Dauermagnete, Elektrobleche und Messtechnik
1209
2024
978-3-3811-1692-8
978-3-3811-1691-1
expert verlag
Wilhelm Cassing
Nora Leuning
Ludger Rensing
Martin Grönefeld
Sebastian Wältring
10.24053/9783381116928
Der magnetische Kreis mit seinen Bestandteilen aus Dauermagneten, Spulen und weichmagnetischen Elementen wie Elektroblechen ist Gegenstand vieler aktueller Entwicklungen, sei es in der Antriebstechnik oder auch in der Stromerzeugung durch Generatoren. Die modernen Selten-Erd-Werkstoffe geben den Entwicklungen auf diesem Gebiet neuen Antrieb. In der Automatisierung und Qualitätssicherung nimmt die Prüftechnik der hierzu gehörigen Größen einen immer größeren Raum ein.
<?page no="0"?> CASSING / LEUNING / RENSING / GRÖNEFELD / WÄLTRING Dauermagnete, Elektrobleche und Messtechnik Dauermagnete, Elektrobleche und Messtechnik WILHELM CASSING, NORA LEUNING, LUDGER RENSING, MARTIN GRÖNEFELD, SEBASTIAN WÄLTRING <?page no="1"?> MS-Schramberg GmbH & Co. KG Magnet- und Systemlösungen D-78713 Schramberg-Sulgen www.ms-schramberg.de MAGNET- UND SYSTEMLÖSUNGEN Als MS-Schramberg gehören wir zu den führenden Herstellern von Magnet- und Systemlösungen in Europa. Seit über sechs Jahrzehnten stehen wir für Lösungskompetenz und Qualität. Rund 500 Mitarbeitende in Schramberg im Schwarzwald entwickeln und produzieren kundenspezifische Artikel für Unternehmen weltweit. Wichtige Branchen sind Automotive, Heizung und Klima, Elektro- und Automatisierungstechnik sowie Maschinenbau. Angesichts steigender Anforderungen an Permanentmagnete und Baugruppen übernehmen wir die Verantwortung für die gesamte Wertschöpfungskette der Magnetentwicklung und -fertigung: von der Werkstoffauswahl, Compoundentwicklung, Herstellung der Werkzeuge und Vorrichtungen im eigenen Werkzeug- und Betriebsmittelbau bis zur Fertigung auf hochmodernen Anlagen und Maschinen. <?page no="3"?> Dauermagnete, Elektrobleche und Messtechnik <?page no="5"?> Wilhelm Cassing / Nora Leuning / Ludger Rensing / Martin Grönefeld / Sebastian Wältring Dauermagnete, Elektrobleche und Messtechnik <?page no="6"?> DOI: https: / / doi.org/ 10.24053/ 9783381116928 © 2024 · expert verlag ‒ Ein Unternehmen der Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5 · D-72070 Tübingen Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikro‐ verfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Alle Informationen in diesem Buch wurden mit großer Sorgfalt erstellt. Fehler können dennoch nicht völlig ausgeschlossen werden. Weder Verlag noch Autor: innen oder Heraus‐ geber: innen übernehmen deshalb eine Gewährleistung für die Korrektheit des Inhaltes und haften nicht für fehlerhafte Angaben und deren Folgen. Diese Publikation enthält gegebenenfalls Links zu externen Inhalten Dritter, auf die weder Verlag noch Autor: innen oder Herausgeber: innen Einfluss haben. Für die Inhalte der verlinkten Seiten sind stets die jeweiligen Anbieter oder Betreibenden der Seiten verantwortlich. Internet: www.expertverlag.de eMail: info@verlag.expert Druck: Elanders Waiblingen GmbH ISBN 978-3-381-11691-1 (Print) ISBN 978-3-381-11692-8 (ePDF) ISBN 978-3-381-11693-5 (ePub) Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http: / / dnb.dnb.de abrufbar. <?page no="7"?> Maurer Magnetic - Spezialist für Magnettechnik seit 100 Jahren, bietet Dauermagnete, Magnetsysteme und Messtechnik. Technologieführer im Entmagnetisieren von ferromagnetischen Materialien. Entmagnetisieren Hohe Feldstärken mittels «Maurer Degaussing ® »-Verfahren Höchste Entmagnetisiergüte Prozesssicher und prozessfähig ISO-zertifiziert: ISO9001: 2015 Permanentmagnete Grosse Auswahl an Dauermagneten ab Lager Kundenspezifische Anfertigungen Magnetsysteme Maurer Magnetic AG, Industriestrasse 8 -10, 8627 Grüningen / Switzerland T +41 44 936 60 30, F +41 44 936 60 48, info@maurermagnetic.com MM_Inserat_150x215_V4.indd 1 MM_Inserat_150x215_V4.indd 1 22.04.2024 16: 23 22.04.2024 16: 23 <?page no="8"?> Hochleistungsmagnete, Baugruppen, Motoren und Feinbleche für anspruchsvolle Industrien Auch von Arnold: Rotoren, Statoren, und Elektromotoren Flexible Dauermagnete Elektromagnete Präzisionsfeinbleche Dünnste Isolierschichten und Höhere geringste Wirbelstromverluste für optimale Ef zienz Flussdichte im Wirkungsbereich bei gleicher Masse und Größe des Magneten Typ-L-Laminierte Magnete - Patentierte SFM-Technologie (Shaped-Field Magnet) - ® RECOMA 35E der leistungsdichteste Samarium-Kobalt-Magnet und andere Werkstoffe Permanentmagnete - Arnold ist Ihr Partner für Magnetsysteme mit h chster Drehzahl und Leistung. ö w w w . A r n o l d M a g n e t i c s . c o m C A L L O R M E S S A G E Y O U R A R N O L D R E P R E S E N T A T I V E T O D A Y w w w . A r n o l d M a g n e t i c s . d e V e r t r i e b N o r d a m e r i k a 1-800-593-9127 V e r t r i e b E u r o p a (+41) 56 464 21 00 V N e h m e n S i e g l e i c h h e u t e K o n t a k t m i t I h r e m A n s p r e c h p a r t n e r b e i A r n o l d a u f ENGINEERING SOLUTIONS TOGETHER Neben qualitativ hochwertigen Produkten und der darauf abgestimmten technischen Unterstützung kombinieren wir für Sie unser umfassendes Know-how, langjährige Erfahrung und maßgeschneiderte Produktlösungen zu innovativen Dienstleistungen. 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Die elektromagnetische Induktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Feld einer Spule . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die technische Erzeugung von Magnetfeldern . . . . . . . . . . Die Grundlagen des Permanentmagnetismus . . . . . . . . . . . Die Ausprägungen des Magnetismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die magnetische Hysterese B(H)-Kennlinie . . . . . . . . . . . . . Die Magnetisierungskennlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Temperaturabhängigkeit der Magnetisierung . . . . . . . . Dauermagnetische Werkstoffe Herstellungsverfahren, Eigenschaften, Gefahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Atommodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zeitliche Entwicklung der Werkstoffe . . . . . . . . . . . . . . . . . Grundbegriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Definitionen und Einheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das B-H-Diagramm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die aktuellen Magnetwerkstoffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . AlNiCo-Werkstoffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der keramische Werkstoff ‚Hartferrit‘ (HF) . . . . . . . . . . . . . RECo-Werkstoffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . REFeB-Werkstoffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Magnetgummi auf Kautschukbasis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . <?page no="10"?> 2.4 77 2.4.1 78 2.4.2 80 2.5 84 2.5.1 84 2.5.2 85 2.5.3 85 2.5.4 89 2.5.5 91 2.6 93 2.6.1 93 2.6.2 95 2.6.3 98 2.6.4 101 2.7 104 2.8 107 3 111 3.1 111 3.1.1 111 3.1.2 115 3.2 117 3.3 121 3.3.1 121 3.3.2 124 3.3.3 124 3.3.4 125 3.3.5 125 3.3.6 127 3.4 128 3.4.1 128 3.4.2 132 3.4.3 133 3.5 135 Das L/ D-Verhältnis bei Sensormagneten . . . . . . . . . . . . . . . Die Berechnung der Steigung der Arbeitsgeraden . . . . . . . Die Berechnung der Feldstärke von Sensormagneten . . . . Sicherheitshinweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verpackung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sicherheitsrichtlinien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Grenzwerte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beispiele und Tabellen: . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Grenzwertbetrachtungen: . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gesundheitsrisiken beim Umgang mit Dauermagneten . . . Die „Spielzeugrichtlinie“ nach DIN EN 71-1: 2018-12 Kapitel 4.23 „Sicherheit von Spielzeug“ + Anhang 51 . . . . . . . . . . . Einteilung der magnetischen Strahlung . . . . . . . . . . . . . . . . Physikalische Daten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Grenzfelder im ELF-Bereich (extreme low frequency) . . . . Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kunststoffgebundene Magnete . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Reduktion magnetischer Eigenschaften in gebundenen Werkstoffen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bedeutung kunststoffgebundener Materialien . . . . . . . . . . . Werkstoffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Herstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Spritzguss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Formpressen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vulkanisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Extrusion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kalandrierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3D-Druck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anwendungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anwendung von kunststoffgebundenen Magneten in der Sensorik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Haftanwendungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kleinmotoren und -generatoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Magnetisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 Inhalt <?page no="11"?> 3.6 136 3.7 139 3.8 142 4 145 4.1 145 4.1.1 148 4.1.2 160 4.1.3 174 4.2 176 4.2.1 176 4.2.2 178 4.2.3 183 4.2.4 185 5 187 5.1 187 5.1.1 188 5.1.2 189 5.1.3 191 5.1.4 194 5.1.5 195 5.2 202 5.2.1 204 5.2.2 204 5.2.3 215 5.2.4 218 5.2.5 220 6 233 6.1 233 6.1.1 233 6.1.2 235 6.1.3 237 Magnetische Qualifizierung / Qualitätssicherung . . . . . . . . Feldberechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Elektroband für energietechnische Anwendungen: Motoren, Generatoren, Transformatoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Grundlagen weichmagnetischer Werkstoffe für elektrische Maschinen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Elektrobanddesign . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Magnetische Eigenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Weichmagnetische Werkstoffalternativen . . . . . . . . . . . . . . Anwendungsoptimierte Werkstoffauswahl . . . . . . . . . . . . . Anforderungsspezifikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Materialmodellbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fallbeispiel einer gezielten Elektrobandauswahl . . . . . . . . . Fazit und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Magnetische Messtechnik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Weichmagnetische Messtechnik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kennwerte der Hystereseschleife . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fehlerbilder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aufbau eines Hysteresegraphen: . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einstellbare Kurvenverläufe der Polarisation . . . . . . . . . . . Gebräuchliche Sensoren für weichmagnetische Hysteresegraphen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hartmagnetische Messtechnik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Arbeitspunktbezogene Messungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Messungen mit dem Fluxmeter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Messungen mit einem Magnetometer . . . . . . . . . . . . . . . . . . Messung der Feldverteilung eines Magnetsystems . . . . . . . Messung der gesamten Hysteresekurve . . . . . . . . . . . . . . . . Magnetisiertechnologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sättigungsverhalten verschiedener Magnete . . . . . . . . . . . . Sättigungskurve . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nukleation / Pinning . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Magnetsorten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Inhalt 7 <?page no="12"?> 6.2 237 6.3 241 6.3.1 241 6.3.2 241 6.3.3 242 6.3.4 244 6.3.5 247 6.4 248 6.4.1 250 6.4.2 251 6.4.3 252 6.4.4 254 6.4.5 255 6.5 256 6.5.1 257 6.6 260 261 Magnetisierung in der Prozesskette: . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Magnetisiergeräte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Permanentmagnet-Magnetisierjoch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . DC-Elektromagnetisierjoch: . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Impulsmagnetisiergeräte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Grundschaltungen eins Impulsmagnetisiergerätes . . . . . . . Konfigurationsmöglichkeiten der Impulsmagnetisiergeräte: . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Elektrische Magnetisierspulen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Axialspulen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Radiale Magnetisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mehrpolige radiale Spulen für permanentmagnet-erregte Innenläufer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mehrpolige radiale Rotorenspulen für Außenläufer . . . . . Axiale mehrpolige Rotorenspulen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kalibriergeräte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einschränkungen: . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Register . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 Inhalt <?page no="13"?> STUDIENINHALTE > Methoden und Techniken im Bereich der Eingebetteten Systeme und Magnetischen Systeme, einschließlich der dazugehörigen Steuerungs- und Regelungstechnik in So - und Hardware > Zusammenhänge innerhalb von technischen Systemen erkennen und konstruieren > Zukun stechnologien in Kooperation mit den regionalen Industriepartnern kennen lernen Weitere Informationen Tel.: +49 7940 1306-158 E-Mail: mee@hs-heilbronn.de hs-heilbronn.de/ de/ mee STUDIENSCHWERPUNKTE 1. Elektromagnetische Systeme (EMS) oder 2. Automatisierungstechnik (AT) Die Studiendauer beträgt drei Semester, wobei die ersten beiden an der Hochschule absolviert werden und das dritte der Erstellung der Master-Thesis dient. Master in Teilzeit oder Berufsbegleitend möglich. Kontakt Hochschule Heilbronn Reinhold-Würth-Hochschule Campus Künzelsau Daimlerstraße 22 | 74653 Künzelsau BEWERBUNGS- SCHLUSS > 15. Juli zum WiSe > 15. Januar zum SoSe ELEKTROTECHNIK MASTER OF SCIENCE (M.SC.) <?page no="15"?> Vorwort In der heute so hochmodernen Technik der Industrieländer ist einem nicht technisch geschulten Anwender oftmals nicht bekannt, wie etwas im Detail funktioniert. Der ständig zunehmende Einsatz von Elektronik, Sensortechnik und Magnettechnik lässt den funktionalen Zusammenhang oft im Dunkeln. Die Funktion scheint wie von unsichtbaren Kräften, wie von Geisterhand abzulaufen. Magnete haben einen bedeutenden Anteil an dieser Automatisierungstechnik, obwohl wir ihre Funktion kaum bewusst wahrnehmen, da die Feldlinien unsichtbar und im Verborgenen arbeiten. Dem Leser diese geheimnisvolle Wirkung und Funktionsweise näher zu bringen, ist Aufgabe dieses Buches. Dazu werden die Grundlagen des Magnetismus mit den zughörigen Grundgleichungen, die aktuellen Dau‐ ermagnetwerkstoffe, die weichmagnetischen SiFe-Verbindungen in ihrer Wirkung durch das Magnetfeld, die grundlegenden Berechnungen des magnetischen Kreises sowie die Möglichkeiten der Magnetisierung und der dazugehörigen Messtechnik vorgestellt. Die weitaus größte Stückzahl von Magneten wird in der Automobilin‐ dustrie eingesetzt, denn gerade hier ist eine verschleißfreie Messung von Längen und Drehwinkeln unabdingbar. Die innovative Kraft dieser Produk‐ tion ist besonders hervorzuheben, sowohl im Investitionsgüterbereich als auch bei der Serienanwendung. Hier sind aktuell die Elektromotoren ein Ansporn zu neuen Entwicklungen. Neue Werkstoffe und Herstellungsverfahren tragen dem Rechnung. Der zweite große Sektor in der Anwendungstechnik ist die metallverarbeitende Industrie. An dritter Stelle ist die Automatisierungstechnik zu erwähnen, sofern es sich um ferromagnetische Produkte im Handlungsbereich handelt. Dieses Grundlagenwerk richtet sich an alle Leser, die erste Erfahrungen mit dem Umfeld der Magnettechnik sammeln möchten. Mein besonderer Dank gilt den Co-Autoren, die maßgeblich zum Gelingen dieses Buches beigetragen haben, sowie dem expert verlag, der das Erschei‐ nen überhaupt erst ermöglicht hat. Werne, im November 2024 Wilhelm Cassing <?page no="17"?> 1 Grundlagen des Magnetismus L. Rensing 1.1 Die historische Entwicklung Erste magnetische Phänomene wurden in China ca. 2000 v. Chr. entdeckt. Dortige Seeleute nutzten schon sehr früh schwimmende Splitter von Mag‐ netit (Fe 3 O 4 ) als Kompass, genannt „Südweiser“. Durch die schwimmende Lagerung wurden diese natürlich vorkommenden Dauermagnete bereits mit geringen Kräften in eine Nord-Süd-Richtung ausgelenkt. Die Navigation mit Hilfe eines Kompasses ermöglichte eine Navigation abseits der Küstenlinien oder bei eingeschränkter Sicht. Mit den Kreuzzügen kam die Verwendung des Kompasses nach Europa. Vermutlich haben die Wikinger dieses Prinzip schon lange vorher genutzt. Erst William Gilbert (1544 bis 1603) beschreibt die Erde als Magneten mit zwei Polen. In der Folge wurde es ruhiger um Entdeckungen auf dem Gebiet des Magnetismus. Erst im 19. Jahrhundert befassten sich zahlreiche Forscher und Wissenschaftler mit der damals noch neuen Elektrotechnik. Schnell wurde erkannt, dass ein Zusammenhang zwischen Elektrotechnik und Magnetismus besteht. Im Folgenden eine Auswahl an Personen und deren Entdeckungen. Im Jahr 1820 entdeckte Hans Christian Ørsted die magnetische Wirkung des elektrischen Stroms. Bei einem Experiment zur Elektrizität bemerkte er eine sich bewegende Kompassnadel, sobald ein Strom durch seine Ver‐ suchsapparatur floss. Jean-Baptiste Biot und Félix Savart formulieren 1820 das Biot-Savart-Ge‐ setz. Es beschreibt das Magnetfeld elektrischer Ladungen. André-Marie Ampère entdeckte ebenfalls 1820 die Kraftwirkung zwi‐ schen zwei stromdurchflossenen Leitern. 1831 erkannte Michel Faraday das mit magnetischen Feldern ein elek‐ trischer Strom generiert werden kann. Er legte die Grundlagen für das Induktionsgesetz. 1833 stellte Emil Lenz die Lenz’sche Regel auf. Diese Regel besagt, dass die Richtung der induzierten Ströme deren Ursache entgegengesetzt ist. <?page no="18"?> Um 1850 wandte William Thomson (Lord Kelvin) die Thermodynamik auf die kurz zuvor von Faraday gemachten Entdeckungen zum Induktionsgesetz an und beschreibt die Permeabilität und die Suszeptibilität. 1864 veröffentlicht James Clerk Maxwell die nach ihm benannten Max‐ wellgleichungen. Diese beschreiben den Zusammenhang zwischen elek‐ trischen und magnetischen Feldern und deren Wechselwirkung mit der Materie. Edwin Hall veröffentlicht 1879 ein Phänomen, bei dem ein stationäres Magnetfeld eine elektrische Spannung quer zur Stromrichtung hervorruft, die nach ihm benannte Hall-Spannung mit dem Hall-Effekt. Viele weitere Entdeckungen säumten die folgenden Jahre. Hervorzuhe‐ ben ist die Entdeckung des GMR-Effektes im Jahr 1988 durch Albert Fert und Peter Grünberg. Erste praktische Anwendungen für den Magnetismus und besonders den Elektromagnetismus wurden mit der Telegrafie geschaffen. Im Jahr 1833 legen Gauß und Weber mit einem Telegrafen die Grundlagen der modernen Telekommunikation. Unter Anwendung des Induktionsgesetzes nach Michael Faraday entwi‐ ckelte Werner von Siemens im Jahr 1866 eine erste Dynamomaschine. Bereits 1860 konstruiert Antonio Pacinotti einen Generator, der auch als Motor zu verwenden war. Mit der Entwicklung der Telegrafie und der Erzeugung von elektrischem Strom durch einen Generator begann in den folgenden Jahren eine rasante Elektrifizierung der Welt. Elektrisches Licht setzte sich durch. Eisenbahnen und Straßenbahnen wurden elektrifiziert. Die Telegrafie und später die Telefonie ermöglicht eine schnelle und direkt Kommunikation über große Entfernungen. Mit der Entwicklung der ersten Computer wurde Mitte des 20. Jahrhun‐ derts eine neue Tür für den Magnetismus geöffnet. Beginnend bei Ringkern‐ speichern über die Verwendung der damals schon bekannten magnetischen Bandspeicher bis hin zu Disketten als Speichermedium. Disketten wurden in den folgenden Jahren von Festplattenlaufwerken abgelöst. Die Entde‐ ckung des GMR-Effektes im Jahr 1982 ermöglichte in der Anwendung eine signifikante Erhöhung der Informationsdichte auf einer Festplatte. Erste Festplatten, die den GMR-Effekt nutzten, wurden Ende der 1990er Jahre auf dem Markt gebracht. Diese waren bei gleicher Speicherkapazität deutlich kleiner als vorherige Modelle. 12 1 Grundlagen des Magnetismus <?page no="19"?> 1.2 Die Erzeugung eines Magnetfeldes Anhand eines stromdurchflossenen Leiters erkannte schon Hans Christian Ørsted im Jahr 1820 seine Wirkung auf eine in der Nähe befindliche Kompassnadel. Dieser stromdurchflossene Leiter ist stets von einem ring‐ förmigen Magnetfeld umgeben. In Abbildung 1 sind die magnetischen Feldlinien durch Eisenfeilspäne sichtbar gemacht worden. Abb. 1: Magnetfeld um einen stromdurchflossenen Leiter (Maciej J. Mrowinski (https: / / co mmons.wikimedia.org/ wiki/ File: Magnetic_field_around_wire.jpg), https: / / creativecommon s.org/ licenses/ by-sa/ 4.0/ legalcode) Die Richtung der Feldlinien kann man sich unter Verwendung der „Rech‐ ten-Hand-Regel“ einfach merken. Umfasst man den Leiter mit seiner rechten Hand so, dass der ausgestreckte Daumen in Richtung des Stromflusses (technische Stromrichtung) zeigt, dann zeigen die gekrümmten Finger den Verlauf und die Richtung des Stromflusses. 1.2 Die Erzeugung eines Magnetfeldes 13 <?page no="20"?> Abb. 2: Rechte-Hand-Regel (Quelle: Jfmelero (https: / / commons.wikimedia.org/ wiki/ File: Ma noderecha.svg), https: / / creativecommons.org/ licenses/ by-sa/ 4.0/ legalcode) 1.3 Das Ampère’sche Gesetz zur Beschreibung des Feldes eines Leiters Das Magnetfeld eines stromdurchflossenen Leiters wird im Ampère’schen Gesetz beschrieben. Es wird ein Bezug zwischen dem Strom I durch eine Fläche und das dabei erzeugte Magnetfeld B bzw. H geschaffen. ∮ S B⃗ • ds⃗ = µ 0 • I bzw. ∮ S H • d s = I Mit µ 0 = 4π • 10 −7 V s Am als magnetische Permeabilität des Vakuums und d s als ein infinitesimales, orientiertes Teilstück der geschlossenen Kurve S. Es besagt, dass das magnetische Feld B proportional zum Strom I ist. 1.4 Die elektromagnetische Induktion Während das Ampère’sche Gesetz die Erzeugung von Magnetfeldern und deren Stärke beschreibt, beschreibt die elektromagnetische Induktion die Erzeugung einer elektrischen Spannung U durch ein sich änderndes Ma‐ gnetfeld dϕ je Zeiteinheit dt. 14 1 Grundlagen des Magnetismus <?page no="21"?> U = − dϕ dt In der obigen Schreibweise erkennt man, dass die Höhe der induzierten Spannung proportional zur Änderung des Magnetfeldes und antiproportio‐ nal von der Zeitdauer der Änderung abhängig ist. Das Ampère’sche Gesetz und die elektromagnetische Induktion sind die technologische Grundlage aller elektromagnetischen Maschinen. 1.5 Das Feld einer Spule In den meisten Fällen sind die Magnetfelder eines einzelnen Leiters nicht ausreichend für die jeweilige Anwendung. Wickelt man den Leiter zu einer Spule auf, lassen sich deutlich größere Felder erzeugen. Die Stärke des Feldes ist dabei proportional zur Anzahl der Windungen n und zum Strom I. H = I • n l bzw. B = µ 0 I • n l Mit der magnetischen Durchflutung ϴ = I • n in der Einheit A In Abbildung 3 sind die Feldlinien einer Zylinderspule dargestellt. Abb. 3: Magnetfeld einer Zylinderspule (Quelle: Svjo (https: / / commons.wikimedia.org/ wiki/ File: Solenoid-6.jpg), „Solenoid-6“, http s: / / creativecommons.org/ licenses/ by-sa/ 3.0/ legalcode) 1.5 Das Feld einer Spule 15 <?page no="22"?> Um die Pollage einer Spule zu bestimmen, kann erneut die Rechte-Hand-Re‐ gel angewandt werden. Dabei umfasst die rechte Hand die Spule und die gekrümmten Finger zeigen in Richtung des Stromflusses. Der abgespreizte Daumen zeigt dann in Richtung des Nordpoles der Spule (siehe Abbildung 4). Abb. 4: Rechte-Hand-Regel zur Bestimmung der Pollage (Quelle: anonym (https: / / commo ns.wikimedia.org/ wiki/ File: Coil_right-hand_rule.svg), „Coil right-hand rule“, als gemeinfrei gekennzeichnet, Details auf Wikimedia Commons: https: / / commons.wikimedia.org/ wiki/ T emplate: PD-self) Neben der Anzahl der Windungen und der Stromstärke kann das Magnetfeld einer Spule auch durch geeignete Materie im Spulenkern beeinflusst werden. In einer Luftspule bzw. im Vakuum ist nur die relative Permeabilität des Vakuum µ r zu berücksichtigen: B = µ 0 • H Befindet sich Materie in der Spule, ist deren relative Permeabilität µ r zu berücksichtigen. Diese materialspezifische Zahl ist einheitenlos. B = µ 0 • µ r • H 16 1 Grundlagen des Magnetismus <?page no="23"?> Material µ r Nickel < 1000 Kobalt < 200 Eisen < 10.000 Stahl < 1500 Tab. 1: Ausgewählte relative Permeabilitäten ferritischer Stoffe und Materialien 1.6 Die technische Erzeugung von Magnetfeldern Unterschiedliche technische Anwendungen erfordern unterschiedlich große Magnetfelder. Die einfachste Form einer Spule mit der Windungszahl eins ist eine Drahtschleife zur Erzeugung kleiner Felder. Mit größerer Win‐ dungszahl werden auch die erreichbaren Felder proportional größer. Um die Baulänge oder auch Wicklungslänge zu begrenzen, werden Spulen häufig mehrlagig gewickelt. Eine Sonderform der Spulen sind Helmholtzspulen (s. Abb. 5). Diese werden verwendet zur Erzeugung eines homogenen Feldes in dem Raum zwischen den beiden Spulen. Der Abstand der Spulen ist gleich dem Radius einer Einzelspule. Neben der Erzeugung von Magnetfeldern werden Helmholtzspulen häufig für Messanwendungen verwendet. Abb. 5: Helmholtzspulenanordnung (Quelle: Jakob Enevoldsen (https: / / commons.wikimedia. org/ wiki/ File: Helmholtz_coil.svg), https: / / creativecommons.org/ licenses/ by-sa/ 4.0/ legalcode) 1.6 Die technische Erzeugung von Magnetfeldern 17 <?page no="24"?> Zur Erzeugung größerer Felder werden Eisenkerne in den Zylinderspulen genutzt. Durch Verwendung von Polschuhen und Spulenkernen aus einer Eisen-Kobalt-Legierung sind Flussdichten bis etwa 2,5 T realisierbar. Weit größere Felder lassen sich mit Spulen aus Supraleitern oder Bittermagneten (Abb. 6) erreichen. Damit sind Flussdichten von über 30T möglich. Aller‐ dings ist bei Supraleitern eine sehr niedrige Temperatur des Leitermaterials erforderlich. Diese beträgt etwa 4K (-273 °C) oder bei metallischen Hoch‐ temperatursupraleitern etwa 77K (-196-°C). Besonders die Bittermagnete, entwickelt in den 1930er von Francis Bitter, sind heute häufig in Magnetisierspulen im Einsatz. Sie sind aufgebaut aus vielen Lagen Kupferscheiben mit dazwischen liegenden Isolierschichten. Der Strom fließt schraubenförmig durch diese Anordnung. Aufgrund der großen Kupferflächen kann die erzeugte Wärmeenergie sehr gut abgeführt werden. Abb. 6: Kupferscheibe einer Bitterspule (Quelle: PeterFrankfurt (https: / / commons.wikime dia.org/ wiki/ File: Bitter_electromagnet_disk.jpg), „Bitter electromagnet disk“, https: / / creat ivecommons.org/ publicdomain/ zero/ 1.0/ legalcode) 18 1 Grundlagen des Magnetismus <?page no="25"?> Abb. 7: Schematischer Aufbau eines Bitter-Magneten (Quelle: High Field Magnet Lab Radboud University Nijmegen (NL), (https: / / www.ru.nl/ hfm l/ research/ bitter-solenoid-magnet-explained/ ) 1.7 Die Grundlagen des Permanentmagnetismus Beim Permanentmagnetismus handelt es sich um einen quantenmechanischen Effekt, der z. B. am Atommodel nach Niels Bohr vereinfacht erklärt wer‐ den kann. Er beschreibt die Atome mit den negativ geladenen Elektronen (e - ) die den mehrfach positiv geladenen Atomkern (p + ) auf verschiedenen Ebenen (Schalen) umkreisen. Diese bewegten Ladungsträger erzeugen einen Bahnstrom und damit ein eigenes magnetisches Feld (Dipol). Es gelten die Grundsätze des oben beschriebenen Ampère’schen Gesetzes. Die Elektronen rotieren dabei nicht nur um den Atomkern, sondern auch um sich selbst. Diese Eigenrotation, genannt Spin, erzeugt ein eigenes Magnetfeld des Elektrons. Die Drehrichtung des Spins kann zwei unterschiedliche Richtungen annehmen: „Spin up“ oder „Spin down“. Durch Überlagerung der unterschiedlichen ma‐ gnetischen Momente aus dem Bahnstrom und den Elektronenspins stellt sich 1.7 Die Grundlagen des Permanentmagnetismus 19 <?page no="26"?> beim Ferromagnetismus ein resultierendes magnetisches Moment des Atoms ein. Zeigen benachbarte Atome ein identisches Verhalten mit einer gleichen Richtung des eigen magnetischen Momentes, ist der permanente Magnetismus auch makroskopisch durch ein magnetisches Moment nachweisbar. Abb. 8: Schematische Darstellung eines Elektrons auf seiner Bahn (Schale) 1.8 Die Ausprägungen des Magnetismus Alle Stoffe zeigen ein spezifisches Verhalten im Einfluss eines Magnetfeldes, auch wenn der allgemeine Sprachgebrauch nur zwischen magnetischer und nicht magnetischer Materie unterscheidet. Als magnetisch werden im Allgemeinen nur ferromagnetische und ferrimagnetische Stoffe erkannt. Die „nicht magnetisch“ oder „amagnetisch“ gekennzeichneten Stoffe, z. B. aus‐ tenitischer Stahl, zeigen auch ein spezifisches, wenn auch geringes Verhalten in einem Magnetfeld. Bei hinreichend großen Felder oder entsprechend empfindlicher Sensorik ist auch hier ein Effekt messbar. Zu unterscheiden sind die zwei grundsätzlichen Phänomene des Diamag‐ netismus und des Paramagnetismus. Diamagnetismus Beim Diamagnetismus bildet sich beim Anlegen eines äußeren Feldes ein Magnetfeld im Innern aus. Dieses interne Feld B i ist dem äußeren Feld B a 20 1 Grundlagen des Magnetismus <?page no="27"?> entgegengesetzt und hat das Bestreben die Feldlinien des externen Feldes aus dem inneren Material zu verdrängen. Abb. 9: Diamagnetischer Stoff im B-Feld Diamagnetische Werkstoff haben eine relative Permeabilität µ r leicht unter‐ halb von 1. Lediglich Supraleiter haben zum Zeitpunkt der supraleitenden Eigenschaft ein µ r = 0. Sie sind dann ideale diamagnetische Werkstoffe und in Ihrem Inneren frei von Magnetfeldern. Lediglich in eine minimale äußere Randschicht kann ein externes Magnetfeld eindringen. Weitere diamagnetische Materialien sind z.-B. Kupfer, Gold, Silber und Wasser. Paramagnetismus Beim Paramagnetismus bildet sich ein internes Feld in gleicher Richtung zum externen Feld aus. Dadurch wird das externe Feld verstärkt. Abb. 10: Paramagnetischer Stoff im B-Feld 1.8 Die Ausprägungen des Magnetismus 21 <?page no="28"?> Paramagnetische Werkstoff haben eine relative Permeabilität µ r leicht oberhalb von eins. Paramagnetische Materialien sind z. B. Aluminium, Magnesium und Platin. Alle anderen magnetische Effekte sind Erscheinungsformen des kollekti‐ ven Magnetismus. Ferromagnetismus Von großer technischer Bedeutung und zugleich die bekannteste Ausprä‐ gung ist der Ferromagnetismus. Dessen Werkstoffe weisen bei Raumtem‐ peratur ein µ r von deutlich größer 1 bis zu >100.000 auf. Im externen Magnetfeld richten sich alle atomaren Momente parallel zueinander und parallel zum externen Feld aus. Das Feld wird verstärkt und der ferroma‐ gnetische Körper erscheint nach außen als Magnet. Antiferromagnetismus Beim antiferromagnetischen Stoff zeigen die benachbarten magnetischen Momente auf atomarer Ebene stets in die entgegengesetzte Richtung. Da der Betrag der einzelnen Momente gleich groß ist, heben sich die Momente gegenseitig auf. Das Material erscheint nach außen unmagnetisch. Ferrimagnetismus Beim Ferrimagnetismus sind ähnlich wie beim Antiferromagnetismus be‐ nachbarte Momente entgegengesetzt. Die einzelnen Momente sind unter‐ schiedlich groß und heben sich dadurch nur unvollständig auf. Dadurch erscheint der Stoff nach außen magnetisch. Diese Form des Magnetismus tritt nicht in einem reinen Stoff, sondern immer nur in Legierungen auf. Ein bekanntes Beispiel ist Magnetit (Magneteisenstein). Es handelt sich dabei um Fe 3 O 4 . Der Eisenanteil besteht dabei aus Fe 2+ und Fe 3+ . Dessen un‐ terschiedliches magnetische Moment heben sich nicht vollständig auf. Der Stoff erscheint makroskopisch als Magnet. Ein bekanntes ferrimagnetische Material sind Hartferritmagnete Zusammenfassend zeigt die Abb. 11 das grundsätzliche Verhalten von ferromagnetischer (µ f ), paramagnetischer (µ p ) und diamagnetischer (µ d ) Materie in einem Feld H. Es ist als Vergleich die Kurve (µ 0 ) für das Vakuum mit dargestellt. Es gilt: B = µ 0 • µ r • H 22 1 Grundlagen des Magnetismus <?page no="29"?> Abb. 11: Vergleich der magnetischen Permeabilität (Quelle: Zureks (https: / / commons.wiki media.org/ wiki/ File: Permeability_by_Zureks.svg), „Permeability by Zureks“, als gemeinfrei gekennzeichnet, Details auf Wikimedia Commons: https: / / commons.wikimedia.org/ wiki/ T emplate: PD-self) 1.9 Die magnetische Hysterese B(H)-Kennlinie Die B(H)-Kennlinie oder auch B(H)-Kurve zeigt das Verhalten von Material in einem externen Magnetfeld. Dieses lässt sich einfach mit einer Spule mit Windungszahl n erklären. In der Mitte der Spule wird eine Hallsonde zur Messung der Flussdichte B positioniert. Befindet sich kein Material bzw. Vakuum in der Spule ist B = µ 0 ·H in A/ m bzw. kA/ m. Streng genommen gilt dieser Zusammenhang nur für Messungen im Vakuum. Für den täglichen Gebrauch kann bei vielen Betrachtungen das µ r von Luft als 1 angenom‐ men werden. Dadurch werden Messungen und Berechnungen deutlich vereinfacht. Man sieht das B und H nur durch den Umrechnungsfaktor µ 0 miteinander verbunden sind. Bestromt man nun die oben beschriebene Spule der Länge l mit einem stetig steigenden Gleichstrom I, so steigt linear zur Feldstärke H auch die Flussdichte B. B = µ 0 • H mit µ 0 = 4π • 10 −7 V s/ Am H = I • n l 1.9 Die magnetische Hysterese B(H)-Kennlinie 23 <?page no="30"?> Abb. 12: Luftspule mit Hallsonde an einer veränderbaren Stromquelle Abb. 13: B(H)-Kurve der Luftspule In der in Abb. 13 dargestellten Kurve wird dieser lineare Zusammenhang zwischen der Feldstärke H und der Flussdichte B deutlich. 24 1 Grundlagen des Magnetismus <?page no="31"?> 1.10 Die Magnetisierungskennlinie Wird nun zusätzlich magnetisierbares Material in die Spule gelegt, wie in Abb. 14, zeigt sich ein anderes Verhalten. Dieses Material hat vorher makroskopische unmagnetisiert zu sein. Abb. 14: Spule mit Material und Hallsonde an einer veränderbaren Stromquelle Abb. 15: B(H)-Kurve der Spule mit ferro- oder ferrimagnetischem Material 1.10 Die Magnetisierungskennlinie 25 <?page no="32"?> Wird nun der Strom kontinuierlich erhöht, so ergibt sich eine Kurve wie in Abb. 15 zu sehen. Dort ist die Magnetierungskurve eines Hartferritmagneten dargestellt. Die Flussdichte B folgt zunächst der Vakuumkurve um dann je nach Material steil anzusteigen. Anschließend nähert sich die Kurve einer Linie, parallel zur Vakuumkurve, an. Dieser Bereich der Kurve wird Neu‐ kurve genannt und nur bei völlig unmagnetisiertem Material durchlaufen. Folgt die Kurve der parallelen Vakuumkurve, ist das Material magnetisch gesättigt. Dieser erste Quadrant der Magnetisierungskurve wird bei der überwiegenden Anzahl von Dauermagneten nur einmal, beim Magnetisie‐ ren durchlaufen. Nach dem Abklingen des externen Feldes, bzw. umkehren der Stromrichtung folgt das Material der Magnetisierungskurve in den 2. Quadranten. Im 2. Quadranten, auch Entmagnetisierungskennlinie genannt, befindet sich der sogenannte Arbeitsbereich von Dauermagneten. Bei ferromagnetischem Material sind auf kristalliner Ebene die Elementarmag‐ nete in einzelnen Bereichen oder Domänen angeordnet. Diese auch Weiss’sche Bezirke genannten Domänen sind separat betrachtet, magnetisch orientiert. Liegt ein externes Feld an, folgen diese Elementarmagnete dem externen Feld. Sind bei größer werdendem Feld zwei benachbarte Domänen identisch orientiert, verschieben sich die Trennwände zwischen den Domänen. Diese sogenannte Blochwandverschiebung innerhalb einer Domäne erfolgt sprung‐ artig und wird Barkhausen-Sprung genannt. Nimmt man diese Sprünge z. B. induktiv auf, kann man sie hörbar machen als Barhausenrauschen. In der zer‐ störungsfreien Materialprüfung wird dieses Phänomen technisch verwendet, um Materialgüten und Werkstoffe zweifelsfrei zu unterscheiden. Abb. 16: Weiss’sche Bezirke im externen Feld (Quelle: MikeRun (https: / / commons.wikim edia.org/ wiki/ File: Growing-magnetic-domains.svg), https: / / creativecommons.org/ licenses / by-sa/ 4.0/ legalcode) 26 1 Grundlagen des Magnetismus <?page no="33"?> In der folgenden Abb. 17 schauen wir uns einige markante Punkte im Detail an einem Hartferritmagneten vom Typ HF28/ 26 an. Da diese Kurve für jeden Magnetwerkstoff und jedes magnetisierbare Material unterschiedlich und damit charakteristisch ist, wird sie auch Magnet- oder Materialkennlinie genannt. Auffällig ist, dass in dem Diagramm in Abb. 15 zwei Kurven dargestellt sind. Die B-Kurve der Flussdichte und die J-Kurve der Polari‐ sation. Die in blau dargestellte B-Kurve zeigt die Flussdichte B über der Feldstärke H. Die in orange dargestellte J-Kurve zeigt nur die Polarisation J des Materials. Es handelt dabei sich um die B-Kurve, reduziert um den Anteil der Luftflussdichte. J = B − µ 0 • H Abb. 17: Magnetisierungskurve eines Hartferrit HF28/ 26 1.10 Die Magnetisierungskennlinie 27 <?page no="34"?> Punkt 1 H Sät Sättigungsfeldstärke Punkt 2 B r Remanenzflussdichte Punkt 3 H c Koezitivfeldstärke Punkt 4 s. Punkt 1 - Punkt 5 s. Punkt 2 - Punkt 6 s. Punkt 3 - Tab. 2: Markante Punkte einer Magnetisierungskurve Beginnt man die Magnetisierung des Magneten im unmagnetisierten Zu‐ stand, startet die Kurve im Nullpunkt des Koordinatensystems. Mit größer werdender Feldstärke H richten sich die Elementarmagnete auf mikroskopi‐ scher Ebene immer stärker parallel zum externen Feld aus. Die Trennwände zwischen den mikroskopischen Elementarmagneten verschieben sich. Wird die Feldstärke erhöht bis zum Punkt 1, der Sättigungsfeldstärke H Sät , sind alle Elementarmagnete ausgerichtet und die Kurve steigt bei weiterer Erhöhung der Feldstärke H nur noch mit B = µ 0 • H . Der Magnet ist vollständig magnetisiert. Verringert man die Feldstärke H bis auf null, erreicht man den Remanenzpunkt B r (Punkt 2). Bei umgekehrter Stromrichtung oder ausgeschaltetem Strom folgen wir der Kurve weiter in den 2. Quadranten. Dieser 2. Quadrant oder auch Entmagnetisierungskurve beschreibt das Arbeitsumfeld eines jeden Magneten nach erfolgter Magnetisierung. Wird die negative Feldstärke H weiter erhöht (in Richtung -H), knickt die Kurve im sogenannten Kniepunkt ab. Bei einer geringfügig höheren negativen Feldstärke H wird im Schnittpunkt mit der Achse der Feldstärke H die Koerzitivfeldstärke (Punkt 3) erreicht. Erreicht die blaue B-Kurve die Ko‐ erzitivfeldstärke H cb , ist der Magnet nach außen nicht mehr magnetisch. Erreicht die orange dargestellte J-Kurve diesen Punkt, ist der H cj -Punkt erreicht. In diesem Punkt hat die innere Polarisation J des Magneten null erreicht, der Magnet ist entmagnetisiert bzw. nicht mehr magnetisch. In Abbildung 17 ist die Magnetisierung anhand eines Hartferritmagneten beschrieben. Dieser wurde aufgrund der einfacheren Darstellung bei einer „breiteren“ Kurve gewählt. Selbstverständlich gilt diese Kurve auch für ferromagnetische Werkstoffe, die durch eine deutlich schmalere Kurve charakterisiert sind. 28 1 Grundlagen des Magnetismus <?page no="35"?> Die folgende Abbildung Abb. 18 zeigt verschiedene weich- und hartmagne‐ tische Werkstoffe. Weichmagnetische Werkstoffe lassen sich bereits bei ge‐ ringen Feldstärken ummagnetisieren, während hartmagnetische Werkstoffe einen ummagnetisierenden Feld einen gewissen Widerstand entgegenstel‐ len. Die Grenze zwischen diesen beiden großen Gruppen verläuft bei ca. 1-kA/ m. Abb. 18: Remanenz B r bzw. J S über die Koerzitivfeldstärke H c (Quelle: Andreas 06 - Sprich mit mir (https: / / de.wikipedia.org/ wiki/ Datei: Übersicht_Koerz itivfeldstärke.svg), „Übersicht Koerzitivfeldstärke“) 1.11 Die Temperaturabhängigkeit der Magnetisierung Sobald wir magnetisierbares Material und besonders Dauermagnete be‐ trachten, ist die Temperatur in allen Betriebszuständen zu berücksichtigen. Oberhalb der so genannten Curie-Temperatur verändern ferromagnetische und ferrimagnetische Werkstoffe ihr Verhalten. Sie werden zu paramagneti‐ schen Werkstoffen. Dieser Vorgang ist reversibel. Wird die Curie-Tempera‐ tur unterschritten, so zeigt sich wieder das ursprüngliche Verhalten. Tabelle 3 zeigt Curie-Temperaturen einiger ausgewählter Werkstoffe. 1.11 Die Temperaturabhängigkeit der Magnetisierung 29 <?page no="36"?> Werkstoff Curie Temperatur Eisen 768-°C Cobalt 1121-°C Nickel 360-°C NdFeB 310-°C SmCo 720-°C Hartferrite 450-°C AlNiCo 800-°C Tab. 3: Curie-Temperatur ausgewählter Werkstoffe (Quelle: W. Cassing, K. Kuntze, G. Ross: Dauermagnete: Mess- und Magnetisiertechnik, expert verlag, 2. Auflage 2015) Kommen Dauermagnete im magnetischen Kreis zum Einsatz, ist neben der Curie-Temperatur die maximale Einsatztemperatur unter Berücksichti‐ gung des magnetischen Kreises maßgeblich. Die maximale Temperatur der Dauermagnete liegt deutlich unterhalb der Curie-Temperatur und begrenzt somit die Maximaltemperatur der gesamten Anwendung. Oberhalb dieser Temperaturgrenze setzt eine irreversible Entmagnetisierung des Magneten ein. Für einige NdFeB-Güten liegt diese Temperatur unterhalb von 100 °C, während SmCo-Magnete auf bis zu 350-°C erwärmt werden dürfen. 30 1 Grundlagen des Magnetismus <?page no="37"?> 2 Dauermagnetische Werkstoffe Herstellungsverfahren, Eigenschaften, Gefahren Wilhelm Cassing Die Bedeutung von dauermagnetischen Werkstoffen ist gerade heute in der Zeit der aufstrebenden Elektromobilität von besonderer Bedeutung. Kenntnisse über die Herstellung und Verarbeitungsmöglichkeiten ge‐ ben Hinweise auf eventuelle Fehlerursachen. Den größten Beitrag zur Auslegung bzw. Optimierung liefert das Wissen um die magnetischen Kennwerte. Hier sind in erster Linie die modernen Werkstoffe, wie die Magnete aus seltenen Erden zu nennen, die jedoch teilweise Probleme in der Beschaffung verursachen und zum Teil kritische Elemente ver‐ wenden. Die Versorgungssicherheit mit den notwendigen Elementen sollte im Augenmerk des Entwicklers sein. Nicht zu vergessen sind die Gefahren im Umgang mit den modernen Magnetwerkstoffen aus Seltenen Erden. Werne, im Januar 2023 Wilhelm Cassing 2.1 Einleitung Permanentmagnete/ Dauermagnete finden durch die neuen Magnetwerk‐ stoffe der Selten-Erd-Gruppe, wie NdFeB (REFeB) und SmCo (RECo), neue Anwendungsfelder und damit weitere Einsatzgebiete. Immer häufiger wird es notwendig, auch für den Laien, Berechnungen von Permanentmagneten und permanentmagnetischen Kreisen zumindest oberflächlich durchzuführen. Hierbei hat man es in aller Regel nicht nur mit den ‚losen Magneten‘ zu tun, sondern mit einem Magnetkreis, der in seiner Anwendung oftmals mit einem elektrischen Feld in Wechselwirkung tritt. Die Berechnung von Magnetkreisen soll in diesem Beitrag nicht im Mittelpunkt stehen, sondern die Vermittlung der Kenntnisse über die verschiedenen Magnetwerkstoffe und ihre Kenndaten. Für die Berechnung des Magnetkreises ist auf weiter‐ führende Literatur im Anhang hingewiesen. Lediglich der ‚offene Kreis‘, wie <?page no="38"?> er bei Sensormagneten weitgehend auftritt, soll näherungsweise behandelt werden. 2.1.1 Das Atommodell Auf diesem Gebiet leistete N. Bohr Pionierarbeit, der die Funktion der Elektronen erkannte und somit die kleinsten Ladungsträger gefunden hatte. Nach seinem Modell (Schalenmodell mit den Hauptschalen: K, L, M, N, mit den Unterschalen: s, p, d, f etc.) kreisen die negativ geladenen Elektronen (e-) auf kreisförmigen Bahnen um einen mehrfach positiv geladenen Atomkern (p+). Durch diesen ‚Elementarstrom’ von e- wird ein magnetisches Feld aufgebaut. Da die e- jedoch nicht nur um den Atomkern kreisen, sondern auch um sich selbst (Eigendrehimpuls) - diese Eigenschaft wird ‚Spin‘ genannt - entsteht durch das e- selbst ein Magnetfeld (siehe Abb. 1). Abb. 1: Darstellung des Bahnmomentes und des Spins der Elektronen Die e- können sich links oder rechtsherum um sich selbst drehen, womit dann zwei Richtungen des Magnetfeldes möglich sind, nämlich ‚Spin up‘ und ‚Spin down‘. Da sich Magnetfelder überlagern können, entsteht noch eine Spin-Bahnkopplung, einmal durch die Eigenrotation des e- und zum anderen durch die Rotation des e- um den Atomkern. Wenn sich nun alle magnetischen Momente eines Atomkerns kompensieren, so erscheint das Atom nach außen hin neutral. Erst nachdem man diesen Zusammenhang verstanden hatte, konnte man durch die Wahl geeigneter Materialien - die 32 2 Dauermagnetische Werkstoffe Herstellungsverfahren, Eigenschaften, Gefahren <?page no="39"?> keine abgeschlossenen Atomhüllen besitzen und somit keine Kompensation der einzelnen magnetischen Momente - den Energieinhalt der Dauermag‐ nete steigern. Die ersten Dauermagnete entstehen mit dem Aufbau der 3d Nebengruppe (Übergangsmetalle). Der weitere Aufbau der Schalen erfolgt nach dem „Pauli-Prinzip“ und der „Hund’schen Regel“, so dass nach der 3d-Schale die 4d-, 4 f-, 5d- 5 f- Schalen folgen. Diese Ausnahme tritt an drei Stellen im Periodensystem der Elemente auf. 1. Gruppe der ‚Eisenelemente‘ (z.-B. Fe, Ni, Cu, Zn, Co, Mn): 3d-Schale 2. Gruppe der ‚Wertelemente‘ (z.-B. Pt, Zr, Cd): 4d-Schale 3. Gruppe der ‚Seltenen Erden‘ (z.-B. Nd, Pr, Sm, Dy, La): 4 f-Schale Bei diesen Elementen ist durch unvollständigen Schalenaufbau das Gesamt‐ moment eines Atoms ungleich null. 2.1.2 Zeitliche Entwicklung der Werkstoffe Von den Anfängen des Magnetismus (Kompass bei den Chinesen) bis ungefähr 1910 hat sich auf dem Gebiet der Werkstoffentwicklung von Dauermagneten nicht viel ereignet. Zunächst gab es die Kohlenstoff-Stähle, die mit Cr oder W härtbar waren. Es folgten 1917 die Co-haltigen Stähle. Aus dieser Zeit rührt die z. T. heute noch vorhandene Ansicht, den Magnetismus durch Schütteln und Klopfen wieder entfernen zu können. Die zeitliche Entwicklung ab 1900 ist in Abbildung 2 dargestellt. Die 1933 folgenden AlNi-Legierungen wiesen ebenfalls noch eine geringe Koerzitivfeldstärke auf, was erst 1936-1938 durch Hinzufügen von Co verbessert werden konnte, aber immer noch im Vergleich zu modernen Werkstoffen gering blieb. Der Vorteil dieser Legierungen liegt in dem geringen Temperaturkoeffizienten und in der Einsetzbarkeit bis zu hohen Temperaturen (bis 550-°C). 2.1 Einleitung 33 <?page no="40"?> Abb. 2: Entwicklung der Energiedichte der Magnetwerkstoffe seit 1900 Die moderne Zeit des Dauermagnetismus beginnt mit der Einführung der kobalthaltigen Stähle. Von 1930 an entspricht diese etwa einem „exponen‐ tiellen“ Verlauf, der sich inzwischen wieder linearisiert hat. Die AlNiCo-Legierungen in Verbindung mit einer speziellen Magnetfeld‐ behandlung (1940) brachten die ersten deutlichen Verbesserungen, wodurch die Werkstoffentwicklung einen starken Auftrieb erhielt. Ab 1950 kam Hartferrit (HF) als neuer Werkstoff hinzu, der sich als sehr kostengünstig erwies und durch seinen geringen Preis der Magnettechnik deutlich Vorschub leistete. Durch die erstmals wesentlich höhere Koerzitiv‐ feldstärke konnten neue Anwendungen etabliert werden. Der nächste Sprung entstand ca. 20 Jahre später, also um 1970, durch Selten-Erd-Verbindungen. Dauermagnete auf der Basis SmCo5 bzw. Sm2 Co17 (oft einfach Samarium-Kobalt genannt) sind heute, gut 50 Jahre nach ihrer ersten Realisierung, fest im Markt etabliert und haben das Spektrum der Anwendungsgebiete außerordentlich bereichert. Neben der Erfüllung der permanenten Forderung, immer kleiner und leichter zu bauen und das bei zusätzlicher Steigerung der Effizienz, sind einige Anwendungsgebiete überhaupt erst möglich geworden. 34 2 Dauermagnetische Werkstoffe Herstellungsverfahren, Eigenschaften, Gefahren <?page no="41"?> Hier sei z. B. auf die abstoßende Wirkung gleicher Pole von Magneten hingewiesen in der Anwendung von z. B. linearen Schubkupplungen, die durch die sehr hohen Koerzitivfeldstärken bei diesen Werkstoffen überhaupt erst sinnvoll realisiert werden konnten. Auch hochdynamische Antriebe, bei denen die Dauermagnete einem hohen Gegenfeld ausgesetzt sind, wie z.-B. in Werkzeugmaschinen, konnten effizient optimiert werden. Die Weiterentwicklung der Dauermagnetwerkstoffe um 1983 auf der Basis Neodym-Eisen-Bor (NdFeB) hat diese erfreuliche Tendenz sowohl für den Anwender als auch den Hersteller noch gesteigert. Die Kennwerte dieser Werkstoffgruppe, insbesondere Remanenz Br und maximales Energiepro‐ dukt (BH)max, übertreffen diejenigen von SmCo, doch die hervorragenden Eigenschaften sind wohl die (fast) völlige Unabhängigkeit vom strategischen Element Kobalt und die höhere Verfügbarkeit bei niedrigerem Preis/ kg. Ne‐ gativ schlagen die eher mäßige Korrosionsbeständigkeit mit entsprechenden Kosten für den daher meist notwendigen Korrosionsschutz sowie die noch immer unbefriedigend hohe Temperaturabhängigkeit zu Buche. Nach dieser rasanten Entwicklung stellt sich die Frage nach der Zukunft der Magnetwerkstoffe. Ein Ausblick auf Grund theoretischer Überlegungen wird in Abb. 3 gegeben. Abb.3: Entwicklung des Energieproduktes im Laufe der Jahre seit 1900 2.1 Einleitung 35 <?page no="42"?> Demnach sind wir auf dem steilen Ast der Entwicklungskurve etwas ober‐ halb der Mitte angelangt. Es ist also noch Entwicklungspotential vorhanden. Noch oberhalb der theoretischen Grenze liegen Verbindungen, die radioak‐ tiv sind. Diese werden jedoch nicht ernsthaft betrachtet. 2.2 Grundbegriffe Die magnetischen Grundbegriffe verschaffen den ‚Magnetikern’ eine eigene Sprache, die in einer Vielfalt von Abkürzungen und feststehenden Begriffen, Einheiten und leider auch verschiedenen Zahlensystemen begründet ist. Dieses „Durcheinander“ macht es für den Einsteiger besonders schwer, einen Zugang zum Magnetismus zu finden. Die unterschiedlichen Einhei‐ tensysteme sind oftmals auch noch mit verschiedenen Begriffen für ein und dieselbe Sache besetzt. 2.2.1 Definitionen und Einheiten Neben den SI-Einheiten (System International, seit 1970 verpflichtend ein‐ geführt) werden noch immer (nicht erlaubt) die Einheiten des Gauß’schen Maßsystems verwendet, welches auch die magnetischen Größen aus dem ‚cgs-System’ definiert. In Europa hat man sich inzwischen auf das SI-System verständigt, allerdings herrscht in der übrigen Welt oftmals noch das cgs-System vor. Mutiert wird dieses System noch durch Zoll-Maße (engl.: inch), was häufig zu Verwechslungen führt. 2.2.1.1 Magnetische Feldstärke H in A/ m Am leichtesten fällt der Einstieg bei der Vorstellung einer Spule, so dass einige Größen in Analogie zum elektrischen Kreis verstanden werden können. Beginnend mit der allgemeinen Form der 1. Maxwell’schen Gleichung bzw. des Ampère’schen Gesetzes (=Durchflutungsgesetz) ∮H dl = ∫∫ A jdA wird hierdurch der Strom mit dem Magnetfeld verknüpft. 36 2 Dauermagnetische Werkstoffe Herstellungsverfahren, Eigenschaften, Gefahren <?page no="43"?> Als ersten Spezialfall betrachten wir das Magnetfeld im Innern einer Rings‐ pule (Toroid) mit dem Radius R, die mit n Windungen bewickelt ist und vom Gleichstrom I durchflossen wird. Dann beträgt die magnetische Feldstärke: H = n * I 2 * R [A/ m] wobei n*I = elektrische Durchflutung Theta Θ in Ampere ist. Als zweiten Spezialfall betrachten wir die Feldstärke im Innern einer langen Zylinderspule der Länge L, wobei L>>D H = n * I L [A/ m] Werden diese zwei Spezialfälle auf eine reale Spule mit n Windungen und einer Wickelhöhe Wh angewandt, so ergibt sich H = n * I Di + W ℎ 2 2 + L * L [A/ m] in der Spulenmitte, wobei n * I = Θ An den Spulenenden ist die Feldstärke ca. 1/ 3 geringer. Als dritten Spezialfall kann die Feldstärke H im Abstand R von einem strom‐ durchflossenen Leiter erwähnt werden, der sehr an den ersten Spezialfall erinnert. H = I 2π R A/ m 2.2.1.2 Die Feldlinien Bei den Feldlinien handelt es sich um gedachte Linien, die das Verständnis bzw. die Vorstellung des magnetischen Feldes vereinfachen. Da man das magnetische und auch das elektrische Feld nicht sehen, sondern nur ihre Wechselwirkung auf Stoffe erfassen kann, so sind diese Hilfslinien durchaus nützlich. Aus der Schule kennt man den Versuch mit Eisenfeilspänen, die sich auf eine bestimmte Weise in einem Magnetfeld anordnen. Diese Eisen‐ feilspäne ordnen sich entlang der gedachten Feldlinien an. Als Beispiel ist in der folgenden Abb. 4 die Anordnung bei einem Stabmagneten dargestellt. 2.2 Grundbegriffe 37 <?page no="44"?> Abb. 4: Anordnung der Feldlinien um einen Stabmagneten (Bildquelle: www.wikipedia.de) Die Feldlinien treten aus dem Nordpol aus und in den Südpol wieder ein. Keine Feldlinie geht verloren. In der Mitte bildet sich eine Symmetrielinie quer zur Längsachse aus, so dass man sich hier eine Spiegelebene vorstellen kann, die ‚neutrale Zone‘. Auch erkennt man gut, dass die Feldlinien nicht nur am Nordpol austreten, sondern auch im Innern des Stabmagneten parallel längs der Achse vom Südzum Nordpol. Die Feldlinien außerhalb des Magneten bezeichnet man auch als den ‚Streufluss‘. Die Dichte der Feldlinien ist ein Maß für die Feldstärke oder auch Flussdichte. Definition: Für die Richtung der Feldlinien eines Dauermagneten wird festgelegt: Das Ende eines frei gelagerten Magneten (Kompassnadel), welches zum geographischen Nordpol der Erde zeigt, ist der Nordpol des Magneten. Die positive Zählrichtung des Feldes außerhalb des Magneten ist die vom Nordpol zum Südpol des Magneten. (Im Innern des Magneten ist es folglich diejenige von Süd nach Nord). Daraus ergibt sich, dass dem geographischen 38 2 Dauermagnetische Werkstoffe Herstellungsverfahren, Eigenschaften, Gefahren <?page no="45"?> Nordpol des Dauermagneten „Erde“ ein magnetischer Südpol und seinem geographischen Südpol ein magnetischer Nordpol zugeordnet ist. Es gibt keine magnetischen Monopole. Alle Feldlinien sind geschlos‐ sen. Somit weist der magnetische Nordpol eines Dauermagneten (Kompass‐ nadel) auf den Südpol der Erde, der sich neben dem geographischen N-Pol der Erde befindet und nicht ganz stationär ist, sondern wandert. Der Grund dafür befindet sich im Erdinneren, welches durch die ständige Bewegung des Magmas wie ein riesiger Generator wirkt, der sich allerdings nicht statisch verhält. Macht man die Feldlinien zweier Dauermagnete sichtbar, so sieht man in Abb. 5, linke Abbildung, wie sich die Feldlinien bei 2 Nordpolen, die sich gegenseitig abstoßen, verhalten. In der Abbildung rechts erkennt man das Feldlinienbild von einem Nord- und einem Südpol, die sich gegenseitig anziehen. Abb. 5: Feldlinien bei 2 sich abstoßenden Polen (N-N) links im Bild und 2 sich anziehenden Polen (S-N) rechts im Bild (Bildquelle: www.wikipedia.de) Aus dieser Richtungsabhängigkeit folgen einige Merksätze, z. B. bei einer Spule: 2.2 Grundbegriffe 39 <?page no="46"?> 1. So wird die Zuordnung der Feldrichtung (Polarität des Feldes) zu dem verursachenden fließenden Strom bzw. den bewegten Elektronen in Spulen auf kreisförmigen Bahnen durch die sog. Schrauben-, Bohrer- oder Korkenzieher-Regel beschrieben: • Denkt man sich in der Spulenachse eine Rechtsschraube in positi‐ ver Feldrichtung vorwärts geschraubt, so gibt die dazu notwendige Drehrichtung die Stromrichtung an. 2. Die Betrachtung von Ursache (Strom) und Wirkung (Feld) führt zu einer ersten „Rechte-Hand-Regel“: Umfasst man einen stromdurchflossenen Leiter mit der rechten Hand so, dass der abgespreizte Daumen in die Richtung des Stromes weist, so zeigen die übrigen Finger in Feldrichtung. 3. Eine weitere, oft benutzte „Rechte-Hand-Regel“ führt zur Ermittlung der Bewegungsrichtung respektive Kraftrichtung, vorausgesetzt, man ordnet die Ursache Strom (I) dem Daumen und die Wirkung Kraft (F) den Fingern zu: • Hält man die rechte Hand so, dass die Feldlinien in die Handfläche eintreten, und bringt man den abgespreizten Daumen in die Rich‐ tung des Leiterstromes (der Ursache), so geben die ausgestreckten Finger die Kraftbzw. Bewegungsrichtung des Leiters (die Wir‐ kung) an. Diese Regeln sind das Ergebnis des Kreuzproduktes, welches auch als Lorentzkraft bezeichnet wird. F = q* v x B Lorentzkraft mit q=Ladung der Elektronen Stehen die Bewegungsrichtung der Elektronen und die Richtung des Ma‐ gnetfeldes senkrecht aufeinander, so wird das Kreuzprodukt zu einem einfachen Produkt, somit zu F = q * v * B, wobei v senkrecht auf B steht, ansonsten muss der Winkel α als Sinusfunktion eingefügt werden, also F = q * v * B* sin(α) Befindet sich nun ferromagnetisches Material, z. B. Eisen, in der Nähe von einem Dauermagneten, so kommt es zu einer Verbiegung der Feldlinien, da diese vom Eisen angezogen werden (siehe Abb. 6). 40 2 Dauermagnetische Werkstoffe Herstellungsverfahren, Eigenschaften, Gefahren <?page no="47"?> z.-B.: Eisen z.-B.: Cu, Alu Abb. 6: Beeinflussung (links) des Verlaufs der Feldlinien bei ferromagnetischem Material, rechts der ungestörte Verlauf der Feldlinien 2.2.1.3 Magnetischer Fluss Φ in Weber oder Vs. Bringt man eine kurze, kleine Spule mit n Windungen senkrecht zu den magnetischen Feldlinien in ein magnetisches Feld oder entfernt sie aus diesem, so entsteht an den Enden der Spule eine elektromotorische Kraft (Spannung), die der Änderung des magnetischen Flusses in der Spule proportional ist (Gesetz von Faraday). Die hieraus abzuleitende Gesetzmäßigkeit, das sog. Induktionsgesetz, lautet allgemein ∮ ∂A(t) E • d s = − ∫ A(t) ∂ B ∂t d A Hierdurch wird der magnetische Fluss ϕ=B*A mit dem elektrischen Feld verknüpft oder etwas spezieller U = − n dϕ dt (Transformator, Generator) Der Fluss entspricht damit der Fläche unter einer Kurve in einem Diagramm „induzierte Spannung U als Funktion der Zeit“ (also während der Bewegung der Spule). Bei n Windungen ist der Gesamtfluss in der Integralform: 2.2 Grundbegriffe 41 <?page no="48"?> ∫U dt = n * Φ (Flussmessgerät) mit n=Anzahl der Windungen Die Einheit des magnetischen Flusses ist 1 [Wb] = ein Weber = 1 [Vs] = eine Voltsekunde = 10 8 Maxwell 2.2.1.4 Magnetische Flussdichte B in Tesla Die magnetische Flussdichte B ist der auf die Flächeneinheit A bezogene magnetische Fluss ϕ: B = ϕ A [T] oder [Vs/ m 2 ] Sie wird auch oft noch unrichtig als ‚Induktion’ bezeichnet. Für inhomogene Felder gilt: ∫B dA = Φ = B • A = B*Acos(α), wobei α der Winkel zwischen der Richtung der Flussdichte und der Norma‐ len des Flächenelementes dA ist und der Betrag des Vektors A gleich der Fläche A ist. Dieses ist bei der magnetischen Flussmessung ganz angenehm, da der cos(α) bei kleinem Fehlwinkel nur geringfügig von 1 abweicht und somit nur zu einem kleinen Messfehler führt. 1 [T] = ein Tesla = 1 [Wb/ m 2 ] = 1 Vs/ m 2 = 10 4 [G]; G = Gauß. 2.2.1.5 Permeabilität µ in Vs/ Am und Suszeptibilität χ Im Vakuum sind die Flussdichte B und die Feldstärke H am gleichen Feldpunkt zueinander streng proportional: B = µ o * H µ o = 4π * 10 -7 Vs/ Am ist die Permeabilität (Durchdringbarkeit, Durchlässig‐ keit) des Vakuums oder auch die ‚magnetische Feldkonstante’, eine der universellen Naturkonstanten. Es gilt: µ o * ε o = 1/ c 2 42 2 Dauermagnetische Werkstoffe Herstellungsverfahren, Eigenschaften, Gefahren <?page no="49"?> Befindet sich Materie im Magnetfeld, so bleiben B und H näherungsweise proportional, solange die Feldstärke klein ist und es sich nicht um ferro‐ magnetisches Material handelt. Der Proportionalitätsfaktor µ ändert sich jedoch in Abhängigkeit vom Material und der Feldstärke, so dass µ = µo * µ r wird und damit B = µ * H = µ o * µ r * H Die relative Permeabilität oder Permeabilitätszahl µ r ist dimensionslos. Multipliziert mit der Feldkonstanten ergibt sich die Einheit für µ zu: Vs/ Am. (Im Gauß’schen Maßsystem hat µ o die Einheit G/ Oe (Oe = Oersted); µ o ist hier als = 1 G/ Oe definiert und damit = 1). Diese Tatsache macht das Rechnen im cgs-System einfacher, worin der Grund für ein Verharren in diesem ‚alten‘ Zahlensystem zu sehen ist. In ferromagnetischen Stoffen ist die Permeabilität von der Feldstärke ab‐ hängig und kann hohe Werte erreichen bis über 100000, wobei wir es im dauermagnetischen Bereich mit ‚normalem’ Eisen zu tun haben und somit Werte für µ r von 200-…-1000 annehmen wollen. Die Suszeptibilität (Annehmbarkeit, Annahmefähigkeit) χ ist ähnlich definiert wie die relative Permeabilität und ebenso eine Stoffeigenschaft. Sie gibt die Fähigkeit an, magnetisch Feldlinien aufzunehmen. χ = µ r - 1 somit auch B = µ*H = µ o *(χ + 1) *H oder µ = µ o *(1 + χ) Ist χ bei einem Stoff kleiner null, also negativ, so versucht dieser Stoff die magnetischen Feldlinien zu verdrängen (z. B. Wasser) und ist somit diamagnetisch. Bei null ist der Stoff magnetisch neutral und bei Werten etwas größer als null wird der Stoff paramagnetisch (z. B. Sauerstoff) und bei Werten >> 1 ist der Stoff ferromagnetisch (Eisen). Ein supraleitender Stoff besitzt ein µ r von 0 und damit ein χ von -1. Er lässt nicht zu, dass magnetische Feldlinien in ihn eindringen (magnetisches Schweben). 2.2.1.6 Polarisation J, Magnetisierung M, magnetisches Moment m Die Flussdichte von ferro- oder ferrimagnetischen Stoffen im Feld H setzt sich aus zwei Anteilen zusammen, der dem Feld proportionalen Flussdichte 2.2 Grundbegriffe 43 <?page no="50"?> µ o * H und der vom Material herrührenden Flussdichte J, Polarisation genannt. B = µ o *H + J oder auch J = B - µ o * H, mit der Einheit 1 Tesla = 1 Vs/ m 2 Mit Magnetisierung M bezeichnet man die Größe M = J/ µ o = B/ µ o - H, somit auch J = µ o * M M = χ * H Im Gauß’schen Zahlensystem wird also nicht zwischen J und M unterschie‐ den, da µ o =1 ist, deshalb kann µ o auch als Umrechnungskonstante zwischen dem ‚cgs-System’ und SI-System verstanden werden. Die Polarisation J wird auch als das auf die Volumeneinheit bezogene magnetische Moment m oder das magnetische Dipolmoment j bezeichnet: J=j/ V, somit j=J*V [Vs*m] bzw. m = j/ µ o [A*m 2 ] (Magnetometer/ magnetische Waage, Flussmessung) in Analogie zu den Großbuchstaben bei der Polarisation J und der Magnetisierung M. Das magnetische Dipolmoment j (auch ‚Coulomb’sche Moment‘ genannt) ist andererseits auch als die auf die Feldstärke bezogene Arbeit E definiert, die einen Dipol um 90° aus der Feldrichtung auslenkt. Der Unterschied zwischen j und m liegt wieder im µ o m = J * V/ µ o [A*m 2 ] (Kompass) Auf diese Weise kann auch die Polarisation J eines Magneten durch die Bestimmung des magnetischen Momentes (mit einer magnetischen Fluss‐ messung) bestimmt werden. Genau genommen gilt das nur für den Arbeits‐ punkt des Magneten, der jedoch näherungsweise bei Magneten mit einer geraden (linearen) Entmagnetisierungskennlinie mit der Remanenz (B r ) bis auf wenige Prozent identisch ist. 2.2.2 Das B-H-Diagramm Die Permeabilität µ ist gegeben durch den Zusammenhang 44 2 Dauermagnetische Werkstoffe Herstellungsverfahren, Eigenschaften, Gefahren <?page no="51"?> B = µ H mit µ = µ o (1 + χ) Der Zusammenhang von µ o *H lässt sich am einfachsten an einer Spule darstellen. Die Spule hat n Windungen und in ihrer Mitte einen Hallsensor, der die Flussdichte B - mit einer Axialsonde - misst. Wird nun eine Spannung bzw. ein Strom durch die Spule geschickt, so steigt mit dem Strom auch proportional die Flussdichte B. Siehe hierzu Abb. 7. Abb. 7: Die Flussdichte im Innern einer Zylinderspule entspricht einer Geraden mit der Steigung von µ o 2.2.2.1 Magnetisierungskennlinie Wird zusätzlich ein magnetischer Werkstoff in die Spulenmitte gelegt, der zunächst unmagnetisch ist, so ergibt sich ein zusätzlicher Beitrag zur Flussdichte. In Abb. 8 ist dieser Fall dargestellt. Der erste Quadrant zeigt den Zusammenhang beim Magnetisieren, somit die Magnetisierungskennlinie. Hierzu gehört die Neukurve, auch ‚jungfräuliche Kurve‘ genannt, wenn der Magnet zum ersten Mal magnetisiert wird. Die Sättigungspolarisation wird 2.2 Grundbegriffe 45 <?page no="52"?> erreicht bei der Feldstärke H Sät . Bei dieser Feldstärke ist die gesamte Materie vollständig ausgerichtet. Danach wird wieder der lineare Zusammenhang zwischen magnetischer Flussdichte und Feldstärke deutlich. Wird dieser Anteil µ o H von der B(H)-Kurve abgezogen, so verbleibt als Differenz die magnetische Polarisation J. Laut Definition ist ein Magnet erst dann ein Magnet, wenn er magnetisiert vorliegt. Vorher handelt es sich um einen magnetischen Werkstoff. Abb. 8: Teil der Hystereseschleife eines Dauermagneten 2.2.2.2 Entmagnetisierungskennlinie Wird die Feldstärke nun wieder reduziert bis null, so verbleibt eine Fluss‐ dichte im Nullpunkt, die mit B r bezeichnet wird, der Remanenz des Magne‐ ten. Kehrt sich das Vorzeichen des Stromflusses um, so gelangt man in den zweiten Quadranten. 46 2 Dauermagnetische Werkstoffe Herstellungsverfahren, Eigenschaften, Gefahren <?page no="53"?> Im 2. und 3. Quadranten ist die Entmagnetisierungskennlinie dargestellt. Die Flussdichte nimmt mit zunehmenden entmagnetisierenden Feldstärken ab. Damit wird B(H) überproportional kleiner. Die Feldstärke, bei der B (H) = 0 wird, nennt man Koerzitivfeldstärke der Flussdichte H CB . Dieses ist der Punkt, an dem keine Feldlinien mehr aus dem Magneten austreten, wohl aber noch Feldlinien im Innern des Magneten vorhanden sind. Der Magnet‐ werkstoff ist erst bei der Koerzitivfeldstärke der Polarisation HCJ vollständig entmagnetisiert. Die Maßeinheit für die Feldstärke ist Ampere/ Meter. 1 kA/ m = 10 A/ cm = 12,56 Oersted. Um den Magnetwerkstoff vollständig zu magnetisieren, reicht es nicht, wie oft fälschlicherweise geglaubt, die Koerzitivfeldstärke H CJ anzulegen. Zwar ist gemäß der Entmagnetisierungskennlinie der Magnetwerkstoff bei dieser Feldstärke vollständig entmagnetisiert, allerdings gilt der Umkehrschluss für die Magnetisierung nicht, da hierfür die Sättigungsfeldstärke H Sät maß‐ gebend ist. Für die Berechnung des magnetischen Kreises ist der 2. Quadrant interes‐ sant, der eigentliche ‚Arbeitsbereich‘ des Magneten, da das Feld des Luftsp‐ altes und die Streuflüsse wie entmagnetisierende Felder wirken. Darüber hinaus ist die Abhängigkeit von der Geometrie des Permanentmagneten zu beachten. Das maximale Energieprodukt (BH) max ist der Punkt unter der Entmagneti‐ sierungskurve, bei welchem die rechteckige Fläche maximal wird. Das ist ca. bei der halben Remanenz der Fall. Dieses ist ein für die Entwurfsrechnung wichtiger Punkt der Entmagnetisierungskennlinie, da er angibt, welche En‐ ergie maximal aus dem Magneten zu erzielen ist. Ob der Magnet tatsächlich in diesem Punkt arbeitet, wird durch andere Umstände festgelegt. Es ist ebenfalls ein werkstoffspezifischer Kennwert. Eine andere Darstellung des (BH) max ist durch die Kurven konstanter ma‐ gnetischer Energiedichte gegeben (B*H = konstant). Dieses sind Hyperbeln im 2. Quadranten. Der Berührungspunkt zwischen der Entmagnetisierungs‐ kurve und der Hyperbel ist dann der (BH) max -Punkt. Die Darstellung mittels Hyperbeln findet heute kaum noch Anwendung, da die Entmagnetisierungs‐ kennlinie elektronisch und digital erfasst wird. Dadurch kann der Punkt der max. Energie unmittelbar während des Messverfahrens festgestellt werden. 2.2 Grundbegriffe 47 <?page no="54"?> 2.2.2.3 Die Arbeitsgerade und der Arbeitspunkt In Abb. 9 ist durch den Punkt P2 der angenommene maximale Entregungs‐ zustand auf der Entmagnetisierungskennlinie dargestellt, somit die max. Belastung, der der Magnet jemals ausgesetzt wird (Stabilisierungspunkt). Die Zustandsgerade wird durch den Permanenzwert B p und die einge‐ prägte Feldstärke H e festgelegt. Gerade bei den modernen Werkstoffen gilt eine nahezu lineare Kennlinie in diesem Bereich, so dass die Entmagnetisie‐ rungskennlinie mit der Zustandsgeraden nahezu gleichgesetzt werden kann. Die Steigung dieser Geraden wird mit µ p oder µ rev gekennzeichnet. Der Remanenzwert B r wird messtechnisch festgestellt, indem der Magnet zunächst in den 1. Quadranten gefahren wird, also in Magnetisierungsrich‐ tung. Dann wird der ‚unterstützende Strom‘ auf null reduziert und schließ‐ lich umgepolt und in Gegenrichtung erhöht. Dabei wird datentechnisch B r ermittelt, wohlgemerkt aus dem 1. Quadranten kommend. Dieser Zustand wird im ‚Leben‘ des Magneten wohl nicht mehr vorkommen, denn er arbeitet im 2. Quadranten. Ein gewisser Verlust im Br durch weichmagneti‐ sche Anteile im Material und Verunreinigungen oder mechanischer Stress (Rissbildung) reduzieren das B r , weshalb zur Berechnung das B p , also die Permanenz herangezogen wird. Abb. 9: Die Entmagnetisierungskennlinie im 2. Quadranten 48 2 Dauermagnetische Werkstoffe Herstellungsverfahren, Eigenschaften, Gefahren <?page no="55"?> Bei modernen Werkstoffen sollte für B p ein Wert angesetzt werden, der 3-5 % niedriger als das B r liegt. In den Werkstofftabellen wird der B r -Wert bei Raumtemperatur angegeben. Zumindest im ‚Arbeitsbereich’ des Magneten ist von einer linearen Kennlinie auszugehen, denn ein Abknicken vom linearen Verlauf bedeutet immer eine irreversible Schwächung des Magneten und damit einen Ver‐ lust in der magnetischen Leistung. Bis auf AlNiCo-Werkstoffe trifft diese Näherung immer zu. Mathematisch reduziert sich die Berechnung somit auf Geradengleichungen und deren Schnittpunkte. Somit beträgt die Flussdichte im Magneten B M = B p - µ p * H M mit µ p = B p / H e wobei µ p = µ o * µ rev ist oder B M / H M = B p / H M - µ p =- ג, die Steigung der Arbeitsgeraden Die Steigung der Zustandsgeraden µ p entspricht in etwa der Steigung der Entmagnetisierungskennlinie im Remanenzpunkt B r . Im Groben kann man sagen, dass die Steigung µ p immer etwas größer als 1 ist und im Bereich von 1,05 bis 1,15 liegt, oder anders formuliert, dass sie um 5 % bis 15 % - je nach Werkstoff - über der nicht zu berücksichtigenden 1 liegt, wodurch eine überschlägige Abschätzung besonders einfach wird (Ausnahme: AlNiCo-Werkstoffe). 2.2.2.4 Entmagnetisierungskennlinie verschiedener magnetischer Werkstoffe Mit der Vielzahl der heute verfügbaren magnetischen Werkstoffe ließe sich der 2.Quadrant nahezu vollständig füllen. Um die Verwirrung nicht allzu groß werden zu lassen, wollen wir uns im Folgenden auf die heute noch gebräuchlichen Werkstoffe beschränken. In Abb. 10 sind die Entmagnetisierungskennlinien einiger Magnetwerk‐ stoffe angegeben. Man erkennt deutlich den linearen Zusammenhang im 2. Quadranten mit Ausnahme der AlNiCo-Werkstoffe 2.2 Grundbegriffe 49 <?page no="56"?> Abb. 10: Entmagnetisierungskurven verschiedener Magnetwerkstoffe rot=AlNiCo-Werkstoffe, sw=HF-Werkstoffe, grün=SmCo, bl=REFeB 2.2.2.5 Fremdfeldeinfluss und Stabilisierung Als Beispiel einer Fremdfeldeinwirkung ist in Abb. 11 die Stabilisierung ei‐ nes Dauermagneten durch ein abklingendes Wechselfeld mit der maximalen Feldstärkeamplitude HG dargestellt. Dieser Vorgang wird insbesondere bei AlNiCo-Magneten durchgeführt, um eine bestimmte Stärke des Magneten und damit des Magnetsystems einzustellen. Beispiel: FI-Schutzschalter. In diesem Fall wird der Magnet so lange geschwächt, bis der Schutzschal‐ ter zum vorgegebenen Fehlerstrom auslöst. 50 2 Dauermagnetische Werkstoffe Herstellungsverfahren, Eigenschaften, Gefahren <?page no="57"?> Abb. 11: Stabilisierung des Magnetisierungszustandes von Dauermagneten durch ein Wechselfeld der Gegenfeldstärke H G 2.2.2.6 Die Nomenklatur Die Magnetwerkstoffe lassen sich leicht an ihrer Nomenklatur erkennen, soweit sich die Hersteller an die internationalen Normen halten und auf Eigennamen verzichten. So wird der Werkstoff vorangestellt, wie AlNiCo für Magnete aus Aluminium, Nickel, Kobalt oder HF für Hartferritwerkstoffe, SmCo für Werkstoffe auf der Basis von Samarium und Kobalt und letztend‐ lich NdFeB für Magnete aus Neodym, Eisen und Bor. Genannt werden nur die Hauptbestandteile des Magneten, geringfügige Anteile finden keine Erwähnung. Als zweites folgen 2 Zahlen, welche durch einen Schrägstrich getrennt sind. Die erste Zahl kennzeichnet das maximale 2.2 Grundbegriffe 51 <?page no="58"?> Energieprodukt (BH) max in kJ/ m 3 und die zweite Zahl entspricht der durch 10 geteilten Koerzitivfeldstärke in kA/ m. Neuerdings werden die Werkstoffe SmCo und NdFeB auch als RECo und REFeB bezeichnet, wobei die Bezeichnung ‚RE’ für ‚rare earth’ steht, also Selten-Erd-Werkstoff. Der Ersatz der Bezeichnung Sm und Nd durch RE hat den Hintergrund, dass nicht mehr nur die Werkstoffe Sm oder Nd, sondern Verbindungen mit anderen Selten-Erd-Metallen eingesetzt werden, wie Pr (Präsodym) und andere. Diese ‚neue‘ Bezeichnung wollen wir zukünftig auch verwenden. Beispiel: Ein HF28/ 26 ist ein Hartferritmagnet mit einem (BH) max von 28-kJ/ m 3 und einer Koerzitivfeldstärke H cJ von 260-kA/ m. 2.3 Die aktuellen Magnetwerkstoffe Bereits heute existiert eine breite Palette von Magnetwerkstoffen, so dass für jeden Einsatzfall ein geeigneter Werkstoff zur Verfügung steht. Die Vielzahl der Werkstoffe hat natürlich auch eine Produktbereinigung hervorgerufen, so dass wir uns heute auf folgende Werkstoffe beschränken können. Die Auflistung erfolgt in der Reihenfolge ihres Erscheinens am Markt. 2.3.1 AlNiCo-Werkstoffe Dieser Werkstoff gehört zu den ältesten und hat auch heute noch seine Be‐ rechtigung. Die hohe Temperaturbeständigkeit und der kleine Temperatur‐ koeffizient machen diesen Werkstoff bei seiner leichten Magnetisierbarkeit für verschiedene Anwendungen auch heute noch interessant, insbesondere in der Messtechnik. 2.3.1.1 Die Zusammensetzung Dieses Material setzt sich zusammen aus Aluminium (6-11 %), Nickel (15-23 %), Kobalt (15-35 %), Kupfer (2-6 %), Titan (0-9 %), Niob (0-3 %). Rest Eisen. AlNiCo-Magnete besitzen eine Kristallanisotropie. D. h., dass eine Vorzugsrichtung bereits stoffbedingt vorliegt, und zwar dadurch, dass die Geometrie der Einzelkristalle einer Ellipsenform ähnelt. Man spricht 52 2 Dauermagnetische Werkstoffe Herstellungsverfahren, Eigenschaften, Gefahren <?page no="59"?> auch von stengelkristallinem Material bei der gießtechnisch hergestellten Version. Bei der sintertechnischen Herstellung erfolgt die magnetische Ausrich‐ tung der einzelnen Kristalle beim Pressvorgang durch ein Magnetfeld. Ent‐ fällt das Magnetfeld beim Pressen, so entsteht isotropes Material. Durch die genaue Einstellung dieser Mehrstofflegierung lassen sich die magnetischen Eigenschaften in weiten Grenzen einstellen. 2.3.1.2 Der Herstellungsprozess Für diesen Werkstoff gibt es zwei Herstellverfahren, zum einen den Gieß‐ prozess und zum anderen den Sinterprozess. Für den Gießprozess werden Sandformen verwendet, als verlorene For‐ men, die zwar kostengünstig zu erstellen sind, jedoch nach dem Guss zer‐ stört sind. Für größere Serien sind oftmals die sintertechnisch hergestellten Magnete (werkzeuggepresst) sinnvoller, da zwar einmalige Werkzeugkosten anfallen, die Werkzeuge jedoch über einen langen Zeitraum immer wieder verwendet werden können. Gießtechnisch können Magnete mit größerem Volumen hergestellt werden als sintertechnisch. Eine mechanische Bearbeitung ist, auf Grund der hohen Härte des Ma‐ terials, nur durch Schleifen möglich. Dies gilt im Übrigen für alle Magnet‐ werkstoffe, außer den kunststoffgebundenen. Insbesondere gekennzeichnet ist dieses Material durch eine hohe Rema‐ nenz B r und eine niedrige Koerzitivfeldstärke H cJ . Deshalb sollte das L/ D-Verhältnis immer über 4 liegen. Das L/ D-Verhältnis bezeichnet dabei das Längen-zu-Durchmesser-Verhältnis bezogen auf eine Zylindergeometrie. Je größer dieses Verhältnis ist, umso näher liegt der Arbeitspunkt am Rema‐ nenzpunkt B r . Auf diese Weise wird der hohen Remanenz des Werkstoffs, verbunden mit der geringen Koerzitivfeldstärke, Rechnung getragen. Diese Bedingungen sind insbesondere bei Ringspaltsystemen (Lautsprecher) und Messsystemen gegeben. Befindet sich der AlNiCo-Magnet in einem magnetischen Kreis mit Flussleitstücken (Eisen), so kann das L/ D-Verhältnis, je nach vorhandenem Luftspalt, auch kleiner sein. Auf Grund der geringen Koerzitivfeldstärke empfiehlt sich eine Magne‐ tisierung des Werkstoffes erst im zusammengebauten Zustand des Magnet‐ systems. Auf der anderen Seite wird die geringe Koerzitivfeldstärke genutzt, um elektrisch schaltbare System mit AlNiCo zu bauen (bistabile Relais und 2.3 Die aktuellen Magnetwerkstoffe 53 <?page no="60"?> Haftsysteme). Wurde früher auch AlNiCo in Motoren und Generatoren eingesetzt, so wurde oftmals eine sogenannte ‚verlorene Wicklung‘ mit eingebaut, um im Falle einer irreversiblen Schwächung des Antriebs durch Gegenfelder eine Nachmagnetisierung durchführen zu können. Die Steigung der Arbeitsgeraden wird somit durch die Geometrie des Magnetkreises bestimmt und nicht durch den Magnetwerkstoff. Abb. 12: Herstellung von AlNiCo-Magneten 54 2 Dauermagnetische Werkstoffe Herstellungsverfahren, Eigenschaften, Gefahren <?page no="61"?> 2.3.1.3 Chemische Beständigkeit Das chemische Verhalten von AlNiCo ist dem von hochlegierten Stählen ähnlich. Im Wesentlichen ist es unbeständig gegenüber Säuren, jedoch beständig gegenüber organischen Lösungsmitteln, wie Öle, Benzin. Durch den hohen Ni-Anteil ähneln die Eigenschaften denen von Edelstahl. Weitgehend beständig Bedingt beständig Unbeständig Organische Lösungsmittel Essigsäure Alle anorganischen Säuren Motoröl Wasserstoffperoxid Weinsäure Benzin Harnsäure, Natriumkar‐ bonat Zitronensäure Alkohole Kaliumnitrat, Gerbsäure Seewasser - Natriumnitrit Salze in wässriger Lösung Tab. 1: Beständigkeit von AlNiCo-Magneten Es werden folgende Qualitäten unterschieden: 1. AlNiCo13/ 5: isotropes Material, welches in jeder Richtung magnetisiert werden kann, also keine Vorzugsrichtung besitzt. Die Anwendung ist oftmals bei Hysteresekupplungen als Hysteresematerial und in spe‐ ziellen Systemanordnungen zu sehen. Hauptsächlich als gegossenes Material. 2. AlNiCo 40/ 12: anisotropes Material (vorzugsgerichtet durch Ausrich‐ tung durch ein Magnetfeld beim Pressen des Rohlings). Gegossen und gesintert herstellbar. Hohe Koerzitivfeldstärke durch hohen Titan-An‐ teil. 3. AlNiCo 36/ 5: anisotropes Material. Ebenfalls gegossen oder gesintert vorhanden, wobei der gegossene Werkstoff die besseren magnetischen Werte erreicht. Verwendung insbesondere in Ringspaltsystemen und sonstigen hochscherenden Systemen. Eine relativ kostengünstige Vari‐ ante für die magnetischen Werte. 2.3 Die aktuellen Magnetwerkstoffe 55 <?page no="62"?> -1,4 -1,2 -1 -0,8 -0,6 -0,4 -0,2 0 0,2 0,4 0,6 0,8 1 1,2 1,4 -200,0 -150,0 -100,0 -50,0 0,0 50,0 100,0 150,0 200,0 J [ T ] H [ kA/ m ] Hysterese AlNiCo 38/ 5 Abb. 13: Komplette Hysteresekurve eines AlNiCo38/ 5-Magneten Vorteile des AlNiCo-Magneten: • Hohe Temperaturstabilität bis 500-°C • Kleiner Temperaturkoeffizient TK(B r )= -0,02-%/ K • Leichte Magnetisierbarkeit • Hohe Remanenz B r Nachteile des AlNiCo-Magneten: • Geringe Koerzitivfeldstärke, daher leicht zu entmagnetisieren. Verträgt nur geringe Gegenfelder und muss daher bei einem hohen L/ D-Verhält‐ nis eingesetzt werden. • Der strategische Werkstoff ‚Kobalt’ wird benötigt. Einsatzfelder bei Messgeräten, Sensoren, Tachogeneratoren und hoch sche‐ renden Systemen wie z.-B. Ringspaltsysteme (Lautsprecher). 56 2 Dauermagnetische Werkstoffe Herstellungsverfahren, Eigenschaften, Gefahren <?page no="63"?> 2.3.2 Der keramische Werkstoff ‚Hartferrit‘ (HF) Die Ferrite mit ihrer hexagonalen Gitterstruktur haben keramische Eigen‐ schaften und sind als Weichferrite (‚soft ferrite’ oder SF) und Hartferrit (‚hard ferrite’ HF) am Markt vorhanden. Wir beschäftigen uns hier nur mit den Hartferriten. 2.3.2.1 Die Zusammensetzung Hartferrite bestehen aus oxidierten Metallen und fallen bei der Stahlherstel‐ lung als ‚Abfall’ (Fe 2 O 3 =Hämatit) an, woher sich auch der sehr günstige Preis/ kg erklärt. Aus diesem Grunde ist er auch heute noch der meistverbreitete Werkstoff. Er wird mit Barium- oder Strontiumcarbonatpulver vermischt, wobei 6 Teile Eisenoxid den Hauptbestandteil liefern. Dieses Gemisch wird in Dreh‐ rohröfen vorgesintert (kalziniert). Auf Grund der besseren magnetischen Eigenschaften wird heute nahezu nur noch Strontiumkarbonat SrCO 3 oder genauer SrFe 12 O 19 eingesetzt. Geringe Beimischungen von Cu (Kupfer), Al (Aluminium), Co (Kobalt) oder La (Lanthan) verbessern die Eigenschaften. Durch das Kalzinieren (vorsintern) wird im Magnetpulver die Anisotropie ausgebildet, so dass anisotropes Pulver entsteht. Entfällt aus Kostengründen dieser Prozessschritt, so erhält man isotropes Pulver, welches heute nur noch bei Magnetgummi eine Rolle spielt. 2.3.2.2 Der Herstellungsprozess Das vorgesinterte Material wird in Kugelmühlen fein gemahlen zu einer Korngröße von ca. 1µ, und anschließend entweder nass oder trocken in hydraulischen Pressen verpresst. Unter dem Einfluss eines Magnetfeldes wird beim Pressen eine Ausrichtung (Anisotropie) erzeugt, wodurch die magnetischen Werte ca. doppelt so hoch sind wie ohne Magnetfeld (isotrope Magnete). Der anschließende Sinterprozess, üblicherweise in einem Durch‐ laufofen, lässt die Kristallanisotropie mit hexagonalem Gitter entstehen. Die Durchlaufgeschwindigkeit in diesem Ofen beträgt ca. 1 m pro Stunde, somit bei 24 m Ofenlänge 24 Stunden. In der Einlaufphase, ca. 3 m muss die Restfeuchtigkeit aus dem HF-Werkstoff vollständig entweichen. Wenn der Werkstoff noch nicht ausreichend getrocknet war, so wird er jetzt bersten, womit die ganze Vorbereitung verloren ist. 2.3 Die aktuellen Magnetwerkstoffe 57 <?page no="64"?> Die entstandene Keramik lässt sich nur durch Schleifen bearbeiten, da sie äußerst spröde und hart ist. Die geringe Remanenz auf der einen Seite wird durch die hohe Koerzitiv‐ feldstärke ausgeglichen. Hierdurch wurden einige Anwendungen überhaupt erst möglich, die zuvor mit AlNiCo-Magneten nicht realisiert werden konn‐ ten. Während AlNiCo-Magnete immer ein hohes L/ D-Verhältnis benötigen, waren jetzt Anwendungen mit einem niedrigen L/ D Verhältnis möglich. Die Kraftwirkung wird bei HF-Magneten über die Fläche erzeugt und nicht über die Länge in Magnetisierungsrichtung wie bei AlNiCo-Magneten. Abb. 14: Herstellverfahren von Hartferriten 58 2 Dauermagnetische Werkstoffe Herstellungsverfahren, Eigenschaften, Gefahren <?page no="65"?> Eine typische Entmagnetisierungskennlinie eines HF30/ 30 Magneten ist in der folgenden Abb. 15 dargestellt. Man erkennt in der J (H) Darstellung die Temperaturabhängigkeit bei verschiedenen Temperaturen. HF besitzt eine Besonderheit bezüglich des TK der Koerzitivfeldstärke. Während bei allen anderen Werkstoffen die Koerzitivfeldstärke mit zuneh‐ mender Temperatur sinkt, so steigt diese bei HF-Magneten. Das bedeutet, dass die Gefahr der Entmagnetisierung eines solchen Magneten nicht bei hoher Temperatur erfolgt, sondern bei niedrigen Temperaturen. Merksatz: HF-Magnete nicht in den Kühlschrank legen und REFeB nicht auf die Heizung. Die folgende Abb. 15 zeigt den deutlichen Temperatureffekt der Entmagne‐ tisierungskurve. Abb. 15: Entmagnetisierungskurve eines HF30/ 30 Magneten, die rote Kennlinie ent-spricht derjenigen bei Raumtemperatur Durch das preisgünstige Ausgangsmaterial bedingt wurden alle bisherigen Anwendungen, wenn möglich durch HF-Magnete ersetzt. Dadurch entstand ein entsprechender Schub in der Verbreitung der Magnete und damit verbundenen Magnetsysteme. 2.3 Die aktuellen Magnetwerkstoffe 59 <?page no="66"?> 2.3.2.3 Die chemische Beständigkeit Wie alle keramischen Produkte ist auch HF chemisch sehr stabil und wird nur durch konzentrierte anorganische Säuren angegriffen. Dazu die folgende Tabelle 2: Weitgehend beständig Bedingt beständig Unbeständig Wasser, Benzin, Entwickler Verdünnte Schwefel‐ säure Schwefelsäure, Salpetersäure Organische Lösungsmittel Essig Phosphorsäure, Salzsäure Natronlauge, Kalilauge Ammoniak Flusssäure Fixierbad, Kochsalzlösung Zitronensäure Oxalsäure Tab. 2: Beständigkeit von HF-Magneten Die Hauptvertreter dieser gesinterten Werkstoffgruppe sind: 1. HF 8/ 16: isotropes Material. Preisgünstigste Variante, aber mit dem niedrigsten magnetischen Energieprodukt. 2. HF 26/ 22: anisotropes Material, trocken gepresst und gesintert. Die Qualität HF 28/ 26 wird nass gepresst hergestellt, wobei die höheren magnetischen Werte wie Koerzitivfeldstärke und Remanenz erreicht werden. 3. HF 32/ 30: Diese neueren Qualitäten sind Weiterentwicklungen des HF28/ 26 und besitzen Zusätze von Co und Lanthan. Dadurch steigen jedoch die Kosten deutlich an. Vorteile: • Temperaturstabilität bis 250-°C. • Hohe Koerzitivfeldstärke, damit sind hohe Gegenfelder möglich (Moto‐ ren, Generatoren) • Noch gute Magnetisierbarkeit. • sehr preisgünstig • chemikalienbeständig, da es sich um eine Keramik handelt und somit keine Korrosion auftritt. Nachteile: • hoher Temperaturkoeffizient TK(B r ) = -0,2-%/ K und TK(H cJ ) = +0,4-%/ K • schwer zu bearbeiten 60 2 Dauermagnetische Werkstoffe Herstellungsverfahren, Eigenschaften, Gefahren <?page no="67"?> 2.3.3 RECo-Werkstoffe Diese zu der Gruppe der Selten-Erd-Werkstoffe gehörenden Magnete haben sehr gute Eigenschaften, gehören jedoch auch zu den hochpreisigen Magne‐ ten. Bei RECo unterscheiden wir zwei Varianten der Legierungszusammen‐ setzung, die Sm 1 Co 5 und Sm 2 Co 17 . Mit der Entwicklung dieses Materials um 1970 wurde ein Meilenstein in der Magnettechnik gesetzt. Das max. Energieprodukt konnte von 60 kJ/ m 3 beim AlNiCo bzw. 30 kJ/ m 3 beim HF auf zunächst 120-170 kJ/ m 3 (1/ 5-er Legierung) und anschließend durch das 2/ 17-er Material auf 220-kJ/ m 3 gesteigert werden. Dazu kommen eine hohe Temperaturstabilität, die gute Chemikalienbe‐ ständigkeit (nahezu keine Korrosion), ein geringer Temperaturkoeffizient und die sehr hohe Koerzitivfeldstärke. Mit anderen Worten, ein überall einsetzbarer Werkstoff mit den besten Eigenschaften, leider an den stra‐ tegischen Werkstoff Kobalt gebunden und damit hochpreisig. Dennoch wurden zunächst viele neue Anwendungen höchst effizient umgesetzt mit zuvor nie erreichten Werten. 2.3.3.1 Die Zusammensetzung Dieses Material ist kornorientiert. Es besteht aus Sm (24-27 %), Co (48- 52 %), Fe (12-18 %), Cu (4-12 %), Zr (2-3 %). Bei der 2/ 17-er Legierung wurde ein Teil des Kobalts durch Fe und z. T. Cu ersetzt. Bei der 1/ 5-er-Le‐ gierung wird gelegentlich zur Erreichung höherer Werte auch Praseodym (Pr) zugegeben. Die Magnetisierung des 1/ 5-er Materials geschieht durch die Verschie‐ bung von Blochwänden; dieses ist zunächst leicht möglich, also schon bei relativ geringen Feldstärken bis 1,5 T bis 2 T. Bei der 2/ 17-er-Qualität ist ein anderer Mechanismus für die Magnetisierung verantwortlich, wodurch eine deutlich höhere Sättigungsfeldstärke benötigt wird. Die volle Stabilität (Koerzitivfeldstärke) wird erst bei höheren Magnetfeldern um ca. 5 T erreicht, da dann erst die Blochwände die Korngrenzen erreichen, an denen sie sich dann ‚festhalten’ (Pinning-Effekt) können. 2.3.3.2 Das Herstellungsverfahren für Selten-Erd-Werkstoffe Das sintertechnische Verfahren ist bei den meisten Selten-Erd-Werkstoffen ähnlich und ist deshalb nur einmal dargestellt. 2.3 Die aktuellen Magnetwerkstoffe 61 <?page no="68"?> Abb. 16: Der sintertechnische Herstellungsprozess der Selten-Erd-Werkstoffe Nach dem Pressen des Grünlings im Magnetfeld sollte dieser Grünling noch durch isostatisches Pressen nachverdichtet werden. Ohne die Nachverdichtung würde es zu Inhomogenitäten kommen, so dass eine Oberbzw. Unterwer‐ tigkeit entstehen würde. Am Oberstempel entsteht beim Pressvorgang (der Unterstempel ist feststehend) an seiner Oberfläche eine höhere Dichte im Pulver. Der Sinterprozess gleicht diese Asymmetrie zwar etwas aus, jedoch ist es sinnvoller, den zusätzlichen isostatischen Pressvorgang zwecks höherer magnetischer Werte und der besseren Homogenität wegen durchzuführen. Der zuvor erwähnte Pinning-Effekt beim Sm 2 Co 17 ist insofern problema‐ tisch, da er einerseits die hohe Koerzitivfeldstärke erzeugt, aber andererseits, wenn die vollständige Magnetisierung nicht erreicht wird, dafür sorgt, dass der Magnet sich auf einer inneren Schleife befindet und seine volle 62 2 Dauermagnetische Werkstoffe Herstellungsverfahren, Eigenschaften, Gefahren <?page no="69"?> Koerzitivfeldstärke deshalb nicht erreicht. Eine Teilmagnetisierung, um etwas geringere Felder zu erreichen, ist bei diesem Werkstoff oft sehr fatal. Siehe hierzu Abb. 17: Abb. 17: Innere Hystereseschleifen bei nicht vollständiger Magnetisierung Als typische Vertreter dieser Werkstoffgruppe SmCo oder RECo finden wir heute noch 1. SmCo170/ 120 und von der 2/ 17-er-Legierung das 2. SmCo 220/ 120 alle Produkte sind vorzugsgerichtet und damit anisotrop. Die isotropen Varianten haben heute keine Bedeutung mehr. 2.3 Die aktuellen Magnetwerkstoffe 63 <?page no="70"?> Vorteile: • hohe Remanenz und hohe Koerzitivfeldstärke • hohe Temperaturstabilität TK(B r )= -0,03 %/ K und TK(H cJ )= -0,15 %/ K (2/ 17-er-Legierung) • hohe Einsatztemperatur bis 250-°C (1/ 5-Legierung) • bis 350-°C bei der 2/ 17-er-Legierung • Chemikalienbeständigkeit, geringe Korrosion Nachteile: • hoher Preis • schwere Magnetisierbarkeit insbesondere bei SmCo2/ 17 Eine typische Entmagnetisierungskennlinie einer 2/ 17-Legierung unter Temperatureinfluss ist in der folgenden Abb. 18 dargestellt. Man erkennt in der J(H) Darstellung die Arbeitsgerade, die sich aus der Geometrie des Magneten ergibt, die Gerade B-=-0 und die Temperaturabhängigkeit der Entmagnetisierungskurve bei 150-°C und 200-°C. Ebenfalls dargestellt ist die Hyperbel im 2. Quadranten, die den (BH) max -Punkt definiert. Deutlich ist zu sehen, dass selbst bei einer Temperatur von 200 °C die Entmagnetisierungskurve über den H cB -Wert hinaus geradlinig verläuft und somit keine Gefahr der irreversiblen Entmagnetisierung durch die Temperatur gegeben ist. Zwar wird der Magnet schwächer, gemäß der entsprechenden Tempera‐ turkoeffizienten, jedoch bleibt er absolut stabil. Somit bleibt auch dieser Magnetwerkstoff als Alternative zu den REFeB-Magneten weiterhin sinn‐ voll, zumal bei höheren Temperaturen der REFeB-Werkstoff deutlich teurer wird, siehe unten, die magnetischen Werte bei Betriebstemperatur auf Grund des größeren Temperaturkoeffizienten schneller verringert werden und die Koerzitivfeldstärke ebenfalls schnell an Grenzen stößt. Bei ca. 150 °C ist wohl ein ‚break even‘ erreicht. 64 2 Dauermagnetische Werkstoffe Herstellungsverfahren, Eigenschaften, Gefahren <?page no="71"?> Abb. 18: Entmagnetisierungskurve einer RECo-Legierung 2/ 17 2.3.3.3 Die chemische Beständigkeit Wegen der hohen Affinität des Samariums zu Sauerstoff und wegen der grundsätzlich großen Bindungsfreundlichkeit neigt SmCo bei erhöhter Temperatur zur Oxidation. Deshalb ist es auch gegen anorganische Säuren nicht beständig. Bei alkalischen Laugen sind die Magnete weitgehend beständig. Von organischen Lösungsmitteln werden sie bei Zimmertemperatur nicht ange‐ griffen. Sie sind auch bei Raumtemperatur in Luft beständig. Bei manchen Flüssigkeiten bildet sich eine Passivierungsschicht, die zwar bedenklich aussieht, jedoch keinen weiteren Schaden anrichtet. Die 2/ 17-Legierung ist im Gegensatz zu der 1/ 5-Legierung eisenhaltig und kann Rotrost bilden. Eine zusätzliche Beschichtung kann sinnvoll sein, ist jedoch bei den meisten Anwendungen nicht notwendig. 2.3.4 REFeB-Werkstoffe Da dieses der neueste Werkstoff ist, gibt es hier noch viele Varianten, deshalb auch weiterführende Angaben zu diesem Werkstoff. Noch einmal konnten die magnetischen Eigenschaften gegenüber RECo deutlich gesteigert wer‐ 2.3 Die aktuellen Magnetwerkstoffe 65 <?page no="72"?> den, wobei seine Unabhängigkeit von dem strategischen Werkstoff Kobalt besonders hervorzuheben ist. Zudem ist das Metall Nd, das zwar zu der Gruppe der Selten-Erd-Metalle gehört, nicht so selten wie der Name vermuten lässt. Große Vorkommen wurden in China in der Inneren Mongolei gefunden. 2.3.4.1 Die Zusammensetzung Dieser Werkstoff besteht aus Nd (30-34 %), B (1-1,5 %), Fe (Rest). Inzwischen gibt es weitere Beimischungen durch Dy (0,5-4 %), wodurch die Koerzitiv‐ feldstärke gesteigert wird. Andere Beimengungen wie Pr, Zr, Co, Ho, Ce, La stellen verschiedene Eigenschaften in den Vordergrund. Um die Qualität weiter zu erhöhen, muss das Pulver sehr fein gemahlen werden, was leider Zeit und damit Geld kostet. 2.3.4.2 Das Herstellungsverfahren Die Abb. 16 und 19 beschreiben das Herstellungsverfahren, aus welchem sich die diversen Qualitäten ergeben. Hier ist einmal die sintertechnische Herstellung nach dem ‚Sumitomo-Patent’ (Abb. 16) zu nennen und an‐ dererseits nach dem „Umformprozess“ (Magnequench-Verfahren von Ge‐ neral Motors), wobei das Pulver nach dem ‚Melt-Spin-Verfahren’ gewon‐ nen wird; dabei wird die REFeB-Schmelze auf eine schnell rotierende, gekühlte Walze gegossen, wodurch rasch erstarrte Bänder (Flitter) entstehen (Abb.-19). Die einzelnen Prozesse werden unterteilt in MQ1, MQ2 und MQ3. MQ steht dabei als Abkürzung für Magnequench. Die beiden letzten Prozesse haben heute nur noch eine geringe Bedeutung. Nach dem MQ3 Schritt ist das Material sehr schwer zu bearbeiten; außerdem wird für jeden Prozess ein separates Werkzeug benötigt. Weiterhin erfolgen die Schritte MQ2 und MQ3 bei einer Temperatur von ca. 800 °C, was die Werkzeuge frühzeitig verschleißen lässt. Die anfänglich bessere Korrosionsstabilität ist heute durch zusätzliche Legierungsbestand‐ teile beim Sinterprozess ebenfalls erreicht worden. Erst bei der letzten Umformung ‚MQ3‘ werden durch das ‚Heißfließpres‐ sen’ die Anisotropie und damit die hohen magnetischen Werte erreicht, die jedoch nicht so hoch sind, wie sie heute durch das Sinterverfahren 66 2 Dauermagnetische Werkstoffe Herstellungsverfahren, Eigenschaften, Gefahren <?page no="73"?> erzielt werden. Die Ausrichtung der Anisotropie steht senkrecht auf der Fließrichtung. Der Grund für die etwas geringeren magnetischen Werte liegt in der Korngröße, die bei der Erzeugung der Flitter aus der Schmelze mit >1mm 2 deutlich größer sind als das Pulver beim Sinterverfahren. (Ziel: Eindomä‐ nenteilchen, d. h. Partikel <=1µ). Dieses Ziel wird beim Sinterverfahren auch noch nicht erreicht, liegt jedoch weit näher an der Wunschvorstellung, als es beim Magnequench-Verfahren der Fall ist. Abb. 19: Herstellungsprozess nach dem Magnequench-Verfahren 1. MQ1: Dieser Werkstoff ist kunststoffgebunden (Duroplast/ Epoxy) und isotrop. 2. MQ2: Dieser Werkstoff ist noch einmal gepresst (bei ca. 800 °C), damit höher verdichtet und isotrop. 3. MQ3: Dieser Werkstoff ist unter dem Verfahren ‚Heißfließpressen’ hergestellt und anisotrop. Es wird MQ2-Material genommen, welches zusätzlich unter Temperatureinfluss (ca. 800 °C) umgeformt wird. Durch diesen Umformprozess stellt sich eine Vorzugsrichtung (Anisotropie) ein. Heute hat das Herstellungsverfahren nach Magnequench nur noch für den MQ1-Prozess Bedeutung. Mithilfe dieses Prozesses werden die kunststoff‐ gebundenen Magnete dieser Gattung hergestellt. Für den Sinterprozess 2.3 Die aktuellen Magnetwerkstoffe 67 <?page no="74"?> setzt man auf eine Kombination der Prozesse, wobei wie folgt optimiert wurde. Das hochaktive Pulver muss unter Sauerstoffausschluss weiterverarbeitet werden. Die Partikelgeometrie kann jetzt als dünnes Plättchen im Millime‐ terbereich (mit einer Korngröße von ca. 100µ) bezeichnet werden. Üblicher‐ weise werden als Schutzgas Stickstoff (N 2 ) oder Argon (Ar) verwendet. Bei der Weiterverarbeitung wird dann in einem HDDR-Prozess (hydrogenation disproportionation desorption and recombination = Wasserstoffzersprö‐ dung) das Material weiter unter Temperatur zerkleinert, wobei der Prozess am besten durch ein ‚cracking‘ zu verstehen ist (Korngröße jetzt ca. 250 nm). Hierdurch hart und spröde geworden, kann nun durch ein ‚Jet-Milling‘ das Pulver auf eine Partikelgröße von ca. 3-5µ gebracht werden. Es schließen sich dann die bekannten Press- und Sintervorgänge an. Ein modifizierter HDDR-Prozess (mHDDR) kann eingesetzt werden, um anisotropes REFeB- Pulver herzustellen. Dieses wird dann in kunststoff‐ gebundenen Magneten eingesetzt und erhöht die Remanenz B r bis auf Werte von 1,1 T. Dazu müssen jedoch zunächst sintertechnisch hergestellte Magnete erzeugt werden. Dieses Verfahren ist deshalb geeignet in Recyc‐ lingprozessen zur Wiederaufbereitung von REFeB. Da jedoch die einzelnen REFeB-Qualitäten nicht separat aufbereitet werden, ist die Schwankungs‐ breite in der Qualität des Pulvers recht hoch. 2.3.4.3 Qualitäten und Kosten Um die Kosten für die ‚schweren‘ Selten-Erd-Zusätze wie Dysprosium (Dy) zu reduzieren, wird der nahezu fertiggestellte Magnetwerkstoff bei Bedarf auch einem Diffusionsprozess mit Dy oder Tb ausgesetzt. Hauptsächlich wird Tb verwendet, da es nur die Hälfte der Menge benötigt, aber ca. doppelt so teuer ist wie Dy. Hierdurch wird die Koerzitivfeldstärke erhöht, bei einem Minimum an Materialeinsatz. Der geringe Materialeinsatz ist notwendig, da durch Diffusion nur ein kleiner Materialanteil in die Oberfläche des Magnetwerkstoffes eindringt. Dieser Prozessschritt lohnt sich auf Grund des hohen Zeit- und Energieaufwandes nur, wenn die Dy-/ Tb-Preise sehr hoch sind. Ansonsten werden die Stoffe Dy oder Tb direkt zugesetzt und der letzte Prozessschritt (Diffusion) eingespart. Je nach Qualität werden bei Dy 1-10 % eingemischt, bei Tb etwa die Hälfte. Mit zunehmendem Gehalt an Dy wird in gleichem Maße die Remanenz reduziert. Mit der Remanenz reduziert sich 68 2 Dauermagnetische Werkstoffe Herstellungsverfahren, Eigenschaften, Gefahren <?page no="75"?> ebenfalls das maximale Energieprodukt (BH) max . Dieser Zusammenhang ist in der folgenden Abbildung zu sehen. Abb. 20: Zusammenhang zwischen Dy-Gehalt und Remanenz, zusätzliche Angabe der typischen Bezeichnungen mit Temperaturbeständigkeit Da heutzutage hauptsächlich die Mehrzahl der REFeB-Magnete aus China kommt, hat sich die chinesische Nomenklatur ebenfalls durchgesetzt. Diese besteht aus einer zusätzlichen Kennzeichnung zur Qualität. Sie setzt sich wie folgt zusammen: Nxy, dabei steht N für NdFeB = REFeB X für das Energieprodukt (BH) max in MGOe statt kJ/ m 3 , somit ein Zahlen‐ wert. Die Umrechnung in kJ/ m 3 geschieht dadurch, dass der Wert in MGOe durch 1,256 geteilt (entspricht dem Zahlenwert von µ o ) und anschließend mit 10 multipliziert wird. Y steht für einen Schlüssel der Koerzitivfeldstärke der Polarisation H cJ , eine Buchstabenkombination aus 1 bis 2 Buchstaben. 2.3 Die aktuellen Magnetwerkstoffe 69 <?page no="76"?> Der Schlüssel für Y lautet wie folgt: • Keine Kennzeichnung: H cJ >= 955 kA/ m • M: H cJ >= 1114 kA/ m • H: H cJ >= 1353 kA/ m • SH: H cJ >= 1595 kA/ m • UH: H cJ >= 1990 kA/ m • EH: H cJ >= 2398 kA/ m • AH: H cJ >= 2724 kA/ m • ZH: H cJ >= 3000 kA/ m Entsprechend der Koerzitivfeldstärke wird auch die Temperaturbeständig‐ keit definiert. Beispiel: N42SH entspricht gemäß internationaler Nomenklatur einem REFeB-Magneten mit der Bezeichnung: REFeB330/ 160. Mit steigendem Dy-Gehalt wächst in ähnlicher Weise auch der Preis/ kg. Die Mengenaufteilung der wesentlichen Bestandteile und die dazugehörige Kostenstruktur sind in der folgenden Abbildung dargestellt. Abb. 21: Aufteilung (links mengenmäßig und rechts kostenmäßig) der Hauptbestandsele‐ mente eines REFeB-Magneten Mengenmäßig ist Fe der Hauptbestandteil (ca. 65 %) des REFeB-Magneten, er spielt jedoch bei der Kostenaufteilung nur eine untergeordnete Rolle. Bei Dy verhält es sich genau andersherum. 70 2 Dauermagnetische Werkstoffe Herstellungsverfahren, Eigenschaften, Gefahren <?page no="77"?> Die weltweite Verteilung der Ressourcen in der Erdkruste von Sel‐ ten-Erd-Metallen ist der folgenden Tabelle 3 zu entnehmen (Zahlenangaben in ppm). La 35 Sm 7 Ho 1,4 Ce 66 Eu 2,1 Er 3,5 Pr 9,1 Gd 6,1 Tm 0,5 Nd 40 Tb 1,2 Yb 3,1 Pm 4,5*10 -20 Dy 4,5 Lu 0,8 Tab. 3: Häufigkeiten der seltenen Erden in der Erdkruste in ppm Eine typische Entmagnetisierungskennlinie eines REFeB-Magneten in Ab‐ hängigkeit von der Temperatur ist in der folgenden Abb. 22 dargestellt. Man erkennt in der J(H)-Darstellung die Arbeitsgerade, die Gerade B = 0 und die Temperaturabhängigkeit bei 80-°C und 120-°C. Abb. 22: Entmagnetisierungskurve eines typischen REFeB320/ 160-Magneten oder auch N42SH Die Magnetgeometrie und damit die Arbeitsgerade ist identisch gewählt wie in Abb. 18 für RECo. 2.3 Die aktuellen Magnetwerkstoffe 71 <?page no="78"?> Ebenfalls ist bei 120-°C zu erkennen, dass die Arbeitsgerade bereits ein wenig unterhalb der entsprechenden Entmagnetisierungskurve schneidet. Somit wäre der Magnet, der in diesem Fall ein L/ D-Verhältnis deutlich kleiner als 1 aufweist, bereits ein wenig irreversibel geschwächt. Die Temperaturangaben, die häufig bei diesem Werkstofftyp in den Daten‐ blättern angegeben werden, beziehen sich immer auf ein L/ D-Verhältnis von 1. Dieses ist allerdings ein nicht typisches L/ D-Verhältnis für übliche Anwendungen. Ein Beispiel für die chemische Zusammensetzung eines heute üblichen REFeB-Magneten ist in der folgenden Tabelle 4 dargestellt. Es werden zwei unterschiedliche Hersteller verglichen. Wie man sieht, wird das Ziel bei gleicher Spezifikation mit einer unterschiedlichen Zusammensetzung erreicht. Nicht nur die chemische Zusammensetzung entscheidet über die Qualität der Magnete, sondern ebenso die thermische Nachbehandlung im Multistep-Verfahren. Werte von 0,03 % in der Tabelle entsprechen der Nachweisgrenze. Die genaue Zusammensetzung entscheidet nicht nur über die Remanenz bzw. Koerzitivfeldstärke, sondern auch über den Temperaturkoeffizienten. Generell kann festgehalten werden, dass Qualitäten mit hoher Temperaturbeständigkeit bis 230 °C auch die kleins‐ ten Temperaturkoeffizienten besitzen. Das spiegelt sich im Preis pro kg wider. Aus diesem Grund sollten die Anwender die magnetischen Werte bei der Betriebstemperatur angeben und nicht bei Raumtemperatur. Element Magnet1 in % Magnet2 in % Nd 20,6 23,4 Pr 6,64 5,37 B 0,99 1,0 Dy 3,35 0,92 Ho 1,0 0,03 Tb 0,03 0,03 Zr 0,03 0,17 Cu 0,08 0,15 Al 0,21 0,69 Co 0,87 0,98 72 2 Dauermagnetische Werkstoffe Herstellungsverfahren, Eigenschaften, Gefahren <?page no="79"?> Element Magnet1 in % Magnet2 in % Gd 0,03 1,26 Ga 0,12 0,03 Nb 0,32 0,03 Fe 65,3 65,7 Tab. 4: Chemische Analyse zweier hochwertiger REFeB-Magnete bei gleicher Spezifikation 2.3.4.4 Chemische Beständigkeit Durch den hohen Eisenanteil in dieser Legierung ist die Beständigkeit ähn‐ lich wie beim Eisen zu sehen. Ein Korrosionsschutz in Form verschiedener Beschichtungen ist heute Stand der Technik. 2.3.4.5 Beschichtungen Diese Beschichtungen bestehen oftmals aus Ni-Schichten (ca. 10µ dick), aus 3-fach-Beschichtungen wie Ni-Cu-Ni, oder auch das Phosphatieren mit Zn, Verzinken, Aluminisieren (IVP) und Epoxy-Beschichtungen. Die spezielle Anwendung entscheidet hier häufig über die sinnvollste Beschichtungsart, da auch weitere Parameter wie die Weiterverarbeitbarkeit, das Klebevermö‐ gen und das Temperaturverhalten (Schrumpfung/ Ausdehnung) wichtige Einflussgrößen sind. Sonderbeschichtungen wie Teflon oder Parylene sind ebenfalls zu nen‐ nen, obwohl hier der Preis, insbesondere bei Parylene-Beschichtung, sehr hoch ist und den des Magneten übersteigen kann. Hier ist insbesondere die Zusammenarbeit zwischen Kunden und Lieferanten wichtig. In der folgenden Tabelle 5 ist eine kurze Zusammenstellung der verschie‐ denen Beschichtungen von Magneten mit ihrer Temperaturbelastbarkeit gegeben. Zu beachten ist bei den metallischen Beschichtungen, dass es sich dann um mind. 2 verschiedene Metalle handelt, die etwas unterschiedliche Ausdehnungskoeffizienten besitzen, dadurch kann es bei höherer Tempera‐ tur zu Spannungen und Ablösungen (Aufreißen) der dünnen Beschichtung kommen. Im Allgemeinen sind metallische Beschichtungen empfindlich gegenüber Druckbelastungen, wie Klemmen oder Quetschen, was bei der Bestückung von bereits magnetisierten Magneten oft vorkommt. Hier ist besondere Vorsicht bei der Montage geboten. 2.3 Die aktuellen Magnetwerkstoffe 73 <?page no="80"?> Art Beschichtung Temperaturbereich Funktion Metallische Beschichtung ca. 10-20µ Schichtdicke Nickel -Zinn -Nickel-Kupfer - Nickel-Zinn - Zink-Chrom -IVD-Aluminium <200-°C -<180-°C -<160-°C - <160-°C - <170-°C - <500-°C Dekorativ, Kantenschutz -Gute Feuchtebeständigkeit -Guter Feuchte- und Korrosi‐ onsschutz -Guter Feuchte- und Korrosi‐ onsschutz -Guter Feuchteschutz, passi‐ ver Korrosionsschutz -Sehr gute Klima- und Salzbe‐ ständigkeit Organische Beschichtung ca. 10-20µ Schichtdicke - KTL -Nasslackierung -Passivlack - Teflon (PTFE) -Parylene <150-°C -<160-°C -<160-°C - <180-°C -<220-°C Sehr guter Korrosionsschutz -Guter Korrosionsschutz -Feuchteschutz, guter Korro‐ sionsschutz Sehr guter Korrosionsschutz Feuchteschutz, sehr guter Korrosionsschutz, Lebensmittelverträglichkeit Tab. 5: Übliche Beschichtungen von Dauermagneten 2.3.5 Magnetgummi auf Kautschukbasis Diese auf Kautschukbasis hergestellten Magnete werden durch Kalandrie‐ ren mittels Walzen oder durch Extrudieren hergestellt. Beim Prozess des Kalandrierens wird die erwärmte Magnet-Kautschukmasse durch zwei Rollen gepresst, so dass anschließend eine Magnetfolie oder Magnetmatte entsteht. Dadurch stellt sich eine mehr oder weniger stark ausgeprägte Anisotropie ein. Deshalb wird hier auch oftmals der Begriff semi-anisotrop verwendet. Auf diese Weise können großflächige Magnete, wie eine Gum‐ mimatte, hergestellt werden. Beim Prozess des Extrudierens stellt man sich am einfachsten eine Wurstpresse vor, die an ihrem Ende eine formgebende Düse besitzt, durch welche die erwärmte Magnet-Kautschukmasse gepresst 74 2 Dauermagnetische Werkstoffe Herstellungsverfahren, Eigenschaften, Gefahren <?page no="81"?> wird. Dadurch kann entsprechend der Formgebung der Düsengeometrie ein spezielles Profil erzeugt werden. 2.3.5.1 Magnetfolie Bei der Herstellung durch Kalandrieren wird das Magnetgummi bis zu einer Breite von 1 m zu Rollen aufgerollt, wobei die Dicke nur 0,2 bis 2 mm beträgt. Mit einer verschiedenfarbigen, einseitigen PVC- Kaschierung werden damit z. B. Beschriftungsschilder hergestellt oder Werbemittel. Hier ist die Aufgabe der Folie darin zu sehen, dass diese schnell anzubringen ist und auch schnell wieder entfernt werden kann. In diesem Fall ist keine besondere Haftkraftanforderung notwendig, da sich die Folie nur selbst halten muss. Die Beständigkeit ist auch hier wieder vom verwendeten Kautschuk abhängig. Bei dem Extruderprozess entstehen aus diesem Material magnetische Dichtungen von Kühlschränken, Duschkabinen, Fliegengitter und spezielle Profile, welche die Funktionen „halten“ und „dichten“ vereinen. Die ma‐ gnetischen Werte sind mit einer Remanenz B r von 0,15 T bis 0,25 T eher bescheiden zu nennen, erfüllen aber trotzdem durch die meist große Fläche eine ausreichende Haftwirkung. Bei einer Remanenz B r von 0,15 T findet das isotrope HF-Pulver Verwen‐ dung, bei einem B r von 0,25 T wird das anisotrope Pulver eingesetzt. Der Kautschukanteil beträgt ca. 40 % und bestimmt den Grad der Flexibilität. Die Polteilung bei der mehrpoligen Magnetisierung dieser Folien liegt in der Regel bei 2,5-mm. 2.3.5.2 Magnetgummi Ab einer Materialdicke von 2 mm spricht man von Magnetgummi, wel‐ ches als Stabmaterial eingesetzt werden kann. Die Breite kann dann bis 150 mm betragen, oftmals ist es schmaler und kann einfach durch die Dicke (axial) magnetisiert sein oder auch mehrpolig. Bei einer mehrpoligen Magnetisierung ist eine Breite des Magnetgummis bis 300 mm üblich, wobei die Polteilung der Magnetisierung eher 5 mm bzw. 7 mm beträgt, da das Magnetgummi in Stärken bis 8 mm ausgerollt (kalandriert) wird. Die Stablänge beträgt dann oftmals 1 m. Bei Haftanwendungen wird zur Verstärkung der Haftwirkung auf der Rückseite eine Eisenplatte (Blech) 2.3 Die aktuellen Magnetwerkstoffe 75 <?page no="82"?> angebracht. Dadurch wird bei einer Dicke des Magnetgummis bis 3 mm eine Verdopplung der Haftwirkung erreicht: Diese verstärkende Wirkung nimmt mit zunehmender Magnetstärke allerdings ab, da die Magnetisierung nicht mehr vollständig durch die Dicke des Materials hindurchdringt, so dass bei 7 mm Magnetdicke nahezu kein verstärkender Effekt durch das Eisen mehr auftritt. Die maximale Haftkraft kann bei 3 mm dickem Magnetgummi mehrpolig magnetisiert und mit Eisenverstärkung etwa 1,5 N/ cm 2 (ca. 150 g/ cm 2 ) betragen. Die technischen Daten des Magnetgummis entsprechen denen vom Hart‐ ferrit und können wie folgt angegeben werden: HF-Magnetpulver Magn. Größe isotrop anisotrop B r [mT] 130 … 180 250 … 280 H cB [kA/ m] 70 … 120 160… 180 H cJ [kA/ m] 160 … 120 160 … 120 TK B r [°/ K] -0,2 -0,2 TK H cJ [°/ K] 0,2 … 0,5 0,2 … 0,5 (BH) max [kJ/ m 3 ] 3 … 6 10-12 Spezif. Dichte [g/ cm 3 ] 3,3 …3,8 3,3 … 3,8 Tab. 6: Typische magnetische Werte von Magnetgummi bei isotropem bzw. anisotropem HF-Pulver Die max. Einsatztemperatur beträgt ca. 100 °C. Die Koerzitivfeldstärke der Polarisation ist bei Magnetgummi, wenn es denn mehrpolig magnetisiert wurde, nicht entscheidend, da bei HF der TK(H cJ ) positiv ist und deshalb eine Gefahr der Entmagnetisierung nur bei niedrigen Temperaturen gegeben ist. Zu erwähnen ist jedoch, dass die reversible Permeabilität größer als bei gesinterten Magneten ist und etwa bei µ p = 1,3 … 1,55 liegt. Das bedeutet, dass der Magnet immer hoch scheren, somit direkt auf Eisen aufliegen sollte, damit nicht unnötig Haftkraft durch irreversible Verluste verloren geht. 76 2 Dauermagnetische Werkstoffe Herstellungsverfahren, Eigenschaften, Gefahren <?page no="83"?> Eine Entmagnetisierungskurve für isotropes Magnetgummi ist in Abb. 23 angegeben. 0,00 0,02 0,04 0,06 0,08 0,10 0,12 0,14 0,16 -250 -200 -150 -100 -50 0 Flussdichte B in T -----> <------- Feldstärke in kA/ m µ p=1,52 J(H) B(H) Abb. 23: Entmagnetisierungskurve von HF3/ 16-Magnetgummi, isotrop mit Br = 133-mT, H cJ = 160-kA/ m und µ p = 1,53; rote Kurve: B(H), blaue Kurve: J(H) 2.4 Das L/ D-Verhältnis bei Sensormagneten Man spricht von einem L/ D-Verhältnis, welches unabhängig vom Magnet‐ werkstoff ist; dabei ist L = Länge (in Magnetisierungsrichtung) und D = Durchmesser. Die Einschränkung auf Sensormagnete macht die Berechnung besonders einfach, da davon ausgegangen werden kann, dass kein ferroma‐ gnetisches Material in direkter Nähe des Magneten vorhanden ist. Somit kann eine Berechnung auf den „losen Magneten“ bezogen werden. Dies ist sicherlich ein Spezialfall, aber er zeigt in grundsätzlicher Weise die Zusammenhänge. Typisch ist ein L/ D-Verhältnis für die folgenden Werkstoffe von: HF28/ 26: ca. 0,5…1 AlNiCo 40/ 12: ca. 2-3 AlNiCo 35/ 5: ca. 4-5 SmCo: ca. 0,1…1 NdFeB: ca. 0,1…1 2.4 Das L/ D-Verhältnis bei Sensormagneten 77 <?page no="84"?> Das in einem System real vorhandene L/ D-Verhältnis kann z. T. von den vorgenannten Zahlen abweichen, da andere Parameter wie Flussleitstücke einen wesentlichen Einfluss auf die Gestaltung haben können. 2.4.1 Die Berechnung der Steigung der Arbeitsgeraden Der einfachste magnetische Kreis besteht aus nur einem Magneten. Die‐ ser besitzt ein magnetisches Potential zwischen dem Nord- und Südpol, vergleichbar mit einer magnetischen Spannung, einen inneren und einen äußeren Widerstand, der dadurch bedingt ist, dass die Feldlinien durch Luft (Vakuum) gehen müssen, um vom Nordzum Südpol zu gelangen. Dieser äußere Widerstand wäre bei Vorhandensein von Flussleitstücken geringer, der Magnet würde also weniger belastet. Da in Luft (Vakuum) die Belastung des Magneten am größten ist, so ist auch die Steigung der Arbeitsgeraden am geringsten und der damit verbundene Arbeitspunkt am niedrigsten. So wird der ‚lose Magnet’ zu einem Sonderfall, wie er bei Sensoranwendungen oftmals zu finden ist. Es ist vorteilhafter, statt der magnetischen Widerstände mit den magne‐ tischen Leitwerten zu rechnen, dieses sind die reziproken Widerstände. Die Steigung der Arbeitsgeraden ergibt sich dann zu B M / H M = µ o *µ rev * Λσ/ Λ M , mit Λσ = Leitwert des Streuflusses und Λ M = Leitwert des Magneten. Die Leitwerte ergeben sich aus der Geometrie des Magneten. In der folgen‐ den Tabelle ist für einen realen Fall diese Steigung der Arbeitsgeraden in Abhängigkeit verschiedener L/ D-Verhältnisse angegeben: Magnetischer Leitwert eines Zylindermagneten: Λ M = π*D 2 / (4*L m ) mit L m =Länge des Magneten in Magnetisierungsrichtung Leitwert des Streuflusses in Luft von einem Zylindermagneten: Λσ = 3 * D 2 * 2 * D + Lm 2 * D + 3 * Lm Der Magnetdurchmesser beträgt in diesem Fall: 6 mm 78 2 Dauermagnetische Werkstoffe Herstellungsverfahren, Eigenschaften, Gefahren <?page no="85"?> L/ D= 0,5 0,75 1,0 1,5 2,0 3,0 L M = - 3mm 4,4mm 6mm 9mm 12mm 18mm Λ M = π * D 2 4 * Lm = - 9,425 6,28 4,71 3,14 2,36 1,5 - Λσ= 3 * D 2 * 2 * D + Lm 2 * D + 3 * Lm = 6,43 5,82 5,4 4,85 4,5 4,1 - BM/ HM=µ o *µ rev *Λσ/ Λ M = - 0,9 1,22 1,52 2,04 2,52 3,44 - nach Evershed = - 1,48 - 2,5 - 3,46 - 6,3 - 9,4 - 15,9 - Tab. 7: Die Steigung der Arbeitsgeraden in Abhängigkeit vom L/ D-Verhältnis Der Vollständigkeit halber ist zum Vergleich noch die Bestimmung nach der Formel von Evershed angegeben, welche jedoch zu große Steigungen angibt, dafür jedoch als ‚best case’ angesehen werden kann. B M / H M = L M / A M * k * π * 0/ 2 wobei O = Magnetoberfläche L M = Magnetlänge A M = Magnetquerschnitt B M = Flussdichte im „Arbeitspunkt“ k = Korrekturfaktor H M = Feldstärke im „Arbeitspunkt“ Für Hartferrit- und Selten-Erd- Magnete wird bei k = 1 (da µ p ≅ 1) die Formel für Zylindermagnete zu B M / H M = π * 4 * Lm * Lm + Dm 2 * Dm π * Dm * Dm mit D M =Magnetdurchmesser Die sich hier ergebenden Steigungen der „Arbeitsgeraden“ können lediglich als Mittelwerte angesehen werden, somit als mittlere Arbeitsgerade. Diese sind im folgenden Diagramm angegeben. Um die Magnetisierung im Magneten ‚B m ’ zu bestimmen, muss der Schnittpunkt der Entmagnetisierungskennlinie mit der Arbeitsgeraden be‐ rechnet werden. B m = Bp 1 + x , wobei 2.4 Das L/ D-Verhältnis bei Sensormagneten 79 <?page no="86"?> x = π* Dm 6 * Lm * 2 * Dm + 3 * Lm 2 * Dm + Lm mit µ p =1,0 In x findet man das Verhältnis der Streuleitwerte (Λ M / Λ σ ) nach Umrechnung wieder. Abb. 24: Darstellung der Steigung der Arbeitsgeraden bei verschiedenen L/ D-Verhältnis‐ sen 2.4.2 Die Berechnung der Feldstärke von Sensormagneten Ein Überblick über die Scherung im Magneten von Einzelmagneten, z. B. als Sensormagnete, wurde bereits im vorherigen Kapitel gegeben. Oftmals ist es für den ersten Überblick sinnvoll, auch die Feldstärke eines Sensormagneten im Abstand x zu kennen. Dieses gilt auch für unter‐ schiedliche Magnetgeometrien, wie Zylindermagnet, Rechteckmagnet oder 80 2 Dauermagnetische Werkstoffe Herstellungsverfahren, Eigenschaften, Gefahren <?page no="87"?> Magnetring. Für den Zylindermagneten erhält man folgenden Zusammen‐ hang, wobei x der Abstand vom Magneten in Magnetisierungsrichtung ist. Auf die Herleitung der Formeln wird an dieser Stelle verzichtet, hierzu siehe Literaturverzeichnis. Für den Zylindermagneten gilt: Das Feld in axialer Richtung, mittig von der Stirnseite des Magneten aus gesehen im Abstand x B = Bp 2 * H m + x a − xb a = H m + x 2 + Ra 2 ; b = x 2 + Ra 2 wobei B p = Permanenz in [T], im Schnitt 3-5-% kleiner als B r H m = L m = Magnethöhe in Magnetisierungsrichtung in [mm] X = Abstand von der Magnetoberfläche in [mm] R a = D m / 2 = Radius des Zylindermagneten 2.4 Das L/ D-Verhältnis bei Sensormagneten 81 <?page no="88"?> Für einen Magnetring gilt: B = Bp 2 * H m + x a − xb − H m + x a′ + x b′ a = H m + x 2 + Ra 2 ; b= x 2 + Ra 2 und a′ = H m + x 2 + Ri 2 ; b′= x 2 + Ri 2 wobei B p = Permanenz in [T], im Schnitt 3-5-% kleiner als B r H m = L m = Magnethöhe in Magnetisierungsrichtung in [mm] X = Abstand von der Magnetoberfläche in [mm] R a = D m / 2 = Radius des Zylindermagneten R i = Innenradius des Zylindermagneten Für einen Rechteckmagneten gilt: 82 2 Dauermagnetische Werkstoffe Herstellungsverfahren, Eigenschaften, Gefahren <?page no="89"?> B 1 = Bp π * atan H m + x T m * Lm * c − atan x T m * Lm * d mit c = H m + x 2 + T m 2 + Lm 2 und d = x 2 + T m 2 + Lm 2 B p = Permanenz in [T], im Schnitt 3-5-% kleiner als B r H m = Länge des Blockmagneten in Magnetisierungsrichtung in [mm] X = Abstand von der Magnetoberfläche in [mm] 2T m = Dicke des Blockmagneten 2L m = Breite des Blockmagneten Für 2 Rechteckmagnete in einem C-Joch gilt: B 2 = = Bp π * atan H m + z T m * Lm * c − atan z T m * Lm * d * z = g---x H m = 2*H m , da die Magnete am Eisen gespiegelt werden. (*) dieses ist der zweite Teil der Formel, der erste Teil besteht aus der Formel für den Rechteckmagneten B1, s.-o. (Superpositionsprinzip) Somit ist die Flussdichte im C-Joch B = B 1 + B 2 2.4 Das L/ D-Verhältnis bei Sensormagneten 83 <?page no="90"?> 2.5 Sicherheitshinweise 2.5.1 Verpackung Die Magnete und Magnetsysteme werden gemäß internationalen Richtli‐ nien verpackt. Die Verpackung ist entsprechend zu kennzeichnen. Hierbei ist insbesondere der Hinweis auf ‚magnetisches Produkt’ wichtig. Deshalb muss jede Lieferung mit der vorgeschriebenen Symbolik „Herz‐ schrittmacher“, „magnetische Kräfte“ und „Quetschgefahr“ gekennzeichnet werden. Die Entnahme von magnetischen Produkten aus der Verpackung muss ebenfalls mit Bedacht erfolgen, da insbesondere die Quetschgefahr zu Verletzungen führen kann. Deshalb sind sicherheitshalber Handschuhe und Schutzbrille zu tragen. Die magnetischen Produkte müssen immer sorgfältig mit dem notwendi‐ gen Sicherheitsabstand zueinander ausgepackt und zwischengelagert, bzw. weiterverarbeitet werden. Auf die Gefahren durch Magnetfelder muss hingewiesen werden, dazu sind die folgenden Hinweisschilder zu verwenden: Achtung/ Warnung: Quetschgefahr - Achtung/ Warnung: Strahlung - Achtung/ Warnung: Magnetfeld Verbot für Personen mit Herzschritt‐ macher (HSM) 84 2 Dauermagnetische Werkstoffe Herstellungsverfahren, Eigenschaften, Gefahren <?page no="91"?> 2.5.2 Sicherheitsrichtlinien Folgende Sicherheitsrichtlinien kommen für magnetische Produkte zur Anwendung: 1. Unfallverhütungsvorschrift: BGV B11 (VGB 25) „Elektromagnetische Felder“ vom 1.Juni 2001 und zugehörige Regeln BGR B11 2. DIN IEC 60404-8-1: 2005-08 Magnetische Werkstoffe 3. Elektromagnetische Verträglichkeit (EMV) u. elektromagnetische Inter‐ ferenzen (EMI) speziell Herzschrittmacher EN 45502-2-2 4. Normenreihe DIN VDE 0848-3-1 und DIN EN 50527-2-1 5. Richtlinie 2004/ 40/ EG: Mindestvorschriften zum Schutz … der Arbeit‐ nehmer vor …. Elektromagnetischen Feldern gemäß Artikel 16 Abs. 1 der Richtlinie 89/ 391/ EWG 6. BGI/ GUV-I 5111 Beeinflussung von Implantaten 7. 26. BImSchV 8. DIN EN 71 ‚Spielzeugrichtlinie‘ Bei Magnetsystemen handelt es sich im Wesentlichen um magnetische Gleichfelder, die nur an einer Seite austreten, der aktiven Seite. An allen anderen Stellen ist die Restfeldstärke in einem unkritischen Bereich, es sei denn, es wurde ausdrücklich darauf hingewiesen. Ein Sicherheitsabstand von 0,5 m gilt als ausreichend, wenn das Magnet‐ system Abmessungen von <1 m aufweist. Bei größeren Systemen gilt 1 m als Sicherheitsabstand. 2.5.3 Grenzwerte Die oben genannten Vorschriften können wie folgt zusammengefasst wer‐ den: Bei statischen Magnetfeldern (<= 1Hz) gilt, dass ein Grenzwert von 0,5 mT bis 0,7 mT für Personen mit Herzschrittmachern [HSM] (aktiven Körper‐ hilfsmitteln) nicht überschritten werden darf. In der folgenden Abbildung ist ein kurzer Überblick über die derzeit gängigsten aktiven Körperhilfsmittel gegeben. 2.5 Sicherheitshinweise 85 <?page no="92"?> Abb.-25: Beispiel aktiver Implantate Bild: DGUV Information 203-043 Nach neuester Norm EN 45502-2-2 ist die Funktion bis zu einem statischen Magnetfeld von 1-mT zu gewährleisten. Da aber noch Altgeräte im Umlauf sind, sollte man sich an die 0,5-mT-Grenze halten. Bei allen anderen Personen, die keine magnetfeldempfindlichen Implan‐ tate haben, kann der Grenzwert (Basiswert) für den Ganzkörperbereich auf ca. 21,2 mT (Expositionsbereich 2 = dauerhaft) und 67,9 mT (Expositi‐ onsbereich 1 = bis 8 h) und 127,3 mT im Bereich ‚erhöhter Exposition’ (Expositionszeit bis 2h) betragen. Sind nur die Extremitäten (Arme, Beine) betroffen, so dürfen diese Werte um den Faktor 2,5 überschritten werden (gemäß 26.BimSchV). Die Werte für eine 50-Hz-Sinuserregung sind bedeutend geringer. 86 2 Dauermagnetische Werkstoffe Herstellungsverfahren, Eigenschaften, Gefahren <?page no="93"?> Wechselfeld 50 Hz B-Feld in mT Zeit in Std. Expositionsbereich 2 0,1 dauerhaft Expositionsbereich 1 1,25 8 Erhöhte Exposition 2,2 2 Extremitäten (Arm, Bein etc) 5,5 2 Tab. 8: Zulässige Magnetfelder bei 50/ 60Hz Zum Vergleich sei festgehalten, dass das Erdmagnetfeld bei ca. 0,03-0,07 mT (30 … 70 µT) liegt. Im Mittel wird ein Wert von 50-µT angenommen. Somit wird der ca. 10-fach höhere Wert des Erdmagnetfeldes im Umgang mit magnetischen Gleichfeldern bei Herzschrittmachern akzeptiert. Als weiterer Vergleich mögen die folgenden Geräte des alltäglichen Ge‐ brauchs dienen, die als unbedenklich eingestuft werden: • Geräte der Bürokommunikation (PC, Drucker, Monitor) • Mobiltelefone, DECT, WLAN, Bluetooth • Elektroinstallationen mit Strömen bis 100-A • Handgeführte elektrische und elektronische Betriebsmittel • Transformatoren bis zu 250-kVA • Antriebe bis 100-kVA Die Magnetsysteme sind so auszulegen, dass mit Ausnahme der Haftfläche im Umfeld der Magnetsysteme keine ‚Störfelder’ größer 0,5 mT in einem Abstand von 20-cm auftreten. Wenn die Magnetsysteme lediglich Komponenten einer größeren Anlage darstellen, ist der Hersteller dieser Anlagen verpflichtet, gemäß den oben angegebenen Richtlinien zu handeln und für eine entsprechende Sicherheit und Kennzeichnung zu sorgen. Für den Reparaturfall wird darauf hingewiesen, dass nur geschultes Personal (befähigte Person) diese Reparaturen durchführen darf. Diese Personen dürfen grundsätzlich keinen Herzschrittmacher tragen. 2.5 Sicherheitshinweise 87 <?page no="94"?> Insbesondere für Dauermagnete gilt zusätzlich: • Brandgefahr bei mechanischer Bearbeitung. Magnete aus der Gruppe der Seltenen Erden besitzen eine hohe Affinität zu Sauerstoff und entzünden sich leicht. Glimmende oder brennende Magnete und deren Bearbeitungsabfälle nicht mit Wasser, CO 2 - oder Halogenlöschern lö‐ schen; nur mit Sand- oder Pulverlöschern. • Magnetisieren von Magneten: Magnete können aus dem Magnetfeld herausgeschleudert werden oder auch zerplatzen, deshalb • nie in Feldrichtung schauen • Magnete nie mit der Hand in einer Magnetisiervorrichtung festhalten, sondern unbedingt mechanisch fixieren • nie ferromagnetische Teile in der Nähe der starken Magnetfelder depo‐ nieren • unbedingt die Betriebsanweisung von Magnetisiergeräten und -spulen beachten • Transport: Die Bestimmungen für magnetische Streufelder beim Luft‐ transport (IATA-Richtlinie) sind zu beachten. Diese Bestimmungen gelten auch für Magnetsysteme. Zulässige Werte der magnetischen Flussdichte in den Expositionsbereichen 1 und 2 sowie im Bereich erhöhter Exposition gemäß 26. BImSchV. Als Referenz ist das Erdmagnetfeld mit eingezeichnet (dient nur zum Größen‐ vergleich). Abb.26: Abhängigkeit der Flussdichte von der Frequenz gemäß der 26.BImSchV 88 2 Dauermagnetische Werkstoffe Herstellungsverfahren, Eigenschaften, Gefahren <?page no="95"?> Weiterführende Literatur zu diesem Thema: • Bundesamt für Gesundheit -Magnete-, http: / / www.bag.admin.ch/ them en/ strahlung • Wolber T. et al.: Potential interference of small NdFeB magnets with cardic pacemakers and implantable cardioverter-defibrillators (2007) • ICNIRP: Guidelines on limits of Exposure to Static Magnetic Fields, Health Phisics 66(1): 100-106; 1994 2.5.4 Beispiele und Tabellen: Bei REFeB- und RECo- Magnete mit einer Remanenz B r > 1000mT gelten folgende Abstände, um ein Magnetfeld von 1mT zu erzeugen (bei Personen mit medizinisch aktiven Hilfsmitteln sind nur 0,5mT erlaubt). Magnet [mm] Dimension [mm] Haftkraft ca. [kg] Abstand zum Magneten [mm] Quader, groß 50 * 50 * 25 100 220 Quader. mittel 25 * 25 * 12,5 25 110 Würfelmagnete 5 * 5 * 5 1,1 50 Spielzeugmagnet, Ellipsoid 16 * 16 * 45 2 90 Halskette, Kugeln klein, mittel, groß D8/ 12/ 13 0,9/ 1,5/ 2,9 75 Büromagnet, Zyl. D20 * 10 12 85 Stäbchen mit Stahlkugeln D5 * 25 1,1 50 Tab. 9: Handelsübliche Magnete mit einer Remanenz Br-=-1T und zugehöriger Haftkraft und Reichweite Wie obiger Tabelle zu entnehmen ist, ist das Grenzmagnetfeld von 1 mT stark abhängig von der größten Abmessung des Magneten. Die Haftkraft ist kein eindeutiges Indiz für die Reichweite. Von der internationalen Kommission für nichtionisierende Strahlung (IC‐ NIRP) wird ein Grenzwert von 40 mT kontinuierlicher Strahlung (allgemeine 2.5 Sicherheitshinweise 89 <?page no="96"?> Bevölkerung) angegeben. Man sieht, dass auch hier noch Abstimmungsbe‐ darf besteht, zur 26. BimSchV und es keine einheitliche Regelung gibt. Ausführliche Untersuchungen dauern an. Kleinkinder sollten auf jeden Fall von starken Magneten ferngehalten werden, da diese gerne kleine Magnete verschlucken, die dann im Körper zu einem Klumpen werden können und dann zu Darmverschlüssen und inneren Verletzungen führen können. Das Magnetfeld nimmt mit zunehmendem Abstand stark ab. In der folgen‐ den Grafik ist die Reichweite von Selten-Erd(RE)-Magneten für die obige Tabelle als Beispiel angegeben, nur der Spielzeugmagnet ist aus HF: Abb. 27: Darstellung der Reichweite von handelsüblichen Magnetgeometrien (Grenzwert für Patienten mit HSM-=-0,5-mT) Der Abbildung 27 ist zu entnehmen, dass insbesondere die Größe des Magne‐ ten für die Reichweite entscheidend ist, wenn von axialen bzw. diametralen Magnetisierung ausgegangen wird. Die Zuordnung der Magnete ist in Tabelle 9 gegeben. Selbst der Spielzeugmagnet - als Ellipse geschliffen, grüne Kurve - überholt bei der Reichweite die kleineren Magnete aus RE (rare earth). 90 2 Dauermagnetische Werkstoffe Herstellungsverfahren, Eigenschaften, Gefahren <?page no="97"?> 2.5.5 Grenzwertbetrachtungen: Bislang konnten auch bei 50bzw. 60-Hz-Feldern keine nachweisbaren Be‐ einträchtigungen irgendwelcher Körperfunktionen oder Körperteile (auch Nerven und Knochenmark) nachgewiesen werden, wenn das Magnetfeld unter 100 µT = 0,1 mT gelegen hat. Auch bei elektrischen Feldern, die bei Wechselfrequenzen immer auftreten, kann Entwarnung bei Feldern unterhalb 1 KV/ m gegeben werden. Die induzierten elektrischen Felder im Körper liegen dann immer unter 88 mV/ m. Hier scheinen die Augen am empfindlichsten zu sein. Es kann auch bei bekanntem Körperwiderstand (Leitfähigkeit, Wirbel‐ ströme) auf den Körperstrom rückgeschlossen werden, der dann selbst im Extremfall noch unter 140-µA liegt. Die Nachweisgrenze, ab welcher ein Mensch einen Strom empfinden kann, liegt bei 360-µA (Finger). Ab 1800-µA wird hier ein Schmerz empfunden. Jedes Körperteil empfindet die Reizschwelle unterschiedlich (Oberschenkel, Gehirn, Augen, Finger etc.), so kann im Mittel eine Feldstärke von 100 mV/ m auf ca. 10 µA zurückgeführt werden (durchschnittliche Leitfähigkeit im Körper ca. 0,25 S/ m). Um diese Grenze an äußerer Feldstärke (d. h. außerhalb des Körpers) zu erreichen, muss diese ca. bei 10 kV/ m liegen bei einer Frequenz von 50 bis 60-Hz. Betrachtet man den Bereich einer Körperzelle mit Zellkern und Mem‐ brane, so erkennt man eine Signalschwelle/ Reizschwelle von 100-mV/ m im Mittel, wobei empfindliche Zellen schon bei 10-mV/ m reagieren können. Für isolierte Körperzellen kann man eine Schwelle bei externen Feldern von 10 mT entsprechend 100 kV/ m definieren. Da die Körperzellen im Verbund funktionieren (Nervenzellen), liegt je nach Zellenart diese Schwelle höher oder auch niedriger. Dies kann typischerweise der Faktor 10 sein. Das Innere einer Zelle (Zytosol) ist negativ geladen gegenüber der äuße‐ ren Zelle, getrennt durch eine Doppelmembrane. Diese Spannung beträgt ca. -60 bis -75-mV. Je nachdem, wie viele freie Ladungen in einer Zelle vorhanden sind, benötigt man eine Kraft von 1 pikoNewton (pN) bis 100 pN, um eine Reaktion der Zelle hervorzurufen. Die Kraft von 1 pN entspricht wiederum einem Magnetfeld von 10 µT (Lorentz-Kraft). Bei einem Erdmagnetfeld von ca. 50 µT sollte dann ein Mensch (so er denn ausreichend magnetfeldempfindliche Zellen im Gehirn hat) das Erdmagnetfeld erkennen können. Das ist jedoch noch nicht beobachtet 2.5 Sicherheitshinweise 91 <?page no="98"?> worden. Selbst bei Feldern von 100 µT wurden noch keine Auswirkungen festgestellt. Nachweisbare Effekte konnten erst bei Feldern größer als 1 mT nachge‐ wiesen werden. Im menschlichen Körper existieren Magnetit-Kristalle, die eine höhere Empfindlichkeit gegenüber Magnetfeldern zeigen. Deren Wirkung auf den menschlichen Organismus konnte man bei den bisher angesetzten Feldern nicht direkt nachweisen, allerdings ‚in vitro‘ bei isolierten Zellen. Auch die Abhängigkeit von den Frequenzen ist nur andeutungsweise erforscht. So kann eine größere Empfindlichkeit bei Vorgängen im Bereich von 25 ms nachgewiesen werden. Langsame Vorgänge werden erst ab Frequenzen unter 10-Hz wirksam. In vitro lassen sich viele Effekte nachweisen, bei denen Zellen beeinträchtigt werden, sei es durch Apoptose (Zellvernichtung durch die Zelle selbst) oder Vermehrungsraten, Wachstum etc. Bei Versuchen an lebenden Tieren, z. B. Mäusen, wird der Nachweis einer Beeinflussung deutlich schwieriger, denn auch sie besitzen ein Immunsystem. Dieses wiederum kann man nicht direkt mit dem menschlichen Immunsystem vergleichen, so dass nicht möglich ist, Parallelen zu ziehen. In diesem extrem niedrigen Frequenzbereich (ELF) gibt es kaum Unter‐ suchungen, da man sich bis jetzt hauptsächlich auf den 50 Hz und 60 Hz Bereich beschränkt hat und im hohen Frequenzbereich auf Handy-Strahlung (inkl. WIFI, WLAN, Bluetooth, DECT etc.). Dennoch hat die WHO die magnetische Strahlung in die Kategorie 2B eingeordnet, was bedeutet, dass sie möglicherweise krebserregend ist. Auf der anderen Seite setzt die Medizintechnik bei Magnetresonanz (MRI) wesentlich höhere Felder ein, ohne dass der Mensch etwas davon merkt. Statt der 100 mV/ m werden hier 6 V/ m erreicht, allerdings bei Frequenzen von 1-3 kHz. Die Grenzwerte für diesen Bereich, siehe oben, sind noch geringer spezifiziert, da jedoch die Einwirkungszeit klein ist, darf der Wert überschritten werden. Somit könnte ein realistischer Grenzwert für zuläs‐ sige Felder bei entsprechender Frequenz und Zeitdauer zwischen diesen beiden elektrischen Feldern liegen. Ein weiterer Grenzwert, der in einer Studie mit Testpersonen festgestellt wurde, ergibt eine Grenzfeldstärke im Gewebe von 2,2 V/ m entsprechend einer magnetischen Feldstärke von 48 mT bei 60 Hz. Berücksichtigt man, dass das Magnetfeld in einem MRI bei 2 bis 3 T liegt (Zeitdauer des Impulses hierbei 92 2 Dauermagnetische Werkstoffe Herstellungsverfahren, Eigenschaften, Gefahren <?page no="99"?> kleiner 1-ms), sollten Auswirkungen feststellbar sein. Dieses lässt sich durch Studien jedoch nicht belegen. Bei einem äußeren Feld von 5 T soll unabhängig von der Person eine Reaktion bemerkbar sein (Zeitdauer ca. 1-ms). Nimmt man das empfindlichste Organ im menschlichen Körper, das Auge, so stellt man fest, dass ein ‚Flickern‘ in der Retina entstehen kann, wenn das Magnetfeld bei 20 Hz den Wert von 5 mT übersteigt. Dieser Wert erhöht sich auf 15 mT bei 50 Hz. Bei 20 Hz scheint die höchste Empfindlichkeit für die Entstehung sogenannter Phosphene zu existieren. 2.6 Gesundheitsrisiken beim Umgang mit Dauermagneten 2.6.1 Die „Spielzeugrichtlinie“ nach DIN EN 71-1: 2018-12 Kapitel 4.23 „Sicherheit von Spielzeug“ + Anhang 51 Besondere Aufmerksamkeit ist beim Umgang mit Dauermagneten bei Kindern gegeben. Deshalb ist eine Spielzeugrichtlinie aufgestellt worden, in der fest‐ gelegt wurde, ab wann bzw. ab welcher Feldstärke eine Gefahr für Kinder besteht. Die wesentlichen Punkte dieser Richtlinie sind im Folgenden kurz zusam‐ mengefasst. Größe der Magnete: Der Durchmesser eines Magneten muss > 31 mm sein (Schluckzylinder), damit ein Verschlucken verhindert wird. Kraft: Die Kraftwirkung wird als Kraftindex angegeben und darf den Wert von 50 kG 2 *mm 2 nicht überschreiten. Beispiel: Ein HF-Magnet, kunststoffummantelt bis auf die Haftfläche, möge einen Durchmesser von 30 mm aufweisen. Der Kunststoff ist größer und beträgt einen Durchmesser von 35 mm (erfüllt die Kriterien des Schluck‐ zylinders). Die Haftfläche des Magneten hat somit eine Fläche von 707 mm 2 . Es muss sichergestellt werden, dass der Magnet nicht aus der Ummantelung gelöst werden kann. Teilt man nun die zulässigen 50 kG 2 *mm 2 zunächst einmal durch die Fläche von 707 mm 2 , so bleiben 0,07 kG 2 übrig. Misst man eine max. Feldstärke von 10 G = 1 mT auf der Oberfläche des Magneten, so erhält man durch Quadrierung = 0,1 kG 2 . Dieses ist bei der angenommenen Fläche bereits zu viel. 2.6 Gesundheitsrisiken beim Umgang mit Dauermagneten 93 <?page no="100"?> Diese Forderung lässt sich nur durch Einsatz von Magnetgummi, dem schwächsten Magnetwerkstoff und einer Vielpolteilung erreichen. Alle anderen Werkstoffe, wie HF, AlNiCo und Selten-Erd-Werkstoffe fallen aus, siehe Abb. 28. Solche ‚Spielzeugmagnete‘ finden sich allerdings überall im Handel wieder, z. B. als Magnetangeln und in Holzeisenbahnen mit eingesetzten Magneten etc. Abb. 28: Ergebnis einer Überprüfung von unterschiedlichen Magnetspielzeugen. Quelle: Hessische Geräteuntersuchungsstelle, Schwerpunktprojekt 2011, Abschlussbe‐ richt 94 2 Dauermagnetische Werkstoffe Herstellungsverfahren, Eigenschaften, Gefahren <?page no="101"?> Wie man an dieser Tabelle ablesen kann, überschreiten alle Magnetspiel‐ zeuge den max. zulässigen Kraftindex, einige sogar um den Faktor 50. Bei den sogenannten Magnetpflastern, die eine heilende Wirkung ver‐ sprechen, kann Entwarnung gegeben werden, da diese oftmals aus Magnet‐ gummi bestehen und mehrpolig sind, so dass deren Magnetfelder klein genug sind. 2.6.2 Einteilung der magnetischen Strahlung Die elektromagnetische Strahlung im Allgemeinen wird eingeteilt in den ionisierenden Bereich und den nicht ionisierenden Bereich. Im ionisierenden Bereich ist die Strahlungsintensität so hoch, dass die Atome/ Moleküle ionisiert werden und damit z.-T. ihre Elektronen verlieren, so Radikale entstehen, die definitiv Schaden anrichten. In diesen Bereich fallen die Röntgenstrahlen, UV-Strahlen und die Gammastrahlen, natürlich auch die radioaktiven Strah‐ len, die jedoch nicht zu der elektromagnetischen Strahlung gehören. 2.6.2.1 Der NIS-Bereich Wie der 26.BimSchV entnommen werden kann, ist der Frequenzbereich der nicht ionisierenden Strahlung (NIS) bis 300 GHz definiert. Oberhalb liegt noch der Terraherzbereich, bevor der Bereich des sichtbaren Lichts beginnt. Oberhalb des sichtbaren Lichtes beginnt der UV-Bereich. Ab hier folgt der ionisierende Bereich, wobei von einer direkten Schädigung durch die Intensität der Strahlung auszugehen ist, da die hiermit verbundene Energie oberhalb von 1,5-eV liegt. 2.6.2.2 Der ELF-Bereich der Dauermagnete In diesem Beitrag soll nur der Bereich diskutiert werden, der mit Dauermag‐ neten zu erreichen ist, also bis max. 30-kHz. Dieses ist der Bereich ELF-Felder, der extreme-low-frequency Bereich, in dem in erster Linie die Reizweiterleitung über die Nervenfasern läuft. Vorstellbar ist die Erzeugung dieser Frequenzen durch Dauermagnete, die auf einer schnell rotierenden Welle befestigt sind, wie es bei einem Rotor der Fall ist. Während bei elektrisch erregten Feldern die Induktivität der Spulen die Grenzen für die Feldstärke aufzeigt, so gibt es diese Beschränkung bei 2.6 Gesundheitsrisiken beim Umgang mit Dauermagneten 95 <?page no="102"?> Dauermagneten nicht und es ist möglich, Magnetfelder bis 0,5 T ohne allzu großen Aufwand zu erzeugen, so dass der menschliche Körper vollständig von ihnen durchdrungen wird. Liegt das Magnetfeld nur einseitig an, so entstehen Gradientenfelder. Gedankenexperiment: Stellen wir uns als Beispiel ein U-Joch bzw. C-Joch vor, bei welchem die beiden quadratischen Eisenpole mit REFeB-Magneten (Dicke: 50 mm) auf einer Fläche von 1 m 2 bestückt sind. Der Abstand der Polplatten möge 1 m betragen, so dass ein Mensch problemlos zwischen den Polen Platz findet. Das Magnetfeld ist dann weitgehend homogen und würde ca. 100 mT in der Mitte betragen. Lässt man nun diese Anordnung um den Menschen in der Mitte rotieren, so entsteht entsprechend der Rotationsgeschwindig‐ keit (Drehzahl) ein magnetisches Wechselfeld, welches bei 50 Hz - ca. 3000 U/ min - um den Faktor 50 größer ist als nach der 26. BimSchV (Abb.25) zulässig bei einer Expositionsdauer von max. 2 Stunden. Die folgende Tabelle zeigt die möglichen Magnetfelder in mT. Polabstand in mm Magnetdicke 50-mm Magnetdicke 100-mm Magnetdicke 150-mm Magnetdicke 200-mm 1000 102 183 246 296 700 152 264 353 416 500 208 352 458 518 Tab. 10: Magnetische Flussdichte (mT) in einem U-Joch in Abhängigkeit vom Polabstand und der Magnetdicke. Gerechnet mit REFeB Magneten und einer Remanenz von 1,38-T Erhöht man die Magnetdicke im erwähnten Bespiel auf 100 mm, so entsteht ein Magnetfeld von 180 mT. Eine Reduzierung des Abstandes der Platten auf 70-cm erhöht dazu das Magnetfeld auf 260-mT. Solche Magnetfelder sind durchaus herzustellen. Felder größer als 1 T sind großflächig nicht mit Dauermagneten zu erzielen. Hier sind supraleitende Spulen oder Impulsfelder notwendig. Statisch würde ein solches Magnetfeld noch keine Probleme darstellen, kommen doch in einem MRT-Magnetfelder bis 5-T zur Anwendung. Um alle Wirkungen auf den menschlichen Körper zu erfassen (siehe ICNIRP-Guidelines S. 505ff.), müssten alle physikalischen, magneto-mecha‐ nischen und chemisch-biologischen Effekte in Abhängigkeit von Frequenz 96 2 Dauermagnetische Werkstoffe Herstellungsverfahren, Eigenschaften, Gefahren <?page no="103"?> und Amplitude untersucht werden. Zur Verfügung stehen dazu nur Untersu‐ chungen in vitro und Tierversuche. Die Aussagefähigkeit dieser Ergebnisse bei der Übertragung auf den menschlichen Körper ist beschränkt, da das Immunsystem des Menschen extrem komplex ist und nicht mit dem von Tieren verglichen werden kann. Es bleiben nur Aussagen von ‚möglichen Effekten‘ übrig, wie ‚möglicherweise krebserregend‘ (Kategorie 2B), wie in der WHO-Richtlinie für niederfrequente Felder festgehalten. So bleibt eine Aussagefähigkeit beschränkt auf Einzelergebnisse von Studien, die z.-T. widersprüchlich sind. Zur weiteren Untersuchung ist es notwendig, alle physikalischen und chemischen Effekte auf ihr Wirken auf Zellebene zu untersuchen, somit die Wirkungen auf Moleküle (Molekülketten) und deren Transformationen etc. In der weiteren Folge müssten diese Untersuchungen ausgeweitet werden auf die Ebene der Zellsysteme mit ihren physiologischen Auswirkungen, die letztlich eine Wirkung auf den gesamten Organismus haben. Zuletzt kommt noch das Wirken des Immunsystems mit den eigenen Reaktionen auf Störungen im biologischen System dazu, wobei nicht klar ist, ob eine nachgewiesene Störung einen positiven oder im Nachgang negativen Effekt besitzt oder umgekehrt. Dazu müsste das Immunsystem zunächst aus me‐ dizinischer Sicht vollständig und im Detail verstanden sein, um die Wirkung vorhersagen zu können. Eine wahrlich unendliche Aufgabe im Hinblick auf Frequenz und Amplitude von Magnetfeldern. Anhand des bislang Geschilderten wird bereits klar, dass allein ein physikalischer Effekt, hervorgerufen durch Magnetfelder, eine Aussage über gesundheitliche Auswirkungen bei Menschen nicht zulässt. Deshalb bleibt an dieser Stelle nur übrig, die Fakten über die physika‐ lischen Eigenschaften zusammenzutragen und Grenzen aufzuzeigen, um eventuell Abschätzungen durchführen zu können. Zunächst einmal werden die physikalischen, magnetischen Effekte da‐ durch reduziert, dass der menschlichen Körper sich in einem nahezu flüssi‐ gen Zustand befindet. Der Mensch besteht zu ca. 60 % aus Wasser und besitzt damit eine entsprechende Dämpfung der Bewegungen. Wasser ist diamagnetisch mit einer Permeabilität von ca. 1*10 -5 und würde aus einem Magnetfeld herausgedrängt. Deshalb schwebt auch ein kleiner Frosch über einer supraleitfähigen Spule in einem Magnetfeld von ca. 14- 16 T (You-tube: „schwebender Frosch“). Der dabei notwendige magnetische Gradient liegt bei ca. >=1000T 2 / m. Für eine magnetische Kraftwirkung ist der Gradient B*dB/ dx entscheidend. Deshalb wird der Frosch auch immer 2.6 Gesundheitsrisiken beim Umgang mit Dauermagneten 97 <?page no="104"?> zur Spulenmitte gezogen, da hier der größte Gradient herrscht, der die Schwerkraft kompensieren muss. Das wäre bei einem Menschen nicht anders, allerdings ist es derzeit nicht möglich, derart große Magnetfelder in der Abmessung und Größenordnung herzustellen. Um eine ähnliche Wirkung und damit Beeinflussung auf molekularer Ebene zu erzielen, müssten die Magnete sehr klein sein, also Nanomagnete im Bereich von 30-50 nm. Diese sind bekannt, einmal als weichmagnetische Ferromagnete und anderseits als winzige Dauermagnete, verbunden mit dem sogenannten superparamagnetischen Effekt. Die reinen Ferromagnete können eingesetzt werden, indem diese den Krebszellen „schmackhaft“ gemacht werden, so dass sie in diesen angereichert werden. Anschließend wird mit einem Hochfrequenzfeld für eine Temperatur von ca. 48 °C gesorgt (Wirbelstromeffekt), so dass die Krebszellen absterben, wobei das gesunde Gewebe nicht betroffen ist. Der Superparamagnetismus kann genutzt werden, indem durch ein äußeres Magnetfeld diese Partikel magnetisiert werden (B r = 0,6 T) und dadurch an Ort und Stelle für ein hohes Gradientenfeld sorgen, so dass eine Separation der Moleküle stattfindet und damit die Differenzierung der Zellen gestört wird. 2.6.3 Physikalische Daten Im Folgenden soll ein Überblick über die physikalischen Daten auf Zellebene gegeben werden. Der menschliche Körper besteht aus ca. 50 Billionen eukaryotischen Zellen, das heißt Zellen mit einem Zellkern, in dem sich u. a. die DNA befindet. Würde man die Bakterien (prokaryotische Zellen) hinzuzählen, so würde die Zahl der Zellen 3bis 5-mal so groß werden. Die Eigenschaften der Zellen mit ihren Kompartimenten sind in der folgenden Tabelle aufgelistet. Zellen: Größen und Gewichte (Durchschnittswerte): Größe einer Zelle: 40-µ Gewicht einer Zelle: 2,5 ng = 2,5*10 -9 g → Gewichtskraft = 25 pN Größe des Zellkerns: 5-μ …16-μ, im Mittel 6-μ Länge der DNA: ca. 2-m Mitochondrien: D-= 0,5 …1,5-µ; L-=-0,8 …4-µ 98 2 Dauermagnetische Werkstoffe Herstellungsverfahren, Eigenschaften, Gefahren <?page no="105"?> Ribosomen: D-= 25-nm Proteine/ Enzyme: 1 … 10 nm Golgi-Apparat: D = 1 µ Cytoskelett: Mikrotubuli mit D-=-25-nm Hohlzylinder Aktinfilamente: D-=-7-nm Fasern Intermediärfilamente: D-=-10nm stabile Fasern Lysosomen: D-=-0,1 … 1-µ; PH-Wert: 4,5 … 5 im Innern Peroxisomen: D-=-0,1 … 1-µ Zentriolen: D-= 0,17-µ; L-=-0,5-µ Hohlzylinder 1nm entspricht ca. 5-8 Atomlagen -Dichte der Zellmembran: Rho-= 1,12 … 1,22 g/ cm 3 Myelinmembran: Rho-= 0,25 g/ cm 3 ; Kapazität der Zelle: C-= 0,01-µF/ cm 2 ; Rho = 100-kΩ*cm Kapaz. d. Zellmembran: C-= 1… 2 µF/ cm 2 ; Rho = 1-kΩ*cm Kapaz. d. Nervenzelle: 22 pF Gespeicherte elektrostatische Energie (70-mV Zellspanng.) 10 -14 … 10 -13 J ca. 3*10 5 eV Innere Mitochondrienmembran: Rho-= 2,9 g/ cm 3 Spannung Zelle (Zellmembran): 60-80-mV; R-≈-30…50-MΩ Extrazellulärer spez. Widerstand: 0,3 kΩ*cm = 3 Ohm*m Cytoplasma, spez. Widerstand: 0,11 kΩ*cm = 11 Om*m L/ D-Verhältnis von Nervenzellen: ca. 100 Übergangskapazität Zellmembran: Cm-= 1,5-pF Zum Vergleich sind in der Tabelle 11 einige Energien chemischer Vorgänge und Strahlungen aufgelistet: Energetische Ursache Energie Einheit Thermische Energie bei RT 0,026 eV Energie einer kovalenten Bindung (C=C) ca. 6 eV Photonenenergie des sichtb. Lichtes (400-800nm) 1,6-3,1 eV Energie einer H-Bindung (X-H- …Y-H) 0,1 eV Wasserstoffbrückenbindung bei H 2 O bis 0,2 eV Van der Waals-Bindung (Dipol-Kräfte) 0,02 eV Energie bei 2-GHz-Mobilfunk 1*10 -5 eV Energie eines Neutrons der De-Brogli-Wellen 0,1nm 1*10 -3 eV 2.6 Gesundheitsrisiken beim Umgang mit Dauermagneten 99 <?page no="106"?> Energetische Ursache Energie Einheit Energie eines Röntgenphotons bei 50-kV 50 keV Energie eines Alpha-Teilchens b. Zerfall v. Radon 5 MeV Energie der Radiowellen bei NMR-Spektroskopie 1*10 -5 eV Energie eines Photons bei Wärmestrahlung <= 1 eV Tab. 11: Vergleich üblicher Energien bei chemischen Bindungen und Strahlungen In Bezug auf die Kräfte bei Biopolymeren möge die folgende Tabelle 12 einen Überblick geben. Kräfte bei Biopolymeren Kraft Einheit Reißfestigkeit einer kovalenten Bindung 1-2 nN Deformation eines Glukosemoleküls beim Ring 600-800 pN Bindungskraft zw. Avidin und Biotin (Vitamine) 150-200 pN Öffnung der Doppelhelix der DNA 400-500 pN Kraft bei d. Entfaltung d. β-Faltblatt-Struktur 150-300 pN Aktin-Myosin-Motor (Moleküleinheit) 5-10 pN Entwirren von Polymeren 10 pN Strecken des DNA-Moleküls um 10-% 20 pN Deformation von Bindungswinkeln 100-600 pN Aktivierg. der Haarzelle (Hörsensorzelle Innenohr) 1-3 pN Gewichteffekt der Schwerkraft einer Zelle 5 pN Ionenkanal am Mechano-Rezeptor (Druck-Zelle) 12 pN Bindungskräfte zw. DNA-Strängen 70 pN Kraft zw. Ligand-Molekül und Protein-Rezeptor 100 pN Kraft der therm. Energie bei RT, kT=25meV 4 pN*nm Tab. 12: Kräfte bei Biopolymeren Quelle: Mäntele, Biophysik [36] 100 2 Dauermagnetische Werkstoffe Herstellungsverfahren, Eigenschaften, Gefahren <?page no="107"?> Bindet man die DNA (2 m) eines Menschen hintereinander, so entsteht eine Länge von (1*10 14 m). Das reicht aus, um den Äquator 2,4 Mio. Mal zu umspannen oder Entfernung Erde-Mond (385.000-km): 260.000-mal Entfernung Erde-Sonne (150 Mio. km): 670-mal Entfernung Sonne-Pluto (9,5-Mrd. km): 10,5-mal Die Informationsmenge der DNA wird mit 1,3 GByte, also einer Doppel-CD (2*700 MB) angegeben. Da ca. 10 Mio. Zellen pro Sekunde neu entstehen und natürlich 10 Mio. Zellen absterben, beträgt allein der Kopierprozess die enorme Menge von 1,3*10 15 Byte pro Sekunde. 2.6.4 Grenzfelder im ELF-Bereich (extreme low frequency) In diesem Bereich stellet sich die Frage, welche Dauermagnetfelder im Körper elektromagnetischen Felder durch Induktion erzeugen. Hier ist die Leitfähigkeit der verschiedenen Organe von Bedeutung. Natürlich muss da‐ bei zwischen Kopf & Rumpf bzw. zwischen den Gliedmaßen unterschieden werden. Ohne zu sehr ins Detail zu gehen, kann festgehalten werden, dass auf Grund des Nervensystems unterschiedliche Weiterleitungsgeschwindigkei‐ ten existieren, so dass eine Frequenzabhängigkeit entsteht. Wie bereits weiter oben erwähnt, sind die magnetischen Gleichfelder nahezu ohne Bedeutung. Erst die Frequenz erhöht die Empfindlichkeit bis zu einer Grenzfrequenz, ab welcher die Nervenleitung nicht mehr ausreichend schnell agieren kann. Dabei ist die Reizweiterleitung bei myelinisierten Nervenfasern schneller als bei nicht myelinisierten Nervenzellen. Außerdem besteht noch eine Abhängigkeit vom Durchmesser der Nervenzellen. Die folgende Abbildung 29 zeigt den groben Zusammenhang zwischen dem magnetischen Feld und dem hierdurch induzierten elektrischen Feld. 2.6 Gesundheitsrisiken beim Umgang mit Dauermagneten 101 <?page no="108"?> 1,E-04 1,E-03 1,E-02 1,E-01 1,E+00 1,E+01 1,E-02 1,E-01 1,E+00 1,E+01 1,E+02 1,E+03 1,E+04 Flussdichte in T -----> Frequenz in Hz -----> Flussdichte vs. Frequenz Kopf & Rumpf Gliedmaße Quelle: Soyka, IFA untere Auslöseschwelle Abb. 29: Auslöseschwellen in Abhängigkeit von der Frequenz. Quelle: [39] Spezielle Beispiele bei 50Hz: Induziertes elektr. Feld durch ein magnetisches B-Feld: Kopf: 23-33-mV/ m pro mT direkte Wirkung bei ca. 6 V/ m → ca. 200 mT an der Zelle, mögliche Wirkung bei 1,1-V/ m; dieses entspricht dem erlaubten Grenzwert Haut: 20-60 mV/ m pro mT, somit ca. 40 mV/ m im Mittel; entspricht ca. 30 mT, um 1,1-V/ m zu erreichen Herzmuskel: Um Extrasystolen bzw. Herzkammerflimmern zu erzeugen, benötigt man bei 50 Hz ca. 60 V/ m an der Muskelzelle, somit ca. 1,5 T magnetische Flussdichte Mit Impulsfeldern, erzeugt durch Impulsspulen, werden bereits heute Magnetfelder zur Behandlung von Depressionen und bei Schlaganfällen eingesetzt. Die Feldstärke dieser Spulen beträgt im Spuleninneren ca. 3 T, so dass unter der Schädeldecke im Cortex ein Feld von ca. 1 T erzeugt wird. Be‐ 102 2 Dauermagnetische Werkstoffe Herstellungsverfahren, Eigenschaften, Gefahren <?page no="109"?> kannt ist dieses Verfahren als repetitive-transkranielle-Magnetstimulation (rTMS). Der gesamte Zusammenhang von der Frequenz zwischen den Auslöse‐ schwellen ist logarithmisch. In der folgenden Abb. 30 ist dieser in einer doppellogarithmischen Darstellung gezeigt. Es wird deutlich, dass zwischen möglicher Erregung und wahrscheinli‐ cher Erregung der Nerven ein großer Unterschied besteht. Dieser ist zusätzlich noch stark personenabhängig. Die zulässigen Grenz‐ werte werden deshalb oftmals um einen Faktor 10 unterhalb der möglichen Erregung festgelegt. 1,E-01 1,E+00 1,E+01 1,E+02 1,E+03 1,E+04 0,1 1 10 100 1000 10000 Flussdichte in mT -----> Frequenz in Hz -----> mi�lere Schwellenwerte bei Magne�eldern A B C D E F Abb. 30: Darstellung der mittleren Schwellenwerte bei Erregung durch ein Magnetfeld in Abhängigkeit von der Frequenz im ENF-Bereich, wobei A: Mögliche Gefährdung der Allgemeinbevölkerung 26.BimSchV B: Mögliche Gefährdung am Arbeitsplatz gemäß 26.BimschV C: Mögliche Erregung der Synapsen D: Wahrscheinliche Erregung der peripheren Nerven (20-µ Dicke) E: Wahrscheinliche Störung der Herzaktivität F: Wahrscheinliche Erregung der Neuronen im Gehirn (10-µ Dicke) Quelle: [39] 2.6 Gesundheitsrisiken beim Umgang mit Dauermagneten 103 <?page no="110"?> 2.7 Anhang Größenbereich natürlich vorkommender Magnetfelder Tabelle 13: Größenordnung natürlich vorkommender Magnetfelder: 104 2 Dauermagnetische Werkstoffe Herstellungsverfahren, Eigenschaften, Gefahren <?page no="111"?> Umrechnung der Einheiten Bezeichnung SI-System Cgs-System Messung Magnetischer Fluss: ϕ=B*A 1 Wb = 1 Vs 10 -8 Wb = 10 -8 Vs 10 8 Maxwell (M) 1 Maxwell Flussmessgerät Magnetische Flussdichte B=ϕ/ A 1T = 1Vs/ m 2 1mT = 10 -3 Vs/ m 2 10 -4 T = 10 -4 Vs/ m 2 10 4 Gauß (G) 10 Gauß (G) 1 Gauß (G) Hall-Sonde Magnetische Feldstärke H = n*I/ l = B/ µ o 1 A/ m = 0,01A/ cm 1 A/ cm = 100A/ m 79,6A/ m = 0,796A/ cm 0,0126 Oe 1,256 Oe 1 Oe Hall-Sonde Potentialspule + Flussmessgerät Max. Energie‐ produkt (BH) max 1 kJ/ m 3 7,96 kJ/ m 3 12,56 GOe 1 MGOe - Potential P, magn. Span‐ nung Um oder Durchflutung ϴ = n*I 0,796 A -1 A 1 A 1 Gilbert (Gb) 1 Gb = 1 Oe*cm 4π/ 10 Gb 1,256*10 11 emu Potentialspule u. Flussmessgerät Dipolmoment j oder m = j/ µ o 1 Vsm 1 Am2 4π*10 10 erg/ G = 1,256*10 11 emu Helmholtzspule u. Flussmessgerät Permeabilität µ o 1,256*10 -6 = 4 π*10 -7 Vs/ Am 1 G/ Oe - Tab. 14: Umrechnung von SI-Einheiten in cgs-Einheiten emu=electromagnetic unit Magnet‐ werkstoff Remanenz Br in mT Curie-Temp. in-°C TK (Br) 1/ K TK (HcJ) 1/ K max. Arbeits‐ temp. T max in °C AlNiCo 510-1350 800 -0,02-% -0,03-%… +0,02-% 500 Ferrit (HF) 200-420 450 -0,2-% +0,4-% 200 SmCo 5 800-970 720 -0,145-% -0,25-% 250 Sm 2 Co 17 700-1050 820 -0,03-% -0,15-% 350 REFeB 1100-1450 310 -0,13-% -0,35-%… -0,8-% 80 … 230 Tab. 15: Zusammenstellung der magnetischen Eigenschaften üblicher Magnetwerkstoffe 2.7 Anhang 105 <?page no="112"?> Werkstoff spez. Dichte -g/ cm 3 spez. elektr. Widerstand µOhm*cm spez. Wärme -J/ (kg*K) Wärmeleit‐ fähigkeit W/ (m*K) Ferrit (HF) 4,85 ca. 1 500 … 750 5 … 10 AlNiCo 7,1 … 7,3 45 … 65 ca. 400 10 … 100 RECo ca. 8,35 50 … 90 340 … 360 11 … 13 REFeB 7,5 … 7,6 150 ca. 440 9 Werkstoff Elastizitäts‐ modul kN/ mm 2 Zugfestig‐ keit kN/ mm 2 Druckfestig‐ keit kN/ mm 2 Biegefestig‐ keit kN/ mm 2 Ferrit (HF) 120-… 180 ca. 50 300 … 700 - AlNiCo 100 … 200 30 … 200 300 … 400 250 … 600 RECo 120 … 180 - 300 … 800 ca. 120 REFeB ca. 140 - ca. 750 ca. 250 Werkstoff linearer Ausdehnungskoef‐ fizient parallel zur Vorzugsrichtung linearer Ausdehnungskoef‐ fizient senkrecht zur Vorzugsrichtung Ferrit (HF) 9,2 … 13,3 9,2 … 10 AlNiCo 13 … 14 13 … 14 RECo 6 … 8 11 … 13 REFeB ca. 5 ca. -1 Tab. 16: Mechanische und physikalische Daten von Magnetwerkstoffen 106 2 Dauermagnetische Werkstoffe Herstellungsverfahren, Eigenschaften, Gefahren <?page no="113"?> 2.8 Literaturverzeichnis [1] Schüler, K.: Dauermagnete- Werkstoffe und Anwendungen, Springer Verlag, Berlin 1972 [2] Koch, J; Ruschmeyer, K.: Permanentmagnete I (Grundlagen) Valvo GmbH [3] Phillippow, E.: Taschenbuch der Elektrotechnik, Band-1, Grundlagen, VEB Verlag Technik, Berlin [4] Ruschmeyer, K.: Berechnung von Dauermagnetkreisen für statische und dynamische Anwendungen, Vortragsveröffentlichung Nr.-310 im Haus der Technik [5] Hübner, K.-D.: Analytische Berechnungsverfahren von Magnetkreisen und die Grenzen ihrer Anwendbarkeit, Berichte der Arbeitsgemeinschaft Magnetismus, Band-1: Neuere ma‐ gnetische Werkstoffe und Anwendungen magnetischer Methoden, Verlag Stahleisen mbH-Düsseldorf 1983 (Früh‐ jahrstagung Bad Nauheim 19.-21.4.1982) [6] Rodewald, W.: Seltenerd-Kobalt-Magnetwerkstoffe, Vortrag an der Tech‐ nischen Akademie in Esslingen am 8.3.1983 [7] Michalowsky, L.: Magnettechnik, Fachbuchverlag Leipzig-Köln (1993) [8] Cassing, W, u.-a..: Elektromagnetische Wandler, Sensoren u.-a., Expert Ver‐ lag, 2. 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BImSchV (1996): Verordnung über elektromagnetische Felder …., BGBI. 1996 [32] Gassen: Das Gehirn; WBG Darmstadt, 2008 108 2 Dauermagnetische Werkstoffe Herstellungsverfahren, Eigenschaften, Gefahren <?page no="115"?> [33] Glaser, Roland: Heilende Magnetestrahlende Handys, Wiley Verlag, 2008 [34] Kiontke, Siegfried: Tatort Zelle, Vitatec Verlagsgesellschaft, 2014 [35] Bannwarth, Horst et.al.: Basiswissen Physik, Chemie und Biochemie, Springer Verlag, 3. Auflage 2013 [36] Mäntele, Werner: Biophysik, Verlag Eugen Ulmer, Stuttgart 2012 [37] Horn, Florian: Biochemie des Menschen, Georg Thieme Verlag, 2012 [38] Lipton, Bruce H.: Intelligente Zellen, KOHA Verlag, 2008 [39] Soyka, Werner u. a., Institut für Arbeitsschutz der DGUV (IFA); S. 254-264 (2020) [40] WIKIPEDIA [42] Youtube 2.8 Literaturverzeichnis 109 <?page no="117"?> 3 Kunststoffgebundene Magnete Martin Groenefeld 3.1 Einführung Bei kunststoffgebundenen Magneten handelt es sich um Verbundwerkstoffe. Hierbei wird ein sortenreiner Magnetwerkstoffe als Pulver in eine Matrix aus einem Bindestoff eingebettet. Dieser Materialverbund kann anschlie‐ ßend mit gängigen Produktionsverfahren der Kunststofftechnik in die gewünschte Form gebracht und weiterverarbeitet werden. Historisch geschah dies erstmalig 1934 [Baermann 1934], um gebrochene Magnetteile weiterhin nutzen zu können. Hierdurch wird erkennbar, dass beim aktuellen Thema des Recyclings von wertvollen Roh- und Werkstoffen den gebundenen Magneten eine wichtige Rolle zukommt. Darüber hinaus liegt der eigentliche Vorteil der gebundenen Magnete in der günstigen Kom‐ bination der Eigenschaften von Binder und Magnetanteil, der günstigeren Formgebung mit engen Toleranzen ohne Nacharbeit sowie der Anwendbar‐ keit von gut reproduzierbaren Herstellprozessen. Dem gegenüber ist leider der ungünstige Effekt zu berücksichtigen, dass in einem Verbundwerkstoff, bei dem nur ein Anteil zum Magnetismus beiträgt, die magnetischen Eigen‐ schaften durch die Verdünnung deutlich reduziert werden. Dies wird daher im Folgenden genauer beschrieben und quantifiziert. 3.1.1 Reduktion magnetischer Eigenschaften in gebundenen Werkstoffen Die Fähigkeit eines Werkstoffes, dauermagnetisch ein Feld zu erzeugen, hängt mit der parallelen Ausrichtung molekularer Dipolmomente zusam‐ men. Hierbei überlagern sich die Felder der einzelnen Dipole additiv, d.-h., ein äußeres Magnetfeld ist direkt proportional zu dem Volumenan‐ teil des magnetischen Werkstoffes am gesamten Bauteil. Das ist nicht trivial und tatsächlich auch nur als Näherung gültig. Betrachtet man zum Beispiel die Leitfähigkeit von einem Verbundwerkstoff aus Polymer und Metall, so hängt die Leitfähigkeit ganz entscheidend davon ab, ob ein <?page no="118"?> geschlossener Strompfad von einer Seite des Bauteils zur anderen besteht. Bei einem geringen Anteil von Metall ist das Bauteil ein guter Isolator und ab einer bestimmten Dichte von Metall, die auch von der Form der Füllpartikel abhängt, setzt eine geringe Leitfähigkeit ein, die dann stark überproportional mit dem Füllstoffanteil zunimmt. Idealerweise geschieht dies bei einem scharf definierten Füllstoffanteil. Dies ist Gegenstand der Perkolationstheorie, bei der ein solcher Übergang sehr komplex beschrie‐ ben wird. Ähnlich verhält es sich bei weichmagnetischen Eigenschaften. Auch die Permeabilität von verdünnten weichmagnetischen Pulvern zeigt eine stark nicht lineare Abhängigkeit von der Fülldichte, da auch bei der Flussleitung durch die magnetischen Partikel ein ähnliches Verhalten wie bei der elektrischen Leitung auftritt, obwohl hier auch durch den Binder hindurch die magnetische Isolation nicht perfekt ist, da auch das Vakuum eine geringe Permeabilität aufweist. Durch die rein additive Überlagerung der magnetischen Felder, die jeder einzelne Dipol erzeugt, ist damit die nahezu lineare Behandlung der Feld‐ wirkung eines gebundenen Werkstoffes vergleichsweise einfach. In der Einführung zu Magnetwerkstoffen wurden schon die wichtigsten Werkstoffeigenschaften benannt. Bei Raumtemperatur ist der Werkstoff durch die Entmagnetisierungskurve hinreichend charakterisiert und kann für viele Bewertungen auf die dort relevanten Werte Remanenz (Stärke), Koerzitivfeld (magnetische Härte) und Energieprodukt reduziert werden. Letzterer Wert ist die wichtigste Kennzahl zur Bewertung der Leistungsfä‐ higkeit eines Werkstoffes und ist nahezu direkt proportional zu der Kraft, die zwischen zwei Magneten oder zwischen einem Magneten und einem weichmagnetischen Bauteil wirkt. Schematisch zeigt die Abb. 1.1 einen gebundenen Werkstoff, der durch magnetisierbare Partikel in einer nicht magnetisierbaren Matrix dargestellt ist. Neben der Entmagnetisierungskurve der magnetisierbaren Partikel ist hier der Volumenanteil f dieser Partikel im Gesamtvolumen relevant. Ob das Restvolumen komplett mit dem Matrixmaterial gefüllt ist oder wie in dem Bild gezeigt einen geringen Anteil von Poren, Lufteinschlüssen, Rissen oder ähnlichen Leerstellen enthält, mag für die Mechanik des Bauteils wichtig sein, ist aber nicht für die Magnetik von Bedeutung, solange diese Leervolumina klein und gleichmäßig verteilt sind. 112 3 Kunststoffgebundene Magnete <?page no="119"?> Abb. 1.1 schematisches Bild eines Verbundmagneten Das Koerzitivfeld jHc ist definiert als das interne Feld, bei dem die Gesamt‐ magnetisierung verschwindet. Dies bedeutet im idealisierten Modell, dass alle magnetischen Partikel keine Magnetisierung mehr in die ursprüngliche Aufmagnetisierungsrichtung aufweisen, aber auch noch nicht in die Gegen‐ richtung des entmagnetisierenden Feldes ummagnetisiert sind. In diesem Fall sind das äußere Magnetfeld und das gemittelte Feld in den Partikeln identisch. Die Koerzitivfelder jHc des reinen Magnetwerkstoffes und des verdünnten Verbundwerkstoffes sind also in guter Näherung unabhängig vom Grad der Verdünnung gleich. Für die Remanenz B R hingegen würde man erwarten, dass diese durch die Verdünnung mit dem Volumenfaktor f gegenüber dem reinen Magnet‐ werkstoff reduziert ist, da der magnetische Fluss sich, wie oben beschrieben, aus der Volumenüberlagerung aller Volumenanteile ergibt. Dies ist nicht selbstverständlich, da in jedem Magnetpartikel in der Matrix das entmagne‐ tisierende Feld überlagert wird von Streufeldern des Partikels selbst und von den Partikeln in der Umgebung. Wenn makroskopisch das Feld im Werkstoff verschwindet, erzeugen die magnetisierten Füllpartikel aufgrund des eigenen Streufeldes ein der Magnetisierung entgegengerichtetes Feld. Somit liegt der magnetische Ar‐ 3.1 Einführung 113 <?page no="120"?> beitspunkt der Partikel im zweiten Quadranten auf der Entmagnetisierungs‐ kurve. Hierdurch ist die Remanenz noch geringfügig mehr als um den Faktor f reduziert, wenn die Polarisation des gebundenen Werkstoffes auch bei kleinen Gegenfeldern schon rückläufig ist. Dies ist bei allen Werkstoffen gegeben, bei denen das intrinsische Koerzitivfeld jHc deutlich unter der Remanenz B R dividiert durch die Vakuumpermeabilität µ 0 liegt, d. h. jHc < B R / µ 0 . Dies ist bei den heute gebräuchlichen Werkstoffen nur noch bei den AlNiCo-Materialien der Fall. Gilt für den reinen Magnetwerkstoff jHc > B R / µ 0 und ist dessen relative Permeabilität µ r nahe 1, stehen Remanenz und Energieprodukt (BH) max in guter Näherung in der Beziehung: (BH) max = B R2 / (4 µ 0 µ r ) Für Hartferrite und Seltenerdmagnete ist diese Näherung recht gut erfüllt. Dadurch wird die Remanenz gebundener Magnete um den Faktor f und das Energieprodukt um den Faktor f 2 gegenüber den reinen Magnetwerkstoffen reduziert. Die Entmagnetisierungskurve J(H) ist in dem Fall idealisiert einfach um den Faktor f auf der vertikalen J-Achse nach unten skaliert (Abb. 1.2). Reelle Kurven weichen demgegenüber nur geringfügig ab. Der Füllstoffanteil f gebundener Magnete kann maximal die Größenord‐ nung der relativen Pressdichte erreichen und liegt typischerweise für die meisten Herstellprozesse eher im Bereich der Schüttdichte. Aufgrund der dichtesten Kugelpackung von 74 Vol.-% als Maßstab für die oberste Grenze liegt der Füllfaktor f je nach Herstellprozess und Rezeptur im Bereich 50 % bis 70 %. Die höchsten Werte für das Energieproduktes kunststoffgebundener Magnete erreichen daher ungefähr die Hälfte des Energieproduktes des reinen Magnetwerkstoffes. Die folgende Tabelle stellt dies an ein paar Musterwerkstoffen dar. 114 3 Kunststoffgebundene Magnete <?page no="121"?> Abb. 1.2 Entmagnetisierungskurve eines reinen Magnetwerkstoffes und eines auf 70-Vol.-% verdünnten Werkstoffes in idealisierter Rechnung Werkstoff (BH) max kompakt [kJ/ m 3 ] gebunden Ferrit isotrop Ferrit anisotrop 830 415 AlNiCo isotrop AlNiCo anisotrop 18 50 9/ Sm-Co isotrop Sm-Co anisotrop 55 220 (30) 70 Nd-Fe-B isotrop Nd-Fe-B anisotrop (80) 320 60 (120) Tab. 1.1: Vergleich typischer Werte des Energieprodukts für kompakte und kunststoffge‐ bundene Magnete. Werte in Klammern stehen für nicht kommerzielle Werkstoffe 3.1.2 Bedeutung kunststoffgebundener Materialien Kunststoffgebundene Magnete stehen also in ihrer magnetischen Leistung deutlich hinter den reinen „unverdünnten“ Magnetwerkstoffen. Würde man einen Motor mit gesinterten Ferritsegmenten durch einen gleichen Motor mit kunststoffgebundenen Segmenten aufbauen, so wäre das Drehmoment 3.1 Einführung 115 <?page no="122"?> bei gleicher Bestromung deutlich reduziert. Die Haftkraft eines kunststoff‐ gebundenen Magneten geht mindestens um den Faktor 2 gegenüber dem reinen Werkstoff zurück. Zusammengefasst leiden alle Anwendungen, bei denen die Stärke des Magneten direkt in die Leistungsfähigkeit der Anwen‐ dung eingeht. Glücklicherweise gibt es Anwendungen, die ein Magnetfeld einer defi‐ nierten Stärke benötigen, bei denen jedoch ein stärkeres Feld keinen Vorteil bringt. Insbesondere sind dies alle Sensoranwendungen, bei denen eine Magnetposition berührungslos und ggf. durch eine nicht magnetische Wand hindurch von einem elektronischen das Magnetfeld detektierenden Sensor erfasst wird. Die Anwendung erfordert, dass das erzeugte Feld deutlich über den möglicherweise auftretenden Fremdfeldern liegt. Darüber hinaus noch höhere Felder bringen aber keinen Vorteil. Sie können sogar stören, beispielsweise, wenn ferromagnetische Verunreinigungen Auswirkungen auf das Sensorsystem haben können, und wenn diese durch die stärkere Anziehung eher festgehalten werden. Betrachtet man, dass das Erdmagnetfeld ca. 40-70 µT beträgt und tech‐ nisch relevante Streufelder wenige mT betragen, erklärt es sich, dass das Arbeitsfeld von marktüblichen Sensorelementen im Bereich von wenigen bis ca. 70 mT beträgt. Dies liegt genau in dem Feldbereich, der mit kunst‐ stoffgebundenen Magneten gut erreicht wird (Abb. 1.3). Abb. 1.3: Feldbereich verschiedener Werkstoffe im Vergleich zum Feldbedarf typischer Sensoren 116 3 Kunststoffgebundene Magnete <?page no="123"?> Hinzu kommt, dass bei Sensoranwendungen sowohl in Bezug auf die Geometrie und Mechanik als auch in Bezug auf das Magnetisierungsmuster oft komplexe und sehr genaue Magnete benötigt werden, bei denen die Eigenschaften auch bei Großserien sehr reproduzierbar und gleichmäßig sind. In einem elektrisch geregelten Elektromotor kann eine Varianz des Magnetfeldes von einigen Prozent ausgesteuert werden. Das System, wel‐ ches diese Regelung steuert, sollte aber sehr präzise sensieren. Es ist ersichtlich, dass kunststoffgebundene Magnete ihren eigenen Markt in einer Welt zunehmender Elektronik finden. Ein weiterer hierfür aber sehr entscheidender Faktor ist die Möglichkeit, die Herstellprozesse weitgehend zu automatisieren und deren Prozessfähigkeit zu optimieren. Letztere gibt Auskunft darüber, mit welchen Fehlerraten Großserien von typischerweise mehreren Millionen Magneten prozessiert werden können, und inwieweit vereinzelte Fehler im Bereich von wenigen Schlechtteilen auf eine Million produzierte Teile (ppm-Rate = parts per million) durch die Prüfung von wenigen Teilen statistisch erkannt werden können. Da Sensoranwendungen häufig Massenanwendungen sind, spielt der Automatisierungsgrad nicht nur für die Wirtschaftlichkeit, sondern, gepaart mit der Prozessfähigkeit, auch für die Qualitätsplanung und die Sicherheit in der Fertigung eine entscheidende Rolle. Da die Sensoranwendungen so eine große Bedeutung für kunststoffge‐ bundene Magnete haben, ist ein separater Abschnitt in diesem Kapitel auch der sensierenden Seite in dem System von Sensor und Magnet gewidmet. 3.2 Werkstoffe Als Matrix ist grundsätzlich jedes Material denkbar, welches einen Zusam‐ menhalt des Bauteils sicherstellt. Obwohl dies auch Glas, ein keramischer Binder oder ähnliches sein könnte, sind wirtschaftlich und technisch hier ausschließlich Kunststoffe im Einsatz. Die Einteilung der kunststoffgebundenen Magnete kann daher sowohl nach den eingebetteten Magnetwerkstoffgruppen als auch nach der Ma‐ terialfamilie des Binders sowie dem Herstellprozess erfolgen. Da in den vorangegangenen Kapiteln die grundlegenden Magnetwerkstoffe schon ausführlich behandelt wurden, reicht hier die Betrachtung, dass grundsätz‐ lich alle gängigen Magnetwerkstoffe auch als kunststoffgebundene Werk‐ 3.2 Werkstoffe 117 <?page no="124"?> stoffvarianten existieren und sich daher die folgende Systematisierung auf den Binder konzentriert. Bei dem Bindematerial sind 3 Arten von Kunststoffen eingesetzt: • Duroplastische Kunststoffe • Thermoplastische Kunststoffe • Elastomere Alle Kunststoffe zeichnen sich dadurch aus, dass Kohlenwasserstoffe vor‐ wiegend als Makromoleküle (Polymere) vorliegen und diese bei Raumtem‐ peratur als Feststoff vorliegen. Thermoplastische Kunststoffe gehen bei Erhitzung in die Flüssigphase über, ohne dabei die Bindungen der Makromoleküle untereinander zu verändern. Die Makromoleküle liegen also im kalten Feststoff als eindimensionale Ketten vor, die durch die ungeordnete Lage in sich nur mechanisch verwi‐ ckelt sind und dabei in unserem Fall ein Magnetmaterial einbetten. Beim Erwärmen sind die Ketten untereinander mechanisch verschiebbar, so dass die Anordnung sich leicht verändern lässt und der Werkstoff makrosko‐ pisch als flüssiges Material auftritt. Insofern können die in Thermoplaste eingebetteten Magnetwerkstoffe reversibel bei Wärme aufgeschmolzen und beim Abkühlen wieder in den festen Zustand gewandelt werden. Sie sind damit ideal für ein Recycling geeignet. Dies erfolgt standardmäßig mit Kreislaufmaterial in der Fertigung, zum Beispiel mit Angüssen. In einer Kreislaufwirtschaft, bei der Produkte nach ihrem Lebenszyklus demontiert werden, ist es aber auch denkbar, dass gebrauchte Magnete als Rohstoff direkt wieder Verwendung finden. Damit unterscheiden sie sich grundlegend von den Duroplasten, die nach der Polymerisation nicht mehr reaktionsfrei thermisch aufgeschmolzen werden können. Grund hierfür ist eine in allen 3 Dimensionen engmaschige chemische Bindung zwischen den Polymeren. Die Einbettung der Magnet‐ pulver geschieht deshalb in Prepolymeren. Die Prepolymere, typischerweise Kunstharze, sind mehr oder weniger hochvisköse Flüssigkeiten oder nied‐ rigschmelzende weiche Feststoffe mittlerer Molekülgröße. Die Moleküle enthalten chemische funktionelle Gruppen. Diese sind reaktiv und sorgen dafür, dass durch eine Bindung zu anderen Molekülen nach der Formgebung ihre Endpolymerisation erfolgt. Diese Polymerisation wird beispielsweise durch einen separaten Zusatz (Härter) oder durch Temperatur angestoßen. 118 3 Kunststoffgebundene Magnete <?page no="125"?> Dadurch härten die Werkstoffe irreversibel aus. Eine Formänderung ist danach nicht mehr durch Wärme und Verflüssigung möglich. Die dritte Gruppe der möglichen Binder kommt aus der Gruppe der Elas‐ tomere. Sie ähneln den Duroplasten darin, dass bei Ihnen nach der Form‐ gebung ebenfalls noch eine chemische Bindung zwischen den Polymeren erfolgt. Auch hier wird die finale Reaktion (Vulkanisation) durch Wärme und Druck oder Reagenzien angestoßen. Diese Bindungen zwischen den Makromolekülen ergeben jedoch keine festen 3-dimensionalen Verbindun‐ gen, sondern erlauben es den Kettenmolekülen, auf elastische Spannung durch eine Verdrehung und ein Entlanggleiten der Polymere zu reagieren. Hierdurch können mechanische Kräfte die makroskopische Form reversibel, d. h. elastisch verändern. Da bei der Verformung die Bindungen nicht aufgebrochen werden, wird die ursprüngliche Form nach Entlastung wieder angenommen. Durch die Vulkanisation sind auch die Herstellprozesse für Elastomer gebundene Magnete irreversibel. Auch die im Elastomer gebundenen Werk‐ stoffe sind daher nicht wieder durch Wärmeeinwirkung aufschmelzbar und können daher nicht einfach rezycliert werden, indem sie nur eine neue Formgebung erfahren. Eine Ausnahme bilden die thermoplastischen Elasto‐ mere, die jedoch aufgrund der geringeren Fähigkeit für hohe Füllstoffanteile bei kunststoffgebundenen Magnetwerkstoffen nicht zum Einsatz kommen. Für die in Elastomere eingebetteten Magnetwerkstoffe ist es in manchen Fällen von Vorteil, dass die Formgebung kontinuierlich in Strangform oder Plattenform erfolgen kann. Ein weiterer Vorteil bei einigen Elastomer gebundenen Werkstoffen besteht darin, dass die durch Temperatur ange‐ regte chemische Bindung zwischen den Molekülketten auch eine sehr gute Verbindung zum Füllstoff sowie zu metallischen Komponenten bewirkt. Hierdurch können die Bauteile bei der Formgebung auch gleichzeitig auf metallische Träger, Achsen oder ähnliche Teile aufvulkanisiert werden. Die Bindung zu dem Träger ist dabei ähnlich fest wie die Bindung im Mag‐ netmaterial, und Spannungen, die beispielsweise durch unterschiedliche Wärmeausdehnung zwischen dem Magnetmaterial und verbundenen Kom‐ ponenten entstehen, werden heruntergesetzt. Dadurch wird die Bildung von Spannungsrissen vermieden. Für den eingebetteten Magnetwerkstoff sind die Hartferrite mengenmä‐ ßig bei weitem führend. Aufgrund der begrenzten Ressourcen einiger Roh‐ stoffe, insbesondere der Seltenerdmetalle, gewinnen die Hartferrite sogar 3.2 Werkstoffe 119 <?page no="126"?> wieder an Bedeutung. Gerade in Sensoranwendungen wurden technische Lösungen auf Basis von Seltenerdmetallen erfolgreich durch gebundene Hartferrite ersetzt [MFB 2013]. Die Füllpartikel werden nicht aus dem ausgesinterten Magneten gemahlen, sondern direkt aus den Rohstoffen Eisenoxyd und Strontiumcarbonat in mehreren Reaktions- und Mahlproz‐ essen erzeugt. Die eingebetteten Partikel liegen typischerweise im Bereich von Mikrometern, ähnlich wie man es aus dem Pulver zur Erzeugung eines gepressten Grünlings für die Sinterfertigung kennt. Durch die geringe Größe sind die Partikel monokristallin und eine Anisotropie kann sowohl durch ein Magnetfeld während der Formgebung als auch durch die Fließrichtung im Material erzeugt werden. Hartferrite [Michalowsky 1995] finden sich sowohl in Elastomeren als auch in Thermoplasten als gebundenen Magnetwerkstoff. Durch die güns‐ tigen Formverfahren können hier die wirtschaftlichen Vorteile bestmöglich ausgespielt werden. AlNiCo-Pulver spielen dagegen bei kunststoffgebundenen Materialien eher eine untergeordnete und zum Teil nur noch eine historische Rolle. In früheren Anwendungen wurden Sie in Traglagern und Fahrtenschreiber aufgrund des günstigen Temperaturverhaltens eingesetzt, sind aber dort, soweit die Anwendungen noch existieren, fast vollständig durch Sintermag‐ nete ersetzt worden. Seltenerdwerkstoffe haben schon seit Ende der 1980er Eingang in die Welt kunststoffgebundener Magnete gefunden. Für die NdFeB-Werkstoffe liegt das zum einen daran, dass über das Magnequench-Verfahren ein Herstellprozess für Pulver gefunden wurde, der sehr wirtschaftlich ist. Das Verfahren erlaubt es, die Zusammensetzung des Materials viel näher an die ideale Stöchiometrie der magnetisch wirksamen Nd 2 Fe 14 B-Phase zu legen, als dies im Sinterprozess möglich ist. Aber auch SmCo oder im zunehmenden Maß SmFeN, d. h. nitrierte Legierungen aus dem Seltenerdmetall Samarium und Eisen [Iriyama 1993], kommen als Ergänzung oder Ersatz der gebundenen NdFeB Pulvern zum Einsatz. Die Seltenerdmetalle Neodym und Samarium werden immer zu‐ sammen gefördert, und obwohl der Anteil an Samarium hierbei deutlich geringer ist, besteht durch die stark steigende Verwendung von Neodym in gesinterten Magneten für die Elektromobilität und im Bereich der Wind‐ kraftanlagen ein Überangebot von Samarium. Samarium ist daher trotz seines deutlich geringeren Anteils an Oxyden im Erz inzwischen durch die geringere Nutzung vergleichswese günstig am Markt verfügbar. 120 3 Kunststoffgebundene Magnete <?page no="127"?> 3.3 Herstellung 3.3.1 Spritzguss Die größte Formenvielfalt bildet neben dem erst jüngst aufkommenden 3D-Druck das Spritzgießverfahren. Hierbei gibt eine Spritzform, auch als „Werkzeug“ benannt, die Geometrie als Negativform vor. Das Ausgangsma‐ terial ist ein Granulat mit einer Körnung von wenigen mm. Die Körner bestehen aus einem Thermoplast, in den das Magnetpulver schon einge‐ schmolzen (compoundiert) wurde. Das Granulat wird über einen Trichter eingezogen und in einer Spritzeinheit bestehend aus Schnecke und Zylinder auf mehrere 100 °C aufgeschmolzen, gefördert, verdichtet und an der Spitze der Schnecke vordosiert. Abb. 3.1: Spritzgussteile, zum Teil mit Einleger, Werkbild der Magnetfabrik Bonn GmbH Beim eigentlichen Spritzgussprozess wird das dosierte Material in sehr kurzer Zeit in der Größenordnung einer Sekunde mit der Schnecke aus dem Dosierbereich mit mehreren 100 bar herausgedrückt und über die Ma‐ schinendüse und den Angusskanal in das Formhohl gedrückt. Dort erfolgt bei der Abkühlung die Erstarrung des Kunststoffes, bei der ein gewisser Nachdruck der Schnecke das Material zum Ausgleich der Schwindung nachführt, bis das ganze Material im Angusskanal und im Formhohl erstarrt ist. Nach dieser Zeit fährt das Werkzeug auseinander, und die Magnetteile können entnommen werden [Michaeli 1993]. 3.3 Herstellung 121 <?page no="128"?> In Abb. 3.2 ist der Vorgang in den 3 Schritten gezeigt. Im oberen Teil wird das Material (3) aus dem Trichter (2) in die Spritzeinheit aus Zylinder (4) und Schnecke (1) eingezogen und durch die Schnecke durch Drehung gefördert. Hierbei wird das Material durch Friktion und die Heizbänder (5) erwärmt und schmilzt auf. Sobald sich die Schmelze vor der Düse auf der in der Abbildung rechten Seite aufstaut, fährt die Schnecke weiterdrehend zur Aufrechterhaltung eines Staudrucks zurück (Mitte). Nach abgeschlossener Dosierung fährt die Schnecke wieder vor und stößt das Material durch die Einspritzdüse in das Werkzeug (6), in dem die Angusswege und das Formhohl nur schematisch angedeutet werden. Abb. 3.2: Spritzgussprozess in verschiedenen Stufen, Quelle: [Wiki1] 122 3 Kunststoffgebundene Magnete <?page no="129"?> Der Spritzguss ist aufgrund des identischen Vorgangs bei jedem Spritzzyklus sehr prozessfähig. Unterschiede, wie sie beispielsweise bei thermischen Prozessen durch die Lage der verschiedenen Teile im Ofen oder bei einer Schleifbearbeitung durch den Schleifmittelverschleiß und die sporadischen Korrrektur durch Nachstellung vorkommen, sind hier nicht gegeben. Während des Spritzvorgangs kann ein Magnetfeld in der Spritzform dem Werkstoff sowohl eine Richtungsanisotropie einprägen als auch das ge‐ formte Teil in der gewünschten Weise magnetisieren. Wie in Abb. 3.3 gezeigt kann das orientierende Magnetfeld durch magnet‐ feldgebende Komponenten, beispielsweise Anordnungen von Dauermagneten in der Spritzform, an jedem Formhohl individuell aufgebracht werden (oberer Teil) oder durch eine Spule auf Seite der Maschine als Feld über das ganze Werkzeug hinweg erzeugt werden (unterer Teil). Im letzteren Fall werden alle Magnete in den Formen z. B. in axialer Richtung entlang der roten Feldlinien gerichtet und aufmagnetisiert. Aber es können auch Eisenleitstücke das Feld in jeder Werkzeugform individuell umlenken, um z. B. eine radiale Magnetisierung (rechte untere Seite in dem Bild) zu ermöglichen. Abb. 3.3: Arten der magnetischen Orientierung im Spritzwerkzeug 3.3 Herstellung 123 <?page no="130"?> 3.3.2 Formpressen Das Formpressen entspricht der Herstellung eines Grünlings für den Sin‐ terprozess und ist damit in Bezug auf die Formenvielfalt ähnlich einge‐ schränkt wie Sinterteile. Durch einen Ober- und Unterstempel können die Stirnflächen ohne Hinterschneidung, jedoch ansonsten beliebig geformt werden, während die Seitenfläche durch die Pressmatrize ein gleichbleiben‐ des Profil aufweisen muss. Aber im Unterschied zum Sinterprozess ist das in die Spritzform eingeführte Pulver eine Mischung aus duroplastischem Kunststoff und Magnetpulver. Die Aushärtung des Duroplastbinders kann thermisch in der Form oder in einem nachgeschalteten Tempervorgang erfolgen. Die Aushärtung des Binders erfolgt bei ca. 250 °C bis 350 °C, eine Formveränderung / Schrumpfung ist hierbei extrem gering. Dadurch, dass der ausgestoßene Rohmagnet keinen Sinterprozess erfährt, entfällt die hierbei typische Schrumpfung und die Bauteilgeometrie ist deutlich enger toleriert und nahe der Abmessung des Presswerkzeuges. Eine weitere Bearbeitung durch Schleifen kann meist entfallen. Die Dichte an Magnetmaterial ist im Vergleich zum Spritzguss mit ca. 75 Vol.-% etwas höher und die magnetischen Werte entsprechend erhöht. 3.3.3 Vulkanisation Als weitere Gruppe von Werkstoffen werden Elastomere eingesetzt. Hierbei wird ein schon vorgeformtes Teil, z. B. eine Ringschnur zur Dosierung in ein Presswerkzeug eingelegt und eine Verdichtung und Vernetzung des Elasto‐ mers (Vulkanisation) wird durch Temperatur und Pressdruck ausgelöst. Der große Vorteil bei diesen Bindern besteht darin, dass die Vulkanisation auch eine gute Anheftung des Magneten an metallische Einlegeteile ermöglicht, wenn diese entsprechend mit einem Haftvermittler vorbehandelt wurden. Durch das Fließen beim Pressen erhalten die Magnete einen gewissen Grad an Anisotropie. Alternativ kann auch der Druck und die Temperatur in einer Spritzguss‐ form aufgebracht werden. Hierbei kann die Anisotropie durch ein einwir‐ kendes Magnetfeld auch gezielt beeinflusst werden [Schumacher 2009]. 124 3 Kunststoffgebundene Magnete <?page no="131"?> 3.3.4 Extrusion Bei der Extrusion von Thermoplast- oder Elastomerteilen (Abb. 3.4) wird das Material ähnlich dem Spritzgussprozess in einer Einheit aus Schnecke (1) und Zylinder (2) verdichtet und aufgeschmolzen. Der Staudruck am Ende der Schnecke erzeugt einen kontinuierlichen Strang, der aus der Düse austritt und in einem Wasserbett erstarrt. Die Form des Düsenaustritts erzeugt den Umriss des erzeugten Stranges, der kontinuierlich als endloses Profil extrudiert und anschließend in Abschnitte der gewünschten Länge getrennt wird. Abb. 3.4: vereinfachte Darstellung eines Extruders mit Sicht in die geöffnete Zylinderein‐ heit Quelle: [Wiki2] 3.3.5 Kalandrierung Der Kalandrierprozess ist ein Walzverfahren, welches für Magnete aus‐ schließlich mit elastomergebundenen Werkstoffen eingesetzt wird. Das in der Abb. 3.5 von oben eingeführte Material (3) wird in mehreren Schritten zwischen Walzen (1) auf seine endgültige Dicke (2) gebracht und verdichtet. Hierbei entsteht ein flacher elastischer Strang (4). Aus den in der gewünsch‐ ten Länge geschnittenen magnetisierbaren Platten von typischerweise 1 mm bis 20 mm Stärke können nachträglich Teile gestanzt oder geschnitten werden, die in zwei Dimensionen die frei wählbare Form der Stanzschneide 3.3 Herstellung 125 <?page no="132"?> erhalten. Für diesen Prozess wird in großen Mengen Ferritpulvern als magnetsierbares Füllmaterial verwendet, da ohne ein richtendes Magnetfeld beim Kalandrieren eine magnetische Vorzugsrichtung senkrecht zur Walz‐ richtung entsteht. Hierfür ist die kristalline Plättchenform des Ferritpul‐ vers mit der Magnetisierachse senkrecht zur flachen Seite verantwortlich, aufgrund derer die mechanische Ausrichtung durch die Walzen zu einer magnetischen Vorzugsachse und einer recht guten Anisotropie senkrecht zu der Kalandrierfläche führt. Bei einem etwas niedrigeren Anteil der Fer‐ ritpartikel in der Elastomermatrix im Vergleich zur im Spritzgussverfahren erreichbaren Dichte ist der Grad der Anisotropie durchaus vergleichbar. Es werden aber auch dünne Folien mit Seltenerdwerkstoffen kalandriert und daraus Kleinteile für höherwertige Sensoranwendungen geschnitten. Abb. 3.5 Schematische Darstellung der Materialformung im Kalander. Quelle: [Wiki2] 126 3 Kunststoffgebundene Magnete <?page no="133"?> 3.3.6 3D-Druck Parallel zu der rapiden Entwicklung von 3D-Druck-Verfahren für Kunst‐ stoffteile hat sich die Technik zur Erzeugung von Dauermagneten aus Ther‐ moplast-gebundenen Magnetpulvern entwickelt. Erfolgreich eingesetzt wird bisher sowohl das Fused Deposition Modelling, (FDM-Verfahren), bei dem aus einem kontinuierlichen Filament schichtweise eine 3D Geometrie aufgebaut wird, als auch die Stereolithographie (SLA) und bei metallischen Magnetmaterialien das Selective Laser Sintering (SLS) [Huber 2020]. In Abb. 3.6 ist gezeigt, dass sich damit aus einem Magnetmaterial sehr kleine Strukturen darstellen lassen. Deren Auflösung ist fast nur noch durch die Feinheit der Körnung des Magnetpulvers limitiert. Mit dem Verfahren lassen sich fast beliebige Formen ohne Werkzeug erzeugen. Es ist bisher nur eingeschränkt möglich, dem Material eine Aniso‐ tropie aufzuprägen [Sonnleitner 2020]. Auch die Verdichtung zu einem 100 % dichten Verbundstoff ist sehr eingeschränkt, da ohne eine äußere Form, die einen Verdichtungsdruck aufbauen könnte, gefertigt wird. Hier sind sicher weitere Entwicklungen möglich. Dennoch lassen sich schon heute magnetische Werte erreichen, die einem im Spritzgussverfahren erzeugten Magneten mit niedrigerem Füllstoffanteil nahekommen. Abb. 3.6: Im SLA-Verfahren gefertigte Miniatur des Stefan-Doms, aus [Huber 2020]. 3.3 Herstellung 127 <?page no="134"?> 3.4 Anwendungen Sei es als Antrieb oder in der berührungslosen Sensorik. Dauermagnete sind in vielen Anwendungen, bei denen es um Bewegung geht, alternativlos [Campbell 1996]. Insofern kann ein Kapitel über die Anwendung kunststoff‐ gebundener Magnete immer nur beispielhaft die Möglichkeiten aufzeigen. In diesem Abschnitt wird deshalb an Beispielen aufgezeigt, in welchen Funktionen die Schwerpunkte der Anwendungen von kunststoffgebunde‐ nen Magneten liegen. Diese ergeben sich in direkter Konsequenz aus den Unterschieden zu den 100 % reinen Magnetwerkstoffen, d. h. aus dem Vorteil der Präzision und der geometrischen Vielfalt sowie der kostengünstigen und sehr prozessfähigen Herstellung gegenüber dem Nachteil der stark reduzierten magnetischen Eigenschaften. Kurz zusammengefasst sind dies damit Anwendungen, bei denen die magnetische Leistung des Werkstoffes, gemessen beispielsweise am Ener‐ gieprodukt (BH) max , für die Leistungsfähigkeit des Produktes nicht die allein ausschlaggebende Wirkung hat. Zum einen stellt dies den großen Bereich von Sensorik-Anwendungen dar, bei denen ein elektronisches Sensorelement die Bewegung oder Position eines Gebermagneten erfasst. Weiterhin finden sich aber auch Vorteile im Bereich kostengünstigster Anwendungen unter Nutzung der magnetischen Haftkraft und bei Kleinsystemen, die in Großserien eingesetzt werden. 3.4.1 Anwendung von kunststoffgebundenen Magneten in der Sensorik Sensoren zur Erfassung von Magnetfeldern in Verbindung mit einem Dau‐ ermagneten werden in einer Vielzahl von Anwendungen eingesetzt, um die relative Position oder den Winkel zwischen mechanischen Teilen zu messen. Generell werden dabei schaltende Anwendungen, beispielsweise als Anzeige für ein geöffnetes Fenster sowie analoge bzw. inkrementelle Messsysteme mit entsprechenden Sensortypen unterschieden (Abb. 4.1). Ein gängiges Beispiel für die letztere Gruppe ist jede Art von Geschwin‐ digkeits- oder Positionssteuerung in elektrischen Maschinen. 128 3 Kunststoffgebundene Magnete <?page no="135"?> Abb. 4.1: Einteilung der Sensoranwendungen nach verschiedenen Kriterien 3.4 Anwendungen 129 <?page no="136"?> Schaltende oder kontinuierlich messende Sensoren haben keine bewegli‐ chen Teile mit Ausnahme der Reedschalter. Ihr Hauptvorteil ist daher ihre nahezu unbegrenzte Lebensdauer im Vergleich zu Mikroschaltern. Grob eingeteilt sind mechanische Schalter für 10 6 bis 10 8 Lastzyklen ausgelegt, Reedschalter ohne Last bis typ. 10 9 bis 10 10 Schaltzyklen. Auf Halbleitern ba‐ sierende Schalter sind dagegen verschleißfrei und haben eine Lebensdauer, die unabhängig von der Anzahl der Schaltzyklen ist. Bei der kontinuierlichen Positions- oder Rotationsmessung konkurrieren magnetische Sensoren mit optischen Verfahren. Während letztere eine genauere Positionsmessung liefern, sind Magnetsysteme unempfindlicher gegenüber Staub und äußeren Einflüssen. Abb. 4.2: Mehrpoliger Magnet für Fensterheber im Automobil (Werkbild der Magnetfabrik Bonn GmbH) Da die Sensoranwendungen den Hauptteil der Nutzung kunststoffgebunde‐ ner Magnete ausmachen, werden im Folgenden die gängigen Sensortypen kurz beschrieben. 130 3 Kunststoffgebundene Magnete <?page no="137"?> Reedschalter Das direkte Gegenstück zu mechanischen Mikroschaltern sind Reedschal‐ ter. Bei diesen Bauteilen sind zwei ferromagnetische Kontakte in einer inerten Atmosphäre in einem Glasrohr eingeschlossen. Ein externes Feld magnetisiert die Kontakte, die sich durch die dort induzierten Magnetpole anziehen, und schließt den Kontakt. In Reedschalteranwendungen wurden früher AlNiCo-Magnete verwendet. Heute sind oft Hartferrite die kosten‐ günstigere Lösung oder es werden Seltenerdmagnete eingesetzt, weil sie einen größeren Schaltabstand zulassen. Hall-Sonden, CMOS-Hall-Sensoren, CMOS-Hall-Array Hall-Effekt-Sensoren basieren auf einem dünnen Film aus halbleitendem Material, der eine kleine Spannung senkrecht zu einem angelegten Strom und einem angelegten Magnetfeld erzeugt. Diese Spannung ist ein direk‐ tes Maß für das Magnetfeld. Bei schaltenden Sensoren wird das analoge Signal durch einen nachwandelnden Schmitt-Trigger in ein digitales Si‐ gnal umgewandelt. Bei analogen Sensoren ist eine Kompensation von Temperaturdrift und Nichtlinearitätseffekten erforderlich. Der Hauptteil der Dauermagnete in diesem Bereich sind kunststoffgebundene Multipol‐ magnete mit unterschiedlichen Magnetisierungsmustern und unregelmäßig magnetisierte Permanentmagnete, die zur Geschwindigkeits- und Positions‐ erfassung eingesetzt werden. XMR-Sensoren Magnetoresistive (MR) Sensoren nutzen die Feldabhängigkeit des elektri‐ schen Widerstands in einer leitenden oder halbleitenden Sonde. Während traditionelle MR-Effekte in den meisten Halbleitern eher klein sind (ca. 1-3 %), erlebte dieser Sensortyp in den letzten Jahren eine Renaissance mit extrem großen MR-Effekten (XMR-Sensoren), die als AMR (anisotrope MR), GMR (Giant MR) und CMR (Colossal MR) bezeichnet werden. Obwohl der traditionelle MR-Effekt zur Messung der Feldstärke verwendet wurde, werden MR- und XMR-Sensoren jetzt und in naher Zukunft zunehmend verwendet, um Feldwinkel zu messen, indem sie die Widerstandsänderung in zwei Richtungen auswerten. In der „On-Axis-Winkelmessung“, bei der sich der Magnet und der Sensor beide auf der Drehachse befinden, wurden früher hauptsächlich 3.4 Anwendungen 131 <?page no="138"?> Neodym-Eisen-Bor-Magnete verwendet [MFB 2007]. Aufgrund der Selten‐ erdknappheit im Jahr 2010 und aus wirtschaftlichen Gründen wurden für diese Anwendungen inzwischen spezielle spritzgegossene Ferritmagnete entwickelt [MFB 2013]. Bei der Detektion eines Rotorwinkels außerhalb der Drehachse in permanenterregten Synchronmotoren werden üblicherweise mehrpolig magnetisierte kunststoffgebundene Hartferrite eingesetzt. Induktionsspulen Dreht sich die Welle eines Motors mit konstanter Drehzahl, kann die induzierte Spannung in einer Spule ausgewertet werden, um die Winkel‐ geschwindigkeit und die Position der Drehwelle zu bestimmen. Solche Induktionsspulen sind vergleichbar der Wicklung eines Generators, Anzahl und Polung der Einzelwickel entsprechen den Polen des Gebermagneten. Als Gebermagnet werden typischerweise mehrpolige polymergebundene Hartferritringmagnete an der rotierenden Welle befestigt. Die Rotationsge‐ schwindigkeit kann entweder durch die Amplitude der induzierten Wech‐ selspannung oder durch das Zählen der Perioden dieser Spannung erfasst werden. Die Phase entspricht der Drehposition. Dieses Verfahren wird zur Drehzahlregelung in Werkzeugmaschinen und in Waschmaschinen sowie in Getriebesteuerungen eingesetzt. 3.4.2 Haftanwendungen Elastomergebundene Magnete werden aufgrund ihrer Elastizität gerne genutzt, um die Haftkraft auszunutzen, ohne durch scharfe Kanten die Gegenseite zu schädigen. Großflächig kalandrierte Hartferritplatten sowie NdFeB-Platten können einseitig kaschiert und zur Werbung oder Kenn‐ zeichnung bedruckt werden. Auf der haftenden Seite sind streifenförmig wechselnde Pole aufmagnetisiert, die bei einem Polabstand von 2-6 mm eine gute Anhaftung auf Eisenflächen ergeben. In Form solcher Platten können Fahrzeuge mit Werbung versehen und Regale gekennzeichnet werden. Aber auch als gestanzte Teile zieren kleine Formteile als Gadgets Kühlschränke oder sie helfen als Pfeile und Symbole auf Plantafeln. Als eine über Jahrzehnte genutzte Massenanwendung wurden elastische Platten auch zur Geräuschdämmung in Autotüren eingelegt und halten sich dort selbstständig über die Magnetkraft. 132 3 Kunststoffgebundene Magnete <?page no="139"?> Extrudierte Bänder befinden sich in der Dichtung aller Kühlschränke, da diese aus Sicherheitsgründen keinen Rastverschluss haben dürfen. Durch die Magnetkraft wird die Dichtung an den Eisenrahmen gezogen, die Türe zugehalten und ein Luftaustausch mit Wärmeeintritt verhindert. Im Spritzguss hergestellte Magnete dienen in Flüssigkeiten dem Abfangen von ferromagnetischer Verunreinigung, z. B. in Getrieben zum Auffangen von Abrieb [Seitz 1996]. 3.4.3 Kleinmotoren und -generatoren Die Permanentmagneterregung in elektrischen Maschinen stellt bei weitem das größte Anwendungsfeld für Dauermagnete dar [Gieras 2010]. Hierfür kommen kunststoffgebundene Magnete weniger zum Einsatz, da der er‐ zeugte Fluss durch den Binder reduziert ist, und diese Verminderung direkt in die Leistungsfähigkeit der Maschine eingeht. Dennoch gibt es im Bereich sehr kleiner Motoren und Generatoren eine Vielzahl von Anwendungen. Der Vorteil liegt hier in der guten Prozessfähig‐ keit der Herstellung bei Großserien aber auch in der geringeren Sprödigkeit. Absplitterungen von Magnetkanten sind eine Quelle von Verschmutzung, die bei kleinem Luftspalt zwischen Stator und Rotor sehr kritisch sind und zu Motorgeräuschen oder sogar zum Ausfall führen können. Als Beispiel zeigt die Abb. 4.3 ein Antriebsmotor für die Anzeigeinstru‐ mente im Fahrzeugcockpit. Der als Rotor ausgelegte Dauermagnet mit einem Abtriebszahnrad als Teil seiner Geometrie wird einteilig im Spritz‐ gussverfahren hergestellt. Die automatisierte Verarbeitung erlaubt eine sehr saubere und sichere Produktion dieser Motoren in einer jährlich zweistelli‐ gen Millionenhöhe. Die Alternative eines Sinterferrits, der ein eingespritztes Kunststoffritzel enthält, ist der Konstruktion aus Qualitätssicht und mit Blick auf die Kosteneffizienz deutlich unterlegen. Bei größeren Motoren und Generatoren werden in der Regel die vielpo‐ ligen Statoren oder Rotoren mit einzelnen Magneten für jeden Pol bestückt. Dem gegenüber haben die kunststoffgebundenen Magnete den Vorteil, dass ein mehrpoliger Stator oder Rotor in einem Prozessschritt hergestellt wird. 3.4 Anwendungen 133 <?page no="140"?> Abb. 4.3: Kleiner Schrittmotor (ohne Oberteil Gehäuse) für KFZ-Instrumententafel (Werk‐ bild der Magnetfabrik Bonn GmbH) Die Anwendbarkeit für Magnete in Kunststoffbindung ist umso vorteilhaf‐ ter, je kleiner die Motoren sind. Grob liegt die Grenze des wirtschaftlichen Vorteils bei Maschinen der Leistungsklasse ab 100 Watt. Aber auch viel kleinere 2-polige Maschinen im Bereich einzelner Watt sind mit standardi‐ sierten Ferritsegmenten manchmal die wirtschaftlichere Alternative. Ein gutes Beispiel für Antriebe im 2-3stelligen Wattbereich, bei denen kunst‐ stoffgebundene Magnete erfolgreich eingesetzt werden, sind die seit der Jahrtausendwende entwickelten permanentmagnetisch erregte Heizwasser‐ pumpen in Gebäuden. Die verbesserte Energieeffizienz dieser Pumpen hat auch über die Ökodesign Richtlinie 2009/ 125/ EG zu einer EU-Verordnung geführt [EU 2012], durch die mittelfristig der Strom von zwei typischen Kernkraftwerksblöcken in Europa allein im Bereich der Gebäudeumwälz‐ pumpen eingespart werden kann. 134 3 Kunststoffgebundene Magnete <?page no="141"?> 3.5 Magnetisierung Bei Spritzgussteilen ist es möglich, die anisotrope Orientierung und die Magnetisierung in einem Prozessschritt mit der Formgebung zu vollziehen. Alle anderen Werkstoffe werden abschließend nach der Formgebung in der gewünschten Polorientierung magnetisiert. Den gesinterten Werkstoffen entsprechend kann dies mit gepulsten Feldern durch Spulen erfolgen, bei denen ein sehr hoher Strom kurzzeitig das erforderliche Feld erzeugt. Bei kunststoffgebundenen Seltenerdmagneten betragen die benötigten Felder typischerweise mindestens 2000 kA/ m. Entsprechende Spulen, die mit Kühlung ausgestattet sind, um in der Serie mehrere 100 Pulse pro Stunde zu erzeugen, lassen sich bis zu einer Polteilung von ca. 3 mm pro Ein‐ zelpol aufbauen. Als Faustformel ist deshalb zum Beispiel bei einem am Außendurchmesser magnetisierten Ring die Polzahl begrenzt durch den Durchmesser, gemessen in mm, also ein Ring mit Außendurchmesser 12 mm kann grob bis zu 12 Polen tragen. Bei den kunststoffgebundenen Ferriten, bei denen Magnetisierfelder in der Größenordnung von 600-1000 kA/ m ausreichend sind, kann eine 2-fach engere Polteilung noch sicher erreicht werden. Für Hartferrite reicht zum Sättigen auch eine Dauermagnetanord‐ nung für eine uniaxiale Magnetisierung. Hier kann also auf eine Investition in Impulsfeldgeneratoren verzichtet werden. Für Sensoranwendungen, bei denen eine noch engere Polteilung und sehr hohe Präzision erforderlich ist, kann die Magnetisierung auch durch einen kontinuierlich schreibenden Spulenkopf, ähnlich einer Datenspeicherung auf einem Magnetband, erfolgen. Entsprechend sind beliebig kleine Poltei‐ lungen möglich. Eine Polteilung, die geringer ist als der halbe Messabstand in einer Sensoranordnung von der Magnetoberfläche bis zum sensitiven Element in dem Sensorelement wird jedoch ineffizient, da das Feld B 0 an der Oberfläche des Magneten bei einer Polteilung d mit zunehmenden Abstand s nach einem Exponentialgesetz abnimmt B=e -s/ (πd) B 0 Bei sehr präzisen Messanwendungen werden mit dem schreibenden Verfah‐ ren mehrere Spuren geschrieben, die beispielsweise mit dem Noniusverfah‐ ren eine absolute Positionserkennung mit einer Ortsauflösung im Bereich von Mikrometern erlaubt. 3.5 Magnetisierung 135 <?page no="142"?> 3.6 Magnetische Qualifizierung / Qualitätssicherung An die Prüfung kunststoffgebundener Magnete sind grundsätzlich ähnli‐ che Anforderungen gestellt, wie allgemein bei Dauermagneten [ DIN IEC 60404-8-1]. Dennoch unterscheiden sich die Prüfungen in der Praxis auf‐ grund der anwendungsspezifischen Anforderungen insbesondere bei der Sensorik deutlich [Trout 2002]. Anisotrope Sintermagnete müssen beispielsweise für den Einsatz in Elektromotoren oder Generatoren in erster Linie gewisse Werkstoffanfor‐ derungen in Bezug auf die Kennwerte Remanenz, Koerzitivfeldstärke und Energieprodukt aufweisen. Diese Werte werden an wenigen Probekörpern mit einem Permagraphen erfasst. Die magnetische Bewertung an Einzelmagneten lassen sich auf eine sehr schnelle integrative Momentmessung mittels einer Helmholtzspule reduzie‐ ren, da der magnetische Fluss in einem Motor unterhalb der Eisensättigung proportional zum magnetischen Moment der erregenden Magnete ist. Un‐ gleichmäßigkeiten in der Magnetisierung haben nur einen geringen Einfluss auf den magnetischen Fluss und damit das Drehmoment bei Bestromung und damit die Leistungsfähigkeit des Motors. Kunststoffgebundene Magnete für Sensoren sowie vielpolige Magnet‐ ringe für Kleinmotoren können aufgrund der bogenförmigen Orientierung nicht in einem Permagraphen gemessen werden. Die Werkstoffkennwerte lassen sich gemäß den Vorgaben der DIN IEC 60404-8-1 nur an separaten Formteilen aus dem gleichen Werkstoff ermitteln. Die kunststoffgebunde‐ nen Magnete für Sensoren müssen aber insbesondere bei analogen Messun‐ gen sehr hohe Anforderungen an das gesamte Magnetfeldprofil erfüllen. Dies bedeutet, dass in der Regel die Bewertung eines Prüflings das Abfahren auf einer Linie oder Fläche außerhalb des Magneten mit einem kalibrierten Messelement erfordert. Je nachdem, ob der Prüfling auf einem definierten Kreis oder in einer definierten Fläche gemessen wird, nutzt man, ähnlich wie bei taktilen mechanischen Messungen, Prüfaufbauten, die entweder einen rotierenden Magneten mit einem auf einem festen Teilkreis angebrachten Sensor messen oder bei denen der Magnet in einer Ebene oder im Raum magnetisch komplett kartographiert wird. Ein Aufbau zum Kartographieren des Feldverlaufs im Raum vergleichbar einem taktilen mechanischen Messplatz ist in Abb. 6.1 gezeigt. 136 3 Kunststoffgebundene Magnete <?page no="143"?> Abb. 6.1: In 3 Dimensionen linear abfahrender Messplatz Für die Messung auf einem Teilkreis, bei dem sich der Prüfling vor oder neben einem Messkopf dreht, sind mehrere Anordnungen möglich, je nachdem, ob der Teilkreis am Außen- oder Innendurchmesser des Prüflings oder auf der Stirnfläche erfasst wird. In Abb. 6.2 ist darum ein prinzipieller Messaufbau gezeigt, mit dem die verschiedenen Messungen durchgeführt werden können. 3.6 Magnetische Qualifizierung / Qualitätssicherung 137 <?page no="144"?> Abb. 6.2: Aufbau zum rotierenden Messen eines Magneten. Abb. 6.3: Gemessenes Feldprofil mit verschiedenen Bewertungskriterien. In Abb. 6.3 ist am Beispiel eines 8-poligen Magneten für eine Komponente der Feldstärke das abgewickelte Feldprofil über 360° gezeigt. Wenn der 138 3 Kunststoffgebundene Magnete <?page no="145"?> untersuchte Magnet in seiner Anwendung einen Sensor ansteuert, der nur eine Feldkomponente erfasst, so wird bei der Prüfung diese Komponente, beispielsweise die radiale Feldkomponente, am Außendurchmesser des Magneten erfasst. Für Sensoren, die mehrere Feldkomponenten oder die Feldrichtung detektieren, sind entsprechend bei der Qualifizierung und in der Qualitätssicherung mehrere Feldkomponenten zu bestimmen. Bei der Auswertung der Messung an einem rotierenden Magneten über 360° werden typischerweise bei einem mehrpoligen Teil für jeden einzelnen Pol Daten wie die maximale Polstärke B Peak , die Polbreiten bzw. Nullbreiten von Nulldurchgang zu Nulldurchgang des Profils und deren Summenfehler, die Triggerbreiten eines jeden Pols, d. h. die Breite zwischen definierten Feldwerten, die Steilheit der Kurve an jedem Nulldurchgang oder der magnetische Fluss der Einzelpole bewertet. Je nach Anwendung können die Einzelwerte gegen artikelspezifische Grenzwerte geprüft werden, oder es kann in einer Statistik der einzelnen Pole für jedes Teil beispielsweise die Streuung der Polstärken untereinander mit Grenzwerten verglichen werden (s. Abb. 6.3). 3.7 Feldberechnung Nicht nur bei der magnetischen Bewertung und Vermessung, sondern auch im Bereich der Simulation von Magneten sind die kunststoffgebundenen vielpoligen Magnete aufgrund ihrer Anwendungsfelder gesondert zu be‐ trachten. Gesinterte Magnete für elektrische Maschinen, Lautsprecher, Kupplun‐ gen oder Haftmagnete stellen zusammen mit einem Eisenrückschluss einen mehr oder weniger geschlossenen magnetischen Kreis dar. Weichmagneti‐ sche Leitstücke sorgen für eine Führung der magnetischen Flusslinien. Nur in einer vergleichsweise schmalen Unterbrechung des Magnetkreises durch einen Luftspalt wird das Magnetfeld als Kraftwirkung oder Wechselwirkung mit einer elektrischen Wicklung wirksam. Die den Fluss erzeugenden Dauermagnete sind jeweils in einer festen Richtung magnetisiert. Dies ist als Beispiel an einer Magnetkupplung in Abb. 7.1 gezeigt. Die Modellierung in einer Feldberechnungsroutine erfordert lediglich die Angaben zu den Mag‐ netabmessungen, der Richtung der Magnetisierung und der magnetischen Materialkennlinien. 3.7 Feldberechnung 139 <?page no="146"?> Abb. 7.1: Magnetkupplung Kunststoffgebundene Magnete haben hingegen typischerweise in einem Bauteil an jedem Ort eine andere Richtung und oft auch eine andere Stärke der Magnetisierung. Die Stärke und Richtung der Magnetisierung resultiert aus dem Herstellungsprozess. So prägt eine Spule beim Magnetisieren eines isotropen Magneten diesem an jedem Punkt eine Magnetisierung auf, deren Richtung durch das lokale Feld gegeben ist. Hierdurch ist das Modell des Magneten für die Feldberechnung nicht allein durch das Design definiert, sondern es muss der gesamte Feldverlauf im Werkzeug beim Herstellungsprozess berücksichtigt werden. So wird beim Magnetisieren durch das Feld des Magnetisierkopfes ortsabhängig im Magnetmaterial die Feldverteilung als Magnetisierungsverteilung eingeprägt. Ähnlich erzeugen beispielsweise Multipolfelder in der Spritzkavität eine von der Position im Magneten abhängige Vorzugsrichtung. Die Simulation des Magneten muss demnach mehrstufig erfolgen In einem ersten Schritt wird das Feld des Spritzgusswerkzeuges simuliert [Abb. 7.2 oben] und daraus in jedem Volumenelement des Magneten eine entsprechende Magnetisierstärke und Richtung definiert. Im darauffolgen‐ den Schritt wird auf dieser Basis der Magnet modelliert und der aus der Magnetisierungsverteilung resultierende Feldverlauf des Magneten berech‐ net [Abb. 7.2 unten]. 140 3 Kunststoffgebundene Magnete <?page no="147"?> Abb. 7.2: Darstellung der zweistufigen Simulation am Beispiel eines Polwechsels 3.7 Feldberechnung 141 <?page no="148"?> Andererseits sind einfache Schaltanwendungen eines über eine Achse ma‐ gnetisierten Magneten deutlich einfacher zu simulieren als die Feldberech‐ nungen in magnetischen Kreisen. Solange keine Eisenleitstücke existieren, kann das Feld eines uniaxial magnetisierten einfachen Formmagneten durch Integration über die Magnetpole im Ladungsmodell oder über die Außen‐ ströme im Strommodell nach Biot/ Savart angegeben und die Integrale zum Teil analytisch gelöst werden. Das Feld eines Magneten von einfacher Bau‐ form, beispielsweise für Ringe oder Blöcke lässt sich damit in 3 Dimensionen als geschlossene Formel angeben. Als Beispiel sei für Blöcke auf Rechnungen von Akoun [Akoun 1984] verwiesen und allgemein zum magnetischen Kreis und zur Anwendung des Biot-Savart-Gesetzes auf Kapitel 3-5 in [Roters 1941] und Kapitel 3 in [Schnell 1973]. 3.8 Literatur Akoun 1984: G. Akoun, J.P. Yonnet, 3D Analytical Calculation of the Forces exerted between two cuboidal Magnets, IEEE Trans. on Magn., MAG-20 No5 (1984) S.-1962p Baermann 1934: Deutsches Reichspatent DRP 656 966 vom 12.07.1934 Campbell 1996: P. Campbell, Permanent Magnet Materials and their Applications, Cambridge University Press, Cambridge 1996 Dehler 1944: H. Dehler, Elektrotechnische Zeitschrift, 65. Jahrg. Heft 11/ 12, S. 93-95 EU 2012: EU-Verordnung 547/ 2012 Gieras 2010: J.F. Gieras, Permanent Magnet Motor Technology, Design and Appli‐ cations, CRC Press, Boca Raton, 2010 Huber 2020: C. Huber et.al. , Additive Manufactured Polymer-Bonded Isotropic NdFeB Magnets by Stereolithography and their Comparison to Fused Filament Fabricated and Selective Laser Sintered Magnets, Materials 2020, 13(8), S.-1916 Iriyama 1993: T. Iriyama et,al., Development of high-energy product Sm 2 Fe 17 N 3 bonded magnets, Advanced Materials 93, edited by M.Homma, Trans. Mat. Res. Soc. Jpn, Vol14B, S.-1063 MFB 2007: Gebermagnete für die Winkelsensorik der Reihe 67.043 und 67.044, Praxis kompakt 1/ 2008, www.magnetfabrik.de MFB 2013: Gebermagnete für die Winkelsensorik, Praxis kompakt 1/ 2013, www.ma gnetfabrik.de Michaeli 1993: Technologie des Spritzgießens, W. Michaeli u. a., Carl Hanser Verlag München, ISBN 978-3-446-45042-4 142 3 Kunststoffgebundene Magnete <?page no="149"?> Michalowsky 1995: Magnettechnik, Grundlagen und Anwendungen, L. Micha‐ lowsky u.-a., Fachbuchverlag Leipzig 1995, ISBN 3-343-00897-4 Roters 1941: Electromagnetic Devices, H.C. Roters, John Wiley & Sons, New York, ISBN 13: 978-0471739203 Schnell 1973: Magnete, Grundlagen - Aufbau - Anwendungen, G. Schnell, Karl Thiemig Verlag München, ISBN 3-521-06082-9 Seitz 1996: G296 04 621.3: Deutsches Gebrauchsmuster, Scheibenförmiger Fangmag‐ net zur Absonderung von Metallpartikeln Sonnleitner 2020: K. Sonnleitner et al, 3D printing of polymer-bonded anisotropic magnets in an external magnetic field and by a modified production process, Appl. Phys. Lett. 116, 092403 (2020) Schumacher 2009: H.Schumacher, Elastomergebundene Magnetsysteme, Tagungs‐ band zum 9. Symposium Magnetoresistive Sensoren und Magnetische Systeme, Grundlagen - Herstellung - Anwendungen 14. März 2007 in Wetzlar der Firma Sensitec GmbH Trout 2002: S.R. Trout, Magnetic Testing of Bonded Magnets, NATO/ ARW Confe‐ rence on Bonded Magnets, Aug. 22-33 2002, Newark, DE, USA Wiki1: https: / / commons.wikimedia.org/ w/ index.php? curid=11478077 Cdang, Bren‐ dan Rockey, University of Alberta Industrial Design / Eigenes Werk Wiki2: Aus Wikipedia (de.wikipedia.org), gekennzeichnet als “public domain” 3.8 Literatur 143 <?page no="151"?> 4 Elektroband für energietechnische Anwendungen: Motoren, Generatoren, Transformatoren Nora Leuning, Kay Hameyer 4.1 Grundlagen weichmagnetischer Werkstoffe für elektrische Maschinen Energieressourcen sind knapp. Die Energiewende von fossilen Energieträ‐ gern und Kernenergie zu nachhaltigen Energiequellen und das stetige Wachstum von Industrie und Weltbevölkerung verdeutlichen die Bedeutung des Themas Energiewirtschaft. Der weltweite Energiebedarf wächst stetig, wobei Energie nicht nur eine potenziell knappe Ressource ist, sondern stets auch einen erheblichen Kostenfaktor darstellt. Einsparungen von Energie können sowohl ökonomisch als auch ökologisch motiviert begründet sein. Damit ist die Steigerung der Effizienz bei der Energiegewinnung, -über‐ tragung und -nutzung eine wichtige Zielgröße aktueller Entwicklungen. Die Weiterentwicklung der Technologien in der Energiewandlung und -übertragung ist gesellschaftlich notwendig. Die Effizienz von elektrischen Maschinen, sowohl von Motoren als auch von Generatoren und Transformatoren, ist hierbei maßgeblich von den ver‐ wendeten Magnetkreismaterialien abhängig. Bei den „klassischen“ Magne‐ ten handelt es sich um Hartmagnete. Diese haben ein statisches Magnetfeld und „behalten“ ihre Magnetisierung. Sie werden beispielsweise im Rotor von permanentmagneterregten Synchronmaschinen (PMSM) verwendet, in denen sie ein magnetisches Feld bereitstellen. Das weichmagnetische Material in elektrischen Maschinen wird benötigt, um den magnetischen Fluss in Stator und Rotor zu führen und zu verstärken. Es sollte eine hohe Magnetisierung haben, eine einfache Ummagnetisierung ermöglichen und geringe Ummagnetisierungsverluste aufweisen. Vereinfacht lässt sich das Prinzip der Energiewandlung in einem Motor am Beispiel einer PMSM wie folgt erklären: Die Zähne des Stators sind mit Kupferspulen umwickelt. Werden diese mit einem Strom gespeist, erzeugen sie ein magnetisches Feld. Durch die Verschaltung der Spulen und entsprechenden Stromeinspeisung <?page no="152"?> kann ein Drehfeld im Luftspalt der Maschine erzeugt werden, welches durch das weichmagnetische Material im magnetischen Kreis gezielt geführt wird. Die ferromagnetischen Eigenschaften sorgen für eine Bündelung des Mag‐ netflusses. Die eigentliche Energiewandlung findet im Luftspalt zwischen dem feststehenden Stator und dem rotierenden Läufer statt. Das erzeugte Drehmoment des Motors ist proportional zur magnetischen Flussdichte im Luftspalt. Die Drehzahl der Maschine ist über die fixe Polpaarzahl und über die variierbare Ummagnetisierungsfrequenz eingestellt. Typische Hartmagnetmaterialien sind einfache Ferrite, Samarium-Ko‐ balt(SmCo)- oder Neodym-Eisen-Bor(NdFeB)-Magnete. Für die weich‐ magnetischen Materialien stehen Elektroband, Softmagnetic Composites oder amorphe Metalle zur Verfügung. Den mit Abstand bedeutendsten Teil der Anwendung in kommerziellen Maschinen stellen die Eisen-Sili‐ zium(FeSi)-Elektrobleche dar. Dieses FeSi-Elektroblech ist ein funktioneller Werkstoff, der die hohen Anforderungen an die magnetischen Eigenschaften erfüllt. Aufgrund seiner Vielseitigkeit und der unzähligen Variationsmöglichkeiten im Spannungs‐ feld der magnetischen, mechanischen und technologischen Anforderungen ist FeSi-Elektroblech als Werkstoff flächendeckend in der Energiegewin‐ nung, -übertragung und -nutzung einsetzbar und erfüllt darüber hinaus auch ökonomische Anforderungen. Sowohl im Schwermaschinenbau als auch im Transportwesen, in der Energietechnik, im Motorsport, im Haushalt und in vielen weiteren Bereichen wird Elektroblech verwendet. Bei Elektroblech handelt es sich um einen sogenannten Funktionswerkstoff, dessen Hauptaufgabe darin besteht Energie möglichst verlustarm zu über‐ tragen. Die Begriffe Elektroband und Elektroblech werden häufig synonym verwendet, wobei Elektroband in erster Linie das hergestellte Stahlmaterial bezeichnet und sich Elektroblech auf die geschnittenen Lamellen in den Motoren oder Transformatoren bezieht. Das Hauptmerkmal von Statoren und Rotoren von Wechsel- und Drehstrommaschinen aus Elektroblech ist, dass diese nicht aus Vollmaterial hergestellt sind, sondern aus gestapelten Blechschnitten, wie in Abbildung 1 zu erkennen ist. Der Grund hierfür ist, dass die Verluste im Zuge der Ummagnetisierung unter anderem von der Dicke des Materials abhängig sind. Elektroblech wird daher in Lamellen geschnitten, gestapelt und durch eine Beschichtung voneinander elektrisch isoliert. Je dünner das Blech ist, desto geringer ist der Anteil der klassi‐ 146 4 Elektroband für energietechnische Anwendungen: Motoren, Generatoren, Transformatoren <?page no="153"?> schen Wirbelstromverluste. Konventionelle Elektrobandsorten bestehen aus Eisen-Silizium-Legierungen und sind verhältnismäßig kostengünstig. Abb. 1: Rotoren und Statoren aus lamelliertem Elektroband (M. Jaeger, Institut für Elektri‐ sche Maschinen, RWTH Aachen, 2019) Durch Verwendung fein abgestimmter Legierungskonzepte, genaue Kon‐ trolle der primär- und sekundärmetallurgischen Prozesse, gezielte Wärme‐ behandlungen und schonende Bearbeitung lassen sich die gewünschten Eigenschaften generell einstellen. Magnetische Zielgrößen sind unter ande‐ rem die Sättigungsmagnetisierung, der magnetische Feldbedarf, die Ummag‐ netisierungsverluste sowie die Permeabilität. Darüber hinaus sind weitere technische Eigenschaften von zunehmender Bedeutung, um die ohnehin schon stark optimierten elektrischen Maschinen punktuell zu verbessern. Die mechanische Festigkeit spielt im Zuge immer höherer Drehzahlen und schmaler Rotorgeometrien eine Rolle. Die thermischen Eigenschaften in Kombination mit dem Kühlsystem stehen in direkter Verbindung zur Dimensionierung der Maschine, um die durch die Verluste entstehende Wärme effizient abzuführen. Das Gewicht des Motors beziehungsweise die Werkstoffdichte kann bei mobilen Anwendungen, z. B. beim elektrischen Fahren oder Fliegen, ein entscheidender Faktor sein. Nicht zu vernachläs‐ 4.1 Grundlagen weichmagnetischer Werkstoffe für elektrische Maschinen 147 <?page no="154"?> sigen sind auch Themen wie die zyklische mechanische und thermische Belastung der Komponenten, magnetische und mechanische Alterung oder das Komponentenrecycling. Gerade wegen der breit gefächerten Variationsmöglichkeiten bleibt Elekt‐ roblech Gegenstand aktueller Forschung. Es stellt sich die Frage, wie durch geschickte Wahl der Werkstoffparameter eines Elektrobleches die Effizienz der Maschine verbessert werden kann. Des Weiteren kann eine gezielte Materialauswahl nur unter Berücksichtigung definierter Anforderungen und damit unter Berücksichtigung der Maschinentopologie, -geometrie und des Anwendungshorizonts erfolgen. 4.1.1 Elektrobanddesign Die zuvor genannten Maßnahmen, eine gezielte Blechdickenverringerung und das Legieren mit Silizium sind Maßnahmen, die seit je her genutzt werden, um die Eigenschaften von Elektroband zu verbessern. Die Ver‐ ringerung der Ummagnetisierungsverluste und Verbesserung der Magnet‐ isierbarkeit sind die Hauptziele der Werkstoffoptimierung. Verschiedene strukturelle Werkstoffparameter haben einen direkten und indirekten Ein‐ fluss auf die magnetischen Eigenschaften. Insbesondere die Legierung, Blechdicke, Korngröße, Textur und die mechanischen Eigenspannungen beeinflussen die magnetischen Eigenschaften signifikant. Diese Parameter werden im Herstellungs- und Verarbeitungsprozess des Stahlbandes gezielt variiert. Da die Parameter jedoch teils gegensätzliche Effekte haben und das magnetische Verhalten stark nichtlinear ist, ist die Herstellung eines perfekten Elektrobandes folglich ausgeschlossen. Es bedarf des Designs eines Elektrobandes, welches optimiert für die jeweilige Anwendung ist. Um das bestmöglich geeignete Blech für die gestellten Anforderungen zu finden, muss im Rahmen von Kosten und Effizienz stets ein trade-off verschiedener Zielgrößen in Kauf genommen werden. Lamellierung von Elektroblech Die Lamellierung von Elektroblech (die Verwendung dünner, voneinander elektrisch isolierter Blechlamellen im magnetischen Kern der Maschine) stellt, wie der Name „Elektroblech“ schon vorwegnimmt, die Hauptmaß‐ nahme dar, um die Ummagnetisierungsverluste zu verringern. Geringe Blechdicken sind hierbei vorteilhaft, da der klassische Wirbelstromverlust‐ 148 4 Elektroband für energietechnische Anwendungen: Motoren, Generatoren, Transformatoren <?page no="155"?> anteil mit abnehmender Blechdicke verringert werden kann (siehe Abbil‐ dung 2). Die klassischen Wirbelstromverluste p cl sind quadratisch von der Blechdicke d Blech abhängig, wie in der zugehörigen Formel zu erkennen ist: p cl = π d Blech Bf 2 ρ m ρ el Die Verwendung sehr dünner Bleche ist besonders für höherfrequente Anwendungen von Bedeutung, da die Wirbelstromverluste quadratisch mit der Frequenz f und der magnetischen Flussdichte B ansteigen. Die Dichte des Materials ρ m und die elektrische Leitfähigkeit ρ el sind Werkstoffparameter, welche die klassischen Wirbelstromverluste bestimmen, werden jedoch erst im folgenden Abschnitt diskutiert. Übliche Kaltbanddicken für FeSi-Elektroband liegen in der Größenord‐ nung von 0,2 mm bis 0,5 mm. Bei großen, langsam drehenden Generato‐ ren der Stromerzeugung kommen auch höhere Blechdicken von 1,0 mm zum Einsatz. Bestrebungen die Blechdicken weiter zu reduzieren, zeigen unterschiedliche Erfolge, da bei Blechen < 0,25 mm die Herstellung, Ver‐ arbeitung sowie die Maschinenkonstruktion deutlich erschwert werden. Ein Beispiel der sogenannten ultra-dünnen Elektrobänder sind Bleche mit einer Dicke von 0,08 mm. Die Eisenverluste des Materials können bei steigenden Frequenzen gegenüber 0,35 mm dickem Blech deutlich verringert werden, doch die Verarbeitung zu Motorengeometrien durch das Schneiden erhöht die Verluste wiederum. Konventionelle Trenntechniken, wie das serienmäßige Stanzen, können bei solch dünnen Blechen nicht angewendet werden. Darüber hinaus verringert sich durch den, relativ gesehen, erhöhten Anteil an Isolationsschichtdicke der Anteil des magnetischen Materials im Bauraum. Obwohl die sehr dünnen Lamellen eine Möglichkeit für höherfrequente Anwendungen, insbesondere im Bereich der Mittelfrequenztransformato‐ ren darstellen, begünstigen sie nicht zwangsläufig die Optimierung rotieren‐ der elektrischer Maschinen, insbesondere mit Blick auf den Materialeinsatz und Prozessaufwand. Legierung Die Legierungsstrategie für FeSi-Elektroblech ist im Allgemeinen darauf ausgelegt, die magnetischen Eigenschaften des Elektrobandes zu optimie‐ ren. Konventionelle Güten haben einen Siliziumgehalt von 0,3 Gew.-% bis 4.1 Grundlagen weichmagnetischer Werkstoffe für elektrische Maschinen 149 <?page no="156"?> lamelliert nicht lamelliert Klassische Wirbelstromverluste ~ d Blech2 d Blech d Blech Abb. 2: Schematische Abbildung der Ausbildung von Wirbelströmen in einem Vollmaterial und in einem lamellierten Blechpaket 3,2 Gew.-%. Silizium verbessert die magnetischen Eigenschaften, indem es den elektrischen Widerstand ρ el erhöht, wodurch Wirbelstromverluste nach p cl = π d Blech Bf 2 ρ m ρ el gemindert werden. Auf der anderen Seite bewirkt ein steigender Silizi‐ umanteil jedoch eine Verringerung der Sättigungspolarisation, da der An‐ teil an ferromagnetischem Eisen (Fe) reduziert wird, was generell eine Verschlechterung der Induktion und damit auch der Leistungsdichte der Maschine nach sich zieht. Ein zusätzlicher, entscheidender Faktor, der den Siliziumgehalt der Legierungen einschränkt, ist der negative Einfluss auf die Bearbeitbarkeit von Elektroband. Ein Siliziumgehalt oberhalb 3,2 Gew.-% ist für kaltgewalztes Material, insbesondere in den relevanten Dickenab‐ messungen unter 0,5 mm unüblich, da die Umformbarkeit hierdurch stark eingeschränkt und der Kaltwalzprozess deutlich erschwert wird. Auf der anderen Seite sind gewisse Gehalte an Silizium jedoch für die mechani‐ schen Eigenschaften notwendig, da es als Mittel der Festigkeitssteigerung dient, um Anforderungen an die Festigkeiten der Lamellen auch bei hohen Drehzahlen und geringen Stegbreiten zu erfüllen. Auch die Stanzbarkeit wird durch höhere Siliziumgehalte im Allgemeinen erschwert Ein weiteres Mittel zur Verbesserung der magnetischen Eigenschaften ist es, eine hohe Reinheit des Gefüges zu gewährleisten. Mikroeinschlüsse und Ausscheidun‐ 150 4 Elektroband für energietechnische Anwendungen: Motoren, Generatoren, Transformatoren <?page no="157"?> gen behindern freie magnetische Domänenwandbewegungen, welche den Ummagnetisierungsprozess bewirken. Die Verluste steigen dadurch. Die sogenannte Hystereseverlustkomponente wird bereits durch eine geringe Zahl von Ausscheidungen und Einschlüssen erhöht. Folglich ist es notwen‐ dig, den Gehalt an zur Ausscheidung neigenden Elementen, insbesondere Sauerstoff (O), Kohlenstoff (C), Stickstoff (N), Schwefel (S), gering zu halten. Aluminium kann in gewissen Bereichen als Substitution für Silizium dienen. Aluminium erhöht ebenfalls den elektrischen Widerstand und im Gegensatz zu Silizium hat es keinen negativen Effekt auf die Duktilität und damit auf die Verarbeitbarkeit. Nachteile einer Siliziumsubstitution durch Aluminium sind jedoch der hohe Preis sowie die hohe chemische Aktivität des Alumi‐ niums, die zu einer Anfälligkeit für Ausscheidungen und Wechselwirkungen mit weiteren Legierungs- und Begleitelementen führt. Forschungen zeigen ein Verlustminimum bei verschiedenen kumulierten Aluminium- und Sili‐ zium-Gehalten von 4,5 Gew.-%, 3,6 Gew.-% und 2,7 Gew.-% und weisen damit auf einen generell empfehlenswerten Gesamtlegierungsgehalt < 5 Gew.-% hin, der dann noch eine ausreichende Sättigungspolarisation aufweist. Die verwendeten Legierungsstrategien führen generell zu guten Ergebnissen, je‐ doch zeigen aktuelle Bemühungen aus anderen Werkstoffdesign-Bereichen, dass durch die Erforschung innovativer Legierungskonzepte mit Kupfer, Mangan oder Phosphor weitere Erfolge erzielt werden können. Im Hinblick auf Siliziumsubstitution sowie Mangan- und Aluminium-Zugaben sollen besonders vorteilhafte Kombinationen aus Festigkeit und elektromagneti‐ schen Eigenschaften möglich werden. Kristallografische Textur Generell wird Elektroband in zwei grundsätzlich verschiedenen Varian‐ ten hergestellt. Der Unterschied bezieht sich auf die sogenannte Textur. Man unterscheidet kornorientiertes Elektroband und nichtkornorientiertes Elektroband. Der Begriff kristallografische Textur bezeichnet formell die Gesamtheit aller Orientierungen innerhalb eines Polykristalls. Metallische Werkstoffe wie Eisen weisen in ihrer Kristallstruktur Symmetrien auf. Die Atome sind periodisch in einem Kristallgitter angeordnet. Die kleinste symmetrische Einheit nennt sich Elementarzelle. Im Falle von ferritischem Eisen handelt es sich um eine kubisch raumzentrierte Elementarzelle mit je einem Atom auf den Würfelecken und einem Atom in der Mitte der Elementarzelle. Diese Elementarzellenstruktur bildet translatorisch das 4.1 Grundlagen weichmagnetischer Werkstoffe für elektrische Maschinen 151 <?page no="158"?> Kristallgitter in einem gewissen Materialbereich. Wenn das ganze Material die gleiche Gitterausrichtung aufweist, handelt es sich theoretisch um einen Einkristall. Elementarzelle 3D-periodische Gitterstruktur Unterschiedlich orientierte Kristallite Polykristallines Blech Abb. 3: Schematische Darstellung des Zusammenhangs zwischen Elementarzelle und kristallografischer Textur von Elektroband Während der Herstellung kommt es jedoch zur Ausbildung einer Korn‐ struktur. Körner innerhalb des Elektrobandes sind Bereiche, die eine un‐ terschiedliche Orientierung der Gitterstruktur aufweisen. Die chemische Zusammensetzung und der Elementarzellentyp sind identisch und die Körner unterscheiden sich nur in ihrer Ausrichtung. Verdeutlicht wird der Zusammenhang zwischen der Ausrichtung der Elementarzelle und der Textur des polykristallinen Elektrobandes in Abbildung 3. 152 4 Elektroband für energietechnische Anwendungen: Motoren, Generatoren, Transformatoren <?page no="159"?> Beim kornorientierten Elektroblech sind die Körner nahezu identisch ausgerichtet. Benachbarte Körner unterscheiden sich nur um 3° bis 7° in ihrer Ausrichtung. Bei nichtkornorientiertem Elektroband sind die Ausrichtun‐ gen der Körner möglichst gleichverteilt, um eine hohe Isotropie zu erzeugen. Dargestellt sind die beiden Varianten in Abbildung 4. Kornorientiertes Elektroband GO (grain oriented) Nichtkornorientiertes Elektroband NO (non-grain oriented) Abb. 4: Unterscheidung zwischen korn- und nichtkornorientiertem Elektroband anhand der Textur Der kristallografischen Textur kommt eine große Bedeutung zu, da FeSi-Ein‐ kristalle unterschiedliches Magnetisierungs-verhalten in den verschiede‐ nen kristallografischen Richtungen aufweisen. Entlang der Würfelkanten ([100]-Richtungen) erfolgt die Magnetisierung am einfachsten, wohingegen die Magnetisierung entlang der Flächendiagonalen bereits erschwert ist ([110]-Richtungen). Die schwerste Magnetisierungsrichtung tritt jedoch entlang der Raumdiagonalen auf ([111]-Richtungen). Magnetisierungskur‐ ven entlang der kristallografischen Richtungen sind in Abbildung 5 darge‐ stellt. Die Ausrichtung der Elementarzellen in Bezug auf die Blechachsen beeinflusst dadurch das Magnetisierungsverhalten. 4.1 Grundlagen weichmagnetischer Werkstoffe für elektrische Maschinen 153 <?page no="160"?> 0 100 200 300 400 500 [100] leichte Magnetisierung [110] mittelschwere Magnetisierung [111] schwere Magnetisierung H in A/ m 2,2 2,0 1,8 1,6 1,4 1,2 1,0 J T n i Abb. 5: Magnetische Anisotropie der kubisch-raumzentrierten Elementarzelle von Eisen nach [1] Die kornorientierte Variante mit einer gezielten Ausrichtung einfacher Magnetisierungsachsen entlang der Walzrichtung wird in der Regel für Transformatoren genutzt. Die Magnetisierungseigenschaften sind anisotrop und entlang der Walzrichtung hervorragend. In den Transformatorschen‐ keln alterniert die Magnetisierung und die positiven Eigenschaften können hier ideal genutzt werden. In rotierenden Maschinen treten dahingegen 154 4 Elektroband für energietechnische Anwendungen: Motoren, Generatoren, Transformatoren <?page no="161"?> nicht nur rotierende Magnetisierungsverhältnisse auf, beispielsweise im Übergang vom Zahn zum Joch, sondern es handelt sich auch um runde Geometrien, die aus den Elektrobändern ausgestanzt werden. Das bedeutet, dass jede Lamelle nicht nur Zähne in Walzrichtung aufweisen, sondern in jeder Orientierung innerhalb der Blechebene. Daher sind hier möglichst isotrope Magnetisierungseigenschaften in der Blechebene erwünscht. Das sogenannte nichtkornorientierte Elektroband wird genutzt. Obwohl als nichtkornorientiertes Elektroband (NO) klassifiziert, zeigt auch NO gewisse Vorzugsorientierungen. Da bei NO das Verhalten in der gesamten Blech‐ ebene von Bedeutung ist und homogene magnetische Eigenschaften in allen Rotationswinkeln erwünscht sind, werden sogenannte kristallografi‐ sche Fasern betrachtet, die die Rotation kristallografischer Orientierungen berücksichtigen und somit Indikator für günstige oder schädliche Effekte der Textur sind. Eine hohe Intensität der Würfelfaser {001}<uvw> ist vor‐ teilhaft, da hier die maximale Menge einfacher Magnetisierungsachsen gleichmäßig in der Blechebene verteilt ist. Diese Faser wird auch θ-Faser genannt. Demgegenüber steht die unvorteilhafteste Ausrichtung der Kris‐ tallorientierungen, die sogenannte γ-Faser ({111}<uvw>). Bei dieser Textur finden sich lediglich Raumdiagonalen in der Blechebene. Genau diese Faser ist jedoch in gewalztem Stahlblech besonders ausgeprägt und häufig zu finden. Die Herstellung gezielter Textureigenschaften ist bei den typischen Elektrobandlegierungen äußerst schwierig und auf konventionellen Her‐ stellungsrouten kaum realisierbar. Die Texturoptimierung ist daher auch heute noch Gegenstand aktueller Forschungsvorhaben. Mikrostruktur Eine weitere Methode, um FeSi zu optimieren, besteht in der Mikrostruk‐ turoptimierung. Wie beschrieben, sind Körner Bereiche des Materials mit einer einheitlichen Ausrichtung der Elementarzelle. Wie groß die Bereiche sind, wird durch den Prozess beeinflusst. Die Korngröße hat einen direkten Einfluss auf die magnetischen Eigenschaften von FeSi-Elektroblech, da Korngrenzen Hindernisse für freie Domänenwandbewegungen und damit für eine ungehinderte Magnetisierung darstellen. 4.1 Grundlagen weichmagnetischer Werkstoffe für elektrische Maschinen 155 <?page no="162"?> -1.0 -0.5 0.0 0.5 1.0 -1000 0 1000 J in T H in A/ m -1.0 -0.5 0.0 0.5 1.0 -1000 0 1000 J in T H in A/ m 1000°C Glühung 0,25 mm Blechdicke 50 µm 800°C Glühung 0,25 mm Blechdicke 50 µm Abb. 6: Arbeiten der DFG-Forschergruppe FOR 1897 „Verlustarme Elektrobleche für ener‐ gieeffiziente Antriebe“: Elektrobänder mit unterschiedlicher Schlussglühung und resultie‐ rende Korngrößen Folglich verschlechtert ein feinkörniges Gefüge die Magnetisierbarkeit insbesondere im Bereich kleiner und mittlerer Polarisationen, da in diesem Bereich der Magnetisierungsvorgang maßgeblich durch Domänenwand‐ bewegungen erfolgt. Auch die Verluste werden erhöht. Hierbei muss je‐ doch der Einfluss der verschiedenen Verlustbeiträge (Hystereseverluste, klassische Wirbelstromverluste, Excess-Verluste) zu den Gesamtverlusten berücksichtigt werden. Die Hystereseverluste sinken generell mit steigender Korngröße, bleiben jedoch oberhalb einer gewissen Korngröße konstant. Wirbelstromverluste sind allgemein unabhängig von der Korngröße. Der Excess-Verlustanteil hingegen steigt mit wachsender Korngröße aufgrund entstehender lokaler Wirbelströme im Bereich der Domänenwände. Diese sollen jedoch nicht mit den globalen Wirbelstromverlusten verwechselt werden. Die dargelegten Zusammenhänge zeigen eine stark nichtlineare 156 4 Elektroband für energietechnische Anwendungen: Motoren, Generatoren, Transformatoren <?page no="163"?> Frequenzabhängigkeit des Effekts der Korngröße und somit der elektroma‐ gnetischen Eigenschaften. Der komplexe Zusammenhang der Korngröße, der Magnetisierung und der Verluste sowie die ausgeprägte Abhängigkeit vom Betriebspunkt zeigen die Notwendigkeit einer vertieften Betrachtung der Mikrostruktur, also auch Schwankungen der Korngröße und die Berück‐ sichtigung realer Arbeitsbereiche. In Abbildung 6 sind zwei reale Gefüge eines 0,25 mm Elektrobandes dargestellt, welche sich lediglich durch die Korngröße unterscheiden. Elektrobanddesign entlang der Prozesskette Die Herstellung von Elektroband folgt, grob betrachtet, den konventionellen Verfahrensschritten der Blechherstellung: Stahl-, Warmband- und Kaltband‐ erzeugung; Wärmebehandlung, Bandbeschichtung und Adjustage. Aus dem so hergestellten Band werden anschließend Blechlamellen herausgetrennt, die paketiert und fixiert und letztlich zu den gewünschten Magnetkernen zusammengefügt werden. Aufgrund der hohen Anforderungen, die an die Herstellung von Elektroband gerichtet sind, wird es auf modernsten metallurgischen Prozessrouten hergestellt. • Stahlerzeugung und Sekundärmetallurgie: Im Stahlwerk durchläuft das Roheisen in der Sekundärmetallurgie unter anderem Prozesse zur Entschwefelung und eine Vakuum-Behandlung zur Tiefstentkohlung. Wie bereits zuvor erklärt, wird angestrebt, den Reinheitsgrad auf ein höchstmögliches Niveau zu bringen. • Formgebung und Warmwalzen: Anschließend wird die Schmelze an der Stranggießanlage vergossen. Neben den typischen Dünnbrammen (50 mm) oder dem Gießen von Strängen (215 mm) mit anschließendem Warmwalzprozess zeigt sich als Weiterentwicklung das endmaßnahe Bandgießen (2 mm - 3 mm) als verfahrenstechnisch besonders geeignet. Anschließend wird das Band gebeizt und besäumt. • Kaltwalzen: In mehreren Kaltwalzdurchgängen wird das gebeizte Warmband auf die gewünschte Enddicke gebracht. Diese Enddicke liegt in der Regel zwischen 0,1 mm und 0,5 mm. Besonders für hochsilizierte Sorten hat sich das reversierende Walzverfahren und durchgesetzt, da durch den höheren Siliziumanteil die Verformungseigenschaften verschlechtert werden und die Umformkräfte dementsprechend hoch sind. 4.1 Grundlagen weichmagnetischer Werkstoffe für elektrische Maschinen 157 <?page no="164"?> • Wärmebehandlung: Nach dem Kaltwalzen erfolgt eine Wärmebehand‐ lung unter Schutzgasatmosphäre. Hierbei unterscheidet man zwischen zwei verschiedenen Glühbehandlungen, die auf die beiden unterschied‐ lichen Lieferformen, in der das Elektroband an den Kunden geliefert werden kann, zurückzuführen sind. Die eine Variante ist die Schluss‐ glühung im Durchlaufofen. Hierbei werden die magnetischen Eigen‐ schaften durch Rekristallisierung des Walzgefüges, Grobkornbildung und eine weitere Verminderung des Kohlenstoffes optimiert. Dieses Elektroband wird als „schlussgeglühtes nichtkornorientiertes Elektro‐ band“ an den Kunden geliefert. Die zweite Variante bezeichnet man als „nichtschlussgeglühtes nichtkornorientiertes Elektroband“. Hier findet im Hauben- oder Durchlaufofen lediglich eine Rekristallisationsglühung statt. Die magnetische Schlussglühung erfolgt erst beim Kunden. Um eine ausreichende Anzahl an Keimen für das gezielte Kornwachstum bei der Schlussglühung bereitzustellen, wird im Walzwerk anschließend noch ein geringer Umformgrad eingebracht. • Isolierung/ Lackierung: Letzter optionaler Schritt vor dem Längs- und Querteilen der Bänder in den Adjustageanlagen ist das Lackisolieren der Oberfläche der Bänder. Durch das elektrische Isolieren der einzelnen Lamellen werden die Wirbelstromverluste weiter verringert. Darüber hinaus wird die Stanzbarkeit erhöht und die Lamellen sind vor Korrosion geschützt. Lacke gibt es auf organischer und anorganischer Basis und mit verschiedenen Zusammensetzungen und Eigenschaften. • Verarbeitung: Beim Kunden erfolgen die letzten Verarbeitungsschritte zur Magnetkernherstellung. Durch Stanzen oder Schneiden und an‐ schließendes Fügen werden die Magnetkerne gefertigt. Hierbei gibt es verschiedenste Möglichkeiten zur Fixierung der einzelnen Blechlamel‐ len, z. B. Schweißen oder Nieten. Beim Kunden können auch verschie‐ dene abschließende Glühbehandlungen durchgeführt werden. Entweder wird nach dem Heraustrennen der Lamellen eine Spannungsarmglü‐ hung der Stanzteile oder eine ganzheitliche Magnetkern-Spannungs‐ armglühung durchgeführt. Äquivalent gilt für das nichtschlussgeglühte NO, dass entweder eine Schlussglühung der Stanzteile oder des gesam‐ ten Magnetkerns erfolgt. 158 4 Elektroband für energietechnische Anwendungen: Motoren, Generatoren, Transformatoren <?page no="165"?> Kristallogr. Textur Blechdicke Mikrostruktur Legierung Warmwalzen Sekundärmetallurgie und Stranggießen Kaltwalzen Glühen l hd Abb. 7: Schematische Darstellung der Elektrobandherstellung und relevante Materialpa‐ rameter Um die geforderten magnetischen Eigenschaften gezielt einstellen zu kön‐ nen, müssen bei den herstellenden Prozessschritten wie Warmwalzen, Band‐ gießen und den Wärmebehandlungen alle Parameter genau abgestimmt sein. In diesen Schritten sind insbesondere die Atmosphäre, die Tempera‐ tur, die Abkühl- und Aufheizgeschwindigkeiten, die Dickenreduktion pro Walzstich, die Endwalztemperatur sowie generell die Verfahrensgeschwin‐ digkeiten und zum Teil die auftretenden Kräfte zu beachten. In den verarbei‐ tenden Prozessen besteht die Gefahr, die gezielt eingestellten magnetischen Eigenschaften infolge der mechanischen Bearbeitung zu verschlechtern. Insbesondere das Heraustrennen der Lamellen durch Schneiden oder Stan‐ zen sowie das Paketieren sind hier kritische Verfahrensschritte. 4.1 Grundlagen weichmagnetischer Werkstoffe für elektrische Maschinen 159 <?page no="166"?> 4.1.2 Magnetische Eigenschaften Für die Anwendung von Elektroblech als Magnetkernmaterial in elektri‐ schen Maschinen sind vordergründig die magnetischen Eigenschaften ent‐ scheidend. Aber auch die mechanisch-technologischen Eigenschaften sind für die Anwendung insbesondere in rotierenden elektrischen Maschinen von Bedeutung. Die zentralen Eigenschaften sollen im Folgenden kurz vorgestellt werden. Domänentheorie Der Ferromagnetismus ist die technologisch bedeutendste Form von Ma‐ gnetismus in Festkörpern. Eine Abgrenzung des Ferromagnetismus zu Dia- und Paramagnetismus verdeutlicht dessen Charakteristika. Diamagnetis‐ mus tritt zwar in allen Stoffen auf, jedoch kann die auftretende Wirkung bei gleichzeitigem Bestehen einer weiteren Hauptform in demselben Stoff überlagert werden. Bei Diamagneten werden durch ein äußeres Magnetfeld im Inneren magnetische Momente induziert. Diese schwächen jedoch das äußere Magnetfeld. Für Festkörper hat der Diamagnetismus keine große Bedeutung. Paramagnetische Stoffe weisen magnetische Momente im In‐ neren auf, die regellos verteilt sind, sodass die Magnetisierung im Mittel null ist. Durch ein äußeres Magnetfeld werden die inneren Momente ausge‐ richtet. Die ausgerichteten Momente verstärken die Wirkung des äußeren Magnetfeldes bis zur Sättigung proportional. Im Gegensatz zu dia- und para‐ magnetischen Stoffen tritt bei ferromagnetischen Stoffen und Verbindungen ein spontanes magnetisches Moment ohne die Anwesenheit eines äußeren Magnetfeldes auf. Durch ein äußeres Magnetfeld werden die Momente jedoch weiter ausgerichtet und diese verstärken das äußere Magnetfeld überproportional. Die technisch eingesetzten ferromagnetischen Werkstoffe sind alle Legierungen und Oxide der ferromagnetischen Übergangsmetalle Eisen, Kobalt und Nickel. Nur einige Beispiele für Legierungen sind FeSi, FeCo, FeAlNiCo. Auch einige Metall-Oxide von eigentlich nicht ferromagne‐ tischen Elementen zeigen ferromagnetisches Verhalten. Ein Beispiel hierfür ist CrO2. Im Falle von Dauermagneten werden oftmals Eisen-, Kobalt- und Nickellegierungen in Verbindungen mit Seltenerdmetallen, wie Nd 2 Fe14B, SmCo5 eingesetzt. Zum besseren Verständnis der beim Ferromagnetismus auftretenden physikalischen Vorgänge ist es hilfreich, im Material die kleinsten Bereiche gleicher Magnetisierung zu betrachten. 160 4 Elektroband für energietechnische Anwendungen: Motoren, Generatoren, Transformatoren <?page no="167"?> Die sogenannten Domänen sind Bereiche im Werkstoff mit einheitli‐ cher Ausrichtung der magnetischen Momente (in der Größenordnung von circa 1 μm bis 100 μm). Die magnetischen Domänenstruktur ist nicht zu verwechseln mit der Kornstruktur. Domänen werden durch die parallele Ausrichtung der magnetischen Momente gebildet und können infolge des Magnetisierungsvorgangs ihre Orientierung ändern. Damit ändert sich die Domänenstruktur. Die Kristallorientierung, welche durch die Gitterstruktur der Atomanordnung in einem rekristallisierten Metall festgelegt ist, ist die Kornstruktur unabhängig vom Magnetisierungszustand. Aneinandergren‐ zende Domänen können unterschiedlich ausgerichtet sein. Die Grenzflä‐ chen zwischen zwei Domänen bezeichnet man als Domänenwände. Im Extremfall können alle Domänen eines ferromagnetischen Werkstoffes so ausgerichtet sein, dass die Gesamtmagnetisierung gleich null ist, da sich die unterschiedlichen Ausrichtungen aller Domänen gegenseitig kompensieren. Domänen- und Korngrößen sind innerhalb eines Werkstoffes in der Regel nicht identisch. In Abbildung 8 (unten) ist eine mögliche Domänenstruktur dargestellt. Das Anlegen eines äußeren Magnetfeldes an einen ferromagnetischen Werkstoff nimmt zum einen Einfluss auf die Ausrichtung der einzelnen Domänen und zum anderen Einfluss auf deren Größe und Form. Die Domänenstruktur eines weichmagnetischen Materials ergibt sich aus einem Energiegleichgewicht der mikromagnetischen Energiebeiträge. Die sogenannte Austauschenergie beschreibt, vereinfacht ausgedrückt, die Beziehung zwischen den magnetischen Momenten. Die Austauschenergie wird minimiert, wenn benachbarte magnetische Momente parallel ausge‐ richtet sind. Folglich trägt sie dazu bei, dass große Domänen entstehen, da dies Bereiche mit paralleler Ausrichtung der magnetischen Momente sind, wie in Skizze 1 aus Abbildung 8 verdeutlicht wird. Die sogenannte Anisotropieenergie ist auf die kristalline Anisotropie der Elementarzelle zurückzuführen. Sie sorgt dafür, dass sich magnetische Momente bevorzugt entlang einfacher Magnetisierungsachsen, im Falle von Elektroblech an den Würfelkanten (100-Richtungen), ausrichten. Innerhalb eines Korns kommt es daher oft auch zu antiparalleler Ausrichtung der Domänen, wie im mittleren Bild von Abbildung 8 zu sehen ist. 4.1 Grundlagen weichmagnetischer Werkstoffe für elektrische Maschinen 161 <?page no="168"?> Abb. 8: Schematische Darstellung der Ausbildung der Domänenstruktur von Elektroband Die Domänenwand zwischen zwei solcher benachbarten Domänen hat eine gewisse Dicke. Wie viele Momente die Domänenwand umfasst, hängt von der Konkurrenz der Austauschenergie und der Anisotropieenergie ab. Die Anisotropieenergie bestrebt, dass der Wechsel der Momentorientierung abrupt stattfindet. Die resultierende Domänenwand wäre kleiner als ein magnetisches Moment. Die Austauschenergie hingegen setzt sich diesem abrupten Wechsel entgegen, da benachbarte Momente möglichst nur einen geringen Orientierungsversatz aufweisen und möglichst parallel angeord‐ net sein sollen. Die resultierende Domänenwanddicke, das heißt, wie viele unterschiedlich ausgerichtete Momente die Wand umfasst, resultiert aus einem Energieminimum der Austausch- und Anisotropieenergiebeiträge. 162 4 Elektroband für energietechnische Anwendungen: Motoren, Generatoren, Transformatoren <?page no="169"?> Eine weitere mikromagnetische Energie ist die magnetostatische Energie. Diese strebt danach, das äußere Magnetfeld zu minimieren. Ein Beispiel ist in Abbildung 8 (oben) der Übergang vom zweiten auf das dritte skiz‐ zierte Bild. Es bilden sich zusätzliche Domänen, die den magnetischen Fluss innerhalb des Materials schließen, um das äußere Magnetfeld zu minimieren. Darüber hinaus gibt es die sogenannte magnetoelastische Energie, welche die Wechselwirkung der magnetischen Eigenschaften mit mechanischen Spannungen beschreibt. Die resultierende Domänenstruktur eines weichmagnetischen Materials wie Elektroband ergibt sich aus dem Energiegleichgewicht der mikromagnetischen Energiebeiträge, wenn kein äußeres Magnetfeld anliegt. Magnetisierungsprozess Mit Hilfe der Domänentheorie kann jedoch auch der Magnetisierungspro‐ zess verhältnismäßig einfach beschrieben werden, also der Fall, dass an das Material ein äußeres Magnetfeld angelegt wird. Wird an ein unmagne‐ tisiertes Elektroband ein magnetisches Feld H angelegt, verschieben sich die Domänenwände so, dass die günstig zur Feldrichtung liegenden Domänen auf Kosten der ungünstig orientierten Domänen wachsen. Dies bewirkt ei‐ nen Anstieg der Magnetisierung. Verdeutlichen kann man die auftretenden Vorgänge anhand der Neukurve, wie sie in Abbildung 9 dargestellt ist. H max in A/ m J max in T Magnetisches Feld H in A/ m 3. Domänenrotation 2. Irreversible Domänenwandbewegung 1. Reversible Domänenwandbewegung Abb. 9: Darstellung des Magnetisierungsprozesses von Elektroband anhand der Domänen‐ theorie 4.1 Grundlagen weichmagnetischer Werkstoffe für elektrische Maschinen 163 <?page no="170"?> Wird an einen demagnetisierten ferromagnetischen Werkstoff ein magneti‐ sches Feld der Feldstärke H angelegt und dieses kontinuierlich erhöht, folgt die magnetische Flussdichte B in diesem Werkstoff dem abgebildeten Verlauf der Neukurve. In Bereich 1 kommt es zum einen zu Drehprozessen der Mag‐ netmomente innerhalb der verschiedenen Domänen und zum anderen fin‐ den reversible Verschiebungen der Domänenwände statt. Durch Gitterfehler wird die freie Domänenwandbewegung behindert und die Domänenwände werden „gepinned“. Korngrenzen, Ausscheidungen, Versetzungen oder Ein‐ schlüsse stellen solche Gittereffekte dar. Wird das äußere magnetische Feld innerhalb dieses Bereiches abgeschaltet, so kehren die Domänenwände in ihre Ausgangsposition zurück und der Magnetisierungsprozess ist in diesem Bereich reversibel. Bei einer weiteren Erhöhung der Feldstärke kommt es jedoch zu irreversiblen Verschiebungen der Domänenwände über die Pinningstellen hinweg, es kommt zu sogenannten Barkhausensprüngen der Domänenwände. Die Verschiebung braucht umso mehr „Kraft“, das bedeutet eine höhere Feldstärke, je mehr Gitterfehler vorhanden sind. Die „günstig“ orientierten Domänen, welche auf Kosten der ungünstig orientierten Domänen gewachsen sind, machen nun den gesamten Werk‐ stoff aus. Sie sind jedoch nicht in Richtung des äußeren Magnetfeldes ausgerichtet, sondern entlang der einfachen Magnetisierungsachsen. Im dritten Bereich der Neukurve findet bei weiterer Erhöhung der Feldstärke eine Domänenrotation statt, um die magnetischen Momente in Richtung des äußeren Magnetfeldes zu drehen. Die Verteilung der einfachen Achsen ist von der Textur abhängig, sodass dieser Bereich der Magnetisierung unter anderem von der Textur beeinflusst wird. Sind im gesamten Werkstoff alle magnetischen Momente gleich ausgerichtet, befindet sich der Werkstoff in Sättigung und eine weitere Erhöhung der Feldstärke H führt zu keiner weiteren Erhöhung der inneren magnetischen Polarisation J. Der Zusammenhang von magnetischem Feld H, magnetischer Flussdichte B und magnetischer Polarisation J lässt sich einfach beschreiben: B = μ 0 • H wobei μ 0 die magnetische Feldkonstante der Größe 4π • 10 −7 Vs/ (Am) ist. Im Vakuum ergibt sich also ein linearer Zusammenhang zwischen der magnetischen Feldstärke H in A/ m und der magnetischen Flussdichte B in 164 4 Elektroband für energietechnische Anwendungen: Motoren, Generatoren, Transformatoren <?page no="171"?> T. Ein weichmagnetisches Material, welches in ein Magnetfeld eingebracht wird, verstärkt durch Ausrichtung der Domänen den magnetischen Fluss: B = μ • H , wobei die materialabhängige magnetische Permeabilität µ keine Konstante ist. Sie ist stark nichtlinear, weshalb auch das magnetische Verhalten stark nichtlinear ist. Die Permeabilität kennzeichnet die Beziehung zwischen angelegtem Feld und resultierendem Magnetisierungsverhalten, wie es mit Hilfe von Magnetisierungskurven dargestellt werden kann. Üblicherweise wird zur Beschreibung der Werkstoffeigenschaften die relative Permeabi‐ lität μ r des Stoffes gewählt. Sie gibt das Verhältnis der Permeabilität im Vakuum mit der stoffeigenen Permeabilität μ an: μ r = μ μ 0 Die magnetische Flussdichte innerhalb des weichmagnetischen Materials kann auch als Summe des Einflusses des äußeren magnetischen Feldes und der Magnetisierung M in A/ m des Werkstoffes beschrieben werden: B = μ 0 • M + H Die Summe aus innerer Magnetisierung und äußerem Magnetfeld ergibt mit der magnetischen Feldkonstante die magnetische Flussdichte. Anstelle der Magnetisierung wird zur Charakterisierung der magnetischen Eigen‐ schaften häufiger die magnetische Polarisation J in T herangezogen. Diese beschreibt ebenfalls ausschließlich das Materialverhalten, jedoch nicht in der Einheit der magnetischen Feldstärke, wie es die Magnetisierung M tut, sondern in derselben Einheit wie die magnetische Flussdichte, das heißt in T, da sie den Beitrag der Magnetisierung mit Berücksichtigung der magnetischen Feldkonstante ausdrückt: J = μ 0 • M Daraus ergibt sich die Beziehung zwischen magnetischer Feldstärke, ma‐ gnetischer Flussdichte und magnetischer Polarisation wie folgt: 4.1 Grundlagen weichmagnetischer Werkstoffe für elektrische Maschinen 165 <?page no="172"?> B = μ 0 • H + J Im Falle von Elektroblech sind B und J in einer vergleichbaren Größenord‐ nung, da der Beitrag von μ 0 • H bei den angelegten Feldstärken nur einen kleinen Effekt aufweist. Bei Hartmagneten, welche hohe Feldstärken im kA/ m- Bereich benötigen, ergibt sich jedoch ein deutlicher Unterschied zwischen diesen Größen. Das formelmäßige und anhand der Domänentheorie beschriebene Mag‐ netisierungsverhalten kennzeichnet sich durch seine starke Nichtlinearität, welche charakteristisch für ferromagnetisches Material ist. Eine weitere Besonderheit dieser Materialgruppe ist die magnetische Hysterese. Magnetische Hysterese Neben dem nichtlinearen Magnetisierungsverhalten des Werkstoffes beim erstmaligen Anlegen eines magnetischen Feldes kommt es zu einer weiteren Besonderheit, die auch auf die Struktur der ferromagnetischen Materialien zurückzuführen ist. In einem zeitlich veränderlichen Wechselfeld durchläuft die Magnetisierung eine geschlossene Hysteresekurve. Anhand einer bei‐ spielhaften Hysteresekurve, wie in Abbildung 10 dargestellt, können einige wichtige Kennwerte für ferromagnetische Werkstoffe abgelesen und das magnetische Verhalten erklärt werden. -1.0 -0.5 0.0 0.5 1.0 -200 -100 0 100 200 J in T H in A/ m J r -J r -H c H c H max Neukurve Hysteresekurve Abb. 10: Beispielhafte Darstellung einer magnetischen Hysteresekurven mit Darstellung der charakteristischen Kennwerte 166 4 Elektroband für energietechnische Anwendungen: Motoren, Generatoren, Transformatoren <?page no="173"?> Befindet man sich nach dem erstmaligen Anlegen des magnetischen Feldes, in dem die Flussdichte der Neukurve gefolgt ist, im Bereich der Sättigung Bs und vermindert die magnetische Feldstärke H, so fällt die Magnetisierung nicht entsprechend der Neukurve ab, sondern es bleibt eine Restmagnetisierung des Materials bestehen, auch wenn die Feldstärke H den Wert null erreicht. Der entsprechende Wert wird Remanenz Br genannt. In der Hystereseschleife ist dies der Schnittpunkt der Kurve mit der Ordinatenachse (H = 0). Wird nun ein magnetisches Feld entgegengesetzter Richtung und gleicher Größe angelegt, sinkt die magnetische Flussdichte weiter ab und nähert sich der Abszissenachse. Schließlich wird die Abszissenachse geschnitten. Der Punkt, an dem die Hysteresekurve die Abszissenachse schneidet, ist ein weiterer relevanter Kennwert. An diesem Punkt ist die magnetische Polarisation null. Das Material ist also wieder entmagnetisiert. Die dafür benötigte Feldstärke wird Koerzitivfeldstärke genannt und hat die Abkürzung H c (Schnitt‐ punkt mit der Abszissenachse). Wird die Feldstärke in gegensätzlicher Richtung weiter erhöht sinkt die Kurve weiter, bis eine Sättigung B s gleichen Betrags in negativer Richtung eintritt. Wird nun die Feldstärke wieder auf ihren anfänglich positiven Wert erhöht, so zeigt sich ein punktsymmetrischer Verlauf bis zur Sättigung Bs. Somit entsteht eine geschlossene Hysteresefläche. Die Kennwerte der Sättigungsflussdichte B s , der Remanenz B r und der Koerzitivfeldstärke H c können anhand der Hysterese leicht abgelesen, beziehungsweise gemessen werden. Wie zuvor beschrieben, können durch den formelmäßigen Zusammenhang zwischen magnetischer Flussdichte B und magnetischer Polarisation J die wichtigen Kennwerte auch durch die Sättigungspolarisation und Remanenzpolarisation ausgedrückt werden. Ummagnetisierungsverluste Eine weitere, wenn nicht sogar die wichtigste Kenngröße für Elektroband kann, wenn auch nur indirekt, ebenfalls anhand der Hysteresekurve ermittelt werden: die Ummagnetisierungsverluste. Weichmagnetisches Material soll leicht durch ein äußeres Magnetfeld magnetisierbar und ent‐ magnetisierbar, beziehungsweise ummagnetisierbar sein. Im Gegensatz dazu müssen bei hartmagnetischen Werkstoffen stärkere Magnetfelder angelegt werden, um die magnetische Polarisation zu ändern. Die Um‐ magnetisierungsverluste sind proportional zur Fläche, welche die Hys‐ 4.1 Grundlagen weichmagnetischer Werkstoffe für elektrische Maschinen 167 <?page no="174"?> teresekurve aufspannt, da sie ein Maß für die zur Ummagnetisierung aufzubringende Energie darstellt. Die Koerzitivfeldstärke H c gibt an, wie stark das von außen angelegte Feld sein muss, um die magnetische Pola‐ risation des Werkstoffes auf den Wert null zu bringen. Die aufzubringende Feldstärke, um einen gewissen Zielwert der Polarisation zu erzielen, ist H max . Beide Größen sollten möglichst klein sein, um die Hysteresefläche und damit auch die Verluste zu minimieren. Die Fläche der Hysteresekurve entspricht dem Energiebedarf W, der zur Ummagnetisierung aufgebracht werden muss: W = ∮H dB Um den spezifischen Ummagnetisierungsverlust p s in W/ kg (entscheidend für die Klassifizierung) daraus abzuleiten, muss das Integral mit der Ummag‐ netisierungsfrequenz f multipliziert und durch die Dichte ρ m des verwende‐ ten Materials dividiert werden. Es ergibt sich: p s = f ρ m ∮H dB Ohne die Berücksichtigung der Dichte können auch die volumetrischen Verluste P s in W/ m³ berücksichtigt werden. Die Verluste hängen stark von der magnetischen Polarisation und der Ummagnetisierungsfrequenz ab, wie in Abbildung 11 dargestellt ist. Üblicherweise werden die Verluste daher in Abhängigkeit dieser beiden Anregungsparameter be‐ schrieben. 168 4 Elektroband für energietechnische Anwendungen: Motoren, Generatoren, Transformatoren <?page no="175"?> 0 50 100 150 200 250 300 350 400 0.0 0.5 1.0 1.5 Ummagnetisierungsverluste p s in W/ kg Magnetische Polarisation J max in T 1000 Hz 750 Hz 400 Hz 200 Hz 100 Hz 50 Hz 10 Hz 0 50 100 150 200 250 300 350 400 0 200 400 600 800 1000 Ummagnetisierungsverluste p s in W/ kg Frequenz f in Hz 1.5 T 1.2 T 1.0 T 0.8 T 0.6 T 0.4 T 0.2 T 0.1 T Abb. 11: Einfluss der magnetischen Polarisation und Ummagnetisierungsfrequenz auf die Verluste von Elektroblech 4.1 Grundlagen weichmagnetischer Werkstoffe für elektrische Maschinen 169 <?page no="176"?> Es gibt verschiedene Ansätze, um die Verluste in Elektroband zu beschrei‐ ben. Um eine physikalische Interpretation des Verhaltens zu ermöglichen, wird in der Regel auf die Verlustaufteilung in drei verschiedene Beiträge zurückgegriffen. Demnach lassen sich die Verluste in die sogenannten Hystereseverluste p hyst , klassischen Wirbelstromverluste p cl und Excess-Verluste p exc aufteilen: Die Hystereseverluste sind statische Verluste. Die Energie, die für einen Durchlauf der Hysteresescheife aufgewendet werden muss, ist unabhängig von der Frequenz. Die benötigte Energie resultiert aus dem Beitrag der Barkhausensprünge, also wie viel Energie benötigt wird, um die Domänen‐ wände zu verschieben und die Ummagnetisierung zu ermöglichen. Diese Verlustkomponente steigt linear mit der Frequenz, also mit der Anzahl der Hysteresedurchläufe und der dafür benötigten Energie. Die Hystereseverluste sind stark von der Korngröße abhängig und neh‐ men bei kleinen Korngrößen überproportional stark zu, da Korngrenzen Pin‐ ningstellen für die freie Domänenwandbewegung darstellen. Zunehmende Unreinheit des Elektrobandes durch Ausscheidungen oder Einschlüsse, Ver‐ setzungen oder innere Spannungen verschlechtern die Hystereseverluste ebenfalls. Die bei der Ummagnetisierung entstehenden globalen Wirbelströme im Elektroblech wurden bereits im Rahmen des Elektrobanddesigns themati‐ siert. Durch die Lamellierung des Elektroblechs in elektrischen Maschinen werden lange Wirbelstrompfade unterbunden und dadurch die Wirbel‐ stromverluste deutlich reduziert. Dabei wird der Kern aus einzelnen Blechen gestapelt und jede Schicht gegen die benachbarten Schichten elektrisch isoliert. Die klassischen Wirbelstromverluste p cl in einem Elektroblech der Dicke d Blech können näherungsweise durch die bereits zuvor gezeigte Formel beschrieben werden: 170 4 Elektroband für energietechnische Anwendungen: Motoren, Generatoren, Transformatoren <?page no="177"?> p cl = π d Blech Bf 2 ρ m ρ el Die Verluste sind abhängig von der Frequenz f und der magnetischen Flussdichte B. Die Wirbelstromverluste steigen quadratisch mit diesen bei‐ den Anregungsparametern an, sodass diese Verlustkomponente bei hohen Frequenzen dominant wird. Durch Variation der Elektrobandparameter, der Dichte des Werkstoffes ρ m , dem spezifischen elektrischen Widerstand ρ el und allem voran der Blechdicke d Blech kann diese Verlustkomponente gezielt verringert werden. Übliche Blechdicken liegen zwischen 0,20 mm bis 0,5 mm. Die Isolationsschicht nimmt meist zwischen 1 und 4 μm in Anspruch. Die sogenannten Excess-Verluste oder auch Zusatzverluste beschrei‐ ben den Anteil, der in älteren Verlustseparationsansätzen nicht durch die Hysterese- und klassischen Wirbelstromverluste abgedeckt werden konnte. Unter der Annahme, dass die Hystereseverluste linear frequenz‐ abhängig sind und die Wirbelstromverluste quadratisch von der Frequenz abhängen, kann man eine Aussage über die Größe der Excess-Verluste treffen. Die Excess-Verluste stellen die Abweichungen der gemessenen Verluste von den theoretisch errechneten Verlusten dar. In der Literatur wird oft ein Wert der Frequenzabhängigkeit der Excess-Verluste von f 1, 5 genannt. Die physikalische Interpretation der Excess-Verluste erklärt diese mit lokalen Wirbelstromverlusten im Bereich der Domänenwände. Die sich während des Ummagnetisierungsvorgangs schnell bewegenden Domänenwände induzieren beim Springen durch ein hohes dB/ dt lokale Wirbelströme im Bereich der Domänenwände. Die freie Springweite ist umso größer, je größer die Korngröße ist. Demnach führen kleine Korn‐ größen generell zu geringeren Excess-Verlusten. Eine mögliche Formel zur Beschreibung der Excess-Verluste ist folgende Gleichung p exc = c 1 d K G ρ d Blecℎ B 1, 5 f 1, 5 Hierbei ist c 1 eine experimentell zu ermittelnde Konstante und d KG die Korngröße. In der Literatur gibt es jedoch auch andere Beschreibungs‐ ansätze für die Excess-Verluste. Generell sind die Verlustseparation und Modellierung derzeit Gegenstand zahlreicher Forschungsvorhaben. Neben 4.1 Grundlagen weichmagnetischer Werkstoffe für elektrische Maschinen 171 <?page no="178"?> der dargestellten Separation von Bertotti stehen Hysteresemodelle oder neuartige Domänentheorie-basierte Ansätze zur Analyse und Modellierung der Verluste zur Verfügung. Relevanz der Verlustseparation Die Relevanz der Verlustseparation und der genaueren Betrachtung der Materialeigenschaften von Elektroband wird deutlich, wenn man sich die Normklassifizierung und allgemeine Materialauswahl genauer anschaut. Die Klassifizierung von Elektroband orientiert sich an der DIN EN 10106 und kann (beispielhaft) folgende Bezeichnung annehmen: M270-35A. Der Buchstabe M kennzeichnet, dass es sich um Elektroblech handelt. Die erste Zahl gibt die höchstzulässigen Ummagnetisierungsverluste in W/ kg multipliziert mit 100 an, nach Norm festgelegt bei einer Frequenz von 50 Hz und einer Aussteuerung von 1,5 T. Die Zahl hinter dem Bindestrich entspricht dem Wert des hundertfachen der Nenndicke in mm. Der Buchstabe A kennzeichnet die nichtkornorientierte Variante von Elektroblech. Es gibt andere Normen, bei denen der Wert von 400 Hz und 1,0 T als Orientierungspunkt gilt. Dünnere Elektrobänder werden oft in der Form NO10, NO20 oder NO23 dargestellt, welche sich primär auf die Dicke bezieht. Da das magnetische Verhalten jedoch stark nichtlinear ist und diese Nichtlinearität von den Werkstoffparametern wie Blechdicke, Korngröße, Legierung und Textur abhängt, können gleich klassifizierte Elektrobänder deutlich unterschiedliches Verhalten abseits der Klassifizierung an den Normpunkten aufweisen. Daher ist es zwin‐ gend notwendig, für eine Anwendung in elektrischen Maschinen die tatsächlichen Betriebspunkte zu berücksichtigen. Im Folgenden wird ein Beispiel aus der DFG-Forschergruppe FOR 1897 „Verlustarme Elektrobleche für energieeffiziente Antriebe“ gezeigt. Die Diagramme in Abbildung 12 zeigen die Ummagnetisierungsverluste bei 1,5 T und die Aufteilung der Verluste in Hysterese-, klassische Wirbelstrom- und Excess-Verluste. 172 4 Elektroband für energietechnische Anwendungen: Motoren, Generatoren, Transformatoren <?page no="179"?> 0 1 2 3 4 5 6 Ummagnetisierungsverluste p s in W/ kg 1,5 T, 50 Hz 0 50 100 150 200 250 300 Ummagnetisierungsverluste p s in W/ kg 1,5 T, 1000 Hz p hyst p cl p exc Abb. 12: Beispielhafte Verlustkomponentenverteilung für drei Materialien mit unterschied‐ lichen Korngrößen Die drei Elektrobleche wurde experimentell aus der gleichen Legierung her‐ gestellt und alle auf eine Enddicke von 0,25 mm gewalzt. Die Elektrobänder unterscheiden sich nur in ihrer Korngröße, welche durch unterschiedliche Glühtemperaturen während der Schlussglühung herbeigeführt wurden. Im linken Teilbild sind die Ergebnisse für 50 Hz dargestellt. Es handelt sich also um den Normpunkt 50 Hz und 1,5 T. Demnach würde das erste Material mit einer Korngröße von 36 µm deut‐ lich schlechter klassifiziert als die beiden anderen. Des Weiteren sieht man, dass bei dieser Frequenz die Hystereseverluste dominant sind wohingegen die klassischen Wirbelstromverluste aufgrund der geringen Blechdicke und der geringen Anregungsfrequenz verschwindend gering sind. Des Weiteren kann man den gegensätzlichen Einfluss der Korngröße auf die Hysterese- und Excess-Verluste erkennen. Bei einer kleinen Korngröße, hier bei dem Material mit 36 µm Körnern, sind die Hystereseverluste sehr groß, wohin‐ gegen die Excess-Verluste sehr klein sind. Demgegenüber steht das Material mit der größten Korngröße von 163 µm, welches geringe Hystereseverluste, aber höhere Excess-Verluste als die anderen beiden Werkstoffe aufweist. Denkt man an Traktionsantriebe, treten deutlich höhere Frequenzen als 50 Hz auf. Betrachtet man die Verluste derselben Materialien bei 1000 Hz, stellt sich ein ganz anderes Bild dar. Das Material mit der mittleren Korngröße weist nun die höchsten Verluste auf, wohingegen das Material mit der kleinen sowie auch das mit der großen Korngröße nahezu identische 4.1 Grundlagen weichmagnetischer Werkstoffe für elektrische Maschinen 173 <?page no="180"?> Verluste aufweist. Die Hystereseverluste nehmen einen deutlich geringeren Anteil an den Gesamtverlusten an. Die Excess-Verluste vergrößern ihren Einfluss. Die Wirbelstromverluste sind für die drei Materialien identisch, da ihre Blechdicke und ihre Legierung identisch sind. In der untenstehenden Tabelle 1 sieht man für das gezeigte Beispiel von Abbildung 12, welchen An‐ teil die einzelnen Komponenten an den Gesamtverlusten bei den gezeigten Punkten einnehmen. Bei unterschiedlichen Blechdicken verschieben sich jedoch auch die anderen Anteile und deren Bedeutung signifikant. - 50 Hz 1000 Hz - 36 µm 65 µm 163 µm 36 µm 65 µm 163 µm p exc 4-% 18-% 26-% 29-% 49-% 50-% p cl 4-% 5-% 6-% 31-% 30-% 33-% p hyst 92-% 77-% 68-% 40-% 22-% 17-% Tab. 1: Prozentualer Anteil der Verlustkomponenten an den Gesamtverlusten bei 1,5 T Am Beispiel zeigt sich, dass man je nach Betriebspunkt unterschiedliche Werkstoffe auswählen sollte und dass die Orientierung an der Normklassi‐ fizierung nicht ausreicht. Die „besser“ klassifizierte Variante wäre in diesem Beispiel deutlich kostenintensiver, würde jedoch in einer Anwendung bei 1000 Hz keine Vorteile bringen. Im Realfall gibt es eine Vielzahl weiterer Randbedingungen, die für die Werkstoffauswahl entscheidend sind, was im folgenden Kapitel näher erläutert wird. 4.1.3 Weichmagnetische Werkstoffalternativen Bevor im nächsten Kapitel die anwendungsoptimierte Elektrobandauswahl thematisiert wird, sollen hier ganz knapp weichmagnetische Werkstoffal‐ ternativen erläutert werden. Neben Elektroband stehen verschiedene Alter‐ nativen zur Verfügung, die zum Teil technische Vorteile bieten, jedoch auch deutliche Nachteile aufweisen: • Kaltgewalztes Elektroband wird in elektrischen Antrieben angewendet, bei denen die Verluste eine untergeordnete Rolle spielen und die Kosten so gering sein sollen, dass sich die Maßnahmen zur Verbesserung, wie eine Blechdickenreduzierung, Legierung oder Korngrößenoptimierung 174 4 Elektroband für energietechnische Anwendungen: Motoren, Generatoren, Transformatoren <?page no="181"?> nicht lohnen würden. Durch den hohen Eisenanteil haben diese Bleche eine hohe Sättigungspolarisation. • Nickel-Eisensowie Kobalt-Eisen-Elektrobleche sind in ihren werkstoff‐ wissenschaftlichen Zusammenhängen dem Eisen-Silizium-Elektroblech sehr ähnlich. Neben Eisen sind Kobalt und Nickel die weiteren Elemente mit ferromagnetischem Verhalten der Übergangsmetalle. Eisen-Kobalt hat mit einem Wert von ca. 2,3 T die höchste Sättigungspolarisation. Außerdem ist die Festigkeit sehr hoch. Der größte Nachteil liegt in dem deutlich höheren Preis im Gegensatz zu FeSi-Elektroband und die erschwerte Verarbeitung aufgrund der Sprödigkeit. Nickel-Eisen hat im Vergleich die geringsten Ummagnetisierungsverluste. Demgegenüber steht jedoch eine deutlich niedrigere Sättigungspolarisation. • Bei amorphen und nanokristallinen Materialien wird durch eine sehr schnelle Abkühlung die Rekristallisation unterdrückt. Beim amorphen Material bildet sich folglich keine Kornstruktur aus. Das Material weist sehr geringe Verluste und eine hohe Permeabilität auf, jedoch geringe Werte für die Sättigung. Aufgrund der Fertigungsprozesse können nur dünne Bänder hergestellt werden. Bei nanokristallinen Materialien wird aus dem amorphen Zustand durch die Temperaturbehandlung eine Rekristallisation mit sehr geringen Korngrößen erzeugt. Auch dieses Material weist, entgegen dem Effekt der Korngröße im Mikrometerbe‐ reich, sehr günstige Verlusteigenschaften auf. • Bei SMC handelt es sich um „Soft Magnetic Composites“, also um fer‐ romagnetische Partikel, die voneinander isoliert sind. Vorteile sind die dreidimensionalen isotropen magnetischen, thermischen und mechani‐ schen Eigenschaften. In den isolierten Partikeln entstehen nur geringe Wirbelstromverluste. Das Material ist daher für hohe Frequenzen geeig‐ net. Generell weist das Pulver geringe Herstellungskosten auf und es können dreidimensionale Rotorgeometrien realisiert werden. Nachteile sind jedoch die geringe magnetische Permeabilität, die hohe Koerzitiv‐ feldstärke sowie die geringe mechanische und thermische Festigkeit. Diese äußerst knappe Aufstellung einiger Vor- und Nachteile alternativer weichmagnetischer Werkstoffe für elektrische Maschinen soll einen kur‐ zen Überblick geben. Bei Anwendungen jenseits der Antriebe, beispiels‐ weise bei Hochfrequenztransformatoren, Drosseln und Spulen oder bei Antriebsanwendungen mit besonderen Anforderungen, beispielsweise in der Medizintechnik oder in Weltraumanwendungen, finden sich häufiger 4.1 Grundlagen weichmagnetischer Werkstoffe für elektrische Maschinen 175 <?page no="182"?> alternative Werkstoffe. Bei dem Großteil industrieller oder kommerzieller Antriebsmotoren oder Generatoren kommen jedoch FeSi-Elektrobleche zum Einsatz, welche im vorherigen Kapitel im Detail erläutert wurden. 4.2 Anwendungsoptimierte Werkstoffauswahl 4.2.1 Anforderungsspezifikationen Bei der Auslegung von elektrischen Maschinen spielen eine Vielzahl von Randbedingungen eine Rolle, allen voran die Anforderungen an Leistung, Drehmoment, Drehzahl oder Wirkungsgrad. Darüber hinaus müssen natür‐ lich auch die elektrischen Anforderungen, beispielsweise die Spannung, die Stromdichte oder die Frequenz berücksichtigt werden. Für viele Antriebe sind auch klare geometrische und mechanische Anforderungen definiert. So sind Statoraußendurchmesser und axiale Länge durch den Bauraum begrenzt und die Luftspaltweitetoleranz muss eingehalten werden, ebenso die mechanische Festigkeit des Rotors. Auch die thermischen Anforderungen an die absolute Temperatur oder die zulässige Temperaturerhöhung sowie akustische An‐ forderungen sind zu beachten. Die Randbedingungen stellen zwangsläufig auch Anforderungen an die verwendeten Materialien und die technologi‐ schen Eigenschaften des verwendeten Elektrobleches. Neben diesen „festen“ Auslegungsanforderungen sind jedoch auch die Betriebsanforderungen von Bedeutung, beispielsweise das Fahrprofil, das Klima oder die Einsatzdauer. Die Wechselwirkung einiger dieser Spezifizierungsanforderungen werden im folgenden Kapitel näher betrachtet und erläutert. Die Herausforderung bei der Elektrobandauswahl besteht darin, die teils gegensätzlich wirkenden Einflussfaktoren, Stellgrößen und Zielsetzungen in geeigneter und optimalerweise ganzheitlich zu betrachten und zu berück‐ sichtigen: • starke Nichtlinearität der magnetischen Eigenschaften • gegensätzlich wirkende Zieleigenschaften (magnetisch/ mechanisch) • Verarbeitbarkeit • Effizienz • Kosten • gegensätzlicher Einfluss der Optimierungsstrategien Wie bereits im vorherigen Kapitel beschrieben, reduziert beispielsweise das Legieren mit Silizium die klassischen Wirbelstromverluste, gleichzeitig sind, 176 4 Elektroband für energietechnische Anwendungen: Motoren, Generatoren, Transformatoren <?page no="183"?> im Hinblick auf die Verarbeitbarkeit, dem Legierungsgehalt Grenzen gesetzt. Darüber hinaus verringert das Legieren mit Silizium auch die erzielbare Sättigungspolarisation und steigert die Kosten signifikant. Kosten Verarbeitbarkeit Magnetische Eigenschaften Material Legierung, Blechdicke, Mikrostruktur Legierungskonzept, Blechdicke, Herstellung Legierung, Mikrostruktur, Geometrie Verarbeitung, Textur Abb. 13: Kompetitive Anforderungen an die mechanischen, magnetischen und ökonomi‐ schen Eigenschaften von Elektrobändern. Im Herstellungsprozess nimmt der Siliziumgehalt Einfluss auf die Rekristalli‐ sationskinetik und damit auf die erzielbare Mikrostruktur. Als zweites Beispiel dient die Korngröße. Mit steigender Korngröße sinken die Hystereseverluste, aber die Excess-Verluste steigen. Auch die Festigkeit nimmt mit größeren Körnern ab. Als drittes Beispiel sei die Verringerung der Blechdicke genannt. Diese wirkt sich vorteilhaft auf die klassischen Wirbelstromverluste aus, aber gleichzeitig steigt durch die Isolationsschichten der Anteil an nichtmag‐ netischem Material innerhalb des Magnetkerns. Die Verarbeitbarkeit wird erschwert und die Kosten steigen stark an, da eine höhere Anzahl an Blech‐ schnitten benötigt wird und damit auch signifikant mehr Bandmaterial. 4.2 Anwendungsoptimierte Werkstoffauswahl 177 <?page no="184"?> Da nicht aus jedem zur Verfügung stehenden Material ein Prototyp einer Maschine aufgebaut werden kann, helfen Simulationsmodelle, die Maschineneigenschaften währen des Designprozesses zu berechnen. So kann das Betriebsverhalten in verschiedenen Szenarien simuliert werden. 4.2.2 Materialmodellbildung Die Simulation kann das Materialverhalten nur dann ausreichend genau abbilden, wenn die verwendeten Materialmodelle das nichtlineare Magnet‐ isierungsverhalten abbilden können. Eine typische Simulationskette für die Berechnung einer elektrischen Maschine ist in Abbildung 14 dargestellt. Zunächst erfolgt hier die magnetische Charakterisierung am sogenannten Single-Sheet-Tester, am Epstein-Rahmen oder an Ringkernen. Magnetische Messsungen SST Fahrzyklen und Betriebspunkte Elektromagnetische FEM Simulation Abb. 14: Beispiel einer Simulationskette für die Berechnung eines elektrischen Antriebs. 178 4 Elektroband für energietechnische Anwendungen: Motoren, Generatoren, Transformatoren <?page no="185"?> Die Materialmodelle für die Abbildung der magnetischen Eigenschaften beschreiben zum einen das Magnetisierungsverhalten, beispielsweise mit Hilfe der sogenannte Reluktivität und zum anderen die Eisenverluste mit Hilfe eines geeigneten Eisenverlustmodells. Anhand einer 2D- oder 3D-Finite-Elemente(FE)-Maschinensimulation kann die lokale magnetische Flussdichte berechnet und die Drehzahl-Drehmoment-Charakteristik für die Maschine ermittelt werden. Im Post-Processing können die Eisenverluste im Betriebskennfeld berechnet werden. Die Ergebnisse können auch mit einem Fahrzeugmodell gekoppelt und typische Fahrzyklen berücksichtigt werden. Die Fahrzyklen beschreiben die Betriebspunktverteilung und -häufigkeit im Drehzahl-Drehmoment-Kennfeld. Mit Hilfe einer so aufgebauten Simulati‐ onskette können Variation der Geometrie oder der verwendeten Materialien in der Simulationskette einfach berücksichtigt werden und die Ergebnisse einen quantitativen Vergleich liefern. Ist die Simulationskette modular aufgebaut, können auch Modelle zum akustischen, thermischen oder mechanischen Verhalten gekoppelt werden. Modellierung des Magnetisierungsverhaltens Das Magnetisierungsverhalten kann, wie bereits erwähnt, über die B/ H-Charakteristik berücksichtigt werden. Hierfür wird die magnetische Feldstärke als Funktion der magnetischen Flussdichte aufgetragen. J ² in T² 4000 2000 0 Reluktivität ν in Am/ Vs 2 0 10 20 x in mm 0 B in T 1,5 1,0 0,5 0,0 Abb. 15: Beispielhafte Darstellung der Reluktivität und Simulationsergebnis mit Berück‐ sichtigung des Schnittkanteneffekts (Abstand zur Schnittkante x). 4.2 Anwendungsoptimierte Werkstoffauswahl 179 <?page no="186"?> Die Reluktivität ν kann dann genutzt werden, um das Vektor-Potential in der Finite-Element(FE)-Simulation zu lösen. Üblicherweise werden bei der Simulation Werte der magnetischen Flussdichte weit über dem gemessenen Bereich benötigt, weswegen eine Extrapolation der Messdaten notwendig wird. Diese kann entweder auf Basis der Extrapolationsmethode von Fröh‐ lich-Kennelley erfolgen, welcher die Steigungen der Magnetisierungskurve berücksichtigt oder anhand der Sättigungspolarisation des Materials. Eisenverlustmodellierung In Bezug auf die Eisenverlustmodellierung stehen verschiedene Modelle zur Verfügung, wie beispielsweise die in Abbildung 16 genannten Modelle. Diese reichen von rein empirischen Modellen über physikalisch motivierte Modelle bis hin zu den sogenannten Hysteresemodellen, welche die Verluste nicht nur in Abhängigkeit der magnetischen Flussdichte und Frequenz beschreiben, sondern die gesamte magnetische Hysterese berücksichtigen. Die simpelste Form der Verlustmodellierung, welche die Verluste in Abhän‐ gigkeit der Frequenz und der magnetischen Flussdichte beschreibt, ist die sogenannte Steinmetz-Gleichung: P Steinmetz = kf α B β . Hier beschreibt B den Scheitelwert der magnetischen Flussdichte und f die Ummagnetisierungsfrequenz. Die Parameter k, α and β sind Fitting-Pa‐ rameter, welche mathematisch anhand der gemessenen Verluste bestimmt werden. Empirisch Physikalisch Bertotti Steinmetz Jordan Pry & Bean Evolution der Verlustmodelle IEM Abb. 16: Die Evolution verschiedener Eisenverlustmodelle. 180 4 Elektroband für energietechnische Anwendungen: Motoren, Generatoren, Transformatoren <?page no="187"?> Eine Weiterentwicklung hiervon ist die Formulierung nach Jordan, welche zusätzlich den Einfluss der klassischen Wirbelstromverluste berücksichtigt: P Jordan = k hyst f B 2 + k cl f 2 B 2 . In diesem Modell wird die physikalisch motivierte Aufteilung in verschie‐ dene Eisenverlustkomponenten berücksichtigt. Pry und Bean erweitern ihr Modell um den Effekt der Excess-Verluste. Das wohl bekannteste Eisen‐ verlustmodell ist jedoch die statistische Verlusttheorie von Bertotti mit Aufteilung der Gesamtverluste in Hysterese-, klassische Wirbelstrom- und Excess-Verluste: P Bertotti = k hyst f B 2 + k cl f 2 B 2 + k exc f 1, 5 B 1, 5 Hier beschreiben k hyst , k cl und k exc Faktoren, die aus den Messdatensätzen be‐ stimmt werden können. Die Identifikation der Komponenten basiert auf der Messung der magnetischen Eigenschaften und der Materialparameter. Die Hystereseverluste können durch die Messung der quasi-statischen Verluste bestimmt werden. Die klassischen Wirbelstromverluste können nach der im vorherigen Kapitel genannten Formel mit Hilfe der Blechdicke, Dichte und des elektrischen Widerstandes berechnet werden. Die Excess-Verluste können entweder durch ein Parameter-Fitting oder mit Hilfe der Korngröße und Domänenwandenergie bestimmt werden. Dieser Term der Formel wird im Bertotti-Modell durch das Konzept der magnetischen Objekte erklärt. Die Stärke des Bertotti-Modells liegt in ihrer ganzheitlich physikalischen Interpretation. Jedoch verschlechtert sich die Modellgenauigkeit bei hohen Frequenzen und Polarisationen zunehmend. In verschiedenen Veröffentli‐ chungen wurde gezeigt, dass das Bertotti-Modell bei hohen Aussteuerungen von Flussdichte und Frequenz die Verluste in der Regel unterschätzt. Infol‐ gedessen wurde die IEM-Formel vorgestellt, welche auf dem Bertotti-Modell basiert, es jedoch um einen weiteren Verlustterm ergänzt. Der sogenannte Sättigungsterm berücksichtigt das nichtlineare Materialverhalten bei hohen Flussdichten. Die Erweiterung der Formel resultiert in der folgenden mathe‐ matischen Formulierung P IEM = a 1 f B α + Bβ + a 2 f 2 B 2 1 + a 3 B a 4 + a 5 f B 1, 5 4.2 Anwendungsoptimierte Werkstoffauswahl 181 <?page no="188"?> Die IEM-Formel zeigt eine Verbesserung der Modellgenauigkeit bei hohen magnetischen Flussdichten aufgrund des vierten Verlustterms mit einer Abhängigkeit der magnetischen Flussdichte einer höheren Ordnung. Diese hier gezeigte Ausführung verschiedener Verlustmodelle stellt nur einen knappen Auszug der Thematik dar. Die Eisenverlustmodellierung ist ein wichtiges Forschungsgebiet im Bereich der elektrischen Maschinen und ihrer Simulation. Der Vorteil an physikalisch motivierten Modellen ist hierbei jedoch deutlich zu erkennen, da es Rückschlüsse auf die Elektroble‐ cheigenschaften und deren Einfluss auf das Betriebsverhalten der Maschine ermöglicht. Modellweiterentwicklung Eine verbesserte Materialmodellbildung ist ein notwendiger Bestandteil, um Effekte und physikalische Begebenheiten des weichmagnetischen Kern‐ materials in den Maschinensimulationen berücksichtigen zu können. Nur wenn das Materialverhalten ausreichend genau abgebildet wird und mathe‐ matisch beschrieben werden kann, ist es möglich die Genauigkeit der Ma‐ schinensimulationen nachhaltig zu verbessern und die Wechselwirkung von Design und Betriebsverhalten den zu Grunde liegenden Zusammenhängen zuzuordnen. Als Eingangsdaten in die FE-Simulation dienen das Magnet‐ isierungs- und Verlustverhalten. Daher sind alle Effekte, die dieses Verhalten beeinflussen, potenziell auch für das Betriebsverhalten von Interesse. Einige Beispiele für Effekte mit einem Einfluss auf die Eigenschaften, die in den üblich verwendeten Modellen nicht berücksichtigt werden, sind folgende: • Einfluss der Anisotropie und der Vektoreigenschaften: Wie bereits be‐ schrieben, handelt es sich bei nichtkornorientiertem Material nicht um ein perfekt isotropes Material. Hierbei ist es auch nicht ausreichend, die Eigenschaften in Walz- und Querrichtung zu mitteln, da das Verhalten zwischen diesen Orientierungen nicht linear ist. Darüber hinaus handelt es sich bei der magnetischen Feldstärke und Flussdichte um Vektorgrö‐ ßen, doch allein schon bei den standardisierten Messmethoden wird die magnetische Flussdichte nur in ihrer Hauptrichtung berücksichtigt, sodass dieser Effekt sowohl in der Charakterisierung als auch in der Modellierung häufig vernachlässigt wird. • Einfluss der Anregungsform: Die gezeigten Modelle sind in der Regel auf reine Sinusanregung ausgelegt und an dieser validiert. In elektri‐ schen Maschinen kommen jedoch auch andere Anregungsformen vor. 182 4 Elektroband für energietechnische Anwendungen: Motoren, Generatoren, Transformatoren <?page no="189"?> Beispielsweise pulsweitenmodulierte Signale bei Maschinen, welche Inverter-gespeist sind. Des Weiteren wird die Flussdichte als rein alter‐ nierend angenommen. In der Realität kann es aber auch zu rotierenden magnetischen Feldern kommen. • Einfluss mechanischer Spannungen: Mechanische Spannungen ver‐ schlechtern die magnetischen Eigenschaften von Elektroblech signifi‐ kant. Die mechanischen Spannungen werden entweder während der Verarbeitung vom Bandmaterial zur elektrischen Maschine eingebracht, das heißt beim Schneiden, Paketieren, dem Einbringen der Wicklungen oder dem Einpressen in das Gehäuse, oder während des Betriebs, beispielsweise durch die Zentrifugalkräfte. Für die meisten der genannten Effekte gibt es bereits Modellansätze. Diese sind jedoch noch nicht vollständig etabliert und derzeit Fokus aktueller Forschungsbestrebungen. Auch die zugehörigen Effekte werden noch wis‐ senschaftlich durchdrungen und quantitativ beschrieben. Neue Modelle wie das kontinuierliche Schnittkantenmodell, diverse Anisotropiemodelle oder die kontinuierliche Beschreibung mechanischer Spannungsabhängigkeiten können darüber hinaus nur schwer in Simulationsketten mit kommerziellen Programmen implementiert werden. 4.2.3 Fallbeispiel einer gezielten Elektrobandauswahl Im Folgenden soll an einem Beispiel die Relevanz einer genauen Betrachtung der Wechselwirkungen zwischen den Elektroblecheigenschaften und dem Betriebsverhalten von elektrischen Maschinen verdeutlicht werden. Als Beispiel dient der Antrieb eines Elektroautos. Es handelt sich um einen Kleinwagen mit zwei Asynchronmaschinen als Antrieb. Im Rahmen des Beispiels wurden vier industrielle Elektrobandgüten ausgewählt und eine Simulationsstudie durchgeführt. In Abbildung 17 sind die Eisenverluste, aufgeteilt in Hystereseverluste, klassische Wirbelstromverluste und der Summe aus Excess- und nichtlinearen Verlusten dargestellt. Es werden zwei verschiedene Fahrzyklen betrachtet, zum einen ein „Urbaner Zyklus“ der die Fahrt in einer Stadt, mit typischem Stop-and-Go-Verkehr repräsentiert und zum anderen ein „Autobahn Zyklus“ mit höheren Geschwindigkeiten. Auf den ersten Blick sieht die Verlustkomponentenverteilung für beide Beispiele ähnlich aus. Ein näherer Blick zeigt jedoch einige wichtige Schlüsse auf, die man hieraus ziehen kann. 4.2 Anwendungsoptimierte Werkstoffauswahl 183 <?page no="190"?> 0 5000 10000 Drehzahl n in min -1 100 500 -50 -100 Drehmoment M in Nm 0 5000 10000 Drehzahl n in min -1 100 500 -50 -100 Drehmoment M in Nm Urbaner Zyklus Autobahn Zyklus 0 10 20 30 p Eisen in Wh Pexc Pcl Physt 0 50 100 150 p Eisen in Wh Pexc Pcl Physt p hyst p nl+exc p cl p hyst p nl+exc p cl Häufigkeit Häufigkeit Abb. 17 Simulationsstudie eines Elektroantriebs in unterschiedlichen Fahrzyklen mit Be‐ rücksichtigung von vier industriellen Elektrobändern [2]. So zeigt sich, dass eine bessere Güte nicht zwangsläufig zu der höchsten Effizienz mit geringsten Verlusten führt. In beiden Fahrzyklen ist M4 nicht das Material mit den geringsten Gesamtverlusten. Ein hoher Siliziumgehalt ist auch nicht immer notwendig. Im Falle des Urbanen Zyklus hat Material M1 mit einem höheren Siliziumgehalt trotzdem höhere Verluste als das Material M2. Beide Materialien weisen die gleiche Blechdicke von 0,35 mm auf. Die Vorteilhaftigkeit von M2 liegt darin, dass die Hystereseverluste in dem Urbanen Zyklus dominant sind. Diese werden von der Korngröße maßgeblich bestimmt, welche bei M2 größer ist. Man könnte sich folglich das teure Legierungselement Silizium für diesen Antrieb sparen. Weiterhin zeigt Material M2 im Urbanen Zyklus fast dieselben Verluste wie Material M4, ist jedoch 3,5-mal dicker, sodass weniger Blechschnitte verwendet werden müssen. Bei sehr dünnem Material sind die Hystereseverluste in 184 4 Elektroband für energietechnische Anwendungen: Motoren, Generatoren, Transformatoren <?page no="191"?> der Regel höher, da das Kornwachstum durch die Blechdicke begrenzt ist. Bei einer Blechdicke von 0,1 mm ist die Ausdehnung in Dickenrichtung auf 100 µm begrenzt. Im Autobahn Fahrzyklus nimmt die Bedeutung der Hystereseverluste und damit der Korngröße deutlich ab. Durch die höheren Drehzahlen und damit höheren Ummagnetisierungsfrequenzen kommt den klassischen Wirbelstromverlusten eine höhere Bedeutung zu. Diese sind bei dem 0,2 mm Blech im Vergleich zum 0,35 mm Blech sehr gering. Betrachtet man die Bedeutung der Hystereseverluste, wäre hier sogar eine kleineren Korngröße denkbar, die die Hystereseverluste nur unwesentlich erhöhen bei hohen Frequenzen und im Gegenzug würde die Excess-Verlust Komponente geringer ausfallen. Das Kornwachstum wird über die Temperatur und Zeit eingestellt. Man könnte hier also weitere Kosten während der Herstellung einsparen, wenn man sich für eine kleine Korngröße entscheidet. In diesen Ansätzen ist ein Tailor-Made-Materialdesign, beziehungsweise eine gezielte Materialauswahl möglich. Es ist nicht das Ziel, ein perfektes Elektroband zu finden, was durch die Nichtlinearitäten schlicht nicht exis‐ tiert, sondern das Material mit den bestmöglichen Eigenschaften. Diese müssen jedoch im Gesamtanwendungskontext betrachtet werden. Wenn der Effekt in der Maschine gering ist, können gerade in der Serienfertigung hohe Kosten eingespart werden, wenn die Materialparameter geschickt (kombiniert) auf die Anwendung abgestimmt werden. 4.2.4 Fazit und Ausblick Durch die Verwendung von Elektroblechen, die im Hinblick auf ihre spezi‐ fischen Anforderungen ausgewählt sind, können die Betriebseigenschaften von elektrischen Maschinen verbessert und potenziell Ressourcen einge‐ spart werden. Dabei ist nicht nur auf die Effizienz, sondern auch auf Kosten und Praktikabilität zu achten. Der Effizienzbegriff bezieht sich hier jedoch nicht auf die gesamte Maschine, sondern auf bestimmte Betriebspunkte oder den Anwendungsbereich. Bei Haushaltsgeräten spielt die Effizienz oft nur eine untergeordnete Rolle. Hier spielen Verarbeitbarkeit und niedrige Kosten eine übergeordnete Rolle. So können, um preislich kompetitiv zu bleiben, aufwändige Prozessschritte vermieden und auf Standard-Legierun‐ gen zurückgegriffen werden. Bei einem Fensterhebermotor beispielsweise ist die Erwärmung und Lebensdauer gegenüber der möglichen Gewichts‐ einsparung nur geringfügig von Bedeutung. Im Bereich der Elektromobilität spielt die Effizienz der Motoren zur Vergrößerung der Reichweite und damit 4.2 Anwendungsoptimierte Werkstoffauswahl 185 <?page no="192"?> auch das Gewicht und die Leistungsdichte eine große Rolle. Durch die Wahl dünner, hochwertiger Bleche kann diese optimiert werden. Jedoch müs‐ sen zahlreiche Einflussfaktoren und deren Wechselwirkungen in Betracht gezogen werden. In der großindustriellen Anwendung muss im Rahmen von Kosten und Effizienz ein sinnvolles Konzept erarbeitet werden, da gesteigerte Effizienz die dabei anfallenden Kosten unter Umständen nicht ausgleichen kann. Im Motorsport, bei medizinischen Anwendungen oder in der Raumfahrt hingegen sind Kosten meist deutlich weniger problematisch. Der Forschungsbedarf hinsichtlich der Untersuchung, Modellierung und Optimierung der weichmagnetischen Materialien ist groß und das Potenzial bei Weitem noch nicht ausgeschöpft. Durch die Auswahl geeigneter Elektrobänder werden in der Regel auch die Auslegungsparameter der elektrischen Maschinen positiv beeinflusst. Die Verluste und thermischen Eigenschaften bestimmen die Dimensionie‐ rung und die Auslegung des Kühlsystems. Die mechanische Festigkeit bestimmt die Breite der Rotorstege. Bei der Auswahl von Elektroband gibt es viele Wechselwirkungen zu beachten. Elektroband wird bereits seit vielen Jahren untersucht. Die möglichst vollständige Modellierung der tatsächlich für die Maschine relevanten Effekte (Anregungsform, mechanischer Spannungszustand, Anisotropie), aber auch neue Themen sind aktuelle Forschungsschwerpunkte im Bereich der Elektrobänder. Die Themen Additive Fertigung oder die Nutzung um‐ formtechnisch induzierter Eigenspannungen zur gezielten Flussführung, die Auswahl neuer Legierungskonzepte zur Gewichtseinsparung oder die Untersuchung der magnetischen und mechanischen Alterung sind nur einige der Themen, die derzeit die Forschungslandschaft prägen. [1] K. Honda, S. Kaya, Y. Masuyama, On the magnetic properties of single crystals of iron, Nature 117 (2952) (1926) 753-754. doi: 10.1038/ 117753a0. [2] Leuning, Nora Ricarda (2020): “Tailor-Made” Elektroband und bestmögliche Werkstoffauswahl auf Basis struktureller Materialparameter. 1. Auflage. Düren: Shaker (Aachener Schriftenreihe zur Elektromagnetischen Energiewandlung, 40). 186 4 Elektroband für energietechnische Anwendungen: Motoren, Generatoren, Transformatoren <?page no="193"?> 5 Magnetische Messtechnik Sebastian Wältring Die Überprüfung magnetischer Eigenschaften von Werkstoffen und Bau‐ gruppen ist zur Sicherstellung ihres Funktionsumfanges unabdingbar. Mess‐ technik für weichmagnetische Materialien wird im Kapitel weichmagne‐ tische Messtechnik dargestellt. Messgeräte für Permanentmagnete und Magnetfelder werden im Kapitel Hartmagnetische Messtechnik dargestellt. Ziel dieser Kapitel ist die übersichtliche Darstellung gebräuchlicher Geräte und Methoden. 5.1 Weichmagnetische Messtechnik In magnetischen Systemen spielen weichmagnetische Werkstoffe eine maßgebliche Rolle. Sie werden zur Leitung oder zur Konzentration von magnetischem Fluss genutzt. Um eine maximale Flussleitung zu erzielen, zeichnen sie sich durch leichte Magnetisierbarkeit sowie durch eine geringe umschlossene Fläche der Hystereseschleife aus. Je nach Anwendung sind unterschiedliche Merkmale der Werkstoffe von Bedeutung. Werden weichmagnetische Werkstoffe vorwiegend genutzt, um statische Felder zu leiten, so ist i. d. R. der Leistungsverlust durch Ummagne‐ tisierung nicht von Bedeutung. Beispiele sind: Relais, magnetische Bremsen, Lautsprecher etc. Für Elektromotorenhersteller sind dagegen die Ummag‐ netisierungsverluste von zentraler Bedeutung, da durch sie Flussleitung verhindert und Wärme erzeugt wird. Eine Charakterisierung der Verluste und der Magnetisierbarkeit ist zur Qualitätssicherung und zur Auslegung von Magnetsystemen notwendig. Dabei bildet die Hystereseschleife die Grundlage der Charakterisierung von magnetischen Materialien. <?page no="194"?> 5.1.1 Kennwerte der Hystereseschleife Abb. 1: HystereseschleifeJ(H) Werkstoffangaben beziehen sich auf Kenndaten der Hystereseschleife: J s Sättigungsinduktion: maximal erreichbare Polarisation P v Ummagnetisierungsverluste: - P v wird abhängig von Frequenz und J max angegeben. Ergibt sich aus der ein geschlossenen Fläche der Schleife, welche einer Energiedichte entspricht. H c Koerzitivfeldstärke: Nulldurchgang durch H-Achse B r Remanenz: J bei H-=-0 Die Form der gemessenen Schleife ist stark abhängig von der eingestellten Amplitude der Feldstärke. Mit zunehmender Amplitude und konstanter Frequenz weitet sich die Schleife auf, bis sie die äußere Kurve erreicht hat. Ist die Frequenz annähernd 0 Hz, so werden ausschließlich Hystereseverluste gemessen. Diese ist die rein für die Ummagnetisierung benötige Energie. Zur Charakterisierung eines Werkstoffes werden bei 50-Hzbzw. 60-Hz-Mess‐ kurven unterschiedlicher Polarisationsamplituden aufgenommen. 188 5 Magnetische Messtechnik <?page no="195"?> Abb. 2: Aufweitung der Hystereseschleife bei steigender Amplitude der Induktion Die Verbindungslinie der Spitzen im 1. Quadranten ergibt die Neukurve eines zuvor entmagnetisierten Bleches. Variiert man anstelle der Amplitude der Polarisation die Frequenz, so weitet sich die Schleife aufgrund der Wirbelstromverluste ebenfalls auf: Abb. 3: Hystereseschleifen eines Elektrobleches bei 500-mT und verschiedenen Frequen‐ zen 5.1.2 Fehlerbilder Typische Fehlerbilder in geblechten weichmagnetischen Systemen: 5.1 Weichmagnetische Messtechnik 189 <?page no="196"?> 1. Zu hohe Hystereseverluste Pv 2. Zu geringe Sättigungspolarisation Js 3. Zu große Wirbelstromverluste (Leitfähigkeit σ) 4. Beschädigung der Blechisolationsschicht, dadurch Blechübergreifende Kurzschlüsse 5. Kurzschlüsse durch leitende Verbindungen der Bleche z.-B. durch Bolzen, oder Gehäuse 6. Verstellung der Eigenschaften aufgrund hoher mechanischer Spannun‐ gen Bei der Herstellung von Elektroblech sind vorwiegend die physikalischen Parameter Pv, Js und σ von Interesse. Die magnetischen Kennwerte Pv und Js werden durch den weiteren Bearbeitungsprozess der Bleche nochmals an den Schnitt- oder Biegekanten verändert. Insbesondere Stanzverfahren üben einen negativen Einfluss auf die Qualität der Bleche in den Randbereichen aus, wenn die Werkzeuge stumpf sind und so eine hohe mechanische Spannung im Material erzeugen. Mechanische Kräfte, welche z. B. beim Einbau ins Motorgehäuse auf die Bleche wirken, verstimmen ebenso die magnetischen Eigenschaften. Daher ist die Messung von fertigen Stanzpaketen (Ringkernen) sowie fertig zusam‐ mengebauten Motoren mitunter sinnvoll. Hier eine kurze Einschätzung verschiedener Bearbeitungseinflüsse be‐ züglich ihres Einflusses auf die Verlustleistung (+ bedeutet Zuwachs der Verluste): Blechbearbeitung: Stanzen ++ (sehr vom Zustand des Werkzeugs abhängig) Biegen ++ Lasern + / 0 Erodieren 0 Krafteinwirkung: Druckkraft - Zugkraft + 190 5 Magnetische Messtechnik <?page no="197"?> 5.1.3 Aufbau eines Hysteresegraphen: Der Messaufbau zur Bestimmung der magnetischen Eigenschaften ist i. d. R. ein System aus: 1. Prüfmaterial in Form eines geschlossenen magnetischen Kreises mit bekannter Pfadlänge lm und magnetischem Querschnitt A 2. Primärwicklung mit N1 Windungen und Strom I zur Erzeugung des äußeren Magnetfeldes H 3. Sekundärwicklung mit N2 Windungen zur Messung des aus H resultie‐ renden magnetischen Flusses durch die Fläche A Abb. 4: Ringprobe; Quelle: (Brockhaus Messtechnik) Abb. 5: Prinzipaufbau eines Hysteresegraphen Quelle: (Brockhaus Messtechnik) 5.1 Weichmagnetische Messtechnik 191 <?page no="198"?> Bestimmung der Feldstärke H Die Feldstärke berechnet sich aus dem Primärstrom I über H = I • N 1 l m Der Strom wird i. d. R. über die an einem Messshunt abfallende Spannung gemessen. Magnetische Flussdichte B Die magnetische Flussdichte wird über die Induktionsspannung der Sekun‐ därwicklung gemessen. Aufgrund des Induktionsgesetzes Φ = − 1 N ∫ t 1 t 2 U (t)dt erhalten wir den magnetischen Fluss durch Integration der Induktionsspan‐ nung über die Zeit. Die Integration kann analog über ein Fluxmeter oder digital über eine Summenbildung erfolgen. Die magnetische Flussdichte ergibt sich aus der Division mit der Quer‐ schnittsfläche A der Probe: B = Φ A Magnetische Polarisation J Möchte man die reine Werkstoffeigenschaft beschreiben, so spricht man von der magnetischen Polarisation. Die magnetische Polarisation J beschreibt die reine Werkstoffeigenschaft ohne einen Luftflussanteil. Sie kann aus der gemessenen Flussdichte B wie folgt ermittelt werden: J = B − μ 0 H Dabei wird der Luftflussanteil µ 0 H in jedem Punkt der Hystereseschleife von B abgezogen. In der Darstellung der Hystereseschleifen zeigt sich der Unterschied zwischen einer J(H)- und einer B(H)-Darstellung. 192 5 Magnetische Messtechnik <?page no="199"?> Abb. 6: Hystereseschleife in B(H)- und in J(H)-Darstellung Regelschleife: Typischerweise beziehen sich die Verlustleistungsangaben auf einen sinus‐ förmigen Flussverlauf. Abb. 7: Regelschleife eines Hysteresegraphen 5.1 Weichmagnetische Messtechnik 193 <?page no="200"?> Da sich der Fluss aus dem magnetischen Feld ergibt, muss die Bestromung der Primärwicklung so geregelt werden, dass der Fluss einem vordefinierten Kurvenverlauf folgt. Für normierte Werkstoffdatenangaben werden sinus‐ förmige Verläufe vorgeschrieben. Dazu werden unterschiedliche Regler verwendet. Analoge sowie digitale Regler sind im Einsatz. Analoge Regler haben den Vorteil, schnell einzuregeln. Digitale Regler lassen dagegen ein breiteres Spektrum von Ziel-Kurvenverläufen der Polarisation zu - bis hin zu frei definierten Kurven. 5.1.4 Einstellbare Kurvenverläufe der Polarisation Bei Transformatoren am starren Netz muss die Verlustleistung bei 50 Hz und sinusförmigem Polarisationsverlauf gemessen werden. Transforma‐ torkerne von getakteten Übertragern dagegen sind aufgrund der hohen Betriebsfrequenzen i. d. R. nicht mehr aus Elektroblechen, sondern elektrisch nichtleitenden Ferriten aufgebaut. Gerade bei Verwendung von Elektroble‐ chen in Elektromotoren treten komplexe Kurvenverläufe der Polarisation auf. Um diese nachzustellen, lassen sich bei modernen Prüfgeräten die Kurvenverläufe frei einstellen. Dazu werden verschiedene Editoren angeboten: • Grundfrequenz, Harmonische (FFT) • Eingabe mit Hilfe von Stützstellen Solche Kurvenverläufe können aufgrund der überlagerten Frequenzen Teil‐ schleifen (minor loops) erzeugen: Abb. 8: Hystereseschleife bei überlagerten Schwingungen 194 5 Magnetische Messtechnik <?page no="201"?> 5.1.5 Gebräuchliche Sensoren für weichmagnetische Hysteresegraphen Epsteinrahmen (EPS): Anwendbare Normen: IEC 60404-2 (0-400Hz) IEC 60404-10 (400-10000Hz) Im Epsteinrahmen werden Blechstreifen der Länge 300 mm und der Breite 30 mm vermessen. Die Blechdicke ist nicht vorgegeben, muss aber bekannt und konstant sein. Je 4 Bleche werden im Quadrat in 4 Spulen eingeschoben. Mehrere Lagen können aufgeschichtet werden. Die Walzrichtung muss normal oder orthogonal zur Pfadrichtung sein und darf bei kornorientiertem Blech um max. ±1° und bei nicht kornorientiertem Blech ±5° von der Pfadrichtung abweichen. Abb. 9: Epsteinrahmen der Fa. Brockhaus Messtechnik 5.1 Weichmagnetische Messtechnik 195 <?page no="202"?> Abb. 10: Überlappende Schichtung der Bleche im Epsteinrahmen lm: Länge des magnetischen Pfades: 0,94m N1: Windungszahl Primärwindung N2: Windungszahl Sekundärwick‐ lung - Abb. 11: Aufbau eines Epsteinrahmens Die Anzahl der eingelegten Streifen definiert die Induktivität der Primär‐ spule und somit die benötigte Leistung, um das benötigte H-Feld bei der benötigten Frequenz zu erzeugen. Die magnetische Pfadlänge lm ist abhängig vom Sättigungsgrad der Streifen. Per Definition ist sie 940-mm. Über die Windungszahlen von Primär- und Sekundärwicklungen können die Leistungsanpassungen des Rahmens so vorgenommen werden, dass sie zur Messung bei entweder hohen Feldstärken oder hohen Frequenzen optimiert sind. Manche Epsteinrahmen verfügen daher über umschaltbare Windungszahlen. Vorteile Epsteinrahmen: • Basis für Kalibrierungen • Hohe Reproduzierbarkeit: <-2-% bei verschiedenen Herstellern 196 5 Magnetische Messtechnik <?page no="203"?> Nachteile Epsteinrahmen: • Aufwändig zu Bestücken • Einfluss durch Schnittkanten, falls die Bleche nach dem Zuschnitt nicht weichgeglüht werden • Pfadlänge lm ist abhängig von der Sättigung und daher nicht konstant Single Sheet Tester (SST) Anwendbare Norm: IEC 60404-3 Im Tafelmessgerät (Single Sheet Tester) werden Bleche der Größe 500 mm x 500 mm vermessen. Andere Größen zu vermessen ist mit entsprechend gebauten Testern ebenfalls möglich aber nicht genau nach Norm. Abb. 12: Tafelmessgerät (Single Sheet Tester) nach IEC60404-3 (Brockhaus Messtechnik) Abb. 13: Prinzip Single Sheet Tester 5.1 Weichmagnetische Messtechnik 197 <?page no="204"?> Nach der Norm (IEC 60404-3, 2010-05) werden Bleche der Größe 500-mm x 500 mm benötigt. Solche Proben lassen sich einfach von Blechrollen (Coils) schneiden. Es gibt auch SST, welche dünnere Streifen testen, beispielsweise einzelne Epstein-Streifen. Anders als beim Epsteinrahmen ist der Einfluss der Schnittkanten geringer, da diese im Verhältnis zum Blechvolumen kleiner werden. Vorteile SST: • Hohe Reproduzierbarkeit: <-2-% bei verschiedenen Herstellern • Einfache Bereitstellung der Proben Nachteile SST: • Andere Ergebnisse im Vergleich zum Epsteinrahmen (aufgrund der Veränderten Pfadlänge bei höherer Polarisation) • Aufwändiges und daher teures Spulensystem Abweichungen Epsteinrahmen - Single-Sheet-Tester Es ist bekannt, dass Epsteinrahmen und Single-Sheet-Tester zueinander nicht immer korrelieren. Johannes Sievert (Sievert, 2000) hat die relative Abweichung ẟP zwischen SST und EPS bei verschiedenen Stahl-Sorten untersucht. Diese zeigen eine starke Abhängigkeit der Materialsorte auf. Dennoch lässt sich erkennen, dass die Abweichungen bei hohen Polarisationswerten zunehmen. Er schlägt daher eine Anpassung der Pfadlänge beim Epsteinrahmen vor, welche die erhöhte Sättigung in den 90°-Kurven des Epsteinrahmens kompensieren soll. Zudem wird vermutet, dass Spannungen im Kristallgefüge zu den Abwei‐ chungen führen. Auf Basis dieser Erkenntnisse ist in der Norm (IEC 60404-3, 2010-05) eine Abweichung in Bezug auf die Verlustleistung beschrieben. Statortester / Ringkerntester Der Statortester basiert auf den Betrachtungen eines Ringkerntesters. Beim Ringkerntester wird ein Ringkern gleichmäßig mit einer Sekundär- und Primärwicklung umwickelt. 198 5 Magnetische Messtechnik <?page no="205"?> Bedingungen an den Ringkern: • Geschlossener Ring (ohne Luftspalt) • Außen / Innendurchmesser max. 1,4 Abb. 14: Ringkern Während die Qualität des Bleches bereits beim Lieferanten oder im Waren‐ eingang überwacht werden kann, ist die Qualität des Statorblechpaketes durch neue Fehlerquellen gefährdet: Stanzen: Scharfe neue Stanzwerkzeuge formen einen kleinen Bereich der Verformung im Stahl und somit auch geringe Spannungen im Gefüge. Da sie jedoch einer Abnutzung unterliegen, ergeben sich mit der Zeit größere Spannun‐ gen, welche einerseits in den Randbereichen größere Hystereseverluste und geringere Polarisation zur Folge haben und andererseits häufig zur Durchtrennung der Lackisolation zwischen den Lamellen führen. Paketieren: An scharfen Stanzgraten kommt es zu Kurzschlüssen zwischen den Lamel‐ len. Diese haben einen sehr großen Einfluss auf die Verlustleistungen in Motoren und führen reihenweise zu Ausfällen beim EOL-Test, wenn die Stanzwerkzeuge gealtert sind. 5.1 Weichmagnetische Messtechnik 199 <?page no="206"?> Einhausen: Aufgrund des Einbaus eines Blechpakets in ein Gehäuse kann es zu Span‐ nungen in den Blechen kommen. Druckkräfte auf die Bleche wirken sich negativ aus. Häufig bestehen fertige Statorblechpakete aus einer hohen Anzahl von Blechen. Große Blechmengen lassen sich aber mit normalen Stromverstärkern, wie z. B. die eines Epsteinrahmens, nur schwach polarisieren. Somit beschränkt sich die Messung im Statortester eher auf die elektrischen Verluste. Abb. 15: Verluste zweier verschiedener Statoren (gestrichelt bzw. durchgängige Linien): ■ Gesamte Verluste, x=Hystereseverluste, ▲=Wirbelstromverluste Quelle: (Brockhaus Messtechnik) Hier sehen wir eine große Abweichung der Wirbelstromverluste bei kon‐ stanten Hystereseverlusten. Dies ist ein typischer Ausfall verursacht von Kurzschlüssen im Lamellenpaket. 200 5 Magnetische Messtechnik <?page no="207"?> Abb. 16: Statortester für 100-%-Prüfung der Fa. Brockhaus Messtechnik Testdauer: 2-3 Sekunden Voll automatisiert, kann in Fertigungslinie integriert werden Gekoppelt an Datenbank Bei dem dargestellten Tester schließen sich die Spulen über ein Steckersys‐ tem zusammen. Franklin-Tester: Wie aus dem vorigen Kapitel ersichtlich, spielt die Blechisolation eine wichtige Rolle. Die Isolierung kann beim Lieferanten oder im Wareneingang normiert getestet werden (IEC 60404-11, 2013). Abb. 17: einseitiger Franklin-Tester (Fa. Brockhaus Messtechnik) Zwei Test-Bohrer kontaktieren das Blech elektrisch. Zusätzlich werden 10 Test-Köpfe mit einer definierten Kraft einzeln auf das Blech gedrückt. 5.1 Weichmagnetische Messtechnik 201 <?page no="208"?> An den Test-Köpfen wird eine Prüfspannung von 0,5 V angelegt. Ein Isolationsfehler in der Lackschicht der Bleche wird durch den Einbruch dieser Prüfspannung detektiert. Franklin Tester können fest montiert im Labor genutzt werden. Dabei wird das Blech unter den Kontakten manuell an unterschiedlichen Stellen getestet. Dieser Test ist automatisierbar. Dabei bewegen sich die Test-Köpfe ent‐ lang eines Blechstreifens und testen verschiedene Positionen. Eine gleichzeitige Prüfung der Ober- und der Unterseite ist ebenfalls möglich. 5.2 Hartmagnetische Messtechnik Bei der Messung von hartmagnetischen Werkstoffen stehen nicht die Ver‐ luste, sondern die Magnetisierung und ihre Stabilität im Vordergrund. Abb. 18: Hystereseschleife eines hartmagnetischen Werkstoffes Die folgenden Fehlerbilder sollen durch die Messtechnik erkannt werden: • Zu geringe oder falsch dimensionierte magnetische Wirkung: Diese hängt von der Magnetisierung und dem Magnetvolumen ab. Als Zielgröße wird dabei häufig die Remanenz B r definiert. B r ist der Wert der Hysteresekurve bei H =0 A/ m und entspricht dem Wert J r . Die gemessene Flussdichte oder Polarisation lässt sich bei einfachen Geometrien auf diesen Punkt zurück rechnen. 202 5 Magnetische Messtechnik <?page no="209"?> • Irreversible Entmagnetisierung bei Belastung des Magneten: Bei Motoren ist das ein wichtiges Kriterium der Kurzschlussfestigkeit. Als Messgröße dient dabei die (intrinsische) Koerzitivfeldstärke der Polarisation H cJ bzw. die gesamte Entmagnetisierungskurve • Falsches Temperaturverhalten in Bezug auf B r und H cJ • Falscher Winkel der Magnetisierrichtung • Fehlender Magnet (oder Teil davon) • Falsche Magnetisierungsgeometrie Zur genauen Ermittlung der Hysteresekurve und somit aller relevanten Messwerte ist ein recht aufwändiges Verfahren notwendig. Dafür müssen die Magnete einzeln in einen Hysteresegraphen eingelegt werden. Ggf. müs‐ sen die Magnete zuvor in eine vorgegebene geometrische Form gebracht und temperiert werden. Magnete, welche in einem Joch-Hysteresegraphen vermessen wurden, sind ggf. aufgrund ihrer Entmagnetisierung für die vorgesehene Anwendung unbrauchbar. Abbildung 19 zeigt den zweiten Quadranten der Hystereseschleife. Dieser Quadrant wird typischerweise in Werkstoffangaben dargestellt, da er den Magneten im normalen Belastungsfall charakterisiert. Abb. 19: Kurvenschar der Entmagnetisierungskurven bei verschiedenen Temperaturen. Quelle: Bomatec Produktdatenblatt BMN-33UH, 2019 5.2 Hartmagnetische Messtechnik 203 <?page no="210"?> 5.2.1 Arbeitspunktbezogene Messungen Die einfachste Form der Messung von Magneten ist, sie in dem Zustand zu untersuchen, in welchem sie verbaut oder verfügbar sind. Man kann u. U. in Kauf nehmen, dass andere Einflussgrößen des Magnetsystems (z. B. Dicke des Luftspalts, Magnetvolumen, Lage des Arbeitspunktes) in das Ergebnis mit eingehen. Dabei wird allerdings nur ein Punkt auf der Entmagnetisierkurve ermittelt. Je nach Geometrie des Magnetsystems, in dem der Magnet eingebaut ist, nimmt er einen Arbeits‐ punkt auf seiner Hysteresekurve ungleich B r ein. Die Verbindung dieses Arbeitspunktes mit dem Achsenursprung nennt man Scherungsgerade. Die Steigung der Scherungsgeraden wird mit dem Permeanz Koeffizienten P c angegeben. P c = B d H d - Abb. 20: Die Linie zum Permeanz Koeffizient Pc stellt die Scherungsgerade dar. (Parker, 1990) Befindet sich der Magnet in Luft, lässt sich P c aus der geometrischen Form des Magneten ermitteln. 5.2.2 Messungen mit dem Fluxmeter Das Fluxmeter ist wohl das universellste magnetische Messmittel. Es misst die Veränderung des magnetischen Flusses durch eine Spule. Je nach Bau‐ form der Spule lassen sich sehr unterschiedliche magnetische Messgrößen ermitteln. 204 5 Magnetische Messtechnik <?page no="211"?> Φ = − ∫U ind dt + Φ 0 Der Zusammenhang des magnetischen Flusses durch eine Spule mit der induzierten Spannung an den Spulenanschlüssen ist durch das Induktions‐ gesetz beschrieben. Wird die Induktionsspannung über die Zeit integriert, so ergibt sich die Änderung des magnetischen Flusses ΔΦ = Φ − Φ 0 . Das Fluxmeter ist also ein Integrator der Eingangsspannung über die Zeit. Die Integration kann digital durch Aufsummierung der Eingangsspannun‐ gen geschehen oder durch analoge Integratoren. Je nach Signalfrequenz können die Eingangssignale eine sehr weite Bandbreite von nV bis zu kV aufweisen. Das begünstigt eine Verwendung eines analogen Integrators. Dagegen ist ein digitaler Integrator zur Analyse des Eingangssignals besser geeignet, um Störgrößen zu filtern. Abb. 21: Analoger Integrator Generell wird immer die Änderung des magnetischen Flusses ΔΦ einer Spule gemessen. ΔΦ bezieht sich auf den Referenzwert Φ 0 . Dieser Refe‐ renzwert wird durch den Benutzer zu 0 gesetzt, wenn der Fluss in der Spule einem Referenzwert entspricht. Das kann z.-B. sein, wenn der Fluss in der Spule annähernd 0Vs beträgt, oder sich ein Magnet mittig in der Spule befindet. Danach wird die Änderung des magnetischen Flusses in der Spule gemes‐ sen. 5.2 Hartmagnetische Messtechnik 205 <?page no="212"?> Messgrößen des Fluxmeters: Messgröße Zeichen Einheit (SI) Einheit (CGS) Messspulen Magnetischer Fluss F Vs Wb (Weber) Mw (Maxwell) Luft-Umspulen, Spulen um magne‐ tische Leiter, angepasste, mehr‐ polige Spulen Flussdichte B T (Tesla) Vs/ m² G (Gauß) Punktmesspulen Feldstärke H A/ m Oe (Oersted) Punktmesspulen Moment m, m Am² Helmholtzspulen Dipolmoment - j, j - j =µ 0 * m Vsm Helmholtzspulen Magnetisches Potential F m A Gilbert Potentialspulen Messung des magnetischen Flusses: Die Flussmessung ist die ursprüngliche Funktion des Fluxmeters. Der Fluss durch eine Spule kann als Messgröße interessant sein, wenn die Geometrie der Messanordnung bestimmt ist. Beispielsweise interessiert der magneti‐ sche Fluss eines Antriebmagneten für Festplatten-Leseköpfe (VCM-Magnet) durch eine Messspule mit einer dem Magneten angepassten Form in einem definierten Abstand zum Magneten. Dieser Magnet hat zwei Pole, welche mit invertiert verschalteten Messspulenhälften erfasst, werden: Abb. 22: VCM-Magnet 2-polig axial 206 5 Magnetische Messtechnik <?page no="213"?> Abb. 23: Umspulen für VCM-Magnete Φ = − 1 N ∫U dt mit N = Windungszahl Die Einheit des Flusses ist Vs, Wb oder Maxwell 1 Vs = 1Wb = 10 8 Mx Die Messung des magnetischen Flusses eines Magnetkreises wird exempla‐ risch im Kapitel 3.1.3 beschrieben, wo der Fluss durch die weichmagnetische Materialprobe gemessen werden muss. Gesamtflussmessung von Rotoren im Magnetisierprozess: Es ist problemlos möglich, in einer eisenbehafteten Magnetisierspule für mehrpolige Rotoren neben der Magnetisierwicklung auch eine Messwick‐ lung zu integrieren. Die Messwicklung ist aufgrund der Flussleitung des umgebenden Stahlpaketes magnetisch gekoppelt, aber elektrisch isoliert von der Magnetisierwicklung. Sie ist an ein Fluxmeter angeschlossen. Der Messablauf ist wie folgt: 1. Ein unmagnetisierter Rotor wird in die Magnetisierspule eingesetzt. 2. Durch einen Impulsstrom in der Magnetisierspule werden die Magnete magnetisiert. 3. Wissend, dass nun der gesamte magnetische Fluss die Spule durchflutet, wird das Fluxmeter auf 0 zurückgesetzt. 4. Der Rotor wird aus der Spule entnommen. Dabei ergibt sich so lange eine Flussänderung, bis der Rotor keinen Einfluss mehr auf die Durchflutung der Spule nimmt. 5. Dann wird der Messwert ausgewertet. 5.2 Hartmagnetische Messtechnik 207 <?page no="214"?> Abb. 24: Flusslinien während Magnetisierung; es fließen ca. 50-kA Abb. 25: Flusslinien nach Magnetisierung; es fließt kein Strom Mit diesem Verfahren wird der Gesamtfluss eines Rotors ermittelt. Ein geringer Nebenfluss verläuft vor der Messspule als Kurzschluss. Dieser Teil wird nicht mitgemessen. Er entspricht annähernd einer Kon‐ stante, welche dünne Stahl-Stege sättigt und dann nicht weiter ansteigt. Der Gesamtfluss ist ein Maß für den Rotor-abhängigen Anteil zur Amplitude der EMK des Rotors bei konstanter Drehzahl. Die Magnetisierung der Blechpakete der Magnetisierspule und des Rotors hält sich aufgrund der guten magnetischen Leitung nach der Magnetisierung recht stabil. Sie überlagert sich der Messung der Magnete. Nach der Ent‐ nahme des Rotors bricht sie aufgrund der Unterbrechung des Magnetkreises zusammen. Daher ist der Messwert eines vorher magnetisierten Rotors, 208 5 Magnetische Messtechnik <?page no="215"?> welcher in die Messspule eingesetzt wird, aber nicht nochmals magnetisiert wird, um den Anteil der Magnetisierung des Stahls geringer. Für eine Vergleichbarkeit der Messwerte ist die Stahlmagnetisierung als Konstante diesem Messwert hinzuzurechnen. Es wird häufig genutzt für: • Überprüfung des Magnetisierungs-Prozesses • Überprüfung der Magnetqualität - da der Gesamtfluss als einzelner Wert ermittelt wird, ist die Relevanz für Einzelmagnete nur bei geringer Anzahl Magnete gut. I. d. R. sind die Toleranzen der Einzelmagnete so groß, dass bei ca. < 16 Magneten gerade noch erkannt werden kann, ob alle Magnete bestückt wurden. Messung mit Punktmessspulen: Zur Bestimmung der mittleren Flussdichte innerhalb einer Spule wird der magnetische Fluss durch die Spulenfläche A gesamt =n*A (n= Windungszahl) dividiert. B = Φ A gesamt Die Flussdichte B wird in Tesla oder Gauß angegeben. 1T =10 4 G H = Φ μ • A gesamt Die Feldstärke H wird in A/ m oder Örsted angegeben. 1A/ m = 4π 10 -3 Oe Wird die Fläche der Spule minimiert, so ergibt sich eine höhere örtliche Auflösung der Flussdichte in inhomogenen Feldern. Allerdings muss für sehr kleine Spulendurchmesser die Signalstärke durch mehr Windungen verbessert werden. Abb. 26: Transversale Punktmessspule mit einer Fläche A gesamt von 100-cm² 5.2 Hartmagnetische Messtechnik 209 <?page no="216"?> Messungen mit einer Helmholtzspule Das magnetische Dipolmoment j ist ein Maß dafür, wie groß das Drehmo‐ ment M eines Magneten in einem homogenen Magnetfeld B ist: M⃗ = µ 0 * j⃗ × B⃗ Die Helmholtzspule dient zur Messung des magnetischen Dipolmomentes. Sie setzt sich aus zwei baugleichen Spulen zusammen, welche im Abstand des halben Spulendurchmessers übereinanderstehen. Dadurch ergibt sich bei Bestromung der Spule im Innern ein recht großer Bereich mit einem sehr homogenen Feld. Wird die Helmholtzspule dagegen an ein Fluxmeter angeschlossen, ergibt sich eine große Lagetoleranz des Magneten in der Spule: Abb. 27: Magnet in Helmholtzspule und homogener Bereich mit einer maximalen Inhomo‐ genität von ±0,5-% Das Messverfahren mit einer Helmholtzspule ist normiert (IEC 60404-14, 2002). 1. Ein Dipol-Magnet wird so weit außerhalb der Helmholtzspule platziert, dass er keinen störenden Einfluss auf den Fluss durch die Spule mehr ausübt. Hilfreich ist dabei, die Magnetachse senkrecht zum Abstands‐ vektor Magnet-Spule zu halten. Das Fluxmeter wird zurückgesetzt. 2. Ein Dipol-Magnet (axial gerichteter Nord-Süd-Pol) wird ausgerichtet in den homogenen Bereich (s.-u.) der Helmholtzspule geführt. 3. Ablesen des Messwertes in Vsm am Fluxmeter 210 5 Magnetische Messtechnik <?page no="217"?> Alternativ kann der Magnet vor dem Rücksetzen des Fluxmeters in die Spule gehalten werden und danach um 180° umgedreht werden. Dabei wird der doppelte Messwert aufgenommen. Weichmagnetische Materialien in der Nähe der Spule erhöhen den ma‐ gnetischen Fluss durch die Helmholtzspule und verfälschen die Messung. Deshalb sollte im Bereich von 5*Durchmesser der Spule kein weichmagne‐ tisches Material platziert werden. Das magnetische Dipolmoment ist ein Maß für die Polarisation und das Volumen eines Magneten. Hinzu kommt ein Einfluss des Arbeitspunktes, in dem der Magnet sich befindet. Da hier in Luft gemessen wird, hängt dieser von der Magnetgeometrie und seiner permanenten Permeabilität µ rec ab. Das Dipolmoment ist eine vektorielle Größe, welche in die Richtung der Polarisation weist. Eindimensionale Helmholtzspulen nehmen die axiale Komponente des Dipolmomentes auf. Der Magnet muss also ausgerichtet in die Spule eingebracht werden. In einer eindimensionalen Helmholtzspule ist das magnetische Dipolmo‐ ment j: j = Φ k M μ 0 = ∭ J z dv Bzw. das magnetische Moment m: m = Φ k M = ∭M z dv Magnetischer Fluss φ Kalibrierfaktor der Helmholtzspule k M Feldkonstante µ 0 Die Einheit des magnetischen Dipolmomentes j ist Vsm Die Einheit des magnetischen Momentes m ist Am² Da in einer Helmholtzspule der Magnet in Luft gemessen wird, kann das magnetische Dipolmoment j durch Division mit µ 0 zu magnetischen Moment m umgerechnet werden. 5.2 Hartmagnetische Messtechnik 211 <?page no="218"?> 1 Vsm = µ 0 Am 2 = 4π10 −7 V s Am Am 2 Beide Angaben sind gebräuchlich. Der Versuch, aus dem Dipolmoment auf andere Größen der Hysterese‐ schleife zurückzuschließen, ist bedingt nützlich. Es müssen dazu einige Annahmen getroffen werden: 1. Das Volumen V des Magneten muss bekannt sein. Es kann über die Dichte und eine nicht magnetische Waage gemessen werden. 2. Der Permeanz-Koeffizient P c des Magneten muss ermittelt werden. Dazu gibt es einige Literatur, z. B. (Parker, 1990) sowie (Arnold Magnet‐ ics, 2015). Über die Magnetsorte und Magnetgeometrie kann ein Perme‐ anz-Koeffizient bestimmt werden, welcher ein gutes Mittelmaß über die im Magneten stark variierenden Gegenfeldbelastungen darstellt. Der P c wird als Belastungslinie bezeichnet und entspricht dem Quotienten B/ H eines Wertes auf der B(H)-Kurve. 3. Die Magnetsorte gibt ein Maß für die permanente Permeabilität (recoil permeability) µ rec vor. 4. Diese kann den meisten Magnet-Datenblättern entnommen werden. Abb. 28: Scherungsgerade Pc, Arbeitspunkt Hd Das Dipolmoment j entspricht über das Volumen gemittelt J d *V. J d ist nur nahe an B r . Um B r zu errechnen, muss Das Dipolmoment j durch das Volumen V dividiert werden. Zudem muss noch der Anstieg µ rec von J(H d ) bis H=0 hinzugerechnet werden. Das ist der Teil der Polarisation, welcher durch die Eigenfeldbelastung (Scherung) verringert ist. 212 5 Magnetische Messtechnik <?page no="219"?> Die Remanenz B r lässt sich dann wie folgt berechnen: B r = J d µ r ec + P c 1 + P c = Φ k M μ 0 V µ r ec + P c 1 + P c Abb. 29: Helmholtzspule mit Ø160-mm (M-Pulse) 3-dimensionale Helmholtzspule: Mit der eindimensionalen Helmholtzspule wird nur der axiale Anteil des Dipolmomentvektors gemessen. Es gibt häufig den Bedarf, die Abweichung der Magnetisierungsrichtung von der vorgegebenen Richtung zu messen. Ebenso kann ein schief zu seiner Grundfläche magnetisierter Magnet in seiner Richtung vermessen werden. Das geschieht mit einer dreidimensio‐ nalen Helmholtzspule. Das magnetische Dipolmoment als Vektor, der in die Magnetisierrichtung des Magneten weist, wird wie folgt berechnet: m = Φ k M = ∭M dv j = Φ k M μ 0 = ∭ J dv 5.2 Hartmagnetische Messtechnik 213 <?page no="220"?> Abb. 30: Dreidimensionale Helmholtzspule mit Ø120mm (M-Pulse) Zur Messung muss der Magnet auf einer Teilaufnahme präzise ausgerichtet in die Spule eingeführt werden. Ist die Spule ideal aufgebaut, ergibt sich der Vektor direkt aus den drei Flussmesswerten. Anderenfalls ist eine Koordinatentransformation zur Korrektur kleiner Achsversätze zwischen Spulenachse und Raumkoordinate erforderlich. Im Fluxmeter wird der Vektor oder die richtungsunabhängige Vektor‐ länge berechnet. Zusätzlich wird der Winkel zwischen dem Dipolvektor und der z-Achse berechnet und ausgewertet. Diese wird häufig benötigt, um Fehler im Magnetisierungswinkel bei Blockmagneten festzustellen. Messungen mit der Potentialspule Die Potentialspule misst die Veränderung des Betrages des magnetischen Skalarpotentials θ zwischen zwei Punkten. Die Potentialmessspule ist eine sehr dünne stabförmige Spule mit homogener, dichter Bewicklung. Damit wird die Differenz des magnetischen Skalarpotentials vom Anfang der Spule zum Ende der Spule ermittelt. Setzt man beim Zurücksetzen des Fluxmeters die gesamte Spule in einen Feldfreien Raum θ = 0A, so erhält man beim Heranführen der Spulenspitze die Potentialabweichung an einem Feldpunkt mit θ < > 0A, wenn das Ende im Feldfreien Raum bleibt. 214 5 Magnetische Messtechnik <?page no="221"?> Abb. 31: Potentialspule im Streufeld In strom- und magnetfreien Gebieten gilt für das magnetische Skalarpoten‐ tial θ: θ = ∫ s H d s + θ 0 Die Spulenspitze ist am Messpunkt anzubringen, während das Spulenende das Referenzpotential θ 0 angibt. Die Spule muss daher ausreichend lang sein, damit θ 0 im feldfreien Raum liegt, und somit während der Messung konstant bleibt. Anwendung: • Ermittlung des magnetischen Potentials an Magnetsystemen, Magneten etc. • Berechnung der Feldstärke zwischen zwei Punkten H = θ 1 − θ 0 d mit d-=-Abstand 5.2.3 Messungen mit einem Magnetometer Magnetometer werden auch Gaußmeter oder Teslameter genannt. Sie messen die Flussdichte oder die Feldstärke. Auch das Fluxmeter kann wie erwähnt als 5.2 Hartmagnetische Messtechnik 215 <?page no="222"?> Flussdichte- oder Feldstärkemessgerät genutzt werden. Darüber hinaus gibt es noch weitere Möglichkeiten, die magnetische Feldstärke zu erfassen. Hall-Messgerät Der gebräuchlichste Sensor ist wohl der Hall-Sensor. Dieser basiert auf dem Hall-Effekt. Der Hall-Effekt beruht auf der Lorentzkraft, welche fließende Ladungsträger in einem magnetischen Feld erfahren. In einer Hall-Sonde werden Elektronen durch einen Halbleiter bewegt (ein konstanter Strom wird eingeprägt). Durch die Lorentzkraft, welche auf die bewegten Ladungsträger wirkt, wird eine Spannung an den Querseiten erzeugt. Diese Spannung ist ein Maß für die magnetische Feldstärke. Abb. 32: Hall-Effekt Abb. 33: Gaußmeter der Fa. Brockhaus Messtechnik 216 5 Magnetische Messtechnik <?page no="223"?> Das Gaußmeter hat gegenüber dem Fluxmeter die folgenden Vorteile: • Der Hallverstärker ist kein Integrator. Damit ist er driftfrei. Langzeit‐ messungen sind somit problemlos möglich. • Die Sonde kann sehr klein sein. Dadurch kann eine hohe räumliche Messauflösung bei großen Feldgradienten erzielt werden. • Auch 3D-Sonden sind in einem kleinen Volumen integrierbar. Der Feldstärkevektor kann an einem Punkt mit einem Durchmesser von ca. 100-µm aufgenommen werden. • Auch sehr kleine Feldstärken können mit entsprechenden Sonden prä‐ zise gemessen werden. Nachteile: • Die Linearität ist abhängig von der Sonde und muss korrigiert werden. • Die maximal messbare Flussdichte ist begrenzt. Gängige Sonden gibt es bis 20-mT, 200-mT, 2-T, 10-T • Hall-Sonden weisen eine Temperaturabhängigkeit auf, welche kompen‐ siert werden muss. • Die Sondenanschlüsse sind in Wechselfeldern einer Induktionsspan‐ nung ausgesetzt, welche einen Fehleranteil der Messung überlagert. Daher müssen die Anschlüsse möglichst gut verdrillt sein. Weitere Magnetometer Magnetoresistive (AMR-, GMR-) Sensoren: Die Änderung des elektrischen Widerstandes einer sehr dünnen Schicht aus einem ferromagnetischen Material (z. B. Permalloy) bei Änderung des anliegenden Magnetfeldes lässt sich messtechnisch auswerten. Fluxgate-Magnetometer: Das Fluxgate-Magnetometer basiert auf einem induktiven Messverfahren der Sättigungspunkte gegenläufig bewickelter Spulenkerne. Eine sekundäre Spule nimmt die Verschiebung der Sättigungspunkte auf und kann dadurch äußerst geringe Flussdichten im Bereich von 0,1 nT bis 1 mT detektieren. Sie werden z.-B. in Smartphones als Kompass verwendet. NMR-Magnetometer: 5.2 Hartmagnetische Messtechnik 217 <?page no="224"?> Dieses Messgerät beruht auf der Kernspinresonanz einer Probe aus Atomen mit magnetischem Dipol. Die Dipole werden zur Resonanz-Schwingung (Larmor-Frequenz) erregt. Die Larmor-Frequenz ist sehr präzise und aus‐ schließlich von einem äußeren Magnetfeld abhängig. Das NMR-Magneto‐ meter ist das genaueste Messgerät für konstante und homogene Magnetfel‐ der am Markt. Es löst Felder zwischen 20 mT und 20 T mit 0,01 ppm bzw. min. 0,5 µT auf. Aufgrund seiner Unabhängigkeit von Temperatureinflüssen und anderen Störgrößen, wird es in vielen Laboren für Referenzmessungen genutzt. 5.2.4 Messung der Feldverteilung eines Magnetsystems Häufig möchte man die Verteilung des Magnetfeldes in einem ganzen Bereich um ein Magnetsystem messen. Viele Messysteme werden dazu angeboten, welche eine Sonde entlang der Magnetoberfläche führen. Kartesische Systeme sowie zylindrische Systeme werden verwendet, um Magnetblöcke, Magnetsysteme oder Rotoren zu vermessen. Rotatorische Systeme werden verwendet, um magnetisierte Rotoren zu vermessen: Abb. 34: Rotorscan (M-Pulse) Es gibt viele verschiedene Messauswertungsmöglichkeiten. Unter anderen: • Polbreiten • Gesamtfluss eines Poles, Gesamtfluss aller Pole • FFT über eine Kurve zur Ermittlung von Oberwellen • Ermittlung der Polschrägung • Auffindung fehlender oder schwach magnetisierter Magnete • Auffindung von Fehlstellen in Magneten (bei Oberflächenmagneten) 218 5 Magnetische Messtechnik <?page no="225"?> Abb. 35: Feldverlauf entlang eines 10-poligen Rotors Eine schnellere Methode, Magnetblöcke an ihrer Oberfläche zu vermessen, ist die Nutzung eines 2-dimensionalen Hall-Arrays. Mit einem solchen Sensor kann die Feldstärke in der Fläche des Arrays „fotografiert“ werden. Die Firma MagCam hat einen Chip mit 16384-Pixel-Array von 3D-Hall-Sensoren entwickelt. Die Fläche des Chips hat eine Größe von 12,7-mm x 12,7-mm. Damit lässt sich die Feldverteilung von kleinen flachen Magneten sehr schnell und präzise vermessen. Eingesetzt in einen Scanroboter lassen sich auch große Magnetsysteme vermessen. Abb. 36: Feldkamera der Firma MacCam 5.2 Hartmagnetische Messtechnik 219 <?page no="226"?> Abb. 37: 2D-Darstellung der Feldverteilung eines 6-pol Magneten; Quelle: MagCam Erwähnenswert ist, dass nach der vollständigen 3-dimensionalen Bestim‐ mung des Magnetfeldes über den kompletten Magneten der weitere Feld‐ verlauf mit größerem oder kleinerem Abstand berechnet werden kann. Dabei wird angenommen, dass kein magnetisierbares Material im Raum vorhanden ist. Das ermöglicht eine sehr schnelle und umfassende Bewertung z. B. des Streufeldes eines Sensormagneten. 5.2.5 Messung der gesamten Hysteresekurve Zur Messung der gesamten Hysteresekurve wird ein Magnet mit einer variierenden Feldstärke beaufschlagt. Dabei wird die sich verändernde Polarisation gemessen und aufgezeichnet. Es sind die folgenden Geräte verfügbar: • Jochhysteresegraph (Hystograph, Permagraph) - Normiert durch IEC 60404-5 • Pulse Field Magnetometer - Vornorm IEC 62331: 2003 (PFM) • (SQUID-) Vibration Sample Magnetometer (VSM) Hysteresegraph entspr. IEC 60404-5 Der Hysteresegraph mit einem Stahljoch ist nach (IEC 60404-5) normiert. 220 5 Magnetische Messtechnik <?page no="227"?> Den Kern dieser Methode bildet ein weichmagnetisches Joch, welches mit einer DC-Spule magnetisiert wird. Abb. 38: Aufbau des Hysteresegraphen Der Magnet (Prüfling) wird in den Luftspalt des Joches eingespannt. Dafür ist der obere Joch-Stempel vertikal verfahrbar. Abb. 39: Magnetjoch eines Hystographen HG200 (Brockhaus Messtechnik) 5.2 Hartmagnetische Messtechnik 221 <?page no="228"?> Zur Messung wird der Magnet im Vorfeld in einem Magnetisiergerät voll in Sättigung getrieben. Dann wird er auf den unteren Polschuh aufgelegt. Um den Magneten wird eine Umspule gelegt, welche die Magnetisierung (Polarisation) des Magneten aufnimmt. Für die direkte Messung der Pola‐ risation J(H) anstelle der Flussdichte B(H) wird der Luftfluss abgezogen. Dafür beinhaltet die Umspule eine Kompensationswindung. Diese Kompen‐ sationswicklung kann zugleich zur Messung des (äußeren) H-Feldes mit genutzt werden. Die Umspule sollte möglichst dicht am Magneten anliegen, damit kleine Inhomogenität der Feldstärke im Luftspalt nicht ins Gewicht fallen. Daher gibt es sie in verschiedenen Größen. Abb. 40: Umspulen Aus der Entmagnetisierungskurve werden die folgenden Kennwerte ermittelt: Abb. 41: Kennwerte der Entmagnetisierungskurve 222 5 Magnetische Messtechnik <?page no="229"?> Br: Remanenz HcB: Koerzitivfeldstärke HcJ: Intrinsische Koerzitivfeldstärke BHmax: Max. Energieprodukt des Magneten Ha, Hb: H und B im Punkt BHmax Hknee: H bei 90-% Br HD5: alternative Definition der Kniefeldstärke Abb. 42: Hystereseschleife eines Ferrit-Magneten Da Magnete einen starken Temperaturgang in den Kennwerten aufweisen, ist es erforderlich, die Messungen bei verschiedenen Temperaturen durchzu‐ führen. Dazu können die Polschuhe ausgetauscht werden gegen Polschuhe mit eingebauter Heizung und thermischer Isolierung zum Joch. Damit lassen sich die Magnete auf bis zu 200-°C aufheizen. 5.2 Hartmagnetische Messtechnik 223 <?page no="230"?> Sättigung der Polschuhe: Selten-Erd-Magnete weisen hohe Remanenzwerte und auch hohe Koerzitiv‐ feldstärken auf. Allen Berechnungen dieses Verfahren liegt zugrunde, dass der Magnet durch das Joch vollständig kurzgeschlossen wird. Alle seine Flusslinien werden also durch das Joch zurückgeführt. Das ist bis zur einsetzenden Sättigung des Stahls an den Polschuhen der Fall. Polschuhe aus Stahl sättigen bei ca. 2-T. Bessere Polschuhe aus Kobalteisen sättigen erst bei 2,3-T. Darüber hinaus erfährt der Magnet zusätzlich ein Gegenfeld aus seiner eigenen Magnetisierung. Da die Feldstärke außerhalb des Magneten gemes‐ sen wird, ist die angegebene Koerzitivfeldstärke dann ein Minimalwert. Real kann er höher liegen, da sie im Magnet höher sein kann. Abb. 43: Feldstärke im Luftspalt bei 20-A liegt bei 1200-kA/ m Der Feldstärkeverlauf entlang der Line in Abbildung 39 zeigt aufgrund der Stahlsättigung der Polschuhe eine Überhöhung im Magneten ab 1700 kA/ m: Abb. 44: Sättigung der Polschuhe ab 1600-kA/ m verzerrt das Feld 224 5 Magnetische Messtechnik <?page no="231"?> Vorteile des Joch-Hysteresegraphen: • Genormtes Verfahren • Sehr präzise für Felder bis 1600-kA/ m • Messung ohne Entmagnetisierungsfaktor (geschlossenes System), daher präziser Verlauf der Entmagnetisierungskurve • Messung findet quasistatisch statt → wirbelstromfrei Nachteile: • Lange Messdauer • Magnete müssen flach sein oder Polschuhe müssen Magnetform auf‐ nehmen • Sättigung der Polschuhe beginnt bei H-=-1600-kA/ m. Messung der Hystereseschleife mit einem Impulshysteresegraphen Ein Impulshysteresegraph, oft auch Puls-Feld-Magnetometer (PFM) ge‐ nannt, ist dadurch charakterisiert, dass der Magnet in einer Luftspule gepulst magnetisiert und entmagnetisiert wird. Durch die Kürze des Magnetfeldpulses können weitaus höhere Feldstär‐ ken erzeugt werden, was bei Magneten mit hohen Koerzitivfeldstärken >1600-kA/ m wichtig ist. Die Pulsdauer beträgt einige Millisekunden. Sie ist ein Kompromiss aus minimaler Erwärmung der felderzeugenden Spule (kurzer Puls) und minimierten Einflüssen von Wirbelströmen in der zu messenden Probe (langer Puls). Der Umgang mit dem Einfluss der Wirbelströme wird im weiter unten beschrieben. Eine wesentliche Herausforderung bei der Verwendung eines PFM liegt darin, dass die Messung der Hysterese im magnetisch offenen Kreis ge‐ schieht. Die Probe wird in Luft vermessen und nicht in einem Stahljoch, wie beim oben beschriebenen Hysteresegraphen. Dadurch sind die gemessenen Magnetisierungswerte abhängig von der Scherung der Probe im jeweiligen Arbeitspunkt. Die gemessene Hysteresekurve muss um ihre lokalen Arbeits‐ punkte kompensiert werden. 5.2 Hartmagnetische Messtechnik 225 <?page no="232"?> Abb. 45: Aufbau Impulshysteresegraph Felderzeugung: Zur Felderzeugung wird ein Magnetisiergerät mit einer axialen Feldspule genutzt. Während beim Joch-Hysteresegraphen ein Selten-Erd-Magnet vor der Messung voll aufmagnetisiert werden muss, ist hier zum Aufmagneti‐ sieren ausreichend Feldstärke vorhanden. Bis zu 8000 kA/ m sind gängig. Um einen Magneten charakterisieren zu können, muss zusätzlich zum magnet‐ isierenden Feld ein ummagnetisierendes Feld angelegt werden, damit die magnetischen Eigenschaften im II. und III. Quadrant der Hysteresekurve beschrieben werden. Die Umpolung kann durch einfaches Umschwingen des Schwingkreises (1) realisiert werden oder durch Umpolung der Spule (2). 1. Schwingkreis: Es muss darauf geachtet werden, dass das ummagnetisierende Feld ausreichend hoch ist, um den Magneten vollständig umzupolen. Daraus resultiert ein übermäßig hohes Feld für die Magnetisierung. Jedoch kann kontinuierlich gemessen werden und es entfällt der Aufwand für eine Umpolung der Anlage. 2. Umpolung: Nach der Magnetisierung durch einen positiven Feldimpuls werden die Kondensatoren negativ aufgeladen. Die zweite Entladung erfolgt entspre‐ chend durch einen negativen Strom. Dieses Umschalten geschieht also als zeitlich getrennter Arbeitsschritt. Die Schwingung wird unterbrochen und damit verbunden die harmonischen Verläufe der Wirbelströme. 226 5 Magnetische Messtechnik <?page no="233"?> Treten beim Schwingkreis harmonische Einflüsse der Wirbelströme im Nulldurchgang der Feldstärke auf, so werden sie nun unterbrochen, was zu einer komplizierteren Bewertung der Scherung des Magneten führt. Vorteilhaft dagegen ist, dass durch die Nachladung der Kondensatoren die negative Halbwelle mit gleicher Amplitude wie die positive Halbwelle erzeugt wird. Die Magnetisierspule muss ein möglichst homogenes Feld erzeugen, damit im Magnetvolumen gleiche Bedingungen herrschen. Ferner sollte der Puls höchstens eine Frequenz von 50 Hz aufweisen, damit Wirbelströme im Magneten minimal ausfallen. Die Feldstärke sollte für Selten-Erd-Magnete bei min. 6000-kA/ m liegen, damit sie ummagnetisiert werden können. Abb. 46: Schaltungen für Impulsgeneratoren Entmagnetisierung durch Eigenfeld - Demagnetisierungsfaktor: Wie schon angesprochen, wird der Magnet im offenen Kreis gemessen und unterliegt damit der Scherung. Dementsprechend ist das angelegte Feld nicht äquivalent zur effektiven Feldstärke im Magneten, welche sich nun aus zwei Teilen zusammensetzt. H ef f = H app + H demag Dabei beschreibt der erste Feldanteil das angelegte „applied“ Feld und der demagnetisierende Feldanteil wird durch eine Konstante N (Demagnetisie‐ rungsfaktor) und der Magnetisierung des Magneten beschrieben. H demag = − N ⋅ M Die Größe des Demagnetisierungsfaktors hängt von der Magnetgeometrie ab und kann aus dem Scherungswinkel bestimmt werden. In Kapitel 3.2.2 5.2 Hartmagnetische Messtechnik 227 <?page no="234"?> wurde bereists der Permeanz Koeffizient P c beschrieben, welcher die Stei‐ gung B/ H der Scherungsgeraden angibt. Somit muss die gemessene Kurve J(H app ) um die Scherung des Magneten korrigiert werden, was zur endgültigen Kurve J(H eff ) führt. Die vereinfachte Annahme eines konstanten Demagnetisierungsfaktors gilt formal nur für Bereiche, in denen sich der magnetische Widerstand des Materials nicht verändert. In Bereichen, wo eine Änderung auftritt (Neukurve, Kniepunkt) kann es zu Fehlern in der Kurvenform kommen. Auch die Dynamik der Messspulen und die Integrationsmethode hat einen starken Einfluss auf die Kurvenform während der Aufmagnetisierung und ab dem Kniepunkt. Die Steigung d J dH in diesen Punkten ist so hoch, dass die Messspulen in der Lage sein müssen, die Polarisation ungedämpft zu erfas‐ sen. Als Integrationsmethode ist eine analoge Integration zu bevorzugen. Abb. 47: Korrektur der Scherung 228 5 Magnetische Messtechnik <?page no="235"?> Wirbelströme: Magnete sind elektrisch leitende Werkstoffe, setzt man diese einem zeitlich veränderlichen Feld aus, resultieren Wirbelströme. Diese Wirbelströme erzeugen wiederum ein zusätzlichen Polarisationsanteil, welcher mit gemes‐ sen wird. J Mess = J + J eddy Dabei ist der Wirbelstromanteil der Polarisation proportional zur zeitlichen Änderung der Flussdichte im Magneten multipliziert mit seiner Leitfähig‐ keit: J eddy ∼ − κ Mag ⋅ dB Mag dt Es liegt somit nah, die zeitliche Änderung der Flussdichte im Magneten möglichst gering zu halten, um den Einfluss der Wirbelstrompolarisation vernachlässigen zu können. So wird es auch in der Vornorm (IEC 62331: 2003) empfohlen und z.-B. von der Firma EMAJ (Electronic Materials Manufactu‐ rers Association of Japan) angewendet. Damit das gut funktioniert, sollte die Pulsfrequenz < 50 Hz und die Probe in ihrer Querschnittsfläche möglichst klein sein. Kompensierende Methoden nutzen aus, dass die eigentliche Polarisation und die Wirbelstrompolarisation nicht miteinander gekoppelt sind. So lässt sich z. B. mit zwei Messungen bei unterschiedlicher Frequenz, die Polarisa‐ tion auf den DC-Fall zurück extrapolieren (f/ 2f-Methode, J. Dudding, 2002). Oder man betrachtet die gemessene Kurve zu unterschiedlichen Zeiten t 1 &t 2 an einem Punkt hoher Sättigung bei gleichem angelegtem Feld. Setzt man nun voraus, dass zu diesen beiden Zeitpunkten die Polarisation gleich sein muss, lässt sich die Wirbelstrompolarisation einfach ermitteln. J eddy = − J Mess, 1 t 1 − J Mess, 2 t 2 dH app, P 1 t 1 − dH app, P 1 t2 ⋅ dH app 5.2 Hartmagnetische Messtechnik 229 <?page no="236"?> Abb. 48: Wirbelstromkorrektur Vorteile des Impulshysteresegraphen: • Theoretisch alle Magnetgrößen und Formen messbar • Keine Vormagnetisierung nötig • Auch Magnete mit hoher Koerzitivfeldstärke können vermessen werden • Hohe Messgeschwindigkeiten können realisiert werden • Der Impulshysteresegraph kann automatisiert in Fertigungslinie inte‐ griert werden. 230 5 Magnetische Messtechnik <?page no="237"?> Nachteile: • Die Kurvenform wird nicht realgetreu gemessen und muss ggf. mit komplexen Methoden korrigiert werden. • Die Probe muss in ihrer Geometrie genau bekannt sein, um mit analy‐ tischen Näherungsmethoden oder einer Simulation den Demagnetisie‐ rungsfaktor bestimmen zu können. • Hohe Energien des Magnetisiergerätes zur Auf- und Ummagnetisierung nötig • Es ist eine integrierende Messmethode, bei der die Probe die Messspulen nicht verlässt. Daher sollte die Integrationskonstante (Vormagnetisie‐ rung) bekannt sein oder der Magnet muss immer aus einem thermisch entmagnetisierten Zustand vermessen werden. 5.2 Hartmagnetische Messtechnik 231 <?page no="239"?> 6 Magnetisiertechnologie Sebastian Wältring 6.1 Sättigungsverhalten verschiedener Magnete 6.1.1 Sättigungskurve Zur Magnetisierung von Permanentmagneten werden Feldstärken benötigt, die weitaus höher sind als die in normalen Magnetanwendungen üblichen Feldstärken. Der Magnet muss in Sättigung gebracht werden. Die Sättigung ist dadurch gekennzeichnet, dass es bei weiter steigender Magnetisierfeldstärke zu keiner weiter steigenden Magnetisierung kommt. Abb. 49: Sättigungskurve eines Ferritmagneten Ein unmagnetisierter Magnet enthält Domänen „Weiss-Bezirke“, welche in sich voll aufmagnetisierte Teilbereiche darstellen. Sie sind durch Bloch-Wände voneinander getrennt. Makroskopisch ergeben sie eine Ge‐ samtmagnetisierung von null. <?page no="240"?> Abb. 50: Körner eines NdFeB-Magneten mit sichtbaren Domänen (Gorchy, 2005) Mit Hilfe eines magnetooptischen Systems können diese Domänen sicht‐ bar gemacht werden. Die Domänen des anisotropen Magneten bilden ein Gleichgewicht über das Kristallgefüge. Die beiden Bereiche sind entgegen‐ gesetzt magnetisiert. Sie haben die gleiche Fläche, sodass von außen keine Magnetisierung festgestellt wird. Bei der Magnetisierung werden zunächst die Domänenwände zugunsten der Richtung des Magnetisierfeldes verschoben. Abb. 51: Vergrößerung der Domänen mit zunehmender Feldstärke (MikeRun, 2020) Dieser Vorgang geht vor der Sättigung in eine Verdrehung der Magnetisier‐ vektoren in die Richtung des Magnetisierfeldes über. Aufgrund der Aus‐ tauschwechselwirkung verbleiben die Magnetisiervektoren in dieser Position, 234 6 Magnetisiertechnologie <?page no="241"?> auch wenn das äußere Feld wieder weggenommen wird. Dadurch entsteht eine dauerhafte Magnetisierung, die nun auch nach außen wirksam ist. Abb. 52: Magnetisierungsprozess eines Pinning-dominierten Magneten 6.1.2 Nukleation / Pinning Betrachtet man die Hystereseschleife eines Magneten, stellt man fest, dass ein thermisch entmagnetisierter Magnet während der Aufmagnetisierung eine zur restlichen Hysteresekurve verschiedene Neukurve durchfährt. Abb. 53: Neukurve bei Nukleations- (1) bzw. Pinning- (2) Magneten 6.1 Sättigungsverhalten verschiedener Magnete 235 <?page no="242"?> Hier unterscheidet man zwei unterschiedliche Mechanismen. Pinning-dominierte Magnete zu denen u. a. Ferrite und Sm2Co17 gehören benötigen relativ hohe Feldstärken zur Aufmagnetisierung. Der Grund dafür ist, dass durch Störungen im Kristallgitter die Domänenwände an bestimm‐ ten Positionen festgehalten werden (Pinning). Um die Domänenwände über diese Störstellen hinweg zu bewegen, wird eine sehr hohe Feldstärke benötigt. Bei Nukleations-dominierten Magneten wird die Verschiebung der Do‐ mänen durch Keimbildungsprozesse begünstigt. Sie werden daher Keim‐ bildungs- oder Nukleationsmagnete genannt. Hierzu gehören gesinterte Nd2Fe14B-Magnete und auch der SmCo5-Magnet. Diese Magnete haben den Vorteil, dass sie mit einer geringeren Feldstärke aufmagnetisiert werden können, als sie bezogen auf ihre Koerzitivfeldstärke (Hc) benötigen würden. (Przybylski M., 2016) Abb. 54: Verhalten der Koerzitivfeldstärke und der Remanenz während der Aufmagneti‐ sierung Bei diesen Magneten ist zu beachten, dass sie ausschließlich nach thermi‐ scher Entmagnetisierung die Neukurve durchlaufen und somit schnell die Sättigung erreichen. Sind sie einmal magnetisiert oder teilweise magneti‐ siert, ist die Koerzitivfeldstärke ausschlaggebend für die Ummagnetisierung. Bei der Verwendung von Nukleationsmagneten wie Nd2Fe14B ist daher unbedingt darauf zu achten, dass die neuen Magnete vor dem Magnetisieren keinem Magnetfeld ausgesetzt sind, da sie sonst ggf. eine höhere Sättigungs‐ feldstärke aufweisen als evtl. im Fertigungsprozess für die Magnetisierung vorgesehen. 236 6 Magnetisiertechnologie <?page no="243"?> 6.1.3 Magnetsorten Aufgrund Ihrer chemischen Zusammensetzung werden vorwiegend die folgenden Gruppen von Permanentmagneten eingesetzt: AlNiCo Aluminium-Nickel-Kobalt Seit 1940 Hartferrite Strontiumferrit, Bariumferrit Seit 1950 SmCo Samarium-Kobalt Seit 1968 NdFeB Neodym-Eisen-Kobalt Seit 1983 Keimbildung (Nukleation) tritt bei den folgenden Magneten auf: Werkstoff Sättigungsfeldstärke Ummagnetisierungsfeldstärke Nd2Fe14B ~1400-2200-kA/ m ~2*H cJ (2000-5000-kA/ m) Sm1Co5 ~1600-2000-kA/ m ~2*H cJ (5000-8000-kA/ m) Pinningdominiert sind die folgenden Sorten: AlNiCo ~250-kA/ m Hartferrite ~800-1000-kA/ m Sm2Co17 ~3500-5000-kA/ m Ferner gibt es nanokristalline (HDDR) NdFeB-Sorten, die sich aufgrund der geringen Korngröße ähnlich Pinningmagneten verhalten. Diese haben eine Sättigungsfeldstärke von 2500-kA/ m - 3500-kA/ m. 6.2 Magnetisierung in der Prozesskette: Nach dem Gießen, Sintern, Spritzgießen oder Pressen sind die Magnete zunächst nicht magnetisiert. Sie müssen durch Anlegen eines äußeren Feldes in Sättigung aufmagnetisiert werden. 6.2 Magnetisierung in der Prozesskette: 237 <?page no="244"?> Dies kann geschehen: • Nach der Montage • Kurz vor der Montage • Beim Magnethersteller Je nach Magnetbaugruppe, Fertigungsprozess und Lieferkette wird der Ort der Magnetisierung ausgewählt. Magnetisieren nach der Montage: Zumeist werden zur Herstellung eines Magnetsystems (Rotor, Lautsprecher, etc.) die Magnete unmagnetisiert verbaut. Gründe, die dafürsprechen, sind u.-a.: • Einfacherer Transport der Magnete vom Lieferanten zum Montagesys‐ tem • Leichtere Montage der Bauteile und Magnete • Magnetisierungsverluste aufgrund hoher Temperaturen bei der Mon‐ tage (z.-B. durch Umspritzen) werden egalisiert • Manche Systeme lassen sich nur in zusammengebautem System stabil magnetisieren - z.-B. AlNiCo-Systeme • Geringere Verletzungsgefahr Magnetisieren vor der Montage: Ob direkt die Magnetisierung vor der Montage oder insbesondere bereits beim Hersteller stattfindet - magnetisierte Magnete sind schwierig handzu‐ haben. In einigen Fällen lässt sich das nicht vermeiden, wie z.-B.: • Einzelmagnete in zusammengebautem System nicht mehr gezielt mag‐ netisierbar (z. B. Speichenförmig in Stahlbleche eingeschobene Ma‐ gnete) • Kosten für die Investition einer Magnetisiereinrichtung • Fehlende Erfahrung/ Erprobung des den Magnetisierprozesses 238 6 Magnetisiertechnologie <?page no="245"?> Abb. 55: Rotor mit Speichenmagneten Nachteile bei der Handhabung magnetisierter Magnete Transport magnetisierter Magnete: Der Transport magnetisierter Magnete ist auf Land und Schiff möglich. Die Transportverpackung muss ausreichend Abstand zu den Magneten und ggf. eine Schirmung bereitstellen. Für den Transport per Luftfracht wird durch die IATA 953 eine sehr scharfe Anforderung an die Verpackung gestellt: Werden Magnete per Luftfracht transportiert, so sind sie anzeige- und kennzeichnungspflichtig, wenn eine Kompassnadel in einem Abstand von 2,1 m zum Packstück um mehr als 2° verdreht werden. Das entspricht einer Flussdichte von 0,525 µT (ca, 1,2 % des Erdmagnetfeldes). Wird die gleiche Schwelle von 0,525 µT erst bei 2,1m Entfernung überschritten, so ist das Paket genehmigungspflichtig. Generelle Verpackungshinweise: • Magnete mit invertierten Polen nebeneinander sortieren • Kurzschlussplatten über- und unter die Magnetpole heften • Möglichst großer Abstand zur Kartonwand • Kartonage mit Abschirmblechen auskleiden Quetschgefahr: Magnetisierte Magnete müssen zunächst vereinzelt und dann im Magnet‐ system platziert werden. Dabei entsteht die Gefahr der Zerstörung der Ma‐ gnete durch zusammenspringende Bauteile. Ferner birgt die Handhabung 6.2 Magnetisierung in der Prozesskette: 239 <?page no="246"?> der Magnete eine Quetschgefahr für Extremitäten wie Hautfalten, Finger oder Arme des Monteurs: Beispielsweise haftet ein Zylindermagnet (N40) Ø 50 mm x 25 mm mit ca. 1000 N (100 kg) auf einer Stahlplatte. Bei Zunahme des Luftspaltes nimmt die Kraft schnell ab, jedoch kann es zu schweren Hautquetschungen führen. Noch größere Magnete können zu Brüchen an Fingern führen. Abb. 56: Haftkraft Zylindermagnet Ø-50-mm-x-25-mm auf Stahlplatte Magnetschädigung Ein magnetisierter Magnet lässt sich nicht immer schadenfrei über Stahlbau‐ teile schieben. Das betrifft z. B. das Einschieben von Magneten in Taschen von Blechpaketen. Je nach Beschichtung, Rauheit und Kraft kann es zu Beschädigung der Schutzbeschichtung kommen. Beim Aufsetzen benachbarter Magnete gleicher Polarität treten absto‐ ßende Kräfte auf, welche durch komplizierte Haltemechanismen überwun‐ den werden müssen. Ein Handhabungsfehler führt schnell zu Brüchen im Magnet. 240 6 Magnetisiertechnologie <?page no="247"?> Ferner ist zu bedenken, dass magnetisierte Magnete Eisenstaub aus der Umgebung anziehen, was zu einer Verunreinigung der Magnetsysteme füh‐ ren kann. Rotoren werden daher im besten Fall direkt vor dem Einschieben in den Stator magnetisiert. Entmagnetisierung Besonders AlNiCo-Magnetsysteme sind nur im zusammengebauten Zu‐ stand stabil. Wird der gesättigte Magnet aus dem System gezogen, entmag‐ netisiert er sich durch sein eigenes Feld. 6.3 Magnetisiergeräte Zur Erzeugung der Sättigungsfeldstärke werden verschiedene Möglichkei‐ ten genutzt: 6.3.1 Permanentmagnet-Magnetisierjoch Mittels Flusskonzentration in einem Stahljoch kann ein Magnetfeldstärke in einem dünnen Luftspalt von bis zu 1800 kA/ m allein durch Permanentmag‐ nete erzeugt werden. Diese Möglichkeit wird aufgrund der nicht gegebenen Abschaltbarkeit selten genutzt. Das Joch sammelt Stahl- und Magnetpartikel, die nicht mehr gereinigt werden können. Umliegende Metallteile werden angezogen. • Ermöglicht die Magnetisierung ohne Wirbelströme • Maximale Feldstärke 1600-1800-kA/ m • Großer Platzbedarf im Montagebereich 6.3.2 DC-Elektromagnetisierjoch: • Ermöglicht die Magnetisierung ohne Wirbelströme • Die Stromquelle kann abgeschaltet werden und das Joch von Eisenstaub gesäubert werden. • Maximale Feldstärke ~2200-kA/ m • Großer Platzbedarf im Montagebereich 6.3 Magnetisiergeräte 241 <?page no="248"?> Abb. 57: DC-Magnetisierjoch Quelle: Lake Shore Cryotronics, Inc. 6.3.3 Impulsmagnetisiergeräte Impulsmagnetisiergeräte sind die am häufigsten verwendeten Magnetisier‐ geräte. Dabei handelt es sich um Kondensatorbatterien, welche mit hoher Spannung aufgeladen werden und über eine Magnetisierspule entladen werden. Dabei wird ein hoher und kurzer Pulsstrom erzeugt, der wiederum ein hohes Magnetfeld erzeugt, ohne die Spule übermäßig zu erhitzen. Die Magnetisierspulen können bis an ihre mechanische Belastungsgrenze bestromt werden. Die folgenden Vorteile bieten Impulsmagnetisiersysteme: • Sie ermöglichen im industriellen Einsatz magnetische Feldstärken von bis zu 8000 kA/ m und in Forschungseinrichtungen weit darüber hinaus. • Der Bauraumbedarf für die Spule im Montagebereich fällt klein aus. • Mehrpolige Anordnungen können realisiert werden. 242 6 Magnetisiertechnologie <?page no="249"?> Abb. 58: Impulsmagnetisiergerät mit axialer Magnetisierspule und Wasserkühlgerät Ein Impulsmagnetisiersystem besteht aus drei Komponenten: 1. Impulsgenerator 2. Magnetisierspule 3. Kühlgerät Das System kann durch unterschiedliche Messgeräte ergänzt werden. Aus Platzgründen wird der Generator zumeist neben der Produktionslinie positioniert. Hochstromkabel leiten den Magnetisierstrom zu der Spule. Diese ist direkt in der Linie platziert und wird manuell oder automatisiert beladen. Das Magnetisiergerät besteht aus der Leistungselektronik mit Niederspannungs- und Hochspannungsteil sowie der Steuerung mit dem Sicherheitskreis. Hier das Blockschaltbild eines Impulsmagnetisierers der Firma M-Pulse: 6.3 Magnetisiergeräte 243 <?page no="250"?> Abb. 59: Blockschaltbild Impulsmagnetisiergerät Impulsmagnetisiergeräte können je nach Induktivität der Spule Magnet‐ isierströme von bis zu 50000 A oder höher schalten. Am häufigsten sind Stromstärken zwischen 1000 A und 30000 A. Höhere Ströme sind begrenzt durch die Eigeninduktivität von Generator und Zuleitungen. 6.3.4 Grundschaltungen eins Impulsmagnetisiergerätes Um die Erwärmung in der Magnetisierspule zu minimieren, ist es das Ziel, den Magnetisierimpuls so kurz wie möglich zu gestalten. Dem gegenüber steht die Leitfähigkeit des Magnetsystems, welche bei zu schnellem Feldan‐ stieg Wirbelströme ausbildet und dadurch das Feld abschirmt. Daher muss bei der Auslegung des Systems die Pulsdauer genau bedacht werden. Der elektromagnetische Schwingkreis wird in unterschiedlichen Beschaltungen genutzt: Erzeugung einer Sinushalbwelle: Abb. 60: Schaltbild Sinushalbwelle 244 6 Magnetisiertechnologie <?page no="251"?> Hier blockiert die Diode das Rückschwingen. Dadurch wird die Magnetisie‐ rung in nur eine Richtung ermöglicht. Diese Beschaltung ermöglicht die kürzeste Pulsdauer. Sie ist geeignet, Spulen mit sehr hoher Stromdichte im Leiter zu betreiben, da die Stromdauer nur sehr kurz ist. Typisch sind Pulsdauern zwischen 50-µs und 5-ms. Nutzung: • Scharfe Polübergänge (z.-B. hochpolige Rotoren) • Kunststoffgebundene Magnete (keine Leitfähigkeit) • Rotoren mit geblechten Kernen (Wirbelströme werden verhindert) Beschaltung mit Freilaufdiode: Abb. 61: Schaltbild mit Freilaufdiode (aperiodisch, e-Puls) Diese Pulsform wird auch „aperiodisch“ oder „e-Puls“ bezeichnet. Die Freilaufdiode verhindert das Umschwingen der Spannung an den Kondensatoren. Der Strom wird in die Spule eingeprägt, bis die Kondensa‐ toren entladen sind. Zu diesem Zeitpunkt ist der Strom maximal und läuft von da an durch die Freilaufdiode. Der Widerstand von Spule, Diode und Zuleitung dämpft den Strom, sodass er exponentiell ausklingt. Dieser sanfte Stromauslauf dient in einigen Fällen der Vermeidung von geometriebedingten entmagnetisierenden Wir‐ belströmen. Ferner steht das Feld bei einem geringem Spulenwiderstand länger an, wodurch abschirmende Wirbelströme bei Baugruppen mit leitenden Werk‐ stoffen sich weiter abbauen und mehr Feld zum Magneten dringt. Ein dritter wichtiger Vorteil ist der Preis für die Kondensatoren. Da diese Kondensatoren nicht umschwingen müssen, ist deren Preis ca. 50 % günstiger gegenüber der Sinushalbwelle. Das macht sich vor Allem bei Geräten >-10-kJ bemerkbar. 6.3 Magnetisiergeräte 245 <?page no="252"?> Gedämpfte Sinusschwingung zur Entmagnetisierung (Demag): Abb. 62: Schaltbild Entmagnetisierung Abb. 63: Verlauf der Magnetisierung bei Applikation einer gedämpften Schwingung des H-Feldes Wenn keine Diode angeschlossen ist, kann der Schwingkries frei schwingen. Es entsteht eine gedämpfte Schwingung. Mit einer derartigen Beschaltung variiert das Magnetisierfeld ständig seine Polarität mit abnehmender Amplitude. Der Magnet durchläuft die Hystereseschleife zunächst außen, dann im‐ mer weiter in inneren Teilzyklen, bis er nahe dem Nullpunkt endet. 246 6 Magnetisiertechnologie <?page no="253"?> 6.3.5 Konfigurationsmöglichkeiten der Impulsmagnetisiergeräte: Ein Impulsmagnetisiergerät kann in vielen Dimensionen variabel konfi‐ guriert werden. Da es Teil eines RLC-Schwingkreises mit der Spule ist, sollten Kapazität und Spannung an die jeweilige Spule angepasst werden, um einen möglichst hohen Strom zu erzielen. Um die Wärmeentwicklung zu minimieren, ist es zu erstreben, den Stromimpuls möglichst kurz zu trimmen. Bei Magnetsystemen mit elektrisch leitenden Bauteilen ist es dagegen aber oft nötig, dass zuerst Wirbelströme abgebaut werden. Dann wird eine längere Pulsform gewählt. Kapazität: Die Kapazität kann in verschiedene Schaltstufen zusammengefasst werden. Dabei bietet sich an, die Einzelkapazitäten exponentiell zu staffeln. Z. B. 1 mF, 2 mF, 4 mF sodass eine möglichst feine Abstimmung mit geringstmög‐ lichem Aufwand erzielt wird. Ladespannung: Die maximale Ladespannung wird im Vorfeld festgelegt. In der Regel werden 1000 V bis 4000 V verwendet. Hierbei werden Metall-Papier bzw. Metall-Folien Kondensatoren verwendet. Selten werden auch Elektrolyt‐ kondensatoren verwendet, welche die Spannung auf 500 V begrenzen. Diese sind kompakt, jedoch zusammengefasst zu einer großen Gesamtkapazität nicht völlig ungefährlich. Elektrolytkondensatoren altern und müssen ent‐ sprechend überwacht und ggf. ausgetauscht werden. Bis zur maximalen Geräte-Spannung lässt sich die Ladespannung variabel vorwählen. Dadurch wird auf einfachste Weise der Strom eingestellt. Anschlüsse für Magnetisierspulen: An eine Kondensatorbatterie können mehrere Hochstromschalter ange‐ schlossen werden, die alternativ betrieben werden. An jeden Schalter lässt sich eine eigene Spule fest anschließen. Somit lassen sich bei hoher Typen‐ vielfalt aber kleineren Produktionslosen Rüstkosten und Investitionskosten einsparen. 6.3 Magnetisiergeräte 247 <?page no="254"?> Abb. 64: mehrere Spulenanschlüsse an einem Gerät Pulsform: Die oben beschriebenen Grundschaltungen Sinushalbwelle, aperiodisch bzw. Demag lassen sich fest eingestellt oder auch elektronisch schaltbar realisieren. Baugrößen von Magnetisiergeräten: Magnete werden in verschiedensten Dimensionen verbaut. Für Mikromoto‐ ren haben Magnete mikroskopische Abmaße. Für Wind- oder Wasserkraft‐ anlagen haben die Rotoren teilweise über 10-m Durchmesser. Die physikalischen Verhältnisse in Magnetsystemen sind skalierbar. Mag‐ netisiergeräte theoretisch auch. Praktisch gibt es allerdings einige Grenzen. Für die Schaltung von Ladespannungen größer 4000 V müssen Halbleiter seriell verschaltet werden, da diese am Markt nicht als Einzelelemente verfügbar sind. Das treibt den Preis deutlich nach oben. Der Preis für Kondensatoren und Magnetisierspulen ist für große Dimensionen sehr hoch. Häufig ist es günstig, den Prozess in mehrere Schritte aufzuteilen. Die Kosten für eine große Spule und eine große Kapazität werden gespart und ggf. in ein günstigeres Handling zum Verfahren der Teil-Spule um den Rotor investiert. 6.4 Elektrische Magnetisierspulen Wie in Kap. 4.3.3 beschrieben, liefert das Impulsmagnetisiergerät kurze und hohe Stromimpulse, durch welche hohe Feldstärken und hohe Feldgradien‐ ten in den Magnetisierspulen ermöglicht werden. Die Randbedingungen für die Auslegung einer Magnetisierspule sind in der Regel: 248 6 Magnetisiertechnologie <?page no="255"?> 1. Magnetfeldgeometrie: Die Spule muss ein Magnetfeld erzeugen, welches die in sie eingelegten magnetischen Baugruppen so vollständig wie möglich sättigt. Verschie‐ dene Leiteranordnungen ermöglichen verschiedene Magnetisierungsar‐ ten. 2. Pulsverlauf/ Wirbelströme: Je nach Magnetsorte und Magnetsystem entstehen Wirbelströme wäh‐ rend der Magnetisierung, welche ggf. die Magnete abschirmen. Zusätz‐ lich erzeugen die Wirbelströme magnetische Kräfte, die das Werkstück ggf. sehr stark beschleunigen können. 3. Magnetische Kräfte: Die in der Magnetisierspule erzeugten Magnetfelder wechselwirken mit den Strömen in den Spulenleitern. Sie erzeugen Lorentzkräfte. Damit sehr großen Feldern und Strömen gearbeitet wird, gehen die Kräfte schnell in den Bereich mehrerer kN. Die Kräfte erhöhen sich mit dem Quadrat der Feldstärke. Somit sind die Kräfte in Magnetisierspulen für NdFeB-Magnete ca. 8-fach höher als für Ferrit-Spulen. In SmCo-Spulen sind die Kräfte folglich ca. 20-fach höher als für Ferrit-Spulen. 4. Thermische Belastung: Bei jedem Stromimpuls wird eine hohe Energiemenge in die Leiter der Spule eingebracht. Nehmen wir eine aperiodische Beschaltung der Spule, so wird annähernd die gesamte Kondensatorladung in der Spule in Wärme umgesetzt. Aufgrund der Wärmeausdehnung führt das zu mechanischen Spannungen, die sich in jedem Puls auf- und abbauen. Bei falscher Auslegung führt das schnell zu Ermüdungsbrüchen. Neben dieser Pulsbelastung ist der gemittelte Wärmestrom zu bedenken, wel‐ cher sich durch die Zykluszeit von einem Puls zum nächsten ergibt. Dieser ist Grundlage für die Auslegung der Kühlung mittels Konvektion, Gebläse oder Wasser. 5. Handling/ Zuführung Natürlich muss der Magnet/ das Werkstück in die Spule eingebracht werden können. Gerade bei Magneten für Sensoranwendungen kommt es auf Präzision an. 6.4 Elektrische Magnetisierspulen 249 <?page no="256"?> 6.4.1 Axialspulen Eine Magnetisierspule ist im einfachsten Fall eine axial gewickelte Spule: Dabei wird ein Leiter zylindrisch um die Spulenachse gewickelt. Im Zentrum der Spule ist das Magnetfeld annähernd homogen. Abb. 65: Feld einer axialen Magnetisierspule Magnetkräfte wirken radial nach außen. Eine runde Spule verteilt diese Kraft homogen über den Wickel. Dabei ist auf die maximale Zugbelastung im Kupfer zu achten. Bei einer eckigen Spule drücken große Kräfte die Spulenseiten auseinan‐ der. Dadurch kann es leicht zu Rissen in den Ecken der Leiter kommen. Axialspulen finden Anwendung z.-B. für folgende Bereiche: • Magnetisierung einzelner Magnetblöcke • Lautsprecher • Z.-T. Haftmagnete • Magnetisierung im Labor • Klauenpolläufer Abb. 66: Feldlinien und Flussdichteverlauf während der Magnetisierung eines Ferrit-Laut‐ sprecher-Systems 250 6 Magnetisiertechnologie <?page no="257"?> Abb. 67: Wassergekühlte Axialspule für Lautsprecher Abb. 68: Luftgekühlte Axialspule aus Cu-Blechen aufgeschichtet 6.4.2 Radiale Magnetisierung Für einige Anwendungen werden Ringmagnete mit radialer Orientierung verwendet, bei denen ein Pol innen und der andere außen liegt. 6.4 Elektrische Magnetisierspulen 251 <?page no="258"?> Abb. 69: Anordnung einer radialen Magnetisierspule Zum Aufmagnetisieren werden zwei Axialspulen übereinandergelegt, die gegenpolig bestromt werden. Die Feldlinien verlaufen dann radial zwischen den Spulen von innen nach außen. Zu beachten ist die große Kraft, mit welcher sich die beiden Spulenhälften abstoßen. Der Magnetring ist im günstigsten Fall flach, damit er im starken Feld zwischen den beiden Spulen platziert werden kann. Ist er eher ein langes Rohr, so lässt dich das Feld zwischen den Spulen nicht ausreichend stark ausbilden, da die Spulen einen zu großen Abstand zur Magnetmitte haben. 6.4.3 Mehrpolige radiale Spulen für permanentmagnet-erregte Innenläufer Die häufigste Variante einer Magnetisierspule ist die radiale mehrpolige Spule für Innenläufer-Rotoren. Abb. 70: 4-polige radiale Magnetisierspule 252 6 Magnetisiertechnologie <?page no="259"?> Die Magnetisierspule ist zum Rotor ähnlich einem gleichpoligen Stator aufgebaut. Die Leiter verlaufen entlang der Pol-Übergänge des Rotors. Bei der Betrachtung der Geometrie erkennt man schnell, dass Spule und Rotor genau zueinander passen müssen. Ein Permanentmagnet-erregter Rotoren benötigen eine spezifische Mag‐ netisierspulen bei jeder Änderung von: • Polzahl • Durchmesser • Ggf. Schrägungswinkel Lediglich eine Varianz in der Rotorlänge kann bei ungeschrägten Rotoren auch mit einer einzigen Spule abgedeckt werden. Die meisten Geometrien lassen sich mit einer Magnetisierspule im zu‐ sammengebauten Zustand magnetisieren. Es gibt jedoch einige Aspekte, welche physikalische Begrenzungen darstellen: • Leiterquerschnitt: Sollen scharfe Polübergänge gezeichnet werden, müssen die Magnet‐ isierleiter so dicht wie möglich an die Magnete herangeführt werden. Dabei muss der Leiterquerschnitt minimiert werden. Aufgrund der Erwärmung während des Pulses muss der Querschnitt eine minimale Größe aufweisen, die mit zunehmender Feldstärke stark zunimmt. • Lage der Magnete: Aufgrund der dünnen Leiter werden hohe Feldgradienten erzeugt. Das hat zur Folge, dass nah an den Leitern ein hohes Feld entsteht, dieses sich aber schnell zur Rotor-Mitte hin abschwächt. Sind die Magnete tief unter der Rotor-Oberfläche vergraben, so sind die tiefsten Stellen ggf. nicht mehr mit ausreichendem Feld erreichbar. Generell nimmt dieses Problem mit steigender Polzahl zu. • Rotorvolumen: Bei Rotoren für Motoren größer 250 kW muss untersucht werden, wie wirtschaftlich die Herstellung einer Magnetisierspule für den Gesamt‐ rotor ist, da die benötigte Energie des Impulsmagnetisiergerätes enorm hoch wird. Ggf. muss daher entweder vor der Montage magnetisiert werden, oder der Rotor in Segmenten aufmagnetisiert werden. • Ausrichtung der Feldlinien im Verhältnis zur Vorzugsrichtung bei an‐ isotropen Magneten: 6.4 Elektrische Magnetisierspulen 253 <?page no="260"?> In den Zentren der Pole verlaufen die Feldlinien genau radial. An den Polübergängen verlaufen sie tangential. Die Tangentiale Ausrichtung ist bei Verwendung von anisotropen (vorzugsgerichteten) Magneten problematisch, da keine Magnetisierung resultiert. Spulendurchmesser: 45-mm Max. Rotorlänge: 60-mm Magnetmaterial: NdFeB gesintert Nennstrom: 13000-A Zykluszeit: 12 Sekunden - Abb. 71: Aufbau einer 8-poligen Spule mit Luftkühlung 6.4.4 Mehrpolige radiale Rotorenspulen für Außenläufer Physikalisch wird die Spule für Außenläufer gleich aufgebaut, wie für Innenläufer. In diesem Falle liegen die Magnete außen an der Spule an. Im Gegensatz zu den Spulen für Innenläufer (Außenspulen) ergeben sich hier weitere Einschränkungen beim Spulendesign: 1. Begrenzter Kühlbereich: Während die Außenspulen nach außen nahezu beliebig viel Platz zur Kühlung bieten, ist der Kühlbereich für Innenspulen begrenzt. Häufig ist dann eine Wasserkühlung die einzige Wahl. 2. Streufeld schwächt sich stärker ab. Aufgrund des nach außen zunehmenden Durchmessers schwächt sich das Feld stärker nach außen ab. Aufgrund der invertierten Wölbung liegt die Polmitte (Punkt mit geringstem Feld) nicht mehr zwischen den Leitern, sondern weiter außerhalb. 3. Das Rotorgehäuse schließt knapp über dem oberen Magnetrand ab. Dadurch ergibt sich teilweise sehr wenig Platz für die Wickelköpfe der Magnetisierspule. 254 6 Magnetisiertechnologie <?page no="261"?> Einige Systeme lassen sich gut von innen magnetisieren. Bei einigen ist eine Nutzung beider Seiten (Magnetisierung von innen und von außen) vorteilhaft. Spulendurchmesser: 90-mm Max. Rotorlänge: 30-mm Magnetmaterial: Ferrit Nennstrom: 3600-A Zykluszeit: 6 Sekunden - Abb. 72: Aufbau einer luftgekühlten 8-poligen Spule mit Innen- und Außenwicklung 6.4.5 Axiale mehrpolige Rotorenspulen Axiale Rotoren werden durch partielle Axialspulen magnetisiert, die in pas‐ sender Geometrie nebeneinander angeordnet sind. Je nach Zugänglichkeit der Magnete kann die Magnetisierung einseitig (z. B. nur von unten) oder beidseitig (von oben und unten) zugleich geschehen. Spulendurchmesser: 80-mm Magnetmaterial: Ferrit Nennstrom: 2800-A Zykluszeit: 8 Sekunden - Abbb. 73: einseitiger 8-poliger Wickel für axialen Ferritring Viele axialen Selten-Erd-Rotoren benötigen eine Magnetisierung von oben und unten zugleich („Sandwich“). Anders als bei radialen Magnetisierspulen heben sich bei axialen Magnetisierspulen die Haftkräfte zum Eisenkern der Spule nach der Magnetisierung nicht auf. Daher sind eisenlose Spulen, bei denen die Rotoren sich kraftfrei entnehmen lassen, hier von besonderem Vorteil. 6.4 Elektrische Magnetisierspulen 255 <?page no="262"?> Spulendurchmesser: 158-mm Magnetmaterial: NdFeB Nennstrom: 35000-A Zykluszeit: 30 Sekunden - Abbb. 74: 8-poliger Wickel für axialen NdFeB-Scheibenläufer 6.5 Kalibriergeräte Abb. 75: schrittweise Erhöhung der Entmagnetisierung zur magnetischen Kalibrierung Magnetsysteme lassen sich in einigen Fällen gut nach der Komplettmon‐ tage über die gesamte Toleranzkette kalibrieren. Dazu wird der Magnet im System zunächst voll aufmagnetisiert. Danach wird ein Prüfwert des Systems gemessen und die Magnetisierung durch ein Gegenfeld schrittweise so weit geschwächt, bis der Prüfwert im Zielfenster liegt. Der Magnet muss im System also leicht überdimensioniert sein, sodass die untere Grenze der Systemtoleranz noch im engen Zielfenster liegt. Der Prüfwert kann z. B. der magnetische Fluss, die magnetische Flussdichte oder auch 256 6 Magnetisiertechnologie <?page no="263"?> eine Schaltschwelle eines elektrischen Stroms sein. Das Gegenfeld kann entweder durch einen einfachen Gegenpuls erzeugt werden oder durch eine ausklingende Schwingung. Typische Anwendungen für Kalibrierung und Zielgröße: • FI-Schutzschalter / Schaltpunkt: Strom durch Erregerspule • Magnetische Bremsen / Schaltpunkt: Spannung an Erregerspule • Lautsprecher mit besonderer Anforderung an Konstanz der Leistung • Motoren mit besonderer Anforderung an Gleichheit / Geräuschmini‐ mierung, Drehmomentabgleich • Einzelmagnete für Wanderwellenröhren (z. B. Radar-Röhren) / Fluss‐ dichte • Drehspulinstrumente / Drehwinkel • Leistungszähler, Tachometer / Drehwiderstand 6.5.1 Einschränkungen: Bei der Kalibrierung werden Teilbereiche der Magnete umbzw. entmagne‐ tisiert. Diese Bereiche sind naturgemäß die, welche das höchste Gegenfeld erhalten. Das Gegenfeld ist abhängig von: • Arbeitspunkt des Magneten • Lage in der (z.-T. inhomogenen) Entmagnetisierspule • Höhe des Stromes in der Entmagnetisierspule Aufgrund der Inhomogenität des Feldes werden also einige Bereiche bevor‐ zugt entmagnetisiert. Beispiel: Rundmagnet in Axialspule: Eine Axiale Magnetisierspule erzeugt ein homogenes Feld mit zwischen 312 und 315-kA/ m: Abb. 76: Homogenes Feld einer axialen Magnetisierspule 6.5 Kalibriergeräte 257 <?page no="264"?> Wird ein Magnet in die bestromte Spule eingesetzt, so verzerren sich die Flusslinien durch die Überlagerung mit seinem intrinsischen Feld. Abb. 77: Feld mit eingelegtem NfFeB-Magneten Durch die Überlagerung seines eigenen Magnetfeldes mit dem Gegenfeld der Spule ist die Feldstärke im Magneten inhomogen. Im obigen Beispiel werden die inneren violetten Bereiche an der Ober- und Unterseite zuerst entmagnetisiert. Somit ergeben sich in diesem Fall im Zentrum der Magnete ummagnetisierte Bereiche, welche im System mitbedacht werden müssen. Bei der Verwendung von anisotropen Magneten verläuft die Entmagne‐ tisierkurve sehr steil. Die Magnetisierung fällt im Kniepunkt extrem schnell ab. Abb. 78: Entmagnetisierkurven eines anisotropen NdFeB-Magneten 258 6 Magnetisiertechnologie <?page no="265"?> Makroskopisch ergibt sich eine Magnetisierung, welche aus dem Bereich der Vormagnetisierung minus den Bereich der Ummagnetisierung besteht. Magnete mit großer Inhomogenität lassen sich daher recht gut kalibrieren, da mit zunehmender Entmagnetisierfeldstärke zunehmende Teilbereiche ummagne-tisiert werden. In Systemen, wo der Magnet in einen Stahlrück‐ schluss eingefasst ist (das ist z. B. bei IPM-Rotoren oder Lautsprechern der Fall), ist das Feld im Magnete eher homogen. Dann ist eine Kalibrierung von >10 % kaum einstellbar, weil ab dem Kniepunkt der gesamte Magnet auf einmal ummagnetisiert wird. Eine generelle Verbesserung der Teilbereiche ergibt sich, wenn anstelle eines einmaligen Gegenfeldes eine Schwingung mit ausklingender Ampli‐ tude appliziert wird. Dabei wird am obigen Beispiel nicht der Innenteil des Magnetes ummagnetisiert, sondern er wird in viele einzelne entgegen‐ gerichtete Teilbereiche ummagnetisiert, welche sich makrospopisch magne‐ tisch neutralisieren. Diese Art der Kalibrierung hat den Vorteil, dass die Teilbereiche feiner untergliedert sind. Das kann zu besserer Homogenität der Feldverteilung führen und je nach Magnetmaterial und Anwendungsfall auch zu besserer Stabilität der Magnetisierung. Abb. 79: Entmagnetisierkurven eines isotropen Magneten 6.5 Kalibriergeräte 259 <?page no="266"?> Noch besser lassen sich Isotrope Magnete kalibrieren. Diese haben einen wesentlich weicheren Übergang bei der Ummagnetisierung. Der Kniepunkt der Entmagnetisierungskurven ist sehr viel stärker gerundet. Dadurch lässt sich der Entmagnetisierwert in einem wesentlich größeren Bereich einstellen. 6.6 Literaturverzeichnis 1, 60404-3, DIN EN. (2010-05). Magnetische Werkstoffe---Teil 3: Verfahren zur Bestimmung der magnetischen Eigenschaften von Elektroband und -blech mit Hilfe eines Tafelmessgerätes. Berlin: DIN e.-V., Beuth Verlag GmbH. 60404-11, D. E. (kein Datum). Magnetische Werkstoffe - Teil 11: Messverfahren für die Bestimmung des Oberflächenisolationswiderstandes von Elektroblech und -band . Berlin: DIN e.-V., Beuth Verlag. 60404-14, D. E. (kein Datum). Magnetische Werkstoffe - Teil 14: Verfahren zur Messung des magnetischen Dipolmomentes einer Probe aus ferromagnetischem Werkstoff mit dem Abzieh- oder dem Drehverfahren. Berlin: DIN e.-V., Beuth Verlag. 60404-2, D. E. (kein Datum). Magnetische Werkstoffe---Teil 2: Verfahren zur Bestim‐ mung der magnetischen Eigenschaften von Elektroband und -blech mit Hilfe eines Epsteinrahmens. DIN e.-V., Beuth Verlag GmbH, Berlin. Arnold Magnetics. (2015). Understanding Permanent Magnets. Arnold Magnetics Technologies Corp. Brockhaus Messtechnik. (kein Datum). Vorträge und vertriebliche Informationen. Parker, R. J. (1990). Advances in Permanent Magnetism, Seite 149-154. New York: John Wiley & Sons, Inc. Sievert, J. A. (2000). Relationship of Epstein to SST Results for Grain-Oriented Steel. In A. P. Di Barba, Non-Linear Electromagnetic Systems, Studies in Applied Electromagnetics and Mechanics, Vol. 18 (S.-3-6). Amsterdam: IOS Press. 260 6 Magnetisiertechnologie <?page no="267"?> Register aktive Körperhilfsmittel-85 AlNiCo- Magnetwerkstoff-52 Ampère’sches Gesetz-14 Arbeitsbereich-47 Arbeitsgerade-78 B(H)-Kennlinie-23 Bahnstrom-19 Bertotti-181 Beschichtungen-73 Bittermagnete-18 Blechisolation-201 Blechlamellen-148 Curie-Temperatur-29 diamagnetisch-43 Diffusionsprozess-68 Dipolmoment-210, 213 Domänentheorie-163 Durchflutungsgesetz-36 Duroplaste-118 Eindomänenteilchen-67 Einfache Magnetisierungsachsen-155 Eisenverlustmodellierung-180 Elastomere-119 Elektroband-146 Elektrobandauswahl-176 Elektroblech-146 Elektromobilität-185 elektromotorische Kraft-41 Entmagnetisierung-246 Entmagnetisierungskennlinie-47, 49 Epsteinrahmen (EPS)-195 Erdmagnetfeld-87 Excess-Verluste-181 extrudieren-74 Feldlinien-37 ferromagnetisch-43 Flussdichte-43, 192 Fluxmeter-204 Fremdfeld-50 Fülldichte-112 Fused Deposition Modelling (FDM-Verfahren)-127 Grenzwerte- Sicherheit-85 Hall-Effekt-131, 216 Hartferrit-57 Heißfließpressen-66 Heizwasserpumpen-134 Helmholtzspulen-17 Historische Magnetnutzung-11 Hysteresegraph-220, 225 Hystereseschleife-188, 194, 202, 223 Hystereseverluste-156, 181 Impulsmagnetisiergerät-242 Induktion-42 Induktionsgesetz-12, 41 kalandrieren-74 Kalibrierung (magnetisch)-256 <?page no="268"?> Klassische Wirbelstromverluste-181 Kniepunkt-28 Koerzitivfeldstärke-47 Korngröße-155 Kornorientiertes Elektroband-151, 154 Kristallografische Textur-151 Lorentzkraft-40 Magnequench-66 Magnetgummi- Magnetwerkstoff-74f. magnetische Dipolmoment-44 Magnetische Domänen-161 Magnetische Durchflutung-15 magnetische Feldkonstante-42 magnetische Feldstärke-37 magnetische Flussdichte-42 Magnetischer Fluss-41, 204, 206 magnetischer Leitwert-78 Magnetisierspule-227, 248 Magnetisierung-44 Magnetkupplung-139 Magnetoresistive Sensoren-131 Matrix-117 maximale Energieprodukt-47 MQ1- Magnetwerkstoff-66 MQ2- Magnetwerkstoff-66 MQ3- Magnetwerkstoff-66 NdFeB-31 Neukurve-45 neutrale Zone-38 Nichtkornorientiertes Elektroband 151, 155 Nomenklatur-51 Nukleation-235 paramagnetisch-43 Parylene- Beschichtung-73 Permagraph-136 Permanenz-48 Permeabilität-42 Permeabilität des Vakuums-14 Pinning-235 Polarisation-44, 192 Polarität-40 Polteilung-75, 135 Potentialspule-214 Rechte-Hand-Regel-13, 16 RECo- Samarium-Kobalt-61 Reedschalter-131 REFeB- Magnetwerkstoff-65 relative Permeabilität-43 Remanenz-46 Sättigungskurve-233 Sättigungspolarisation-45 Schalenmodell-32 Scherungsgerade-204, 212, 228 Selective Laser Sintering (SLS)-127 Sensoranwendungen-116 Sensormagnet-80 Sicherheitsrichtlinien-85 Single Sheet Tester (SST)-197 SmCo-31 Spielzeugrichtlinie-93 Spulenkopf-135 Statortester-198 262 Register <?page no="269"?> Strontiumkarbonat-57 Strukturelle Materialparameter-148 Suszeptibilität-43 Temperaturabhängigkeit-59 Thermoplaste-118 Ummagnetisierungsverluste-200 Verbundwerkstoff-111 Weiss’sche Bezirke-26 Werkstoffentwicklung-33 zweistufige Simulation-141 Register 263 <?page no="270"?> WiCas Magnetberatung WiCas Magnetberatung Schulung - Beratung - Weiterbildung 1. Feldnumerische Berechnungen magnetischer Systeme: - Optimierung und Auslegung von Magnetsystemen, wie Kupplungen. Motoren und Generatoren - Berechnung der Haftkräfte von statischen und dynamischen Haftsystemen 2. Aus- und Weiterbildung: - InHouse Schulungen, innerbetriebliche Schulung und Weiterbildung bei Fragen der Magnettechnik und der magnetischen Werkstoffe - Weiterbildung und Beratung bei magnetischer Mess- und Magnetisiertechnik 40 Jahre Berufserfahrung in der Magnettechnik und der Weiterbildung in Form von Seminarleitungen, Vorträgen und Vorlesungen. WiCas Magnetberatung Dipl.-Phys. Wilhelm Cassing Ottostr. 113, 59369 Werne Email: wilhelm.cassing@online.de Mobil: +49 157 523 830 75 <?page no="271"?> CASSING / LEUNING / RENSING / GRÖNEFELD / WÄLTRING Dauermagnete, Elektrobleche und Messtechnik Dauermagnete, Elektrobleche und Messtechnik WILHELM CASSING, NORA LEUNING, LUDGER RENSING, MARTIN GRÖNEFELD, SEBASTIAN WÄLTRING
