Nachhaltigkeit – Paradigma und Pflicht der Völkergemeinschaft
0729
2024
978-3-3811-1282-1
978-3-3811-1281-4
UVK Verlag
Michael von Hauff
10.24053/9783381112821
Die Bundesregierung hat sich in der nationalen Nachhaltigkeitsstrategie ein hohes Ziel gesetzt. Im Rahmen einer Selbsteinschätzung stellt sie jedoch fest, dass das bisherige Handeln bei weitem nicht ausreicht um einen politisch erwünschten nachhaltigen Entwicklungspfad konsequent zu gehen. Diese Erkenntnis gilt für alle Bereiche des Landes, auch wenn es in Wissenschaft, Forschung, Bildung, Wirtschaft und der Gesellschaft ermutigende Beispiele gibt.
In den beiden ersten Kapiteln werden einige Grundlagen zur nachhaltigen Entwicklung vorgegeben, um den Anspruch des Paradigmas zu verdeutlichen. Begründung: Der Grundkonsens in der Fachwelt hat sich in Politik, Wirtschaft, Forschung und Gesellschaft noch nicht in gewünschtem Maße durchgesetzt. Danach geht es primär darum das Spannungsfeld zwischen ermutigenden und unzureichenden Entwicklungen zur nachhaltigen Entwicklung deutlich zu machen.
ISBN 978-3-381-11281-4 Die Bundesregierung hat sich in der nationalen Nachhaltigkeitsstrategie ein hohes Ziel gesetzt. Im Rahmen einer Selbsteinschätzung stellt sie jedoch fest, dass das bisherige Handeln bei weitem nicht ausreicht um einen politisch erwünschten nachhaltigen Entwicklungspfad konsequent zu gehen. Diese Erkenntnis gilt für alle Bereiche des Landes, auch wenn es in Wissenschaft, Forschung, Bildung, Wirtschaft und der Gesellschaft ermutigende Beispiele gibt. In den beiden ersten Kapiteln werden einige Grundlagen zur nachhaltigen Entwicklung vorgegeben, um den Anspruch des Paradigmas zu verdeutlichen. Begründung: Der Grundkonsens in der Fachwelt hat sich in Politik, Wirtschaft, Forschung und Gesellschaft noch nicht in gewünschtem Maße durchgesetzt. Danach geht es primär darum, das Spannungsfeld zwischen ermutigenden und unzureichenden Entwicklungen zur nachhaltigen Entwicklung deutlich zu machen. von Hauff Nachhaltigkeit Michael von Hauff Nachhaltigkeit - Paradigma und Pflicht der Völkergemeinschaft Ökologie Soziale s Ö konomie Nachhaltigkeit - Paradigma und Pflicht der Völkergemeinschaft In der Lehre immer am Zahn der Zeit zu sein, wird in unserer schnelllebigen Zeit immer mehr zur Herausforderung. Mit unserer neuen fachübergreifenden Reihe nuggets präsentieren wir Ihnen die aktuellen Trends, die Forschung, Lehre und Gesellschaft beschäftigen - wissenschaftlich fundiert und kompakt dargestellt. Ein besonderes Augenmerk legt die Reihe auf den didaktischen Anspruch, denn die Bände sind vor allem konzipiert als kleine Bausteine, die Sie für Ihre Lehrveranstaltung ganz unkompliziert einsetzen können. 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Er hat eine Vielzahl von Arbeiten über den Zusammenhang von Ökologie und Ökonomie und über die ökonomische und ökologische Entwicklung von Entwicklungsländern wie Indien, Vietnam und Myanmar publiziert. In den letzten Jahren hat er sich besonders dem Leitbild Nachhaltiger Entwicklung im Rahmen von Publikationen und Forschungsprojekten zuge‐ wandt. Der Fernstudiengang „Nachhaltige Entwicklungszusammenarbeit“ am Fernstudienzentrum der TU Kaiserslautern geht auf seine Initiative zurück. Michael von Hauff Nachhaltigkeit - Paradigma und Pflicht der Völkergemeinschaft unter Mitarbeit von Philipp von Hauff DOI: https: / / doi.org/ 10.24053/ 9783381112821 © UVK Verlag 2024 ‒ Ein Unternehmen der Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5 · D-72070 Tübingen Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikro‐ verfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Alle Informationen in diesem Buch wurden mit großer Sorgfalt erstellt. Fehler können dennoch nicht völlig ausgeschlossen werden. Weder Verlag noch Autor: innen oder Heraus‐ geber: innen übernehmen deshalb eine Gewährleistung für die Korrektheit des Inhaltes und haften nicht für fehlerhafte Angaben und deren Folgen. Diese Publikation enthält gegebenenfalls Links zu externen Inhalten Dritter, auf die weder Verlag noch Autor: innen oder Herausgeber: innen Einfluss haben. Für die Inhalte der verlinkten Seiten sind stets die jeweiligen Anbieter oder Betreibenden der Seiten verantwortlich. Internet: www.narr.de eMail: info@narr.de CPI books GmbH, Leck ISSN 2941-2730 ISBN 978-3-381-11281-4 (Print) ISBN 978-3-381-11282-1 (ePDF) ISBN 978-3-381-11283-8 (ePub) Umschlagabbildung: © adventtr· iStockphoto Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet überhttp: / / dnb.dnb.de abrufbar. www.fsc.org MIX Papier aus verantwortungsvollen Quellen FSC ® C083411 ® 7 1 11 1.1 11 1.2 14 1.3 17 2 23 2.1 24 2.2 27 2.3 28 30 31 33 2.4 35 2.5 36 3 45 3.1 46 3.2 48 4 55 4.1 56 4.2 59 4.3 61 Inhalt Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Entstehung des Paradigmas Nachhaltigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vorläufer nachhaltiger Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Brundtland-Bericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Rio-Prozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anforderungen nachhaltiger Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Kontroverse: schwache versus starke Nachhaltigkeit . Die Auflösung der Kontroverse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die drei Dimensionen nachhaltiger Entwicklung . . . . . . . Ökologische Nachhaltigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ökonomische Nachhaltigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Soziale Nachhaltigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Beziehungen der drei Dimensionen zueinander . . . . . Die Relevanz von Innovationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gerechtigkeit als konstitutives Element nachhaltiger Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gerechtigkeit nach Amartya Sen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Klimagerechtigkeit - Das unbewältigte Problem . . . . . . . . Die Bedeutung der Digitalisierung für die nachhaltige Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Digitalisierung: Einordnung in die nachhaltige Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ökologische Chancen und Risiken der Digitalisierung für nachhaltige Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Perspektiven der Digitalisierung zur Stärkung nachhaltiger Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 65 5.1 65 5.2 67 5.3 71 71 76 76 77 5.4 81 6 85 6.1 86 6.2 94 7 101 8 107 109 118 119 Die Entwicklung der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie . . . . . . Anforderungen an eine Nachhaltigkeitsstrategie . . . . . . . . Die Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie 2002 . . . . . . . . . . . . Die Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie - Neuauflage 2016 Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aktualisierung der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie 2018 . . . Zentrale politische Herausforderungen unserer Zeit . . . . . . . . . . . Stand und Umsetzung der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie . . Die Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie - Weiterentwicklung 2021 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Bewertung der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie . . . . . . . . Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie 2021 . . . . . . . . . . . . . . . . Hemmnisse der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie . . . . . Nachhaltige Entwicklung - Eine vorläufige Bestandsaufnahme und Potenziale der Weiterentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Index . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abbildungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 Inhalt Vorwort Der Anspruch der Bundesregierung an die Gestaltung und Umsetzung nachhaltiger Entwicklung: „Für uns ist die Förderung einer nachhaltigen Entwicklung grundlegendes Ziel und Maßstab des Regierungshandelns. … Um die Ziele der deutschen Nachhal‐ tigkeitsstrategie und der Agenda 2030 zu erreichen, müssen wir den Weg einer wirklich anspruchsvollen Transformation gehen, der wichtige Bereiche wie Energie, Kreislaufwirtschaft, Wohnen, Verkehr, Ernährung und Landwirtschaft umfasst. In Deutschland wollen wir mit der Weiterentwicklung unserer Nach‐ haltigkeitsstrategie insbesondere mit Bildung, Forschung und Innovationen den Transformationsprozess voranbringen.“ (Die Bundesregierung 2021). Die Bundesregierung Deutschlands hat sich mit der Nachhaltigkeitsstra‐ tegie von 2016 und der Weiterentwicklung 2021 ein hohes Ziel gesetzt. Betrachtet man Reden von Politikerinnen und Politikern auf Bundesals auch auf Landesebene aufmerksam, wird in „politischen Statements“ auf die nationale Nachhaltigkeitsstrategie im Sinne von „Ziel und Maßstab des Re‐ gierungshandelns“ kaum Bezug genommen. Dabei hat die Bundesregierung im Rahmen einer Selbsteinschätzung festgestellt, dass das bisherige Handeln bei weitem noch nicht ausreicht, um einen nachhaltigen Entwicklungspfad konsequent zu gehen. Diese Erkenntnis gilt für alle Bereiche des Landes, auch wenn es auf Bundesebene und auch in einzelnen Bundesländern, in Wissenschaft, For‐ schung, Bildung, Wirtschaft und Gesellschaft ermutigende bzw. vorbildliche Beispiele hinsichtlich der Umsetzung schon gibt. So gibt es u. a. Hochschu‐ len wie die Universität Lüneburg oder die Hochschule für Nachhaltigkeit Eberswalde in denen Nachhaltigkeit in Forschung und Lehre stattfindet oder Unternehmen und Verbände die bestrebt sind Nachhaltigkeit umzusetzen und gesellschaftliche Gruppen, die das Thema mit Nachdruck fördern. Dabei gilt jedoch zu berücksichtigen, dass nachhaltige Entwicklung ein dynami‐ scher Prozess ist, da immer wieder neue Herausforderung hinzukommen oder Herausforderungen an Bedeutung bzw. Dringlichkeit zunehmen die zu bewältigen sind. Betrachtet man sich die aktuelle Situation allgemein, so findet das Thema in verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen immer mehr Beachtung. Dabei ist jedoch zu unterscheiden zwischen echtem Engagement und dem verbalen Missbrauch dieses Paradigmas u. a. in der Werbung, wo der Begriff oft ohne einen konkreten Bezug bzw. Sinn verwendet wird. Vielfach mangelt es noch an einem fundierten Wissen und an einer konsequenten und konsistenten Umsetzung. Besonders Bildungseinrichtungen wie Schulen, Hochschulen und sonstige Bildungseinrichtungen wie Akademien sind gefordert Kompetenzen für einen Transformationsprozess zu mehr Nach‐ haltigkeit zu fördern. Die mangelnde Umsetzung nachhaltiger Entwicklung z.-B. im Bereich des Klimas oder der Biodiversität hat für zukünftige Gene‐ rationen weitrechende negative Folgen. Für Fehlentwicklungen sind frühere Generationen, aber auch die heute lebende Generation verantwortlich. Die Umsetzung nachhaltiger Entwicklung erfordert den vielfältigen und schwerwiegenden Problemen wie Klimawandel, Verlust an Artenvielfalt, dem umweltbelastenden Wirtschaften und Konsumieren aber auch der Ungleichheit bzw. dem Mangel an Gerechtigkeit gezielt und konsequent entgegenzutreten. Das macht es notwendig gesicherte bzw. gewohnte Wege zu verlassen, was oft mit einer gewissen Unsicherheit verbunden ist, da die Folgewirkungen häufig nicht klar erkennbar sind oder die Trägheit bzw. Pfadabhängigkeit einfach obsiegt. Die Stärkung des Transformations‐ prozesses zu nachhaltiger Entwicklung erfordert eine stärkere Kohärenz im politischen Handeln aber auch ein stärkeres Engagement von Akteuren der Wissenschaft, der Wirtschaft, der Verbände, der Civil Society und der Kirchen im Sinne eines Gemeinschaftswerkes Nachhaltigkeit. Das Buch möchte zu einem besseren Verständnis nachhaltiger Entwicklung beitra‐ gen und aufzeigen, was notwendig ist, von den gewohnten Pfaden zu einem intensiveren und umfassenden Transformationsprozess nachhaltiger Entwicklung zu gelangen. Dabei geht es auch um die Frage wer diesen Transformationsprozess bewusst behindert oder blockiert. Die Ausführungen in dem ersten Kapitel geben einen komprimierten Überblick über die Entstehungsgeschichte des Paradigmas nachhaltiger Entwicklung. Dabei wird deutlich, dass es sich um ein relativ altes Paradigma handelt, das weiterentwickelt und diversifiziert wurde. In dem folgenden Kapitel werden dann die Grundlagen an eine nachhaltige Entwicklung aufgezeigt. Dabei steht das Novum des Paradigmas im Mittelpunkt: Es geht um die Dreidimensionalität nachhaltiger Entwicklung wonach die drei Dimensionen Ökologie, Ökonomie und Soziales zu einem stabilen Gleich‐ gewicht zusammengeführt werden sollen. Dabei gilt zu berücksichtigen, 8 Vorwort dass ohne stabile Ökosysteme ein Überleben der Menschheit nicht möglich ist. Gerechtigkeit als konstitutives Element nachhaltiger Entwicklung wird in Kapitel drei erläutert. Es wurde in der Nachhaltigkeitsdiskussion bisher vernachlässigt und sollte daher in Zukunft mehr Beachtung finden. Kapitel vier wendet sich der Digitalisierung zu, die für die Weiterentwicklung nachhaltiger Entwicklung noch vielfältige Möglichkeiten bietet. Nach dem Wissenschaftlichen Beirat der Bundesregierung Globale Umweltverände‐ rungen lautet die Maxime: die Digitalisierung muss so gestaltet werden, dass sie als Hebel und Unterstützung für die große Transformation zur Nachhaltigkeit dient. Die beiden folgenden Kapitel wenden sich dann der Deutschen Nachhal‐ tigkeitsstrategie ausführlich zu. Zunächst wird die Zielrichtung aufgezeigt, um anschließend den Stand der Entwicklung der Nachhaltigkeitsstrategie zu bewerten. In Kapitel sieben wird eine vorläufige Bestandsaufnahme nachhaltiger Entwicklung vorgenommen und die Potenziale der Weiterent‐ wicklung in Deutschland diskutiert. Das sehr umfangreiche Thema der nachhaltigen Entwicklung kann in diesem Buch nur kursorisch vorgestellt werden. Eine Vielzahl von Literaturquellen, die aufgeführt werden, ermög‐ licht es dem Leser einzelne Aspekte zu vertiefen. Stuttgart 2024 Michael von Hauff Vorwort 9 1 Entstehung des Paradigmas Nachhaltigkeit Nachhaltige Entwicklung hat eine Reihe von Vorläufern, die teilweise mehrere Jahrhunderte zurück reichen. Der Begriff fand seinen Ursprung in der Wald- und Forstwirtschaft. Das Gleichgewicht zwischen Abholzung und Aufforstung sollte durch die Erhaltung der Waldbestände angestrebt werden, um dadurch Holzknappheit und damit weitreichende wirtschaftli‐ che und soziale Folgen zu vermeiden. Eine wichtige Etappe nachhaltiger Entwicklung begann dann zu Beginn der 1970er Jahre. Das lange dominie‐ rende Paradigma „wie erhalten bzw. fördern wir wirtschaftliches Wachs‐ tum“ wurde durch den ersten Bericht an den Club of Rome „Grenzen des Wachstums“ kritisch hinterfragt. Dieser Bericht führte zu einer Kontroverse um wirtschaftliches Wachstum, die sich bis heute fortsetzt. Dabei geht es um die Frage, welchen Stellenwert Wachstum im Kontext nachhaltiger Entwicklung hat und wie ein nachhaltiges Wachstum zu gestalten ist. Seit der Veröffentlichung des Brundtland-Berichts im Jahr 1987 durch die „Brundtland-Kommission“ gilt nachhaltige Entwicklung global als neues Paradigma bzw. Leitbild der Weltgemeinschaft (WCED 1987; deutsche Ver‐ sion: Hauff 1987). Die in dem Brundtland-Bericht geforderte internationale Konferenz fand 1992 in Rio de Janeiro statt, auf der sich die Völkergemein‐ schaft (178 Nationen) zu dem neuen Leitbild bekannt hat. Damit begann der Rio-Prozess, der im Rahmen einer Reihe von Folgekonferenzen fortgesetzt wurde. Die Zielvorgaben und Maßnahmen zur Umsetzung wurden in der Agenda 21, die als Agenda des 21. Jahrhunderts bekannt wurde, aufgeführt. Die folgenden Ausführungen beschränken sich auf einige zentrale Meilen‐ steine der Entstehung und Etablierung nachhaltiger Entwicklung. 1.1 Vorläufer nachhaltiger Entwicklung Ein bedeutender Vorläufer der Idee nachhaltiger Entwicklung, der auch den Begriff nachhaltig prägte, war der Freiberger Oberberghauptmann Hans Carl von Carlowitz. Er führe ihn in seiner Abhandlung „Sylvicultura Oeconomica“ aus dem Jahr 1713 ein. Er forderte in seiner Abhandlung eine „continuierliche und beständig nachhaltige Nutzung“ von Holz und stellte fest: „Denn je mehr Jahr vergehen, in welchem nichts gepflanzet und gesaet wird, je langsamer hat man den Nutzen zugewarten, und um so viel tausend leidet man von Zeit zu Zeit Schaden, ja um so viel mehr geschickt weitere Verwüstung, daß endlich die annoch vorhandenen Gehöltze angegriffen, vollends consumiret und sich je mehr und mehr vermindern müssen. … Wo Schaden aus unterbliebener Arbeit kommt, da wächst der Menschen Armuth und Dürfftigkeit. Es lässet sich auch der Anbau des Holtzes nicht so schleunig wie der Acker=Bau tractiren.“ (von Carlowitz 1713, S.-105). Durch den Bergbau und die Verhüttung kam es zu der Zeit zu einer großen Nachfrage nach Holz, die in der Umgebung der Bergbaustädte zu einer Ent‐ waldung führte. Als weitere Ursachen zunehmender Holzknappheit nannte von Carlowitz schon zu seiner Zeit Sturmschäden, die bei ihm an erster Stelle standen, gefolgt von Schäden durch Schnee, Frost und Trockenheit und schließlich Schäden durch blattfressende Raupen und anderes Vieh (v. Carlowitz 2012, S. 25). Daher entwickelte er neue Grundsätze, mit denen Holzknappheit überwunden werden sollten. Es wäre jedoch unzureichend von Carlowitz nur auf eine Management‐ regel zur Überwindung von Holzknappheit einzugrenzen. Es ging ihm eher um eine Geisteshaltung, die auch heute noch hoch relevant ist. In seiner Abhandlung nimmt er immer wieder Bezug auf Gott, was häufig übersehen wird. Die Naturvorstellung von Carlowitz war stark durch den jüdischen Religionsphilosophen Spinoza geprägt, der Gott und die „natura naturans“ als Einheit verstand. Somit begründet sich seine Geisteshaltung aus der Ehrfurcht vor der Schöpfung, der Teilhabe an deren kreativ-schöpferischer Macht und als vorausschauende Zukunftsverantwortung (Vogt 2014). Die Bewirtschaftung von Wäldern hat sich weiterentwickelt und hat sich national und international aufgrund der vielfältigen Herausforderun‐ gen stark diversifiziert. In jüngerer Vergangenheit orientiert sich die euro‐ päische Forstwirtschaft zunehmend an den negativen Auswirkungen des Klimawandels, die in den letzten Jahren stark zugenommen haben. Daraus begründet sich die Notwendigkeit, dass ein Umdenken des traditionellen Waldbaus in Richtung besser angepasster und diverserer Waldökosysteme vonnöten ist. Nur so ist eine Gefährdung der Funktionalität und Fähigkeit zur Selbstregulation von Wäldern zu erreichen (Thom et al. 2022, S. 38). Bei dem Ziel einer nachhaltigen Waldbewirtschaftung ist somit auf die Gesundheit der Wälder zu achten und ihre Anpassungsfähigkeit an die sich 12 1 Entstehung des Paradigmas Nachhaltigkeit verändernden Klimabedingungen zu erhöhen. Dies wirkt sich auch positiv auf die Biodiversität aus. Eine herausragende Bedeutung von Wäldern ist, dass sie zur Abschwä‐ chung des Klimawandels beitragen. Die europäischen Wälder absorbieren pro Jahr das Äquivalent von 8,9 Prozent der gesamten Treibhausgasemis‐ sionen. Daher sind sie für die Verwirklichung des Ziels der Klimaneutralität auch für die EU von großer Bedeutung. Daraus begründet sich das Engage‐ ment der Europäischen Kommission und des Europäischen Parlaments für die Förderung einer nachhaltigen Forstwirtschaft. Die Initiativen beschrän‐ ken sich jedoch nicht nur auf Europa und die europäischen Mitgliedsstaaten. Besondere Beachtung findet das aktuelle Programm der EU-Verordnung zur Bekämpfung der weltweiten Entwaldung und Waldschädigung. Sie zielt darauf ab, dass nur jene Rohstoffe und Erzeugnisse in den Unionsmarkt eingeführt werden dürfen, wenn sie nicht mit Entwaldung und Waldschä‐ digung in Verbindung stehen (v. Hauff 2023, S.-67). Wichtige Impulse für die Stärkung der Ökologie gingen in den 1960er- und 1970er-Jahren u. a. von Ökonomen wie Kenneth Boulding und Edward Mishan aus. In seinem Buch „The Costs of Economic Growth“ kritisierte Mishan das Sozialprodukt als Indikator für „human welfare“ was im Rahmen der Diskussion zur nachhaltigen Entwicklung von großer Relevanz ist. Besondere Aufmerksamkeit erfuhr dann der erste Bericht an den Club of Rome „Grenzen des Wachstums“, der primär von Dennis und Donella Meadows verfasst wurde. Mit diesem Bericht wurde das uneingeschränkt dominierende Paradigma des wirtschaftlichen Wachstums kritisch hinter‐ fragt. Das führte zu einer intensiven Kontroverse pro und contra Wachstum, die bis heute noch besteht. Der Bericht basiert auf der Prognose, wonach sich die Menschheit auf einem „Boom-and-Burst“ Pfad befindet. Der eigentliche Durchbruch zu dem Leitbild nachhaltiger Entwicklung erfolgte schließlich durch den Brundtland-Bericht. Es ist jedoch zu erwähnen, dass wichtige Impulse auch von dem Dag Hammarskjöld Report aus dem Jahr 1975 ausgingen, in dem nicht nur der Missstand der Unterentwicklung, sondern auch der Überentwicklung aufgezeigt wurde. Die Entwicklungskrise wurde einerseits auf die Armut der Menschen in Entwicklungsländern, die ihre grundlegenden Bedürfnisse nicht befriedigen können, zurückgeführt. Andererseits wird der wachsende Wohlstand in vielen Industrieländern, der teilweise zu verschwenderischen Lebensstilen mit den Folgen der zunehmenden Umweltschäden führt, an‐ geprangert. Dadurch wurde deutlich, dass dieser Lebensstil nicht geeignet 1.1 Vorläufer nachhaltiger Entwicklung 13 ist, Armut zu überwinden. Aus diesem Grund wurde den Industrieländern die Verantwortung für die Lösung zur Überwindung vieler ökologischer und sozioökonomischer Probleme zugewiesen (Grunwald, Kopfmüller 2022, S. 27). Weiterhin finden der Brand- und der Palme-Report, die sich beide aus der Nord-Süd Kommission der Vereinten Nationen begründen, auch heute noch Beachtung, da sie die Entwicklungsproblematik auf die internationale Ebene brachten (Harborth 1991). Die Entwicklungskrise, mit der die Welt heute noch konfrontiert ist, liegt weiterhin in der Armut der Massen der Dritten Welt wie auch der Menschen, die in Industrieländern in Armut leben. Sie können selbst die grundlegendsten Bedürfnisse wie Nahrung, Lebensraum, Gesundheit und Bildung nicht ausreichend befriedigen. 1.2 Der Brundtland-Bericht Die World Commission on Environment and Development (WCED), die 1980 von der UN einberufen wurde, setzte 1983 die Brundtland-Kommission unter dem Vorsitz der norwegischen Ministerpräsidentin Gro Harlem Brundtland ein. Die Kommission hatte den Auftrag Handlungsempfehlungen zur Über‐ windung der wachsenden ökologischen, ökonomischen und der sozialen Krisen zu formulieren. Die Kommission hat den Begriff „nachhaltige Ent‐ wicklung“ in ihrem Bericht mit dem Titel „Our Common Future“ als globales Leitbild erstmals einer breiten Öffentlichkeit nahegebracht (Hauff 1987). Im Mittelpunkt stehen die drei Grundprinzipien: die globale Perspektive, die untrennbare Verknüpfung zwischen Umwelt und Entwicklung und die Realisierung von Gerechtigkeit. Die globale Perspektive zielt auf eine Entwicklungsperspektive für die Weltgemeinschaft als Ganzes ab. Das führte dazu, dass die Brundtland-Kommission eine internationale Konferenz anregte, auf der sich die Völkergemeinschaft zu dem Paradigma der nach‐ haltigen Entwicklung bekennt und dieses inhaltlich konkretisiert. Der Brundtland-Bericht erschien in einer Zeit, als viele Krisensymptome wie die wachsende Armut, der Hunger, die Trockenheit in vielen afrika‐ nischen Ländern, die zunehmende Vernichtung tropischer Regenwälder, die Verringerung der Ozonschicht, erste nationale Finanzkrisen in Ent‐ wicklungsländern, die Verschuldung bzw. Überschuldung vieler Länder des globalen Südens und die mangelnde wirtschaftliche Entwicklung sich verschärften. Sie führten zu einer ernsthaften Herausforderung für die Politik auf allen Ebenen. In diesem Zusammenhang geht es auch um 14 1 Entstehung des Paradigmas Nachhaltigkeit negative externe Effekte mit denen Industrieländer in besonderem Maße Entwicklungsländer belasten. Beispiele hierfür sind die Verlagerung umweltbelastender Produktion in Länder mit geringen Umweltstandards oder der Export von um‐ weltbelastenden Abfällen wie Plastik in Entwicklungsländer. Dadurch entstehen Industrieländern Nachhaltigkeitsgewinne, die zu Nachhaltig‐ keitsverlusten besonders in Entwicklungsländern führen. Es wurde erkannt, dass diese Herausforderungen nicht durch gängige Strategien bzw. Maßnahmen, sondern nur im Rahmen des neuen Paradigmas der nachhaltigen Entwicklung und in globaler Verantwortung überwunden werden können. Das Ziel, das im Mittelpunkt steht, ist eine dauerhafte Erfüllung mensch‐ licher Grundbedürfnisse unter Berücksichtigung der Tragfähigkeit der na‐ türlichen Umwelt heute und in Zukunft. Damit wird die Verantwortung des Menschen für die Natur, wie sie im Kontext des Anthropozän diskutiert wird, berücksichtigt (Crutzen, Stoermer 2000; Ellis 2020). Daraus leiten sich die beiden konstitutiven Merkmale der intra- und intergenerationellen Gerechtigkeit ab. ● Intragenerationelle Gerechtigkeit: Sie fordert einen gerechten Aus‐ gleich der Interessen der Menschen zwischen den Industrie- und Ent‐ wicklungsländern, als auch in den einzelnen Industrie- und Entwick‐ lungsländern. ● Intergenerationelle Gerechtigkeit: Sie fordert, dass zukünftige Ge‐ nerationen in ihrer Bedürfnisbefriedigung nicht durch die Lebensweise der heute lebenden Generation beeinträchtigt werden. Die beiden Definitionen verdeutlichen, dass neben der Erhaltung der ökolo‐ gischen Funktionen der Natur die Gerechtigkeit eine der zentralen Heraus‐ forderungen des Brundtland-Berichts ist. Häufig wird Gerechtigkeit primär auf Einkommens- und Vermögensgerechtigkeit fokussiert. Dabei geht es in einem weiteren Sinne um ein menschenwürdiges Leben, das zunächst auf die Erfüllung der Grundbedürfnisse abzielt. Aus der Perspektive der Ökonomie ist die Verantwortung, wonach auch zukünftigen Generationen ihre Bedürfnisse befriedigen können, neu. Das erfordert eine Vorsorge wo‐ 1.2 Der Brundtland-Bericht 15 nach Schäden zu vermeiden sind, die das Leben zukünftiger Generationen teilweise irreparabel belasten können. Als Schäden in diesem Zusammen‐ hang sind beispielsweise die Belastung von Böden und Gewässern mit Chemikalien, der Klimawandel, die Verringerung der Biodiversität aber auch die sichere Endlagerung radioaktiver Abfälle zu nennen. Ein wichtiges Anliegen von Gerechtigkeit beinhaltet aber auch die Chan‐ cengerechtigkeit im Sinne des Capability Ansatzes von Senn (vgl. hierzu Kapitel 3). Dabei geht es auch um ein Verbot von Diskriminierung auf der Grundlage von geschlechtlicher, ethnischer oder religiöser Herkunft. Die Gegenwarts- und Zukunftsverantwortung impliziert noch eine Vielzahl von Facetten, die im Kontext von Nachhaltigkeit noch nicht ausreichend wahrgenommen bzw. erforscht wurden. Das gilt in besonderem Maße für deren Beziehungsstrukturen. Als Beispiel hierfür kann die Beziehung zwischen intra- und intergene‐ rationeller Gerechtigkeit genannt werden: so stellt sich beispielsweise die Frage, welche Bedürfnisse zukünftige Generationen haben und welche Folgen das für die heutige Generation hat. Insgesamt fand der Brundtland-Bericht auf globaler Ebene eine breite Zustimmung. Das erklärt sich aus der relativ geringen Konkretisierung und der weitgehenden Vermeidung gegensätzlicher Positionen. So wurde beispielsweise zwischen den verschiedenen Einschätzungen der Bedeutung von Wirtschaftswachstum und technischem Fortschritt vermittelt. Daher vertritt der Brundtland-Bericht insgesamt eine optimistische Sicht zu einem „sustainable growth“. „What is needed now is a new era of economic growth - growth that is forceful and at the same time socially and environmentally sustainable.” Die Intention, unterschiedliche Positionen zusammen zu führen, wurde teilweise als Schwäche und teilweise als Stärke ausgelegt. In jedem Fall kommt dem Brundtland-Bericht durch die Benennung von Problemen und konkreten Forderungen eine große Anerkennung zu. Positiv zu werten ist auch, dass durch den Bericht eine globale Diskussion ausgelöst wurde. 16 1 Entstehung des Paradigmas Nachhaltigkeit 1.3 Der Rio-Prozess 1992 verpflichteten sich auf der United Nations Conference on Environment and Development in Rio de Janeiro 178 Nationen zu dem Leitbild nachhaltiger Entwicklung. Diese Konferenz leitete den Rio-Prozess ein Es folgten eine Reihe weiterer Konferenzen. Das Leitbild erlangte in der Folge international eine große Beachtung und Popularität. Das beruhte wesentlich auf der ungewöhnlich guten Verhandlungsatmosphäre, dem starken Engagement einiger Staaten und dem ausgeprägten Medieninteresse und -berichterstat‐ tung. Eine besondere Beachtung fand die handlungsleitende Agenda 21, die auf der Konferenz vorgelegt wurde. Das umfangreiche Aktionsprogramm, das auch heute noch eine hohe Ak‐ tualität aufweist, enthält viele und sehr konkrete Handlungsempfehlungen für das 21. Jahrhundert. Eine zentrale Forderung ist eine neue Entwicklungs- und Umweltpartnerschaft zwischen Industriestaaten und Entwicklungslän‐ dern anzustreben. Zentrale Ziele sind die Armutsbekämpfung und die nachhaltige Bewirtschaftung natürlicher Ressourcen wie Wasser, Boden und Wald. Sie enthält auch umweltpolitische Ziele wie die Reduzierung des Treibhausgaseffektes. Auf der Konferenz in Rio de Janeiro wurden weitere Beschlüsse vorgelegt, die auch heute noch auf der Agenda internationaler Konferenzen stehen: ● Rio Deklaration zu Umwelt und Entwicklung (das Recht auf Entwick‐ lung der heutigen und der zukünftigen Generationen entsprechend ihren Bedürfnissen), ● die Klimarahmenkonvention (Stabilisierung der Treibhausgasemissio‐ nen zur Vermeidung einer Störung des Klimasystems), ● die Konvention über biologische Vielfalt (Biodiversitätskonvention) und ● die Waldkonvention (Bewirtschaftung und Erhaltung der Wälder nach dem Grundsatz der Nachhaltigkeit). Keine der Konventionen enthielt jedoch eine überprüfbare Verpflichtung, was die Umsetzung beeinträchtigte. Sie hatten nur den Charakter von Rahmenbedingungen. Daher folgten nach der ersten Rio-Konferenz weitere Konferenzen wie ● die Weltbevölkerungskonferenz (1994), ● der Weltsozialgipfel (1995) und ● die Klimakonferenz (Kyoto-Protokoll 1997). 1.3 Der Rio-Prozess 17 2002 fand die in Rio de Janeiro beschlossene Folgekonferenz, d. h. der zweite Weltgipfel in Johannesburg statt. Im Mittelpunkt stand die Verabschiedung des Implementierungsplans, in dem neue Ziele und Programme für Umwelt‐ schutz und Armutsbekämpfung enthalten waren. Bereits 1997 vereinbarte die Ländergemeinschaft bis 2002 eine nationale Nachhaltigkeitsstrategie zu entwickeln. Dieser Vereinbarung folgten jedoch nur wenige Länder, weshalb in Johannesburg die Vereinbarung noch einmal eingefordert wurde. Die Aufbruchstimmung, die die Konferenz in Rio de Janeiro noch auszeichnete und oft mit dem Slogan „the Spirit of Rio“ betitelt wurde, war einer gewissen Ernüchterung gewichen. Parallel zu dem Rio-Prozess folgte die 55. Generalversammlung der Vereinten Nationen, die im September 2000 stattfand. Auf ihr wurde die „Millennium Declaration“ vorgelegt, die von einer Arbeitsgruppe aus Ver‐ tretern der Vereinten Nationen, der Weltbank, des IWF und des Entwick‐ lungsländerausschusses der OECD ausgearbeitet wurde. Auf dieser Gene‐ ralversammlung wurde die Millenniumserklärung von 189 Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen beschlossen. Damit einigten sich die Vertreter der Mitgliedstaaten auf einen Maßnahmenkatalog von acht Zielvorgaben, die bis zum Jahr 2015 realisiert werden sollten. Es handelte sich um folgende Ziele: ● den Anteil der Weltbevölkerung, der unter extremer Armut und Hunger leidet, halbieren; ● allen Kindern eine Grundschulausbildung ermöglichen; ● die Gleichstellung der Geschlechter fördern und die Rechte von Frauen stärken; ● die Kindersterblichkeit verringern; ● die Gesundheit der Mütter verbessern; ● HIV Aids, Malaria und andere übertragbare Krankheiten bekämpfen; ● den Schutz der Umwelt verbessern; ● eine weltweite Entwicklungspartnerschaft aufbauen. Im Gegensatz zur Agenda 21 bzw. dem Rio-Prozess kam es mit den acht Millennium Development Goals (MDG) zu konkreten, messbaren und für die gesamte Weltgemeinschaft gültigen Zielen. Die Millennium Development Goals hatten eine stark soziale Ausprägung, weshalb sie im Kontext nachhal‐ tiger Entwicklung vielfach als nicht ausgewogen kritisiert wurden. Weitere Kritikpunkte waren die mangelnde Kohärenz, da manche Ziele nur auf Kosten anderer erreicht werden können und die ökologische Dimension der 18 1 Entstehung des Paradigmas Nachhaltigkeit Nachhaltigkeit in den MDGs zu wenig berücksichtigt wurde. Schließlich sei die Rio-Vision der untrennbaren Verknüpfung von Umwelt- und Entwick‐ lungspolitik verloren gegangen. Besonders problematisch war jedoch, dass es sich schon früh abzeichnete, dass die MDGs bis 2015 nur bedingt erfüllt werden können. Der Rio-Prozess fand 2012 durch die Konferenz Rio+20, die erneut in Rio de Janeiro stattfand, seine Fortsetzung. Im Mittelpunkt dieser Konferenz stand das Thema „Green Economy“. Die Europäische Kommission interpre‐ tierte die Green Economy als eine Wirtschaftsweise, „die Wachstum generiert, Arbeitsplätze schafft und Armut bekämpft, indem sie in das Naturkapital, von dem langfristig das Überleben unseres Planeten abhängt, investiert und dieses erhält.“ (Europäische Kommission 2011). Entscheidend war jedoch, dass von den Vereinten Nationen eine Arbeits‐ gruppe gegründet wurde, die eine Liste mit universellen Entwicklungszielen zusammenstellen sollte. Auf der Grundlage dieser Ziele sollten die großen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts an den Schnittstellen von menschlicher Wohlfahrt und dem Umwelt- und Ressourcenschutz gelöst werden. Teilweise kam es zu intensiven und auch kontroversen Diskussionen. Besonders umstrittene Themen waren die Geschlechtergerechtigkeit, mit der sich der Vatikan und Russland besonders schwertaten und die Verringerung der Ungleichheit zwischen und innerhalb von Staaten. Als besonders innovativ gehalten wurden die Bemühungen zum Schutz der Ozeane (Scholz 2017, S. 24). Im Herbst 2015 wurde in New York die Agenda 2030 als Folgedokument zu den Millennium Development Goals verabschiedet. Sie wurde unter dem Begriff der „Post-2015-Agenda“ eingeordnet. Den Sustainable Development Goals (SDGs) wurden fünf Kernbotschaf‐ ten vorangestellt, wobei die englischen Begrifflichkeiten zu den 5 Ps führten: ● Menschen (People): Armut und Hunger sollen in all ihren Formen und Dimensionen beseitigt werden ● Planet (Planet): Der Planet Erde soll vor Schädigungen geschützt werden. ● Wohlstand (Prosperity): Alle Menschen sollen ein von Wohlstand geprägtes erfülltes Leben wahrnehmen. ● Frieden (Peace): Friedliche, gerechte und inklusive Gesellschaften, die frei von Furcht und Gewalt sind, sollen gefördert werden. 1.3 Der Rio-Prozess 19 ● Partnerschaft (Partnership): Die für die Umsetzung der Agenda benötigten Mittel sollen durch eine mit „neuem Leben gefüllte Partner‐ schaft für nachhaltige Entwicklung“ mobilisiert werden. Im Mittelpunkt der Agenda 2030 stehen die 17 Ziele, die sogenannten Sustainable Development Goals (SDGs), die mit 169 Unterzielen weiter ausdifferenziert wurden. Bis 2030, also 15 Jahre nach dem Beschluss, sollten alle UN-Mitgliedstaaten die Ziele umsetzen, um die globale Entwicklung gemäß der nachhaltigen Leitprinzipien zu gestalten (UN 2015). Die Agenda 2030 zeichnet sich durch Unteilbarkeit aus, wonach nicht nur einzelne Ziele ausgewählt, sondern die Agenda 2030 in ihrer Ge‐ samtheit angestrebt und umgesetzt werden soll. Sie gilt erst dann als realisiert, wenn auch die Ärmsten eine Verbesserung ihrer Lebens‐ bedingungen erfahren, was zu dem viel beachteten Slogan „leave no one behind“ führte. Die Unteilbarkeit verdeutlicht, dass sich die Ziele gegenseitig bedingen: Ein gesundes Leben setzt die Überwindung von Armut voraus und die Überwindung der Armut ist die Voraussetzung für eine gleichberechtigte und hochwertige Bildung. Das Novum war, dass im Gegensatz zu den MDGs nicht nur Entwicklungs‐ länder, sondern auch die Industriestaaten sich zu der Umsetzung einer nationalen Nachhaltigkeitsstrategie auf der Grundlage der Agenda 2030 verpflichteten. Für die Beurteilung einer nationalen Nachhaltigkeitsstrategie gibt es eine Vielzahl von Bewertungskriterien wie beispielsweise die Dringlichkeit der Implementierung von Zielen und die Berücksichtigung von Zielbezie‐ hungen und möglichen Synergieeffekten aber auch die Vermeidung von Zielkonflikten. Da die Voraussetzungen für die Ausgestaltung und Umset‐ zung der Agenda 2030 in Ländern teilweise sehr unterschiedlich sind, gilt es von dem konkreten Entwicklungsniveau bzw. von der jeweiligen Entwicklungsstufe eines Landes auszugehen. Entsprechend sind nationale Prioritäten zu setzen und die notwendigen nationalen Planungsprozesse zu initiieren. Dadurch wird jedoch das globale Verständnis zu nachhaltiger Entwicklung nicht beeinträchtigt. 20 1 Entstehung des Paradigmas Nachhaltigkeit Fazit: Die Agenda 2030 lässt sich dadurch kennzeichnen, dass es zu einer Zusammenführung von zwei getrennten UN-Verhandlungsprozessen kam: den 1992 begonnenen Rio-Prozess mit der Agenda 21 und den Prozess der Millenniumsentwicklungsziele. So kam es zu einem Meilenstein in der jüngeren Geschichte der Vereinten Nationen zu dem neuen Leitbild nachhaltiger Entwicklung. Die Agenda 2030 soll die Transformation aller nationalen Volkswirtschaften weltweit zu einer nachhaltigen Entwicklung vorantreiben (BMBU 2017). Damit bringen die Vertreter der Staatengemeinschaft ihre Überzeugung zum Ausdruck, dass die globalen Herausforderungen der nachhaltigen Entwicklung nur gemeinsam gelöst werden können. 1.3 Der Rio-Prozess 21 2 Anforderungen nachhaltiger Entwicklung Das Paradigma der nachhaltigen Entwicklung setzt sich eindeutig von jenem des ökonomischen Mainstreams ab. Eine grundsätzliche Anforderung ist die interdisziplinäre Abhandlung des Leitbildes nachhaltiger Entwicklung. Das erfordert in zunehmendem Maße die Zusammenarbeit von Vertretern ver‐ schiedener wissenschaftlicher Disziplinen. Eine der zentralen Anforderun‐ gen ist die Dreidimensionalität, wonach Ökologie, Ökonomie und Soziales zu einem stabilen Gleichgewicht zusammengefügt werden sollen. Damit wird das vielfach noch dominierende Primat der Ökonomie kritisch hinterfragt. Das lässt sich damit begründen, dass die Grenzen ökologischer Systeme für die Menschen von existenzieller Bedeutung sind. Das führt zu der Forderung, dass das Wirtschaften, aber auch gesellschaftliche Prozesse als Subsysteme in die Grenzen ökologischer Systeme integriert werden sollen. Hierzu hat sich der Begriff der ökologischen Planken etabliert, die nicht überschritten werden dürfen. Wie hinreichend bekannt, wurde diese Maxime noch nicht in ausreichendem Maße angenommen und umgesetzt, wie u.-a. am Beispiel des Klimawandels aufgezeigt werden kann. Im Kontext der Forderung nach Gerechtigkeit gibt es eine Kontroverse: Vertreter der neoklassischen Ökonomie und die Vertreter nachhaltiger Entwicklung vertreten im Prinzip zunächst die gleiche Ausgangsposition: Zukünftige Generationen sollen bei ihrer Bedürfnisbefriedigung durch die Lebensweise der heute lebenden Generation nicht schlechter gestellt werden, wie im Brundtland-Bericht gefordert wird. ● Das zentrale Kriterium der neoklassischen Ökonomen ist der Kapi‐ talstock (Sachkapital plus Naturkapital), den die heutige Generation zukünftigen Generationen zur Verfügung stellen soll. Es geht um die Maxime: Intergenerationelle Gerechtigkeit fordert, dass der Kapital‐ stock im Sinne von Gerechtigkeit nicht abnehmen darf. Dabei besteht jedoch die Substitutionsregel: Nimmt beispielsweise das Naturkapital ab, muss in gleichem Maße das Sachkapital zunehmen. Hierfür gibt es viele konkrete Beispiele. Führt der Ausbau der Infrastruktur z. B. von Straßen oder der Neubau von Produktionsstätten zu einer Abnahme von Naturlandschaften bzw. landwirtschaftlichen Nutz- oder Waldflächen, kommt es genau zu dieser Substitution. ● Die Substitutionsregel wird von Vertretern der Ökologischen Ökono‐ mie kritisch hinterfragen. Dies führte schon zu vielfältigen Konflikten wie am Beispiel des Ausbaus des Frankfurter Flughafens verdeutlicht werden kann: durch den Ausbau entstand mehr Sachkapital, während Naturkapital in Form von Waldfläche vernichtet wurde. 2.1 Die Kontroverse: schwache versus starke Nachhaltigkeit Die Kontroverse wurde durch den ersten Bericht an den Club of Rome „Grenzen des Wachstums“ ausgelöst, bei dem es primär um die Grenzen menschlicher Handlungsmöglichkeiten durch die begrenzten nicht-erneu‐ erbaren Ressourcen wie Öl ging. Danach wurde das dominierende Para‐ digma des Strebens nach permanentem Wachstum kritisch hinterfragt. Auf dem Ökonomiesymposium 1974 hat Joseph Stiglitz jedoch die wachstums‐ kritische Perspektive des Club of Rome hinterfragt. Dabei wies er auf drei Faktoren hin, die in dem Bericht des Club of Rome nicht berücksichtigt wur‐ den und daher zu einer Relativierung der Endlichkeit natürlicher Ressourcen führen würde. Hierbei wurde der Nichtberücksichtigung des technischen Fortschritts eine besondere Bedeutung beigemessen: "Es gibt mindestens drei wirtschaftliche Kräfte, die die Beschränkungen durch natürliche Ressourcen ausgleichen: technischer Wandel, die Substitution natürli‐ cher Ressourcen durch vom Menschen geschaffene Produktionsfaktoren (Kapital) und Skalenerträge." (Stiglitz 1974, S.-123). So kamen die Ökonomen, die an dem Symposium teilnahmen, zu der Erkenntnis, dass zukünftig lebende Menschen bei einem gleichbleibenden oder steigenden Konsum ein mindestens gleiches Nutzenniveau wie die gegenwärtig lebenden Menschen haben sollten. Robert Solow, einer der führenden Wachstumstheoretiker seiner Zeit, definierte Nachhaltigkeit in Anlehnung an den Brundtland-Bericht wie folgt: „Ich könnte mir vorstellen, dass es eine Verpflichtung ist, uns so zu verhalten, dass wir der Zukunft die Möglichkeit oder Fähigkeit lassen, so gut zu sein wie wir." (Solow 1993, S.-181) Diese Aussage lässt die Schlussfolgerung zu, dass es im Prinzip kein Gebot gibt bestimmte Naturbestände zu erhalten. 24 2 Anforderungen nachhaltiger Entwicklung Das führte zu der Substitutionsregel von Naturkapital durch Sachkapi‐ tal. Daraus begründet sich die schwache Nachhaltigkeit (ausführlich dazu v. Hauff 2021, S. 49 ff). Dabei wurde die optimistische Sichtweise mit dem technischen Fortschritt und der steigenden Effizienz der eingesetzten Produktionsfaktoren begründet. Weiterhin wird an der Substituierbarkeit verschiedener Kapitalformen festgehalten. Zur Begründung stellt Solow fest: „Wenn es möglich ist, die natürlichen Ressourcen durch andere Faktoren zu ersetzen, dann gibt es im Prinzip 'kein Problem'. Die Welt kann faktisch ohne natürliche Ressourcen auskommen, so dass die Erschöpfung nur ein Ereignis ist, keine Katastrophe." (Solow 1974, S.-11). Die schwache Nachhaltigkeit wurde besonders von Vertretern der Ökologi‐ schen Ökonomie sehr grundlegend kritisiert. So kam es zur Gegenposition, der starken Nachhaltigkeit. Dabei wurde besonders die Substitutionsregel und damit auch das Streben nach mehr Wachstum in Frage gestellt. Den Vertretern der schwachen Nachhaltigkeit wird entgegengehalten, dass sie die Probleme wie das steigende Bevölkerungswachstum, die zunehmende Umweltverschmutzung bzw. -zerstörung, den anthropogen verursachten Klimawandel, die starke Reduktion der Biodiversität und den stark zu‐ nehmenden Verbrauch nicht regenerativer Ressourcen nicht ausreichend beachten. Nur unter Berücksichtigung und Bewältigung dieser Herausforde‐ rungen kann die Natur als Gesamtsystem in dem erforderlichen, d. h. für den Menschen existenzsichernden Zustand, erhalten bleiben. Daher muss das Risiko, das in der Regel nicht exakt ermittelt werden kann, dann reduziert werden, wenn es zu stark belastenden Einflüssen auf das ökologische System kommt (Neumayer 2013, S.-104ff; Grambow, Korck 2018, S.-55 ff). Die Vertreter der starken Nachhaltigkeit gehen von der Komplementarität von Natur- und Sachkapital aus. Kommt die Komplementarität in ein Ungleichgewicht, indem beispielsweise Naturkapital bei fortschreitender Nutzung bzw. Übernutzung zum limitierenden Faktor der Produktion bzw. des Wirtschaftens wird, muss gegengesteuert werden. Daly, einer der maßgeblichen Mitbegründer und Protagonist der Ökologischen Ökonomie gibt hierzu ein plausibles Beispiel: ein Fischerboot ohne Fische in einem See oder Fluss ist nutzlos. Daher wurde die starke Nachhaltigkeit durch Operationalisierungskriterien konkretisiert. Daly entwickelte hierzu drei Managementregeln, die dem folgenden Schaubild zu entnehmen sind: 2.1 Die Kontroverse: schwache versus starke Nachhaltigkeit 25 Abb. 1: Handlungsregeln für eine nachhaltige Entwicklung / Quelle: in Anlehnung an Daly 1990 Die Managementregeln lassen sich weiter konkretisieren bzw. erweitern. So kann beispielsweise bei dem Verbrauch erschöpfbarer Ressourcen „nur wenn die Substitution gesichert ist“ hinzugefügt werden, dass im Rahmen der Circular Economy Rohstoffe durch Recyclingverfahren wieder zurück‐ gewonnen werden können (v. Hauff 2024, S. 80 ff). Weiterhin ist es notwen‐ dig bei der Assimilation Grenzwerte für Schadstoffe festzulegen. So sind die Managementregeln grundsätzlich als Ausgangspunkte einzuordnen. Die weitere Ausgestaltung bzw. Anwendung der Managementregeln können jedoch zu unterschiedlichen Ergebnissen führen. Das Konzept der Handlungsregeln wurde beispielsweise im Rahmen des Leitplankenansatzes weiterentwickelt. Dieser Ansatz zielt darauf ab, Gren‐ zen für ein Handeln zu bestimmen, das der ökologischen Nachhaltigkeit gerecht wird. Entscheidend dabei ist, dass die Grenzen der natürlichen Tragfähigkeit nicht überschritten werden. Ein Beispiel für die Festlegung von Leitplanken ist das Kyoto-Protokoll: das Ziel war den Ausstoß der sechs wichtigsten Treibhausgase zu begrenzen. Deutschland verpflichtete sich in dem Zeitraum von 2008 bis 2012 den Treibhausgas-Ausstoß um 21 Prozent zu senken. Das Ziel wurde erreicht. 26 2 Anforderungen nachhaltiger Entwicklung 2.2 Die Auflösung der Kontroverse Die kontroversen Positionen zeigen Antipoden auf, die theoretischer Natur sind und in der Realität nicht vorzufinden sind. So gibt es Positionen, die eher der schwachen oder der starken Nachhaltigkeit zuzuordnen sind, was jedoch bis in die Gegenwart kontrovers diskutiert wird. Auch Vertreter der starken Nachhaltigkeit erkennen die Notwendigkeit des Verbrauchs von Naturkapital im Rahmen eines Wirtschaftsprozesses an, indem die oben aufgeführten Managementregeln eingehalten werden. Weiterhin fordern sie die besonders belasteten Ökosysteme konsequent zu schützen. Das gilt besonders für jene, die für das Überleben der Menschheit von zentraler Bedeutung sind. Im Prinzip geht es um den Zielkonflikt zwischen Wirt‐ schaftswachstum und Umweltqualität. So stehen sich Wachstumsoptimisten und Wachstumspessimisten gegenüber. In der Literatur werden die beiden Paradigmen teilweise als unzureichend bewertet. Neumayer stellt im Rahmen der Klimaerwärmung hierzu treffend fest: „Whether one believes in one paradigm or the other is ultimately just that: A matter of belief.“ (Neumayer 1999, S.-41). Das Problem beider Positionen besteht darin, dass sie nicht ausreichend em‐ pirisch belegt sind. Die Attraktivität der schwachen Nachhaltigkeit beruht auf ihrer Modellierbarkeit mit gängigen Produktionsfunktionen. Dagegen begründet sich die vollständige Ablehnung der Substituierbarkeit (Vertreter der starken Nachhaltigkeit) damit, den Kapitelstock natürlicher Ressourcen zu erhalten und die Funtionsfähigkeit der Ökosysteme hinreichend zu schützen. Die Ablehnung jedweder Substituierbarkeit wird von Vertretern einer starken Nachhaltigkeit hingegen teilweise immer noch als notwendig erach‐ tet, um den Kapitalstock natürlicher Ressourcen und die Funktionsfähigkeit der Ökosysteme hinreichend zu schützen. Diese Diskussion führt zu der Kontroverse über Befürwortung bzw. Ablehnung von Wirtschaftswachs‐ tum. Es gab schon früh Überlegungen die konträren Positionen zu überwin‐ den. Zu nennen sind u. a. die Beiträge von Lerch und Nutzinger (1998) und Hedinger (2007). Ihre Intention war nicht pauschale Beurteilungen vorzunehmen, sondern einzelne Beispiele zu prüfen, was für oder auch gegen eine Substitution spricht bzw. einzuwenden ist. 2.2 Die Auflösung der Kontroverse 27 1 Ein Zusammenhang wird unter der Annahme analysiert, dass sich nur eine Variable bei gleichzeitiger Konstanz aller anderen Variablen ändert. Allgemein kann festgestellt werden: So lange das natürliche Kapitel ausreichend vorhanden ist und es nicht zu einem Verbrauch des „kritischen Naturkapitals“ kommt, gibt es ceteris paribus 1 keine Argumente gegen eine Substitution und vice versa: für kritisches Naturkapital und lebensunterstützende Naturdienstleistungen sind Schutzmaßnahmen erforderlich, um eine Übernutzung zu vermeiden. Entscheidend ist somit, dass grundlegende Funktionen der Natur und Umweltgüter, ohne die der Mensch nicht überle‐ ben kann wie Atemluft, Trinkwasser und fruchtbare Böden, erhalten bleiben (Grunwald, Kopfmüller 2022, S. 99). Im Kontext der intergenerationalen Gerechtigkeit ist bei dem Verbrauch von Umweltgütern zu fragen, ob dies zu einer Nutzeneinbuße für zukünftige Generationen führen kann. Somit lassen sich Naturkapital bzw. Sachkapital weder rein komplementär noch als vollständig substituierbar betrachten (Müller 2015, S. 53). Schlussfolgerung: Die Paradigmen der schwachen und starken Nachhaltigkeit sind insofern relevant, als bei der Entwicklung einer nationalen Nachhaltigkeitsstrategie die Entscheidung ansteht, welches Paradigma grundsätzlich angestrebt werden sollte (vgl. hierzu die Kapitel 4 und 5). 2.3 Die drei Dimensionen nachhaltiger Entwicklung Die Differenzierung nach den drei Dimensionen und die Zusammenführung dieser Dimensionen zu einem stabilen Gleichgewicht ist das entscheidende Novum des Leitbildes nachhaltiger Entwicklung. Dabei sollen, wie schon erwähnt, die ökologischen Leitplanken nicht überschritten werden. Insofern kommt der ökologischen Dimension eine besondere Bedeutung zu. Diese Erkenntnis hat sich zumindest in der Wirtschaft und Politik noch nicht in ausreichendem Maße durchgesetzt, obwohl die Belastungen bzw. Schädi‐ gungen von Ökosystemen teilweise schon irreparabel sind. Ein stabiles Gleichgewicht ist jedoch ein Idealzustand, der angestrebt werden sollte, sich jedoch kaum erreichen lässt. In der Realität kommt es vielfach zu Zielkonflikten zwischen den Dimensionen oder auch zwischen einzelnen Kriterien innerhalb einer Dimension, die sich nur im Rahmen von Kompromissen lösen lassen. Die Aufteilung in ein dreifaches Modell hat sich seit Mitte der 1990er-Jahre international durchgesetzt und ist seither Kristal‐ 28 2 Anforderungen nachhaltiger Entwicklung lisationspunkt der Vielzahl von Nachhaltigkeitsdefinitionen (Tremmel 2003, S. 100 f) und der pragmatische Ausgangspunkt vieler Nachhaltigkeitsstra‐ tegien. Teilweise werden noch die politisch-institutionelle oder kulturelle Dimension hinzugenommen, was jedoch in den folgenden Ausführungen vernachlässigt wird, da sie der sozialen Dimension zugeordnet werden können. Die Zusammenführung der drei Dimensionen lässt sich graphisch im Rahmen des integrierenden Nachhaltigkeitsdreiecks zusammenführen. Das Dreieck lässt sich nach verschiedenen Feldern aufteilen, die dann beispiel‐ haft konkretisiert werden. Das soll an dem Beispiel der Ökoeffizienz ver‐ deutlicht werden. Ökoeffizienz zielt darauf ab, beispielsweise Energie bei der Produktion von Gütern einzusparen. Eine Reihe von Unternehmen strebt die Ökoeffizienz auch schon erfolgreich an. Eine Reduktion von Energie hat ökologische Vorteile, indem die Erzeugung von Energie mit fossilen Brennstoffen zu einer Reduktion von CO 2 Emissionen führt. Gleichzeitig kann ein Unternehmen durch eine Reduktion des Energieverbrauchs Kosten einsparen. Dies entspricht in der Abb. 2 auf der horizontalen Achse dem Feld „ökologisch-ökonomisch“. 2.3 Die drei Dimensionen nachhaltiger Entwicklung 29 Abb. 2: Das Integrierende Nachhaltigkeitsdreieck / Quelle: eigene Darstellung, erstmals veröffentlicht in Kleine, von Hauff 2005 Ökologische Nachhaltigkeit Der Mensch ist ohne die Natur nicht lebensfähig. Die Nutzung der Natur hat jedoch teilweise ein Niveau der Übernutzung erreicht, die sich schon auf das Leben der Menschheit negativ auswirkt und was für zukünftige Generationen bedrohlich ist. Daher können wirtschaftliche, aber auch so‐ ziale Systeme, alleine nicht nachhaltig sein. Somit hängt die menschliche Existenz immer von einem ausgewogenen Zusammenspiel von Wirtschaft und Gesellschaft mit der Natur ab. Dabei geht es u. a. um den Abbau und die Nutzung von Rohstoffen, die Umlenkung von Stoff- und Energieströmen, die Veränderung von großräumigen natürlichen Strukturen oder die Belastung 30 2 Anforderungen nachhaltiger Entwicklung von Schutzgütern, wie die Atmosphäre durch den Ausstoß von Emissionen, die zu einer Übernutzung ökologischer Systeme geführt haben. Auch wenn es hinsichtlich der Vulnerabilität (Verwundbarkeit) und der Resilienz (Robustheit), d. h. der exakten Messung der Belastungsgrenzen natürlicher Systeme teilweise keine eindeutigen Fixpunkte gibt, so man‐ gelt es insgesamt nicht an Wissen über Belastungsgrenzen, sondern an der Einsicht bzw. dem Willen diese einzuhalten. Im Kontext nachhaltiger Entwicklung sollte es darum gehen ein weitgehend ausgewogenes Zusam‐ menspiel der drei Dimensionen anzustreben bzw. wiederherzustellen. Das widersprüchliche Handeln, einerseits über die Gefahren informiert zu sein und andererseits sie nicht ausreichend zu beachten bzw. sie sogar zu missachten, kann man somit als „Schizophreniedilemma“ der Menschheit bezeichnen (v. Hauff 2021, S.-36). Die Auflösung des „Schizophreniedilemmas“ macht es notwendig, sowohl die Produktionsformen als auch die Konsumstile an die ökologischen Systeme anzupassen bzw. in die Grenzen der ökologischen Systeme zu‐ rückzuführen. Das lässt sich an folgender Problemstellung verdeutlichen: Da die Konsumentensouveränität noch weitgehend vor dem Bewusstsein nachhaltiger Konsummuster dominiert, ist zu erwarten, dass sich ein Wan‐ del zu mehr nachhaltigem Konsum nur langsam vollzieht. Dabei gibt es Konsumenten, die bereits nachhaltige Konsummuster praktizieren (Fischer, v. Hauff 2017). Auch in der Produktion von Gütern gibt es im Rahmen von umweltfreund‐ lichen Technologien und Materialien, der Einsparung von Ressourcen und der Reduzierung von Emissionen positive Beispiele. Insgesamt zeichnet sich der Produktionssektor immer noch durch eine relativ hohe Umweltbelas‐ tung aus. In diesem Kontext sollte jedoch berücksichtigt werden, dass die Natur auch andere Funktionen bietet, die nicht nur für die Produktion oder den Verbrauch von Gütern relevant sind, sondern auch für die Lebensqua‐ lität der Menschen eine große Bedeutung haben: die Natur als Lebensraum (Regenerationsfunktion) oder als Ort ästhetischen Genusses (Grunwald, Kopfmüller 2012, S.-43). Ökonomische Nachhaltigkeit Das Ziel ökonomischer Nachhaltigkeit sollte sein die Wirtschaftskraft im Rahmen der planetaren Grenzen zu stärken, um die gewünschte Bedürfnis‐ befriedigung bzw. Lebensqualität der Menschen im Zeitablauf zu sichern 2.3 Die drei Dimensionen nachhaltiger Entwicklung 31 bzw. zu erreichen. Die erwünschte Lebensqualität oder die Zunahme des Wohlbefindens erfordern neben der Erhaltung der materiellen auch die Er‐ haltung der immateriellen Lebensgrundlagen wie Human- und Sozialkapital und Kompetenzen. Für Philip Lawn geht es somit um die Frage, welche Aus‐ wirkungen der Konsum auf die Umwelt bzw. den Verbrauch an Naturkapital hat. Führt ein bestimmtes Konsumniveau zu einer zu starken Belastung lebenswichtiger Ökosysteme, werden die menschlichen Lebensgrundlagen gefährdet (Lawn 2001, S.-18 ff). Wie schon erwähnt geht es auch in diesem Kontext um die Kontroverse der Erhöhung wirtschaftlichen Wachstums. Der Indikator der Mainstream Ökonomie ist das Bruttoinlandsprodukt (BIP). Obwohl dieser Indikator weltweit dominiert, besteht Konsens, dass er nicht den Anforderungen nachhaltiger Entwicklung entspricht. Er misst nur die wirtschaftliche Leis‐ tungsfähigkeit einer Volkswirtschaft. Dagegen werden weder Umweltnoch Verteilungseffekte als konstitutive Merkmale nachhaltiger Entwicklung be‐ rücksichtigt. Daher wurden sowohl auf nationaler als auch auf internationa‐ ler Ebene nachhaltigkeitsorientierte Indikatoren entwickelt. Auf nationaler Ebene wurde von Diefenbacher et al. ein Nationaler Wohlfahrtsindex (NWI 2.0) entwickelt (Diefenbacher et al. 2011, S.-60). Der Nationale Wohlfahrtsindex zielt darauf ab, die gesellschaftliche Wohl‐ fahrt in einem breiteren Sinn abzubilden, indem 21 wohlfahrtsstiftende Aktivitäten bzw. wohlfahrtshemmende Ereignisse berücksichtigt werden. Im Jahr 1999 erreichte der NWI seinen höchsten Wert und nahm bis 2005 ab. Nach einer Stagnation folgte ab 2014 ein Aufwärtstrend, der durch die Corona-Pandemie beendet wurde und es durch die Flutkatastrophe an Ahr und Erft zu einem weiteren Rückgang des NWI kam. Dagegen stieg das BIP nach 1999, mit gewissen Schwankungen, weiter an und spiegelt somit einen völlig anderen Verlauf der Wohlfahrt in Deutschland wider (Held et al. 2022). Auf internationaler Ebene fand der „Inclusive Wealth Index“ vielfach Zuspruch. „The inclusive wealth index measures the wealth of nations by carrying out a comprehensive analysis of a country’s productive base including the assets from which human wellbeing is derived, manufactured, human and natural capital.” (United Nations Environment Program 2023). Im Rahmen des wirtschaftlichen Wachstums findet der nachhaltige Wachs‐ tumsansatz „Inclusive Green Growth“ Zustimmung. Er wurde erstmals 2012 auf der Rio+20 Konferenz eingeführt (United Nations 2012, S.-2): 32 2 Anforderungen nachhaltiger Entwicklung „We also reaffirm the need to achieve sustainable development by promoting sustained, inclusive and equitable economic growth, creating greater opportu‐ nities for all, reducing inequalities, raising basic standards of living, fostering equitable social development and inclusion, and promoting the integrated and sustainable management of natural resources and ecosystems that supports, inter alia, economic, social and human development while facilitating ecosystem conservation, regeneration and restoration and resilience in the face of new and emerging challenges.“ Da der technische Fortschritt für die Entwicklung wirtschaftlichen Wachs‐ tums von zentraler Bedeutung ist, kann es durch einen umweltorientier‐ ten technischen Fortschritt und regenerativer Energie zu einer bedingten Entkopplung von Wachstum und Natur kommen. Neben technischen Inno‐ vationen können soziale und institutionelle Innovationen diesen Entkop‐ plungsprozess fördern. So lässt sich das traditionell ökonomische von dem nachhaltigen Wohlfahrtsverständnis abgrenzen. Soziale Nachhaltigkeit Nachhaltige Entwicklung war lange auf die ökologische und ökonomische Nachhaltigkeit fokussiert. Das erklärt sich wesentlich aus der Frage, ob und wie die kontroversen Positionen von wirtschaftlichem Wachstum und ökologischer Nachhaltigkeit überwunden werden können. Die soziale Dimension erfährt jedoch eine wachsende Aufmerksamkeit. Dabei geht es primär um den gesellschaftlichen Zusammenhalt in Humanität, Freiheit und Gerechtigkeit. Eine inhaltliche Konkretisierung kann auch über nicht nahhaltige Bedingungen erfolgen wie Armut, Arbeitslosigkeit, soziale Ex‐ klusion auf Grund der Hautfarbe, Religion oder Nationalität. Ein nicht nachhaltiges Symptom ist auch Korruption. Daher stellt Pichler die immateriellen Lebensgrundlagen in den Mittel‐ punkt sozialer Nachhaltigkeit. Hierbei geht es ihm um eine stabile Gesell‐ schaft und um die Gleichverteilung von Wohlstand (Pichler 2020, S.-94). Die soziale Nachhaltigkeit wird heute jedoch sehr viel breiter diskutiert und hat daher verschiedene Zugänge. Zu nennen sind das Sozialkapital, 2.3 Die drei Dimensionen nachhaltiger Entwicklung 33 die Glücksforschung und auch die neue Institutionenökonomie (v. Hauff 2021, S.-39 ff). Die folgenden Ausführungen beschränken sich auf das Grundbedürfniskon‐ zept. Dabei ging es zunächst um einen gerechten Zugang zu den sozialen Grundgütern. Später wurde es durch den Capability Approach von Amartya Sen weiterentwickelt. Beim Ansatz der Verwirklichungschancen geht es um die Möglichkeiten oder Fähigkeiten von Menschen ihr Leben so führen zu können, dass ihre Selbstachtung nicht in Frage gestellt wird (vgl. hierzu Kapitel 3). Sozial schwachen Menschen oder Gruppen soll ermöglicht werden, dass es für sie zu einer Erweiterung ihrer Handlungsspielräume und einem Herauslösen aus dem passiven Empfängerstatus kommt. Es soll schwachen Menschen oder Gruppen möglich werden, ein sicheres, würdiges und selbstbestimmtes Leben zu gestalten. Der Ansatz der Grundgüter wird in der Literatur auch um soziale Ressour‐ cen wie Toleranz, Solidarität, Integrationsfähigkeit, Gemeinwohlorientie‐ rung aber auch Rechts- und Gerechtigkeitssinn erweitert. Soziale Ressour‐ cen und ihre Umsetzung sind wichtige Bedingungen für den dauerhaften Zusammenhalt gesellschaftlicher Teilsysteme wie Vereinigungen der Civil Society oder der Gesellschaft als Ganzes. Dabei steht für Fischer-Kowalski et al. die Erhaltung des sozialen Friedens im Mittelpunkt. Darunter verstehen sie eine „akzeptable Lösung der Verteilungsprobleme zwischen Regionen, zwischen so‐ zialen Schichten, Geschlechtern und Altersgruppen und Lösungen des Problems kultureller Integration, von Zugehörigkeiten und Identitäten.“ (Fischer-Kowalski et al. 1995, S.-5). Für den Transformationsprozess zur nachhaltigen Entwicklung setzt das konkrete Schutz- und Gestaltungsziele voraus. Das stellt für jede Gesell‐ schaft, in der unterschiedliche Interessenlagen und ungleiche Machtstruk‐ turen bestehen, hohe Anforderungen. Weiterhin besteht für die Politikge‐ staltung das Problem, dass die Entwicklung der Bedürfnisse zukünftiger Generationen nicht mit Sicherheit vorausgesagt werden können. 34 2 Anforderungen nachhaltiger Entwicklung 2.4 Die Beziehungen der drei Dimensionen zueinander Die inhaltliche Konkretisierung der Dimensionen ist die Grundlage, um die Beziehung der drei Dimensionen zueinander zu bestimmen. Aus der Perspektive nachhaltiger Entwicklung geht es, wie schon erwähnt, darum die drei Dimensionen in ein stabiles Gleichgewicht zu bringen. Viele Berei‐ che der drei Dimensionen sind bisher jedoch im besten Fall auf „dem Weg“ zur Nachhaltigkeit. Als Beispiele hierfür sind Verkehr, Energie, Produktion und Konsum oder auch die Bildung und Forschung zu nennen. Da zwischen den drei Dimensionen jedoch im Kontext von Nachhaltigkeit Konfliktfelder bestehen, lässt sich das Gleichgewicht in der Realität anstre‐ ben, aber nicht vollkommen erreichen. Daher kann es notwendig werden second-best-Lösungen auszuhandeln bzw. anzustreben. Besonders wichtig in diesem Zusammenhang ist es Synergieeffekte zwischen den Dimensionen zu identifizieren, die zu dem Gleichgewicht beitragen können. So kann die ökologische Nachhaltigkeit, die u. a. auf saubere Luft und sauberes Wasser abzielt, einen wichtigen Beitrag für die ökonomische Nachhaltigkeit leisten, indem sie die menschliche Gesundheit und damit auch die Leistungsfähigkeit des Humankapitals fördern. Von zentraler Bedeutung ist die Komplementarität der drei Dimensionen für den Transformationsprozess. So bieten die Kommunikationstechnolo‐ gien einhergehend mit dem Internet zwischen ökonomischer und sozialer Nachhaltigkeit eine komplementäre Beziehung. Es kam in Wirtschaft und Gesellschaft zu einer bisher nicht gekannten Vernetzung, was zu einer umfassenden Bereitstellung von Informationen führte. Dadurch sanken die Transaktionskosten bei der Beschaffung von Informationen (WBGU 2019, S.-224 ff). Die Intensivierung sozialer Beziehungen kann auch dazu führen, dass umweltschädliches Verhalten als unsozial empfunden wird. Das kann zu ei‐ ner Reduzierung von Umweltbelastungen beitragen (Pearce, Atkinson 1998, S.-260). Die Bedeutung der Digitalisierung für die nachhaltige Entwicklung wird in dem folgenden Kapitel noch vertieft. Ein gegenläufiges Beispiel zur Komplementarität ist der wachsende Konsum, der durch die Digitalisierung 2.4 Die Beziehungen der drei Dimensionen zueinander 35 noch verstärkt wird. Er trägt nicht nur zur Bedürfnisbefriedigung bei, sondern nimmt häufig auch den Charakter eines Statussymbols ein und führt zu einer wachsenden ökologischen Belastung. Eine stärkere Aufmerksamkeit bedarf auch die Beziehung von Bereichen innerhalb einer Dimension. So lässt sich feststellen, dass die Welt gleichzeitig in einer Klima- und Biodiversitätskrise steht, die eng miteinander verbunden sind und sich negativ auf die menschliche Gesundheit, das Wohlbefinden und die Wirtschaft auswirken. Dabei gilt zu beachten, dass der Klimawandel die bedeutendste Ursache für den Verlust der biologischen Vielfalt ist. Daraus begründet sich, dass es beachtliche Synergien zwischen Klima- und Biodiversitätsmaßnahmen gibt. So trägt der Ausbau erneuerbarer Energien wesentlich zum Schutz des Klimas bei und damit auch zur Reduzierung des weltweiten Verlustes der biologischen Vielfalt. Gleichzeitig führt die Windenergie ohne eine qualifizierte Planung und Verwaltung von Windrädern zu einem Rückgang der biologischen Vielfalt (Vogelwelt). Die wiederum könnte die Resilienz der Ökosysteme gegenüber dem Klimawandel, ihre Fähigkeit zur Kohlenstoffbindung und ihren Beitrag zur Anpassung der Gesellschaft untergraben (OECD 2024). Daher bedarf es eines integrierten Ansatzes, um den Anteil erneuerbarer Energie zu erhöhen und gleichzeitig eine Infrastruktur zu schaffen, die die Biodiversität nicht belastet: Regierungen müssen somit Klimaals auch Biodiversitätsziele in ihrer Energiepolitik systematisch zusammenführen. 2.5 Die Relevanz von Innovationen Nachhaltige Entwicklung ist ein Prozess, der innovative Impulse erfordert. Dabei unterscheiden sich innovative Impulse im Kontext des ökonomi‐ schen Mainstreams von jenen im Rahmen der nachhaltigen Entwicklung grundsätzlich. Innovationen sind aus der Perspektive des ökonomischen Mainstreams dann erwünscht, wenn sie am Markt erfolgreich sind. Im Rahmen nachhaltiger Entwicklung werden Innovationen dann positiv be‐ wertet, wenn die drei Dimensionen Ökologie, Ökonomie und Soziales bei der Entstehung und der Umsetzung von Innovationen berücksichtigt werden. Innovationen, die einen Beitrag zu dem Transformationsprozess nachhaltiger Entwicklung leisten, erfordern in der Regel Änderungen von Praktiken, Routinen und Gewohnheiten sowohl von Produzenten als auch von Konsumenten. Daher sind oft soziale Innovationen notwendig, um 36 2 Anforderungen nachhaltiger Entwicklung die erforderlichen Verhaltensänderungen aufzuzeigen und zur Umsetzung beizutragen. Daraus ergibt sich folgender Forschungsbedarf: „In summary, it can be said that research on IS (innovation systems) enhances our understanding of conditions and actor configurations conducive to innovation but so far lacks an explicit debate about the normativity, i.e., desirability and goals of innovation processes. Furthermore, most previous IS approaches that deal with sustainability appear to have neglected its complexity by focusing on solving (only) environmental problems with (only) technological innovations. This gap renders IS frameworks currently insufficient to address wicked problems in the context of sustainability.“ (Schleile et al. 2017, S.-3). Es ist also notwendig normative Dimensionen der Innovation in die Diskus‐ sion mit einzubeziehen. Hierbei geht es um die Frage, wie Innovationen in einer bestimmten Richtung gestaltet und gefördert werden können. In diesem Kontext sind Innovationen gefordert, die zu einer Systemtransfor‐ mation beitragen, d. h. auf zukünftige Veränderungen im Sinne von nach‐ haltiger Entwicklung angelegt sind. Systemtransformation gewinnt dann an Dynamik, wenn sie sich auf große Systemveränderungen jenseits einzelner techno-ökonomischer Systeme bezieht (Chaminade 2020, S. 3). Es geht somit darum, die Fixierung auf die technologiebasierte Innovationsorientierung zu überwinden. Dabei ist zu vermeiden, dass ein breit angelegtes Innovationverständnis nicht dazu führt alle möglichen Veränderungsvorgänge bzw. Neuheiten mit einzubeziehen und damit der Innovationsbegriff an Schärfe verliert. Das bedeutet, dass nicht alle möglichen Potenziale nachhaltiger Entwicklung aufgelistet werden, sondern die konkreten Anforderungen an nachhaltige Innovationen bestimmt werden. Weiterhin gilt zu beachten, dass es nicht nur um die Richtung von Innovationen, sondern auch um die Frage der sozialen und ökologischen Reichweite von Innovationen geht. Ein Problem bei der Bewertung nachhaltiger Innovationen besteht darin, dass sie ex ante unter mehr oder weniger hoher Unsicherheit zu bewerten sind (v. Hauff 2021, S. 83). In diesem Zusammenhang bieten sich Szenariotechniken sowie die Delphi-Methode an. Ein aktueller und besonders relevanter Nachhaltigkeitsbereich, der durch weitere Innovationen gestärkt werden sollte, ist die Circular Economy. Sie gilt als einer der bedeutendsten Nachhaltigkeitsbereiche zur Förderung des Transformationsprozesses. Das begründet sich hauptsächlich aus der Erkenntnis, dass die vorherrschende Produktions- und Konsumlogik, wie 2.5 Die Relevanz von Innovationen 37 schon erwähnt, des „take, make, waste“ der Logik nachhaltiger Entwicklung widerspricht. Es besteht ein weitgehender Konsens, dass das Wirtschaftsmo‐ dell der „Wegwerfgesellschaft“ zu überwinden ist und ein Wirtschaftsmodell auf der Grundlage der Circular Economy zu entwickeln und umzusetzen ist. Ein wesentliches Ziel dabei ist, den Ressourcenverbrauch zu reduzieren. Prognosen zeigen, dass der Ressourcenverbrauch bis 2050 auf ein Niveau ansteigt, als gäbe es drei Planeten. Die OECD stellt in einem Bericht hierzu fest, dass der Verbrauch an Materialien wie Biomasse, fossile Brennstoffe, Metallen und Mineralien sich in den nächsten 40 Jahren verdoppelt (OECD 2018). Gleichzeitig ist davon auszugehen, dass das jährliche Abfallaufkommen bis 2050 um 70 Prozent steigen wird (Weltbank 2018). So sind die Hälfte der Treibhausgasemissio‐ nen und Biodiversitätsverluste und der Wasserstress zu mehr als 90 Prozent auf die Gewinnung und Verarbeitung von Ressourcen zurückzuführen. Daraus wird ersichtlich, dass diese Herausforderungen nur mit großen Innovationsschüben im Rahmen der Circular Economy zu bewältigen sind. Im Nachhaltigkeitsbereich der Circular Economy werden vier Teilbereiche mit dem R unterschieden (v. Hauff 2024, S.-25): ● Reduce: Es wird ein Umdenken, Umgestalten (einschließlich der Ver‐ längerung der Lebensdauer von Produkten), Minimierung, Reduzierung, Vermeidung von Ressourcenverbrauch und/ oder Erhaltung des Natur‐ kapitals gefordert; ● Reuse: Es geht um die Wiederverwendung (ausgenommen Abfall) von Gütern, Schließung von Kreisläufen, Reparieren und/ oder Aufarbeiten von Ressourcen; ● Recycle: Angestrebt wird die Wiederaufbereitung besonders in Form von Recycling und damit die Schließung des Kreislaufs, Kreislauffüh‐ rung und/ oder Wiederverwendung von Abfällen; ● Recover: Es geht um die Verbrennung von Materialien mit Energie‐ rückgewinnung. 38 2 Anforderungen nachhaltiger Entwicklung E 2012 - 2014After 2014 Re# 46 50 Re# 81 70 Re# 76 72 Re# 5 7 71 71-74 90-94 10 46-49 81-84 76-78 5 50 70 72 7-9 0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100 Reduce Reuse Recycle Recover Erlier than 2012 2012 - 2014 After 2014 Abb. 3: Inhaltliche Konkretisierung der Circular Economy im zeitlichen Ablauf / Quelle: Kirchherr et al. 2017, S.-230 Bei den vier R kommt dem Recycling, wie aus der Abbildung deutlich wird, eine große Bedeutung zu. Daher sollen zu den realisierten Innovations‐ potenzialen aber auch zu den noch ausstehenden Innovationspotenzialen exemplarisch einige Erkenntnisse aufgezeigt werden. Die Bewertung von Recycling orientiert sich daran, wie hoch die Recyclingquote bei den Abfäl‐ len eines bestimmten Bereichs ist. Ein zweites Kriterium ist, in welchem Maße die gewonnenen Sekundärrohstoffe eine ähnliche Qualität wie die Primärrohstoffe aufweisen bzw. wie groß das Innovationspotenzial ist um dies zumindest annähernd zu erreichen. Das soll am Beispiel von Bauabfällen und Photovoltaik-Panels aufge‐ zeigt werden. Recycling von Bauabfällen Der Bausektor ist ein besonders ressourcenintensiver Wirtschaftssektor. Der Bestand an Gebäuden und Infrastrukturen war 2010 mit etwa 28 Milliarden Tonnen ein bedeutendes menschengemachtes Rohstofflager, das nach Nutzungsende wieder dem Recycling zugeführt werden kann. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Stoffströme in fünf praxisorien‐ 2.5 Die Relevanz von Innovationen 39 tierte Fraktionen unterschieden werden, die unterschiedlich verwertet werden (Bauschutt, Straßenaufbruch, Boden und Steine, Bauabfälle auf Gipsbasis und Baustellenabfälle).Von den 59,8 Millionen Tonnen Bau‐ schutt werden 46,6 Millionen Tonnen (77,9 Prozent) recycelt (Kreislauf‐ wirtschaft Bau 2018, S. 8). Im Jahr 2018 ist es gelungen für mineralische Bauabfälle fast vollständig geschlossene Kreisläufe zu realisieren. So konnten von den 218 Mio. Tonnen ungefährlicher Bau- und Abbruch‐ abfälle 89,7 Prozent bzw. 196,3 Mio. Tonnen umweltverträglich durch Recycling plus sonstige Verwertung verwertet werden. Die Quoten in den einzelnen Fraktionen unterscheiden sich jedoch. Recycling im Bausektor zeichnet sich durch einen dynamischen Prozess aus. Dieser wird durch den technischen Fortschritt ganz wesentlich determiniert, weshalb es verschiedene Aktivitäten und Methoden gibt, die diesen Prozess fördern. Das erklärt sich aus dem weltweiten Bau‐ boom, der dazu geführt hat, dass Rohstoffe wie Beton, Sand und Kies in einigen Regionen knapp wurden. Das lässt sich an dem Beispiel des Wolkenkratzers in Burj Khalifa in Dubai verdeutlichen. Da sich für den Bau Wüstensand nicht eignete, musste Sand aus Australien importiert werden. Im Rahmen des Projektes „BauCycle“ kooperieren vier Fraunhofer-Institute. Es geht darum Bauschutt so aufzubereiten, dass aus dem mineralischen Gemisch ein nachhaltiger Wertstoff speziell für den Hochbau hergestellt werden kann. „Ziel ist es Partikel mineralischer Bauabfälle wieder zu verwerten die kleiner als 2 mm sind. Im Projekt behandeln die Forscherinnen und Forscher die komplette Wertschöpfungskette von der Entwicklung innovativer Sortierverfahren und hochwertiger Baustoffe bis hin zum Aufbau einer dynamischen Marktplattform, d.-h. einer Rohstoffbörse.“ (Fraunhofer Presseinformation 2018). Recycling von Photovoltaik-Panels Photovoltaik gilt heute als eine der ausgereiftesten Technologien zur Erzeugung regenerativer Energie. Daher hat die Technik für die Trans‐ formation zur nachhaltigen Energiewende einen hohen Stellenwert und leistet einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz. Es wird erwartet, dass die PV- Energie in diesem Jahrhundert zur bedeutendsten globalen Energiequelle wird (Xu et al. 2018). In diesem Kontext stellt sich in 40 2 Anforderungen nachhaltiger Entwicklung zunehmendem Maße die Frage, ob bzw. in welchem Maße die führenden Länder bei der Produktion und Installation von PV-Panels in Zukunft auch auf die Entsorgung der Panels vorbereitet sind. Im Jahr 2017 waren die weltweit neu installierten PV- Stromerzeugungs‐ kapazitäten größer als jene der Atom- und der fossilen Energiekapa‐ zitäten. 2020 waren weltweit 700 Gigawatt installiert und bei gleich‐ bleibender Entwicklung wird erwartet, dass 2050 20 bis 80 Terawatt installiert sein werden, die notwendig sind, damit das Stromsystem zu 100 Prozent auf erneuerbarer Energie basiert. 2100 geht man von 80 bis 170 Terawatt aus. Das entspricht einhundertmal mehr als 2020 installiert waren (Goldschmidt et al. 2021). Betrachtet man die weltweit führende Produktion von Solar Energie, so war 2017 China weltweit die führende Nation und installierte 50 Prozent der weltweit neuen Solarstromerzeugungskapazitäten. Der Beitrag der Länder hinsichtlich ihrer installierten PV- Kapazität unterscheidet sich jedoch ganz wesent‐ lich. Die zehn bedeutendsten Länder weltweit sind aus der folgenden Abbildung zu entnehmen. Abb. 4: Die 10 Länder mit den höchsten PV-Kapazitäten / Quelle: Chodhury et al. 2020, S.-3 2.5 Die Relevanz von Innovationen 41 Zu der Herausforderung des Recyclings von Solar Panels stellen Chowd‐ hury et al. fest: “Considering an average panel lifetime of 25 years, the worldwide solar PV waste is anticipated to reach between 4 Prozent-14 Prozent of total generation capacity by 2030 and rise to over 80 Prozent (around 78 million tonnes) by 2050. Therefore, the disposal of PV panels will become a pertinent environmental issue in the next decades. Eventually, there will be great scopes to carefully investigate on the disposal and recycling of PV panels EOL (End-of life)” (Chowghury 2020, S.-3). Es ist zu erwarten, dass die EU hierbei eine Vorreiterrolle einnehmen wird. Dabei werden die Methoden des Recyclings durch entsprechende Innovationen im EU-Raum weiterentwickelt. Im Rahmen der EU-Richt‐ linie über Elektro- und Elektronik-Altgeräte sind die Hersteller von PV-Modulen, die in den EU-Markt exportiert wurden, verpflichtet, die Kosten für das Sammeln und Recyceln zu übernehmen (v. Hauff 2024, S. 91). Daher stellt sich die Frage, ob die wichtigsten Produzenten der asiatischen Länder auf eine nachhaltige Entsorgung vorbereitet sind. Hierzu einige Beispiele: Der Umweltminister in Japan stellte 2016 fest, dass die jährlichen Solarmodulabfälle bis 2040 von gegenwärtig 10.000 auf 800.000 t ansteigen wird. Das Land habe jedoch bisher keine Pläne für eine sichere und effiziente Entsorgung der Abfälle. Eine ähnliche Situation besteht in China. Das Land kann bisher auch keine Konzepte für die Entsorgung der gesamten Altmodule vorweisen. Besonders auffällig ist aber, dass der umweltbewusste Staat Kalifor‐ nien, ein weiterer weltweit führender Hersteller von Solarmodulen, keinen Abfallentsorgungsplan hat (Chowghury 2020, S. 4). Dabei gilt zu berücksichtigen, dass es unterschiedliche PV-Panels gibt, wofür unterschiedliche Recyclingtechnologien erforderlich sind. Der Bedarf an Recyclingtechnologien hängt aber auch von der Lebensdauer und von der Verbesserung der Leistungsfähigkeit der PV-Panels ab. Betrachtet man die bisher dominierenden Recyclingtechnologien, so lassen sich zwei Arten unterscheiden. Weitere Technologien werden aktuell er‐ 42 2 Anforderungen nachhaltiger Entwicklung forscht. Somit ist davon auszugehen, dass zukünftig ein großes Potenzial an effizienten Recyclingverfahren besteht. 2.5 Die Relevanz von Innovationen 43 3 Gerechtigkeit als konstitutives Element nachhaltiger Entwicklung Im Brundtland-Bericht wird die intra- und intergenerationelle Gerechtigkeit gefordet. Sie fand in der Diskussion zur nachhaltigen Entwicklung bisher jedoch zu wenig Beachtung. Betrachtet man die globale aber auch die nationale Situation vieler Länder, so lässt sich die Relevanz der Gerechtig‐ keit nicht bestreiten. Dabei beschäftigt das Thema der Gerechtigkeit die Menschheit, wie kaum ein anderes Thema, seit vielen Jahrhunderten. Der griechische Philosoph Platon hat den Rahmen für Gerechtigkeit wie folgt festgelegt: „Nachdem der Gesetzgeber (die Grenzen der Armut) als Maß hingestellt hat, mag er erlauben, seinen Besitz auf das Zwei-, Drei-, ja Vierfache hiervon auszudehnen. Wenn aber jemand noch mehr Besitz hat, so soll er den Überschuss (…) an den Schatz des Staates und seiner Schutzgötter abgeben.“ (Platon 1862) Im Prinzip lässt sich Gerechtigkeit zunächst aus jeder Nachhaltigkeitsdi‐ mension ableiten. Im Rahmen der ökonomischen Dimension geht es primär um die Einkommens- und Vermögensgerechtigkeit. Die Klimagerechtigkeit steht im Mittelpunkt der ökologischen Dimension. In der sozialen Dimen‐ sion geht es zentral um die Chancengerechtigkeit. Da die drei Gerechtig‐ keitsdimensionen vernetzt sind, beziehen sich die folgenden Ausführungen zunächst allgemein auf die intra- und intergenerationelle Gerechtigkeit. Wie schon erwähnt, haben sich hinsichtlich der intragenerationellen Gerechtig‐ keit in den letzten Dekaden in vielen Ländern weltweit die Einkommens- und Vermögensdisparitäten vergrößert. So fordert u. a. die OECD seit einigen Jahrzehnten mit Nachdruck die Einkommensdisparitäten auch in Deutschland, die trotz positiver Wachstumsraten zunahmen, zu verringern, um damit soziale Spannungen zu vermeiden. Der international bekannte Ökonom Stiglitz stellte weiterhin fest, dass Wachstum oftmals mit einer Zunahme der Armut und teilweise sogar mit Einkommenseinbußen der Mittelschicht verbunden war und belegt dies an den USA und für Lateinamerika (Stiglitz 2008, S. 225). In diesem Zusammen‐ hang fand auch das Buch des französischen Ökonom Piketty „Capital in the Twenty-First Century“ (2016) besondere Aufmerksamkeit, wenn er feststellt, dass die Reichen immer reicher werden und die Armen arm bleiben. Piketty kommt zu der Schlussfolgerung, dass der gesellschaftliche Reichtum zu Beginn des 21. Jahrhunderts sogar ähnlich verteilt ist wie 100 oder sogar 200 Jahre zuvor. Im Rahmen nachhaltiger Entwicklung geht es jedoch nicht nur um die Verteilung von Einkommen und Vermögen. Es geht auch um Gerechtigkeit im Bildungs- und Gesundheitssektor und damit in einem weiteren Ver‐ ständnis um Chancengerechtigkeit. So stellt beispielsweise Fratzscher fest, dass sich durch die Corona Pandemie die sozialökonomischen Ungleichhei‐ ten verschärft haben (Fratzscher 2020, S. 122 ff). Die intergenerationelle Gerechtigkeit bezieht sich einerseits allgemein auf die Verteilung des Wohlstands und andererseits ganz wesentlich auf die Umweltbelastung. Daher konzentrieren sich die folgenden Ausführungen zunächst auf die Chancengerechtigkeit. Danach folgt im Kontext der intergenerationellen Gerechtigkeit am Beispiel der Umweltbelastung die Klimagerechtigkeit. 3.1 Gerechtigkeit nach Amartya Sen Einer der bedeutendsten Gerechtigkeitstheoretiker Sen vermittelt mit sei‐ nem Ansatz wichtige Anregungen für Gerechtigkeit im Kontext nachhalti‐ ger Entwicklung. Sen wurde in Indien geboren wodurch sein Verständnis über Freiheit und Gerechtigkeit stark geprägt wurde. Seinen zentralen Ansatz der Verwirklichungschancen (Capability Approach) entwickelte er 1980 und beschreibt ihn als Konzept der menschlichen Befähigung, indem die Menschen aus wirtschaftlicher Abhängigkeit, ungerechten Strukturen und zwangsbesetzten Identitätszuschreibungen herauskommen (Sen 1980). Entsprechend lässt sich Ungleichheit aus Einschränkungen der ökonomi‐ schen, politischen und sozialen Freiheit des einzelnen Individuums ableiten. Das verdeutlicht Sen mit einem Beispiel: ein wohlhabender Mensch, der fastet, unterscheidet sich von einem bedürftigen Menschen, der hungert. Der bedürftige Mensch hungert gezwungenermaßen, wohingegen der wohl‐ habende Mensch andere Möglichkeiten von Verwirklichungschancen hat. Nach Sen geht es also um die „substanziellen Freiheiten“. Darunter subsum‐ miert er „die Möglichkeit, Hunger, Unterernährung, heilbare Krankheiten und vorzeitigen Tod zu vermeiden, wie auch jene Freiheiten, die darin bestehen, lesen und schreiben zu können, am politischen Geschehen zu partizipieren, seine Meinung unzensiert zu äußern usw.“ (Sen 2000, S.-191) 46 3 Gerechtigkeit als konstitutives Element nachhaltiger Entwicklung Die Schlussfolgerung daraus ist: Der wohlhabende Mensch hat die Fähigkeit dem Hunger jederzeit ein Ende zu setzen, während der bedürftige Mensch diese Fähigkeit nicht besitzt. Es reicht also nicht aus nur auf die bestehenden bzw. erreichten Zustände einer Person zu schauen, um zu erfahren, wie gut oder schlecht seine Lebenslage ist (Neuhäuser 2020, S. 7). Daraus begründet sich die Unterscheidung zwischen den Handlungsfreiheiten, über die eine Person verfügt und dem Handlungserfolg, den ihre Handlungen zeitigen. Nach diesem Gerechtigkeitsverständnis müssen Möglichkeiten und Lebens‐ chancen nicht nur gerecht verteilt, sondern auch weiterentwickelt werden. In diesem Kontext hat sich Sen auch explizit der „Idee der Nachhaltigkeit“ zugewandt. Dabei bezieht er sich auf die im Brundtland-Bericht vorgenom‐ mene Abgrenzung von Gerechtigkeit, die stark auf eine gerechte Bedürfnis‐ befriedigung der heutigen und zukünftigen Genration ausgerichtet ist. Er bezieht sich hierbei besonders auf die interpersonelle Gerechtigkeit. Dabei kommt er zu der Schlussfolgerung, dass die Abgrenzung im Brundtland-Be‐ richt inhaltlich nicht ausreicht. Im Sinne des Capability Ansatzes stellt er fest: „There are important grounds for favouring a freedom-oriented view, focusing on crucial freedoms that people have reason to value. Human freedoms include the fulfillment of needs, but also the liberty to define and pursue our own goals, objectives and commitments, no matter how they link with our own particular needs. … A fuller concept of sustainability has to aim at sustaining human freedom, rather than only at our ability to fulfill our felt needs.” (Sen 2013, S.-6). Entscheidend für Sen ist somit, dass zu der Freiheit der Menschen sowohl die Erfüllung von Bedürfnissen als auch die Freiheit eigene Ziele, Absichten und Verpflichtungen gehören. Dabei besteht für ihn ein wesentlicher Gegensatz zwischen „freedom based perspectives“ und „need based perspectives“. (Sen 2010) Den Gegensatz verdeutlicht er mit der wachsenden Bedeutung des nachhaltigen Konsums. Aus dieser Position begründet er die Forderung, wonach die „need based perspectives“ nicht in dem Konsummuster der westli‐ chen Welt verharren sollten. Sie sollten sich vielmehr an den Anforderungen nachhaltigen Konsums orientieren und damit auf den „freedom based per‐ spectives“ basieren. Damit stellt er in seiner Gerechtigkeitstheorie eindeutig einen ökologischen Bezug her. Die ökologische Dimension wird von Sen jedoch nicht weiter berücksichtigt. Dadurch bleibt sein Beitrag zu einer Gerechtigkeitstheorie nachhaltiger Entwicklung begrenzt (v. Hauff 2021, 3.1 Gerechtigkeit nach Amartya Sen 47 S. 160). Dieser Bezug lässt sich sehr gut im Rahmen der Klimagerechtigkeit herstellen. 3.2 Klimagerechtigkeit - Das unbewältigte Problem Der Klimawandel verursacht in verschiedenen Regionen dieser Erde in unterschiedlichen Dimensionen und teilweise schon existenzbedrohende Schäden. Eine wesentliche Ursache sind die menschlich verursachten Treib‐ hausgase, die immer häufiger und oft mit zunehmender Intensität zu stürmen, Überschwemmungen oder Trockenheit führen. Exemplarisch können als besonders betroffene Länder Pakistan, Afgha‐ nistan, Somalia und Honduras genannt werden. ● Durch häufig auftretende Überschwemmungen steht Pakistan bis zu einem Drittel des Landes unter Wasser. Das entspricht zwei Drittel der Fläche von Deutschland. Das wirkt sich besonders auf die Landwirt‐ schaft und damit auf die Versorgung mit Nahrungsmitteln sehr negativ aus. ● Somalia erlebt die fünfte Trockenperiode in Folge ohne ausreichende Niederschläge. Die Folge sind Missernten und damit auch Nahrungsmit‐ telknappheit die zu großen Hungersnöten führen. Daher ist Somalia regelmäßig auf Lebensmittelhilfen aus anderen Ländern angewiesen. ● Afghanistan ist seit zwei Jahrzehnten von starker Dürre betroffen. Hinzu kommt es in einigen Regionen zu heftigen Überschwemmungen. Das erschwert die Landwirtschaft stark und führt ebenfalls zu Nah‐ rungsmittelknappheit. ● Honduras erlebte 2020 die bisher heftigsten Wirbelstürme des Atlan‐ tiks wodurch eine Million Menschen in dem Land vertrieben wurden. Das entspricht etwa 10 Prozent der Bevölkerung. Hinzu kommt, dass anhaltende Dürreperioden die Landwirtschaft und die Agrarproduktion und damit auch die Ernährungssicherheit stark beeinträchtigen. Insgesamt ist festzustellen, dass viele Entwicklungsländer und hier die besonders vulnerablen Bevölkerungsgruppen von den Folgen des Klima‐ wandels betroffen sind. Die Folgen des Klimawandels treten aber auch, wie hinreichend bekannt ist, in Industrieländern mit vergleichbaren Folgen durch Überschwemmungen, Trockenheit und Stürme wie in Entwicklungs‐ ländern auf. Auch in Industrieländern ist oft die ärmere Bevölkerung 48 3 Gerechtigkeit als konstitutives Element nachhaltiger Entwicklung besonders davon betroffen. Daher verstärkt die Klimakrise die bestehenden gesellschaftlichen Ungleichheiten (Kurwan 2023). Gleichzeitig lässt sich feststellen, dass jene gesellschaftlichen Gruppen, die von der Klimakrise am meisten betroffen sind, am wenigsten zu ihr beitragen: die durchschnitt‐ lichen Pro-Kopf Emissionen sind in den ärmsten Ländern wie Somalia mehr als 140-mal kleiner als die durchschnittlichen Pro-Kopf Emissionen in Deutschland (Ritchie et al. 2020). Von einem besonderen Widerspruch ist die indigene Völker betroffen. Sie leisten einerseits weltweit durch ihre traditionell ausgerichtete Land- und Forstwirtschaft zum Abbau von Treibhausgasen bei. Andererseits werden diese Gemeinschaften oft durch die Entwaldung, die durch kommerzielle Interessen von Großkonzernen und/ oder korrupten Regierungen begründet ist, in ihrer Existenz bedroht (v. Hauff 2023, S.-57 ff). Insgesamt kann festgestellt werden, dass die reichsten 1 Prozent der Weltbevölkerung doppelt so viel Treibhausgase emittieren wie die 50 Prozent der finanziell unteren Weltbevölkerung (Timperley 2020). Aber auch in den Mitgliedsstaaten der EU ist der Ausstoß, gemessen an den Haushaltseinkommen, sehr ungleich verteilt: Die einkommens‐ stärksten 10 Prozent der Haushalte in Deutschland, Italien, Frankreich und Spanien - das entspricht etwa 28,8 Millionen Menschen - emittieren mehr als die die gesamte Bevölkerung von 16 ärmeren EU-Mitgliedstaa‐ ten (Deutscher Gewerkschaftsbund 2021, S.-25). Aus den wenigen Beispielen wird deutlich, dass die klimabedingten Schäden in verschiedenen Regionen unterschiedlich häufig und in unterschiedlicher Intensität auftreten. Daraus begründen sich die direkten und indirekten Folgen des Klimawandels. Die direkten Folgen sind ● steigende Maximaltemperaturen ● steigende Minimaltemperaturen ● steigender Meeresspiegel ● höhere Meerestemperaturen ● zunehmende Starkniederschläge (Starkregen und Hagel) ● Zunahme des Anteils heftiger tropischer Wirbelstürme 3.2 Klimagerechtigkeit - Das unbewältigte Problem 49 ● Zunahme von Trockenheit und Dürre ● Rückgang des arktischen Meereises und der Schneebedeckung ● Gletscherschwund und Gletscherrückgang ● tauender Permafrost Indirekte Folgen des menschenverursachten Klimawandels ● Zunahme der Hunger- und Wasserkrisen insbesondere in Entwicklungs‐ ländern ● Existenzbedrohung durch Überschwemmungen und Waldbrände ● Gesundheitsrisiken durch Zunahme der Häufigkeit und Intensität von Hitzeextremen ● wirtschaftliche Folgen für die Beseitigung der Klimafolgeschäden ● weitere Verbreitung von Schädlingen und Krankheitserregern ● Verlust an Biodiversität durch begrenzte Anpassungsfähigkeit und -ge‐ schwindigkeit von Flora und Fauna ● Ozeanversauerung durch erhöhte HCO 3 -Konzentrationen (Bicarbo‐ nat)-im Wasser als Folge erhöhter CO 2 -Konzentrationen ● Anpassungsnotwendigkeit in jeglichen Bereichen (z. B. Landwirtschaft, Forstwirtschaft, Energiewirtschaft, Infrastruktur, Tourismus, etc.) Klimagerechtigkeit wurde im deutschsprachigen Raum einer breiten Öffent‐ lichkeit 2007 über den Begriff der „Kohlenstoffgerechtigkeit“ nähergebracht. Die deutsche Bundeskanzlerin Merkel erklärte ihn zu dem potenziellen Grundpfeiler einer zukünftigen globalen Klimaschutzpolitik (Bundeskanz‐ lerin Merkel 2007). Die Forderung nach einem gerechten Ausgleich zwischen armen und reichen Ländern wurde bereits von der Friedensnobelpreisträ‐ gerin Wangari Maathai gefordert. Die ungleiche Betroffenheit durch den Klimawandel hat in der Folge zu einer Diskussion über Klimaungerechtig‐ keit geführt, die sich durch sehr unterschiedliche Argumentationsbzw. Begründungslinien auszeichnet. Daher gibt es auf die Fragen, was ist Klimagerechtigkeit, sehr unterschiedliche Antworten. Einige der Fragen in diesem Kontext sind (Kurwan 2023): ● Wie können die notwendigen Emissionsminderungen zwischen Staaten aber auch innerhalb von Staaten unter Berücksichtigung der sehr un‐ terschiedlichen Dimension der Verursachung gerecht aufgeteilt werden, ● wie können die Gewinne, die durch die Nutzung des gemeinschaftlichen Gutes Atmosphäre erzielt wurden und werden gerecht verteilt werden, 50 3 Gerechtigkeit als konstitutives Element nachhaltiger Entwicklung ● wie werden die Kosten der Klimaschutzmaßnahmen unter Berücksich‐ tigung der unterschiedlichen Intensität von Zerstörung durch Klima‐ wandel fair aufgeteilt, ● wie sollen besonders vulnerable Regionen und Gemeinschaften ge‐ schützt werden und wer soll hierfür aufkommen. Es besteht international Konsens, dass die Begrenzung des Klimawandels eine Frage der Gerechtigkeit zwischen dem globalen Norden und dem globalen Süden, zwischen Armen und Reichen und zwischen den Genera‐ tionen ist (Latif 2023, S. 19). Die Diskussion führte zu unterschiedlichen Gerechtigkeitsvorstellungen, die ausgehandelt werden müssen, wobei alle Betroffenen mit gleicher Gewichtung an dem Aushandlungsprozess beteiligt werden müssen. Aus den unterschiedlichen Ansätzen zur Bestimmung von Klimagerechtigkeit sollen zwei Ansätze näher erläutert werden. Ein weit verbreiteter Ansatz ist das „Gleiche-Pro-Kopf-Rechte-Prinzip“. Es geht davon aus, dass alle gegenwärtigen und zukünftigen Menschen dasselbe Recht haben, das Gemeinschaftsgut Atmosphäre zu nutzen. Ent‐ sprechend dürfen sie einen gleichen Anteil des verbleibenden „Atmosphä‐ ren-Budgets“, bei dem Ziel 1,5 Grad Erwärmung einzuhalten, emittieren. Für Deutschland würde das bedeuten, dass die Menge an CO 2 , die allen Einwohnern zusammen zusteht, um die globale Erwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen, bis 2027 aufgebraucht wäre (soweit die Emissionen gleichmäßig gesenkt werden). Dagegen hätte Indien bis 2079 Zeit CO 2 neutral zu werden. Dabei gilt zu berücksichtigen, dass der Gesamtausstoß von CO 2 deutlich höher als jener von Deutschland ist, dagegen die Pro-Kopf Emissionen deutlich geringer sind (Kurwan 2023). Im Rahmen des Verursacherprinzips wird argumentiert, dass nicht nur die aktuellen Emissionen, sondern auch die historische Verantwortung zu berücksichtigen ist. Daher sind es die kumulierten historischen und nicht die aktuellen CO 2 Emissionen, die die bisherige Erwärmung verursacht haben. So kommt Latif zu der Schlussfolgerung: „Die Industrienationen Nordamerikas und Europas besitzen gemeinsam immer noch den Löwenanteil an den historischen Emissionen, weswegen sie auch den Großteil der Verantwortung für die Erderwärmung tragen. Sie weigern sich allerdings, ihrer historischen Verantwortung gerecht zu werden, und stoßen immer noch zu viele Treibhausgase aus. Deswegen tun es ihnen andere Länder gleich, was man an dem Anteil Asiens erkennt, der schnell wächst - vor allem aufgrund des chinesischen Anteils.“ (Latif 2023, S.-20). 3.2 Klimagerechtigkeit - Das unbewältigte Problem 51 Auf dieser historisch bedingten Berechnungsgrundlage wäre das CO 2 -Bud‐ get der Länder des globalen Nordens deutlich kleiner als bei einer Pro-Kopf-Zuteilung. Bei dieser Berechnung hätten die USA und Deutsch‐ land ihr Budget schon lange aufgebraucht. Auf der Grundlage des Verur‐ sacherprinzips wird häufig argumentiert, dass die Länder des globalen Nordens als Hauptverursacher des Klimawandels für die Kosten der Anpas‐ sungsmaßnahmen und die klimabedingten Schäden des globalen Südens aufkommen müssten. Bei der Diskussion um die Kompensation zwischen globalem Norden und globalem Süden sollte jedoch nicht vernachlässigt werden, dass der globalen Dekarbonisierung weiterhin eine herausragende Bedeutung zukommt. Das gilt besonders für die USA und Europa als auch in zunehmendem Maße für die großen Schwellenländer. So stößt China mit mehr als 14 Milliarden Tonnen längst die größte Menge an Treibhausgasen aus und Indien liegt hinter den USA bereits an dritter Stelle, wobei bei dem Emissionsausstoß pro Kopf weiterhin die USA führend sind (World Resource Institute 2021). Die unzureichende Konsensfindung erklärt auch, dass die Fortschritte beim Klimaschutz auf internationaler Ebene noch relativ begrenzt sind. Die bereits erwähnten innerstaatlichen Ungleichheiten werden durch die klimarelevanten Emissionen noch verschärft. So haben in Deutsch‐ land die reichsten zehn Prozent der Haushalte 26 Prozent der Emissi‐ onslast verursacht, während die untere Hälfte nur für 29 Prozent der Emissionslast verantwortlich ist. Weiterhin ist festzustellen, dass das reichste Prozent keine Einsparungen aufweist, während die untere Hälfte ihre Emissionen um ein Drittel verringert haben. Auch die mitt‐ leren Einkommen konnten eine Einsparung von 12-Prozent aufweisen. Diese Kluft verstärkt sich in wirtschaftlichen Krisenzeiten, in denen die unteren Einkommensgruppen ihren Konsum bei steigenden Preisen oft einschränken müssen. „Zugespitzt formuliert bedeutet dies, dass die Produktion von Luxusartikeln für die oberen Klassen und deren Konsum zu einer Haupttriebkraft eines Klima‐ wandels geworden sind, unter dessen Folgen national wie global vor allem die ärmeren, sozial besonders verwundbaren Bevölkerungsgruppen zu leiden haben. 52 3 Gerechtigkeit als konstitutives Element nachhaltiger Entwicklung Der oftmals erzwungene Konsumverzicht in den unteren Klassen bringt den wachsenden Anteil des einkommensstärksten oberen Zehntel der europäischen Bevölkerung im statistischen Mittel zum Verschwinden.“ (Dörre 2022, S.-6). Der Kampf gegen den Klimawandel hat im Kontext nachhaltiger Entwick‐ lung also sowohl eine ökologische als auch eine gerechtigkeitsbedingte Dimension. Auch in diesem Kontext mangelt es jedoch nicht an Konzepten für einen erfolgreichen Transformationsprozess in Bereichen wie Mobilität, Produktion und Konsum. Vielmehr mangelt es an einer konsequenten Umsetzung. 3.2 Klimagerechtigkeit - Das unbewältigte Problem 53 2 RankBrain soll vor allem relevante Suchergebnisse für bisher unbeantwortete Suchan‐ fragen liefern. 4 Die Bedeutung der Digitalisierung für die nachhaltige Entwicklung Die Digitalisierung gilt heute als einer der wichtigsten Innovationsbereiche und durchdringt in zunehmendem Maße alle Bereiche einer Gesellschaft. Der digitale Transformationsprozess verändert unser Leben in vielfältiger Weise. Aus ökonomischer Perspektive wird nach Bartolomae die Wettbe‐ werbsfähigkeit einer Volkswirtschaft durch den Grad bzw. Fortschritt der Digitalisierung ganz wesentlich determiniert. Vice Versa: bei unzureichen‐ dem Ausbau und Weiterentwicklung der Digitalisierung verliert eine Volks‐ wirtschaft an Wettbewerbsfähigkeit. Ursprünglich geht es dabei um die Umwandlung analoger Daten wie Texte, Bilder oder Musik in digitale, mit mathematischen Algorithmen identifizierbare und quantifizierbare Formen, wobei der kleinste Schritt, als Schaltprozess von 0 auf 1, oder zurück von 1 auf 0, als Bit bezeichnet wird. Seit den 1990er Jahren hat sie in zunehmendem Maße eine ubiquitäre Entwicklung erfahren. Betrachtet man die aktuellen Trends der Digitalisierung, so kommt im Kontext der Ökonomie der Industrie 4.0 und der künstlichen Intelligenz (KI) eine herausragende Bedeutung zu. So haben die Erforschung und Entwicklung der künstlichen Intelligenz zum Ziel, menschliches Denken mit Hilfe „selbstlernender Computer“ sowohl zu simulieren als auch zu ergänzen. Ein Beispiel für den Einsatz von KI ist Googles Algorithmus RankBrain. 2 Industrie 4.0 gilt heute als vierte industrielle Revolution, die darauf abzielt, industrielle Fertigungsprozesse durch die Vernetzung und den Einsatz neuester IC-Technologien zu einem Selbststeuerungsprozess zu führen. Dadurch soll die Organisation und Steuerung des gesamten Wertschöpfungsprozesses der Produktion (Smart Factory) und Logistik (Smart Logistic) verbessert werden (v. Hauff, Reller 2020, S.-6). Die einseitige technisch-ökonomische Ausrichtung der Digitalisierung führte in zunehmendem Maße zu der Kritik, dass die Digitalisierung ein großes, bisher nicht ausreichend genutztes, Potenzial für einen dynami‐ schen Fortschritt nachhaltiger Entwicklung aufweist. Daher fordert der Wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderun‐ gen (WBGU): „Die Digitalisierung wird oft als gewaltiger Umbruch bezeichnet, der auf unsere Gesellschaften zukommt und dem es sich anzupassen gilt. Dieser Lesart setzt der WBGU entgegen, dass die Digitalisierung so gestaltet werden muss, dass sie als Hebel und Unterstützung für die große Transformation zur Nachhaltigkeit dienen und mit ihr synchronisiert werden kann.“ (WGBU 2019, S.-1). Diese Forderung begründet sich daraus, dass Digitalisierung zur Umwelt‐ belastung und auch zur Belastung der Gesellschaft führen kann. Daher ist die Digitalisierung nicht per se mit dem Paradigma der nachhaltigen Entwicklung kompatibel. Einzelne Innovationen, die durch die Digitali‐ sierung gefördert werden, reichen für einen umfassenden Transformati‐ onsprozess zur Nachhaltigkeit nicht aus. Die Herstellung, Nutzung und Entsorgung von Techniken der Digitalisierung führen zu positiven wie negativen Nachhaltigkeitseffekten, die häufig getrennt betrachtet werden. Es ist jedoch erforderlich den digitalen Wandel und die Transformation zur Nachhaltigkeit konstruktiv zu verzahnen. Nur so kann es gelingen Klima- und Erdsystemschutz, sowie soziale Fortschritte menschlicher Entwicklung voranzubringen (WBGU 2019). 4.1 Digitalisierung: Einordnung in die nachhaltige Entwicklung Digitalisierung lässt sich zunächst in die ökonomische Dimension nachhalti‐ ger Entwicklung einordnen. Hier stellt sich die Frage, welchen Beitrag sie zur Produktivität und dem wirtschaftlichen Wachstum im Sinne nachhaltiger Entwicklung leistet. Die wirtschaftliche Bedeutung der Digitalisierung lässt sich in diesem Kontext bisher jedoch nur bedingt aufzeigen. Das begründet sich aus methodischen Problemen und der unzureichenden Datenverfüg‐ barkeit. Da es zwischen industrialisierten Ländern aber auch zwischen Entwicklungsländern bei der Digitalisierung keinen konformen Verlauf gibt, ist eine allgemeine Aussage zur globalen Entwicklung nicht möglich. Weiterhin ist festzustellen, dass die eigentliche „digitale Revolution“ erst begonnen hat bzw. noch bevorsteht. Daher ist die Beschleunigung der Produktivität erst in Zukunft in vollem Maße zu erwarten. 56 4 Die Bedeutung der Digitalisierung für die nachhaltige Entwicklung Im Rahmen nachhaltiger Entwicklung lassen sich ökonomische Effekte in der Agenda 2030 einordnen und bewerten. So wird auf die Relevanz digitaler Technologien in den Sustainable Development Goals (SDGs) 4, 5, 9 und 17 verwiesen. In SDG 9 wird gefordert eine widerstandsfähige Infrastruktur aufzubauen, eine breitenwirksame und nachhaltige Industrialisierung zu fördern und Innovationen zu unterstützen und in den am wenigsten entwi‐ ckelten Ländern bis 2020 einen allgemeinen und erschwinglichen Zugang zum Internet herzustellen (Spraul et al. 2019, S. 25). Dem SDG 8, in dem gefordert wird „Dauerhaftes, breitenwirksames und nachhaltiges Wirtschaftswachstum, pro‐ duktive Vollbeschäftigung und menschenwürdige Arbeit für alle zu fördern“ kommt in diesem Zusammenhang zumindest indirekt eine große Bedeutung zu (UN 2015, S.-15). Die Produktivität zielt im Kontext digitaler Technologien darauf ab, die Produktion von Gütern und Dienstleistungen schneller herstellen zu können. Beispielhaft sind Mess- und Steuertechnik zu nennen. Sie erleich‐ tern oder substituieren die manuelle Messung und Bearbeitung eines Werk‐ stücks. Digitale Technologien tragen auch wesentlich zu mehr Individualität bei der Produktion von Konsumgütern bei. Eine wichtige Voraussetzung hierfür ist, dass auf dem Arbeitsmarkt ausreichend qualifizierte Arbeits‐ kräfte bzw. Fachkräfte zur Verfügung stehen (Blien et al. 2019). Während sich in den ersten empirischen Untersuchungen zeigte, dass die fortschreitende Digitalisierung zu keinem Produktivitätsfortschritt führte, haben neuere Untersuchungen nachgewiesen, dass es zu einer positiven Entwicklung der Produktivität kam. Das gilt besonders für hoch digitalisierte Unternehmen in Bezug auf die Arbeitsproduktivität (Bersch et al. 2018). Wirtschaftswachstum lassen sich u. a. durch eine Effizienzsteigerung der Produktivitätsfaktoren Human- und Sachkapital begründen. Weiterhin ist der technische Fortschritt, der ganz wesentlich durch die Dynamik von Innovationen bestimmt wird, für eine positive Entwicklung des Wachstums relevant. Digitalisierung gehört zu den Basisinnovationen, deren Wachs‐ tumspotenziale meistens mehrere Jahrzehnte umfasst. Für das digitalisie‐ rungsbedingte Wachstum ist der Digitalisierungsgrad einer Volkswirtschaft von zentraler Bedeutung. Betrachtet man sich jedoch das Wirtschaftswachs‐ tum in den OECD-Ländern, so konnte festgestellt werden, dass bei relativ hohem Digitalisierungsgrad das Wachstum zumindest im Trend nicht stieg. Das wurde von Ökonomen unterschiedlich begründet. Der Effekt wurde 4.1 Digitalisierung: Einordnung in die nachhaltige Entwicklung 57 teilweise auf eine Verzögerung zwischen Investitionen und dem daraus abgeleiteten Wachstum zurückgeführt (v. Hauff 2020, S. 20). Die Differen‐ zierung des Wachstums nach Wirtschaftssektoren (growth accounting) führt dazu, dass der Informations- und Kommunikationssektor das höchste Wachstum aufweist. Auch der Finanz- und Versicherungssektor weist ein relativ hohes Wachstum auf. Für die schwache Entwicklung von Produktivität und Wachstum lässt sich in diesem Kontext in entwickelten Volkwirtschaften verschiedene Erklärungen anführen (Brynjolfossen et al. 2018). Die statistische Erfassung ist insofern ein Problem, da digitale Produkte und Dienste teilweise kosten‐ los angeboten werden. Daher werden sie in den gesamtwirtschaftlichen Statistiken nicht direkt erfasst, obwohl sie zum volkswirtschaftlichen Wohl‐ stand beitragen (WBGU 2019, S. 57). Geht man von der weit verbreiteten Erkenntnis aus, dass es in hoch entwickelten Volkswirtschaften längerfristig zu einer Abschwächung von Produktivität und Wachstum kommt, kommen Aum et al. zu der Erkenntnis, dass ohne die Digitalisierung durch die hochproduktive Computerindustrie der Rückgang von Produktivität und Wachstum stärker ausgefallen wäre (Aum et al. 2018). Daraus ergibt sich die Schlussfolgerung, dass die Digitalisierung im Kon‐ text der ökonomischen Dimension nachhaltiger Entwicklung im Rahmen von SDG 8, gemessen am BIP pro Kopf, einen Beitrag zum Wachstum leistet, wobei sich dieses ganz wesentlich auf die digitalisierten Wirtschaftssektoren konzentriert. Solange Digitalisierung auf eine Produktivitäts- und Wachs‐ tumssteigerung im Sinne der Mainstreamökonomie abzielt, wird sie jedoch nicht zu mehr Nachhaltigkeit beitragen (Sühlemann et al. 2022, S.-6). Es gibt jedoch auch Beispiele, die aufzeigen, dass Digitalisierung zu einem nachhaltigen, d. h. inclusive green growth beitragen können: die Nutzung digitaler Technologien wie Claud-Speicher und virtueller Zusammenarbeit reduziert den Bedarf an physischen Ressourcen wie Büroflächen und Transport. Ein weiteres Beispiel: Digitale Technolo‐ gien ermöglichen Effizienzsteigerungen und Energieeinsparungen. 58 4 Die Bedeutung der Digitalisierung für die nachhaltige Entwicklung 4.2 Ökologische Chancen und Risiken der Digitalisierung für nachhaltige Entwicklung Die Digitalisierung wird bisher primär auf die wirtschaftlich-technologi‐ sche Dimension fokussiert. Im Kontext nachhaltiger Entwicklung richten sich die folgenden Ausführungen nun auf die Chancen und Risiken der Digitalisierung im Rahmen der ökologischen Dimension. Hierzu fehlen teilweise jedoch Quantifizierungen und eine umfangreiche Analyse noch nicht genutzter Potenziale. Ein wichtiges Themenfeld in diesem Zusammen‐ hang bezieht sich auf die ökologischen Erkenntnisse zum Energiesektor (zu einer umfassenden Analyse auf andere Themenfelder vgl. BMBF 2024). Die Digitalisierung führt im Kontext der Nutzung von Energieträgern in verschiedenen Bereichen zu unterschiedlichen Erkenntnissen. Das soll exemplarisch aufgezeigt werden. Dabei ist zunächst festzustel‐ len, dass die digitalen Technologien, d. h. Produktion, Nutzung und Entsorgung der Hardware selbst einen relativ hohen Energieverbrauch aufweisen, was zunächst nicht direkt auffällt: ein Bit ist der Herzschlag der Digitalisierung und die für einen Bit aufzuwendende Energie beträgt ca. 4.6 mJ/ Bit = 4.6 x 10-6 J/ Bit ( J = Energieeinheit Joule). Daraus ergibt sich zunächst eine sehr kleine Energiemenge. Berück‐ sichtigt man jedoch die weltumspannende Digitalisierung mit rascher Zunahme individuell genutzter Einzelgeräte wie iPhones, Tablets, Ka‐ meras, MPI-Player oder Smartphones, aber auch von Sensorsystemen, Speichern und Servern, so ergibt sich daraus eine andere Perspektive. Sie werden weltweit gebaut und gekauft und verschicken jeden Tag und jede Nacht rund um den Globus digitalisierte Informationen (Reller 2020, S. 25). Der weltweit steigende Strombedarf für das Internet begründet sich jedoch ganz wesentlich durch die Server in den Rechenzentren. Da‐ her tragen die erforderlichen und noch steigenden Mengen an Energie bei der Herstellung und Nutzung digitaler Technologien tendenziell zu einer Verschärfung der Klimakrise bei. Es lässt sich feststellen, dass sich das Wachstum des Energiebedarfs in einigen Ländern verlangsamt. Das hat sich jedoch weltweit auf das stark steigende jährliche Wachstum des Energiebedarfs des Internets nicht ausgewirkt (Grunwald, Kopfmüller 2022, S.-64). 4.2 Ökologische Chancen und Risiken der Digitalisierung für nachhaltige Entwicklung 59 Randhahn et al. haben bei ihren Berechnungen festgestellt, dass digitale Technologien für etwa 4 Prozent des weltweiten CO 2 Ausstoßes mit stei‐ gender Tendenz verantwortlich sind (Randhahn et al. 2020, S. 183). Für den CO 2 Ausstoß wurde der Begriff „digitaler Fußabdruck“ eingeführt der größer ist als jener der zivilen Luftfahrt (Martus 2020, S. 5). Dabei gibt es große Einsparpotenziale. Hierfür ein Beispiel: die Verlängerung der Nutzungsdauer aller Smartphones in der EU um ein Jahr würde zu einer Einsparung von jährlich 2,1 Millionen Tonnen CO 2 führen. Die Bedeutung der Einsparung lässt sich wie folgt verdeutlichen: „Um diese Menge CO 2 zu erzeugen, müsste ein Auto mit einem aktuellen Grenz‐ wert von 95 g CO 2 pro Kilometer für entsprechenden CO 2 Ausstoß 22,1 Milliarden km zurücklegen.“ (Randhahn 2020, S.-189). Es folgen nun ausgewählte Beispiel für die ökologischen Chancen der Digitalisierung. So kann die Einführung digitaler Technologien in vielen Bereichen wie der Landwirtschaft, in der Verkehrsflusssteuerung aber auch in der industriellen Produktion zu einer Verringerung des Energie‐ verbrauchs und damit des CO 2 Ausstoßes führen. Effizienzsteigerungen sind auch mit Hilfe eines durchdigitalisierten intelligenten Stromnetzes (smart grid) realisierbar (Schappert 2023). Die Potenziale wurden jedoch bisher nicht in dem gewünschten Maße ausgeschöpft. Im Rahmen einer Auswertung konnten 53 Studien identifiziert werden, in denen die Umweltauswirkungen der Digitalisierung quantitativ erfasst wurden. Die Mehrzahl der Studien konzentrieren sich auf den Einsatz digitaler Systeme im Gebäudebereich und auf batterieelektrische Fahrzeuge. Be‐ zogen auf den Gebäudebereich unterscheiden sich jedoch die Ergebnisse stark (Bundesministerium für Bildung und Forschung 2024, S. 8). Dabei zeigt sich, dass sowohl positive als auch negative Umwelteffekte durch den Rebound Effekt mit dem Einsatz digitaler Anwendungen verbunden sein können. Beispielhaft zu nennen sind Smart Metering Stromverbrauchserhöhun‐ gen von durchschnittlich +24 Prozent und Einsparungen von -28 Prozent (Aretz et al. 2022). 60 4 Die Bedeutung der Digitalisierung für die nachhaltige Entwicklung Nach bisherigen Erkenntnissen kann festgestellt werden, dass bei der Entwicklung zu einem klimaneutralen Energiesystem die Digitalisierung ein wichtiger Enabler für die Verbrauchsminderung ist. Es lässt sich jedoch allgemein noch nicht bestimmen, ob in Zukunft eher die Entlastungs- oder die Belastungseffekte für Umwelt und Klima dominieren. Für einen weiteren Erkenntnisgewinn besonders zu den verschiedenen Themenfeldern besteht noch ein großer Forschungsbedarf. Aus der Perspektive nachhaltiger Ent‐ wicklung geht es jedoch nicht nur um den Energieverbrauch, der zu einer Beeinträchtigung des Transformationsprozesses führen kann, sondern auch um den ständig steigenden Bedarf an mineralischen Ressourcen. Daher lohnt es sich den Bedarf seltener Erden und Metalle im Rahmen der Digitalisierung auch aus ökologischer Perspektive näher zu betrachten. Dabei geht es um Metalle, deren Wertschöpfungsketten oft noch intrans‐ parent sind. Bei ihrem Abbau werden meistens die ökologischen Mindest‐ standards nicht beachtet, was nicht selten zu ökologischen Katastrophen führt (Reller 2020, S. 31). Die Externalisierung der Kosten in Form von Umweltschäden hat in Entwicklungsländern die Bevölkerung zu tragen. Dadurch verschlechtern sich ihre Lebensbedingungen in der Regel noch zusätzlich. Es lassen sich aber auch gegenläufige Effekte beobachten. Die Einführung neuer Halbleitermaterialien wie Siliziumcarbid verspricht auch in Zukunft eine Steigerung des Wirkungsgrades. Im Rahmen der Mikroelek‐ tronik konnten ebenfalls große Fortschritte erzielt werden. Ein Beispiel hierzu: die Leistungsfähigkeit moderner mobiler Geräte ist durch immer bessere Akkulaufzeiten angestiegen. „Dies wurde nicht zuletzt durch immer energieeffizientere Halbleitertechnolo‐ gien und Prozessorarchitekturen erreicht.“ (Randhan 2020, S.-187). 4.3 Perspektiven der Digitalisierung zur Stärkung nachhaltiger Entwicklung Die folgenden Ausführungen beschränken sich auf einige ausgewählte Perspektiven der Digitalisierung für die soziale und ökologische Dimension nachhaltiger Entwicklung (zu einer ausführlichen Darstellung vgl. WBGU 2019). Jaeger-Erben et al. stellen fest, dass die „imperiale Lebensweise des Globalen Nordens mit ihrem hohen materiellen Be‐ sitz, den energieintensiven Produktions- und Konsumformen und dem schnellen 4.3 Perspektiven der Digitalisierung zur Stärkung nachhaltiger Entwicklung 61 Durchlauf von Konsumgütern auf Kosten von Natur und Menschen im Globalen Süden, scheint zu tief in die gesellschaftliche Normalität und die alltägliche Lebensführung eingeschrieben zu sein.“ Es gibt jedoch Überlegungen diese Lebensführung durch soziale Innovatio‐ nen aufzubrechen und zu verringern. Hierzu benennen Jaeger-Erben et al. Collaborative Consumtion und Sharing Economy, Gemeingüter Ökonomie, Upcycling und ReUse ( Jaeger-Erben et al. 2020, S. 123). Sie finden zuneh‐ mend mehr Beachtung und werden oft als soziale Innovationen bezeichnet und als Lösungsansätze für soziale Probleme charakterisiert. Es gibt auch verschiedene Ansätze wie sich die Lebenssituation benachteiligter Gruppen durch Digitalisierung verbessern lässt. Dabei geht es darum bestehende Hindernisse für behinderte Menschen durch Digitalisierung abzubauen. Hierzu lassen sich beispielhaft anführen „Mobilität (bspw. fehlende Aufzüge in U-Bahn-Stationen, Straßenbahnen mit Stufen beim Einstieg), medizinische Beipackzettel oder behördliche Bescheide (bspw. geringe Verständlichkeit mit ggf. negativen Auswirkungen), aber auch in Digitalisierungstechnologien (bspw. Komplexität der Systeme, Preisgestaltung).“ (Weber, Kubek 2020, S.-100). Auch im Gesundheitswesen bietet die Digitalisierung viele Vorteile. Nach SDG 3 sollen Gesundheitsleistungen unabhängig vom Ort für alle Menschen jederzeit zugänglich sein. In diesem Kontext bieten sich besonders im ländlichen Raum, in dem meistens ein Defizit an Fachärzten und teilweise auch an Allgemeinärzten besteht, durch Informations- und Kommunikati‐ onstechnologien neue Möglichkeiten die Chancengleichheit zu fördern. Hierzu gibt es auch in der Verwaltung des Gesundheitswesens und für den medizinischen Bereich noch einen großen Bedarf an Fortbildungsmaßnah‐ men. Daraus begründen sich neue Berufsbilder und neue Forschungsfelder im Gesundheitswesen (Dockweiler 2020, S.-114). Ein weiteres Handlungsfeld ist die E-Democracy, dem teilweise eine große Bedeutung und Potenziale zugemessen werden (Dingeldey 2022). Sie bietet internetbasierte Möglichkeiten der Partizipation deliberativer Demokratie, womit primär die Teilhabe der Bürger an öffentlicher Kommunikation und Beratung gemeint ist. In einem weiteren Sinne geht es um die Vereinfachung und Durchführung von Prozessen der Information und Kommunikation zwischen politischen, d. h. staatlichen Institutionen, den Bürgern und Unternehmen durch den Einsatz von Informations- und Kommunikations‐ 62 4 Die Bedeutung der Digitalisierung für die nachhaltige Entwicklung technologien (Kordesch, Bürger 2023, S. 19). Ein wichtiger Aspekt dabei ist die Willens- und Meinungsbildung, wobei die Nutzung der E-Democracy freiwillig ist. Bürger ohne Internetanschluss werden dabei ausgeschlossen. Den Chancen stehen jedoch auch Risiken gegenüber. So kam es in den vergangenen Jahren zu einer Vielzahl von Ereignissen, die der Nachhaltig‐ keit zuwiderlaufen. Es handelt sich dabei um Gefährdungen der Demokratie wie Hetzkommunikation, Fake News und Manipulationen, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit, die noch durch die Anonymität des Netzes verschärft werden können. Somit hat die Abhängigkeit der Gesellschaft von der Digi‐ talisierung mit all ihren positiven Möglichkeiten die Vulnerabilität verstärkt. Kritische Infrastrukturen wie die Versorgungssysteme mit Energie, Trink‐ wasser und Gesundheitsleistungen sind in zunehmendem Maße auf digitale Systeme und Datenaustausch abgestellt. Dabei ist die digitale Technik gegen äußere Angriffe nicht vollständig geschützt, wie schon mehrfach festgestellt werden musste. Abschließend kann festgestellt werden, dass die Digitalisierung für die ökologische Dimension nachhaltiger Entwicklung eine Vielzahl noch nicht ausreichend genutzter Handlungsfelder bietet. Das gilt neben der industriel‐ len Produktion u. a. für die Landwirtschaft, die Mobilität und den Tourismus. Dabei geht es allgemein um die Frage der Wechselwirkungen zwischen dem Prozess der Digitalisierung und dem Übergang zu einer Green Economy. Am Beispiel der Künstlichen Intelligenz (KI) kann man feststellen, dass die Möglichkeiten bzw. Chancen in der Forschung noch nicht umfassend untersucht wurden. Ein wichtiges Anliegen ist, die KI ökologisch, aber auch sozial mitzugestalten. „Insgesamt geht es darum, sämtliche Entwicklungen der KI hinsichtlich ihres Beitrages für die globalen Nachhaltigkeitsziele (SDGs) der Agenda 2030 zu hinterfragen.“ (Umweltbundesamt 2019, S.-17). Fazit: Es lässt sich feststellen, dass sich die Digitalisierung im Kontext nachhaltiger Entwicklung in einem Spagat zwischen Ökonomisierung und Gemeinwohl befindet (Kordesch, Bürger 2023, S.-21). 4.3 Perspektiven der Digitalisierung zur Stärkung nachhaltiger Entwicklung 63 5 Die Entwicklung der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie Die Völkergemeinschaft hat sich verpflichtet nachhaltige Entwick‐ lung auf nationaler und internationaler Ebene durch Nachhaltigkeitsstrategien umzusetzen. In Deutschland gibt es darüber hinaus auch auf der Ebene von Bundesländern und teilweise auch in Hochschulen Nachhaltig‐ keitsstrategien. Die folgenden Ausführungen beschränken sich jedoch auf die nationale Nachhaltigkeitsstrategie Deutschlands. Die Bedeutung von Nachhaltigkeitsstrategien im Rahmen des Nachhaltigkeitsprozesses wurden von Beginn an erkannt. Im Brundtland Bericht wurde bereits festgestellt: „Die Welt muss bald Strategien entwickeln, die den Ländern erlauben, aus ihren gegenwärtigen, oft destruktiven Wachstums- und Entwicklungsprozessen zu nachhaltigen Entwicklungswegen überzuwechseln.“ (Hauff 1987, S.-52) 1997 kamen im Rahmen des Rio-Prozesses erstmals Vertreter der Staaten‐ gemeinschaft zusammen, um Rechenschaft über den Stand der Umsetzung nachhaltiger Entwicklung abzulegen. Die Ergebnisse wurden als unbefrie‐ digend empfunden. Daher verpflichteten sich 1997 alle Regierungen dazu bis zum zweiten Weltgipfel 2002 in Johannesburg nationale Nachhaltigkeitsstrategien vorzulegen. Die Bundesrepublik Deutschland legte als eines der wenigen Länder entsprechend dem Abkommen 2002 ihre erste nationale Nachhaltigkeitsstrategie vor. 5.1 Anforderungen an eine Nachhaltigkeitsstrategie Das Ziel einer nationalen Nachhaltigkeitsstrategie richtet sich zunächst auf die Steuerung wirtschaftlicher Entwicklungsprozesse, die zu positiven ökologischen und sozialen Auswirkungen führen. Anders formuliert: es sollen schädliche Wirkungen wirtschaftlichen, aber auch gesellschaftlichen Handelns vermieden werden (v. Hauff et al. 2018, S. 26). Die Anforderungen an eine nationale Nachhaltigkeitsstrategie werden von der OECD treffend zusammengefasst: Nachhaltigkeitsstrategien sind „ein koordiniertes Paket von partizipativen und kontinuierlich verbesserten Prozessen der Analyse, Debatte, Kapazitäten, Stär‐ kung, Planung und Investitionen, das die ökonomischen, sozialen und umwelt‐ politischen Ziele der Gesellschaft integriert und Kompromisse sucht, wenn dieses nicht möglich ist.“ (OECD, 2001). Das erfordert eine strategische Planung, bei der ökologische und soziale Variablen und Ziele zu Beginn in die politische Gestaltung der Wirtschaft in‐ tegriert werden (Scholz 2017, S. 25). Eine besondere Herausforderung an eine nationale Nachhaltigkeitsstrategie ist die Politikkohärenz. Das erfordert, dass die Ziele und Maßnahmen der Politik aufeinander abgestimmt werden müssen. Ein Beispiel: Die Stilllegung von Bahnstrecken bzw. die mangelnde Modernisierung der Bahn einerseits und der Ausbau von Autobahnen andererseits ist keine kohärente politische Maßnahme. Nachhaltige Entwicklung ist eine globale Herausforderung. Daher sollten nationale Nachhaltigkeitsstrategien nicht nur nationale Interessen vertre‐ ten, d. h. nicht in Konkurrenz zu Nachhaltigkeitsstrategien anderer Länder stehen. Ein positives Beispiel zur Vermeidung von Konflikten auf interna‐ tionaler Ebene ist das Gesetz über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten zur Vermeidung von Menschenrechtsverletzungen in Lieferketten (Liefer‐ kettengesetz). Danach dürfen in der EU keine Waren verkauft werden, die durch Kinderarbeit produziert oder bei deren Produktion Umweltschäden verursacht werden. Daher erfordert Politikkohärenz auf internationaler Ebene einen globalen Dialog und Abstimmungsprozesse zwischen den nationalen Nachhaltigkeitsstrategien. Nachhaltigkeitsstrategien sollen nach der 1992 verabschiedeten Agenda 21 (Agenda des 21. Jahrhunderts) kooperativ, partizipativ und umfassend umsetzbar ausgerichtet sein und auf den drei Nachhaltigkeitsdimensionen Ökologie, Ökonomie und Soziales basieren. Nachhaltigkeitsstrategien zeich‐ nen sich auf der Grundlage gemeinschaftlicher Zielfindungsprozesse als „weicher Ansatz“ aus. Weiterhin werden Prozesse der kontinuierlichen Ver‐ besserung von Nachhaltigkeitsstrategien angestrebt (Dalal-Clayton; Bass, 2002, S. 74-77). In dem folgenden Schaubild wird der Ablauf des Entwick‐ lungsprozesses dargestellt. 66 5 Die Entwicklung der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie Abb. 5: Der kontinuierliche Verbesserungsprozess einer Nachhaltigkeitsstrategie / Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Dalal-Clayton; Bass 2002, S.-75) Dabei sollen Monitoring- und Kontrollfunktionen Mechanismen, Ergebnisse und Veränderungen beobachtet und dokumentiert werden. Verbesserungen und Aktualisierungen werden dann in dem nächsten Zyklus der Nachhal‐ tigkeitsstrategie einfließen. Dadurch lässt sich die Politik an die Zielerfül‐ lung heranführen. Dabei lassen sich materielle Aspekte herkömmlicher Wohlfahrtskonzepte mit immateriellen Aspekten wie Freiheit und sozialer Gerechtigkeit zusammenführen (Kleine 2009, S.-131). 5.2 Die Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie 2002 Deutschland legte 2002, wie schon erwähnt, entsprechend der internationa‐ len Vereinbarung die erste nationale Nachhaltigkeitsstrategie vor. Sie ist insofern erwähnenswert, da sie eine klare inhaltliche Bestimmung nachhal‐ 5.2 Die Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie 2002 67 tiger Entwicklung vorgab, die sich bis heute nicht verändert hat. Sie ist in die Kapitel A-G untergliedert. Das Kapitel A wendet sich der „Idee der Strategie“ zu. Im Mittelpunkt steht die Umsetzung wesentlicher Forderungen nachhaltiger Entwicklung wie sie in der Agenda 21 aufgeführt sind. Eine weitere Orientierung brachte der Bericht der Enquete-Kommission „Schutz des Menschen und der Umwelt“ des Deutschen Bundestags aus dem Jahr 1995. Hervorzuheben ist die Verpflichtung für die Politikgestaltung indem schon die erste Nachhaltigkeitsstrategie als Handlungsanleitung für eine umfassende zukunftsfähige Politik ausgewiesen wird: „Weit über die ökologische Herausforderung hinaus dient die Strategie als Handlungsanleitung für eine umfassende zukunftsfähige Politik, um der Gene‐ rationen übergreifenden Verantwortung für eine ökonomisch, ökologisch und sozial tragfähige Entwicklung gerecht zu werden.“ (Bundesregierung 2002, S.-6) Weiterhin ist Deutschland im Kontext der Nachhaltigkeitsstrategie untrenn‐ bar mit der globalen Völkergemeinschaft verbunden, wonach es auf Dauer keine lokalen oder nationalen Inseln des Wohlstands und der Sicherheit geben darf. Somit wird nachhaltige Entwicklung zur Querschnittsaufgabe bestimmt. Kapitel B zeichnet sich dadurch aus, dass vier große Themen‐ schwerpunkte aufgeführt werden: ● Generationengerechtigkeit, ● Lebensqualität, ● sozialer Zusammenhalt, ● internationale Verantwortung. Exemplarisch werden die relevanten Nachhaltigkeitsindikatoren für den Bereich Lebensqualität aufgezeigt (v. Hauff et al. 2018, S.-65): Lebensqualität: ● Der wirtschaftliche Wohlstand wird über das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf in Euro-Preisen von 1995 gemessen. ● Die Mobilität wird über die Indikatoren der Transportintensität, d. h. der Verkehrsleistung je 1.000 € BIP, mit dem Index von 1999 und über den Anteil des Schienenverkehrs an der Gesamtgüterverkehrsleistung bewertet. ● Die Ernährung wird sowohl über den prozentualen Anteil des ökologi‐ schen Landbaus an der Gesamtfläche als auch über die Gesamt-Bilanz des Stickstoffüberschusses in Kilogramm pro Hektar gemessen. 68 5 Die Entwicklung der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie ● Die Verbesserung der Luftqualität wird über die Veränderung der Stickstoffbelastung der Luft bewertet. Berücksichtigt werden hierbei die Emissionen von Schwefeldioxiden (SO 2 ), Stickstoffoxiden (NO X ) - wie Stickstoffmonoxid und Stickstoffdioxid -, Flüchtigen organischen Verbindungen (VOC) - wie bspw. Kohlenwasserstoff - sowie Ammoniak (NH 3 ). ● Anhand des Indikators der Anzahl vorzeitiger Sterblichkeit, d. h. vor einem Alter von 65 Jahren, auf 10.000 Einwohner und des Indikators über die Zufriedenheit mit der eigenen Gesundheit wird der Gesundheitszu‐ stand der Gesellschaft gemessen. ● Die Kriminalität, also die Bedrohung der persönlichen Sicherheit, wird anhand der Veränderung des Indikators der Anzahl erfasster Wohnungs‐ einbruchsdiebstähle gemessen. In dem Unterkapitel fünf werden noch Managementregeln für nachhaltige Entwicklung aufgeführt. Exemplarisch wird gefordert, dass jede Generation ihre Aufgaben selbst zu lösen hat, also nicht nächsten Generationen aufbür‐ den darf. Das gilt für die Bereiche Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen, für die wirtschaftliche Entwicklung, für den sozialen Zusammenhalt und den demographischen Wandel. In Kapitel C geht es um die Strategie als gesell‐ schaftlichen Prozess. Das erfordert, dass alle Gruppen der Gesellschaft das zu ihrem Anliegen machen. Die Ziele der deutschen Nachhaltigkeitsstrategie werden in Kapitel D durch 21 Schlüsselindikatoren spezifiziert. Dadurch können in bestimmten zeitlichen Abständen die Fortschritte bzw. Defizite aufzeigt und daran gemessen der weitere Handlungsbedarf bestimmt wer‐ den. Die Bundesregierung begründet dies wie folgt: „Die Indikatoren sind somit elementarer Bestandteil eines Managementkonzeptes zur Umsetzung und kontinuierlichen Weiterentwicklung der Nachhaltigkeits‐ strategie. Sie dienen insbesondere auch der Erfolgskontrolle.“ (Bundesregierung 2002, S.-38) Das umfangreiche Kapitel E wendet sich den Schwerpunkten nachhaltiger Entwicklung zu. In diesem Kontext werden die Maßnahmen und Aktivitäten der Bundesregierung aufgezeigt. Es handelt sich um sieben Schwerpunkte: ● Energie effizient nutzen - Klima wirksam schützen (Drehbuch für eine zukunftsfähige Energiepolitik) ● Mobilität sichern - Umwelt schonen (Fahrplan für neue Wege) 5.2 Die Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie 2002 69 ● Gesund produzieren - gesund ernähren (Verbraucher als Motor für Strukturwandel) ● Demographischen Wandel gestalten (Neuer Übergang in den dritten Lebensabschnitt) ● Alte Strukturen verändern - neue Ideen entwickeln (Bildungsoffensive und Hochschulreform) ● Innovative Unternehmen - erfolgreiche Wirtschaft (Innovation als Motor für Nachhaltigkeit---Nachhaltigkeit als Motor für Innovation) ● Flächeninanspruchnahme vermindern (Nachhaltige Siedlungsentwick‐ lung fördern) Kapitel F wendet sich der Erkenntnis zu, dass Nachhaltigkeit „nicht an den Staatsgrenzen endet.“ Investitionen und die Produktions- und Konsumwei‐ sen wirken sich auch jenseits der Staatsgrenzen aus. Das lässt sich mit dem Indikator des „ökologischen Fußabdrucks“ messen. Der „ökologische Fußabdruck“ hat besonders in Industrieländern aber auch global die gefor‐ derten Leitplanken in vielen Bereichen deutlich überschritten was ganz wesentlich durch die Industrieländer verursacht wird. Das abschließende Kapitel G zeigt auf, welche Schritte für eine Weiterentwicklung der Strategie erforderlich sind. Weiterhin geht es um die Frage, wie, wann und in welchem Umfang Erfolgskontrollen durchgeführt werden sollen (Bundesregierung 2002, S.-323 ff). Die Nationale Nachhaltigkeitsstrategie Deutschlands hat zu einer intensi‐ ven Diskussion geführt. Die Vielzahl der Stellungnahmen und Kommentare kamen zu einer positiven Beurteilung und würdigten die Strategie als sehr ambitioniert. Der Rat für nachhaltige Entwicklung, ein beratendes Gremium der Bundesregierung, kam nach einer insgesamt positiven Bewertung zu dem kritischen Kommentar, dass es sich um eine Strategie handelt, die zu stark nach innen gerichtet sei und somit die globale Dimension vernach‐ lässige. Es wurde auch angeregt, Kosten und Nutzen von Maßnahmen auf‐ zuzeigen, um die Folgekosten bei Unterlassung notwendiger Maßnahmen berechnen zu können. Weiterhin wurde angeregt potenzielle Zielkonflikte zu benennen (Rat für nachhaltige Entwicklung 2002). Eine wichtige Empfehlung war, die Dialogangebote auf nationaler Ebene zu stärken. Kritisch wurde auch hinterfragt, ob die festgelegten Prioritäten die Gefahr aufweisen, dass bestehende Pfade der Politik (siehe Kapitel 6.2) fortgesetzt werden und damit eine konsequente Umsetzung nachhaltiger Entwicklung im Sinne eines Transformationsprozesses belastet bzw. verhin‐ 70 5 Die Entwicklung der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie dert wird. Auf eine grundsätzliche Kritik verweist Diefenbacher, indem er feststellt, dass die Zusammenstellung der Indikatoren nicht gleichgewichtig ist. Entsprechend werden einige bedeutende Bereiche nachhaltiger Entwick‐ lung nicht ausreichend berücksichtigt. Diese Unzulänglichkeit begründet er mit den bereits genannten vier Koordinaten: „Beim Vergleich mit anderen Indikatorensystemen der Nachhaltigkeit wird deut‐ lich, dass die Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung auf einige Themen‐ felder sehr intensiv eingeht, auf andere Teilziele, die in der wissenschaftlichen Diskussion als wesentlich erachtet werden, hingegen gar nicht.“ (Diefenbacher 2011, S.-687). Abschließend kann festgestellt werden, dass die OECD zur deutschen Nach‐ haltigkeitsstrategie 2002 feststellte, dass sie im internationalen Vergleich als Positivbeispiel bewertet werden könne (OECD 2006). Dabei gilt zu berücksichtigen, dass 2002 nur wenige Länder Nachhaltigkeitsstrategien vorgelegt hatten. Die Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie wurde im Rahmen der Agenda 2030 weiterentwickelt und wurde in den Kontext eines globalen Strategievorhabens eingeordnet. 5.3 Die Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie - Neuauflage 2016 Vorbemerkung Die Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie - Neuauflage 2016 entstand in einem internationalen Kontext, der kurz vorgestellt wird. Vom 25. bis 27. September 2015 fand in New York der UN-Sondergipfel zur Agenda 2030 zu dem Thema „Transforming our world: the 2030 Agenda for Sustainable Development“ statt. Ein Vorläufer davon war die „United Nations Millennium Declaration“ die im September 2000 von den Vereinten Nationen verabschiedet wurde. Dabei sollten die acht Millennium Development Goals, die auf Entwicklungsländer ausgerichtet waren, bis 2015 erreicht werden. Dabei handelt es sich um folgende Ziele: ● die vollständige Bekämpfung extremen Hungers und extremer Armut, ● das Erreichen universeller Grundbildung, ● die Förderung der Geschlechtergerechtigkeit und die Stärkung von Frauen, 5.3 Die Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie - Neuauflage 2016 71 ● die Reduzierung der Kindersterblichkeit, ● die Förderung der Gesundheit von Müttern, ● die Bekämpfung von HIV/ AIDS, Malaria und anderen Krankheiten, ● die Sicherung der Umwelt und Nachhaltigkeit, ● die Schaffung einer globalen Partnerschaft für Entwicklung. Zu den MDGs wurde kritisch angemerkt, dass die ökologische Dimension zu wenig Beachtung fand. Da die Umwelt ein zentraler Bereich von Nach‐ haltigkeit ist, war die Formulierung „Sicherung von Umwelt und Nachhal‐ tigkeit“ unverständlich. Es wurde auch früh erkannt, dass die Ziele bis 2015 nicht in dem angestrebten Maße erreicht werden. Daher einigten sich die UN-Mitgliedsstaaten bei der Rio+20 Konferenz im Jahr 2012 darauf, eine Arbeitsgruppe einzuberufen, die eine Liste mit universellen Entwicklungs‐ zielen auf der Grundlage der drei Dimensionen nachhaltiger Entwicklung erstellen sollten. Die Liste wurde von international renommierten Expertinnen und Ex‐ perten erarbeitet. Die Arbeitsgruppe konnte sich schließlich auf 17 Ziele, die „Sustainable Development Goals (SDGs)“, verständigen. Während bei den MDGs die sozialen Ziele im Mittelpunkt standen, sollten die SDGs die nachhaltige Entwicklung in ihrer Dreidimensionalität ausgewogen widerspiegeln. Da sie die Reformbedarfe aller Länder aufzeigen sollten, eignen sich die SDGs für die Ausgestaltung von Regierungsprogrammen auf globaler Ebene besser als die MDGs (Scholz 2017, S. 28). Im Gegensatz zu der „United Nations Millennium Declaration“ war die Agenda 2030 auf alle Länder weltweit ausgerichtet. Damit sollte auch ein gemeinsames Verständnis aller Länder zu nachhaltiger Entwicklung gestärkt werden. In der Präambel formulieren die Regierungen ihr Vorhaben: „Wenn wir unsere Ambitionen in allen Bereichen der Agenda verwirklichen können, wird sich das Leben aller Menschen grundlegend verbessern und eine Transformation der Welt zum Besseren stattfinden.“ (UN 2015, S.-3). Auf der Grundlage der Agenda 2030 mit den 17 SDGs verpflichteten sich alle Länder bis 2016 eine nationale Nachhaltigkeitsstrategie zu entwickeln und vorzulegen. Die folgende Tabelle gibt einen Überblick über die 17 SDGs, die noch durch 169 Unterziele weiter konkretisiert werden. ● Ziel 1: Keine Armut: Armut in all ihren Formen und überall beenden. 72 5 Die Entwicklung der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie ● Ziel 2: Kein Hunger: Den Hunger beenden, Ernährungssicherheit und eine bessere Ernährung erreichen und eine nachhaltige Landwirtschaft fördern. ● Ziel 3: Gesundheit und Wohlergehen: Ein gesundes Leben für alle Menschen jeden Alters gewährleisten und ihr Wohlergehen fördern. ● Ziel 4: Hochwertige Bildung: Bildung für alle: inklusive, gerechte und hochwertige Bildung gewährleisten und Möglichkeiten des lebens‐ langen Lernens für alle fördern. ● Ziel 5: Geschlechter-Gleichheit: Gleichstellung der Geschlechter er‐ reichen und alle Frauen und Mädchen zur Selbstbestimmung befähigen. ● Ziel 6: Sauberes Wasser und Sanitär-Einrichtungen: Verfügbarkeit und nachhaltige Bewirtschaftung von Wasser und Sanitärversorgung für alle gewährleisten. ● Ziel 7: Bezahlbare und saubere Energie: Zugang zu bezahlbarer, verlässlicher, nachhaltiger und zeitgemäßer Energie für alle sichern. ● Ziel 8: Menschenwürdige Arbeit und Wirtschaftswachstum: Nachhaltiges Wirtschaftswachstum und menschenwürdige Arbeit für alle - dauerhaftes, breitenwirksames und nachhaltiges Wirtschafts‐ wachstum, produktive Vollbeschäftigung und menschenwürdige Arbeit für alle fördern. ● Ziel 9: Industrie, Innovation und Infrastruktur: Eine widerstands‐ fähige Infrastruktur aufbauen, breitenwirksame und nachhaltige Indus‐ trialisierung fördern und Innovationen unterstützen. ● Ziel 10: Weniger Ungleichheiten: Ungleichheit in und zwischen Ländern verringern. ● Ziel 11: Nachhaltige Städte und Gemeinden: Städte und Siedlungen inklusiv, sicher, widerstandsfähig und nachhaltig gestalten. ● Ziel 12: Nachhaltiger Konsum und Produktion: Nachhaltige Kon‐ sum- und Produktionsmuster sicherstellen. ● Ziel 13: Maßnahmen zum Klimaschutz: Sofortmaßnahmen ergrei‐ fen, um den Klimawandel und seine Auswirkungen zu bekämpfen. ● Ziel 14: Leben unter Wasser: Bewahrung und nachhaltige Nutzung der Ozeane, Meere und Meeresressourcen. ● Ziel 15: Leben an Land: Landökosysteme schützen, wiederherstellen und ihre nachhaltige Nutzung fördern, Wälder nachhaltig bewirtschaf‐ ten, Wüstenbildung bekämpfen, Bodendegradation beenden und um‐ kehren und dem Verlust der biologischen Vielfalt ein Ende setzen. 5.3 Die Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie - Neuauflage 2016 73 ● Ziel 16: Frieden, Gerechtigkeit und starke Institutionen: Friedliche und inklusive Gesellschaften für eine nachhaltige Entwicklung fördern, allen Menschen Zugang zum Recht ermöglichen und leistungsfähige, rechenschaftspflichtige und inklusive Institutionen auf allen Ebenen aufbauen. ● Ziel 17: Partnerschaften zur Erreichung der Ziele: Umsetzungsmit‐ tel stärken und die globale Partnerschaft für nachhaltige Entwicklung mit neuem Leben füllen. Die Neuauflage der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie 2016 wurde im Januar 2017 veröffentlicht. Deutschland hat die SDGs entsprechend den Problemen bzw. Defizite im eigenen Land durch Unterziele und Indikatoren konkretisiert bzw. quantitativ festgelegt (ausführlich hierzu v. Hauff et al. 2018). In der deutschen Nachhaltigkeitsstrategie waren die Ziele ursprüng‐ lich durch 63 Unterziele mit entsprechenden Indikatoren weiter unterglie‐ dert. Sie wurde erstmals im Koalitionsvertrag der 18. Legislaturperiode verankert (Bundesregierung 2016, S.-24). Dabei wurde betont: „Für uns ist die Förderung einer nachhaltigen Entwicklung grundlegendes Ziel und Maßstab des Regierungshandelns.“ Jedem Ziel wird mindestens ein Indikator zugeordnet. Dadurch lässt sich der Grad der Zielerreichung überprüfen. Bei einer unbefriedigenden Entwick‐ lung von Zielen besteht die Möglichkeit des Nachjustierens. Der Grad der Entwicklung wurde in vier Kategorien differenziert. Bei jeder Kategorie wird angegeben, wieviel Ziele dieser zugeordnet werden. ● Ziel wird (nahezu) erreicht (Status: insgesamt 21 Ziele) ● Entwicklung geht in die richtige Richtung, aber Zielverfehlung zwi‐ schen 5 und 20-Prozent bleiben (Status: insgesamt 6 Ziele) ● Entwicklung in die richtige Richtung, aber Lücke von mehr als 20 Pro‐ zent verbleibt (Status: insgesamt 20 Ziele) ● Entwicklung geht in die falsche Richtung (Status: insgesamt 9 Ziele) Addiert man die Unterziele der ersten beiden Kategorien, die insgesamt positiv zu beurteilen sind, handelt es sich um 27 Ziele, die noch ein gewisses Verbesserungspotenzial haben. Addiert man die beiden unteren Kategorien, die als nicht befriedigend betrachtet werden können, d. h. sie weisen noch ein großes Potenzial der Verbesserung auf, so handelt es sich um 29 Unterziele. Daher ist der Anspruch, wonach „nachhaltige Entwicklung 74 5 Die Entwicklung der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie grundlegendes Ziel und Maßstab des Regierungshandelns“ sein soll, sicher überzogen. Exemplarisch werden die Unterziele genannt, die „in die falsche Richtung“ gehen. Entwicklung in die falsche Richtung (Status: insgesamt 9 Ziele) ● 3.1.f Länger gesund leben - Adipositasquote von Erwachsenen ab 18 Jahren (Anstieg dauerhaft stoppen) ● 6.1.b Gewässerqualität - Nitrat im Grundwasser (bis 2030 Einhaltung des 50 mg/ l Nitrat Schwellenwertes im Grundwasser) ● 11.2.a Mobilität sichern - Umwelt schonen (Zielkorridor bis zum Jahre 2030 minus 15 bis minus 20-Prozent) ● 12.1 Nachhaltiger Konsum - Konsum umwelt- und sozialverträglich gestalten (kontinuierliche Abnahme des Energieverbrauchs) ● 15.1 Artenvielfalt- Arten erhalten, Lebensräume schützen (Anstieg auf den Indexwert 100 bis zum Jahr 2030) ● 15.3 Wälder---Entwaldung vermeiden (Steigerung bis 2030) ● 16.1 Kriminalität - Persönliche Sicherheit weiter erhöhen (Zahl der erfassten Straftaten je 100.000 Einwohner soll bis 2030 auf unter 7.000 sinken) Die Zahlen und Buchstaben zeigen an, wo die Unterziele einzuordnen sind. Beispiel: 3.1.f ist dem Ziel 3 „Ein gesundes Leben für alle Menschen jeden Alters gewährleisten und ihr Wohlergehen fördern“ zuzuordnen. Bei der Kategorie „Entwicklung in die falsche Richtung“ handelt es sich um sehr relevante Ziele wie Gewässerqualität, Mobilität, nachhaltiger Konsum, Artenvielfalt und Wälder (Entwaldung vermeiden). Dabei ist zu berücksichtigen, dass sich die unbefriedigende Entwicklung der Unterziele auch auf andere Ziele negativ auswirkt. Die nationale Nachhal‐ tigkeitsstrategie Deutschlands wird in bestimmten Abständen aktualisiert bzw. es kommt zu einer Weiterentwicklung. Um diesen Prozess inhaltlich näher zu bestimmen, wird im Folgenden die Aktualisierung von 2018 und die Weiterentwicklung 2021 kurz vorgestellt. 5.3 Die Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie - Neuauflage 2016 75 Aktualisierung der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie 2018 Im Jahr 2016 wurde die Aktualisierung für das Jahr 2018 schon angekün‐ digt und wurde am 7. November vom Bundeskabinett beschlossen. Die Fortschreibung 2018 konzentriert sich auf eine Bestandsaufnahme und weiterführende Empfehlungen. Zentrale politische Herausforderungen unserer Zeit Die folgenden Ausführungen bleiben auf einige wenige Akzente beschränkt. Die Umsetzung nachhaltiger Entwicklung soll auf internationaler Ebene gestärkt werden, da sich die Herausforderungen nur gemeinsam bewälti‐ gen lassen. Als zentrale Herausforderung in diesem Zusammenhang gilt der Klimawandel, der für Vertreibung und Migration mit verursachend ist. Daher sollen die Vereinbarungen des Parisabkommens gemeinsam umgesetzt werden. Ein weiterer Schwerpunkt richtete sich darauf, dass Wachstum „nachhaltig ausgestattet“ wird. Es blieb jedoch bei dem Indikator Bruttoinlandsprodukt. Weiterhin geht es um die begrenzten Ressourcen und die Forderung „leave no one behind“. Zu den globalen Indikatoren wird festgestellt: „Die vorliegenden Zahlen zeigen, dass die Weltgemeinschaft trotz einiger posi‐ tiver Trends in vielen Bereichen deutlich hinter den Erwartungen und selbst gesteckten Ansprüchen zurückliegt.“ (Bundesregierung 2018, S.-11). Weiterhin hat sich die Bundesregierung zum Ziel gesetzt in Europa einen neuen Aufbruch zu initiieren. Als nationale Herausforderung soll der soziale Zusammenhalt gestärkt werden. Dabei geht es um die Förderung und Umsetzung von Zielen für die „am weitesten zurück gelassenen Bevölke‐ rungsgruppen“. Die Bundesregierung hat sich in diesem Zusammenhang sechs Prinzipien nachhaltiger Entwicklung vorgegeben. Dabei handelt es sich um folgende Prinzipien (Die Bundesregierung 2018, S.-46): 1. Nachhaltige Entwicklung als Leitprinzip konsequent in allen Bereichen und bei allen Entscheidungen anzuwenden; 1. Globale Verantwortung wahrnehmen; 2. Natürliche Lebensgrundlagen erhalten; 3. Nachhaltiges Wirtschaften stärken; 4. Sozialen Zusammenhalt in einer offenen Gesellschaft wahren und ver‐ bessern; 76 5 Die Entwicklung der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie 5. Bildung, Wissenschaft und Innovationen als Treiber einer nachhaltigen Entwicklung nutzen. Im letzten Abschnitt der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie - Aktualisie‐ rung 2018 wird festgestellt, dass eine fundamentale Transformation benötigt werde, die in Deutschland noch nicht erreicht wurde. Das gilt besonders für ein nachhaltiges Produzieren und Konsumieren. Im Sinne einer regelmäßi‐ gen Anpassung wurde bereits für 2020 die Weiterentwicklung der Strategie angekündigt die 2021 vor den Vereinten Nationen in New York vorgestellt werden sollte. Stand und Umsetzung der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie Die Bewertung der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie fand im Rahmen eines Internationalen Peer Review Prozesses statt. Mit dem Vorsitz der Peer Review Gruppe wurden die ehemalige Premierministerin von Neusee‐ land und die Leiterin des Entwicklungsprogramms der Vereinten Nationen Helen Clark beauftragt, die einen Peer Review Report ausarbeiteten. Die Gruppe kam zu der Erkenntnis: Deutschland ist für eine ambitionierte Umsetzung grundsätzlich gut aufgestellt. Es kam zu Empfehlungen in 11 Themenfeldern mit 66 Unterpunkten die exemplarisch aufgezeigt werden sollen. Insgesamt wird eine Stärkung der Umsetzung der bestehenden Stra‐ tegie, eine Erhöhung des Ambitionsniveaus und eine Weiterentwicklung einiger wichtiger politischer Handlungsfelder empfohlen. Inhaltlich werden besonders der Klimawandel, Biodiversitätsverlust und die Nitratbelastung genannt. Es wird auch ein stärkerer Handlungsbedarf für jene Ziele betont, die bisher verfehlt wurden, d. h. die Ziele, die in die falsche Richtung gehen. Die Expertengruppe weist Deutschland hinsichtlich einer erfolgreichen Umsetzung der Agenda 2030 eine besondere Verantwortung zu („wenn nicht Deutschland, wer dann“) und empfiehlt noch ambitioniertere Ziele vorzugeben: „Dies betrifft u. a. die Bereiche Bodendegradation, Umstellungen in der Landwirt‐ schaft, nachhaltiges Produktions- und Konsumverhalten sowie den beschleunig‐ ten Ausstieg aus der fossilen Energieerzeugung.“ (Bundesregierung 2018, S.-20) Eine wichtige Erweiterung der Indikatoren zielt auf das SDG 1 ab, was damit zu begründen ist, dass weltweit etwa 821 Millionen Menschen hungern und 2 Milliarden Menschen unter Mangelernährung und Armut leiden. Dies 5.3 Die Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie - Neuauflage 2016 77 beeinträchtigt auch Ziele wie Gesundheit und Bildung. Daher sollte der Anteil der ausgezahlten Mittel im globalen Süden für Ernährungssicherung bis 2030 angemessen steigen. Die Daten für den Indikator wurden erhoben indem alle Projekt- und Programmdokumente im Bereich Ernährungssiche‐ rung einzeln geprüft werden (zur Vertiefung vgl. v. Hauff 2021, S.-213 ff). Im Rahmen der Aktualisierung 2018 kam es durch die nachhaltige Be‐ schaffung zu einem neuen Indikator. Danach sollte der Verbrauch von Papier mit dem Siegel des Blauen Engels erfasst werden. Eine weitere Ergänzung zielt darauf ab, die CO 2 Emissionen von Kraftfahrzeugen der öffentlichen Hand zu messen und einen Zielwert von 110 g CO 2 pro km zu erreichen (Bun‐ desregierung 2018, S. 46). Die Peer Group kam weiter zu der Empfehlung, dass die Umstellung von Verbrauchs- und Produktionsmustern beschleunigt auf eine Kreislaufwirtschaft ausgerichtet werden sollen. Die Umsetzung könnte im Rahmen von SDG 8 erfolgen, indem für die unterschiedlichen Sektoren Recyclingquoten vorgegeben werden. Als verbesserungswürdig wurde auch der Indikator „Internationale Kli‐ mafinanzierung“ erachtet. Es wurde festgestellt, dass ein rein monetäres Engagement in Entwicklungsländern nicht ausreicht, ohne die Wirksamkeit festzustellen. Bei dem SDG 14 „Ozeane, Meere und Meeresressourcen“ geht es um Nährstoffeinträge in Küsten und Meeresgewässern. Dabei wurden nur jene Flüsse berücksichtigt, die von Deutschland direkt in ein Meer einmünden. Somit wurden Rhein und Donau nicht berücksichtigt. Es wird auch kritisch angemerkt, dass im Rahmen von SDG 15 „Landökosysteme schützen, Wälder nachhaltig bewirtschaften, Wüstenbildung bekämpfen, Biodiversitätsverlust stoppen“ als Indikator für Biodiversität 51 Vogelarten ausgewählt wurden. Für die Reduzierung von Biodiversität auf Vogelarten und die Auswahl der Vogelarten gibt es jedoch keine Begründung. Selbst unter Berücksichtigung der vielfältigen Anregungen durch die Peer Group kann festgestellt werden, dass die Neuauflage der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie breiter und differenzierter angelegt ist als jene von 2002. Einige Ziele sollten jedoch noch durch weitere Indikatoren ausdiffe‐ renziert werden, um die Vielfalt von Problemen besser zu verdeutlichen. Da die Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie jedoch auch in die Agenda 2030 eingebunden ist, hat sie die gleiche Grundstruktur wie die nationalen Nachhaltigkeitsstrategien der anderen UN-Mitgliedsstaaten. Das trägt nicht nur zu einem globalen Grundverständnis zu nachhaltiger Entwicklung bei, sondern ermöglicht auch eine bessere Kooperation mit anderen Ländern, besonders mit Entwicklungsländern. Hierzu gibt es bereits eine Reihe von 78 5 Die Entwicklung der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie Kooperationen. Unbefriedigend ist jedoch weiterhin die mangelnde Politik‐ kohärenz die teilweise durch politische Kompromissfindungen aber auch durch Pfadabhängigkeiten (kein Tempolimit auf Autobahnen) zu begründen ist. So stellt der Rat für Nachhaltige Entwicklung fest, dass die Strategie „oft den einfachsten Weg des geringsten Widerstandes geht.“ (Rat für Nachhaltige Entwicklung 2016, S.-1). Schließlich ist noch darauf hinzuweisen, dass es auch Defizite gibt, die in der Agenda 2030 angelegt sind und sich in der Deutschen Nachhaltigkeits‐ strategie fortsetzen. So sollte dem Finanzsektor im Transformationsprozess nachhaltiger Entwicklung eine herausragende Bedeutung zukommen. Der langjährige Generalsekretär des Rates für Nachhaltige Entwicklung Bach‐ mann stellt hierzu fest: „Nachhaltige Finanzwirtschaft, Green Finance, muss einen wesentlichen Beitrag zur Transformation hin zu einer nachhaltigen Gesellschaft leisten.“ (Bachmann 2017, S.-48 ff.). Bisher sind Finanzwirtschaft und Nachhaltigkeit noch weitgehend ein Ant‐ agonismus: Gegenwärtig verfolgen nur einzelne Institute des Finanzsektors das Thema Nachhaltigkeit. Dabei handelt es sich um eine kleine Nische des Finanzmarktes, in dem die wenigen Finanzinstitute jedoch sehr erfolgreich tätig sind. Seit 2015 begann jedoch ein gewisser Wandel. Sustainable Finance könnte das „New Normal“ werden, wie das Umweltbundesamt feststellte. So fordert das Abkommen von Paris, dass die „Finanzmittelflüsse in Einklang gebracht werden mit einem Weg hin zu einer hinsichtlich der Treibhausgase emissionsarmen und gegenüber Klimaänderun‐ gen widerstandsfähigen Entwicklung.“ In der Gesamtheit ist der Finanzsektor aber bisher eher ein Teil des Nachhal‐ tigkeitsproblems bzw. trägt kaum zu einer Förderung des Transformations‐ prozesses zu mehr Nachhaltigkeit bei. So fand eine bewusste Mobilisierung von Kapital für transformative Aktivitäten bzw. Investitionen bisher kaum statt. Hierzu kann festgestellt werden, dass sich der Finanzsektor vom produzierenden Sektor insofern unterscheidet, als die Auswirkungen durch den direkten Geschäftsbetrieb auf die Nachhaltigkeit vergleichsweise gering sind. Die indirekten Wirkungen können jedoch durch die Finanzierung von wirtschaftlichen Projekten in hohem Maße nachhaltigkeitsrelevant sein, wenn sich daraus negative ökologische Belastungen oder auch Menschen‐ rechtsverletzungen ergeben. Die Vernichtung von Regenwäldern ist hierfür 5.3 Die Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie - Neuauflage 2016 79 ein besonders relevantes Problem, indem es zu massiven ökologischen Folgewirkungen und Menschenrechtsverletzungen kommt. (v. Hauff 2023). Dem Finazsektor als zentralem Intermediär zwischen Kapital-Anbietern und Kapital-Nachfragern kommt eine zentrale Funktion für die wirtschaft‐ liche Entwicklung und ihrer Ausrichtung zu. Er bestimmt, welchen wirt‐ schaftlichen Aktivitäten Finanzkapital zur Verfügung gestellt werden. Betrachtet man den Transformationsprozess zu mehr nachhaltiger Entwick‐ lung, so zeigen Untersuchungen, dass hierfür enorme Summen zur Verfü‐ gung gestellt werden müssen, wobei konkrete Dimensionen nur schwer zu ermitteln sind. Die EU geht in ihrem Aktionsplan „Finanzierung nachhaltigen Wachstums“ aus dem Jahr 2018 zur Erreichung der Klima- und Energieziele bis 2030 von einem jährlichen Investitionsrückstau von etwa 180 Milliarden € aus. Die Kreditanstalt für Wiederaufbau hat in ihrem Beitrag „Green Finance zum Erreichen von Klimaneutralität in Deutschland“ für Treibhausgasneutralität bis 2045 einen Betrag von 5 Billionen € berechnet (Umweltbundesamt 2024). Bei diesem Betrag sollten jedoch nur die jährlichen Mehr- und Ersatzinvestitionen berücksichtigt werden. „Diese hohen Zahlen relativieren sich (aber), wenn lediglich die jährlichen Mehr- und Ersatzinvestitionen betrachtet werden. Ersatzinvestitionen, die für den turnusmäßigen Ersatz bzw. die Instandhaltung bereits bestehender Infrastruktur, Anlagen und Gebäude ohnehin aufgewendet werden müssten, nun aber gezielt unter Nachhaltigkeitskriterien getätigt werden sollten, machen den Großteil aus. Tatsächliche Neuinvestitionen belaufen sich laut Kf W auf 72 Milliarden € pro Jahr.“ (Umweltbundesamt 2024). Betrachtet man auf diesem Hintergrund die Maßnahmen des Zukunftspa‐ kets, lassen sie sich im Rahmen folgender Kategorien zusammenfassen, wobei die Finanzierung über den Finanzsektor keine Erwähnung findet: 1. Mobilitätswende fördern, 2. Energiewende und Erreichung der Klimaziele, 3. Investitionen in Digitalisierung, 4. Förderung von Bildung/ Ausbildung und Forschung, 5. Gesundheitssystem stärken/ Schutz vor Pandemien. Weiterhin sollten Maßnahmen der Kategorie der intragenerationellen und intergenerationellen Gerechtigkeit hinzugefügt werden. Daraus leitet sich die Schlussfolgerung ab, dass die Vielzahl und Vielfalt der Empfehlungen 80 5 Die Entwicklung der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie für eine Erweiterung der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie nur in einem weiterführenden Prozess umgesetzt werden können. Betrachtet man die in‐ ternationale Ebene, so haben die Staats- und Regierungschefs im September 2019 auf dem SDG-Gipfel in New York festgestellt, dass die SDGs im Jahr 2030 nicht erreicht werden, wenn sich aktuelle Trends fortsetzen: „Klimawandel, Artensterben und steigender Ressourcenverbrauch stoßen ebenso offensichtlich an planetare Grenzen, wie Gerechtigkeitsfragen zwischen Genera‐ tionen und Regionen einer Lösung bedürfen.“ (Bundesregierung 2021, S.-5) Somit reicht das bisherige Handeln bei weitem nicht aus, um einen nach‐ haltigen Entwicklungspfad konsequent einzuschlagen und umzusetzen. Aus diesem Grund hat der Generalsekretär der Vereinten Nationen Antonio Gu‐ terres beim SDG-Gipfel das 2020er Jahrzehnt als Aktionsdekade ausgerufen: „Decade of Action and Delivery for Sustainable Development.“ 5.4 Die Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie - Weiterentwicklung 2021 Im Kontext der weltweit ausgerufenen „Decade of Action and Delivery for Sustainable Development” stellte die ehemalige Bundeskanzlerin Merkel im Vorwort der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie - Weiterentwicklung 2021 erneut fest: „Um die Ziele der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie und der Agenda 2030 zu erreichen, müssen wir den Weg einer wirklich anspruchsvollen Transformation gehen, der wichtige Bereiche wie Energie, Kreislaufwirtschaft, Wohnen, Verkehr, Ernährung und Landwirtschaft umfasst. In Deutschland wollen wir mit der Weiterentwicklung unserer Nachhaltigkeitsstrategie und insbesondere mit Bil‐ dung, Forschung und Innovationen den Transformationsprozess voranbringen.“ (Bundesregierung 2021, S.-1). Daraus begründet sich die zentrale Schlussfolgerung: „Das bisherige Handeln reicht bei weitem nicht aus, um einen nachhaltigen Entwicklungspfad einzu‐ schlagen.“ Die Weiterentwicklung 2021 wurde bereits im Jahr 2019 begonnen und endete 2021. Dabei ging es um die Frage, welche neuen Akzente in der Weiterentwicklung 2021 gesetzt werden sollen. Am 1. Oktober 2020 wurde der Entwurf der Weiterentwicklung veröffentlicht. Die Bundesregierung führte am 15. Oktober eine Anhörung mit einem großen Kreis von Akteuren 5.4 Die Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie - Weiterentwicklung 2021 81 durch. Bis Ende Oktober 2020 haben etwa 360 Institutionen, Verbände aber auch Einzelpersonen teilweise mit recht umfangreichen Hinweisen Stellung bezogen. Die Nachhaltigkeitsstrategie 2021 ist in drei Kapitel untergliedert. In Kapitel 1 geht es um die Dekade des Handelns. Dabei werden die grundle‐ genden Herausforderungen auf dem Weg zu einer nachhaltigen Entwick‐ lung auf nationaler und globaler Ebene aufgeführt. Im folgenden Kapitel werden die Institutionen, Strukturen und Zuständigkeiten erläutert. Das umfangreichste Kapitel 3 wendet sich der Frage zu, wie die SDGs erreicht werden sollen, indem für jedes Ziel die erforderlichen Maßnahmen für eine Umsetzung vorgestellt werden. Am Beginn der Weiterentwicklung wurde die Corona Pandemie als eine zentrale Herausforderung genannt, die dazu geführt hat, dass sich das Leben der Menschen global und auch in Deutschland massiv verändert hat. „Ihre Bekämpfung erfordert Einschränkungen für das öffentliche Leben, die Wirtschaft, jeder Einzelnen und jedes Einzelnen, die bis dahin undenkbar waren.“ (Bundesregierung 2021, S.-5). In diesem Kontext wird der Grundsatz der Agenda 2030 noch einmal betont: „leave no one behind.“ Die Veröffentlichung führte dazu, dass die 17 SDGs weiter ausdifferenziert bzw. erweitert wurden, indem die Strategie nun 75 Indikatoren (ursprünglich 63 Indikatoren) in 41 Bereichen enthält. Die 75 Indikatoren werden als Schlüsselindikatoren bezeichnet. Sie stehen exem‐ plarisch für wichtige Aktivitäten im Rahmen der nachhaltigen Entwicklung. Seit der Aktualisierung 2018 kamen folgende Indikatoren hinzu: ● Globale Pandemie-Prävention (Indikator 3.3), ● Frauen in Führungspositionen im öffentlichen Dienst des Bundes (Indi‐ kator 5.1.c), ● Väterbeteiligung beim Elterngeld (Indikator 5.1.d), ● Breitbandausbau (Indikator 9.1. b), ● Kulturerbe/ Zugang zum Kulturerbe verbessern (Indikator 11.4), ● weltweiter Bodenschutz (Indikator 15.3.b). Deutschland hat sich im Rahmen der DNS durch die Stärkung der globa‐ len Dimension aber auch durch die Aufnahme zusätzlicher Indikatoren positiv weiterentwickelt. Weiterhin ist positiv festzustellen, dass es zu einer Verbesserung der Indikatoren 7.2.a (Anteil erneuerbarer Energien am Brutto-Endenergieverbrauch), 8.2.c (Schuldenstand) und 11.1c (Siedlungs‐ 82 5 Die Entwicklung der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie dichte) kam. Dagegen ist bei einigen wenigen „On-Track-Indikatoren“ eine gegensätzliche Entwicklung festzustellen, indem sie sich zu Off-Track-Indi‐ katoren entwickelt haben. Das gilt für folgende Indikatoren: 12.1.bc (Globale Umweltinanspruchnahme durch den Konsum privater Haushalte) und 11.2.a (Endenergieverbrauch im Güterfernverkehr). Es bleibt jedoch die Frage, ob bei jenen die sich zum Besseren verändert haben, die Zielvorgaben ausreichend ambitioniert sind. Das gilt jedoch grundsätzlich auch bei anderen Zielen. So gibt es eine Reihe von kritischen Stellungnahmen, wonach Ziele nicht ausreichend ambitioniert sind. Weiter‐ hin wurde erneut Kritik an der mangelnden Kohärenz der Politik geübt, die einen konsistenten Transformationsprozess wesentlich beeinträchtigt. Es ist zu erwarten, dass diese Kritik auch in Zukunft wieder vorgetragen wird, da große Verbände als auch politische Parteien ihre Interessen durchsetzen (wollen), die im Sinne der Anforderungen an die nachhaltige Entwicklung immer zu second best Lösungen führen. Als wichtiger Akzent wurden im Rahmen des Dialogs Transformations‐ bereiche mit mehreren Zielen angeregt, wodurch die Wechselwirkungen analysiert werden können. Das ist ein wesentlicher Fortschritt, da sich dadurch einerseits Konflikte und andererseits Synergien feststellen lassen. Auf dieser Grundlage lassen sich ganzheitliche und konsistente Transfor‐ mationsbereiche konzipieren. Die Bundesregierung hält folgende Transfor‐ mationsbereiche für besonders relevant (Bundesregierung 2021, S.-11 ff): 1. Der Transformationsbereich Menschliches Wohlbefinden und Fähigkei‐ ten zur sozialen Gerechtigkeit verknüpft die SDGs 1, 3, 4, 5, 8, 9 und 10. 2. Der Transformationsbereich Energiewende und Klimaschutz (SDG 7 und 13) erfordert ausgehend vom Schutz des Klimas einen integrierten Ansatz. 3. Der Transformationsbereich Kreislaufwirtschaft (SDGs 8, 9, 12) trägt der Notwendigkeit Rechnung, das Wachstum vom Ressourcenverbrauch zu entkoppeln. Konsum und Produktion müssen innerhalb der planetaren Grenzen stattfinden. 4. Bei dem Transformationsbereich nachhaltiges Bauen und Verkehrs‐ wende werden der Bau- und Gebäudebereich und der Verkehrssektor zusammengeführt. Er bezieht sich auf die SDGs 7, 8, 9, 11, 12 und 13. 5. Für Fortschritte im Transformationsbereich nachhaltiger Agrar- und Ernährungssysteme (mit Bezügen zu den SDGs 2, 3, 12 und 15) bedarf es eines ganzheitlichen Blicks auf die Thematik. Der Begriff „Ernährungs‐ 5.4 Die Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie - Weiterentwicklung 2021 83 systeme“ beschreibt die komplexen Zusammenhänge und Interdepen‐ denzen zwischen Art und Weise der Produktion der Agrarrohstoffe, ihrer Verarbeitung, ihrem Transport sowie dem Konsum von und Um‐ gang mit Lebensmitteln. Die Bundesregierung unterstützt den auch von der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation (FAO) verfolgten integrativen Ansatz und arbeitet darauf hin, die Ernährungssysteme in Deutschland und in der EU im Sinne der SDGs weiterzuentwickeln. 6. Eine schadstofffreie Umwelt schafft die Grundlage für Gesundheit und Wohlergehen, sowohl physische als auch psychische Gesundheit. Dieser Transformationsbereich adressiert neben allen die Ökologie betreffen‐ den SDGs (6, 13, 14, 15) auch einige soziale Ziele (SDGs 3, 11) und wirkt sich unmittelbar auf ökonomische Ziele aus (insbesondere SDG 8). Die konkrete Ausgestaltung und Umsetzung der Transformationsbereiche sind ambitionierte Vorhaben, die noch ausstehen. Sie erfordern daher um‐ fangreiche Forschungsaktivitäten. Weiterhin kommt den Off-Track-Indika‐ toren besondere Beachtung zu bzw. sollte besondere Beachtung zukommen. 2018 gab es - wie schon erwähnt - insgesamt 28 Off-Track-Indikatoren. Die Liste begann mit dem Indikator 2.1.a Stickstoffüberschuss, betraf die Ganztagsbetreuung für Kinder (0-2-Jährige) und endete mit dem ebenfalls langfristigen Problem des Verlustes an Artenvielfalt und Landschaftsqualität 15.1. Dabei ist jedoch festzustellen, dass es bei einigen Off-Track-Indikatoren zu positiven Entwicklungen gekommen ist. So können die Indikatoren 3.2.a (Emissionen Luftschadstoffe), 7.2.a (Anteil erneuerbarer Energien am Brutto-Endenergieverbrauch), 8.2.c (Schuldenstand) und 11.1.c (Siedlungs‐ dichte) nun als On-Track-Indikatoren eingestuft werden. Entgegengesetzt müssen nun die On-Track-Indikatoren 12.1.bc (Globale Umweltinanspruch‐ nahme durch den Konsum privater Haushalte) und 11.2.a (Endenergiever‐ brauch im Güterverkehr) bei den Off-Track-Indikatoren eingestuft werden. Es ist aber festzustellen, dass die Corona-Pandemie noch weitere Auswir‐ kungen auf die Indikatoren haben kann, die erst mit einer Verzögerung von bis zu 2 Jahren eintreten können (Die Bundesregierung 2021, S.-97). 84 5 Die Entwicklung der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie 6 Die Bewertung der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie Die Bewertung der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie bezieht exempla‐ risch Anregungen bzw. Aufforderungen, die in Publikationen und Stellung‐ nahmen von Expertinnen und Experten vorgebracht wurden, mit ein. Dabei geht es um die Frage, was bisher erreicht bzw. noch nicht erreicht wurde. Allgemein lässt sich feststellen: es gibt noch große Potenziale die Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie ambitionierter und konsistenter weiter‐ zuentwickeln, um damit die Menschheit belastende Konfliktfeder wie den Klimawandel, den Verlust an Biodiversität, den zunehmenden Mangel an Wasser bzw. die Trockenheit in vielen Regionen zu verringern. Anders formuliert: Deutschland befindet sich nicht auf dem Pfad alle SDGs bis 2030 zu erreichen. Bisher liegt das Verhältnis von Off-Track Indikatoren zu On-Track Indikatoren bei 28 (negativer Entwicklungsstatus) zu 32 (positiver Entwicklungsstatus). Dabei bleibt die Frage, wie ambitioniert die einzelnen Ziele ausgerichtet sind, unberücksichtigt. Eine besondere Priorität sollte die Erfüllung der Ziele der Off-Track-Indikatoren haben. Das soll am Beispiel des SDG 2 exemplarisch verdeutlicht werden um das methodische Vorgehen bei der Beurteilung von unbewältigten Problembereichen der Agenda 2030 aufzuzeigen. SDG 2 „Hunger beenden, Er‐ nährungssicherheit und eine bessere Ernährung erreichen und eine nachhaltige Landwirtschaft fördern“: Nach FIAN sind in Deutschland schätzungsweise drei Millionen Menschen (3,5 Prozent der Bevölkerung) von Ernährungsar‐ mut betroffen (FIAN 2024). Die Covid Pandemie, steigende Energiekosten und steigende Nahrungsmittelpreise, die zu einer steigenden Inflation bei‐ trugen, haben zu einer Verschärfung des Problems geführt. Somit sind in Deutschland immer mehr Menschen davon betroffen, dass sie sich nicht angemessen ernähren können. Ein Indikator ist der wachsende Zulauf von Menschen, die zu einer Tafel kommen, um dort Lebensmittel zu erhalten. In einer vielbeachteten Studie des Forschungsinstituts für Kinderernäh‐ rung/ Dortmund wurde bereits 2007 nachgewiesen, dass die Sozialleistun‐ gen für Kinder bei einkommensschwachen Familien für eine gesunde Ernäh‐ rung nicht ausreichen (Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestag 2022). Diese Situation hat sich nicht geändert. Betrachtet man die globale Situation, so leiden, wie schon erwähnt, bis zu 828 Millionen Menschen unter chronischem Hunger. 2 Milliarden Menschen haben Nährstoffdefizite, obwohl Hunger und Mangelernährung bis 2035 überwunden werden sollen. Weiterhin ist im Sinne von Nachhaltigkeitsbereichen festzustellen, dass sich Ernährungsarmut auf andere SDGs negativ auswirkt. Besonders sind Gesundheit, Bildung, Leistungsfähigkeit und dadurch auch die Verschärfung von Armut zu nennen. 6.1 Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie 2021 Die folgenden Ausführungen wenden sich der Frage zu: wo stehen wir heute. Die Bundesregierung hat sich dem Thema Nachhaltigkeit im Rahmen der SDGs in den vergangenen Jahren verstärkt zugewandt. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass sich die Corona-Pandemie und weitere Krisen wie der Krieg in der Ukraine auf die Dynamik der Umsetzung hemmend ausgewirkt haben. Wie schon erwähnt sind die Folgen der Krisen in vollem Maße nur bedingt absehbar. Die folgenden Ausführungen einer Bestandsanalyse beschränken sich auf einige exemplarische SDGs bzw. Indikatoren. Dabei ist zu berücksichtigen, dass in dem Zeitraum von 2016 bis 2021 nur vergleichs‐ weise geringe Änderungen vorgenommen wurden. Im Zentrum der Kritik steht die unzureichende globale Ausrichtung und die noch erforderlichen wirtschaftlichen Reformen. Die globale Ausrichtung der deutschen Nachhaltigkeitsstrategie hat einerseits an Bedeutung gewon‐ nen. Andererseits werden die bisherigen Bestrebungen als nicht ausreichend bewertet wie an dem Ziel der „Armut in allen Formen überall beenden“ deutlich gemacht werden kann. Die Zielvorgabe ist, dass bis zum Jahr 2030 die extreme Armut, d. h. der Anteil der Menschen die mit weniger als 1,25 US-Dollar täglich leben müssen, überall und vollständig beseitigt wird. Aus diesem Grund sollen Sicherungssysteme und andere Maßnahmen eingeführt werden, die Armut vermeiden bzw. der Armut präventiv entge‐ genwirken (UN 2015, S.-15). Aber auch Deutschland hat, wie schon erwähnt, ein Armutsproblem. In der Nachhaltigkeitsstrategie werden jedoch nur die materielle Deprivation und die erhebliche materielle Deprivation berücksichtigt. Daher beklagt der Europarat in seinem Bericht von 2023, dass in Deutschland ein zu hohes Maß an Armut und sozialer Benachteiligung vorherrscht. Der Europarat fordert Deutschland somit auf bei der Bekämpfung von Armut, Wohnungsnot und Ausgrenzung behinderter Menschen deutlich mehr zu tun. Das hohe 86 6 Die Bewertung der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie Maß an Armut und sozialer Benachteiligung stehe in keinem Verhältnis zum Reichtum des Landes. Davon sind besonders Kinder und Senioren betroffen. Auffällig bei dem SDG 1 ist, dass besonders Formen wie Kinder- und Altersarmut nicht genannt werden, wodurch Armut relativ „anonym“ bleibt. Kinderarmut betrifft in Deutschland 2 Millionen Minderjährige. 2021 befanden sich 19,6 Millionen Rentnerinnen und Rentner unter der Armutsgrenze. Nach dem Statistischen Bundesamt waren 2022 etwa 17,3 Millionen bzw. 20,9 Prozent der Menschen von Armut oder sozialer Ausgrenzung betroffen. Nach der Definition der Europäischen Union sind von Armut oder sozialer Ausgrenzung jene Menschen betroffen, für die folgende drei Bedingungen zutreffen: ihr Einkommen liegt unter der Armutsgefährdungsgrenze, ihr Haushalt ist von erheblicher materieller und sozialer Entbehrung betroffen oder sie leben in einem Haushalt mit sehr geringer Erwerbsbeteiligung. Auch die Armutsgefährdungsquote ist hoch und betrug 2022 14,7 Prozent bzw. 12,2 Millionen Menschen (Statistisches Bundesamt 2023). Auf der Grundlage weiterer Indikatoren wie dem Gini-Koeffizienten als Maßstab für Ungleichverteilung lässt sich feststellen, dass bei steigendem Armutsniveau und steigenden Einkommensdisparitäten ein großer Bedarf an Maßnahmen und Aktivitäten für einen Transformationsprozess zu einer nachhaltigen Wirtschaft besteht. In diesem Zusammenhang ist der Hinweis der Bundesregierung, dass hochwertige Bildung einen wichtigen Beitrag zur Armutsbekämpfung leisten kann, unzureichend. Auch der Hinweis, dass die Zielvorgabe für Armut „unter dem EU-28-Wert“ liegen soll, zu wenig ambitioniert ist, da dies bereits vor der Veröffentlichung der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie von 2016 als auch von 2021 erreicht wurde (v. Hauff 2021, S.-216). Analysieret man das Ziel 4 „Inklusive, gleichberechtigte und hochwertige Bildung gewährleisten und Möglichkeiten lebenslangen Lernens für alle för‐ dern“ korreliert es u.-a. mit dem SDG 1 der Armut. Dabei geht es vorrangig um die Anzahl der Menschen mit oder ohne Bildungsabschluss. Der Indika‐ tor ist auf die Zahl der „30-34“ Jährigen mit tertiärem oder postsekundärem nicht-tertiärem Abschluss“ ausgerichtet. Es geht also um die Quantifizie‐ rung erfolgreicher Schulabgänger. Die Festlegung von Bildungsinhalten und die Bildungsqualität wurde bisher vernachlässigt. Das wurde bereits in der Nachhaltigkeitsstrategie 2016 vernachlässigt (Stoltenberg, Fischer 2017, S. 133 ff). Dagegen wird die Relevanz des UNESCO Weltaktionsprogramms 6.1 Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie 2021 87 „Bildung für nachhaltige Entwicklung“ in der Nachhaltigkeitsstrategie 2021 zumindest erkannt und thematisiert. Es wird festgestellt: „Die notwendigen Qualifikationen und Handlungskompetenzen sind im Sinne einer Bildung für nachhaltige Entwicklung im gesamten Bildungssystem zu verankern. Die Möglichkeiten zur Teilhabe an qualitativ hochwertiger Bildung und zum Erwerb von Handlungskompetenzen für nachhaltige Entwicklung sind unabhängig von Herkunft, Geschlecht und Alter weiter zu verbessern.“ (Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie---Weiterentwicklung 2021, S.-92). Sowohl die Berücksichtigung der Bildungsqualität in der nationalen Nach‐ haltigkeitsstrategie als auch die Umsetzung der Forderung nach Bildung für nachhaltige Entwicklung lässt sich bisher nicht in befriedigendem Maße bestätigen. Die ausreichende „Verfügbarkeit von Wasser und eine nachhaltige Bewirt‐ schaftung von Wasser und Sanitätsversorgung für alle“ gewährleisten ist die Forderung des SDG 6. Die wesentlichen Indikatoren sind der Phosphorein‐ trag in Fließgewässern und der Nitratanteil im Grundwasser die sich für Deutschland als großes Problem erweisen. So wird festgestellt, dass belastete Gewässer aquatische Ökosysteme und die Biodiversität beeinträchtigen (Nachhaltigkeitsstrategie 2021, S. 199). Aber auch die Belastung durch Schwermetalle und Pflanzenschutzmittel ist problematisch. So wird in 6.3 betont, dass bei der Gewässerbzw. Wasserqualität Verbesserungsbedarf besteht. Weiterhin ist kritisch zu hinterfragt, warum nur die beiden Indikatoren aufgenommen wurden. Es ist erneut zu fordern, dass die zunehmende Verunreinigung des Grundwassers durch Pharmazeutika und Produkte der Köperpflege zu berücksichtigen sind, wie das bereits im Rahmen der Weiterentwicklung 2018 erfolgte (wissenschaftsplattform_nachhaltigkeit 2030, 2019, S. 22). Es sollte auch für das vieldiskutierte und hoch relevante Problem von Mikroplastik ein Indikator aufgenommen werden. Positiv anzumerken ist, dass in der Nachhaltigkeitsstrategie 2021 das SDG 6 eine breite Zuwendung erfahren hat und dabei auch die Beziehung zu anderen Zielen bzw. die Belastung anderer Ziele durch die Wasserverunreinigung aufgezeigt wird. Die Relevanz der dauerhaften Versorgung mit Wasser wird auch im Kontext der Auswirkungen des Klimawandels gesehen, da zu erwarten ist, dass sich die saisonale und/ oder regionale Wasserknappheit verschärft. Das betrifft auch die Grundwasserstände. 88 6 Die Bewertung der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie Die globale Bedeutung der sicheren Trinkwasser- und Grundsanitätsver‐ sorgung ist für Deutschland aus verschiedener Perspektive von Relevanz. So ist Deutschland auch aus der eigenen Nachhaltigkeitsstrategie dafür mitverantwortlich. Das wurde bereits in dem Millenniumsentwicklungsziel 7 der Vereinten Nationen aufgeführt. Dennoch haben 2,2 Milliarden Men‐ schen keinen Zugang zu „einwandfreiem und bezahlbarem Wasser“ und 4,2 Milliarden Menschen haben keinen Zugang zu einer angemessenen Sanitärversorgung. So mangelt es besonders an einer ausreichenden Abwas‐ serbehandlung. Diese Situation hat weitreichende Folgen auf andere SDGs wie Armut, mangelhafte Ernährung, Krankheit und auch Migration (Nach‐ haltigkeitsstrategie 2021, S. 1981). Schließlich leben über zwei Milliarden Menschen mit steigender Tendenz in Ländern mit Wasserstress. „Dauerhaftes, breitenwirksames und nachhaltiges Wirtschaftswachstum, produktive Vollbeschäftigung und menschenwürdige Arbeit für alle för‐ dern“ ist das ambitionierte Ziel von SDG 8. Es enthält neun Indikatoren aus sechs verschiedenen Zielbereichen. Das Ziel hat entsprechend seiner Aus‐ richtung einen ökonomischen Schwerpunkt. Wesentliche Indikatoren sind das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf und die Erwerbstätigenquote. Kritisch anzumerken ist, dass die Forderung eines stetigen und angemessenen Wirt‐ schaftswachstums sehr vage formuliert ist. Ein wesentlicher Kritikpunkt richtet sich jedoch auf den Indikator Bruttoinlandsprodukt pro Kopf. Es besteht - wie schon erwähnt - international ein breiter Konsens, dass dieser Indikator im Kontext nachhaltiger Entwicklung völlig unzureichend ist. Der Indikator ist ausschließlich auf das Wachstum der Wirtschaft ausgerichtet und vernachlässigt die ökologische und soziale Dimension. Daher forderten Pearce und Atkinson ein neues Paradigma ein: From Wealth to Welfare. Begriffe wie nachhaltiges, qualitatives oder inklusives Wachstum sind auf der Grundlage des Bruttoinlandsproduktes ein Antagonismus, der auch in der Nachhaltigkeitsstrategie 2021 fortbesteht. Die Bundesregierung erkennt das Problem, handelt jedoch bisher nicht konsequent (mangelnde Politikko‐ härenz): „Das BIP ist nicht dafür konzipiert, die Gesamtheit aller gesellschaftlichen Aspekte der Wohlfahrtsmessung abzubilden. Um darüber hinaus auch diese zu erfassen, bedarf es weiterer Kennzahlen, die speziell für diese Zwecke konstruiert sind. Hierzu zählen unter anderem die Umweltökonomische Gesamtrechnung, die die Wechselbeziehungen zwischen Wirtschaft und Umwelt darstellen. Zudem unterstützen differenzierte Indikatoren zur Nachhaltigkeit - wie die Indikatoren 6.1 Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie 2021 89 zur Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie - eine moderne, auf nachhaltige Ent‐ wicklung ausgerichtete Wirtschaftspolitik, mit dem Ziel, auch die ökologischen und sozialen Aspekte besser antizipieren zu können. Die Bundesregierung setzt sich deshalb dafür ein, dass die Indikatoren zur Messung der Ziele auf nationaler, europäischer und internationaler Ebene möglichst kohärent weiterentwickelt und wenn möglich aufeinander abgestimmt werden. Sie beteiligt sich zudem intensiv an den entsprechenden Debatten der Wirtschaft auf nationaler und internationaler Ebene.“ (Bundesregierung 2021, S.-221 f). Das von der Bundesregierung in ähnlicher Form schon mehrfach vorgetra‐ gene Vorhaben bedarf noch einer konsequenten Umsetzung. So hat „The International Panal on Climate Change (IPCC)“ in seinen Gutachten immer wieder festgestellt, dass wirtschaftliches Wachstum zu Umweltbelastungen führt (Vgl. u. a. IPCC 2023). Es wurde auch wissenschaftlich mehrfach belegt, dass langfristiges Wirtschaftswachstum im Widerspruch zur ökologischen Nachhaltigkeit steht (vgl. u. a. Haberl et al. 2020; Wiedenhofer et al. 2020). Daher ist das SDG 8 das am stärksten kritisierte Nachhaltigkeitsziel. Kreinin und Aigner stellen dazu fest, dass das BIP im Sinne der starken Nachhal‐ tigkeit die sozialen Anforderungen und die biophysikalischen Grenzen ver‐ nachlässigt und damit die Möglichkeit der Gesellschaft, die anderen SDGs zu realisieren und „katastrophale Umweltkrisen“ zu vermeiden, hemmt bzw. verhindert: „SDG 8 currently forms a part of a discourse of climate delay, as the inclusion of economic growth and the focus on increasing employment both lead to unsustainable and unjust outcomes. Currently, only sub-goal 8.4 (with the focus on resource use), 8.7 and 8.8 (with their foci on the decency of work) are adequate in meeting the overall aims of the SDGs and Agenda 2030 - ending poverty, providing wellbeing and protecting the planet.” (Kreinin, Aigner 2022, S.-281). Aber auch der Rohstoffverbrauch und besonders der Primärrohstoffver‐ brauch sollten deutlicher als bisher ermittelt und absolut reduziert werden. Berücksichtigt man weiterhin die häufig verheerenden ökologischen und sozialen Folgen des Rohstoffabbaus in den rohstoffreichen Entwicklungs‐ ländern, wäre es angemessen einen Indikator für die Rohstoffgewinnung aufzunehmen. Hierfür würde sich der Environmental Performance Index (EPI) und der World Governance Index (WGI) eignen (European Commission 2017). Zur Entschärfung des Konfliktes Wirtschaftswachstum und Umweltbelas‐ tung wurde mehrfach angeregt, den Verlauf des Bruttoinlandsprodukts und 90 6 Die Bewertung der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie 3 Der Nationale Wohlfahrtsindex berücksichtigt insgesamt 21 wohlfahrtsstiftende und wohlfahrtsmindernde Aktivitäten. des Nationalen Wohlfahrtsindex zu vergleichen (Stiglitz et al. 2009). Dabei lässt sich feststellen, dass Wohlstand (BIP) und Wohlfahrt im Sinne des Nationalen Wohlfahrtsindex (NWI) über die Jahre immer weiter auseinander gingen (Diefenbacher et al. 2016). Daraus lassen sich Schlussfolgerungen ableiten, welche Maßnahmen erforderlich sind, um die Wohlfahrt zu erhö‐ hen. 3 Dem Ziel (SDG 12) nachhaltiger Konsum- und Produktionsmuster misst die Bundesregierung eine große Bedeutung bei. Sie stellt hierzu fest: „SDG 12 zielt auf die notwendige Veränderung unserer Lebensstile und unserer Wirtschaftsweise. Nachhaltiger Konsum und nachhaltige Produktion verlangen heute so zu konsumieren und zu produzieren, dass die Befriedigung der berechtig‐ ten Bedürfnisse der derzeitigen und der zukünftigen Generationen unter Beach‐ tung der Belastbarkeitsgrenzen der Erde und der universellen Menschenrechte sowie der anderen Nachhaltigkeitsziele nicht gefährdet wird.“ (Bundesregierung 2021, S.-200). Aus globaler Perspektive kommt den Industrieländern eine große Bedeu‐ tung für die weltweite Entwicklung nachhaltiger Konsum- und Produkti‐ onsmuster und für die Steigerung der Ressourceneffizienz zu. Sie bestimmen im Rahmen globaler Wertschöpfungs- und Lieferketten maßgeblich die Produktionsmethoden auch in Schwellen- und Entwicklungsländern. Eine zentrale Herausforderung ist, dass das globale Konsumverhalten bisher die planetaren Grenzen nur unzureichend berücksichtigen. Das gilt auch für die Produktion, indem bei der Vermeidung und Verminderung von Schad‐ stoffeinträgen und von Treibhausgasemissionen sowie der Vermeidung der Zerstörung von Ökosystemen noch ein großes Potenzial besteht. Betrachtet man die Ressourceneffizienz, so ist festzustellen, dass bisher 20 Prozent der Weltbevölkerung 80 Prozent der weltweit verfügbaren Rohstoffe verbrau‐ chen. Dabei gilt zu berücksichtigen, dass die natürlichen Ressourcen die Grundlage für das Leben und Wohlergehen auch zukünftiger Generationen sind. Daher wird gefordert, dass Deutschland weltweit Vorreiter einer Cir‐ cular Economy wird, um den Verbrauch an Primärressourcen zu verringern (v. Hauff 2024, S. 80 ff). Aus diesem Grund empfiehlt die internationale Peer Group Recyclingquoten einzuführen. 6.1 Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie 2021 91 Analysiert man das SDG 12, so fällt auf, dass von den vier Zielen nur ein Ziel quantifiziert wurde. Dabei geht es in 12.1 um den Marktanteil von Produkten mit staatlichem Umweltzeichen. Hierbei ist jedoch zu berücksich‐ tigen, dass nachhaltiger Konsum auf die endgültige Nutzung dieser Produkte abzielt, wofür jedoch keine Zielsetzung vorgegeben wird. Positiv zu werten ist, dass der mit dem Konsum verbundene Rohstoffeinsatz durch einen Indikator bemessen wird. Das Ziel sollte jedoch quantifizierte Informationen bieten die präziser und überprüfbarer gestaltet werden (Liedke 2021, S.-4). Eine große Bedeutung kommt dem Unterziel 12.1.b „Globale Umweltin‐ anspruchnahme durch den Konsum privater Haushalte“ zu. Dabei geht es um den globalen Ressourcenverbrauch, der sich auch auf importierte Güter erstreckt. Weitere Indikatoren bei der Umweltinanspruchnahme sind der in- und ausländische Energieverbrauch und der Ausstoß von Kohlendioxyd (CO 2 ). Das Ziel ist, die Umweltinanspruchnahme in allen drei Bereichen kontinuierlich zu reduzieren. Es wird jedoch weder ein konkreter Zeitrah‐ men noch ein Zielwert vorgegeben. Weiterhin wurde schon im Kontext der Nachhaltigkeitsstrategie 2016 gefordert, dass neben dem Energieverbrauch ein Bezug zu den Zielen SDG 8 (Ressourcenverbrauch) und SDG 13 (Klima‐ schutz) hergestellt wird (NABU 2017, S.-17). Die Bundesregierung misst der Bekämpfung des Klimawandels und seinen Auswirkungen in der Nachhaltigkeitsstrategie 2021 eine große Be‐ deutung bei: „Der Klimawandel und seine Folgen zählen zu den größten globalen Herausfor‐ derungen des 21. Jahrhunderts. Das Ziel 13 folgt aus einer ökologischen Belas‐ tungsgrenze, deren Einhaltung zu den wichtigsten Aufgaben für das Überleben der Menschheit in der bisherigen Form gehört. In Deutschland sind die Klimaver‐ änderungen bereits heute nachweisbar… Rasche und ambitionierte Maßnahmen zur Minderung klimaschädlicher Emissionen sowie zur Anpassung an die Folgen des Klimawandels sind für eine weltweite nachhaltige Entwicklung unerlässlich und internationale Kooperationen unverzichtbar.“ (Bundesregierung 2021, S. 305) Die Relevanz und Dringlichkeit des Ziels sind auch global unbestritten. So stellte der IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change) in seinem 2018 veröffentlichten Sonderbericht fest, dass nach den aktuellen Klima‐ schutzplänen der Staaten ein globaler Temperaturanstieg, um durchschnitt‐ lich 3o C zum Ende des 21. Jahrhunderts zu erwarten ist, der sich danach wahrscheinlich fortsetzt. Wie es zu dem Klimawandel bzw. der Klimakrise gekommen ist, wird von Mann in seinem eindrucksvollen Buch „Moment 92 6 Die Bewertung der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie der Entscheidung - Wie wir mit Lehren aus der Erdgeschichte die Klimakrise überleben können“ beschrieben (2023). Das SDG 13 zeichnet sich durch zwei Indikatoren aus. Die Treibhausgasemissionen sollen in drei Stufen gesenkt werden: Minderung um mindestens 40 Prozent bis 2020, um mindestens 55 Prozent bis 2030, um mindestens 70 Prozent bis 2040 und um mindestens 90 Prozent bis 2050 jeweils gegenüber 1990. Hier wäre eine Differenzierung nach Verursachern hilfreich, um Maßnahmen verursachergerecht ausrich‐ ten zu können. Zu nennen sind die globale Forstwirtschaft bzw. Vernichtung von Wäldern, der Flug- und Autoverkehr, die Schifffahrt und - wie schon erwähnt - die Digitalisierung (Umweltbundesamt 2019). Bei dem zweiten Indikator geht es um die „Internationale Klimafinanzierung zur Reduktion von Treibhausgasen und zur Anpassung an den Klimawandel.“ Der Indikator zielt auf eine Verdopplung der Finanzierung bis 2020 gegenüber 2014, die auf eine Unterstützung von Entwicklungs- und Schwellenländern abzielt. Dies ist in den Bereich der Klimagerechtigkeit einzuordnen. Die Bundesregierung hat jedoch erkannt, dass eine ausschließlich monetäre Betrachtung der Klimafinanzierung keine aussagekräftigen Schlüsse auf die Wirksamkeit zulässt. Eine Ergänzung wäre daher, die Wirksamkeit von finanzierten Projekten zu analysieren. Positiv ist festzustellen, dass sich Deutschland bei der Klimafinanzierung regional und global in vielfältiger Weise engagiert. Dabei fördert Deutschland im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit auch bilaterale Projekte, bei denen die Wirksamkeit evaluiert wird (v. Hauff 2023, S.-73 ff). Die Zielrichtung des abschließenden SDG 17 ist auf die „Umsetzungsmittel stärken und die globale Partnerschaft für nachhaltige Entwicklung wiederbe‐ leben“ ausgerichtet. Aus der Perspektive der Bundesregierung geht es dabei um folgenden Kerngedanken: „Die Agenda 2030 wird von einer globalen Partnerschaft getragen, die das alte Geber-Nehmer-Denken überwindet und auch auf die Verantwortung der Partner‐ länder setzt sowie nichtstaatliche Akteure aktiv einbindet. Nur mit einer solchen globalen Partnerschaft - in gegenseitigem Respekt, mit gemeinsam getragenen Werten und der gebündelten Kraftanstrengung aller Akteure - können die Ziele der Agenda erreicht werden.“ (Bundesregierung 2021, S.-354). Das Ziel zeichnet sich durch drei Indikatoren aus. Das Ziel 17.1 ist auf eine Steigerung der öffentlichen Entwicklungszusammenarbeit auf 0,7 Prozent des Bruttoinlandsproduktes bis 2030 ausgerichtet, das schon sehr lange angestrebt, jedoch nie erreicht wurde. Somit wird das Ziel erneut in 6.1 Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie 2021 93 4 Least Developd Countries sind eine von den Vereinigten Nationen definierte Gruppe besonders armer Entwicklungsländer. die Zukunft, d. h. in das Jahr 2030 verlagert. Das Ziel 17.2 fordert eine Steigerung der Anzahl der Studierenden und Forscherinnen bzw. Forscher aus Entwicklungsländern von 2015 bis 2020 um 10 Prozent pro Jahr mit anschließender Verstetigung. Die Steigerung des Anteils der Einfuhren aus LDCs 4 gemessen an den gesamten Einfuhren nach Deutschland um 100 Prozent bis 2030 gegenüber 2014 wird in dem Ziel 17.3 angestrebt. Trägt die Steigerung des Handels jedoch nur zu einer Festigung traditioneller Handelsstrukturen bei, wonach Rohstoffe und landwirtschaftliche Produkte gegen industrielle Produkte getauscht werden, kann dies den Entwicklungs‐ prozess in LDCs aufhalten bzw. verlangsamen und den Dualismus zwischen LDCs und Industrieländern stärken. In diesem Zusammenhang sollten auch die Auswirkungen neuer Handelsabkommen der EU mit anderen Ländern bzw. Regionen kritisch analysiert werden, da die Gefahr besteht, dass Entwicklungsländer dadurch handelspolitisch weiter marginalisiert werden. Allgemein kann festgestellt werden, dass es zwischen der innengerichte‐ ten Politik und der Entwicklungszusammenarbeit eine Kluft gibt. Es mangelt auch hier an einer kohärenten Politik, indem im Zusammenhang mit den SDG 6, SDG 8 und SDG 12 nicht nur eine quantitative Messung stattfinden sollte. Vielmehr sollten, wie schon erwähnt, beispielsweise bei dem Abbau von Ressourcen die sozialen und ökologischen Folgewirkungen mit einbe‐ zogen werden (v. Hauff 2023, S. 43 ff). Weiterhin wird die Aufnahme eines Indikators für die Schuldentragfähigkeit besonders von LDCs empfohlen. Eine Möglichkeit wäre das Dept Sustainability Framework der Weltbank und des Internationalen Währungsfonds einzuführen (Deutsches Institut für Entwicklungspolitik 2016, S.-13). 6.2 Hemmnisse der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie Die Entwicklung der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie kann durch ver‐ schiedene Hemmnisse beeinträchtigt werden. Somit ist sie nicht durch einen kontinuierlichen und effizienten Prozess bestimmt. Die folgenden Ausführungen beschränken sich auf die beiden Hemmnisse der Pfadabhän‐ gigkeit und des Lobbyismus. Das Konzept der Pfadabhängigkeit geht auf 94 6 Die Bewertung der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie den Ökonomen und Wirtschaftsmathematiker William Brian Arthur (1994) und den Wirtschaftshistoriker Paul Allan David (1985) zurück. Das Konzept bezog sich zu Beginn auf die Erklärung und Durchset‐ zung von Technologien. Im Mittelpunkt stand die Beobachtung, dass sich in Konkurrenzsituationen nicht unbedingt die effizienteren Technologien durchsetzen. Dabei wurde zu Beginn der pfadabhängige Verlauf solcher Ent‐ wicklungen, bei denen an ineffizienten Technologien festgehalten wurde, besonders mit steigenden Skalenerträgen erklärt. Das galt zumindest, solange die Produktion oder Verbreitung eines Gutes den Nutzen noch erhöhte. Das Konzept der Pfadabhängigkeit wurde jedoch dadurch einge‐ schränkt, indem sich die Mehrzahl der ökonomischen Aktivitäten durch abnehmende Skalenerträge auszeichneten. Zu fallenden Skalenerträgen kommt es, wenn die Produktionsmenge weniger stark steigt als die einge‐ setzten Produktionsfaktoren wie Materialien und Arbeitskräften. Daher hat man sich bei dem Konzept in zunehmendem Maße auf einzelne Beispiele konzentriert. So wurde z. B. untersucht, warum die Tastenanordnung von Schreibmaschinen auf Computer übertragen wurde, obwohl es hierfür keine Begründung gab. Das Konzept wurde im Rahmen der Institutionenökonomie von Douglas North erweitert. Er stellte fest, dass es nicht nur in Einzelfällen, sondern generell zum Fortbestehen unterschiedlich effizienter Institutionen kommt. Die Anpassung an erfolgreiche institutionelle Ordnungen erfolgt nicht per se, sondern bleibt auf Einzelfälle begrenzt. Da sich die verantwortlichen Akteure in ihrem Verhalten jeweils an bereits bestehenden Institutionen orientieren. Daher sind die Vorstellungsmöglichkeiten von Akteuren in entscheidender Weise durch ihre Vergangenheit geprägt. Mit der häufig zu beobachtenden starken Wandlungsresistenz auch gegenüber Innovationen stellt sich die Frage, warum Veränderungen oft schwerfallen und notwen‐ dige Veränderungsvorhaben häufig nicht gelingen. So wird an einem Pfad auch dann festgehalten, wenn eine Alternative zu einem besseren Ergebnis geführt hätte. Prozesse der Pfadabhängigkeit sind also nicht selbstkorrigierend, sondern führen zu oder verfestigen teilweise auch Fehlentwicklungen. Daher stellt sich die Frage: Wie kann ein sich als ungünstig erwiesener Pfad verlassen werden. In der Regel bedarf es einer ausreichend großen Erschütterung des eingeschlagenen Pfades, um an einem Kreuzungspunkt den bisherigen Pfad zu verlassen. Diese Erschüt‐ terung kann aus ökonomischer Perspektive verschiedene Ursachen haben: Wettbewerb, Lerneffekte oder - als exogener Schock - Naturkatastrophen. 6.2 Hemmnisse der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie 95 Im Kontext nachhaltiger Entwicklung gibt es Pfadabhängigkeiten im Ma‐ nagement die zu erheblichen Transformationshemmnissen führen (Hasen‐ müller 2013). Die folgenden Ausführungen beschränken sich auf Pfadabhän‐ gigkeiten die zu negativen Umweltauswirkungen führen. Hierbei handelt es sich oft um sehr komplexe Systeme wie Unruh am Beispiel von Autos und dem Individualverkehr, einschließlich der Zulieferindustrie, der Erdöl‐ produktion und -verteilung, der Kautschukproduzenten und Unternehmen des Straßenbaus verdeutlicht (Unruh 2000, S. 822). Damit beschreibt er ein System das schwieriger zu ändern ist als eine einzelne umweltbelastende Technologie. Viele Unternehmen sind in das System eingebunden und davon abhängig und sind daher nicht die Quelle radikaler Innovationen. Etablierte Unternehmen generieren in der Regel höhere Gewinne und Cashflows mit ihren Produkten als Unternehmen mit neuen nachhaltigen Produkten und haben daher einen besseren Zugang zu Finanzinstitutionen, um ihre Investitionen zu finanzieren (Clausen, Fichter 2018, S.-5). Das Verlassen solcher Pfadabhängigkeiten führt zu der Frage nach der effizienten Transformationsstrategie zu nachhaltiger Entwicklung. So kam es oft zu umwelttechnischen Nischenlösungen, die jedoch nur eine be‐ grenzte Reichweite haben. Daher ist es notwendig, dort wo bereits erprobte Nischenlösungen für eine Transformation verfügbar sind, ihre Verbreitung zu fördern. „Erst durch ihre massenhafte Verbreitung realisiert eine Umweltinnovation das Umweltentlastungspotenzial, welches sie technologisch erschließbar macht. Aus Sicht einer umweltorientierten Innovationspolitik ist daher die erfolgreiche Diffusion von Innovationen in den Massenmarkt ein wesentliches Ziel der Innovationsförderung. In der Praxis aber zeigt sich, dass ca. zwei Drittel aller in den letzten Jahrzehnten in den Markt eingeführten umweltentlastenden Innovationen ihre jeweilige Marktnische noch nicht verlassen haben und kaum Verbreitungsgrade von oberhalb 10 Prozent erreichen.“ (Clausen, Fischer 2021, S.-10). Die Agenda 2030 bietet auf der Grundlage der SDGs ebenfalls die Möglich‐ keit bzw. Verpflichtung Pfadabhängigkeiten zu verlassen. Im Rahmen von SDGs konnten am Beispiel von Off-Track-Indikatoren Pfade aufgezeigt werden, die in die falsche Richtung führten, obwohl es Alternativen gibt, die zu einem erwünschten Ergebnis führen würden (Pierson 2004). Auch Konsumenten sind oft von unbefriedigenden Pfadabhängigkeiten stark geprägt, indem ihre Konsummuster bestimmten SDGs zuwiderlaufen (Vgl. 96 6 Die Bewertung der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie SDG 12 Nachhaltige Konsum- und Produktionsmuster sicherstellen). So gibt es in vielen Wirtschaftssektoren wie der Landwirtschaft, der Ernährung, der Bekleidung, der Mobilität und dem Bausektor Pfadabhängigkeiten, die den Transformationsprozess zu einer nachhaltigen Entwicklung hemmen. Positiv ist jedoch festzustellen, dass es auch Sektoren wie die Energiewirt‐ schaft gibt, die im Sinne von Nachhaltigkeit durch den wachsenden Anteil regenerativer Energie zu einer Auflösung der Pfadabhängigkeit führen. In der Diskussion um Hemmnisse der Entwicklung der Deutschen Nach‐ haltigkeitsstrategie findet die Bedeutung von Lobbyismus bisher eine zu geringe Beachtung. Das gilt auch für die globale Ebene. Lobbyismus zielt auf den Austausch von Positionen und Interessen zwischen staatlichen und gesellschaftlichen oder wirtschaftlichen Akteuren ab, indem letztere versuchen, politische Entscheidungen im Sinne bestimmter Interessen zu beeinflussen (Baruth, Schnapp 2015, S. 246). In der deutschen Wahrnehmung wird Lobbyismus hauptsächlich wegen der mangelnden Transparenz eher kritisch beurteilt. So wünschen sich in einer repräsentativen Umfrage drei‐ viertel der Bevölkerung mehr Transparenz (LobbyControl 2015). Weiterhin wird beklagt, dass es den mächtigen und finanzstarken Interessengruppen und ihren Lobbyisten immer häufiger gelingt die parlamentarische Demo‐ kratie in ihrem Sinne zu beeinflussen bzw. zu manipulieren und vorhandene Sicherungen und Kontrollen (checks and balances) zu umgehen oder auszu‐ schalten. Dabei nehmen professionelle Dienstleister eine wichtige Funktion ein, politische Einflussnahme zu „ihrem Geschäft“ zu machen. Es gilt jedoch zu bedenken, dass sich gesellschaftliche Interessen frei formieren und artikulieren können. Positiv formuliert: Lobbyisten bringen wichtige Informationen und Fachwissen in den politischen Entscheidungs‐ findungsprozess ein, was dem demokratischen und repräsentativen System nützlich sein kann. Haben Lobbyisten jedoch zu viel Einfluss, können sie Entscheidungsprozesse verzerren und in ihrem Interesse manipulieren was beispielsweise bei Gesetzesvorlagen bzw. Gesetzesänderungen problema‐ tisch ist. So kann es dazu kommen, dass die Repräsentativität des politischen Systems verzerrt wird (Spohr 2023, S. 29). Um mehr Transparenz zu erhalten wurde 2022 das „Lobbyregister für die Interessenvertretung gegenüber dem Deutschen Bundestag und der Bundesregierung“ eingeführt in dem im Juli 2022 4.893 Einträge zu finden waren. Die tatsächliche Zahl ist jedoch größer, da sich nicht alle Lobbyisten registriert haben. In der EU gibt es schätzungsweise 25.000 Lobbyisten mit einem Jahres‐ budget von 1,5 Milliarden Euro. Etwa 70 Prozent sind für Unternehmen und 6.2 Hemmnisse der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie 97 Wirtschaftsverbände tätig. Daher fordert LobbyControl eine Lobby-Fußspur für Gesetze als Ergänzung zum Lobbyregister einzuführen. Die Lobby-Fuß‐ spur setzt bei den politischen Institutionen an. „Ziel einer solchen Maßnahme - auch als exekutiver bzw. legislativer Fußabdruck bezeichnet - ist es, Ministerien und Fraktionen zu verpflichten offenzulegen, auf welche Weise Interessenvertretungen an der Entstehung von Gesetzen beteiligt waren oder versuchen darauf einzuwirken. Dazu gehört die Offenlegung von Dokumenten sowie von Gesprächsterminen zwischen Politik und Lobbyvertre‐ terinnen.“ (LobbyControl 2024, S.-20). Hierzu ein Beispiel das für SDG 13 „Bekämpfung des Klimawandels“ rele‐ vant ist. Die Auto-Lobby versuchte in Brüssel den von der EU geplanten Grenzwert von 120 g CO 2 / pro km anzuheben. Im Gegensatz dazu setzten sich Umweltverbände dafür ein den von der EU vorgegebenen Grenzwert durchzusetzen. Schließlich wurde 2013 vom EU-Parlament ein Beschluss zu strengeren Abgasnormen gefasst. Bis 2020 sollte ein Großteil der Neuwagen den Grenzwert von 95 g CO 2 / pro km nicht überschreiten. Dabei sollte der Wert für die gesamte Auto-Flotte eines Herstellers gültig sein. Hierbei ist jedoch zu berücksichtigen, dass Elektroautos des gleichen Herstellers für eine ausgeglichene Klimabilanz sorgen können. Ein weiteres Beispiel ist, dass auf die Klimaforschung der Deutschen Energie-Agentur (DENA) Einfluss genommen wurde. So haben Großkonzerne bei der Erstellung der DENA-Studie über den klimaneutralen Umbau der Energiewirtschaft massiv Einfluss genommen indem etwa 80 Prozent der Studie von Unternehmen finanziert wurden (LobbyControl 2021). Es gibt viele weitere Beispiele für lobbyistische Tätigkeiten, die den Transformationsprozess zu nachhaltiger Entwicklung hemmen bzw. negativ beeinflussen (Polk, Mause 2022). In diesem Kontext gibt es aber auch Lobbyisten im Bereich des Na‐ turschutzes, die die Umsetzung ökologischer Schutzmaßnahmen fördern. Umweltorganisationen zählen zu den ältesten zivilgesellschaftlichen Inter‐ essenvertretungen und haben in der Bevölkerung einen starken Rückhalt. Weiterhin haben sie ihren Zugang zum politischen System schon früh aus‐ gebaut und intensiviert (Roose 2003). Die Interessenvertretung im Bereich des Natur-, Umwelt- und Klimaschutzes präsentiert sich jedoch als ein heterogener Bereich mit vielfältigen Bezügen zu anderen Politikfeldern wie der Agrar- oder Verkehrspolitik. Es gibt jedoch eine gemeinsame Zielsetzung der Natur- und Umweltschutzorganisationen: als Lobbyisten sind sie für den Erhalt oder die Wiederherstellung einer intakten Natur 98 6 Die Bewertung der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie und damit um eine nachhaltige Gestaltung der relevanten Politikbereiche bestrebt. Es gibt im Natur- und Umweltschutz aber auch viele Gruppen, die nicht formal-rechtlich organisiert und oft nur regional oder lokal als Bürgerinitiativen auf ein ganz konkretes Projekt ausgerichtet sind. Als Besonderheit ist die Diversifizierung der Interessenvertretung in der Agrarwirtschaft hervorzuheben. Beispiel: der Deutsche Bauernverband, der im Landwirtschaftssektor schon lange mit einem Hang zur Pfadabhängig‐ keit dominiert, hat durch Verbände wie dem Bundesverband ökologischer Weinbau e.V. erhebliche Konkurrenz bekommen, da sich diese an der nach‐ haltigen Landwirtschaft orientieren. Auch die Umweltlobbyisten sind ana‐ log zu den eher wirtschaftlich ausgerichteten Lobbyisten bestrebt Einfluss auf Parlamentarier und die Ministerialbürokratie zu nehmen. „Gleichzeitig bedienen sich die Organisationen eines breiten Spektrums von Lobby-Instrumenten und -strategien, das vom sog. Inhouse-Lobbying über öf‐ fentlichkeitswirksame Kampagnen, gerade auch unter Einsatz des Internets, bis hin zur Organisation von Boykotts reicht.“ (Zimmer 2022, S.-6). In der gesellschaftlichen Dimension nachhaltiger Entwicklung sind be‐ sonders die Wohlfahrtsverbände bestrebt sozialen Ungleichheiten entge‐ genzuwirken. In jüngerer Vergangenheit gibt es auch Bestrebungen für sozial-ökologische Transformationen. Kooperationsbemühungen zwischen Gewerkschaften und Umweltverbänden fanden bisher jedoch nur eine geringe Beachtung (Umweltbundesamt 2021). Aus den gegenläufigen Inter‐ essen der Lobbyisten kommt es zu gesellschaftlichen bzw. ökonomischen Interessenkonflikten. Empirisch ist es bisher nicht gelungen mögliche Un‐ gleichgewichte exakt zu quantifizieren. Es wird jedoch vermutet, dass im Wettbewerb der Lobbyisten die Wirtschaftsinteressen dominieren, zumal die wirtschaftlich orientierten Lobbyisten, wie schon gezeigt wurde, auch auf EU-Ebene sehr finanzstark und machtvoll agieren. Abschließend geht es noch um Bereiche, die zwischen Pfadabhängigkeit und Lobbyismus angesiedelt sind. Als Beispiel können der schon kritisch hinterfragte Indikator Bruttoinlandsprodukt, der in dem SDG 8 verankert ist, genannt werden. Einerseits ist der Indikator Bruttoinlandsprodukt global verankert und wird gleichzeitig als Indikator im Rahmen der nachhaltigen Entwicklung als widersprüchlich kritisiert. Daher kann man diese Situa‐ tion sicher der Pfadabhängigkeit zuordnen: er ist global als Indikator wirt‐ schaftlicher Entwicklung eingeführt und daher wird an ihm festgehalten. Andererseits haben Unternehmensverbände wie der BDI immer gefordert, 6.2 Hemmnisse der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie 99 diesen Indikator zu erhalten. Die unausgesprochene Intention ist, dass Umweltprobleme und Einkommensbzw. Vermögensdisparitäten sich nicht in diesem Indikator widerspiegeln. Dabei widersprechen Umweltprobleme und steigende Einkommensdisparitäten bestimmten SDGs der Agenda 2030 und belasten somit die Weiterentwicklung der Deutschen Nachhaltigkeits‐ strategie. Der Rat für Nachhaltige Entwicklung (RNE) stellt fest, dass dem Finanz‐ sektor bei der Umsteuerung hin zu mehr Nachhaltigkeit eine Schlüsselrolle zukommt. Dennoch wird der Finazsektor in der Agenda 2030 und in der deutschen Nachhaltigkeitsstrategie - wie schon erwähnt - vernachlässigt, obwohl er sich durch Volatilität auszeichneet und die Ungleichverteilung tendenziell fördert. Dennoch hat sich die Struktur des Finanzsektors kaum geändert (Pfadabhängigkeit) und zeichnet sich durch eine starke Lobby aus, die Veränderungen im Sinne von nachhaltiger Entwicklung entgegensteht. Es ist jedoch festzustellen, dass die EU mit dem 2018 verabschiedeten und 2022 erweiterten „Aktionsplan Sustainable Finance“ eine Strategie vorgelegt hat, mit der nachhaltige Investitionen innerhalb Europas gestärkt werden sollen. Im Rahmen der deutschen Nachhaltigkeitsstrategie hat der RNE von 2017 bis 2019 einen offenen Stakeholder Dialog organisiert. 2019 wurde dann ein Beirat einberufen, der 2021 seinen ersten Abschlussbericht „Shifting the Trillions - Ein nachhaltiges Finanzsystem für die große Transformation“ vorgelegt hat. Danach bedarf es „neben Leuchtturmprojekten umfassender Anpassungen der rechtlichen Rahmenbedingungen … und verlässlicher Leit‐ planken“ um Nachhaltigkeitskriterien im Finanzsystem zu verankern (Rat für Nachhaltige entwicklung 2023, S.-2). Fazit: Solange der Indikator Bruttoinlandsprodukt pro Kopf sich fortsetzt und der Finazsektor weiterhin primär dem ökonomischen Mainstream entspricht, ist ein konsequenter Transformationsprozess nachhaltiger Entwicklung kaum zu erreichen bzw. umzusetzen. 100 6 Die Bewertung der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie 7 Nachhaltige Entwicklung - Eine vorläufige Bestandsaufnahme und Potenziale der Weiterentwicklung Der aktuelle Stand des Transformationsprozesses zu einer nachhaltigen Ent‐ wicklung wird für Deutschland oft so beschreiben, dass die Produktions- und Konsummuster trotz aller Initiativen immer noch ressourcenintensiv und umweltbelastend sind. Daher kann die bisherige soziale und ökologische Ausrichtung nach wie vor noch nicht als befriedigend „nachhaltig“ bezeich‐ net werden. Das lässt sich u. a. mit den Hemmnissen der Pfadabhängigkeit und des Lobbyismus begründen, die ganz wesentlich durch Ängste vor Veränderungen und besitzstandswahrenden Interessen geprägt sind. Daher erscheint es notwendig, einige grundlegende Anforderungen an eine Trans‐ formation kurz zu klären. Transformationen in diesem Zusammenhang sind Umwandlungsprozesse gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Systeme in Richtung Nachhaltigkeit. Ein wichtiger Schritt hierbei ist, Transformationen nach ihrer Größe bzw. ihrem Umfang zu differenzieren. Dadurch lässt sich klären, was erreicht werden soll. Allgemein werden drei Typen von Transformationen unterschieden: ● große Transformationen, ● Transformationen mittlerer Reichweite, ● kleinere Transformationen. Eine große Transformation nachhaltiger Entwicklung wurde in dem Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU) von 2011 aufgezeigt. Danach bedarf es tiefgreifender Änderungen von Infrastrukturen, Produktionsprozessen, Re‐ gierungssystemen und Lebensstilen sowie ein neues Zusammenspiel von Politik, Gesellschaft, Wissenschaft und Wirtschaft. Dabei gilt es vielfältige Pfadabhängigkeiten und Blockaden zu überwinden. Davon zu unterschei‐ den sind Transformationen mittlerer Reichweite wie die Energiewende in Deutschland. Kleinere Transformationen wie digitales Publizieren und lesen und andere Systeminnovationen sind ohne grundlegende Struktur‐ veränderungen des Systems möglich (Umweltbundesamt 2015, S. 6). Auf theoretischer Ebene basiert die große Transformation auf der starken Nach‐ haltigkeit und die Umsetzung erfolgt auf der Agenda 2030 mit den 17 SDGs. Bisher lassen sich in Deutschland und anderen Industriestaaten primär Entwicklungen zu Transformationen mittlerer Reichweite feststellen. Zu dem Stand und den Entwicklungsperspektiven der deutschen Nach‐ haltigkeitsstrategie gibt es vielfältige Analysen und Stellungnahmen. Eine typische Herangehensweise erfolgt über eine Analyse der einzelnen SDGs wie das schon ansatzweise bereits in Kapitel 5 aufgezeigt wurde. Dabei stellt sich in besonderem Maße die Frage nach dem unbefriedigenden Zustand bzw. Entwicklung der Off-Track-Indikatoren. Hierzu ein Beispiel: Es wird vielfach beklagt, dass der Indikator 6.1.b „Nitrat im Grundwasser“ sich nicht einmal in die richtige Richtung entwickelt, sondern der Abstand zwischen dem vorgegebenen Ziel und der konkreten Entwicklung größer wird. Auffällig ist, dass viele Off-Track-Indikatoren mit der Landwirtschaft in Verbindung zu bringen sind. Neben der Anpassung von Off-Track-Indikatoren im Sinne einer Kehrt‐ wende an die vorgegebenen Ziele in der Nachhaltigkeitsstrategie wird von Vertreterinnen und Vertretern der Zivilgesellschaft eine Priorisierung von besonders drängenden Zielbereichen (z. B. zu SDG 13 Maßnahmen zum Klimaschutz) beziehungsweise von Zielbereichen und Indikatoren mit direktem Effekt auf andere Zielbereiche und Indikatoren von Kon‐ sum und Landwirtschaft gefordert (wissenschaftsplattform_nachhaltigkeit 2030, 2019, S. 17). Daher kommt - wie schon erwähnt - den geplanten Transformationsbereichen, die als neuer Akzent 2018 gefordert werden eine zentrale Bedeutung für eine effektive Weiterentwicklung hin zu der geforderten „großen Transformation Nachhaltigkeit“ zu. Im Rahmen von Transformationsbereichen können zwischen den SDGs Synergieeffekte und Konflikte identifiziert und aufgezeigt werden. Wichtige Erkenntnisse aus den Zielbeziehungen der verschiedenen Transformationsbereiche können dann im Rahmen der nationalen Nachhaltigkeitsstrategie zusammengeführt werden. Dabei kommt den Umweltverbänden in dem Dialogprozess zur Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie eine große Bedeutung zu. So begrüßt der BUND die kontinuierliche Weiterentwicklung und stellt gleichzeitig fest, dass die Strategie im Regierungshandeln bei weitem nicht den Stellenwert einnimmt wie es die ökologischen Krisen des Klimawandels, des Biodiversitätsver‐ lustes und der Ressourcenknappheit erfordern (BUND 2020). Dabei wird jedoch nicht nur auf ökologische, sondern auch auf soziale Defizite wie die bestehende Armut in Deutschland verwiesen. Eine dringende Forde‐ rung des BUND richtet sich darauf, die im Peer Review 2018 und vom 102 7 Nachhaltige Entwicklung - Eine vorläufige Bestandsaufnahme und Potenziale der Weiterent‐ wicklung Bundesrechnungshof 2019 aufgezeigten zahlreichen Schwachstellen mit Nachdruck anzugehen. So wird konkret bemängelt, dass die vom Peer Review angemahnte Erhöhung des Ambitionsniveaus beispielsweise beim Klima- und Artenschutz bisher nicht in dem erforderlichen Maße erfolgte. Im sozialen Bereich wird u. a. die Verteilungsungleichheit, gemessen am Gini-Koeffizienten kritisiert, indem keine Veränderung festzustellen ist. Daher wird in der Gesamtbeurteilung beklagt, dass die Bundesregierung von den vorgegebenen Zielen, wie sie selbst feststellt, teilweise weit entfernt ist, um den vorgesehenen Transformationsprozess auch umzusetzen. Dabei ist der Anspruch der Bundesregierung, dass die Nachhaltigkeitsstrategie „Ziel und Maßstab des Regierungshandelns“ sei. Gleichzeitig wird festgestellt: „Das bisherige Handeln reicht bei weitem nicht aus, um einen nachhaltigen Entwicklungspfad einzuschlagen.“ Die regelmäßige Wiederholung dieser Erkenntnis sollte nun in eine konsequente Umsetzung übergeleitet werden. Einen anderen Zugang zur Bestandsaufnahme und einer potenziellen Weiterentwicklung wählt Liedke in ihrer Stellungnahme „Eine erste Analyse der weiterentwickelten Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie“ (2021). Dabei un‐ terscheidet sie drei Bereiche (Liedke 2021): ● Struktur der DNS, ● Politische Prozesse und politisches Monitoring, ● „Kreislaufwirtschaft“ als beispielhafter Transformationsbereich. Besonders positiv wertet sie, dass der wichtige Transformationsbereich „Menschliches Wohlbefinden und Fähigkeiten, soziale Gerechtigkeit“ als ers‐ ter Gliederungspunkt vorangestellt wurde. Im Rahmen der Struktur der DNS stellt sie die Frage, ob im Rahmen der Transformationsbereiche die notwendigen Ziele abgebildet werden und ob die Indikatoren passgenau sind. Es ist wichtig, dass sich die „Indikatorik“ den politischen Zielen und Herausforderungen anpasst. Daher müssen sie als Treiber und nicht nur als Mahner für oder nur als Verwalter von sozialen und technischen Innovatio‐ nen dienen. So stellt sie u. a. fest, dass einige DNS-Indikatoren sich in ihren Formulierungen nicht mit denen der SDGs decken. Einige Indikatoren wie z. B. jener zur Bewusstseinsentwicklung und Nachhaltigkeitsliteracy in der Gesellschaft (SDG 12.8 und 4.7) fehlen dagegen ganz. Da die Nachhaltigkeitsstrategie immer ausgereifter und damit auch um‐ fangreicher wird, sollte eine deutliche Stärkung der Governance der DNS aufgenommen werden. Das gilt bei Zuständigkeiten, Leitungskompetenz und Ressourcen sowohl im Bundeskanzleramt als auch in den einzelnen 7 Nachhaltige Entwicklung - Eine vorläufige Bestandsaufnahme und Potenziale der Weiterent‐ wicklung 103 Ressorts. Der Transformationsbereich „Kreislaufwirtschaft“ verdient nach Liedke eine besondere Unterstützung, wobei die Umsetzung noch relativ am Anfang steht, soweit man das vollständige Schließen von Stoffkreisläufen anstrebt (v. Hauff 2024). Positiv zu werten ist, dass das SDG 12 eine Erwei‐ terung erfahren hat, indem der Ressourcenverbrauch privater Haushalte berücksichtigt wurde (SDG12.1.b). Abschließend wird noch festgestellt, dass die Kommunikation zur Umsetzung der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie intensiviert werden sollte, da sie nur als Gemeinschaftswerk gelingen kann. „Hierzu gehört vor allem, dass ein breiter gesamtgesellschaftlicher Diskurs geführt wird zu den Transformationsbereichen, den Hebeln, den Gelingensbe‐ dingungen und Zielkonflikten - und zwar zwischen allen Akteuren, Gruppen und Organisationen sowie zwischen Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und Zivil‐ gesellschaft.“ (Liedke 2021). Die Zivilgesellschaft weist noch große Potenziale zur Förderung oder Weiterentwicklung nachhaltiger Entwicklung auf, das bisher noch nicht ausreichend genutzt wurde bzw. das noch genutzt werden sollte. Es geht in diesem Kontext um die Erfassung und Bewertung des Transformati‐ onspotenzials nachhaltiger Entwicklung. Daher werden in zunehmendem Maße Aktivitäten zivilgesellschaftlicher Nachhaltigkeitsinitiativen erfasst. In ihnen werden häufig innovative und lokal angepasste Ideen und soziale Innovationen entwickelt und umgesetzt. Dabei soll ihr Mehrwert für die nachhaltige Entwicklung aufgezeigt und politisch gefördert werden. Die Kategorie „Transformationspotenziale“ trägt in diesem Zusammen‐ hang dem Umstand Rechnung, dass zur Lösung bedeutender globaler Nach‐ haltigkeitsprobleme tiefgreifende und innovative Lösungsansätze notwen‐ dig sind die von Akteuren der Zivilgesellschaft mit initiiert und umgesetzt werden können. Lösungsansätze entstehen jedoch häufig in Nischen. Für die Entfaltung des Transformationspotenzials und die Erreichung größtmögli‐ cher Nachhaltigkeitseffekte ist es jedoch wichtig, dass gute Initiativen bzw. Aktivitäten ihren Weg aus der Nische in den Mainstream finden und sich dauerhaft dort etablieren (Umweltbundesamt 2019, S.-14). Hierzu gibt es bereits in vielen Lebensbereichen gute Beispiele wie Nachbarschaftsinitiativen, solidarische Landwirtschaftsprojekte, Repairca‐ fes oder Energiegenossenschaften. Aber auch im Unternehmenssektor gibt es besonders bei kleinen und mittelständischen Unternehmen vielfältige Projekte, die zu dem Transformationsprozess nachhaltiger Entwicklung positiv beitragen. Auch sie sollten noch eine Verbreitung erfahren. Um 104 7 Nachhaltige Entwicklung - Eine vorläufige Bestandsaufnahme und Potenziale der Weiterent‐ wicklung das Potenzial nach dem Slogan „von der Nische zum Mainstream“ auszu‐ bauen, finden mehrere Untersuchungen statt. So gibt es Untersuchungen zu zivilgesellschaftlichen Organisationen und Akteuren, die sich im Kontext nachhaltiger Entwicklung engagieren. Bei diesen Untersuchungen geht es auch darum im Rahmen eines Bewertungssystems zu ermitteln, welche der Aktivitäten gefördert werden sollten. Diese Untersuchungen entsprechen der Maxime, dass nur durch eine umfassende Beteiligung der Gesellschaft ein nachhaltiger Transformationsprozess gelingen kann (Umweltbundes‐ amt 2019). 7 Nachhaltige Entwicklung - Eine vorläufige Bestandsaufnahme und Potenziale der Weiterent‐ wicklung 105 8 Ausblick Die Völkergemeinschaft hat sich erstmals 1992 zu dem Paradigma der nachhaltigen Entwicklung verpflichtet. In den Folgekonferenzen wurde diese Verpflichtung immer wieder bestätigt bzw. eingefordert. 2015 wurde diese Verpflichtung auf der Grundlage der Agenda 2030 mit den 17 Nachhal‐ tigkeitszielen weiter konkretisiert, indem sich alle Länder bereit erklärten, nationale Nachhaltigkeitsstrategien nach einheitlichen Vorgaben zu entwi‐ ckeln und umzusetzen. Deutschland hat in der nationalen Nachhaltigkeits‐ strategie festgestellt, dass nachhaltige Entwicklung das grundlegende Ziel und der Maßstab des Regierungshandelns sei. Dieser Anspruch gilt für die nationale und globale Ebene. Im Rahmen einer kritischen Selbstanalyse stellt die Bundesregierung aber auch in der aktuellen Version der nationalen Nachhaltigkeitsstrategie 2021 selbstkritisch fest, dass der Weg zu einer wirklich anspruchsvollen Transformation zu nachhaltiger Entwicklung noch nicht realisiert werden konnte, d. h. noch aussteht. Das gilt besonders für ein nachhaltiges Wirt‐ schaften. Hier konnten wesentliche Defizite aufgezeigt werden. Dabei steht auch noch aus, Wirtschaft und Gesellschaft in die planetaren Grenzen zurückzuführen, um dauerhafte Schädigungen ökologischer Systeme zu vermeiden. Vielmehr dominiert immer noch weitgehend das Primat des Mainstreams der Ökonomie, was dazu beiträgt, dass sich viele Probleme wie der Klimawandel, die Verringerung der Biodiversität, die Ungleichverteilung auf globaler und nationaler Ebene, die Wasserknappheit in vielen Regionen, aber auch militärische Konflikte tendenziell verschärfen. Diese Entwicklung steht den Sustainable Developments Goals entgegen. Es gibt eine breite Diskussion zur Ausgestaltung des Transformationspro‐ zesses zu einer nachhaltigen Entwicklung. Insofern gibt es nicht primär ein Wissenssondern ein Umsetzungsproblem. Das konnte u. a. am Beispiel des Nachhaltigkeitsbereichs Circular Economy aufgezeigt werden. Zur Ausge‐ staltung dieser Bereiche gibt es bereits qualifizierte handlungsorientierte Beiträge. Die Hemmnisse für eine konsequente und ambitionierte Umset‐ zung der Nachhaltigkeitsstrategie wurden im Kontext der Pfadabhängigkeit und den Lobbyismus verdeutlicht. Es ist jedoch wichtig wahrzunehmen, dass es viele positive Beispiele bzw. Projekte schon in der Wirtschaft, in Wissenschaft und Forschung bzw. in der Gesellschaft gibt. Die Energiewende kann in diesem Zusammenhang als Nachhaltigkeitsbereich positiv eingeordnet werden. Dagegen steht u. a. eine nachhaltige Mobilitätswende, die ein großes Nachhaltigkeitspotenzial aufweist, noch aus. Viele Nachhaltigkeitsprojekte haben bisher noch den Charakter von Nischen, die in den Mainstream überführt werden sollten und dann einen großen Beitrag zur Nachhaltigkeit leisten können. Dazu gehören beispielsweise nachhaltige Konsummuster. Aber auch in Bildung, Forschung und Wissenschaft müssen Konzepte und Ansätze nachhaltiger Entwicklung noch aus der Nische herausgeholt und in einen breiten Trans‐ formationsprozess eingefügt werden. Schließlich wurde gezeigt, dass die Civil Society einen wichtigen Beitrag für eine nachhaltige Entwicklung leistet, der noch gestärkt bzw. gefördert werden sollte. 108 8 Ausblick Literatur Aretz, A., Ouanes, N., Stange, H., Lenk, C., Holzner, R., & Brischke, L.-A.: Evaluation of the energy saving potential through systematic data collection of the electricity consumption and heating system operation in the building sector. 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Rath / Wilhelm Schmeisser Internationale Unternehmenstätigkeit Grundlagen, Führung, Organisation 2024, 175 Seiten €[D] 19,90 ISBN 978-3-381-11231-9 Reinhard Hünerberg / Matthias Hartmann Technologische Innovationen Steuerung und Vermarktung 2024, 152 Seiten €[D] 19,90 ISBN 978-3-381-11291-3 Ulrich Sailer Klimaneutrale Unternehmen Management, Steuerung, Technologien 2024, 130 Seiten €[D] 19,90 ISBN 978-3-381-11341-5 Oˇ guz Alaku¸ s Basiswissen Kryptowährungen 2024, 79 Seiten €[D] 17,90 ISBN 978-3-381-11381-1 Uta Kirschten Personalmanagement: Gezielte Maßnahmen zur langfristigen Personalbindung 2024, 159 Seiten €[D] 19,90 ISBN 978-3-381-12151-9 nuggets Die Reihe nuggets behandelt anspruchsvolle Themen und Trends, die nicht nur Studierende beschäftigen. Expert: innen erklären und vertiefen kompakt und gleichzeitig tiefgehend Zusammenhänge und Wissenswertes zu brandneuen und speziellen Themen. Dabei spielt die richtige Balance zwischen gezielter Information und fundierter Analyse die wichtigste Rolle. Das Besondere an dieser Reihe ist, dass sie fachgebiets- und verlagsübergreifend konzipiert ist. Sowohl der Narr-Verlag als auch expert- und UVK-Autor: innen bereichern nuggets. Kariem Soliman Leitfaden Onlineumfragen Zielsetzung, Fragenauswahl, Auswertung und Dissemination der Ergebnisse 2024, 102 Seiten €[D] 19,90 ISBN 978-3-381-11961-5 Oˇ guz Alaku¸ s Das Prinzip von Kryptowährungen und Blockchain 2024, 133 Seiten €[D] 19,90 ISBN 978-3-381-12211-0 Eckart Koch Interkulturelles Management Managementkompetenzen für multikulturelle Herausforderungen 2024, 118 Seiten €[D] 19,90 ISBN 978-3-381-11801-4 Margareta Kulessa Die Konzeption der Sozialen Marktwirtschaft Ziele, Prinzipien und Herausforderungen 2024, 113 Seiten €[D] 19,90 ISBN 978-3-381-11411-5 Jörg Brüggenkamp / Peter Preuss / Tobias Renk Schätzen in agilen Projekten 2024, 75 Seiten €[D] 17,90 ISBN 978-3-381-12511-1 Michael von Hauff Nachhaltigkeit - Paradigma und Pflicht der Völkergemeinschaft 2024, 119 Seiten €[D] 19,90 ISBN 978-3-381-11281-4 ISBN 978-3-381-11281-4 Die Bundesregierung hat sich in der nationalen Nachhaltigkeitsstrategie ein hohes Ziel gesetzt. Im Rahmen einer Selbsteinschätzung stellt sie jedoch fest, dass das bisherige Handeln bei weitem nicht ausreicht um einen politisch erwünschten nachhaltigen Entwicklungspfad konsequent zu gehen. Diese Erkenntnis gilt für alle Bereiche des Landes, auch wenn es in Wissenschaft, Forschung, Bildung, Wirtschaft und der Gesellschaft ermutigende Beispiele gibt. In den beiden ersten Kapiteln werden einige Grundlagen zur nachhaltigen Entwicklung vorgegeben, um den Anspruch des Paradigmas zu verdeutlichen. Begründung: Der Grundkonsens in der Fachwelt hat sich in Politik, Wirtschaft, Forschung und Gesellschaft noch nicht in gewünschtem Maße durchgesetzt. Danach geht es primär darum, das Spannungsfeld zwischen ermutigenden und unzureichenden Entwicklungen zur nachhaltigen Entwicklung deutlich zu machen. von Hauff Nachhaltigkeit Michael von Hauff Nachhaltigkeit - Paradigma und Pflicht der Völkergemeinschaft Ökologie Soziale s Ö konomie