht, habe ich jetzt gar nicht groß über die a, also diese Einleitung, über die Bilder gesprochen, über das, was sie sagen, sondern ich hatte mit denen nochmal ohne Übung über die Modalverben gesprochen und wir hatten dann welche gesammelt und dann habe ich gesagt, jetzt haben wir noch ein paar Sätze im Buch, das heißt wir haben dann ganz explizit nur die b genommen, nur aus der b gearbeitet. […]. #00: 14: 12-2# (Interviewtranskript, LVII, 7) Den thematischen Komplex des Tagesablaufs abschließend, lässt sie die Schüler*innen selbst eine Postkarte mittels der dafür vorgesehenen Lehrbuchaufgabe verfassen (LB, S. 12, 5b). Diese verkürzt sie jedoch um eine Teilaufgabe, in der es um die Suche nach geeigneten Vokabeln und Phrasen geht (5a), um eine Postkarte schreiben zu können. Dafür verweist sie auf die am Ende der Lektion angegebenen Schreibhilfen für die Lernenden (LB, S. 25, 4) und lässt die Lerner*innen den Text der Postkarte im Unterricht selbst verfassen (ohne Nutzung des vorgeschlagenen Postkartenformats, Abschrift ins Heft), um zu vermeiden, dass Hilfsprogramme wie Übersetzer genutzt werden. Daran schließt sich die Einbindung eines weiteren grammatischen Themas an, das der Adjektivangleichung, das von Lehrkraft VII unabhängig von der Lektion in die Bearbeitung des Lektionstextes zu Wiederholungszwecken eingebunden wird, indem sie dies den Lerner*innen deduktiv am Textmaterial nochmals zeigt. In Erweiterung zur Wiederholung der Verbkonjugation im Präsens (unregelmäßig, Diphthong) führen die Lehrkräfte II und VII über zum Grammatikkomplex der reflexiven (Diphthong-)Verben, den Lehrkraft III bereits vorab in die Grammatikwiederholungs‐ phase integriert hat (AH, S. 7). Lehrkraft VII nutzt die dafür vorgesehene Lückentextübung im Lehrbuch (LB, S. 14, 8), die sie aufgrund ihrer Komplexität von den Schüler*innen zwei Mal bearbeiten und abschreiben lässt. Sie begründet die Bearbeitung dieses grammatischen Themas auch wieder vor dem Hintergrund des thematischen Kontexts des Tagesablaufs, wofür sie diese Art von Verben als Grundlage erachtet. Direkt im Anschluss daran erledigen die Lerner*innen als Hausaufgabe die dafür vorgesehene Lückentextübung im Arbeitsheft (AH, S. 7, 7). Ergänzend zum Themenkomplex lässt Lehrkraft VII mittels der dafür vorgesehenen Aufgabe im Lehrbuch die Angabe der Uhrzeit wiederholen (LB, S. 14, 9). Diese wird wie im Lehrbuch vorgesehen von den Lernenden schriftlich in ihrem Heft bearbeitet, indem sie vollständige Sätze zu den Aktivitäten und den angegebenen Uhrzeiten notieren. Anschließend wird im Arbeitsheft eine Aufgabe (AH, S. 7, 8a) bearbeitet, im Rahmen derer die Schüler*innen den Tagesablauf einer Lehrbuchperson auf Basis visueller Bildimpulse, Uhrzeiten und Verben im Infinitiv schriftlich verfassen. Lehrkraft II legt den Fokus während der Erbzw. Bearbeitung der grammatischen Themen der Lektion 320 4 Empirische Untersuchungsergebnisse <?page no="321"?> stärker auf die Aufgaben und Übungen im Arbeitsheft (AH, S. 6, 6c; S. 7; S. 8, 7b), da sie diese vor dem Hintergrund der Einbindung in den Tagesablauf sowie die Integration der Uhrzeit und direkten Adressierung der Lerner*innen (insb. 7b) als lebensweltnaher und anwendungsbezogener erachtet. Die Übungen im Lehrbuch zu reflexiven Verben und der Uhrzeit (LB, S. 14, 8, 9) werden von Lehrkraft II demnach ausgelassen. Den thematischen Komplex des Tagesablaufs abschließend ergänzt Lehrkraft VII eine auf die mündliche Sprachproduktion bezogene Aufgabe, in der die Lerner*innen einen Ein-Minuten-Vortrag (charla) zu ihrem Tagesablauf planen und vorstellen. Intendiert wird damit der (frühe) Abbau von Sprechhemmungen, die Automatisierung von (freien) Sprechhandlungen für höhere Lernjahre sowie eine weitere sprachliche Umwälzung in einem anderen Kontext. B: #00: 01: 19-2# […] und damit die Schüler das besser verinnerlichen, sollten sie dann über ihren Tagesablauf eine charla machen. […] mir ging es darum, dass sie sagen me levanto, me cepillo los dientes, dass sie das einfach-, das sind ja wirklich Vokabeln, die braucht man das ganze Leben lang, dass das wirklich sitzt. Noch lernen sie das auswendig, aber irgendwann in der 9 ist dann das Ziel, dass ich hingehe und sage du und du zwei Minuten Thema keine Ahnung gestern in der Schule. Ja, dass sie wirklich dann einfach irgendwie was so zusammenstückeln. […]. #00: 06: 29-3# (Interviewtranskript, LVII, 3) Die letzten Aufgaben des Lektionsteils A zu spanischen Regionen (LB, S. 14, 10; S. 15, 12), die den Schüler*innen mit audiovisuellem Material präsentiert werden können und wozu sie Fragen beantworten und einen Steckbrief zu einer Region in Spanien erstellen sollen, werden von Lehrkraft II und VII ausgelassen. Lehrkraft II verzichtet hierauf aus Zeitgründen, zur Vermeidung von Redundanzen, aber auch aufgrund des zu komplexen Anforderungsniveaus der über die Mediencodes zu erreichenden Materialien. Lehrkraft VII führt vorrangig für diesen Verzicht die erschwerte Zugänglichkeit an. Damit einher geht demnach, dass im Falle der Lehrkräfte II und VII einer der drei Themenblöcke des Lektionsteils A („verschiedene Regionen in Spanien kennenlernen“) ausgelassen und damit die Adressierung landeskundlicher Inhalte als nachrangig erachtet wird. Lehrkraft III hingegen lässt die sich anschließende Aufgabe zu verschiedenen Regionen Spaniens auf Basis von Video-Material (über Mediencode) (LB, S. 14, 10) von den Ler‐ nenden als Hausaufgabe bearbeiten. Dies liegt darin begründet, dass sie die Vermittlung landeskundlicher Kenntnisse als zentral erachtet, darauf bisher im Rahmen ihrer Lektionsarbeit noch kein Schwerpunkt lag und sie den Schüler*innen unter angemessenen aus‐ stattungstechnischen Bedingungen (i. d. R. Gewährleistung stabiler Internetverbindung zu Hause) die Möglichkeit der Arbeit mit audiovisuellem Material geben möchte. Eine weitere und letzte Aufgabe des Lektionsteils A zu spanischen Regionen (LB, S. 15, 12), die die Lerner*innen in Form einer Sprachmittlung zu audiovisuellem Material durchführen und im Anschluss einen Steckbrief zu einer Region Spaniens verfassen sollen, wird auch von Lehrkraft III nicht bearbeitet. Zum einen lässt sie diese Aufgabe aus Gründen der fehlenden (digitalen) Zugänglichkeit aus, zum anderen erachtet sie die Aufgabe vom 4.3 Die Rezeption und Verwendung des Lehrwerks von Spanischlehrkräften (Quant-QUAL) 321 <?page no="322"?> Anforderungsniveau her als zu anspruchsvoll und vor dem Hintergrund unterrichtlicher Rahmenbedingungen und zeitlichen Faktoren als nicht umsetzbar. B: #00: 19: 56-0# (…) B schaut ins Material. Die Nummer 12 habe ich auch ausgelassen, weil wir eben wieder dieses Problem mit diesem Mediencode gehabt hätten und en internet busca informaciones sobre una región de España, halte ich auch für ziemlich anspruchsvoll. Ich habe mir das angeguckt, diese beiden Seiten, und ich finde-, ich glaube, dass auch das für die eine Überforderung darstellt, capital, geografía, habitantes. Man könnte das eventuell so als Projekt machen, wenn man jetzt sagen würde, ok die nächsten zwei Wochen arbeite ich zu einer Comunidad Autónoma und dann müssen die sich damit befassen und eine kleine Präsentation darüber machen. Aber da muss man zwei Wochen veranschlagen. Also das geht nicht so in zehn Minuten mal. #00: 21: 02-7# (Interviewtranskript, LIII, 32) Eine noch verbleibende Aufgabe im Lehrbuch zu einer vergleichenden Abfassung des Tagesablaufs während der Ferien und der Schulzeit (LB, S. 15, 11a) wird von den Lehrkräften III und VII ausgelassen. Begründet wird dies mit der Komplexität, der Einbettung der Inhalte in andere bearbeitete Teilaufgaben sowie der Notwendigkeit der Integration tiefergehender vorentlastender Maßnahmen, die zusätzlich von der Lehrkraft hätten ergriffen werden müssen. B: #00: 18: 17-0# Ja, die Seite 15 habe ich als sehr, sehr schwierig empfunden. Un día normal en las vacaciones, da haben wir primero, luego, más tarde, al final, entonces, ahora, después. […] und einen Satz normalmente desayuno a las siete de la mañana, pero en las vacaciones duermo hasta las diez y despúes desayuno. Das kriegen die gar nicht zustande. Also, das ist eine Wunschvorstellung von diesem Buch, dass ein Mensch nach einem Jahr so schreiben kann, […]. #00: 19: 10-6# (Interviewtranskript, LIII, 26) B: #00: 19: 10-7# Da hätte man wirklich das da oben alles noch mal ganz kleinschrittig erklären müssen, was die jeweils heißen diese Wörter, wie man die grammatisch verwendet, zum Beispiel antes de + infinitivo, […]. #00: 19: 37-6# (Interviewtranskript, LIII, 28) Lehrkraft II hingegen lässt die erste Teilaufgabe (11a) von den Lernenden schriftlich erarbeiten, da sie diese Aufgabe als sinnvoll erachtet, mittels derer die thematisierten grammatischen Strukturen und Inhalte vernetzend erarbeitet werden können. Lehrkraft II möchte darüber hinaus den Fokus mit dieser schriftlichen Textproduktionsaufgabe auch nochmal auf die Nutzung von Konnektoren und weiteren sprachlichen Aspekten legen, die den Schüler*innen helfen können, den Sprachstil zu verbessern. Auf die zweite Teilaufgabe (S. 15, 11b), in der das Thema des Tagesablaufs in Form des Spiels „Koffer 322 4 Empirische Untersuchungsergebnisse <?page no="323"?> packen“ zur Automatisierung der (reflexiven) Verben angeboten wird, verzichten alle drei Lehrkräfte aus Zeitgründen und wegen der ihrer Ansicht nach ausreichend geschaffenen Gelegenheiten zur Übung der Konjugation der reflexiven Verben. Teil B • Lesen, Wortschatz und Grammatik I (Lehrkräfte II, III, VII) Die Begegnung mit dem zweiten Text der Lektion (LB, S.-16) zu vergangenen Ereignissen in den Sommerferien (Präteritum) wird durch die vorherige Besprechung des neuen Vokabulars vorentlastet. Im Unterricht der Lehrkräfte II und III findet die Semantisierung neuer Vokabeln teils, wie in den Handreichungen für Lehrkräfte empfohlen, zeichnerisch statt, überwiegend jedoch in listenartiger Form an der Tafel, wobei die Schüler*innen die Vokabeln in ihr Heft abschreiben. Lehrkraft VII realisiert die Textbegegnung gemäß der ersten Phase des Dreischritts der Textarbeit (vgl. Koch 2016, 31) zuerst mittels der vorherigen Beschreibung des auf der Lehrbuchseite abgedruckten Bildes (LB, S. 16), womit sie eine Anregung der Lerner*innen zur Hypothesenbildung über die Inhalte des Textes sowie eine Aktivierung der Lernenden, die sich sonst mündlich weniger am Unterricht beteiligen, intendiert. Im Anschluss daran werden die neuen Vokabeln wie oben erläutert semantisiert. B: #01: 25: 01-5# Um den Text ein bisschen vorzuentlasten. Was ist die Situation? Wen haben wir da? Was seht ihr? Und eine Bildbeschreibung ruft mehr Schüler auf den Plan, als wenn ich sage, wir lesen jetzt den Text, oder wir hören jetzt den Text. Das aktiviert doch ein bisschen, […]. Und dann formulieren sie in ihrem Kopf aber schon so halbe Sätze. B nennt spanische Wörter. Und dann kommt irgendwie ein Satz raus und das auch teilweise bei welchen, die vielleicht sonst nichts sagen. #01: 25: 34-8# (Interviewtranskript, LVII, 167) Aufgrund der Textmenge und Komplexität in der Lektion entscheiden sich alle drei Lehr‐ kräfte dafür, dass die Schüler*innen den Text gleichzeitig hören und lesen. Die Lehrkräfte II und III lassen im Anschluss die für das Textverständnis vorgesehene Aufgabe (LB, S. 17, 1) bearbeiten. Lehrkraft II bindet die Aufgabe in der Form, wie sie im Lehrbuch abgedruckt ist, ein und verzichtet auf weitere empfohlene Differenzierungsmaßnahmen (für schwächere Lerngruppen) aus Gründen ihrer Ansicht nach fehlenden Notwendigkeit (z. B. Tabelle zum Textverständnis anhand von W-Fragen anlegen, bildliche Darstellung des Reiseverlaufs). Demgegenüber bettet Lehrkraft III diese überwiegend ein, indem sie sog. Expert*innengruppen für einzelne Fragen bzw. Aspekte der Textinhalte bilden lässt und auch nicht alle Fragen der Lehrbuchaufgabe Gegenstand der Besprechung sind. Lehrkraft VII hingegen sammelt nach dem Lesen des Lektionstexts zuerst mit den Lernenden im Plenum die Aktivitäten der einzelnen Personen im Text schriftlich an der Tafel. Damit intendiert sie die Nennung von Verben im Präteritum (neues Thema). Die vorherige Sammlung von Orten und Aktivitäten wird auch in den Handreichungen für Lehrkräfte zu differenzierenden Zwecken in schwächeren Lerngruppen vorgeschlagen. Das Ziel von Lehrkraft VII ist jedoch die Herstellung eines für die Schüler*innen sinnvollen 4.3 Die Rezeption und Verwendung des Lehrwerks von Spanischlehrkräften (Quant-QUAL) 323 <?page no="324"?> Übergangs vom Inhalt zur Grammatik. Im Zuge dieser Aktivität greifen die Lerner*innen einige konjugierte Verben im Präteritum auf und erfragen deren Bedeutung bzw. nennen deren Infinitivform. Dies nimmt Lehrkraft VII zum Anlass, um daran anknüpfend die neue Zeitform einzuführen. Dies wird schriftlich an der Tafel auf Basis der Textgrundlage realisiert, woraus am Ende ein gemeinsames Konjugationsschema resultiert. Demnach wird die Aufgabe zum selbstentdeckenden Lernen (Suche nach Präteritumformen im Text und Einfügen dieser in das abgedruckte Konjugationschema im Lehrbuch, S. 17, 2) nicht bearbeitet. B: #00: 06: 32-6# […] Ja und hier war die Schwierigkeit erstmal vom Inhaltlichen dann wieder zum Sprachlichen zu kommen, das ging aber insofern recht schnell, dass mich einfach ein Schüler gefragt hat, was heißt denn estuviste? Was heißt das denn? Das kommt von estar. Oh, das ist eine neue Zeitform (B wiederholt Ausruf von S, lauter). Das war denen sofort klar und daraufhin brauchte ich sie eigentlich nur noch an die Tafel schreiben und das war dann auch sofort verstanden, weswegen ich diese Einführungsübungen, diese Aufgabe 2 zum Beispiel weggelassen habe. […] Das brauche ich im Unterricht nicht machen, weil ich bin ja da und deswegen haben wir zusammen reingeguckt, haben Formen rausgesucht, an die Tafel geschrieben, dann haben wir so ein bisschen sortiert und hatten dann im Enddefekt unser Verbkonjugationsschema an der Tafel. #00: 11: 51-9# (Interviewtranskript, LVII, 5) Im Anschluss daran wird die zur Verständnissicherung vorgesehene Aufgabe (LB, S. 17, 1) mündlich im Plenum bearbeitet sowie das Konjugieren von ar-Verben im Präteritum anhand einer Lückentextübung (LB, S. 20, 6b), die laut Lehrbuchreihenfolge erst an späterer Stelle vorgesehen ist, geübt. Hierbei wird von der Teilübung nur der Teil mit ar-Verben bearbeitet, da die anderen Konjugationsschemata aufgrund ihrer Komplexität erst im Anschluss besprochen werden. Lehrkraft II gestaltet die Einführung der neuen Zeitform der Vergangenheit selbstent‐ deckend, indem die Lernenden die dafür im Lehrbuch vorgesehene Übung bearbeiten (LB, S. 17, 2). Sie lässt alle flektierten Verbformen im Text (hauptsächlich im Präteritum) heraussuchen und konjugiert diese gemeinsam mit den Schüler*innen. Sie erweitert die benannte Übung an der Stelle um den Vergleich zur Verbkonjugation im Präsens, womit sie anvisiert, dass die Lerner*innen beide Tempora eingehender verstehen und in Abgrenzung zueinander anwenden können. Während der Arbeit mit/ an grammatischen Strukturen, wie bspw. dem Präteritum, ergänzt Lehrkraft II die reine Lehrbucharbeit durch eigene „skurrile“ Grammatik-Geschichten/ -lieder und Zeichnungen in der Funktion von „Eselsbrücken“, die sich an den Verbendungen orientieren, mit dem Ziel der Internalisierung der Verbkonjugation. Dies lässt sich mit den nachfolgenden Interviewtranskript-Auszügen veranschaulichen: B: #00: 13: 23-9# […] Genau, also den Text habe ich lesen lassen mit verteilten Rollen. Dann auch die Nummer 1 dazu auf der 324 4 Empirische Untersuchungsergebnisse <?page no="325"?> Seite 17, dass sie auf die Fragen reagieren können. Die 2 im Prinzip auch, aber ich habe alle Verben im Indefinido raussuchen lassen, und im Prinzip die Schüler diese nochmal durchkonjugieren lassen und zur Gegenüberstellung nochmal, wie ist es dann im Präsens, dass sie dann mit beiden zurechtkommen. Ich mache das dann auch bei der Grammatik immer so, dass man da Zeichnungen hat, dass man sich das einprägt. Es ist ein bisschen kurios, nämlich zum Beispiel bei der ar-Konjugation, da wissen sie immer, da sitzt der Vogel auf dem -aste (lacht) mit so einem kleinen Nestchen dran, ja und dass man das sieht, ja im Plural vosotros ist es der -asteis ja, der ist ein bisschen größer geworden mit so einer Zeichnung. […] Bei -aron habe ich dann eine Zeichnung mit einem Jungen drangehängt (lacht), der ist der letzte und da wissen sie dann Bescheid mit e und o. Wie so ein kleiner Rap dann dazu […]. Sie sind wirklich alle durchweg dadurch in der Lage, sich das zu merken […], aber da gehe ich halt nicht auf das Buch direkt ein, sondern dann eher Tafelbild, dass man das zusammen darstellt und das zusammen erlebt. […]. #00: 17: 55-9# (Interviewtranskript, LII, 24) B: #00: 37: 38-6# […] Es ist ähnlich wie der Werbeeffekt, je skurriler und ungewöhnlicher eine Sache ist, desto besser prägt sich das eigentlich ein, als wenn das alles so ja da steht, wo man das hinnehmen muss, ja, […]. #00: 39: 49-7# (Interviewtranskript, LII, 74) Auf Basis ihres Ansatzes, die „Grammatik zur Geschichte werden zu lassen“, entscheidet sie sich gegen die Anlage in der Lektion und die Empfehlungen in den Handreichungen für Lehrkräfte, die unterschiedlichen Konjugationsschemata des Präteritums getrennt voneinander einzuführen. B: #00: 39: 51-6# […] also -ar, dass man -er und -ir, die sowieso gleich sind-. Das ist ja überhaupt kein Thema, dass man sie gegenüberstellt und das, wie gesagt, zur Geschichte, zum Event werden lässt, […]. #00: 43: 42-5# (Interviewtranskript, LII, 76) Lehrkraft III hingegen führt die neue Zeitform nicht auf die Art und Weise ein, die aus der Anlage der Übungen im Lehrbuch (LB, S. 17, 2; S. 20, 5a, b) hervorgeht und die in den Handreichungen für Lehrkräfte intendiert ist. Dies begründet Lehrkraft III mit zeitlichen Faktoren. Mit ihrer Vorgehensweise könne sie Unterrichtszeit einsparen und sehe keinen größeren Lernertrag für die Lernenden bei der selbst entdeckenden im Vergleich zur deduktiven Vorgehensweise. B: #00: 23: 51-9# (…) B schaut ins Material. Bis darauf, dass ich also die Verbformen direkt vorgegeben habe und nicht aus 4.3 Die Rezeption und Verwendung des Lehrwerks von Spanischlehrkräften (Quant-QUAL) 325 <?page no="326"?> dem Text heraussuchen lassen habe, habe ich nichts verändert. Es ist auch so. Ich habe auch versucht, das so zu gestalten, dass man eben nicht, wenn ich die jetzt diese Verbformen heraussuchen lassen, brauchen die natürlich auch 20 Minuten dafür und da habe ich mir gedacht, das geht schneller, wenn man das vorgibt […]. #00: 24: 49-8# (Interviewtranskript, LIII, 56) Die verschiedenen Konjugationsschemata je nach Infinitivendung des Verbs werden wie im Lehrbuch und in den Handreichungen für Lehrkräfte empfohlen, getrennt voneinander eingeführt und nicht weiter hinterfragt: B: #01: 36: 58-2# […] Ich glaube einfach, weil es auch so im Buch steht. Ja, weil genau einfach-, weil die beiden Tabellen da, die eine erscheint hinter dem ersten Text genau hinter dem ja-, weil ich mich da einfach nur am Buch orientiert habe. #01: 37: 28-8# (Interviewtranskript, LIII, 204) Im Anschluss daran werden zur weiteren Übung und Automatisierung die für die jeweilige Verbkonjugation im Präteritum vorgesehenen Übungen im Arbeitsheft von den Lernenden aller drei Lehrkräfte schriftlich erledigt (Lehrkraft II/ VII: S. 10-13; Lehrkraft III: S. 10, 4; S.-12/ 13, 6a, b). Lesen, Wortschatz und Grammatik II sowie… (Lehrkräfte II, III, VII) • Landeskunde (III, VII) • Schreiben (II) Die Besprechung und weitere Bearbeitung des dritten Lektionstextes (LB, S. 18-19) zu landeskundlichen und kulturbezogenen Aspekten Mexikos (u. a. Sehenswürdigkeiten, Traditionen) wird von den Lehrkräften II und III aufgrund seiner Länge und Komplexität (mexikanisches Spanisch) intensiv vorbereitet und mit vorentlastenden Maßnahmen (u. a. Erstellung von Vokabelnetzen) durchgeführt, um den Lernenden diesen Text auf einer sprachlichen sowie inhaltlichen Ebene überhaupt zugänglich zu machen. B: #00: 13: 23-9# […] Dann ging es ja gleich mit dem Text weiter, mit México lindo. Es ist sehr, sehr textlastig, dass man da gleich den A- und dann den B-Text mit sehr viel Vokabular mit dabei hat und eigentlich relativ wenig Übungen dann dazu hat, dass man das tatsächlich richtig nutzen könnte, sodass man da selbständig die Verben, die Vokabeln raussuchen muss, Vokabelnetze erstellt, dass es überhaupt erstmal versprachlicht wird, dass die Schüler damit arbeiten können. […]. #00: 17: 55-9# (Interviewtranskript, LII, 24) B: #00: 32: 41-6# […] Und das größte Problem an dieser Lektion ist meiner Meinung nach, dass dieser Mexiko Text wahnsinnig überfrachtet ist. […] weil der ist so voll an Informationen, 326 4 Empirische Untersuchungsergebnisse <?page no="327"?> an neuem Wortschatz und vom Text her auch sehr komplex […], es ist ja noch nicht mal […] der Hauptlektionstext, sondern es sollte ja so ein Zusatz-Schmankerl sein. […]. #00: 35: 39-0# (Interviewtranskript, LIII, 74). Vor diesem Hintergrund lässt auch Lehrkraft VII den dritten Lektionstext nicht voll‐ ständig bearbeiten, das letzte Textdrittel wird ausgelassen. B: #00: 06: 32-6# […] So México lindo war knackig, viele neue Wörter, aussprachetechnisch schwierig, weil die ganzen mexikanischen Wörter mit drin waren und die sehr umgangssprachlichen Ausdrücke, diese kleinen qué lindo los peques, superchido […]. #00: 11: 51-9# (Interviewtranskript, LVII, 5) B: #01: 01: 34-1# […] Da habe ich gesagt, ach Leute, das lassen wir jetzt erst einmal weg. Vielleicht machen wir es noch und wenn wir es nicht machen, ist es nicht schlimm. […]. #01: 01: 59-0# (Interviewtranskript, LVII, 105) Vor der Bearbeitung des dritten Lektionstextes binden die Lehrkräfte III und VII die im Lehrbuch abgedruckten Fragen zur Vorwissensaktivierung sowie zu Vorstellungen bzw. Annahmen der Schüler*innen über Mexiko in den Unterricht ein (LB, S. 18, 3). Die Lernenden erhalten die Möglichkeit, von eigenen Erfahrungen mit Mexiko zu sprechen und können Bezüge zu anderen Schulfächern herstellen (z. B. Geschichte Mexikos). Beide Lehrkräfte halten die Anmerkungen ihrer Lerner*innen fest: Lehrkraft VII realisiert dies in Form einer Mind-Map und Lehrkraft III als stichpunktartige Auflistung. Auf den Hin‐ weiskasten nach dem Lektionstext zu Besonderheiten des mexikanischen Spanisch nehmen die Lehrkräfte III und VII ausschnitthaft Bezug, indem sie die sprachliche Variation und auch die Übernahme einiger Wörter aus dem mexikanischen in das kastilische Spanisch am Beispiel einzelner Wörter aufzeigen (z. B. chicle). Ergänzt wird dies von Lehrkraft III durch eine landeskundliche Einführung zu Mexiko, da sie besonderen Wert auf die Vermittlung derartiger Inhalte legt. Des Weiteren stellt Lehrkraft III Bezüge zum vorherigen Themen‐ komplex Wetter her, indem die Lernenden mündlich Hypothesen darüber aufstellen, wie das Wetter in Mexiko sein könnte. Im Rahmen der Textbesprechung bindet sie Inhalte aus anderen Aufgaben ein (die vom Lehrbuch an späterer Stelle vorgesehen sind, S. 23, 11a), um den Schüler*innen die im Lektionstext genannten Orte und Sehenswürdigkeiten über Bilder anschaulicher zu präsentieren. B: #00: 25: 15-5# Ja, ich finde das natürlich sehr ansprechend, weil ich finde, dass, wenn man jetzt über so eine Region spricht oder ein Land wie Mexiko, das für die natürlich sehr schön ist, wenn man das auch bisschen veranschaulichen kann. Wenn man also dazu auf Bilder sieht, wenn man sich das auch bisschen vorstellen kann […]. Ich habe das nur im Zusammenhang mit dem Lektionstext herangezogen, dass ich mal von Monte Albán gesprochen habe oder Chichen Itza und gesagt habe, dass 4.3 Die Rezeption und Verwendung des Lehrwerks von Spanischlehrkräften (Quant-QUAL) 327 <?page no="328"?> es das und das ist, das sehen wir dort. […]. #00: 26: 38-3# (Interviewtranskript, LIII, 58) Auf die Einbindung von Mediencodes zum dritten Lektionstexts wird von allen drei Lehr‐ kräften aus verschiedenen Gründen verzichtet. Zum einen ist die Umsetzungsmöglichkeit digitalen Materials im Klassenraum nur bedingt gegeben, zum anderen sind die Inhalte der Mediencodes ihrer Meinung nach wenig ertragreich und tragen kaum zum Textverständnis bei. B: #01: 59: 19-1# Ja, den [Text, JLK] können sie halt noch mitlesen. Das erleichtert das natürlich. Aber wenn dann nur so Videosequenzen sind bei-, es war dieser erste, wo die Kinder da auf dem Schulhof miteinander sprechen. Also da verstehen die überhaupt nichts. Das kann man so nicht vorspielen. #01: 59: 38-6# (Interviewtranskript, LIII, 250) Lehrkraft II verfährt im Zuge der Arbeit mit dem dritten Lektionstext (entgegen der Anlage der Lektion und den Empfehlungen in den Handreichungen für Lehrkräfte) ohne die oben erläuterte Vorwissensaktivierung der Lernenden und setzt keinen landeskundlichen Fokus. Die Lektionsarbeit wird auf die Behandlung der zur Sicherung des Textverständ‐ nisses basierenden Ankreuzaktivität im Arbeitsheft (AH, S. 9, 3a) begrenzt. Auf die im Lehrbuch für die Textverständnissicherung vorgesehene Aufgabe, die im Text enthaltenen Aktivitäten in die korrekte Reihenfolge zu bringen, (LB, S. 19, 4a) wird demnach verzichtet. Auch Lehrkraft VII bearbeitet die Aufgabe zur Textverständnissicherung (LB, S. 19, 4a) nicht, da sie die ihrer Ansicht nach wichtigsten Aspekte mündlich bespricht sowie Mexikanismen (z. B. chocolate) aufgreift und erläutert. Lehrkraft III hingegen setzt die genannte Teilaufgabe ein (LB, S. 19, Nr. 4a), indem sie die von der Lehrbuchperson unternommenen Aktivitäten im Textmaterial mündlich von den Schüler*innen in die richtige Reihenfolge bringen lässt. Auf die Empfehlungen in den Handreichungen für Lehrkräfte zum besseren Textver‐ ständnis (bildliches Nachzeichnen des Reiseverlaufs und Beschreibung der Orte) wird ebenfalls verzichtet, da die Lehrkräfte III und VII dies als (zeitlich) nicht umsetzbar vor dem Hintergrund einer „Grob-Besprechung“ sowie des Umfangs des Textes als nicht zielführend erachten. Die zweite Teilaufgabe (LB, S. 19, Nr. 4b) zur Bilderbeschreibung (z. B. Obststand in Mexiko, Tiere) wird von allen drei Lehrkräften ausgelassen, da sie ihrer Meinung nach zu weit von notwendigerweise zu besprechenden Inhalten (z. B. Grobverständnis der Textinhalte aus 4a) wegführt, sich teils doppelt und unter zeitlichen Faktoren nicht umsetzbar ist. Die Erarbeitung der noch verbleibenden Konjugationsschemata der Verben im Präteritum wird analog zu den Ausführungen im vorherigen Teil vollzogen. Lehrkraft III verfährt auch hier (entgegen der selbstentdeckenden Anlage im Lehrwerk) auf eine deduktive Weise, indem sie mittels einer selbst erstellten Konjugationstabelle, die sie über eine Dokumentenkamera anwirft, mit den Lernenden über die Besonderheiten der Konjugation spricht. Lehrkraft VII stellt den Bezug zur grammatischen Struktur erneut über den Inhalt her, indem die Schüler*innen die verschiedenen Konjugationsformen der er-/ ir-Verben im Präteritum aus dem Text heraussuchen und im Anschluss gemeinsam mit 328 4 Empirische Untersuchungsergebnisse <?page no="329"?> der Lehrkraft in die an der Tafel notierte Konjugationstabelle eintragen. Dabei geht sie nicht konkret auf die einzelnen Inhalte in der dafür vorgesehenen Übung im Lehrbuch ein (z. B. darin vorgeschlagene Verben) (LB, S. 20, 5a, b). Da Lehrkraft II bereits im Voraus die Konjugation aller regelmäßigen Verben im Präteritum eingeführt hat, geht sie zur Bearbeitung von grammatikbezogenen Übungen über. Die Lerner*innen erledigen die Lückentextübung zum Einsetzen der konjugierten Verbformen im Präteritum (LB, S. 20, Nr. 6b). Dabei lässt Lehrkraft II die erste Teilübung zum Konjugieren verschiedener Verben vorab im Präteritum aus und bindet direkt die Einsetzübung ein, da sie diese als ausreichend erachtet. Dies wird auch von den Lehrkräften III und VII so praktiziert, mit dem Unterschied, dass sie die Lückentextübung mehrfach von den Lernenden (in Einzel- und Partnerarbeit sowie im Plenum gemeinsam) bearbeiten lassen. B: #00: 06: 32-6# […] Genau, die 5 habe ich auch nicht gemacht, das ist auch wieder sowas qué puedes observar? Das haben sie mir von allein erzählt, da brauchten wir nichts machen. Dann haben wir als wir nur die ar-Verben, ich habe das geteilt, ich habe erst die ar-Verben eingeführt und dann die er-/ ir-Verben und nach den ar-Verben, die hauptsächlich hier bei dem B-Text waren, habe ich einmal die Übung 6b machen lassen, weil da halt hauptsächlich ar-Verben drin waren und dann haben wir da aber nochmal die 6 zusammengemacht, als wir dann fertig waren. […] #00: 11: 51-9# (Interviewtranskript, LVII, 5) Weitere (u. a. spielerische) Übungen zur Konjugation von unregelmäßigen Verben im Präteritum im Lehrbuch (LB, S.-21, Nr.-7a, c) werden von Lehrkraft II in den Unterricht integriert, hingegen von den Lehrkräften III und VII ausgelassen. Dies liegt darin begründet, dass sie diese teils schon während der Besprechung anderer Aufgaben in das Unterrichtsgespräch eingebunden haben oder sich auf die Aufgaben und Übungen im Arbeitsheft (AH, S. 12/ 13, Nr. 6a, b) fokussieren, in denen die Inhalte aus dem Lehrbuch ebenfalls aufgegriffen werden. Die mittlere Teilübung (LB, S. 21, Nr. 7b) aus dem Übungsblock zu den unregelmäßigen Verben des Präteritums wird von allen drei Lehrkräften ausgelassen, da sie diese unter zeitlichen Faktoren als nicht umsetzbar und durch die Bearbeitung anderer Übungen zur Verbkonjugation als ausreichend behandelt erachten. Auf den in den Handreichungen für Lehrkräfte vorgeschlagenen Einsatz von (den von den Lehrbuchautor*innen empfohlenen) Arbeitsblättern zur Übung und Auto‐ matisierung der Verbkonjugation im Präteritum (z. B. Verben-Bingo, Schiffe versenken) wird von allen drei Lehrkräften verzichtet. Zur Begründung verweisen sie auf die genannte Zugriffsproblematik bzw. die eingeschränkte digitale Umsetzungsmöglichkeit im Klassenzimmer und den damit verbundenen Vorbereitungsaufwand. Schreiben, Hör(seh-)verstehen und … (Lehrkräfte II, III, VII) • Sprechen (III, VII) • Wortschatz und Grammatikwiederholung (III) Die im Anschluss im Lehrbuch vorgesehene Aufgabe zum Verfassen des Tagesablaufs einer Lehrbuchperson im Präteritum (LB, S. 21, Nr. 8) lassen alle drei Lehrkräfte von 4.3 Die Rezeption und Verwendung des Lehrwerks von Spanischlehrkräften (Quant-QUAL) 329 <?page no="330"?> ihren Lernenden bearbeiten, da diese angabegemäß viele der vorausgehenden Inhalte (Lektionsteil A) und grammatischen Strukturen miteinander verbindet. Sie setzen diese mit Blick auf die gewählte Sozialform jedoch anders um. Während die Lehrkräfte II und VII die Aufgabe schriftlich erledigen lassen, wählt Lehrkraft III ein mündliches Format, indem sich die Schüler*innen in Partnerarbeit über den Tagesablauf der Lehrbuchperson unterhalten. Bevor nachfolgend die weitere Lektionsarbeit der Lehrkräfte III und VII erläutert wird, soll an dieser Stelle erwähnt werden, dass die verbleibenden Lehrbuchaufgaben des Lektionsteils B (LB, S. 22-23) von Lehrkraft II ausgelassen werden. Dabei handelt es sich um eine Hörverstehensaufgabe zu Aktivitäten der Lehrbuchpersonen verbunden mit einem Sprechanlass zu den Inhalten des Hörtextes, eine Textproduktionsaufgabe zum Verfassen einer E-Mail zu den letzten Ferien der Lerner*innen und einer sich daran anschließenden Gruppendiskussion zu den eigenen vergangenen Ferien der Lernenden. Dies wird aus Gründen der Überfrachtung der Schüler*innen, Vermeidung von Redundanzen und zeit‐ licher Faktoren ausgelassen. Die letzten vier Aufgaben der Lektion (LB, S. 23), deren Bearbeitung auf Mediencodes basiert und die Orte und Sehenswürdigkeiten Mexikos, die mexikanische Küche und Musik sowie einen Reiseblog zu Mexiko thematisieren, werden von Lehrkraft II ebenfalls nicht bearbeitet. Dafür führt sie verschiedene Gründe an, die von der erschwerten Zugänglichkeit, fehlenden Funktionsfähigkeit der Mediencodes und zeitlichen Faktoren bis hin zu einem Ungleichgewicht der Input-Output-Relation und dem Lernertrag reichen. Die o. g. Aufgabe zum Hörverstehen zu Aktivitäten der Lehrbuchpersonen im Präteritum sowie der sich daran anschließende Sprechanlass zu den Inhalten des Hörtextes in Partner‐ arbeit werden hingegen von den Lehrkräften III und VII im Unterricht durchgeführt (LB, S. 22, Nr. 9a, b). Mit Blick auf die Leistungsüberprüfung bindet Lehrkraft VII auch die erste Teilaufgabe (LB, S. 22, 10a) der im Lehrbuch folgenden Aufgabe ein, in der den Lerner*innen Leitfragen zur Formulierung einer E-Mail dargeboten werden, mit denen sie einer Lehrbuchperson über ihre Ferien (in der Vergangenheit) erzählen können. Aus Zeit-, aber auch aus Gründen der Fokussierung auf die mündliche Sprachverwendung wird diese Teilaufgabe mündlich im Plenum besprochen. Vor dem Hintergrund zeitlicher Faktoren und den Beschränkungen durch die COVID-19-Pandemie lässt Lehrkraft III sowohl die Aufgabe zur Formulierung einer E-Mail als auch die zweite Teilaufgabe (LB, S. 22, 10b) zur Diskussion in Gruppen über die eigenen vergangenen Ferien aus. Auch Lehrkraft VII lässt die zweite Teilaufgabe (10b) nicht bearbeiten. Dafür führt sie jedoch andere Gründe an. Da sie bereits Teilinhalte in die erste Teilaufgabe (10a), die sie zu einer mündlichen Diskussion abgeändert hatte, eingebunden hat, verzichtet sie aus Gründen der Vermeidung von Redundanzen auf eine weitere Thematisierung. Auf die letzten vier Aufgaben der Lektion, deren Bearbeitung auf Mediencodes basiert, wird von Lehrkraft VII mit Ausnahme einer Aufgabe aus den genannten Gründen (u. a. Zugriffsproblematik, Input-Output-Relation) verzichtet. Da Lehrkraft VII einen Schwerpunkt in ihrem Spanischunterricht auf die mündliche Sprach‐ produktion der Schüler*innen legt, integriert sie einen weiteren Ein-Minuten-Vortrag als finale Aufgabe zum Themenfeld Mexiko, in den der bearbeitete Wortschatz (Mind-Map zu Mexiko) sowie die behandelten grammatischen Strukturen (Präteritum) einfließen. 330 4 Empirische Untersuchungsergebnisse <?page no="331"?> Als eine medialgestützte Grundlage für den Ein-Minuten-Vortrag zieht Lehrkraft VII eine Aufgabe (LB, S. 23, 11a, b) der genannten vier verbleibenden Lehrbuchaufgaben hinzu, indem sie den Lernenden den Auftrag erteilt, über Google Maps/ Bilder oder Streetview (im Lehrbuch benannt) zur Attraktivitäts- und Authentizitätssteigerung einen der fünf vorgeschlagenen Orte Mexikos herauszusuchen und in den Ein-Minuten-Vortrag einzubinden. Die zweite Teilaufgabe (11b) wird in einen anderen Kontext eingebunden. Von den Lehrbuchautor*innen ist intendiert, dass in Form eines Posters und mit Bildern über einen der fünf präsentierten Orte Mexikos zwei Minuten referiert wird. Lehrkraft VII lässt die in dieser Teilaufgabe vorgegebenen Phrasen über Interessen und Orte Mexikos von den Lerner*innen in ihre Ein-Minuten-Vorträge integrieren. Auch Lehrkraft III legt einen Schwerpunkt vor dem Hintergrund der letzten vier verbleibenden Lehrbuchaufgaben fest. Sie entscheidet sich für die dritte Aufgabe zu mexikanischer Musik (LB, S. 23, 13), die sie mit Blick auf die thematische Passgenauigkeit zum dritten Lektionstext sowie das unter Einbindung vorentlastender Maßnahmen zu bewältigende Anforderungsniveau der Schüler*innen als angemessen erachtet. Die anderen Aufgaben auf S. 23 werden vorerst ausgelassen und im Rahmen der Bearbeitung der Folgelektion thematisiert, die nicht mehr Gegenstand der Unterrichtsbeobachtung war, jedoch im Interview von Lehrkraft III angesprochen wurde. Sie erarbeitet zum audiovisuellen Material der Lehrbuchaufgabe ein Arbeitsblatt, dessen Inhalte sie teils an den Aufgabenstellungen dazu im Lehrbuch orientiert, teils aber auch vor dem Hintergrund ihrer Lerngruppe durch eigene Ideen bzw. vorentlastende Maßnahmen erweitert (z. B. zum Wortschatz, Schreibhilfen zur Formulierung der eigenen Meinung zum Kurzfilm). Dies soll den Lernertrag erhöhen und eine tiefergehende inhaltliche sowie sprachliche Auseinandersetzung mit dem Thema gewährleisten. B: #01: 33: 34-0# (..) Das war auch so, dass ich mir die Aufgabenstellungen angeguckt habe, die da zu dem caramelo stehen und mir überlegt habe, wie können wir die bearbeiten und die erste Überlegungen war, um zu sagen, was sie da alles sehen, müssen sie ja diese Wörter erstmal kennen und dann habe ich mir diesen Film angeguckt und habe alle diese Sachen, die ich da sehe, dahingeschrieben und habe dann noch ein paar Sachen ergänzt, die man da nicht sieht, um einfach die Aufgabenstellung sozusagen nach unten hin zu differenzieren. Denn wenn man nur diese Aufgabe gesagt hätte, […] das hören die glaube ich nicht […]. Ja, dann habe ich ja diese Ausdrücke vorgegeben, nach denen man das bewerten sollte. Da war jetzt also te gusta el vídeo, por qué (no) und aus der Erfahrung habe ich mir gesagt, wenn ich diese Frage so stelle, wie sie da steht, dann sagen die no me gusta el vídeo und damit ist das Ding dann abgehakt und da ich einfach eine bisschen intensivere Auseinandersetzung damit wollte, habe ich hier so Ausdrucksmöglichkeiten vorgegeben, um sie dazu anzuleiten, die in ganzen Sätzen zu verwenden und das haben sie sehr schön gemacht. […]. #01: 36: 15-0# (Interviewtranskript, LIII, 200) 4.3 Die Rezeption und Verwendung des Lehrwerks von Spanischlehrkräften (Quant-QUAL) 331 <?page no="332"?> Während der Bearbeitung der zweiten Lektion des Lehrbuchs (kein Gegenstand der Untersuchung) greift Lehrkraft III aus Gründen der thematischen Eignung (Geburtstags‐ thematik) auf die in Lektion 1 zu mexikanischen Gerichten vorgesehenen Aufgabe auf Basis eines Kochrezepts (LB, S. 23, 12) zurück. An der im Lehrbuch vorgesehenen Stelle (während der Bearbeitung der Lektion 1) erachtet sie die Einbindung dieses Materials als sprachlich zu komplex. B: #00: 27: 02-5# […] Dann kommen diese tacos de pollo. B liest Aufgabenstellung vor. Ja, also das habe ich ihnen zum Beispiel heute gegeben, weil ja in der nächsten Lektion bei dem Geburtstag auch Kochrezepte drankommen und auch Zubereitung von Essen. An der Stelle, wo es da war, fand ich es relativ schwierig, weil sie eben diese qué ingredientes necesitan y cómo deben prepara los tacos-, […]. Aber sie verstehen in diesem Kochrezept kein einziges Wort. Das ist auf dem Niveau, muss man auch immer bedenken, dass das für die noch wahnsinnig schwierig ist, sowas zu verstehen. Auch gerade diese komische Sprache in Kochrezepten, die da verwendet wird. […]. #00: 29: 46-9# (Interviewtranskript, LIII, 60) Auch die vierte Aufgabe (LB, S. 23, Nr. 14) wird von Lehrkraft III später als im Lehrbuch vorgesehen bearbeitet, indem sie das Textmaterial des Reiseblogs zur Wiederholung des Präteritums nutzt, den Fokus jedoch weniger, wie in der Aufgabe angesetzt, auf den Inhalt legt, sondern eher auf die grammatische Struktur in einem authentischeren (wenn auch didaktisierten) Text. Übersicht zu Konversationsthemen, grammatischen Strukturen und themenbezogenen Schreibhilfen sowie ein bis zwei (Wahl-)Lernaufgaben Die Übersichtsseiten zu Konversationsthemen, grammatischen Strukturen und themen‐ bezogenen Schreibhilfen werden von allen drei Lehrkräften während der gesamten Lektionsarbeit kontinuierlich konsultiert bzw. sie weisen Lernende auf die Nutzung dieser Seiten hin. Insbesondere die Schreibhilfen werden zur Unterstützung bei der Bewältigung von schriftlichen Textproduktionsaufgaben hinzugezogen. Die Lernaufgabe der beobachteten Lektion (Erstellung eines Fotoalbums unter Verfas‐ sung von Notizen dazu) wird von keiner der drei Lehrkräfte eingebunden, da sie hier keinen inhaltlichen und sprachlichen Ertrag bzw. die Umwälzung der vorher bearbeiteten Inhalte und grammatischen Strukturen erkennen können. Daher legen sie selbst mündlich sowie schriftlich zu bewältigende (Teil-)Lernaufgaben während der Bearbeitung der Lek‐ tion fest, auf die teils auch in den Handreichungen für Lehrkräfte hingewiesen wird (u. a. Verfassen einer Postkarte, mündliches Gespräch zum Tagesablauf, charlas zu verschiedenen Lektionsthemen etc.). 4.3.3.2.2.2 ¡Apúntate! Band-4, Lektion 1 (Cornelsen, 2013): Lehrkräfte I, IV, V Neben einer Lektion des neueren Lehrwerks ¡Arriba! (2016, C.C. Buchner) wurde aus der älteren Version des Lehrwerks ¡Apúntate! (2013) ebenfalls der Umgang mit einer Lektion untersucht. Die im Unterricht beobachtete Lektion lässt sich in fünf grundlegende Bereiche 332 4 Empirische Untersuchungsergebnisse <?page no="333"?> 102 Im Anschluss an die beobachtete Lektion gibt es die Möglichkeit wiederholende und vertiefende Aktivitäten zu sprachlichen Mitteln und ausgewählten funktional-kommunikativen Kompetenzen einzubinden. Darüber hinaus befindet sich nach den ersten drei Lektionen eine fertigkeitsorientierte Lernstandserhebung. Beides wurde im Zeitraum der Untersuchung von den Lehrenden nicht eingebunden. unterteilen: Einführungsteil, Teil A1 und A2 (Lektionstexte), Teil B (Lektionstext), Übersicht zu grammatischen Themen und Strukturen sowie Angebote zum spielerischen Umgang mit Sprache. 102 Die nachfolgende Tabelle zeigt die prozentuale Unterrichtszeit, die für die Förderung ver‐ schiedener Kompetenzen und für die Arbeit mit/ an sprachlichen Mitteln sowie aussprache- und strategienbezogenen Teile aufgewendet wurde. Die hervorgehobenen prozentualen Anteile spiegeln die von den verschiedenen Lehrkräften vorgenommenen Schwerpunkt‐ setzungen wider. - Hör(seh-)verstehen Lesever‐ stehen Spre‐ chen Schreiben Sprach‐ liche Mittel Landes‐ kunde/ Kultur Aus‐ sprache Strate‐ gien Lehr‐ kraft I 11,8-% 10,9-% 5,9-% 5,9-% 59-% 3-% - 3,5-% Lehr‐ kraft IV 3,4-% 14,3-% 2,7-% 14,6-% 65-% - - - Lehr‐ kraft V 2,8-% 5,3-% 24,3-% 10,1-% 57,5-% - - - Tabelle 64: Prozentualer Anteil der Unterrichtszeit zur Adressierung verschiedener Kompetenzen und sprachlicher Mittel auf Basis der beobachteten Lektionsarbeit (Lehrkräfte I, IV, V) Einführungsteil Im Einführungsteil wird das Thema der Einheit (Individuelles Selbstverständnis und so‐ ziales Umfeld von Jugendlichen) und in diesem Zusammenhang der Themenwortschatz und dazugehörige Redemittel vorgestellt, um die Erarbeitung der Lektionstexte vorzuentlasten. Die Lehrkräfte I und IV orientieren sich maßgeblich am Hauptthema des Einführungs‐ teils, wählen jedoch eine andere methodische Herangehensweise als die, die in den Hand‐ reichungen vorgeschlagen wird (Erstellung einer Wortwolke). Sie nutzen das Format einer Fragerunde durch die Klasse, um zu erfahren, was den Lernenden aktuell besonders wichtig ist und notieren während eines Lehrenden-Lernenden-Gesprächs wichtige Vokabeln, die die Lerner*innen in ihren Aussagen verwenden oder die von den Lehrkräften noch als zentral zur Erfüllung des Kommunikationsanlasses erachtet werden. B: #00: 00: 36-8# […] da haben wir angefangen mit lo que me importa. […] Ja, lo que me importa, wir haben so in der Klasse gefragt, was wichtig für die Schüler ist und genau, jeder sollte sagen, was für sie am wichtigsten ist und da haben wir auch noch Vokabeln aufgeschrieben […]. #00: 01: 52-9# (Interviewtranskript, LIV, 2) 4.3 Die Rezeption und Verwendung des Lehrwerks von Spanischlehrkräften (Quant-QUAL) 333 <?page no="334"?> Darüber hinaus nimmt Lehrkraft I noch Bezug auf die pandemiebedingte Situation durch COVID-19 und spricht die Besonderheiten bzw. Beschränkungen der aktuellen Lage an. B: #00: 00: 51-3# Also, wie ich sie eingeführt habe. Ich habe erst mal die Schüler gefragt, was für sie so wichtig ist in dem jetzigen Moment auch mit dem Virus und dann habe ich die Überleitung gemacht zu diesen jóvenes españoles zu diesen Beispielen. […]. #00: 01: 30-5# (Interviewtranskript, LI, 6) Im Anschluss leiten die Lehrkräfte I und IV auf Basis der Ausführungen der Lernenden zu den Aussagen der Lehrbuchpersonen über, die einen Einblick geben, was ihnen wichtig ist. Das abgedruckte Textmaterial wird parallel abgespielt und von den Schüler*innen mitgelesen. Im Anschluss lesen die Lerner*innen die Aussagen der Lehrbuchpersonen laut vor. Darauf folgt eine Sicherung des Textverständnisses (LB, S. 13, 1), indem die Lernenden die Interessen der Jugendlichen identifizieren und diese von den Lehrkräften an der Tafel (im Fall von Lehrkraft I in Form einer Tabelle) festgehalten werden. Auch Lehrkraft V orientiert sich maßgeblich am Hauptthema des Einführungsteils, wählt jedoch sowohl eine andere inhaltlich-perspektivierte als auch methodische Herangehensweise als die, die in den Handreichungen angeboten wird (inhaltlich: Annäherung an das Thema über die Interessen der Schüler*innen, methodisch: Erstellung einer Wortwolke). Sie beginnt hinsichtlich der Lernzielorientierung (Diagrammbeschreibung) direkt mit dem im Lehrbuch (S. 13) abgedruckten Balkendiagramm, das zeigt, was spanischen Jugendlichen wichtig ist (z. B. Familie, Gesundheit) und führt darüber in das Lektionsthema ein, indem sie die Inhalte des Diagramms für die Lerner*innen im Plenum mündlich paraphrasiert und im Anschluss dazu von den Lernenden das Balkendiagramm inhaltlich mit den in der dafür vorgesehenen Aufgabe (LB, S. 14, 3a) angegebenen Phrasen (Prozentangaben, indirekte Rede-Konstruktionen) beschreiben lässt. Parallel zu den Ausführungen der Schüler*innen vermerkt sie an der Tafel in Form einer Mind-Map zentrale Begriffe, die benötigt werden, um über Diagramme kommunizieren zu können. In der Folge geht Lehrkraft V zum eigent‐ lichen Lehrbuchtext zurück. Das Vorziehen der Besprechung des Diagramms begründet sie damit, dass sie aus einer globaleren Perspektive heraus auf die Interessen vieler spanischer Jugendlicher, nun den Fokus auf ausgewählte Lehrbuchpersonen lenkt, was ihr logischer erscheint. In der Folge lässt sie dann den Lehrbuchtext von den Lerner*innen anhören, ohne den Wortschatz dabei vorzuentlasten, da sie mit dieser Aktivität ein Globalverstehen (Name, Alter, Interesse/ n) intendiert. Die Sicherung des Textverständnisses erfolgt mit der dafür im Lehrbuch vorgesehenen Aufgabe (LB, S. 13, 1), indem die Lernenden die o. g. Aspekte der Jugendlichen identifizieren und diese von Lehrkraft V an der Tafel festgehalten werden. B: #00: 00: 41-9# […] In der Lektion ist Thema, dass die Schülerinnen und Schüler lernen sollen, eine Statistik zu beschreiben und das habe ich auch als Aufhänger für die Erarbeitung der Lektion 1 Acércate genommen. Ich bin sozusagen zunächst auf die Seite 13 gegangen und habe diese Statistik in Augenschein mit den Schülern genommen und in diesem Zusammenhang quasi geklärt, was jungen Spaniern wichtig ist und dann mithilfe der Aufgabenstellung 3a diese Dinge 334 4 Empirische Untersuchungsergebnisse <?page no="335"?> auch in Worte fassen lassen und parallel im Tafelbild habe ich vermerkt, wie halt Prozentzahlen, auch auf Spanisch ausdrückbar sind […] dann sind wir im Prinzip unmittelbar auf den Lehrbuchtext eingegangen, Acércate. […] Also sozusagen die Statistik war der Überblick über die Interessen der spanischen Jugendlichen und dann wollten wir sozusagen mal in das Leben einzelner Jugendlicher hineinschauen, was sie persönlich im Leben bereichert, genau und dazu lief das eben als Hörverstehen ab, auch ohne Entlastung der Vokabeln im Vorfeld, sondern es war einfach nur sozusagen mit dem Globalverstehen gefragt […]. #00: 03: 32-5# (Interviewtranskript, LV, 2) Die sich daran anschließende Übung zur selbstständigen Erarbeitung von Redemitteln, um über Vorlieben und Abneigungen zu sprechen (LB, S. 13, 2), wird ausschließlich von Lehrkraft IV eingebunden, indem sie ihre bereits angefertigte Vokabelliste (s. o.) durch die von den Lernenden benannten Phrasen (aus dem Textmaterial) ergänzt. Die Lehrkräfte I und V verzichten auf die Bearbeitung dieser Übung, da sie diese als ausreichend mit dem Textmaterial behandelt einschätzen. Das Vorgehen zum Lektionseinstieg ist sonst eng an Erfahrungswerte aus anderen Lerngruppen, in denen mit diesem Lehrwerkband bereits gearbeitet wurde sowie an die Empfehlungen in den Handreichungen geknüpft. Interessant ist dabei jedoch, dass Lehrkraft I auch angibt, in anderen Jahrgängen konträre Vorgehensweisen zu denen in den Handreichungen gewählt zu haben, da sie diese gern zum Zwecke der Abwechslung und Variation ausprobiere. B: #00: 02: 19-6# (..) Ja, hin und wieder nutze ich die Handreichungen schon, aber vieles mache ich dann doch anders, als es ist hier steht. #00: 02: 27-0# (Interviewtranskript, LI, 12) Auch aus den Ausführungen von Lehrkraft V geht hervor, dass sie sich zumeist auf ihre materialbezogenen Erfahrungswerte aus vorherigen Lerngruppen verlässt. B: #00: 00: 41-9# […] Genau, das habe ich auch in den vergangenen Jahren so gemacht und das hat sich eigentlich so als ganz gut erwiesen und die Aufgabe ist für meine Kurse auch immer meisterbar gewesen. #00: 03: 32-5# (Interviewtranskript, LV, 2) Die weitere Beschäftigung mit dem Einführungsteil ist im Fall der drei Lehrkräfte gekennzeichnet von einer Fokussierung auf unterschiedliche Kompetenzen. Während sich die Lehrkräfte I und IV auf die Förderung der funktional-kommunikativen Kompetenzen des Sprechens, Hörens und Schreibens konzentrieren, legt Lehrkraft V den Fokus weniger auf das Schreiben. Mit Blick auf die sprachlichen Mittel werden im Einführungsteil der Lektion vorrangig Wortschatzaktivitäten eingebunden. Die Lernenden von Lehrkraft I und IV beschreiben mündlich auf Basis einer Statistik und vorgegebenen Phrasen, welche Wertevorstellungen die befragten Jugendlichen haben und was ihnen besonders oder weniger wichtig ist (LB, S. 14, 3a). Bevor die Schüler*innen Einblick in die dafür vorgege‐ 4.3 Die Rezeption und Verwendung des Lehrwerks von Spanischlehrkräften (Quant-QUAL) 335 <?page no="336"?> benen Satzbausteine erhalten, erfragt Lehrkraft I bisherige lexikalische Kenntnisse der Lerner*innen, um über statistische Ergebnisse zu sprechen. Darauf folgt die konkrete Beschreibung der abgebildeten Statistik mit dem Ziel der Sprechförderung und Anwendung des (neuen) Wortschatzes. Die Lehrkräfte I und IV lassen in diesem Zuge die beiden weiteren Teilaufgaben zur Durchführung einer Umfrage im eigenen Klassenkontext sowie zum Vergleich der Ergebnisse der abgebildeten Umfrage im Lehrbuch mit der in der Klasse durchgeführten Umfrage (3b) aus. Auch die in den Handreichungen für Lehrkräfte angedachte weiterführende Schreibaufgabe (3c) (Verfassen eines Artikels für die Schüler*innenzeitung) zur Beschreibung der Umfrageergebnisse wird nicht verwendet. Dies begründen sie sowohl mit Zeitknappheit und pandemiebedingten Beschränkungen als auch mit lerngruppenspezifischen Aspekten (Leistungsniveau, Kon‐ zentrationsfähigkeit). Lehrkraft I gibt zusätzlich noch an, dass sie diese Teilaufgaben in anderen Lerngruppen schon durchgeführt und als angemessen und ertragreich bewertet habe. Lehrkraft V, die den ersten Teil des oben erläuterten Aufgabenblocks (LB, S. 14, 3a) bereits vorgezogen und sozialformbezogen verändert hat, lässt die zweite Teilaufgabe (3b) zur Durchführung einer Umfrage über das, was ihnen wichtig ist, im eigenen Klas‐ senkontext (aufgrund pandemiebedingter Beschränkungen) in Gruppenarbeit realisieren, indem sich die Lernenden mündlich darüber austauschen, was ihnen wichtig ist. Aus den Gründen, die auch von den Lehrkräften I und IV genannt werden, verzichtet auch Lehrkraft V auf die Bearbeitung der dritten Teilaufgabe zum Verfassen eines Artikels für die Schüler*innenzeitung zur Beschreibung der Umfrageergebnisse. Aufgrund der thematischen Relevanz und der Förderung des (inter-)kulturellen Lernens bindet Lehrkraft I eine Aufgabe aus dem Arbeitsheft aus der vierten Lektion (AH, S. 45, 1) ein, in der die Wertevorstellungen und Freizeitaktivitäten deutscher Jugendlicher in Form eines Diagramms präsentiert werden und nimmt diese zum Anlass, um Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen den Wertevorstellungen deutscher und spanischer Jugendlicher herausarbeiten zu lassen. B: #00: 04: 43-4# […] B schaut ins Material. Das ist aus einer anderen Unidad, meine ich. Weil es halt auch so eine Art Statistik ist. Da geht es halt eher um die Freizeitbeschäftigung von Jugendlichen. Manchmal mache ich das so im Zusammenhang oder generell mache ich erst die Unidad 1 und dann im Anschluss Unidad 4, weil das thematisch gut passt, weil es in den beiden Unidades um jóvenes geht. #00: 05: 16-8# (Interviewtranskript, LI, 24) Zur inhaltlichen Vertiefung wird von allen drei Lehrkräften ergänzend zur Themati‐ sierung der Interessen und Bedeutsamkeit von Aktivitäten von/ für Jugendliche/ n eine Hörverstehensaufgabe zum selektiven Hören aufgenommen und eine Tabelle zur Textvers‐ tändnissicherung angelegt (LB, S. 14, 4a). Auch die weitere Teilaufgabe zum detaillierten Hören und zur Identifikation von weiteren Redemitteln (LB, S. 14, 4b; in Ergänzung zu LB, S. 13, 2) wird von Lehrkraft IV in den Unterricht integriert, indem sie im Leh‐ renden-Lernenden-Gespräch die Liste mit Redemitteln zur Ausdrucksweise von Vorlieben, Interessen und Abneigungen erweitert. Auf die zuletzt beschriebene Teilaufgabe (4b) 336 4 Empirische Untersuchungsergebnisse <?page no="337"?> verzichten die Lehrkräfte I und IV aus Gründen der Vermeidung von Redundanzen. Die erneute Thematisierung von Redemitteln zur Ausdrucksweise von Vorlieben, Interessen und Abneigungen erscheint Lehrkraft I nicht notwendig. Lehrkraft V legt hingegen den Fokus erneut auf die Ermittlung von verschiedenen Redemitteln zur Kommunikation über Interessen, Vorlieben, Abneigungen etc. Sie nutzt dafür aber nicht den Hörtext, sondern lässt die Lerner*innen aus dem Lektionstext Synonyme zu dem von ihnen am häufigsten gebrauchten Ausdruck (me gusta/ me importa…) heraussuchen (eine vorher von Lehrkraft V ausgelassene Übung), da sie zu einem abwechslungsreicheren und flexibleren Gebrauch solcher Phrasen anregen möchte. Im Anschluss daran folgt die vom Lehrbuch auch an der Stelle vorgesehene Aufgabe zur Erstellung eines Ein-Minuten-Vortrags über die Vorlieben und Interessen der Lernenden (LB, S. 14, 5), womit alle drei Lehrkräfte eine anwendungsbezogene Vernetzung der vorher bearbeiteten Aufgaben und Übungen intendieren. Im Vordergrund steht die ge‐ bündelte Anwendung der vorherigen Inhalte und Redemittel zur Förderung des (freien) Sprechens. Zuvor bespricht Lehrkraft I mit den Schüler*innen die Strategien- und Metho‐ denseite (LB, S. 109) zur Vorbereitung auf und Durchführung von mündliche/ n Vorträge/ n. Des Weiteren lässt sie im Sinne der Differenzierung unterschiedliche Bearbeitungsmodi und Schwierigkeitsgrade zu (z. B. freier Vortrag, Stichpunkte, Ablesen), die jedoch Einfluss auf die Bewertung der Leistung haben. Entgegen den Vorschlägen in den Handreichungen verzichten die drei Lehrkräfte darauf, dass Lernende vorab einen Gegenstand oder ein Foto mitbringen, mit dem ihre Interessen sichtbar werden. Sie erachten dies nicht als notwendig zur Bewältigung der Aufgabe und finden den Vorschlag nicht altersangemessen. Lehrkraft I entscheidet sich zur Vorentlastung der Erarbeitung der charla für eine Aufgabe im Arbeitsheft (AH, S. 5, 4), im Zuge derer mittels eines visuellen Impulses (Person, die eine Tätigkeit ausübt), die Lerner*innen über mögliche Interessen und Bedeutsamkeiten der abgebildeten Personen einen kurzen Text verfassen. Die Wahl dieser Aufgabe wird von Lehrkraft I auch damit begründet, dass sich die Aufgabe als Anwendung und produktive Auseinandersetzung mit den vorher gelesenen Lektionstexten versteht. Des Weiteren entscheidet sich Lehrkraft I aber auch für diese Aufgabe, weil sie diese als Modell für den in der Folge geplanten Ein-Minuten-Vortrag erachtet. B: #00: 09: 37-2# […] Ja, als Hausaufgabe hatte ich dieser Lerngruppe auf Seite 5 die 4 gegeben, […]. Und dann haben wir die charla gemacht, weil hieran konnten die sich ja auch so ein bisschen orientieren, was ist wichtig für mich. Hier haben wir nochmal besprochen, welche Redemittel kann man benutzen, a mí me gustan und so weiter, estoy en el instituto […]. Dass die hier noch mal so ein Beispiel hatten und ich hatte ihnen dann für die charla gesagt, diese Übung und auch die Texte, die im Buch stehen, können so ein bisschen als Leitfaden dienen, wie man so eine charla vorbereitet zum Thema ¿qué es importante para mi? #00: 10: 59-4# (Interviewtranskript, LI, 44) Eine weitere Aufgabe zum Sprechen im Einführungsteil (LB, S. 14, 6), im Rahmen derer die Lernenden artikulieren sollen, mit welcher Lehrbuchperson sie gerne einen Nachmittag 4.3 Die Rezeption und Verwendung des Lehrwerks von Spanischlehrkräften (Quant-QUAL) 337 <?page no="338"?> verbringen würden und warum, wird von den Lehrkräften I und V ebenfalls ausgelassen, was mit Zeitknappheit und einer balancierten Umsetzung der Kompetenzorientierung und Fokussierung anderer Kompetenzen begründet wird. Lehrkraft IV bindet diese Aufgabe als Hausaufgabe ein, die sie anstatt der ursprünglich medial mündlich ausgerichteten Anlage schriftlich von den Lerner*innen ausführen lässt. Der im Voraus erläuterte Umgang mit dem Einführungsteil der beobachteten Lektion ist gekennzeichnet von einem kontinuierlichen „Einschub“ der jeweils in den Handreichungen für Lehrkräfte ausgewiesenen Aufgaben und Übungen im Arbeitsheft. Zumeist wird das Material im Arbeitsheft zu dem Zeitpunkt/ an der Stelle eingesetzt, zu dem/ an dem es auch in den Handreichungen für Lehrkräfte in Kombination mit dem Lehrbuch empfohlen wird. Die Aufgaben und Übungen im Einführungsteil des Arbeitshefts (AH, S. 4-5) werden fast komplett und unverändert von den Schüler*innen bearbeitet, zumeist in schriftlicher Form als Hausaufgabe. B: #00: 17: 07-9# Ich bearbeite viele Sachen schon, also meistens sind das für mich ganz gute Hausaufgaben (..), weil ja, das können sie zu Hause machen, die können sich die CDs in Ruhe anhören, wenn irgendwas zu hören ist. Das finde ich immer eine ganz gute Ergänzung zu dem, was im Unterricht behandelt wurde, auch vom Textverständnis her und so weiter. […]. #00: 17: 46-3# (Interviewtranskript, LIV, 38) Darunter finden sich ein Kreuzworträtsel zu einigen Substantiven im Textmaterial im Lehrbuch (zur Wortschatz(re-)aktivierung und Motivierung), eine weitere (nun schriftliche) Analyse einer Umfrage zur Selbsteinschätzung spanischer Jugendlicher (unter Bezugnahme auf vorgelernte (Fremd-)Sprachen der Lernenden) sowie eine Übung zum schriftlichen Aus‐ druck, in der die Schüler*innen einen Text zu den Vorlieben der abgebildeten Personen auf Basis von zwei Fotos verfassen. Intendiert ist hiermit die Anbahnung einer anwendungs‐ bezogenen und produktiven Auseinandersetzung mit den Inhalten (der vorher gelesenen Lektionstexte). Die zuletzt genannte Aufgabe (AH, S. 5, 4) wird im Fall von Lehrkraft V nicht wie in den Handreichungen für Lehrkräfte vorgeschlagen in Einzelarbeit als Haus‐ aufgabe erteilt, sondern mit Hilfestellungen von der Lehrkraft (Thema, Umfang) während des Unterrichts in zwei Großgruppen (jeweils ein Foto) erledigt. Anschließend wird in Form eines Austauschs der Expert*innengruppen (jeweils eine Person der einen und der anderen Gruppe) über die einzelnen Bilder, Personen, Aktivitäten und mögliche weitere Hypothesen dazu gesprochen. Dies erachtet Lehrkraft V als ideengenerierender und ertragreicher als in Einzelerarbeitung. Zudem intendiert sie damit sowohl die Förderung der Schreibals auch der Sprechkompetenz sowie eine Erleichterung des Sprechens in der Fremdsprache aufgrund der vorher geschaffenen schriftlichen Gesprächsgrundlage (Notizen, Phrasen etc.) und sie bindet bewegungsfördernde Ansätze ein, die u. a. auch das Maß der sozialen Interaktion von Lerner*innen erhöhen, die nicht unmittelbar nebeneinandersitzen. Die Ergebnisse werden im Anschluss mittels eines Lehrenden-Lernenden-Gesprächs schriftlich an der Tafel festgehalten: L: #00: 21: 20-6# Bueno, chicos. Entonces, por favor. Terminad vuestro texto en unos segundos. L wartet noch kurz. Entonces, 338 4 Empirische Untersuchungsergebnisse <?page no="339"?> 103 Die Ausführungen zu den weiteren Lektionseinstiegen werden nicht mit in die in Tab. 64 ermittelten Angaben eingerechnet, um den Bezugsrahmen einer Lektion zu wahren. ahora os vais a levantar todos y vais a buscaros pareja del otro grupo. Se van a encontrar dos personas desconocidas con fotos diferentes y de la perspectiva del yo vais a contar al otro lo que a vosotros os importa, vais a hablar sobre los hobbies, la situación, experiencias, deseos para el futuro. Bueno, entonces por favor, levantaos todos con vuestros cuadernos de ejercicios y charlad. #00: 23: 12-9# (Videotranskript, LV, 08.09.20, 48) B: #01: 28: 02-3# Ja, das ist eben so eine Idee, die ich immer ganz gerne nutze. Die müssen erstmal, sozusagen eine Sache für sich still am Tisch vorbereiten, schaffen sich eine Gesprächsgrundlage, auch Sicherheit sozusagen im Vokabelfeld und so weiter, das heißt, sie bereiten sich selber was vor, um dann sozusagen nicht so aus dem Nichts heraus, sondern dann wird eine gewisse Sicherheit mitgebracht und gehen dann in den Dialog miteinander, […] um sich sozusagen mal vom Platz zu erheben und mal mit Leuten ins Gespräch zu kommen, die nicht direkt drumherum sitzen. #01: 28: 48-8# (Interviewtranskript, LV, 190) Nur eine Aufgabe zum globalen und selektiven Hörverstehen (AH, S. 5, 3a/ b) wird von allen drei Lehrkräften ausgelassen, da sie diese funktional-kommunikative Kompetenz im ersten Lektionsteil als ausreichend durch das Material im Lehrbuch eingebunden emp‐ finden sowie keine klare thematische Relevanz bzw. Bezugnahme auf vorher Behandeltes erkennen können (Gruppen von Jugendkulturen: z.-B. Hippies, Punks). Im Beobachtungszeitraum wurden noch Teile von zwei weiteren Lektionseinstiegen von den Lehrkräften I und IV aufgezeichnet und analysiert. 103 Von besonderem Interesse ist hierbei, dass Lehrkraft I die vierte und Lehrkraft IV (und auch V) die dritte Lektion als nächstes bearbeiten. Lehrkraft I begründet diese Reihenfolge mit inhaltlichen Gesichtspunkten, da sich das Hauptthema der vierten Lektion ebenfalls mit der Jugend und ihren Interessen sowie Wünschen und ihrer beruflichen Zukunft beschäftigt. Lehrkraft IV (und auch V) bezieht sich primär auf den Fachschaftsbeschluss, wonach die zweite Lektion aufgrund der thematischen Nähe zum Oberstufenunterricht ausgespart wird, sodass sie mit der dann folgenden Lektion (3) weiterarbeitet. B: #00: 22: 01-1# […] wir hatten uns geeinigt, dass wir die Unidad 2 weglassen, weil ja die Überlegung war, dass diese conquista de América, dass das Amerika-Thema später in der Oberstufe dann gemacht wird, […] ich habe das jetzt schon seit paar Jahren immer gemacht, wir haben das immer weggelassen, deswegen habe ich das jetzt auch gemacht. #00: 23: 02-2# (Interviewtranskript, LIV, 46) 4.3 Die Rezeption und Verwendung des Lehrwerks von Spanischlehrkräften (Quant-QUAL) 339 <?page no="340"?> Lehrkraft I orientiert sich auch in dieser Lektion maßgeblich am Hauptthema des Einführungsteils (Gestaltung des eigenen Lebenswegs und berufliche Zukunft, Interessen und Neigungen sowie Wünsche und Bedürfnisse deutscher und spanischer Jugendlicher), das den Grund für das Vorziehen der vierten Lektion darstellt. Sie lässt den in den Handreichungen empfohlenen Einstieg mittels einer visuellen Klassenzimmerumfrage mit vier Antwortkategorien (in Ecken stellen) zur Beantwortung der Frage, was sie beruflich nach der Schule machen möchten, aus. Hierzu führt sie auf Basis von Erfahrungswerten an, dass Lernende in dieser Klassenstufe noch nicht auf eine solche Frage antworten können bzw. es ihnen an Ideen mangele. Die Hinführung zum Thema „Zukunftsperspektiven und Berufsvorstellungen“ realisiert Lehrkraft I direkt unter Bezugnahme auf das im Lehrbuch vorgeschlagene Lied dazu. Sie präsentiert jedoch nicht die Liedstrophe im Lehrbuch und spielt das Lied von der CD ab, sondern entscheidet sich für einen anderen Zugang: Sie wandelt eine ursprünglich hörverstehensin eine hörsehverstehensbezogene Aufgabe um, indem sie den Schüler*innen das Song-Video auf einer Internetplattform präsentiert, das zur Bearbeitung von der Lehrkraft mit verschiedenen Arbeitsaufträgen versehen wurde, die über die im Lehrbuch präsentierten Inhalte hinausgehen. Sie begründet diese Abwandlung mit der Steigerung des Interessantheitsgrads, der Erhöhung der Sprachumwälzung und mit dem leichteren Verstehen (durch visuellen Impuls) sowie mit der authentischeren Berücksichtigung der Hör-Seh-Gewohnheiten der Lerner*innen. Ihre Entscheidung basiert darüber hinaus auch auf Erfahrungswerten, dass die Lernenden beim lehrbuchbezogenen Einstieg mit dem Refrain (über Hördatei) im Lehrbuch nicht so schnell das Rahmenthema verstehen und teils frustriert reagieren. B: #01: 03: 25-1# […] das Video finde ich bietet so viele Möglichkeiten, den Schüler dieses Zimmer zu beschreiben und den Inhalt zu verstehen, dass die eigentlich den Text nicht unbedingt verstehen müssen, weil ich die Erfahrung gemacht habe, wenn ich hier mit dem Refrain beginne, überlegen die erstmal, was ist das überhaupt und so konnten sie- und es war auch motivierender, das Video zu zeigen, Videos schauen sie auch in ihrer Freizeit […]. #01: 04: 11-5# (Interviewtranskript, LI, 180) Auch Lehrkraft IV orientiert sich in der dritten Lektion maßgeblich am Hauptthema des Einführungsteils (Katalonien, Sehenswürdigkeiten Barcelonas, Varietät des Katalanischen, innerspanische und internationale Migrationsbewegung nach Katalonien, Entwicklung des Tourismus in Spanien seit den 1960er-Jahren). Sie verändert den in den Handreichungen empfohlenen Einstieg (Aktivierung von Vorwissen auf Basis von Kopien der Fotos zu Sehenswürdigkeiten Barcelonas auf der Einführungsseite oder Auszügen aus dem Internet), indem sie den Schüler*innen den Einführungsteil direkt präsentiert und sie nach ihren Erfahrungen mit/ in Barcelona fragt. Dies erachtet sie als lebensweltnäher und einfacher zugänglich für die Lernenden, als diese inhaltlich zu den Sehenswürdigkeiten zu Beginn zu fragen. Daraufhin legt sie auf Basis der abgedruckten Informationen auf den Einführungs‐ seiten der dritten Lektion einen Schwerpunkt auf die landeskundliche/ kulturbezogene Auseinandersetzung mit der sprachlichen Varietät (Katalanisch) und weitet die Bespre‐ chung noch auf die anderen auf der iberischen Halbinsel verwendeten Varietäten aus. 340 4 Empirische Untersuchungsergebnisse <?page no="341"?> Dazu zieht sie die Landkarte Spaniens auf der ersten Lehrbuchseite hinzu und führt die Lerner*innen gedanklich durch Spanien und seine (ko-)offiziellen Sprachen bzw. Varietäten und sie lässt die Lernenden verschiedene Wörter auf Katalanisch auch laut ausbzw. vorsprechen (z. B. Bon dia). Im Anschluss daran wird das abgedruckte Textmaterial auf der Einführungsseite abgespielt und die Schüler*innen lesen den Text parallel dazu mit. B: #00: 24: 10-9# […] Und dann habe ich denen auch erklärt-, wir haben auch die vier Sprachen, die in Spanien gesprochen werden, besprochen. Wir haben uns die Landkarte angeschaut, und da haben wir eigentlich mehr Wert auf das catalán gelegt, weil in jeder Lektion ein bisschen was darüber gesagt wird. Wir schauen uns die Landkarte an, die ganz am Anfang ist und dann schauen wir, wo welche Sprachen gesprochen werden, welche kooffiziellen Sprachen dabei sind und dann hören wir uns den Text an, ein bisschen was zum catalán, da wird ein bisschen auf Katalanisch gesprochen und da im Kästchen sind auch ein paar Vergleiche zwischen kastilisch und katalanisch, buenos dias und so weiter. #00: 25: 50-6# (Interviewtranskript, LIV, 52) Im Anschluss daran lässt Lehrkraft IV den in den Handreichungen für Lehrkräfte empfohlenen Einsatz eines darin abgedruckten Arbeitsblatts (Kopiervorlage) (LHR, 5 ficha de trabajo) aus, der eine Hörverstehensaufgabe zu den einzelnen Sehenswürdigkeiten Barcelonas intendiert, indem die Lernenden einzelne gehörte Wörter in das Textmaterial eintragen. Lehrkraft IV führt hierfür insb. zeitliche Aspekte an, die für sie den Grund der Entscheidung gegen dieses Material und für die Fokussierung auf die Inhalte im Lehrbuch und Arbeitsheft darstellen. In der Folge lässt Lehrkraft IV zur Verständnissicherung der Textinhalte die dafür vorgesehene Aufgabe bearbeiten (LB, S. 41, 1), mit der die Lerner*innen sich landeskundliche Informationen zu den Sehenswürdigkeiten und Mög‐ lichkeiten in und rund um Barcelona erarbeiten und die abgedruckten Fragen(-teile) dazu vervollständigen (Zuordnung der Sehenswürdigkeiten zu den beschriebenen Situationen (z. B. Puerto Olímpico - tomar algo frente al mar). Wie bereits auch oben schon erläutert, bindet Lehrkraft IV dazu an den vorgeschlagenen Stellen die Übungen im Arbeitsheft (als Hausaufgabe) ein (AH, S.-31, 1, 2), um nochmal das Textverständnis zu überprüfen sowie eine Wortfelderweiterung zum Thema Stadt zu ermöglichen. Teil A1 und A2 Im Anschluss an den Einführungsteil werden im Lektionsteil A zwei Texte präsentiert, mit denen verschiedene Fertigkeiten (Lesen, Hören, Sprechen, Schreiben) systematisch geübt werden sollen. Der erste Text handelt von persönlichen und gesellschaftlichen Zukunftsperspektiven und -plänen und im zweiten Text werden Vor- und Nachteile eines Lebens als berühmte Person diskutiert. Dabei wird der Frage nachgegangen, ob Castingshows ein probates Mittel zur Erlangung von Berühmtheit sind. Mit Blick auf den Übergang in die Oberstufe werden neben Aufgaben zum reinen Leseverstehen auch Aufgaben zur Textinterpretation und zu weiteren produktiven Fertigkeiten gestellt (z. B. Durchführung einer Debatte zur Teilnahme an Castingshows). Damit einher geht die Ver‐ 4.3 Die Rezeption und Verwendung des Lehrwerks von Spanischlehrkräften (Quant-QUAL) 341 <?page no="342"?> mittlung bzw. Wiederholung grammatischer Strukturen (futuro simple, Doppelpronomen bei Imperativen, cuando und mientras in Kombination mit dem subjuntivo; Wiederholung: Gebrauch von subjuntivo und indicativo). Lesen I Alle drei Lehrkräfte entscheiden sich gegen die Empfehlungen in der Handreichung zur Erklärung der inhaltlichen Ausgangssituation vor dem Lesen des Textes (LB, S. 15) (Lehrbuchpersonen hören eine Radiosendung zu Zukunftsperspektiven und -plänen und kommentiere diese). Lehrkraft I entscheidet sich ebenfalls gegen eine Vorab-Semantisie‐ rung einer Auswahl von Vokabeln. Die Lehrkräfte IV und V führen diese für grundle‐ gende Vokabeln zum Thema durch. Im Anschluss hören alle drei Lerngruppen den Hörtext und lesen ihn parallel mit. Die Lehrkräfte I und V lassen den Lektionstext im Anschluss von den Lernenden mit verteilten Rollen im Plenum lesen. Lehrkraft IV verzichtet aus Gründen von Zeitknappheit und der Vermeidung von Redundanzen auf das Lesen mit verteilten Rollen im Plenum. Ebenso lassen alle drei Lehrkräfte einen zweiten bzw. dritten Lesedurchgang in Kleingruppen aus. Darauf folgt eine weitere Änderung des empfohlenen Vorgehens in den Handreichungen durch Lehrkraft I, indem sie ein mündliches Unterrichtsgespräch durchführt, in welchem sie den Schüler*innen bereits erste Fragen zum Text stellt (z. B. Was ist das Thema? Wer unterhält sich? Welche Textsorte liegt vor? ), womit sie ein grundlegendes Textverständnis und die Vorentlastung der folgenden inhaltsbezogenen Aufgabe dazu im Lehrbuch intendiert (Globalverstehen). B: #00: 08: 05-5# Genau (..). Wir haben den Text auch wieder gehört, gelesen und dann habe ich erst mal gefragt, um was geht es in dem Text? Wer unterhält sich? Was ist das für eine Textart? Das haben sie auch rausgehört, dass das eine Radiosendung ist, wer unterhält sich. Und dann haben sie so einzelne Aspekte genannt, ja zum Beispiel cambio climático haben sie rausgehört. So einzelne Bruchteile. […]. #00: 09: 11-4# (Interviewtranskript, LI, 40) Zur Inhaltssicherung wird die dafür im Lehrbuch vorgesehene Aufgabe (LB, S. 16, 1a) in allen drei Lerngruppen bearbeitet und schriftlich in Form der empfohlenen Tabelle mit verschiedenen Kategorien festgehalten und systematisiert (cambios personales, científicos, en la educación, climáticos). Die Lehrkräfte IV und V binden auch die zweite Teilaufgabe (1b) zum Textmaterial, in der es um die Nennung weiterer/ anderer Veränderungen in der Zukunft aus Sicht der Lernenden geht, in ihren Unterricht ein. Ebenfalls wird von Lehrkraft IV die dritte Teilaufgabe (1c) zur Bewertung und Einteilung der genannten Veränderungen in positive und negative Kategorien als Hausaufgabe integriert. Die Lehr‐ kräfte I und V lassen beide bzw. die letzte Teilaufgabe aus, da sie die Angemessenheit für ihre Lerngruppen infrage stellen. Lehrkraft I begründet dies vorrangig damit, dass sie den Fokus im Folgenden auf das Selektiv- und Detailverstehen des Textes richten möchte und ihr dazu die Aufgabe im Lehrbuch nicht ausreicht. Dazu wählt sie weitere Aufgaben und Übungen aus dem Arbeitsheft (S.-6, 1-2) aus, die sie als wichtig zur Verständnissicherung und Bedeutungserschließung zentraler Begriffe erachtet. 342 4 Empirische Untersuchungsergebnisse <?page no="343"?> B: #00: 11: 15-7# Genau, die 1a, um das Verständnis nochmal, ja, zu vertiefen oder zu überprüfen, habe ich im cuaderno die Seite 6 die 1 und 2 gemacht. (..) In der 1 sollen sie ja diese Informationen vervollständigen und dann noch mal so bestimmte expresiones erklären. #00: 11: 37-3# (Interviewtranskript, LI, 46) Lehrkraft V führt primär inhaltliche Gründe für das Auslassen der dritten Teilaufgabe an, da es ihrer Ansicht nach offensichtlich sei, ob die Veränderungen als positiv oder negativ einzustufen sind und eine solche Aktivität weder zur vertieften inhaltlichen Auseinandersetzung noch zur Sprachproduktion beiträgt. Daher verwendet sie wie auch die Lehrkräfte I und IV die Aufgaben und Übungen im Arbeitsheft dazu. Grammatik I Nach der Bearbeitung des Lektionstextes wird in Anlehnung an die Handreichung das darin enthaltene Tempus (futuro simple) von den Lehrkräften I und V erstmals thematisiert. Lehrkraft I lässt die Lernenden nicht mittels des dafür vorgesehenen Aufgabenblocks im Lehrbuch die Verbformen entdecken, sondern erarbeitet das Futur deduktiv anhand der Grammatikseite am Ende der Lektion, indem sie die Lerner*innen die Verbformen laut vorlesen und erklären lässt, wie das Tempus gebildet wird. Im Anschluss daran wird ein Regelsatz formuliert. Lehrkraft I führt in diesem Zuge an, dass sie in der Vergangenheit unterschiedliche Herangehensweisen an dieses Thema erprobt habe und variiere (z. B. Besprechung des Tempus vor Lesen des Textes oder Entdecken lassen der Verbformen im Text) und ihr dieses Vorgehen für diese Unterrichtsstunde unter Bezugnahme auf die Unterrichtssituation und das Lernniveau sinnvoll erschien. B: #00: 12: 50-7# (..) Das habe ich auch schon in anderen Einheiten gemacht. Aber diesmal bin ich anders vorgegangen, erst mit Text und dann Futur, weil es hier für die Stunde so gepasst hat und weil es jetzt das Verständnis nicht so behindert. Die Schüler haben ja anhand des Titels auch schon erkannt, das ist futuro, lernen wir jetzt auch das Futur. Ja, so war das. #00: 13: 17-7# (Interviewtranskript, LI, 50) Lehrkraft V hingegen lässt die Schüler*innen mittels des dafür vorgesehenen Aufgaben‐ blocks im Lehrbuch die Verbformen entdecken (LB, S. 16, 2a). Im Anschluss wird das Konjugationsschema des Futurs tabellarisch an der Tafel festgehalten. Im Rahmen der Bearbeitung der einen von zwei weiteren Teilaufgaben dieses Aufgabenblocks (2b) wird im Plenum (entgegen den Empfehlungen in den Handreichungen für Lehrkräfte: Partnerarbeit im Unterricht) ausgehend von den vorgegebenen Beispielsätzen im Lehrbuch ein Regelsatz zur Verwendung des Futurs erarbeitet und dabei auf zwei zentrale Verwendungssituati‐ onen Bezug genommen (zukünftiges Ereignis, Vermutung). Im Zuge der Bearbeitung der folgenden Teilaufgabe (2c) überprüfen die Lerner*innen mittels eines Lehrenden-Ler‐ nenden-Gesprächs die von ihnen erarbeiteten Regeln, indem sie weitere Beispielsätze aus dem Lektionstext heraussuchen und der jeweils passenden Verwendungssituation zuordnen. 4.3 Die Rezeption und Verwendung des Lehrwerks von Spanischlehrkräften (Quant-QUAL) 343 <?page no="344"?> Lehrkraft IV wiederum führt das Tempus vor dem erstmaligen Lesen des Lektionstextes ein und nutzt dafür die entdeckend-angelegten Aufgaben im Lehrbuch, bevor sie sich mit ihren Lerner*innen näher mit dem Inhalt des Lektionstextes auseinandersetzt. Dieses Vorgehen wird als eine weitere Möglichkeit in den Handreichungen für Lehrkräfte ausge‐ wiesen, da das Futur eng mit der Besprechung der Thematik verbunden ist. B: #01: 38: 14-6# Das habe ich mich für separat entschieden, weil das kommt auch so oft im Text vor, dass ich wenn-, wir lesen das, sie sehen das, dann werden sie sich auch fragen, was ist das und deswegen wollte ich das vorziehen. #01: 38: 33-3# (Interviewtranskript, LIV, 204) Im Anschluss daran stellen die drei Lehrkräfte einen Aufgaben- und Übungenpool aus dem Lehrbuch (Lehrkraft I und IV: S. 16, 3a, 4; Lehrkraft V zusätzlich 3b) und dem Arbeitsheft (S. 6, 3a; S. 7-8, 4) zusammen, mit dem sie unterschiedliche Formate adressieren (z. B. Lückentextübungen, Vermutungen auf Basis von Bildimpulsen anstellen, Kurztexte verfassen) und verschiedene Schwerpunktsetzungen vornehmen (z. B. regel- und unregel‐ mäßige Verbformen in verschiedenen Personalformen, Aussage- und Frageformulierung). Die Aufgaben und Übungen werden gemäß den Empfehlungen in den Handreichungen erarbeitet und teils als Hausaufgaben aufgegeben. Ein weiteres grammatikbezogenes Thema, das in dieser Lektion in allen drei Lern‐ gruppen bearbeitet wird, ist der Doppelpronomen-Imperativ. Da alle drei Lehrkräfte das Thema als komplex einstufen, bauen sie mehrere Wiederholungsschleifen ein und nutzen dafür verschiedene Übungen im Arbeitsheft (S. 8, 6; S. 9, 7), die die Lernenden an bereits besprochene (Teil-)Themen und Strukturen erinnern sollen. Zuvor führen die drei Lehrkräfte ihre Lerngruppen auf unterschiedliche Weise an das Thema heran. Lehrkraft I lässt die Schüler*innen unmittelbar eine Übung im Arbeitsheft (S. 9, 7) bearbeiten, bei der es vorerst nur um einzelne Pronomen und deren Ersatz von Substan‐ tiven geht und nutzt zur Automatisierung nicht das in den Handreichungen empfohlene Arbeitsblatt (LHR: ficha de trabajo 2), da sie dieses als zu schwierig und dadurch demotivierend für ihre Lerner*innen erachtet. Im Anschluss daran schildert sie im Plenum Besonderheiten/ Unregelmäßigkeiten der Kombination von mehreren Pronomen (vorerst ohne Bezugnahme auf den Imperativ) und hält diese in Form von Erklärungen schriftlich an der Tafel fest (z. B. *le lo → se lo). Es folgt eine weitere Erinnerungs-/ Wiederholungsübung zur Vorentlastung, die in Ergänzung zu den vorausgehenden nun die Bildung der Imperativ‐ formen in den Blick nimmt. Lehrkraft I stellt die Reihenfolge der Bearbeitung der Übungen um und beginnt erst mit den Pronomen und ihrer Kombination als komplexeres Thema und geht dann zurück zum Imperativ, um beide Themen im Anschluss zu koppeln. Die Zusammenführung beider Bereiche erfolgt dann mittels der dafür vorgesehenen Übungen im Lehrbuch und dem Arbeitsheft, die von Lehrkraft I angeleitet und kleinschrittig bearbeitet werden, um die Komplexität zu reduzieren: B: #00: 13: 44-1# […] So jetzt kommt das Thema der Doppelpronomen. (..) Genau, da wiederhole ich sie erstmal, was ist nochmal complemento directo, indirecto, weil das kann man nicht oft genug machen. […] weil einfach so weiter mit der 5 344 4 Empirische Untersuchungsergebnisse <?page no="345"?> kann man nicht machen bei diesem komplexen Thema. Ich finde das muss man immer so nochmal wiederholen und vorentlasten und jeden Schritt den Schülern so erklären und das hat dann in der Arbeit auch ganz gut geklappt […]. #00: 16: 21-7# (Interviewtranskript, LI, 54) Lehrkraft IV verfährt ähnlich wie Lehrkraft I. Sie entlastet den Doppelpronomen- Imperativ vor, indem vorerst nur einzelne Pronomen und deren Ersatz von Substantiven besprochen werden und nutzt zur Automatisierung ebenfalls aus den von bereits auch von Lehrkraft I dargelegten Gründen nicht das in den Handreichungen empfohlene Arbeitsblatt (LHR: ficha de trabajo 2). Lehrkraft IV stellt die Reihenfolge der Bearbei‐ tung der Übungen aus den o. g. Gründen analog zur Vorgehensweise von Lehrkraft I um. Die Zusammenführung beider Bereiche wird auch mittels der dafür vorgesehenen Übungen im Lehrbuch (S. 17, 5) und dem Arbeitsheft (S. 9, 8) realisiert, die von Lehrkraft IV angeleitet und von den Lerner*innen kleinschrittig (unter Beachtung einer gewissen Schrittabfolge: Klärung der am Dialog beteiligten Personen, Identifikation des zu erset‐ zenden Substantivs etc.) bearbeitet werden, um die Komplexität zu reduzieren. Lehrkraft V nimmt zuerst Bezug auf ein während des ersten COVID-19-Lockdowns stattgefundenes Plenumsgespräch mit den Lernenden, in dem bereits die Stellung von zwei Pronomen vor konjugierten Verbformen thematisiert wurde. Damit will sie ihnen den Zugang zum jetzigen grammatischen Thema erleichtern. B: #01: 30: 00-3# […] Wir hatten allerdings dieses Thema mit den zwei Pronomen vor der konjugierten Verbform schon in dieser-, in diesem ersten Corona-Shutdown und ich hatte die Gelegenheit mit den Schülern sehr gut im Vorfeld schon genutzt, diese Position der Pronomen vor der konjugierten Verbform zuzu erklären und einzuüben, und deswegen war es schon irgendwie auch noch ok, wie das sozusagen in der Kürze hier in der Lektion 1 nochmal aufgegriffen wurde. […]. #01: 31: 10-3# (Interviewtranskript, LV, 194) Im Anschluss daran geht Lehrkraft V so wie auch Lehrkraft IV vor. Hören, Sprechen, Schreiben und Wortschatz Die Aufgaben- und Übungsblöcke zum Hören, Schreiben, Sprechen und Wortschatz (LB, S. 17; AH S. 8, 5) werden von Lehrkraft I ausgelassen, da sie angabegemäß einen ähnlich gelagerten Schwerpunkt zu bereits behandelten Inhalten sowie Kompetenzbereichen und sprachlichen Mitteln aufweisen. Auch im Arbeitsheft (S.-13) wird eine Tandemübung zum dialogischen Sprechen sowie ein kreativer Schreibanlass zum Thema „Meine Zeitmaschine“ (Zukunft) aus Gründen von Zeitnot und Weiterarbeit mit Folgeinhalten der Lektion nicht bearbeitet. Die Lehrkräfte IV und V lassen die Aufgaben- und Übungsblöcke zum Hören (Globalverstehen zum Thema eines Werbetexts) (LB, S. 17, 6) und Sprechen aus (mündliche strukturierte Bildbeschreibung zum Plakat einer Wissenschaftsmesse und Übung zum monologischen Sprechen über mögliche technische Errungenschaften in der Zukunft) (LB, S.-17, 8). Dafür führen sie ähnliche Gründe wie Lehrkraft I an: 4.3 Die Rezeption und Verwendung des Lehrwerks von Spanischlehrkräften (Quant-QUAL) 345 <?page no="346"?> B: #00: 08: 52-4# Die Nummer 6 habe ich nicht gemacht, weil ich so schon immer sehr viele Hörverstehen reinnehme, da habe ich das Hörverstehen aus dem cuaderno gemacht. […]. #00: 09: 47-2# (Interviewtranskript, LV, 26) Darüber hinaus begründet Lehrkraft V ihre Materialauswahlentscheidungen auch vor dem Hintergrund bereits gemachter Erfahrungen in vorherigen Lernjahren und -gruppen: B: #00: 08: 52-4# […] und bei der 8 ja, die hatte ich als nicht sehr wichtig empfunden. Da kam in den vorhergehenden Jahren auch, na ja, nicht so sehr viel bei raus. Also sie hatten Schwierigkeiten, Erfindungen zu machen und die noch zu beschreiben und drei Minuten hätten sie schon gleich gar nicht dazu sprechen können, nicht weil sie es von der Sprache her nicht konnten, sondern einfach eigentlich auch aus Ideenmangel, sage ich mal. […]. #00: 09: 47-2# (Interviewtranskript, LV, 26) Die Aufgabe bzw. Übungen zur Auseinandersetzung mit Redemitteln und dem anschlie‐ ßenden Verfassen eines persönlichen Texts über mögliche Zukunftspläne der Lernenden (LB, S. 17, 7a, b) werden von den Lehrkräften IV und V in den Unterricht integriert, wovon der zweite Teil dieses Blocks (b) zu Hause von den Schüler*innen in Einzelarbeit schriftlich erledigt wird. Beide Lehrkräfte erachten diese Aufgabe als lebensweltnah und intendieren hiermit, den Lerner*innen Raum für ihre Persönlichkeit und Kreativität zu geben. Im Arbeitsheft wird von beiden Lehrkräften eine Hörverstehensaufgabe als Prüfungs‐ vorbereitung auf DELE (AH, S. 8, 5) ausgelassen, da sie hier keine Eignung für ihren individuellen Lehr-/ Lernkontext sowie kaum thematische Passgenauigkeit (Hellseherin spricht mit Klienten über deren Zukunft) erkennen können. Ebenfalls verzichten beide Lehrkräfte auf die Einbindung eines kreativen Schreibanlasses zum Thema „Meine Zeitmaschine“ (sechs Dinge, die man in 50 Jahren vorfinden möchte) (AH, S. 13, 11) aus Gründen von Zeitnot und der Notwendigkeit der Weiterarbeit mit Folgeinhalten der Lektion. Hingegen lässt Lehrkraft V eine Tandemübung zur Vertiefung des Futurs in einer dialogischen Sprechsituation (AH, S. 13, 9) bearbeiten, da sie zu diesem Zeitpunkt die Förderung der Sprechkompetenz noch nicht als ausreichend behandelt einstuft und sie die vorherige Aufgabe im Lehrbuch (LB, S.-17, 8) dazu ausgelassen hat. Lehrkraft IV wiederum bearbeitet diese Aufgabe nicht und führt als Grund Zeitknappheit an. Lesen II und Wortschatz Die Antes de la lectura-Aktivität zum zweiten Lektionstext (Leben als berühmte Person, Vor- und Nachteile von Castingshows) wird von den Lehrkräften I und IV in Anlehnung an die Handreichungen durchgeführt, jedoch in geringerem Umfang. Beide Lehrkräfte erfragen bei den Lernenden im Unterrichtsgespräch, wer gerne berühmt sein würde bzw. warum (nicht). Sie verzichten auf die Listung von Vor- und Nachteilen eines Lebens in der Öffentlichkeit und das Abspielen eines Liedes von David Bisbal, der an einer spanischen Castingshow teilgenommen hat, da sie die von ihnen realisierte Einführung 346 4 Empirische Untersuchungsergebnisse <?page no="347"?> in das Themenfeld (vor Lesen des Textes) erstmal als ausreichend zur Kontextualisierung erachten. Lehrkraft I legt den Fokus der weiteren Auseinandersetzung mit der Thematik auf die Herstellung eines Lebensweltbezugs, indem sie bei den Schüler*innen erfragt, welche Castingshows sie in Deutschland kennen. Des Weiteren erklärt sie, dass es sich bei der Castingshow im Lehrbuch um eine Fiktion handelt und gibt nähere Informationen zum echten Format, das in Spanien ausgestrahlt wird. B: #00: 17: 08-1# (…) Da bin ich auch so wie diese ersten Aufgaben vorgegangen, quieres ser famoso, und dann habe ich nochmal nachgefragt, was für Castings, programas de casting-, welche es in Deutschland gibt. Da kam großes Interesse und dann habe ich ihnen erläutert, Operación Estrella ist jetzt hier angepasst, aber in Spanien gibt es ja dieses Operación Triunfo. […] #00: 18: 56-8# (Interviewtranskript, LI, 58). Sie verzichtet ebenfalls auf das Abspielen des Liedes des vorgeschlagenen Interpreten in den Handreichungen, da sie dieses für die Lernenden als veraltet erachtet. Daher verwendet sie den Titelsong einer echten Castingshow in Spanien, um ihnen authentisches Material zu präsentieren und ihnen durch Instrumentalmusik (ohne Text) den (sprachlichen) Zugang zum Thema zu erleichtern. B: #00: 55: 20-6# schaut ins Material. Also David Bisbal kennen die Schüler, glaube ich, nicht mehr, deshalb habe ich hier, glaube ich, dieses Mal die banda sonora von Operación Triunfo gemacht und dann gefragt, was das sein könnte. Genau. […]. #00: 55: 33-0# (Interviewtranskript, LI, 156) B: #00: 55: 55-1# Ja und manchmal auch im Unterricht so ein Karamell oder wie man das auch nennt auf deutsch, einzubringen, […] und dann habe ich gefragt, […] um was könnte es jetzt gehen in der neuen Einheit oder das neue Thema? #00: 56: 13-6# (Interviewtranskript, LI, 160) Im Anschluss daran wird der Lesetext abgespielt und von den Lernenden mitgelesen. Darauf folgt das Vorlesen des Textes mit verteilten Rollen. Bevor Lehrkraft I die im Lehrbuch vorgesehenen Aufgaben und Übungen bearbeiten lässt, stellt sie den Schüler*innen vorerst mündlich Fragen zum Text, mit denen sie ein Globalverstehen intendiert. Diesen Zwischen‐ schritt baut sie als indirekte Überleitung zu einer später im Lehrbuch vorgesehenen Aufgabe zu Pro- und Kontra-Argumenten für/ gegen eine Teilnahme an einer Castingshow (LB, S. 19, 3) ein, da die Lerner*innen im Rahmen des Gesprächs bereits von sich aus Vor- und Nach‐ teile nennen. Damit zieht Lehrkraft I die Aufgabe zur Verständnissicherung vor. Darauf folgt die vom Lehrbuch zuvor vorgesehene Erstellung einer Mind-Map zum Thema Casting (LB, S. 19, 2), mit der eine sprachliche Vorentlastung der Inhaltssicherung intendiert wird, auf die mit dieser Ausrichtung von Lehrkraft I verzichtet wird. Zur Begründung führt sie an, dass von den Lernenden im Unterrichtsgespräch bereits Aspekte thematisiert wurden, die zu einer erst danach vorgesehenen Aufgabe passen und Lehrkraft I hier aus Gründen der thematischen Passgenauigkeit und der Einbindung der von den Schüler*innen spontan geäußerten Inhalte nicht abweichen möchte. Lehrkraft IV erarbeitet mit den Lernenden 4.3 Die Rezeption und Verwendung des Lehrwerks von Spanischlehrkräften (Quant-QUAL) 347 <?page no="348"?> die Mind-Map zur Vorentlastung der Inhaltssicherung direkt im Anschluss an das Hören und Lesen des Lektionstexts. Zur Sicherung des Textverständnisses ziehen die Lehrkräfte I und IV dann eine Übung im Arbeitsheft (AH, S. 10, 1) vor. Ausgehend von einem gesicherten Textverständnis leiten beide Lehrkräfte zur Aufgabe im Lehrbuch (S. 19, 3) über, im Rahmen derer die Lerner*innen auf Textbasis Argumente für oder gegen die Teilnahme an einer Casting-Show systematisieren (3a) und in einer weiteren Teilaufgabe (3b) zu Hause die unterschiedlichen Satzstrukturen und Redemittel benutzen und üben, um die Argumente (in vollständigen Sätzen) vorzustellen. Dazu lässt Lehrkraft I Plakate zu Vor- und Nachteilen einer Teilnahme an Castingshows erstellen. Lehrkraft V lässt die Bearbeitung der Inhalte des zweiten Lektionstexts im Teil A2 und dazugehörige Aufgaben sowie Übungen aus (LB, S. 18, 1; S. 19, 2, 3; AH, S. 10, 1). Dies begründet sie mit Zeitknappheit, die durch den Nachholbedarf der Schüler*innen während des COVID-19-Lockdowns und des Distanzunterrichts entstanden sei. Grammatik II Die Lehrkräfte I und IV erarbeiten dann mit ihren Lerngruppen die sich daran anschlie‐ ßende entdeckend-angelegte Teilaufgabe zur Erschließung des kontrastiven Gebrauchs des subjuntivo und indicativo am Beispiel zweier Konjunktionen (LB, S. 19, 4a) und setzen diese wie in den Handreichungen für Lehrkräfte (LHR, S. 25) beschrieben und mit darin enthaltenem Tafelbild um. Anhand der in der Teilaufgabe vorgegebenen Beispielsätze und deren Übersetzung ins Deutsche leiten die Lernenden die Bedeutung der Konjunktionen je nach nachfolgendem Modus (subjuntivo oder indicativo) ab. Im Zuge der Bearbeitung der beschriebenen Teilaufgabe (4a) stellt Lehrkraft IV Defizite im Bereich des subjuntivo fest, sodass sie eine Wiederholungsschleife in Form einer Vorwissensaktivierung (mittels eines Tafelbilds in Form eines Konjugationsschemas) und mit zusätzlichen Erklärungen sowie (Erinnerungs-)Übungen dazu im Lehrbuch (S. 20, 6a) und Arbeitsheft (S. 10, 2, 3) einbindet, bevor die zweite Teilaufgabe (4b) zur Anwendung der Konjunktionen bearbeitet wird. Dazu lässt Lehrkraft IV auch die vorgegebenen Zuordnungs-, Einsetz- und Übersetzungsübung im Arbeitsheft (S.-10, 4; S.-11, 5) von den Schüler*innen zu Hause erledigen. Eine weitere Aufgabe bzw. Übung zur Reaktivierung der Vorkenntnisse der Lernenden zum subjuntivo und seiner Bildung und Anwendung nach entsprechenden Auslösern (z. B. para que, no creo que) (LB, S.-20, 6) wird in ihrem ersten Teil (6a) in Form eines Plenums‐ gesprächs bearbeitet. Die genannten Wiederholungs- und Erinnerungsübungen (LB, S. 20, 6a; AH, S. 10, 2-3) lässt Lehrkraft I zu diesem Zeitpunkt nicht bearbeiten, da sie diese später bei der Besprechung eines weiteren grammatischen Modus (imperfecto de subjuntivo) aufgreifen wird, zu dem sie diese Aufgaben und Übungen als Vorentlastung/ Erinnerung einbindet. B: #00: 20: 26-6# […] Subjuntivo habe ich jetzt erst diese Woche gemacht. Da habe ich nochmal subjuntivo presente wiederholt, letzte Woche die Auslöser mit ihnen nochmal thematisiert, weil dann nach dem subjuntivo de presente, möchte ich mit dem imperfecto de subjuntivo weitermachen. Ich dachte, das bietet sich so als Block besser an, als wenn ich das davor mache 348 4 Empirische Untersuchungsergebnisse <?page no="349"?> und dann irgendwann wieder mit subjuntivo um die Ecke komme. #00: 21: 18-2# (Interviewtranskript, LI, 62) Lehrkraft V erachtet die Einbindung der in der Lektion folgenden grammatischen Struktur (Gebrauch des subjuntivo nach ausgewählten Konjunktionen) als zentral, sodass sie diese auch ohne Anbindung an den Lektionstext einbettet: B: #00: 10: 01-2# Ja, also bei der Operación Estrella war es so, dass ich den Text an sich, in diesem Schuljahr rausgelassen hatte, […], aber ich hatte eben diese Aufgabe 4 mit denen gemacht, weil da natürlich eine wichtige Grammatik vermittelt wird. […]. #00: 11: 31-9# (Interviewtranskript, LV, 28) Dazu verwendet sie wie auch die Lehrkräfte I und IV die sich daran anschließende entdeckend-angelegte Teilaufgabe zur Erschließung des kontrastiven Gebrauchs des sub‐ juntivo und indicativo am Beispiel zweier Konjunktionen (LB, S. 19, 4a). Anhand der in der Teilaufgabe vorgegebenen Beispielsätze und deren Übersetzung ins Deutsche leiten die Lerner*innen die Bedeutung der Konjunktionen je nach nachfolgendem Modus ab (subjuntivo oder indicativo). Dazu baut Lehrkraft V eine Wiederholungsschleife bzw. Vorwissenaktivierungsphase zur Konjugation des subjuntivo und entsprechender subjun‐ tivo-Auslöser auf Basis der dafür vorgesehenen Übungen im Lehrbuch (LB, S.-20, 6a) und Arbeitsheft (AH, S. 10, 2) ein. Eine weitere Übung zur Wiederholung der Konjugation und Formulierung weiterer Satzteile nach den sog. subjuntivo-Auslösern (AH, S. 10, 3) wird von Lehrkraft V ausgelassen, da sie diese vor dem Hintergrund der anderen bearbeiteten Übungen als nicht notwendig einstuft und die inhaltliche Anbindung ihrer Ansicht nach zu stark an das zweite inhaltliche Thema der Lektion (Casting) gebunden ist, das sie aus den o. g. Gründen ausgelassen hat. Im Anschluss daran wird nun die zweite Teilaufgabe (4b) zur Anwendung des subjuntivo vor ausgewählten Konjunktionen bearbeitet. Dazu vertiefend lässt Lehrkraft V auch die vorgegebenen Zuordnungs-, Einsetz- und Überset‐ zungsübungen im Arbeitsheft (S.-10, 4; S.-11, 5) von den Lernenden zu Hause erledigen. Hingegen spart sie eine Übung zur Konstruktion der Struktur cuando + subjuntivo aus, die die Lerner*innen mit Sätzen mit persönlichen Aussagen im futuro simple (grammatische Struktur aus Lektionsteil A1) vervollständigen sollen. Dies begründet sie mit der Vermei‐ dung von Redundanzen zu den Aufgaben aus dem Lektionsteil A1, der Beschäftigung mit dieser Struktur während der Bearbeitung der anderen Übungen und dem geringen Grad der weiteren sprachlichen Umwälzung dieser grammatischen Struktur. Des Weiteren erscheint Lehrkraft V diese Übung für die Schüler*innen ermüdend, da sie monoton angelegt sei. B: #00: 11: 49-6# […] B sichtet Unterlagen. Nein, die habe ich, glaube ich, wirklich dieses Jahr nicht gemacht. Das futuro simple, das hatten sie ja in der A1 Lektion. Das haben sie auch sehr gut verstanden und bei dieser Aufgabe ist es so, dass man natürlich vom Vokabular her noch ein bisschen was umwälzen kann, aber die Konjugation des Futurs ist ja marginal zu nutzen, weil ist ein bisschen langweilig letztendlich. Es kommt immer die gleiche Konjugation vor. #00: 12: 44-9# (Interviewtranskript, LV, 32) 4.3 Die Rezeption und Verwendung des Lehrwerks von Spanischlehrkräften (Quant-QUAL) 349 <?page no="350"?> Schreiben Die zweite Teilaufgabe (LB, S. 20, 6b), innerhalb derer die Lernenden ein entsprechendes Antwortschreiben (Meinungsäußerung zur Teilnahme an einer Castingshow) auf die in 4a bearbeitete E-Mail einer Lehrbuchperson unter Verwendung von subjuntivo-Konstruk‐ tionen formulieren, lässt Lehrkraft IV als Hausaufgabe bearbeiten. Hingegen verzichtet sie dann aus Gründen der Vermeidung von Redundanzen sowie der Notwendigkeit der Schwerpunktsetzung auf andere Inhalte, Strukturen und Kompetenzen auf die im Arbeitsheft (S. 12, 7) enthaltene Möglichkeit zur Förderung der Schreibkompetenz, die von Lehrkraft I mit Blick auf die Leistungsüberprüfung wiederum eingebunden wird. Hingegen lässt Lehrkraft I demnach die von Lehrkraft IV im Lehrbuch bearbeitete Teilaufgabe zum Verfassen eines Antwortschreibens aus, da sie die Förderung dieser Kompetenz als ausreichend behandelt einstuft. Lehrkraft V verzichtet ebenfalls auf die von Lehrkraft IV bearbeitete Aufgabe im Lehrbuch (S. 20, 6b). Des Weiteren lässt sie auch aus Gründen der Vermeidung von Redundanzen und Zeitknappheit die ähnlich gelagerte Aufgabe im Arbeitsheft (S.-12, 7) aus. Hören und Lernstrategien/ -techniken Die Aufgaben und Übungen zum globalen und detaillierten Hörverstehen im Lehrbuch (S.-20, 7) bindet Lehrkraft IV in ihren Unterricht ein, da sie die Auseinandersetzung mit dem Hörverstehen innerhalb dieser Lektion noch nicht als ausreichend erachtet und zuvor ein paar Hörverstehensaktivitäten ausgelassen hat. So verzichtet sie bspw. dann auch auf die Hörverstehensaufgabe im Arbeitsheft (S. 11, 6). Im Anschluss bearbeitet sie mit den Lernenden den Block zu Lernstrategien/ -techniken, um die eigene Meinung strukturiert (nach dem rhetorischen Fünfsatz) vortragen zu können (LB, S. 20, 8). Die Lehrkräfte I und V sparen die beschriebenen Aktivitäten aus, da sie zum einen die Adressierung des Hörverstehens in dieser Lektion als angemessen einschätzen sowie zum anderen in vorherigen Lerngruppen die Besprechung dieser Aufgaben als inhaltlich und sprachlich wenig ertragreich empfanden. B: #00: 22: 49-1# Ah, 7 und 8, habe ich schon mal getestet, aber irgendwie fand ich, dass dabei nicht viel rauskommt. Außerdem habe ich davor schon eine Höraufgabe gemacht und ja. Ne, sehe ich jetzt nicht für wichtig für diese Einheit an. […]. #00: 23: 39-0# (Interviewtranskript, LI, 70) Lehrkraft V führt ergänzend dazu an, dass sie aufgrund des Aussparens des zweiten Lektionstextes und der inhaltlichen Anbindung an das Thema Casting in beiden Aufgaben (Pro-/ Kontra-Argumente zur Teilnahme an einer Casting-Show) diese nicht einbinde. B: #00: 12: 51-8# […] und bei der 8, das habe ich auch nicht gemacht, weil ich natürlich diese Operación Estrella eh nicht so behandelt hatte und bei der 8 zielt es ja auch auf den Inhalt der Lektion ab, Casting. Ich denke, mit dem Thema muss man sich ein bisschen befassen, auch Für und Wider abwägen können, um diese Aufgabe lösen zu können. […]. #00: 13: 40-9# (Interviewtranskript, LV, 34) 350 4 Empirische Untersuchungsergebnisse <?page no="351"?> Sprechen Bei der abschließenden Aufgabe wird in Form einer kleinen Projektarbeit eine Debatte für oder gegen die Teilnahme an einer Castingshow organisiert. Aufgrund pandemiebedingter Einschränkungen lassen die Lehrkräfte I und IV diese Aufgabe in einem kleineren Rahmen (Klassenkontext) bearbeiten und auf einer theoretischen Ebene besprechen (z. B. Gestaltung einer Debatte, Anführung von Argumenten, Rollen der Teilnehmenden etc.). Dabei wird auf die am Ende des Arbeitshefts abgedruckten Rollenkarten (S. 79) zur Durchführung einer Diskussion verzichtet. Hingegen sammeln die Lernenden Argumente für oder gegen die Teilnahme an einer Castingshow, die die Grundlage für die Debatte dar‐ stellen könnten. Beide Lehrkräfte verzichten aus Gründen pandemiebedingter Umstände auf die Durchführung einer Debatte. B: #00: 11: 41-9# Aber gemacht wurden sie, diese Aufgaben und die 9, wir haben keine Debatte gemacht, wir haben nur Argumente gesammelt. Das habe ich auch geändert, weil im Moment ist auch eine Debatte sehr schwer durchzuführen. #00: 12: 00-3# (Interviewtranskript, LIV, 20) Lehrkraft I verweist jedoch darauf, dass sie diese Projektarbeit bisher in jeder Lerngruppe gemacht und in Form eines szenischen Spiels im Forum der Schule umgesetzt habe. Dafür nutzt sie sonst keine weiteren Aufgaben oder Übungen im Lehrbuch und Arbeitsheft, die als Vorbereitung auf die Debatte vorgeschlagen werden, da sie hier gerne unabhängig vom Material arbeitet und ihre Kenntnisse und Materialien aus ihrem anderen Unterrichtsfach einbindet. B: #00: 22: 49-1# […] Die 9 habe ich gemacht, normalerweise müssen die Schüler bei mir in dieser Einheit immer so eine kleine Szene zum Thema Casting oder so eine Show machen, indem sie ein Jurymitglied, einen Moderatoren und Kandidaten haben, die was vorstellen. Das habe ich jetzt jedes Jahr gemacht, außer dieses Jahr. Das macht denen immer sehr viel Spaß, weil da gehen wir auch ins Forum auf die Bühne und die müssen das auf Spanisch vorstellen. #00: 23: 39-0# (Interviewtranskript, LI, 70) Aufgrund der Entscheidung von Lehrkraft V, den Themenkomplex Casting auszulassen, wird die beschriebene Aufgabe nicht bearbeitet. Aus demselben Grund werden auch die Rollenkarten zur Durchführung einer Diskussion zum Thema „Casting-Show Pro und Kontra“ (AH, S.-13, 10) nicht eingebunden. Teil B (Lektionstext) Im Lektionsteil B (LB, S. 21; AH, S. 14-16) wird ein authentischer Lesetext (Ausschnitt aus einer Theaterszene) dargeboten, der keine neu einzuführende Grammatik oder Lernwort‐ schatz enthält. Im Textmaterial wird geschildert, wie eine der Protagonistinnen und ihr Freund gemobbt und im Internet beleidigt werden. Ergänzend zu den A-Teilen der Lektion werden hier andere Textsorten angeboten (z. B. Zeitungsartikel, literarischer Text), die 4.3 Die Rezeption und Verwendung des Lehrwerks von Spanischlehrkräften (Quant-QUAL) 351 <?page no="352"?> einen spielerischen und anwendungsorientierten Umgang mit dem Gelernten ermöglichen sollen. Alle drei Lehrkräfte lassen den B-Teil der beobachteten Lektion aus, obwohl sie ihn für sinnvoll und interessant für die Lernenden erachten. Sie führen hierfür insbesondere Zeitknappheit an. Darüber hinaus verweisen sie aber auch darauf, dass die B-Teile in dem verwendeten Lehrbuch insb. für sehr leistungsstarke Schüler*innen geeignet wären, was in der Konsequenz jedoch dazu führen würde, dass sie den gesamten B-Teil umstrukturieren und reduzieren müssten. B: #00: 58: 55-0# Im Prinzip, wenn man Zeit hätte, finde ich das gut, ja, aber wenn man noch alle B-Texte machen würde-, deshalb haben wir uns so geeinigt, A-Texte verpflichtend, B-Texte, wenn noch Zeit ist oder wenn jemand früher fertig ist mit dem Lehrbuch und möchte keine Lektüre lesen, kann man ja Teile der B-Texte machen. #00: 59: 19-8# (Interviewtranskript, LI, 168) B: #00: 58: 11-7# B schaut ins Material. Könnte man so machen, also in lernstarken Gruppen kann das man so machen. […]. #00: 58: 47-3# (Interviewtranskript, LI, 166) Ein weiterer Grund, warum die Lehrkräfte IV und V den B-Teil der Lektion nicht bearbeitet haben, liegt darin, dass ihnen schon ohne pandemiebedingte Einschränkungen mit Blick auf Leistungsüberprüfungen und mit schulsystembedingten Faktoren einherge‐ hende Abwesenheitszeiten der Lernenden (z. B. Ausflüge, Fahrtenwochen) kaum Zeit für Extra-Aktivitäten neben dem A-Teil der Lektion bleibe bzw. mehrfach Wiederholungs‐ phasen eingebunden werden müssen. Aus diesen Gründen verzichten sie darauf und berufen sich auf die gemeinsame Entscheidung der Fachschaft Spanisch, dass B-Teile ausgelassen werden können. Lehrkraft I führt für die fehlende Bearbeitung dieses B-Teils zusätzlich noch an, dass sie während der Bearbeitung des A-Teils der Lektion bzw. von Lektionen bereits theaterpädagogische Ansätze in den Unterricht einbinde und das Thema des B-Teils ähnlich gelagert sei. Die Lehrkräfte I und V geben zudem an, dass sie dennoch flexibel mit den B-Teilen der Lektion umgehen und sie (in Teilen) an geeigneten Stellen in den Unterricht integrieren (z. B. bei thematischer Relevanz und Eignung sowie sprach‐ niveaubezogener Adäquatheit). Lehrkraft V gibt dazu noch einen konkreten Einblick in die von ihr nach dem Beobachtungszeitraum als nächstes bearbeitete Lektion und den darin enthaltenen B-Teil zur Tradition der castellers und des Stierkampfes: B: #00: 25: 05-7# […] ja was ich mir auf jeden Fall diesmal auch vorgenommen habe bei der Lektion drei, ist die Behandlung des B-Teils. Denn hier im Lehrbuch geht es ja um diese katalanische Tradition der castellers, im cuaderno haben wir die Tradition des Stierkampfes. Da werde ich auf jeden Fall morgen arbeitsteilig erarbeiten lassen, recherchieren lassen, sozusagen die Gruppe in zwei Lager aufteilen. Eine informiert sich zu diesem castillas bauen und die andere zum Stierkampf und dann sollen die sich das wechselseitig vorstellen. Also 352 4 Empirische Untersuchungsergebnisse <?page no="353"?> an der Stelle benutze ich zum Beispiel den B-Teil, weil der informativ ist, weil er auch das Sprachniveau haargenau trifft. […] Hier habe ich den B-Teil schon immer behandelt, weil er halt auch mal landeskundliches Wissen vermittelt, und die Schüler sozusagen […] direkt auch mal was Greifbares erfahren […]. #00: 27: 49-3# (Interviewtranskript, LV, 64) Übersicht zu grammatischen Themen und Strukturen Auf der letzten Seite jeder Lektion findet sich eine Zusammenfassung und Übersicht zu den der Lektion zugrunde liegenden grammatischen Themen und Strukturen, bspw. zu Tempora und deren Gebrauch oder zu Pronomen (LB, S. 22). Die Übersicht zu grammatischen Themen und Strukturen wird von den drei Lehrkräften in den Unterricht eingebunden und im Regelfall mündlich besprochen sowie Teile der Seite (z. B. Konjugationsschemata oder Beispiel- und Regelsätze) von den Lernenden in ihr Heft übertragen. Die drei Lehrkräfte stellen während der Arbeit mit der Lektion immer wieder Rückbezüge zu dieser Seite her und verstehen sie als Begleitung zur Behandlung grammatischer Themen und Strukturen der Lektion. Insbesondere zur deduktiven sowie ihrer Ansicht nach zeiteffizienteren Grammatikvermittlung binden sie die Inhalte dieser Seite ein. Angebote zum spielerischen Umgang mit Sprache (Anímate-Seiten) Auf jede Lektion folgt eine fakultative „Animierungs-Seite“, die mit Fotos und authenti‐ schen Materialien (z. B. Lieder, Filmplakate, Webseiten) die Lerner*innen zu einem spielerischen Umgang mit Sprache führen soll. In der vorliegenden Lektion handelt es sich dabei um zwei Kunstwerke bekannter spanischsprachiger Maler, die Anlass dazu bieten, Vermutungen über die Beziehungen der abgebildeten Paare anzustellen. Alle drei Lehr‐ kräfte lassen diese Seite aus, da sie sie als thematisch unpassend (kein Lektionsbezug) und langweilig für Schüler*innen erachten. Diese Einschätzung basiert laut den drei Lehrkräften auf Erfahrungswerten, die sie in anderen Lerngruppen gemacht haben. B: #00: 14: 41-9# Ja, also, diese Sachen gefallen mir nicht sehr gut. Selbst wenn ich die Zeit hätte, würde ich mir wahrscheinlich nicht die Zeit nehmen, diese Seite zu behandeln. Für mich steht sie halt in keinem guten Zusammenhang zum Lektionsinhalt, hat weder was mit Zukunft zu tun noch was mit irgendwie Casting-Show. Also sind irgendwie so, weiß nicht. Ich weiß auch nicht, warum die dort an der Stelle stehen. […]. #00: 15: 22-9# (Interviewtranskript, LV, 40) Alle drei Lehrkräfte betonen jedoch, dass sie mit den Inhalten dieser Seiten flexibel umgehen und sie durchaus in anderen Lektionen bereits verwendet haben, insb. dann, wenn sie das Potenzial sehen, dass sie dadurch den sprachlichen Umsatz erheblich fördern können oder sie besonders interessant für die Lernenden sind. 4.3 Die Rezeption und Verwendung des Lehrwerks von Spanischlehrkräften (Quant-QUAL) 353 <?page no="354"?> 4.3.3.2.2.3 ¡Apúntate! Band-1, Lektion 4 + Modul 4 (Cornelsen, 2016): Lehrkraft VI Die im Unterricht beobachtete Lektion lässt sich in sechs grundlegende Bereiche unter‐ teilen: Einführungsteil, Teil A (Lektionstext), Teil B (Lektionstext), Lernaufgabe(n), Über‐ sicht zu grammatischen Themen und Evaluation der angeeigneten Kompetenzen sowie Angebote zum spielerischen Umgang mit Sprache. Das darüber hinaus von Lehrkraft VI verwendete Modul 4, das sich an die vierte Lektion anschließt, umfasst zwei Lehrbuchseiten, die einen Teil zum Wortschatz und zum Sprechen enthalten und die in vier Aufgaben bzw. Übungen gegliedert sind. An dieser Stelle soll darauf hingewiesen werden, dass sich die Nutzung des Arbeitshefts parallel zur Arbeit im Lehrbuch auf Basis der Selektion der Lehrkraft vollzieht und die Lernenden im Regelfall die thematisch und von der Progression her passenden Inhalte, Aufgaben und Übungen meistens als Hausaufgabe bearbeiten. Die im Folgenden hervorgehobenen prozentualen Anteile spiegeln die von Lehrkraft VI vorgenommenen Schwerpunktsetzungen mit Blick auf die Kompetenzförderung und Arbeit mit/ an sprachlichen Mitteln wider. - Hör(seh-)verstehen Lesever‐ stehen Spre‐ chen Schreiben Sprach‐ liche Mittel Landes‐ kunde/ Kultur Aus‐ sprache Strate‐ gien Lehr‐ kraft VI 6,3-% 7,6-% 7,9-% 15,5-% 58,2-% - 2-% 2,5-% Tabelle 65: Prozentualer Anteil der Unterrichtszeit zur Adressierung verschiedener Kompetenzen und sprachlicher Mittel auf Basis der beobachteten Lektionsarbeit (Lehrkraft VI) Einführungsteil Im Einführungsteil wird das Thema der Einheit dargelegt (über die Schule sprechen und eine E-Mail schreiben). Mit dem einführenden Teil in Lektion 4 (LB, S. 64-66) wird das kommunikative Lernziel der Beschreibung der eigenen Schule verfolgt. In diesem Zusammenhang werden der Themenwortschatz und dazugehörige Redemittel sowie gram‐ matische Strukturen vorgestellt, um die Erarbeitung der Lektionstexte vorzuentlasten (Einführungstext: Vorstellung einer Schule unter Angabe von Raumbezeichnungen im Schulgebäude und Bezeichnungen für Schulangestellte). Als grammatisches Thema sind die Possessivbegleiter nuestro und vuestro angesetzt. In den Handreichungen für Lehrkräfte wird ein Vorschlag zur Texterarbeitung im Einführungsteil angeboten, der sich in fünf Abschnitte unter Angabe von möglichen Tafelbildern gliedert. Zuerst wird eine Vorentlastung des Lektionstextes intendiert, indem die Lernenden sich die Fotos (LB, S. 64-65) anschauen und sich den Themenwortschatz erschließen. Hierzu soll die Lehrkraft die Vokabeln (z. B. el conserje, la biblioteca) nennen und im Lehrbuch anzeigen. Die Lerner*innen sprechen im Anschluss daran die Vokabeln nach. Der zweite Abschnitt fokussiert die Einführung des Verbs cerrar. Danach sollen die Possessivbegleiter im Plural unter Rückbezug auf die vorherige Lektion eingeführt sowie Redemittel (z. B. ¿Cómo se llama vuestro conserje? ) automatisiert werden. Der letzte Abschnitt dient der Semantisierung und dem Hör-Leseverstehen. Die Schüler*innen hören und lesen den Text gleichzeitig. Im Anschluss daran lesen sie diesen laut vor. Der Wortschatz soll gesichert werden, indem die Lernenden einen Bezug zu vorgelernten Sprachen/ Erst‐ 354 4 Empirische Untersuchungsergebnisse <?page no="355"?> sprachen herstellen (z. B. presentar) sowie durch Untermauerung mittels Mimik und Gestik durch die Lehrkraft (z. B. estar abierto/ a durch Öffnen eines Fensters). Lehrkraft VI weicht von diesem Vorschlag ab, indem sie gewisse Abschnitte (vorerst) auslässt (1, 2, 3, 4) und teils auch umstellt (Vorziehen des Abschnitts 5). Sie beginnt mit dem (zweimaligen) Abspielen der Hör-Datei und lässt die Lerner*innen das Textmaterial mitlesen. Im Anschluss daran lesen sie die Texte laut vor. Lehrkraft VI bespricht in der Folge den neuen Wortschatz der Lektion, indem die Schüler*innen ihnen unbekannte Vokabeln benennen, die dann von der Lehrperson mimisch und gestisch zur Bedeutungserschließung untermauert werden. Der erste Schritt der Vorentlastung des Lektionstextes in den Handreichungen wird angabe‐ gemäß als nicht notwendig erachtet, da sich die Lernenden die meisten Vokabeln über ihre Vorkenntnisse erschließen könnten. Den zweiten und dritten Abschnitt zu grammatischen Strukturen erachtet sie bei der Einführung in den Text als überfrachtend und greift diesen zu einem späteren Zeitpunkt im Einführungsteil auf. Auch die Automatisierung der Redemittel wird von ihr an anderer Stelle in der Lektion kontinuierlich eingebunden. Sie bezieht sich in ihrem Vorgehen auf Erfahrungswerte aus dem Vorbereitungsdienst, im Rahmen dessen sie dieses Vorgehen mit ihren Ausbilder*innen erprobt habe. Im weiteren Verlauf der Arbeit mit der Lektion lässt Lehrkraft VI die Aufgabe zum selektiven Leseverstehen in Form eines Ratespiels (LB, S.-64, 1) auf die Art und Weise bearbeiten, wie sie in den Handreichungen für Lehrkräfte angedacht ist. Die Lehrkraft weist daraufhin, dass sie diese Aufgabe immer nach einem gewissen Schema (Textdarbietung, Lesen, Inhaltsbesprechung) bearbeite. B: #00: 18: 33-5# Also ich habe natürlich die 1 gemacht, die habe ich gelesen, und ich benutze eigentlich grundsätzlich immer also bis jetzt in dem Buch-, das ist ja immer gleich aufgebaut. Lehrwerkstext, Einführung, dann kommt immer Nummer 1 comprender el texto. Also diese Aufgaben mache ich immer bei jeder Unidad, die finde ich eigentlich ganz gut, dass wir erstmal gucken, haben sie es verstanden oder haben sie es nicht verstanden. […]. #00: 19: 24-9# (Interviewtranskript, LVI, 46) Die Aufgabe zum globalen Hörverstehen auf Basis von vier Minidialogen (LB, S. 65, 2) wird von Lehrkraft VI aus Gründen der erschwerten (technisch-bedingten) Umsetzungs‐ möglichkeit und des damit verbundenen Aufwands ausgelassen. B: #00: 18: 33-5# […] Was ich relativ wenig mache, ist Hörverstehen, die Übung lasse ich oft weg, wobei das aber daran liegt, dass wir keine technische Ausstattung haben, dass es jedes Mal kompliziert ist, ein CD-Player mitzutragen. Du hast ja gesehen, ich habe mehrere Taschen mit, ich habe meinen Korb mit. Da musste was aufbauen, ein Notebook auspacken. […]. #00: 19: 24-9# (Interviewtranskript, LVI, 46) Auch die im Anschluss dazu in den Handreichungen für Lehrkräfte vorgeschlagenen globalen und selektiven Hörverstehensaufgaben im Arbeitsheft (AB, S.-40, 2) werden von Lehrkraft VI ohne Angabe weiterer Gründe ausgelassen. Ebenso wird die Nicht-Verwen‐ dung der Aufgabe zur Schulung des globalen und selektiven Hör-Sehverstehens auf Basis 4.3 Die Rezeption und Verwendung des Lehrwerks von Spanischlehrkräften (Quant-QUAL) 355 <?page no="356"?> der Lehrwerk-DVD (LB, S. 65, 3) von Lehrkraft VI unter Nennung ausstattungsbedingter Erschwernisse im Klassenzimmer begründet, obwohl sie die Anlage solcher Aufgaben in Lehrwerken mit Blick auf die Authentizität und Adressierung der Hör-Seh-Gewohnheiten der Lernenden eigentlich befürworte. B: #00: 19: 44-2# […] So, die 3, comprensión, also das Video habe ich jetzt hier nicht gemacht, das liegt aber auch wieder an der Ausstattung der Schule. Ja, ansonsten finde ich das schon wichtig, dass die eigentlich die Sprache hören, ist authentischer und sie schauen auch so viel DVDs, Videos etc. […]. #00: 22: 19-3# (Interviewtranskript, LVI, 50) Den im Lehrbuch darauffolgenden Wortschatz-Bereich entlastet Lehrkraft VI, wie in den Handreichungen für Lehrkräfte vorgeschlagen, durch die dafür vorgesehene Übung im Arbeitsheft zum Themenwortschatz „Schulgebäude“ (AB, S. 40, 1) vor, indem die Lerner*innen den Grundriss einer Schule mit den Raumbezeichnungen versehen. Dar‐ aufhin folgt die Bearbeitung der ersten Lehrbuchteilaufgabe (LB, S. 66, 4a) dazu, mit der die Sicherung des Themenwortschatzes über die Suche von Wortpaaren (el conserje - la portería) intendiert wird. Die zweite Teilaufgabe (4b) zur Festigung des Themenwort‐ schatzes wird ausgelassen und durch eine an der Stelle (Symbol im Lehrbuch) vorgesehene Kopiervorlage (KV29) in Form eines Kreuzworträtsels ersetzt. Dies erachtet Lehrkraft VI als motivierender und leichter zugänglich für die Lernenden. Auf den Bereich des Wortschatzes folgt ein grammatikbezogener Teil, dessen Einstieg mit einer Wiederholungsübung zu den Verben hay und estar (AB, S. 40, 3) in den Handreichungen empfohlen wird. Dies wird von Lehrkraft VI auch so umgesetzt, bevor sie dann die beiden Lehrbuchteilaufgaben zur Übung des ersten zu besprechenden Possessiv‐ begleiters (nuestro) und zur Festigung (LB, S. 66, 5a, b) bearbeiten lässt. Im Anschluss daran erledigen die Lerner*innen zur weiteren Auseinandersetzung mit den Possessivbegleitern die dafür vorgesehene Übung im Arbeitsheft (AB, S. 41, 4), in der sie in die Lücken die passenden Possessivbegleiter einfüllen und eine adäquate Antwort mit Bezug zur eigenen Lebenswelt formulieren (z. B. ¿Cómo se llama ______ profesora? - ____________). Die Aufgabe zur Anwendung der neuen Grammatik und der neuen Redemittel, in der die Lernenden die eigene Traumschule zeichnen und zu jedem Raum einen Satz verfassen, wird primär aus Zeitgründen ausgelassen. Darüber hinaus erachtet Lehrkraft VI diese Aufgabe nicht unbedingt als altersangemessen und führt auch Ideenmangel vonseiten der Schüler*innen dafür an, warum sie die Aufgabe nicht bearbeitet habe. Die im Lehrbuch folgende Aufgabe zur Sprachmittlung (LB, S. 66, 6) auf Basis der Bildimpulse auf den ersten beiden Lektionsseiten wird von Lehrkraft VI ausgelassen. Hierfür wird keine nähere Begründung angeführt. Ähnlich dazu verhält es sich auch mit der folgenden Aufgabe zum gelenkten monologischen Sprechen (LB, S. 66, 7), die von Lehrkraft VI nicht in den Unterricht eingebunden wird. Teil A Der Lektionsteil A verfolgt als kommunikative Lernziele vorrangig das Sprechen über den eigenen Schulalltag und das Verfassen einer E-Mail. Dabei stehen die folgenden gram‐ matischen Strukturen zur Bewältigung der Kommunikationssituation im Vordergrund: 356 4 Empirische Untersuchungsergebnisse <?page no="357"?> Possessivbegleiter su/ s, Zeitangaben desde… hasta… und de… a…, das Verb salir und das Fragewort ¿de qué? . Lesen und Wortschatz In den Handreichungen für Lehrkräfte findet sich auch in diesem Lektionsteil ein Vorschlag zur Texterarbeitung (E-Mail einer Lehrbuchperson zum Tag der offenen Tür), der sich in fünf Abschnitte gliedert (Vorentlastung des Lektionstextes, Automatisierung der Rede‐ mittel, Ergänzung des Possessivbegleiters im Plural um su/ s sowie der erste und zweite Teil der Semantisierung und des Hör-Leseverstehens). Wie bereits den Ausführungen zum Ein‐ führungsteil zu entnehmen ist, geht Lehrkraft VI auch hier wie oben beschrieben vor. Sie lässt die ersten drei Abschnitte aus und beginnt unmittelbar mit dem gleichzeitigen Hören und Lesen des Lektionstextes und steigt dann mit den Abschnitten 4 und 5 ein, indem sie unbekannte Vokabeln mit den Lernenden durch mimische und gestische Untermalung bzw. durch die Herstellung von Bezügen zu vorher gelernten Sprachen/ Erstsprachen vonseiten der Schüler*innen bespricht. Zum selektiven Textverstehen wird in den Handreichungen für Lehrkräfte eine Aufgabe im Arbeitsheft (AB, S. 41, 1) vorgeschlagen, mit der die Lernenden den Tag von Ana beschreiben sollen. Diese wird von Lehrkraft VI nicht vor der Besprechung der Lehrbuchaufgaben (so in den Handreichungen für Lehrkräfte vorgesehen), sondern als Hausaufgabe im Anschluss daran eingesetzt, da sie diese zur Vor‐ entlastung des Textverständnisses nicht als notwendig erachtet. Lehrkraft VI fokussiert mit der Verwendung der ersten Lehrbuchteilaufgabe zum selektiven Leseverstehen auf Basis von zwei monologischen Texten (LB, S. 67, 1a) die Besprechung von Redemitteln, die in einer spanischsprachigen E-Mail verwendet werden, um sich zu begrüßen und zu verabschieden. Dabei geht sie nicht nur auf den Anfang und das Ende einer E-Mail ein, sondern betrachtet mit den Lerner*innen den Aufbau einer E-Mail im Ganzen (Struktur, Betreff, Anhänge etc.). B: #00: 22: 20-5# […] Dann haben wir die bei comprender el texto, also die 1a habe ich gemacht, aber abgewandelt, indem ich einfach weiter ausgeschweift bin und habe wirklich mal die ganze Form und habe denen das mal alles erklärt, habe das auch an die Tafel geschrieben, […]. Also die 1a war dann abgewandelt. […]. #00: 23: 16-7# (Interviewtranskript, LVI, 52) Im Anschluss daran bindet Lehrkraft VI die zweite Lehrbuchteilaufgabe zum selektiven Leseverstehen (1b) ein und lässt die Lernenden mündlich Antworten auf die im Lehrbuch vorgegebenen Fragen zum Textinhalt formulieren. An dieser Stelle in der Lektion integriert sie nun die am Ende der Lektion als minitarea bezeichnete Aufgabe (LB, S. 75, oben), in der die Lerner*innen eine E-Mail über ihren Schulalltag verfassen. Diese sollen sie nach dem Muster des Lektionstextes verfassen und an die Lehrkraft (und nicht an die Brieffreundin María) per E-Mail versenden und demnach nicht nur schriftlich als Text in ihren Heften niederschreiben. Damit intendiert Lehrkraft VI einen höheren Grad an Authentizität, indem die Schüler*innen auch tatsächlich mit einem mobilen Endgerät eine E-Mail schreiben (auch wenn sie zu Kontrollzwecken an die Lehrkraft adressiert ist). 4.3 Die Rezeption und Verwendung des Lehrwerks von Spanischlehrkräften (Quant-QUAL) 357 <?page no="358"?> B: #00: 19: 44-2# […] und dann als Hausaufgabe, dass sie eine kleine E-Mail schreiben mussten an mich per E-Mail, mussten also eine Anrede, mussten eine Schlussformel schreiben und ein paar Sachen halt. #00: 22: 19-3# (Interviewtranskript, LVI, 50) B: #00: 22: 20-5# […] An mich per Mail und nicht auf einen Zettel, weil die sollen ja eine Email schreiben und wir haben ja die Schuladresse, […]. #00: 23: 16-7# (Interviewtranskript, LVI, 52) Darauf folgt der Themenkomplex der Schulfächer, der gemäß den Handreichungen für Lehrkräfte in Kombination mit dem Lektionstext eingeführt werden soll (LB, S. 68, 2a). Lehrkraft VI weicht hier vom Material im Lehrbuch ab und führt die Schulfächer auf der Basis von mitgebrachten Fotos, die an die Tafel gehängt werden, ein. Die Lernenden ordnen die Fotos den einzelnen Schulfächern zu und sprechen der Lehrkraft die einzelnen Schulfächer nach. Lehrkraft VI erachtet dieses Vorgehen mit Blick auf das Leistungsniveau als leichter (aufgrund visueller Impulse) und daher auch motivierender. B: #00: 23: 21-4# […] die Einführung der Unterrichtsfächer. Da bin ich komplett erstmal vom Lehrbuch abgewichen. Da habe ich mal mit Bildern gearbeitet, mit Bildzuordnung, […] und habe daneben dran die Wörter geschrieben und die Schüler mussten jetzt erst mal zuordnen, […], dann habe ich es nachsprechen lassen. Also, da habe ich die Einheit […] abgeändert und bin auch dann auf die 2a-, also das habe ich gar nicht gemacht, […]. #00: 27: 26-6# (Interviewtranskript, LVI, 54) Die zweite Teilaufgabe zu den Schulfächern (2b) lässt Lehrkraft VI aus, da sie sie als ausreichend durch die Bildimpulse semantisiert und die weitere Erschließung über andere Sprachen als nicht nötig erachtet. Die dritte Teilaufgabe (2c) wird hingegen eingebunden und die Lernenden erstellen ihren Traumstundenplan. Dies erachtet sie mit Blick auf die Motivationssteigerung und die Herstellung eines Lebensweltbezugs als angemessen. Auf die Hinweise zum interkulturellen Lernen sowie auf die Angebote zur weiterfüh‐ renden Arbeit mit dem Material (für schnellere Schüler*innen) wird von Lehrkraft VI auch an anderen Stellen der Lektion verzichtet. Zu zuerst Genanntem werden keine weiteren Gründe angeführt, das weiterführende Material wird als nicht angemessen für die Lerngruppe und ihr Lernniveau erachtet. Als Hausaufgabe zur Festigung des Themenwortschatzes „Schulfächer“ lässt Lehrkraft VI die dafür vorgesehene Aufgabe im Arbeitsheft (AB, S. 42, 2) als Hausaufgabe bearbeiten. Eine weitere Aufgabe zur Festigung der neuen Redemittel im Lehrbuch (LB, S. 68, 3) wird vor dem Hintergrund der vorherigen Bearbeitung als nicht notwendig eingestuft. Sprechen Die erste Teilaufgabe (LB, S. 68, 4a) zum Training der Aussprache ganzer Syntagmen zum Thema „Den eigenen Schultag beschreiben“ wird von Lehrkraft VI aufgrund fehlender Notwendigkeit und Zeitknappheit ausgelassen. Die zweite Teilaufgabe zum gelenkten dialogischen Sprechen (4b) zu von den Lernenden unternommenen Aktivitäten an den 358 4 Empirische Untersuchungsergebnisse <?page no="359"?> jeweiligen Wochentagen wird hingegen in den Unterricht eingebunden, indem sie zuerst die Möglichkeit erhalten, sich zu einzelnen Phrasen zu äußern. Im Anschluss daran werden Lerner*innen ausgewählt, die im Gesamten nach diesem Modell sprechen. Eine darauffol‐ gende Aufgabe ebenfalls zum gelenkten dialogischen Sprechen zur Unterscheidung der Zeitangaben el lunes/ los lunes (LB, S. 69, 5) wird von Lehrkraft VI nicht verwendet, da sie die Förderung dieser Kompetenz mit der Bearbeitung der vorherigen Aufgabe als ausreichend behandelt einstuft. Eine weitere Aufgabe zum gelenkten dialogischen Sprechen und zur Festigung der Redemittel zum Thema „über die eigene Schule sprechen“ mittels Rollenkarten (LB, S. 69, 6) wird in der vorgegebenen Form ausgelassen. Sie gibt an, dass sie solche Aktivitäten zum Sprechen fortwährend in ihren Unterricht einbinde und führt weiter aus, dass sie die am Rande der Aufgabenstellungen stehenden Inhalte, über die die Lernenden sprechen sollen, bereits an anderer Stelle in Form eines mündlichen Lehrenden-Lernenden-Gesprächs eingebunden habe. B: #00: 23: 21-4# […] Die 5 habe ich nicht gemacht und die 6 das Sprechen, das machen wir ständig. Deine Schule heißt, du fragst jemanden, wie deine Schule heißt. Da baue ich dann immer so bestimmte Sprechsituationen dann zu dem Thema ein, aber da habe ich jetzt nicht das genommen, wie es hier vorgegeben ist. Das habe ich dann frei gemacht […]. #00: 27: 26-6# (Interviewtranskript, LVI, 54) Grammatik Die Übungen zu den grammatischen Strukturen der Lektion setzt Lehrkraft VI gemäß der in den Handreichungen für Lehrkräfte dargelegten Intention und Reihenfolge (in Kombination mit dem Arbeitsheft) um. Die Übung zu den Possessivbegleitern su/ s im Lehrbuch (LB, S. 70, 7) wird von den Lernenden schriftlich im Unterricht erledigt. Mittels der dafür vorgesehenen Übung im Arbeitsheft (AH, S. 44, 7), die die Schüler*innen zu Hause erledigen, strebt Lehrkraft VI die Automatisierung dieses grammatischen Themas an. Darauf folgt die Bearbeitung einer weiteren Grammatikübung (LB, S. 70, 8), mit der die Verben querer und preferir (schriftlich) geübt werden. Zu diesem und weiteren grammatischen Themen (s. o.) lässt sie im Arbeitsheft weitere Übungen (AH, S. 42, 3; 43; 44, 8) in der Reihenfolge bearbeiten, wie sie in den Handreichungen für Lehrkräfte vorgeschlagen wird. Hören Gemäß der empfohlenen Reihenfolge der Bearbeitung bindet Lehrkraft VI die Übungen zum detaillierten und selektiven Hörverstehen von Uhrzeitansagen und eines Monologs zu den einzelnen Fächern in einem Stundenplan aus dem Arbeitsheft (AH, S. 44, 9, 10) als Hausaufgaben ein. Darauf folgt im Unterricht die Bearbeitung einer Aufgabe zum detaillierten Hörverstehen eines Monologs (LB, S.-70, 9a). Schreiben Im Anschluss daran lässt Lehrkraft VI die zweite Teilaufgabe (9b) bearbeiten, in der das gelenkte Schreiben einer Kurzbeschreibung im Vordergrund steht. Mit Hilfe von 4.3 Die Rezeption und Verwendung des Lehrwerks von Spanischlehrkräften (Quant-QUAL) 359 <?page no="360"?> Bildimpulsen und vorgegebenen Redemitteln (Zeitangaben) sind die Lernenden dazu aufgefordert, den Tag einer Lehrwerkperson zu beschreiben. Mit der letzten Aufgabe des Lektionsteils A (LB, S.-70, 10) liegt der Fokus ebenfalls auf der Förderung des Schreibens. Da Lehrkraft VI bereits an vorheriger Stelle in der Lektion eine E-Mail an sich hat von den Schüler*innen verfassen lassen (s. o.) sowie eine weitere dafür vorgesehene Aufgabe zum Schreiben einer E-Mail an eine neue Partnerklasse in Spanien im Arbeitsheft (AH, S. 44, 11) als Hausaufgabe bearbeiten lässt, entscheidet sie sich, die Lehrbuchaufgabe zum Verfassen einer Antwort-E-Mail an die Lehrwerkperson mündlich im Unterricht zu realisieren. Die letzte Teilaufgabe im Lehrbuch (10b) zum Austausch der verfassten Antwort-E-Mails und der gegenseitigen Korrektur mit Hilfe einer Fehlerliste wird demnach ausgelassen. Teil B Mit dem Lektionsteil B wird als kommunikatives Lernziel das Ausdrücken von Zustimmung und Ablehnung verfolgt sowie die Einführung der Demonstrativpronomen und -begleiter este/ ese und das Fragewort ¿cuántos/ as? . Lesen und Wortschatz Auch für die Erarbeitung dieses Lektionstextes (Dialog zwischen Lehrbuchpersonen zum Tag der offenen Tür an ihrer Schule) wird in den Handreichungen für Lehrkräfte ein Vorschlag gemacht, der für dieses Material drei Abschnitte umfasst (Vorentlastung, Seman‐ tisierung und Hör-Leseverstehen). Gemäß den obigen Ausführungen lässt Lehrkraft VI auch hier die ersten beiden Schritte aus und verfährt nach einem von ihr als „klassisch“ bezeichneten Vorgehen, bei dem der Lektionstext gleichzeitig gehört und gelesen wird. Somit steigt die Lehrkraft mit dem dritten Schritt des Vorschlags in den Handreichungen für Lehrkräfte ein. Wie auch bei der Er- und Bearbeitung der vorherigen Lektionstexte lässt sie die dafür vorgesehene Aufgabe zum selektiven Leseverstehen (LB, S. 71, 1) von den Lernenden schriftlich im Unterricht bearbeiten. Dazu bindet sie auch die an dieser Stelle im Lehrbuch gekennzeichnete Kopiervorlage (KV 32) (Symbol im Lehrbuch) ein, auf der die falschen Sätze (im Vergleich zu der Aufgabe im Lehrbuch) zusätzlich noch korrigiert werden sollen. Im Anschluss daran lässt sie die darauffolgende Aufgabe (LB, S. 71, 2) bearbeiten, in der die Schüler*innen die Dialoge nach Redemitteln filtern, mit denen sie ihre Meinung zu einem Vorschlag ausdrücken können. Die Übung im Arbeitsheft zum detaillierten Leseverstehen des Lektionstextes (AH, S. 45, 1) wird ausgelassen, da diese als redundant vor dem Hintergrund der vorherigen Bearbeitungsschwerpunkte und Auswahl von Aufgaben und Übungen eingestuft wird. Sprechen Die folgenden zwei Aufgaben im Lehrbuch fokussieren die Förderung des Sprechens (LB, S. 72). Während die erste Teilaufgabe (3a) auf das Training der Aussprache ganzer Syntagmen zum Thema „Du lehnst einen Vorschlag ab“ zielt, fokussiert Teilaufgabe 3b auf das gelenkte dialogische Sprechen zum Festigen der Redemittel der gehörten Sequenz und bereitet das freie Sprechen vor. Beide Teilaufgaben werden von Lehrkraft VI nicht eingebunden, da sie die Bearbeitung der folgenden Aufgabe zum gelenkten dialogischen 360 4 Empirische Untersuchungsergebnisse <?page no="361"?> Sprechen zur Planung und Gestaltung eines Tages der offenen Tür (LB, S. 72, 4) als ausreichend erachtet und die Vorbereitung auf das freie Sprechen durch die im Voraus erläuterten Aufgaben als nicht notwendig einstuft. Hingegen merkt sie im Interview an, dass den Lernenden diese Aufgabe besonders schwergefallen sei, was ggf. doch für die Einbindung der vorbereitenden Aufgaben gesprochen hätte. Eine weitere Aufgabe zum gelenkten monologischen Sprechen (LB, S. 73, 5) wird von Lehrkraft VI ebenfalls nicht verwendet, da sie zum Zwecke der Förderung der Interaktion und des Sprechens miteinander sowie aufeinander Bezug nehmend die darauffolgende Aufgabe zum gelenkten dialogischen Sprechen (LB, S. 73, 6) als angemessener findet, auch mit Blick auf das grammatische Thema der Lektion. Grammatik und Sprechen Im Anschluss folgt eine grammatikbasierte Übungsphase unter Hinzunahme weiterer Aufgaben und Übungen aus dem Arbeitsheft (AH, S. 47, 7), die erst später in der Lektion in den Handreichungen für Lehrkräfte vorgeschlagen werden, aber Lehrkraft VI hier bereits sinnvoll erscheinen in Anbindung an die Aufgabe zur Förderung des Sprechens sowie an das Grammatikheft (GH, S.-25, 27). Lehrkraft VI knüpft die Besprechung eines weiteren grammatischen Themas daran an, das auch gemäß der Lehrbuchreihenfolge an dieser Stelle in der Lektion angedacht ist. Sie lässt die Lernenden mittels einer selbstentde‐ ckend-angelegten Aufgabe die Demonstrativpronomen und -begleiter im Lektionstext (LB, S. 73, 7a) heraussuchen und erstellt dazu ein Tafelbild, das sich an den Empfehlungen in den Handreichungen für Lehrkräfte orientiert. Mit der zweiten Teilübung (7b) intendiert sie die Übung der neuen Grammatik. Dazu bindet sie weitere Übungen aus dem Grammatikheft (GH, S. 26, 29) und die dafür vorgesehene und im Lehrbuch angegebene Kopiervorlage (KV 33) ein. Zum Abschluss dieses Teilbereichs verwendet Lehrkraft VI die letzte Teil‐ aufgabe (7c), um die Unterscheidung von este und ese mittels eines gelenkten dialogischen Sprechanlasses zu verdeutlichen. Zur weiteren Festigung der Demonstrativpronomen und -begleiter setzt sie eine weitere dafür vorgesehene Übung auf Basis von Bildimpulsen im Arbeitsheft (AH, S. 47, 8) ein. Danach bindet Lehrkraft VI die an dieser Stelle im Lehrbuch und in den Handreichungen für Lehrkräfte vorgesehene Übung zur Konjugation verschiedener Verben in Form eines Lückentextes (LB, S. 74, 8) ein, mit der sie die Festigung der neuen Verben intendiert. Wortschatz, Sprechen/ Schreiben (Wahlmöglichkeit) und Aussprache Die Bereiche zum Wortschatz, Sprechen/ Schreiben und zur Aussprache werden von Lehrkraft VI sowohl im Lehrbuch als auch im Arbeitsheft weitgehend ausgelassen. Die Übungen im Arbeitsheft zum neuen Wortschatz und zur Wiederholung des bekannten Vokabulars sowie zur Übung neuer Redemittel, um Zustimmung/ Ablehnung etc. auszudrü‐ cken (AH, S. 45, 2, 3; 46, 4a), werden aufgrund der Auswahl der vorher bearbeiteten Aufgaben und Übungen als nicht notwendig erachtet. Auch die weiteren an dieser Stelle der Lektion empfohlenen Übungen zum Schreiben und zu Kollokationen mit dem Verb tener werden von Lehrkraft VI aus ähnlichen Gründen nicht eingesetzt. Die Erstellung einer Mindmap zum Themenwortschatz „Schule“ (LB, S. 74, 9) als Vorbereitung auf das freie Sprechen/ Schreiben in der Folgeaufgabe wird ebenfalls nicht bearbeitet. Dasselbe gilt mit 4.3 Die Rezeption und Verwendung des Lehrwerks von Spanischlehrkräften (Quant-QUAL) 361 <?page no="362"?> derselben Begründung für die eben genannten Folgeaufgabe, bei der die Lernenden wählen können, ob sie das freie monologische Sprechen oder das Schreiben eines Kurzberichtes üben möchten. Die Übung zur Festigung der Aussprache auf Basis eines Zungenbrechers (LB, S. 74, 11) wird ebenfalls nicht verwendet. Hierfür gibt Lehrkraft VI insb. Zeitknappheit an, die es ihr nicht ermögliche, solche Aktivitäten in den Unterricht einzubinden. Hören Der gesamte Bereich zum globalen und selektiven Hörverstehen im Lehrbuch (LB, S. 74, 12) und im Arbeitsheft (AH, S. 47, 6) wird von Lehrkraft VI aus Zeitgründen und aufgrund der ihrer Ansicht nach balancierten Auswahl von Aufgaben und Übungen zur Förderung verschiedener Kompetenzen ausgelassen. Lernaufgabe(n) Am Ende der Lektion erhalten die Lernenden die Möglichkeit zwischen zwei (Mini-)Lern‐ aufgaben zu wählen. Die erste Lernaufgabe beinhaltet das Verfassen einer E-Mail über den eigenen Schulalltag an eine neue Brieffreundin (LB, S.-75, oben). Die zweite Lernaufgabe sieht die Vorstellung der eigenen Schule mit einem Fotoalbum und dem eigenen Stunden‐ plan vor dem Hintergrund eines anstehenden Besuches einer Klasse aus Spanien (fiktiv) vor (LB, S. 75, unten). Die erste Lernaufgabe wird von Lehrkraft VI an früherer Stelle in der Lektion sowie in abgewandelter Form (u.-a. Situierung, Adressat*in) eingebunden. Die Entscheidung gegen die zweite Lernaufgabe begründet sie insb. vor dem Hintergrund der fehlenden Altersangemessenheit, Anknüpfung an die lebensweltliche Realität der Schüler*innen (Fotoalbum, Ausdrucken von Bildern) und zur Verfügung stehenden Zeit. Darüber hinaus gibt sie an, dass einige Lernende über wenig bis keine technischen Möglichkeiten zu Hause verfügen würden. Daher erachtet Lehrkraft VI eine digitale Ausrichtung einer solchen Aufgabe (z.-B. über Smartphones) als angemessener. B: #00: 30: 03-4# […] aber diese tarea final, das ist Wunschdenken. Das geht nicht. Die Zeit ist nicht da, und die Schüler, die sind achte Klasse, da macht keiner mehr-. Also, das ist, finde ich, absolut lebensfern, zu sagen, mache ein Buch mit Bildern und alles. Die Schüler können gar keine Bilder ausdrucken. Die Möglichkeit haben sie gar nicht mehr, die meisten haben gar keinen Drucker. Die haben alles nur mit Handys, da wäre vielleicht jetzt zu überlegen, ob die im Rahmen der Weiterentwicklung, ob die da nicht einfach, genauso wie sie den Webcode angeben, dass sie da nicht so ein digitales Lernbuch, wo die Schüler einfach Bilder einfügen können von ihrem Handy. […]. #00: 32: 53-6# (Interviewtranskript, LVI, 58) Übersicht zu grammatischen Themen der Lektion sowie Evaluation der angeeigneten Kompetenzen (Resumen, Evaluación, Autocontrol) Die Übersichtsseiten zu den grammatischen Themen am Ende der Lektion (LB, S. 76-77) bindet Lehrkraft VI fortwährend und parallel zur Bearbeitung der Lektionsthemen ein. 362 4 Empirische Untersuchungsergebnisse <?page no="363"?> Ebenfalls lässt sie die Lerner*innen die Übungen zum Testen der Grammatikkenntnisse und ihrer Sprechkompetenz (LB, S. 77) bearbeiten. Auch die fakultative Evaluationsmöglichkeit aller sprachlichen Mittel und Kompetenzen der Lektion (LB, S. 78-81) wird von Lehrkraft VI mit einem Schwerpunkt auf Wortschatz und Grammatik in Form eines mündlichen Unterrichtsgesprächs verwendet. B: #00: 30: 03-4# […] Was ich aber ganz genau gemacht habe, das finde ich sehr gut, das ist dann Seite 76 und 77, 78, 79, die Zeit nehme ich mir. Diese evaluación der Wiederholung nochmal von 3 bis 4, weil da gehen sie dann nochmal drauf ein im Sinne des ständigen Wiederholens, weil die evaluaciones gehen immer nochmal eine Unidad zurück und das finde ich sehr gut und die vier Seiten mache ich immer. […] und da merke ich immer, wenn da was nicht klappt, dann schreibe ich das nochmal an die Tafel an und erkläre es denen nochmal, wie es funktioniert, […]. #00: 32: 53-6# (Interviewtranskript, LVI, 58) Die Autocontrol-Seiten im Arbeitsheft (AH, S. 48-49) stellen eine weitere Möglichkeit der (Selbst-)Evaluation für die Lernenden dar. Diese Seiten lässt Lehrkraft VI eigenver‐ antwortlich in Einzelarbeit zu Hause bearbeiten, u. a. mit Blick auf eine bevorstehende Leistungsüberprüfung. Angebot zum spielerischen Umgang mit Sprache (Anímate-Seiten) Auf jede Lektion folgt eine fakultative „Animierungs-Seite“, die mit Fotos und authenti‐ schen Materialien (z. B. Lieder, Filmplakate, Webseiten) die Lernenden zu einem spieleri‐ schen Umgang mit Sprache führen soll. Lehrkraft VI verwendet einen Teil dieses Angebots zur Bildung und Zusammensetzung spanischsprachiger (Nach-)Namen (LB, S. 82, 1), da sie diese als wichtig im Sinne eines Allgemeinwissens erachtet. Sie gibt allerdings an, dass sie die Animierungs-Seiten teils unübersichtlich gestaltet findet und nicht immer einen Bezug zum Lektionsthema herstellen kann sowie teils auch die Notwendigkeit eines solchen Angebots infrage stellt. B: #00: 32: 58-9# (…) Da muss ich dir ganz ehrlich sagen, die habe ich mir angeguckt. Das war so ein Durcheinander. (..) So generell, weil es so querbeet ist. Aber was ich gut fand jetzt war das mit den Namen, das habe ich gemacht. Zum Beispiel Schau dir die Namen an, aber was dieses Anímate jetzt generell bezwecken soll, das habe ich jetzt so gar nicht gesehen. […]. #00: 33: 29-2# (Interviewtranskript, LVI, 60) Modul 4 Im Beobachtungszeitraum wurde darüber hinaus auch die Arbeit mit dem vierten Modul (LB, S. 84-85, AH, S. 50-51) im Anschluss an die Lektion 4 aufgenommen. Die Module behandeln im Allgemeinen auf einer Doppelseite kurz und knapp wichtige Themen. Sie können sowohl chronologisch als auch zu einem anderen als den im Lehrbuch angege‐ benen Zeitpunkt von der Lehrkraft eingesetzt werden. Lehrkraft VI führt das Thema 4.3 Die Rezeption und Verwendung des Lehrwerks von Spanischlehrkräften (Quant-QUAL) 363 <?page no="364"?> „über Hobbies und Gefallen bzw. Missfallen sprechen“ auf Basis eines selbst erstellten Arbeitsblatts zur induktiven Erschließung der grammatischen Struktur me gusta/ te gusta + infinitivo ein. Sie verwendet einen selbst verfassten Text, der ihre eigenen Hobbies und Freizeitaktivitäten thematisiert und mehrfach die neu zu erlernende grammatische Struktur beinhaltet. Lehrkraft VI erachtet das selbst entworfene Textmaterial als interessanter für die Schüler*innen als das im Modul abgebildete und intendiert damit eine weitere Stärkung der Lehrenden-Lernenden-Beziehung, indem sie für sie „nahbarer“ wird und die Erreichung affektiver Lernziele (Freude, Spaß) adressiert. Dabei orientiert sie sich auch an den Vorschlägen zur Texterarbeitung (des Lehrbuchmaterials) in den Handreichungen für Lehrkräfte, indem sie den Themenwortschatz „Freizeit“ reaktiviert und eine Mind-Map dazu erstellen lässt sowie das eigene Textmaterial vorentlastet und Redemittel unter Einsatz einer Redekette automatisiert. Nach der induktiven Erschließung der grammatischen Struktur hält Lehrkraft VI die Ergebnisse schriftlich an der Tafel fest und geht auf Besonderheiten ein (z. B. a mí me gusta/ me gusta etc.). Dabei orientiert sie sich auch an der Darstellung des Tafelbilds in den Handreichungen für Lehrkräfte. Die Aufgaben und Übungen aus dem Modul 4 setzt Lehrkraft VI erst nach der Bearbeitung des von ihr erstellten Arbeitsblattes ein. Vorrangig intendiert sie mit ihrer Auswahl an Aufgaben und Übungen eine Festigung der grammatischen Struktur sowie des neuen und bekannten Wortschatzes, sodass sie überwiegend das Material aus dem Arbeitsheft einsetzt (AH, S. 50, 1, 3; 51, 4), da die Anlage und das Ineinanderverwobensein der Aufgaben im Lehrbuch für sie keinen inhaltlich- und didaktisch-methodisch-logischen Übergang zulassen. Des Weiteren verzichtet sie auf zwei Übungen im Arbeitsheft (AH, S. 50, 2; 51, 5), da sie diese nicht als notwendig und teils auch nicht als altersangemessen erachtet. Ferner führt sie mit der benannten Übung im Arbeitsheft (AH, S.-50, 3) in Kombination mit dem Textmaterial aus dem Lehrbuch das Verb hacer ein, dessen Formen die Lernenden in Form eines Sudoku eintragen. Zuvor erstellt sie ein Tafelbild, aus dem in einer zusammenhängenden Darstellungsweise alle Formen des Verbes hervorgehen. 4.3.3.2.3 Lehrwerkunabhängiger Unterricht Wie aus den Analyseergebnissen des Kap. 4.3.3.2.2 hervorgeht, nutzen die beteiligten Lehrkräfte mit Unterschieden in der Intensität und der Art und Weise verschiedene Handlungsoptionen, um das Lehrwerkmaterial aus den jeweiligen Gründen zu verändern und mit Blick auf den individuellen Lehr- und Lernkontext zu optimieren. Damit kann auch einhergehen, dass sie phasenweise vom Lehrwerk abweichen und lehrwerkunabhän‐ gige(re) Materialien und digitale Medien in ihren Unterricht einbinden. Quant-Qual │ Mit den folgenden Ausführungen können die bisher auf quantitative und qualitative Weise gewonnenen Erkenntnisse zur Materialnutzung und zu Verwendungs‐ weisen maßgeblich erweitert und teils auch neu perspektiviert werden. Die in den vorhe‐ rigen Ergebniskapiteln auf einer globalen Ebene ermittelte und im Detail rekonstruierte Lehrwerk- und Lektionsarbeit wird durch konkrete Beispiele für lehrwerkunabhängiges Unterrichten verdichtet und in einen erweiterten Unterrichtskontext eingeordnet. Dadurch kann ein Panorama verschiedenster Verwendungsweisen von Lehrwerkmaterialien und solchen, die davon unabhängig(er) sind, aufgemacht werden. 364 4 Empirische Untersuchungsergebnisse <?page no="365"?> 104 Überwiegend wird dabei auf konkret beobachtete Unterrichtssituationen im Durchführungszeitraum der Studie referiert. Aufgrund der zeitlichen Begrenztheit einer videographischen Beobachtung, die nur einen Ausschnitt des Unterrichts und des Materialeinsatzes der Lehrkräfte erfassen kann, und aufgrund der Einschränkungen durch die COVID-19-Pandemie werden ebenfalls Berichte der Lehrkräfte aus vergangenen Lerngruppen und -jahren zu den beobachteten Lektionen, Aufgaben und Übungen hinzugezogen, die in dieser Form so nicht während des Erhebungszeitraums stattgefunden haben, aber in vorherigen Lerngruppen laut Aussage der Lehrenden so durchgeführt worden sind. Intendiert wird damit, dass durch das Ineinandergreifen der einzelnen Datenerhebungsmethoden und Datensätze ein Panorama an konkreten materialbezogenen Beispielen für lehrwerkunabhängi‐ geres Unterrichten aufgezeigt werden kann. Lehrwerkunabhängigkeit wird von den Lehrkräften zum einen als Verwendung von nicht lehrwerkbezogenen Materialien sowie als Erstellung eigener Materialien verstanden. Zum anderen sehen sie Lehrwerkunabhängigkeit aber auch unter dem Blickwinkel der Lehrwerkinhalte und der Arbeit mit sprachlichen Mitteln, die auf andere (als in den Handreichungen vorgeschlagene) didaktisch-methodische, mediale und sozialformbezo‐ gene Weise unterrichtspraktisch umgesetzt werden, sodass nur indirekt auf das Lehrwerk zurückgegriffen wird (vgl. Kap. 4.2.1.2). Ersteres trifft auf die beobachteten Lehrkräfte gelegentlich bis selten zu. Zweites hingegen setzen sie in ihrem Unterricht oft bis gelegentlich um. Auch wenn die Befragten im Mittel angeben, dass ihnen lehrwerkunabhängiger Un‐ terricht eher wichtig ist (M=2,2; SD=1,0) und sie grundsätzlich eine Kombination aus Lehrwerkarbeit und unabhängigen Materialien als sinnvoll erachten, überwiegen in der Un‐ terrichtsrealität die lehrwerkgebundenen Phasen deutlich. Damit geht jedoch nicht einher, dass sich die Lehrkräfte nicht vom Lehrwerk lösen und/ oder lehrwerkunabhängige(re) Materialien sowie Verfahrensweisen einbinden. Qual │ Im Zuge der Datenanalyse konnten die folgenden konkreten Unterrichtssituati‐ onen ermittelt werden, die lehrwerkunabhängig(er) gestaltet waren. 104 Lehrwerkunabhän‐ gige(re)n Unterricht führen die Lehrkräfte durch, indem sie … • andere/ zusätzliche Arbeitsaufträge zu Lehrwerkmaterialien entwickeln (z. B. selbst erstelltes Arbeitsblatt zum Kurzfilm zu Mexiko); • andere mediale Grundlagen zu einem Aufgabenkomplex im Lehrbuch einbinden (z. B. Song-Video anstatt Liedstrophe); • andere Arbeitsformen (z. B. Stationenlernen) und methodische Ansätze integrieren (z. B. spielerische Formate bei der Grammatikarbeit (Aktivierung und Einübung): Präteritum-Domino/ -Tanz und Grammatikgeschichten); • unterschiedliche Textformate/ -sorten zur Erarbeitung eines Themas einbetten (z. B. aus anderen verlagsgebundenen Einheiten (insb. Raabits, ECOS oder Zeitungen); • Lehrwerkthemen in neue kommunikative und authentischere/ realistischere Kontexte überführen (z. B. Wegbeschreibung im Wohnort, Wetterbeschreibung am letzten Urlaubsort, Verfolgen einer aktuellen Staffel einer Castingshow in Spanien); • umfangreichere lehrwerkunabhängige Phasen auf anderer/ selbst erstellter Material‐ grundlage gestalten - z. B nicht vom Lehrwerkverlag empfohlene Lektüre und selbst erstelltes Lesetagebuch; 4.3 Die Rezeption und Verwendung des Lehrwerks von Spanischlehrkräften (Quant-QUAL) 365 <?page no="366"?> - selbst erstellte Materialien (u. a. mit persönlichem Bezug zur Lehrkraft) und andere methodische Vorgehensweisen zur Einführung eines Lektionsthemas (z. B. Text-Bild-Zuordnung der Unterrichtsfächer) bzw. einer grammatischen Struktur (das Verb gustar). Die vorangegangenen Befunde lassen die Schlussfolgerung zu, dass sich Lehrkräfte über ihre Abhängigkeit vom Lehrwerk bewusst sind, Lehrwerkangebote grundsätzlich akzep‐ tieren und in ihrem Spanischunterricht mehrheitlich auf die vorgeschlagene Art und Weise umsetzen, aber auch zu bestimmten Anlässen vom Lehrwerk in unterschiedlichem Ausmaß und mit verschiedenen Intentionen abweichen. Die Analyseergebnisse geben demnach wesentlichen Aufschluss über die unterrichtliche lehrwerkungebundenere Tätigkeit sowie das Ausmaß und den Wechsel von lehrwerkgebundenen und -unabhängigeren Phasen. 4.3.3.2.4 Meta-Ebene der Materialienverwendung: Transparenz vonseiten der Lehrkräfte und Partizipation der Lernenden Quant-Qual │ Aus einer Meta-Perspektive auf den Untersuchungsgegenstand blickend wurde gemäß den Prinzipien der Transparenz und Partizipation (vgl. Biebighäuser 2021, 248) untersucht, inwiefern Lehrende das Lehrwerk als wesentliches Medium des Fremdsprachenunterrichts im Unterrichtskontext thematisieren und die Lernenden über Unterrichtsziele und eingesetzte Methoden informieren. Darüber hinaus steht im Fokus dieses Teilkapitels, ob und wenn ja, in welcher Form Lernende in Entscheidungen und die Ausrichtung der Lehrwerkarbeit durch die Lehrkraft eingebunden werden. Die Mehrheit der Lehrkräfte gibt an, dass sie ihren Lernenden zeigen, wie man mit dem Lehrwerk umgeht und ihnen die Funktion und den Aufbau einzelner Lehrwerkbestandteile sowie der Lektionen erklären (M=2,1; SD=1,0). Lediglich 35,2 % beziehen die Lernenden aktiv(er) in die Lehrwerkarbeit und -verwendung mit ein (z. B. Zurechtfinden im Material, Gefallen an Inhalten, Nützlichkeit). Dafür nutzen sie unterschiedliche Herangehensweisen bzw. Instrumente, die der nachfolgenden Tabelle entnommen werden können. Kategorien (am Material gebildet) Prozentangabe (Mehrfach‐ nennung möglich) Mündliches Gespräch zur… • Erklärung des Materials • Abfrage von Meinungen und Wünschen • Abfrage der Verständlichkeit und Nützlichkeit • Begründung von Abweichungen vom Lehrwerk (durch die Lehrkraft) 23,3-% 20,9-% 23,3-% 9,3-% Frage- und Feedbackbogen 14,0-% Suchspiel/ Rallye 7,0-% Auf Basis der Eigeninitiative der Lernenden (z.-B. Unklarheiten, Fehler in Lehrwerkbestandteilen) 2,3-% Tabelle 66: Herangehensweise und Instrumente zum Einbezug der Lernenden in die Lehrwerkbespre‐ chung in [%] 366 4 Empirische Untersuchungsergebnisse <?page no="367"?> Funktion der Quant-Qual-Verschränkung • Verdichtung und Ausdifferenzierung der Fragebogenergebnisse • Konkretisierung und Neu-Perspektivierung durch Rückbindung an spezifische Unterrichtssituationen Qual │ Mit der Auswertung der qualitativen Daten kann bestätigt werden, dass Lehrkräfte ihre Lernenden auf einer grundlegende(re)n Ebene mit in die Lehrwerkarbeit einbeziehen, wie dies bspw. Lehrkraft VII realisiert. B: #00: 48: 32-1# Ihnen einfach mal zu erklären, warum man im Spanischunterricht überhaupt mit Lehrwerken arbeitet. […] Es gibt im Internet so viele Sachen zum Spanischlernen und da den Durchblick zu behalten, das können die Schüler noch gar nicht, weil sie die Metasprache nicht beherrschen, […]. Ich zeige den Schülern gerne mal eine Homepage, […], da können sie dann Verben konjugieren und dann bekommt man hinterher ein richtig oder falsch, ja, das mache ich mit denen aber erstmal zusammen […] ich finde, das muss man anleiten, so medienversiert die Schüler auch angeblich sind, sie sind es nicht, wenn es darum geht, etwas Sinnvolles für das Fach Spanisch zu finden […]. #00: 50: 47-2# (Interviewtranskript, LVII, 73) Systematisch zu Beginn der Arbeit mit dem Lehrwerk werden den Lernenden Gründe für die Verwendung eines Lehrwerks im Fremdsprachenunterricht (Meta-Ebene) und Funk‐ tionen/ Vorteile (z.-B. Orientierung, Klausurvorbereitung) erläutert. Durch einen Vergleich des Lehrwerks mit anderen unabhängigen (digitalen) Materialien werden Lernende für Un‐ terschiede und Problematiken (z.-B. Qualität, Seriosität, Fehlerpotenzial) sensibilisiert und am Beispiel einer konkreten Homepage und der gemeinsamen Bewältigung von Übungen (z. B. zur Verbkonjugation) zu einem bewussteren Umgang mit Online-Materialien zum Spanischlernen angeleitet. Überdies zeigte sich, dass die Einbindung der Lernenden in die Lehrwerkarbeit für Lehrkräfte auch bedeutet, dass sie die Schüler*innen zur kritischen Hinterfragung von Inhalten und ihrer Darstellungsweise anregen. Exemplarisch lässt sich dies mit dem von Lehrkraft VII angeführten Beispiel zum Thema Stierkampf in Lehrwerken illustrieren: B: #01: 03: 49-2# […] über die torros, über die corridas in Spanien. […] Und dann lese ich mit denen den Text und die Informationen dazu durch. […] teilweise gucken wir auch ein kleines Video dazu […]. Und dann sage ich, was meint ihr denn dazu? Kann es denn da auch eine andere Meinung zu geben? […] Und dann versuche ich, die Schüler aber auch ein bisschen kritisch gucken zu lassen. […] ich versuche, die Schüler anzuleiten, kritisch zu sein und dann zu überlegen, warum kann es denn sein, dass eine 90-jährige Oma jeden Stierkampf im 4.3 Die Rezeption und Verwendung des Lehrwerks von Spanischlehrkräften (Quant-QUAL) 367 <?page no="368"?> 105 Berücksichtigt werden muss hier, dass der Zeitraum der videographischen Beobachtung auf drei bis vier Wochen begrenzt war. Fernsehen guckt? Was ist das? Was ist das für eine Tradition? Was steckt dahinter? Und das finden die dann ganz interessant, wenn sie mal die hinter diese andere Aussage gucken. Ja, das ist ja in den Büchern immer plakativ schlecht, ist ja auch klar, ist es ja auch, […]. #01: 05: 05-9# (Interviewtranskript, LVII, 111) Anhand von Inhalten und ihrer Präsentation in Materialien werden Lernende bei der Arbeit mit dem Lehrwerk animiert, eine kritisch-reflexive Haltung zu entwickeln, das Für und Wider abzuwägen, Darstellungsweisen/ Berichterstattungen in Materialien und Medien zu hinterfragen und in der Folge zu einem durchdachten Ergebnis bzw. einer fundierten Meinung zu gelangen, das/ die sie begründen können. Qual │ Aus den Ergebnissen der Auswertung der videographischen Unterrichtsbeobach‐ tungen geht jedoch hervor, dass in keiner der aufgezeichneten Unterrichtsstunden (55 x 45 Minuten, insg. 41,25 Stunden Unterricht) das Lehrwerk an sich als Medium des Fremd‐ sprachenunterrichts und seine Struktur, Funktionen etc. thematisiert wurden. 105 Dennoch konnten konkrete Unterrichtssituationen identifiziert werden, in denen die Lehrkräfte ihre Lernenden in die Lehrwerkarbeit auf unterschiedliche Weise und mit verschiedenen Intentionen einbeziehen. Lehrkraft I bspw. begründet gegenüber ihren Lernenden mit Blick auf die thematische Re‐ levanz und Eignung zum aktuellen Thema, warum sie mit einer anderen als der im Lehrbuch vorgesehenen Lektion weiterarbeitet und wie im weiteren Verlauf des Schuljahres die noch verbleibenden Lektionen eingebettet bzw. auch ausgelassen werden. Die Schüler*innen werden in die lehrwerkbezogenen Entscheidungen der Lehrkraft nicht weiter involviert. L: #00: 08: 32-4# […] Nicht wundern, warum ich jetzt die Unidad 4 mache, dadurch, dass 1 und 4 das Thema jóvenes behandeln, mache ich diese immer zusammen, die Unidad 2 ist ausgelassen, die haben wir weggelassen, weil sie nicht so wichtig aktuell ist, genau, also página 58 und nach dieser Unidad machen wir […]. #00: 12: 15-4# (Videotranskript, LI, 27.10.20, 48) Des Weiteren erklärt Lehrkraft VI den Lernenden mit Blick auf die (Teil-)Lernaufgabe am Ende der Lektion, also das Unterrichtsziel, den Zweck und die Funktion der von ihr getroffenen Auswahl an Aufgaben und Übungen sowie der von ihr bestimmten Reihenfolge (z.-B. zur Vorbereitung des Schreibens im Rahmen der minitarea). Lehrkraft III gibt den Schüler*innen die Möglichkeit, ihre Meinung zum eingesetzten selbst erstellten und lehrwerkunabhängig(er)en Material zu bekunden (insb. zum Interes‐ santheits- und Schwierigkeitsgrad). Darüber hinaus spricht sie in einer der beobachteten Unterrichtsstunden explizit über die in das Lehrwerk integrierten Mediencodes und erläutert deren Funktion und Zugänglichkeit für die Lernenden. Die Lehrkräfte IV und VII integrieren die Lerner*innen in die Besprechung von Fehlern bzw. Ungenauigkeiten, die sie im Lehrwerk entdecken, und leiten sie zum Weiterdenken 368 4 Empirische Untersuchungsergebnisse <?page no="369"?> bzw. zur Korrektur der Inhalte an. Dazu erarbeiten die Lernenden neue Inhalte bzw. andere Antworten und verändern somit im Klassenkontext die Inhalte des Lehrbuchs („Cambiamos un poco el libro“). L: #00: 17: 35-1# Hacemos ahora por favor el número 1 en la página 17 en el libro. […] L weist daraufhin, dass bei einer Teilaufgabe keine der genannten Möglichkeiten stimmen kann, lässt S begründen, warum die einzelnen Antworten nicht korrekt sein können. S denken sich auf der Grundlage der bereits existierenden Antworten eine neue Antwortmöglichkeit aus. Cambiamos un poco el libro. […]. #00: 26: 25-3# (Videotranskript, LVII, 09.09.20, 59) Die Lehrkräfte ermöglichen es ihren Lernenden überdies, dass sie die Aufgaben und Übungen um eigene Ideen erweitern und/ oder andere inhaltliche Schwerpunkte setzen können, um die Bedeutsamkeit und den Lebensweltbezug für die Schüler*innen zu erhöhen (z. B. inhaltliche Ausgestaltung von Schreibprodukten). Die vorangegangenen Befunde können mittels der nachfolgend im Zuge der Datenanalyse ermittelten Kategorien resü‐ miert werden: Die Lehrkräfte thematisieren lehrwerkbezogene Aspekte und Auswahlent‐ scheidungen explizit bzw. binden die Lernenden in die Lehrwerkarbeit ein, indem… • sie die Themenauswahl und die Abänderung der Lektionsreihenfolge begründen; • sie über das Unterrichtsziel informieren und den Zweck sowie die Funktion der getroffenen Materialauswahl erklären; • sie die Funktion und Bedienung verschiedener Lektionselemente (hier Mediencodes) erläutern; • sich die Lernenden zum eingesetzten (lehrwerkunabhängigen) Material hinsichtlich des Interessantheits- und Schwierigkeitsgrades äußern können; • die Lerner*innen auf Anleitung durch die Lehrkraft Fehler und Ungenauigkeiten im Material korrigieren und die Inhalte weiterdenken (Veränderung der Lehrbuchinhalte). Zwar werden das Lehrwerk und materialbezogene Auswahlentscheidungen im Unter‐ richtskontext im Regelfall offen kommuniziert, jedoch involvieren die Lehrkräfte die Ler‐ nenden nicht in diesen Auswahl- und Entscheidungsprozess. Die Lerner*innen werden also über die von der Lehrkraft entworfene Planung und das weitere unterrichtliche Vorgehen in Kenntnis gesetzt, aber nicht im engeren Sinne in die Ausrichtung der Lehrwerkarbeit durch die Lehrkraft einbezogen, indem bspw. die getroffenen lehrwerkbezogenen Entscheidungen noch verändert werden könnten. Dies wird v. a. damit begründet, dass die Lehrkräfte angabegemäß über die Kompetenz und Expertise verfügen, selbstbestimmt solche material‐ bezogenen Entscheidungen vor dem Hintergrund didaktisch-methodischer Gesichtspunkte zu treffen. Die Rückmeldung der Schüler*innen wird auf dieser basalen Ebene als wenig zielführend erachtet. Das bedeutet jedoch nicht, wie mit den Analyseergebnissen auch belegt werden konnte, dass die Lehrpersonen ihren Lernenden kein „Spielraum“ bei der Ausgestaltung vorab bestimmter Aktivitäten gewähren (z. B. inhaltliche und teils auch methodische Freiheiten). 4.3 Die Rezeption und Verwendung des Lehrwerks von Spanischlehrkräften (Quant-QUAL) 369 <?page no="370"?> 4.3.4 Synthese der empirischen Forschungsergebnisse und Schlussfolgerungen Auf Basis der Ausführungen in den vorherigen Teilkapiteln werden die empirischen Forschungsergebnisse abschließend synthetisiert und Schlussfolgerungen gezogen. In einem ersten Schritt werden die wesentlichen Erkenntnisse zusammengefasst, unter Rückbindung an den theoretisch-konzeptionellen Rahmen der Arbeit diskutiert und in den fremdsprachendidaktischen Forschungsdiskurs eingebettet. In einem zweiten Schritt er‐ folgt anschließend die Ableitung empirisch-gestützter Verwendungsweisen des Lehrwerks unter Berücksichtigung ihrer Multifaktorialität, Situationsspezifik und Dynamik. - 4.3.4.1 Zusammenfassung, Diskussion und Einbettung der empirischen Befunde in den fremdsprachendidaktischen Forschungsdiskurs Forschungsfrage III • Wie wird das Lehrwerk zur Unterrichtsvor- und -nachbereitung rezipiert sowie im Unterricht verwendet? Wie gestalten sich Materialselektionsprozesse? Welche Veränderungsmaßnahmen werden vorgenommen, warum und wie? (IIIa) Welche Motive liegen der Lehrwerkrezeption und -verwendung sowie daraus resultierenden materialbezogenen Entscheidungen zugrunde? (IIIb) In den vorangegangenen Ergebnisteilkapiteln wurden die Lehrwerkrezeption und -ver‐ wendung sowie daraus resultierende materialbezogene Entscheidungen unter einem prozeduralen Blickwinkel (u. a. Unterrichtsphasierung und -sequenzierung, rekonstru‐ ierte Lektionsarbeit, unterrichtspraktische Umsetzung, Nutzung von Handlungsoptionen), aber auch die dahinterstehenden Motive im Verbund mit subjektiven Sichtweisen der Lehrenden (v. a. fachdidaktische Kenntnisse, Einstellungen) ergründet. Neben fachdidak‐ tischen Motiven wurden situative Parameter (v. a. lerngruppenbedingte Umstände und Unterrichtsvorkommnisse) identifiziert, die Einfluss auf die Verwendung des Lehrwerks nehmen. Entgegen den Studienergebnissen von Bohnensteffen (2011, 128) sind die teilneh‐ menden Lehrkräfte der vorliegenden Studie in der Lage, die didaktisch-methodischen Prinzipien im Lehrwerk zu identifizieren. Sie können diese an konkreten Beispielen in der Lektion erläutern und reflektieren die Sinnhaftigkeit und Umsetzbarkeit mancher Prinzipien und Tendenzen im lehrwerkbasierten Spanischunterricht (z. B. Differenzierung, Digitalisierung, Projektunterricht). Darüber hinaus nehmen sie eine Differenzierung der einzelnen didaktisch-methodischen Prinzipien vor dem Hintergrund ihrer Bedeutsamkeit vor: Während die meisten Lehrkräfte handlungs- und damit kompetenz-, aufgaben- und lernendenorientiertes Unterrichten für wesentlich erachten, gehen sie mit anderen Prinzi‐ pien unterschiedlich um. Dies hängt von dem Wissen ab, über welches sie zu den einzelnen Prinzipien verfügen, von der Bedeutung, die sie diesen jeweils beimessen sowie von der Auffassung, die sie von der Gestaltung und Intention von Fremdsprachenunterricht haben (z. B. literaturdidaktische und dramapädagogische Ansätze, Projektunterricht, Einbettung digitaler Elemente, Autonomieförderung). Die Ergebnisse belegen jedoch auch den funda‐ mentalen Einfluss, den das Angebot und das Konzept des Lehrwerks (als agent of change, 370 4 Empirische Untersuchungsergebnisse <?page no="371"?> vgl. dazu Hutchinson/ Torres 1994) auf die Unterrichtsgestaltung sowie die Integration didaktisch-methodischer Prinzipien haben. Dies bedeutet, dass die Anlage des Lehrwerks (z. B. aufgaben- und handlungsorientiert, mehrsprachigkeitsdidaktische Ansätze) darüber entscheidet, ob und in welchem Ausmaß bestimmte didaktisch-methodische Prinzipien in den Spanischunterricht eingebunden werden. Damit einher geht, dass je nach Lehrwerk unterschiedliche Verwendungsweisen bei ein und derselben Lehrkraft beobachtet wurden. Auch wenn die Lehrkräfte gewisse Unterrichtsprinzipien für wichtig erachten und diese unter Nutzung von Handlungsop‐ tionen verstärkt(er) einzubinden versuchen, neigen sie dazu, in (älteren) Lehrwerken, insb. aus pragmatischen Gründen, weniger Änderungen vorzunehmen und das Material in der Weise zu verwenden, wie es ihnen vorliegt. Daraus resultiert, dass gewisse didaktischmethodische Prinzipien nur bedingt Eingang in den Unterricht finden oder die Lehrkräfte ausgewählte Unterrichtsprinzipien in seltenen Fällen selbst auf die Lehrwerke anwenden (z. B. selbst Aufgaben als Lernaufgaben auswählen, Umstrukturierung der Lektion). Dies lässt sich mittels der nachfolgenden Beispiele illustrieren: Der Grad bzw. das Ausmaß der Aufgabenorientierung bzw. der isolierten Grammatik- und Wortschatzvermittlung erhöht bzw. reduziert sich, je nachdem, ob und auf welche Weise das Lehrwerk auch tatsächlich auf‐ gabenorientiert aufgebaut ist und bspw. mini tareas und tareas finales ausweist. Ähnliches bestätigt sich anhand der Integration digitaler Elemente. Lehrkräften, denen deren Einbet‐ tung in ihren Unterricht wichtig ist, forcieren bzw. vernachlässigen dies in Abhängigkeit von den Angeboten, die das Lehrwerk - falls überhaupt - zur digitalgestützten Ausrichtung bzw. Umsetzung macht. Dies lässt sich auch dann beobachten, wenn die Möglichkeiten digitaler Formate weit über die Verlagsangebote von Lehrwerken hinausgehen (z. B. Sprachlernapps, WebQuests etc.). Diese Erkenntnisse gehen aus der vorliegenden Analyse hervor, welche auf Daten von Lehrkräften basiert, die im Beobachtungszeitraum mit zwei verschiedenen Lehrwerken aus unterschiedlichen Publikationsjahren (aus 2008 und 2016) und von verschiedenen Verlagen gearbeitet haben. Die Ergebnisse belegen, dass Lehrkräfte grundsätzlich die Bereitschaft zeigen, dem Lehrwerk inhärente Formate auszuprobieren (vgl. Kap. 4.2.2.3), aber andere bzw. weitere Ansätze und Unterrichtsformen weniger aus eigener Kraft zusätzlich einbinden (vgl. dazu z. B. die Ergebnisse zur Mehrsprachigkeitsdidaktik und zu den verschiedenen Stufen zum SAMR-Modell). Hinzu kommt, dass oftmals die im Lehrwerk angelegten Formate bzw. Potenziale (z. B. zum projektorientierten Unterrichten) keine Verwendung finden, auch nicht in an den Lehr-Lern-Kontext angepasster Form, da Lehrkräfte kaum bis keine „Frei- und Spielräume“ für die Einbindung von offeneren Unterrichtsformen in einem überwiegend lehrwerkbasierten Setting und unter den vorliegenden institutionellen Rahmenbedingungen sehen. Mit der Implementierung von innovativen und konkreten Angeboten in Lehrwerken (z. B. zur Digitalisierung und Projektarbeit) kann dennoch die Wahrscheinlichkeit erhöht werden, dass Lehrkräften nicht nur die Sinnhaftigkeit, sondern auch Möglichkeiten der Umsetzung deutlich(er) gemacht werden, mit denen sie sich von sich aus (in der Intensität) nicht beschäftigen würden sowie zugleich die Einbindung solcher Ansätze in einem lehrwerkdominierten Rahmen erleichtert wird. Dieses Ergebnis lässt wichtige Hinweise auf Implikationen für die Lehrwerkentwicklung und Lehrer*innenbildung zu (vgl. Kap. 5.2). 4.3 Die Rezeption und Verwendung des Lehrwerks von Spanischlehrkräften (Quant-QUAL) 371 <?page no="372"?> Mit den generierten Erkenntnissen in Kap. 4.3.1.1 können einige im wissenschaftlichen Diskurs noch vorzufindende, eher tentative, Annahmen relativiert bzw. neu perspektiviert werden: • Differenzierungsangebote in Lehrwerken würden von den Lehrenden als hilfreich wahrgenommen und auch gerne verwendet werden. • Die Digitalisierung des Lehrwerkangebots werde von den Lehrenden eher positiv betrachtet. • Mehrsprachigkeitsdidaktische Ansätze würden von den Lehrenden im Spanischunter‐ richt als handlungsleitend wahrgenommen. • Lehrkräfte, die mit dem (didaktisch-methodischen) Lehrwerkangebot bedingt zu‐ frieden sind, könnten geneigt sein, ihren Unterricht umzugestalten. (Schul-)unterrichtliche Settings werden von einer Vielzahl weiterer und unterschiedlichster Faktoren beeinflusst (vgl. Kap. 2.4). Diese Tatsache fordert von den Lehrkräften, wäh‐ rend des Unterrichtsgeschehens, auf (nicht vorhersehbare) Vorkommnisse und Verhal‐ tensweisen der Lernenden zu reagieren und flexibel Materialanpassungsmaßnahmen vorzunehmen. Dies führt zur Zusammenfassung und Diskussion der Ergebnisse zu situa‐ tiven Parametern als zweite Komponente der Motive, die der Lehrwerkrezeption und -verwendung zugrunde liegen. Mit der Ergründung spezifischer unterrichtsbzw. lerngruppenbedingter Umstände, die sich auf die Lehrwerkverwendung auswirken, können die bisher ermittelten Annahmen und Ergebnisse zur Situation und zum Zeitpunkt der Veränderung von Lehrwerken (vgl. dazu u. a. Humphries 2014; McGrath 2013) empirisch unter Rückbindung an konkret beobachtete Unterrichtseinheiten herausgearbeitet werden. Die zwei im Forschungsdiskurs angenommenen Situationen bzw. Zeitpunkte der Modifikation von Lehrwerken sind zu bestätigen. Zum einen implementieren Lehrkräfte geplante Veränderungen vorab in ihren Unterricht. Aus den qualitativen Analyseergebnissen geht dabei jedoch hervor, dass eine Adaption des Materials hinsichtlich der Spezifik der jeweiligen Lerngruppen im Voraus eher in Ausnahmefällen vorgenommen wird. Dies ist dann der Fall, wenn die Menge und Komplexität das Leistungsniveau der Mehrheit der Lernenden wesentlich überschreiten. Folglich führen die Lehrkräfte Materialanpassungsmaßnahmen im Voraus durch (z. B. zu Zwecken der Vorentlastung, Differenzierung, Vereinfachung und Wiederholung bei komplexen grammatischen Themen (Pronomenkombinationen) und umfangreichen Lek‐ tionstexten). Abgesehen davon verändern sie die Inhalte, Aufgaben und Übungen in Vorbereitung auf den Unterricht nicht in größerem Ausmaß. Zu Beginn erhalten alle Lernenden dieselbe Version der Texte, Aufgaben und Übungen des Lehrwerkmaterials. Zum anderen wird das Material spontan aufgrund von Unterrichtsvorkommnissen oder Reaktionen der Lernenden modifiziert. Folgende Faktoren konnten als Gründe für spontan getroffene materialbezogene Entscheidungen der Lehrkräfte ermittelt werden, mit denen Veränderungen in der geplanten Verfahrensweise oder auch ein Abbruch einhergingen: Verständnisprobleme, Konzentrationsfähigkeit (z. B. Tagesform) und besonderes Interesse an einem Thema vonseiten der Lernenden. Die Analyseergebnisse zeigen eine Vielfalt an Situationen und Verfahrensweisen bzgl. spontan vorgenommener Materialanpassungs‐ maßnahmen. Mehrheitlich betten die Lehrkräfte weitere Erklär-, Übungs- und Wiederho‐ 372 4 Empirische Untersuchungsergebnisse <?page no="373"?> lungsschleifen zu Inhalten und sprachlichen Mitteln ein, die sie teils auch ohne Rückgriff auf das Lehrwerk durchführen. An die Stelle des Lehrwerks tritt in diesem Kontext die Hinzunahme anderer Vermittlungsmethoden sowie eigener Erklärungen und Beispiele (z. B. Grammatik-Geschichten). Darüber hinaus werden Aufgaben und Übungen zum Teil auch mehrfach bearbeitet, ursprüngliche Unterrichtsplanungen sowie Intentionen der Aufgaben und Übungen werden abgewandelt bzw. ausgelassen und/ oder die Bearbeitung wird abgebrochen (z. B. aufgrund der Reaktion der Lernenden). Dies knüpft an die von Legutke (2018, 100) im Forschungsdiskurs zur Ebene der Rezeption und Verwendung von Materialien hervorgehobene Fähigkeit der Lehrenden an, Lernende „lesen“ (ebd.) zu können, Lernvoraussetzungen zu verstehen und neue Lernwege zu ermitteln sowie Hilfsangebote zu schaffen (vgl. ebd.). Im Zuge der Datenanalyse konnten die folgenden Motive im Verbund mit fachdidakti‐ schen und lehrwerkbezogenen Kenntnissen der Lehrkräfte und affektiven Komponenten sowie situative Parameter ermittelt werden, die der Lehrwerkrezeption und -verwendung sowie daraus resultierenden materialbezogenen Entscheidungen zugrunde liegen: • Kognition: fachdidaktische Kenntnisse (z. B. zu didaktisch-methodischen Prinzipien und Tendenzen), lehrwerk(verwendungs-)bezogenes Erfahrungswissen und selbstbe‐ zogene Kognitionen; • Affektive Faktoren: Einschätzung der didaktisch-methodischen, inhaltlichen und sprachniveaubezogenen Angemessenheit und Sinnhaftigkeit der Lehrwerkinhalte, persönliches Interesse der Lehrkraft, Bereitschaft zur Ausübung eines kritischen und kreativen Umgangs mit dem Lehrwerk sowie zur (optimierten) Umsetzung di‐ daktisch-methodischer Prinzipien und Auseinandersetzung mit fremdsprachendidak‐ tischen Tendenzen; - Erhöhung des Lebensweltbezugs und der Relevanz der Inhalte, Aufgaben und Übungen für Lernende; - Attraktivitäts- und Authentizitätssteigerung; - Erhöhung der Transparenz und Nachvollziehbarkeit für Lernende; - Steigerung des Maßes an Individualität; - Komplexitätsreduktion und Anpassung (nach unten) an das Leistungsniveau der Lernenden; - Steigerung bzw. Optimierung des Lernertrags bzw. Grads der sprachlichen Um‐ wälzung (Aufwand-Nutzen-Relation); - Erhöhung der Anwendungsmöglichkeit von Sprache; • Situativ: Unterrichtsvorkommnisse und Reaktionen der Lernenden. Die Analyseergebnisse zeigen im Einklang mit den Studienergebnissen von Sikorová (2011, 10) und der Feststellung von Kurtz (2020, 198), dass die Lehrkräfte auf als tradi‐ tionell verstandene Lehrwerkbestandteile zurückgreifen: Sie setzen insb. das Lehrbuch (Lernendenfassung), die Audio-CD, die Vorschläge zur Leistungsmessung, die Kopier- und Arbeitsfolien, das Arbeitsheft und die Handreichungen für Lehrkräfte immer bis oft im Rahmen einer Lektion zu unterrichtsvor- und -nachbereitenden Zwecken sowie im Unterricht selbst ein. 4.3 Die Rezeption und Verwendung des Lehrwerks von Spanischlehrkräften (Quant-QUAL) 373 <?page no="374"?> 106 Dieser Befund muss u. a. in Abhängigkeit zu kostenbezogenen und ökonomischen Faktoren interpretiert werden: Was stellt die Schule an Lehrwerkbestandteilen zur Verfügung? Was müssten Lehrkräfte selbst bezahlen? (vgl. Kap. 4.4) Im Kontrast zu den Ergebnissen der von Thaler (2010, zit. nach ebd. 2011, 22) durchge‐ führten Befragung von 150 Gymnasiallehrkräften im Fach Englisch kann die marginale Nutzung der Handreichungen für Lehrkräfte nicht bestätigt werden (vgl. Thaler 2011, 22). Auch wenn 24,7 % der in der vorliegenden Studie befragten Lehrenden die Handreichungen selten bis nie zur Unterrichtsvorbereitung nutzen, gibt die Mehrheit unter ihnen - wie auch die Teilnehmenden der Studie von Zimmermann (1990, 52) - an, diese regelmäßig hinzuziehen. Übereinstimmend mit der Feststellung von Richards (2014, 20) werden digitale Lehrwerk‐ bestandteile, insb. das digitale Lehrbuch, tendenziell häufiger verwendet. Hierzu bedarf es jedoch einer Differenzierung: Zwar zieht knapp die Hälfte der Befragten zur Unterrichts‐ vorbereitung die digitale Version des Lehrbuchs hinzu, verzichtet jedoch zugleich bspw. auf den digitalen Unterrichtsmanager. Im Unterricht selbst werden darüber hinaus sämtliche digitale Lehrwerkbestandteile, u. a. aufgrund struktureller Faktoren (vgl. Kap. 4.4), selten bis nie eingesetzt. Empirisch bestätigt werden kann die Annahme von Kurtz (2020, 198), dass die Vielzahl unterschiedlicher Materialien der Lehrwerkverlage nicht voll ausgeschöpft werde: Fast 60 % der Lehrwerkbestandteile werden zur Unterrichtsvorbereitung gelegentlich bis selten von den Lehrenden verwendet (vgl. dazu auch Thaler 2011, 22). Im Unterricht selbst sind es über zwei Drittel. Anders formuliert bedeutet dies, dass im Unterricht lediglich 21,7-34,8-% der Lehrwerkbestandteile überhaupt regelmäßig eingesetzt werden. 106 Mittels der Integration der quantitativen und qualitativen Studienteile und ihrer Ergeb‐ nisse konnten Charakteristika von Materialrezeptionsprozessen im Zuge der Unterrichts‐ vorbereitung offengelegt werden. Hierbei handelt es sich insb. um den Zeitpunkt/ -raum der Vorabauseinandersetzung mit dem Lehrwerk, die Häufigkeit der Nutzung von Lehr‐ werkbestandteilen und die Vorgehensweise bei der Lehrwerkrezeption sowie um Entschei‐ dungsprozesse und Gründe für/ gegen Lehrwerkbestandteile wie auch um die Art und Weise der Beschäftigung mit dem Material (v. a. Instrumente, Berufserfahrung). Bzgl. des Analysezeitpunkts prüfen 70 % das Lehrwerk vor der Einführung eines neuen Lehrwerks an der Schule und 60 % im Rahmen der Arbeit mit einer Lektion. Die Analyseergebnisse lassen sich hier an die von Alkhaldi (2010, 286) so bezeichnete pre-use-evaluation anknüpfen, der die Intention zugrunde liegt, sich einen allgemeinen Überblick über das Material zu verschaffen. Aus der Retrospektive bzw. im Nachgang an die stattgefundene Lehrwerkarbeit (z. B. nach einer bearbeiteten Lektion) analysieren weniger als 20 % der Befragten das Material und die eigene Verwendungsweise. Aus den Analyseergebnissen des Interviewdatenmaterials kann der Schluss gezogen werden, dass eine Reflexion über die stattgefun‐ dene Lehrwerkarbeit möglichst zeiteffizient und praktisch in den Alltag integrierbar sein soll, z. B. auf der Heimfahrt oder während der Vorbereitung auf die nächste Unterrichts‐ stunde. Eine systematische Nachbereitung der Lehrwerkverwendung findet jedoch nicht statt. Untermauert werden kann die (schul-)alltagsorientierte Analyse von Lehrwerken mit dem Befund, dass kaum Instrumente oder Materialien zur tiefergehenden und systemati‐ scheren Analyse, wie z. B. Kriterienraster o. Ä., genutzt werden. Die Analyse der Materialien 374 4 Empirische Untersuchungsergebnisse <?page no="375"?> erscheint wie ein beiläufiges Verfahren im Schulalltag, das an die situativen Umstände angepasst wird. Es läuft auf einer gedanklichen Ebene ab, indem Lehrkräfte potenzielle unterrichtliche Szenarien mental durchspielen und auf vergangene materialbezogene Erlebnisse zurückgreifen. Hinsichtlich der Anzahl verwendeter Lehrwerkbestanteile und deren Verwendungshäufigkeit zur Unterrichtsvorbereitung konnten weitere Differenzierungen vorgenommen und erhebliche Unterschiede identifiziert werden. Während Lehrkraft I mehr als die Hälfte der Lehrwerkbestandteile sichtet und auf ihre Eignung prüft, selektieren die Lehrkräfte III-VI stärker vor und ziehen knapp ein Drittel der Lehrwerkbestandteile hinzu. Bei Lehrkraft VII hingegen finden lediglich 26,3 % des Lehrwerks Eingang in die Unterrichtsvor‐ bereitung. Die vorangegangenen Ergebnisse lassen folgende Schlussfolgerungen über die Art der Auswahl und Verwendung von Lehrwerkbestandteilen zu: Es handelt sich hierbei um eine Entweder-Oder-Verwendung (regelmäßig oder gar nicht) (Lehrkräfte VI, VII) sowie um die gelegentliche/ seltene (Teil-)Verwendung ausgewählter Lehrwerkbestandteile (Lehrkräfte I, II). Die Entscheidung für die Arbeit mit gewissen Lehrwerkbestandteilen hängt maßgeblich von pragmatischen und situativen Gesichtspunkten ab. Erfahrungswerte und Zeiteffizienz konnten hier als wesentliche Einflussfaktoren identifiziert werden. Oftmals werden ge‐ wisse Lehrwerkbestandteile nicht genutzt, da die darin enthaltenen Ansätze und Ideen (z. B. in den Handreichungen für Lehrkräfte) vor dem Hintergrund struktureller Faktoren angabegemäß nicht umsetzbar erscheinen (z. B. Projektunterricht). Diese Annahme des Forschungsdiskurses lässt sich somit anhand der vorliegenden Ergebnisse empirisch belegen (vgl. dazu Erdmenger 1997; Wipperfürth/ Will 2019). Mittels der Einbindung der schriftlichen Unterrichtsvorbereitungen der Lehrkräfte konnten verschiedene Arten der Aufbereitung durch die Lehrkräfte bestimmt werden. Diese weisen analoge bzw. digitale Zugänge auf und sind in Form von Wochenplänen mit inhaltlichen und didaktisch-methodischen Aspekten sowie einer Auflistung von zu verwendenden Lehrwerkbestandteilen und Aufgaben sowie Übungen konzipiert. Die Ana‐ lyseergebnisse führten darüber hinaus auf Basis der Materialnutzungsdokumentationen zu der Schlussfolgerung, dass i. d. R. keine Vorab-Veränderung bzw. Anpassung des Materials (an die Lernenden) während der Unterrichtsvorbereitung stattfindet. Mit stärkerem Fokus auf die Lehrwerkverwendung im Unterricht selbst, liegt der höchste Prozentsatz der durch das Lehrwerk bestimmten Unterrichtszeit ähnlich zu den Untersu‐ chungsergebnissen von Quetz (1976) im Englischunterricht für Erwachsene bei 75,8 %. Wie sich der Prozentsatz von 82 % in der Studie von Quetz (ebd.) genau zusammensetzt bzw. an welchen Kriterien dieser bemessen wurde, konnte nicht rekonstruiert werden. Vor dem Hintergrund der vorliegenden Studienergebnisse fällt wiederum der von Sigur‐ geirsson (1992, 11) ermittelte Prozentsatz von fast 100 % der durch das Lehrbuch bestimmten Unterrichtszeit im Englischunterricht verhältnismäßig hoch aus. Auch in diesem Fall stellt sich die Frage nach dem Grad der Differenzierung, was unter Lehrwerkbasierung bzw. Lehrwerkbestimmtheit verstanden wird. In der vorliegenden Studie werden keine indirekten Bezugnahmen auf das Lehrwerk, bspw. durch andere didaktisch-methodischen Ansätze oder inhaltliche Schwerpunktsetzungen, unter durch das Lehrwerk bestimmte Unterrichtszeit geführt. 4.3 Die Rezeption und Verwendung des Lehrwerks von Spanischlehrkräften (Quant-QUAL) 375 <?page no="376"?> Die im Voraus berichtete prozentuale Verteilung konnte mit den Ergebnissen der qualitativen Datenauswertung gestützt und v. a. ausdifferenziert werden - denn die Daten belegen, dass mit einer ausgeprägten Lehrwerkbasierung im Fremdsprachenunterricht nicht die fehlende Einbindung von lehrwerkunabhängigen Materialien einhergehen muss. Die Unterrichtszeit bei Lehrkraft III ist mit dem höchsten Prozentsatz direkt durch das Lehrbuch bestimmt. Im gleichen Zuge ist aber auch in ihrem Unterricht der Zeitanteil am höchsten, in dem mit lehrwerkunabhängigen Materialien im Sinne der Konzeption eigener Aufgabenstellungen und didaktisch-methodischen Aufbereitungen gearbeitet wird (vgl. hierzu die Ausführungen zum Grad der Lehrwerkunabhängigkeit). Aus der Integration quantitativer und qualitativer Analyseergebnisse wurde abgeleitet, dass prozentuale Werte allein zur Bestimmung der lehrwerkbasierten Unterrichtsanteile eine gering differenzierte Perspektive auf den Untersuchungsgegenstand werfen, da diese losgelöst vom Faktorengefüge ist, in dem sich das Lehrwerk und seine Verwendung wiederfindet. Ein derartiger prozentualer Wert sagt wenig über die Gestaltung der lehr‐ werkbasierten und -unabhängigen Phasen, ihre Dauer, Funktion etc. aus. Lehrwerkbasie‐ rung kann in sehr unterschiedlichem Ausmaß vorliegen und sollte stets in Relation zu lehrwerkunabhängigeren Phasen/ Zeitanteilen gesetzt werden, um Aufschluss darüber zu erlangen, in welchem Verhältnis Lehrwerkorientierung und -unabhängigkeit tatsächlich zueinander stehen und v. a., wie dies am Beispiel konkreter Unterrichtseinheiten umgesetzt wird. In der vorliegenden Studie wird lehrwerkunabhängiges (authentisches und/ oder didaktisiertes) Material i. d. R. in 20-25 % der beobachteten Unterrichtseinheiten (pro Lehrkraft) eingesetzt. Die weniger lehrwerkgebundenen Phasen sind dabei sehr divers angelegt, weisen unterschiedliche Grade der Lehrwerkunabhängigkeit auf und dienen z. B. der Klausurvorbereitung oder der Lektürearbeit mit einem selbst erstellten Lesetagebuch. Wenn Lehrkräfte Veränderungen am Lehrwerk vornehmen, wählen sie gemäß den Fragebogenergebnissen am häufigsten die Handlungsoptionen des Ergänzens, Kürzens und Auslassens (vgl. damit im Einklang die Studienergebnisse von Marcos Miguel 2015, 309, 315). Ergänzt wird das Lehrwerk i. d. R. durch eigene Materialien sowie analoges bzw. digitales authentisches Material. Übereinstimmend mit den ermittelten Prozentsätzen der nicht verwendeten Lehrwerk‐ bestandteile konnte anhand der Berechnung der in den Unterricht eingebundenen Lekti‐ onsteile ermittelt werden, dass im Regelfall nur ein Teil von Lektionen bearbeitet wird. Von der beobachteten Lehrbuchlektion werden im Fall von ¡Arriba! (2016) 28,1-47,4 % verwendet. Die Inhalte des Arbeitshefts bearbeiten die Lernenden meist komplett und in der vorliegenden Form. Teils wird das Grammatikheft hinzugezogen und Lektionstexte aufgrund der Menge der Lektion gekürzt. Bei ¡Apúntate! (2013), das einen geringeren Umfang als das zuvor genannte Lehrwerk aufweist, werden 31-64,3 % der Lehrbuchlektion eingebunden. Die Spannweite der prozentualen Werte ergibt sich aus dem Umstand, dass eine Lehrperson lediglich einen von drei Lektionstexten und dazugehörige Aufgaben und Übungen bearbeiten hat lassen. Bei der neuen Auflage des Lehrwerks ¡Apúntate! (2016) werden 48,9-% der Lehrbuchlektion verwendet. Die drei konkreten Beispiele zur Lektionsarbeit führen zu der Schlussfolgerung, dass die Unterschiede hinsichtlich des bearbeiteten Lektionsumfangs und die Nutzungshäufigkeit von Handlungsoptionen zur Veränderung des Materials auf verschiedene Gründe zurück‐ 376 4 Empirische Untersuchungsergebnisse <?page no="377"?> 107 Zu berücksichtigen ist hier, dass die referierten Studien vor über 30 Jahren durchgeführt wurden. Daraus resultieren u. a. unterschiedliche Rahmenbedingungen und eine andere Lehrwerkkonzeption, die nur teilweise mit den heutigen Gegebenheiten zu vergleichen sind. Dennoch konnte im Laufe der Zeit und mit der Weiterentwicklung von Lehrwerken festgestellt werden, dass eine flexiblere Handhabung des Lehrwerks auszumachen ist. zuführen sind. Einerseits liegt dies in der Anlage und dem Angebot sowie im Umfang des spezifischen Lehrwerks (u. a. zu große Aufmachung der tarea final). Andererseits ist dies aber auch bspw. mit der Erfahrung der Lehrkraft und der Erprobung des Materials zu begründen (z. B. Rückgriff auf erprobte Verfahrensweisen, Zusammenstellungen von Auf‐ gaben und Übungen, Veränderung der Lehrwerkverwendungsweise aufgrund gemachter Erfahrungen). Durch die Integration der Auswertung der unterschiedlichen Datenstränge konnte aufgedeckt werden, dass im Fragebogen tendenziell mehr Lehrwerkbestandteile angegeben wurden, die immer bis oft im Rahmen einer Lektion zur Unterrichtsvorbereitung und im Unterricht verwendet werden. Dies divergiert mit den Ergebnissen der videographischen Beobachtung, da sich der Pool an häufig verwendeten Lehrwerkbestandteilen im Kern auf wenige Lehrwerkbestandteile begrenzt. Im Einklang mit den Ergebnissen der Studien zur Lehrbuchverwendung im Englisch- oder Spanischunterricht von Guerrettaz und Johnston (2013), Marcos Miguel (2015), Niskanen (1987), Quetz (1976) und Sikorová (2011) führt die vorliegende Arbeit zu der Feststellung, dass sich Lehrkräfte generell an den Vorgaben, der Strukturierung und der Reihenfolge des Lehrwerks orientieren und diese im Regelfall auf die vorgeschlagene Weise umsetzen. Der Rahmen des Unterrichtsdiskurses sowie der Interaktion mit den Lernenden wird dadurch maßgeblich vom Lehrwerk bestimmt. Das Lehrwerk dient darüber hinaus aber auch als Ausgangspunkt für die weiterführende kritische Auseinandersetzung damit, regt zur Nutzung von Handlungsoptionen an sowie zur Einbindung anderer bzw. zur Erstellung eigener Materialien. Diese Beobachtung lässt sich mittels des nachfolgenden Auszugs eines Interviewtrans‐ kripts bekräftigen, die sich im Kontrast zu den Untersuchungsergebnissen von Niskanen (1987) und Quetz (1976) versteht, die feststellen, dass kaum eine flexible Handhabung des Lehrbuchs auszumachen sei 107 : B: #01: 05: 50-4# […] Von daher ja, nehme ich mir halt selber meine Ideen auch noch vor oder ich nutze halt auch, sozusagen den Input, den mir ja, eine Aufgabe oder ein Bild des Lehrwerks bietet und mache meine eigene Idee daraus. Ich entwickle das Angebot weiter sozusagen oder münze mir das in eine gewisse Richtung und so. #01: 06: 33-0# (Interviewtranskript, LV, 140) Anhand der nachfolgenden Ausführungen kann die empirische Erkenntnis von Sikorová (2011, 15 f.) gestützt werden, dass zu großen Anteilen lehrbuchbasierte Aktivitäten ver‐ wendet werden, die auf der Wahrnehmung von Texten basieren (z. B. lautes/ leises Lesen, Beschreibungen von Bildern und Hören von Texten). Des Weiteren belegen die erzielten Untersuchungsergebnisse, dass - wie auch in der Studie von Marcos Miguel (2015, 313 f.) 4.3 Die Rezeption und Verwendung des Lehrwerks von Spanischlehrkräften (Quant-QUAL) 377 <?page no="378"?> festgestellt - alle Lehrkräfte die grammatik- und wortschatzbasierten Aktivitäten in den Unterricht einbinden. Im Gegensatz zu den Ergebnissen der Studie von Marcos Miguel (ebd.) werden von den Teilnehmenden der vorliegenden Untersuchung hingegen zusätzlich kulturelle und literarische Inhalte, videobasierte Aktivitäten und einige Aufgaben zum Hören, Sprechen und Schreiben eingesetzt. Die Beteiligten der vorliegenden Studie wie auch die Teilnehmenden der Untersuchung von Abdel Latif (2012) binden mit den höchsten Prozentsätzen Aktivitäten zum Lesen und zu sprachlichen Mitteln ein. Dennoch kann anhand eines differenzierteren Blicks auf die prozentuale Verteilung der Unterrichtszeit, die für die einzelnen Kompetenzen und sprachlichen Mittel aufgewendet wird, geschlussfolgert werden, dass die Teilnehmenden der vorliegenden Studie, entgegen der Feststellung von Abdel Latif (ebd., 85 f.), ihren Spanischunterricht kommunikativ ausrichten und nicht ausschließlich bzw. vorrangig mit grammatik- und wortschatzzentrierten Methoden umsetzen. Während die Untersuchungs‐ ergebnisse von Abdel Latif (ebd., 85) zeigen, dass über zwei Drittel (70,1 %) der Unterrichts‐ zeit für Grammatik und Wortschatz aufgewendet werden, verringert sich der Prozentsatz in der vorliegenden Studie um fast 15 %, auf 55,2 %. Deutliche Unterschiede konnten ebenfalls im prozentualen Anteil der Unterrichtszeit, der für kommunikative Aktivitäten (hier: Schreiben, Sprechen, Hören) aufgewendet wird, identifiziert werden. Abdel Latif (ebd.) stellt fest, dass lediglich 12,2 % der Unterrichtszeit bei den teilnehmenden Lehrkräften für die o. g. drei Bereiche genutzt werden. In der vorliegenden Studie verdoppelt sich dieser Prozentsatz auf 27 %. Aus der Auswertung der vorliegenden Daten geht hervor, dass sowohl die Feststellungen von Abdel Latif (2012, 86), Fäcke (2016, 45) und Sikorová (2011, 15 f.) über den seltenen Einsatz des Lehrwerks als Basis für kommunikative Tätigkeiten sowie über dessen Zentrierung auf Grammatik- und Vokabellernen, empirisch in dem Ausmaß nicht bestätigt werden können. - Abdel Latif (2012) Vorliegende Untersuchung Sprachliche Mittel 70,1-% 55,2-% (43,2-65-%) Lesen 12,2-% 14,1-% (5,3-24,5-%) Sprechen 3,4-% 12,3-% (2,7-24,2-%) Schreiben 1,5-% 10,4-% (5,9-15,5-%) Hören 7,3-% 4,3-% (2,6-11,8-%) Tabelle 67: Vergleich der prozentualen Verteilung der Unterrichtszeit für Kompetenzen und sprach‐ liche Mittel zwischen Abdel Latif (2012) und der vorliegenden Untersuchung Im Bereich der Förderung des Sprechens zeigen die Studienergebnisse der vorliegenden Untersuchung den Einsatz unterschiedlichster Formate, die von der Bezugnahme auf münd‐ liche Stimuli der Lehrkraft oder schriftliche Impulse durch das Lehrwerk bis hin zu Akti‐ vitäten zum komplexeren dialogischen und mündlichen Sprechen (z. B. charlas) reichen, die über eine Frage-Antwort-Runde im Plenum oder das Vor- und Mitlesen von Texten hinaus‐ gehen. Im Einklang mit den Ergebnissen der Untersuchung von Franke (2022, 239) lässt 378 4 Empirische Untersuchungsergebnisse <?page no="379"?> sich jedoch festhalten, dass Aktivitäten zum längeren und zusammenhängenden Sprechen seltener als die anderen genannten Formate eingesetzt werden und auch die Vermittlung von Kommunikations- und Kompensationsstrategien in der Mehrheit der beobachteten Unterrichtseinheiten eine nachgeordnete Rolle spielt. Nicht bestätigt werden kann mit den vorliegenden Analyseergebnissen, dass den Lernenden wenig Unterstützungssysteme für Sprechhandlungen (z. B. mit schriftlicher Grundlage) oder auch Möglichkeiten zum schrittweisen Aufbau und Ausprobieren von Kommunikationsmustern angeboten werden (vgl. ebd.). Die für die Förderung des Sprechens aufgewendete Unterrichtszeit (vgl. Tab. 67) legt gleichsam nahe, eine differenziertere Perspektive auf die Ergebnisse der Studie von Franke (2022) einzunehmen: Mit einer Spanne von 2,7-24,2 % wird offensichtlich, wie unterschiedlich der Stellenwert ist, der der Ausbildung der Sprechkompetenz beigemessen wird. Während Lernende im Spanischunterricht ausgewählter Lehrkräfte kaum bis keine Gelegenheit zum längeren und zusammenhängenden Sprechen erhalten, ist in anderen Fällen fast ein Viertel der Unterrichtszeit für sämtliche sprechförderliche Formate bestimmt (z.-B. charlas, Omnium-Kontakt). Entgegen den Annahmen des Forschungsdiskurses und den Ergebnissen der Studie von Franke (2022, 238) wird in den beobachteten Unterrichtseinheiten im ersten Lernjahr Spanisch kein merklicher Fokus auf eine systematische Ausspracheschulung gelegt. Für die teilnehmenden Lehrkräfte scheint dies insb. im Fach Spanisch (und im Vergleich zum Französischen) vor dem Hintergrund der existierenden Graphem-Phonem-Korrespondenz und nicht erheblich bedeutungsverfälschender Aspekte nur bedingt von Relevanz zu sein. In den Fällen, in denen mit sehr geringen Prozentsätzen, Unterrichtszeit für eine Ausspracheschulung aufgewendet wurde, handelt es sich dabei, wie auch Franke (2022, 238 f.) feststellt, um Aktivitäten, die sich auf das Imitieren und laute Vorlesen begrenzen. Andere Übungstypen wie bspw. das Hördiskriminieren und -identifizieren, das angewandte Hören und produktive Sprechübungen kommen in den beobachteten Unterrichtseinheiten nicht zum Einsatz (vgl. ebd.; Lange 2022, 41 ff.). Trotz der Feststellung, dass nach wie vor knapp über die Hälfte der Unterrichtszeit zur Arbeit mit/ an sprachlichen Mitteln aufgewendet wird, finden sich darunter, im Einklang mit den Ergebnissen zur Aussprache und der Studie von Engelen (2023, 279 ff.), kaum Übungen, die auf Orthographie ausgerichtet sind. Der Stellenwert des Übens von Rechtschreibung ist hier auffallend gering. Potenzielle orthographische Problembereiche wie bspw. die Akzentsetzung (im Singular/ Plural), die Interpunktion sowie Hiate und Diphthonge werden von den Lehrkräften während der videographischen Beobachtung nicht adressiert. Ebenfalls augenfällig wird, dass die Förderung der Sprachmittlung im Durchführungs‐ zeitraum der Studie keine Rolle spielt (vgl. dazu auch Krombach 2022, 19). Des Weiteren können die Bereiche, in denen Lehrkräfte Materialanpassungen vor‐ nehmen (Sprache, Inhalt, Prozess, Anforderungs- und Leistungsniveau) nach McGrath (2013, 138) empirisch unterfüttert und an konkrete Unterrichtssituationen rückgebunden werden. Im Einklang mit, aber auch erweiternd zu den Ergebnissen der Studie von Marcos Miguel (2015), werden vorrangig nicht nur die Bereiche der Sprache und der Prozesse adressiert, sondern insb. auch die des Anforderungs- und Leistungsniveaus sowie teilweise auch der Inhalt. 4.3 Die Rezeption und Verwendung des Lehrwerks von Spanischlehrkräften (Quant-QUAL) 379 <?page no="380"?> Zudem dienen die Ergebnisse der vorliegenden Studie dazu, die von Thaler (2016, 183) formulierten Handlungsoptionen zur Veränderung von Lehrwerken empirisch zu verankern. Darüber hinaus lässt sich das Lernpotenzial aufschlüsseln, das sich aus den (von den Lehrkräften) vorgenommenen Materialanpassungsmaßnahmen ergibt (vgl. dazu Marcos Miguel 2015). Ferner belegen die Analyseergebnisse, dass entgegen der Annahme von Koskenniemi und Komulainen (1983, 17) schüler*innenzentrierte und kooperative Arbeitsformen im Unterricht durch Lehrwerkarbeit nicht abnehmen, sondern vielmehr in den jeweiligen Kenntnissen und Einstellungen, (über) welche die Lehrwerkverwendenden diesbezüglich (ggü. Arbeitsformen) verfügen bzw. vertreten, begründet liegen. Im Zuge der rekonstruierten Lektionsarbeit in der vorliegenden Studie konnte eine unterschiedliche Intensität sowie Art und Weise der Nutzung von Handlungsoptionen zur Veränderung von Lehrwerkinhalten identifiziert werden. Gleiches gilt hinsichtlich der unterrichtspraktischen Umsetzung, aber auch mit Blick auf die Notwendigkeit der Veränderung des Lehrwerkmaterials durch Lehrkräfte. In den meisten Fällen (Lehrkräfte I, II, III, VI und VII) werden am häufigsten Inhalte, Aufgaben und Übungen umstrukturiert und diese in einer anderen Fassung (z. B. inhaltlich, methodisch) und Reihenfolge in den Spanischunterricht eingebunden (vgl. dazu die Handlungsoptionen nach Thaler 2016, 183). Die Lehrkräfte I-III, VI und VII lassen oft Aufgaben und Übungen aus, kürzen diese, stellen bzw. schreiben sie um, integrieren sie an einer anderen ihrer Ansicht nach geeig‐ neteren Stelle (z. B. Integration von Aufgaben der ersten Lektion in die Bearbeitung der zweiten) oder fassen verschiedene Teilaufgaben/ -übungen zu einer zusammen (z. B. zum Verfassen einer Postkarte). Gelegentlich erweitern bzw. ersetzen die Lehrkräfte auch das Lehrwerkmaterial (z. B. Lesetagebuch zu lehrwerkunabhängiger Lektüre, Konsultation von Wetterhomepages, Einbindung von selbst erstellten Aufgabenstellungen zur Vorentlastung und Differenzierung einer filmbasierten Lehrbuchaufgabe, Song-Videos anstatt Liedstrophe im Lehrbuch) oder ziehen Inhalte, Aufgaben und Übungen vor (z. B. Inhalte und Aufgaben der vierten Lektion werden in die erste integriert, Vorziehen von Verbkonjugation aus späteren Einheiten zur Bewältigung einfacher Kommunikationssituationen) (vgl. dazu die Modifikationsbereiche nach McGrath 2013, 138 und die Handlungsoptionen nach Thaler 2016, 183). Bei den Lehrkräften IV und V liegt der Fokus bei der Nutzung von Handlungsoptionen primär auf dem Auslassen und Kürzen von Inhalten, Lektionstexten, Aufgaben und Übungen. Dies zeigt sich am Beispiel von Lehrkraft V besonders deutlich, die knapp zwei Drittel der beobachteten Lektion auslässt. Teilweise verändern die Lehrkräfte I-III, VI und VII die von den Lehrwerkautor*innen ursprünglich zugeschriebene Intention der Aufgaben und Übungen, indem sie diese in einem anderen inhaltlichen, stärker anwen‐ dungsbezogenen und ihrer Ansicht nach lebensweltnäheren Kontext präsentieren oder Teile daraus zu einem anderen Zweck verwenden. Damit wird versucht, eine Attraktivitäts- und Authentizitätssteigerung zu erzielen. Folgende Maßnahmen wurden dazu von den Lehrenden ergriffen (Auswahl): • Umwandlung von allgemeinen Aufgaben/ Übungen (z. B. zu Jahreszeiten und Wetter‐ phänomenen) zu auf die Lernenden konkreter abgestimmten Formaten (Gespräch über das Wetter in vergangenen Sommer- und Winterurlauben der Lernenden); • Vorziehen von Inhalten während der Besprechung eines Lektionstextes aufgrund thematischer Passgenauigkeit; 380 4 Empirische Untersuchungsergebnisse <?page no="381"?> • Auswahl eines anderen Musikinterpreten/ einer anderen Melodie, die näher an der Lebenswelt der Lernenden liegt; • Ersetzen von Lehrbuchtexten durch Material mit persönlichem Bezug zur Lehrkraft; • Integration von Ein-Minuten-Vorträgen zu lebensweltnahen Themen (z.-B. Familie). Dadurch werden häufig auch die Bearbeitung der Aufgaben und Übungen anders metho‐ disch, medial und sozialformbezogen umgesetzt sowie andere Textgrundlagen/ -sorten (z. B. aus vorherigen oder anderen Lehrwerkbänden) gewählt. Die Grammatik-, Wortschatz- und Textarbeit der Lehrkräfte erfolgt nicht immer nach In‐ tention und Vorgaben des Lehrwerks bzw. der Handreichungen für Lehrkräfte. Im Rahmen der Grammatikarbeit werden z. T. andere als die in den Handreichungen vorgeschlagene Hinführungsbzw. Vermittlungsmethoden gewählt (z. B. bei den Lehrkräften I, III und IV deduktive anstatt induktiver Herangehensweisen bei der Einführung des Präteritums bzw. Futurs). Die Lehrkräfte II, V, VI und VII wählen im Regelfall induktive Hinführungs- und Vermittlungsmethoden bei der Arbeit mit/ an sprachlichen Mitteln. Auch wenn, wie im Fall von Lehrkraft VII, dabei nur die im Lehrwerk angelegte Idee aufgegriffen wird und weniger die Übung dazu im Lehrbuch selbst. Die Wortschatzarbeit wird teils an den Empfehlungen der Handreichungen ausgerichtet, jedoch entscheiden sich die meisten Lehrkräfte aus zeitlichen Gründen für die listenartige Sammlung (neuer) Begriffe (zum Textmaterial) an der Tafel. Lehrkraft VII ergänzt häufig weitere Ansätze und Methoden, indem sie bspw. colecta de palabras, Wortnetze oder Ein-Minuten-Vorträge einbindet. Lehrkraft VI untermauert die Semantisierung des Wort‐ schatzes häufig durch Mimik und Gestik sowie an konkreten Gegenständen (z. B. im Klas‐ senzimmer). Die Textarbeit erfolgt meistens nach den Vorschlägen in den Handreichungen für Lehrkräfte (v. a. gleichzeitiges Hören und Lesen) (vgl. dazu die Modifikationsbereiche nach McGrath 2013, 138). Auf vorentlastende (Semantisierungs-)Maßnahmen und das mehrmalige sowie rollenverteilte Lesen wird i. d. R. aufgrund von Zeitdruck und der fehlenden inhaltlichen Fokussierung der Lernenden auf das Textmaterial (da während des lauten Vorlesens der Fokus häufig auf der Aussprache liegt) zumeist von allen Lehrkräften verzichtet. Lehrkraft II variiert hier teils in ihrer Vorgehensweise und ersetzt gelegentlich das gleichzeitige Hören und Lesen des Textes durch das einmalige rollenverteilte Lesen. Im Fall von Lehrkraft VII wird die Textarbeit häufig durch Angebote der produktiven Weiterarbeit der Lernenden mit dem Textmaterial ergänzt, indem sie dieses bspw. um eine Passage weiterschreiben. Hiermit intendiert sie die Heranführung an die jeweiligen Charakteristika verschiedener Textsorten sowie die Gewährleistung von Ideenvielfalt und Kreativität (vgl. dazu die Modifikationsbereiche nach McGrath 2013, 138 und die Handlungsoptionen nach Thaler 2016, 183). Die Aufgabenstellungen werden zwar i. d. R. so beibehalten, jedoch im Fall der Lehrkräfte II, III und VII selten explizit thematisiert oder von den Lernenden laut vorgelesen. Viele Aufgaben und Übungen werden ohne direkte Bezugnahme auf das Lehrwerk, z. B. im Unterrichtsgespräch mit schriftlicher Sicherung an der Tafel, erledigt sowie durch Vorent‐ lastungs- und Wiederholungsschleifen. Darüber hinaus kommen weitere differenzierende Maßnahmen zur kleinschrittigeren und tiefergehenden Bearbeitung, Komplexitätsreduk‐ tion von schwierigeren grammatischen Strukturen und Inhalten sowie zur (Re-)Aktivie‐ 4.3 Die Rezeption und Verwendung des Lehrwerks von Spanischlehrkräften (Quant-QUAL) 381 <?page no="382"?> rung von Vorkenntnissen der Lernenden ergänzend zur Anwendung (z. B. von Lehrkraft III entwickeltes differenziertes Arbeitsblatt zu einer Lehrbuchaufgabe). Insbesondere Lehrkraft VII greift oft den Grundgedanken der enthaltenen Aufgaben und Übungen auf. Dabei arbeitet sie jedoch nicht explizit mit dem Lehrwerk (in der Hand) und setzt die Ideen im Lehrwerk medial sowie didaktisch-methodisch anders um als in den Handreichungen für Lehrkräfte vorgesehen (z. B. Wetter-Thematik). Bei den Lehrkräften I, IV, V und VI wird zumeist direkter auf die jeweiligen Aufgabenstellungen Bezug genommen, indem diese von den Lehrenden oder den Lernenden laut vorgelesen und/ oder von den Lehrenden auf Spanisch paraphrasiert und erklärt werden. Die Lehrkräfte geben zudem weitere Hinweise zur Bearbeitung und der Lehrwerkver‐ wendung, z. B., wenn Inhalte aus zwei Aufgaben zusammengefasst, wenn Aufgaben und Übungen vorgezogen oder ausgelassen werden, aber auch bei besonderer Komplexität des Materials. An ausgewählten Stellen lesen die Lernenden die Aufgabenstellungen leise für sich. Des Weiteren werden häufig vor der Bearbeitung von Aufgaben Kontextinformationen an die Lernenden weitergegeben und/ oder Vorwissen aktiviert bzw. zur Hypothesenbil‐ dung angeregt. Beide Vorgehensweisen dienen dabei als inhaltliche Hinführung (z. B. landeskundlich-ausgerichtete Informationen zum Textmaterial zu Mexiko, Vorwissen und Erfahrungen der Lernenden dazu) (vgl. dazu die Modifikationsbereiche nach McGrath 2013, 138 und die Handlungsoptionen nach Thaler 2016, 183). Die Lehrkräfte agieren oft auch als Ideengeber*innen zu bzw. Weiterentwickler*innen von Inhalten der Aufgaben und Übungen oder sie stellen Bezüge zu Interessen und Akti‐ vitäten der Lernenden her (z. B. Erweiterung der inhaltlichen Ausrichtung, Hinzunahme weiterer Verben/ anderer Fragen). Dies lässt sich exemplarisch mit den Ausführungen von Lehrkraft V untermauern, die ihren Schüler*innen weitere Anregungen/ Ideen gibt, welche Gegenstand ihrer schriftlichen und mündlichen Sprachproduktionen sein können. Des Öfteren erläutert sie in diesem Zuge überdies die außerschulische Bedeutsamkeit des Lektionsbzw. Aufgabenthemas für die Lernenden (z. B. zukünftige Tendenzen des Weltgeschehens). Auch zur Klausurerstellung ziehen die Lehrkräfte verschiedene Lehrwerkbestandteile hinzu (vorrangig Lehrbuch, Arbeitsheft, Vorschläge zur Leistungsmessung) und ändern diese mit Blick auf die Lerngruppe und deren Lernfortschritt ab (z. B. Hinzufügung weiterer Inhalte und grammatischer Themen, Kürzung oder Verlängerung der Hör-/ Lesetexte, Ände‐ rung von Textproduktionsaufgaben hinsichtlich des Umfangs, Inhalts und Hilfestellungen). Gelegentlich werden außerdem selbst Klausuraufgaben entwickelt oder andere Lehrwerke bzw. Lehrwerkbände genutzt, die sich inhaltlich und bezogen auf das Anforderungsniveau als angemessen erweisen (vgl. dazu die Handlungsoptionen nach Thaler 2016, 183). Mittels der vorangegangenen Befunde zur Lektionsarbeit (vgl. Kap. 4.3.3.2.2) konnte ermittelt werden, welchen Handlungsoptionen sich die Lehrkräfte in welchem Ausmaß bedienen, welche Intention sie damit verbinden und wie sie konkret mit den einzelnen Lehrwerk- und Lektionsbestandteilen umgehen. Überdies wurde herausgearbeitet, dass die Nutzung von Handlungsoptionen je nach Absicht und Umfang unterschiedliche Kon‐ sequenzen nach sich zieht (vgl. dazu die Modifikationsbereiche nach McGrath 2013, 138 und die Handlungsoptionen nach Thaler 2016, 183), z.-B. … 382 4 Empirische Untersuchungsergebnisse <?page no="383"?> • das Auslassen oder Vorziehen von Inhalten bis hin zu gesamten Lektionsteilen oder gar Lektionen (z. B. Kopplung der Lektionen 1 und 4 aufgrund thematischer Passung (Thema: Jugend), Auslassen von späteren Lektionen im Lehrwerk aufgrund von Zeitknappheit, Vorziehen von grammatischen Strukturen aus späteren Lektionen, um Redemittel zur Sprechförderung und Bewältigung einfacher Kommunikationssituati‐ onen an die Hand zu geben, z. B. indirekte Objektpronomen, das Verb ir, futuro inmediato); • das Neu-Anordnen bzw. Ausrichten von Inhalten, Aufgaben und Übungen (z. B. „Auf‐ sparen“ der Wiederholung von grammatischen Themen zur Einbindung an späterer Stelle als Grundlage für die Einführung noch folgender sprachlicher Mittel (u. a. subjuntivo de presente- und pretérito indefinido-Wiederholungsübungen für die Einfüh‐ rung des subjuntivo de imperfecto), Herauslösen/ Einbetten der Inhalte einer anderen (der Lehrkraft in der vorliegenden Form nicht sinnvoll erscheinenden) Aufgabe zur Untermauerung und Visualisierung der Inhalte des Lektionstextes (u. a. Bilder zu im Lektionstext benannten Sehenswürdigkeiten in Mexiko (Monte Albán, Chichén Itza)); • die Einbettung von (noch nicht bearbeiteten) Teilen vergangener Lektionen in zukünf‐ tige, noch zu bearbeitende Lektionen (z. B. aufgrund der Optimierung der thematischen und sprach(niveau-)bezogenen Passung (Kochrezept und Geburtstagsfeier) (an im Lehrbuch vorgesehener Stelle erscheint der Lehrkraft die Aufgabe hinsichtlich der sprachlichen Mittel unpassend und zu komplex), Einbindung/ erstmalige Erwähnung grammatischer Strukturen aus vorherigen Lektionen (u. a. Zusammenführung des subjuntivo in Verbindung mit Konjunktionen an einer Stelle im Lehrbuch anstatt wie vorgeschlagenen in verschiedenen Lektionen)). Sofern sich die Lehrkräfte Handlungsoptionen zur Veränderung des Materials bedienen, nutzen sie dafür gelegentlich andere Lehrwerkbestandteile/ Lehrwerke sowie selbst er‐ stelltes und/ oder authentisches (digitales) Material (z. B. Videos, Lieder). Dies ist i. d. R. dann der Fall, wenn Defizite im Material festgestellt werden oder die Inhalte unangemessen sind, z. B. hinsichtlich des Sprachniveaus, der im Lehrbuch dargebotenen Reihenfolge grammatischer Strukturen (bspw. futuro inmediato erst am Ende des Lehrwerkbandes), interkultureller Themen und zur Erreichung affektiver Lernziele (Spaß, Freude). Weitere Gründe für eine abweichende Lehrwerknutzung stellen die Herbeiführung inhaltlicher und didaktisch-methodischer Abwechslung und Variation sowie die Erhöhung des Grades an Lebensweltbezug und der Identifikationsmöglichkeiten für die Lernenden dar (z. B. durch Musik und Filme). Je nach Materiallage und Intention erstellen Lehrkräfte inhaltlich abge‐ änderte/ aktualisierte Aufgaben, über das Material hinausgehende Arbeitsaufträge (u. a. zu differenzierenden Zwecken), die an den im Lehrwerk dargestellten Inhalten orientiert sind bzw. dieses als Grundlage nehmen oder unabhängig vom Lehrwerk eigenes sowie digitales bereits existierendes Material (z. B. selbst entworfener Text mit persönlichem Bezug zur Lehrperson, Lesetagebuch zu lehrwerkunabhängiger Lektüre, Wetterhomepage, Song-Video). Lehrkraft V integriert zusätzlich bei der Umsetzung der Aufgaben und Übungen im Lehrwerk sowie auch bei eigenen Materialien bewegungsfördernde Formate. Im Zuge der Datenanalyse konnten die folgenden von den Lehrkräften ergriffenen Maß‐ nahmen identifiziert werden, die ein Abweichen vom Lehrwerk zur Folge haben (vgl. dazu 4.3 Die Rezeption und Verwendung des Lehrwerks von Spanischlehrkräften (Quant-QUAL) 383 <?page no="384"?> die Modifikationsbereiche nach McGrath 2013, 138 und die Handlungsoptionen nach Thaler 2016, 183): • Entwicklung anderer/ zusätzlicher Aufträge zu Lehrwerkmaterialien (z. B. selbst er‐ stelltes Arbeitsblatt zum Kurzfilm zu Mexiko); • Einbindung anderer medialer Grundlagen zu einem Aufgabenkomplex im Lehrbuch (z.-B. Song-Video anstatt Liedstrophe); • Integration anderer Arbeitsformen und methodischer Ansätze (z. B. spielerische For‐ mate bei der Grammatikarbeit (Aktivierung und Einübung): Präteritum-Domino/ -Tanz und Grammatikgeschichten, Stationenlernen, bewegungsfördernde Ansätze); • Einbettung unterschiedlicher Textformate/ -sorten zur Erarbeitung eines Themas (z. B. aus anderen verlagsgebundenen Einheiten (insb. Raabits, ECOS oder Zeitungen); • Überführung von Lehrwerkthemen in neue kommunikative und authentischere/ realis‐ tischere Kontexte (z. B. Wegbeschreibung im Wohnort, Wetterbeschreibung am letzten Urlaubsort, Verfolgen einer aktuellen Staffel einer Castingshow in Spanien); • Gestaltung umfangreicherer lehrwerkunabhängiger Phasen auf anderer/ selbst er‐ stellter Materialgrundlage (z. B. Lektüre und selbst erstelltes Lesetagebuch, eigenes Material (u. a. mit persönlichem Bezug zur Lehrkraft) und weitere methodische Vorgehensweisen zur Einführung eines Lektionsthemas (z. B. Text-Bild-Zuordnung der Unterrichtsfächer) bzw. einer grammatischen Struktur (das Verb gustar). Ein bloßes Abweichen vom Lehrwerk, um (An-)Forderungen und Empfehlungen des (For‐ schungs-)Diskurses sowie der zweiten Phase der Lehrer*innenbildung bzgl. des Einsatzes aktuellerer und authentischerer Materialien nachzukommen, lehnen die Lehrkräfte ab. Gleiches gilt hinsichtlich einer möglichen Motivation, erhöhte(re)s Ansehen im beruflichen Kontext zu genießen (Kompetenz der Erstellung eigener Materialien, Unabhängigkeit vom Lehrwerk) (vgl. dazu Wipperfürth/ Will 2019). Mit den vorangegangenen Studienergebnissen kann im Kontrast zu Menkabu und Harwood (2014) kein konservativer Umgang mit Adaptionsmöglichkeiten konstatiert werden. Auch signalisieren die vorliegenden Ergebnisse, dass Lehrkräfte entgegen der Feststellung der beiden Autor*innen gesamte Lektionen auslassen sowie Texte, Aufgaben und Übungen umstellen bzw. umsortieren. Im Einklang mit den Ergebnissen der Unter‐ suchungen von Bolster (2015, 20) und Marcos Miguel (2015) lässt sich festhalten, dass keine der teilnehmenden Lehrkräfte der Gesamtstudie das Lehrwerk genau in der Form verwendet hat, wie es ihr vorlag bzw. (mehr oder weniger) Gebrauch von den verschiedenen Materialanpassungsmaßnahmen machte. Die Analyse der Nutzung von Handlungsoptionen zur Veränderung von Lehrwerkbestandteilen konnte durch die Vernetzung der quantitativen und qualitativen Daten‐ stränge weiter fundiert werden. Resümierend ist festzuhalten, dass laut der Selbstwahrneh‐ mung der Lehrkräfte eine Reihe an Handlungsoptionen relativ regelmäßig Anwendung findet (vgl. Tab. 56). Die Mittelwerte weichen im Vergleich zur Standardabweichung nur geringfügig ab, sodass anzunehmen ist, dass deren Verwendung im Unterricht recht ausgewogen sein sollte. Die Tab. 58-60 zeigen die tatsächlich eingesetzten Veränderungs‐ möglichkeiten im Laufe der dreiwöchigen videographischen Unterrichtsbeobachtung und belegen, dass entgegen den Angaben im Fragebogen nur bedingt eine ausgeglichene 384 4 Empirische Untersuchungsergebnisse <?page no="385"?> Nutzung von Handlungsoptionen zur Optimierung des Lehrwerks festzustellen ist. Von den Adaptionsmöglichkeiten wurde in der Beobachtung also nicht so häufig Gebrauch gemacht, wie die Angaben im Fragebogen vermuten lassen. Außerdem konnte aufzeigt werden, dass konträr zu den Annahmen im Forschungsdiskurs, 85,7 % der Lehrkräfte weniger als die Hälfte bzw. weniger als 20 % der Lektion ohne Änderungen, also in der Form, wie sie vorliegt, bearbeiten und die Nutzung von Handlungsoptionen sehr spezifisch von der Anlage und dem Angebot des jeweiligen Lehrwerks abhängig ist. Die Ergebnisse lassen die Schlussfolgerung zu, dass sich das Lehrwerk in den meisten Fällen als ein Wegweiser durch die einzelnen Unterrichtsphasen und -sequenzen versteht, der die Lehrenden und Lernenden durch den Spanischunterricht führt, sodass fast alle der videographierten Unterrichtsphasen und -sequenzen als eher lehrwerkbasiert cha‐ rakterisiert werden können. Die Analyseergebnisse belegen dabei jedoch auch, dass in vereinzelten Unterrichtsphasen vom Lehrwerk und darin enthaltenen Empfehlungen zu Inhalten und zur medialen sowie didaktisch-methodischen Umsetzung abgewichen wird. Hier tritt das Lehrwerk etwas in den Hintergrund, strukturiert den Unterricht in geringerem Maße und agiert eher als eine Art Begleiter. Auch wenn die Teilnehmenden der vorliegenden Studie wie auch die befragten Franzö‐ sischlehrkräfte der Studie zum selbstständigen Lernen im lehrwerkbasierten Französischunterricht von Fäcke (2016, 43) regelmäßig das Lehrwerk einsetzen und sich an der angelegten Progression, den Themen und Inhalten orientieren, integrieren sie Aufgaben und Übungen in den Unterricht, die nicht direkt an das Lehrwerk angelehnt sind. Die Fest‐ stellung von Fäcke (ebd.) kann mit den vorliegenden Studienergebnissen zum beobachteten lehrwerkunabhängige(re)n Unterricht erweitert und ausdifferenziert werden. Im Regelfall stellt das Lehrwerk mit seiner inhaltlichen Ausrichtung und sprachlichen Progression den Ausgangspunkt für die Wahl bzw. Entwicklung von lehrwerkunabhän‐ gigem Material dar (z. B. Song-Video anstatt im Lehrbuch abgedruckte Liedstrophe, lehrwerkunabhängige Arbeit auf Basis einer DVD zum Lektionsthema Peru, differenzie‐ rend-angelegtes und weiterführendes Arbeitsblatt zum im Lehrbuch vorgegebenen Film zu Mexiko). Im Falle von Lehrkraft VII fand die Auswahl der lehrwerkunabhängigen Lektüre hingegen weniger am Lehrwerk bzw. an der aktuell behandelten Lektion orientiert statt. Die Einbindung der gewählten Lektüre wird eher nicht wegen des Bezuges zu einem Thema einer Lehrwerklektion als angemessen erachtet. Vielmehr ergibt sich dieser Umstand aus ihrer thematischen Ausrichtung (Urlaub), ihrem Umfang und ihrer Relevanz für die jugendliche Lebenswelt. Anhand der im Voraus erläuterten Beispiele für lehrwerkunabhängigeres Unterrichten lassen sich noch feinere Differenzierungen hinsichtlich der Orientierung am Lehrwerk festmachen. Die Einbindung einer lehrwerkunabhängigen Lektüre, die nicht vom Verlag publiziert bzw. auf die nicht innerhalb der Lehrwerkbestandteile hingewiesen wurde, sowie die Erstellung eines dazu passenden Lesetagebuchs und die Einführung eines Lektionsthemas ohne Lehrwerkmaterialien weisen die geringstmögliche Orientierung am Lehrwerk auf. Hingegen lässt sich bei der Untermauerung von Aufgaben und Übungen im Lehrwerk durch vorentlastende und/ oder weiterführende Arbeitsaufträge mehr Bindung an dieses erkennen, sodass unterschiedliche Grade an Lehrwerkunabhängigkeit auszuma‐ 4.3 Die Rezeption und Verwendung des Lehrwerks von Spanischlehrkräften (Quant-QUAL) 385 <?page no="386"?> chen sind. Dies steht im Einklang mit dem Befund, dass eine solche Unabhängigkeit von den Lehrkräften aus zwei Blickwinkeln betrachtet wird (Einsatz von lehrwerkunabhängigem Material (1), andere didaktisch-methodische, mediale und sozialformbezogene unterrichts‐ praktische Umsetzung der Inhalte und grammatischen Strukturen im Lehrwerk (2)). Trotz der angeführten Beispiele für lehrwerkunabhängigeren Spanischunterricht ma‐ chen die Unterrichtsanteile der videographischen Aufzeichnungen, die losgelöst vom Lehrwerk sind, einen wesentlich geringeren Anteil im Vergleich zu den lehrwerkbasierten Unterrichtsphasen aus. Dies liegt auch darin begründet, dass die beteiligten Lehrkräfte die Notwendigkeit der Einbindung lehrwerkunabhängiger Materialien in der Sekundarstufe I als geringer als in der Oberstufe erachten. Ferner konnte ermittelt werden, dass Lehrkräfte lehrwerkbezogene Aspekte und Aus‐ wahlentscheidungen explizit im Unterricht thematisieren und die Lernenden in die Lehr‐ werkarbeit vorwiegend mündlich im Unterrichtsdiskurs einbinden. Des Weiteren findet sich der Einsatz von Frage- und Feedbackbögen sowie Suchspielen/ Rallyes. Auf einer grundlegenden Ebene klären die Lehrkräfte die Schüler*innen auch über die Notwendigkeit und Funktionen von Lehrwerken auf und sensibilisieren sie für Unterschiede zwischen didaktisierten und nicht didaktisierten (Online-)Materialien. Folgende Anlässe und Unter‐ richtssituationen wurden im Zuge der Datenanalyse identifiziert: • Begründung der Themenauswahl und der Abänderung der Lektionsreihenfolge; • Information über das Unterrichtsziel und Erklärung des Zwecks sowie der Funktion der getroffenen Materialauswahl; • Erläuterung der Funktion und Bedienung verschiedener Lektionselemente (hier Mediencodes); • Anleitung der Lernenden … - zur Äußerung zum eingesetzten (lehrwerkunabhängigen) Material hinsichtlich des Interessantheits- und Schwierigkeitsgrades; - zur Korrektur der durch die Lehrkraft entdeckten Fehler und Ungenauigkeiten im Material; - zum kritischen Nachdenken über die Inhalte (z.-B. Thema des Stierkampfs); - zum Weiterdenken der Inhalte (Veränderung der Lehrbuchinhalte). Alle Lehrkräfte ermöglichen es ihren Lernenden, eigene Ideen einzubringen und/ oder an‐ dere inhaltliche Schwerpunktsetzungen im Zuge der Aufgabenbearbeitung vorzunehmen. - 4.3.4.2 Ableitung von empirisch-gestützten Verwendungsweisen des Lehrwerks unter Berücksichtigung ihrer Multifaktorialität, Situationsspezifik und Dynamik Die erläuterten und diskutierten Ergebnisse zeigen ein Konglomerat aus Faktoren, das den Umgang mit Lehrwerken und ihren Lektionen beeinflusst. Hieraus entstehen unterschied‐ liche Verwendungsweisen des Lehrwerks, die verschiedene Charakteristika aufweisen, ineinandergreifen, aber auch gegensätzlich zueinander verlaufen, veränderbar sind und sich zeitweise abwechseln können. Damit kann das von Erdmenger (1997, 89) so bezeichnete „Potpourri“ an möglichen Verwendungsweisen des Lehrwerks, das in seiner Anlage als 386 4 Empirische Untersuchungsergebnisse <?page no="387"?> dynamisch erachtet werden sollte, empirisch bestätigt und hinsichtlich der Verknüpfungen zwischen den einzelnen Verwendungsweisen aufgeschlüsselt werden. Vor dem Hintergrund der Datenanalyse und der ermittelten Ergebnisse erscheint es daher noch fraglicher als bei der Materialzufriedenheit (vgl. Kap. 4.2.3), Lehrkräfte einzelnen Verwendungstypen zuzuordnen, da eine solche Typologie und Klassifizierung nicht die Vielzahl an (dimensionenübergreifenden) Faktoren abbilden kann, welche die konzeptuelle und empirisch fundierte Rahmung dieser Arbeit aufzeigt. Darüber hinaus versteht sich der Umgang mit dem Lehrwerk als ein dynamisches Unterfangen, das spontan und kurzweilig von situativen und weiteren externen Umständen geprägt sein kann. Die konkrete, auf Videographie basierende, Rekonstruktion der beobachteten Lekti‐ onsarbeit jeder einzelnen Lehrkraft sowie die integrativ gewonnenen Erkenntnisse aus den quantitativ- und qualitativ-orientierten Befragungen zeigen in aller Deutlichkeit, dass sich keine der beteiligten Lehrkräfte einem Typ/ Schema zuordnen lässt, ohne die Zusammenhänge innerhalb der einzelnen Dimensionen des Untersuchungsgegenstands und deren Komplexität, Vielschichtigkeit und Wechselseitigkeit sowie die teils in einer Unterrichtsstunde gezeigte Vielfalt unterschiedlichster lehrwerkgebundener und -unge‐ bundener Formate außer Acht zu lassen. Bestenfalls ist es möglich, Tendenzen in den Verwendungsweisen abzuleiten. Im Zuge der hier als multifaktoriell verstandenen und auf diese Weise praktizierten empirischen Lehrwerkforschung wird daher auf eine Zubzw. Einordnung von Lehrkräften in gewisse (Misch-)Typen verzichtet. Dies ist der Fall, auch wenn sich in den Klassifizierungsversuchen mittlerweile „weichere Grenzen“ zwischen den einzelnen Verwendungstypen ausmachen lassen und affektive Elemente mit aufgenommen worden sind (vgl. dazu Kurtz 2011, 7) bzw. mit der Konstruktion eines Mischtyps (vgl. dazu u. a. Thaler 2016) ein Kompromiss beider Extreme der vollständigen Verwendung und des Verzichts erzielt werden soll. Doch auch sog. Mischtypen bleiben hier zu ungenau und auch mit ihnen können kaum Abstufungen innerhalb eines Typus sichtbar gemacht werden. Mit den generierten Erkenntnissen in Kap. 4.2 und 4.3 kann die folgende im wissenschaftlichen Diskurs noch vorzufindende Annahme relativiert bzw. neu perspektiviert werden: Unterrichtliche Lehrwerkverwendung ließe sich womöglich lehrkraftbezogen typisieren. Folgende Nutzungsweisen konnten ermittelt werden, die von den Lehrkräften und teils auch von ein und derselben Lehrkraft während des Beobachtungszeitraums (mehrfach) gezeigt wurden. Mit dieser graphischen Darstellung wird das Faktorengefüge anhand der konzeptualisierten Untersuchungsgegenstanddimensionen ersichtlich, in dem sich die Lehrwerkverwendung (als ein Bestandteil davon) wiederfindet. Aus der spezifischen Betrachtung der identifizierten empirisch-gestützten Verwendungsweisen geht hervor, dass die Grenzen zwischen den einzelnen Verwendungsweisen weder starr in ihrer Anlage sind noch trennscharf behandelt werden sollten und sich ebenfalls nicht gegenseitig ausschließen. 4.3 Die Rezeption und Verwendung des Lehrwerks von Spanischlehrkräften (Quant-QUAL) 387 <?page no="388"?> Abbildung 21: Identifizierte Verwendungsweisen des Lehrwerks und ihre Charakteristika Die Konzeptualisierung des Untersuchungsgegenstands und die vorangegangenen Befunde geben bereits Hinweise darauf, dass strukturelle Faktoren in irgendeiner Form Einfluss auf den Umgang mit dem Lehrwerk nehmen. Daher widmet sich das folgende Ergebniskapitel strukturellen Parametern der Lehrwerkarbeit. 4.4 Strukturelle Parameter und Lehrwerkarbeit (Quant-Qual) Im Zuge dieses Kapitels werden durch die Integration der Ergebnisse der quantitativen und qualitativen Auswertung der Fragebogen-, bzw. Beobachtungs- und Interviewdaten äußere Faktoren aufgeschlüsselt, die die Sicht- und insb. Verwendungsweise auf/ von Lehrwerke/ n beeinflussen (4.4.1). Aktuelle Entwicklungen aufgreifend wird dieses Ergebniskapitel durch einen Exkurs zur Lehrwerkverwendung während der COVID-19-Pandemie erweitert (4.4.2). Hierdurch wurden empirische Erkenntnisse zur Rolle und Nutzung des Lehrwerks im Fremdsprachenunterricht während einer gesundheitlichen, sozialen und politischen Ausnahmesituation generiert. Abschließend erfolgen eine Zusammenfassung, Diskussion und Einbettung der Untersuchungsergebnisse in den fremdsprachendidaktischen Diskurs (4.4.3). 388 4 Empirische Untersuchungsergebnisse <?page no="389"?> 4.4.1 Äußere Umstände Quant │ Mit dem höchsten Prozentsatz von 84,8 % geben die 105 befragten Lehrkräfte an, dass sich zeitliche Faktoren (insb. Zeitdruck) maßgeblich auf ihre Lehrwerkverwendung auswirken. Bei institutionellen Rahmenbedingungen (z. B. Vorgaben durch bildungspoliti‐ sche und schulinterne Dokumente) sind es 83,8 %. Mehr als 70 % der Befragten weisen in ihren Antworten darüber hinaus die jeweils zu unterrichtende Klassenstufe (76,2 %) und die technische Ausstattung der Schule/ Räume (72,4 %) aus, die wesentlichen Einfluss auf die Nutzung des Lehrwerks nehmen. Der fünfthäufigste externe Faktor, der von 65,7 % angeführt wird, ist das jeweilige Thema bzw. der konkret zu vermittelnde Inhalt. Funktion der Quant-Qual-Verschränkung • Verdichtung der ermittelten prozentualen Angaben • Konkretisierung, Erweiterung und Neu-Perspektivierung durch Rückbindung an spezifische Unterrichtssituationen • Identifikation von Wechselwirkungen zwischen einzelnen externen Faktoren Im Zuge der qualitativen Datenanalyse konnte ermittelt werden, wie der Umgang mit dem Lehrwerk durch strukturelle Faktoren beeinflusst wird, welche Wechselwirkungen zwischen den einzelnen Faktoren bestehen und welche Konsequenzen dies für das weitere materialbezogene Handeln nach sich zieht. Des Weiteren zeigen die Ausführungen der Teilnehmenden eine Differenzierung zwischen unterrichtsvorbereitenden Maßnahmen und der Unterrichtssituation selbst. Zeitliche Faktoren, institutionelle Rahmenbedingungen und thematische Aspekte Qual │ Zeitliche Aspekte, die u. a. auch aus situativen Umständen resultieren, bestimmen im Wesentlichen die Auswahl und Nutzung von Lehrwerkbestandteilen durch Lehrkräfte. Untermauert werden kann dieser Befund mit den Ausführungen der Lehrkräfte II und VI. Die Nutzung verschiedener Lehrwerkbestandteile hängt insb. davon ab, wie zeiteffizient und komfortabel die Konsultation des Materials ist. Im Zuge der häuslichen Unterrichts‐ vorbereitung verwenden die Lehrkräfte i. d. R. digitales Lehrwerkmaterial, was damit begründet wird, dass Vorinstallationen und automatische Anmeldeprozesse auf den Endge‐ räten den Zugang vereinfachen (im Vergleich zu von verschiedenen Lehrkräften genutzten Computern in der Schule). Ermittelt wurde zudem, dass sich die Lehrkräfte zu Hause nicht an feste Zeiträume wie in der Schule (Unterrichts- und Pausenzeiten, Vertretungen) halten müssen und sich zeitlich flexibel mit Lehrwerkbestandteilen auseinandersetzen können. Im Unterricht hingegen werden viele Lehrwerkbestandteile (insb. digital) nur einge‐ bunden, wenn ausreichend Vorbereitungszeit für deren Nutzung zur Verfügung steht. Konkret bedeutet das, dass sich die Lehrkräfte einige Zeit vor Unterrichtsbeginn mit den di‐ gitalen Modalitäten auseinandersetzen und deren Funktionsfähigkeit prüfen. Exemplarisch führt Lehrkraft II dazu an, dass sie derartige vorbereitende Maßnahmen nicht ergreifen könne, wenn sie vorher bereits Unterrichts erteilt hat, da die sonst die Pausenzeit für den Aufbau nutzen müsste. 4.4 Strukturelle Parameter und Lehrwerkarbeit (Quant-Qual) 389 <?page no="390"?> B: #00: 34: 48-2# […] man muss ja auch das erstmal alles finden und vorbereiten können. Es kommt immer darauf an, also zum Beispiel kann ich das freitags viel besser verwenden als mittwochs, wenn ich vorneweg noch so eine Klasse habe, […], dann hat man kaum noch Zeit irgendwas einzustellen und vorzubereiten. […] aber freitags, wenn ich früh genug dann in der Schule bin, kann ich das natürlich mal machen. […]. #00: 35: 42-8# (Interviewtranskript, LII, 66) Ein weiterer zentraler Aspekt, der im Zusammenhang mit zeitlichen Faktoren steht und die Lehrwerkverwendung beeinflusst, liegt in persönlichen und familiären Verpflichtungen begründet. Untermauert wird dieser Befund mit dem folgenden Interviewtranskriptauszug. B: #00: 56: 45-7# […] Also ich mache meine Unterrichtsvorbereitung aus persönlichen Gründen immer morgens um 6 Uhr vor der Schule, von 6-7.30 Uhr und dann hast du natürlich schon ein bisschen Zeitdruck und dann kriegst du es mit den digitalen Teilen des Lehrwerks nicht so hin und dann lässt du es halt. […] Es ist nicht viel Zeit zum Experimentieren, aber ich denke jetzt, wo ich mehr damit arbeite, wird es besser. […]. #00: 57: 46-3# (Interviewtranskript, LVI, 124) Abgeleitet werden kann aus den Ausführungen von Lehrkraft VI, dass für die Unterrichts‐ vorbereitung ein bestimmtes und nicht (immer) flexibel handhabbares Zeitfenster zur Verfügung steht, in dem die Unterrichtsplanung abgeschlossen werden muss. Dies führt in der Konsequenz dazu, ähnlich wie auch bei Lehrkraft II, dass Lehrwerkbestandteile, deren Konsultation mit mehr „Hürden“ verbunden ist (u.-a. technische Ausstattung, Aufbau von Geräten, Internetverbindung), weniger genutzt werden. Hin und wieder werden digitale Lehrwerkbestandteile von Lehrkraft VI gemäß der Lernform „learning by doing“ in die Unterrichtsvorbereitung und ggf. in der Folge dann auch in den Unterricht eingebunden. Sofern dies jedoch zu zeitintensiv wird, bricht Lehrkraft VI die Auseinandersetzung damit ab (z.-B. aufgrund von Programmfehlern, schlechter Internetverbindung etc.). B: #00: 56: 45-7# […] Ich habe nicht die Zeit, mich mehrere Stunden hinzusetzen und in diese Programme einzuarbeiten, sondern ich mache es immer learning by doing. Dann ist es meistens eine halbe Stunde vor dem Unterricht und entweder es klappt oder es klappt nicht. […]. #00: 57: 46-3# (Interviewtranskript, LVI, 124) Geschlussfolgert werden kann, dass sich Lehrkräfte aufgrund zeitlicher (in Kombination mit anderen) Faktoren, im Regelfall auf ihnen vertraute und leicht zugängliche Lehrwerk‐ bestandteile fokussieren, mit denen sie eine ihrer Ansicht nach durchdachte und sinnvolle Unterrichtsplanung vollziehen. Damit einher geht, dass insb. digitale Lehrwerkbestandteile, die bereichernd für die Konzeption des Unterrichts und die Erreichung der Lernziele sein könnten, aufgrund potenzieller Herausforderungen und Irritationen bei deren Konsulta‐ 390 4 Empirische Untersuchungsergebnisse <?page no="391"?> tion, keinen Einzug in die Unterrichtsvorbereitung und damit zumeist auch nicht in den Unterricht finden. Neben der Unterrichtsvorbereitung wird die Lehrwerkverwendung im Unterricht selbst auch von zeitlichen Faktoren beeinflusst, was im Regelfall dazu führt, dass Teile der Lektion bzw. gesamte Lektionen stark gekürzt bzw. ausgelassen werden. Was das für die Lehrwerkverwendung konkret bedeutet, konnte im Zuge der qualitativen Datenanalyse auf einer globalen lehrwerkbezogenen und speziell einzelne Lektionsteile betreffenden Ebene herausgearbeitet werden. Zu Beginn der Arbeit mit dem Lehrwerk wird von den Lehrkräften eine grobe Anzahl an zu bearbeitenden Lektionen für das Schuljahr festgelegt. Im Regelfall werden aus zeitlichen Gründen zwei Lektionen ausgelassen. Zumeist handelt es sich dabei um die letzten beiden Lektionen, von denen eine oft auch als fakultativ ausgewiesen wird. B: #01: 51: 41-4# […] zeitliche Faktoren heißt auch, dass man eben so ein ganzes Buch in einem Schuljahr gar nicht schafft. Also wir sind bei Band Nummer 1 bis zu Kapitel 7 gekommen und Kapitel 8, Kapitel 9 muss man dann einfach weglassen, das ist dann eben so. […]. #01: 53: 05-5# (Interviewtranskript, LIII, 236) Eine weitere Verfahrensweise wurde mit den Ausführungen von Lehrkraft IV identifiziert. Eine Alternative zum Auslassen gesamter Lektionen stellt die Selektion von Lektionsteilen (ggf. auch aller Lektionen) nach ausgewählten Kriterien dar (z. B. Sprachproduktion/ -um‐ wälzung, Interessantheitsgrad für Lernende, Bearbeitungsdauer und Lernertrag). Daraus resultiert, dass gewisse Teile von Lektionen (z. B. B-Teile) nicht bearbeitet, aber grundlegend die Themen aller Lektionen in Betracht gezogen und zumindest ansatzweise eingebunden werden. Institutionelle Rahmenbedingungen werden von den 105 befragten Lehrkräften als zweithäufigster Faktor angegeben, der Auswirkungen auf die Lehrwerkverwendung hat. Derartige systembedingte und nur partiell veränderbare Faktoren stellen Gründe dafür dar, dass Lehrwerknutzungsweisen an die vorgeschriebenen Inhalte und Prüfungsformate angepasst werden (z. B. abarbeitender/ reihender Stil in Form des Klausuraufbaus) und dafür lehrwerkunabhängigere und offenere Formate, wie bspw. Projektunterricht (vgl. Kap. 4.3.1.1), seltener Anwendung finden, da sie als weniger systemkonform eingestuft und damit gleichsam auch mit Mehraufwand verbunden werden. Aus den Analyseergebnissen geht ebenfalls deutlich hervor, wie eng institutionelle Rah‐ menbedingungen und zeitliche Faktoren miteinander verwoben sind. Die Verwendung des Lehrwerks ist maßgeblich an den Vorgaben des Lehrplans ausgerichtet, sodass Lehrkräfte gewisse Materialentscheidungen treffen (müssen), auch wenn damit einhergeht, dass den Lernenden interessante und sie motivierende Inhalte und produktive Aufgabenformate „vorenthalten“ werden (z. B. Lektionsteil zum Thema Casting und Musikshows sowie zu Sprachvarietäten). B: #00: 10: 01-2# Ja, also bei der Operación Estrella war es so, dass ich den Text an sich, in diesem Schuljahr rausgelassen hatte, […], weil wir ja auch immer drauf gucken 4.4 Strukturelle Parameter und Lehrwerkarbeit (Quant-Qual) 391 <?page no="392"?> müssen, dass wir […] mit dem Lehrplan durchkommen […]. Letztes Jahr allerdings habe ich dieses Operación Estrella gemacht, die Schüler waren sehr interessiert am Thema Casting. Da habe ich auch auf die spanische Version Operación Triunfo verwiesen. Wir haben uns Videos dazu im Internet angeschaut, diese bearbeitet […]. Dieses Mal mussten die Schüler darauf verzichten. #00: 11: 31-9# (Interviewtranskript, LV, 28) B: #00: 06: 32-6# […] Ich habe dafür keine Zeit, das Buch hat zu viel und der Lehrplan ist voll, ich muss solche Sachen dann einfach rausnehmen, so schade das auch ist und so schön diese Informationen auch aufbereitet sind. […]. #00: 11: 51-9# (Interviewtranskript, LVII, 5) Neben zeitlichen Faktoren und institutionellen Rahmenbedingungen wirken darüber hinaus thematische bzw. inhaltliche Faktoren grundlegend darauf ein, ob bspw. überhaupt ein Lehrwerk verwendet wird, z.-B. bei sehr aktuellen Themen. Auch themenbezogene Entscheidungen, die sich bspw. spontan aus dem Unterrichtsdis‐ kurs ergeben (z. B. besonderes Interesse aufseiten der Lernenden) können materialbezogene Veränderungen oder eine Abkehr vom Lehrwerk notwendig machen. Schließlich kann auch die Einschätzung des Lehrwerkmaterials vonseiten der Lehrkraft hinsichtlich der Angemessenheit der Aufbereitung, Darstellung und des Umfangs des jeweiligen Inhalts einen veränderten Umgang mit dem Lehrwerk unter Nutzung von Handlungsoptionen (z.-B. Kürzung, Erweiterung) nach sich ziehen. Eine weitere Wechselwirkung konnte zwischen den drei strukturellen Faktoren der Zeit, der institutionellen Rahmenbedingungen und des zu behandelnden Themas bzw. Inhalts aufgedeckt werden. Die Ergebnisse der Datenanalyse veranschaulichen, wie sich diese Wechselwirkung konkret bei der Lehrwerkverwendung im Unterricht zeigt und welche materialbezogenen Konsequenzen daraus resultieren. Die Analyseergebnisse belegen, dass viele den Lehrkräften sinnvoll und ertragreich er‐ scheinenden Aufgaben, denen handlungs- und projektorientierte Ansätze zugrunde liegen, nicht oder nur teilweise in den Fremdsprachenunterricht implementiert werden (können) (vgl. Kap. 4.3.1.1). Dies wird auf die aus der Stundentafel resultierende Unterrichtszeit pro Woche und weitere nur begrenzt veränderbare schulsystembedingte Umstände (u. a. Prüfungskultur, Bewertungsmaßstäbe) zurückgeführt. Zur Einbettung solcher Aufgaben‐ formate und Arbeitsformen sind angabegemäß andere Rahmenbedingungen notwendig, z. B. Ersatzformate für eine schriftliche Leistungsüberprüfung o.Ä. Untermauert wird dieser Befund mit den Ausführungen von Lehrkraft III: B: #00: 30: 51-3# […] Das sind tolle Ideen, aber das sind so Projektideen, da kann man ein Vierteljahr dran arbeiten. Also ich kann mir schlecht vorstellen, dass man das im Verlauf des normalen Unterrichts innerhalb von einer Woche hinkriegt so etwas. (..) Also sowas muss ja dann auch bearbeitet, vorgestellt und irgendwie bewertet werden. […] und für mich ist das eher so eine Sache, die man vielleicht 392 4 Empirische Untersuchungsergebnisse <?page no="393"?> so als Extra-Aufgabe an Stelle einer Klassenarbeit über zwei bis drei Wochen mal reinbringen kann. #00: 31: 41-5# (Interviewtranskript, LIII, 70) Technische Ausstattung Qual │ Ein weiterer zentraler struktureller Faktor, der insb. auch in Relation zu zeitlichen und thematischen Aspekten steht, ist die technische Ausstattung während der Unterrichts‐ vorbereitung und in den Unterrichtsräumen. Wie auch schon aus den Analyseergebnissen zu den zeitlichen Faktoren hervorgegangen ist, können verschiedene Schlussfolgerungen je nach Verwendungskontext (zu Hause, im Unterricht) gezogen werden: Liegt eine ausreichende technische Ausstattung vor (z. B. Stand-PC im häuslichen Arbeitszimmer) verwenden Lehrkräfte mehrheitlich digitales Lehrwerkmaterial zur Unterrichtsvorberei‐ tung (u. a. Handreichungen, digitale Verknüpfungen zu anderen Lehrwerkbestandteilen). Bei der Unterrichtsvorbereitung in der Schule (z. B. im Lehrer*innenzimmer) und/ oder im Unterricht selbst hingegen findet derartiges Material aufgrund der nicht vorhandenen technischen Voraussetzungen deutlich seltener Anwendung. Belegt wird der vorangegan‐ gene Befund mit dem nachfolgenden Transkriptauszug von Lehrkraft V: B: #00: 32: 41-1# […] und zu Hause, gucke ich mir auch das E-Book an, um eine Planung zu machen. Im Unterricht allerdings arbeite ich nur mit den Printmedien, genau beziehungsweise in dem einen Raum immer dienstags, da habe ich mal einen Computer, da gehe ich dann halt auch gerne in die Webcodes rein oder schau mal ein alternatives Video an, da muss die Raumausstattung passen […]. #00: 33: 34-2# (Interviewtranskript, LV, 72) Gefolgert wird daraus, dass aufgrund der oftmals noch fehlenden technischen Möglich‐ keiten zur kontinuierlichen Umsetzung digitalen Lehrwerkmaterials die beteiligten Lehr‐ kräfte primär print-basierte Lehrwerkbestandteile einsetzen, die für die raumausstattungs‐ bezogenen Gegebenheiten angemessen sind und womit kein Zeitverlust einhergeht bzw. keine weiteren Umstände verbunden sind. B: #01: 17: 20-0# […] im Klassenraum ist es auch zu aufwändig, wenn die Möglichkeiten nicht da sind. Nicht mal die DVDs kann ich manchmal anschauen. #01: 18: 01-0# (Interviewtranskript, LIV, 154) Damit einher geht, dass digitale Angebote, die das Lehrwerk schafft, mehrheitlich nicht umgesetzt und Potenziale nicht entfaltet werden (können). B: #00: 43: 46-2# […] Wir haben einfach die Möglichkeiten noch nicht. Wenn wir jetzt mehr mediale Möglichkeiten im Klassenraum hätten, glaube ich, könnte man mit diesem Lehrwerk auch gut arbeiten und es ganz anders einsetzen. Das finde ich schon. #00: 44: 25-7# (Interviewtranskript, LIII, 94) 4.4 Strukturelle Parameter und Lehrwerkarbeit (Quant-Qual) 393 <?page no="394"?> Bekräftigt wird dieser Befund mit den Ausführungen von Lehrkraft VI, die nach eigenen Angaben, das Lehrwerkangebot lediglich zu etwa 50 % ausschöpft. Im Zuge der Daten‐ analyse konnten digitale lehrwerkbezogene Möglichkeiten identifiziert werden, die sich durch eine entsprechende technische Ausstattung ergeben und die Lehrwerkverwendung verändern würden. Hierbei handelt es sich u. a. um whiteboard-basierte/ animierte Visua‐ lisierungsmöglichkeiten, die vermehrte Nutzung digitaler Lehrwerkbestandteile und eines Lehrer*innenlaufwerks mit Dateienpool. B: #01: 57: 57-5# […] Hätte ich einen Beamer, hätte ich einen Computer, hätte ich ein Smartboard, würde ich viel, viel mehr mit dem Lehrwerk noch machen. […] dann würde ich viel öfters Kopiervorlagen öffnen, […]. Du kannst die Dateien herüberziehen, du hast ein Lehrerlaufwerk, du hast WLAN, wo die Schüler sich die Dateien herunterladen können. Das würde ich alles nutzen, also bin ich jetzt aktuell bei 50 % Ausschöpfung, von dem was das Lehrwerk bieten könnte. […]. #01: 59: 35-9# (Interviewtranskript, LVI, 298) Überträgt man die vorangegangenen Ergebnisse zu Auswirkungen struktureller Faktoren auf die Lehrwerkverwendung in einen spezifischeren Kontext der Unterrichtsplanung, der (methodischen) -umsetzung und -logik können auf Basis der Analyseergebnisse wertvolle Schlüsse gezogen werden. B: #01: 38: 30-0# […] In meiner neunten Klasse habe ich aufgrund der normalen Raumbelegung nie auch nur irgendetwas zur Verfügung an Computer, Beamer etc., […] um halt sowas über YouTube oder so oder ein Video irgendwas einfließen zu lassen, muss ich mir halt immer einen Computerraum buchen. […] von daher ja, fühle ich mich da schon eingeschränkt, wenn ich dieses technische Equipment nicht habe, […], dann führt das auch zu solchen Dingen, wie ich muss jetzt was vorziehen, weil ich heute noch nicht das Gerät habe, sondern erst in der nächsten Stunde, was dann aber von der Logik her nicht mehr so ganz passt, aber den Umständen halt geschuldet ist. […]. #01: 40: 35-5# (Interviewtranskript, LV, 214) Die fehlende Ausstattung führt dazu, dass digitales Material an gewissen Stellen bzw. zu ausgewählten Zeitpunkten im Unterricht nicht eingebunden werden kann bzw. dafür jedes Mal erneut im Voraus ein Multimedia-Raum reserviert werden müsste. Dies führt zu Irritationen im Unterrichtsablauf: Bspw. werden gewisse Inhalte und Aufgaben vorgezogen, die hinsichtlich der Logik des unterrichtlichen Vorgehens eigentlich erst im Nachgang an geplante digital-basierte Aktivitäten sinnvoll gewesen wären. Zum Zeitpunkt der Ein‐ bindung war jedoch kein Multimedia-Raum bzw. kein technisches Equipment vorhanden, sodass an späteren Stellen in der Lektion geplante Aktivitäten zuerst bearbeitet wurden. Auch Lehrkraft VII hebt in ihren Ausführungen die entstehenden Irritationen durch fehlende bzw. erst noch aufzubauende technische Ausstattung hervor, nimmt dabei jedoch stärker den Zeitverlust, die Unruhe und fehlende Fokussierung auf die und bei den 394 4 Empirische Untersuchungsergebnisse <?page no="395"?> Lernenden in den Blick, die durch die Auf- und Abbauphase hervorgerufen werden sowie dadurch das erschwerte Zurückfinden in einen stringenten Unterrichtsablauf. Um diesen zu gewährleisten, ist es angabegemäß notwendig, solche Störfaktoren durch eine zeitintensive Planung und vorherige Aufbauphase der Technik zu eliminieren. B: #00: 16: 39-9# […] und sobald die Schüler merken, ich mache einen Film an oder wusle mit der Technik, habe ich Unruhe und diese Unruhe, das ist nicht nur fünf Minuten Aufbau, sondern das dauert dann auch wieder 5 Minuten, bis es ruhig wird […], wenn ich so etwas mache, dann muss ich das vorher planen, das führt dann wirklich dazu, dass ich sehr viel Zeit dafür aufwende, […], 20 Minuten vorher im Raum bin, alles vorher aufbauen, damit ich dann wieder einen stringenten Ablauf in meinem Unterricht selbst habe. #00: 18: 26-3# (Interviewtranskript, LVII, 15) Klassenstufe Qual │ Ein weiterer struktureller Faktor, der bei der Lehrwerkverwendung eine Rolle spielt und in Wechselwirkung mit den anderen Faktoren (insb. Thema/ Inhalt) steht, ist die jeweilige zu unterrichtende Klassenstufe. Das Lehrwerk spielt angabegemäß aufgrund der Spezifika der ersten Lernjahre (Spracherwerbsphase) eine entscheidend bedeutendere Rolle in der Sekundarstufe I als in der Oberstufe. B: #01: 37: 40-2# […] je jünger die Jahrgangsstufe, desto mehr Einfluss hat das Lehrwerk natürlich im Unterricht, Spracherwerb, Grundlagen und so weiter. Je höher die Jahrgangsstufe und der Fortschritt schon mit der Sprache, desto weniger es ist eigentlich nachher diese Stütze für den Unterricht. […]. #01: 38: 21-7# (Interviewtranskript, LII, 164) Die jeweilige Klassenstufe wirkt darüber hinaus auf die der Nutzung von Handlungsop‐ tionen beigemessenen Bedeutung ein, mit der die Veränderung des Materials an die lerngruppenspezifischen Gegebenheiten einhergeht. B: #01: 10: 48-3# […] Und es ist aber auch so, dass das in der Mittelstufe weniger Bedeutung hat, weil ich da mit den Texten, die mir vorliegen, so arbeiten muss, insbesondere von der Progression her. Das würde eher passieren in der Oberstufe, […]. Aber diese Texte hier in der Mittelstufe sind ja auch zugeschnitten auf die Lerngruppe und passen ja vom Sprachniveau her auch dann dazu dem, was die leisten können. Ich sehe daher nicht so die Notwendigkeit, vom Lehrwerk abzuweichen. #01: 11: 29-9# (Interviewtranskript, LIII, 142) Es konnte ermittelt werden, dass tendenziell in der Unter- und Mittelstufe weniger Bedarf an Handlungsoptionen als Grundlage für einen kritischen, flexiblen und kreativen Umgang mit dem Lehrwerk gesehen wird, da die Lehrwerktexte bereits in didaktisierter und an das Sprachniveau angepasster Form vorliegen und häufig weniger kritische Themen 4.4 Strukturelle Parameter und Lehrwerkarbeit (Quant-Qual) 395 <?page no="396"?> 108 Die videographischen Unterrichtsbeobachtungen fanden wie in Kap. 3.2.3 ausgewiesen im Zeitraum von September bis November 2020 statt. Hierbei handelt es sich um einen Zeitraum, in dem die für die Untersuchung ausgewählten Schulen geöffnet waren und der Unterrichtsbetrieb mit allen Lernenden (vollständige Lerngruppen) fortgeführt wurde. präsentieren als in der Oberstufe. Darüber hinaus wird die Textsortenvarianz in der Unter- und Mittelstufe aufgrund des niedrigen Sprachniveaus als weniger relevant erachtet als in höheren Klassen, sodass hier die Notwendigkeit der Einbindung von lehrwerkunabhän‐ gigem Material geringer eingeschätzt wird. Finanzielle Gründe und Kostenfaktoren Quant │ Ferner verstehen sich Lehrwerke als kommerzielle und auch kostenintensive Materialien, sodass ebenfalls finanzielle Gründe eine Rolle bei der (Nicht-)Verwendung von bestimmten Lehrwerkbestandteilen spielen können. 14,4 % der Befragten geben an, dass die Schule keine Lehrwerkbestandteile stellt und alle Lehrwerkbestandteile selbst bezahlt werden müssen. Die anderen befragten Lehrkräfte machen dazu unterschiedliche Angaben. Insgesamt 20,2 % legen dar, dass ihnen alle Lehrwerkbestandteile zur Verfügung gestellt werden bzw. diese, die sie sich wünschen. 65,4 % der Befragten werden ausgewählte Lehrwerkbestandteile bereitgestellt bzw. vergünstigt angeboten. Dabei handelt es sich in der Regel vorrangig um das Lehrbuch (Lernendenfassung), die Audio-CD und das Arbeitsheft (Lehrendenfassung). 4.4.2 Exkurs: COVID-19-Pandemie Quant-Qual │ Ein weiterer neuer externer Faktor stellt die ab Anfang 2020 vorherrschende COVID-19-Pandemie dar, von der erhebliche Auswirkungen auf verschiedenste gesell‐ schaftliche Bereiche ausgingen. Die Durchführung der Hauptstudie 108 fand somit in dieser gesundheitlichen, sozialen und politischen Ausnahmesituation statt, die insb. Bildungsin‐ stitutionen beeinflusste, worin sich u. a. auch der lehrwerkbasierte Fremdsprachenunter‐ richt verorten lässt. Insgesamt geben 61 % der befragten Lehrkräfte an, dass dem Lehrwerk während der COVID-19-Pandemie ein wichtigerer Stellewert zugekommen sei als es in Zeiten vor der Pandemie der Fall war. Zur Untermauerung dieser Feststellung konnten Gründe identifiziert werden, die sich vorrangig auf die Funktionen von Lehrwerken beziehen, die dem Material zwar auch ohne derartige Ausnahmesituationen zugrunde liegen, die sich aber aufgrund der pandemiebedingten Umstände als „wichtiger denn je“ erwiesen haben (insb. Sicherheit und Struktur): B: #02: 00: 01-2# […] und gerade jetzt in der Corona-Zeit ist das Lehrwerk natürlich eine ganz feste Institution, […] Also wir haben etwas Festes, wo sie sich langhangeln können. Deshalb ist gerade in der jetzigen Zeit so ein Lehrwerk wichtiger denn je. #02: 01: 35-0# (Interviewtranskript, LVI, 302) Anhand der Analyseergebnisse wird außerdem geschlussfolgert, dass das Lehrwerk als „eine der wenigen Möglichkeiten während des Lockdowns“ wahrgenommen wird, mit 396 4 Empirische Untersuchungsergebnisse <?page no="397"?> der der Fremdsprachenlernprozess überhaupt aufrechterhalten werden konnte und der die Lehrkräfte in einer „unerwarteten angespannten Situation“ (FB98) unterstützt hat. „Weil es eine der wenigen Möglichkeiten während des Lockdowns ist, im Rahmen katastro‐ phaler Ausstattung (nicht nur schulisch und infrastrukturell, auch privat bei den SuS), einen orientierenden Rahmen zu bieten, der ein […] gewisses sprachliches Fortkommen […] garantieren kann.” (FB227) „Es sorgte dafür, dass der Lernprozess fortgeführt werden konnte.” (FB50) Der vorangegangene Befund steht im Einklang mit der ermittelten Gewährleistung des Zugriffs auf das Material („auf das Lehrwerk haben alle Zugriff “ (FB55)), was zu Sicherheit und Komfort in pandemiebedingten Umständen führte und sowohl den Lehrenden als auch den Lernenden „etwas Vertrautes, Nahes und Greifbares“ (FB32) an die Hand gab. Quant │ In 32,4 % der Fälle konnte ein gleichbleibender Stellenwert des Lehrwerks während der COVID-19-Pandemie und den damit einhergehenden Distanz- und teils Onlineunterrichtsszenarien konstatiert werden. Die befragten Lehrkräfte legen dar, dass sich der sowieso schon hohe Stellenwert des Lehrwerks im Fremdsprachenunterricht im Wesentlichen nicht verändert habe. Der Rest der Teilnehmenden (6,6 %) führt aus, dass dem Lehrwerk kein wichtigerer Stellenwert während der COVID-19-Pandemie beigemessen werden könne. Quant-Qual │ Im Zuge der Datenanalyse wurden die folgenden Gründe dafür ermittelt: Einige Lehrwerkbestandteile ließen sich aufgrund der Charakteristika von Distanzunter‐ richt nur bedingt einsetzen, da das Lehrwerk nicht für die ausschließlich autonome Arbeit der Lernenden damit konzipiert ist, kaum Partner- und Gruppenarbeiten stattfinden konnten und die schnelle Rückmeldung zu den Ergebnissen der Lernenden aufrechterhalten werden musste, so wie es im direkten Lehrenden-Lernenden-Gespräch möglich ist. „Das Lehrwerk ist nicht ausgelegt, dass Schüler es komplett allein bearbeiten, daher waren andere Hilfsmittel nötig, um zu verstehen.” (FB106) „Viele Aufgaben erfordern die direkte Kooperation der SuS. Das ging nicht. Daher sind Kolleginnen aus dem Lehrwerk ausgestiegen […]”. (FB120) „[…] Andererseits war es wichtig, die Aufgaben durch Anregungen zu ergänzen, […] die den Schülern sofort eine Rückmeldung gaben (z.-B. über Learning Apps).” (FB49) Aus diesem Befund wird die Notwendigkeit der Verwendung anderer Materialien und Medien gefolgert, mit denen die Lehrkräfte Aktivitäten stärker an die situationsbedingten Umstände und Bedürfnisse der Lernenden anpassen konnten. Teils geht damit auch einher, dass auf das Lehrwerk phasenweise verzichtet und es gänzlich durch anderes Material, z. B. Lektüren und digitale Angebote, ersetzt wurde. „[…] Die digitalen Angebote, die ich selbst in Form von learningsnacks, PPs, Videos etc. erstellt habe, waren einfach passender zu meinen Zielen und SuS.” (FB200) „[…] Daher sind Kolleginnen aus dem Lehrwerk ausgestiegen und haben eine Lektüre behandelt.” (FB120) Quant-Qual │ Die COVID-19-Pandemie bzw. die pandemiebedingten Umstände haben sich angabegemäß in 55,2 % der Fälle auf die Lehrwerkverwendung der Teilnehmenden 4.4 Strukturelle Parameter und Lehrwerkarbeit (Quant-Qual) 397 <?page no="398"?> ausgewirkt. Ermittelt werden konnte, dass die befragten Lehrkräfte das Lehrwerk vor‐ rangig häufiger und flexibler verwendeten. Für den Umgang mit dem Lehrwerk im Distanz- und teils Onlineunterricht wurden zentrale Konsequenzen identifiziert, die die Intention vereint, an die Rahmenbedingungen des Fremdsprachenunterrichts während der COVID-19-Pandemie und die Lernsituation der Schüler*innen (zu Hause, meist allein) angepasstes Material bereitzustellen. Kategorien (am Material gebildet) Ankerbeispiele Notwendigkeit der Abänderung von In‐ halten, Aufgaben und Übungen für die selbstständige Einzelarbeit „[…] Die Aufgabenstellungen müssen so erfolgen, dass die SuS in der Lage sind, die Inhalte selbst‐ ständig zu Hause zu bearbeiten. […].“ (FB08) Auslassen kreativer Aufgabenformate „[…] Kreative Aufgaben, wie Nachspielen einer Si‐ tuation im Supermarkt, am Telefon etc. entfallen. Gruppenbzw. Partnerarbeit entfällt auch. […].“ (FB08) Fokussierung auf lernmethodische Vorge‐ hensweisen „[…] Es handelt sich also mehr um die metho‐ dischen Vorgehensweisen wie selbständiges Erar‐ beiten, Lernen, Üben, Anwenden […].“ (FB08) Kleinschrittigere Erarbeitung sprachlicher Phänomene und von Texten „Einführung von neuen Themen so wie im Lehrwerk dargeboten nicht möglich, muss kleinschrittiger er‐ folgen/ angeboten werden, um Verstehen sicherzu‐ stellen.“ (FB96) Tabelle 68: Ermittelte Konsequenzen für den Umgang mit dem Lehrwerk in Hybrid- und Onlineun‐ terrichtsszenarien unter Angabe von Ankerbeispielen Quant-Qual │ Im Rahmen der Datenanalyse konnten den vorangegangenen Befund erwei‐ ternd spezifische lehrwerkverwendungsbezogene Probleme während der COVID-19-Pan‐ demie ermittelt werden, die die Lehrkräfte vor weitere Herausforderungen in Zeiten des Distanzunterrichts stellten. Vorrangig handelt es sich dabei um Zugriffsmöglichkeiten auf Materialien (insb. Hör- und Filmdateien aus dem Lehrbuch sowie digitale Lehrwerk‐ bestandteile und -inhalte für Lernende) und systembedingte Problematiken bzw. die fehlende Kopplungsmöglichkeit der Lehrwerke mit schulischen digitalen Arbeits- und Lernplattformen. Funktion der Quant-Qual-Verschränkung • Erweiterung der Ergebnisse der Fragebogenauswertung • Konkretisierung durch Rückbindung an spezifische Unterrichtssituationen Qual │ Im Zuge der qualitativen Datenanalyse konnten eine von den Lehrkräften wahrgenommene Tendenz zur stärker lehrer*innenzentrierten Ausrichtung des eigenen Unterrichts und ein erhöhter Bedarf an „Führung durch die Lehrkräfte“ während der COVID-19-Pandemie identifiziert werden: B: #01: 42: 10-8# […] so habe ich halt sehr viel, 398 4 Empirische Untersuchungsergebnisse <?page no="399"?> ja die Zentrierung bei mir gehabt, […] #01: 43: 17-6# (Interviewtranskript, LV, 218). Diesen Umstand werten die beteiligten Lehrkräfte unterschiedlich. Während zum einen die unterrichtsbedingten Restriktionen durch die Regelungen zum Umgang mit der COVID-19-Pandemie bedauert werden und sich die Implementierung an‐ derer abwechslungsreicher sowie lernendenaktivierender Arbeitsformen in den Unterricht gewünscht wird (z. B. Lehrkraft III), werden zum anderen kooperative Arbeitsformen (insb. Gruppenarbeiten) auch ohne pandemiebedingte Einschränkungen unter den Gesichts‐ punkten der Konzentrationsfähigkeit der Lernenden und dem Maß an Sprachproduktion und -umwälzung als nur bedingt ertragreich erachtet (z.-B. Lehrkraft VII). B: #01: 53: 52-1# Also ich glaube schon, dass ich da nicht nur so lehrerzentriert unterrichtet hätte. Ich hätte da sicherlich andere Arbeitsformen verwendet. Ich hätte zum Beispiel auch mal Gruppenarbeit gemacht. […] sehr viel mehr einfach so auf mündliche Gesprächssituationen das ausgerichtet […]. #01: 54: 35-9# (Interviewtranskript, LIII, 240) B: #00: 12: 37-5# […], in Gruppen arbeiten ist natürlich aktuell auch schwierig, wobei ich das eh relativ selten mache, weil das gibt immer sofort ein Kuddelmuddel und der Ertrag ist nicht immer wirklich hoch. […]. #00: 14: 12-2# (Interviewtranskript, LVII, 7) Wie aus den nachfolgenden Analyseergebnissen hervorgeht, konnten aufgrund der pan‐ demiebedingten Restriktionen gewisse Umgangs- und Verwendungsformen mit dem Lehr‐ werk, die vorher von den Lehrkräften so praktiziert wurden, nicht aufrechterhalten werden. Dies führte zum Teil auch dazu, dass einige der oben erläuterten didaktischen Prinzipien (vgl. Kap. 4.3.1.1), an denen sich der Umgang mit dem Lehrwerk durch die Lehrkräfte normalerweise orientiert, nicht weiter praktiziert werden konnten. Dies betrifft insb. den Bereich der Projektorientierung, z. B. durch die Einbindung dramapädagogischer Ansätze in den Unterricht, was zur Folge hatte, dass solche Aufgabenformate nicht oder ausschließlich auf theoretischer Ebene (z. B. Entwurf eines Bühnenszenarios) durchgeführt wurden und die Lehrkräfte ihren Unterricht dadurch als weniger „lebendig“ empfanden (z. B. die Lehrkräfte I und II). Als weitere Konsequenz für die Verwendung des Lehrwerks durch die pandemiebe‐ dingten Umstände konnte die Begrenzung des (eigentlich) zur Verfügung stehenden Methodenpools (z. B. bewegungsfördernde und spielerische Ansätze, Kugellagermethode, Tandemarbeit) ermittelt werden, womit einherging, dass derartige Formate, die angabe‐ gemäß das Interesse, die Motivation der Lernenden und das Maß der sozialen Interaktion (Grad der Interaktivität) hättern steigern können, nicht in den Unterricht eingebunden wurden. 4.4 Strukturelle Parameter und Lehrwerkarbeit (Quant-Qual) 399 <?page no="400"?> 4.4.3 Zusammenfassung, Diskussion und Einbettung der Befunde in den fremdsprachendidaktischen Forschungsdiskurs Forschungsfrage IV • Welche strukturellen Faktoren sind beim Umgang mit dem Lehrwerk von Bedeutung? In welchem Ausmaß und wie nehmen sie Einfluss? (IV) Die vorliegenden Studienergebnisse belegen, dass sich strukturelle Faktoren maßgeblich auf die Lehrwerkverwendung auswirken. Dies wurde anhand konkreter Unterrichtssituationen untermauert, steht im Einklang mit den Ergebnissen anderer Studien und differenziert diese teils weiter aus (vgl. dazu u. a. Abdel Latif 2012; Bohnensteffen 2011; Dakla 2022; Garton/ Graves 2014a/ b; McGrath 2013; Wipperfürth/ Will 2019). Die Gruppe von strukturellen Faktoren konnte hinsichtlich der in den o. g. Studien ausgewiesenen Aspekte erweitert, spezifiziert und in ihrer Wechselwirkung untereinander, aber auch mit den anderen Dimensionen des Untersuchungsgegenstands ergründet werden. Aus den Untersuchungsergebnissen lässt sich ableiten, dass insb. zeitliche (84,8 %), in‐ stitutionelle (83,8 %), klassenstufen- (76,2 %) sowie ausstattungsbezogene (72,4 %) Faktoren mit jeweils unterschiedlichen prozentualen Ausprägungen Einfluss auf die Lehrwerkver‐ wendung nehmen. Der fünfthäufigste strukturelle Faktor, der von 65,7 % angeführt wird, ist das jeweilige Thema bzw. der konkret zu vermittelnde Inhalt. Mit den Ergebnissen der vorliegenden Studie kann die Wirkkraft struktureller Faktoren auf die Lehrwerkverwendung bestätigt werden, da diese im Wesentlichen darüber ent‐ scheiden, welche Teile/ Inhalte des Lehrwerks wie oft, wann, wo und wie eingesetzt sowie welche Handlungsoptionen, wie häufig und aus welchen Gründen genutzt werden. Wie auch die Ergebnisse der Studien von Abdel Latif (2012, 90) und Marcos Miguel (2015, 317) zeigen, werden Handlungsoptionen (insb. das Kürzen und Auslassen) am häufigsten aus Zeitbzw. systembedingten Gründen gewählt und damit einhergehend oftmals die Vor‐ schläge in den Handreichungen für Lehrkräfte nicht befolgt, da die Rahmenbedingungen die Umsetzung „aufwändigerer“ Ansätze im Unterricht nicht (immer) zulassen (z. B. Projektarbeit). Des Weiteren geht ein erheblicher Einfluss von strukturellen Faktoren auf die an‐ deren Dimensionen des Untersuchungsgegenstands aus (kognitiv, affektiv, verwendungs‐ bezogen). Im Zuge der Auswertung der Daten wurde ermittelt, dass Lehrkräfte trotz einer eigentlich positiven und offenen Grundeinstellung gegenüber Lehrwerken und der Bereitschaft zu einem möglichst kritischen und kreativen Umgang mit dem Material sich daran hindern lassen, diese/ n auch „auszuleben“ bzw. umzusetzen. Für die Lehrkräfte stellen strukturelle Faktoren ein Hindernis dar, das nur unter zusätzlicher Anstrengung überwunden werden kann und gemäß der Ansicht der Teilnehmenden zu einer höheren Arbeitsbelastung führt, sodass sie sich in der Konsequenz für komfortablere und weniger aufwändige Varianten entscheiden, auch wenn sie sich darüber im Klaren sind, dass es in gewissen Unterrichtssituationen effektivere Ansätze gegeben hätte. Ein weiterer externer Faktor der Lehrwerkverwendung, zu dem empirisch-untermau‐ erte Erkenntnisse gewonnen werden konnten, ist die COVID-19-Pandemie und ihre Auswirkungen auf den Bildungssektor. Die Bedeutsamkeit des Lehrwerks wurde von der 400 4 Empirische Untersuchungsergebnisse <?page no="401"?> Mehrheit der befragten Lehrkräfte stärker (als vor der Pandemie) wahrgenommen und als derart wesentlich beschrieben, dass durch das Lehrwerk der Fremdsprachenlernprozess während einer solchen Ausnahmesituation überhaupt aufrechterhalten werden konnte. Dennoch wurden auch Probleme während der Verwendung des Lehrwerks in Distanz- und teils Online-Formaten identifiziert. Aus diesem Grund nahmen die befragten Lehrkräfte Umstrukturierungen und Neuausrichtungen der Aufgaben und Übungen vor und banden neue Formen der Rückmeldung an die Lernenden ein. Dies führte dazu, dass die Materialien für die selbstständige Einzelarbeit umkonzipiert und der Fokus auf lernmethodische Vorgehensweisen sowie auf die kleinschrittigere Erarbeitung von fremdsprachlichen Phä‐ nomenen und von Texten gelegt wurde. Darüber hinaus wurde hierdurch oftmals auf kreative Aufgabenformate verzichtet. Aus den Ausführungen der Studienteilnehmenden lässt sich ableiten, dass das Ausmaß der Auswirkungen von unterrichtsbedingten Restriktionen und Regelungen zum Umgang mit der COVID-19-Pandemie auf den Spanischunterricht unterschiedlich bewertet wird, dennoch aber gewisse Umgangs- und Verwendungsformen mit dem Lehrwerk, die vorher von den Lehrkräften so praktiziert wurden, nicht aufrechterhalten werden konnten. Im Rahmen der Datenanalyse wurden die folgenden material- und unterrichtsbezogenen Beschränkungen durch die COVID-19-Pandemie identifiziert: • Fehlende Möglichkeit der Einbindung ausgewählter didaktisch-methodischer Prinzi‐ pien (z.-B. Theaterpädagogik, Projektarbeit); • Begrenzung des zur Verfügung stehenden Methodenpools (z. B. verringertes Maß an spielerischen und bewegungsfördernden Ansätzen); • Verringerung des Maßes an Lernendenorientierung, sozialem Austausch und (Inter-)Aktivität zwischen den Lernenden. Trotz der pandemiebedingten Umstände kann unter Bezugnahme auf die Antworten der Lehrkräfte konstatiert werden, dass der Unterricht nicht grundlegend anders mit Blick auf Inhalte und Methoden umgesetzt wurde (B: #02: 00: 01-2# […] Ich würde sagen, dass ich aufgrund von Corona keinen […] anderen Unterricht mache als sonst, weil so ist der einfach. […] #02: 01: 35-0# (Interviewtranskript, LVI, 302)). Vielmehr wurde für einen gewissen Zeitraum (insb. vor der Studie) auf sonst eingesetzte Verfahrensweisen verzichtet bzw. wurden diese so abgewandelt, dass sie unter den Restriktionen der Pandemie möglich oder vertretbar waren. Geschlussfolgert werden kann auch, dass die Notwendigkeit der pandemiebedingten Maßnahmen für den Schulunterricht von den Lehrkräften unterschiedlich eingeschätzt wird: Lehrkraft VI hat bspw. nur geringfügige Einschränkungen im Unterricht vorge‐ nommen, da gemäß ihrer Ansicht durch die Einbindung einer Partner- oder Kleingruppen‐ arbeit das ohnehin hohe Ansteckungsrisiko in einem Klassenraum mit 30 Lernenden nicht noch weiter hätte potenziert werden können. B: #02: 00: 01-2# […] ich habe trotzdem Partnerarbeit machen lassen, Gruppenarbeit, ich habe auch Schüler vorkommen lassen. […] Das ist natürlich jetzt immer so eine Sache, also ich lasse mich von dem Corona nicht ganz so an die Wand 4.4 Strukturelle Parameter und Lehrwerkarbeit (Quant-Qual) 401 <?page no="402"?> stellen wie andere, […] mit 30 Schülern in einem Raum kann eine Partnerarbeit das Infektionsgeschehen auch nicht mehr verschlimmern […]. #02: 01: 35-0# (Interviewtranskript, LVI, 302) Die anderen Lehrkräfte (z. B. Lehrkraft V) haben sich strenger an die Vorgaben gehalten (z. B. kaum bis keine lernendenaktivierenden Arbeitsformen, Gruppenarbeiten etc.) oder die Einschränkungen im Vergleich zur vorherigen Unterrichtsdurchführung und -gestaltung als weniger einschneidend wahrgenommen (z.-B. Lehrkraft VII). Abschließend kann gefolgert werden, dass strukturelle Faktoren der Lehrwerkverwen‐ dung einen wirkmächtigen und damit einhergehend auch einen kritisch zu betrachtenden Bereich darstellen, auf den sich nur bedingt als Einzelperson Einfluss nehmen lässt. Im Vergleich zu den anderen Dimensionen des Untersuchungsgegenstands, die, wie die Studienergebnisse zeigen, teils veränderbar mit Blick auf die Wahrnehmung und das Selbstverständnis der Lehrkräfte sind bzw. zu Reflexion anregen können, verstehen sich strukturelle Faktoren als relativ konstante Merkmale. Folglich handelt es sich um einen nur bedingt, d. h. einen nicht ohne tiefgreifende Maßnahmen auf bildungs- und schulpolitischer sowie systembedingter Ebene veränderbaren Bereich, der die Rahmenbedingungen für die Lehrwerkverwendung vorgibt und gewissen „Handlungsspielraum“ vonseiten der Lehrkräfte begrenzt (vgl. dazu auch Abdel Latif 2012, 93). 4.5 Zur Identifikation von Zusammenhängen zwischen den verschiedenen Dimensionen des Untersuchungsgegenstands: Eine bivariate Analyse unter Ableitung von Hypothesen (Quant) Im Zuge der vorangegangenen empirischen Ergründung der verschiedenen Dimensionen des Untersuchungsgegenstands konnten bereits Hinweise auf potenzielle Wechselwir‐ kungen zwischen den Bereichen des Forschungsgegenstands gewonnen werden. Unter Anwendung bivariater statistischer Verfahren werden im Folgenden zuerst auf eine Dimen‐ sion bezogene und im Anschluss dimensionenübergreifende Zusammenhänge zwischen den Variablen zur subjektiven Sichtweise und Verwendung identifiziert, die integrativ gewonnenen Erkenntnisse der vorherigen Ergebniskapitel weiter aufgespannt sowie ein aus der explorativen Datenanalyse resultierender Faktor (Berufserfahrung) neu perspekti‐ viert. Gemäß der zugrunde liegenden Forschungsstrategie stehen für die Forschungsfragen relevante Aspekte im Fokus, zu denen bereits durch die deskriptiv-statistische Analyse in den vorherigen Ergebniskapiteln (vgl. Kap. 4.2, 4.3) interessante Hinweise ermittelt werden konnten (z. B. durch Mittelwertberechnungen) bzw. die sich als potenziell bedeutsam herausgestellt haben (z. B. hohe oder niedrige Zustimmungswerte). Diese werden nun in Verbindung mit anderen Variablen gebracht, um so vermutete und nicht vermutete Zusammenhänge aufzudecken. Die folgenden bivariaten Berechnungen münden in die Aufstellung von Hypothesen, die für zukünftige Untersuchungen auf dem Gebiet der empirischen Lehrwerkforschung richtungsweisend sein können. Zu beachten ist, dass die Ergebnisse stets vor dem Hintergrund einer explorativen quantitativen Forschungsstrategie zu beurteilen sind (vgl. Kap. 3.8.1). 402 4 Empirische Untersuchungsergebnisse <?page no="403"?> 109 Die Normalverteilung stellt hierbei kein Gütekriterium an die Qualität der Daten dar. Der Umstand, dass die Daten nicht normalverteilt sind, ist erwartbar, da keine natürlichen Phänomene beobachtet werden, bei welchen sich ein Großteil der Werte um einen Erwartungswert häufen. In Fällen wie diesem kann es vorkommen, dass die Daten schief verteilt sind. 4.5.1 Zur subjektiven Sichtweise Variablen: Nachteile von Lehrwerken und Sinnhaftigkeit von Lehrwerkbestandteilen Der Zusammenhang zwischen den o. g. Variablen wurde mit einer Korrelationsanalyse überprüft. Vermutet wurde, dass mit zunehmender Nennung von Nachteilen die Sinnhaf‐ tigkeit weniger bejaht wird. Diese beiden Variablen korrelieren allerdings nur schwach positiv und nicht signifikant miteinander (Rho=0,130; p=0,186). Bei der Interpretation dieses Zusammenhangs gilt es auch die Schiefe der Variablenverteilung zu berücksichtigen. Damit ist gemeint, dass die Beurteilung der Sinnhaftigkeit von Lehrwerkbestandteilen nicht normalverteilt ist 109 , sondern überwiegend als sehr sinnvoll oder eher sinnvoll eingeschätzt wird. Die Verteilung der Antworten verdeutlicht, dass die Teilnehmenden die Sinnhaftigkeit der Lehrwerkbestandteile als eher gegeben ansehen, auch wenn sie einige Nachteile eines Lehrwerks erkennen. Es wird daher angenommen, dass die Einschätzung von Nachteilen eines Lehrwerks keine direkte Auswirkung auf die empfundene Sinnhaftigkeit der einzelnen Lehrwerkkomponenten hat. Die nachfolgende Darstellung der Ergebnisse mittels eines SPSS-Auszugs erfolgt für diesen Fall exemplarisch. Im weiteren Verlauf der Arbeit werden die Ergebnisse ausschließlich im Fließtext berichtet. Abbildung 22: Bivariate Korrelationsanalyse: Einschätzung der Nachteile von Lehrwerken und Sinnhaftigkeit von Lehrwerkbestandteilen Variablen: Bedeutsamkeit eines kritischen Umgangs mit dem Lehrwerk und Wichtigkeit der Veränderung von Aufgaben, Übungen und Texten Ein ebenfalls schwach positiver und statistisch nicht signifikanter Zusammenhang wurde für die o. g. Variablen nachgewiesen (Rho=0,191; p=0,050). Hieraus lässt sich schlussfolgern, dass Lehrkräften zwar ein kritischer Umgang wichtig sein kann, damit jedoch nicht auch systematisch einhergeht, dass für sie die potenziell daraus resultierende Veränderung von Aufgaben, Übungen und Texten von Bedeutung ist. Variablen: Bedeutsamkeit eines kreativen Umgangs mit dem Lehrwerk und … Ähnlich zum Item der Bedeutsamkeit eines kritischen Umgangs mit dem Lehrwerk wurde auch ein kreativer Umgang mit dem Lehrwerk im Rahmen der deskriptiv-statistischen Analyse als potenziell wichtig herausgestellt. Nachfolgend wird dieses Item daher in 4.5 Zur Identifikation von Zusammenhängen 403 <?page no="404"?> Verbindung mit relevanten Variablen gebracht, um zu prüfen, ob ein Zusammenhang bestehen könnte. a. Lehrwerkunabhängiger Unterricht Es wurde ein mittelstarker und signifikanter Zusammenhang zwischen der Bedeutsamkeit eines kreativen Umgangs mit dem Lehrwerk und lehrwerkunabhängigen Unterrichts ermit‐ telt (Rho=0,303; p=0,002). Demnach wird angenommen, dass bei Lehrkräften, denen ein kreativer Umgang mit dem Lehrwerk wichtig ist, auch tendenziell Lehrwerkunabhängigkeit im eigenen Unterricht eine bedeutendere Rolle spielt. Für diese und die nachfolgende Kor‐ relation werden exemplarisch Kreuztabellen abgebildet. Anhand derer lässt sich der gemäß der Berechnung vermutete, signifikante Zusammenhang auch optisch nachvollziehen. Man erkennt, dass sich die Werte innerhalb der Matrix entlang der Diagonalen häufen. Je offensichtlicher dieses Bild ausgeprägt ist, desto höher fällt Rho aus. Abbildung 23: Kreuztabelle zum Zusammenhang zwischen der Bedeutsamkeit eines kreativen Um‐ gangs mit dem Lehrwerk und lehrwerkunabhängigen Unterrichts b. Erstellung eigener Materialien Damit im Einklang steht auch der Befund, dass für Lehrkräfte, denen ein kreativer Umgang mit dem Lehrwerk wichtig ist, tendenziell auch die Erstellung eigener Materialien von größerer Bedeutung ist (Rho=0,337; p<0,001). Abbildung 24: Kreuztabelle zum Zusammenhang zwischen der Bedeutsamkeit eines kreativen Um‐ gangs mit dem Lehrwerk und der Erstellung eigener Materialien 404 4 Empirische Untersuchungsergebnisse <?page no="405"?> Variablen: Das Interesse am Ausprobieren neuer Methoden und Medien und… Eine weitere Schlüsselrolle nimmt das Interesse am Ausprobieren neuer Methoden und Medien als motivational-volitionaler Faktor ein, der maßgeblich auf den Zustimmungsgrad in anderen Bereichen einzuwirken scheint. a.-die Bereitschaft zu einem kreativen Umgang mit dem Material b.-die Initiative zur kritischen Auseinandersetzung mit dem Lehrwerk c.-die Bedeutsamkeit des lehrwerkunabhängigen Unterrichts Hier zeigen drei statistische Berechnungen, dass mittelstarke bis starke und statistisch signifikante Zusammenhänge dahingehend bestehen, dass tendenziell die Bereitschaft zu einem kreativen Umgang größer ist, eher die Initiative zur kritischen Auseinandersetzung mit dem Lehrwerk ergriffen wird sowie lehrwerkunabhängiger Unterricht eine größere Rolle spielt, wenn Lehrkräfte gern neue Methoden und Medien ausprobieren (IV a: Rho=0,536, p<0,001; IV b: Rho=0,289, p=0,003; IV c: Rho=0,341, p<0,001). Aus den vorangegangenen Berechnungen lassen sich demnach die nachfolgend skizzierten Hypothesen im Bereich der subjektiven Sichtweise auf das Lehrwerk und seine Verwendung ableiten. Für diese Hypothesen ebnet die vorliegende Studie mit ihrer inhaltlichen Aufbereitung und Ergründung des Forschungsgegenstands sowie mit ihrem integrativ ausgerichteten Untersuchungsdesign den weiteren Weg der Erforschung, und es gilt, ihnen mit geeigneten Operationalisierungen und Konzeptualisierungen, Methoden sowie Instrumenten zu be‐ gegnen. Generierte Hypothesen Die Einschätzung von Nachteilen eines Lehrwerks steht nicht in einem systematischen Zusam‐ menhang mit der empfundenen Sinnhaftigkeit der einzelnen Lehrwerkbestandteile. Je wichtiger einer Lehrkraft ein kritischer Umgang mit dem Lehrwerk ist, desto wichtiger ist ihr die Veränderung von Aufgaben. Je wichtiger Lehrkräften ein kreativer Umgang mit dem Lehrwerk ist, desto… • wichtiger ist ihnen auch ein lehrwerkunabhängiger Unterricht. • wichtiger ist ihnen auch die Erstellung eigener Materialien. Je lieber Lehrkräfte neue Methoden und Medien im Unterricht ausprobieren, desto… • eher ergreifen sie die Initiative, sich mit dem Lehrwerk kritisch auseinanderzusetzen. • größer ist ihre Bereitschaft zu einem kreativen Umgang mit dem Lehrwerk. • wichtiger ist ihnen lehrwerkunabhängiger Unterricht. Tabelle 69: Generierte Hypothesen im Bereich der subjektiven Sichtweise auf Lehrwerke und ihre Verwendung Nachdem im vorangegangenen Teilkapitel zuerst die Dimension der subjektiven Sichtweise auf Zusammenhänge statistisch untersucht wurde, wird im Folgenden eine dimensio‐ nenübergreifende Perspektive auf verschiedene Untersuchungsgegenstandbereiche einge‐ nommen. Hierzu erfolgen ebenfalls Korrelationsanalysen, mit denen Zusammenhänge 4.5 Zur Identifikation von Zusammenhängen 405 <?page no="406"?> und potenzielle Wechselwirkungen zwischen der Sichtweise auf Lehrwerke und deren Verwendung in der Unterrichtspraxis untersucht werden. 4.5.2 Zur subjektiven Sichtweise, Rezeption und Verwendung Variablen: Sinnhaftigkeit des Lehrwerks und Häufigkeit der Verwendung des Lehrwerks (Unterrichtsvor- und -nachbereitung) Mit einer bivariaten Korrelationsanalyse konnte gezeigt werden, dass der Zusammenhang zwischen den o. g. Variablen im Rahmen der Unterrichtsvor- und -nachbereitung je nach Lehrwerkbestandteil signifikant unterschiedlich ausfällt (vgl. dazu Tab. 70). Der Zusammenhang ist für 16 der 18 Lehrwerkbestandteile positiv und signifikant, nur für das Arbeitsheft (Lernendenfassung) ist er nahezu nicht vorhanden sowie nicht signifikant (Rho=0,005; p=0,963). Ebenso fallen die Ergebnisse für das Lehrbuch (Lernendenfassung) nicht signifikant aus (Rho= 0,103; p=0,301). Hieraus kann rückgeschlossen werden, dass die Einschätzung über die Sinnhaftigkeit Auswirkungen darauf hat, ob und wie häufig der Lehrwerkbestandteil im Rahmen der Unterrichtsvor- und -nachbereitung Verwendung findet. Die schwachen und nicht signifikanten Zusammenhänge für die Lernendenfassung des Lehrbuchs sowie des Arbeitshefts scheinen zunächst unerwartet, sie lassen sich jedoch über die Schiefe der Daten erklären. Die Einschätzung der Sinnhaftigkeit sowie die daraus resultierende Häufigkeit der Ver‐ wendung sind in beiden Fällen stark ausgeprägt und lassen eine Korrelation nur schwer zu. Über eine deskriptive Interpretation der Daten lässt sich festhalten, dass 92 % der Befragten die Schüler*innenfassung des Lehrbuchs als sehr sinnvoll einschätzen und es in 69 % der Fälle immer oder in 15 % der Fälle oft zur Unterrichtsvor- und -nachbereitung nutzen. Ein ähnliches Bild ergibt sich bei der deskriptiven Analyse der Ergebnisse für das Arbeitsheft in der Lernendenfassung. 88 % der Befragten geben an, dass sie diesen Lehrwerkbestandteil als sehr sinnvoll ansehen, und 49 % verwenden ihn immer zur Unterrichtsvor- und -nachbereitung. 98 % der Befragten erachten das Arbeitsheft (Lernendenfassung) als sehr oder eher sinnvoll. Dies kann erklären, warum kein signifikanter Zusammenhang zwischen der Sinnhaftigkeit und der Verwendung existiert, da die allgemeine Wahrnehmung der Sinnhaftigkeit beim Lehrbuch sowie beim Arbeitsheft in der Lernendenfassung deutlich positiv ausgeprägt ist. - Rho p Lehrbuch (Lehrendenfassung) 0,563 <0,001 Lehrbuch (Lernendenfassung) 0,103 0,301 Arbeitsheft (Lehrendenfassung) 0,498 <0,001 Arbeitsheft (Lernendenfassung) 0,005 0,963 Differenziertes Arbeitsheft (Lehrendenfassung) 0,368 <0,001 Differenziertes Arbeitsheft (Lernendenfassung) 0,327 0,002 406 4 Empirische Untersuchungsergebnisse <?page no="407"?> Rho p Grammatikheft 0,618 <0,001 Grammatik zum Selbstausfüllen 0,525 <0,001 Handreichung für Lehrkräfte 0,64 <0,001 Vorschläge zur Leistungsmessung 0,339 <0,001 Kopier-/ Arbeitsfolien 0,494 <0,001 Klassenarbeitstrainer 0,502 <0,001 E-Book-Version des Lehrbuchs 0,673 <0,001 Digitaler Unterrichts- und Stoffverteilungsplaner 0,653 <0,001 Audio-CD 0,391 <0,001 Video-DVD 0,572 <0,001 Smart-/ Whiteboardmaterialien 0,507 <0,001 Internetbasierte Tools 0,478 <0,001 Tabelle 70: Bivariate Korrelationsanalyse: Sinnhaftigkeit und Verwendung von Lehrwerkbestand‐ teilen (Unterrichtsvor- und -nachbereitung) Variablen: Sinnhaftigkeit der Lehrwerkbestandteile und Verwendung der Lehrwerkbestandteile (im Unterricht) Der Zusammenhang zwischen der Sinnhaftigkeit und der Verwendung von Lehrwerken im Unterricht stellt sich ähnlich dem der Unterrichtsvor- und -nachbereitung dar, jedoch fällt der Zusammenhang hier neben der Lernendenfassung des Lehrbuchs und des Arbeitshefts zusätzlich für die Vokabelapps nicht signifikant aus (Rho=202; p=0,059). Das Lehrbuch in der Lernendenfassung beurteilen 92 % der Befragten als sehr sinnvoll. 88 % der Befragten erachten das Arbeitsheft in der Lernendenfassung als sehr sinnvoll und insgesamt 98-% als sehr oder eher sinnvoll. Die deskriptive Analyse der Ergebnisse für die Vokabelapps ist dahingehend interessant, als dass 68 % angeben, dass sie die Vokabelapps als sehr bis eher sinnvoll ansehen. Verwendung finden die Vokabelapps im Unterricht aber in 80-% der Fälle selten bis nie. Allgemein kann jedoch den Ergebnissen der nachfolgenden Tabelle entnommen werden, dass nicht nur für die Unterrichtsvor- und -nachbereitung, sondern auch für den Unterricht ein signifikanter Zusammenhang zwischen der wahrgenommenen Sinnhaftigkeit des Lehr‐ werks und der Häufigkeit der Verwendung der Lehrwerkbestandteile zu bestehen scheint. Die Ergebnisse legen nahe, dass eine Lehrkraft, die das Lehrwerk als sinnhaft beurteilt, auch dazu neigt, dessen Bestandteile häufiger zu verwenden. 4.5 Zur Identifikation von Zusammenhängen 407 <?page no="408"?> Rho p Lehrbuch (Lehrendenfassung) 0,551 <0,001 Lehrbuch (Lernenenfassung) 0,166 0,095 Arbeitsheft (Lehrendenfassung) 0,593 <0,001 Arbeitsheft (Lernendenfassung) 0,118 0,236 Differenziertes Arbeitsheft (Lehrendenfassung) 0,314 0,003 Differenziertes Arbeitsheft (Lernendenfassung) 0,258 0,016 Grammatikheft 0,610 <0,001 Grammatik zum Selbstausfüllen 0,498 <0,001 Vokabeltaschenbuch 0,438 <0,001 Lehrwerkbasierte Lektüren 0,469 <0,001 Handreichung für Lehrkräfte 0,371 <0,001 Vorschläge zur Leistungsmessung 0,269 0,006 Kopier-/ Arbeitsfolien 0,445 <0,001 Klassenarbeitstrainer 0,353 <0,001 E-Book-Version des Lehrbuchs 0,732 <0,001 Audio-CD 0,457 <0,001 Video-DVD 0,514 <0,001 Smart-/ Whiteboardmaterialien 0,463 <0,001 Internetbasierte Tools 0,486 <0,001 Vokabelapps 0,202 0,059 Tabelle 71: Bivariate Korrelationsanalyse: Sinnhaftigkeit und Verwendung von Lehrwerkbestand‐ teilen im Unterricht Variablen: Nachteile von Lehrwerken und Häufigkeit der Verwendung von Lehrwerkbestandteilen Auch wenn die Einschätzung über die Sinnhaftigkeit von Lehrwerkbestandteilen in einem Zusammenhang mit der Verwendung dieser zu stehen scheint, zeigt sich in Anlehnung an die vorangegangenen statistischen Befunde, dass sich diese Erkenntnis nicht auf die Einschätzung über Nachteile von Lehrwerken, die potenziell auch Auswirkungen auf die beigemessene Sinnhaftigkeit haben können, übertragen lässt. So ergibt sich zwischen o. g. Variablen nur ein schwacher und nicht signifikanter Zusammenhang für die Verwendung zur Unterrichtsvor- und -nachbereitung (Rho=0,135; p=0,168) sowie für die Verwendung während des Unterrichts (Rho=0,127; p=0,198). 408 4 Empirische Untersuchungsergebnisse <?page no="409"?> Hieraus kann geschlussfolgert werden, dass auch wenn die Einschätzung von Lehr‐ kräften zu Nachteilen von Lehrwerken ausgeprägt ist, damit nicht systematisch einhergeht, dass sie auch weniger verwendet werden. Variablen: Nutzung von Handlungsoptionen und … In der deskriptiv-statistischen Analyse in Kap. 4.3 hat sich überdies die Nutzung von Handlungsoptionen zur Veränderung und Optimierung als Variable herauskristallisiert, die statistisch tiefergehend untersucht werden sollte und die im Wesentlichen auf den Zustimmungsgrad in anderen Bereichen einzuwirken scheint. a. Bedeutsamkeit der Veränderung von Lehrwerkaufgaben, -übungen und -texten Ein weiterer schwacher bis mittelstarker und statistisch signifikanter Zusammenhang zeigt sich zwischen den o. g. Variablen. Lehrkräfte, denen eine Veränderung von Lehrwerkinhalten wichtig ist, bedienen sich auch häufiger bestimmten Handlungsoptionen zur Veränderung bzw. Optimierung dieser, indem sie Inhalte, Aufgaben und Übungen insb. vorziehen (Rho=0,2; p=0,044), ergänzen (Rho=0,221; p=0,024), teilersetzen (Rho=0,348; p<0,001) und umschreiben (Rho=0,276; p=0,006). b. das Interesse am Ausprobieren neuer Methoden und Medien Darüber hinaus konnte festgestellt werden, dass die Nutzung von bestimmten Handlungs‐ optionen (insb. Ergänzen (Rho=0,197; p=0,045) und Umschreiben (Rho=0,217; p=0,033)) in einem schwachen, positiven und signifikanten Zusammenhang mit dem Interesse am Ausprobieren neuer Methoden und Medien im Unterricht zu stehen scheint. c. Bedeutsamkeit eines kreativen Umgangs mit dem Lehrwerk Neben dem Interesse am Ausprobieren neuer Methoden und Medien steht auch die Bedeut‐ samkeit eines kreativen Umgangs mit dem Lehrwerk in einem Zusammenhang mit der Häufigkeit der Nutzung bestimmter Handlungsoptionen. Schwache, aber signifikante Zu‐ sammenhänge zeigen sich hier insb. bei den Handlungsoptionen Teilersetzen (Rho=0,223; p=0,024) und Umstellen (Rho=0,231; p=0,021). Demnach bedienen sich Lehrkräfte, denen ein kreativer Umgang mit dem Lehrwerk wichtig ist, auch häufiger bestimmter Handlungsop‐ tionen zur Veränderung bzw. Optimierung des Materials. d. Bedeutsamkeit eines kritischen Umgangs mit dem Lehrwerk Hingegen zeigt sich entgegen den Erwartungen nur ein schwacher und nicht signifikanter Zusammenhang zwischen den o. g. Variablen, was bedeutet, dass Lehrkräften zwar ein kritischer Umgang mit dem Lehrwerk wichtig sein kann, damit jedoch nicht systematisch einhergeht, dass sie auch häufiger Handlungsoptionen zur Veränderung von Lehrwerkinhalten nutzen. Nachfolgend sind die Ergebnisse der Korrelationsanalysen in tabellari‐ scher Form dargestellt. 4.5 Zur Identifikation von Zusammenhängen 409 <?page no="410"?> Abbildung 25: Bivariate Korrelationsanalyse: Bedeutsamkeit eines kritischen Umgangs mit dem Lehrwerk und Nutzung von Handlungsoptionen Aus den in diesem Teilkapitel durchgeführten Berechnungen lassen sich demnach folgende Hypothesen in den Bereichen der subjektiven Sichtweise auf das Lehrwerk und seiner Rezeption und Verwendung unter Berücksichtigung ihrer Wechselwirkungen ableiten. Generierte Hypothesen Je sinnhafter die Lehrwerkbestandteile eingeschätzt werden, desto häufiger werden sie auch verwendet. Je wichtiger Lehrkräften die Veränderung von Lehrwerkaufgaben, -übungen und -texten ist, desto eher bedienen sie sich Handlungsoptionen zur Veränderung von Lehrwerkbestandteilen. Je lieber Lehrkräfte neue Methoden und Medien im Unterricht ausprobieren, desto häufiger bedienen sie sich Handlungsoptionen zur Veränderung von Lehrwerkbestandteilen. Je wichtiger Lehrkräften ein kreativer Umgang mit dem Lehrwerk ist, desto häufiger bedienen sie sich Handlungsoptionen zur Veränderung von Lehrwerkbestandteilen. Mit der von den Lehrkräften berichteten Bedeutsamkeit eines kritischen Umgangs mit dem Lehrwerk geht nicht systematisch einher, dass häufiger Handlungsoptionen zur Veränderung von Lehrwerkbestandteilen genutzt werden. Mit den von den Lehrkräften genannten Nachteilen von Lehrwerken geht nicht systematisch einher, dass Lehrwerkbestandteile weniger häufig verwendet werden. Tabelle 72: Generierte Hypothesen in den Bereichen der subjektiven Sichtweise, der Rezeption und Verwendung sowie ihnen zugrunde liegende Wechselwirkungen 410 4 Empirische Untersuchungsergebnisse <?page no="411"?> 4.5.3 Die Variable der Berufserfahrung unter lehrwerkbezogenen Gesichtspunkten: eine explorative Datenanalyse In der explorativen Datenanalyse konnte darüber hinaus mit der Berufserfahrung der Lehrkräfte ein weiterer Faktor identifiziert werden, der interessante und teils auch überra‐ schende Hinweise zu verschiedenen lehrwerk(verwendungs-)bezogenen Aspekten liefert. Zwischen den Variablen Berufserfahrung der Lehrkräfte und Einengung durch das Lehrwerk erweist sich der Zusammenhang deutlich schwächer als erwartet und fällt nicht signifikant aus (Rho=0,144; p=0,151). Demnach geht mit mehr Berufserfahrung tendenziell nicht einher, dass sich Lehrkräfte durch das Lehrwerk auch weniger eingeengt fühlen. Dies zeigt sich auch in der Untersuchung der Variablen Berufserfahrung der Lehrkräfte und Sicherheit im Umgang mit Lehrwerken. Der in den Daten ersichtliche Zusammenhang ist nur sehr schwach und deutlich nicht signifikant (Rho=-0,018; p=0,854). Die Daten unterstützen also erstaunlicherweise nicht die Vermutung, dass es einen systematischen Zusammenhang zwischen der Berufserfahrung der Lehrkräfte und der berichteten Sicherheit im Umgang mit Lehrwerken gibt. Darüber hinaus wurde eruiert, ob zwischen Lehrkräften, die angabegemäß, das Lehrbuch analysieren und den Lehrkräften, welche dies nicht tun, ein signifikanter Unterschied in der Berufserfahrung existiert. Hier zeigt sich im MWU-Test wider Erwarten kein signifikanter Zusammenhang (p=0,675). Lehrkräfte mit weniger Berufserfahrung analysieren das Lehr‐ buch nicht signifikant häufiger als solche mit mehr Berufserfahrung (r=0,04). Für die vorliegende Untersuchung ist nicht nur die Frage relevant, ob Lehrkräfte, die das Lehrbuch, also den hauptsächlich verwendeten Lehrwerkbestandteil, analysieren im Mittel mehr Berufserfahrung besitzen, sondern auch, wie sich dieser Sachverhalt auf die anderen Lehrwerkbestandteile übertragen lässt. Ähnlich wie vorausgehender Berechnung zu ent‐ nehmen ist, besteht kein signifikanter Unterschied in der Berufserfahrung zwischen den Teilnehmenden, welche die Lehrer*innenhandreichungen analysieren und denen, die sie nicht kritisch sichten (r=0,12; p=0,287). Dieser Befund ist dahingehend interessant, als dass sich unerfahrenere Lehrkräfte anscheinend nicht häufiger kritisch mit den Handreichungen auseinandersetzen. Vergleichbare Ergebnisse konnten auch im Rahmen der Untersuchung der Variablen der Berufserfahrung und der Analyse des Arbeitshefts (r=0,15; p=0,191), der Audio-CD (r=0,01; p=0,951) und der digitalen Lehrwerkbestandteile (r=0,10; p=0,383) ermit‐ telt werden. Auch bei der kritischen Durchsicht dieser Lehrwerkkomponenten konnte kein signifikanter Unterschied der Berufserfahrung zwischen den Gruppen der analysierenden und der nicht analysierenden Proband*innen festgestellt werden. Darüber hinaus kann konstatiert werden, dass es keinen signifikanten Zusammenhang zwischen der Berufserfahrung und der Anzahl analysierter Lehrwerkbestandteile zu geben scheint (Rho=0,076; p=0,439). Mit geringerer Berufserfahrung geht also nicht systematisch einher, dass auch mehr Lehrwerkbestandteile analysiert werden. In Relation zu den vorherigen Ergebnissen steht auch die Untersuchung der Variablen der Berufserfahrung der Lehrkräfte und der Analyse von Lehrwerken zu unterschiedlichen Zeitpunkten. Es zeigt sich, dass die Unterschiede je nach Zeitpunkt groß sind. Die Berufs‐ erfahrung der Befragten, die angabegemäß eine Lehrwerkanalyse vor der Einführung des Lehrbuchs durchführen, ist deutlich größer als die der Befragten, die das Lehrwerk vor der Einführung des Lehrbuchs kritisch sichten (MWU-Test: r=0,28; p=0,012). In Bezug auf eine 4.5 Zur Identifikation von Zusammenhängen 411 <?page no="412"?> Analyse vor der Einführung einer Lektion ist der Effekt andersherum: Die Berufserfahrung der Befragten, welche angeben eine Analyse vor der Einführung einer Lektion durchzuführen, ist deutlich (wenn auch knapp nicht signifikant) geringer als die der Befragten, welche dies nicht tun (MWU-Test: r=0,19; p=0,083). Die Assoziationen zwischen der Berufserfah‐ rung und der Analyse des Lehrbuchs nach der Verwendung über einen längeren Zeitraum sowie nach einer Lektion fallen dagegen sehr schwach und deutlich nicht signifikant aus (MWU-Test: r=0,04; p=0,700 bzw. r=0,05; p=0,625). Ferner wurde untersucht, ob ein Zusammenhang zwischen der Berufserfahrung und der Ver‐ wendung bestimmter Lehrwerkbestandteile existiert. Dabei liegt der Fokus auf den Lehrer*innen‐ handreichungen, dem digitalen Lehrbuch und dem Unterrichtsassistenten bzw. Unterrichtstoff‐ verteilungsplaner. Die Wahl dieser Variablen basiert auf der Vermutung, dass diese Bestandteile für unerfahrenere Lehrkräfte durch ihre unterstützende Funktion, insb. zur Unterrichtsvor- und -nachbereitung einen Mehrwert ergeben. Für die Lehrer*innenhandreichungen fällt der Zusammenhang schwach negativ und knapp nicht signifikant aus (Rho=-0,175; p=0,074). Dieses Ergebnis ist dahingehend interessant, als dass unerfahrenere Lehrkräfte anscheinend nicht systematisch intensiver die Handreichungen verwenden als erfahrene Lehrkräfte. Für das digitale Lehrbuch konnte nur ein sehr schwacher Zu‐ sammenhang identifiziert werden, der deutlich nicht signifikant ausfällt (Rho=0,047; p=0,644). Es besteht somit offensichtlich kein systematischer Zusammenhang zwischen der Berufserfahrung und der Verwendung des digitalen Lehrbuchs. Auch dieses Ergebnis ist überraschend, da das di‐ gitale Lehrbuch direkte Verknüpfungen zu anderen Lehrwerkbestandteilen beinhaltet und es den Lehrkräften erleichtert die Verwendungs- und Kombinationsmöglichkeiten weiterer Lehrwerk‐ komponenten zu ermitteln. Auch für den Unterrichtsassistenten bzw. -stoffverteilungsplaner fällt die Korrelation schwach negativ und deutlich nicht signifikant aus (Rho=-0,108; p=0,293). Wie zuvor ist auch dieses Resultat erstaunlich, da die Verwendung dieses Lehrwerkelements für unerfahrene Lehrkräfte eine Unterstützung bei der Unterrichtsplanung darstellen kann und es ihnen ermöglicht, abzugleichen, ob der bearbeitete Inhalt dem vorgesehenen Zeitplan entspricht oder nicht. Ähnliches lässt sich auch für die Untersuchung der Variablen Berufserfahrung und der Nutzung von Handlungsoptionen feststellen. Der Zusammenhang zwischen der Dauer der Lehrtätigkeit und der Intensität der Nutzung der Handlungsoptionen ist in allen Fällen schwach bis sehr schwach und nicht signifikant (0,035<Rho<0,184; 0,071<p<0,727). Daraus wird abgeleitet, dass Lehrkräfte mit mehr Berufserfahrung sich nicht auch systematisch häufiger der Nutzung von Handlungsoptionen zur Veränderung und Optimierung von Lehrwerken bedienen. Die erlangte Erkenntnis kann durch die Untersuchung der Variablen Erfahrung mit Lehrwerken (Anzahl), die nicht zwingend mit der Berufserfahrung einhergehen muss, und Häufigkeit der Nutzung von Handlungsoptionen untermauert werden. Es besteht entgegen den Erwartungen kein statistisch signifikanter Zusammenhang zwischen beiden Variablen (0,001<Rho<0,141; 0,153<p<0,990). Geschlussfolgert wird, dass Lehrkräfte mit mehr Lehrwerkerfahrung nicht auch systematisch häu‐ figer Handlungsoptionen zur Veränderung und Optimierung von Lehrwerken nutzen. Über die bereits gewonnenen Erkenntnisse hinaus, ist von Interesse, ob mit zunehmender Berufserfahrung auch die Bedeutsamkeit von lehrwerkunabhängigem Unterricht zunimmt. Da die Korrelation nicht signifikant ist (r=0,143; p=0,145), kann diese Vermutung nicht bestätigt werden. In Verbindung mit dieser Erkenntnis wurde ebenfalls untersucht, ob die Berufserfahrung im Zusammenhang 412 4 Empirische Untersuchungsergebnisse <?page no="413"?> mit dem Interesse am Ausprobieren neuer Methoden/ Medien steht. Auch dieser Zusammenhang ist nicht signifikant (r=0,095; p=0,336), weshalb davon auszugehen ist, dass Lehrkräfte mit mehr Berufserfahrung nicht unbedingt dazu neigen, eher neue Methoden/ Medien auszuprobieren als Lehrkräfte mit wenig Berufserfahrung. Um diese Ergebnisse besser einordnen zu können, wurde ermittelt, ob Lehrkräfte mit steigender Berufserfahrung dazu tendieren, ihren Umgang mit dem Lehrwerk zu analysieren. Da auch diese Fragestellung mit einer nicht signifikanten Korrelation einhergeht (r=0,096; p=0,339), ist anzunehmen, dass Lehrkräfte mit mehr Berufserfahrung ihren Umgang mit dem Lehrwerk nicht automatisch eher analysieren. Bei einer reinen Betrachtung dieser statistischen Befunde sind diese Zusammenhänge somit abzulehnen. Auch hier lohnt sich jedoch eine Analyse der Antwortverteilungen. In allen drei Fällen machen die Antworten sehr wichtig bis teils teils über 90-% der Antworten aus, wobei die prozentuale Gewichtung zwischen diesen Antwortoptionen nahezu ausgeglichen ist. Insbesondere bei der Frage nach dem Interesse am Ausprobieren neuer Methoden/ Medien geben 43,8-% der Befragten an, dass ihr Interesse sehr hoch sei. Daraus kann geschlussfolgert werden, dass unabhängig von der Berufserfahrung eine große Bereitschaft dazu existiert, den eigenen Umgang mit dem Lehrwerk zu analysieren, und dass damit einhergehend auch das Interesse am Ausprobieren neuer Methoden und Medien sowie die Bedeutsamkeit eines lehrwerkunabhängigen Unterrichts stark ausgeprägt sind. Aus den vorangegangenen Berechnungen lassen sich demnach folgende Hypothesen in den Bereichen der subjektiven Sichtweise auf das Lehrwerk und seiner Rezeption und Verwendung unter Berücksichtigung des Faktors der Berufserfahrung ableiten. Generierte Hypothesen Mit steigender Berufserfahrung geht nicht systematisch einher, dass sich die Lehrkräfte auch weniger durch das Lehrwerk eingeengt fühlen. Mit steigender Berufserfahrung geht nicht systematisch einher, dass sich Lehrkräfte im Umgang mit dem Lehrwerk sicherer fühlen. Lehrkräfte mit weniger Berufserfahrung analysieren das Lehrwerk nicht signifikant häufiger als solche mit mehr Berufserfahrung. Mit geringerer Berufserfahrung geht nicht systematisch einher, dass auch mehr Lehrwerkbestand‐ teile analysiert werden. Mit weniger Berufserfahrung geht nicht systematisch einher, dass häufiger (digitale) Lehrer*innen-Lehrwerkbestandteile genutzt werden. Mit mehr Berufserfahrung geht nicht systematisch einher, dass häufiger Handlungsoptionen zur Veränderung von Lehrwerken genutzt werden. Mit steigender Anzahl verwendeter Lehrwerke geht nicht systematisch einher, dass häufiger Handlungsoptionen zur Veränderung von Lehrwerken genutzt werden. Mit mehr Berufserfahrung geht nicht systematisch einher, dass • die Bedeutsamkeit von lehrwerkunabhängigem Unterricht zunimmt. • das Interesse am Ausprobieren neuer Methoden/ Medien zunimmt. • Lehrkräfte ihren Umgang mit dem Lehrwerk eher analysieren. Tabelle 73: Generierte Hypothesen in den Bereichen der subjektiven Sichtweise sowie der Rezeption und Verwendung unter Berücksichtigung des Faktors der Berufserfahrung 4.5 Zur Identifikation von Zusammenhängen 413 <?page no="415"?> 5 Abschließende Bemerkungen und Ausblick Das abschließende fünfte Kapitel zeigt zunächst den geleisteten Beitrag der vorliegenden Studie zur Fundierung der empirischen Lehrwerkverwendungsforschung auf (5.1). Im Anschluss daran werden auf Basis der empirischen Befunde und ihrer Diskussion in den vorherigen Kapiteln vor dem Hintergrund aktueller fremdsprachendidaktischer Dis‐ kurse Implikationen für die Lehrwerkentwicklung und die Lehrer*innenbildung abgeleitet (5.2). In einer anschließenden Rückschau erfolgt eine kritische Reflexion des gewählten Forschungsansatzes (5.3). Zuletzt werden in Form eines Ausblicks Forschungsdesiderata und konkrete Möglichkeiten für zukünftige Forschungsprojekte formuliert (5.4). 5.1 Gesamtschau: Der Beitrag der vorliegenden Studie zur Fundierung der empirischen Lehrwerkverwendungsforschung Mit den gewonnenen Ergebnissen konnten evidenzbasierte Aussagen zu den im Erkennt‐ nisinteresse ausgewiesenen Aspekten getätigt und die formulierten Zielsetzungen erfüllt werden. Demnach wurden das bisher kaum erschlossene Feld des Unterrichts des Spa‐ nischen als zweite Fremdsprache an weiterführenden Schulen sowie der bisher primär theoretisch erarbeitete Bereich der Lehrwerk(verwendungs-)forschung mit umfangreichen empirischen Erkenntnissen angereichert. Theoretische Zugänge und Konzeptualisierungs‐ versuche zur Interaktion von Lehrkräften mit Lehrwerken konnten inhaltlich gefüllt, ausdifferenziert und geschärft sowie teils auch restrukturiert werden. Auf zahlreiche offene Fragen, die im Forschungsdiskurs zu Lehrwerken und ihrer Verwendung u. a. von Fäcke und Mehlmauer-Larcher (2017) sowie Kurtz (2020) hervorgehoben werden, wurden mit den vorliegenden Ergebnissen empirisch-basierte Antworten geliefert und neue Perspektiven auf den Untersuchungsgegenstand eingenommen. Diese schlüsseln insb. die Wahrnehmung von und den Umgang mit Lehrwerken auf. Anhand der entwor‐ fenen Konzeptualisierung des Untersuchungsgegenstandes auf Basis einer hermeneutischdiachronisch angelegten Aufarbeitung der für das Forschungsprojekt wichtigen Diskus‐ sions- und Erkenntnislage, des empirischen Zugangs und der ermittelten Forschungs‐ ergebnisse konnte das Geflecht zwischen der subjektiven Sichtweise auf Lehrwerke, deren Rezeption und Verwendung sowie strukturellen Faktoren zuverlässig abgebildet werden. Damit kann die vorliegende Studie einen Beitrag zur Weiterentwicklung der Lehrwerkforschung leisten: „Solange dieses Bedingungsgefüge nicht erforscht ist, werden Lehrwerkkritik und -analyse, aber auch empirische Lehrwerkforschung […] immer an ihre Grenzen stoßen“ (Kleppin 1984, 16). Zusammenfassend wurden Erkenntnisse zu den folgenden Bereichen unter Berücksichtigung ihrer Wechselwirkungen generiert: • Kognitive Dimension der subjektiven Sichtweise: konkrete materialbezogene Denk- und Entscheidungsprozesse, lehrwerk(verwendungs-)bezogene deklarative, prozedu‐ rale und selbstbezogene Kognitionen der Lehrkräfte (vgl. Kap. 4.2.1); <?page no="416"?> - deklarativ: Kenntnisse zur Terminologie (Lehrwerk, Analyse, Entwicklung, Ver‐ wendung), Vertrautheit mit dem Gesamtlehrwerk, bildungspolitischen Doku‐ menten und der Lehrwerkforschung; - prozedural: Lehrwerkverwendungswissen, lehrwerk(verwendungs-)bezogenes Erfahrungswissen, lehrer*innenseitiges Funktionsverständnis von Lehrwerken bei der Lehrwerkverwendung; - selbstbezogen: lehrwerk(verwendungs-)bezogenes Aufgabenverständnis; • Affektive Dimension der subjektiven Sichtweise: attitudinale und motivationalvolitionale Aspekte (vgl. Kap. 4.2.2); - attitudinal: Gründe für die (Un-)Zufriedenheit mit Lehrwerken, Erwartungen und Wünsche, Funktionszuschreibung, Einstellungen zu Vor- und Nachteilen von Lehrwerken, zur Sinnhaftigkeit von Lehrwerken und ihren Bestandteilen sowie zu Alternativen zu Lehrwerken; - motivational-volitional: z. B. die Bereitschaft zu einem kritischen und kreativen Umgang mit dem Material und das Interesse am Ausprobieren neuer Ansätze in der Lehrwerkarbeit; • Rezeption und Verwendung (vgl. Kap. 4.3); - der Lehrwerkverwendung zugrunde gelegte Motive im Verbund mit fachdidaktischen Kenntnissen und Einstellungen der Lehrkräfte sowie situative Parameter; - konkrete Lehrwerkrezeption und -verwendung zur Unterrichtsvor- und -nachbereitung sowie im Unterricht, v.-a. das Was, Wann, Wie oft, Warum und Wie; • Nutzungshäufigkeit der Lehrwerkbestandteile, Unterrichtsphasierung und -sequenzierung, konkrete Lektionsarbeit, unterrichtspraktische Umsetzung und Nutzung von Handlungsoptionen, lehrwerkunabhängiger Unterricht, Thematisierung des Lehrwerks auf einer Meta-Ebene im Unterricht in Inter‐ aktion mit den Lernenden; • Materialselektionsprozesse und -veränderungsmaßnahmen und ihre Häufig‐ keit, Gründe sowie Art und Weise; • Strukturelle Faktoren: institutionelle, zeitliche, themen-/ inhaltsspezifische und klassen- und ausstattungsbezogene Parameter sowie die COVID-19-Pandemie (vgl. Kap. 4.4); • Potenzielle Wechselwirkungen zwischen den verschiedenen Bereichen des Untersuchungsgegenstands (dimensionenübergreifende Zusammenhänge) (vgl. Kap. 4.5). Mit dem entwickelten Verständnis von empirischer Lehrwerkforschung und dem daraus resultierenden Forschungsansatz konnten Kernelemente einer empirischen Lehrwerk‐ verwendungsforschung identifiziert, strukturiert sowie mit Datenmaterial untermauert werden. Diese können als Grundlage und Orientierungspunkte für weitere Projekte dienen (vgl. Kap. 5.4). Sie liefern ein konkretes Gerüst, um das Faktorengefüge von Lehrwerken (in seinen Wechselwirkungen) mitzudenken, Lehrwerke fortan nicht mehr isoliert zu betrachten und die bisher noch häufig getrennt voneinander behandelten Dimensionen der Lehrwerkforschung weiter systematisch aufeinander zu beziehen (vgl. zur Verschränkung der Forschungsbereiche der Lehrwerkentwicklung und -verwendung Kap. 5.2). Bei der Konzeptualisierung von Untersuchungsgegenständen und der Entwicklung von Untersuchungsdesigns im Bereich der empirischen Lehrwerk(verwendungs-)forschung gilt 416 5 Abschließende Bemerkungen und Ausblick <?page no="417"?> es, das Faktorengefüge, in dem sich Lehrwerke wiederfinden, genau aufzuschlüsseln. Der vorliegende theoretisch-konzeptionelle sowie empirische Zugang zeigt eine Zerlegung in Hauptdimensionen unter Berücksichtigung bestehender Wechselwirkungen, die einer wei‐ teren Feinstrukturierung unterzogen wurden. Wenn man den Umgang mit Lehrwerken im Kern ergründen möchte, kann man sich nicht ausschließlich auf Meinungen zu und Erwar‐ tungen an Lehrwerke/ n sowie auf einen Selbstbericht der Lehrkraft zu Verwendungsweisen beschränken. Wie die vorliegende Studie unterstreicht, muss insb. der kognitive Bereich bei der Konzeptualisierung mitgedacht werden, da dieser im Zusammenhang mit der Mei‐ nungsbildung und dem Nutzungsverhalten steht und ihm eine Art Filterfunktion zukommt (vgl. Kap. 5.2). Ebenfalls können strukturelle Faktoren nicht unberücksichtigt bleiben, deren Wirkkraft durch die vorliegenden Untersuchungsergebnisse bestätigt werden konnte. Viele der im Zuge dieser Untersuchung generierten Erkenntnisse lassen sich nur unter Rückbin‐ dung an den Schulkontext und systembedingte Aspekte verstehen bzw. interpretieren. Hierbei handelt es sich bspw. um pragmatische Materialauswahlentscheidungen und einen höheren Abhängigkeitsgrad von Lehrwerken bzw. eine fehlende Realisierungsmöglichkeit lehrwerkunabhängigerer Formate aufgrund unterrichtlicher Rahmenbedingungen. Des Weiteren müssen Bereiche wie die konkrete Unterrichtsituation, der -verlauf, weitere -vorkommnisse und die Reaktionen der Lernenden mitberücksichtigt werden, die oftmals spontaner Natur sind und sich aus der Unterrichtsinteraktion ergeben. Daraus geht hervor, dass die Erforschung der Verwendung von Lehrwerken ohne An‐ bindung an den unmittelbaren Verwendungskontext und die schulunterrichtliche Realität möglicherweise an den Gegebenheiten von Fremdsprachenunterricht vorbeiläuft und die Multifaktorialität und Spezifik von Unterricht (Phasierung, Sequenzierung, Interaktion) nicht vollständig abbilden kann. Bei dem ausschließlichen Einsatz von Befragungen (ohne Unterrichtsbeobachtungen) zur Ergründung der Verwendung von Lehrwerken sind die Ergebnisse stark durch die Perspektive und den Wahrnehmungshorizont der Befragten determiniert. Darüber hinaus bleibt die Prozess- und Interaktionsperspektive weitgehend unberücksichtigt, da sich die Vielzahl an Aspekten, die Unterricht bedingen, nicht durch eine Befragung ohne direkte Anbindung an den Verwendungskontext darstellen lässt. Diese Feststellung lässt sich mit den folgenden Studienergebnissen untermauern, die in besonderem Maße aus der Verschränkung der quantitativen und qualitativen Datenstränge der Befragungen und Beobachtung sowie ihrer Analyse hervorgehen und einen Anlass zur Neu-Perspektivierung der Erkenntnisse darstellen: Es wurden bspw. Differenzen festgestellt zwischen… • den Angaben zur (Häufigkeit der) Verwendung von Lehrwerkbestandteilen im Fra‐ gebogen und der im Rahmen der Beobachtung tatsächlich eingesetzten Lehrwerkkomponenten; • den Angaben zur (Häufigkeit der) Verwendung von Handlungsoptionen zur Verände‐ rung von Lehrwerkbestandteilen im Fragebogen und den im Beobachtungszeitraum tatsächlich genutzten Veränderungsmöglichkeiten; • den Angaben zur Bedeutsamkeit eines kritischen und kreativen Umgangs mit dem Lehrwerk sowie lehrwerkunabhängigen Unterrichtens im Fragebogen und den im Rahmen der Beobachtung gezeigten Verwendungsweisen und Unterrichtsformaten; 5.1 Gesamtschau 417 <?page no="418"?> • den Angaben zu den eher global-angelegten Nachteilen von Lehrwerken für Lehrende und Lernende im Fragebogen und den in der Beobachtung und im Interview sehr spezifisch und i. d. R. ausschließlich auf einzelne Lehrwerkbestandteile, Lektionsteile sowie Aufgaben und Übungen zugeschnittenen Problematiken, die eine basale Unter‐ richtsebene betreffen; • den Angaben zu den eher global-angelegten Nachteilen von Lehrwerken für Lehrende und Lernende im Fragebogen und den in der Beobachtung und im Interview reflek‐ tierten Problematiken vor dem Hintergrund institutioneller Rahmenbedingungen und unterrichtlicher Faktoren. Diese Feststellungen zeigen umso deutlicher, dass die empirische Ergründung des Um‐ gangs mit dem Lehrwerk nicht losgelöst vom tatsächlichen (und beobachtetem) Ver‐ wendungskontext stattfinden sollte, um mögliche Fehleinschätzungen und verzerrte Wahrnehmungen zu vermeiden. Bei der Entwicklung von Untersuchungsdesigns sollten dementsprechend beide Blickrichtungen der Interaktion mit Lehrwerken (durch Befra‐ gungen und Beobachtungen) aus einer pre-, while- und post-teaching-Perspektive einer Erforschung zugänglich gemacht werden. Mit dem gewählten Forschungsdesign wurde ein Beitrag zur Weiterentwicklung der empirischen Lehrwerk(verwendungs-)forschung mit Blick auf die forschungsmethodologische und -methodische Konzeption geleistet. So wurde an einem konkreten Beispiel illustriert, wie die im Forschungsdiskurs geforderte Verknüpfung verschiedener Erhebungsmethoden und -instrumente realisiert werden kann (vgl. dazu u.-a. Bolster 2015; Kleppin 1984; Moulton 1997; Opoku-Amankwa 2010). Ferner wird offenkundig, dass ein Mixed-Methods-Ansatz oder zumindest die syste‐ matische Kombination von quantitativen und qualitativen Formaten für verwendungsorientierte Studien im Bereich der Lehrwerkforschung konstitutiv sein kann, wenn man das Lehrwerk in seiner Faktorenkomplexion zu ergründen versucht. Damit konnte eine mögliche Antwort auf die von Sercu (2004, 628) aufgeworfene Frage „What research instruments are most reliable in the field of textbook research? “ gegeben werden. Mit der Kombination und Integration der hier gewählten Auswertungsmethoden (sta‐ tistische Verfahren und QIA) konnte eine Vielzahl an Aspekten, die den Umgang mit Lehr‐ werken beeinflussen, aufgezeigt werden. Dies erwies sich mit Blick auf die Charakteristika der Daten als sehr gewinnbringend, da auf diese Weise nicht nur eine intensivere Aus‐ einandersetzung mit den unterschiedlichen Datensätzen in ihrem wechselseitigen Bezug gewährleistet und jeweils neue Erkenntnisse generiert werden konnten, sondern auch die Perspektivierung und Gewichtung der Daten nachvollziehbar und die Identifikation von Zusammenhängen, Analogien und Differenzen ermöglicht wurde. Durch die Anwendung bivariater statistischer Verfahren konnten überdies dimensionenübergreifende Zusammen‐ hänge zwischen den Variablen zur subjektiven Sichtweise und Verwendung identifiziert, die integrativ gewonnenen Erkenntnisse der vorherigen Ergebniskapitel weiter aufgespannt sowie ein aus der explorativen Datenanalyse resultierender Faktor (Berufserfahrung) neu perspektiviert werden. Insbesondere für unerforschtere Untersuchungsfelder erzeigt sich die Vernetzung von verschiedenen (quantitativen und qualitativen) Erhebungs- und Auswertungsmethoden als sinnvoll. Auf diese Weise kann ein „differenziertes und reflektiertes Instrumentarium“ 418 5 Abschließende Bemerkungen und Ausblick <?page no="419"?> (Aguado 2013, 129) geschaffen werden, das sowohl eine globalals auch feinorientierte Untersuchung der (Vielzahl an) Variablen und Daten und ihren Wechselwirkungen erlaubt. Die vorliegende Systematisierung der Untersuchungsergebnisse und die gewählte Kom‐ bination verschiedener Formate der integrierten Ergebnisdarstellung (Quant-Qual-Darstel‐ lungen (tabellarisch, visuell) sowie textuell) entsprechen dem strukturellen Aufbau und der inhaltlichen Aufmachung der jeweiligen Ergebniskapitel und veranschaulichen, wie die verschiedenen Möglichkeiten der integrierten Darstellungsformen in Mixed-Methods- Studien umgesetzt und mit Blick auf den konkreten Untersuchungsgegenstand adaptiert werden können. Sofern empirische Lehrwerk(verwendungs-)forschung, wie hier praktiziert, als ein multifaktorielles, situationsabhängiges und dynamisches Unterfangen verstanden wird, erscheint die im Forschungsdiskurs häufig vorgenommene Einordnung von Meinungen und v. a. von Verwendungsweisen von Lehrkräften in verschiedene Typen fragwürdig (vgl. Kap. 2.3.2.3). Typologien können zur Grobstrukturierung und ggf. auch Vereinfachung eines Sachverhaltes sinnvoll sein. Positive Entwicklungen sind in manchen Typologien zu verzeichnen, die weichere Grenzen zwischen den einzelnen Verwendungstypen darlegen, affektive Elemente mit aufnehmen und einen Mischtyp konstruieren (vgl. dazu Kurtz 2011; Thaler 2016), woran sich die vorliegenden Studienergebnisse teilweise bzw. eher angliedern lassen. Mit Blick auf die verschiedenen Typologien wird dennoch offensichtlich, dass diese nicht all die Faktoren berücksichtigen können, die maßgeblich auf die Lehrwerkeinstellungen und -verwendung einwirken und auch Differenzierungen zwischen bzw. Abstufungen auf den einzelnen Ebenen werden nur bedingt sichtbar. Die vorliegende Untersuchung hebt in aller Deutlichkeit hervor, dass sich keine der beteiligten Lehrkräfte einem Typ/ Schema weder bei der Materialzufriedenheit noch bei der -verwendung zu‐ ordnen lässt, ohne die Zusammenhänge innerhalb der einzelnen Dimensionen des Untersuchungsgegenstands und deren Komplexität und Wechselseitigkeit außen vor zu lassen. Dies bekräftigt auch die teilweise in einer Unterrichtsstunde dargebotene Fülle verschie‐ dener lehrwerkabhängiger und eher -unabhängiger Formate. Im günstigsten Fall lassen sich mit typenbildenden Verfahren veränderbare und hochgradig spezifische Tendenzen in den Verwendungsweisen ableiten. Die ermittelten Nutzungsweisen verweisen dezidiert darauf, dass deren Grenzen weder starr in ihrer Anlage noch trennscharf zu behandeln sind und sich ebenfalls nicht gegenseitig ausschließen (vgl. Kap. 4.3.4.2). Es wird folglich dafür plädiert, komplexitätserhaltende Auswertungs- und Systemati‐ sierungsverfahren zu wählen. Ferner sollte der Einsatz von Typologien stets kritisch hinsichtlich der Vielzahl und Vielfalt an Faktoren, die auf Meinungen zu und die Ver‐ wendung von Lehrwerken Einfluss nehmen, und bestehende Wechselwirkungen sowie Veränderbarkeiten reflektiert bzw. deren Aussagekraft daher auf spezifische Bereiche zugeschnitten werden. In einer zu globalen bzw. pauschalen Anlage kann dies sonst zu ungenauen Einschätzungen führen, die die spezifischen Gegebenheiten nicht abbilden. Mit den generierten Erkenntnissen in den Ergebniskapiteln kann also die im wissenschaft‐ lichen Diskurs vorzufindende Annahme, dass sich unterrichtliche Lehrwerkverwendung womöglich lehrkraftbezogen typisieren ließe, relativiert bzw. neu perspektiviert werden. Mit der „empirische[n] Erforschung dessen, wie Lehrende und Lernende mit ihren Lehrwerken umgehen“ (Fäcke 2016, 45) lässt sich auf der einen Seite verdeutlichen, 5.1 Gesamtschau 419 <?page no="420"?> „welche Teile eines Lehrwerks in welcher Form rezipiert werden“ (ebd.). Auf der anderen Seite lassen sich mit einer derartigen Forschungsperspektive aber auch weitere „Schlüsse auf den Fremdsprachenunterricht selbst ziehen“ (ebd.), denn das Lehrwerk nimmt als zentralstes Medium des Fremdsprachenunterrichts der Sekundarstufe I Einfluss auf einen Großteil der ablaufenden Lehr- und Lernprozesse (vgl. dazu Rückl 2017, 248). Anders formuliert: Die vorliegenden Studienergebnisse liefern den empirischen Beleg, dass das Lehrwerk den Dreh- und Angelpunkt aller ablaufenden Unterrichtsprozesse darstellt, von dem aus Unterricht direkt oder zumindest indirekt geplant und durchgeführt wird. Auch lehrwerkunabhängigere Unterrichtsphasen und -sequenzen resultieren aus dem Rückbezug auf das Lehrwerk, von dem aus sich für oder gegen dessen Inhalte, Aufgaben und Übungen entschieden bzw. davon ausgehend Alternativen gewählt werden. Bei der Erforschung sämtlicher fremdsprachendidaktischer Aspekte, die die unterrichtliche Praxis in der Sekundarstufe I in den Blick nehmen (z. B. didaktisch-methodische Prinzipien, Kompetenzförderung, Arbeit mit/ an sprachlichen Mitteln, Lehrer*innensprache, Leistungs- und Prüfungskultur), muss aufgrund der vorliegenden Studienergebnisse bedacht werden, Lehrwerke zumindest als einen Faktor zur Erklärung und Interpretation gewisser Erkennt‐ nisse zu berücksichtigen (vgl. Kap.-1.1). 5.2 Implikationen für die Lehrwerkentwicklung und die Lehrer*innenbildung Im Folgenden werden auf Basis der empirischen Befunde und ihrer Diskussion in den Ergebniskapiteln Implikationen für die Lehrwerkentwicklung und die Lehrer*innenbildung vor dem Hintergrund aktueller fremdsprachendidaktischer Diskurse abgeleitet. Lehrwerkentwicklung Die vorliegenden Befunde erlauben die Schlussfolgerung, dass man die drei Bereiche der Lehrwerkforschung zwar zu strukturellen Zwecken und aufgrund der Bewahrung ihrer Spezifik und Intention voneinander trennen kann, sich diese „Grenzen“ jedoch in der Forschungspraxis und mit Blick auf die Weiterentwicklung des Forschungsfelds auflösen und fließend gedacht werden sollten (vgl. dazu u. a. Kleppin 1984; Tomlinson 2001). Daraus ergeben sich zentrale Implikationen für die Lehrwerkentwicklung. Zu bedenken ist dabei, dass insb. an die Lehrwerkentwicklung hochkomplexe Anforderungen gestellt werden, die aus unterschiedlichen Perspektiven verschiedener Akteur*innengruppen resultieren und teils nicht miteinander vereinbar sind (vgl. dazu u. a. Beyer 2018; Kap. 2.1.3, 2.3.2.2). Zudem lassen sie sich unter institutionellen Rahmenbedingungen (der Schule) auch nicht immer ohne Weiteres umsetzen. Daher werden hier ausschließlich Schlussfolgerungen formuliert, die sich aus den Ausführungen der Studienteilnehmenden ergeben und die vor dem Hin‐ tergrund der Aufmachung anderer fremdsprachlicher Lehrwerke als gewinnbringend und umsetzbar für die zukünftige Entwicklung von Spanischlehrwerken erachtet werden. Denn die Lehrwerkentwicklung entscheidet nicht nur darüber, was Gegenstand in Lehrwerken sein wird, sondern im Wesentlichen auch, wie die vorliegenden Studienergebnisse belegen, was Eingang in den Unterricht findet (Filterfunktion des Lehrwerks). Lehrkräfte zeigen 420 5 Abschließende Bemerkungen und Ausblick <?page no="421"?> grundsätzlich die Bereitschaft, Ansätze in Lehrwerken auszuprobieren (das Lehrwerk als agent of change, vgl. dazu Hutchinson/ Torres 1994), seltener hingegen fügen sie andere Formate und Inhalte hinzu oder konsultieren andere Materialquellen (vgl. Kap. 4.2, 4.3). Die Untersuchungsergebnisse zeigen, dass Lehrkräfte grundsätzlich mit dem Lehrwerk zufrieden und sich gewissen Problematiken der Lehrwerkentwicklung bewusst sind. Sie verstehen, dass es sich bei Lehrwerken natürlicherweise um konstruierte Medien handeln muss, die nicht für eine spezifische Lerngruppe und Unterrichtssituation konzipiert sein können. Außerdem stellen sie infrage, ob einige der an die Lehrwerkentwicklung herange‐ tragenen Probleme (z. B. fehlende Aktualität, ähnliche didaktisch-methodische Ansätze) und dem Lehrwerk zugeschriebene Funktionen (z. B. Authentizität, Individualisierung) angemessen sind. Herausgearbeitet werden konnte, dass für Lehrkräfte die in der Fach‐ diskussion thematisierten Nachteile von Lehrwerken in der Schulpraxis von wesentlich geringerer Bedeutung sind. Ebenso werden vereinzelte Funktionen des Lehrwerks, die im Forschungsdiskurs dem Lehrwerk zugeordnet werden, von den Lehrkräften nicht mit dem eigentlich dem Lehrwerk zugedachten Funktionsbereich assoziiert. Hieraus leitet sich eine zentrale Implikation ab: Lehrwerkentwicklung sollte unbedingt an die Gegebenheiten der Unterrichtspraxis und die Wahrnehmungen, Erwartungen und Wünsche der Lehrenden und Lernenden gekoppelt sein, um zwar einerseits wissenschaft‐ liche Erkenntnisse und Neuerungen implementieren zu können, aber andererseits auch die unterrichtliche Realität nicht aus den Augen zu verlieren. Mit dieser Feststellung kann die im Forschungsdiskurs vorzufindende Annahme, dass Lehrwerkentwicklungsforschung weitgehend losgelöst von den Lehrwerknutzenden und den spezifischen unterrichtlichen Kontextbedingungen sinnhaft und ertragreich praktiziert werden könne, relativiert bzw. neu perspektiviert werden. Mit der Ausrichtung der vorliegenden Studie erfolgt erstmals im Bereich der Spanisch‐ didaktik eine Vernetzung der Lehrwerkforschungsdimensionen der Verwendung und Ent‐ wicklung. Diese trägt der von Koenig (2017, 7) formulierten Notwendigkeit Rechnung, dass von Lehrkräften gemachte Erfahrungen und Einschätzungen der Lehrwerkentwicklung zugänglich gemacht werden (müssen). Die Lehrwerkentwicklung im Bereich des Spani‐ schen als Fremdsprache (und ggf. auch darüber hinaus) kann mit der vorliegenden Studie auf empirisch-basierte Erkenntnisse aus verschiedenen lehrwerkbezogenen Bereichen zurückgreifen, die der unmittelbaren Unterrichtspraxis entstammen und die die Perspektive der Lehrenden als eine der Hauptverwendenden des Materials offenlegen. Für die hier einbezogenen Lehrpersonen resultiert gemäß ihrem Verständnis von Lehrwerken und von Lehrwerkentwicklung, dass sie aktiv mit den Lehrwerkinhalten, -aufgaben und -übungen umgehen und diese an ihre Lerngruppen und die jeweilige Unterrichtssituation anpassen. In diesem Zuge wünschen sich die Teilnehmenden stärker sichtbare Möglichkeiten zur Lektionsbearbeitung und -umgestaltung (z. B. Kennzeichnung durch Symbole, weitere Querverweise), sodass ihnen ein kritischer und flexibler Umgang mit sowie ein Abweichen von dem Lehrwerk auch unter zeitlichen Gesichtspunkten erleichtert und die Hemm‐ schwelle dafür herabgesetzt wird. Im Rahmen der Datenanalyse konnten diesbezüglich die folgenden Schlussfolgerungen aus den Ausführungen der Lehrkräfte gezogen werden: 5.2 Implikationen für die Lehrwerkentwicklung und die Lehrer*innenbildung 421 <?page no="422"?> • Steigerung des Angebots von austauschbaren Modulen (Modularisierung der Lehr‐ werkarbeit); • vermehrte Vorschläge zur Reihenfolge der Bearbeitung der Lektionsteile bzw. Auf‐ gaben und Übungen; • konkrete Hilfen zur Nutzung von Handlungsoptionen: z. B. zum Ersetzen einer Aufgabe mit einer anderen, zum Auslassen/ Austauschen von Aufgaben und Übungen; • Unterstützung bei der Identifikation von Abweichungsmöglichkeiten vom Lehrwerk (sog. „Frei- und Spielräume“) und der Kopplung mit bzw. Umsetzung von lehrwerkunabhängigeren Formaten (z. B. inhaltliche und didaktisch-methodische Vorgehens‐ weisen, Projektunterricht) an konkreten/ besonders geeigneten Stellen in der Lektion; • mehr Hinweise und Angebote zu anderen bzw. lehrwerkunabhängigeren Materialien und internetbasierten Plattformen. Ergänzend zu den vorliegenden Studienergebnissen werden nachfolgend zwei Ansätze für fremdsprachliche Lehrwerke aus den Disziplinen der Fremdsprachendidaktik Deutsch und Französisch skizzenhaft vorgestellt. Diese können als studienexternes Material als Orien‐ tierungspunkt bzw. Impulsgeber für die Implementierung von Konzepten zur Förderung eines kritischen Bewusstseins gegenüber Lehrwerken dienen und Lehrende zur Reflexion der eigenen Verwendungspraktiken anregen. Im Lehrwerk für Deutsch als Fremdsprache geni@l klick (Klett, 2017) findet sich am Anfang der Handreichungen für Lehrkräfte ein Beitrag zur Bedeutung der Arbeit mit dem Lehrwerk (vgl. Koenig 2017, 7 ff.). Darin erläutert Koenig (ebd., 7), was Lehrwerkarbeit meint, welche Akteur*innen daran beteiligt sind und wie komplex der Umgang mit dem Lehrwerk ist. In diesem Zuge werden Lehrenden auch Hinweise zum Abweichen vom Lehrwerk (sog. „Ausstiegsprojekte“, ebd., 11) zuteil. Eine weitere Möglichkeit dazu findet sich in dem vom Klett-Verlag für das Französischlehrwerk Découvertes (Bernklau et al. 2020) entwickelten eCourse. Mit dem eCourse wird Lehrpersonen ein Gerüst im Sinne einer e-Lehrbuchlektion mit einem didaktisch-me‐ thodischen Konzept und einer gewissen Strukturierung und Abfolge von Texten, Aufgaben und Übungen an die Hand gegeben, mit dem sie Inhalte löschen, ersetzen, mit eigenen Ideen unterfüttern und/ oder gänzlich umstrukturieren können. Der eCourse erlaubt den Lehrkräften ein Abweichen vom Lehrwerk und das Einbetten eigener Ideen und Ansätze auf relativ komfortable und zeiteffizientere Weise, als dies mit den bisherigen Lehrwerk‐ bestandteilen als vorgefertigte Konstrukte möglich war. Die Untersuchungsergebnisse bestätigen, dass die vorangegangenen Erläuterungen nicht als Wunsch der Lehrenden nach einer Abkehr vom Lehrwerk zu verstehen sind, sondern sie sollen einen aufgeklärten und selbstbestimmten Umgang mit dem Lehrwerk befördern. Erstrebenswert wäre die Berücksichtigung der vorliegenden empirischen Unter‐ suchungsergebnisse sowie der Praxisbeispiele als hinzugezogenes studienexternes Material in der zukünftigen Entwicklung von Spanischlehrwerken: Lehrwerkforschung ist ein Bereich, der auf mehr Kooperation zwischen Forschung und Produktion wartet. Das würde der Qualität von Fremdsprachenunterricht nützen … und davon profitieren auch die Verlage … und natürlich die Schüler. (Meißner 2005, 192) 422 5 Abschließende Bemerkungen und Ausblick <?page no="423"?> Lehrer*innenbildung Trotz ihrer „weithin vorzufindende[n] Dominanz“ und „herausragende[n] Stellung im Unterrichtsgeschehen“ stehen Lehrwerke noch immer nicht im Vordergrund des aktuellen Diskurses der Lehrer*innenbildung, Ausbildung, Profession und Professionalisierung (vgl. Kurtz 2018b, 92). Dies lässt sich mit den vorliegenden Befunden untermauern: Etwas mehr als 40 % der Befragten geben an, dass sie sich im Studium in irgendeiner Form mit Lehrwerkanalyse beschäftigt haben. Mit knapp einem Drittel der Teilnehmenden ist die Lehrwerkverwendung als Thema des universitären Lehramtsstudiums von erheblich geringerer Bedeutung und die Lehrwerkentwicklung mit 6,7 % scheint gänzlich unbedeu‐ tend in der Lehrer*innen(aus-)bildung der ersten Phase zu sein. Dies verwundert, da die vorliegende Studie in aller Deutlichkeit zeigt, dass Lehrwerke nach wie vor das zentrale Medium des Fremdsprachenunterrichts der Sekundarstufe I darstellen, Lehrkräfte grundlegend positiv gegenüber Lehrwerken eingestellt sind und diese maßgeblich in ihrem Unterricht einsetzen bzw. diesen danach strukturieren. In der ersten Phase der universitären Ausbildung ist es demnach unabdingbar, zumindest in Grundzügen für das Medium Lehrwerk zu sensibilisieren (vgl. dazu Heitzmann/ Niggli 2010, 15), um „an der gesuchten Praxisnähe der heutigen Lehrer*innenausbildung“ (Kurtz 2018b, 92) nicht vorbeizugehen. Eine primäre und teils ausschließliche Fokussierung auf die „unterrepräsentierte [und, JLK] lehrwerkungebundene“ (ebd.) Alltagspraxis des Fremdsprachenunterrichts „mit filmischen, literarischen oder elektronischen Medien und Materialien bzw. die komplexe, vergleichsweise zeitaufwändige Inszenierung und Orga‐ nisation“ (ebd.) des Fremdsprachenlernens ist vor dem Hintergrund der vorliegenden Untersuchungsergebnisse bedenklich. Auch Garton und Graves (2014b, 275) weisen auf die Problematik hin, dass man ohne die (verstärkte) Einbindung des Lehrwerks als Lehrer*in‐ nenbildungsmedium Gefahr laufe, eine Kluft aufzumachen zwischen dem, was an der Universität gelehrt werde und wie Fremdsprachenunterricht in der Praxis ablaufe. Die Studienergebnisse belegen, dass die Unterrichts- und Materialienkultur maßgeblich durch das Lehrwerk gekennzeichnet ist, mit der sich angehende Lehrpersonen nach dem Lehramtsstudium unmittelbar konfrontiert sehen. Daher muss dem Übergang in die zweite Phase der Lehrer*innen(aus-)bildung eine Sensibilisierung für einen aufgeklärten und selbstbestimmten Umgang mit dem Lehrwerk vorgeschaltet sein. Nur so kann verhindert werden, dass Lehrwerke aufgrund fehlender Kompetenzen und Einsichten unreflektiert eingesetzt werden. Dies steht im Einklang damit, dass insb. Kenntnisse zum Lehrwerk und seiner Verwendung einen wichtigen Ausgangspunkt darstellen und auf die (spätere) Meinungsbildung und das Nutzungsverhalten vor, während und nach dem Unterricht einwirken. Die vorliegenden Untersuchungsergebnisse und abgeleiteten Implikationen liefern konkrete Anknüpfungspunkte und Umsetzungsmöglichkeiten zur Aneignung von lehrwerk(verwendungs-)bezogenen Kenntnissen während des Lehramtsstudiums und in Vorbereitung auf die folgenden (Aus-)Bildungsphasen. Auf einer kognitiven Ebene kann es dabei jedoch nicht nur um (deklarative) Kenntnisse zum Lehrwerk gehen. Daher müssen insb. Lehr-/ Lerngelegenheiten in der universitären Ausbildungsphase geschaffen werden, die den Erwerb von Kenntnissen zum Nutzungsverhalten als Lehrwerkverwendende anleiten (z. B. Welche Rolle wird mir als Lehrkraft durch das Lehrwerk zugeschrieben? Was weiß ich über Nutzungsmöglichkeiten des Materials? ). Nur so kann Studierenden 5.2 Implikationen für die Lehrwerkentwicklung und die Lehrer*innenbildung 423 <?page no="424"?> der hohe Stellenwert ihrer Rolle als Lehrkraft im Umgang mit dem Material und ihre Schlüsselfunktion bewusstgemacht werden (vgl. dazu auch Heitzmann/ Niggli 2010, 16). In der ersten Phase der Lehrer*innen(aus-)bildung kann und muss der Grundstein für einen kritischen, kreativen und flexiblen Umgang mit dem Material gelegt werden, wenn dieses in seiner Aufmachung und Intention von angehenden Lehrpersonen auch so verstanden werden soll. Damit im Zusammenhang steht auch die notwendige Bewusst‐ machung, dass Lehrwerke als veränderbar angesehen werden, die Sensibilisierung für Abweichungsmöglichkeiten, die Verringerung des Abhängigkeitsgrads von Lehrwerken und das Vertrautmachen mit verschiedenen Analyseverfahren zur Beurteilung des Mate‐ rials (z. B. kriteriengeleitet) (vgl. dazu u. a. Harwood 2014, 29). Wie aus den Befunden zum Verständnis von Lehrwerkanalyse hervorgeht, ist dieses in einer Vielzahl der Fälle unreflektiert und wenig zielgerichtet. Im Lehramtsstudium kann dieser Vernachlässigung entgegengewirkt werden, indem zumindest grundlegende Aspekte der Lehrwerkanalyse (z. B. dem Lehrwerk zugrunde liegende Lerntheorien und didaktisch-methodische Ansätze sowie daraus resultierende Konsequenzen) von angehenden Lehrkräften durchdrungen werden, ohne sie dabei in aller Tiefe verstehen zu müssen (vgl. dazu Augusto-Navarro, de Oliveira & Abreu-e-Lima 2014, 237; Heitzmann/ Niggli 2010, 17). Diese Forderung wird durch die Aussage von Lehrkraft III gestützt, die darauf aufmerksam macht, dass trotz jahrzehntelanger Berufserfahrung keine ausreichende Sensibilisierung für einen bewussten Umgang mit dem Lehrwerk in ihrem Fall vorliegt. Infolgedessen gehe die Lehrwerkverwendung eher unreflektiert vonstatten, z. B. ohne Abweichung vom Material trotz eigentlicher Indikation: B: #01: 16: 33-3# Ja, das ist jetzt auch erst so durch diese Perspektive und deine Arbeit, da so reingekommen. […] ich habe bisher immer bei allen Lehrbüchern das zur Hand genommen und habe gesagt, so, damit arbeite ich jetzt. Ich bin noch nie auf die Idee gekommen, mal zu sagen, ah, da ist ja jetzt dieses Material in dieser Form gestaltet. Könnten wir jetzt da nicht mal im Kolle-, in der Spanisch-Fachschaft darüber sprechen, ob wir bei diesem Lehrwerk das und das verändern oder das gemeinsam so und so machen und nicht so wie es ist. Also dieser kritische Ansatz, dass man überhaupt auch mal überlegt, warum ist das so, wie das ist. Der ist mir wirklich erst durch deine Arbeit so bewusst geworden. Bisher habe ich immer gedacht, auch die werden schon wissen in ihrem Verlag, warum sie das so machen. Es wird schon richtig sein. #01: 17: 42-5# (Interviewtranskript, LIII, 156) Um angehende Lehrpersonen auf ihrem Weg zur gewünschten optimalen Nutzung des Materials zu unterstützen, müssen umfassende Kenntnisse (fach- und lehrwerkbezogener sowie bezugswissenschaftlicher Natur) vermittelt werden, dies es ermöglichen, Lehrwerke „als komplexe didaktisch-methodische Assistenzsysteme für das Lehren und Lernen“ (Kurtz 2018b, 94) zu verstehen, ohne diese „vollständig abzuarbeiten“ (ebd., vgl. dazu auch Heitzmann/ Niggli 2010, 18; McGrath 2016, 3 f.). Wenn Kenntnisse zum Lehrwerk gemäß den vorliegenden Befunden eine der Grundlagen für die (spätere) Meinungsbildung zu 424 5 Abschließende Bemerkungen und Ausblick <?page no="425"?> Lehrwerken und dem (daraus resultierenden) Nutzungsverhalten darstellen, können sie aus der ersten Phase der Lehrer*innen(aus-)bildung nicht „weggedacht“ werden. Insbesondere dann nicht, wenn man zukünftige Lehrkräfte dazu befähigen möchte, • Lehrwerke selektiv zu verwenden und zu adaptieren, „um möglichst passgenaue, lehrwerkgebundene Lernumgebungen zu kreieren“ (Kurtz 2018b, 94); • ein ausgewogenes Maß an Lehrwerkgebunden- und -ungebundenheit zu entwickeln; • einen „aufgeklärten Umgang“ (ebd., 95) anzustreben; • Möglichkeiten, aber auch Grenzen des Lehrwerks vor dem Hintergrund des jeweiligen Lehr-/ Lernkontextes einzuschätzen und ggf. davon ausgehend (lehrwerkunabhängige) Alternativen zu entwickeln (vgl. ebd.; Heitzmann/ Niggli 2010, 15; McGrath 2016, 3 f.). Dazu bedarf es der Konzeption von Lehrveranstaltungsformaten, die Lehramtsstudierenden eine aktive Auseinandersetzung mit konkreten Lehrwerken, Lektionen sowie ihnen zu‐ grunde liegenden didaktisch-methodischen Konzepten und ebenso mit ihrer Verwendung ermöglichen. Hierzu eignen sich insb. ganzheitliche und studierendenzentrierte Lehr-/ Lernkonzepte (vgl. Fichten/ Meyer 2014, 21), die zur Selbsttätigkeit der Studierenden und zur Reflexion über Lehrwerke, aber auch über die sich aus ihrer Verwendung ergebenden Konsequenzen anregen und den Studierenden Raum zur Erprobung und Simulation und zum Experimentieren anhand fiktiver und ggf. auch realer Unterrichtsituationen und -gegenstände geben (vgl. zu forschenden Experimenten anhand von Simulations- und Erprobungsaufgaben u. a. Martinez 2021, 270). Infrage kommen hier z. B. studentische Projekte, die bspw. die Erstellung eines Lektionsteils zu einem bestimmten Thema mit den jeweiligen Lernzielen und dessen Erprobung im Rahmen von micro-teaching-units in universitären Lehrveranstaltungen oder auch in realen schulunterrichtlichen Settings adressieren. Ebenso zielführend können kleinere empirische Projekte sein, im Rahmen derer Studierende bspw. lehrwerkbasierten Unterricht unter ausgewählten Fragestellungen beobachten und Lehrkräfte sowie Lernende zu lehrwerkbezogenen Themen befragen. Durch die Teilhabe an Forschungsbezügen erhalten Studierende die Möglichkeit, sich mit der „Strukturlogik von Schule“ zu befassen, (lehrwerkbezogene) Handlungsroutinen und Praktiken von Lehrkräften zu analysieren sowie zu reflektieren und sie bearbeiten das „Verhältnis von allgemeiner, komplexer Theorie und konkreter Praxis“ (vgl. Tietjen/ Thü‐ nemann 2017, 1). Dies kann bspw. auch im Rahmen von Schulpraktika und dazugehörigen Vor- und Nachbereitungsseminaren umgesetzt werden. Mit dem Format des Forschenden Lernens kann eine „systematische Erkundung von Unterricht“ gelingen, der die Annahme zugrunde liegt, dass „aktive Aneignungsprozesse […] in Kombination mit strukturierten Reflexionsphasen in tiefer verarbeitetem, persönlich relevanterem und somit beständigerem Wissen [münden, JLK]“ (Legutke, Saunders & Schart 2022, 19). Im Fokus stehen hierbei nach Legutke, Saunders & Schart (2022, 20 f.): • die Betrachtung des eigenen Arbeitsumfelds und der Auswirkungen auf das (eigene) Handeln aus forschender Perspektive; • die Initiierung und Begleitung (bei) der beruflichen Identitätsbildung der Studierenden; • die Entwicklung einer neugierigen und kritischen Haltung gegenüber eigenen Wahr‐ nehmungs- und Handlungsmustern und die kritische Hinterfragung vermeintlicher Gewissheiten; 5.2 Implikationen für die Lehrwerkentwicklung und die Lehrer*innenbildung 425 <?page no="426"?> • das Begreifen des Berufs als eigenverantwortlichen und lebenslangen Prozess des Lernens und der Weiterentwicklung. Dabei sollten Lehrveranstaltungen so angelegt sein, dass für Studierende erfahrbar wird, wie die oben erwähnten „systematischen Erkundungen“ (ebd.) dazu beitragen können, dass Lehrkräfte neue Handlungsräume entdecken und wahrnehmen, dass sie mehr Freiheiten besitzen „als es die eigene Lernbiographie, Traditionen, Konzepte aus der Wissenschaft oder auch Materialien nahelegen“ (vgl. ebd.). Die Notwendigkeit eines „didaktischen Handlungsrepertoires“ vonseiten der Lehrkräfte geht auch aus den Ergebnissen der Studie von Fritz (2020, 291) hervor und stellt die Grundlage dafür dar, dass sich Lehrkräfte aus der von Lernenden bemängelten „methodischen Monotonie“ und von weiteren lehrwerk‐ bezogenen Einengungen lösen können. Ein monotoner und wenig reflektierter Umgang mit dem Lehrwerk führt aufseiten der Lernenden zu Demotivation und dem Wunsch nach „auflockernde[n], die Interessen der Mehrheit berücksichtigende[n] Ausstiege[n] aus dem Lehrwerk als positiven Gegenhorizont“ (ebd., 209). Dies steht im Einklang mit den vorliegenden Studienergebnissen und bekräftigt die Notwendigkeit umso mehr, dass Lehrkräfte sog. Abweichungsmöglichkeiten vom und Spielräume im Material erkennen können sollten, um ggf. offenere und effizientere Formate an gewissen Stellen im Unter‐ richt einzubinden. Gleichsam legen die Erkenntnisse aber auch nahe, dass Lehrkräften lehrwerkunabhängigeres Unterrichten schwer(er) fällt und sie teils kaum bis kein Vorstel‐ lungsvermögen davon haben, wie sie ein solches umsetzen können (vgl. dazu Ausführungen in diesem Teilkapitel). Da der aufgeklärte und selbstbestimmte Umgang mit Lehrwerken eine gewisse Aus‐ wahl- und Entscheidungskompetenz von (angehenden) Lehrkräften erfordert, mit der sie zumindest in Grundzügen vor dem Handeln in (tatsächlichen) unterrichtlichen Kontexten ausgestattet werden sollten, stellen im Voraus geschilderte Aktivitäten den Beginn zur An‐ regung eines entwicklungsbezogenen Denkens über Lehrwerke und eines professionellen Selbstverständnisses als Reflective Practitioner (Schön 1983) dar. In diesem Zuge werden angehende Lehrpersonen im Sinne der reflection-on-action (ebd.) angeregt, Anforderungen und Problematiken bzgl. (der Verwendung von) Lehrwerken wahrzunehmen und für eigene Verstrickungen im Umgang mit Lehrwerken sowie für mögliche (zukünftige) Verände‐ rungen und Weiterentwicklungen von Verwendungsweisen sensibilisiert zu werden. Eine verstärkte und kontinuierliche Implementierung von lehrwerk(verwendungs-)bezogenen Themen in das Lehramtsstudium kann also den Startpunkt darstellen, um „kritisch-re‐ flexiv-emanzipatorische Lehrperson[en]“ (Kurtz 2018b, 95) hervorzubringen, „die sich im stressigen Berufsalltag eben nicht damit zufrieden [geben, JLK], […] Lehrwerke (wie vorgefunden) im Unterricht abzuarbeiten“ (ebd.) (vgl. zum „seitenumblätternden Medium“ auch Nieweler 2005, 132). Laut Garton und Graves (2014b, 275) sollte sich die theoretische und praktische Aus‐ einandersetzung mit Lehrwerken und deren Verwendung aufgrund ihrer Dynamik und Faktorenkomplexion daher durch alle Phase der Lehrer*innen(aus-)bildung ziehen (vgl. dazu auch Kurtz 2018b), weshalb sie insb. Gegenstand von Fort- und Weiterbildungsangeboten auch für erfahrenere Lehrpersonen sein sollte. Denn die Studie unterstreicht deutlich, dass Lehrkräfte beim kritischen, kreativen und flexiblen Umgang mit Lehrwerken (kontinuierlich) unterstützt werden müssen, um … 426 5 Abschließende Bemerkungen und Ausblick <?page no="427"?> • sich gewisser Routinen (wieder) bewusst zu werden; • über diese in Kombination mit Erfahrungswerten zu reflektieren; • Automatismen aufzubrechen; • die eigene Selbstbestimmung und den Gebrauch von Freiheiten im Umgang mit dem Material (wieder) zu erkennen; • sich im Verwendungsprozess neu zu verorten. Um einen aufgeklärten Umgang mit dem Lehrwerk zu fördern, sollten Lehrkräften Instru‐ mente an die Hand gegeben werden, die sie möglichst komfortabel und zeiteffizient in ihren Unterrichtsalltag integrieren können. Dies können z. B. Reflexionsbögen oder Leitfragen sein, mit denen sie über den eigenen Umgang mit dem Material sowie über ihre Kenntnisse, Meinungen und Verwendungsweisen reflektieren und in Austausch mit Kolleg*innen etc. treten können (vgl. dazu z. B. Kurtz 2020). Auf Basis der vorliegenden empirischen Studi‐ energebnisse wurde unter Anlehnung an Kurtz (ebd.) ein Reflexionsbogen für Lehrende entwickelt, der die Mehrdimensionalität des Umgangs mit Lehrwerken berücksichtigt und u. a. auch im Rahmen von Fort- und Weiterbildungsangeboten sowie insb. zum kognitiven Bereich auch in der ersten Phase der Lehrer*innenbildung eingesetzt werden kann (1= trifft voll und ganz zu; 2= trifft eher zu; 3= trifft eher nicht zu; 4= trifft gar nicht zu). - 1 2 3 4 Weiß nicht Kognitiver Bereich Ich kann das Lehrwerk in seinen Grundzügen definieren. - - - - - Ich kann das Lehrwerk vom Lehrbuch abgrenzen. - - - - - Ich kann den Aufbau eines Lehrwerks in seinen Grundzügen beschreiben. - - - - - Ich kann den Aufbau eines Lehrbuchs in seinen Grundzügen beschreiben. - - - - - Ich kenne die verschiedenen Lehrwerkbestandteile, die zu dem verwendeten Lehrwerk gehören. - - - - - Ich weiß, wie sich das verwendete Lehrwerk von den Lehrwerken anderer Anbieter unterscheidet. - - - - - Ich kann den Begriff der Lehrwerkanalyse definieren. - - - - - Ich kenne Instrumente/ Methoden, um das Lehrwerk zu analysieren. - - - - - Ich kann erläutern, wie sich Lehrwerke in den letzten Jahren/ Jahrzehnten verändert haben. - - - - - Ich kann aktuelle Trends der Lehrwerkentwicklung beschreiben. - - - - - Ich kenne Grundpfeiler der aktuellen Forschung zu Lehrwerken. - - - - - Ich kenne die Lehrpläne/ Curricula, die dem Lehrwerk zugrunde liegen. - - - - - Ich kenne didaktisch-methodische Prinzipien, an denen sich Lehrwerke orientieren und kann diese im Lehrwerk identifizieren. - - - - - 5.2 Implikationen für die Lehrwerkentwicklung und die Lehrer*innenbildung 427 <?page no="428"?> 1 2 3 4 Weiß nicht Ich kenne Handlungsoptionen, die mir zur Veränderung von Lehrwerken zur Verfügung stehen. - - - - - Ich kann meine eigene Verantwortung im Umgang mit Lehrwerken gegen‐ über mir selbst und meinen Lernenden erläutern. - - - - - Ich kann die Bedeutung des Lehrwerks für mich und meinen Unterricht formulieren und darüber reflektieren. - - - - - Ich nehme mich selbst als aktiv Verwendende*r des Lehrwerks wahr und denke über meine Rolle im Umgang mit dem Lehrwerk nach. - - - - - Ich denke über meinen Umgang mit dem Lehrwerk nach. - - - - - Ich weiß, wie ich Lernende in die Lehrwerkarbeit und die Besprechung des Materials miteinbeziehen kann. - - - - - Ich weiß, wie (meine) Lernende(n) das Lektionsmaterial zum Lernen nutzen. - - - - - Anmerkungen: - - - - - -Affektiver Bereich Ich erachte den Einsatz von Lehrwerken im Fremdsprachenunterricht der Sekundarstufe I als sinnvoll. - - - - - Ich bin mit dem verwendeten Lehrwerk zufrieden. - - - - - Ich erachte die verschiedenen Lehrwerkbestandteile grundlegend als sinn‐ voll. - - - - - Ich finde die verschiedenen Lehrwerkbestandteile inhaltlich und didaktisch-methodisch sinnvoll miteinander verzahnt. - - - - - Ich erachte die Lehrwerken zugeschriebenen Funktionen als grundlegend erfüllt. - - - - - Lehrwerke unterstützen mich bei der Unterrichtsvor- und -nachbereitung. - - - - - Lehrwerke unterstützen mich bei der Unterrichtszielbestimmung und -glie‐ derung. - - - - - Lehrwerke unterstützen mich bei der Aufbereitung und Vertiefung von Inhalten. - - - - - Lehrwerke unterstützen mich bei der (kreativen) Weiterarbeit mit Inhalten. - - - - - Lehrwerke unterstützen mich bei der Erfüllung der Lehrplanziele. - - - - - Lehrwerke dienen als Ideensammlung und helfen mir, neue didaktischmethodische Ansätze auszuprobieren. - - - - - Lehrwerke dienen als Grundlage für die Kooperation im Kollegium. - - - - - Lehrwerke unterstützen die Lernenden in grundlegenden Bereichen (z.-B. Orientierung, Strukturierung, Lernsicherheit). - - - - - Die Vorteile des Lehrwerks überwiegen gegenüber den Nachteilen. - - - - - 428 5 Abschließende Bemerkungen und Ausblick <?page no="429"?> 1 2 3 4 Weiß nicht Lehrwerke schränken mich inhaltlich und didaktisch-methodisch ein. - - - - - Lehrwerke veralten schnell. - - - - - Lehrwerke berücksichtigen keine aktuellen didaktischen Entwicklungen. - - - - - Für Lernende fehlt der Lebensweltbezug in Lehrwerken. - - - - - Für Lernende fehlen reale Kommunikationssituationen. - - - - - Für Lernende fehlt die thematische und didaktisch-methodische Abwechs‐ lung in Lehrwerken. - - - - - Heutige Lehrwerke sind mediale Verbundsysteme, die die Verwendung zusätzlicher bzw. die Erstellung weiterer Lehr-Lernmaterialien überflüssig machen. - - - - - Ich denke, dass ein phasenweise lehrwerkunabhängiger Unterricht mit einem erheblichen (kaum zu vertretenden) Mehraufwand verbunden ist. - - - - - Ein kritischer Umgang mit dem Lehrwerk ist mir wichtig. - - - - - Ein kreativer Umgang mit dem Lehrwerk ist mir wichtig. - - - - - Veränderungen in Lehrwerken vorzunehmen, ist mir wichtig. - - - - - Ich ergreife die Initiative, mich kritisch und kreativ mit dem Lehrwerk auseinanderzusetzen. - - - - - Ich probiere gern Neues in Bezug auf Lehrwerke aus (z. B. Inhalte, didaktischmethodische Ansätze). - - - - - Anmerkungen: - - - - - -Rezeption und Verwendung Ich bin im Umgang mit dem Lehrwerk sicher. - - - - - Ich bestimme, wann das Lehrwerk im Unterricht eingesetzt wird. - - - - - Ich bestimme, wie das Lehrwerk im Unterricht verwendet wird. - - - - - Ich verwende die Mehrheit der Lehrwerkbestandteile regelmäßig zur Unter‐ richtsvor- und -nachbereitung und/ oder während des Unterrichts. - - - - - Ich binde mehrheitlich alle Lektionsteile in den Unterricht ein (z.-B. Hör- und Lesetexte, Grammatikübungen, Lernaufgaben, Selbstevaluation der Lernenden). - - - - - Ich halte mich im Wesentlichen an die Vorgaben des Lehrwerks (z. B. Inhalte, Progression, didaktisch-methodische Umsetzung). - - - - - Ich verwende das Lehrwerk zur Stellung von Hausaufgaben. - - - - - Ich verwende das Lehrwerk, insb. die Leistungsmessungsmaterialien, zur Erstellung der schriftlichen Leistungsüberprüfung. - - - - - 5.2 Implikationen für die Lehrwerkentwicklung und die Lehrer*innenbildung 429 <?page no="430"?> 1 2 3 4 Weiß nicht Ich bediene mich im Rahmen einer Lektion häufig Handlungsoptionen zur Veränderung von Lehrwerken (z.-B. Auslassen, Ersetzen, Vorziehen). - - - - - Ich ziehe im Rahmen einer Lektion oft lehrwerkunabhängiges und/ oder eigenes Material hinzu. - - - - - Ich setze ergänzend zum Lehrwerk Lektüren ein. - - - - - Ich binde regelmäßig lehrwerkunabhängige Unterrichtsphasen ein (z.-B. während Projektarbeiten). - - - - - Ich verlasse mich bei der Nutzung des Lehrwerks auf meine Erfahrung und Routine als Lehrkraft. - - - - - Ich verwende das Lehrwerk häufig auf Basis meines Bauchgefühls/ meiner Eingebung. - - - - - Ich passe meine Verwendung des Lehrwerks spontan an die Gegebenheiten im Unterricht an. - - - - - Ich zeige meinen Schüler*innen, wie man die einzelnen Lehrwerkbestand‐ teile verwendet. - - - - - Anmerkungen: - - - - - -Strukturelle Faktoren Meine Verwendung des Lehrwerks wird durch institutionelle Rahmenbedin‐ gungen beeinflusst. - - - - - Meine Verwendung des Lehrwerks wird durch zeitliche Faktoren beein‐ flusst. - - - - - Meine Verwendung des Lehrwerks wird durch thematische/ inhaltliche Fak‐ toren beeinflusst. - - - - - Meine Verwendung des Lehrwerks wird durch die jeweilige Klassenstufe beeinflusst. - - - - - Meine Verwendung des Lehrwerks wird durch die (technische) Raumaus‐ stattung beeinflusst. - - - - - Das Ausmaß der Einwirkung der genannten Kontextfaktoren auf meine Lehrwerkverwendung ist erheblich. - - - - - Anmerkungen: - - - - - Tabelle 74: Reflexionsbogen für (angehende) Lehrende (in Weiterführung zu Kurtz 2020) Darüber hinaus sollten Lehrkräfte im Rahmen von Fort- und Weiterbildungsangeboten Impulse und Ideen erhalten, die an konkreten Materialbeispielen veranschaulicht werden und mit denen sie Aufschluss darüber erlangen, wann sich ein Abweichen vom Lehrwerk als sinnvoll erweist und wie man dieses umsetzen sowie auf verschiedene Lehr-/ Lernkontexte übertragen kann. Ziel einer jeden Fort- und Weiterbildung auf dem Gebiet des Umgangs mit dem Lehrwerk im Fremdsprachenunterricht sollte es sein, dass sich Lehrkräfte als aktive 430 5 Abschließende Bemerkungen und Ausblick <?page no="431"?> Interaktant*innen mit dem Lehrwerk begreifen und ihnen bewusst wird, dass Lehrwerke eine Unterstützung darstellen, die hinterfragt und ggf. unter Hinzunahme lehrwerkunab‐ hängigerer Formate und/ oder anderer Ansätze und Methoden an den individuellen Lehr-/ Lernkontext angepasst werden muss (z.-B. Lehrwerk als Supermarkt). Mit und neben der Lehrperson interagieren auch die Lernenden mit dem Lehrwerk (vgl. Kap. 2.3.3), die daher nun eigens in den Fokus gerückt werden. Gemäß den empirischen Befunden (vgl. Kap. 4.3.3.2.4) bindet etwas mehr als ein Drittel der Lehrkräfte ihre Lernenden aktiv in die Lehrwerkarbeit mit ein. Geht man davon aus, dass sich ein bewusster Umgang mit dem Lehrwerk vonseiten der Lehrenden auf die gesamte Unterrichtsbzw. Materialienkultur auswirkt, können die von Kurtz (2018b, 95) so bezeichneten „kritisch-re‐ flexiv-emanzipatorische[n] Lehrperson[en]“ als Multiplikator*innen verstanden werden, die ihre Lernenden ebenfalls zu einem autonomen Umgang mit dem Lehrwerk anleiten und ihnen Impulse geben, über die eigene Nutzung und die Funktionen des Materials für sie selbst nachzudenken. Alles in allem sind Implikationen für die Lehrer*innenbildung stets vor dem Hinter‐ grund des Faktorengefüges, in dem sich Lehrwerke und Verwendende wiederfinden, zu betrachten. Dabei sind strukturelle Faktoren und die Unterrichtsrealität nicht aus dem Blick zu verlieren. 5.3 Rückschau: Kritische Reflexion des Forschungsansatzes Der gewählte Mixed-Methods-Ansatz, der sich durch eine auf den Untersuchungsgegen‐ stand abgestimmte Kombination und Integration quantitativer und qualitativer Erhebungs- und Auswertungsmethoden charakterisieren lässt, wird in der Rückschau als angemessen und notwendig beurteilt. Die Charakteristika des Untersuchungsgegenstands und die An‐ lage der Forschungsfragen machten eine Kombination und Integration beider Forschungs‐ pole im Sinne einer pragmatist position (vgl. Gläser-Zikuda et al. 2012, 8; Settinieri 2012, 252) erforderlich, denn insb. für die Erforschung von Variablen, die nicht statisch und isoliert voneinander betrachtet werden können, eignen sich Mixed-Methods-Designs, wie auch Kaliampos (2022, 415) feststellt. Durch das entwickelte dreigliedrige sequenzielle Mixed-Methods-Design konnten Forschungsschwerpunkte ausgeweitet, über einzelne Bei‐ spiele hinausgegangen und die Ergebnisse vor dem Hintergrund eines weitläufigeren Kontextes analysiert und interpretiert werden. Jedem Element des konzipierten Mixed-Me‐ thods-Designs kam eine bestimmte Funktion zu, durch die es im Besonderen möglich wurde, die Multifaktorialtität, Situationsspezifik und Dynamik des Untersuchungsgegenstands abzubilden. Mit dem vorliegenden Forschungsansatz konnte der Untersuchungsgegenstand in der Breite und Tiefe durchdrungen und ein höherer Erkenntnisgewinn erzielt werden, was mit einem ausschließlich qualitativen oder quantitativen Design in dieser Form nicht möglich gewesen wäre bzw. das Forschungsprojekt dann auf eine engere Fragestellung beschränkt hätte. Die Abfolge und Ausrichtung der einzelnen Studienstränge wies ein hohes Maß an Integration auf, sodass bspw. Fragebogenergebnisse weiter vertieft, erklärt und ggf. re‐ lativiert sowie neu-perspektiviert werden konnten. Weiterhin war es möglich, in der 5.3 Rückschau: Kritische Reflexion des Forschungsansatzes 431 <?page no="432"?> videographischen Beobachtung und dem Interview gänzlich neue Aspekte zu eruieren sowie vorangegangene Inhalte aufzubereiten und zu reflektieren. Zudem konnte mit dem vorliegenden Untersuchungsdesign ein höherer Grad der Verallgemeinerbarkeit der Ergebnisse erzielt werden (wenn auch nicht im eng statistischen Sinne), da die gewonnenen Erkenntnisse durch die Fragebogenerhebung an einer größeren Stichprobe (n=105) in einen breiteren Erhebungskontext eingeordnet wurden. Auch wenn der Mixed-Methods-Ansatz viele Vorteile auf unterschiedlichen Ebenen bietet, gilt es, gewisse Aspekte kritisch zu betrachten. Die Konzeption, Durchführung und Auswertung einer Mixed-Methods-Studie erfordern insb. für Forschungsnoviz*innen ein gesteigertes Maß an Ressourcen, Zeitaufwand und Expertise. Denn es muss sich in‐ tensiv in zwei Forschungstraditionen und den Mixed-Methods-Diskurs eingearbeitet sowie die grundlegende Notwendigkeit eines solchen Forschungsansatzes begründet werden (Stichworte Gegenstandsangemessenheit und Forschungsökonomie), und es ist stets die Kombination und Integration von der Forschungsfrage bis zur Ergebnispräsentation zu gewährleisten (vgl. dazu u. a. Kuckartz 2014a; 54; Reckermann 2018, 438; Schramm 2022, 56 f.). Aus der Anlage von Mixed-Methods-Designs resultiert natürlicherweise zumeist eine große Menge an zu analysierenden Datensätzen aus vielschichtigen und unterschiedlichen Erhebungsinstrumenten, die es einzeln in der Tiefe und in ihrer Spezifik zu verstehen gilt und die in ihrem Zusammenhang zueinander aufgeschlüsselt werden müssen. 5.4 Ausblick: Forschungsdesiderata und Anschlussforschung Mit der vorliegenden Konzeptualisierung des Untersuchungsgegenstands, der Anlage des Untersuchungsdesigns und den generierten Studienergebnissen liegen Anknüpfungs‐ punkte für Folgestudien vor, die abschließend im Zentrum der Ausführungen stehen. Es wurde eine umfassende Grundlage für eine strukturierte Abbildung der Faktorenvielfalt und bestehenden Wechselwirkungen geschaffen, die in zukünftigen Studien weitergedacht werden kann. Dafür eignen sich bspw. quantitative Untersuchungsdesigns mit einer größeren Stich‐ probe (n > 300), mittels derer weitere Operationalisierungen der Konstrukte vorgenommen und diese in Form von Hypothesen mit Blick auf Zusammenhänge und Unterschiede zwi‐ schen verschiedenen Variablen getestet werden können. Mit einer solchen Studienanlage könnte der Fokus (noch) stärker auf Wechselwirkungen und dem Ausmaß der einzelnen Faktoren, die Einfluss auf den Umgang mit dem Lehrwerk nehmen, liegen (vgl. Kap. 4.5). Mit qualitativ-ausgerichteten Forschungsdesigns (oder Mischformen) würde der Blickpunkt intensiver auf einzelne (Teil-)Faktoren des Umgangs mit Lehrwerken gerichtet werden, wie z. B. auf die Berufserfahrung der Lehrkräfte. Im Zuge der Auswertung der Daten ergaben sich u.-a. die folgenden zu ergründenden Fragen: • Warum fühlen sich Lehrkräfte mit mehr Berufserfahrung nicht weniger eingeengt durch das Lehrwerk als unerfahrenere? • Warum fühlen sich erfahrenere Lehrkräfte im Umgang mit Lehrwerken nicht sicherer als unerfahrenere? 432 5 Abschließende Bemerkungen und Ausblick <?page no="433"?> • Warum analysieren weniger berufserfahrene Lehrkräfte im Vergleich zu erfahreneren nicht tendenziell eher das Lehrwerk und seine Bestandteile? • Warum nutzen erfahrenere Lehrkräfte nicht eher Handlungsoptionen zur Veränderung und Optimierung des Lehrwerks? Zudem ebnet die vorliegende Studie wirkungsorientierten Forschungsprojekten den Weg. Um sich näher mit den Wirkungen von Lehrwerken auf den Unterricht und Lehr-/ Lern‐ prozesse sowie auf die Lehrenden und Lernenden beschäftigen zu können (vgl. dazu u. a. Fäcke/ Mehlmauer-Larcher 2017, 13), muss unter Bezugnahme auf Martinez (2011) und Krumm (2010) zunächst untersucht werden, wie Lehrkräfte das Lehrwerk und sich selbst als Lehrwerkverwendende wahrnehmen (vgl. Martinez 2011, 100) und „wie Lehrende und Lernende überhaupt das Material nutzen“ (Krumm 2010, 1222). Im Anschluss daran sollten Studien durchgeführt werden, die bspw. die Wirkungen des Lehrwerks auf den Lernerfolg, die Motivation und Lernergebnisse der Lernenden eruieren (vgl. dazu u. a. Niehaus et al. 2011, 50). Aus den vorangegangenen Ausführungen geht bereits die Bezugnahme auf die Lernen‐ denperspektive hervor. Für Folgestudien gilt es, insb. die Nutzung (und Wirkung) des Lehrwerks von (bzw. auf) Lernende/ n zu erforschen. Hierzu können die vorliegende Konzeptualisierung des Untersuchungsgegenstands und die Anlage des Untersuchungsdesigns wertvolle Hinweise liefern. Mündliche Einzel- und Gruppen-Befragungen sowie Unterrichtsbeobachtungen könnten zielführende Erhebungsmethoden darstellen, um die lehrwerkbezogene Sicht- und Verwendungsweise von Lernenden offenzulegen. Die in der vorliegenden Studie eingesetzten Materialnutzungsdokumentationen wären in modifi‐ zierter Form zur Ergründung der Lernendenperspektive nützlich, z. B. durch Markierungen verwendeter Stellen/ Lektionsteile in den Lehrwerkbestandteilen bzw. in Kopien davon, die zur Erledigung der Hausaufgaben, zum Nachschlagen von Inhalten oder auch im Unterricht genutzt wurden. Potenzielle Auswertungsmethoden könnten hier insb. rekonstruktive Ver‐ fahren und inhaltsanalytische Methoden sein. Mögliche Fragen, die sich für Folgeprojekte ergeben, sind u.-a. die folgenden: • Welche Funktionen schreiben Lernende Lehrwerken zu, und erachten sie diese als erfüllt? • Wie zufrieden und/ oder unzufrieden sind sie mit dem Material und was sind die Gründe dafür? • Welche Lehrwerkbestandteile verwenden sie? Zu welchem Anlass, wie oft, wann, wo und wie? • Welche Probleme sehen sie in der (alleinigen) Auseinandersetzung mit dem Lehrwerk? Neben der ausschließlichen Untersuchung der Lehrenden- oder Lernendenperspektive auf Lehrwerke (und ihre Verwendung) wären insb. Forschungsprojekte wünschenswert, die beide Perspektiven, also der Lehrenden und Lernenden, triangulieren. Der Untersuchungs‐ fokus sollte im Wesentlichen auf der Wahrnehmung der Lehrwerkverwendung von den Lehrenden und Lernenden im Abgleich zueinander, auf der unterrichtlichen Verwendung von Lehrwerken von beiden Seiten und auf der (materialbezogenen) Interaktion zwischen den Verwendenden liegen. 5.4 Ausblick: Forschungsdesiderata und Anschlussforschung 433 <?page no="434"?> 110 Es ist anzunehmen, dass mit der Studienanlage, den Forschungsergebnissen und daraus abgeleiteten Implikationen ebenso wichtige Anknüpfungspunkte für die empirische Erforschung der subjektiven Sichtweise auf und Verwendung von Englischlehrwerke/ n in der Sekundarstufe I vorliegen. Ebenso gewinnbringend wären empirische Studien, die die subjektive Sichtweise auf sowie die Verwendung von Lehrwerke/ n durch Lehrkräfte im Vorbereitungsdienst unter‐ suchen und mit denen Aufschluss über die Wahrnehmung, den Stellenwert und die Nutzung in der zweiten Phase der Lehrer*innenbildung erlangt werden kann. Folgende Fragen könnten hierbei leitend sein: • Wie nehmen Lehrkräfte im Vorbereitungsdienst das Lehrwerk wahr? • Welche Funktionen nimmt das Lehrwerk für Lehrkräfte im Vorbereitungsdienst ein? • Welches Verständnis/ Bild vom Lehrwerk wird im Vorbereitungsdienst vermittelt? • Welcher Stellenwert kommt Lehrwerken während des Vorbereitungsdienstes zu? • Wie werden Lehrwerke im Vorbereitungsdienst verwendet? Unter Bezugnahme auf die vorangegangenen Ausführungen zur zweiten Lehrer*innenbil‐ dungsphase und die abgeleiteten Implikationen (vgl. Kap. 5.2) sind daher insb. longitudinale Studien erstrebenswert, die die Veränderung von Meinungen und Verwendungsweisen über einen längeren Zeitraum und über die unterschiedlichen Phasen der Lehrer*innenbildung hinweg untersuchen. Mit einer solchen Projektanlage könnten bspw. Einblicke gewährt werden, wie Lehrkräfte im Vorbereitungsdienst unter lehrwerkbezogenen Gesichtspunkten auf ihr Studium zurückblicken und wie sich dies beim und einige Zeit nach dem Übergang vom Vorbereitungsdienst in die Folge-Lehrtätigkeit verhält (z. B. Veränderungen, Paral‐ lelen, Diskrepanzen). Longitudinale Studien können ebenso für die Wirkungsforschung (vgl. dazu Ausführungen in diesem Teilkapitel) gewinnbringend sein, da sich die Arbeit mit Lehrwerken im Regelfall erst in einem langfristigen Lehr-Lern-Prozess auswirkt (vgl. dazu Krumm 2010, 1223). Neben der „empirische[n] Erforschung dessen, wie Lehrende und Lernende mit ihren Lehrwerken umgehen“ (Fäcke 2016, 45) und der Tatsache, dass das Lehrwerk „wie kein an‐ derer Faktor das, was im Fremdsprachenunterricht geschieht“ (Neuner 1994a, 8) bestimmt, ergibt sich aus den Studienergebnissen eine Anschlussfähigkeit für eine Vielzahl fremdspra‐ chendidaktischer Themenfelder. Hierbei handelt es sich insb. um (zukünftige) Forschungs‐ projekte, die fremdsprachliche Lehr- und Lernprozesse in der Sekundarstufe I in den Blick nehmen: Bspw. um Untersuchungen, die die Förderung spezifischer Kompetenzen (z. B. Hör(-seh-)verstehen, Sprechen) und die Arbeit mit/ an sprachlichen Mitteln adressieren (vgl. Kap. 4.3.3.2.2) oder um solche, die (materialbezogene) Lehrenden-Lernenden-Interaktionen, die Lehrer*innensprache oder die Leistungs- und Prüfungskultur fokussieren. Aufgrund der Konzeption und des Kontextes der Untersuchung (u. a. unterrichtliche Rah‐ menbedingungen, Status des Fachs, Lehrwerkentwicklung) ist außerdem anzunehmen, dass die vorliegende Studie über den Spanischunterricht hinaus auch zentrale Hinweise auf die Lehrwerkverwendung im Französisch- und Italienischunterricht als zweite Fremdsprachen der Sekundarstufe I liefern kann, die in Folgeprojekten in den jeweiligen Fachdidaktiken aufgegriffen werden sollten. 110 434 5 Abschließende Bemerkungen und Ausblick <?page no="435"?> Beschlossen wird die Arbeit mit dem Plädoyer, Lehrwerkforschung stärker empirisch anzugehen, um (1) überhaupt verstehen zu können, wie der Großteil der hauptsächlich lehrwerkbasierten Lehr- und Lernprozesse und Interaktionen im Fremdsprachenunterricht abläuft und (2) nicht zu unterschätzende Wirkungen des Lehrwerks auf die Beteiligten, z. B. auf den Lernerfolg und die Motivation der Lernenden, zu ermitteln. Der „Blick aus der und für die Unterrichtspraxis“ (Bohnensteffen 2011, 122) versteht sich als Bindeglied zwischen Forschung und Schule und erweist sich damit als essenziell für die Weiterentwicklung und Optimierung von lehrwerkbasiertem Fremdsprachenunterricht. 5.4 Ausblick: Forschungsdesiderata und Anschlussforschung 435 <?page no="437"?> 6 Literaturverzeichnis Abdel Latif, Muhammad M. M. (2012): Teaching a standard-based communicative English textbook series to secondary school students in Egypt - Investigating teachers‘ practices and beliefs. English Teaching: Practice and Critique, 11.3, 78-97. Abendroth-Timmer, Dagmar (1998): Der Blick auf das andere Land - ein Vergleich der Perspektiven in Deutsch-, Französisch- und Russischlehrwerken. Tübingen: Narr. Abendroth-Timmer, Dagmar & Gerlach, David (2021): Handlungsorientierung im Fremdsprachenun‐ terricht - eine Einführung. Stuttgart: Metzler. Achtziger, Anja & Gollwitzer, Peter M. (2018): Motivation und Volition im Handlungsverlauf. 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Von ihrem Funktions‐ verständnis hängt maßgeblich ab, wie sie das Lehrwerk (in der Verwendung) begreift und welche Aufgabe(n) sie sich selbst bei der Interaktion mit dem Material zuschreibt. • Lehrkräfte verstehen das Lehrwerk mehrheitlich in seiner Funktion als Wegweiser (77,1 %), das ihnen Sicherheit und Struktur bei der Unterrichtsplanung und -durchfüh‐ rung gibt. • 35,2 % begreifen das Lehrwerk als Supermarkt und verbinden Aspekte wie Autonomie, Unabhängigkeit und Flexibilität im Umgang damit. • Die Lehrkräfte entscheiden sich bewusst, vorrangig aus pragmatischen und struktu‐ rellen Gründen, für das Lehrwerk. Über ihre Abhängigkeit vom Lehrwerk sind sie sich dabei im Klaren. • Die Lehrkräfte erachten es in der Sekundarstufe I nicht als ihre zentrale Aufgabe, sich vom Lehrwerk zu lösen und Lehrwerkinhalte zu modifizieren. • Die Lehrkräfte sind dem Lehrwerk gegenüber grundlegend positiv eingestellt und damit zufrieden. • Prinzipiell überwiegen für Lehrkräfte die Vorteile des Lehrwerks gegenüber den Nach‐ teilen. Potenzielle Nachteile werden weniger problematisch als im Forschungsdiskurs erachtet und i. d. R. sehr spezifisch auf einzelne Lektionsteile, Aufgaben und Übungen bezogen. • Motivational-volitionale Faktoren wirken sich im Wesentlichen auf die lehrwerkbe‐ zogene Sicht- (und Verwendungs-)weise aus und verstehen sich als konstitutiv für einen lerngruppenadäquaten Einsatz (z. B. Bereitschaft zu einem kritischen Umgang, Interesse an lehrwerkbezogenen Themen und Neuerungen). Zur Forschungsfrage 3 • Das Lehrwerk bestimmt maßgeblich den Rahmen des Unterrichtsdiskurses sowie den der Interaktion mit den Lernenden. • Der Lehrwerkrezeption und -verwendung liegen fachdidaktische Motive im Verbund mit subjektiven Sichtweisen (z. B. fachdidaktische Kenntnisse) sowie situative Para‐ meter (u. a. lerngruppenbedingte Umstände und Reaktionen der Lernenden) zugrunde. • Die Lehrwerkrezeption und -verwendung erfolgen auf Basis von Erfahrungswerten, Routinen sowie der Intuition (best practice). • Lehrkräfte nutzen verschiedene Adaptionsmöglichkeiten zur Optimierung des Lehr‐ werks. Das Lehrwerk wird nicht immer genau in der Form verwendet, in der es vorliegt. • Trotz Lehrwerkbasierung ist der Spanischunterricht kommunikativ ausgerichtet und wird nicht ausschließlich bzw. nicht vorrangig mit grammatik- und wortschatzzent‐ rierten Methoden umgesetzt. <?page no="468"?> • Schüler*innenzentrierte und kooperative Arbeitsformen im Unterricht nehmen durch Lehrwerkarbeit nicht ab, sondern liegen maßgeblich in den jeweiligen Kenntnissen und Einstellungen der Lehrkräfte dazu begründet. • Lehrkräfte erklären Lernenden die Notwendigkeit und Funktionen von Lehrwerken und begründen die Themenauswahl sowie die Abänderung der Lektionsreihenfolge. Sie leiten sie zur Korrektur der im Lehrwerk entdeckten (grammatischen/ inhaltlichen) Ungenauigkeiten und zum Weiterdenken der Inhalte an. Zur Forschungsfrage 4 • Strukturelle Faktoren (z. B. zeitliche, institutionelle oder ausstattungsbezogene As‐ pekte) wirken maßgeblich auf die Lehrwerkverwendung ein und verstehen sich als konstante Merkmale, auf die sich als Einzelperson nur bedingt Einfluss nehmen lässt. • Von strukturellen Faktoren gehen erhebliche Beeinflussungstendenzen auf die anderen Dimensionen des Untersuchungsgegenstands aus: Trotz einer eigentlich positiven und offenen Grundeinstellung gegenüber Lehrwerken und der Bereitschaft zu einem mög‐ lichst kritischen und kreativen Umgang entscheiden sich Lehrkräfte für komfortablere und weniger aufwändige Nutzungsweisen, um die Arbeitsbelastung zu verringern. Auch wenn sie wissen, dass es in gewissen Unterrichtssituationen effektivere Formate gegeben hätte. • Während der COVID-19-Pandemie kam dem Lehrwerk (noch) mehr Bedeutung als in der Zeit davor zu: Es hat die Aufrechterhaltung des Fremdsprachenlernprozesses in einer derartigen Ausnahmesituation gewährleistet. 468 7 Anhang <?page no="469"?> Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Erkenntnisinteresse und Untersuchungsdesign . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 Abbildung 2: Einflussfaktoren auf Lehrwerke und ihre Erforschung (nach Neuner 1994a, 13) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 Abbildung 3: Systematisierung der Dimension der Lehrwerkanalyse (nach Ezeiza Ramos 2009, 20) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 Abbildung 4: Modell zur Interaktion zwischen Lehrenden, Lernenden und Materialien (I) (eigene Darstellung nach Koenig 2013, 177) . . . . . . . . . . 99 Abbildung 5: Modell zur Interaktion zwischen Lehrenden, Lernenden und Materialien (II) (eigene Darstellung nach McArthur 1984, zit. nach Ezeiza Ramos 2009, 17) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 Abbildung 6: Konzeptualisierung des Untersuchungsgegenstands (I) . . . . . . . . . . . . . 108 Abbildung 7: Konzeptualisierung der subjektiven Sichtweise auf das Lehrwerk und seine Verwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 Abbildung 8: Einstellungskomponenten und deren Richtung (nach Venus 2017a, 43, eigene Darstellung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 Abbildung 9: Konzeptualisierung des Faktoren- und Bedingungsgefüges des Lehrwerks (nach Ezeiza Ramos 2009, 18) unter Darbietung der Studienschwerpunkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 Abbildung 10: Schematische Darstellung forschungsethisch relevanter Aspekte (nach Legutke/ Schramm 2022, 118) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 Abbildung 11: Funktionen des Mixed-Methods-Ansatzes in der vorliegenden Studie . 149 Abbildung 12: Dreigliedriges sequenzielles Mixed-Methods-Untersuchungsdesign der vorliegenden Studie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 Abbildung 13: Ablaufmodell qualitativer Inhaltsanalysen (nach Kuckartz/ Rädiker 2022, 106) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 Abbildung 14: Verteilung des Alters der Studienteilnehmenden . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 Abbildung 15: Verteilung der Dauer der Lehrtätigkeit im Fach Spanisch als zweite Fremdsprache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 Abbildung 16: Genannte Nachteile von Lehrwerken für Lernende und Lehrkräfte . . . 232 Abbildung 17: Zeitpunkte und -räume der Analyse von Lehrwerkbestandteilen in [%] 278 Abbildung 18: Schriftliche Unterrichtsplanung von Lehrkraft VII (Beobachtungsprotokoll, 09.09.2020) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287 Abbildung 19: Schriftliche digitale Unterrichtsplanung von Lehrkraft VI (Beobachtungsprotokoll, 30.10./ 06.11.2020) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 288 Abbildung 20: Schriftliche Unterrichtsplanung von Lehrkraft V (Beobachtungsprotokoll, 28.09.2020) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 288 Abbildung 21: Identifizierte Verwendungsweisen des Lehrwerks und ihre Charakteristika . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 388 Abbildung 22: Bivariate Korrelationsanalyse: Einschätzung der Nachteile von Lehrwerken und Sinnhaftigkeit von Lehrwerkbestandteilen . . . . . . . . . 403 <?page no="470"?> Abbildung 23: Kreuztabelle zum Zusammenhang zwischen der Bedeutsamkeit eines kreativen Umgangs mit dem Lehrwerk und lehrwerkunabhängigen Unterrichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 404 Abbildung 24: Kreuztabelle zum Zusammenhang zwischen der Bedeutsamkeit eines kreativen Umgangs mit dem Lehrwerk und der Erstellung eigener Materialien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 404 Abbildung 25: Bivariate Korrelationsanalyse: Bedeutsamkeit eines kritischen Umgangs mit dem Lehrwerk und Nutzung von Handlungsoptionen . . 410 470 Abbildungsverzeichnis <?page no="471"?> Tabellenverzeichnis Tabelle 1: Systematisierungsvorschlag des Begriffs der Lehr- und Lernmedien (nach Würffel 2021, 291) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 Tabelle 2: Übersicht zu Lehrwerkbestandteilen (nach Funk 2016, 437) . . . . . . . . . . . . 26 Tabelle 3: Funktionsbereiche des Lehrwerks (nach Neuner 2003, 400) . . . . . . . . . . . . 33 Tabelle 4: Nachteile von Lehrwerken (nach Thaler 2011, 17) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 Tabelle 5: Systematisierung der historischen Entwicklung des Spanischen als Fremdsprache vom 16.-Jahrhundert bis zu den 1990er-Jahren . . . . . . . . . . 42 Tabelle 6: Zusammenschau einer Auswahl von Lehr-/ Lernmaterialien für Spanisch als Fremdsprache vom 16. bis zum 18. Jahrhundert (zit. nach Briesemeister 2004, 259, Franzbach 1975, 28 f., 31 ff., Sánchez Pérez 1992, 32, 52, 127, 143 f., 146 ff., 266 ff., Voigt 1998, 27 f., 32 f.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 Tabelle 7: Zusammenschau von Lehrbüchern/ -werken für den fremdsprachlichen (Erwachsenen-)Unterricht Spanisch im Zeitraum der 1950erbis Anfang der 1980er-Jahre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 Tabelle 8: Zusammenschau von Lehrwerken für den Erwachsenen- und Tertiärfremdsprachenunterricht Spanisch im Zeitraum der 1990erbis Anfang der 2000er-Jahre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 Tabelle 9: Systematisierung der einzelaspektfokussierenden Lehrbuchanalysen im Bereich des Spanischen als Fremdsprache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 Tabelle 10: Entwicklungskontinuum vom Lehrwerk zur Lernumgebung (nach Funk/ Kuhn 2020, 240) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 Tabelle 11: Zusammenschau der Klassifizierungsversuche von Lehrer*innentypen der Lehrwerknutzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 Tabelle 12: Zusammenschau der Gründe für die Modifizierung von Lehr-/ Lernmaterialien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 Tabelle 13: Konzeptualisierung des Untersuchungsgegenstands (II) . . . . . . . . . . . . . . . 124 Tabelle 14: Zuordnung der Dimensionen des Untersuchungsgegenstands zu Fragenkomplexen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 Tabelle 15: Untersuchungszeiträume der Gesamtstudie nach Studienteilnehmenden . 136 Tabelle 16: Zusammenschau der Vorteile von Online-Befragungen im Kontext der vorliegenden Studie (nach Daase, Hinrichs & Settinieri 2014, 108; Mayer 2013, 104-f.; Taddicken/ Batinic 2014, 160-f.; Thielsch/ Weltzin 2012, 111-f.; Wagner-Schelewsky/ Hering 2019, 794) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 Tabelle 17: Ziele der Pilotierung auf einer allgemeinen und spezifischen Ebene . . . . . 168 Tabelle 18: A priori gebildete Hauptkategorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 Tabelle 19: Integrationsstrategien von MAXQDA in der vorliegenden Studie (nach Rädiker/ Kuckartz 2019, 184 ff.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 Tabelle 20: Verteilung des Ortes des Studiums und des Vorbereitungsdiensts (nach Bundesländern) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 Tabelle 21: Teilnehmende der Gesamtstudie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 <?page no="472"?> Tabelle 22: Konsultierte (wissenschaftliche) Quellen zur Diskussion zu Lehrwerken in [%] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 Tabelle 23: Verständnisarten der Lehrbuch-/ -werkanalyse in [%] und Ankerzitate . . . 202 Tabelle 24: Analysierte Lehrwerkbestandteile (außer Lehrbuch) in [%] . . . . . . . . . . . . 203 Tabelle 25: Feststellungen im Bereich der Lehrwerkentwicklung in [%] . . . . . . . . . . . . 204 Tabelle 26: Verantwortung beim Umgang mit dem Lehrwerk in [%] . . . . . . . . . . . . . . . 218 Tabelle 27: Gründe der Zufriedenheit mit Lehrwerken in [%] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 Tabelle 28: Gründe der Unzufriedenheit mit Lehrwerken in [%] . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 Tabelle 29: Grad der Zustimmung zu Funktionsbereichen des Lehrwerks . . . . . . . . . . 228 Tabelle 30: Vorteile des Lehrwerks für Lehrende in [%] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 Tabelle 31: Vorteile des Lehrwerks für Lernende in [%] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 Tabelle 32: Vorteile und Funktionen von Lehrwerken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 Tabelle 33: Nachteile des Lehrwerks für Lehrende in [%] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 Tabelle 34: Nachteile des Lehrwerks für Lernende in [%] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 Tabelle 35: Nachteile von Lehrwerken unter Darbietung abgeleiteter Handlungskonsequenzen und datenbasierter Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . 234 Tabelle 36: Gründe für die Einengung durch Lehrwerke in [%] und Ankerzitate . . . . 237 Tabelle 37: Einschätzung der Sinnhaftigkeit von Lehrwerkbestandteilen unter Angabe statistischer Kennwerte (1=sehr sinnvoll; 5=gar nicht sinnvoll) . 239 Tabelle 38: Von den Befragten als sinnvoll erachtete Lehrwerkbestandteile zur Unterrichtsvor- und -nachbereitung, Aufbereitung und Vertiefung sowie (kreativen) Weiterarbeit mit Inhalten in [%] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 Tabelle 39: Potenziale der Verzahnung von Lehrwerkbestandteilen in [%] . . . . . . . . . . 241 Tabelle 40: Schwierigkeiten der Verzahnung von Lehrwerkbestandteilen . . . . . . . . . . 242 Tabelle 41: Grad der Zustimmung im Bereich des motivational-volitionalen Faktors Bereitschaft und Wille unter Angabe statistischer Kennwerte (1=stimme voll und ganz zu; 5=stimme gar nicht zu) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 Tabelle 42: Grad der Zustimmung im Bereich des motivational-volitionalen Faktors Neugierde und Interesse unter Angabe statistischer Kennwerte (1=stimme voll und ganz zu; 5= stimme gar nicht zu) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 Tabelle 43: Nutzungshäufigkeit der gelisteten Lehrwerkbestandteile zur Unterrichtsvorbereitung im Rahmen einer Lehrwerklektion (1=immer; 5=nie) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279 Tabelle 44: Anzahl der immer bis oft verwendeten Lehrwerkbestandteile zur Unterrichtsvorbereitung im Rahmen einer Lehrwerklektion in [%] . . . . . . 284 Tabelle 45: Anzahl der nie verwendeten Lehrwerkbestandteile zur Unterrichtsvorbereitung im Rahmen einer Lehrwerklektion in [%] . . . . . . 285 Tabelle 46: Materialnutzungsdokumentation zur Unterrichtsvorbereitung von Lehrkraft V (07.09.2020) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289 Tabelle 47: Materialnutzungsdokumentation zur Unterrichtsvorbereitung von Lehrkraft IV (21.09.2020) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289 Tabelle 48: Materialnutzungsdokumentation zur Unterrichtsvorbereitung von Lehrkraft III (09.09.2020) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290 472 Tabellenverzeichnis <?page no="473"?> Tabelle 49: Materialnutzungsdokumentation zur Unterrichtsvorbereitung von Lehrkraft III (30.09.2020) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290 Tabelle 50: Von den Befragten angegebene Nutzungshäufigkeit der gelisteten Lehrwerkbestandteile im Unterricht im Rahmen einer Lehrwerklektion (1=immer; 5=nie) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292 Tabelle 51: Anzahl an immer bis oft verwendetem lehrwerk(un-)abhängigem Material zur Unterrichtsvorbereitung und im Unterricht in [%] . . . . . . . . . . . . . . . . 293 Tabelle 52: Anzahl an immer bis oft verwendeten Lehrwerkbestandteilen im Unterricht im Rahmen einer Lehrwerklektion in [%] . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294 Tabelle 53: Verwendete Lehrwerkbestandteile und selbst erstelltes/ lehrwerkunabhängigeres Material im Rahmen der beobachteten Lehrwerklektion in [%] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295 Tabelle 54: Anzahl an nie verwendeten Lehrwerkbestandteilen im Unterricht im Rahmen einer Lehrwerklektion in [%] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 296 Tabelle 55: Verwendete Lehrwerkbestandteile und selbst erstelltes/ lehrwerunabhängigeres Material im Rahmen der beobachteten Lehrwerklektion in Minuten und [%] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 298 Tabelle 56: Häufigkeit der Nutzung von Handlungsoptionen zur Veränderung von Lehrwerkbestandteilen im Rahmen einer Lehrwerklektion unter Angabe statistischer Kennwerte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299 Tabelle 57: Häufigkeit der Nutzung von Materialquellen zur Veränderung von Lehrwerkbestandteilen unter Angabe statistischer Kennwerte . . . . . . . . . 300 Tabelle 58: Von den Lehrkräften II, III und VII verwendete Handlungsoptionen im Rahmen einer Lehrbuchlektion in [%] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 302 Tabelle 59: Von den Lehrkräften I, IV und V verwendete Handlungsoptionen im Rahmen einer Lehrbuchlektion in [%] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 302 Tabelle 60: Von der Lehrkraft VI verwendete Handlungsoptionen im Rahmen einer Lehrbuchlektion in [%] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 303 Tabelle 61: Unterrichtsverlaufsplan (VII, 09.09.2020) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 304 Tabelle 62: Unterrichtsverlaufsplan (VI, 06.11.2020) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307 Tabelle 63: Prozentualer Anteil der Unterrichtszeit zur Adressierung verschiedener Kompetenzen und sprachlicher Mittel auf Basis der beobachteten Lektionsarbeit (Lehrkräfte II, III, VII) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 309 Tabelle 64: Prozentualer Anteil der Unterrichtszeit zur Adressierung verschiedener Kompetenzen und sprachlicher Mittel auf Basis der beobachteten Lektionsarbeit (Lehrkräfte I, IV, V) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 333 Tabelle 65: Prozentualer Anteil der Unterrichtszeit zur Adressierung verschiedener Kompetenzen und sprachlicher Mittel auf Basis der beobachteten Lektionsarbeit (Lehrkraft VI) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 354 Tabelle 66: Herangehensweise und Instrumente zum Einbezug der Lernenden in die Lehrwerkbesprechung in [%] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 366 Tabelle 67: Vergleich der prozentualen Verteilung der Unterrichtszeit für Kompetenzen und sprachliche Mittel zwischen Abdel Latif (2012) und der vorliegenden Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 378 Tabellenverzeichnis 473 <?page no="474"?> Tabelle 68: Ermittelte Konsequenzen für den Umgang mit dem Lehrwerk in Hybrid- und Onlineunterrichtsszenarien unter Angabe von Ankerbeispielen . . . . 398 Tabelle 69: Generierte Hypothesen im Bereich der subjektiven Sichtweise auf Lehrwerke und ihre Verwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 405 Tabelle 70: Bivariate Korrelationsanalyse: Sinnhaftigkeit und Verwendung von Lehrwerkbestandteilen (Unterrichtsvor- und -nachbereitung) . . . . . . . . . 406 Tabelle 71: Bivariate Korrelationsanalyse: Sinnhaftigkeit und Verwendung von Lehrwerkbestandteilen im Unterricht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 408 Tabelle 72: Generierte Hypothesen in den Bereichen der subjektiven Sichtweise, der Rezeption und Verwendung sowie ihnen zugrunde liegende Wechselwirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 410 Tabelle 73: Generierte Hypothesen in den Bereichen der subjektiven Sichtweise sowie der Rezeption und Verwendung unter Berücksichtigung des Faktors der Berufserfahrung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 413 Tabelle 74: Reflexionsbogen für (angehende) Lehrende (in Weiterführung zu Kurtz 2020) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 427 474 Tabellenverzeichnis <?page no="475"?> Giessener Beiträge zur Fremdsprachendidak�k Lehrwerke stellen im Fremdsprachenunterricht ein maßgebliches Instrument dar, das die Lehr- und Lernkultur nachhaltig beeinflusst. Doch noch immer liegen kaum empirische Erkenntnisse zur Wahrnehmung von und zum Umgang mit Lehrwerken durch Lehrende und Lernende vor. Mit der vorliegenden Mixed-Methods- Studie wird die Interaktion von Lehrkräften mit dem Lehrwerk erstmalig einer multiperspektivischen Betrachtung unterzogen und das Lehrwerk in der Faktorenkomplexion des Fremdsprachenunterrichts ergründet. Anhand der Kombination und Integration quantitativer und qualitativer Erhebungs- und Auswertungsmethoden werden lehrwerk(verwendungs-)bezogene Kenntnisse, Einstellungen, Rezeptions- und Verwendungsweisen von Spanischlehrkräften sowie strukturelle Faktoren der Lehrwerknutzung ermittelt. Die Untersuchung liefert damit zentrale Erkenntnisse, die für die Lehrwerkforschung und Lehrer: innenbildung von Bedeutung sind. ISBN 978-3-381-11261-6
