Interaktives Sprechen im lehrwerkbasierten Fremdsprachenunterricht der Grundschule
0617
2024
978-3-3811-2032-1
978-3-3811-2031-4
Gunter Narr Verlag
Gwendoline Loveyhttps://orcid.org/http-s://-orci-d.or
10.24053/9783381120321
Die Studie zum interaktiven Sprechen im lehrwerkbasierten Fremdsprachenunterricht der Grundschule ist in zweierlei Hinsicht innovativ: Einerseits werden die fremdsprachlichen Äußerungen junger Lernender mit Anfangsniveau erforscht, wozu erst wenige empirische Ergebnisse vorliegen. Andererseits liegt der Fokus auf dem dialogischen Sprechen unter den Lernenden, was auf die neokommunikative Ausrichtung des Lehrwerks zurückzuführen ist, mit dem die untersuchten Klassen Französisch lernen: Die Förderung der Kompetenz Sprechen ist hauptsächlich beim Bearbeiten von Aufgaben in Kleingruppen vorgesehen. Für die angewandte Wissenschaft liefert das Werk ein 5-Schritte-Programm zur Förderung des interaktiven Sprechens. Für die Grundlagenforschung wird ein empirisch basiertes Sprechmodell vorgelegt, das die bisherigen Modelle erweitert und die Lernsituation im Fremdsprachenunterricht berücksichtigt.
ISBN 978-3-381-12031-4 35 35 Die Studie zum interaktiven Sprechen im lehrwerkbasierten Fremdsprachenunterricht der Grundschule ist in zweierlei Hinsicht innovativ: Einerseits werden die fremdsprachlichen Äußerungen junger Lernender mit Anfangsniveau erforscht, wozu erst wenige empirische Ergebnisse vorliegen. Andererseits liegt der Fokus auf dem dialogischen Sprechen unter den Lernenden, was auf die neokommunikative Ausrichtung des Lehrwerks zurückzuführen ist, mit dem die untersuchten Klassen Französisch lernen: Die Förderung der Kompetenz Sprechen ist hauptsächlich beim Bearbeiten von Aufgaben in Kleingruppen vorgesehen. Für die angewandte Wissenschaft liefert das Werk ein 5-Schritte-Programm zur Förderung des interaktiven Sprechens. Für die Grundlagenforschung wird ein empirisch basiertes Sprechmodell vorgelegt, das die bisherigen Modelle erweitert und die Lernsituation im Fremdsprachenunterricht berücksichtigt. Lovey Interaktives Sprechen im lehrwerkbasierten Fremdsprachenunterricht der Grundschule 35 Gwendoline Lovey Interaktives Sprechen im lehrwerkbasierten Fremdsprachenunterricht der Grundschule Interaktives Sprechen im lehrwerkbasierten Fremdsprachenunterricht der Grundschule Romanistische Fremdsprachenforschung und Unterrichtsentwicklung Herausgegeben von Daniel Reimann (Berlin) und Andrea Rössler (Hannover) Band 35 Gwendoline Lovey Interaktives Sprechen im lehrwerkbasierten Fremdsprachenunterricht der Grundschule Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http: / / dnb.dnb.de abrufbar. DOI: https: / / doi.org/ 10.24053/ 9783381120321 © 2024 · Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5 · D-72070 Tübingen Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Alle Informationen in diesem Buch wurden mit großer Sorgfalt erstellt. Fehler können dennoch nicht völlig ausgeschlossen werden. Weder Verlag noch Autor: innen oder Herausgeber: innen übernehmen deshalb eine Gewährleistung für die Korrektheit des Inhaltes und haften nicht für fehlerhafte Angaben und deren Folgen. Diese Publikation enthält gegebenenfalls Links zu externen Inhalten Dritter, auf die weder Verlag noch Autor: innen oder Herausgeber: innen Einfluss haben. Für die Inhalte der verlinkten Seiten sind stets die jeweiligen Anbieter oder Betreibenden der Seiten verantwortlich. Internet: www.narr.de eMail: info@narr.de CPI books GmbH, Leck ISSN 2197-6384 ISBN 978-3-381-12031-4 (Print) ISBN 978-3-381-12032-1 (ePDF) ISBN 978-3-381-12033-8 (ePub) www.fsc.org MIX Papier aus verantwortungsvollen Quellen FSC ® C083411 ® Ziel des Sprachunterrichts müsste sein, „ dass man nicht nur sprechen kann, sondern dabei auch etwas zu sagen hat “ Hunfeld 2008: 73. Vorwort und Danksagung Wenn die Arbeit an einer Dissertation vom ersten bis zum letzten Wort als etwas Gewinnbringendes angesehen wird, dann ist das ein Privileg. Ich war in dieser glücklichen Lage und hatte stets das Gefühl, mich beim Forschen und Schreiben persönlich und beruflich weiterzuentwickeln. Die Beschäftigung mit der Qualifikationsarbeit empfand ich als spannend, weil es in der vorliegenden Arbeit um wahre Menschen geht, die in ihrem Alltag bestmöglich eine Fremdsprache zu lehren oder zu lernen versuchen. Dank diesen Menschen konnte ich mein eigenes Tun als Lehrende und Lernende spiegeln und hinterfragen. Mein grösster Dank gilt deshalb den Lehrerinnen und ihren Schülerinnen und Schülern, die sich bereit erklärt haben, an der Studie teilzunehmen. Ich hoffe, dass die Untersuchung zu zeigen vermag, wie das interaktive Sprechen im lehrwerkbasierten Französischunterricht zielführend gefördert werden kann und dass sie angehenden und amtierenden Fremdsprachenlehrpersonen vielleicht sogar die Augen öffnet, wozu unsere jungen Lernenden bereits auf A-Niveau fähig sind. Ich möchte mich sehr herzlich bei Frau Prof. Dr. Christiane Fäcke bedanken, die das Dissertationsvorhaben gestützt, begleitet und immer wieder zurechtgerückt hat; auf eine Art, die bei mir grosse Bewunderung auslöst. Tatkräftig unterstützt wurde sie dabei von Frau Prof. Dr. Michaela Rückl und Herrn Prof. Dr. Engelbert Thaler im Rahmen des gemeinsam ausgebrachten Forschungskolloquiums der Universität Augsburg und der Universität Salzburg (Internationales Forschungskolloquium Sprachendidaktik „ InFokoS “ ), die beide mit ebenso wertvollen wie wohlwollenden Rückmeldungen und Hinweisen das Projekt gestärkt haben. Meine Professurleitung, Frau Prof. Dr. Mirjam Egli Cuenat, war stets bemüht, mir nebst den Pflichten als Dozentin die nötigen Zeitfenster für ein ergiebiges Schaffen an der Dissertation einzuräumen, wofür ich mich sehr bei ihr bedanke. Frau Prof. em. Dr. Barbara Grossenbacher, ihre Vorgängerin, möchte ich ebenfalls namentlich erwähnen und ihr für alles danken, wofür sie keine schriftliche Danksagung wünscht. Ihre Unterstützung hat das Einreichen der Dissertation in dieser Form erst möglich gemacht. Es macht mich stolz, als erwerbstätige Frau und Mutter zweier Kleinkinder eine Qualifikationsarbeit abzuschliessen. Das Thema der Vereinbarkeit konnte ich dank der Unterstützung meines Mannes und meiner Familie lösen. Ihnen sei deshalb die abschliessende Danksagung gewidmet. Inhaltsverzeichnis Vorwort und Danksagung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 1.1 Interaktives Sprechen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 1.2 Rollen der Forscherin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 1.3 Ziele und Forschungsfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 2 Forschungsüberblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 2.1 Interaktives Sprechen im Fremdsprachenunterricht . . . . . . . . . . . 18 2.2 Sprechen in der fremdsprachendidaktischen Forschung ab 2001 21 2.3 Sprechen in Schweizer Lehrwerken (~1890 bis ~2020) . . . . . . . . . 26 2.3.1 Grammatik-Übersetzungs-Methode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 2.3.2 Direkte Methode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 2.3.3 Kommunikative Methode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 2.3.4 Neokommunikative Phase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 2.3.5 Zusammenfassung und Übersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 2.4 Psycholinguistische Modelle zum Sprechvorgang . . . . . . . . . . . . . 65 2.4.1 Levelt (1999/ 1989) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 2.4.2 De Bot (1992) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 2.4.3 Bachman/ Palmer (1996) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 2.5 Forschungsdiskurse zur mündlichen Sprachproduktion . . . . . . . . 75 2.6 Forschungsdiskurse zum Handeln und Denken von Lehrpersonen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 2.6.1 Handeln der Lehrpersonen im lehrwerkbasierten Unterricht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 2.6.2 Denken der Lehrpersonen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 2.7 Lehrwerkforschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 2.7.1 Lehrwerkanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 2.7.2 Lehrwerkverwendungsforschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 3 Fremdsprachenunterricht in der Schweiz ab 2011 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 3.1 Bildungspolitischer Hintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 3.1.1 Sprachenpolitik in den verschiedenen Landesteilen . . . . . 91 3.1.2 Grundkompetenzen und funktionale Mehrsprachigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 3.2 Frühes Fremdsprachenlernen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 3.3 „ Mille feuilles “ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 3.3.1 Makroebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 3.3.2 Mesoebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 3.3.3 Mikroebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 4 Forschungsdesign . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 4.1 Empirische Unterrichtsforschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 4.1.1 Qualitative Studie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 4.1.2 Berücksichtigung der Aussen- und Innenperspektive . . . 112 4.1.3 Triangulation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 4.2 Sample . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 4.2.1 Teilnehmende Probandinnen und Probanden . . . . . . . . . . . 117 4.2.2 Untersuchte Aufgaben zum interaktiven Sprechen . . . . . 130 4.3 Datenerhebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 4.3.1 Erhebungsinstrumente zur Unterrichtsbeobachtung . . . . 149 4.3.2 Erhebungsinstrumente zur Befragung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 4.4 Datenaufbereitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 4.4.1 Datenauswahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 4.4.2 Datenüberführung in Excel für die quantitative Analyse 157 4.4.3 Datentranskription für die qualitative Analyse . . . . . . . . . 157 4.5 Datenauswertung: Methodik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 4.5.1 Kategoriengeleitete Textanalyse (KT) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 4.5.2 Kompetenzorientierte und kategoriengeleitete Analyse (KKAL) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 4.5.3 Exkurs: Dokumentarische Methode (DM) . . . . . . . . . . . . . . 199 5 Ergebnispräsentation: Fallperspektive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 5.1 Sprechen in der Klasse Längmatt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 5.1.1 Selbst- und Fremdeinschätzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 5.1.2 Befragungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 5.1.3 Triangulation der Daten (Einschätzungen und Befragungen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 5.1.4 Unterrichtsbeobachtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 5.1.5 Integrierte Darstellung (Einschätzung, Befragung, Beobachtung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 5.2 Sprechen in der Klasse West . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 5.2.1 Selbst- und Fremdeinschätzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 5.2.2 Befragungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258 10 Inhaltsverzeichnis 5.2.3 Triangulation der Daten (Einschätzungen und Befragungen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 5.2.4 Unterrichtsbeobachtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265 5.2.5 Integrierte Darstellung (Einschätzung, Befragung, Beobachtung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 311 5.3 Sprechen in der Klasse Amrein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 314 5.3.1 Selbst- und Fremdeinschätzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 314 5.3.2 Befragungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317 5.3.3 Triangulation der Daten (Einschätzungen und Befragungen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 320 5.3.4 Unterrichtsbeobachtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 321 5.3.5 Integrierte Darstellung (Einschätzung, Befragung, Beobachtung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 353 5.4 Sprechen in der Klasse Hoger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 355 5.4.1 Selbst- und Fremdeinschätzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 355 5.4.2 Befragungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 358 5.4.3 Triangulation der Daten (Einschätzungen und Befragungen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 364 5.4.4 Unterrichtsbeobachtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 365 5.4.5 Integrierte Darstellung (Einschätzung, Befragung, Beobachtung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 399 6 Ergebnispräsentation: Themenperspektive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 402 6.1 Einschätzung des Sprechniveaus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 402 6.1.1 Sprechniveau nach den Unterrichtsbeobachtungen . . . . . 402 6.1.2 Sprechniveau nach den Lehrpersonen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 403 6.1.3 Sprechniveau nach den Lernenden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 405 6.1.4 Von der Einschätzung zu einer adäquaten Förderung . . 407 6.2 Meinungen zu den Lernaufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 410 6.2.1 Subjektive Theorien der Lehrpersonen . . . . . . . . . . . . . . . . . 411 6.2.2 Einstellungen der Lernenden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 420 6.2.3 Von den Meinungen zu den Gelingensbedingungen . . . . 424 6.3 Unterrichtshandeln der Lehrpersonen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 426 6.3.1 Menge und Intensität umgesetzter Sprechanlässe . . . . . . . 426 6.3.2 Zeitliche und sprachliche Gestaltung der Einführungen . 427 6.3.3 Umgang mit chunks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 435 6.3.4 Folgerungen für eine Optimierung des Lehrpersonenhandelns . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 436 6.4 Interaktives Sprechen unter Lernenden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 437 6.4.1 Bearbeitung der Aufgaben nach Vorgaben . . . . . . . . . . . . . 438 Inhaltsverzeichnis 11 6.4.2 Kooperation unter den Lernenden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 441 6.4.3 Interaktion in der Zielresp. Schulsprache . . . . . . . . . . . . . 444 6.4.4 Verwendung von Kompensationsstrategien . . . . . . . . . . . . 455 6.4.5 Kontrolle und Reparaturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 455 6.4.6 Plurilinguales Sprechen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 466 6.4.7 Fördermassnahmen zum interaktiven Sprechen unter Lernenden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 472 7 Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 474 7.1 Rückblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 474 7.2 Modell zum interaktiven Sprechen in der Fremdsprache . . . . . . 476 7.3 Didaktische Prinzipien zur Förderung des interaktiven Sprechens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 480 8 Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 485 9 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 486 10 Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 508 12 Inhaltsverzeichnis 1 Einleitung 1.1 Interaktives Sprechen Wie gut jemand Französisch kann - dies eine gängige Auffassung - zeigt sich daran, wie gut sie oder er 1 sich in der Fremdsprache ausdrückt (vgl. Miede 2019: 36). Der Gemeinsame Europäische Referenzrahmen für Sprachen bestätigt, dass „ produktive Aktivitäten [ … ] besondere Wertschätzung in der Gesellschaft [geniessen] “ (Europarat 2001: 25) und Sprechen „ wird häufig als zentrales Ziel des Fremdsprachenunterrichts bezeichnet “ (Lütge 2014: 147). Entgegen dieser Vorrangstellung liegen zur Kompetenz Sprechen im Vergleich zu anderen kommunikativen Kompetenzen wie beispielsweise dem Lesen noch verhältnismässig wenige fremdsprachendidaktische Studien vor, was in der Forschungsgemeinschaft entsprechend als Desiderat ausgewiesen wird (vgl. Henrici et al. 2003: 5; Burwitz-Melzer 2014: 25; Kurtz 2014: 123; Martinez 2014: 160). Sprechen rückte in den letzten Jahren zunehmend in den Fokus der fremdsprachendidaktischen Forschung - nicht zuletzt auch dank der neuen Aufzeichnungsmöglichkeiten, mit denen sich die mündliche Produktion und Interaktion im Unterricht leichter festhalten und analysieren lassen (vgl. Kurtz 2001; Dauster 2006; Helmke et al. 2008; Neveling 2007; Imgrund 2015; Tesch 2010; Miede 2019). In der vorliegenden Dissertation werde ich den Umgang mit der Kompetenz Sprechen in der Interaktion im lehrwerkbasierten Fremdsprachenunterricht an der Primarschule in der deutschsprachigen Schweiz untersuchen. 2 Die Studie unterscheidet sich von vorangehenden Untersuchungen zur Kompetenz Sprechen dadurch, dass das interaktive Sprechen zwischen Lernenden beforscht wird. Dies ist durch die Ausrichtung der Sprechaufgaben bedingt, deren Bearbeitung untersucht wird, da sie in Paararbeit resp. in Arbeit in Kleingruppen vorgesehen sind. Die Aufgaben stammen aus dem Lehrwerk „ Mille feuilles “ (Ganguillet et al. 2014a) und dieses Lehrwerk sieht für den Aufbau des 1 Im Fliesstext bin ich konstant bemüht, gendergerechte Sprache zu verwenden, wohingegen dies in Zitaten an einigen Stellen nicht der Fall ist. 2 Die Sprache in der Dissertation entspricht der in der Schweiz gängigen standarddeutschen Ausdrucksweise. Im Bereich der Lexik ist beispielsweise der Begriff „ Lehrperson “ gebräuchlicher als der Ausdruck „ Lehrkraft “ . Im Bereich der Orthografie gibt es ebenfalls bestimmte Abweichungen. Der wohl augenfälligste Unterschied dürfte das Ausbleiben des Zeichens „ ß “ darstellen. dialogischen Sprechens grösstenteils Interaktionen unter Lernenden vor (vgl. Sauer/ Wolff 2018: 93). 1.2 Rollen der Forscherin Die vorliegende Dissertation ist eine qualitativ-empirische Studie. In der qualitativen Forschung ist nicht die Ausschaltung des subjektiven Anteils der Forschenden das Ziel, sondern deren methodische Reflexion (vgl. Caspari 2003: 90). Deshalb mache ich an dieser Stelle transparent, welche Rollen ich vor und während der Arbeit an meiner Dissertation innehatte resp. -habe. Von 2012 bis 2015 war ich Mitautorin des Lehrwerks „ Mille feuilles “ (Ganguillet et al. 2014a), aus dem die Sprechaufgaben stammen, deren Bearbeitung in der vorliegenden Studie untersucht wird, und ich entwickelte als Mitautorin im gleichen Verlag eine Referenzgrammatik für die Volksschule (Lovey/ Grossenbacher 2015), die ergänzend zum genannten Lehrwerk erschien. Durch die Verlagsarbeit erhielt ich Zugriff auf die Rückmeldungen aus den dreissig Praxistestklassen, in denen das Lehrwerk „ Mille feuilles “ zwischen 2009 und 2013 erprobt wurde. Diese dienten primär der Verbesserung des Lehrwerks, boten aber auch Einblicke in die Unterrichtspraxis. Wichtig für das Forschungsvorhaben ist für mich die Erkenntnis, dass teilweise eine grosse Diskrepanz zwischen der Anlage in den Materialien und deren Umsetzung im Unterricht vorherrscht (vgl. Lovey 2017). Die Tätigkeit im Verlag führt in Bezug auf meine Forschungsarbeit zur Schwierigkeit, dass ich von der Qualität der Aufgaben zum interaktiven Sprechen im Lehrwerk überzeugt und als Mitautorin auch zu einem bestimmten Grad dafür verantwortlich bin. Ich werde zwar im gesamten Forschungsprozess versuchen, diese Voreingenommenheit auszublenden, werde meine subjektiven Überzeugungen jedoch nicht vollends ausschalten können. Von 2015 bis 2018 unterrichtete ich Primarschulklassen in Französisch mit dem Lehrwerk „ Mille feuilles “ (Ganguillet et al. 2014a). Durch die eigene Lehrtätigkeit auf der Zielstufe fiel mir auf, wie wenig Französisch die Schülerinnen und Schüler in meinem Unterricht sprachen und ich stellte fest, dass es eine grosse Herausforderung ist, die Kompetenz des interaktiven Sprechens im Französischunterricht konzeptgetreu zu fördern. Zum Zeitpunkt der Datenerhebung für die vorliegende Studie bin ich noch als Lehrperson auf der Primarstufe tätig, was sich für den Forschungsprozess insofern als günstig erweisen kann, als ich den Lehrpersonen, deren Klassen ich beforsche, als Berufskollegin begegne. Dies erklärt auch die Familiarität, die sich beispielsweise im Duzen mit den Lehrerinnen zeigen wird, die an der Studie teil- 14 1 Einleitung nehmen. Für den Forschungsprozess ist die Praxiskenntnis von Vorteil, um die Aussagen der Lehrpersonen und der Schülerinnen und Schülern besser einordnen und verstehen zu können. Allerdings kann es passieren, dass mich die Schülerinnen und Schüler bei der Datenerhebung manchmal als Lehrerin wahrnehmen und u. U. auch mit Fragen zur Aufgabenbearbeitung an mich gelangen. Ich werde zwar versuchen, klarzustellen, dass ich in diesem Rahmen nicht Lehrerin, sondern Forscherin bin, werde mich aber vermutlich nicht allen Fragen entziehen können. Seit 2012 erteile ich Lehre in Fachdidaktik und Fachwissenschaft Französisch am Institut Primarstufe der Pädagogischen Hochschule FHNW. Durch die erteilte Lehre an der Hochschule merke ich, wie schwer es teilweise den Studierenden fällt, bestimmte didaktische Konzepte zu verstehen und in der Praxis anzuwenden. Im Rahmen meiner Forschungstätigkeit werde ich einer hohen Faktorenkomplexität begegnen, wie sie nur in der Praxis zu sehen ist, und die nicht der Isoliertheit der Konzepte in der Theorie entspricht. Meine Rolle als Wissenschaftlerin wird im Forschungsprozess dennoch insofern dienlich sein, als dass ich von den Lehrpersonen und den Schülerinnen und Schülern als solche wahrgenommen werde und sie mir Einblicke in ihr Unterrichtsgeschehen ermöglichen. 1.3 Ziele und Forschungsfragen Mit der vorliegenden Untersuchung strebe ich an, Wissen über das fremdsprachliche Sprechen in der Interaktion auf der Primarstufe zu generieren. Das Ziel liegt zunächst auf der konzeptuellen Ebene: Es soll beschrieben werden, wie „ bestimmte Aufgaben in unterschiedlichen Gruppen realisiert [werden] “ (Caspari 2006: 38), wobei „ zwischen Wahrnehmung und der Realisierung der Aufgaben durch die Lehrkraft einerseits und der Wahrnehmung und Realisierung der Aufgaben durch die Schüler andererseits [unterschieden wird] “ (ebd.). Mit der Untersuchung wird auch ein Beitrag zur praxisorientierten Ebene geleistet, da sie „ der vielfältigen Wechselwirkung zwischen Material, Lehrenden und Lernern [Rechnung trägt und dadurch] Rückschlüsse auf Kriterien und Prinzipien für stimulierende Aufgaben [erlaubt] “ (ebd.). Um die verschiedenen Zielsetzungen zu erreichen, werden folgende Forschungsfragen bearbeitet (vgl. Tab. 1): 1 Einleitung 15 Übergeordnete Forschungsfrage Wie gestaltet sich der Umgang mit der Kompetenz Sprechen in der Interaktion im lehrwerkbasierten Fremdsprachenunterricht auf der Primarstufe? 1. Evaluationsperspektive: Fremd- und Selbsteinschätzung 2. Innenperspektive: Befragungen 3. Aussenperspektive: Unterrichtsbeobachtungen a) Wie schätzen die Lehrpersonen die Sprechkompetenzen ihrer Schülerinnen und Schüler ein? a) Welche Subjektiven Theorien haben die Lehrpersonen zu den Aufgaben zum interaktiven Sprechen? a) Wie gehen die Lehrpersonen mit den Aufgaben zum interaktiven Sprechen um? b) Wie schätzen die Schülerinnen und Schüler ihre Sprechkompetenzen ein? b) Wie nehmen die Schülerinnen und Schüler den Umgang mit den Aufgaben zum interaktiven Sprechen wahr? b) Wie gestaltet sich die mündliche Interaktion der Schülerinnen und Schüler bei der Bearbeitung der Aufgaben zum interaktiven Sprechen? Tab. 1: Forschungsfragen Die Forschungsfragen 1a) und 1b) werden mithilfe von Einschätzungen der Probandinnen und Probanden beantwortet. So kann gezeigt werden, ob die Fremd- und Selbsteinschätzungen konvergieren resp. divergieren und inwiefern sie den curricularen Vorgaben entsprechen. Die Antworten auf die Forschungsfragen 2a) und 2b) werden anhand von Befragungen ermittelt. Dabei wird in Erfahrung gebracht, wie sich die Lehrpersonen den Lernzuwachs in der Kompetenz des interaktiven Sprechens erklären und inwiefern die zu bearbeitenden Aufgaben zur Förderung der Kompetenz des interaktiven Sprechens die Probandinnen und Probanden überzeugen. Für die Forschungsfragen 3a) und 3b) wird mittels videografierter Unterrichtsbeobachtungen erforscht, wie sich das Handeln der Lehrpersonen und der Schülerinnen und Schüler beim Bearbeiten von Sprechaufgaben im Französischunterricht gestaltet. Durch das Beobachten der Interaktionen soll herausgefunden werden, „ was in den interaktiven Handlungen, aber möglicherweise auch in den Köpfen von Lernenden abläuft, wenn sie mit bestimmten fremdsprachlichen Aufgaben konfrontiert sind und diese [ … ] in Paaren bzw. Gruppen kommunikativ zu bearbeiten und zu lösen suchen “ (Aguado et al. 2010: 15). Damit kann den Fragen nachgegangen werden, welche kognitiven Leistungen Lernende er- 16 1 Einleitung bringen müssen, um eine sprachliche Äusserung hervorzubringen, die sich in eine sprachliche Interaktion einreiht, resp. wo und wann sie dabei scheitern und was mögliche Gründe für ein Gelingen oder ein Misslingen der Interaktion sein können (vgl. Wolff 2006: 63). So möchte ich mit der vorliegenden Untersuchung „ Hinweise auf die konkret stattfindenden Lernprozesse und -ergebnisse [liefern] “ (Caspari 2006: 38). 1 Einleitung 17 2 Forschungsüberblick 2.1 Interaktives Sprechen im Fremdsprachenunterricht In der vorliegenden Studie werde ich mündliche Interaktionen zwischen Schülerinnen und Schülern untersuchen, die auch als „ Gespräche “ bezeichnet werden können, da sie die Kriterien der Mündlichkeit, des Dialogs und des gemeinsamen thematischen Bezugsobjekts erfüllen (vgl. Henne/ Rehbock 2001: 255; Brinker/ Sager 2010: 12). Das Führen eines Gesprächs gilt als eine von fünf möglichen Formen mündlicher Sprachverwendung im Fremdsprachenunterricht (vgl. Tab. 2). Sie ist dialogisch ausgerichtet und setzt im Gegensatz zu den vier anderen Sprachverwendungsformen Paar- oder Gruppenarbeit voraus, wenn alle Lernenden die Sprache verwenden sollen. Äußerungsform Fokus Sozialform Nachsprechen Korrektheit in Aussprache und Intonation Einzelarbeit, Klassenunterricht Rezitation Ästhetische Sprachverwendung Einzelarbeit, Klassenunterricht Reproduzierendes Sprechen (gesteuert) Korrektheit in Grammatik Einzelarbeit, Partnerarbeit, Klassenunterricht Zusammenhängendes Sprechen Komplexität, Kohärenz, Flüssigkeit Einzelarbeit (vor der Klasse) Interaktives Sprechen Flüssigkeit, Angemessenheit Partnerarbeit, Gruppenarbeit Tab. 2: Formen mündlicher Sprachverwendung (Doff/ Klippel 2007: 100) Die mündliche Interaktion gilt als die komplexeste Form mündlicher Sprachverwendung und entsprechend stellt „ die Schulung des dialogischen Sprechens die grösste Herausforderung dar “ (Nieweler in Nieweler 2017 (Hg.): 124). Das Einüben des interaktiven Sprechens beansprucht Unterrichtszeit, denn der Gebrauch der Fremdsprache in einer Interaktion findet „ für die meisten Schüler [ … ] in erster Linie im Fremdsprachenunterricht statt. [ … ] Demzufolge ist das gemeinsame unterrichtliche Handeln im Fremdsprachenunterricht von größter Bedeutung für einen erfolgreichen Zielsprachenerwerb “ (Schwab 2009: 50). Das Schaffen von Interaktionsgelegenheiten muss somit ein zentrales Anliegen des Fremdsprachenunterrichts sein. Damit wird auch der Interaktionshypothese Rechnung getragen, nach der der Fremdsprachenerwerb auf der Grundlage von Interaktion geschieht, in die die Lernenden involviert sind (vgl. Königs 2006: 80 - 81). Nach der Interaktionshypothese werden Sprache und deren Gebrauch als soziales Handeln zwischen Menschen verstanden, das es beim Erwerb einer Fremdsprache zu fördern gilt: Il est en effet largement reconnu, aujourd ’ hui, que l ’ apprentissage d ’ une langue première (L1) ou seconde (L2) est lié aux contacts sociaux que l ’ apprenant entretient avec d ’ autres sujets (des pairs, des enseignants, des locuteurs natifs), aux activités sociales auxquelles il participe (conversations quotidiennes, interactions au travail, lecture et écriture, etc.) et aux contextes socioculturels dans lesquels il interagit (à l ’ école, à la maison, dans la rue, au travail, etc.) (Pekarek Doehler 2002: 24). Im GER (Europarat 2001) wird davon ausgegangen, dass Interaktion einerseits ein Fundament für das Lernen und andererseits ein Bestandteil der kommunikativen Kompetenz ist (vgl. ebd.: 86). Die Interaktionsstrategien seien „ ebenso wichtig für das kooperative Lernen wie in lebensweltlicher Kommunikation “ (ebd.: 86). Für den schulischen Spracherwerb bedeutet die Interaktionshypothese, dass möglichst viele Situationen geschaffen werden, in denen ein Agieren zwischen den Lernenden ermöglicht resp. eingefordert wird. Im lehrwerkbasierten Unterricht wird die Interaktion von der Aufgabe gesteuert, da die Lernenden die sprachliche Leistung erbringen, die darin von ihnen verlangt wird (vgl. Pekarek Doehler 2002: 26). In der vorliegenden Studie wird Interaktion als gemeinsames Aushandeln von Bedeutung verstanden (vgl. Schmitt 2011: 19), wofür die Lernenden verschiedene Kompetenzen mobilisieren müssen. In diesem Sinne ist Interaktion ein komplexer, ganzheitlicher und von der Körperlichkeit der Beteiligten sowie von ihrer räumlichen und materiellen Umgebung nicht zu trennender Prozess. Menschen setzen zur Verständigung alle ihnen zur Verfügung stehenden Ausdrucksmöglichkeiten ein, um sich in angemessener Weise auszudrücken, Handlungsziele zu erreichen und soziale Bedeutung zu konstituieren (ebd.: 17 - 18). In einer mündlichen Interaktion sind die Schülerinnen und Schüler abwechselnd Sprechende und Hörende, weshalb es für die mündliche Interaktion sowohl rezeptive als auch produktive Kompetenzen braucht (vgl. Europarat 2001: 25). Die Interaktion benötigt neben den sprachlichen auch strategische Kompetenzen, die „ als Gelenkstellen zwischen den Ressourcen der Lernenden (Kompetenzen) und dem, was sie mit ihnen tun können (kommunikative Aktivitäten) 2 Forschungsüberblick 19 betrachtet [werden] “ (ebd.: 38, vgl. auch Pekarek Doehler 2002: 27 3 ). Dafür gibt es neben den rezeptiven und produktiven Strategien spezifische Interaktionsstrategien wie „ Sprecherwechsel, Kooperieren, Um Klärung Bitten “ (Europarat 2001: 88). Diese sorgen dafür, dass Intersubjektivität hergestellt werden kann, denn „ wie oder was wir antworten, nutzt der vorherige Sprecher, um zu kontrollieren, ob wir ihn richtig verstanden haben, um dann ggf. einzugreifen “ (Birkner 2020: 238). Als Strategie kann auch die plurilinguale Kompetenz eingesetzt werden, die es beispielsweise ermöglicht, „ auf soziolinguistisch angemessene Weise zu antworten, indem man Elemente aus anderen Sprachen und/ oder Variationen der eigenen Sprache für kommunikative Zwecke einsetzt “ (Europarat 2020: 145). Ebenfalls als wesentlicher Bestandteil der Interaktionskompetenz gilt die pragmatische Kompetenz (vgl. Europarat 2001: 24 - 25), denn „ oftmals scheitern Gespräche - nicht nur in der Fremdsprache - nicht an falscher Grammatik oder fehlender Lexik, sondern am ‚ falschen Ton (oder Ohr) ‘“ (Thaler 2018: 16). Pragmatische Kompetenz heisst, dass die Lernenden fähig sind, die Fremdsprache situations- und kontextangepasst zu gebrauchen (vgl. ebd.: 15). In einer pragmatischen Perspektive ist sprachliches Handeln sowohl „ sinnkonstituierend, d. h. der Sprecher verbindet einen Sinn mit seiner sprachlichen Handlung, [und] konventionell, d. h. der Sprecher muss sich am Handeln anderer orientieren und somit einen Sinn voraussetzen “ (Henne/ Rehbock 2001: 9). Für die Interaktion bedeutet dies, dass die Lernenden die Fähigkeit besitzen müssen, Sprecherwechsel (turntaking) vorzunehmen (vgl. Konzett 2014), um ein Gespräch zu eröffnen und zu beenden, um im Gespräch Kohärenz und Kohäsion herzustellen oder auch um bestimmte Reparaturmechanismen zu befolgen (vgl. Thaler 2011b: 16). Aus dem Zusammenwirken all dieser Teilkompetenzen ergibt sich eine Interaktion in Form ein[es] komplexe[n] Zusammenspiel[s] von Prozessen, bei dem im direkt zwischen Personen in Echtzeit stattfindenden, sprachlichen Austausch, unter Verwendung von Sprachrezeptions- und -produktionsstrategien sowie kognitiven und kooperativen Prozesssteuerungs- und -kontrollstrategien auf linguistischer, paralinguistischer und kontextueller Ebene Bedeutungsaushandlungen geleistet und Diskurse kooperativ konstruiert werden (Schmidt 2016: 103). Der Kontext Schule stellt eine Sondersituation für die Interaktion dar (vgl. Schwab 2009: 14 - 15). In einem auf die Lehrperson zentrierten Klassenzimmer 3 „ L ’ analyse de telles séquences [ … ] permet d ’ identifier comment les apprenants réagissent aux obstacles langagiers, quelles stratégies ils appliquent pour les surmonter et quel rôle jouent les interlocuteurs dans ce processus “ (Pekarek Doehler 2002: 27). 20 2 Forschungsüberblick sind grundsätzlich eher formalisierte Settings an Interaktionen zu beobachten, da eine klare Rollenverteilung gegeben ist: Often in such formalised settings there is one participant who has a privileged role position whereby he controls turn-assignment at the conventionally determined points (Edmondson 1981: 38). In diesem Fall obliegt der Lehrperson nicht nur die Wahl der Sprecherin oder des Sprechers, sondern auch „ wer wann wie lange und zu welchem Thema sprechen darf bzw. muss/ soll “ (Schmitt 2011: 20). Zwar gibt es innerhalb dieses formalisierten Settings einen gewissen Freiraum, „ der von den Schülern in selbstbestimmter Weise sowohl unterrichtskonform als auch subversiv genutzt werden kann “ (ebd.), doch grundsätzlich fällt die Beteiligung im Klassenverbund vonseiten der Schülerinnen und Schüler eher gering aus, da sich die Lernenden, wenn sie in der Fremdsprache sprechen, „ dem Risiko aus[setzen], sich und andere zu blamieren und Konventionen zu verletzen “ (Decke-Cornill/ Küster 2016: 121). Zudem können ihre Redebeiträge missverstanden oder korrigiert werden, was befremdend sein kann. Fremdinitiierte Korrekturen sind „ ein Eingriff in den Redebeitrag und damit in den Handlungsraum des Sprechers, [ … ] stellen dessen Handlungshoheit in Frage [und sie] sind sozial dispräferiert, weil sie ein face-bedrohendes Potenzial haben “ (Bauer 2020: 373). Findet die Interaktion in Kleingruppen zwischen Schülerinnen und Schülern statt, so sind weniger stark formalisierte Settings an Interaktionen zu erwarten, da zwischen den gleichberechtigten Lernenden kein asymmetrisches Verhältnis besteht und sie über dasselbe Rederecht verfügen. Ausserdem wird die Bedrohung des Gesichtsverlusts eingedämmt, da nur eine Gesprächspartnerin resp. ein Gesprächspartner zuhört, die ein ähnlich hohes fremdsprachliches Niveau haben. 2.2 Sprechen in der fremdsprachendidaktischen Forschung ab 2001 Um den Stand der Erforschung der fremdsprachigen Kompetenz Sprechen im deutschsprachigen Raum darzulegen, werden ausgewählte Ergebnisse aus fremdsprachendidaktischen Studien präsentiert, die seit dem Erscheinen des GER (Europarat 2001) durchgeführt und publiziert worden sind. Die Studien beziehen sich entweder auf den Englischunterricht (vgl. Thürmann 2013; Helmke et al. 2008; Kurtz 2001; Miede 2019; Manoïlov 2019), den Französischunterricht (vgl. Dauster 2006; Neveling 2007; Tesch 2010; Méron-Minuth 2009) oder den Fremdsprachenunterricht im Allgemeinen (vgl. Peyer et al. 2016a). 2 Forschungsüberblick 21 Der Fremdsprachenunterricht auf der Primarstufe wird von Thürmann (2013), Dauster (2006), Méron-Minuth (2009) und Neveling (2007) untersucht. Die Aussagen aus Studien zum Englischunterricht und aus Studien zu höheren Schulstufen werden im vorliegenden Kapitel mit der angezeigten Sorgfalt auf den Französischunterricht der Grundschule transferiert. In der Fremdsprache etwas zu sagen ist anspruchsvoll und es braucht Zeit, bis die Schülerinnen und Schüler dazu fähig sind. Im institutionalisierten Fremdsprachenunterricht ist Sprechen zwar ein zentrales, aber ein nicht leicht umsetzbares Ziel (vgl. Grünewald 2014: 60). Es kann empirisch nachgewiesen werden, dass die Förderung der Kompetenz „ Sprechen [ … ] mehr Unterrichtsstunden als die restlichen kommunikativen Kompetenzen [benötigt] “ (Peyer et al. 2016a: 32) und dass die Qualität und Quantität mündlicher Sprachproduktion vielfach hinter den Erwartungen zurückbleiben (vgl. Grünewald 2014: 60). Ausserdem weisen Evaluationsstudien für Englisch mit hoher Übereinstimmung [ … ] nach, dass es beachtliche Erträge gibt bezüglich der Aussprache, des Wortschatzes (Nomina! ), des Hörverstehens, des Leseverstehens, der positiven Einstellungen zum Sprachenlernen und zur Mehrsprachigkeit. Was die produktiven Fähigkeiten angeht, so ist Bescheidenheit in den Erwartungen angesagt. Eine selbstständige Sprachhandlungsfähigkeit stellt sich nur bei wenigen Kindern ein (Thürmann 2013: 25). Was für den Erwerb der Kompetenz Sprechen in der Fremdsprache Englisch gilt, kann mit hoher Wahrscheinlichkeit für die Fremdsprache Französisch übernommen werden, zumal es besonders schwierig scheint, sich mit niedrigem Sprachniveau auf Französisch mündlich zu verständigen. Nieweler (2002) macht die Erfahrung, dass Lernende „ im Englischen nach kurzer Zeit über eine passable kommunikative Flexibilität verfügen, [während] Französischlerner auch im 3. Lernjahr noch Schwierigkeiten haben, elementare Dinge in einfachen Sätzen auszudrücken “ (ebd.: 4). Kurtz (2001) geht davon aus, dass das Sprechen in Form von freier Sprachproduktion im schulischen Kontext nur beschränkt möglich ist und der lehrwerkbasierte Fremdsprachenunterricht das freie, selbstgesteuerte und selbstständige Sprechen der Zielsprache kaum zur Entfaltung kommen [lässt]. Das fremdsprachenunterrichtliche Sprechhandeln erstarrt vielmehr in einer gleichförmigen, an der Schriftsprache der jeweiligen Textvorlage orientierten, mehr oder minder mühsam aufrecht erhaltenen Mündlichkeit, der es an Unmittelbarkeit, Lebendigkeit, Emotionalität und vor allem auch an Erlebnisqualität mangelt (ebd.: 14). Die Videostudie „ Deutsch Englisch Schülerleistungen International “ DESI (Helmke et al. 2008) untersucht ab 2001 die sprachlichen Leistungen von Schülerinnen und Schülern und liefert 2008 Erkenntnisse dazu. Die Studie 22 2 Forschungsüberblick zeigt, dass in den Schulen Deutschlands zwar viel Englisch gesprochen wird, der Ausdruck in Bezug auf Wortschatz und Syntax jedoch beschränkt ist (vgl. ebd.: 353). Zudem wird dargelegt, dass die Lernenden mehrheitlich in Ein- Wort-Sätzen sprechen. Diese Erkenntnis dürfte auch für Französisch zutreffen, zumal das Ergebnis durch die Gestaltung des Fremdsprachenunterrichts erklärt werden kann: Die mündliche Sprachproduktion der Schülerinnen und Schüler besteht mehrheitlich aus Antworten auf (geschlossene) Fragen vonseiten der Lehrperson (vgl. ebd.: 345). Dass dies kein wirksames Grundmuster für den Fremdsprachenunterricht ist, ist mittlerweile empirisch belegt (vgl. Dauster 2006). Der Kritik an der „ weitgehend ungebrochene[n] Dominanz der lehrergesteuerten Frage-Antwort-Gestaltung der fremdsprachlichen Kommunikationsprozesse “ (Kurtz 2001: 23) begegnet Kurtz, indem er in seiner Studie zum improvisierenden Sprechen im gymnasialen Englischunterricht den Anspruch erhebt, dass die Lernenden beim Sprechen in der Fremdsprache sie selbst bleiben und eigene Kommunikationsabsichten verfolgen dürfen (vgl. ebd.: 14). Er zeigt, wie die spontansprachliche Handlungskompetenz durch Improvisationen gefördert werden kann und entwirft ein „ Konzept zur Förderung des selbstständigen Sprechhandelns im Fremdsprachenunterricht “ (ebd.: 18), das bedingt, dass die Schülerinnen und Schüler nicht nur überlegen, wie sie etwas sagen, sondern auch was sie sagen (vgl. ebd.: 41). Insgesamt spricht sich Kurtz für die Förderung der Kompetenz in Interaktionen zwischen den Lernenden aus und fordert Sprechaufgaben, die die natürlichen Elemente eines Gesprächs beinhalten: eigene Fragen stellen, das Gegenüber zu etwas auffordern, etwas wünschen, die eigene Meinung sagen, diskutieren, zustimmen, Missfallen äussern, staunen usw. (vgl. ebd.: 37). Inwiefern sich diese Forderungen bereits auf der Primarstufe und in der Fremdsprache Französisch realisieren lassen, wird in der vorliegenden Studie untersucht. Dauster (2006) stellt in ihrer Untersuchung zum frühen Fremdsprachenunterricht Französisch ebenfalls eine Dominanz des Interaktionsmusters IRF 4 fest (vgl. ebd.: 215). Sie untersucht mittels Audio- und Videoaufnahmen den 4 IRF bedeutet Initiation Response Feedback, als Variante gibt es auch IRE (Initiation Response Evaluation). Initiation ist die impulsgebende Handlung durch die Lehrperson, Response ist die Reaktion einer Schülerin oder eines Schülers, Feedback/ Evaluation ist die Auswertung resp. die Bewertung des response act durch die Lehrperson (vgl. Decke- Cornill/ Küster 2016: 117). „ Dieses Muster ist für manche Interaktionen mit kleinen Kindern charakteristisch, nicht aber für außerschulische Interaktionen unter Kindern und Heranwachsenden. Es ist typisch für die Institution und kann nur funktionieren, wenn alle Beteiligten - die Lehrer/ innen und Schüler/ innen - das Schema als institutionell und fachkulturell legitim akzeptieren und nicht in Frage stellen “ (ebd.: 118). 2 Forschungsüberblick 23 frühen Fremdsprachenunterricht Französisch im Saarland und bezeichnet den Sprachgebrauch im beobachteten Unterricht als „ weitgehend unauthentisch, [da die Beiträge der Schülerinnen und Schüler] sehr kurz sind und sich auf das Notwendigste beschränken “ (ebd.: 215). Dies erklärt sie damit, dass der Stimulus mehrheitlich in Form einer geschlossenen Frage erfolgt (z. B. Qu ’ est-ce que c ’ est? ), und die Antwort entsprechend reduziert ausfällt (z. B. une gomme) (vgl. ebd.: 219). Ausserdem beantworten die Lernenden in der Regel Fragen, deren Antworten dem Gegenüber bereits bekannt sind (vgl. ebd.: 224). Dauster (2006) stellt fest, dass die Kinder wenig aus eigener Initiative zum Unterricht beitragen (vgl. ebd.: 219), wobei dies nicht am niedrigen Sprachniveau der Lernenden liege, sondern an der Lehrperson, die das beschriebene Frage-Antwort-Setting installiere und die Redebeiträge darauf reduziere. Dauster (2006) kann zudem belegen, dass die Imitation einen grösseren Teil der Redebeiträge der Lernenden ausmacht als die eigenständigen Äusserungen (vgl. ebd.: 217). Sie spricht sich für authentischen Input und authentische Interaktionsformen bereits im frühen Fremdsprachenunterricht aus und fordert Aktivitäten, bei denen der Inhalt im Mittelpunkt steht, so dass sich der focus on form auf den focus on meaning verschiebt (vgl. ebd.: 215/ 224). Auch Neveling (2007), die die Sprechkompetenz im frühen Französischunterricht in Berlin untersucht, gelangt in ihrer Studie zur Erkenntnis, dass die Sprechleistungen „ in der Grundschule auf einem imitativen, reproduktiven Niveau “ (ebd.: 269) bleiben. Allerdings stellt sie fest, dass die Lernenden durchaus bereit sind, Initiative zu ergreifen. Sie kann in ihren Daten ein Gesprächsengagement in Form von Interaktion mit den Mitschülerinnen und Mitschülern durch gegenseitige Vokabelhilfe, Korrektur und spontanen turntake ausmachen (vgl. ebd.: 270). Neveling (2007) erkennt also ein Potenzial für die Förderung der mündlichen Produktion durch Interaktionen von Lernenden in Kleingruppen und das bereits auf Grundschulstufe. Zum Sprechen in Gruppenarbeiten liegt die empirische Studie von Tesch (2010) vor, der videobasiert kompetenzorientierte Lernaufgaben in der Praxis des Französischunterrichts auf der Oberstufe untersucht. Er stellt fest, dass das Aufgabenmaterial dann am wirkungsvollsten genutzt wird, wenn die Lernenden sich aktiv am Unterrichtsgeschehen beteiligen, beispielsweise in Form von „ Rollenübernahmen, kooperative[m] Peer-Verhalten und Orientierung an sprachlicher Progression “ (ebd.: 324). Dies müsse allerdings „ mit Lernbegleitung, scaffolding-Verhalten und positivem Feedback bei den Lehrkräften koinzidier[en] “ (ebd.: 324). Schülerinnen und Schüler im Primarschulalter brauchen zwar eine enge Begleitung, um Verantwortung für ihr Lernen zu übernehmen, doch altersunabhängig ist vermutlich die von Tesch empirisch 24 2 Forschungsüberblick belegte Tatsache, dass die Verwendung der Schul- oder der Zielsprache stark von der Lehrpersonensprache (teacher talk) abhängt (vgl. ebd.: 195). Wenn als Arbeitssprache systematisch Deutsch verwendet werde, habe dies „ den Anschein, als traue die Lehrkraft den Schülern schon im Vorfeld nicht zu, alles auf Französisch zu verstehen. [ … ] Die Wirkung auf die Schüler ist entsprechend. Auch sie reagieren nur in kleinen Dosen Französisch, wenn überhaupt “ (ebd.: 195). In Bezug auf das scaffolding- und Feedback-Verhalten der Lehrpersonen stellt Miede (2019) auf der Grundlage seiner videogestützten Studie zum gymnasialen Englischunterricht die Hypothesen auf, dass es lernzielorientierte Aufgabenstellungen brauche, um zielführende, weil kriteriengeleitete, Rückmeldungen geben zu können und dass Lernende weniger fehlerhafte Äusserungen produzierten, wenn sie bei der Problemlösung aktiv von ihrer Lehrperson unterstützt würden (vgl. Miede 2019: 302). Er kann belegen, dass Schülerinnen und Schüler Produktionsstrategien anwenden. Zudem weist er auf die Wichtigkeit des Textsortenwissens hin, das eine zentrale Rolle spiele, und zwar einerseits bei der Rezeption der Texte, die die Grundlage für Sprechaufgaben bildeten, und andererseits bei der Produktion mündlicher Lernendentexte (vgl. ebd.: 300 - 301). Mit der vorliegenden Studie kann überprüft werden, ob seine Hypothesen auch für den Französischunterricht an der Grundschule Geltung haben. Manoïlov (2019) untersucht in ihrem Aktionsforschungsprojekt Interaktionen zwischen Lernenden in einem aufgabenorientierten Lernsetting des Englischunterrichts an einer Sekundarschule in Frankreich. Dabei geht sie von der Hypothese aus, dass die Schülerinnen und Schüler beim Bearbeiten solcher Aufgaben in Kleingruppen oft in die Schulsprache wechseln würden. Je komplexer die Aufgabe, desto grösser sei das Risiko, dass die Lernenden sie vereinfachten, indem sie für die mündliche Interaktion die Schulsprache anstelle der Fremdsprache verwendeten (vgl. ebd.: 18). Sie untersucht die mündlichen Interaktionen ihrer Schülerinnen und Schüler nach verschiedenen durchgeführten Interventionen (z. B. obligate Vorbereitung des Sprechanlasses und Vermittlung von Kommunikationsstrategien) (vgl. ebd.: 21 - 22) und stellt fest, dass die turns länger und komplexer würden, die thematische Auseinandersetzung reicher ausfalle und weniger oft auf die Schulsprache zurückgegriffen werde (vgl. ebd.: 25). Das iterative Vorgehen für die mündliche Interaktion habe den Vorteil, dass „ ainsi la surcharge cognitive liée à la double mobilisation du fond et de la forme “ (ebd. : 25) verhindert werden könne. Manoïlov (2019) postuliert, dass sich diese Erkenntnisse auf andere Fremdsprachen und Sprachniveaus übertragen liessen. 2 Forschungsüberblick 25 Zusammengefasst zeigt der Stand der Forschung, dass für eine optimale Förderung der Kompetenz Sprechen das IRF-Interaktionsmuster möglichst vermieden und durch Interaktionen unter Lernenden in Kleingruppen ersetzt werden sollte (vgl. u. a. Méron-Minuth 2009: 84). Dabei muss ein focus on meaning erfolgen, damit die Schülerinnen und Schüler nicht nur über die Form, sondern auch über den Inhalt ihrer Redebeiträge zu entscheiden haben. Bei aufgabenorientierten Lernsettings sollte die kognitive Belastung, die mit der doppelten Mobilisierung von Inhalt und Form einhergeht, mit vorbereitenden Übungen reduziert werden. Ausserdem sollten gezielt Kommunikationsstrategien vermittelt werden, die den Schülerinnen und Schülern das Aufrechterhalten der Interaktion in der Zielsprache ermöglichen, ohne zurück in die Schulsprache zu wechseln. In der vorliegenden Studie gilt es zu prüfen, ob Interaktionen unter Lernenden in Kleingruppen im frühen Fremdsprachenunterricht an der Primarschule tatsächlich vermehrt zu Äusserungen in der Zielsprache führen, und ob ein focus on meaning Redebeiträge nach sich zieht, die mehrheitlich eigenständig und nicht rein imitativ ausfallen. 2.3 Sprechen in Schweizer Lehrwerken (~1890 bis ~2020) Im Nachfolgenden wird dem Ratschlag von Königs (2014) Folge geleistet und aufgezeigt, wie es zur heutigen Auffassung von Mündlichkeit gekommen ist: Wer sich über die Mündlichkeit im Fremdsprachenunterricht Gedanken macht, ist gut beraten, dabei auch im Blick zu halten, wie es zu der heutigen Auffassung von ‚ Mündlichkeit ‘ gekommen ist, wie sie sich heute darstellt und natürlich auch zu überlegen, wohin genau wir denn mit der Mündlichkeit im Fremdsprachenunterricht tatsächlich wollen (ebd.: 108). Für die vorliegende Studie wird ausschliesslich in den Blick genommen, wie die Mündlichkeit in Lehrwerken gefördert wurde resp. wird. Dabei liegt der Fokus auf den Entwicklungen von Französischlehrwerken für die Volksschule der deutschsprachigen Schweiz, die verschiedenen Methodenparadigmen zugeordnet werden können. Ein Methodenparadigma entsteht aus einer Methodenkonzeption, wobei unter einer Methodenkonzeption „ ein (intersubjektiv überprüftes) mentales Modell für Unterrichtsabläufe “ (Reinfried 2001: 1) verstanden wird. Methodenkonzeptionen können sich unterschiedlich lange halten und durchsetzen, je nachdem, wie gut sie das Versprechen einlösen, Lösungen auf Unterrichtsprobleme zu liefern, die sich in einem bestimmten Zeitraum stellen (vgl. ebd.: 2). Aus einer Methodenkonzeption wird erst dann ein Paradigma, „ wenn sie 26 2 Forschungsüberblick während eines bestimmten Zeitraums im Fremdsprachenunterricht dominiert und in der Lehreraus- und -fortbildung bevorzugt tradiert wird “ (ebd.: 1). In Bezug auf die Fertigkeit Sprechen sind die Versprechen der verschiedenen Methodenkonzeptionen seit 150 Jahren mehr oder weniger immer dieselben: Die Schülerinnen und Schüler sollen rascher und besser sprechen lernen. Bislang konnten diese und auch andere Versprechen nur bedingt eingelöst werden, weshalb es immer wieder zu „ Paradigmenwechseln “ kam. Auch die sich laufend ändernden Anforderungen und möglichen Unterrichtsprobleme führen dazu, dass ein Paradigma von einem nächsten abgelöst wird. In der Geschichte des Fremdsprachenunterrichts hat es Methodenparadigmen gegeben, die sich antithetisch zu vorangegangenen Methodenparadigmen definiert haben, andere Methodenparadigmen wiederum sind eher als Modifikation oder verbesserte Fortsetzung aus einem vorangegangenen Methodenparadigma entstanden (ebd.: 2). Als die „ grossen “ Methodenparadigmen der modernen Fremdsprachen gelten die Grammatik-Übersetzungs-Methode, die Direkte Methode, die Audiolinguale Methode, die Audiovisuelle Methode, die Kommunikative Methode und die Neokommunikative Phase (vgl. Reinfried 2017: 73). 5 Für den Französischunterricht an der Schweizer Volksschule sind m. W. keine rein audiolingualen oder audiovisuellen Lehrwerke entwickelt worden, was einerseits mit der meist spärlichen technischen Ausrüstung an den Volksschulen zusammenhängen dürfte und andererseits auf einen Bildungsauftrag zurückzuführen sein könnte, der über eine rein funktional ausgerichtete Sprachbeherrschung hinausgeht. Allerdings finden sich bestimmte Merkmale der audiolingualen bzw. -visuellen Methode in verschiedenen Lehrbüchern anderer Methodenparadigmen. In Tab. 3 sind die Lehrbücher resp. die Lehrwerke aufgeführt, anhand derer in den nachfolgenden Kapiteln die Förderung des Sprechens nach verschiedenen Methodenparadigmen aufgezeigt wird: 5 Für die genannten Methoden wird im Folgenden ausgeführt, wie die Förderung von Sprechen in den verschiedenen Schweizer Lehrwerken konzipiert ist. Allerdings muss vorausgeschickt werden, dass den Methodenparadigmen eher eine Orientierungsfunktion zukommt und nicht davon ausgegangen werden kann, dass alle Schülerinnen und Schüler ausschliesslich nach der zu einem bestimmten Zeitpunkt vorherrschenden Methode unterrichtet werden, da die Lehrpersonen „ gelegentlich, unter Umständen auch öfter gegen die ‚ reine Lehre ‘ derjenigen Methodenkonzeption oder derjenigen Methodenkonzeptionen [verstoßen], die sie verinnerlicht haben “ (Reinfried 2001: 2). 2 Forschungsüberblick 27 • Banderet, P.; Reinhard, Ph. (1893): Cours pratique de langue française. A l ’ usage des écoles allemandes. 2. Aufl. Bern: Schmid & Francke. • Baumgartner, Andreas; Zuberbühler, Arnold (1900): Neues Lehrbuch der französischen Sprache. 12. unveränderte Auflage. Zürich: Orell Füssli Verlag • Eberhard, Otto (1908): Je parle français. Conversations et lectures françaises à l ’ usage des écoles. Zürich: Orell Füssli Verlag. • Keller, E. (1941): Cours élémentaire de langue française. Première partie. En classe et en famille. 7. Aufl. Bern: Librairie académique Paul Haupt. • Müller, Otto (1947): Parlons français! Cours élémentaire de langue française. Erlenbach-Zürich: Eugen Rentsch Verlag. • Binder, Heidy; Kessler, Sigrid; Ritschard, Charlotte; Walther, Rudolf; Schneiter, Käthy; Wallimann, Helen (1981): Bonne chance! Bern: Staatlicher Lehrmittelverlag. • Ganguillet, Simone; Grossenbacher, Barbara; Lovey, Gwendoline; Sauer, Esther; Thommen, Andi; Trommer, Bernadette (2014a): Mille feuilles 6. 6.1: Eurêka - j ’ ai trouvé! 6.2: Quelle question! 1. Auflage. Bern: Schulverlag plus AG. Tab. 3: Korpus der analysierten Lehrwerke Für das vorliegende Kapitel sind Werke berücksichtigt, die zwischen 1893 und 2014 in der Schweiz für den Französischunterricht an der Volksschule entwickelt worden sind. 6 Ich habe sie einer Lehrwerkanalyse unterzogen, die die vier folgenden Hauptkategorien beinhaltet (vgl. Tab. 4): 1. Mündliche Interaktion zwischen den Akteurinnen und Akteuren (Lehrperson, Lernende) 2. Form des Sprechens (monologisch, dialogisch) 3. Funktion von Sprechen (formbezogen, kommunikativ ausgerichtet, inhaltsorientiert) 4. Sprachliches Vorbild resp. korrigierende Instanz (Lehrperson, schriftliche Hinweise zur Aussprache, Hörbeispiele ab Tonträger, Lernende) Tab. 4: Kriterien für die Lehrwerkanalysen 6 Im Rahmen des SNF-Sinergia Projekts „ Die gesellschaftliche Konstruktion schulischen Wissens “ (Laufzeit 1.2013 - 3.2017) wurde ein Korpus an Schweizer Lehrwerken aus dem Zeitraum von 1830 bis zum Ende des 20. Jahrhunderts zusammengestellt. Ich bedanke mich an dieser Stelle bei Christine Le Pape Racine, die am Teilprojekt D „ Deutsch und Französisch in der Volksschule der deutschsprachigen Schweiz (seit 1830) “ beteiligt war und mir grosszügig Lehrwerke aus dem Projektkorpus zur Verfügung gestellt hat. 28 2 Forschungsüberblick 2.3.1 Grammatik-Übersetzungs-Methode Das älteste Lehrwerk in dem für diese Studie zusammengestellten Korpus ist der „ Cours pratique de langue française “ (Banderet/ Reinhard 1893). Das Kursbuch besteht aus 133 Lektionen, die verschiedene Grammatikthemen bedienen. Im Vorwort von 1893 geben die Autoren an, dass sich die von ihnen befolgte Methode in zwei Worten ausdrücken lasse: „ Verständnis und Uebung “ (ebd.: III). In jeder Lektion stehe ein schriftlicher Ausgangstext, den es zu verstehen gelte und anhand dessen die „ Sprachfertigkeit “ der Schülerinnen und Schüler geübt werde, wobei mit der Sprachfertigkeit das Lesen und Schreiben gemeint sind. Mit der Ausrichtung auf das Üben schriftlicher Fertigkeiten entspricht der „ Cours pratique de langue française “ (ebd.) den Lehrwerken des 19. Jahrhunderts, die sich dadurch auszeichnen, dass sich darin nur wenige Sprechaufgaben finden, da in der Grammatik-Übersetzungs-Methode die schriftlichen Sprachfertigkeiten Vorrang vor den mündlichen Fertigkeiten haben und im Vordergrund eine theoretische und praktische Grammatikbeherrschung steht (vgl. Reinfried 2017: 73). Bei der 3. Auflage von 1897 bringen die Autoren Änderungen am „ Cours pratique de langue française “ (Banderet/ Reinhard 1897) an: Diese bestehen „ hauptsächlich in der Vermehrung der Konversationsübungen “ (ebd.: IV), die wie die anderen Übungen das Grammatikthema bedienen und von den Übungsstücken ausgehen. Am Beispiel der „ Leçon 13 “ wird aufgezeigt, wie Sprechen in der 3. Auflage dieses Lehrwerks gefördert werden sollte: Abb. 1: ebd.: 10 2 Forschungsüberblick 29 Abb. 2: ebd.: 11 Die einzelnen Lektionen sind nummeriert und direkt unter der Lektionsnummer steht das behandelte Grammatikthema (vgl. Abb. 1). Innerhalb der Lektionen findet man zu Beginn jeweils eine Liste mit Wortschatz auf Deutsch 30 2 Forschungsüberblick und Französisch zu einem bestimmten Wortfeld und eine Grammatikregel. In der Lektion 13 geht es um den Garten und Gartenwerkzeuge, sowie die Anwendung des hinweisenden Fürworts, genauer gesagt um die Singularformen ce, cet, cette. Der Wortschatz und die Grammatikstrukturen werden anschliessend in Sätzen verbunden, woraus ein Übungstext entsteht (vgl. Abb. 2). Dieser wird von der Lehrperson vorgelesen und soll von der Klasse nachgesprochen werden. Dabei ist die Lehrperson das sprachliche Vorbild für die Klasse. Auf den Übungstext folgt eine schriftliche Übersetzung. In der ersten Auflage des „ Cours pratique de langue française “ (ebd.) endet die Lektion 13 mit dieser Übersetzung und es liegen keine weiteren Sprechübungen vor. In der Version der 3. Auflage kommt eine Konversationsübung, ein exercice de conversation, dazu. Im Vorwort zum Lehrbuch steht bzg. der Umsetzung dieser Konversationsaufgaben der Hinweis, dass die Bearbeitung der Sprechübungen „ bei offenem oder geschlossenem Buch “ (ebd.: V) erfolgen könne. Die Sprechübung könnte darin bestehen, dass eine Gruppe resp. eine Bankreihe die Fragen aus dem Buch im Chor vorliest und die andere Gruppe resp. eine andere Bank ohne Vorlage die Fragen beantwortet. An der mündlichen Interaktion beteiligen sich also die Schülerinnen und Schüler als Gruppe, eng geführt von der Lehrperson und dem Lehrbuch. Es handelt sich um ein dialogisches Sprechen, wobei vorgegebene Fragen gestellt und beantwortet werden müssen. Im Vorwort geben die Autoren an, dass das Ziel dieser Aufgaben sei, den „ Wortvorrat praktisch [zu] verwenden “ (ebd.: III). 7 Die Mitteilungsabsicht der Schülerinnen und Schüler wird dabei kaum berücksichtigt. Es handelt sich in erster Linie um ein formbezogenes Sprechen, da der Wortschatz und die eingeführten Grammatikstrukturen damit wiederholt werden. Die Aussprache der französischen Laute wird im Übungstext durch Angaben zur liaison unterstützt. In einem einleitenden Kapitel „ Prononciation “ sind zudem die Ausspracheregeln schriftlich dargestellt, wobei nicht explizit erklärt wird, wie und wann dieses Kapitel bearbeitet werden soll und inwiefern es den Schülerinnen und Schülern ebenfalls als Referenz für das Sprechen dienen kann. 7 Sprechübungen genau dieser Art werden im deutschen Lehrbuch von Otto (1908) „ Französische Konversations-Grammatik “ genannt. Der Aufbau dieses deutschen Lehrbuchs ist vergleichbar mit dem Schweizer Lehrbuch: Die Lektionen bedienen verschiedene Grammatikthemen. Innerhalb einer Lektion werden zunächst die Regeln auf Deutsch erklärt und dann formale Übungen oder Übersetzungen dazu angeboten. Die letzte Aufgabe ist jeweils die Sprechübung und es werden ähnliche Frage-Antwort- Muster eingeübt (vgl. beispielsweise „ Où est la carte murale? Voilà … , Où est la France? , Où est la Seine? , Où est Paris? “ (Otto 1908: 19). 2 Forschungsüberblick 31 Die Bestrebungen, „ den Schüler mehr zum Sprechen zu veranlassen “ (ebd.: IV-V), sind vermutlich auf den Paradigmenwechsel zurückzuführen, der sich gegen Ende des 19. Jahrhunderts einstellt. Es entsteht eine Reformbewegung, die fordert, dass Sprechen mehr sein solle, als einen schriftlichen Text richtig auszusprechen und zu betonen. Als tragende Stimme für die Kritik gilt Viëtor (vgl. Quousque Tandem 1882), der der Überzeugung ist, dass der Sprachunterricht auf falschem Wege sei, und der den Wunsch hegt, „ dass eine Umkehr erfolge “ (Viëtor 1905: V). Viëtor macht als Problem den hohen Aufwand und den geringen Ertrag aus, denn seiner Meinung nach ist auch nach ca. 7 ’ 000 Stunden Sprachunterricht der „ reelle Sprachgewinn am Ende der sechsbis neunjährigen Schulzeit ein höchst mäßiger “ (ebd.: 2). Er wünscht sich einen Fremdsprachenunterricht, in dem die Mündlichkeit Vorrang hat, denn „ die Sprache besteht aus Lauten und nicht aus Buchstaben “ (ebd.: 5 - 6). Doch die Grammatik-Übersetzungs-Methode geniesst in nicht reformistischen Kreisen weiterhin grosse Beachtung. Beispielsweise erscheint rund 50 Jahre nach dem „ Cours pratique de langue française “ (Banderet/ Reinhard 1897) das Lehrbuch für Sekundär- und Mittelschulen „ Parlons français! Cours élémentaire de langue française “ (Müller 1947). Die Lektionen beginnen in diesem Lehrbuch jeweils mit einer tabellarischen Übersicht zu einem bestimmten Grammatikthema, das auf Deutsch erklärt wird. Darauf folgen formale Übungen und ein Lesetext. Am Ende einer Lektion steht die Übersetzungsarbeit und ab und zu auch eine Konversationsaufgabe, wobei diese exercices de conversation hauptsächlich mündliche Verständnisfragen zum Lesetext sind, die in der Zielsprache zu beantworten sind (vgl. z. B. ebd.: 20 - 23). Der Autor von „ Parlons français! Cours élémentaire de langue française “ (ebd.) erklärt im Vorwort zur 6. Auflage von 1959 in der dritten Person Singular, warum er nicht bereit sei, Neuerungen in seinem Lehrbuch umzusetzen und grenzt sich dabei explizit von den reformistisch geprägten Bestrebungen ab: Er war sich dabei bewusst, dass nur eindeutige Verbesserungen in Frage kommen durften und vermied es, Bewährtes durch Problematisches zu ersetzen. Vor allem konnte er sich nicht dazu entschliessen, den Gesamtaufbau des Lehrgangs zu ändern oder den grammatikalischen Stoff wesentlich zu beschneiden, weil er nach wie vor der Überzeugung ist, dass eine solide Grammatikschulung im Französischunterricht einen wesentlichen Beitrag zur Denkerziehung gerade des Sekundarschülers leisten kann, und dass ein nur zweckdienliches Unterrichten der ersten Fremdsprache - „ ein wenig Französisch lernen “ - wohl einem rein praktischen Unterrichtsziel, nicht aber der Bildungsaufgabe einer Sekundarschule dienen kann (Müller 1959: 5). Seine Haltung teilen insbesondere Lehrpersonen aus den Sekundarstufen I und II, wie dies eine Rezension von 1949 belegt, in der das Lehrbuch dafür gelobt wird, dass es die Schriftlichkeit vor die Mündlichkeit stelle und die Über- 32 2 Forschungsüberblick setzungsarbeit zur Festigung der grammatischen Kenntnisse der Schülerinnen und Schüler als Kernstück einsetze: Es war einfach ein Irrtum zu glauben, daß die Schule den Schülern hauptsächlich durch das Sprechen eine Fremdsprache beizubringen vermöge. Dazu ist die Anzahl der Stunden für den fremdsprachlichen Unterricht viel zu beschränkt. [ … ] Also zurück zur Grammatik! [ … ] „ Parlons français “ bietet auch viel Uebungsmaterial zur Uebersetzung vom Deutschen ins Französische, was zeitweilig so verpönt war und vernachlässigt wurde - zum großen Schaden der Schüler. Die Uebungssätze ermöglichen die wünschenswerte Vertiefung des grammatikalischen Stoffes, sodass der Schüler festen Boden unter die Füße bekommt (St. 1949: 94). 2.3.2 Direkte Methode Eines der ersten Französischlehrbücher für die Schweizer Volksschule, von dem die Autoren sagen, dass es nach der Direkten Methode entwickelt worden sei, ist das Neue Lehrbuch der französischen Sprache (Baumgartner/ Zuberbühler 1900). Im Unterschied zum „ Cours pratique de langue française “ (Banderet/ Reinhard 1893) oder auch zu „ Parlons français! Cours élémentaire de langue française “ (Müller 1947) beginnen die Kapitel vom Neuen Lehrbuch der französischen Sprache (Baumgartner/ Zuberbühler 1900) jeweils mit einem (Vor-) Lesetext. Der Titel des Kapitels beschreibt nicht ein Grammatikthema, sondern bezieht sich auf den Inhalt dieses Eingangstextes. Allenfalls ist neben dem Kapiteltitel meistens auch das Grammatikthema zusätzlich angegeben. 2 Forschungsüberblick 33 Abb. 3: ebd.: 42 Abb. 4: ebd.: 43 Die Ausgangstexte bedienen ein bestimmtes Wortfeld und ein Grammatikthema, das induktiv erarbeitet wird. Beim Kapitel 43 geht es um den Bauernhof, das Verb aller und die Relativpronomen qui und que (vgl. Abb. 3). Unter- 34 2 Forschungsüberblick halb der Texte stehen die zentralen Wörter und Ausdrücke des Ausgangstextes und es werden bestimmte grammatische Strukturen herausgelöst. Dabei wird der Rückgriff auf die Schulsprache Deutsch möglichst vermieden. Direkt wird die Methodenkonzeption deshalb genannt, weil sie auf „ den Umweg “ über die Muttersprache, die Orthografie und die so genannt überflüssigen Grammatikregeln möglichst verzichten will (vgl. Wickerhauser 1907: 211 - 232, zitiert nach Christ 2020: 177). Wenn immer möglich werden Wörter durch Anschauung eingeführt, d. h. die Lehrperson zeigt entweder auf Gegenstände im Klassenzimmer oder verwendet Bilder. Das analytische Vorgehen und das Ausgehen vom Text sind die wesentlichen Neuerungen der Direkten Methode (vgl. Christ 2020: 190) und die beiden Autoren weisen im Vorwort explizit darauf hin, dass ihr Lehrbuch auf der Direkten Methode basiere: Im wesentlichen ist die Methode die sogenannte direkte, diejenige, die unmittelbar von der fremden Sprache ausgeht, und zwar im Anfang von eigens gewählten einfachen Sätzen, die nichts Neues enthalten als die in Behandlung kommende Schwierigkeit, so dass die Aufmerksamkeit des Schülers auf diese allein gerichtet bleibt. Dies ist die notwendige Vorbereitung auf ein Gespräch oder auf ein zusammenhängendes Lesestück, das immer den Mittelpunkt des Unterrichts bleiben soll (Baumgartner/ Zuberbühler 1900: III). Die Direkte Methode entwickelt sich zwar als Gegensatz zum vorangehenden Methodenparadigma, doch sie ist keine einheitliche Methodenkonzeption, sondern bündelt verschiedene Ausprägungen der von Viëtor geprägten Reformbestrebungen in sich. In ihrer radikalen Ausprägung erhebt sie die Förderung der mündlichen Fertigkeiten der Lernenden zum zentralen Desiderat (vgl. Schmidt 2016: 103) und verlangt, dass die Sprachaneignung eher unbewusst erfolgen solle, analog zum Erwerb der L1 (vgl. Viëtor 1905: 1 - 5). In der gemässigten Ausprägung wird eine vermittelnde Methode angestrebt, die nicht mit der ganzen Tradition bricht, sondern an die Grammatik-Übersetzungsmethode anknüpft (vgl. Christ 2020: 187). Bei den Autoren des „ Neuen Lehrbuchs der französischen Sprache “ (Baumgartner/ Zuberbühler 1900) dürfte es sich um gemässigte Reformer handeln, da sich beispielsweise noch (wenige) deutsche Texte im Lehrbuch finden und auch Übersetzungsaufgaben noch vorhanden sind. Sie fügen nun zwar systematisch zu jedem Kapitel eine Conversation hinzu (vgl. Abb. 4), doch die Sprechübungen erinnern an solche, die bereits in früheren Lehrbüchern praktiziert worden sind. Es handelt sich grösstenteils um Fragen, deren Antwort dem Lesetext zu entnehmen ist. An der Interaktion nehmen die Schülerinnen und Schüler im Chor teil, geführt von ihrer Lehrperson. Im Vorwort gibt es Hinweise, wie ausgehend vom Lehrbuchmaterial zusätzliche Sprechanlässe geschaffen werden können: 2 Forschungsüberblick 35 Wir erinnern neuerdings daran, dass deutliches Vorsprechen, streng überwachtes Nachsprechen, Chorlesen mit gedämpfter Stimme, freies Vortragen von Gedichten, Gesprächen und prosaischen Stücken - Bedingungen sind, die nicht ausser acht gelassen werden dürfen, wenn der Schüler richtig und fliessend lesen lernen soll. Auch ist es von grösster Wichtigkeit, dass möglichst viel bei geschlossenem Buch gefragt und geantwortet werde. Der Schüler muss sich an das Sprechen und an die gesprochene Sprache gewöhnen und vom Buch unabhängig werden (ebd.: IV). Das Sprechen wird in verschiedenen Formen wie Nachsprechen, Vorlesen und Rezitation eingeübt. Dabei nimmt die Lehrperson als sprachliches Vorbild eine wichtige Rolle ein und sollte möglichst viel mit geschlossenem Buch unterrichten: Den Autoren ist es wichtig, dass dadurch der Weg zum freien Sprechen geebnet wird. Die Konversationsübungen sind formbezogen und das Sprechen erfüllt die Funktion von Wortschatz- und Grammatikeinüben. Im Anhang zum Lehrbuch rückt die Mündlichkeit stärker in den Vordergrund: Er beinhaltet Hilfestellungen zur Konversation, die so genannten „ Phrases de tous les jours “ (vgl. Abb. 5), die heutzutage als chunks bezeichnet würden. Ausserdem gibt es „ Poésies “ zum Rezitieren oder auch „ Airs populairs “ zum Singen (vgl. ebd.: 210 - 218). Abb. 5: ebd.: 210 36 2 Forschungsüberblick Im Anhang zum Lehrbuch lässt sich also eine Änderung der Funktion des Sprechens ausmachen, das kommunikativen Zwecken dienen soll. Allerdings geben die Autoren an keiner Stelle im Lehrbuch einen Hinweis auf die Arbeit mit dem Anhang. Es sind keine Hinweise auf die Aussprache enthalten, auch keine Angaben zur liaison. Für die Aussprache liegt ein eigenes Kapitel vor, es ist jedoch wie bei Banderet/ Reinhard (1893) weder im Inhaltsverzeichnis aufgeführt noch werden explizite Bezüge zu den Lektionen hergestellt. Es ist davon auszugehen, dass die Sätze wie auch die Konversationssätze des Lehrbuchs im Chor vorgetragen werden sollen. Sprechen findet im „ Neuen Lehrbuchs der französischen Sprache “ (Baumgartner/ Zuberbühler 1900) und allgemein in der Direkten Methode noch in Form einer „ Imitation des gebotenen Sprachmaterials durch Hören und Nachsprechen [und den] Einsatz eng gesteuerter Kommunikationsübungen “ (Schmidt 2016: 103) statt. Das Lehrbuch „ Cours élémentaire de langue française. Première partie. En classe et en famille “ (Keller 1941), das vierzig Jahre später erscheint, nimmt einige Ideen von Baumgartner/ Zuberbühler (1900) auf und geht in Bezug auf die Umsetzung der Direkten Methode einen Schritt weiter. Um möglichst keinen Umweg über die Schulsprache Deutsch zu machen, sind im „ Cours élémentaire de langue française. Première partie. En classe et en famille “ (Keller 1941) zahlreiche Illustrationen vorhanden und das Sprechen wird wenn immer möglich mit einer Handlung unterstützt. 2 Forschungsüberblick 37 Abb. 6: ebd.: 6 38 2 Forschungsüberblick Abb. 7: ebd.: 10 An der mündlichen Interaktion beteiligen sich die Schülerinnen und Schüler wiederum als ganze Klasse, im geführten Dialog mit der Lehrperson. Es sind Übungen zum Nachsprechen, zum Vorlesen, zur Rezitation sowie zum handelnden Sprechen im „ Cours élémentaire de langue française. Première partie. En classe et en famille “ vorhanden, auch wenn sie nicht explizit als solche ausgewiesen werden. Beim handelnden Sprechen geht es um das Stellen 2 Forschungsüberblick 39 und Beantworten vorgegebener Fragen, indem möglichst viel Gestik eingesetzt und auf die entsprechenden Gegenstände gezeigt wird (vgl. Abb. 7). Es sind aber noch keine Rollenspiele. Das Sprechen bleibt formbezogen und dient dem Einüben von Wortschatz und Grammatik, auch wenn der Titelzusatz „ En classe et en famille “ eine kommunikativere Ausrichtung vermuten liesse. Um die Mündlichkeit zu stärken, wird die Aussprache stärker in den Lehrgang eingebettet. Das Kapitel zur Aussprache heisst nun Exercices de prononciation und es wird im Inhaltsverzeichnis aufgeführt (vgl. Abb. 6). Ausserdem wird beim Bearbeiten der (Vor-)Lesetexte jeweils auf das Kapitel zu den Exercices de prononciation verwiesen (vgl. Abb. 7). Zu den französischen Lauten gibt es Beispiele, Redewendungen, chunks, Zungenbrecher, Reime oder Schnabelwetzer (Keller 1941: 5 - 9). Keller (1941) geht bei der Umsetzung der Direkten Methode in seinem Lehrbuch zwar weiter als Baumgartner/ Zuberbühler (1900), doch es stellt sich in diesen beiden obligatorischen Lehrwerken für die Schweizer Volksschule heraus, dass das innovative Gedankengut eher vorsichtig umgesetzt wird und dass die Lehrbücher der gemässigten Ausrichtung zuzuordnen sind. Dies mag damit zusammenhängen, dass sie vor ihrer Verwendung an der Primar- oder Sekundarschule jeweils von einer Lehrwerk-Kommission validiert und empfohlen werden müssen. Im Gegensatz zu den obligatorischen Lehrwerken finden sich in ergänzenden Zusatzmaterialien Umsetzungen, die radikaler sind: Ein Autor eines fakultativen Zusatzbüchleins (Eberhard 1908) macht ebenfalls die Feststellung, dass das Prinzip der Priorität der Mündlichkeit vor allem an Privatschulen angewendet wird: Leider aber sind es bisher meist nur Privatschulen gewesen, die mit der Durchführung dieses Prinzips wirklich Ernst gemacht haben, während in den gewöhnlichen Schulen das lebendige Wort stets vom toten Buchstaben überwuchert worden ist (ebd: 6). Eberhard (1908) entwickelt eine neue Methode, die die Direkte Methode in ihrer radikalen Ausprägung umsetzt, indem er in seinem Lehrbuch keine einzige Grammatikregel formuliert, kein Wort Deutsch verwendet und indem er den Sprechanteil der Schülerinnen und Schüler massiv erhöht. Es handelt sich um das Lehrbuch „ Je parle français. Conversations et lectures françaises à l ’ usage des écoles “ (ebd.). 40 2 Forschungsüberblick Abb. 8: ebd.: 23 2 Forschungsüberblick 41 Abb. 9: ebd.: 68 Abb. 10: ebd. 42 2 Forschungsüberblick Abb. 11: ebd.: 73 - 74 Im Lehrbuch „ Je parle français. Conversations et lectures françaises à l ’ usage des écoles “ (ebd.) erhält das Sprechen einen hohen Stellenwert. Die Schülerinnen und Schüler sprechen mit ihrer Lehrperson, aber auch untereinander, als Klasse und einzeln. Es finden sich Übungen zu allen möglichen Sprechformen (monologisch: Nachsprechen (im Chor oder einzeln), Vorlesen, Rezitation, handelnd sprechen / dialogisch: Stellen und Beantworten vorgegebener Fragen, Vorspielen eines vorgegebenen Dialogs, Realisieren eines selbst entwickelten Gesprächs). Je nach Übungsformat kommt dem Sprechen eine unterschiedliche Funktion zu: In Kapitel 17 (vgl. Abb. 8) sprechen die Schülerinnen und Schüler ein Gespräch nach, das dem Einüben von Strukturen dient (Verb avoir im Präsens). Es handelt sich um ein formbezogenes Sprechen und die Schülerinnen und Schüler stellen und beantworten dafür die vorgegebenen Fragen. In Kapitel 70 (vgl. Abb. 9 und Abb. 10) spielen die Schülerinnen und Schüler einen vorgegebenen Dialog vor, wobei es sich um kommunikativ ausgerichtetes Sprechen handelt. In Kapitel 75 (vgl. Abb. 11) wird schliesslich auch zum inhaltsorientierten Sprechen angeleitet, da die „ Schüler “ im Sportunterricht oder in der Pause einander Anweisungen geben können. Es gibt weitere solche Kapitel mit inhaltsorientiertem Sprechen zum Fach Mathematik (vgl. Eberhard 2 Forschungsüberblick 43 1908: 54/ 71 - 72), in denen die Lernenden sie selbst bleiben und in der Zielsprache Sachinformationen austauschen. Das Marktgespräch von Kapitel 70 (Abb. 9 - 10) erinnert an die Sprechakt-Dialoge, wie sie Jahrzehnte später in zahlreichen Lehrwerken zu finden sind. Das Gespräch weist zwar keine touristische Perspektive auf, wie dies bei kommunikativ ausgerichteten Lehrwerken i. d. R. der Fall ist, wirft man aber einen Blick ins Verzeichnis der Gespräche, so stellt man fest, dass tatsächlich eine bestimmte Nähe zu Lehrwerken der kommunikativen Methode gegeben ist: In „ Je parle français. Conversations et lectures françaises à l ’ usage des écoles “ (ebd.) finden sich Gespräche mit den Titeln Chez l ’ épicier, J ’ ai perdu mon porte-monnaie, Chez le boulanger, A la boucherie, Au marché, Chez le cordonnier, Chez le médecin, A la chapellerie, Chez la modiste, Chez le menuisier oder auch Chez l ’ horloger (vgl. Eberhard 1908: 94 - 95). Es ist auch in diesen Zusammenhang auffällig, wie lange es geht, bis sich eine Methodenkonzeption als Methodenparadigma durchsetzt (vgl. Reinfried 2001: 1). Das Schweizer Lehrwerk „ Bonne chance! “ (Binder et al. 1981a), das kommunikativ ausgerichtet ist, erscheint erst gut siebzig Jahre später. Die Methode des bilingualen Unterrichts, wie sie in den Kapiteln zum Mathematik- oder Sportunterricht auf Französisch im Lehrbuch (Eberhard 1908) angelegt ist, gelangt erst in den 1990er Jahren aus Kanada nach Europa (vgl. Le Pape Racine 2022: 19). Das Primat der Mündlichkeit ist in „ Je parle français. Conversations et lectures françaises à l ’ usage des écoles “ (Eberhard 1908) auch bzg. der ausschliesslichen Verwendung der Zielsprache zu erkennen. Dabei ist die Lehrperson das sprachliche Vorbild für ihre Schülerinnen und Schüler. Die ausschliessliche Verwendung der Zielsprache ist auf die Prämissen der Direkten Methode zurückzuführen, nach der „ die Darbietung der fremden Sprache unter möglichstem Ausschluss der Muttersprache [ … ] die erste und wichtigste Forderung [ist]. Zur Durchführung dieser sog. Direkten Methode in der Schule stehen der Lehrperson verschiedene Mittel zur Verfügung, in erster Linie die Anschauung “ (ebd.: 3). Um diesen Grundsatz im Lehrbuch einzuhalten, bettet Eberhard (1908) die Grammatikphänomene, die es zu bearbeiten gilt, in den Ausgangstexten ein. Im Gegensatz zu vorgängigen Lehrbüchern findet sich beispielsweise für die Konjugation des Verbs avoir im Präsens anstelle einer Tabelle ein erfundenes Gespräch, in dem das gesamte Paradigma vorkommt (vgl. Abb. 9). Damit die Lehrpersonen die Prämisse der Direkten Methode in ihrem Unterricht befolgen, spricht Eberhard (1908) im Vorwort zu seinem Lehrbuch Empfehlungen zur Anschauung aus. Er erklärt u. a., wie eine Lektion abläuft, die auf Mündlichkeit ausgerichtet ist: 44 2 Forschungsüberblick [Der Lehrer] spricht, bei geschlossenem Buche, langsam und mit schöner Aussprache Satz um Satz eines Abschnittchens vor, indem er, wenn nötig, die dazu gehörige Handbewegung damit verbindet. Die Schüler wiederholen die Sätze, zuerst einzeln, dann im Zusammenhang, worauf die ganze Klasse den Abschnitt im Chor hersagt. Hernach wird zum folgenden Abschnittchen übergegangen und die ganze Lektion auf diese Weise gründlich und unermüdlich durchgesprochen. Erst jetzt darf das Buch geöffnet werden: das Lesen ist nun eine leichte und angenehme Beschäftigung, indem das Kind den fremden Laut unmittelbar, ohne Übersetzung, aufnimmt, ähnlich wie es seine Muttersprache zu erfassen gewohnt ist (ebd.: 6). Das Zeigen auf Bilder oder Gegenstände, das Zeichnen an die Wandtafel oder auch das Ausführen von Handbewegungen seien ebenfalls wichtige Mittel, die die Lehrpersonen zur Anschauung nutzen könnten (vgl. ebd.: 3). Im Lehrbuch „ Je parle français. Conversations et lectures françaises à l ’ usage des écoles “ (ebd.) wird so das Einüben der geschriebenen Sprache zugunsten der gesprochenen Sprache hinausgezögert. Dies erinnert an den Paradigmenwechsel der Audiolingualen Methode, der jedoch erst fünfzig Jahre später stattfindet und in dem essentiell ist, „ daß die Sprachaufnahme rein oral erfolgt [ … ], daß anschließend hörend-sprechend umfangreich und immer wieder geübt wird und daß die Schrift erst dann genutzt wird, wenn sie nicht mehr negativ interferiert, d. h., wenn die Hör- und Sprechgewohnheiten gefestigt sind “ (Christ 2020: 196). Eberhard (1908) formuliert im Vorwort zu seinem Lehrbuch also Prinzipien, die sich erst in den 1960er Jahren durchsetzen. Nach der Anschauung wird eine Verbindung mit Bewegungen hergestellt, die nicht nur von der Lehrperson vollzogen wird, sondern auch von den Schülerinnen und Schülern (vgl. Eberhard 1908: 3 - 4; 7). Die Bewegungen münden in kleinen Inszenierungen der Gespräche, was die Kinder laut dem Autor sehr gerne machen würden: Aber am glücklichsten ist [das Kind], wenn es als kleiner Schauspieler vor die Klasse treten darf in der Rolle eines Krämers, eines Bäckers, Schneiders oder gar eines Doktors. Dann entspricht der Unterricht auch ganz seiner Natur, die ihm nicht gestattet, beständig ruhig dazusitzen, sondern die tätig sein und handelnd zugreifen will (ebd.: 3 - 4). Eberhard (1908) verwendet für die Direkte Methode auch den Begriff der Anschauungsmethode. Der Begriff der Anschauung erinnert neben den didaktischen Hilfestellungen für die Lehrpersonen auch an die Erziehungsmethode von Pestalozzi. Nach Pestalozzi (1922, nach der letzten Ausgabe vom Jahre 1821) ist Sprache ohne Anschauung nicht denkbar und umgekehrt die Anschauung in der Natur ohne Sprache nicht fruchtbar. Die Reformpädagogik führt in der deutsch- und französischsprachigen Schweiz gegen 1900 in den Schulsprachenfächern Deutsch resp. Französisch zu tiefgreifenden Veränderungen: 2 Forschungsüberblick 45 Das schulische Wissen und seine Ordnung, die sich bis zum Ende des 19. Jahrhunderts herausgebildet und etabliert hat, wird unter der Perspektive der Individualisierung, der SchülerInnenaktivität und der Kindzentrierung infrage gestellt. Pädologie und Psychologie sind Referenzen, um diese Entwicklung auch wissenschaftlich zu legitimieren. Allerdings werden in dieser Phase weniger inhaltliche Umstrukturierungen des Faches angestrebt, sondern vielmehr Veränderungen in den Unterrichtsmethoden (Schneuwly et al. 2016: 9). Eberhard (1908) erwähnt zwar weder die Reformpädagogik noch Pestalozzi im Vorwort zu seinem Lehrbuch, aber er grenzt sich explizit gegen die Grammatik-Übersetzungs-Methode im Fremdsprachenunterricht ab und stützt seine Argumentation dabei ebenfalls auf die Individualisierung, die Aktivierung der Schülerinnen und Schüler und die Lernendenorientierung. Er vertritt die Meinung, dass „ die geistige Tätigkeit des Kindes [ … ] nach unserer Methode in ganz anderer Weise in Anspruch genommen [wird], als bei der Anwendung des gewöhnlichen Grammatik- und Übersetzungsverfahren “ (Eberhard 1908: 10): Bisher hatte [das Kind] beständig nur Gedanken anderer überzutragen oder, vermittelst des bekannten Frage- und Antwortspiels, den Inhalt eines behandelten Lesestückes wiederzugeben. Unser Unterricht dagegen kommt in weitgehender Weise seinem Bedürfnisse entgegen, selbst etwas zu tun und zu gestalten. Das erfreut und belebt die geistige Kraft des Kindes ganz anders, als die beständige Reproduktion, und gestattet zugleich, dass sich der Unterricht in natürlicher Weise seinen Fähigkeiten und sogar seiner kleinen Welt- und Lebensanschauung anzupassen vermag (ebd.). In engem Zusammenhang zur Lernendenorientierung steht die Differenzierung. Auch darauf geht Eberhard (1908) in seinem Vorwort ein: Auch die schwächern Schüler kommen jetzt zu ihrem Rechte, indem jeder nach seiner Art etwas leisten kann, sobald nur der Lehrer Mut und Vertrauen in ihnen zu erwecken versteht. Andererseits sieht der intelligentere Teil der Klasse ein weites Arbeitsfeld vor sich, wo sich die Kräfte in freien Wetteifer miteinander messen können - aus der bisher vielleicht langweiligen und geistlosen Französischstunde wird jetzt eine der schönsten und lebensvollsten Stunden des ganzen Unterrichts (ebd.: 10). Die Differenzierung zeigt sich in den Sprechübungen dadurch, dass die Interaktionsformen ausgeweitet werden: In „ Je parle français. Conversations et lectures françaises à l ’ usage des écoles “ (Eberhard 1908) sind systematisch Interaktionen zwischen den Schülerinnen und Schülern vorgesehen. Sie können wie die Lehrperson füreinander sprachliches Vorbild sein, sie können sich gegenseitig unterstützen oder korrigieren. Eberhard (1908) empfiehlt, dass die lernstärkeren Schülerinnen und Schüler Verantwortung für ihre Gruppe über- 46 2 Forschungsüberblick nehmen (ebd. 7). Auch in diesem Bereich kann Eberhard (1908) eine Vorreiterrolle zugestanden werden: Die Konzepte der Lernendenorientierung und der Differenzierung werden in den Französischlehrwerken der Schweiz in dieser Konsistenz erst hundert Jahre später in der Neokommunikativen Phase umgesetzt (vgl. Ganguillet et al. 2014a). 2.3.3 Kommunikative Methode Wie im vorangehenden Kapitel aufgezeigt, wird das Primat der Mündlichkeit bis in die 1950er Jahre in den obligatorischen Französischlehrwerken für die Schweizer Volksschule nicht konsequent umgesetzt. Allgemein kann „ von einer Orientierung zur Mündlichkeit im schulischen Fremdsprachenunterricht erst viel später, mit der Einführung der audiolingualen Methode in den 1960er Jahren [gesprochen werden] “ (Gnutzmann 2014: 51). An der Schweizer Volksschule gibt es jedoch kein obligatorisches Lehrwerk, das die audiolinguale Methode umsetzt und die Orientierung zur Mündlichkeit erfolgt deshalb erst mit dem Erscheinen des Lehrwerks „ Bonne chance! “ (Binder et al. 1981a). Dieses Lehrwerk wird für das erste Lernjahr in der Primarstufe entwickelt, d. h. für die 5. Klasse, in der die Lernenden elf Jahre alt sind: Abb. 12: ebd.: 101 2 Forschungsüberblick 47 Abb. 13: ebd.: 102 48 2 Forschungsüberblick Abb. 14: ebd.: 109 Die drei Abbildungen (Abb. 12, 13, 14) aus „ Bonne chance! “ (Binder et al. 1981a) zeigen den Aufbau, der den 16 „ Étapes “ des Schülerbuchs zugrunde liegt: Zuerst werden die neuen Wörter ohne Buch eingeführt (Abb. 12), dann wird ein Hörtext gehört, imitativ gelesen und als Rollenspiel umgesetzt (Abb. 13) und schliesslich erfolgt die Transferleistung, in der die Schülerinnen und Schüler die geübten Strukturen frei in neuen Situationen und Zusammenhängen verwenden sollen (Abb. 14). Jede „ Étape “ bedient unterschiedliche Sprechakte. Für die „ Étape 13 “ , aus der die Beispiele stammen, sind dies Exprimer ses préférences et ses aversions / Demander un article à un vendeur / 2 Forschungsüberblick 49 Demander au client ce qu ’ il désire / Indiquer le prix (Binder et al. 1981b : 8). Das Ausweisen der Sprechakte geht auf einen erneuten Paradigmenwechsel zurück, der mit dem Aufkommen der Pragmalinguistik erfolgt. Die Pragmalinguistik rückt mit den Konstrukten des Sprechakts und der sprachlichen Handlung die funktionale Seite von Äußerungen in den Mittelpunkt des Fremdsprachenunterrichts [ … ], sodass es mit der kommunikativen Wende zu einer Neuausrichtung der Lernprogression an Mitteilungsabsichten kommt (Schramm 2014: 215). Mit dem Werk Kommunikative Kompetenz als übergeordnetes Lernziel im Englischunterricht (Piepho 1974) wird der Grundstein für eine Neuorientierung gelegt und fortan besteht das Ziel von Sprechen nicht mehr ausschliesslich darin, zusammen zu sprechen, sondern es soll gemeinsam kommuniziert werden (vgl. u. a. Allwright 1984: 196; Königs 2014: 109). Die Kommunikationsfähigkeit steht in „ Bonne chance! “ (Binder et al. 1981a) im Zentrum, so dass es im Beiheft für die Lehrpersonen unter Grundlagen und Absichten heisst, dass [ „ Bonne chance! “ ] in einer Zeit, in der Kommunikationsfähigkeit als erstes und oberstes Ziel gilt, im Schüler all diejenigen Fertigkeiten ausbilden [will], die er als zukünftiger Gesprächspartner (resp. Leser und Briefschreiber) braucht, um seine kommunikativen Absichten zu verwirklichen (Binder et al. 1981b: I). Die schriftlichen Fertigkeiten stehen bezeichnenderweise in Klammern, da der Schwerpunkt des Lehrwerks auf der Mündlichkeit liegt. Die Autorinnen und Autoren von „ Bonne chance! “ (Binder et al. 1981a) gehen davon aus, dass „ für die Mehrzahl der Lerner [ … ] die mündliche Kommunikationsfähigkeit wichtiger [ist] als die schriftliche “ (Binder et al. 1981b: II). Es erstaunt deshalb nicht, dass „ das mündliche Lehrangebot (Schülerbuch und buchloser Einstieg in jede „ Étape “ ) [ … ] wesentlich umfangreicher [ist] als das schriftliche Lernmaterial (in gesondertem Cahier d ’ exercices) “ (ebd.). Zentrale Prinzipien der Direkten Methode wie die Einsprachigkeit im Unterricht, das Einführen des neuen Sprachmaterials mit geschlossenem Buch oder das Integrieren von Chansons, Versen, Reimen und Zungenbrechern werden auch in den Lehrwerken der Kommunikativen Methode befolgt. Die Anschauung durch zahlreiche Illustrationen im Lehrwerk, aber auch durch die Lehrperson, die beim Sprechen Gegenstände, Tafelbilder o. ä. einsetzt, ist ebenfalls nach wie vor Bestandteil der Methode. Dass Sprechen weiterhin mit einer Handlung verbunden werden soll, zeigt die eröffnende Sprechübung zur „ Étape 13 “ (vgl. Abb. 12). Das Symbol oben links bedeutet „ Begegnung und erste Anwendung: Einführung in Thematik, Wortschatz und Strukturen “ (ebd.: IX). Die Sprechübung wird im Kreis durchgeführt, die Früchte und Gemüse sind in echt oder in gebastelter Form 50 2 Forschungsüberblick vorhanden und die Lehrperson führt das neue Sprachmaterial zunächst ohne Buch ein (vgl. ebd.: 287 - 291). Dabei werden dieselben Sätze mehrmals von der Lehrperson gesagt und von der Klasse resp. von ausgewählten Schülerinnen oder Schülern wiederholt. In diesen „ Lehrer-Schüler-(und Schüler-Schüler-) Interaktionen, [versteht] der Schüler aus dem Situationszusammenhang [ … ] und [wendet] das neue Sprachmaterial sofort imitativ und situationsbezogen [an] “ (ebd.: III). Zum Schriftbild im Buch wird erst übergegangen, wenn die Bedeutung der neuen Wörter geklärt und deren Aussprache gesichert worden sind. Die Lehrperson ist dabei das Sprachmodell und sorgt dafür, dass die Lernenden ein „ imitativ-mechanisches Sprechen und automatisierte Verhaltensweisen “ erlernen (Miede 2019: 16). Als Bezugswissenschaft dient der Behaviorismus, wobei der Lernprozess „ nach dem Gesetz von Reiz und Reaktion (stimulus und response) als Aufbau von Verbindungen zwischen Elementen der Umgebung (Input, Reiz) und Elementen des individuellen Verhaltens (Output, Reaktion) [operationalisiert wird], wie sie bei Gewohnheiten beobachtbar sind “ (Hutterli et al. 2008: 26). In der buchlosen Anfangsphase jeder „ Étape “ wird Hören und Sprechen grundsätzlich mit Handeln verbunden (vgl. Binder et al. 1981b: VI): Die Schüler reagieren zunächst nichtsprachlich auf fremdsprachliche Aufforderungen, indem sie Aufträge ausführen, Handlungen pantomimisch darstellen, Turnübungen machen, die genannten Gegenstände zeichnen etc. Sie reagieren sprachlich in Handlungssituationen. Sie kommentieren, was sie tun, oder sie bewirken durch ihr Sprechen, dass etwas geschieht. Sie manipulieren die Handpuppen und sprechen dazu an deren Stelle (ebd.). Die Lehrperson korrigiert in der buchlosen Einstiegsphase sowie in allen kreativen Übungen die Fehler nicht sofort und ist sich bewusst, dass die Verständigung Vorrang gegenüber der sprachlichen Korrektheit hat (vgl. ebd.: III). Aus der audiolingualen Methode bleibt der Einsatz der Tontechnik erhalten (vgl. Schramm 2014: 215): Alle Lehrbuchtexte werden in einer ersten Phase als Hörtexte (ab Tonband) dargeboten. Die zweite Sprechübung der „ Étape 13 “ (vgl. Abb. 13) zeigt, wie die „ mechanische[n] Strukturübungen, die teilweise auf den Einfluss der audiolingualen Methodenkonzeption mit ihren Pattern drills zurückgeführt werden können, zunehmend durch kommunikativ eingebettete Übungsformen ersetzt [resp. ergänzt werden] “ (Reinfried 2001: 4). Während Sprechen in früheren Lehrwerken auch monologisch oder ohne Mitteilungsabsicht erfolgen kann, bedeutet nun „ Kommunizieren “ , dass Informationen von einem Sender zu einem Empfänger übertragen werden. In dieser Sprechübung (vgl. Abb. 13) ist der Sender eine Kundin und der Empfänger eine Verkäuferin an einem Marktstand. Die Kundin ist den Lernenden bekannt, da 2 Forschungsüberblick 51 sie mit ihrer Familie Châtelain in „ Bonne chance! “ (Binder et al. 1981a) die Rahmengeschichte des Lehrwerks bildet. 8 Bevor die Schülerinnen und Schüler den Dialog ab Tonband hören, schauen sie mit der Lehrperson das Bild an. Die Lehrperson kommentiert es und wiederholt dabei die zuvor eingeführten Wörter (tomates, pommes de terre, choux). Sie kann auch einen Kartenausschnitt mit Genf und Savoyen an die Wandtafel zeichnen und kommentieren. Im Anschluss an die Hörübung stellt die Lehrperson Fragen auf Französisch zum Dialog, die die Schülerinnen und Schüler ebenfalls in der Zielsprache beantworten können. Erst jetzt findet das imitative Lesen, dann das Lesen mit verteilten Rollen und schliesslich das Vorführen der Rollenspiele statt (vgl. Binder et al. 1981b: 293). Das Beispiel zeigt, dass in der Kommunikativen Methode in Form von simulierten Sprechakten kommuniziert wird, üblicherweise in Paar- oder Gruppenarbeit (vgl. Reinfried 2017: 73). Im Klassenzimmer spielen die Schülerinnen und Schüler Tätigkeiten des Alltags wie Einkaufen, im Restaurant Essengehen oder nach dem Weg Fragen nach, die ausserhalb des Klassenzimmers stattfinden. Davon verspricht sich die Kommunikative Methode, die Kluft zwischen dem Lernort Klassenzimmer und dem Zielort des fremdsprachlichen Alltags zu überbrücken: In short, all too often the learner has to make too big a leap from classroom drill to genuine communication. Giving the learners practice activities designed to simulate ‚ real life ‘ communication problems (e. g. declining an invitation to dinner) was the obvious way to bridge that gap (Allwright 1984: 157). Piepho (1974) formuliert in seinen Schlussbemerkungen fünf Punkte, die für die Weiterentwicklung des Fremdsprachenunterrichts nötig seien. Unter Punkt drei fordert er, dass sich „ Unterrichtswerke [ … ] vom Primat linguistischer Progressionen und lebensferner Dialoge lösen, die den Sozialisationserfahrungen und dem Interesse der Schüler nicht entsprechen und zudem eine unergiebige stupide Nachäffung statt bewußter Arbeit an der eigenen Kompetenz bewirken “ (ebd.: 197). Er fordert also, dass sich die Kommunikative Methode stärker an den Bedürfnissen der Lernenden orientieren solle, so dass auch die Schülerinnen und Schüler mit ihren unterschiedlichen Profilen eine Rolle bei der Unterrichtssteuerung spielen (vgl. Reinfried 2017: 73). Diese Entwicklung 8 Ein Lehrwerk mit einer Rahmengeschichte, in der Figuren aus der französischsprachigen Schweiz vorkommen, gibt es bereits bei Lerch, Christian (1925): Henri Voisin ou la vie à Courtavaux. Bern: Staatlicher Lehrmittelverlag oder auch bei Schenk, Albert; Trösch, Ernest (1925): Cours intuitif de français. A la campagne. Troisième, quatrième et cinquième années. Cours pratique illustré à l ’ usage des écoles allemandes. Aarau: H. R. Sauerländer & Co. 52 2 Forschungsüberblick beruht auf der Vorstellung, dass die Schülerinnen und Schüler aktiv-konstruktivistisch lernen, im Gegensatz zu den vorgängigen Methodenparadigmen, die eine eher passiv-instruktivistische Vorstellung vom Lernen der Schülerinnen und Schüler vertreten (vgl. Gnutzmann/ Salden 2010: 118). Es gibt aber auch schon in den Lehrwerken der Kommunikativen Methode Sprechübungen, die versuchen, „ die individuellen Interessen der Schüler einzubeziehen “ (Reinfried 2001: 4). Das Beispiel des Rollenspiels in der Transferphase (Abb. 14) aus „ Bonne chance! “ (Binder et al. 1981a) illustriert, wie die Lernenden dazu aufgefordert werden, ihre persönliche Meinung auszudrücken. Zunächst wird das Rollenspiel in der Klasse durchgespielt, wobei die Lehrperson auf die Nuancierung von „ oui “ und „ non “ im Schema aufmerksam macht. Anschliessend stellen die Lernenden mit der Struktur „ Tu aimes … ? “ analoge Fragen, die sie entweder aus der Sammlung wählen oder die sie erfinden. Dafür stehen ihnen passende Redemittel zur Verfügung (vgl. Binder et al. 1981b: 313). Somit wird „ ein schülerorientierter Fremdsprachenunterricht - avant la lettre - in ersten Ansätzen realisiert “ (Reinfried 2001: 4 - 5), auch wenn die Interaktionen noch eindeutig dem Einüben bestimmter sprachlicher Strukturen zugeordnet werden können und sich somit der focus on form und der focus on meaning die Waage halten. In der Kommunikativen Methode kommt der Fertigkeit Sprechen zwar eine Privilegierung gegenüber den anderen sprachlichen Fertigkeiten zu, Wortschatz und Grammatik spielen aber immer noch eine zentrale Rolle. 2.3.4 Neokommunikative Phase Um die Jahrtausendwende erscheint einerseits der Sammelband von Weinert (2014, 3. Auflage), in dem der Kompetenzbegriff eingeführt wird und andererseits publiziert der Europarat (2001) den Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen für Sprachen (GER), der auf ebendiesem Kompetenzmodell beruht, was zur Entwicklung einer neuen Methodenkonzeption führt. Diese grenzt sich zwar von der Kommunikativen Methode ab, doch bis heute fehlt eine einheitliche Benennung für diese neue Methodenkonzeption. In der vorliegenden Studie nenne ich sie „ Neokommunikative Phase “ in Anlehnung an Königs (1991) und Meißner/ Reinfried (2001). 9 Piepho (1990) publiziert einen Artikel mit dem Untertitel Überlegungen zum Einstieg in die „ postkommunikative Epoche “ und Wolff (2000) greift die Benennung in Form von „ postkommuni- 9 Im frankophonen Raum wird die Methodenkonzeption mehrheitlich „ approche actionnelle “ genannt, wobei das Prinzip der Aufgabenorientierung so breit gefasst ist, dass es als Überbegriff für die gesamte Methode verwendet werden kann (vgl. Puren 2014: 3). 2 Forschungsüberblick 53 kativer Ära “ (ebd.: 99) auf. Königs (1991) verwendet als Reaktion auf Piephos Artikel die Qualifizierung „ neokommunikativ “ , die ihm passender erscheint, da der Fremdsprachenunterricht noch immer kommunikativ ausgerichtet sei, der Begriff „ kommunikativ “ jedoch „ anders gefüllt [werde] “ (ebd.: 32). Reinfried hat keine Kenntnis dieser Debatte, als er 1998 ebenfalls die Benennung „ neokommunikativ “ verwendet (vgl. Reinfried 2001: 8). Er begründet die Benennung der „ Neokommunikativen Methode “ damit, dass es sich „ bei einem großen Teil dieser heute noch aktuellen Konzepte [ … ] um Weiterentwicklungen der „ klassischen “ kommunikativen Methode der 1970er Jahre “ (Reinfried 2017: 74) handle. Mit Neokommunikativer Phase ist eine „ breit gefasste Methodenströmung gemeint, deren praktische Realisierung in recht unterschiedlichen Lehr- und Lernverfahren erfolgen kann “ (ebd.: 74). Als Kennzeichen des Neokommunikativen Fremdsprachenunterrichts gelten seiner Meinung nach folgende Leitprinzipien: Handlungsorientierung, Lernendenorientierung, Prozessorientierung, Ganzheitlichkeit, Inhaltsorientierung und Aufgabenorientierung (vgl. ebd.: 74), wobei zur Ganzheitlichkeit der Aspekt „ authentische und komplexe Lernsituation “ zählt, der auch grundlegend für die Kompetenzorientierung ist (vgl. Reinfried 2001: 10). Der Begriff des „ ganzheitlichen Kompetenzmodells “ , der die Selbst-, Sozial-, Methoden- und Sachkompetenz beinhaltet, fasst die Ganzheitlichkeit präzise zusammen (vgl. Krüger 2004: 99). Meißner/ Reinfried (2001) bezeichnen die neue Methode als „ neokommunikativ “ , weil einerseits die in den siebziger Jahren entstandenen Prinzipien der kommunikativen Methode im großen Ganzen immer noch ihre Gültigkeit haben, sie aber andererseits durch die [ … ] neuen Leitprinzipien modifiziert worden sind. Dabei wird auf der methodischen Makroebene der pragmatische Kommunikationsansatz durch eine kognitionswissenschaftliche Perspektive ergänzt, und der ursprüngliche Primat aktiver Sprachfertigkeiten wird durch eine prinzipielle Gleichwertigkeit aller Fertigkeiten abgelöst (ebd.: VII). Die Neokommunikative Phase verhält sich also nicht antithetisch zur Kommunikativen Methode, sondern es besteht „ eine relative Kontinuität [ … ] zwischen der traditionellen kommunikativen Methode und den methodischen Trends der letzten Jahre, die sich immer mehr zu einer neuen Methodenkonzeption verfestigen “ (Reinfried 2001: 4). Reinfried/ Volkmann (2012) halten fest, dass „ die Ausbildung der neokommunikativen Methode gegen Ende der 1980er und Anfang der 1990er Jahre eine Erweiterung, Ausdifferenzierung und Modifikation der kommunikativen Methoden in ihrer Anfangszeit dar[stellt] “ (ebd.: 19). 54 2 Forschungsüberblick In der Schweiz werden Weinert (2014) und der GER (Europarat 2001) rezipiert und die neueren Entwicklungen (vgl. Reinfried 2017: 74) mitverfolgt. Dies alles beeinflusst die Überarbeitung der Lehrpläne und daran anschliessend die Entwicklung neuer Lehrwerke. Im Jahre 2011 erscheinen die Lehr- und Lernmaterialien „ Mille feuilles 3 “ (Bertschy et al. 2011) für das erste Französischlernjahr in der 3. Klasse; im Jahre 2014 steht „ Mille feuilles 6 “ (Ganguillet et al. 2014a) als letzter Jahrgang für die Grundschule bereit. Abb. 15: ebd: 48 2 Forschungsüberblick 55 Abb. 16: ebd.: 64 56 2 Forschungsüberblick Abb. 17: ebd.: 74 Abb. 18: ebd.: 75 2 Forschungsüberblick 57 In „ Mille feuilles 6.1 “ (Ganguillet et al. 2014a) finden sich mündliche Interaktionen zwischen der Lehrperson und der Klasse, der Lehrperson und einzelnen Lernenden sowie vor allem auch mündliche Interaktionen zwischen den Schülerinnen und Schülern. Sprechen in der Interaktion erhält mehr Gewicht, da der GER das Sprechen in mündliche Produktion, Interaktion und Sprachmittlung ausdifferenziert (vgl. Europarat 2001: 25), wodurch „ die Unterscheidung von monologischer Mündlichkeit ([ … ] Produktion) und dialogischer Mündlichkeit (Interaktion) deutlicher in den Vordergrund [rückt] “ (Schramm 2014, 215). Dass der Grossteil der mündlichen Interaktionen zwischen den Lernenden stattfindet, ist auf die Überzeugung der Autorinnen und Autoren zurückzuführen, dass Interaktionen zwischen Lernenden reichere Sprech- und Lernanlässe seien, da die Schülerinnen und Schüler so mehr Gelegenheiten erhielten, etwas in der Fremdsprache zu sagen. Zudem liege der Fokus in Paar- oder Kleingruppenarbeiten tendenziell auf dem Inhalt, was zu einer Automatisierung in der Verwendung bestimmter Wörter und Wendungen führen könne (vgl. auch Germain/ Netten 2005: 10). Entsprechend der Neokommunikativen Phase (vgl. Reinfried 2017: 74) ist „ Mille feuilles 6.1 “ (Ganguillet et al. 2014a) auch „ dem Prinzip der Lernerorientierung verpflichtet, [das] ein selbstbestimmtes, strategiegeleitetes Handeln [begünstigt] “ (Leupold 2008: 4): Bei der Bearbeitung von Sprechaufgaben in Paar- oder Kleingruppen obliegt „ die Kontrolle über den Diskurs den Lernenden selbst “ (Lütge 2014: 148). Wenn Aufgaben sowohl individuelles als auch kooperatives Handeln erfordern, würden „ durch das Bearbeiten der Aufgaben und insbesondere durch das dabei notwendig werdende Aushandeln von Bedeutungen [ … ] Sprachlernprozesse angeregt “ (Caspari 2006: 36). In Mille feuilles 6.1 (Ganguillet et al. 2014) werden Elemente der Kommunikativen Methode wie Verse, Lieder oder auch Ratespiele beibehalten, aber es dominiert die dialogische Form des Sprechens zum Zwecke der Realisierung eines selbst entwickelten Gesprächs. In der Regel findet Sprechen in „ Mille feuilles 6.1 “ (ebd.) dann statt, wenn die Lernenden sich gegenseitig über bestimmte Inhalte informieren. Dabei ist die mündliche Interaktion nicht als Rollenspiel inszeniert, sondern sie dient dem Austausch von Informationen, die die Lernenden im Unterricht erarbeiten. Die Autorinnen und Autoren von „ Mille feuilles 6.1 “ (ebd.) stützen sich auf den Authentizitätsbegriff 10 , der besagt, dass Kommunikationssituationen dann authentisch sind, wenn „ die Sprache in 10 Es lassen sich verschiedene Komponenten der Authentizität unterscheiden: authentische Texte, authentische Kommunikationssituationen und die authentische Lehrperson (vgl. Thaler 2017a: 15). Die Diskussion um die Authentizität im Fremdsprachenunterricht dauert schon seit mehreren Jahrzehnten an (vgl. Edelhoff 1985: 5 - 7) und es gibt sie im Grunde genommen, seit es Lehrwerkforschung gibt (vgl. Krumm 1994: 23). Den Höhe- 58 2 Forschungsüberblick Zusammenhang mit als authentisch empfundenen Aufgabenstellungen benutzt wird “ (Rüschoff 1997: 110). Als sprachliches Vorbild resp. korrigierende Instanz für die „ authentischen “ Interaktionen kann weiterhin die Lehrperson dienen, sowie die aufgezeichneten Hörbeispiele, auf die die Lernenden in ihren Materialien eigenständig Zugriff haben. Die Schülerinnen und Schüler können sich auch gegenseitig unterstützen. Die Abbildungen 15 - 18 aus „ Mille feuilles 6.1 “ (Ganguillet et al. 2014a) zeigen einen Ausschnitt aus den Inputtexten zum Thema Erfindungen, eine mündliche Interaktion über den Inhalt dieser Texte sowie Schülerinnen und Schüler, die gemeinsam in der Zielsprache ein Spiel zu den Erfindungen spielen. Entsprechend der Neokommunikativen Phase sind die Lerneinheiten in „ Mille feuilles 6.1 “ (ebd.) aufgabenorientiert (vgl. Reinfried 2017: 74). In einer aufgabenorientierten Lerneinheit gilt es, eine grössere Rahmenaufgabe zu bewältigen, für die verschiedene vorbereitende Teilaufgaben gelöst werden müssen (vgl. Fäcke 2017: 82). Exercices resp. Übungen (vgl. Abb. 16) „ bilden gezielt bestimmte sprachliche Fertigkeiten aus [und] geben dem Lerner eine Grundsicherheit in der Formbeherrschung sprachlicher Strukturen “ (Leupold 2008: 7). Ein anderer Aufgabentyp sind „ Einzelaufgaben (task) und Übungen (exercices) “ (Caspari 2013: 4, in Bechtel 2019: 232), „ activités “ (Grossenbacher et al. 2012a: 28) oder „ Lernaufgaben Typ 1 und Übungen “ (Leupold 2008: 6 - 7), die sich dadurch auszeichnen, „ dass sie einen situativen Rahmen für den Sprachgebrauch bilden, der [ … ] die Lerner veranlasst, der Bedeutungskomponente Beachtung zu schenken “ (ebd.). Schliesslich folgt die grössere Aufgabe (vgl. Abb. 17 - 18), die „ Zielaufgabe (target task) “ (Caspari 2013: 4, in Bechtel 2019: 232), „ tâche “ (Grossenbacher et al. 2012a: 28) oder „ Lernaufgabe Typ 2 “ (Leupold 2008: 7) genannt wird. Darin „ werden die in den activités vorgängig erworbenen Ressourcen und Kompetenzen aktiviert, in einem neuen Kontext angewendet und somit transferiert “ (Grossenbacher et al. 2012a: 28). In der tâche finden „ die Lernenden sich in einer möglichst authentischen kommunikativen Lernsituation [wieder], die sie zu einem grossen Teil selbst bestimmen und steuern können und die zu einem Ergebnis führt, das mitteilenswert ist und daher auch zur Kommunikation motiviert “ (Thonhauser 2010: 15). Die Sprechübung zum Jeu „ Anno domini “ (vgl. Abb. 16) zeigt, wie sich die Schülerinnen und Schüler im Rahmen einer activité mündlich und interaktiv die nötigen Sprachmittel für die tâche aneignen, in der sie auf Französisch ein Spiel über Erfindungen spielen: Sie üben zu zweit am Computer die nötigen Sprachmittel wie La première/ deuxième/ troisième invention est … / Le/ La … date de … punkt erreicht die Diskussion gegen Ende der 1970er bis Mitte der 1980er Jahre (vgl. Kast/ Neuner 1994: 163) und sie ist noch nicht abgeschlossen. 2 Forschungsüberblick 59 mündlich und schriftlich ein. Dies zeigt, wie die Lernenden „ durch die Realisierung authentischer Sprechintentionen und die Teilnahme an bedeutungsvollen sprachlichen Aushandlungssituationen [ … ] sukzessive die nötigen Kenntnisse und Fähigkeiten für ein funktionales mündliches Sprachhandeln (Sprechen und Interagieren) erwerben “ (Schmidt 2016: 104). Bei der Erarbeitung dieser Sprachmittel ist im Lehrwerk vorgesehen, dass die Lernenden Französisch miteinander sprechen. Sie müssen gemeinsam die korrekte Lösung aushandeln, sie sagen einander, ob die eingegebenen Antworten korrekt sind, und sie machen aus, wer an der Reihe ist. Damit die Schülerinnen und Schüler die Kommunikation in der Zielsprache bei dieser Übungssequenz aufrechterhalten können, stehen ihnen chunks wie Commence. / C ’ est mon tour! / C ’ est ton tour! / Continue. / A toi de jouer! zur Verfügung. Um diese Art von mündlicher Interaktion in der Fremdsprache zu meistern, benötigen die Lernenden eine langage de classe / classroom language, die im Fremdsprachenunterricht auf- und ausgebaut werden muss (vgl. Legutke 2009 oder auch Legutke 1998: 108). Sprechanlässe im Klassenzimmer, die mittels der langage de classe bewältigt werden, sind beispielsweise solche: Sie sprechen in der fremden Sprache über spezifische Fragestellungen, die sich aus ihrer Arbeit ergeben, und sie tauschen ihre Lernerfahrungen aus. Sie stellen die Ergebnisse ihrer Recherchen ihren Mitschülern in den anderen Lerngruppen vor und bewerten gemeinsam die Ergebnisse ihrer Lernprozesse (Wolff 2009: 201). Die Autorinnen und Autoren von „ Mille feuilles “ (Grossenbacher et al. 2012a) sind der Meinung, dass Fremdsprachenunterricht kommunikative Ernstfälle bieten solle, nämlich solche, die „ nicht auf die Zeit nach oder den Raum außerhalb der Schule verschoben [werden] “ (Legutke 1998: 103). Damit wollen sie verhindern, dass Lehrpersonen „ ihre Schülerinnen und Schüler im [Fremdsprachen]unterricht vornehmlich über die Welt der Lehrbuchfiguren in Beziehung treten lassen, ohne die unmittelbar gegebene, natürliche Dramaturgie des Lebensalltags der Kinder und Jugendlichen aufzugreifen und im zielsprachlich spontan und flexibel geführten Unterrichtsgespräch zu verarbeiten “ (Kurtz 2010: 158). In diesem Verständnis findet Sprechen nicht losgelöst vom Unterrichtsgeschehen in isolierten (Dialog-)Sequenzen statt, sondern das Unterrichtsgeschehen selbst bietet die Sprechsituationen. Die Schülerinnen und Schüler „ interagieren demnach authentisch, wenn sie „ als sie selbst “ , nämlich als je individuelle Sprachenlerner/ innen in ihrer Unterschiedlichkeit gemeinschaftlich im Kontext Unterricht miteinander handeln “ (Decke-Cornill/ Küster 2016: 123). Durch diese Ausrichtung wird „ die Beschäftigung mit sprachlichen Strukturen von den Lernenden niemals als Selbstzweck empfunden “ (Reinfried 2017: 79). 60 2 Forschungsüberblick In der tâche (Abb. 17 - 18) interagieren die Schülerinnen und Schüler ebenfalls mündlich miteinander. Damit die Zielsprache im Fremdsprachenunterricht verwendet wird, brauche es Aufgaben mit „ Themen bzw. Gegenstände[n], die „ zünden “ und nachhaltiges Interesse wecken “ (Küster 2014: 131). Die Schülerinnen und Schüler sollen sich nicht nur etwas zu sagen haben, sondern sie sollen von Anfang an dazu Gelegenheit erhalten, „ sich als sie selbst zu äußern, d. h. ihre Sicht auf die Welt, die des Klassenzimmers eingeschlossen, in der Fremdsprache zum Ausdruck zu bringen (wie immer eingeschränkt dies am Anfang auch sein mag) “ (Legutke 2008: 30). In „ Mille feuilles 6.1 “ (Ganguillet et al. 2014a) erstellen die Schülerinnen und Schüler ausgehend von den Inputtexten ein Quiz, indem sie Informationen zu den Erfindungen (Jahr, Ort, Person, Art, Zweck und Zielpublikum) auf Quizkarten zusammentragen. Im Spiel, das in Kleingruppen durchgeführt wird, lesen die Lernenden die Sätze auf den Quizkarten vor und erraten, welche Erfindung hinter der Beschreibung steckt. Um die Kommunikation rund um das Spiel aufrecht zu erhalten, verwenden sie wiederum die langage de classe. 2.3.5 Zusammenfassung und Übersicht In den untersuchten Lehrbüchern lassen sich für die letzten 130 Jahre folgende Entwicklungen in Bezug auf Sprechen ausmachen (vgl. Tab. 5): 1. Mündliche Interaktion zwischen … : von einer einseitigen mündlichen Interaktion zwischen der Lehrperson und der Klasse, bei der die Schülerinnen und Schüler grösstenteils im Chor nachsprechen, was die Lehrperson aus dem Lehrbuch vorliest, zu einer mündlichen Interaktion, die von den Schülerinnen und Schülern selbst bestimmt und durchgeführt wird. 2. Form des Sprechens: vom monologischen Sprechen zum dialogischen Sprechen, in dem die Lernenden nicht nur vorgegebene Texte reproduzieren, sondern auch freier sprechen bis hin zur Unterteilung in mündliche Produktion, Interaktion und Sprachmittlung. 3. Funktion von Sprechen: von einem rein formbezogenen Sprechen zum Einüben von Grammatik und Wortschatz zu einem kommunikativ ausgerichteten Sprechen mit Aufführen von Rollenspielen bis hin zu einem inhaltsorientierten Sprechen, in dem die Lernenden eigene und authentische Redeabsichten verwirklichen. 4. Sprachliches Vorbild resp. korrigierende Instanz: von einer lehrpersonenzentrierten Vorstellung, bei der alle Unterrichtsmaterialien in den Händen der Lehrperson sind, zu lernendenzentrierten Materialien zuhanden der 2 Forschungsüberblick 61 Erscheinungsjahr und Titel 1893: Cours pratique de langue française 1900: Neues Lehrbuch der französischen Sprache 1908: Je parle français. Conversations et lectures françaises à l’usage des écoles 1941: Cours élémentaire de langue française 1947: Parlons français! Cours élémentaire de langue française 1981: Bonne chance! 2014: Mille feuilles 1. Mündliche Interaktion zwischen…: Lehrperson - Klasse x x x x x x x Lehrperson - einzelne SuS --- (x) x x x x x Schülerinnen und Schülern x (3. Auflage) Randerscheinung --x --- --x x 2. Form des Sprechens Nachsprechen x x x (x) (x) x x Vorlesen x x x (x) (x) x x Rezitation (x) (x) x (x) (x) x x Handelnd sprechen (x) --x (x) x x x Stellen und Beantworten vorgegebener Fragen x (3. Auflage) x x (x) x x x Vorspielen eines vorgegebenen Dialogs --- --x --- --x --- (2. Ausgabe) Realisieren eines selbst entwickelten Gesprächs --- --- (x) --- --x x 3. Funktion von Sprechen Formbezogenes Sprechen x x x x x x x Kommunikativ ausgerichtetes Sprechen --- --x --- --x x (2. Ausgabe) Inhaltsorientiertes Sprechen --- --- (x) --- --- -x 4. Sprachliches Vorbild resp. korrigierende Instanz Lehrperson x x x (x) x x x Hinweise zur Aussprache x (3. Auflage) x x x --x x Hörbeispiel ab Tonträger (ab 1960 in Schulen vorhanden) --- --- --- --- --x (für Lehrperson) x (für Lernende) Schülerinnen und Schüler --- --x --- --- --x x: vorhanden (x): vorhanden, aber nicht explizit als solches ausgewiesen ---: nicht vorhanden Tab. 5: Übersichtstabelle: Lehrwerkanalyse ausgewählter Schweizer Französischlehrbücher 62 2 Forschungsüberblick Schülerinnen und Schüler, unterstützt durch die Ausstattung der Schulen mit Tonträgern resp. Computern und Tablets. Die Entwicklungen, die in der Übersichtstabelle zu erkennen sind, lassen sich chronologisch den grossen Methodenparadigmen (Grammatik-Übersetzungsmethode, Direkte Methode, Kommunikative Methode und Neokommunikative Phase) zuordnen. Eine Ausnahme bildet das Lehrbuch Je parle français. Conversations et lectures françaises à l ’ usage des écoles (Eberhard 1908), das schon sehr früh fremdsprachendidaktische Konzepte umsetzt, die erst Jahrzehnte resp. ein Jahrhundert später Einzug in die anderen Lehrbücher erhalten. Die Bezeichnung der Ausgangstexte in den verschiedenen Lehrwerken steht für das Methodenparadigma, in dem sie sich verorten: In der Grammatik- Übersetzungs-Methode ist von Übungstexten (vgl. Banderet/ Reinhard 1893) oder Lesetexten (vgl. Baumgartner/ Zuberbühler 1900; Müller 1947) die Rede, in der Direkten Methode werden sie morceau de lecture (vgl. Keller 1941) oder auch Gespräche (vgl. Eberhard 1908) genannt und in der Kommunikativen Methode heissen sie Dialoge (vgl. Binder et al. 1981a). Beim Paradigmenwechsel zur Neokommunikativen Phase gilt es, mit der Begrifflichkeit des (einschränkenden) Dialogs zu brechen. In der Neokommunikativen Phase wird der besetzte Begriff des Dialogs nur selten verwendet, obschon es sich auch um dialogische Interaktionsformen handelt, jedoch mit einer anderen inhaltlichen Ausrichtung. In Anlehnung an den GER wird i. d. R. der übergeordnete Begriff der mündlichen Interaktion gebraucht (vgl. Ganguillet et al. 2014a). In der Kommunikativen Methode dominiert die Textsorte des Dialogs, da er als Sprachmodell die wesentlichen Elemente der gesprochenen Sprache vermittelt (vgl. Binder et al. 1981b: II). Die Lehrwerkautorinnen und -autoren der Kommunikativen Methode verfolgen das Ziel, möglichst „ echte “ Texte anzubieten, wobei sie unter „ Sprachechtheit “ verstehen, dass „ so weit irgend möglich [ … ] in den Texten, den Interaktions- und Lerngesprächen auf didaktisch bedingte Verfälschungen des Sprachverhaltens verzichtet [wird] (z. B. Antworten in ganzen Sätzen mit Wiederholung des Verbs) “ (ebd.). Es handelt sich dabei jedoch um Texte, die von den Lehrwerkautorinnen und -autoren selbst geschrieben sind. Piepho plädiert zwar dafür, die „ linguistischen Realisationen von Redeakten und -verläufen [ … ] exakten Corpora zu entnehmen “ (Piepho 1974: 197), doch die grosse Mehrheit der Dialoge in kommunikativ ausgerichteten Lehrwerken ist keinem linguistischen Korpus entnommen. Die Texte sind mit einer bestimmten didaktischen Absicht verfasst, um ausgewählte sprachliche Strukturen einzuführen. Später werden diese Texte aus sprachwissenschaftlicher Sicht kritisiert, weil sie „ zu einer künstlichen Textsorte [gehören]; und ihre Qualität [ … ] nicht besser [wird], wenn man sie im 2 Forschungsüberblick 63 Medienverbund von Muttersprachlern sprechen lässt und den Schülern auf Kassette oder CD zur Verfügung stellt “ (Wolff 2009: 197). Die Unzufriedenheit mit den Texten führt u. a. zum Paradigmenwechsel, denn „ inhaltsleere Beispiele für Erscheinungen im Sprachsystem [ … ] sind nicht nur wegen ihrer motivationstötenden psychologischen Wirkung fragwürdig, sie sind es auch vom texttheoretischen Standpunkt. Die Forderung nach mehr authentischen Texten wäre die logische Folge “ (Bleyhl 1999: 30). In der Neokommunikativen Phase sollen die Texte also möglichst authentisch sein, wobei Texte dann als authentisch gelten, wenn sie „ nicht eigens für Lehrzwecke von Muttersprachlern erzeugt worden sind und unverändert, d. h. in ihrem natürlichen Kontext, im Unterricht eingesetzt werden “ (Kast/ Neuner 1994: 163). Die Autorinnen und Autoren von „ Mille feuilles “ (Ganguillet et al. 2014a) gehen davon aus, dass „ nur die Authentizität der Materialien gewährleistet, dass [ … ] im schulischen Klassenzimmer authentische Interaktion gelingt “ (Grossenbacher et al. 2012b: 19), weshalb am Anfang jeder Lerneinheit ein authentischer Inputtext steht, der den verschiedensten Textsorten entstammen kann. Im Gegensatz zu „ Bonne chance! “ (Binder et al. 1981a), in dem zuerst das Sprachmaterial eingeführt wird, anhand dessen im Anschluss Dialoge gebildet werden können (vgl. Abb. 12 - 13), steht bei „ Mille feuilles “ (Ganguillet et al. 2014a) zuerst der Inhalt, zu dem Sprachhilfen angeboten resp. aufgebaut werden, damit eine Interaktion darüber stattfinden kann (vgl. Abb. 15-16). Dadurch wird die grammatische Progression der Kommunikativen Methode in der Neokommunikativen Phase durch eine inhaltliche Progression abgelöst (vgl. Grossenbacher et al. 2012b: 19). Es entstehen sogenannte inhaltsorientierte Lehr- und Lernmaterialien, was in Anlehnung an den bilingualen Unterricht das Ausgehen von Inhalten meint, die sinnhaft sind und neues Weltwissen vermitteln (vgl. Bredella 2006: 22). Die Sprache wird zum „ Instrument zum Verstehen der Welt und zum Lernen “ (Grossenbacher et al. 2012a: 36) und muss ermöglichen, Inhalte zu vermitteln, die interessant und sinnhaft sind, denn in the usual business of language using, you do not go around speaking sentences in order to practice them, or reading passages of prose in order to get more exposure to particular structural patterns. In normal language use, in normal activity with language, we always have some purpose which language is there to serve (Widdowson 1990: 158). Die Sprachmittel wie Wortschatz und Grammatik sowie die Strategien erhalten beim Sprechen in der Interaktion eine dienende Funktion und stehen im Dienste der übergeordneten kommunikativen Kompetenz. 64 2 Forschungsüberblick Die Neokommunikative Phase ist vom Kompetenzbegriff von Weinert (2014) geprägt, der vorschlägt, den „ vieldeutigen Leistungsbegriff generell durch das Konzept der Kompetenz zu ersetzen “ (Weinert 2014: 27). Unter Kompetenzen versteht er „ die bei Individuen verfügbaren oder durch sie erlernbaren kognitiven Fähigkeiten und Fertigkeiten, um bestimmte Probleme zu lösen, sowie die damit verbundenen motivationalen, volitionalen und sozialen Bereitschaften und Fähigkeiten um die Problemlösungen in variablen Situationen erfolgreich und verantwortungsvoll nutzen zu können “ (ebd.: 27 - 28). Der GER (Europarat 2001) überträgt den Kompetenzbegriff von Weinert auf die Fremdsprachen, indem er die fremdsprachlichen „ Kompetenzen [als] die Summe des (deklarativen) Wissens, der (prozeduralen) Fertigkeiten und der persönlichkeitsbezogenen Kompetenzen und allgemeinen kognitiven Fähigkeiten, die es einem Menschen erlauben, Handlungen auszuführen “ (ebd.: 21) definiert. 11 Lehrwerke, die dem Paradigma der Neokommunikativen Phase entsprechen, sind also auch kompetenzorientiert. 2.4 Psycholinguistische Modelle zum Sprechvorgang Im Folgenden werden drei theoretische Modelle zur mündlichen Sprachproduktion aus dem Bereich der Psycholinguistik erläutert, die für die deduktive Kategorienbildung in der vorliegenden Studie relevant sind (vgl. Kap. 4.5.2.3) und die als Grundlage für ein neues Modell zum interaktiven Sprechen in der Fremdsprache herangezogen werden: Ausgehend von den Ergebnissen dieser Studie wird ein Modell entwickelt, das der Spezifik des interaktiven Sprechens in der Fremdsprache unter Lernenden Rechnung trägt und mehrsprachig ausgerichtet ist (vgl. Kap. 7.2). An den Modellen von Levelt (1989), De Bot (1992) und Bachman/ Palmer (1996) lässt sich die Komplexität des Sprechvorgangs illustrieren, denn der Vorgang des Sprechens beschränkt sich nicht auf die hörbare Äusserung, sondern beinhaltet auch nicht-hörbare Prozesse wie „ das Planen dessen, was man sagen möchte [und] das Formulieren [einer Äußerung] “ (Fäcke 2010: 121). Da vieles gleichzeitig geschehen muss, gilt das Sprechen als eine äusserst komplexe Tätigkeit (vgl. Schmidt 2001: 36 - 37). Findet Sprechen in Form von dialogischem Sprechen statt, so müssen nicht nur Laute und Lautkomplexe resp. Wörter, Sätze und Texte, die eine Bedeutung haben, geäussert werden, sondern 11 In der französischsprachigen Ausgabe werden die drei Komponenten unter connaissances, habiletés und dispositions gefasst (Conseil de l ’ Europe 2001: 15). 2 Forschungsüberblick 65 [man führt in der Interaktion auch] eine Handlung aus (z. B. Aufforderung, Information, Fragen), [die etwas bewirkt] (z. B. der Aufgeforderte folgt der Aufforderung oder ignoriert sie oder widersetzt sich ihr; der Informierte weiß nun mehr; der Gefragte antwortet oder verweigert die Antwort oder fragt zurück, was zugleich Rückwirkungen auf den Fragenden hat) (ebd.: 37). 2.4.1 Levelt (1999/ 1989) Die Modelle von Willem Levelt (1999/ 1989), einem Psycholinguisten aus den Niederlanden, dürften die bekanntesten und weitverbreitetsten Modelle zum Sprechen sein. In „ Speaking: From Intention to Articulation “ (ebd. 1989) trägt er erstmals theoretische Einsichten und empirische Befunde aus verschiedenen Disziplinen wie die conversational analysis, pragmatics, discourse semantics, artificial intelligence, syntax, phonology, speech communication and phonetics (vgl. Levelt 1989: Preface) zusammen, um aufzuzeigen, wie „ intentions, thoughts, feelings into fluently articulated speech “ (ebd.: 1) überführt werden können. Zehn Jahre später stellt Levelt ein überarbeitetes Modell in seinem Artikel „ A blueprint of the speaker “ (Levelt 1999) vor, in dem er den Fokus auf die unterschiedlichen Verarbeitungsarten bei der phonologischen und der phonetischen Codierung legt. In seinen Beiträgen nimmt Levelt eine „ dissection of this skill “ (Levelt 1989: 1) vor und stellt die verschiedenen Phasen einer sprachlichen Äusserung in Modellen dar, wobei die Boxen die Verarbeitungssysteme (processing components) darstellen und die Kreise und Ellipsen die Wissensspeicher (knowledge stores): 66 2 Forschungsüberblick Abb. 19: Levelts Sprechmodell (Levelt 1989: 9) Levelts Modell von 1989 (vgl. Abb. 19) ist als Dreischritt zu lesen, der in den Verarbeitungssystemen auf der linken Seite dargestellt wird: Der Conceptualizer erstellt aus den Ideen, Gedanken oder Gefühlen einen kommunikativen Plan, der im Formulator in Sprache überführt wird: „ The Formulator translates a conceptual structure into a linguistic structure “ (Levelt 1989: 11). Die Überführung erfolgt in zwei Schritten: Zunächst wird der kommunikative Plan mittels des grammatical encodings versprachlicht, was zu einer Oberflächenstruktur (surface structure) führt (vgl. ebd.). Dafür wird anschliessend mit dem phonological encoding ein phonetic plan erstellt. Als drittes Verarbeitungssystem führt der Articulator schliesslich die Artikulation dieses phonetischen Plans durch, wofür „ the musculature of the respiratory, the laryngeal, and the supralaryngeal systems “ (ebd.: 12) benötigt werden. Da es sich um Sprechen in der Interaktion handelt, gibt es rechts zwei weitere Verarbeitungssysteme: die Audition und das Speech-Comprehension System, mit denen verbalisierte Mitteilungen gehört und verstanden werden. In seiner überarbeiteten Version des Modells von 1999 schlägt Levelt eine andere Aufteilung der Verarbeitungssysteme vor (vgl. Levelt 1999: 117): 2 Forschungsüberblick 67 Abb. 20: Levelts überarbeitetes Sprechmodell (Levelt 1999: 87) Im Modell von 1999 (vgl. Abb. 20) wird zwischen zwei Verarbeitungssystemen unterschieden: das rhetorische/ semantische/ syntaktische System auf der oberen Ebene und das phonologische/ phonetische Seite auf der unteren Ebene. Dazwischen lassen sich die verschiedenen Phasen der Sprachproduktion verorten, die detaillierter aufgeführt sind als im Modell von 1989: Der parsed speech entsteht ausgehend von einer präverbalen Mitteilung, die durch das grammatical encoding zu einer Oberflächenstruktur verarbeitet und anschliessend durch das morpho-phonological encoding phonologisch aufbereitet wird. 68 2 Forschungsüberblick Erst durch das phonetic encoding entsteht die artikulierbare Äusserung, die ausgesprochen und somit in den overt speech überführt werden kann. Schon im Modell von 1989 unterscheidet Levelt zwischen der preverbal message und der surface structure, fasst jedoch den phonological und den arcticulatory score unter dem phonetic plan zusammen. Beiden Modellen ist die Vorstellung gemein, dass eine Idee zuerst ohne sprachliche Form existiert (parsed speech), dann als sprachliche Äusserung nur der Sprecherin resp. dem Sprechenden zugänglich ist (internal speech) und schliesslich offenkundig gemacht wird, sobald sie für Gesprächspartnerinnen und -partner hörbar ist (overt speech). Levelts Modelle enthalten Wissensspeicher (in den Abb. 19 und 20 als Ellipsen dargestellt), die zu verschiedenen Momenten zum Einsatz kommen: In der Konzeptualisierungsphase wird das Weltwissen aktiviert. Im Modell von 1989 umfasst dieser Speicher das discourse model, situation knowledge, ecyclopedia, etc (vgl. Abb. 19). Im Modell von 1999 (vgl. Abb. 20) führt Levelt den neuen Oberbegriff Knowledge of external and internal world ein, der Wissen über die äussere Welt (Umgebung, Objekte, Ereignisse) und die innere Welt (Gedanken, Emotionen, subjektive Erfahrungen) umfasst. Ausserdem erfolgt in diesem Wissensspeicher eine explizite Nennung der Adressaten, was verdeutlicht, dass die oder der Sprechende das Verständnis und die Reaktionen des Gegenübers für die Sprachproduktion berücksichtigen muss. Für die grammatische und phonologische Realisierung der Äusserung im Formulator, aber auch für deren Verständnis im Speech-Comprehension System, braucht es die Aktivierung eines weiteren Sprachspeichers, nämlich des Lexikons (lexicon lemmas / forms resp. morpho-phonological codes). Mit diesem Speicher lässt sich die präverbale Mitteilung versprachlichen resp. sprachlich erschliessen. Im Modell von 1999 kommt schliesslich noch ein zusätzlicher Wissensspeicher hinzu, der Syllabary. Dieses Silbenverzeichnis enthält einerseits die phonetischen Codes, die sprachspezifisch sind, andererseits werden auch Gesten als gestural scores integriert. Als Überwachungsinstanzen fügt Levelt seinen Modellen entweder ein monitoring (vgl. Abb. 19) oder eine self-perception (vgl. Abb. 20) an. Diese ermöglichen es einer Sprecherin oder einem Sprecher, die Bedeutung dessen zu vergleichen, „ of what was said or internally prepared to what was intended “ (Levelt 1989: 13). In der Darstellung von 1989 (vgl. Abb. 19) erscheint der Monitor nur im Conceptualizer, doch Levelt erklärt, dass der Monitor auch im Speech-Comprehension System zum Einsatz komme, um eine Äusserung zu reparieren resp. zu korrigieren: „ [it] allows us to discover form errors in the speech of others. In the same way, it is able to notice self-generated form failures “ (ebd.: 13 - 14). Ausserdem erklärt er, dass der Monitor sowohl den overt speech als auch den parsed speech überwache: „ The speaker can directly monitor the 2 Forschungsüberblick 69 messages he prepares for expression, and he may reject a message before or after its formulation has started “ (ebd.: 460). In der Darstellung von 1999 (vgl. Abb. 20) wird das monitoring durch die self-perception ersetzt und so erweitert, dass bereits im Modell sichtbar wird, dass der Monitor sowohl den overt speech als auch den parsed speech prüft, um allfällige Reparaturen vorzunehmen: „ If we notice trouble in the speech we are producing, in particular trouble that may have communicative consequences, we can stop and correct ourselves “ (Levelt 1999: 88). Die Modelle von Levelt (1999/ 1989) werden in der Fremdsprachendidaktik rezipiert, wobei sich beim interaktiven Sprechen in der Fremdsprache bestimmte Besonderheiten herauskristallisieren. Als Schwierigkeit wird zunächst die Geschwindigkeit benannt, in der der Sprechvorgang, d. h. das Zusammenspiel aller Systeme erfolgen muss. Levelt (1999) selbst benennt diese Komplexität wie folgt: „ the various processing components are normally simultaneously active, overlapping their processing as the tiles of a roof “ (ebd. 88). Damit die Sprachproduktion zügig erfolgt, müssen also „ diese Prozesse weitgehend überlagernd verlaufen “ (Doff/ Klippel 2007: 96), was insbesondere in der Fremdsprache eine grosse Herausforderung darstelle. Je nach Sprachniveau und Sprechaufgabe könne der Sprechvorgang nämlich mehr oder weniger erfolgreich durchgeführt werden. Kritisiert wird der modularische Charakter der verschiedenen Systeme von Levelts Modellen auch deshalb, weil er „ keine Rückkoppelung zwischen den drei Verarbeitungs[systemen] Conceptualizer, Formulator und Articulator zulässt “ (Edmondson 2003: 199). Die Pfeile in den Modellen suggerieren eine konstante Weiterentwicklung, bei der feedback loops nur bedingt möglich sind. Dabei sei eine „ integrierte Überwachungsinstanz “ (Bauer 2020: 335), die in allen Systemen und auch rückwirkend aktiv sein kann, ein wichtiges Instrument für Reparatur und Korrektur. Oft würden Sprechabsichten in der Fremdsprache auch daran scheitern, dass das mentale Lexikon keine passenden Lemmata zu liefern vermöge (vgl. Diehr/ Kötter 2013: 103). Levelt benennt dieses Phänomen für L1-Sprechende als „ socalled tip-of-the-tongue (TOT for short) phenomenon “ (Levelt 1999: 102). Dabei könne man beim spontanen Sprechen plötzlich bei einem Namen einer Person, einer Pflanze, einem Tier, einem Instrument oder was auch immer ins Stocken geraten und man wisse zwar, dass man den Namen kenne, habe aber zwischenzeitlich keinen Zugriff auf das gesuchte Lemma (vgl. ebd.). Beim interaktiven Sprechen in der Fremdsprache kann entweder ein ähnliches TOT-Phänomen für das Stocken verantwortlich sein oder aber der noch wenig umfangreiche Sprachspeicher. Der von Levelt dargestellte Sprechvorgang setzt also für Fremdsprachige einerseits viel Übung voraus und bedingt andererseits, insbesondere im Unterricht auf den A-Niveaus, die Entlastung bestimmter Systeme, beispielsweise des Formulierungssystems: 70 2 Forschungsüberblick Im Unterschied zu Äußerungen in der Erstsprache benötigen Grundschulkinder hier gezielte Unterstützung, damit sie trotz des geringen Umfangs ihres fremdsprachlichen Sprachspeichers verständliche Formulierungen hervorbringen und schrittweise neue Redemittel hinzufügen können (Diehr/ Kötter 2013: 102). Eine gezielte Unterstützungsmassnahme aus fremdsprachendidaktischer Perspektive wäre das Einüben von chunks, die das Formulierungssystem (grammatical encoding) massgeblich entlasten könnten (vgl. Funk 2012: 299 und Kap. 3.2). Eine weitere Schwierigkeit für fremdsprachige Sprecherinnen und Sprecher bestehe darin, dass die Mitteilung zwar grammatisch, semantisch und phonologisch enkodiert vorliege, diese aber nicht ausgesprochen werden könne (vgl. Diehr/ Kötter 2013: 103). Hier könnten die Gesten aus Levelts Modell von 1999 als Kompensationsstrategie zum Tragen kommen, obschon Levelt diese mit Blick auf gehörlose und nicht auf fremdsprachige Menschen angefügt hatte (vgl. Levelt 1999: 85 - 86). Schliesslich kann bei Aufgaben zum Sprechen in der Fremdsprache entweder das Welt- oder das Sprachwissen dominieren, was die Lernenden unterresp. überfordert: „ Das eine wäre beim Heruntersagen auswendig gelernter Inhalte der Fall, das andere träte ein, wenn Grundschulkinder aus dem Stegreif einen Dialog über unbekannte oder nur in Teilen vertraute Inhalte führen sollten “ (Diehr/ Kötter 2013: 102). Ausserdem stelle beim Sprechen in der Fremdsprache die Interaktion eine besondere Schwierigkeit dar, denn Lernende auf A-Niveau würden oft dem Problem begegnen, dass sie „ noch nicht über die sprachliche und kognitive Flexibilität [verfügten], um sich spontan auf die kaum planbaren Äußerungen ihres Gegenübers einzustellen “ (ebd.: 115). Hier gälte es, auch das Konzeptualisierungssystem zu entlasten, indem die möglichen Äusserungen des Gegenübers durch die Aufgabe inhaltlich und/ oder sprachlich eingegrenzt würden. 2.4.2 De Bot (1992) Kees De Bot (1992), ein angewandter Sprachwissenschaftler, der wie Levelt aus den Niederlanden stammt, überträgt das Levelt-Modell auf das bilinguale und multilinguale Sprechen und nimmt Anpassungen am Modell vor, um es zu einem Sprachlernmodell weiterzuentwickeln (vgl. ebd.: 3). Das Modell lässt sich auf den fremdsprachigen Kontext übertragen, da De Bot (1992) als Zielgruppe die non-balanced bilinguals ins Auge fasst, die mit Lernenden einer Fremdsprache vergleichbar seien, da sie ebenfalls die eine Sprache auf einem höheren Niveau beherrschten als die andere (vgl. ebd.: 6). De Bot (1992) behält die Verarbeitungssysteme des Levelt-Modells bei (Konzeptualisierungs-, For- 2 Forschungsüberblick 71 mulierungs-, Artikulations- und Hörverstehenssystem), die Zugang zu verschiedenen Wissensspeichern haben (Weltwissensspeicher und Sprachspeicher). Im Unterschied zu Levelts Modell (1989) sind bei De Bot (1992) aber bestimmte Systeme doppelt dargestellt und es werden verschiedene Varianten skizziert. Abb. 21: De Bots Modell von 1992 (visualisiert von der Autorin) In De Bots Modell (vgl. Abb. 21) sind die Sprachen (L1, L2) im Konzeptualisierungssystem separat dargestellt, während sie im Weltwissensspeicher, im Artikulationssystem und bei der Audition im gleichen Gefäss stehen. Für das Hörverstehenssystem, das Formulierungssystem und den Sprachspeicher skizziert De Bot (1992) jeweils zwei Varianten, einmal separiert und einmal integriert, ohne sich auf eine der beiden Varianten festzulegen: Diese Systeme können entweder einfach oder doppelt vorkommen und entsprechend als sprachspezifisch oder sprachenübergreifend gedeutet werden. Beide Varianten gehen mit der Frage einher, wo im Sprechprozess von Mehrsprachigen ein 72 2 Forschungsüberblick Gesamtsprachenspeicher verwendet wird und wo sprachspezifische Speicher aktiviert werden (vgl. ebd.: 6). Das Konzeptualisierungssystem ist De Bots (1992) Meinung nach sprachenspezifisch, da jede Sprache an bestimmte Wahrnehmungen resp. an bestimmte Kulturen gebunden sei. Levelt (1989) argumentiert, dass in verschiedenen Sprachen die Realität unterschiedlich abgebildet werden könne (vgl. ebd.: 103 - 104), was einen Einfluss auf die präverbale Mitteilung habe (vgl. De Bot 1992: 8). Beispielsweise gibt es in bestimmten Sprachen keine spezifische Zeitform für die Zukunft, während andere Sprachen gleich mehrere Zeitformen für diese Zeit zur Verfügung haben (vgl. Lovey/ Grossenbacher 2015: 54). Allerdings fragt sich De Bot, wie das Konzeptualisierungssystem weiss, „ that a given concept cannot be lexicalized properly “ (ebd.: 8), da empirische Studien zeigen, dass Fremdsprachenlernende bereits in der Konzeptualisierungsphase Vermeidungsstrategien anwenden, um lexikalische Probleme zu vermeiden (vgl. ebd.: 8). 12 Der Weltwissenspeicher ist sprachenübergreifend, da er mit dem Erlernen einer anderen Sprache wächst und kein neuer, paralleler Weltwissensspeicher eröffnet wird. Das Artikulationssystem und die Audition sind ebenfalls sprachenübergreifend, denn laut De Bot (1992) werden die „ neuen “ Laute der L2 so weit es geht in Kategorien der bereits bekannten Laute der L1 eingeordnet (vgl. ebd.: 15). In Variante A sind das Formulierungssystem und der Sprachenspeicher sprachenspezifisch: „ There is a separate formulator and a separate lexicon for each language “ (ebd.: 8). In Variante B sind das Formulierungssystem und der Sprachspeicher sprachenübergreifend: „ There is one large system which stores all the information, linguistically labeled in some way, about all the different languages “ (De Bot 1992: 9). Das Hörverstehenssystem kann analog zum Formulierungssystem entweder sprachenspezifisch oder sprachenübergreifend sein: „ If we propose that each language has its own formulator, it would seem natural to assume a separate speech-comprehension system for each language as well “ (ebd.: 17). Wird hingegen Variante B in Betracht gezogen, so lässt dies auch auf Variante B im Hörverstehenssystem schliessen. Angenommen, die Systeme sind sprachenübergreifend, so stellt sich die Frage, wie bilinguale Sprecherinnen und Sprecher mit einem Gesamtspeicher zurechtkommen, ohne sich 12 Im Sprechmodell von Bachman/ Palmer (1996) ist die strategische Kompetenz (goalsetting) dafür verantwortlich. 2 Forschungsüberblick 73 beim Zugriff auf die Konzepte zu „ vergreifen “ . Um dem vorzubeugen bzw. Fehler zu korrigieren, tritt im Monitor ein „ Sprachknoten “ in Aktion, der die Sprachenwahl steuert bzw. nachträglich korrigiert (Neveling 2007: 262). Laut De Bot (1992) kann mit dem Monitor also quasi auf Knopfdruck die benötigte Sprache an- und die nicht benötigte Sprache abgewählt werden (vgl. ebd.: 13). Angenommen, die Systeme sind sprachenspezifisch, so stellt sich die Frage, wie Phänomene wie code-switching entstehen können, wenn die Sprachen in getrennten Systemen verortet sind (vgl. ebd.). De Bot (1992) macht den Vorschlag, dass die beiden Formulierungssysteme miteinander interagieren, ohne zu erklären, wie diese Interaktionsmechanismen genau funktionieren. Hartsuiker/ Pickering (2008) suggerieren, „ one possibility is that there are connections between the two (or more) formulators, and that the strength of these connections varies with linguistic distance and proficiency “ (ebd.: 480). 2.4.3 Bachman/ Palmer (1996) Lyle F. Bachman und Adrian S. Palmer (1996), die als angewandter Sprachwissenschaftler und als Linguist in den USA tätig sind, entwerfen ein Sprechmodell mit dem Ziel, daran bestimmte Qualitätsmerkmale für Sprachtests festzumachen. Bei Bachman/ Palmer (1996) umfasst der Sprechvorgang verschiedene Komponenten: „ language competence, or what we will call language knowledge, and strategic competence, which we will describe as a set of metacognitive strategies “ (Bachman/ Palmer 1996: 67); dazu kommen das „ topical knowledge “ (Bachman/ Palmer 1996: 72) und die „ personal characteristics “ (Bachman/ Palmer 1996: 74). Language knowledge • Organizational knowledge - grammatical knowledge - textual knowledge • Pragmatic knowledge - functional knowledge - sociolinguistic knowledge Strategic competence • goal-setting • assessment • planning Topical knowledge Personal characteristics Abb. 22: Modell von Bachman/ Palmer von 1996: 66 - 75 (visualisiert von der Autorin) Im Modell von Bachman/ Palmer (vgl. Abb. 22) lässt sich das Sprachwissen (language knowledge) in organisatorisches und pragmatisches Wissen unter- 74 2 Forschungsüberblick teilen (Bachman/ Palmer 1996: 67), die wiederum in grammatisches Wissen (grammatical knowledge) und textuelles Wissen (textual knowledge) resp. funktionales Wissen (functional knowledge) und soziolinguistisches Wissen (sociolingustic knowledge) unterteilt sind (Bachman/ Palmer 1996: 68 - 69). Die strategische Kompetenz lässt sich in die drei Bereiche Zielsetzung (goal-setting), Prüfung (assessment) und Planung (planning) aufgliedern (Bachman/ Palmer 1996: 71). Der situations- und adressatengerechten Benutzung der Sprache wird ein wichtiger Platz eingeräumt, denn das pragmatische Wissen wird nicht als Teilbereich des Weltwissens ausgewiesen, sondern explizit als solches benannt und auf der gleichen Ebene wie das organisatorische Wissen dem Sprachwissen zugeordnet. Auch die strategische Kompetenz trägt der Interaktion Rechnung, beispielsweise die Prüfungsstrategien (assessment), mit denen (auch) geprüft wird, wie korrekt resp. wie adäquat das Gegenüber antwortet (vgl. Bachman/ Palmer 1996: 71). Diese Überwachungsinstanz erinnert an das monitoring (vgl. Levelt 1989) resp. an die self-perception (vgl. Levelt 1999). In der Fremdsprachendidaktik wird begrüsst, dass das Modell von Bachman/ Palmer (1996) „ den Sprecher als Teilhaber des Interaktionsprozesses [betrachtet] “ (Neveling 2007: 262), und zwar stärker als die Modelle von Levelt (1989) und De Bot (1992). 2.5 Forschungsdiskurse zur mündlichen Sprachproduktion Mit dem Aufkommen des kommunikativen Methodenparadigmas sollen die Lernenden mehr kommunizieren, d. h. insbesondere auch mehr mündliche Äusserungen produzieren (vgl. Kap. 2.3.3). Mit Piaget (vgl. Piaget/ Inhelder 1966) und dem konstruktivistischen Lernverständnis (vgl. Wolff 1994) rücken die Schülerinnen und Schüler als lernende Individuen stärker ins Zentrum des Forschungsinteresses, so dass sich „ [a]b den 1970er Jahren [ … ] ein zunehmendes Interesse am Lernen selbst und an der von den Lernenden produzierten Sprache ab[zeichnet] “ (Hutterli et al. 2008: 38). Während zuvor in erster Linie die Sprachsysteme beforscht wurden, finden nun die Äusserungen der Lernenden grössere Beachtung. Diese Verlagerung des Untersuchungsgegenstandes sieht Raabe (1974) als Gewinn an: Dadurch nun, dass man von der abstrakten Ebene des puren Sprachvergleichs Abstand nimmt, und der Brennpunkt des Geschehens durch die Interimsprache (L i ) quasi in den Lerner (somit in das Individuum) verlegt wird, kann dem nur oberflächlichen, da rein sprachlich interpretierten Interferenzbegriff des L1-L2 Sprach- 2 Forschungsüberblick 75 vergleichs [ … ] eine vor allem psycholinguistisch begründete und damit differenziertere Vorstellung von Interferenz entgegengesetzt werden (ebd.: 11). Sein Zeitgenosse Selinker (1972) vertritt ebenfalls eine produktionsorientierte Sicht und ernennt die Lernendensprache, d. h. den Output, den die Lernenden produzieren, zum Gegenstand seines Forschungsinteresses: [W]e focus our analytical attention upon the only observable data to which we can relate theoretical predictions: the utterances which are produced when the learner attempts to say sentences of a TL [target language] (ebd.: 213 - 214). Selinker (1972) nennt den Untersuchungsgegenstand der Lernendensprache Interlanguage (ebd.: 214). In den 1970er Jahren verwenden andere Forschende weitere Begriffe wie die Transitional Competence (Corder 1967), das Approximative System (Nemser 1971) oder die „ Interimsprache “ (Raabe 1974) (vgl. Edmondson/ House 2011: 228). Im Deutschen prägt Vogel (1990) den Begriff der „ Lernersprache “ 13 . Die Definitionen der Lernendensprache variieren leicht, die Grundeigenschaften bleiben hingegen identisch: Grundsätzlich versteht man darunter „ das individuelle sprachliche System, das Lernende beim Aneignen einer Zielsprache im Verlaufe ihres Sprachlernprozesses aufbauen und das ihren Äußerungen zugrundeliegt “ (Marx/ Mehlhorn 2016: 297). 14 Lernendensprache stellt nicht einen realitätsgetreuen Ausschnitt aus der Zielsprache, sondern ein Annäherungsprodukt unter Einschluß der Strategien des Umgangs mit diesem dar [und diese Annäherung vollzieht] sich in erster Linie durch das Testen von Hypothesen bzw. durch Versuch und Irrtum (Wendt 1996: 86). 13 Um eine gendergerechte Sprache zu verwenden, wird in der vorliegenden Studie der Begriff der „ Lernendensprache “ verwendet. 14 Definition der Interlanguage nach Selinker (1972): „ the existence of a separate linguistic system based on the observable output which results from a learner ’ s attempted production of a TL [target language: Zielsprache] norm “ (ebd.: 214). Definition des Approximativen Systems nach Nemser (1971): „ An approximative system is the deviant linguistic system actually employed by the learner attempting to utilize the target language “ (ebd.: 116). Definition der Lernersprache nach Vogel (1990): „ Mit Lernersprache bezeichnen wir das Sprachgebilde, das sich in einem Fremdsprachenlerner infolge der Konfrontation mit zielsprachlichen Daten herausbildet, ohne dabei jedoch völlig mit der jeweiligen Zielsprache identisch zu sein “ (Vogel 1990: 13). Definition der Transitional Competence nach Corder (1967): „ It is in such an investigation that the study of learner ’ s errors would assume the role it already plays in the study of child language acquisition, since, as has been pointed out, the key concept in both cases [L1- und L2-Erwerb] is that the learner is using a definite system of language at every point in his development, although it is not the adult system in the one case, nor that of the second language in the other “ (Corder 1967: 166). 76 2 Forschungsüberblick Die Lernendensprache ist folglich ein Zwischensystem zwischen der Ausgangs- und der Zielsprache und enthält Elemente beider Sprachen. Werden mehrere Sprachen gleichzeitig gelernt, so können in der Lernendensprache auch Einflüsse verschiedener Sprachen ausgemacht werden (vgl. Hutterli et al. 2008: 22). Die Lernendensprache variiert von einem Individuum zum anderen, auch wenn die bereits gelernten oder erworbenen Sprachen dieselben sind. Vogel (1990) erklärt diese Unterschiede durch „ individuelle, soziale, lernsituationsabhängige und dabei gegebenenfalls auch methodisch-didaktische Variablen “ (ebd.: 13). Insofern distanzieren sich Forschende zur Lernendensprache von der Kontrastivhypothese, die lautet, dass bei gleicher Ausgangssprache mit denselben Schwierigkeiten in der Zielsprache zu rechnen sei (vgl. Selinker 1992: 21). Ein weiteres Merkmal der Lernendensprache ist ihre Instabilität, da sie sich auf dem „ Weg der Loslösung von der Ausgangssprache in Richtung auf die Zielsprache [befindet] “ (Düwell 2007: 349). Corder (1981) weist darauf hin, dass sich die Analyse der Lernendensprache schwieriger gestaltet als die Analyse von anderen Sprachsystemen, weil die Lernendensprache instabil ist. 15 Dennoch kann „ der jeweilige individuelle fremdsprachliche Zustand “ (Düwell 2007: 349) als eigenes linguistisches System betrachtet und analysiert werden. Durch die bestimmte Auswahl an Elementen von der Ausgangs- und der Zielsprache erhält jede Lernendensprache „ ihren eigenen Charakter und ihr eigenes Regelsystem “ (ebd). Selinker (1972) und Nemser (1971) halten unabhängig voneinander fest, dass die Lernendensprache auch Elemente enthalte, die weder von der Ausgangsnoch von der Zielsprache noch von weiteren gelernten Sprachen stammen. Für Nemser (1971) ist „ the frequent and systematic occurrence in non-native speech of elements not directly attributable to either L s [source language: Ausgangssprache] or L t [target language: Zielsprache] “ (ebd.: 119) ein Argument für die Eigenständigkeit des Lernendensprachensystems. Dies ist ein weiterer Grund dafür, weshalb sich die Forschenden zur Lernendensprache von der kontrastiven Sprachwissenschaft distanzieren: Wenn Eigenständigkeit ein wesentliches Merkmal der Lernendensprache ist, so lässt sich diese nicht hinreichend über Kontrastivität erklären. Laut Selinker (1992) transferieren die Lernenden nicht alles, sondern sie treffen eine Auswahl der zu transferierenden Elemente: „ [L]earners do not transfer all of their NL [native language] systems to IL [interlanguage] but select in some way the structures to be identified interlin- 15 Im Original: „ The principal theoretical problem is that linguistic theory has traditionally been developed for the description of stable, institutionalized, and therefore relatively welldefined manifestations of language “ (Corder 1981: 68). 2 Forschungsüberblick 77 gually “ (ebd.: 100). Die Transferleistung von der L1 zur L2 beschränke sich nicht auf sprachliche Elemente. Selinker (1972) nennt fünf Prozesse, die zur Produktion von lernendensprachlichen Äusserungen beitragen: language transfer; transfer-of-training, strategies of second-language learning, strategies of second-language communication, overgeneralization of TL [target language] linguistic material (vgl. ebd.: 215). Das heisst, dass sowohl interlinguale als auch intralinguale Transfers stattfinden und auch Lern- und Kommunikationsstrategien transferiert werden können. Untersuchungen zur Lernendensprache zeigen, dass entgegen der kontrastiven These insbesondere bei fortgeschrittenen Lernenden intralinguale Probleme sogar häufiger auftreten als interlinguale. Beispielsweise konnten Kiehlhöfer/ Börner (1979) bei deutschsprachigen Französischlernenden nachweisen, „ dass sich die Bedeutung der Kontrastivität im Laufe des Lernfortschrittes ändert, mit wachsendem Lernfortschritt abnimmt “ (ebd.: 100). Ihre „ Untersuchung erbrachte [ … ] eine eindeutige Dominanz der intralingualen Eigenschaften “ (ebd.: 98). Weitere Untersuchungen (Pienemann 1998, Véronique 2017, Diehl et al. 2000) zeigen gewisse Erwerbsabfolgen innerhalb der Lernendensprache auf. Damit werden die Stufen, die von der Ausgangszur Zielsprache führen, genauer beschrieben, indem ihnen grammatische Strukturen zugeordnet werden. Pienemann (1998) zeigt mit seiner Processability theory für die Zielsprache Deutsch, welche grammatischen Strukturen bei welchem Lernendenniveau verarbeitet werden können. Er überträgt seine Erkenntnisse auf die Zielsprachen Englisch, Schwedisch und Japanisch und geht davon aus, dass die Theorie auf alle möglichen Sprachen übertragbar sein müsse (vgl. ebd.: 165). Seine Processability theory hat nicht nur einen beschreibenden, sondern einen prognostizierenden Charakter. Es lasse sich damit vorhersagen, wann welches grammatische Phänomen gelernt werden könne: This theory formally predicts which structures can be processed by the learner at a given level of development. This capacity to predict which formal hypotheses are processable at which point in development provides the basis for a unified explanatory framework which can account for a diverse range of phenomena related to language development (ebd.: XV). Auch nach Véronique (2017), der Erwerbsabfolgen in der Zielsprache Französisch untersucht, besteht das Ziel darin, einen Referenzrahmen für die beherrschten grammatikalischen Phänomene zu schaffen, die ab einem gewissen Lernstand vorhanden sind. In der Erforschung der Erwerbsabfolgen gehe es darum, „ de dégager l ’ ordre spécifique selon lequel, en règle générale, les unités et les fonctionnements grammaticaux (entre autres) de la langue cible sont maitrisés “ (ebd.: 2). Die Kontrastivität zwischen der Ausgangs- und der Zielsprache 78 2 Forschungsüberblick spielt wiederum eine untergeordnete Rolle, denn laut Véronique können unabhängig von der Ausgangssprache identische Abfolgen bei den Erwerbssequenzen festgestellt werden: Il est postulé qu ’ en dépit de la variabilité des productions et de la diversité des apprenants de langue étrangère, les parcours d ’ appropriation pour une langue cible déterminée présentent de fortes identités (ebd.: 2). Um ein erfolgreiches schulisches Fremdsprachenlernen zu gewährleisten, fordert Véronique, dass die schulische Grammatikprogression dem natürlichen Grammatikerwerb der Schülerinnen und Schüler Rechnung trage (vgl. Véronique 2017: 16). 16 Damit dies möglich ist, muss Wissen über den natürlichen und den gesteuerten Grammatikerwerb vorhanden sein. Das in Genfer Schulen durchgeführte DiGS-Projekt (Deutsch in Genfer Schulen 1995 - 2000) geht dieser Forschungslücke nach und untersucht den Grammatikerwerb französischsprachiger Schülerinnen und Schüler, die Deutsch als erste Fremdsprache lernen. In Bezug auf die Erwerbsabfolgen untersuchen die Projektleiterinnen u. a. die Fragestellungen, wie sich Grammatikinstruktion und Grammatikerwerb zueinander verhalten, ob der Grammatikerwerb der Probandinnen und Probanden tatsächlich signifikant von der schulischen Grammatikprogression abweicht und wenn ja, in welcher Weise. Zudem ermitteln sie überindividuelle Erwerbsreihenfolgen und untersuchen, ob es zu diesen Erwerbsfolgen Parallelen im L1-Erwerb und/ oder im natürlichen L2-Erwerb gibt (vgl. Diehl et al. 2000: 4). Als Untersuchungskorpus dienen schriftliche lernendensprachliche Texte. Eine Analyse der Lernendensprache gibt nicht nur Aufschluss über den Aufbau eines bestimmten sprachlichen Zwischensystems, sondern erlaubt auch Rückschlüsse für den Fremdsprachenunterricht, wie dies in Genf im Anschluss an das DiGS-Projekt der Fall ist (vgl. ebd.: 383 - 384). Dass aus der Untersuchung der Interlanguage Erkenntnisse darüber generiert werden sollten, was man einem L2-Lernenden am besten zu welchem Zeitpunkt an Input anbietet, hat auch Corder (1981) eingefordert: „ [W]e need to make a regular series for checks on his grammar to see the effect that exposure to certain data has had on the state of his grammar “ (Corder 1981: 27), wobei es genauso wichtig sei, zu untersuchen, was die Lernenden bereits können und was ihnen noch Probleme bereite. 17 16 „ Pour élaborer des éléments de „ grammaire pédagogique “ en FLE [français langue étrangère], il est nécessaire d ’ examiner les relations que l ’ on peut établir entre les préconisations grammaticales pré-curriculaires (Cadre européen commun de référence pour les langues et niveaux pour le français) et les contenus grammaticaux inspirées des recherches acquisitionnelles “ (Véronique 2017: 16). 17 Im Original: „ It is just as important to note what the learner does know as what he does not know “ (Corder 1981: 28). 2 Forschungsüberblick 79 Fremdsprachenunterricht ist ein komplexes Zusammenspiel verschiedenster Faktoren. Als Konstante sind die Aufgaben auszumachen; als Variablen gelten u. a. die Lehrpersonen, die den „ Input “ präsentieren und die Lernenden selbst, die diesem einen bestimmten „ Intake “ entnehmen. 18 Dass es hierbei grosse Unterschiede gibt, vertreten auch die Erwerbsfolge-Forschenden. Pienemann (1998) meint, dass es keinen Grund gebe anzunehmen, dass die Lernenden eine Struktur erwerben würden, nur weil sie in der Lage seien, sie zu verarbeiten (ebd.: 250). 2.6 Forschungsdiskurse zum Handeln und Denken von Lehrpersonen 2.6.1 Handeln der Lehrpersonen im lehrwerkbasierten Unterricht Das Handeln der Lehrperson rückt in der fremdsprachendidaktischen Forschung in der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts ins Zentrum des Interesses, und zwar in erster Linie, um den „ guten Fremdsprachenlehrer “ zu definieren (vgl. Krumm 2007: 353). Heute ist man sich einig, „ dass eine effiziente Klassenführung eine der wesentlichen Voraussetzungen für erfolgreiches Lernen darstellt “ (Schart 2014: 47). In Bezug auf den Fremdsprachenerwerb „ müssen darüber hinaus Aspekte wie eine Balance zwischen Korrektheit und Flüssigkeit angeführt werden, eine angemessene Wartezeit nach Lehrerfragen und nicht zuletzt ein hoher Anteil der Fremdsprache im Unterricht “ (Schart 2014: 48). Schliesslich ist die Lehrperson die Hauptquelle für die Schülerinnen und Schüler in Bezug auf den zielsprachlichen Input. In der Praxis wird jedoch häufig beobachtet, dass „ Lehrer, um auf Seiten der Schüler das Verständnis zu sichern, ihre zentralen Äußerungen, Arbeitsanweisungen usw. regelmäßig auf Deutsch wiederholen “ (Schmelter 2014: 211). Dies sollte nicht so sein, denn die Fremdsprachenlehrperson beeinflusst durch ihr eigenes Sprechverhalten „ die Sprechbereitschaft, die Sprechfreude und die Sprechkompetenz der Schülerinnen und Schüler “ (Klippel 2014: 103; vgl. auch Tesch 2010). Einer Fremdsprachenlehrperson gelingt es wesentlich besser, einen sprachlich reichen Unterricht zu gestalten, wenn sie selbst über ein entsprechend hohes Sprachniveau verfügt. Peyer et al. (2016b) konnten nachweisen, dass das Sprachniveau der Lehrperson einen Einfluss auf die Sprach- 18 Corder (1967) unterscheidet zwischen „ Input “ und „ Intake “ . Dadurch entlastet er die Lehrpersonen (und die Lehrmethode), die ansonsten als einzige für Fehler ihrer Lernenden verantwortlich gemacht wurden: „ and we may reasonably suppose that it is the learner who controls this input, or more properly his intake “ (Corder 1967: 165). 80 2 Forschungsüberblick kompetenzen der Schülerinnen und Schüler hat (vgl. ebd.: 5). Handelt es sich um lehrwerkbasierten Fremdsprachenunterricht, so zählt die Lehrperson neben den Schülerinnen und Schülern und dem Lehrwerk zu den zentralen, bestimmenden Faktoren. Sie muss in der Lage sein, „ die Anforderungen der Institution, des Lehrplans oder des Lehrwerks mit den Interessen der Lernenden in Einklang [zu bringen] “ (Schart 2014: 40). Forschungsunterfangen, die in erster Linie auf die „ gute “ oder gar „ ideale “ Lehrperson ausgerichtet sind, werden kritisiert (vgl. Caspari 2003: 24). In den letzten Jahrzehnten verlagert sich das Forschungsinteresse und die Lehrpersonen werden als zentraler Faktor des Fremdsprachenunterrichts wahrgenommen, wodurch ihr Handeln nuancierter und weniger wertend betrachtet wird. Man anerkennt, dass das Handeln einer Lehrperson in mehreren Spannungsfeldern stattfindet, die die komplexe Struktur des Unterrichts ausmachen, und die in sich auch widersprüchlich sein können. Das Forschungsinteresse an der Lehrperson wächst u. a. wegen der wachsende[n] Einsicht in die Bedeutung von Lehrer/ inne/ n für die Entwicklung des Fremdsprachenunterrichts. [ … ] Lehrer/ innen werden nicht mehr nur bzw. in erster Linie als Anwender/ innen neuer Konzepte betrachtet, sondern als Mit-Entwickler/ innen und Mitbzw. Selbst-Forscher/ innen, deren Praxiswissen und Praxiserfahrung für die Weiterentwicklung des Fremdsprachenunterrichts unentbehrlich sind (ebd.: 46). In Bezug auf die konkrete Verwendung eines Lehrwerks in der Unterrichtspraxis unterscheidet Kurtz (2011) drei verschiedene Typen. Er nennt zunächst die Lehrpersonen des Typs A, die sich voll und ganz an das jeweils eingeführte Unterrichtswerk und die dort vorgefundene sprachliche und inhaltliche Progression halten, die das Lehrwerk im Kern also als ein vorgegebenes Lehrprogramm betrachten, das sie möglichst genau abzuarbeiten suchen, um (vermeintlich) sicher zu gehen, die im Lehrplan und in den Bildungsstandards formulierten Erwartungen an die zu entwickelnden zielsprachlichen, interkulturellen und methodischen Kompetenzen der Schüler „ zu erfüllen “ (ebd.: 6). Thaler (2014a) wirft diesem Typ A vor, sich vom Lehrwerk „ versklaven “ zu lassen. Es ist jedoch anzumerken, dass die Haltung des Abarbeitens von der ersten bis zur letzten Seite eines Lehrwerks, einer strikten Einhaltung der Reihenfolge, des Unterrichtens mit der immer gleichen Methodik und des Weglassens eigener Ideen oder Medien bei Lehrwerken, die die Kompetenzorientierung umsetzen, fast nicht eingenommen werden kann, denn solche Lehrwerke sind in der Anwendung anspruchsvoll - sie setzen bei den Lehrerinnen und Lehrern eine entsprechende fachliche und fachdidaktische „ Unterfütterung “ voraus. Sie 2 Forschungsüberblick 81 eignen sich zudem nur bedingt für eine sklavische Anwendung im Sinne eines linearen Durcharbeitens (ilz 2019: 10). Als zweites führt Kurtz (2011) die Lehrpersonen des Typs B auf, die das jeweils vorhandene Unterrichtswerk als eine sinnvolle Sammlung von Inhalten, Aufgaben, Übungen etc. ansehen, die sich im Kern also an der Systematik des ein[ge]führten Lehrwerks orientieren, die jedoch auch auf einige Lehrwerkangebote verzichten und stattdessen ggf. andere Materialien und Medien in den Unterricht mit einbeziehen (ebd.: 7). Dieser freiere Umgang mit dem Lehrwerk setzt eine gewisse Autonomie und Reflexivität bei der Lehrperson voraus. Krumm (2007) führt aus, dass Lehrpersonen heutzutage eine ständige Weiterentwicklung der Berufsrolle und ihrer Persönlichkeit als Lehrende vornehmen müssten und über „ die Fähigkeit [verfügen sollten], den eigenen Unterricht zu reflektieren “ (ebd.: 354). Zuletzt führt Kurtz (2011) die Lehrpersonen des Typs C auf, die sich im Wesentlichen an der Systematik des jeweils verwendeten Unterrichtswerks (als Spiegelung der Bildungsstandards und des Lehrplans) orientieren, die aber über weite Strecken Materialien und Medien einsetzen, die sie selbst erstellt oder (zum Beispiel auch aus anderen Lehrwerken) zusammengestellt haben (ebd.: 7). Lehrpersonen, die sich so sehr vom Lehrwerk lösen, dürften über ein hohes Fachwissen verfügen, das es ihnen ermöglicht, sich direkt am Lehrplan zu orientieren und nicht (nur) dem Lehrwerk als „ heimlichen Lehrplan “ zu folgen. Das Handeln der Lehrperson kann auf verschiedene Weisen erforscht werden. Eine erste Möglichkeit ist die Befragung der Lernenden über das beobachtete Handeln ihrer Lehrperson. Schart (2014) bemerkt, dass „ vom Feedback der Lernenden wichtige Impulse für das Verstehen und die Weiterentwicklung des Unterrichts ausgehen können “ (ebd.: 45). Eine zweite Möglichkeit „ besteht in der genauen Beobachtung und Analyse von Unterrichtsprozessen “ (ebd.: 46). Für die vorliegende Studie werden Befragung und Beobachtung kombiniert, um einen möglichst umfassenden Eindruck bzg. des Umgangs der Lehrpersonen mit den Sprechaufgaben zu erhalten. 2.6.2 Denken der Lehrpersonen Seit den späten 1960er Jahren des letzten Jahrhunderts interessiert sich die Forschung dafür, was und wie die Lehrpersonen denken. Davor war es eher selten, dass bei Studien im Bereich der Fremdsprachenforschung die Innenperspektive der Lehrpersonen untersucht wurde: 82 2 Forschungsüberblick This is a point we take for granted in contemporary research on teaching, but 30 years ago the study of teachers ’ beliefs and their impact on what teachers do was just emerging (Borg 2006: 9). Die mentalen Prozesse rücken erst seit der kognitiven Wende mehr und mehr in den Vordergrund, denn solange die Forschungsperspektive primär auf Bedingungen, Einflüsse und Prägungen gerichtet war, die von außen auf das Individuum einwirken, und Ergebnisse somit vornehmlich aus Verhaltensdaten gewonnen wurden, spielte die Innenperspektive eine untergeordnete Rolle (Kallenbach 1996: 17). Für das Interesse an der Erforschung der Innenperspektive von Lehrpersonen braucht es zunächst ein Menschenbild, das den Menschen als „ potentiell autonom, aktiv konstruierend und reflexiv versteh[t] “ (Groeben et al. 1988: 12) und das „ mechanistische Menschenbild “ (ebd.: 13) ablöst. Flick (1989: 100 ff.) nennt als Voraussetzung für die Erforschung von Subjektiven Theorien das Interesse an Kognitionen beim und vor dem Handeln. Die Bewegung weg von quantitativen und verallgemeinerbaren Modellen hin zu qualitativen und ganzheitlichen Studien ebnet den Weg für die Erforschung subjektiver Sichtweisen. 19 Im englischsprachigen Raum wird dieser Bereich „ teacher cognition “ (Borg 2006) genannt, im deutschsprachigen Raum verwendet man dafür den Begriff „ Subjektive Theorien “ (vgl. Groeben et al. 1988). In der vorliegenden Studie verwende ich ebenfalls den Begriff der Subjektiven Theorien (vgl. Forschungsfrage 2a), obschon das Konzept der Subjektiven Theorien nicht eindeutig definiert ist und je nach Forschungsrichtung unterschiedliche Komponenten wie Wissen, Einstellungen, Meinungen, Haltungen oder auch die Motivation beinhaltet (vgl. Caspari 2003: 4). In der fremdsprachendidaktischen Forschung gelten die Subjektiven Theorien als übergeordnetes Konzept, „ das verschiedene Komponenten, u. a. Wissen und Einstellungen, enthält und das das Ergebnis einer bestimmten beruflichen Entwicklung darstellt “ (ebd.), was dem Forschungsinteresse der Forschungsfrage 2a) der vorliegenden Studie entspricht. „ Subjektive Theorien “ werden als „ Theorien “ gehandhabt, weil sie in ihrer Struktur und in ihrer Funktion eine bestimmte Parallelität zu „ wissenschaftlichen Theorien “ aufweisen. Laut Groeben et al. (1988: 19) handelt es sich bei den „ Subjektiven Theorien “ um Kognitionen der Selbst- und Weltsicht, in Form eines komplexen Aggregats mit zumindest impliziten Argumentationsstrukturen. Die „ Subjektiven Theorien “ erfüllten auch Funktionen wie Erklärung 19 Für eine Übersicht über Forschungsarbeiten zu Subjektiven Sichtweisen von Fremdsprachenlehrpersonen von 2000 bis 2013 siehe Caspari 2014 oder auch Aguado et al. 2013. 2 Forschungsüberblick 83 und Prognose. Das bedeutet, dass das Handeln der Lehrpersonen auf einem theoretischen Wissen basiert, das von Lehrperson zu Lehrperson verschieden ist. Mit diesem theoretischen Wissen kann sie sich bestimmte Unterrichtsverläufe erklären und weitere voraussagen. Méron-Minuth (2016) hält in ihrer Studie zu den Fremdsprachenlehrpersonen und ihren Einstellungen zu der Frage der Mehrsprachigkeit im Unterricht fest, dass Lehrpersonen „ [a]uf der Basis ihrer subjektiven Theorien [ … ] während ihrer täglichen Praxis - in der Regel unbewusst - Hypothesen und Annahmen über die Lernprozesse der Schülerinnen und Schüler [formulieren] “ (ebd.: 38). „ Subjektive Theorien “ sind mehr als „ Wissen “ , auch wenn ihre Begrifflichkeit nicht endgültig fixiert ist: „ In zahlreichen Arbeiten im Bereich der Fremdsprachenlehr- und -lernforschung findet sich eine Vielzahl von Begriffen zur Erforschung subjektiver Wissensbestände von Lehrenden und Lernenden “ (ebd.: 37). Laut Borg (2006) zählen zur „ teacher cognition “ sowohl das Wissen (knowledge) als auch die Überzeugungen (beliefs). Zehn Jahre später werden die Kategorien um die Einstellungen (attitudes) und persönlichen Konstrukte (personal constructs) bzw. Konzepte (conceptions) erweitert (Caspari 2016b: 70). Ein weiterer Aspekt von „ Subjektiven Theorien “ ist ihre Stabilität. Laut Kallenbach (1996) sind sie „ relativ veränderungsresistent und besitz[en] für den/ die einzelne/ n einen hohen Gewissheitsgrad “ (ebd.: 25). Allerdings müssen sich die „ Subjektiven Theorien “ anpassen, wenn sich äussere Faktoren verändern. „ Subjektive Theorien “ sind implizit. Will man sie erfassen, so braucht es ein Verfahren, das sie in eine explizite Form bringt. Bei der Frage, wie „ Subjektive Theorien “ rekonstruierbar sind, sind sich die verschiedenen Forschenden einig: Es braucht einen Dialog zwischen den Akteurinnen und Akteuren und einem Forschungsteam (vgl. Groeben et al. 1988: 15; vgl. auch Caspari 2003: 79). Für Kallenbach handelt es sich erst um „ Subjektive Theorien “ , wenn sie in einer Erhebungssituation explizit gemacht werden. Zuvor handle es sich um Alltagswissen, das den „ Subjektiven Theorien “ implizit zugrunde liege (vgl. Kallenbach 1996: 34). Groeben et al. (1988) haben das „ Forschungsprogramm Subjektive Theorien “ entwickelt, „ ein theoretischer und methodologischer Ansatz, mit dem individuelle Kognitionen und Argumentationen von Menschen erhoben, rekonstruiert und - in der weiten Fassung des Programms - an der Realität überprüft werden können “ (Caspari 2016b: 67). Das Programm enthält zwei Phasen. In der ersten Phase wird ein Leitfadeninterview durchgeführt, das im Anschluss kommunikativ validiert wird. Mittels der Struktur- Lege-Technik präsentiert das Forschungsteam den Interviewten ihre rekonstruierten „ Subjektiven Theorien “ . Diese haben die Möglichkeit, die Ergebnisse zu validieren oder zu widerlegen. Zahlreiche Untersuchungen zu den „ Sub- 84 2 Forschungsüberblick jektiven Theorien “ überspringen jedoch diesen Validierungsschritt. 20 Caspari (2003: 73 - 74) führt vier Punkte auf, die eine kommunikative Validierung erschweren resp. verunmöglichen. Als erstes bleibe die asymmetrische Kommunikation (Forscher-Beforschte) trotz aller Bemühungen bestehen. Als zweites würden sich nicht alle Inhalte für eine kommunikative Validierung eignen. Als dritter Punkt werde eine kommunikative Validierung durch die unterschiedliche Darstellungsform der „ Subjektiven Theorien “ in Form von Struktur-Kärtchen erschwert. Und zuletzt könnten sich „ Subjektive Theorien “ durch deren Erhebung und Rekonstruktion beim Subjekt verändern. Caspari kommt zum Schluss, dass „ [w]egen dieser schwerwiegenden methodologischen und methodischen Schwierigkeiten [ … ] eine Verständigung über die erstellten Rekonstruktionen bzw. Interpretationen zwischen Forscher/ inne/ n und Untersuchungspartner/ inne/ n nicht grundsätzlich notwendig zu sein [scheint] “ (Caspari 2003: 74). Flick (1989) betont, dass bereits in den 1980er Jahren von verschiedenen Seiten postuliert wurde, dass „ kommunikative Validierung nicht das einzige Kriterium zur Beurteilung der Angemessenheit von Rekonstruktionen und Interpretationen bleiben sollte “ (ebd.: 113). Die zweite Phase des Forschungsprogramms (vgl. Groeben et al. 1988) ist die explanative Validierung oder Handlungsvalidierung. Mittels Beobachtungen soll verifiziert oder falsifiziert werden, ob die „ Subjektiven Theorien “ realitätsangemessen sind. Dies impliziert, dass die „ Subjektiven Theorien “ dem Handeln entsprechen. Caspari (2003: 74 - 75) erachtet auch diesen Validierungsschritt als problematisch und zählt ebenfalls vier Gründe auf. Als erstes geht sie mit Borg (2006) einig, dass das Verhältnis von Kognition und Handeln nicht so eindeutig geklärt sei, dass man z. B. von Motiven direkt auf beobachtbares Handeln und umgekehrt schliessen könne. Als zweites könnten auch objektiv falsche Theorien subjektiv gültig sein. Als drittes Argument liessen sich bestimmte „ Subjektive Theorien “ gar nicht in der Handlung überprüfen. Und schliesslich sei problematisch, dass nach dem Forschungsprogramm das Erklären dem Verstehen übergeordnet werde. Deshalb schlussfolgert Caspari auch für die explanative Validierung, dass „ [a]ngesichts dieser erheblichen Bedenken [..] eine Handlungsvalidierung nur dann sinnvoll [scheint], wenn Subjektive Theorien um ihres Veränderungspotenzials willen erhoben werden, z. B. im Rahmen von Aus- und Fortbildung “ (Caspari 2003: 75). Aus den aufgeführten Gründen verzichte ich ebenfalls auf eine kommunikative Vali- 20 „ In vielen empirischen Untersuchungen wurde „ der Begriff Subjektive Theorien eher weit gefasst, oft mit nur partiellen, praktikablen Bezügen zum Forschungsprogramm Subjektive Theorien und zumeist ohne kommunikative oder explanative Validierung “ (Steinke 1999: 68) “ (Caspari 2003: 77). 2 Forschungsüberblick 85 dierung und stelle die Rekonstruktionsadäquanz durch die Anwendung der inhaltlich-strukturierende kategoriengeleitete Textanalyse sicher (vgl. Kap. 4.5.1.2). In der vorliegenden Untersuchung werden die „ Subjektiven Theorien “ der Lehrpersonen zu einem so genannt „ kritischen Moment “ erhoben, da sie erst im ersten oder zweiten Durchgang mit dem Französischlehrwerk „ Mille feuilles “ (Ganguillet et al. 2014a) und dessen Aufgaben zum interaktiven Sprechen arbeiten. Es kann angenommen werden, dass durch die Arbeit mit einem neuen Lehrwerk „ auch potentielle Verunsicherung und Veränderungsdruck gegeben sind “ (Kallenbach 1996: 25). Chan (2001) spricht von „ möglichen Konflikte[n], die bei der Implementierung einer curricularen Innovation aufgrund unterschiedlicher methodisch-didaktischer Auffassungen bzw. der subjektiven Vorstellungen des Lehrers entstehen könnten “ (ebd.: 236) und hebt die Bedeutung der Reflexion und der Metakognition der Lehrpersonen für den Erfolg curricularer Neuerungen hervor (vgl. ebd.). 2.7 Lehrwerkforschung Wird die Bearbeitung von Lehrwerkaufgaben untersucht, braucht es „ eine Rezeptionsanalyse und eine Werkanalyse “ (Rösler 2016: 474). Während in der Werkanalyse didaktische, pädagogische, gestalterische oder weitere Merkmale eines Lehrwerks beschrieben werden, zeigt sich in der Rezeptionsanalyse, wie das Lehrwerk tatsächlich verwendet wird. Grundsätzlich ist vom Forschungsstand her zu vermerken, „ dass die Rezeptionsanalyse, die Lerner- oder Lehrerverhalten beim Umgang mit Lehrwerken oder Teilen von Lehrwerken wie Übungen und Aufgaben oder Textformaten analysiert, recht unterentwickelt ist “ (ebd.). Lehrwerkverwendungsforschung bleibt noch weitgehend ein Desiderat der Schulbuchforschung und der Fremdsprachenforschung (vgl. Sandfuchs 2010: 23; Fäcke 2016: 9; Kurtz 2011: 4; Funk 2004: 42; Tesch 2010: 11). 2.7.1 Lehrwerkanalyse Seit den 1970er Jahren sind Fragen der Werkresp. der Lehrwerkanalyse „ zum festen Bestandteil fachdidaktischer Forschung und Lehre geworden “ (Neuner 1994a: 11). Lehrwerkanalysen zielen auf eine kritische Begutachtung einzelner Lehrwerke, ihrer Inhalte, Spracherwerbskonzepte oder einzelner Bereiche wie Layout oder Grammatik [und sie] erfolgen auf der Basis von Kriterienkatalogen, um die Analyse transparent, objektiv und nachvollziehbar zu machen (Fäcke 2010: 212 - 213). 86 2 Forschungsüberblick Es existieren verschiedenste Kriterienkataloge für Lehrwerke, die eine kriteriengeleitete, didaktische Analyse ermöglichen. 21 Fremdsprachendidaktisch ausgerichtete Lehrwerkanalysen können verschiedene Untersuchungsfoki aufweisen (vgl. Elsner 2016: 443). Beispielsweise richtet Martinez (2011) den Blick auf die Kompetenzorientierung, Hufeisen (2011) analysiert Lehrwerke im Hinblick auf die Mehrsprachigkeitsdidaktik und Vollmuth (2004) untersucht in ihrer Dissertation die Handreichungen von sieben Englischlehrwerken für die Grundschule. Cakir (2006) nimmt in ihrer Dissertation die Authentizität in Lehrwerktexten in den Blick, Fäcke (2016) untersucht die Anlagen zum selbständigen Lernen in Französischlehrwerken und Totter et al. (2022) untersuchen die digitalen Tools zum Wortschatzlernen in einem Französischlehrwerk für die Grundschule. In der vorliegenden Studie werden ausgewählte Französischlehrwerke von 1893 bis 2014 einer Analyse bzg. der Förderung des Sprechens unterzogen (vgl. Kap. 2.3). In der vorliegenden Studie lege ich den Untersuchungsfokus darauf, „ inwiefern [ … ] neuere fremdsprachendidaktische Unterrichtsansätze Eingang in die neue Lehrwerkgeneration gefunden [haben] “ (Elsner 2016: 443). Ein wichtiges Merkmal der 2012 erschienen Lehr- und Lernmaterialien „ Mille feuilles “ ist laut den Autorinnen und Autoren die Ausrichtung auf ein konstruktivistisches Lernverständnis (vgl. Grossenbacher et al. 2012a). Bausch (1999) macht auf die „ Anspruchs-Wirklichkeitsdiskrepanzen “ aufmerksam und meint damit Versprechen von Lehrwerken, die sie in der Umsetzung nicht einhalten (vgl. ebd.: 19). Seiner Meinung nach kann es sein, dass Lehrwerke resp. ihre Autorinnen und Autoren einen bestimmten Anspruch erheben, der im Lehrwerk nicht eingelöst wird. Ob und insbesondere wie neokommunikative Unterrichtsansätze im Französischlehrwerk „ Mille feuilles “ umgesetzt werden 21 Um Stärken und Schwächen eines Lehrwerks zu benennen und um so den Auswahlprozess transparenter zu gestalten, werden in der Schweiz die Lehrwerke vor ihrer Zulassung von den zuständigen Kommissionen mit dem Evaluationstool Levanto geprüft (vgl. Wirthenson 2012: 39). Levanto „ dient vor allem dazu, die Lehrmittelkommissionen der Kantone bei der Auswahl von geeigneten Lehrmitteln (Schulbüchern) zu unterstützen “ (Fey 2017: 17). Da Levanto nicht spezifisch für Fremdsprachenlehrwerke entwickelt worden ist, findet es in der vorliegenden Studie keine Verwendung. Pädagogisch ausgerichtete Kriterienkataloge können aber durchaus auch für fachdidaktische Zwecke eingesetzt werden: In Augsburg wurde das Augsburger Analyse- und Evaluationsraster für analoge und digitale Bildungsmedien (AAER) entwickelt, das für Lehrbücher sämtlicher Schulfächer verwendet werden kann und womit bereits Analysen an Fremdsprachenlehrwerken durchgeführt wurden (vgl. Finckenstein/ Neumann 2017; Thaler 2017c; Neumann/ Stahl 2017). Das AAER sollte in Deutschland den Stellenwert erhalten, den Levanto für die Lehrmittelanalyse in der Schweiz hat (vgl. Matthes 2017: 7/ 10). 2 Forschungsüberblick 87 und welchen Einfluss diese auf die Förderung der Kompetenz des interaktiven Sprechens haben, ist in Kap. 2.3.4 dargestellt. 2.7.2 Lehrwerkverwendungsforschung Im Vergleich zu anderen Unterrichtsfächern kommen im Fremdsprachenunterricht Lehrwerke sehr häufig zum Einsatz (Fäcke 2010: 208; ilz 2015: 1) und beeinflussen das Unterrichtsgeschehen wesentlich. Laut Neuner (1994a: 8) bestimmt das Lehrwerk „ wie kein anderer Faktor das, was im Fremdsprachenunterricht geschieht “ . Im Gegensatz zu Lehrplänen, in denen die Bildungsziele festgehalten sind, konkretisieren Lehrwerke die Lehrplanziele und -inhalte (vgl. ilz 2015: 4) und sind deswegen „ bestens geeignet, die didaktischen Innovationen unterrichtsnah aufzubereiten “ (ilz 2012: 3). Sie fungieren als „ Schnittpunkt zwischen Rahmenplänen bzw. Curricula und dem konkreten Unterrichtsgeschehen “ (Quetz 1999: 168) und können deshalb zentrale Instrumente sein, um didaktische Neuerungen in den Unterricht einfliessen zu lassen, denn in einem Lehrwerk finden sich „ die wichtigsten Elemente einer bestimmten fachdidaktischen und methodischen Konzeption gebündelt und veranschaulicht vor “ (Neuner 1994a: 8). Dem Lehrwerk wird im klassischen didaktischen Dreieck von Unterrichtsgegenstand, Lehrenden und Lernenden eine „ Mittler-Funktion “ zugewiesen (vgl. Heitzmann/ Niggli 2010: 6 - 7; Neuner 1994a: 9; Thaler 2014a: 5), denn das Lehrwerk trägt dazu bei, die didaktischen Grundfragen, nämlich „ WAS und WIE soll gelernt werden? “ , zu klären (vgl. Heitzmann/ Niggli 2010: 7). Deshalb vermögen Lehrwerke mehr als Lehrpläne, methodische Veränderungen herbeizuführen (vgl. Nieweler 2000: 14). Dazu kommt, dass die Lehrpersonen in der Regel das Lehrwerk genauer kennen als den Lehrplan (vgl. Thaler 2011a: 16), was das Risiko birgt, dass bei mangelnder Kenntnis der curricularen Vorgaben und einem zu weitreichenden Vertrauen in die Lehrwerke der Umgang mit dem Lehrwerk dogmatisch werden kann (vgl. Nieweler 2000: 17). Grundsätzlich sollten „ die Lernbedürfnisse der Schüler/ innen den Unterricht bestimmen und nicht der unerbittliche und alleinige Einsatz des Lehrbuchs “ (ebd.). Die regelmässig geäusserte Kritik an Lehrwerken ist deren „ Normierung, Einschränkung der Freiheit der Lehrenden und Lernenden [und deren] Vernachlässigung der Heterogenität “ (Thaler 2014a: 5). Ausserdem seien die Texte und Themen in Lehrwerken unangemessen, würden schnell an Aktualität verlieren und Lehrwerke seien Profitmaschinen für Verlage (vgl. ebd.). Die Kritik führt dazu, dass immer wieder in Frage gestellt wird, ob Fremdsprachenunterricht nicht auch resp. sogar besser ohne die Verwendung eines Lehrwerks erteilt werden könnte (vgl. Bredella 1999: 35/ 38; Krumm 1994: 27 - 28; Wolff 88 2 Forschungsüberblick 2009: 195). Für das Weglassen von Fremdsprachenlehrwerken spricht laut Wolff (2013), dass im lehrwerkunabhängigen Unterricht das selbstbestimmte Lernen besser zum Tragen komme und dass mithilfe neuer Technologien aktuellere und attraktivere Angebote gemacht werden könnten als mit einem Lehrwerk. Für den Einsatz des Lehrwerks sprechen laut Wolff (ebd.) der Zeitgewinn, eine bestimmte Kontrolle, da mit dem Einsatz eines Lehrwerks das Erreichen der angestrebten Kompetenzen durch passende Materialien unterstützt werden könne sowie die Möglichkeit, mit differenzierten Materialien auf unterschiedliche Niveaustufen eingehen zu können (vgl. ebd.: 99). Bis dato wird im Fremdsprachenunterricht der Volksschulen nur in Ausnahmefällen auf Lehrwerke verzichtet (vgl. Funk 2001: 279), Wolff (2013: 103) weist jedoch darauf hin, dass die Qualität der Lehrwerke besser werden müsste, wenn sie weiterhin als Grundlage für den Fremdsprachenunterricht eingesetzt werden sollten. Die Verantwortung für eine qualitative Verbesserung von Lehrwerken sieht er bei den Lehrenden und Expertinnen und Experten aus dem Bereich der Fachdidaktik, die dazu beitragen sollen, „ dass [Lehrwerke] nicht weiterhin in alten und traditionellen Mustern verhaftet bleiben, sondern sich für neue Entwicklungen in der Fachdidaktik öffnen “ (ebd.). Der konkrete Einsatz eines Lehrwerks im Unterricht fällt sehr unterschiedlich aus (vgl. ilz 2012: 3; Gräsel 2010: 143). Neuner (1994b) hält fest, dass [j]eder Lehrende, der den fremdsprachlichen Unterricht mit Hilfe eines Lehrwerks durchführt, die Erfahrung macht, dass das Lehrbuch nicht identisch ist mit einem „ Drehbuch “ für den Unterricht, das alle Einzelabschnitte des Unterrichtsablaufs festlegt, sondern dass er improvisieren muss, dass er Teile ergänzen bzw. verändern muss (ebd.: 236). Es braucht also nicht nur Lehrwerkforschung, sondern auch Lehrwerkverwendungsforschung, wenn „ die Nutzung der Schulbücher für die Lernprozesse und -ergebnisse mindestens so bedeutsam ist wie die Gestaltung der Schulbücher selbst “ (Gräsel 2010: 143). Diese Grundüberlegung findet sich auch beim Angebots-Nutzungs-Modell von Helmke zur Erklärung des Lernerfolgs, der den Unterricht „ als Angebot [sieht], dessen Ertrag von der Nutzung durch die Schülerinnen und Schüler abhängt “ (Meyer/ Terhart 2007: 62). Gefragt sind also Studien, die von der Lehrwerkanalyse weiterführen hin zur Lehrwerkverwendungsforschung, bei der die Faktoren Lehrwerk, Schülerinnen und Schüler und Lehrperson ebenfalls berücksichtigt werden (vgl. Fäcke 2016; Kurtz 2011; Thaler 2011a; Funk 2004; Martinez 2014). Um mehr über die Lehrwerkverwendung zu erfahren, fordert Kurtz (2011) eine „ empirische Erforschung der konkreten Verwendung bzw. Nutzung von Lehrwerken “ (ebd.: 4) und schon gut 10 Jahre davor wies Bausch (1999) darauf 2 Forschungsüberblick 89 hin, dass sich dafür „ vor allem qualitativ[e] Grundlagenforschung “ (ebd.: 20) mit einem Forschungsdesign eigne, das sowohl Daten der Aussenals auch der Innenperspektive berücksichtige. Für die Fremdsprachen steht das Desiderat nach lernaufgabenbezogener Unterrichtsforschung bereits seit rund 15 Jahren im Raum (Burwitz-Melzer 2006; Legutke 2006; Schocker-von Dithfurth 2006). Mit der vorliegenden Studie möchte ich einen Beitrag dazu leisten. 90 2 Forschungsüberblick 3 Fremdsprachenunterricht in der Schweiz ab 2011 3.1 Bildungspolitischer Hintergrund Die Vielsprachigkeit der Schweiz, gegeben durch die vier Landessprachen Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch sowie die Migrationssprachen, prägt den Bildungskontext der Schweiz in Bezug auf die schulischen Fremdsprachen massgeblich. Seit den 1970er Jahren erlernen „ nahezu alle Schweizer Schülerinnen und Schüler an der obligatorischen Schule zwei Fremdsprachen [ … ], im Gegensatz zu vielen anderen Ländern, wo dies einer gymnasialen Elite vorbehalten bleibt “ (Egli Cuenat et al. 2018: 112; vgl. auch Marx 2016). 3.1.1 Sprachenpolitik in den verschiedenen Landesteilen Im Jahre 2004 verabschiedet die Schweizerische Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektorinnen und Erziehungsdirektoren die Vorlage „ Strategie und Arbeitsprogramm zum Sprachenunterricht “ (EDK 2004), um den Sprachenunterricht auf nationaler Ebene weiterzuentwickeln. Diese sieht vor, dass alle Schülerinnen und Schüler der „ Volksschulstufe Kompetenzen in mindestens einer zweiten Landessprache [und] Kompetenzen der englischen Sprache [entwickeln] “ (ebd.: 2). Neben Englisch als Lingua franca soll in allen Schweizer Kantonen mindestens eine zweite Landessprache unterrichtet werden, weshalb das Schweizer Parlament eine Sprachenstrategie verabschiedet, die diese Zielsetzung berücksichtigt. Begründet wird die Sprachenstrategie einerseits mit dem Prinzip der Chancengleichheit, wonach Sprachkenntnisse die Bürger am gesellschaftlichen Leben teilhaben lassen, [und andererseits] mit dem Prinzip der gegenseitigen Verständigung, wonach die individuelle Mehrsprachigkeit und insbesondere die Kompetenzen in einer zweiten Landessprache den Grundstein für die gegenseitige Verständigung in der mehrsprachigen Schweiz und somit für den „ Sprachenfrieden “ darstellen (EDK 2014: 4). In allen Kantonen muss also neben Englisch bereits auf der Primarstufe mindestens eine zweite Landessprache spätestens ab dem dritten resp. fünften Primarschuljahr gelehrt resp. gelernt werden. Die Reihenfolge der beiden Fremdsprachen (Englisch und eine Landessprache) bleibt den Kantonen überlassen, wodurch sich eine Zweiteilung des Gebiets ergibt: Im westlichen und südlichen Teil der Schweiz wird in der dritten Primarschulklasse mit einer Landessprache vor Englisch begonnen, während im östlichen Teil der Schweiz mit Englisch begonnen wird (vgl. Abb. 23): GL OW NW TI ZG UR SZ LU AI SG TG SH ZH BL SO AG BE JU NE GE BS AR Französisch Deutsch Englisch Italienisch Rätoromanisch TI FR-d VS-d BE-f BE-d VS VS-f FR FR-f GR-rr GR-rr GR-rr VD GR-i GR-i GR-i GR-d GR FL Abb. 23: Erste obligatorische Fremdsprache in den Kantonen 22 (EDK 2020). 23 Die Vorverlegung des Fremdsprachenunterrichts „ erklärt sich nicht allein aus lernpsychologischen Überlegungen, sondern steht auch in Zusammenhang mit sprachenpolitischen Zielsetzungen des Europarats zur verstärkten Förderung 22 Die Kantone werden als Kürzel angegeben: SO = Solothurn, ZH = Zürich, GE = Genf etc. 23 Legende zur Abb. 23: Mit der Landessprache Französisch als erste Fremdsprache beginnen das italienischsprachige Tessin (auf der Abb. 23 TI) und die sechs Deutschschweizer Kantone entlang der deutsch-französischen Sprachgrenze, die sogenannte Passepartout-Region (Basel-Landschaft (BL), Basel-Stadt (BS), Solothurn (SO), und die deutschsprachigen Teile der Kantone Bern (BE), Fribourg (FR) und Wallis (VS)). Die Kantone der französischsprachigen Schweiz (Genf (GE), Jura (JU), Neuenburg (NE), Waadt (VD) und die französischsprachigen Teile der Kantone Bern (BE), Fribourg (FR), Wallis (VS)) beginnen ebenfalls mit einer Landessprache, nämlich mit Deutsch. Auch der dreisprachige Kanton Graubünden (GR) beginnt mit einer Landessprache, die je nach Region Italienisch, Rätoromanisch oder Deutsch sein kann. Mit Englisch beginnen die vierzehn restlichen Deutschschweizer Kantone (Aargau (AG), Appenzell Innerrhoden (AI), Appenzell Ausserrhoden (AR), Glarus (GL), Luzern (LU), Nidwalden (NW), Obwalden (OW), St. Gallen (SG), Schaffhausen (SH), Schwyz (SZ), Thurgau (TG), Uri (UR), Zug (ZG) und Zürich (ZH)). 92 3 Fremdsprachenunterricht in der Schweiz ab 2011 der Mehrsprachigkeit aller Bürger “ (Fäcke 2017: 105). Die sprachenpolitischen Zielsetzungen Europas können für den vielsprachigen Schweizer Kontext übernommen werden: Das Bundesgesetz über die Landessprachen und die Verständigung zwischen den Sprachgemeinschaften beschliesst, die „ Viersprachigkeit als Wesensmerkmal der Schweiz [zu] stärken; den inneren Zusammenhalt des Landes [zu] festigen [und] die individuelle und die institutionelle Mehrsprachigkeit in den Landessprachen [zu] fördern “ (Schweizerische Eidgenossenschaft 2021). Mit dem Beginn des Lernens einer weiteren Landessprache in der Primarschule werden mehr Schülerinnen und Schüler erreicht, als wenn der Unterricht erst auf der Sekundarstufe einsetzt, in der Dispensationen aus dem Fremdsprachenunterricht oft stattgegeben werden, was eine Übersicht zu den Abwahlmöglichkeiten der 2. Landessprache auf der Sekundarstufe I vom März 2023 belegt: In der Westschweiz und den meisten Kantonen an der Sprachgrenze ist es grundsätzlich nicht möglich, Deutsch respektive Französisch auf der Sekundastufe I abzuwählen, beispielsweise im Rahmen eines Wahlpflichtfachs. In den Zentral- und Ostschweizer Kantonen hingegen ist es in der Regel in den tieferen Leistungszügen möglich, Französisch im letzten oder den beiden letzten Jahren der obligatorischen Schule abzuwählen (Jahr 10 und 11). In zwei Kantonen ist Französisch für Schülerinnen und Schüler der tieferen Leistungszügen für alle drei Jahre der Sekundarstufe I nur Wahlpflicht- oder Wahlfach (EDK 2023: 1). Es zeigt sich also, dass in denjenigen Kantonen, in denen die zweite Landessprache als erste Fremdsprache ab der dritten Primarschulklasse gelehrt und gelernt wird, Dispensationen auf der Sekundarstufe I nicht zulässig sind. Die Kantone, die mit Englisch beginnen, lassen es hingegen zu, dass Französisch auf der Sekundarstufe I abgewählt werden kann. Im Jahre 2010 erscheinen der Plan d ’ Etudes Romand (CDIP 2010) für die französischsprachige Schweiz und der Lehrplan Passepartout in einer Erprobungsfassung (Bertschy et al. 2015) für die Passepartout-Region, die beide 2011 in Kraft treten. 2015 erscheinen der Piano di studio della scuola dell ’ obbligo ticinese für den Kanton Tessin (DECS 2015) und der Lehrplan 21 (D-EDK 2015), der als gemeinsamer Lehrplan für alle Deutschschweizer Kantone entwickelt wird und in den auch der 2010 erschienene Lehrplan der Passepartout-Region integriert wird. Alle aktuell in der Schweiz gültigen Lehrpläne beschreiben Kompetenzziele für die schulischen Fremdsprachen Englisch, Französisch und Italienisch. 24 In 24 Die Kompetenzziele sind vergleichbar mit den in Deutschland geltenden Bildungsstandards für die erste Fremdsprache (Englisch/ Französisch) für den Hauptschulabschluss (KMK 2005: 8). 3 Fremdsprachenunterricht in der Schweiz ab 2011 93 den Schweizer Lehrplänen umfasst die Fremdsprachenkompetenz „ neben sprachlichen auch lernstrategische Kompetenzen und [die sogenannte] Bewusstheit für Sprache und Kulturen “ (Bertschy et al. 2015: 4). Das oberste Ziel des Fremdsprachenunterrichts ist die Erziehung zur funktionalen Mehrsprachigkeit, was in allen in Kraft getretenen Lehrplänen entsprechend festgehalten wird (vgl. ebd.; D-EDK 2015: 73; CDIP 2010: 6; DECS 2015: 113 - 114). Eine solche Verankerung in den Lehrplänen ist unabdingbar, wenn auf institutioneller Ebene ein Konzept umgesetzt werden soll, denn „ erst über eine solche Verankerung in den Lehrplänen lässt sich eine Implementierung [bspw.] mehrsprachigkeitsfördernder Ansätze in die Unterrichtspraxis verwirklichen “ (Martinez 2015: 13). 3.1.2 Grundkompetenzen und funktionale Mehrsprachigkeit In der Sprachenstrategie (EDK 2004) wird festgelegt, dass sich die Kantone „ für den Fremdsprachenunterricht und die Festlegung der Anforderungsniveaus in den Fremdsprachen [ … ] auf den Gemeinsamen europäischen Referenzrahmen für Sprachen (lernen - lehren - beurteilen) des Europarates [stützen] “ (ebd.: 5) müssen und dies sowohl für die Niveaubeschreibungen der Kompetenzen der Lernenden als auch für diejenigen der Lehrenden (vgl. ebd.). Die Anforderungen an die Lernenden werden in den „ Grundkompetenzen für die Fremdsprachen “ (EDK 2011) für das Ende der Grundschule (6. Schuljahr) und das Ende der Sekundarschule (9. Schuljahr) entsprechend nach den Niveaustufen des Sprachkönnens des GER (Europarat 2001) benannt und beschrieben (vgl. Tab. 6): Grundkompetenzen in den beiden schulischen Fremdsprachen Hörverstehen Leseverstehen Teilnahme an Gesprächen Zusammenhängendes Sprechen Schreiben Ende Primarstufe GER A1.2, Perspektive A2.1 GER A1.2 Ende Sekundarstufe I GER A2.2 GER A2.1 Tab. 6: Grundkompetenzen für die Schweizer Volksschule (EDK 2011: 14 - 39) 25 25 Betreffend der angegebenen Niveaustufen wird von der EDK vermerkt, dass der vorverlegte und erneuerte Fremdsprachenunterricht sich zuerst einpendeln müsse, bevor er die höheren Kompetenzziele, die sogenannte „ Perspektive “ anpeilen könne. Man rechne mit ungefähr 10 Jahren bis zum Erreichen der Niveaus der Perspektive (EDK 2011: 14 - 39). 94 3 Fremdsprachenunterricht in der Schweiz ab 2011 Ziel des Fremdsprachenunterrichts an der Volksschule ist die elementare Sprachverwendung (A-Niveau) von zwei Fremdsprachen. Im GER wird das „ Niveau A1 (Breakthrough) [.. … ] als die niedrigste Ebene einer generativen Sprachverwendung angesehen [ … ], [das] Niveau A2 spiegelt das Niveau der Lernzielbestimmungen in Waystage wider “ (Europarat 2001: 42). Die Lehrpläne übernehmen die von der EDK (2011) vorgegebenen Niveaustufen des GER, wobei sie für das Hör- und Leseverstehen, die Teilnahmen an Gesprächen und das zusammenhängende Sprechen das Niveau A2.1 der Perspektive angeben. Für die Nuancierung in A1.1 und A1.2 werden die im Anschluss entwickelten Deskriptoren für Zwischenniveaus berücksichtigt (vgl. D-EDK 2015: 80). Der GER (Europarat 2001) dient nicht nur als Grundlage für das Ausweisen europaweit vergleichbarer Niveaustufen, sondern er wird auch als „ konzeptionelle [ … ] Grundlage [ … ] für eine Erneuerung des Sprachenunterrichts in der Volksschule “ (Bertschy et al. 2015: 2) herangezogen: Damit wird die Erziehung zur funktionalen Mehrsprachigkeit verbindliches, oberstes Ziel des Fremdsprachenunterrichts an der obligatorischen Schule in der Schweiz (vgl. ebd.: 4). Die Bezeichnung „ mehrsprachig “ wird ebenfalls in Anlehnung an den GER definiert, denn mehrsprachig ist man, wenn man „ sich in einer der Situation und Funktion angepassten Weise verständigen [kann] “ (ebd.). 26 Damit einher geht die Forderung nach einer positiven Fehlerkultur im Fremdsprachenunterricht, damit die Fähigkeiten der Lernenden auch wenn sie zu einem bestimmten Zeitpunkt nicht perfekt sind - als Teile einer mehrsprachigen Kompetenz [angesehen werden], die diese bereichern. Daneben ist zu beachten, dass diese partielle Kompetenz, die Teil einer multiplen Kompetenz ist, gleichzeitig auch eine funktionale Kompetenz in Hinblick auf ein bestimmtes, eingeschränktes Ziel darstellt (Europarat 2001: 134). Es gilt also, den Fokus nicht auf den Perfektionsgrad der Sprachbeherrschung, sondern auf die Rolle der Sprache beim Bewältigen von kommunikativen Aufgaben zu richten (vgl. Bertschy et al. 2015: 4). 3.2 Frühes Fremdsprachenlernen Der Beginn des Fremdsprachenunterrichts erfolgt in der Schweiz seit 2012 spätestens ab dem dritten Schuljahr (vgl. EDK 2013: 2). Da die Schweiz insgesamt sechs Primarschuljahre zählt, dauert der Fremdsprachenunterricht 26 Der GER Begleitband (Europarat 2020) wird an dieser Stelle nicht erwähnt, weil er zum Zeitpunkt des Erscheinens des Lehrplans Passepartout (Bertschy et al. 2015) noch nicht publiziert ist. 3 Fremdsprachenunterricht in der Schweiz ab 2011 95 auf Primarstufe vier Jahre, nämlich von der dritten bis zur sechsten Klasse. Die Schülerinnen und Schüler verfügen am Ende des vierjährigen Grundschulfremdsprachenunterrichts wie auch in anderen europäischen Ländern „ über elementare kommunikative Kompetenzen, besitzen erstes Basisvokabular sowie Strategiewissen in der Fremdsprache “ (Méron-Minuth/ Kolb 2012: 269). Allerdings unterscheidet sich der Unterricht in Frühfranzösisch in der Schweiz in verschiedener Hinsicht von demjenigen anderer Länder: Anders als man meinen könnte, lernen die Schülerinnen und Schüler in der Primarstufe noch sehr selten „ die Fremdsprache [ … ] im immersiv angelegten Kontext “ (ebd.: 269), und dies trotz der geographischen Nähe zur entsprechenden Fremdsprache innerhalb der Landesgrenze. Ausnahmen bilden der französischsprachige Kanton Neuenburg und verschiedene zweiresp. dreisprachige Kantone (vgl. EDK 2022). Grundsätzlich sind für den Französischunterricht der beiden ersten Lernjahre drei Wochenstunden und für die zwei letzten Jahre der Primarstufe zwei Wochenstunden vorgesehen. 27 Obschon im frühfremdsprachlichen Unterricht „ die Betonung [ … ] schwerpunktmäßig auf dem Mündlichen [liegt und] die Schriftsprache [ … ] meist erst später hinzu[kommt] “ (Méron- Minuth/ Kolb 2012: 269), wird in der Schweiz auch dem Lesen eine zentrale Rolle im Fremdsprachenerwerb zugeschrieben und dafür in den aktuell gültigen Lehrplänen per Ende Primarstufe dasselbe Niveau verlangt wie in Sprechen und Hören (vgl. D-EDK 2015: 115 - 132; Bertschy et al. 2015: 6). Die Annahme, dass Kinder Fremdsprachen schneller und besser lernen als Jugendliche oder Erwachsene, konnte mehrfach widerlegt werden (vgl. Pfenninger 2020: 663). Der Altersfaktor kann nicht isoliert betrachtet werden, sondern es müssen mehrere Faktoren in den Blick genommen werden, nämlich „ the sum of an individual ’ s cognitive, neurological, and linguistic development, along with motivational, identificational, attitudinal, and experiential characteristics at the point at which L2 learning begins “ (ebd.). Jüngere Lernende gälten als motivierter (Schlak 2006: 20), zeigten grösseres Interesse (vgl. Marschollek 2004: 145), seien grundsätzlich unvoreingenommen gegenüber einer fremden Sprache und hätten häufig ein hohes Mitteilungsbedürfnis (vgl. Husemann 2017: 39). Allerdings bedinge erfolgreiches frühes Fremdsprachenlernen „ ein stark erhöhtes Maß an Kontaktzeiten, die im schulischen Lernprozess nur sehr begrenzt zur Verfügung stehen “ (Sauer 2004: 25). Schlak (2006) plädiert dafür, die Kontaktstunden mit der Fremdsprache durch bilingualen Unterricht zu erhöhen (ebd.: 22). Im Gegensatz zu älteren Lernenden brauchen Grundschulkinder mehr Zeit, um grammatische Strukturen zu erlernen (vgl. Lightbown/ 27 In der Schweiz spricht man von Wochenlektionen, da eine Schulstunde 45 Minuten lang ist. 96 3 Fremdsprachenunterricht in der Schweiz ab 2011 Spada 2006: 72). Dies sei alters- und entwicklungsbedingt, da sie im Allgemeinen noch über wenig(er) Erfahrungen mit dem Lernen verfügten und ihre kognitiv-analytischen Fähigkeiten noch weniger ausgeprägt seien (vgl. Thaler 2012: 53). Nach Piagets Modell der Entwicklungsstufen befinden sich die Primarschülerinnen und -schüler am Übergang von der konkret-operationalen zur formal-operationalen Phase (Piaget/ Inhelder 1966: 98 - 100). Es ist deshalb gut nachvollziehbar, dass „ bisherige Lehrpläne [ … ] immer von einem spielerischen, kindgemäßen Lernen in der Grundschule und einem regelgeleiteten, von abstrakten Inhalten geprägten Lernen in der Sekundarstufe aus[gingen] “ (Burwitz-Melzer/ Quetz 2005: 384) und darauf basierten, dass sich „ die Gewichtung des Erwerbs von implizitem und explizitem Wissen [ … ] im Verlauf des Heranwachsens [verschiebt] “ (Hutterli et al. 2008: 75). Allerdings erschweren es „ die heterogenen Dispositionen und die oft stark unterschiedlichen Lerngeschichten der Kinder [ … ], von einem homogenen lernpsychologischen Stand in Klassen auszugehen “ (Burwitz-Melzer/ Quetz 2005: 385) und es erscheint ratsamer, „ zwar generell einen „ altersgemäßen “ Entwicklungsstand anzunehmen und Lerninhalte dementsprechend auszusuchen, dabei aber ein differenzierendes Vorgehen einzuplanen “ (ebd.: 384). Für den Fremdsprachenunterricht auf der Primarstufe müssen bei den methodischen Überlegungen zur Unterrichtsgestaltung lernpsychologische Faktoren berücksichtigt werden, um adäquate Schwerpunktsetzungen vornehmen zu können. Heutzutage haben die Prinzipien des neokommunikativen Fremdsprachenunterrichts bestimmte Methodiken abgelöst. Beispielsweise hat sich der Fremdsprachenunterricht lange „ mit Puppe, Teddybären und Fingerspielen auf ein Kleinkind-Niveau begeben und versucht, Schülerinnen und Schüler mit einer Methodik und mit Materialien zu motivieren, die eher für viel jüngere Muttersprachler beim Erstspracherwerb passend sind “ (Burwitz-Melzer/ Quetz 2005: 385). Es ist empirisch belegt, dass auch junge Schülerinnen und Schüler kognitiv gefordert werden wollen und sich entsprechend anspruchsvolle Methoden wünschen (Marschollek 2004: 159). Ist der frühe Fremdsprachenunterricht handlungsorientiert, so wird „ das Benutzen der neuen Sprache [ … ] in konkrete handlungsbezogene Situationen eingebunden. Dies bedeutet vor allem die lebensnahe Umsetzung in authentischem Rahmen “ (Fäcke 2017: 110). Selbstverständlich kann das frühe Fremdsprachenlernen durch spielerische Formen, durch musische und kreative Elemente und durch Bewegung unterstützt werden (vgl. ebd.: 110 - 112), doch diese Aktivitäten müssten an eine erkennbare Funktion gekoppelt sein, um nicht langweilig für die Kinder zu werden (vgl. Marschollek 2004: 159). Es sollte zudem ein konsequenter focus on meaning erfolgen, was sich in der Ausgestaltung der Progression zeigt, die im Gegensatz zu höheren Schulstufen nicht von der 3 Fremdsprachenunterricht in der Schweiz ab 2011 97 Grammatik, sondern von den behandelten Inhalten und den damit verbundenen Kommunikationsabsichten gesteuert werden müsste (vgl. Grossenbacher et al. 2012a: 48). Ein immer wieder verwendeter Begriff in Zusammenhang mit dem frühen Fremdsprachenlernen oder auch mit dem neokommunikativen Fremdsprachenunterricht und der Aufgabenorientierung ist die Ganzheitlichkeit (vgl. Fäcke 2017: 111; Husemann 2017: 39; Krüger 2004: 99; Reinfried 2017: 74; Caspari 2006: 39). Ein ganzheitliches Kompetenzmodell für Fremdsprachen umfasst Aspekte der Selbstkompetenz, d. h. „ den Willen und die Bereitschaft, sich für die fremde Sprache zu interessieren, sie aufzunehmen und sich in ihr auszuprobieren “ (Krüger 2004: 99), die Sozialkompetenz, d. h. „ die Offenheit gegenüber Menschen, die einer anderen Kultur angehören und eine andere Sprache sprechen “ (ebd.), die Methodenkompetenz, d. h. „ den Einsatz grundschultypischer Lernstrategien “ (ebd.) und die Sachkompetenz, d. h. „ die Entwicklung der kommunikativen Fertigkeiten “ (ebd.). Wenn in Bezug auf die Sachkompetenz eine ganzheitliche Betrachtung der Sprache im Vordergrund steht, bedeutet dies, dass die Fremdsprache „ nicht in ihre Einzelteile zerlegt [wird], genauso wenig der Sprachlernprozess. [ … ] Die sprachlichen Einheiten werden nicht durch eine grammatische Analyse segmentiert, sondern als Ganzes erlernt “ (Fäcke 2017: 111). Dass solche sprachlichen Einheiten, die als Ganzes erlernt und gespeichert werden, für den Lernprozess hilfreich sind, ist über alle Alters- und Schulstufen hinweg belegt: „ Es hilft sehr, wenn Fremdsprachenlernende einzelne Ausdrücke oder Wortkombinationen, sogenannte chunks 28 , als Einheiten speichern, die sich schneller abrufen lassen als die einzelnen Elemente einer solchen Äußerung “ (Doff/ Klippel 2007: 96). Insbesondere zu Beginn des Fremdsprachenerwerbs verfügen die Lernenden noch über zu wenig kognitiven Verarbeitungsraum, um erlernte Regeln in echten kommunikativen Situationen anwenden zu können (vgl. Westhoff 2007: 15). Formelhafte Sequenzen spielen deshalb im frühen Fremdsprachenerwerb eine bedeutende Rolle (vgl. Dauster 2006: 218). Für den frühen Fremdsprachenunterricht bedeutet dies, dass Grammatikregeln möglichst sparsam vermittelt werden und dabei der Fokus auf das Anbieten von Faustregeln gelegt wird. Dies sind, [Regeln,] die sehr wenig Denkschritte verlangen, eine breite Anwendung haben, fast ohne Ausnahmen sind, starke Bedeutungsimplikationen haben, oft benutzt werden 28 In der vorliegenden Untersuchung wird für chunks von folgender Definition ausgegangen: „ Als chunks werden unanalysierte Kombinationen bezeichnet, die zwar aus mehreren Wörtern bestehen, aber als eine einzige Einheit erfahren und gelernt werden, so als wären sie ein einzelnes Wort “ (Westhoff 2007: 15). 98 3 Fremdsprachenunterricht in der Schweiz ab 2011 können, durch ihre Erscheinungsform auffallen und viele Übereinstimmungen mit der Muttersprache haben (Westhoff 2007: 19). Ausserdem müssen chunks vermittelt und eingeübt werden, vorzugsweise mit „ Aufgaben, die in den Anfangsphasen Lernenden vor allem dabei helfen ein inhaltliches Repertoire aufzubauen und die zu Lernaktivitäten führen, in denen korrektives Feedback funktionell ist “ (ebd.: 21). Diese Verlagerung zu einem inhaltlichen Repertoire bedeutet nicht, dass die Grammatik im frühen Fremdsprachenunterricht ausgeblendet werden soll, sondern vielmehr, dass „ Fragen der Kinder zu sprachlichen Strukturen und Phänomenen beantwortet werden müssen - und zwar so, dass sie die Antworten verstehen können [und dass] Hypothesen, die sich Kinder über Sprache bilden, bestätigt oder behutsam korrigiert werden müssen “ (Burwitz-Melzer/ Quetz 2005: 386). Der Gemeinsame Europäische Referenzrahmen für Sprachen (Europarat 2001) legt die Anforderungen für die Sprachniveaus fest und der GER Begleitband (Europarat 2020) ergänzt die Skalen um Kann-Beschreibungen für das „ Kompetenzniveau auf halbem Weg zu A1 “ (ebd.: 27), dem sogenannten „ Vor-A1- Niveau “ . Es wird davon ausgegangen, dass der Fremdsprachenunterricht in der Grundschule, zumindest in den beiden ersten Lernjahren, noch vor dem Niveau A1 (Breakthrough) anzusetzen ist (vgl. Legutke 2003: 128). Die Fixierung von Könnensprofilen für den frühen Fremdsprachenunterricht ist jedoch mit dem Erscheinen des GER Begleitbands (Europarat 2020) noch nicht abgeschlossen, da sich der Referenzrahmen in erster Linie an erwachsene Lerner einer Fremdsprache richtet. Das lässt sich nicht nur aus den vier Lebensbereichen (bzw. Domänen) ableiten, die der Referenzrahmen als Grundlage für den Kontext von Sprachverwendung nennt (nämlich der private, öffentliche und berufliche Bereich sowie der Bildungsbereich), sondern lässt sich auf der Ebene der einzelnen Kann-Beschreibungen zeigen (Schlüter 2004: 120 - 121). Für adäquate Könnensprofile braucht es einerseits Kann-Beschreibungen, die das erwartbare Sprachniveau widerspiegeln, und andererseits muss eine Passung zwischen den Deskriptoren und dem Zielpublikum, also den jungen Lernenden gegeben sein. Die Lebensbereiche von Grundschulkindern unterscheiden sich von denjenigen erwachsener Lernenden. Die von Schlüter (ebd.) entworfenen und empirisch gestützten Könnensprofile zeigen, dass die Deskriptoren des GER (Europarat 2001) und des GER Begleitbands (Europarat 2020) zumindest für den Bereich der mündlichen Produktion und der Interaktion noch optimiert werden können. Er schlägt für die mündliche Produktion „ eine Unterscheidung in ‚ reproduktives ‘ und ‚ produktives ‘ Sprechen “ (Schlüter 2004: 123) vor, die von Mitsprechen über Nachsprechen oder dem Sprechen auf (bildliche) Impulse hin zum gelenkten Sprechen und schliesslich 3 Fremdsprachenunterricht in der Schweiz ab 2011 99 zum freien Sprechen führt (vgl. ebd.: 123 - 124). In Bezug auf die Länge der Sprachäusserungen regt er an, zwischen Einzelwörtern, Wortgruppen sowie kürzeren oder längeren Sprechsequenzen zu unterscheiden (vgl. ebd.: 124). Während im GER Begleitband die Unterscheidung der Länge der Sprachäusserungen auszumachen ist, fehlen bislang Deskriptoren zum reproduktiven Sprechen (vgl. Europarat 2020: 75 - 80). Für die Interaktionsstrategien sind keine Deskriptoren auf den Vor-A1-Niveaus und nur vereinzelt auf den A1- Niveaus vorzufinden (vgl. ebd.: 109 - 111), obschon auch für diese Niveaustufen Kann-Beschreibungen formuliert werden könnten (vgl. Lovey 2022: 159 - 160). 3.3 „Mille feuilles“ In den nachfolgenden Kapiteln wird das Französischlehrwerk „ Mille feuilles “ (Ganguillet et al. 2014a) kurz dargestellt und es werden ausgewählte Kritikpunkte diskutiert. Die Aufgaben zum interaktiven Sprechen, die für die vorliegende Studie verwendet werden, sind in Kap. 4.2.2 näher beschrieben. Das Lehrwerk wird in den Jahren 2006 bis 2014 für die Kantone der Passepartout-Region (BE, BL, BS, FR, SO, VS) von der Schulverlag plus AG für den Französischunterricht ab der 3. Primarschulklasse entwickelt und wird seither laufend weiterentwickelt (vgl. Cavelti et al. 2020). Mit beteiligt an der Entwicklung ist auch die Pädagogische Hochschule FHNW. Ab dem Schuljahr 2011/ 12 wird das Lehrwerk rollend ab der 3. Klasse (8 - 9-jährige Lernende) eingeführt, so dass „ Mille feuilles “ (Ganguillet et al. 2014a) seit 2014/ 15 in den Kantonen der Passepartout-Region von der 3. bis zur 6. Klasse (11 - 12-jährige Lernende) verwendet wird. Zuvor wurden die Lehr- und Lernmaterialien jahrgangsweise erprobt. In den nachfolgenden Kapiteln erfolgt eine Beschreibung des Lehrwerks nach den drei Ebenen des Methodenmodells von Reinfried (2001: 3) (vgl. Tab. 7): Makroebene Bezüge zur • Sprachtheorie • Lernpsychologie Mesoebene Entscheidungen über • Lernziele und Inhalte • Rolle der Lehrenden und Lernenden Mikroebene Festlegung von • Interaktionsmustern • Übungsformen Tab. 7: Methodenmodell nach Reinfried (2001: 3) 100 3 Fremdsprachenunterricht in der Schweiz ab 2011 3.3.1 Makroebene Zunächst werden die Sprachtheorie und Lernpsychologie beleuchtet, die dem Lehrwerk „ Mille feuilles “ (Ganguillet et al. 2014a) zugrunde liegen. Das Lehrwerk setzt die Vorgaben des Lehrplans Passepartout (Bertschy et al. 2015) um, ist kompetenzorientiert und trägt der Mehrsprachigkeitsdidaktik Rechnung (vgl. ebd.: 4 - 5). Der Lehrplan Passepartout (ebd.) legt ausserdem ein bestimmtes Lernverständnis fest, denn die „ Leitidee 3 “ wird mit „ Sprachenlernen ist aktives Konstruieren “ betitelt und enthält folgendes Gedankengut: Sprachenlernen wird wie jedes Lernen als ein Prozess verstanden, bei dem Wissen und Erkenntnisse individuell und selbst konstruiert werden. [ … ] Der Wissenserwerb ist abhängig von Vorwissen, Wahrnehmung, Handlungszusammenhang, persönlicher Bereitschaft und Motivation. [ … ] Da Wissen selbstorganisierend ist, kann Wissenserwerb nicht vorbestimmt und festgelegt, sondern nur gelenkt werden. Lehrpersonen sind deshalb nicht hauptsächlich Wissensvermittler/ innen, sondern sie schaffen Lernbedingungen und Lernangebote, stellen Wissensquellen bereit, beobachten Lernprozesse und stehen als Lernprozessberater/ innen zur Verfügung (ebd.: 4). Das Lehrwerk „ Mille feuilles “ (Ganguillet et al. 2014a) beruht wie der Lehrplan Passepartout (Bertschy et al. 2015) auf einem konstruktivistischen Lernverständnis. Grundlegend für das konstruktivistische Lernverständnis in der Fremdsprachendidaktik ist wie auch in der allgemeinen Didaktik die Vorstellung, dass alles Wissen konstruiert ist, [ … ] dass Lernen ein Akt der (Ko-) Konstruktion in Gemeinschaften ist, dass Lehrer das Lernen nicht erzeugen, sondern nur anregen können, und dass ein Beurteilen von Lernergebnissen auf der Basis von Richtig/ Falsch-Unterscheidungen inadäquat ist (Terhart 2019: 163). Das Entwicklungsteam verwendet für „ Mille feuilles “ (Ganguillet et al. 2014a) die Bezeichnung „ Lehr- und Lernmaterialien “ anstelle von „ Lehrwerk “ , was mit der Ausrichtung der Materialien auf das konstruktivistische Lernverständnis einhergeht (vgl. Grossenbacher et al. 2012a). Die Weiterentwicklung des Begriffs „ vom Lehrbuch über das Lehrwerk zu Lehr-/ Lernmaterialien steht v. a. für fachdidaktische Paradigmenwechsel “ (Funk 2016: 436). Während traditionell „ von Lehrmaterial gesprochen [wird, gerät] mit der Wende zur Lernerorientierung [ … ] der Blick auf die Lernenden stärker in den Vordergrund “ (Rösler 2016: 471). Im vorliegenden Beispiel suggeriert die Bezeichnung „ einen Paradigmenwechsel von der vermittelnden, belehrenden zur konstruktivistischen Position “ (Heitzmann/ Niggli 2010: 15, vgl. auch Meißner/ Senger 2001). Lehrmaterialien werden zu Lernmaterialien, wenn die Einsicht vertreten wird, „ dass Wissen eben nicht durch Instruktion übertragen werden kann, sondern vom Einzelnen selbst entdeckt und intern aufgebaut werden muß “ 3 Fremdsprachenunterricht in der Schweiz ab 2011 101 (Bleyhl 1999: 28). Allerdings wird bei „ Mille feuilles “ (Ganguillet et al. 2014a) die vermittelnde Perspektive des „ Lehrens “ in der Doppelbezeichnung beibehalten. Insofern richten sich die Lehr- und Lernmaterialien „ weder ausschliesslich an die Lernenden noch an die Lehrenden, sondern an die Lerngemeinschaft im Klassenzimmer “ (Gautschi 2010: 135). Für die Entwicklung der Lehr- und Lernmaterialien fungiert Dieter Wolff als wissenschaftlicher Berater, der mit seinem Werk „ Fremdsprachenlernen als Konstruktion “ (Wolff 2002) wegweisend für ein konstruktivistisches Bemühen von Fremdsprachenlehrenden und -lernenden ist und bereits 1994 für eine konstruktivistisch geprägte Fremdsprachendidaktik plädiert, die den bisher praktizierten Instruktivismus ablösen solle (Wolff 1994: 407). Nach der radikalkonstruktivistischen Erkenntnistheorie ist ein Fremdsprachenlernen, das sich an etwas anderem als an der eigenen Progression orientiert, nicht vorstellbar (vgl. Wendt 1996: 17 - 18), weshalb in dieser Strömung ein Fremdsprachenlernen mit einem Lehrwerk gar nicht denkbar wäre. Wolff (2002), der seine eigenen Überlegungen aus den 1990er Jahren als „ zu stark auf den philosophischen Erkenntnissen des radikalen Konstruktivismus “ (ebd.: 91) einschätzt, verwendet später einen Konstruktionsbegriff, der „ sehr viel allgemeiner als der des sogenannten radikalen Konstruktivismus [ist] “ (ebd.: V). 29 „ Mille feuilles “ (Ganguillet et al. 2014a) zeichnet sich dadurch aus, dass den Lernenden eine reiche Lernumgebung, d. h. ein breites Wahlangebot in Bezug auf Textsorte, Thema oder Medium zur Verfügung steht und authentische Texte verwendet werden. Dies soll den Lernenden ermöglichen, „ sich ihren individuellen Ressourcen und Kompetenzen entsprechend aktiv in den Lernprozess einzubringen, diesen mitzugestalten und vielseitige Vernetzungen vorzunehmen “ (Sauer/ Wolff 2018: 34). Ausserdem können die Lernwege vom Input bis zur tâche je nach Schülerin oder Schüler unterschiedlich sein, womit dem Prinzip der Lernendenorientierung Rechnung getragen wird (vgl. Grossenbacher et al. 2012a). Die Kunst des Lehrens hat im Radikalen Konstruktivismus „ wenig mit der Übertragung von Wissen zu tun, [sondern] ihr grundlegendes Ziel muss darin bestehen, die Kunst des Lernens auszubilden “ (Von Glasersfeld 2000: 231). Diese Lernendenorientierung sei aber laut Reinfried (vgl. Bleyhl/ Leupold/ Reinfried 2002) nicht spezifisch konstruktivistisch, sondern es handle sich dabei wie bei anderen methodischen Prinzipien der Neokommunikativen Phase (Handlungsorientierung, explizite Vermittlung 29 Entsprechend äussert er sich in den 1990er Jahren kritisch gegenüber dem Einsatz von Lehrwerken im Fremdsprachenunterricht (vgl. Wolff 1994), während er ab 2006 als wissenschaftlicher Berater bei der Entwicklung des in der vorliegenden Studie untersuchten Lehrwerks (Ganguillet et al. 2014a) mitwirkt. 102 3 Fremdsprachenunterricht in der Schweiz ab 2011 von Lernstrategien und Lerntechniken, Sprachbewusstheit oder interkulturelle Bewusstheit, Ganzheitlichkeit oder Einsatz authentischer Materialien) um typische Arbeitsverfahren der neunziger Jahre (vgl. ebd. 507 - 508). In der Tat schafft das konstruktivistische Lernverständnis eine theoretische Grundlage für Ansätze offenen Unterrichts, die schon seit der Reformpädagogik der 1920er Jahre bekannt sind und die eine Pädagogik vom Kinde her vertreten (vgl. Eberhard 1908). Die Ansätze orientieren sich „ sehr stark an alten und neuen reformpädagogischen Modellen (Erfahrungslernen, entdeckendes Lernen, fächerübergreifendes Lernen, Förderung der Selbsttätigkeit, Lernen des Lernens etc.) “ (Terhart 2019: 165). Dass beim Konstruktivismus solche Anleihen auszumachen sind und damit alte Methoden in neuem Gewand präsentiert würden, führt zu Kritik: Bei genauerem Hinsehen wird zwar sehr schnell deutlich, dass das angepriesene Methodeninventar in vielen Fällen altbekannt und altbewährt ist (auch wenn die Terminologie bisweilen ungewohnte Anleihen in der Biologie bzw. Evolutionstheorie macht), doch schmälert dies nicht den Glanz des Neuen, den der pädagogische Konstruktivismus für sich in Anspruch nimmt (Pongratz 2005: 40 - 41). Reinfried kritisiert auch (vgl. Bleyhl/ Leupold/ Reinfried: 508), dass „ viele Radikale Konstruktivisten glauben, dass sogar die Sinneswahrnehmung [ … ] nur subjektive Annahmen von der Wirklichkeit ermöglicht “ (ebd.). Auf der theoretischen Ebene artikuliert sich die konstruktivistische Didaktik in der Tat in einer radikalen Form, bei den Überlegungen zur Unterrichtsgestaltung wird jedoch eine gemässigtere Position vertreten (vgl. Terhart 2019: 165). Aus den Überlegungen zur nicht objektiven Interpretierbarkeit der Welt leitet Wolff (2000) ab, dass Lernen „ nur dann erfolgreich [sei], wenn der Lernende es selbständig zu organisieren in der Lage ist und wenn er die Verantwortung für das eigene Lernen übernimmt “ (ebd.: 98). Demnach gelingen Lernprozesse nur, „ wenn die Lernenden bereit sind, das eigene Lernen verantwortlich in die Hand zu nehmen “ (Sauer/ Wolff 2018: 30). In „ Mille feuilles “ (Ganguillet et al. 2014a) arbeiten die Lernenden deshalb häufig zu zweit oder in Gruppen und helfen sich dabei gegenseitig, sie erarbeiten selbständig Wissen und machen dieses den anderen in Form von Präsentationen zugänglich, sie unterstützen sich mit gezielten Korrekturen und sie werden wiederholt angeleitet, über ihr Lernen nachzudenken und Schlüsse für das weitere Lernen zu ziehen (vgl. Sauer/ Wolff 2018: 42). Ausserdem tragen die Lehr- und Lernmaterialien der subjektiven Interpretierbarkeit der Welt Rechnung, indem sie „ nicht auf einen fiktiven ‚ Durchschnittsschüler ‘ ausgerichtet sind, sondern durch ihre Offenheit einen grossen Gestaltungsfreiraum bieten. Dies ermöglicht den Lernenden, sich entsprechend ihrer Kompetenzen und Ressourcen in den Lernprozess einzubrin- 3 Fremdsprachenunterricht in der Schweiz ab 2011 103 gen “ (ebd: 40). Gemässigte konstruktivistische Lernumgebungen sind „ keine einheitliche Gruppe von Lehr-Lernarrangements mit einem fest definierten Pool an Methoden und Techniken “ (Reinmann-Rothmeier/ Mandl 1999: 61); es gibt lediglich bestimmte Vorgehensweisen und unterrichtliche Arrangements, die aus konstruktivistischer Perspektive günstiger und andere, die weniger geeignet erscheinen (vgl. Wendt 1996: 11). Als günstig gelten so genannt „ problemorientierte Lernumgebungen “ (Reinmann-Rothmeier/ Mandl 1999: 61), anhand derer die Schülerinnen und Schüler lernen können, autonom(er) zu arbeiten. Ausserdem gelten auch „ die meisten handlungsorientierten Unterrichtsformen “ (Wendt 1996: 11) als zielführend. In „ Mille feuilles “ (Ganguillet et al. 2014a) ist die problemorientierte Lernumgebung im Rahmen der Lerneinheiten durch die Ausrichtung auf die tâche gegeben. Auch die activités bilden komplexe Einheiten, innerhalb derer die Schülerinnen und Schüler spezifische sprachliche Probleme lösen. Die damit umgesetzte Aufgabenorientierung entspricht einer handlungsorientierten Unterrichtsform. Es werden ausserdem folgende konstruktivistische Prinzipien verwirklicht: das aktivkonstruierende Lernen (beispielsweise beim Entschlüsseln authentischer Inputtexte), das kontextualisierte Lernen (z. B. beim Einüben bestimmter sprachlicher Phänomene in multiplen Kontexten) und das soziale Lernen (soziale Lernarrangements) (vgl. auch Reinmann-Rothmeier/ Mandl 1999: 61 - 62). Versteht man Lernen als Konstruktion, so gilt auch die sprachliche Verarbeitung „ sowohl in ihrer rezeptiven als auch in ihrer produktiven Form als ein[ … ] komplexe[r] Konstruktionsprozess [ … ], der der Förderung bedarf “ (Wolff 2002: V). Die Lernendensprache wird aus konstruktivistischer Perspektive als eine „ Wirklichkeitskonstruktion “ vom lernenden Individuum beschrieben (vgl. Wendt 1996: 85). Beim Sprechen im Fremdsprachenunterricht soll Bedeutung konstruiert werden, was „ beim Sprechen über Texte, beim Betrachten mehr oder weniger eindeutiger Bilder, warum nicht auch beim Anhören von Musik oder in fremdsprachlichen Diskussionen über zu klärende Sachverhalte geschehen [kann] “ (Wendt 1996: 78). Die Kompetenz des interaktiven Sprechens wird nach konstruktivistischem Lernverständnis dann optimal gefördert, wenn die Aufgaben sinnvoll, d. h. voller Sinn, sind. Dies „ sind Aufgaben, bei denen die Lernenden sich selbst sind und etwas mitteilen “ (ebd.: 77). Ausserdem gelten Interaktionen zwischen Lernenden als zielführender, da davon ausgegangen wird, dass formbezogene Aushandlungs- und Lösungsinteraktionen möglicherweise in der Kooperation zwischen Lernern als kollaborativen Partnern mit mehr Erfolg und effektiver stattfinden als zwischen Lehrer und Lerner(n), weil sich hier eine andersgeartete Kommunikations- und Lernstruktur unter Gleichgestellten aufbaut (Vollmer 2000: 261). 104 3 Fremdsprachenunterricht in der Schweiz ab 2011 Nach dem konstruktivistischen Lernverständnis wird Wissen im Sinne des trial and error-Lernens erworben. Im Fremdsprachenunterricht dienen anstelle der Lebenswelt Lehrer, Lehrwerk und ggf. Mitlernende der notwendigen ständigen Viabilitätskontrolle. Somit scheint es möglich, das Fremdsprachenlernen als kreativ-konstruktive Weiterentwicklung einer individuellen interlanguage unter ständiger Rückversicherung am Lernumfeld anzusehen (Wendt 1996: 16). In „ Mille feuilles “ (Ganguillet et al. 2014a) ist die Rückversicherung am Lernumfeld zunächst durch viel Paarresp. Kleingruppenarbeit mit Feedback durch die Lernenden gegeben. Ferner erfolgt die Rückversicherung auch durch die Lehrperson, die je nach Übungsphase zwischen den Rollen als Lerncoach, Wissensquelle, Beraterin oder Berater wechselt. Instruktion ist im gemässigten konstruktivistischen Lernverständnis also nicht verboten, doch es muss dafür gesorgt sein, dass damit individuelle Lernprozesse ausgelöst werden: Bleyhl (Bleyhl et al. 2002) erklärt, dass „ wenn die Konstruktion nicht im Kopf des einzelnen Schülers vor sich geht, [ … ] die ganze Instruktion nichts [nütze], weil sie überhaupt nicht ankommt “ (ebd.: 513). Seit seiner Einführung wird „ Mille feuilles “ (Ganguillet et al. 2014a) in den Medien heftig in Frage gestellt. In der Neuen Zürcher Zeitung postuliert ein Journalist, dass Kinder, die mit „ Mille feuilles “ Französisch lernten, „ nicht in der Lage [seien], eine Pizza zu bestellen oder regelmässige Verben zu konjugieren “ (Gerny 2016). In einem der Kantone der Passepartout-Region stimmt das Parlament 2018 der nichtformulierten Volksinitiative „ Stopp dem Verheizen von Schüler/ -innen: Ausstieg aus dem gescheiterten Passepartout-Fremdsprachenprojekt “ (Bildungs-, Kultur und Sportdirektion Basel-Landschaft 2018) zu und der Kanton steigt 2019 nach einer Volksabstimmung aus dem „ Passepartout “ -Projekt aus. Die Kritik am Lehrwerk hängt vermutlich mit den gegensätzlichen „ gesellschaftliche[n] Leitvorstellungen zu Schule und Schulfach [zusammen] “ (Neuner 1994a: 11), wobei die grösste Diskrepanz zwischen den gesellschaftlichen Leitvorstellungen und denjenigen des Lehrwerkentwicklungsteams das konstruktivistische Lernverständnis darstellen dürfte. Wird ein neues Lehrwerk eingeführt, das einen Paradigmenwechsel herbeiführen soll, so sind in erster Linie die Jugendlichen resp. die Kinder und ihre Lehrpersonen betroffen, aber auch die Eltern, Fachleute, Schulbehörden, Vorsitzende von Lehrmittelkommissionen, Medienschaffende, Politikerinnen und Politiker und religiöse Gruppierungen (vgl. Bascio/ Hoffmann-Ocon 2010: 20 - 32). Soll ein systemischer Wandel erfolgen, so müssen alle „ Betroffene[n] zu Beteiligten gemacht werden “ (Reinmann-Rothmeier/ Mandl 1999: 68). Dies wird bei der Einführung von „ Mille feuilles “ vermutlich zu wenig berück- 3 Fremdsprachenunterricht in der Schweiz ab 2011 105 sichtigt. Ausserdem fehlt bei der Implementation der Lehr- und Lernmaterialien auch eine fachkundige Begleitung. Im Idealfall werden Lehrende bei der Umsetzung neuer Konzepte von Experten beobachtet [ … ]. Es konnte empirisch nachgewiesen werden, dass die Qualität der Implementation in einem direkten Zusammenhang zur Anzahl durchgeführter Beobachtungen und Feedbacksitzungen steht (ebd.: 67). Diese suboptimalen Bedingungen führen dazu, dass ab Schuljahr 2022/ 23 das Lehrwerk „ Mille feuilles “ (Ganguillet et al. 2014a) nur noch in einem der sechs Kantone der Passepartout-Region als obligatorisches Lehrwerk eingesetzt wird. In den fünf anderen Kantonen gilt ein Wahlpflichtobligatorium, d. h. dass „ Mille feuilles “ (ebd.) zwar noch als Französischlehrwerk gewählt werden darf, dass aber auch alternative Lehrwerke zur Auswahl stehen, die die neueren didaktischen Konzepte weniger resp. gar nicht berücksichtigen. 2020 erscheint eine stark überarbeitete Auflage der Lehr- und Lernmaterialien „ Mille feuilles “ (Cavelti et al. 2020), in der u. a. mehr explizite Grammatik eingebaut ist, der Stoff reduziert wird und die Bereiche „ Sprechen “ und „ Alltagswortschatz “ gestärkt sind (vgl. Raschle 2020: 38 - 39). Damit werden Kritikpunkte eingelöst, die sich wiederholen, seit in Fremdsprachenlehrwerken Paradigmenwechsel umgesetzt werden (vgl. Kap. 2.3): Lerch (1935) beschreibt in der zweiten, gänzlich umgearbeiteten Ausgabe seines Lehrbuchs, dass er den Stoff gekürzt, die Grammatik systematischer aufgebaut und mehr Gewicht auf Sprechen gelegt habe (vgl. Lerch 1935: 4 - 5). Müller (1959) wendet sich im Vorwort zur 6. Auflage seines Lehrbuchs vom innovativen Gedankengut der direkten Methode ab und will vermeiden, „ Bewährtes durch Problematisches zu ersetzen “ (ebd.: 5). Er könne „ sich nicht dazu entschliessen, den Gesamtaufbau des Lehrgangs zu ändern oder den grammatikalischen Stoff wesentlich zu beschneiden “ (ebd.). Ordnet man die Kritik an „ Mille feuilles “ (Ganguillet et al. 2014a) in diesen grösseren historischen Kontext ein, so ist sie nicht sonderlich erstaunlich, denn „ die Praxis des Fremdsprachenunterrichts erweist sich immer wieder als resistent gegenüber offenen Verfahren “ (Fäcke 2017: 60). 3.3.2 Mesoebene Die Mesoebene beinhaltet Lernziele und Inhalte sowie die Rolle der Lehrenden und Lernenden. In den meisten Lehrwerken für Fremdsprachen an der Grundschule nimmt die Förderung der Kompetenz Sprechen eine zentrale Rolle ein, es „ scheint sich jedoch eine Dominanz methodischer Elemente wie Reim und Lied abzuzeichnen, die wohl eher auf imitativ-reaktiven Lehr- und Lernverfahren basieren “ (Vollmuth 2004: 115). „ Mille feuilles “ (Ganguillet et al. 2014a) 106 3 Fremdsprachenunterricht in der Schweiz ab 2011 legt als neokommunikatives und konstruktivistisch ausgerichtetes Lehrwerk den Fokus auf das interaktive Sprechen: Es begrenzt Sprechen nicht auf Vor- und Nachsprechen, sondern bietet Aufgaben zum Sprechen, bei denen die Lernenden von Beginn an eigene und möglichst authentische Redeabsichten verwirklichen sollen. Entsprechend der Vorgaben im Lehrplan (Bertschy et al. 2015) sind die Lehr- und Lernmaterialien kompetenzorientiert. Am Anfang jeder Lerneinheit werden Ziele ausgewiesen, wobei zwischen Kompetenz- und Ressourcenzielen unterschieden wird. Als Kompetenzziele gelten Ziele aus dem Bereich der kommunikativen Kompetenzen (Hören, Sprechen, Lesen, Schreiben), aus dem Bereich der interkulturellen Kompetenzen sowie aus demjenigen der (lern-) strategischen Kompetenzen. Ressourcen wie Wortschatz und Grammatik sind zwar zentrale Bestandteile kommunikativen Handelns, aber in einem kompetenzorientierten Unterricht stehen sie im Dienste der sprachlichen Handlungsfähigkeit und sind dieser somit untergeordnet (Sauer/ Wolff 2018: 57). Ein Kompetenzziel aus dem Bereich des dialogischen Sprechens wäre beispielsweise „ Ich kann mit Mitschülerinnen und Mitschülern mündlich Informationen zu einem Thema austauschen “ , während zudienende Ressourcenziele lauten würden: „ Ich kann meine Gesprächspartnerin oder meinen Gesprächspartner um Wiederholung bitten, wenn ich etwas nicht verstehe “ oder auch „ Ich kann auch Gestik und Mimik einsetzen, um mich auszudrücken “ (vgl. Ganguillet et al. 2014b). In „ Mille feuilles “ (Ganguillet et al. 2014a) wird der Realitätsbezug nicht wie in der Kommunikativen Methode als ein Simulieren eines Sprechakts verstanden, sondern als Unterhaltung über reale Inhalte und Themen. Es wird versucht, der Forderung der Neokommunikativen Phase nachzugehen und aufbauend auf bedeutungsvollen Lernaufgaben [ … ] die Künstlichkeit und „ alltagsunterrichtliche Versteinerung der Sprachhandlungsprozesse “ (Kurtz 2001: 14) häufiger aufzubrechen, die kommunikative Realität der Sprachverwendung in den Fokus zu rücken und den Lernenden [ … ] Gelegenheiten zu einem regelmäßigen, authentischen Gebrauch der Fremdsprache in vielfältigen, inhaltlich relevanten Diskursen zu ermöglichen (Schmidt 2016: 105). Ausgehend von (semi-)authentischen Inputtexten konfrontieren die Sprechaufgaben die Schülerinnen und Schüler mit neuen Informationen, die sie sprachlich verarbeiten müssen. Dabei bleiben sie in ihren Rollen als Lernende und sprechen als sie selbst. Den Lehr- und Lernmaterialien liegt die Einsicht zugrunde, dass 3 Fremdsprachenunterricht in der Schweiz ab 2011 107 in fremdsprachlichen Lehr-/ Lernkontexten nicht nur [wichtig ist], wie wir reden, sondern auch (und vermutlich vor allem), worüber wir reden. Denn nur wenn die Lerner ein Mitteilungsbedürfnis oder zumindest die Bereitschaft entwickeln, sich zu äußern und auszutauschen, wird das Sprechen aus dem Ghetto demotivierender unterrichtlicher Beliebigkeit und Banalität ausbrechen können (Küster 2014: 132). Das heisst für die Lehr- und Lernmaterialien „ Mille feuilles “ (Ganguillet et al. 2014a) aber auch für den Fremdsprachenunterricht im Allgemeinen, dass all jene Situationen, in denen es zu einem echten Meinungs- und Gedankenaustausch, zu realer Information und Interaktion zwischen den Lernenden untereinander oder zwischen Lehrerin oder Lehrer und Klasse kommt, für die Förderung der produktiven Fertigkeiten der Lernenden genutzt werden (Doff/ Klippel 2007: 92). 3.3.3 Mikroebene In „ Mille feuilles “ (Ganguillet et al. 2014a) soll Sprechen „ die Problemlösung realer Sachverhalte zum Gegenstand haben, so dass der écart zwischen der Welt des Klassenzimmers und der Welt außerhalb reduziert wird “ (Leupold 2008: 4). Während in der Kommunikativen Methode die Authentizität in Form eines „ stark ritualisierte[n] Sprachgebrauch[s] beim Fragen nach dem Weg, beim Einkaufen und beim Reservieren von Fahrkarten und Hotelzimmern “ (Bredella 2006: 19) gesehen wird, gelten in einem Neokommunikativen Fremdsprachenunterricht diejenigen Interaktionen als authentisch, die sich im Hier und Jetzt abspielen. Man erhofft sich davon eine grössere Motivation der Schülerinnen und Schüler, als wenn sie Verwendungssituationen [üben], auf die [sie] später einmal stoßen könnte[n], [wobei man] stillschweigend unterstellt, dass das Einüben dieses Sprachgebrauchs für spätere Verwendungssituationen im Hier und Jetzt motivierend sei (ebd.). Durch den lebensweltlichen Bezug der Aufgaben erfolgt also „ eine Abkehr von der Pseudo-Authentizität der Übungen der kommunikativen Didaktik “ (Fäcke 2017: 82). „ Mille feuilles “ (Ganguillet et al. 2014a) basiert auf der Überzeugung, dass sich authentische Kommunikationssituationen dann ergeben, wenn die Lernenden ausgehend von authentischen Inputs „ gemeinsam ein Produkt erstellen und dabei miteinander in der Zielsprache kommunizieren “ (Grossenbacher et al. 2012a: 44). Doch auch wenn für die mündliche Produktion oder Interaktion authentische Texte als Ausgangslage verwendet werden, muss die Authentizität nicht nur bei den Inhalten, sondern auch bei den Aufgabenstellungen gesucht werden. Diese sei nicht per se gegeben, wenn mit authentischen Texten gearbeitet werde (vgl. Rüschoff 1997: 112). Um eine wirkliche Authentizität der Aufgabenstellung oder der Arbeitsform der Lernenden bei der 108 3 Fremdsprachenunterricht in der Schweiz ab 2011 Auseinandersetzung mit authentischen Materialien zu gewährleisten, müssten „ die Lernenden [ … ] die Zielsprache im Kontext einer als authentisch empfundenen Aufgabe mit einem für sie selbst einsehbaren ‚ echten ‘ Ziel [nutzen] “ (ebd. 116). Aus diesen Überzeugungen ergeben sich bestimmte Interaktionsmuster und Übungsformen: In „ Mille feuilles “ (Ganguillet et al. 2014a) sind keine Rollenspiele vorgesehen, sondern Aufgaben, bei denen die Lernenden im Hier und Jetzt als sie selbst sprechen (vgl. Decke-Cornill/ Küster 2016: 123). Dies kann nach dem Prinzip die Aufgabenorientierung in grösseren Zielaufgaben resp. in tâches (vgl. Caspari 2013: 4, in Bechtel 2019: 232; Grossenbacher et al. 2012a: 28) in Form von zusammenhängendem Sprechen erfolgen oder in Einzelaufgaben resp. in activités (vgl. ebd.) als Teilnahme an Gesprächen stattfinden. Wie dies in den Lehr- und Lernmaterialien konkret umgesetzt ist, ist in Kap. 2.3.4 dargestellt. In Bezug auf den Authentizitätsanspruch ist anzumerken, dass auch bei der Bearbeitung authentischer Texte mit authentischen Aufgabenstellungen der totale Authentizitätsanspruch im Fremdsprachenunterricht eine Illusion bleibt, da es grundsätzlich natürlicher resp. authentischer wäre, in der Schulsprache zu kommunizieren. Die Lehrperson sieht sich im fremdsprachlichen Unterricht mit einer mehrfachen Künstlichkeit der Situation konfrontiert: In einem deutschen Klassenzimmer sprechen deutsche Lehrende mit deutschen Lernenden (bzw. zwei deutsche SchülerInnen miteinander) - warum [in der Fremdsprache]? (Thaler 2013: 9). Für die Schülerinnen und Schüler wäre es ebenfalls natürlicher, die Schulsprache zu verwenden als sich in der Fremdsprache auszutauschen: learners will naturally incline to draw on their own language in any situation that calls for uncontrived linguistic communication. So the situations which are to stimulate the use of the language being learned will have to be contrived in some way, and the learners will have to co-operate in maintaining the illusion of reality (Widdowson 1990: 45). Damit es zu einem - mehr oder weniger authentischen - mündlichen Austausch kommen kann, benötigen die Schülerinnen und Schüler bestimmte sprachliche Strukturen. Diese können entweder aus dem aufgebauten Sprachwissen abgerufen oder im Lehrwerk nachgeschlagen werden. Allerdings ist bei den Schülerinnen und Schülern, insbesondere auf der Primarstufe, häufig eine Diskrepanz zwischen ihrer Kommunikationsabsicht und ihrem eingeschränkten Ausdrucksvermögen in der Fremdsprache auszumachen (vgl. Lütge 2014: 151). Um dieser Diskrepanz zu begegnen, werden den Lernenden in „ Mille feuilles “ (Ganguillet et al. 2014a) Sprechbausteine (chunks) zur Verfügung 3 Fremdsprachenunterricht in der Schweiz ab 2011 109 gestellt, die sie für eine gelingende Interaktion nutzen können. Dabei erhofft sich das Entwicklungsteam, dass durch die beständige lexikalisch-idiomatische Arbeit mit Satzeinheiten [ … ] eine lexikalische Routinisierung zur Entlastung der Lerner im Prozess der mündlichen Sprachproduktion [erfolgt] (Lütge 2014: 151). Ein Vortrag an der DGFF-Tagung 2013 über die Förderung der Kompetenz des interaktiven Sprechens in „ Mille feuilles “ (Grossenbacher/ Lovey 2013) bietet Anlass zur Kritik, dass die Materialien zwar „ authentische, motivierende Ausgangstexte, kreative Übungsimpulse und Projektideen [beinhalteten], aber kaum progressional gestufte Impulse für eine Entwicklung der Ausbildung mündlicher Kompetenz [bieten würden] “ (Funk 2014: 42). Es stimmt, dass bei dieser Art von Sprechaufgaben zwar jeweils nur kurze Gespräche in der Zielsprache geführt werden. Doch die Kritik lässt ausser Acht, dass diese im Sinne des spiralzyklischen Prinzips oft wiederholt werden und dabei an Komplexität zunehmen. So dienen sie der Vorbereitung auf das mitteilungsbezogene, improvisierende Sprechen, das im traditionellen lehrwerkgesteuerten Unterricht wenig geschult wird, „ obwohl es für außerschulische Kommunikationssituationen von vorrangiger Bedeutung ist. [ … ] Um es anzubahnen, braucht es Kleinformen, in denen es in einem überschaubaren Anspruchsrahmen schrittweise erprobt und erweitert werden kann “ (Küster 2014: 131 - 132). In „ Mille feuilles “ (Ganguillet et al. 2014a) sind die Sprechaufgaben zu Beginn mit relativ geschlossenen Aufgabenstellungen eng geführt und die benötigten Redemittel sind grösstenteils vorgegeben. Durch einen systematischen Aufbau mit zahlreichen wiederkehrenden, ähnlichen Sprechmomenten entsteht eine progressionale Stufung: Die Autorinnen und Autoren gehen davon aus, dass die Schülerinnen und Schüler je länger desto freier mit dieser Art von Sprechanlässen umgehen und sich schliesslich in der Zielsprache auch ohne vorgegebene Sprechbausteine über neue Inhalte im Fremdsprachenunterricht austauschen können. 110 3 Fremdsprachenunterricht in der Schweiz ab 2011 4 Forschungsdesign 4.1 Empirische Unterrichtsforschung Mit empirischer Unterrichtsforschung können „ wissenschaftliche Erkenntnisse und praktisch handhabbares Wissen [erzeugt werden] “ (Klieme/ Rakoczy 2008: 225), wobei es einer systematischen Beobachtung und Beschreibung der Interaktionsprozesse von Lehrern und Schülern sowie der Analyse ihres Zusammenhangs mit Schülermerkmalen (Lernvoraussetzungen, -strategien und -ergebnissen) und Lehrermerkmalen (z. B. allgemein-pädagogischen und fachdidaktischem Wissen) [bedarf] (ebd.). Empirische Unterrichtsforschung setzt sich also sowohl zum Ziel, einen Beitrag zur Grundlagenforschung als auch zur angewandten Forschung zu leisten, d. h. sie kann entweder stärker von reinem Erkenntnisinteresse geleitet oder auf praxisrelevante, ‚ nützliche ‘ Ergebnisse ausgerichtet sein. Für die empirische Unterrichtsforschung ist „ charakteristisch, dass sie auf der datengeleiteten Untersuchung einer Forschungsfrage beruht “ (Schramm 2016: 49). Durch systematische Erhebung, Auswertung und Interpretation von Daten werden Erkenntnisse gewonnen und damit Aussagen über die Realität gemacht (vgl. Tröhler 2012: 35). Durch die empirische Unterrichtsforschung in natürlicher Umgebung ist im Gegensatz zu einer Untersuchung in einer Laborsituation die Möglichkeit gegeben, „ bei den betroffenen Lehrpersonen wie bei den Lernenden selbst zu beobachten und zu verankern, wie sie mit neuen Einsichten, Anforderungen und Aufgabentypen umgehen, welchen Nutzen sie daraus ziehen und welchen nicht “ (Aguado et al. 2010: 16). Die vorliegende Untersuchung ist auch der empirischen Unterrichtsforschung zuzuordnen. Sie zielt primär auf ein vertieftes Verstehen der Unterrichtspraxis, die sich durch das Bearbeiten bestimmter Aufgabentypen möglicherweise verändert. Damit wird implizit auch das Ziel angestrebt, diese Praxis durch „ praktisch handhabbares Wissen “ zu verändern (vgl. Caspari 2016d: 365). Ich untersuche datengeleitet die übergeordnete Forschungsfrage „ Wie gestaltet sich der Umgang mit der Kompetenz des interaktiven Sprechens im lehrwerkbasierten Fremdsprachenunterricht auf der Primarstufe? “ . Die Sprechaufgaben, die als Grundlage für die beobachteten Interaktionen dienen, entsprechen einem bestimmten Aufgabentyp, der für die Lehrenden und Lernenden zum Zeitpunkt der Datenerhebung noch relativ neu ist. Ziel der Untersuchung ist es, einen vertieften Einblick in die Prozesse zu gewinnen, die beim Bearbeiten komplexer Sprechaufgaben sowohl auf Lernendenals auch auf Lehrpersonenseite in der Realität ablaufen. Die übergeordnete Forschungsfrage bedingt einen direkten Zugang zum Feld und kann nicht in einer Laborsituation beforscht werden. 4.1.1 Qualitative Studie Qualitative Vorgehensweisen sind besonders dann sinnvoll, wenn über einen Gegenstandsbereich noch wenig bekannt ist. In diesem Fall sammelt man zunächst möglichst reichhaltige Daten von einer begrenzten Gruppe von Personen, aus denen sich erste Erkenntnisse zum Forschungsgegenstand entwickeln lassen (vgl. Albert/ Marx 2010: 13). Bei der qualitativen Forschung handelt es sich also um ein induktives Vorgehen (Lamnek 2010: 115). Über die Prozesse, die beim fremdsprachlichen Sprechen in der Interaktion ablaufen, weiss man noch verhältnismässig wenig, weswegen ich in der vorliegenden Untersuchung nach dem qualitativen Forschungsparadigma vorgehe. Für die Studie braucht es eine begrenzte Anzahl an Probandinnen und Probanden (vgl. Albert/ Marx 2010: 13), wobei diese Gruppe von Personen mittels Beobachtungen und Befragungen intensiv untersucht wird. Die Daten werden in der natürlichen Umgebung erhoben und im Anschluss mit verschiedenen Auswertungsverfahren analysiert. Durch die qualitative Analyse der Einzelfälle lassen sich Unterrichtssequenzen beschreiben, wie sie in der Praxis tatsächlich vonstattengehen, wobei es sich bei den Ergebnissen dem qualitativen Forschungsparadigma entsprechend um eine interpretative Auswertung handelt (vgl. Settinieri 2012: 251). 4.1.2 Berücksichtigung der Aussen- und Innenperspektive In der fremdsprachendidaktischen Forschung herrscht weitgehend Konsens darüber, dass sich unterrichtsbezogene Handlungsstrukturen mit Fragebögen und Interviews allein nicht angemessen untersuchen lassen und dass für detaillierte Einblicke in das Unterrichtsgeschehen und dessen angemessene Deskription Beobachtungen im Feld unverzichtbar sind (Aguado et al. 2010: 186). Neben den „ Beobachtungen im Feld “ ist aber die Befragung noch immer ein wichtiger Bestandteil eines qualitativen Forschungsprojekts, um „ die Untersuchungsgegenstände soweit es geht [auch] aus der Innenperspektive der 112 4 Forschungsdesign Beteiligten zu erforschen “ (Caspari 2016a: 17). Bei der Erforschung des unterrichtlichen Handelns sollten also wenn möglich auch das Wissen und die Einstellungen der Akteurinnen und Akteure berücksichtigt werden, da u. a. die Subjektiven Theorien einen wesentlichen Einfluss auf das Handeln haben können. Zudem ist auf den Videosequenzen nur das „ Beobachtbare “ zu sehen, denn das, was die Lehrpersonen und ihre Schülerinnen und Schüler bewusst oder unbewusst vermeiden, sieht man nicht (vgl. Ricart Brede 2014: 144). Bei einer parallelen Erforschung der Aussen- und Innenperspektive kann es sein, dass die Beobachtungs- und Befragungsdaten konvergieren oder dass „ Ansichten, wie sie in Befragungen kundgetan werden, und tatsächliches Verhalten, wie es beobachtet werden kann, [ … ] divergieren “ (Schramm/ Schwab 2016: 141). Die parallele Erforschung der Aussen- und Innenperspektive zielt nicht auf eine Überprüfung ab, ob die Aussagen der Lehrpersonen im Verhalten beobachtet werden können oder nicht, denn Lehrpersonendenken und Lehrpersonenhandeln müssen nicht zwingend kongruent sein (vgl. Borg 2006: 137 - 138). 30 Basierend auf den vorangehenden Überlegungen verfolge ich in der vorliegenden Untersuchung das Ziel, sowohl die Aussenals auch die Innenperspektive zu erforschen. Dafür sollen videobasierte Unterrichtsbeobachtungen durchgeführt werden, da mittels Videoaufnahmen „ die hohe Komplexität von Unterrichtsprozessen in einem Maße erfassbar [wird], das herkömmliche Beobachtungsmethoden nicht gestatten “ (Schramm/ Aguado 2010: 187). Die videobasierte Unterrichtsbeobachtung erlaubt es, nicht nur die verbalen Interaktionen, sondern auch die nonverbalen Handlungen der verschiedenen Akteure festzuhalten. Die Beobachtungen werden in der Studie durch Befragungen ergänzt, wodurch die Binnensicht der Lehrpersonen und der Schülerinnen und Schüler erfasst werden kann (vgl. Riemer 2016: 155). Dabei soll die Binnensicht (teacher cognition) ergänzend zu den Unterrichtsbeobachtungen (practicing) erforscht werden, um Zusammenhänge zwischen dem Denken und dem Handeln auszumachen. Borg stützt ein solches Design, wenn er fragt: Can language teacher cognition be usefully studied without reference to what happens in classrooms? Personally, I am sceptical [ … ]. Ultimately, though, we are interested in understanding teachers ’ professional actions, not what or how they think in isolation of what they do (Borg 2006: 265). 30 Zwei Studien aus der Fremdsprachenforschung, die diese These stützen, stammen von Lee (2009) und Schart (2003). 4 Forschungsdesign 113 Die vorliegende Untersuchung strebt eine reflexive Triangulation nach Hammersley/ Atkinson (1983: 200) an: Triangulation sollte nach diesem Verständnis weniger darauf abzielen, im Vergleich von Wissen und Handeln einer Person Bestätigungen zu finden, dass die Person so handelt, wie es ihrem zuvor erhobenen und analysierten Wissen entspricht, sondern sich der Frage widmen, wie sich Diskrepanzen zwischen Wissen und Handeln theoretisch erklären lassen (Flick 2011: 52). Gestützt auf diese Überlegungen werden sowohl die Aussenals auch die Innenperspektive der Lehrenden und Lernenden berücksichtigt, was sich in den Forschungsfragen 2a), 2b) und 3a), 3b) zeigt. 4.1.3 Triangulation Die Triangulation ist eine methodologische Strategie, „ bei der ein Forschungsgegenstand aus zwei oder mehreren Perspektiven betrachtet wird und es zu einer Kombination verschiedener Methoden, Datenquellen, theoretischer Zugänge oder Einflüsse durch mehrere Forschende kommt “ (Knorr/ Schramm 2016: 90). Die Definition geht auf die vier Triangulationstypen von Denzin (1970) zurück, der zwischen der methodological triangulation (Triangulation der Methoden), der data triangulation (Triangulation der Daten), der theoretical triangulation (der Triangulation verschiedener theoretischen Zugänge) und der investigator triangulation (der Triangulation der Forschenden) unterscheidet (vgl. Settinieri 2015: 21 - 23). Zunächst fand die Triangulation vor allem in der quantitativen Forschung zur Validierung von Ergebnissen Verwendung. Denzin (1978) führte die Triangulation auch in der qualitativen Forschung ein, wobei sie in diesem Forschungsparadigma in erster Linie der Erweiterung der Erkenntnisse dienen sollte. Der heutige allgemeine Diskurs zur Triangulation in der qualitativen Forschung geht auf dieses Verständnis zurück: Flick (2011: 26), Aguado (2014: 50), Caspari (2016a: 18), Knorr/ Schramm (2016: 90) oder auch Elsner/ Viebrock (2015: 10) legitimieren die Triangulation vor allem dadurch, dass sie den Blick auf einen Forschungsgegenstand erweitert, wenn dieser durch unterschiedliche Perspektiven betrachtet wird. Dabei können auch divergierende Ergebnisse zustande kommen, was jedoch nicht unbedingt einen Widerspruch zur Validität der einzelnen Ergebnisse darstellt. In diesem Verständnis dient die Triangulation dazu, ein umfassenderes, die verschiedenen Facetten des untersuchten Gegenstandes berücksichtigendes und damit angemesseneres Bild zu ermöglichen. [ … ] Es geht also bei dieser Herangehensweise um einen verbesserten, vertieften Erkenntnis- 114 4 Forschungsdesign gewinn über den jeweiligen Gegenstand (Aguado 2014: 52; vgl. auch Dörnyei 2007: 165). Im Gegensatz zu einem mehrmethodischen Vorgehen, das angewendet wird, um verschiedene Forschungsgegenstände besser verstehen zu können, spricht man von Triangulation, wenn die verschiedenen Zugänge immer denselben Forschungsgegenstand beleuchten (Denzin 1978): Es werden „ in der Regel verschiedene Datenerhebungsund/ oder verschiedene Auswertungsmethoden in einem konkreten Forschungszusammenhang angewandt “ (Burzan 2016: 15). Mittels verschiedener Methoden genau denselben Gegenstand zu untersuchen kann sich als schwierig herausstellen (Aguado 2015: 206) und ist offenbar nur dann möglich, wenn man einen Forschungsgegenstand mit einer hohen Faktorenkomplexität untersucht: Gerade weil aber jedes Verfahren einen bestimmten Aspekt bzw. eine andere Facette des zu untersuchenden Phänomens offenlegt, kann ein triangulierendes Vorgehen den jeweiligen Gegenstandsbereich umfassender und weitreichender beschreiben und erklären (Knorr/ Schramm 2016: 90). Für die vorliegende Untersuchung greife ich auf die methodologische Strategie der Triangulation zurück, da ich das Zusammenspiel von Schülerinnen und Schülern, von ihrer Lehrperson und von Sprechaufgaben erforschen möchte, was zu einer hohen Faktorenkomplexität führt. Flick weist darauf hin, dass „ die Auswahl der triangulierten Perspektiven und Methoden begründet erfolgen [muss] “ (Flick 2011: 23), wenn die Triangulation fruchtbar ausfallen soll. Im Folgenden werden die unterschiedlichen Formen der Gegenstandskonstitution deshalb verdeutlicht. Dabei wird an Denzins Triangulationstypen aufgezeigt, wie sich diese in der Triangulation in der vorliegenden Studie ausgestalten. Es handelt sich um eine Triangulation der Methoden (methodological triangulation), wenn für die Erforschung des Forschungsgegenstandes mehrere Erhebungsmethoden kombiniert werden. In der vorliegenden Untersuchung müssen unterschiedliche Methoden angewendet werden, da sowohl die Innenals auch die Aussenperspektive erforscht werden. Es handelt sich dabei um eine within-method-triangulation, da alle verwendeten Methoden zur Erhebung und Aufbereitung der Daten qualitative Verfahren sind. Einzig der Fragebogen ist ein quantitatives Erhebungsinstrument. Von Datentriangulation (data triangulation) ist die Rede, wenn verschiedene Datenquellen in eine Studie einbezogen werden. In der vorliegenden Studie sind dies einerseits die Daten aus den Unterrichtsbeobachtungen und andererseits diejenigen aus den mündlichen und schriftlichen Befragungen. In Bezug auf die Triangulation verschiedener theoretischer Zugänge (theoretical triangulation) werden bei der vorliegenden Untersuchung folgende 4 Forschungsdesign 115 Aspekte eingelöst: Für die Analyse der mündlichen Interaktion mittels der Kompetenzorientierten und Kategoriengeleiteten Analyse der Lernendensprache (KKAL) (vgl. Kap. 4.5.2) wird auf Theorien und Modelle aus der angewandten Linguistik und der Psycholinguistik Bezug genommen. Für die Analyse des Wissens und der Einstellungen der Lehrpersonen sollen deren Subjektive Theorien beleuchtet werden. Dieses Konzept stammt aus der Psychologie und wurde zunächst in den Erziehungswissenschaften rezipiert. Es ist geplant, alle Daten mittels eines deduktiv-induktiven Kategoriensystems auszuwerten, das der Qualitativen Inhaltsanalyse und somit den Sozialwissenschaften zuzuordnen ist (Kuckartz 2018; Mayring 2015). Das Design des Dissertationsprojekts erfordert also „ Anleihen “ aus anderen Fachbereichen (vgl. Schmenk 2019: 31) wodurch sich verschiedene theoretische Zugänge ergeben. Im Bereich der Triangulation der Forschenden (investigator triangulation) findet bei der vorliegenden Studie kein direkter Einbezug von Mitwirkenden statt, da es sich um eine Qualifikationsarbeit handelt, bei der das eigenständige wissenschaftliche Arbeiten unter Beweis gestellt wird. Die Forschungsarbeit wird jedoch regelmässig am gemeinsam ausgebrachten Fremdsprachendidaktischen Forschungskolloquium der Universitäten Augsburg und Salzburg offengelegt und die Interpretation der Ergebnisse können in diesem Rahmen mit weiteren Forschenden diskutiert werden. Ausserdem werden an verschiedenen Fachtagungen Vorträge zum vorliegenden Dissertationsprojekt gehalten, um Einschätzungen und Hinweise aus der erweiterten Forschungsgemeinschaft zu erhalten. 31 Nach der methodologischen Strategie der Triangulation unterscheidet Flick in Bezug auf die Auswertung der Daten zwischen der Kombination und der Integration (Flick 2011: 76). Für den vorliegenden Forschungsgegenstand ist es angebracht, die einzelnen Erkenntnisse nicht nur nacheinander im Sinne einer Addition zu präsentieren, sondern die verschiedenen Ebenen enger miteinander zu verzahnen. Das Unterrichtsgeschehen wird gleichzeitig von den verschiedenen Faktoren bestimmt und dieser Gleichzeitigkeit gilt es Rechnung zu tragen. In der vorliegenden Studie werde ich die Datensätze zunächst einzeln auswerten (Fallperspektive), bevor in einem nächsten Schritt die Einzelfälle miteinander verglichen werden (Themenperspektive). Mittlerweile gilt auch in der Fremdsprachenforschung Flicks Vorstellung der Integration als wünschenswert, wobei „ spätestens bei der Gesamtinterpretation der Ergebnisse einer Studie [ … ] die integrierte Darstellung triangulativer Elemente [ … ] unabdingbar [ist], um überhaupt von Triangulation sprechen zu können “ 31 Publikationen, die ausgehend von Vorträgen zum Dissertationsprojekt entstanden sind: Lovey 2022, Lovey 2021, Lovey 2017. 116 4 Forschungsdesign (Settinieri 2015: 29). Unter diesem Vorzeichen wird jeweils abschliessend zu jeder Ergebnispräsentation zur Fallperspektive eine Gesamtauswertung der Ergebnisse aus den Selbst- und Fremdeinschätzungen, den Befragungen und den Beobachtungen stehen (vgl. Kap. 5.1.5, 5.2.5, 5.3.5, 5.4.5). 4.2 Sample 4.2.1 Teilnehmende Probandinnen und Probanden Um die Forschungsfragen zur Evaluations-, Innen- und Aussenperspektive zu beantworten, braucht es repräsentative Fälle (Dörnyei 2007: 125). Für die vorliegende Studie werden Klassen aus derselben Jahrgangsstufe gesucht, die seit gleich langer Zeit mit demselben Lehrwerk Französisch als erste Fremdsprache vor Englisch lernen, die aus verschiedenen Regionen (urbane Zentren/ ländliche Gegenden) stammen und die bei der Bearbeitung interaktiver Sprechaufgaben einer Lerneinheit über ungefähr ein Quartal hinweg beobachtet werden können. Es erklären sich Französischlehrerinnen von vier 6. Klassen aus dem Kanton Solothurn bereit, an der Studie teilzunehmen. 32 Alle Schülerinnen und Schüler besuchen im vierten Lernjahr im Kanton Solothurn den Französischunterricht und arbeiten mit dem Lehrwerk „ Mille feuilles “ (Ganguillet et al. 2014a). Mit den vier Klassen sind die drei urbanen Zentren und eine ländliche Gegend des Kantons vertreten. Die vier Lehrpersonen erhalten in der Studie die fiktiven Namen Frau Müller, Frau Huber, Frau Schmid und Frau Gerber. Es handelt es sich um vier Frauen unterschiedlichen Alters, mit unterschiedlich langer Berufserfahrung und mehr oder weniger Erfahrung mit verschiedenen Französischlehrwerken. Sie sind entweder Klassenlehrerin oder Fachlehrerin an der Testklasse. Die vier untersuchten Klassen nenne ich in der vorliegenden Studie Klasse Längmatt, Klasse West, Klasse Amrein und Klasse Hoger. 33 Die Klasse Längmatt ist Teil einer ländlichen Schule, die drei anderen sind in städtischen Gebieten angesiedelt. Diese Verteilung spiegelt sich am Anteil an weiteren 32 Ursprünglich sind fünf Lehrerinnen bereit, mit ihrer Klasse am Forschungsprojekt teilzunehmen und die Daten werden in diesen fünf Klassen erhoben. Für die vorliegende Untersuchung aufbereitet und analysiert werden jedoch nur die Daten von vier Lehrerinnen mit ihren Klassen. Die fünfte Klasse wird aus dem Sample ausgeklammert, da sie zu viele Spezifitäten aufweist (eine Klasse mit reduzierter Klassengrösse, bestehend aus einer Mehrzahl von Kindern aus dem Kosovo, die häufig in ihrer Erstsprache untereinander kommunizieren). 33 Die Namen sind frei erfunden, erinnern aber an geographische Gegebenheiten der realen Örtlichkeiten. 4 Forschungsdesign 117 Erstsprachen der Schülerinnen und Schüler, der zwischen 0 % für die Schule Längmatt, über 63 % für die Schule Hoger bis 80 % oder mehr für die Schulen West und Amrein variiert. In Bezug auf die Bildungsnähe siedelt sich die Mehrheit der Eltern der Klassen Längmatt am obersten, diejenige von West am untersten Ende der ISCO-08-Skala (EDI 2019: 1) an. Die Elternschaft der Klassen Amrein und Hoger scheint bzg. ihrer Bildungsnähe heterogen zu sein. Gemein ist allen vier Klassen der Beliebtheitsgrad der Sprachen, die unterrichtet werden: Deutsch und Englisch sind weit beliebter als Französisch. Ausserdem erhalten die Schülerinnen und Schüler dieser vier Klassen in Französisch weniger gute Noten als in den anderen Sprachfächern. Die vier Klassen sind unterschiedlich gross (16 bis 19 Schülerinnen und Schüler). Die insgesamt 64 Schülerinnen und Schüler sind alle ungefähr 12 Jahre alt und haben unterschiedliche Herkunftssprachen. Zur Vorbereitung der Studie wählen die vier Lehrpersonen aus ihrer Klasse je zwei Schülerinnen oder Schüler aus, die ihrer Meinung nach leistungsstark, mittelmässig oder leistungsschwach sind. Diese stellen die Fokus-Schülerinnen und -schüler (K1-4, FS1-6) der vorliegenden Studie dar. Von diesen 24 Schülerinnen und Schülern werden die mündlichen Interaktionen in der Zielsprache aufgezeichnet, analysiert und ausgewertet (vgl. Kap. 5.1.4.3, 5.2.4.3, 5.3.4.3, 5.4.4.3). 4.2.1.1 Klasse Längmatt Die Klasse Längmatt (K1) wird von Frau Müller (L1) unterrichtet und von 13 Schülerinnen und Schülern besucht. Sie ist Teil einer kleinen Schule in einer ländlichen Gegend des Kantons Solothurn. Frau Müller ist zwischen 20 und 30 Jahren alt und sie unterrichtet als Klassenlehrerin sämtliche Schulfächer in der Klasse Längmatt (Deutsch, Französisch, Englisch, Mathematik, Sachunterricht, Musik, Zeichnen, Bewegung und Sport, Werken). Zudem ist sie als Fachlehrerin für die Fremdsprachen Französisch und Englisch an einer 5. Klasse tätig. Primarlehrerin ist ihre Erstausbildung. Im Fragebogen gibt Frau Müller Deutsch als Erstsprache an, in Französisch und Englisch verfüge sie über Kenntnisse zwischen den Niveaus B2 bis C1 und auch in Spanisch habe sie ein wenig Kenntnisse auf Niveau A1. Ferner gibt sie im Fragebogen an, im Bereich der Methodik-Didaktik eine 14-tägige Weiterbildung des Projekts „ Passepartout “ im Nachbarskanton Bern besucht und abgeschlossen zu haben. Frau Müller verwendet im Französischunterricht seit drei Jahren das Lehrwerk „ Mille feuilles “ (Ganguillet et al. 2014a), zuvor unterrichtete sie drei Jahre lang mit dem Lehrwerk „ Bonne chance! “ (Binder et al. 1981a). Die Schülerinnen und Schüler der Klasse Längmatt sind zwischen 12 und 13 Jahren alt und geben Schweizerdeutsch als ihre Erstsprache an. Keines der Kinder spricht zuhause eine andere Sprache. Die Schulsprache Deutsch ist bei 118 4 Forschungsdesign den Schülerinnen und Schülern am beliebtesten, an zweiter Stelle steht die Fremdsprache Englisch. Die schulische Leistung der Schülerinnen und Schüler aus der Klasse Längmatt verläuft gemäss den Noten ziemlich parallel zur Beliebtheit: In Deutsch sind sie gleich gut wie in Englisch, in Französisch schneiden sie etwas weniger gut ab (vgl. Tab. 8). 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 gering mittel hoch Beliebtheit der Sprachen K1 Deutsch Französisch Englisch 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 ungenügend genügend bis gut gut bis sehr gut Leistung in den Sprachen K1 Deutsch Französisch Englisch Tab. 8: Beliebtheit der Sprachen und Beurteilung in den Sprachen der Klasse Längmatt In Bezug auf die Bildungsnähe befinden sich laut den Angaben der Kinder auf den Fragebögen 18 Väter oder Mütter auf den vier höchsten Stufen der ISCO- 08-Skala (EDI 2019: 1). Die anderen Eltern sind in der Landwirtschaft oder als Hausfrau/ -mann tätig (vgl. Tab. 9). 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 ISCO-08-9 ISCO-08-8 ISCO-08-7 ISCO-08-6 ISCO-08-5 ISCO-08-4 ISCO-08-3 ISCO-08-2 ISCO-08-1 Berufe der Eltern K1 Tab. 9: Berufe der Eltern der Klasse Längmatt Als leistungsstarke Fokusschülerinnen wählt Frau Müller die beiden Mädchen Rebekka und Sylvia (vgl. Tab. 10): 4 Forschungsdesign 119 Rebekka: Fokus-Schülerin 1 (K1FS1) Sylvia: Fokus-Schülerin 2 (K1FS2) • Sie mag Französisch ziemlich, Englisch mag sie sehr. • Ihre Erstsprache ist Deutsch (Schweizer Mundart). • In den Sprachfächern hat sie sehr gute Schulnoten. • Sie schätzt sich im Sprechen in Französisch zwischen den Niveaus A2.1 und A2.2 ein. • Sie mag Französisch sehr, Englisch mag sie weniger. • Ihre Erstsprache ist Deutsch (Schweizer Mundart). • In den Sprachfächern hat sie sehr gute Schulnoten. • Sie schätzt sich im Sprechen in Französisch zwischen den Niveaus A2.1 und A2.2 ein. Tab. 10: Leistungsstarke Fokusschülerinnen der Klasse Längmatt (K1) Als mittelmässige Fokusschüler wählt Frau Müller die beiden Jungen Armin und Peter (vgl. Tab. 11): Armin: Fokus-Schüler 3 (K1FS3) Peter: Fokus-Schüler 4 (K1FS4) • Er mag Französisch nicht, Englisch mag er mehr. • Seine Erstsprache ist Deutsch (Schweizer Mundart). • In den Sprachfächern hat er sehr gute Schulnoten. • Er schätzt sich im Sprechen in Französisch zwischen den Niveaus A2.1 und A2.2 ein. • Er mag Französisch und Englisch. • Seine Erstsprache ist Deutsch (Schweizer Mundart). • In den Sprachfächern hat er mittelmässig gute Schulnoten. • Er schätzt sich im Sprechen in Französisch zwischen den Niveaus A1.2 und A2.2 ein. Tab. 11: Mittelmässige Fokusschüler der Klasse Längmatt (K1) Als leistungsschwache Fokusschüler und -schülerin wählt Frau Müller den Jungen Paul und das Mädchen Erika (vgl. Tab. 12): Paul: Fokus-Schüler 5 (K1FS5) Erika: Fokus-Schülerin 6 (K1FS6) • Er mag Französisch ziemlich, Englisch mag er sehr. • Seine Erstsprache ist Deutsch (Schweizer Mundart). • In den Sprachfächern hat er mittelmässig gute Schulnoten. • Er schätzt sich im Sprechen in Französisch auf das Niveau A2.1 ein. • Sie mag Französisch und Englisch ziemlich. • Ihre Erstsprache ist Deutsch (Schweizer Mundart). • In den Sprachfächern hat sie mittelmässig gute Schulnoten. • Sie schätzt sich im Sprechen in Französisch zwischen den Niveaus A1.2 und A2.1 ein. Tab. 12: Leistungsschwache Fokusschüler und -schülerin der Klasse Längmatt (K1) 120 4 Forschungsdesign In den Skalen zur Auswertung der Daten sind die Fokusschülerinnen und -schüler jeweils mit den Zahlen 1 (K1FS1: Rebekka), 2 (K1FS2: Sylvia), 3 (K1FS3: Armin), 4 (K1FS4: Peter), 5 (K1FS5: Paul) und 6 (K1FS6: Erika) angegeben (vgl. Anhang II.VII). 4.2.1.2 Klasse West Die Klasse West (K2) wird von Frau Huber (L2) unterrichtet und von 19 Schülerinnen und Schülern besucht. Sie ist Teil einer grösseren Schule in einem urbanen Zentrum des Kantons Solothurn. Frau Huber ist zwischen 31 und 40 Jahren alt und sie unterrichtet insgesamt 11 Unterrichtsstunden an der Klasse West (Deutsch, Französisch, Englisch, Mathematik, Sachunterricht). Frau Huber befindet sich zum Zeitpunkt der Erhebung noch in Ausbildung. Primarlehrerin ist ihre Erstausbildung. Im Fragebogen gibt Frau Huber Deutsch, Französisch und Spanisch als ihre Erstsprachen an, in Englisch, Italienisch und Latein verfüge über Kenntnisse zwischen den Niveaus B2 bis C1. Sie ergänzt, über viel Auslanderfahrung zu verfügen. Ferner gibt sie im Fragebogen an, die Module der Fachdidaktik Französisch in ihrer Ausbildung an der PH FHNW besucht zu haben. Frau Huber unterrichtet zum ersten Mal Französisch und verwendet seit einem Jahr das Lehrwerk „ Mille feuilles “ (Ganguillet et al. 2014a). Die Schülerinnen und Schüler der Klasse West sind zwischen 11 und 13 Jahren alt. Fünfzehn Kinder geben an, eine andere Erstsprache als Deutsch zu haben. Es sind insgesamt 11 Sprachen in der Klasse vertreten: Deutsch, Türkisch (4), Albanisch (3), Italienisch (2), Serbisch (2), Tigrinisch (2), Englisch (1), Arabisch (1), Französisch (1), Somalisch (1) und Portugiesisch (1). Die Schulsprache Deutsch und die Fremdsprache Englisch sind bei den Schülerinnen und Schülern am beliebtesten. Die schulische Leistung der Schülerinnen und Schüler aus der Klasse West verläuft gemäss den Noten mehr oder weniger parallel zur Beliebtheit: Am besten schneiden sie in Englisch ab, am zweitbesten in Deutsch, in Französisch ist die schulische Leistung nur leicht geringer als in den anderen Sprachfächern (vgl. Tab. 13). 4 Forschungsdesign 121 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 gering mittel hoch Beliebtheit der Sprachen K2 Deutsch Französisch Englisch 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 ungenügend genügend bis gut gut bis sehr gut Leistung in den Sprachen K2 Deutsch Französisch Englisch Tab. 13: Beliebtheit der Sprachen und Beurteilung in den Sprachen der Klasse West In Bezug auf die Bildungsnähe befinden sich laut den Angaben der Kinder auf den Fragebögen 50 % der Eltern im untersten Drittel auf der ISCO-08-Skala (EDI 2019: 1), wobei sich drei Viertel davon auf der tiefsten Stufe ansiedeln. Die andere Hälfte verteilt sich auf die Berufe aus den beiden oberen Dritteln (vgl. Tab. 14). 0 2 4 6 8 10 12 14 ISCO-08-9 ISCO-08-8 ISCO-08-7 ISCO-08-6 ISCO-08-5 ISCO-08-4 ISCO-08-3 ISCO-08-2 ISCO-08-1 Berufe der Eltern K2 Tab. 14: Berufe der Eltern der Klasse West In die Klasse West (K2) gehen nur 3 Mädchen, wovon 2 nicht gefilmt werden dürfen. Deshalb wählt Frau Huber nur ein Mädchen als Fokusschülerin aus. Als leistungsstarke Fokusschüler wählt Frau Huber zwei Jungen (vgl. Tab. 15): 122 4 Forschungsdesign Karim: Fokus-Schüler 1 (K2FS1) Adriano: Fokus-Schüler 2 (K2FS2) • Er mag Französisch und Englisch sehr. • Seine L1 ist Arabisch. • In den Sprachfächern hat er sehr gute Schulnoten. • Er schätzt sich im Sprechen in Französisch zwischen den Niveaus A2.1 und A2.2 ein. • Er mag Französisch ziemlich, Englisch mag er sehr. • Seine L1 sind Italienisch und Deutsch (Schweizer Mundart). • In den Sprachfächern hat er sehr gute Schulnoten. • Er schätzt sich im Sprechen in Französisch auf das Niveau A2.2 ein. Tab. 15: Leistungsstarke Fokusschüler der Klasse West (K2) Als mittelmässige Fokusschüler und Fokusschülerin wählt Frau Huber einen Jungen und ein Mädchen (vgl. Tab. 16): Mehmet: Fokus-Schüler 3 (K2FS3) Anna: Fokus-Schülerin 4 (K2FS4) • Er mag Französisch und Englisch sehr. • Seine L1 ist Türkisch. • In den Sprachfächern hat er sehr gute Schulnoten. • Er schätzt sich im Sprechen in Französisch zwischen den Niveaus A2.1 und A2.2 ein. • Sie mag Französisch nicht, Englisch mag sie sehr. • Ihre L1 ist Deutsch (Schweizer Mundart). • In den Sprachfächern hat sie mittelmässig gute Schulnoten. • Sie schätzt sich im Sprechen in Französisch zwischen den Niveaus A1.2 und A2.2 ein. Tab. 16: Mittelmässige Fokusschüler und -schülerin der Klasse West (K2) Als leistungsschwache Fokusschüler wählt Frau Huber zwei Jungen (vgl. Tab. 17): Hanad: Fokus-Schüler 5 (K2FS5) Goran: Fokus-Schüler 6 (K2FS6) • Er mag Französisch und Englisch sehr. • Seine L1 ist Somalisch. • In den Sprachfächern hat er mittelmässig gute Schulnoten. • Er schätzt sich im Sprechen in Französisch zwischen den Niveaus A1.2 und A2.1 ein. • Er mag Französisch ziemlich, Englisch mag er sehr. • Seine L1 sind Serbisch und Deutsch (Schweizer Mundart). • In den Sprachfächern hat er mittelmässig gute Schulnoten. • Er schätzt sich im Sprechen in Französisch zwischen den Niveaus A1.2 und A2.1 ein. Tab. 17: Leistungsschwache Fokusschüler der Klasse West (K2) 4 Forschungsdesign 123 In den Skalen zur Auswertung der Daten sind die Fokusschülerinnen und -schüler jeweils mit den Zahlen 1 (K2FS1: Karim), 2 (K2FS2: Adriano), 3 (K2FS3: Mehmet), 4 (K2FS4: Anna), 5 (K2FS5: Hanad) und 6 (K2FS6: Goran) angegeben (vgl. Anhang II.VII). 4.2.1.3 Klasse Amrein Die Klasse Amrein (K3) wird von Frau Schmid (L3) unterrichtet und von 16 Schülerinnen und Schülern besucht. Sie ist Teil einer grösseren Schule in einem urbanen Zentrum des Kantons Solothurn. Frau Schmid ist zwischen 41 und 50 Jahren alt und unterrichtet Französisch an allen Jahrgängen der Primarstufe und Hauswirtschaft auf der Sekundarstufe I. Die Klasse Amrein unterrichtet sie als Fachlehrerin während zwei Wochenlektionen in Französisch. Sie begleitet sie seit der dritten Klasse in Französisch. Bevor Frau Schmid die Ausbildung zur Primarlehrerin machte, war sie ausschliesslich als Hauswirtschaftslehrerin tätig. Im Fragebogen gibt sie Deutsch als Erstsprache an. In Französisch erwarb sie 2015 das C1*-Diplom (berufsspezifische Sprachkompetenzen auf Niveau C1) und besucht zum Zeitpunkt der Erhebung weiterhin Sprachkurse. Weiter gibt sie an, dass sie auch über Kenntnisse in Englisch und Italienisch auf den Niveaus A1 bis A2 verfüge. Schliesslich gibt sie im Fragebogen an, im Bereich der Methodik-Didaktik die 14-tägige Weiterbildung des Projekts „ Passepartout “ im Kanton Solothurn besucht und abgeschlossen zu haben. Frau Schmid verwendet im Französischunterricht seit fünf Jahren das Lehrwerk „ Mille feuilles “ (Ganguillet et al. 2014a), zuvor unterrichtete sie über mehrere Jahre mit dem Lehrwerk „ Bonne chance! “ (Binder et al. 1981a). Die Schülerinnen und Schüler der Klasse Amrein sind zwischen 11 und 13 Jahren alt. Dreizehn Kinder geben an, eine andere Erstsprache als Deutsch zu haben. Es sind insgesamt 9 Sprachen in der Klasse vertreten: Deutsch, Englisch (6), Französisch (3), Italienisch (3), Albanisch (2), Türkisch (1), Marokkanisch (1), Schwedisch (1) und Spanisch (1). Die Schulsprache Deutsch ist bei den Schülerinnen und Schülern äusserst beliebt. Englisch ist ebenfalls sehr beliebt, Französisch wie in den anderen Klassen etwas weniger. Die schulische Leistung der Schülerinnen und Schüler aus der Klasse Amrein ist gemäss den Noten in Englisch am höchsten, in Französisch und Deutsch ist sie ungefähr gleich hoch (vgl. Tab. 18). 124 4 Forschungsdesign 0 2 4 6 8 10 12 14 16 gering mittel hoch Beliebtheit der Sprachen K3 Deutsch Französisch Englisch 0 2 4 6 8 10 12 14 16 ungenügend genügend bis gut gut bis sehr gut Leistung in den Sprachen K3 Deutsch Französisch Englisch Tab. 18: Beliebtheit der Sprachen und Beurteilung in den Sprachen der Klasse Amrein In Bezug auf die Bildungsnähe ist laut den Angaben der Kinder auf den Fragebögen ein Viertel der Eltern berufstätig mit einer qualifizierten Ausbildung (ISCO-08-2-Stufe) (EDI 2019: 1). Der Rest verteilt sich von 1 bis 9 auf der Skala (vgl. Tab. 19). 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 ISCO-08-9 ISCO-08-8 ISCO-08-7 ISCO-08-6 ISCO-08-5 ISCO-08-4 ISCO-08-3 ISCO-08-2 ISCO-08-1 Berufe der Eltern K3 Tab. 19: Berufe der Eltern der Klasse Amrein 4 Forschungsdesign 125 Als leistungsstarke Fokusschüler wählt Frau Schmid zwei Jungen (vgl. Tab. 20): Mike: Fokus-Schüler 1 (K3FS1) Fred: Fokus-Schüler 2 (K3FS2) • Er mag Französisch ziemlich, Englisch mag er sehr. • Seine L1 sind Englisch und Deutsch (Schweizer Mundart). • In den Sprachfächern hat er sehr gute Schulnoten. • Er schätzt sich im Sprechen in Französisch zwischen den Niveaus A1.2 und A2.2 ein. • Er mag Französisch und Englisch. • Seine L1 ist Deutsch (Schweizer Mundart). • In den Sprachfächern hat er gute Schulnoten. • Er schätzt sich im Sprechen in Französisch zwischen den Niveaus A2.1 und A2.2 ein. Tab. 20: Leistungsstarke Fokusschüler der Klasse Amrein (K3) Als mittelmässige Fokusschülerin und Fokusschüler wählt Frau Schmid ein Mädchen und einen Jungen (vgl. Tab. 21): Florian: Fokus-Schüler 3 (K3FS3) Luisa: Fokus-Schülerin 4 (K3FS4) • Er mag Französisch und Englisch ziemlich. • Seine L1 ist Deutsch (Schweizer Mundart). • In den Sprachfächern hat er mittelmässig gute Schulnoten. • Er schätzt sich im Sprechen in Französisch zwischen den Niveaus A1.2 und A2.2 ein. • Sie mag Französisch ziemlich, Englisch mag sie sehr. • Ihre L1 sind Englisch und Deutsch (Schweizer Mundart). • In den Sprachfächern hat sie mittelmässig gute Schulnoten. • Sie schätzt sich im Sprechen in Französisch zwischen den Niveaus A1.2 und A2.2 ein. Tab. 21: Mittelmässige Fokusschüler und -schülerin der Klasse Amrein (K3) Als leistungsschwache Fokusschülerin und Fokusschüler wählt Frau Schmid ein Mädchen und einen Jungen (vgl. Tab. 22): 126 4 Forschungsdesign Altin: Fokus-Schüler 5 (K3FS5) Elena: Fokus-Schülerin 6 (K3FS6) • Er mag Französisch nicht, Englisch mag er sehr. • Seine L1 sind Türkisch und Deutsch (Schweizer Mundart). • In den Sprachfächern hat er ungenügende Schulnoten. • Er schätzt sich im Sprechen in Französisch zwischen den Niveaus A1.2 und A2.1 ein. • Sie mag Französisch und Englisch ziemlich. • Ihre L1 sind Italienisch und Deutsch (Schweizer Mundart). • In den Sprachfächern hat sie mittelmässig gute Schulnoten. • Sie schätzt sich im Sprechen in Französisch zwischen den Niveaus A2.1 und A2.2 ein. Tab. 22: Leistungsschwache Fokusschüler und -schülerin der Klasse (K3) Amrein In den Skalen zur Auswertung der Daten sind die Fokusschülerinnen und -schüler jeweils mit den Zahlen 1 (K1FS1: Mike), 2 (K1FS2: Fred), 3 (K1FS3: Florian), 4 (K1FS4: Luisa), 5 (K1FS5: Altin) und 6 (K1FS6: Elena) angegeben (vgl. Anhang II.VII). 4.2.1.4 Klasse Hoger Die Klasse Hoger (K4) wird von Frau Gerber (L4) unterrichtet und von 16 Schülerinnen und Schülern besucht. Sie ist Teil einer kleineren Schule in einem urbanen Zentrum des Kantons Solothurn. Frau Gerber ist zwischen 41 und 50 Jahren alt und unterrichtet Französisch, Englisch und Werken an der Klasse Hoger, sowie an einer 5. Klasse. Sie ist ausgebildete Sekundarlehrperson. Im Fragebogen gibt Frau Gerber Deutsch als Erstsprache an, sie verfüge in Französisch, Englisch und Italienisch über Kenntnisse zwischen den Niveaus B2 bis C1. Ferner gibt sie im Fragebogen an, im Bereich der Methodik-Didaktik die 14-tägige Weiterbildung des Projekts „ Passepartout “ im Kanton Solothurn besucht und abgeschlossen zu haben. Frau Gerber verwendet im Französischunterricht seit drei Jahren das Lehrwerk „ Mille feuilles “ (Ganguillet et al. 2014a), zuvor unterrichtete sie über mehrere Jahre mit dem Lehrwerk „ Bonne chance! “ (Binder et al. 1981a). Die Schülerinnen und Schüler der Klasse Hoger sind zwischen 12 und 13 Jahren alt. Zehn Kinder geben an, eine andere Erstsprache als Deutsch zu haben. Es sind insgesamt 9 Sprachen in der Klasse vertreten: Deutsch, Englisch (3), Französisch (2), Italienisch (2), Spanisch (2), Tamilisch (1), Türkisch (1), Kurdisch (1) und Mandarin (1). Die Schulsprache Deutsch und die Fremdsprache Englisch sind bei den Schülerinnen und Schülern sehr beliebt. Die schulische Leistung der Schülerinnen und Schüler aus der Klasse Hoger ist in 4 Forschungsdesign 127 Deutsch am höchsten, in Englisch schneiden sie ebenfalls gut ab, in Französisch ist die Leistung etwas geringer (vgl. Tab. 23). 0 2 4 6 8 10 12 gering mittel hoch Beliebtheit der Sprachen K4 Deutsch Französisch Englisch 0 2 4 6 8 10 12 ungenügend genügend bis gut gut bis sehr gut Leistung in den Sprachen K4 Deutsch Französisch Englisch Tab. 23: Beliebtheit der Sprachen und Beurteilung in den Sprachen der Klasse Hoger In Bezug auf die Bildungsnähe sind die Angaben der Kinder auf den Fragebögen heterogen: Die eine Hälfte der Eltern befindet sich im oberen Teil der ISCO-08-Skala (EDI 2019: 1), die andere im unteren Teil (vgl. Tab. 24). 0 2 4 6 8 10 12 ISCO-08-9 ISCO-08-8 ISCO-08-7 ISCO-08-6 ISCO-08-5 ISCO-08-4 ISCO-08-3 ISCO-08-2 ISCO-08-1 Berufe der Eltern K4 Tab. 24: Berufe der Eltern der Klasse Hoger Frau Gerber wählt 4 Mädchen und 2 Jungen als Fokusschülerinnen und -schüler aus, da ihrer Meinung nach die Jungen eindeutig leistungsschwächer in Französisch seien als die Mädchen. 128 4 Forschungsdesign Als leistungsstarke Fokusschülerinnen wählt Frau Gerber zwei Mädchen (vgl. Tab. 25): Sybille: Fokus-Schülerin 1 (K4FS1) Nicole: Fokus-Schülerin 2 (K4FS2) • Sie mag Französisch ziemlich, Englisch mag sie sehr. • Ihre L1 ist Deutsch (Schweizer Mundart). • In den Sprachfächern hat sie sehr gute Schulnoten. • Sie schätzt sich im Sprechen in Französisch zwischen den Niveaus A2.1 und A2.2 ein. • Sie mag Französisch und Englisch sehr. • Ihre L1 ist Deutsch (Schweizer Mundart). • In den Sprachfächern hat sie sehr gute Schulnoten. • Sie schätzt sich im Sprechen in Französisch zwischen den Niveaus A2.1 und A2.2 ein. Tab. 25: Leistungsstarke Fokusschülerinnen der Klasse Hoger (K4) Als mittelmässige Fokusschülerinnen wählt Frau Gerber ebenfalls zwei Mädchen (vgl. Tab. 26): Lynn: Fokus-Schülerin 3 (K4FS3) Ursula: Fokus-Schülerin 4 (K4FS4) • Sie mag Französisch ziemlich, Englisch mag sie sehr. • Ihre L1 sind Englisch und Deutsch (Schweizer Mundart). • In den Sprachfächern hat sie sehr gute Schulnoten. • Sie schätzt sich im Sprechen in Französisch zwischen den Niveaus A2.1 und A2.2 ein. • Sie mag Französisch ziemlich, Englisch mag sie sehr. • Ihre L1 ist Deutsch (Schweizer Mundart). • In den Sprachfächern hat sie sehr gute Schulnoten. • Sie schätzt sich im Sprechen in Französisch zwischen den Niveaus A2.1 und A2.2 ein. Tab. 26: Mittelmässige Fokusschülerinnen der Klasse Hoger (K4) 4 Forschungsdesign 129 Als leistungsschwache Fokusschüler wählt Frau Gerber zwei Jungen (vgl. Tab. 27): Elias: Fokus-Schüler 5 (K4FS5) Lukas: Fokus-Schüler 6 (K4FS6) • Er mag Französisch und Englisch ziemlich. • Seine L1 sind Italienisch und Deutsch (Schweizer Mundart). • In den Sprachfächern hat er mittelmässig gute Schulnoten. • Er schätzt sich im Sprechen in Französisch zwischen den Niveaus A1.2 und A2.1 ein. • Er mag Französisch und Englisch ziemlich. • Seine L1 ist Deutsch (Schweizer Mundart). • In den Sprachfächern hat er mittelmässig gute Schulnoten. • Er schätzt sich im Sprechen in Französisch zwischen den Niveaus A1.2 und A2.1 ein. Tab. 27: Leistungsschwache Fokusschüler der Klasse Hoger (K4) In den Skalen zur Auswertung der Daten sind die Fokusschülerinnen und -schüler jeweils mit Zahlen 1 (K1FS1: Sybille), 2 (K1FS2: Nicole), 3 (K1FS3: Lynn), 4 (K1FS4: Ursula), 5 (K1FS5: Elias) und 6 (K1FS6: Lukas) angegeben (vgl. Anhang II.VII). 4.2.2 Untersuchte Aufgaben zum interaktiven Sprechen Für die vorliegende Studie erforsche ich die Bearbeitung von Aufgaben zum interaktiven Sprechen einer Lerneinheit des Lehrwerkes „ Mille feuilles “ (Ganguillet et al. 2014a). Dafür wähle ich fünf Aufgaben zur Förderung des interaktiven Sprechens aus, die aus dem Heft „ T ’ es chiche? “ (ebd.) stammen. Es handelt sich um das letzte Heft, das die Schülerinnen und Schüler in der Primarschule im Kanton Solothurn bearbeiten und es beinhaltet zwei Lerneinheiten: „ Quelle question! “ und „ Le voyage de Christophe Colomb “ (ebd.). Es wird die Bearbeitung aller interaktiver Sprechaufgaben untersucht, die in der Lerneinheit „ Quelle question! “ vorgesehen sind. Die Aufgaben zum Sprechen können als Prototypen für die interaktiven Sprechanlässe aus dem Lehrwerk angesehen werden (vgl. Kap. 2.3.4). Die Schülerinnen und Schüler werden seit dem Beginn in der dritten Klasse mit solchen Sprechanlässen konfrontiert und sind zum Zeitpunkt der Bearbeitung der Lerneinheit in ihrem vierten Französischlernjahr. In der Lerneinheit „ Quelle question! “ beschäftigen sich die Lernenden mit Rätselfragen und sie erstellen als Zielaufgabe ein eigenes Journal des questions (Fragenjournal) (vgl. Abb. 24). In der Lerneinheit bereiten 130 4 Forschungsdesign activités auf die Zielaufgabe vor, wobei in jeder activité ein anderes Rätselformat mit Aufgaben zum Hören, Lesen, Schreiben und Sprechen bearbeitet wird. Abb. 24: Einführungsseite zur Lerneinheit „ Quelle question! “ (Ganguillet et al. 2014a: 6) Die Aufgaben zum Sprechen sind in der gesamten Lerneinheit so angelegt, dass die Lernenden untereinander in Paar- oder Kleingruppen in eine mündliche Interaktion treten. Allen Aufgaben zum interaktiven Sprechen aus der Lerneinheit ist gemein, dass sie authentische Sprechsituationen abbilden, in denen die Schülerinnen und Schüler sie selbst bleiben, sich über spezifisches Fachwissen unterhalten und Fragen klären, mit denen sie sich auch in ihrem Alltag auf Deutsch beschäftigen könnten. Die Themen, die bei den Aufgaben zum interaktiven Sprechen bearbeitet werden, gehen auf verschiedenste Fachbereiche zurück (Geografie, Geschichte, Biologie, Sport, Musik etc.) und verlangen nach Wortschatz, der im fremdsprachlichen (Anfangs-)Unterricht eher unüblich ist. Da die Schülerinnen und Schüler durch die Interaktion mit einer 4 Forschungsdesign 131 Mitschülerin oder einem Mitschüler zu neuen Informationen gelangen, können ihre Kommunikationsabsichten als echt eingestuft werden. 4.2.2.1 Aufgabe A: Quiz In activité A, dem Quiz, lesen und besprechen die Schülerinnen und Schüler Quizfragen (vgl. Abb. 25): N° Question Réponse 1 Quelle est la longueur d’un terrain de football? mètres 2 Où vit le pingouin? en 3 Dans quelle ville d’Italie peut-on se déplacer en gondole? à 4 Quel mammifère nocturne vole comme un oiseau? 5 Quelle est la plus haute montagne du monde? Je pense que c’est… Est-ce …? Quiz 1 2 » Lisez et écoutez la question n° 1. » Cherchez la bonne réponse. Discutez. » Notez la bonne réponse en français. » Continuez avec les autres questions. Les propositions peuvent vous aider. » Regardez les solutions à la page 89. C’est peut-être … le mammifère nocturne das nachtaktive Säugetier en Antarctique en Arctique à Venise à Rome la chauve-souris le moustique Abb. 25: Aufgabe A: Quiz (ebd.: 18) Das Quiz beinhaltet Fragen zum Allgemeinwissen, die den Fachbereichen Geografie, Geschichte, Biologie oder auch Mathematik zuzuordnen sind. Entsprechend beinhalten die Quizfragen fachspezifischen Wortschatz wie beispielsweise longueur (Länge) oder mammifère nocturne (nachtaktives Säugetier), was eher an den bilingualen Sachfachunterricht als an den fremdsprachlichen Anfangsunterricht erinnert. Wenn der fachspezifische Wortschatz nicht mittels Strategien erschlossen werden kann (beispielsweise kann longueur mittels des Kontextes und aufgrund derselben lateinischen Herkunft „ longus “ als „ Länge “ erkannt werden), so steht die Übersetzung davon in der roten Übersetzungskiste unterhalb des Textfelds. Die Quizfragen liegen vertont vor 132 4 Forschungsdesign und die Schülerinnen und Schüler werden aufgefordert, sie beim Lesen anzuhören. So erfahren sie, wie die Fragen und insbesondere die ihnen noch unbekannten Wörter ausgesprochen werden. Bei der Aufgabe zum Sprechen lesen die Schülerinnen und Schüler abwechselnd eine Quizfrage vor und tauschen sich dann mündlich über die Lösung aus. Dafür stehen ihnen die Sprechbausteine Je pense que c ’ est … , Est-ce … und C ’ est peut-être … zur Verfügung. Ausserdem finden sich zu manchen Quizfragen jeweils zwei Antwortmöglichkeiten oberhalb oder unterhalb des Kästchens, die sich mit den Satzanfängen verbinden lassen. Weitere chunks zur Aufrechterhaltung der Interaktion wie Oui, c ’ est juste, Non, c ’ est faux, Continue, À moi etc. können die Lernenden bei Bedarf in einem Beiheft, der revue (Ganguillet et al. 2014b: 7 - 10), nachschlagen. Es gibt noch fünf weitere Quizkästchen mit jeweils 10 Quizfragen. Dem Kommentar zum Lehrwerk ist zu entnehmen, dass das Angebot an Quizfragen zur quantitativen Differenzierung zu verstehen sei. Ausserdem werde damit auch eine qualitative Differenzierung angestrebt, da die Schülerinnen und Schüler die Fragen interessensgeleitet auswählen könnten (Ganguillet et al. 2014c). Die Aufgabe kann von den Schülerinnen und Schülern selbst korrigiert werden, da die Lösungen ganz hinten im gleichen Heft abgedruckt sind. Das Wahlangebot an Quizfragen und an möglichen Redemitteln sowie die Anlage zur Selbstverantwortung zeugen vom konstruktivistischen Lernverständnis, das dem Lehrwerk zugrunde liegt. 4.2.2.2 Aufgabe B: Questionnaire In activité B, dem Questionnaire, lesen und hören die Schülerinnen und Schüler ausgewählte Fragen des Marcel Proust-Fragebogens (vgl. Abb. 26): 4 Forschungsdesign 133 Quelle est ton occupation préférée? Quel est ton rêve de bonheur? A part toi-même, qui voudrais-tu être? Où aimerais-tu vivre? Quelle est ta couleur préférée? Quelle fleur aimes-tu? Quel oiseau préfères-tu? Quels sont tes héros préférés (fictifs ou réels)? Quels sont tes prénoms préférés? Quelles sont ta nourriture et ta boisson préférées? * Quelques réponses que Marcel Proust a données en 1884 à l’âge de 13 ans. 8 Le questionnaire de Marcel Proust La lecture, la rêverie, les vers, l'histoire, le théâtre.* Je ne sais pas.* L’hirondelle.* Vivre près de tous ceux que j'aime avec les charmes de la nature, une quantité de livres et de partitions, et pas loin d’un théâtre français.* Je les aime toutes.* » Lisez et écoutez le questionnaire de Marcel Proust à la page 10. Qui est Marcel? Marcel Proust est un célèbre auteur français. En 1871, il naît à Paris. Il est connu pour ses très longues phrases. La phrase la plus longue de Proust compte 243-mots! Tu la trouves sur le CD. A l’âge de 13 ans, Proust découvre un questionnaire. Il répond aux questions. Le questionnaire devient célèbre grâce aux réponses de Proust. l’occupation (f) die Beschäftigung préféré/ -e Lieblings… le bonheur das Glück à part toi-même ausser dir selbst être sein vivre leben la fleur die Blume le héros der Held la nourriture die Nahrung la boisson das Getränk Abb. 26: Aufgabe B: Questionnaire (Ganguillet et al. 2014a: 22) (1/ 3) Als Verstehenshilfe sind zentrale Begriffe wie l ’ occupation (f.), préféré-e oder auch le bonheur in einer Übersetzungskiste auf Französisch und Deutsch angegeben (vgl. Abb. 26). Einem grünen Informationskasten entnehmen die Schülerinnen und Schüler Informationen zu Marcel Proust und zur Entstehung des Fragebogens. Zur Vorbereitung der Sprechaufgaben beantworten die Lernenden selbst die persönlichen Fragen zu ihren Vorlieben und Neigungen. Sie notieren die Antworten zunächst schriftlich, und zwar einmal für sie selbst und einmal für eine Mitschülerin oder einen Mitschüler ihrer Wahl (vgl. Abb. 27 - 28): 134 4 Forschungsdesign » Remplis le questionnaire. Les questions Mes réponses Quelle est ton occupation préférée? Quel est ton rêve de bonheur? A part toi-même, qui voudrais-tu être? Où aimerais-tu vivre? Quelle est ta couleur préférée? Quelle fleur aimes-tu? Quel oiseau préfères-tu? Quels sont tes héros préférés? (fictifs ou réels) Quels sont tes prénoms préférés? Quelles sont ta nourriture et ta boisson préférées? Occupations jouer au foot faire du sport monter à cheval jouer aux jeux faire des photos écrire des chansons être avec des amis / amies rire jouer de la guitare écouter de la musique faire du judo … Bonheur avoir de bons amis et de bonnes amies voyager avoir un cheval être une star habiter dans une belle maison gagner au loto … Lieux au bord de la mer à Paris en Angleterre à la campagne à New York sur une île à la ferme à la montagne dans une grande ville là, où je vis maintenant … Fleurs la rose la tulipe la marguerite le dahlia la violette le narcisse le tournesol … Oiseaux le perroquet le canard le pingouin le pélican le coucou le cormoran le faisan le milan l’hirondelle … Nourriture les spaghettis les frites la salade le hamburger la fondue … Boissons l’eau minérale le coca l’orangeade le lait le jus de pomme … remplis fülle aus Abb. 27: Aufgabe B: Questionnaire (ebd.: 23) (2/ 3) 4 Forschungsdesign 135 Je pense que… Partenaire: .................................................................... ton occupation préférée est… ton rêve de bonheur est… tu veux être… tu veux vivre… ta couleur préférée est… ta fleur aimée est… ton oiseau préféré est… tes héros préférés sont… tes prénoms préférés sont… ta nourriture et ta boisson préférées sont… » Remplis le questionnaire à la place de ton / ta partenaire. » Comparez vos réponses. Est-ce que vous vous connaissez bien? Je pense que … Oui, c’est juste. Oui, tu as raison. Non, c’est... Abb. 28: Aufgabe B: Questionnaire (ebd.: 24) (3/ 3) Die Fragen beinhalten grösstenteils Wortschatz, der im Fremdsprachenunterricht traditionell behandelt wird (Hobbies, Essen und Trinken, Orte). Allerdings ist teilweise auch spezifisches (Sprach-)Wissen notwendig, wenn eine bestimmte Vogelart oder Blumensorte angegeben werden muss. Dafür stehen den Schülerinnen und Schülern in Kästchen Antwortmöglichkeiten zur Verfügung (vgl. Abb. 27). Bei der Aufgabe zum Sprechen verhandeln die Schülerinnen und Schüler mündlich, ob die erratenen Antworten der Mitschülerin oder des Mitschülers zutreffend oder falsch sind. Dafür tragen sie ihre Hypo- 136 4 Forschungsdesign thesen einander vor, indem sie den Satzanfang Je pense que … mit der Frage und der ausgedachten Antwort verbinden. Zum Bestätigen oder Widerlegen der Antwort stehen den Schülerinnen und Schülern die Sprechbausteine Oui, c ’ est juste, Non, c ’ est … oder Oui, tu as raison zur Verfügung. Weitere chunks zur Aufrechterhaltung der Interaktion, beispielsweise für die Sprecherwechsel, können sie bei Bedarf nachschlagen (vgl. Ganguillet et al. 2014b: 7 - 10). Der mündliche Austausch zwischen den Schülerinnen und Schülern kann als echt eingestuft werden, da sie durch die Interaktion mit einer Mitschülerin oder einem Mitschüler zu den nötigen Informationen gelangen, um ihre Hypothesen zu bestätigen oder zu widerlegen. Als authentisch kann die Aufgabe deshalb angesehen werden, weil die Lernenden sie selbst bleiben; allerdings mit der Auflage, untereinander Französisch zu sprechen, obschon sie eine andere gemeinsame Sprache hätten, die sie besser beherrschen würden (Schweizer Mundart und/ oder Standarddeutsch). 4.2.2.3 Aufgabe C: Questions In activité C, den Questions, ergänzen die Schülerinnen und Schüler zunächst Wissensfragen schriftlich mit Fragewörtern (vgl. C1, Abb. 29) resp. mit Quel, Quelle, Quels oder Quelles (vgl. C2, Abb. 31). Es handelt sich wiederum um Fragen zum Allgemeinwissen aus den Fachbereichen Geografie und Geschichte. Bei C1 sind es Inhalte, die im vorangehenden Heft in der 6. Klasse behandelt worden sind (Ganguillet et al. 2014a), bei C2 sind es neue Informationen. Die Anweisungen im Lehrwerk sind auf Französisch. Bei Attribuez und les mots interrogatis handelt es sich um neuen Wortschatz für die Klassenzimmersprache, der in einer Werkzeugkiste angegeben wird. 4 Forschungsdesign 137 » Attribuez les mots interrogatifs aux questions. » Lisez les questions à haute voix. 1. Quand peut-on visiter le festival de ballons de Château-d’Oex? 2. se trouve le plus grand lac souterrain d’Europe? 3. signifie l’expression «Eurêka! »? 4. s’appelle la plus grande montagne de sable d’Europe? 5. Greg et Robert ont préparé une maison hantée? Pourquoi? 6. a inventé le sandwich? 7. empreintes de dinosaures peut-on voir à Courtedoux? 8. vient le premier papier? attribuez ordnet zu les mots interrogatifs die Fragewörter Abb. 29: Aufgabe C1: Questions (ebd.: 26 - 27) (1/ 2) 138 4 Forschungsdesign » Ecrivez les numéros de 1 à 8 à côté des bonnes réponses. Discutez. » Regardez les solutions. A mon avis, la réponse 3 est… à Chillon en janvier la dune du Pyla Mac Donald pour gagner de l'argent J'ai trouvé! 29 empreintes à Saint-Léonard en mai le Sahara Le comte des Îles Sandwich du Sud pour faire peur J'ai fini! plus de 500 empreintes 1 de Chine de Suisse La réponse 8 est… Abb. 30: Aufgabe C1: Questions (ebd.: 26 - 27) (2/ 2) 4 Forschungsdesign 139 les langues (f pl ) la rivière (f sg ) les fruits (m pl) l’animal (m sg) les lettres (f pl ) les couleurs (f pl ) les animaux (m pl ) les objets (m pl ) la rivière der Fluss la capitale die Hauptstadt le vin der Wein la monnaie das Geld le contraire das Gegenteil » Présentez les règles en classe. » Répondez aux questions. » Ecrivez quelques questions avec Quel? Quelle? Quels? Quelles? répondez antwortet est le plus petit canton de Suisse? sont les 2 langues parlées au Canada? rivière traverse la ville de Paris? est la capitale de l’Italie? fruits servent à faire du vin? animal s’appelle «le roi des animaux»? est la monnaie des Etats-Unis? est le contraire de «faux»? sont les 3 lettres pour appeler au secours? est la plus grande ville de Suisse romande? sont les couleurs de l’équipe de football «Young Boys»? animaux miaulent? est le dernier mois de l’année? objets servent à faire du feu? … Quel Quelle Quels Quelles Bâle-Ville Jura portugais et anglais anglais et français le Rhône la Seine Rome Naples les bananes les raisins le renard le lion Abb. 31: Aufgabe C2: Questions (Ganguillet et al. 2014a: 29) (1/ 2) 140 4 Forschungsdesign les chats les chiens janvier décembre les allumettes les crayons Korrigieren Corriger » Corrigez ensemble. Abb. 32: Aufgabe C2: Questions (Ganguillet et al. 2014a: 29) (2/ 2) Bei den Aufgaben zum Sprechen C1 und C2 (vgl. Abb. 30 und 32) lesen die Schülerinnen und Schüler die ergänzten Fragen vor, suchen die richtigen Antworten auf die gestellten Fragen und tauschen die Lösungen mit einer Mitschülerin oder einem Mitschüler aus. Für jede Frage stehen jeweils zwei Antwortmöglichkeiten zur Verfügung. Bei C1 ist ausserdem ein Bild abgedruckt, das die Lernenden an die Informationen aus dem vorangehenden Heft erinnern kann. Für den mündlichen Austausch stehen den Schülerinnen und Schülern die Satzanfänge A mon avis, la réponse 3 est … und La réponse 8 est... zur Verfügung. Weitere chunks zur Aufrechterhaltung der Interaktion wie Oui, c ’ est juste, Non, c ’ est faux, Je ne pense pas, J ’ ai autre chose: … etc. können sie bei Bedarf nachschlagen (vgl. Ganguillet et al. 2014b: 7 - 10). Wie bei Aufgabe A, dem Quiz, können die Lösungen bei C1 von den Schülerinnen und Schülern selbst nachgeschlagen werden. Bei C2 korrigieren sich die Schülerinnen und Schüler gegenseitig. Wie in allen anderen Aufgaben zum Sprechen der Lerneinheit ist vorgesehen, dass die mündliche Interaktion zwischen den Lernenden und nicht mit der Lehrperson stattfindet. 4.2.2.4 Aufgabe D: Trucs à savoir In activité D, den Trucs à savoir, beantworten die Schülerinnen und Schüler ebenfalls Wissensfragen (vgl. Abb. 33). Sie wählen aus verschiedenen Fragen eine aus, die sie interessiert, und versuchen, sie zu beantworten. Dazu lesen und hören sie einen Sachtext, den sie mithilfe von Strategien entschlüsseln (vgl. Abb. 34): 4 Forschungsdesign 141 » Lisez et écoutez les questions aux pages 33 et 34. » Choisissez une question qui vous intéresse. » Cherchez la réponse. Lisez et écoutez le texte correspondant à la page 12 ou 13. Appliquez les stratégies. Utilisez - si nécessaire - le dictionnaire «Quelle question! » à la page 88. Prenez des notes. 11 12-23 impossible unmöglich les billets die Banknoten Le mot «tulipe» vient de… Il signifie… Le mot «kiwi» désigne… Parce que… Les billets sont L'octopush est… Le plus long nom est… Abb. 33: Aufgabe D: Trucs à savoir (Ganguillet et al. 2014a: 26) (1/ 4) Abb. 34: Aufgabe D: Trucs à savoir (Ganguillet et al. 2014a: 12 - 13) (2/ 4) 142 4 Forschungsdesign A l’ abbé m der Abt l’ affaire f das Geschäft à la fois zugleich, gleichzeitig l’ aliment m das Lebensmittel à l’inverse de im Gegensatz zu l’ appel m der Anruf l’ assiette f der Teller l’ assurance f die Versicherung avant vor, vorher B bosser arbeiten le boulanger der Bäcker le bouquin das Buch bricoler basteln briser einschlagen C le cercle der Kreis convaincant, convaincante überzeugend le coton die Baumwolle coupable schuldig la Croix-Rouge das Rote Kreuz la crosse der Hockeystock D déchirer zerreissen de droite à gauche von rechts nach links défendre verteidigen L la lessive die Wäsche das Waschmittel M le mammifère marin das Meeressäugetier manger essen mourir Les mouches meurent. sterben Die Fliegen sterben. le Moyen Âge das Mittelalter N la nappe das Tischtuch la narine das Nasenloch négociateur, négociatrice geschickt im Verhandeln O occidental, occidentale westlich, abendländisch P le palet der Puck la pauvreté die Armut la personnalité die Persönlichkeit les premiers secours (m pl) Erste Hilfe prendre prendre un bain nehmen ein Bad nehmen R le repas die Mahlzeit résister à aushalten, vertragen S Dictionnaire «Quelle question! » D (pages 12 et 13), E (pages 14 et 15), F (pages 16 et 17) Abb. 35: Aufgabe D: Trucs à savoir (Ganguillet et al. 2014a: 88) (3/ 4) 4 Forschungsdesign 143 » Présentez la réponse à un autre groupe. Parlez français. » Continuez avec d’autres textes aux pages 12 et 13. Vous trouvez des textes «Trucs à savoir» supplémentaires sur le CD. Parce que… Le son circule à… Le corps est composé de… Les mouches… On perd… Nous utilisons… de droite à gauche von rechts nach links la vitesse die Geschwindigkeit le son der Ton le corps der Körper contient enthält facultatif Nous avons choisi la question… La question… nous intéresse. Nous pouvons répondre à la question… Activité D Abb. 36: Aufgabe D: Trucs à savoir (Ganguillet et al. 2014a: 27) (4/ 4) Das Layout der Sachtexte entspricht dem Original, da das Lehrwerk vorsieht, die Lernenden mit möglichst authentischen Texten zu konfrontieren. Die Texte weisen dadurch zwar eine hohe Komplexität auf, aber sie bieten auch die Möglichkeit, verschiedene Entschlüsselungsstrategien anzuwenden (Fotos, Zeichnungen, Illustrationen, Titel, Hervorhebungen, Sprechblasen mit direkter Rede etc.). Die Wissensfragen stammen aus den Fachbereichen Biologie, 144 4 Forschungsdesign Geografie, Geschichte, Physik, Anatomie oder Bewegung und Sport und beinhalten entsprechende Fachausdrücke, die die Lernenden in einem „ Dictionnaire des questions “ , der sich hinten im Heft befindet, nachschlagen können (vgl. Abb. 35). Beispielsweise müssen bei der Beschreibung der Sportart octopush Fachwörter wie la crosse (der Hockeystock) oder le palet (der Puck) verstanden werden, die im Fremdsprachenunterricht nicht gelernt werden. Nachdem die Schülerinnen und Schüler im Sachtext die Antwort auf die Frage gefunden haben, notieren sie diese in das dafür vorgesehene Feld in der activité (vgl. Abb. 33/ Abb. 36). Im Feld stehen Satzanfänge, die die Schülerinnen und Schüler mit den gefundenen Informationen auf Französisch ergänzen können. Für die Aufgabe zum Sprechen informieren die Lernenden eine andere Gruppe über die Antworten, die sie in Erfahrung gebracht haben. Dafür stehen ihnen ihre Notizen und die Sprechbausteine Nous avons choisi la question … , La question … nous intéresse oder Nous pouvons répondre à la question... zur Verfügung. Weitere chunks zur Aufrechterhaltung der Interaktion wie Répète, s ’ il te plaît, Je n ’ ai pas compris, Intéressant, Je le savais déjà o. ä. können sie bei Bedarf nachschlagen (vgl. Ganguillet et al. 2014b: 7 - 10). Die Wissensfragen der Trucs à savoir sind so knifflig, dass davon ausgegangen werden kann, dass es sich bei den mündlichen Interaktionen in Kleingruppen um einen echten Informationsaustausch handelt. Die Schülerinnen und Schüler lassen sich bei der Suche nach Antworten von ihren Interessen leiten und beantworten je nach Können und Wollen unterschiedlich viele Fragen. 4.2.2.5 Aufgabe E: Métiers In activité E, den Métiers, beschäftigen sich die Schülerinnen und Schüler mit ihrem Berufswunsch. Dafür wählen sie zuerst ein Profil, das am ehesten auf sie zutrifft (vgl. Abb. 37). Dann kreuzen sie Antworten auf einem schriftlichen Fragebogen an, die ebenfalls zu einem bestimmten Profil führen (vgl. Abb. 38). 4 Forschungsdesign 145 » Trouve ton profil. Coche les cases. Mon profil: Je suis plutôt… «nature» J’aime la nature. «manuel» Je suis doué / douée en travaux manuels. «utile aux autres» J’aime aider les autres. «artiste» Je suis créatif / créative. «scientifique» Les sciences m’intéressent. «communicant» Les médias me passionnent. «commercial» Le monde des finances me fascine. «gestionnaire» Je m’organise bien et j’aime diriger une équipe. » Lis et écoute le questionnaire «Et toi, tu feras quoi plus tard? » aux pages 14 et 15. Le dictionnaire à la page 88 peut t’aider à comprendre. » Réponds aux questions. Trouve ton profil aux «Solutions». Note le résultat. Est-ce que les deux profils sont identiques? Ce genre de questionnaire est comme un jeu. Il ne faut pas trop prendre au sérieux le résultat. » Echangez vos métiers notés et vos résultats. doué / douée begabt en travaux manuels handwerklich les sciences die Wissenschaft Je suis plutôt J’aimerais devenir… Selon l’enquête, je suis plutôt «…». A mon avis, je suis plutôt «…». Moi, j’aimerais faire… Abb. 37: Aufgabe E: Métiers (Ganguillet et al. 2014a: 37) (1/ 2) 146 4 Forschungsdesign Abb. 38: Aufgabe E: Métiers (Ganguillet et al. 2014a: 14 - 15) (2/ 2) Unbekannte Wörter oder Ausdrücke, wie beispielsweise die Berufe, können die Lernenden im „ Dictionnaire des questions “ am Ende des Hefts nachschlagen (z. B. ébéniste, Möbelschreiner). Wenn der neue Wortschatz mittels Strategien erschlossen werden kann (beispielsweise kann banquier als Kognat von „ Bankier “ erkannt werden), so steht er nicht im Wörterbuch (vgl. Abb. 35). Nach dem Ausfüllen des Fragebogens notieren die Schülerinnen und Schüler das Ergebnis. Für die Aufgabe zum Sprechen berichten die Schülerinnen und Schüler einander von ihren Berufswünschen und vergleichen ihre Annahme für ein bestimmtes Profil mit dem Ergebnis aus dem Fragebogen. Dafür stehen ihnen die Sprechbausteine J ’ aimerais devenir … , Moi, j ’ aimerais faire … , A mon avis, je suis plutôt „…“ oder Selon l ’ enquête, je suis plutôt „…“ zur Verfügung. Weitere chunks zur Aufrechterhaltung der Interaktion wie C ’ est vrai, Ah d ’ accord, Intéressant, Je pense aussi o. ä. können sie bei Bedarf nachschlagen (vgl. Ganguillet et al. 2014b: 7 - 10). 4 Forschungsdesign 147 4.3 Datenerhebung Die Datenerhebung findet zwischen Februar und Juni 2016 statt. Das Lehrwerk „ Mille feuilles “ (Ganguillet et al. 2014a) wird in den untersuchten 6. Klassen seit dem Schuljahr 2014/ 15 und zum Zeitpunkt der Erhebung also erst im zweiten Durchgang verwendet. Die Lehrpersonen und die Schülerinnen und Schüler werden bei insgesamt 8 bis 12 Französischstunden bei der Bearbeitung von Sprechaufgaben gefilmt und die Interaktionen zwischen den Fokusschülerinnen und -schülern werden zudem mit Videoresp. Audiorecordern aufgezeichnet. Alle Schülerinnen und Schüler füllen einen Fragebogen aus und einige von ihnen beteiligen sich an den Gruppendiskussionen. Alle vier Lehrpersonen füllen einen Fragebogen aus und nehmen am Ende der Beobachtung an einem problemzentrierten Interview teil. In den nachfolgenden Kapiteln werden die Phasen der Datenerhebung, der Datenaufbereitung und der Datenauswertung getrennt voneinander beschrieben und präsentiert, in der Forschungspraxis kommt es aber zu Überschneidungen. Für Kuckartz (2016) ist bereits die Grenze zwischen Datenerhebung und Datenanalyse fliessend, denn „ der gesamte qualitative Forschungsprozess [lässt sich] als ein Prozess der Datenanalyse begreifen, in dem es keine derart strikte Trennung zwischen Erhebung und Auswertung gibt “ (ebd.: 175). Im vorliegenden Projekt führe ich die Unterrichtsbeobachtungen und die Befragungen durch und es ist deshalb davon auszugehen, dass bestimmte Aussagen oder Beobachtungen „ mehr oder weniger automatisch schon während [der Erhebung] auf dem Hintergrund des eigenen Vorwissens und der Forschungsfrage bewerte[t] [werden] “ (ebd.: 175). Durch ein klar festgelegtes methodisches Vorgehen sollen diese Bewertungen, die grösstenteils unbewusst ablaufen, begrenzt werden. Aber wie bei der teilnehmenden Beobachtung bin ich als Forscherin im Klassenzimmer, nehme die Stimmung dort wahr, lerne die Lehrerinnen und die Lernenden persönlich kennen und bilde mir vorzu meine Meinung zu dem, was sich vor meinen Augen zuträgt (vgl. Lüders 2003: 151 - 153). Durch die unmittelbare Erfahrung der Situation werden für mich Aspekte beobachtbar, die in den ausgewählten Daten nicht zwingend sichtbar sind. Die Auswertung erfolgt zwar methodisch kontrolliert, aber es ist nicht ganz auszuschliessen, dass durch die Personalunion bei der Datenerhebung und -auswertung auch das implizite Wissen in die Interpretation einfliesst. Durch die Transkription ist auch der Übergang zwischen Datenaufbereitung und Datenauswertung fliessend, denn „ in allen Fällen mündlicher Textdaten beginnt die Auswertung [bereits] mit der Transkription “ (Tesch 2016: 15 - 16). Die Transkription stellt eine intensive Auseinandersetzung mit dem Daten- 148 4 Forschungsdesign material dar (vgl. Mempel/ Mehlhorn 2014: 148). Das mehrmalige Hören der Audiodateien für ein präzises Erfassen der Äusserungen resp. das mehrmalige Sehen der Videodateien führt zu einer vertieften Einsicht in die Daten, wie diese sonst nirgendwo im Forschungsprozess zu erlangen ist. Entscheidungen bei der Transkription in Bezug auf die Sequenzierung einer Einheit, der Prozess des Event-Samplings, das Erfassen nonverbaler Handlungen oder auch die Registrierung phonetischer Besonderheiten sind weitreichend und greifen bereits auf die Auswertung der Daten vor. Da für die hier vorliegende Arbeit alle Aufnahmen und alle Transkripte von mir selbst durchgeführt resp. erstellt werden, kann diese Erkenntnisebene sorgfältig ausgeschöpft werden. 4.3.1 Erhebungsinstrumente zur Unterrichtsbeobachtung Das Kernstück der erhobenen Daten bilden die Video- und Audioaufnahmen des Französischunterrichts. Das Videografieren von Unterricht ermöglicht ein präzises Erfassen des Unterrichtgeschehens, wie dies die Autoren der DESI- Studie (Helmke et al. 2008) beschreiben: • Beschreibung und Analyse der realen Unterrichtspraxis, insbesondere bei Themen, die sich einer Befragung von Lehrkräften oder Schülern entziehen oder für die ein mehrperspektivischer Ansatz sinnvoll erscheint; • Gewinnung verhaltensnaher Indikatoren der Unterrichtsqualität, um so genauere Hinweise zu deren Grundlagen und ihrer Rolle für die sprachliche Entwicklung zu erhalten; • Bestandsaufnahme der mündlichen Kommunikation von Schülerinnen und Schülern (ebd.: 345) Aus technischen Gründen rät das Forschungsteam der DESI-Studie explizit von Unterrichtsformen in Kleingruppen ab (vgl. ebd.). In der vorliegenden Untersuchung sind jedoch alle zu beobachtenden Sprechaufgaben in Paararbeit oder Kleingruppen vorgesehen. Um die verschiedenen Interaktionen festzuhalten, kommen bei der geplanten Datenerhebung mehrere Aufzeichnungsgeräte zum Einsatz: Nebst der Handkamera, mit der die Lehrperson und das Klassengeschehen allgemein aufgezeichnet werden, werden drei Audiorecorder eingesetzt, mit denen die Interaktionen der Fokusschülerinnen und -schüler festgehalten werden können. Dies führt zu einer stärkeren Orientierung an den Schülerinnen und Schülern und ihren Interaktionen als in früheren Studien zum Sprechen, was der Ausrichtung der Aufgaben des untersuchten Lehrwerks entspricht, bis dato jedoch noch wenig erforscht wurde: 4 Forschungsdesign 149 [Mit] dem Paradigmenwechsel vom Instruktionismus zum Konstruktivismus entstand, zeitlich versetzt, ein zweiter Schwerpunkt videobasierter Fremdsprachenforschung, der den Blick stärker auf die Lernenden richtet und somit auch Fragen der Interaktion bei Partner- und Gruppenarbeit vermehrt erforscht. [Diese Fragen sind] noch immer ein dringendes Desiderat fremdsprachendidaktischer Forschung (Schramm/ Aguado 2010: 191 - 192). Die Beobachtung des Handelns der Lehrpersonen und der Schülerinnen und Schüler findet im natürlichen Kontext statt, da die Akteurinnen und Akteure während ihres regulären Französischunterrichts beobachtet werden. Zugunsten des Erfassens von Lernendensprache in authentischen Lehr- und Lernsituationen wird von einer Elizitierung von Lernendensprache im Experiment abgesehen. Die Beschäftigung mit unter realen Praxisbedingungen entstandenen Produkten trägt einer Forschungslücke Rechnung und sie ist aufschlussreich, weil das Wissen über die Wirklichkeit des Fremdsprachenunterrichts und anderer fremdsprachenbezogener Lehr-/ Lernsituationen noch immer sehr begrenzt ist. Bisher gibt es noch immer viel zu wenige empirische Studien, die nicht oder nur wenig arrangierten Fremdspracheunterricht [ … ] untersuchen (Caspari 2016c: 200). Mit dieser Beobachtungsform wird in Kauf genommen, dass nur eine minimale Kontrolle über die zu erhaltenden sprachlichen Äusserungen ausgeübt werden kann (vgl. Mezger 2014: 74). Um sicherzustellen, dass in den augezeichneten Unterrichtsstunden effektiv die gewünschten Sprechaufgaben durchgeführt werden, finden im Vorfeld erste Kennenlerntreffen zwischen der Forscherin und den Lehrpersonen statt, bei denen die Aufgaben zur Förderung der Kompetenz des interaktiven Sprechens gesichtet und terminiert werden. In der untersuchten Lerneinheit ist pro activité jeweils ein solcher Sprechanlass vorgesehen, d. h. in den insgesamt sechs activités kommen sechs Aufgaben zur Förderung der Kompetenz des interaktiven Sprechens vor. Im Gespräch wird erklärt, dass die Lehrpersonen frei sind, bestimmte Aufgaben aus Überzeugung wegzulassen oder durch eigene Ideen oder Materialien zu ersetzen; schliesslich soll ihre Unterrichtspraxis erhoben und keine Laborsituation geschaffen werden. 4.3.2 Erhebungsinstrumente zur Befragung Zur Befragung werden Fragebögen für die Lehrpersonen und die Schülerinnen und Schüler erstellt und es werden Leitfäden für das problemzentrierte Interview resp. die Gruppendiskussion angefertigt, damit sich die Lehrpersonen 150 4 Forschungsdesign und die Schülerinnen und Schüler mündlich zu ihrem Französischunterricht äussern können. In der qualitativen Forschung spielt laut Mayring der verbale Zugang, das Gespräch, eine besondere Rolle [ … ]. Subjektive Bedeutungen lassen sich nur schwer aus Beobachtungen ableiten. Man muss hier die Subjekte selbst zur Sprache kommen lassen; sie selbst sind zunächst die Experten für ihre eigenen Bedeutungsgehalte (Mayring 2015: 66). Diese Prämisse gilt in der vorliegenden Untersuchung sowohl für die Erwachsenen als auch für die Kinder. Die Schülerinnen und Schüler sollen nicht als blosse Forschungsobjekte betrachtet werden, sondern „ als Experten ihrer Lebenswelt [ … ] als Forschungssubjekte selbst interviewt, befragt und beobachtet [werden] “ (Trautmann 2010: 46). 4.3.2.1 Fragebögen Es werden zwei Fragebögen erstellt: einer für die Lehrpersonen und ein anderer für die Schülerinnen und Schüler. Der Fragebogen für die Schülerinnen und Schüler (vgl. Anhang I.II) besteht aus drei Teilen. Er beinhaltet geschlossene und offene Fragen, wobei die Kombination von offenen und standardisierten Bestandteilen bewusst gewählt ist. Die geschlossenen Fragen sind weniger anspruchsvoll, weil sie sich durch Ankreuzen beantworten lassen. Für die offenen Fragen braucht es Erinnerungsvermögen und eigene Formulierungen, was für die Befragten aufwändiger ist (vgl. Albert/ Marx 2010: 71). Im ersten Teil des Fragebogens machen die Kinder Angaben zu ihrem sprachlichen und sozialen Hintergrund und geben an, wie sie in den Sprachfächern Deutsch, Französisch und Englisch benotet werden. 34 Der zweite Teil besteht aus einer offenen Frage zur produktiven Sprachkompetenz: Die Lernenden sollen notieren, was sie bereits auf Französisch sagen können. 35 Im dritten Teil sind Deskriptoren zum Ankreuzen aus dem Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen für Sprachen abgebildet (Europarat 2001: 37 - 38), mithilfe derer die Schülerinnen und Schüler ihre Sprechkompetenz einschätzen. Die Schülerinnen und Schüler kreuzen diejenigen Deskriptoren an, die ihre aktuellen Sprechkompetenzen am besten beschreiben. Zur Auswahl stehen einerseits Deskriptoren für das im Lehrplan vorgegebene Zielniveau der Zielstufe (A2.1) und andererseits Deskriptoren der 34 Die Angaben der Schülerinnen und Schüler zum ersten Teil des Fragebogens werden in Kap. 4.2.1 präsentiert. 35 Die Angaben der Schülerinnen und Schüler zum zweiten Teil des Fragebogens werden schliesslich für die Datenauswertung nicht beigezogen, da sie sich als zu ungenau erweisen. Offenbar sind sie noch nicht in der Lage, alles, was sie mündlich formulieren können, auch schriftlich wiederzugeben. 4 Forschungsdesign 151 nächsthöheren und der nächsttieferen Niveaustufe (A1.2 und A2.1) (vgl. Bertschy et al. 2015: 6). Im Fragebogen wird dafür ein Auszug aus dem Lingualevel-Raster (Lenz/ Studer 2007) verwendet, das auf dem GER-Beurteilungsraster basiert, das die Kompetenz Sprechen in die vier Bereiche Spektrum, Interaktion, Flüssigkeit und Korrektheit unterteilt und das Deskriptoren zu den Zwischenniveaus enthält (A1.2, A2.1, A2.2). 36 Der Fragebogen für die Lehrpersonen (vgl. Anhang I.I) besteht grösstenteils aus geschlossenen Fragen zum Ankreuzen. Sie machen Angaben zu ihren Sprachkenntnissen, zu ihrem beruflichen Werdegang, zu ihrer Erfahrung mit verschiedenen Französischlehrwerken und zu ihrer Tätigkeit an der Schule. Zwei offene Anlagen ( „ Sonstiges “ und „ Zusätzliche Bemerkungen “ ) sorgen für eine leichte Öffnung der Befragung. 37 4.3.2.2 Problemzentriertes Interview Das problemzentrierte Interview eignet sich, um die subjektiven Sichtweisen der Lehrpersonen möglichst genau zu erfassen (vgl. Trautmann 2014: 218 - 219). Die Problemzentrierung kennzeichnet dabei „ zunächst den Ausgangspunkt einer vom Forscher wahrgenommenen gesellschaftlichen Problemstellung “ (Witzel 1982: 67). Die „ Subjektiven Theorien “ der Lehrpersonen werden erst explizit und fassbar, wenn sie in einem Dialog zum Problem gemacht werden. Nohl (2017) unterscheidet zwischen „ atheoretischem Wissen “ und „ alltagstheoretischen “ resp. „ allgemeinverständlichen Begrifflichkeiten “ , und für die Überführung von einem Zustand in den anderen braucht es seines Erachtens das Explizieren: Erst wo wir gezwungen sind, Außenstehenden etwas zu erklären (wie etwa dem Kind das Schuhbinden), versuchen wir, den Gegenstand des habituellen Handelns und damit unser atheoretisches Wissen in alltagstheoretische und allgemeinverständliche Begrifflichkeiten zu überführen (ebd.: 6). Auch Flick (1989) weist darauf hin, dass die „ Subjektiven Theorien “ erst im Kontakt mit den Forschenden explizit werden: Das Subjekt lernt [ … ] seine Subjektive Theorie vollständig und in ihrer ganzen Komplexität erst in der Begegnung mit dem Wissenschaftler kennen und zwar im und durch den Rekonstruktionsvorgang (ebd.: 110). Flick (1989) versteht dabei Forschung als Rekonstruktion, d. h. die eingesetzten Methoden beschränken sich nicht auf die (möglichst getreue) Abbildung von 36 Die Angaben der Schülerinnen und Schüler zum dritten Teil des Fragebogens werden in Kap. 5.1.1, 5.2.1, 5.3.1, 5.4.1 präsentiert. 37 Die Angaben der Lehrpersonen sind in Kap. 4.2.1 präsentiert. 152 4 Forschungsdesign etwas Vorhandenem, sondern dienen vielmehr dazu, ein bestimmtes Forschungsprodukt herzustellen. Rekonstruktion beinhaltet dabei den Aspekt der Freilegung (nicht unbedingt bewusster) Strukturen und gleichzeitig auch die Herstellung solcher Strukturen auf methodischem Weg (vgl. ebd.: 111). Während die Lehrpersonen im Unterricht beispielsweise bei der Anleitung zu einem Sprechanlass eher „ atheoretisch “ handeln, wird durch die problemzentrierten Interviews das konkrete Handeln zum Problem gemacht, damit sie ihre ursprüngliche „ Subjektive Theorie “ dazu rekonstruieren können. Somit sind „ die subjektiven Theorien [ … ] in der letztlich vorliegenden Form ein Produkt der Erhebungssituation “ (Kallenbach 1996: 50). Caspari (2003) weist auf den doppelten Produktcharakter hin: Zum einen entsteht er dadurch, dass die Dialogsituation den Untersuchungspartner dazu animiert, umfassender, präziser und tiefsinniger zu reflektieren, als es im Alltag der Fall wäre. Zum zweiten entsteht er dadurch, dass die Theorien von ihm nicht ad hoc darstellbar sind, sondern aus all ’ dem, was er an Überlegungen zu einem bestimmten Gegenstand zusammenträgt, rekonstruiert werden müssen (ebd.: 79). Die problemzentrierten Interviews werden anhand eines Leitfadens im Sinne einer offenen, halbstrukturierten Befragung durchgeführt. Der Vorteil der Offenheit besteht darin, dass die Befragten frei antworten können, ohne sich auf vorgegebene Antwortmöglichkeiten festlegen zu müssen (Mayring 2015: 68). Die Strukturierung durch den Leitfaden ist hilfreich für das vergleichende Analysieren der verschiedenen Befragungen. Witzel (1982) beschreibt die Funktion des Leitfadens als „ Gedächtnisstütze für den Interviewer “ . Deshalb sei in ihm „ der gesamte Problembereich in Form von einzelnen, thematischen Feldern formuliert, unter die in Stichpunkten oder in Frageform gefasste Inhalte des jeweiligen Feldes subsumiert sind “ (ebd.: 90). Für die vorliegende Untersuchung wird für das problemzentrierte Interview ein Leitfaden nach der SPSS-Methode (vgl. Helfferich 2004: 161 ff.) entwickelt (vgl. Anhang I.III): Sammeln von Fragen, Prüfen der Relevanz und Formulierungen, Sortieren in thematische Blöcke und Subsumieren der Stichworte unter übergeordnete Erzählaufforderungen. Danach wird der Interviewleitfaden in einer Pilotphase erprobt und im Anschluss daran überarbeitet. Der fertige Leitfaden enthält drei Fragetypen: eine Sondierungsfrage für die Eröffnung des Interviews, wobei es sich um eine allgemein gehaltene Einstiegsfrage in die Thematik handelt, die Leitfadenfragen, mit denen jene Themenaspekte angesprochen werden, die als wesentliche Fragestellungen im Leitfaden festgehalten sind, und eine bilanzierende Frage, die das Thema in seiner Ganzheit nochmals in den Blick nimmt und sicherstellt, dass nichts Wichtiges ungenügend zur Sprache gekommen ist. Die Lehrpersonen werden 4 Forschungsdesign 153 auch zu den Leistungen der Schülerinnen und Schüler in Bezug auf die Kompetenz Sprechen befragt. Als Hilfestellung für die Einschätzung ihrer Schülerinnen und Schüler wird ihnen das Lingualevel-Raster von A1.2 bis A2.2 vorgelegt (Lenz/ Studer 2007). 38 4.3.2.3 Gruppendiskussion Die Methode der Gruppendiskussion ist dann zielführend, wenn „ das Forschungsinteresse nicht darin liegt, individuelle Meinungen zu erfassen und zu sammeln, sondern die Meinung einer Gruppe “ (Daase et al. 2014: 115). Die Wahrnehmungen von Schülerinnen und Schülern sind stark an soziale Zusammenhänge gebunden, weshalb sie in einer sozialen Situation - also in der Gruppe - erhoben werden (vgl. Mayring 2015: 76 - 77). Damit sich im Gespräch eine Gruppendynamik entwickeln kann, soll eine Gruppendiskussion möglichst wenig moderiert werden (vgl. Flick 2010: 137). Allerdings wird die Diskussion durch sogenannte Reize animiert. Für die Gruppendiskussion werden drei Reizargumente zusammengestellt (vgl. Anhang I.IV). Zudem wird ein Leitfaden mit einleitenden Worten, Fragen und Kommentaren zu den Reizargumenten und einer abschliessenden Frage zum Erleben der Gruppendiskussion verfasst (vgl. Mayring 2015: 78). Als erster Reiz dient eine Kopie aus dem Lehrwerk mit einer Sprechaufgabe zur Förderung der mündlichen Interaktion aus der beobachteten Lerneinheit. Als zweiten Reiz sehen sich die Schülerinnen und Schüler ein Video an, auf dem gleichaltrige, aber ihnen nicht bekannte Jugendliche sich zu einer anderen Aufgabe aus derselben Lerneinheit auf Französisch austauschen. Als dritter Reiz dient eine Illustration mit den verschiedenen Phasen des Sprechvorgangs in Anlehnung an das Modell von Levelt (1989). Es ist geplant, dass an den Gruppendiskussionen jeweils sechs bis acht Schülerinnen und Schüler teilnehmen. Damit mehr als die Hälfte der Schülerinnen und Schüler einer Klasse zur Sprache kommt, finden für drei Klassen jeweils zwei resp. drei Gruppendiskussionen statt. Für eine Klasse ist aufgrund der kleineren Klassengrösse eine Gruppendiskussion ausreichend. 39 38 Die Aussagen der Lehrpersonen im problemzentrierten Interview werden in zwei verschiedenen Kapiteln präsentiert: Die Subjektiven Theorien der Lehrpersonen zu den Sprechaufgaben werden in Kap. 5.1.2.1, 5.2.2.1, 5.3.2.1, 5.4.2.1 ausgewertet. Die Einschätzungen zu den Leistungen ihrer Schülerinnen und Schüler sind in Kap. 5.1.1, 5.2.1, 5.3.1, 5.4.1 dargestellt. 39 Die Aussagen der Schülerinnen und Schüler in den Gruppendiskussionen werden in Kap. 5.1.2.2, 5.2.2.2, 5.3.2.2, 5.4.2.2 präsentiert. 154 4 Forschungsdesign 4.4 Datenaufbereitung Nach der durchgeführten Datenerhebung müssen die Daten für die Datenauswertung nutzbar gemacht werden. Die Datenaufbereitung umfasst zunächst die Auswahl der Daten. Im Anschluss daran werden die mündlichen Texte mittels der Transkription fixiert. 4.4.1 Datenauswahl Vor der Datenaufbereitung werde ich für alle Datensätze prüfen, welche Elemente relevant für die Beantwortung der Forschungsfragen sind. Von den mündlichen Befragungen ist geplant, sämtliche Gespräche vom Anfang bis zum Schluss zu transkribieren. Ich gehe davon aus, dass alle Antworten von Relevanz sind, da die problemzentrierten Interviews und die Gruppendiskussionen leitfadengestützt durchgeführt werden und die Leitfäden wiederum Bezug auf die Forschungsfragen nehmen. Insgesamt sollen Aufnahmen von vier problemzentrierten Interviews und acht Gruppendiskussionen vorgenommen werden (vgl. Tab. 28): Problemzentriertes Interview mit der Lehrperson Erste Gruppendiskussion mit 6 bis 8 Schülerinnen und Schülern Zweite Gruppendiskussion mit 6 bis 8 Schülerinnen und Schülern Dritte Gruppendiskussion mit 6 bis 8 Schülerinnen und Schülern Klasse Längmatt Klasse West Klasse Amrein Klasse Hoger Tab. 28: zu erwartende Datensätze aus der mündlichen Befragung Bei den Daten zur Unterrichtsbeobachtung muss voraussichtlich stark selektiert werden. Insgesamt werden ungefähr 1 ’ 800 Filmminuten und drei Mal so viele Audiominuten vorliegen, da ich ganze Unterrichtsstunden aufzeichnen werde, die Sprechaufgaben zur Förderung der mündlichen Interaktion jedoch 4 Forschungsdesign 155 nur einen Teil davon ausmachen. Für die Datenauswahl werde ich das Vorgehen des „ Event-Sampling “ wählen: Laut Grum/ Legutke ist „ diese Sampling- Strategie [ … ] vorwiegend in der Videoforschung vertreten und filtert bestimmte niedrig- oder hochinferente Phänomene [ … ] aus dem Videomaterial heraus “ (Grum/ Legutke 2016: 86). Herausgefiltert werden einerseits die Anleitungen der Lehrpersonen zu einer Sprechaufgabe und andererseits alle mündlichen Interaktionsmomente der Schülerinnen und Schüler bei der Bearbeitung einer solchen Aufgabe. Keine der vier Lehrerinnen plant, mit ihrer Klasse alle fünf Sprechaufgaben aus der Lerneinheit durchzuführen. Sie lassen bestimmte Aufgaben zum interaktiven Sprechen weg, weil sie schneller zur nächsten Lerneinheit gelangen wollen, weil sie nicht zu ihrer Schlussaufgabe passt oder weil eine Aufgabe sie nicht überzeugt. Dies führt zu folgenden erwarteten Aufnahmedaten (vgl. Tab. 29): Sprechen in activité A: Quiz Sprechen in activité B: Questionnaire Sprechen in activité C: Questions Sprechen in activité D: Trucs à savoir Sprechen in activité E: Métiers Klasse Längmatt Klasse West Klasse Amrein Klasse Hoger Tab. 29: zu erwartende Datensätze aus der Unterrichtsbeobachtung So wird jede Aufgabe aus den activités A bis E in mindestens zwei Klassen bearbeitet, wovon grundsätzlich die Anleitung der Lehrperson und das Bearbeiten der Aufgabe durch die sechs Fokusschülerinnen und -schüler aufgezeichnet werden können. 40 40 Bei der Datenerhebung zeigt sich, dass es auch Übungsmomente gibt, zu denen keine explizite Anleitung der Lehrperson vorhanden ist (zum Beispiel ist dies bei den Trucs à savoir von activité D in der Klasse Hoger der Fall) oder bei denen die Aufgabe nicht in Paararbeit, sondern im Plenum bearbeitet wird (dies ist beispielsweise in beiden Klassen, die die Métiers von activité E bearbeiten, der Fall). Bei letzterer Situation wird die gesamte Sequenz ausgewählt, was für die Datenaufbereitung bedeutet, dass nicht nur die 156 4 Forschungsdesign 4.4.2 Datenüberführung in Excel für die quantitative Analyse Die schriftlichen Angaben auf den Fragebögen der Lehrpersonen und der Schülerinnen und Schüler werde ich in ein Excel-Sheet übertragen, so dass sie für eine Auszählung weiterverwendet werden können. Nebst präzisen Angaben zu den Probandinnen und Probanden dienen die Angaben auf den Fragebögen dazu, die Forschungsfragen 1a) und 1b) zu beantworten. Für die Beantwortung der Forschungsfrage 1b) „ Wie schätzen die Schülerinnen und Schüler ihre Sprechkompetenzen ein? “ muss die prozentuale Verteilung der schriftlichen Angaben der Schülerinnen und Schüler auf A1.2, A2.1 und A2.2 errechnet werden können. Da die Schülerinnen und Schüler im Fragebogen mehrere Kreuze pro Bereich setzen können, falls ihrer Meinung nach mehrere Deskriptoren ihre Kompetenzen beschreiben, übersteigen die Prozentzahlen zu den drei Niveaus A1.2, A2.1 und A2.2 voraussichtlich teilweise 100 %. Für die Beantwortung der Forschungsfrage 1a) „ Wie schätzen die Lehrpersonen die Sprechkompetenzen ihrer Schülerinnen und Schüler ein? “ müssen die Angaben der Lehrpersonen zur Einschätzung der Sprechkompetenz ihrer Schülerinnen und Schüler in ein Raster von A1.2 bis A2.2 eingefügt werden (vgl. Anhang II.III). Falls bei der Analyse und Interpretation zur Einschätzung der Sprechleistungen weitere Auszüge aus den problemzentrierten Interviews beigezogen werden, die nicht im Raster aufgeführt sind, werden sie als solche gekennzeichnet und sind ebenfalls im Anhang zu finden (III.I: Transkripte der problemzentrierten Interviews). 4.4.3 Datentranskription für die qualitative Analyse 4.4.3.1 Vorgehen und Regeln Die mündlichen Primärdaten, also die Aussagen in den problemzentrierten Interviews und den Gruppendiskussionen sowie die sprachlichen Äusserungen im Unterricht, sollen mittels Transkription in Sekundärdaten überschrieben und so für eine qualitative Auswertung zugänglich gemacht werden (vgl. Fu β / Karbach 2014: 15/ 25). In der vorliegenden Studie ist vorgesehen, alle Transkripte computergestützt mit dem System EXMARaLDA zu erstellen. Es wird angestrebt, dass alle Transkripte vollständig nachgelesen werden können (vgl. Anhang III), um das Gütekriterium der intersubjektiven Nachvollziehbarkeit einzulösen, nach dem „ die Leserinnen und Leser am Material selbst die Interpretation nachvollziehen und bei Bedarf im Anhang der Forschungsarbeit Äusserungen der Fokusschülerinnen und -schüler transkribiert werden müssen, sondern alle Lernendenäusserungen aus der gefilmten Sequenz. 4 Forschungsdesign 157 den Transkriptausschnitt in seinem Kontext situiert nachlesen können “ (Schwab/ Schramm 2016: 288). Beim Transkribieren werden die echten Namen der Lehrerinnen und der Fokusschülerinnen und -schüler durch die fiktiven Namen ersetzt und es sollen auch Kürzel verwendet werden. Jedes Transkript muss mit einem Transkriptionskopf beginnen, um einen Überblick über die wesentlichen Merkmale des Transkripts zu schaffen (vgl. Dittmar 2009: 97). Der Transkriptionskopf enthält den Titel des Transkripts (Kürzel) und die Angaben zu den Sprecherinnen und Sprechern (Kürzel der am Gespräch beteiligten Personen, Pseudonyme, Angabe des Geschlechts). Es ist vorgesehen, folgende Kürzel in den Transkripten zu verwenden (vgl. Tab. 30): Datensätze I I = Interview G G = Gruppendiskussion U U = Unterrichtsbeobachtung A, B, C, D, E A = Unterrichtsbeobachtung von Aufgabe A: Quiz B = Unterrichtsbeobachtung von Aufgabe B: Questionnaire C = Unterrichtsbeobachtung von Aufgabe é C: Questions D = Unterrichtsbeobachtung von Aufgabe D: Trucs à savoir E = Unterrichtsbeobachtung von Aufgabe E: Métiers Klassen K1, K2, K3, K4 K1 = Klasse 1: Längmatt K2 = Klasse 2: West K3 = Klasse 3: Amrein K4 = Klasse 4: Hoger Personen L1, L2, L3, L4 L1 = Lehrerin 1: Frau Müller L2 = Lehrerin 2: Frau Huber L3 = Lehrerin 3: Frau Schmid L4 = Lehrerin 4: Frau Gerber FS1, FS2, FS3, FS4, FS5, FS6 FokusschülerIn 1, FokusschülerIn 2, FokusschülerIn 3, FokusschülerIn 4, FokusschülerIn 5, FokusschülerIn 6 Su1, Su2, Su3 Lernendengruppe 1, Lernendengruppe 2, Lernendengruppe 3 I Interviewerin Mögliche Kombinationen IK1L Interview mit der Lehrerin an der Klasse Längmatt 158 4 Forschungsdesign GK2Su1 Gruppendiskussion an der Klasse West, mit der Lernendengruppe 1 UAK3L Unterrichtsbeobachtung der Aufgabe A (Quiz) an der Klasse Amrein, Einführung durch die Lehrperson UDK4Su1 Unterrichtsbeobachtung der Aufgabe D (Trucs à savoir) an der Klasse Hoger, Bearbeitung durch die Lernendengruppe 1 Tab. 30: Kürzel in den Transkripten Für alle Transkripte sollen die Transkriptionsregeln nach Fu β / Karbach (2014) gelten, die sich u. a. am Transkriptionsregelsystem von Kuckartz (2018) orientieren. Ich werde mich in der vorliegenden Untersuchung an folgende Transkriptionskonventionen halten (vgl. Tab. 31): Pause (.) Pause bis zu einer Sekunde (2) Angabe der Pausenlänge in Sekunden Dehnung ja: : : „ : “ am Ende der gedehnten Silbe oder des gedehnten Wortes Die Anzahl des Zeichens „ : “ entspricht ungefähr der Länge der Dehnung. Wortabbruch Franz- „ - “ am Ende des abgebrochenen Wortes Nicht-sprachliches Ereignis (leise) „ ( … ) “ rund um paraverbale Phänomene (lacht) „ ( … ) “ rund um nonverbale Handlungen oder Geräusche Lautzeichen [f ʁɑ ̃ se] „ [ … ] “ rund um die Lautzeichen Auslassung [ … ] „ [ … ] “ rund um nicht transkribierte Sequenzen; mit Angabe der Zeitdauer (unverständlich) „ (unverständlich) “ hinter Passagen, die nur undeutlich zu verstehen sind Tab. 31: Transkriptionsregeln 4 Forschungsdesign 159 Abhängig vom angestrebten Forschungsziel muss ein Transkript mehr oder weniger detailreich sein (vgl. Mempel/ Mehlhorn 2014: 148). Die Detailgenauigkeit kann mittels einer stärkeren oder schwächeren Glättung gesteuert werden. Dies äussert sich in folgenden Bereichen: • Phonetik: Phonematische Transkriptionen sind notwendig, wenn die Transkripte für eine Analyse der Lernendensprache herangezogen werden. Pseudotranskriptionen (z. B. Ättenschn! für die Aussprache von engl. attention), wie sie sich laut Mempel/ Mehlhorn (ebd.: 154) häufig in belletristischen oder populärwissenschaftlichen Publikationen finden, genügen den Ansprüchen empirischer Fremdsprachenforschung nicht. Dient das Transkript in erster Linie der Erfassung des Inhalts, braucht es weniger Informationen in Bezug auf die Sprache. • nonverbale und paraverbale Handlungen: Nonverbale und paraverbale Handlungen werden je nach Forschungsziel berücksichtigt oder weggelassen (vgl. ebd.: 149). • Wechsel von Sprecherinnen und Sprechern: Wortwechsel sowie Sprech- und Handlungsüberlappungen kommen häufig vor, wenn mehrere Personen an einem Gespräch beteiligt sind. Wenn die Synchronizität für das Forschungsziel von Belang ist, kann sie mittels der Partiturschreibweise sichtbar gemacht werden (vgl. ebd.: 151). In einem Transkript können die verschiedenen Ebenen unterschiedlich berücksichtigt werden, indem die Sekundärdaten mehr oder weniger geglättet dargestellt sind: Steht der Inhalt der Aussagen im Vordergrund, so genügt ein Transkript mit einer leichten Glättung, d. h. umgangssprachliche Ausdrucksweisen und fehlerhafte Ausdrücke oder ein fehlerhafter Satzbau werden beibehalten, auch wenn die Transkription sich ansonsten der Standardorthografie annähert (vgl. Fu β / Karbach 2014: 40). Steht die Form der Aussagen im Vordergrund, braucht es ein Transkript, das die Sprache lautgetreu wiedergibt und auch die Intonation verschriftlicht. Durch die unterschiedlich starke Glättung ergeben sich folgende Unterschiede in der Transkription (vgl. Tab. 32): 160 4 Forschungsdesign Keine Glättung Leichte Glättung Alphabet Kombination des internationalen phonetischen Alphabets (IPA) und des lateinischen Alphabets Lateinisches Alphabet Satzzeichen stehen für die Intonation am Ende einer sprachlichen Einheit werden nach den grammatikalischen Regeln gesetzt . Senken der Stimme ? Heben der Stimme Gross- und Kleinschreibung generelle Kleinschreibung Grossbuchstaben stehen für besonders laute Redebeiträge erfolgt nach den grammatikalischen Regeln Fehler * vor einer fehlerhaften Äusserung (sic! ) nach einer fehlerhaften Äusserung Tab. 32: Unterschiede in den Transkriptionsregeln je nach Glättung Die verschiedenen Datensätze der vorliegenden Studie verfolgen unterschiedliche Forschungsziele. Im Folgenden wird in Bezug auf das jeweilige Forschungsziel der Daten aufgezeigt, in welcher Form sie transkribiert werden sollen. 4.4.3.2 Transkription der Befragungen Bei den problemzentrierten Interviews und den Gruppendiskussionen liegt die Priorität auf dem Inhalt der Aussagen. Es geht primär darum, Wissen und Einstellungen zu ermitteln, weswegen für diese Datensätze leicht geglättete Transkripte erstellt werden sollen. 4.4.3.2.1 Problemzentrierte Interviews Die problemzentrierten Interviews werden durchgeführt, um Antworten auf die Forschungsfrage 2a) „ Welche Subjektiven Theorien haben die Lehrpersonen zu den Aufgaben zum interaktiven Sprechen? “ zu erhalten. Die Aussagen sollen leicht geglättet und als einfache Textnotationen abgebildet werden (vgl. Abb. 39): 4 Forschungsdesign 161 Transkript: IK2L Angaben zu den Sprecherinnen und Sprechern I: Interviewerin f L2: Lehrperson 2 (Frau Huber) f I: (installiert Kamera) Also. Vielen Dank (Name von L2), dass du dir Zeit nimmst, für dieses Interview. Wie du weisst, möchte ich mehr erfahren darüber, wie dass Primarschülerinnen und Primarschüler Französisch sprechen lernen. #00: 00: 19-8# L2: Mhm. #00: 00: 20-4# I: Und mich interessiert vor allem, was deine Erfahrungen sind mit dem Lehrmittel "Mille feuilles", wie du die Angebote daraus umsetzt und was du darüber denkst. Und als erstes, das nennt sich die Sondierungsfrage: Es geht also um den Erwerb der Kompetenz Sprechen mit "Mille feuilles". Bitte erzähl mir einfach ganz spontan, was dir dazu einfällt. Du kannst weit ausholen und wir können nachher auch auf die einzelnen Punkte zurückkommen, wenn du etwas vergisst. Aber einfach, welche Aspekte wenn du hörst "Spracherwerb", "Sprechen" mit "Mille feuilles", was kommt dir da alles in den Sinn? #00: 00: 57-7# L2: Ja, also vor allem, dass das Lehrmittel sehr vielfältig ist. Und dass die Kinder relativ viele Möglichkeiten haben, die Sprache anzuwenden. Und was mir gefällt sind die Hilfsmittel, die sie dafür haben. Also diese Sprechblasen und ja, was haben sie noch für Hilfsmittel? (lacht) #00: 01: 23-6# I: Vielleicht die revue oder so? #00: 01: 27-0# L2: Genau. Genau in der revue hat's auch genau diese vorgefertigten Satzanfänge oder Teilstücke. Genau. Und ehm. Ja. Noch schwierig, einfach so spontan auszuholen. #00: 01: 47-1# Abb. 39: Transkription der problemzentrierten Interviews (Anhang III. I.II) 4.4.3.2.2 Gruppendiskussionen Die Gruppendiskussionen werden durchgeführt, um Antworten auf die Forschungsfrage 2b) „ Wie nehmen die Schülerinnen und Schüler den Umgang mit den Aufgaben zum interaktiven Sprechen wahr? “ zu erhalten. Die Aussagen der Schülerinnen und Schüler sollen wie diejenigen der Lehrerinnen aus den problemzentrierten Interviews leicht geglättet und als einfache Textnotationen abgebildet werden. Da geplant ist, dass zwischen sechs und acht Schülerinnen und Schülern an den Gesprächen beteiligt sind, kommt es voraussichtlich zu Überlappungen bei den Äusserungen, die teilweise gleichzeitig stattfinden. Aus diesem Grund sollen die Gruppeninterviews in der Partiturschreibweise transkribiert werden (vgl. Abb. 40): 162 4 Forschungsdesign [4] .. 3 [00: 27.7] 4 [00: 36.8] I [v] Französischunterricht. S1 [v] (schaut auf das Blatt) S2 [v] (schaut zu S4, lacht) S3 [v] Oh Gott! S4 [v] (schaut zu S2, lacht) S5 [v] Also was meinen Sie mit "wie man [5] .. 5 [00: 43.2] 6 [00: 45.2] I [v] Ja. Wie braucht ihr die? Also zuerst S5 [v] umgeht damit"? Wie wir die anschauen und ehm? [6] .. 7 [00: 48.1] I [v] schaut ihr sie zusammen an? S5 [v] Hm. Manchmal schauen wir sie an und manchmal nicht. Abb. 40: Transkription der Gruppendiskussionen (Anhang III.II.V) 4.4.3.3 Transkription der Unterrichtsbeobachtungen mit Fokus auf die Lehrpersonen Die Unterrichtsbeobachtungen haben nicht nur den Inhalt zum Thema, sondern auch das sprachliche und nicht-sprachliche Handeln. Folglich müssen hier auch phonetische Phänomene und nonverbale Handlungen erfasst werden. Dies bedeutet, dass für die Unterrichtsgespräche Transkripte mit wenig Glättung erstellt werden müssen. Im beobachteten Unterricht sind vermutlich in den allermeisten Fällen mehrere Personen an einem Gespräch beteiligt. Deswegen ist vorgesehen, die Interaktionen ebenfalls in der Partiturschreibweise abzubilden. 4.4.3.3.1 Transkription der Unterrichtsbeobachtungen Die Unterrichtsbeobachtungen mit Fokus auf die Lehrpersonen haben zum Ziel, Antworten auf die Forschungsfrage 3a) „ Wie gehen die Lehrpersonen mit den Aufgaben zum interaktiven Sprechen um? “ zu erhalten. Für das Forschungsziel ist es relevant zu erfahren, was die Lehrpersonen in welcher Sprache sagen. Für das Handeln der Lehrpersonen sollen deshalb Wort-für- Wort-Transkripte erstellt werden, die die Äusserungen der Lehrpersonen auf Deutsch, Französisch und Schweizerdeutsch orthographisch wiedergeben. Da die Lernendensprache der Lehrpersonen nicht Gegenstand der vorliegenden Untersuchung ist, müssen keine phonetischen Transkriptionen vorgenommen werden - es sei denn, eine Abweichung im Bereich der Lexik, der Grammatik oder der Aussprache von der sprachlichen Norm diene als Erklärung für ein 4 Forschungsdesign 163 bestimmtes beobachtetes Phänomen bei der Analyse der Lernendenäusserungen. 4.4.3.3.2 Unterrichtsbeobachtungen mit Fokus auf die Schülerinnen und Schüler Mit den Unterrichtsbeobachtungen mit Fokus auf die Schülerinnen und Schüler strebe ich an, Antworten auf die Forschungsfrage 3b) „ Wie gestaltet sich die mündliche Interaktion der Schülerinnen und Schüler bei der Bearbeitung der Aufgaben zum Sprechen? “ zu erhalten. Für das Forschungsziel ist es relevant zu erfahren, welche sprachlichen Äusserungen die Schülerinnen und Schüler machen und wie sie diese vollziehen: Aussprache, Wiederholungen, Auslassungen, Zögern, Fehler oder auch Sprachenwechsel müssen deshalb präzise erfasst werden. Für das Handeln der Lernenden sollen lautsprachliche Transkripte erstellt werden, die die Äusserungen auf Französisch phonematisch wiedergeben. Äusserungen auf Deutsch, Schweizerdeutsch oder in anderen Sprachen können orthographisch abgebildet werden. Der besseren Lesbarkeit halber soll im Transkript in einer Zeile unterhalb der phonematischen Transkription auch die orthographische Schreibweise angefügt werden (vgl. Abb. 41). [7] 16 [03: 29.7] 17 [03: 40.7] SYBILLE [v] (hört bei anderer Gruppe mit; Lehrerin erklärt die Frage zu Venedig) [k l e l ply OrthoFS1 [v] Quel est le [8] . . 18 [03: 44.1] 19 [03: 50.3] SYBILLE [v] g animal ma ] (4) [la bal ? (hebt Hand hoch, L4 kommt zu ihr) OrthoFS1 [v] plus grand animal marin? la baleine [9] 20 [03: 56.1] 21 [04: 00.1] SYBILLE [v] [kesk sa vœ di n alm ein OrthoFS1 [v] Qu'est-ce que ça veut dire en allemand la baleine? L4 [v] la baleine c'est le poisson Abb. 41: Transkription sprachlicher Äusserungen im Unterricht (Anhang III.IV.IV) 4.5 Datenauswertung: Methodik In diesem Kapitel geht es um die methodischen Ansätze, die für die Auswertung der Daten in der vorliegenden Studie verwendet werden sollen. Dabei 164 4 Forschungsdesign werden die Entscheidungen transparent gemacht, die während des Forschungsprozesses in Bezug auf die Methodik von Relevanz sind. Das Offenlegen der methodischen Reflexionen soll als Antwort auf die Kritik der ungenauen Methodenbeschreibung in Qualifikationsarbeiten verstanden werden: Sogar in Großprojekten [ … ] findet man häufig nur sehr unpräzise Beschreibungen des Vorgehens bei der Datenauswertung. Eher floskelhaft wird lediglich beschrieben, man habe sich „ an der Grounded Theory orientiert “ , „ nach Mayring ausgewertet “ , sei „ inhaltsanalytisch vorgegangen “ oder habe „ verschiedene Verfahren kombiniert und abgekürzt “ (Kuckartz 2012: 20). Zudem lässt sich durch eine präzise Beschreibung der Methodik die Interdependenz zwischen Forschungsfragen, Datensammlung und Auswertungsmethode aufzeigen. Im Dissertationsprojekt liegen voraussichtlich nach der Datenerhebung und -aufbereitung fünf verschiedene Datensätze vor: 1. Fragebögen 2. Problemzentrierte Interviews 3. Gruppendiskussionen 4. Unterrichtsbeobachtung mit Fokus auf die Lehrpersonen 5. Unterrichtsbeobachtung mit Fokus auf die Schülerinnen und Schüler Die Daten aus den Fragebögen sollen einer quantitativen Analyse unterzogen werden. Bei der quantitativen Analyse handelt es sich um eine rein beschreibende Statistik (Albert/ Marx 2010: 111). 41 Für die Einstufung der Bildungsnähe der Eltern wird die in der Schweiz gängige ISCO-08-Skala verwendet (International Labour Organization (2008): International Standard Classification of Occupations). 42 Die vier anderen Datensätze sollen qualitativ ausgewertet werden. Im Folgenden werden die qualitativ orientierten Auswertungsmethoden näher beschrieben. Für das Dissertationsprojekt wird ein induktiver Zugang gewählt, da für die mündliche Interaktion in der Fremdsprache erst wenige Studien vorliegen. 41 Der Datensatz bietet keine Grundlage für inferentielle Statistik oder Berechnungen von Standardabweichungen, da die Klassengruppen dafür zu klein sind (Albert/ Marx 2010: 117). 42 „ Die ISCO-08 ist die internationale Berufsnomenklatur (ISCO = International Standard Classification of Occupations). Sie ermöglicht die internationale Vergleichbarkeit von Statistiken über die ausgeübten Berufe. Wegen ihrer hierarchischen Gliederung kann sie auch für Analysen zur Sozialstruktur der Bevölkerung angewendet werden “ (EDI 2019: 1). 4 Forschungsdesign 165 Dies hat zur Folge, dass im Sinne der Grounded Theory keine Theorieüberprüfung, sondern eine Theoriegenerierung stattfindet (vgl. Glaser/ Strauss 1967: 20). Grounded Theory meint nicht nur die Entstehung einer neuen Theorie, sondern auch das Verfahren an sich, das in der „ zeitliche[n] Parallelität und wechselseitige[n] funktionale[n] Abhängigkeit der Prozesse von Datenerhebung, -analyse und Theoriebildung “ (Strübing 2004: 14) besteht. Entsprechend strukturiert sich die Forschungsarbeit im Dissertationsprojekt wie folgt: Die Forschungsarbeit beginnt mit der Datenerhebung und parallel dazu konkretisiert sich das Erkenntnisinteresse. Anschliessend werden für eine erste Datenanalyse passende Sequenzen aus den Daten zur Aussen- und Innenperspektive identifiziert und transkribiert und die Forschungsfragen präzisiert (vgl. Kuckartz 2016: 46). Wie dies im qualitativen Forschungsprozess häufig der Fall ist, stellt sich erst mit dem Vorliegen der endgültigen Forschungsfragen und der erhobenen und aufbereiteten Daten die Frage nach der passenden Auswertungsmethode (Burzan 2016: 17). Es gilt also, für die Auswertung der verschiedenen Datensätze die Methode mit der grössten Passung zu eruieren. Um möglichst grosse Sicherheit im Entscheidungsprozess zu erlangen, werden Teile der Daten mit zwei verschiedenen Methoden analysiert, nämlich sowohl mit der Qualitativen Inhaltsanalyse (QI) (Mayring 2015; Kuckartz 2016) als auch mit der Dokumentarischen Methode (DM) (Bohnsack 2011; Bonnet 2012). In der Fremdsprachendidaktik als „ interdisziplinär angelegtes Fach “ (Schmenk 2019: 20) kann das Forschungsinteresse durch unterschiedliche Bezugsdisziplinen bestimmt sein, wobei diese sich wiederum in unterschiedlichen Methodentraditionen verorten. In den nachfolgenden Kapiteln wird gezeigt, dass unterschiedliche Auswertungsmethoden vor dem Hintergrund ihrer Bezugsdisziplin auf unterschiedliche Ergebnisse abzielen. Die Wahl einer passenden Auswertungsmethode für das Dissertationsprojekt siedelt sich in diesem Spannungsfeld an. 4.5.1 Kategoriengeleitete Textanalyse (KT) Die Kategoriengeleitete Textanalyse (KT) ist vor bald 40 Jahren unter dem Namen der Qualitativen Inhaltsanalyse (QI) bekannt geworden (vgl. Mayring 2015: 7; Kuckartz 2016: 5). Im Gegensatz zu anderen Forschungsmethoden (vgl. z. B. Kap. 4.5.3) lässt sich die QI nicht einer bestimmten Disziplin zuordnen, denn sie wurde von Beginn an in verschiedenen Bezugsdisziplinen wie den Kommunikationswissenschaften, der Hermeneutik, der Qualitativen Sozialforschung, der Sprach- und Literaturwissenschaft oder auch der Psychologie angewendet (vgl. Mayring 2015: 26 - 49). Diese Pluridisziplinarität führt dazu, 166 4 Forschungsdesign dass die Methode flexibel einsetzbar ist und auch in der Fremdsprachenforschung oft verwendet wird, denn die QI ermöglicht, „ viele Forschungsfragen zum Fremdsprachenunterricht gegenstandsangemessen zu analysieren und zu beantworten “ (Burwitz-Melzer/ Steininger 2016: 258). Die QI schliesst eine Lücke in der Entwicklung von Forschungsmethoden, die sich aufgrund der immer zahlreicher werdenden Erhebungsmethoden und der ausbleibenden Erweiterung des Repertoires an Auswertungsmethoden ergibt (Mayring 2015: 10). Mit der QI kann „ Material, das aus irgendeiner Art von Kommunikation stammt “ (ebd.: 11) analysiert werden, wobei nicht ganz eindeutig ist, welche Daten unter diesem Material subsumiert sind. Während Schreier (2014: 5) und Kuckartz (2016) Daten aus Interviewstudien oder anderen Befragungsarten als Anwendungsbeispiele für die QI nennen, gilt bei Mayring (2015) jede Art „ fixierte[r] Kommunikation “ (ebd.: 12) als möglicher Gegenstand der Analyse. In der Fremdsprachenforschung gelten „ Texte, Hypertexte, Videosequenzen, bildliches oder musikalisches Material “ (Burwitz- Melzer/ Steininger 2016: 257) als mit der QI untersuchbares Kommunikationsmaterial, wobei die QI besonders für komplexe Untersuchungsfelder interessant sei, „ da mit ihrer Hilfe vielschichtige Datensammlungen wie z. B. Lehrer-/ Lernertexte [ … ] oder Transkriptionen von Audiobzw. Videomaterial von Unterricht oder Interviewsequenzen sehr gut analysiert werden können “ (ebd.: 258). Grundsätzlich eignen sich also alle Datensätze der vorliegenden Studie für eine Auswertung mit der QI 43 . Nachfolgend wird die Bezeichnung der Kategoriengeleiteten Textanalyse (KT) und nicht diejenige der Qualitativen Inhaltsanalyse (QI) verwendet. Von Mayring (2015) selbst wird darauf hingewiesen, dass die Verwendung der Bezeichnung der QI aus verschiedenen Gründen problematisch sei. Zunächst sei sie „ qualitativ “ nicht stimmig, weil mit der QI auch quantitative Aspekte erfasst werden könnten (vgl. ebd.: 50). Dann sei auch die Bezeichnung der „ Inhaltsanalyse “ irreführend, weil sich die QI „ längst nicht nur mit der Analyse des Inhalts von Kommunikation “ beschäftige (ebd.: 11). Als Variante zur Benennung der QI schlägt er „ kategoriengeleitete Textanalyse “ vor (ebd.: 13). Auch die Benennung „ qualitativ orientierte kategoriengeleitete Textanalyse “ (Krepf 2019: 50) gelte als eine valide Alternative. Allerdings erscheinen die Standardwerke von Kuckartz (2016), Mayring (2015) oder auch Schreier (2012) nach wie vor unter dem Titel der „ Qualitativen Inhaltsanalyse “ resp. der 43 Es ist jedoch anzumerken, dass sich die QI in der Fremdsprachenforschung bislang in erster Linie für Befragungen, introspektive Verfahren (vgl. Aguado et al. 2013) und Lehrwerkanalysen (vgl. Fäcke 2016: 36) etabliert hat. 4 Forschungsdesign 167 englischen Entsprechung „ Qualitative Content Analysis “ , was eine Mehrheit der Forschenden dazu bewegen mag, diese Bezeichnung weiterzuverwenden. Für die vorliegende Studie erscheint ein kategorienbasiertes Verfahren zielführend, denn mit der Auswertung der Daten soll fixierte Kommunikation analysiert und dabei systematisch, d. h. regelgeleitet und theoriegeleitet vorgegangen werden (vgl. Mayring 2015: 13), wobei mit „ fixierter Kommunikation “ sämtliche Transkripte aus den Unterrichtsbeobachtungen und den Befragungen gemeint sind. „ Regelgeleitet “ bedeutet ein Vorgehen nach einem Kodierleitfaden, „ theoriegeleitet “ heisst, dass die Kategorien aus den Forschungsfragen und der Theorie abgeleitet werden. Die Forschungsfragen bestimmen also die Auswertung der Daten massgeblich mit, denn sie stehen im Zentrum des Forschungsprojekts (vgl. Kuckartz 2016: 100): Bei einer KT beginnt die Forschungsarbeit mit der Datenerhebung, -auswahl und -aufbereitung, die von den Forschungsfragen bestimmt werden, dann werden Kategorien gebildet, die u. a. aus den Forschungsfragen abgeleitet werden, danach erfolgt die Strukturierung des Datenmaterials in Bezug auf die Forschungsfragen und schliesslich sind auch die Analyse und die Ergebnisdarstellung auf die Forschungsfragen ausgerichtet. Die KT existiert in zahlreichen Varianten 44 und fungiert hier als Überbegriff für die verschiedenen kategorienbasierten Verfahren, die für die Auswertung der Daten zur Innen- und zur Aussenperspektive verwendet werden. Für die Auswertung der Daten der problemzentrierten Interviews, der Gruppendiskussionen und der Unterrichtsbeobachtungen mit Fokus auf die Lehrpersonen ist vorgesehen, nach der inhaltlich-strukturierenden Kategoriengeleiteten Textanalyse vorzugehen. Für die Auswertung der Daten zur Unterrichtsbeobachtung mit Fokus auf die Lernenden wird die KT mit der kompetenzorientierten Analyse der Lernendensprache verknüpft und ich verwende für dieses methodische Vorgehen die Bezeichnung „ Kompetenzorientierte und Kategoriengeleitete Analyse der Lernendensprache “ (vgl. Kap. 4.5.2). Insgesamt bietet die Anwendung der KT folgende Vorteile (vgl. Kuckartz 2016: 117): Es handelt sich um ein systematisches Vorgehen, bei dem alle 44 Nach Mayring (2015: 99) sind dies die formale Strukturierung, die inhaltliche Strukturierung, die typisierende Strukturierung und die skalierende Strukturierung. Nach Schreier (2014: 5) sind dies die inhaltlich-strukturierende Inhaltsanalyse, die formalstrukturierende Inhaltsanalyse, die evaluative Inhaltsanalyse, die skalierende Inhaltsanalyse, die typenbildende Inhaltsanalyse, die zusammenfassende Inhaltsanalyse, die explikative Inhaltsanalyse, die summative Inhaltsanalyse, die konventionelle Inhaltsanalyse, die gerichtete Inhaltsanalyse und die Inhaltsanalyse durch Extraktion. Nach Kuckartz (2016: 6) sind es schliesslich die inhaltlich strukturierende Inhaltsanalyse, die evaluative Inhaltsanalyse und die typenbildende qualitative Inhaltsanalyse. 168 4 Forschungsdesign Analyseeinheiten in gleicher Weise behandelt werden, bei der Analyse wird das gesamte zu einem Thema vorhandene Material einbezogen und die Aussagen basieren auf den Transkripten, wodurch sie im wahrsten Sinne in den empirischen Daten begründet sind. 4.5.1.1 Deduktiv-induktive Kategorienbildung Bei der Auswertung aller Datensätze sollen die gebildeten Kategorien im Zentrum stehen. Kategorien sind für die Methode der Kategoriengeleiteten Textanalyse (KT) zentral, weil unter KT „ die Zuordnung von Textpassagen zu thematischen, für die Auswertung relevanten Kategorien “ (Kuckartz 2016: 76) verstanden wird. Kategorien sind grundsätzlich Fakten, Themen, Meinungen oder auch formale Aspekte, wobei man die „ Gesamtheit aller Kategorien [ … ] als Kategoriensystem [bezeichnet] “ (ebd.: 38). Für eine valide Auswertung der Daten braucht es ein Kategoriensystem, das „ in der Lage ist, wesentliche Bedeutungsaspekte des Materials zu erfassen “ (Schreier 2014: 4). Die Kategorien werden entweder deduktiv ans Material herangetragen oder induktiv aus dem Material abgeleitet, wobei es für das Entwickeln eines soliden Kategoriensystems in der Regel unabdingbar ist, „ dass zumindest einige Kategorien induktiv am Material entwickelt werden “ (ebd.). Induktive Kategorienbildung fungiert seit der sechsten Auflage in Mayrings Standardwerk zur QI (vgl. Mayring 2015: 7) und seither ist die deduktiv-induktive Kategorienbildung bei Forschungsprojekten mit KT üblich geworden (Kuckartz 2016: 95). Als Grundlage für die deduktiv gebildeten Kategorien dienen einerseits die Forschungsfragen und andererseits die strukturierenden Mittel aus der Datenerhebung wie die Interviewleitfäden. Die Entwicklung des Auswertungsinstruments beginnt also „ mit einem aus relativ wenigen Kategorien bestehenden Kategoriensystem, das nicht aus den Daten selbst, sondern aus der Forschungsfrage oder einer Bezugstheorie, abgeleitet ist “ (ebd.: 95 - 96). Diese deduktiv gebildeten Kategorien bestimmen „ das Auswertungsinstrument durch theoretische Überlegungen “ (Mayring 2015: 85). Im Gegensatz dazu leiten sich die induktiv gebildeten „ Kategorien direkt aus dem Material in einem Verallgemeinerungsprozess ab, ohne sich auf vorab formulierte Theorienkonzepte zu beziehen “ (ebd.). Die induktive Kategorienbildung „ zeigt eine Nähe zu den Kodiervorgängen der Grounded Theory “ (Burwitz-Melzer/ Steininger 2016: 259) und entspricht dem übergeordneten Forschungsziel der vorliegenden Studie einer datenbasierten Theoriegenerierung. Durch die Kombination deduktiv und induktiv gebildeter Kategorien kommt es zu einer „ Polarität von theoretischer und empirischer Kategorienbildung “ (Kuckartz 2016: 63), auf der die deduktiv-induktive Kategorienbildung basiert. 4 Forschungsdesign 169 Bei der KT steht die Strukturierung des Materials durch Fälle und Kategorien im Zentrum (vgl. Kuckartz 2016: 49). In der vorliegenden Studie gelten die Lehrpersonen und die Schülerinnen und Schüler als Fälle, zu denen nach der Auswertung der Daten präzise Fallzusammenfassungen vorliegen sollen. Nimmt man die fallorientierte Perspektive ein, „ so hat man die Äußerungen einer bestimmten Person im Blick “ (ebd.: 50). Wenn man die kategorienresp. die themenorientierte Perspektive einnimmt, „ hat man [ … ] die Aussagen aller Personen des Sample zu einem bestimmten Thema [im Blick] “ (ebd.). Nimmt man schliesslich die Fall- und die Themenperspektive gemeinsam in den Blick, so lässt sich eine Profilmatrix erkennen, die „ eine Komprimierung und Reduktion der Daten auf die im Sinne der Forschungsfrage relevanten Erkenntnisse [ist] “ (Burwitz-Melzer/ Steininger 2016: 265). Somit ermöglicht die Anwendung von Kategorien auf das Datenmaterial eine empirisch begründete Beantwortung der Forschungsfragen. Um die Analyse der Daten nachvollziehbar zu machen, müssen die Kategorien transparent sein und die Entwicklung des Kategoriensystems muss dokumentiert und begründet erfolgen (vgl. Mayring 2015: 51). Dies ermöglicht eine einheitliche Kodierung, auch wenn sie durch unterschiedliche Forschende vorgenommen würde. Die damit erreichte Intercoderreliabilität zählt zu den Gütekriterien bei KT und dieses Kriterium kann nur mit dem Offenlegen des Kategoriensystems eingelöst werden (ebd.: 125). 4.5.1.2 Inhaltlich-strukturierende kategoriengeleitete Textanalyse (ISKT) Innerhalb der KT gibt es verschiedene Umsetzungsformen, wobei die inhaltlich strukturierende Textanalyse die zentrale Variante und die meistverwendete Form in der deutschen empirischen Fremdsprachenforschung ist (vgl. Burwitz- Melzer/ Steininger 2016: 265; Schreier 2014: 5/ 8). Die formale Strukturierung zielt darauf ab, „ am Material ausgewählte inhaltliche Aspekte zu identifizieren, zu konzeptualisieren und das Material im Hinblick auf solche Aspekte systematisch zu beschreiben “ (Schreier 2014: 5). In der vorliegenden Studie möchte ich das Verfahren der ‚ inhaltlichen strukturierenden kategoriengeleiteten Textanalyse ‘ (ISKT) für die Auswertung der Daten zur Unterrichtsbeobachtung mit Fokus auf die Lehrpersonen, zu den problemzentrierten Interviews und zu den Gruppendiskussionen verwenden. Dementsprechend werde ich die Transkripte dieser Datensätze im Hinblick darauf untersuchen, was welche Lehrpersonen oder welche Schülergruppen zu bestimmten Themen sagen resp. tun. Um festzulegen, welche Aspekte aus den Daten extrahiert werden, müssen Kategorien entwickelt werden (vgl. Mayring 2015: 103). Die Kategoriensysteme für die qualitativ auszwertenden genannten Datensätze beruhen alle auf einer deduktiv-induktiven Kategorienbildung. 170 4 Forschungsdesign 4.5.1.3 Kategoriensystem für die problemzentrierten Interviews Der Leitfaden für die problemzentrierten Interviews ist ein strukturierendes Mittel, das sowohl für die Befragung als auch als Grundlage für die deduktiv zu bildenden Kategorien dient (vgl. Kuckartz 2016: 72). Es werden also zunächst deduktiv und auf dem Leitfaden basierende Kategorien gebildet, die „ dann in mehreren Arbeitsschritten am Datenmaterial verfeinert und ausdifferenziert [werden] “ (Burwitz-Melzer/ Steininger 2016: 265). Nach Mayring (2015: 116) entspricht der Vorgang der deduktiven Kategorienbildung den zwei ersten Analyseschritten: 1. Festlegen des Gegenstands der Analyse, Fragestellung, Theorie 2. Festlegen eines Selektionskriteriums, Kategoriendefinition Nach einem ersten Materialdurchgang werden die deduktiv gebildeten Kategorien durch induktiv gebildete Kategorien ergänzt. Dies entspricht den zwei nächsten Analyseschritten (vgl. ebd.): 3. Zeilenweiser Materialdurchgang: Kategoriendefinition, Subsumption oder neue Kategorienformulierung 4. Revision der Kategorien nach 10 - 50 % des Materials Im Anschluss daran kann das definitive Kategoriensystem erstellt werden, um damit die Analyseschritte 5 und 6 auszuführen (vgl. ebd.): 5. Endgültiger Materialdurchgang 6. Interpretation, Auswertung Der Leitfaden enthält vier Themen, aus denen sich vier Hauptkategorien ableiten lassen. Pro Hauptkategorie werden aus den Fragen des Leitfadens zwei Kategorien gebildet (vgl. Tab. 33): Themen und Fragen aus dem Leitfaden Ziel der Fragen Deduktiv gebildete Kategorien Thema 1 Anlage von „ Sprechen “ in „ Mille feuilles “ Es wird erforscht, welche Übungsanlagen das Lehrwerk nach Wissen der Lehrperson enthält und was davon positiv/ negativ aufgefasst wird. Hauptkategorie A1 Übungsanlagen zur Kompetenz des interaktiven Sprechens Frage a) Was hilft dir im Lehrwerk, damit deine Schülerinnen und Schüler „ Französisch sprechen “ lernen? Die Lehrpersonen beschreiben das Übungsangebot zur Kompetenz Sprechen im verwendeten Lehrwerk. Kategorie A1.1 Angebot an Aufgaben im Lehrwerk 4 Forschungsdesign 171 Themen und Fragen aus dem Leitfaden Ziel der Fragen Deduktiv gebildete Kategorien Frage b) Was gefällt dir, was vermisst du? Die Lehrpersonen erklären, wie das Übungsangebot beschaffen sein müsste, um die Kompetenz Sprechen optimal fördern zu können Kategorie A1.2 Aufgaben, die die Kompetenz Sprechen optimal fördern Thema 2 Umsetzung der Anlage aus „ Mille feuilles “ im Unterricht Es wird erforscht, wie die Lehrpersonen angeben, das Übungsangebot aus dem Lehrwerk in der Praxis umzusetzen. Hauptkategorie A2 Umsetzung der Übungsanlagen im Unterricht Frage a) Wie setzt du die Sprechanlässe aus dem Lehrmittel im Unterricht um? Die Lehrpersonen beschreiben, wie sie das Übungsangebot zur Kompetenz Sprechen aus dem Lehrwerk umsetzen. Kategorie A2.1 Umsetzung nach Lehrwerk Frage b) Gibt es Momente, in denen du denkst, dass sich die Anlage in der Praxis so gar nicht umsetzen lässt? Welche? Die Lehrpersonen beschreiben, welches Übungsangebot zur Kompetenz Sprechen sie warum nicht einsetzen. Kategorie A2.2 Verzicht auf Umsetzung Thema 3 Authentische Interaktion im Klassenzimmer Es wird erforscht, wie die Lehrpersonen ihrer Meinung nach im fremdsprachigen Klassenzimmer authentische Interaktion anleiten und wie sie diese Fördermomente einschätzen. Hauptkategorie A3 Authentische Interaktion im Klassenzimmer Frage a) Wie förderst du die Klassenzimmersprache? Die Lehrpersonen erzählen, wie die Klassenzimmersprache in ihrem Französischunterricht funktioniert. Kategorie A3.1 Verwendung der Klassenzimmersprache Frage b) Wie stehst du zum Konzept der authentischen Interaktion? Die Lehrpersonen nehmen zur sogenannten authentischen Interaktion im Fremdsprachenunterricht Stellung. Kategorie A3.2 Authentische Interaktion 172 4 Forschungsdesign Themen und Fragen aus dem Leitfaden Ziel der Fragen Deduktiv gebildete Kategorien Thema 4 Singen im Französischunterricht Es wird erforscht, wie nach Aussagen der Lehrpersonen das Angebot an Chansons im Lehrwerk genutzt wird. Hauptkategorie A4 Chansons im Französischunterricht Frage a) Wie oft und wie gerne singst du mit deinen Schülerinnen und Schülern Chansons auf Französisch? Die Lehrpersonen beschreiben, wie sie mit dem Angebot an Chansons im Lehrwerk in ihrem Unterricht umgehen. Kategorie A4.1 Verwendung von Chansons im Unterricht Frage b) Was bieten die Chansons für dich in Zusammenhang mit der Kompetenz ‚ Sprechen ‘ ? Die Lehrpersonen erklären, wozu sie Chansons in ihrem Französischunterricht einsetzen. Kategorie A4.2 Didaktische Begründung zur Verwendung von Chansons Tab. 33: Kategoriensystem mit deduktiv gebildeten Kategorien zur Auswertung der Daten aus den problemzentrierten Interviews Nach einem ersten Materialdurchgang werden die deduktiv gebildeten Kategorien induktiv entweder ersetzt, ergänzt oder weiter ausdifferenziert (vgl. Tab. 34): Deduktiv gebildete Kategorien Induktiv gebildete Kategorien Hauptkategorie A1: Übungsanlagen zur Kompetenz des interaktiven Sprechens A1.1 Angebot an Aufgaben im Lehrwerk Differenziert A1.1 in zwei Unterkategorien: A1.1.1 Charakteristika der Aufgaben (qualitative Aspekte) A1.1.2 Quantitatives Angebot der Aufgaben A1.2 Aufgaben, die die Kompetenz Sprechen optimal fördern Hauptkategorie A2: Umsetzung der Übungsanlagen im Unterricht A2.1 Umsetzung nach Lehrwerk A2.2 Verzicht auf Umsetzung Ersetzt A2.2 durch erweiterte Kategorie: A2.2 Teilweise Umsetzung oder Verzicht auf Umsetzung Ergänzt A2 durch zusätzliche Kategorie: A2.3 Umsetzung eigener Ideen zur Förderung der Kompetenz Sprechen Hauptkategorie A3: Authentische Interaktion im Klassenzimmer 4 Forschungsdesign 173 Deduktiv gebildete Kategorien Induktiv gebildete Kategorien A3.1 Verwendung der Klassenzimmersprache Ersetzt A3.1 durch erweiterte Kategorie: A3.1 Installierung einer Klassenzimmersprache A3.2 Authentische Interaktion Ersetzt A3.2 durch erweiterte Kategorie A3.2 authentische Interaktion: Chancen und Schwierigkeiten Hauptkategorie A4: Chansons im Französischunterricht A4.1 Verwendung von Chansons im Unterricht Differenziert A4.1 in zwei Unterkategorien: A4.1.1 Verwendung von Chansons aus dem Lehrwerk A4.1.2 Verwendung anderer Chansons A4.2 Didaktische Begründung zur Verwendung von Chansons Tab. 34: Kategoriensystem mit deduktiv und induktiv gebildeten Kategorien zur Auswertung der Daten aus den problemzentrierten Interviews Bei der Hauptkategorie A1 wird die Kategorie A1.1 weiter ausdifferenziert, indem in zwei Unterkategorien zwischen dem quantitativen und dem qualitativen Angebot unterschieden wird. Bei der Hauptkategorie A2 wird die Kategorie A2.2 ersetzt, womit präzisiert wird, dass eine Aufgabe nicht nur ausgelassen, sondern auch an die Gegebenheiten in der Klasse angepasst werden kann. Zudem wird die Hauptkategorie A2 durch eine weitere Kategorie ergänzt, womit die eigenen Ideen zur Förderung der Kompetenz des interaktiven Sprechens berücksichtigt werden. Bei der Hauptkategorie A3 werden beide Kategorien ersetzt: Bei A3.1 wird die Installierung der Klassenzimmersprache aufgenommen und bei A3.2 werden die Chancen und Schwierigkeiten beim Sprechen in Form von authentischer Interaktion berücksichtigt. Bei der Hauptkategorie A4 wird bei der Kategorie A4.1 mittels zwei Unterkategorien zwischen der Verwendung von Chansons aus dem Lehrwerk und der Verwendung anderer Chansons unterschieden. Aus der deduktiv-induktiven Kategorienbildung entsteht also das folgende Kategoriensystem, mit dem die Daten aus den problemzentrierten Interviews codiert und ausgewertet werden können (vgl. Tab. 35): 174 4 Forschungsdesign A1 Übungsanlagen zur Kompetenz des interaktiven Sprechens A1.1 Angebot an Aufgaben im Lehrwerk A1.1.1 Charakteristika der Aufgaben (qualitative Aspekte) A1.1.2 Quantitatives Angebot der Aufgaben A1.2 Aufgaben, die die Kompetenz Sprechen optimal fördern A2 Umsetzung der Übungsanlagen im Unterricht A2.1 Umsetzung nach Lehrwerk A2.2 Teilweise Umsetzung oder Verzicht auf Umsetzung A2.3 Umsetzung eigener Ideen zur Förderung der Kompetenz Sprechen A3 Authentische Interaktion im Klassenzimmer A3.1 Installierung einer Klassenzimmersprache A3.2 authentische Interaktion: Chancen und Schwierigkeiten A4 Chansons im Französischunterricht A4.1 Verwendung von Chansons im Unterricht A4.1.1 Verwendung von Chansons aus dem Lehrwerk A4.1.2 Verwendung anderer Chansons A4.2 Didaktische Begründung zur Verwendung von Chansons Tab. 35: Definitives Kategoriensystem zur Auswertung der Daten aus den problemzentrierten Interviews 4.5.1.4 Kategoriensystem für die Gruppendiskussionen Wie bei den problemzentrierten Interviews ist der Leitfaden für die Gruppendiskussion ein strukturierendes Mittel, das sowohl zur Gesprächsführung als auch als Grundlage für die deduktiv zu bildenden Kategorien dient (vgl. Kuckartz 2016: 72). Nach einem ersten Materialdurchgang wird das Kategoriensystem durch induktiv gebildete Kategorien ergänzt. Der Leitfaden enthält drei Reize zu drei Themen, aus denen sich drei Hauptkategorien ableiten lassen. Pro Hauptkategorie werden aus den Fragen des Leitfadens zwei Kategorien gebildet (vgl. Tab. 36): Themen und Fragen aus dem Leitfaden Ziel der Fragen Deduktiv gebildete Kategorien Thema 1 Reiz: Auszug einer Sprechaufgabe aus dem Lehrwerk „ Mille feuilles “ Es wird erforscht, wie bekannt die Sprechaufgaben aus dem Lehrwerk den Lernenden sind und wie sie ihrer Meinung nach umgesetzt werden. Hauptkategorie B1 Aufgaben aus dem Lehrwerk zur mündlichen Interaktion 4 Forschungsdesign 175 Themen und Fragen aus dem Leitfaden Ziel der Fragen Deduktiv gebildete Kategorien Frage a) Wisst ihr, was diese Sprechblasen (bulles) im magazine bedeuten? Die Schülerinnen und Schüler berichten, ob sie diese Art von Sprechaufgaben kennen und wie sie funktionieren. Kategorie B1.1 Vertrautheit mit dieser Art von Sprechaufgaben Frage b) Was macht ihr, wenn ihr solche bulles seht? Erzählt etwas vom Französischunterricht. Die Schülerinnen und Schüler berichten, wie diese Sprechaufgaben im Französischunterricht bearbeitet werden. Kategorie B1.2 Umgang mit dieser Art von Sprechaufgaben Thema 2 Reiz: Video von 6.-Klässlern, die im Unterricht zusammen Französisch sprechen Es wird erforscht, wie die Schülerinnen und Schüler die Leistung anderer wahrnehmen und wie sie ihre eigene Leistung einschätzen. Hauptkategorie B2 Leistungen von Schülerinnen und Schülern im Sprechen Frage a) Auf dem Video seht ihr zwei Sechstklässler, die sich im Französischunterricht auf Französisch unterhalten. Was meint ihr dazu? Die Schülerinnen und Schüler schätzen die Leistung Gleichaltriger ein, die eine andere 6. Klasse besuchen und ihnen unbekannt sind. Kategorie B2.1 Fremdeinschätzung Frage b) Könntet ihr das auch? Die Schülerinnen und Schüler schätzen ihre Leistung ein, indem sie ihre eigene Leistung mit der Leistung Gleichaltriger vergleichen. Kategorie B2.2 Selbsteinschätzung Thema 3 Reiz: Vereinfachtes Modell nach Levelt (1989) Es wird erforscht, welche Phasen des Sprechvorgangs die Schülerinnen und Schüler als leichter/ schwerer für sie einschätzen. Hauptkategorie B3 Phasen des Sprechvorgangs nach Levelt Frage a) Wenn man in einer Fremdsprache etwas sagen will, dann geschieht das in den folgenden 4 Phasen [ … ] Was fällt euch beim Sprechen auf Französisch leicht? Die Schülerinnen und Schüler berichten, was ihnen beim Sprechen weniger Probleme bereitet. Kategorie B3.1 Das fällt beim Sprechen leicht 176 4 Forschungsdesign Themen und Fragen aus dem Leitfaden Ziel der Fragen Deduktiv gebildete Kategorien Frage b) Worüber stolpert ihr? Die Schülerinnen und Schüler berichten, was ihnen beim Sprechen mehr Probleme bereitet. Kategorie B3.2 Das fällt beim Sprechen schwer Tab. 36: Kategoriensystem mit deduktiv gebildeten Kategorien zur Auswertung der Daten aus den Gruppendiskussionen Nach einem ersten Materialdurchgang werden die deduktiv gebildeten Kategorien induktiv ergänzt (vgl. Tab. 37): Deduktiv gebildete Kategorien Induktiv gebildete Kategorien Hauptkategorie B1: Aufgaben aus dem Lehrwerk zur mündlichen Interaktion B1.1 Vertrautheit mit dieser Art von Sprechaufgaben B1.2 Umgang mit dieser Art von Sprechaufgaben Ergänzt B1 durch zusätzliche Kategorie: B1.3 Einschätzung dieser Art von Sprechaufgaben Hauptkategorie B2: Leistungen von Schülerinnen und Schülern im Sprechen B2.1 Fremdeinschätzung B2.2 Selbsteinschätzung Ergänzt B2 durch zusätzliche Kategorie: B2.3 Sprachlernreflexion Hauptkategorie B3: Phasen des Sprechvorgangs nach Levelt B3.1 Das fällt beim Sprechen leicht B3.2 Das fällt beim Sprechen schwer Tab. 37: Kategoriensystem mit deduktiv und induktiv gebildeten Kategorien zur Auswertung der Daten aus den Gruppendiskussionen Die Hauptkategorie B1 wird durch eine weitere Kategorie ergänzt, womit die Einschätzung zu dieser Art von Sprechaufgaben der Schülerinnen und Schüler aufgenommen wird. Die Hauptkategorie B2 wird ebenfalls durch eine weitere Kategorie ergänzt, nämlich die Sprachlernreflexion, die durch den Reiz 2 in drei von vier Klassen angeregt wird. Aus der deduktiv-induktiven Kategorienbildung entsteht also das folgende Kategoriensystem, mit dem die Daten aus 4 Forschungsdesign 177 den aus den Gruppendiskussionen codiert und ausgewertet werden können (vgl. Tab. 38): B1 Aufgaben aus dem Lehrwerk zur mündlichen Interaktion B1.1 Vertrautheit mit dieser Art von Sprechaufgaben B1.2 Umgang mit dieser Art von Sprechaufgaben B1.3 Einschätzung dieser Art von Sprechaufgaben B2 Leistungen von Schülerinnen und Schülern im Sprechen B2.1 Fremdeinschätzung B2.2 Selbsteinschätzung B2.3 Sprachlernreflexion B3 Phasen des Sprechvorgangs nach Levelt B3.1 Das fällt beim Sprechen leicht B3.2 Das fällt beim Sprechen schwer Tab. 38: Definitives Kategoriensystem zur Auswertung der Daten aus den Gruppendiskussionen 4.5.1.5 Kategoriensystem für die Unterrichtsbeobachtungen mit Fokus auf die Lehrpersonen Für die deduktive Kategorienbildung wird Fachliteratur beigezogen, in der ein optimales Handeln der Lehrpersonen bei Sprechanlässen beschrieben wird. Dabei kann es sich um Werke zur Förderung der Kompetenz Sprechen handeln (vgl. Schlaak/ Willems 2022), um Einführungswerke in die Fremdsprachendidaktik, die sich mit der spezifischen Unterrichtssituation der Anleitung zu einem Sprechanlass befassen (vgl. Decke-Cornill/ Küster 2016; Doff/ Klippel 2007; Fäcke 2017; Thaler 2012), oder auch um empirische Studien, die das Handeln der Lehrperson in vergleichbaren Situationen untersuchen (vgl. Dauster 2006; Miede 2019; Tesch 2010). Ausserdem kann auch der didaktische Kommentar für Lehrpersonen des Lehrwerks „ Mille feuilles “ (Ganguillet et al. 2014c) für die deduktive Kategorienbildung genutzt werden. Die Herleitung deduktiver Kategorien aus unterschiedlichen Quellen führt dazu, dass sich die Kategorien auf verschiedenen Ebenen ansiedeln. Die Hauptkategorie C1 beinhaltet einen rein quantitativen Aspekt, während die Hauptkategorien C2 und C3 Lehrkompetenzen umfassen, die qualitativ beschrieben werden müssen (vgl. Tab. 39): 178 4 Forschungsdesign Themen aus dem didaktischen Kommentar und der Fachliteratur Gegenstand der Untersuchung Deduktiv gebildete Kategorien Thema 1 Redeanteile der Lehrperson und ihrer Schülerinnen und Schüler bei der Einführung Hauptkategorie C1 Redeanteile Die Einführung durch die Lehrperson soll kurz ausfallen, zugunsten der Interaktionen zwischen den Lernenden (vgl. Thaler 2012). Untersuchungen zeigen, dass im Fremdsprachenunterricht der Redeanteil der Lehrperson dominiert (vgl. Helmke et al. 2008). Die Schülerinnen und Schüler sollten bei der Einführung miteinbezogen werden (vgl. Ganguillet et al. 2014c). Es wird errechnet, • wie gross der Redeanteil der Lehrperson resp. • wie gross der Redeanteil der Lernenden bei der Einführung in den Sprechanlass ist, • wie lange die Einführung dauert. Kategorie C1.1 Redeanteil der Lehrperson in Bezug auf die Einführung in die Sprechaufgabe Kategorie C1.2 Redeanteil der Lernenden in Bezug auf die Einführung in die Sprechaufgabe Kategorie C1.3 Redeanteile von Lehrperson und Lernenden in Bezug auf die gesamte Lernsequenz Thema 2 Anpassungen bei der Verwendung der Zielsprache im Unterricht, Herstellen von Bezügen zu weiteren Sprachen Hauptkategorie C2 Lehrpersonensprache Es wird empfohlen, dass die Lehrperson bei der Einführung in den Sprechanlass in der Zielsprache spricht (vgl. Ganguillet et al. 2014c; Thaler 2014b). Die Korrelation zwischen der Verwendung der Zielsprache der Lehrperson und derjenigen der Lernenden ist empirisch belegt (vgl. Tesch 2010). Es ist auch nachgewiesen, dass das Sprachniveau der Lehrperson einen Einfluss auf die Sprachkompetenz der Lernenden hat (vgl. Peyer et al. 2016b) 45 und dass Quantität und Qualität des sprachlichen Inputs durch die Lehrperson einen Einfluss auf den Zuwachs der fremdsprachlichen Kenntnisse haben Es wird untersucht, • wie viel die Lehrperson bei der Einführung in den Sprechanlass in der Zielsprache zu sprechen vermag, • wie korrekt sie französisch spricht, • inwiefern die Lehrperson Anpassungen an der Sprache vor- Kategorie C2.1 Verwenden der Zielsprache Kategorie C2.2 Korrektheit Kategorie C2.3 Adaptationen Kategorie C2.4 Herstellen von Bezügen zu anderen Sprachen 45 „ Wie eine statistische Auswertung mittels Mixed Models zeigt, hat der Umstand, dass die Lehrperson eine Sprachprüfung abgelegt hat, im Französischtest einen Effekt auf die sprachliche Leistung der Schülerinnen und Schüler. Schülerinnen und Schüler von Lehrpersonen mit abgelegter C1- oder PH-interner Sprachprüfung haben in allen vier untersuchten Fertigkeiten besser abgeschnitten als Lernende, die von Lehrpersonen ohne Sprachdiplom unterrichtet wurden “ (Peyer et al. 2016b: 5). 4 Forschungsdesign 179 Themen aus dem didaktischen Kommentar und der Fachliteratur Gegenstand der Untersuchung Deduktiv gebildete Kategorien (vgl. Kierepka 2004: 170). Die kommunikativen Kompetenzen einer Lehrperson sind wesentlicher Bestandteil ihrer Lehrkompetenzen. Lehrpersonen müssen fähig sein, in ihrer Sprache Anpassungen in Tempo, Syntax und Grammatik vorzunehmen und bei Bedarf Bezüge zur L1 herzustellen (vgl. Nieweler 2002; Thaler 2012). nimmt, um von ihren Schülerinnen und Schülern verstanden zu werden und • ob resp. wann und warum sie Bezüge zur L1 oder zu anderen Sprachen herstellt. Thema 3 Methodisch-didaktisches Vorgehen bei der Vorbereitung auf die Sprechaufgabe Hauptkategorie C3 Methodisch-didaktische Kompetenzen Die Lernenden sollen mit der Aufgabenstellung und dem zu behandelnden Thema vertraut gemacht werden (Schlaak/ Willems 2022: 24). Es ist belegt, dass sich eine klare Formulierung des Auftrags und der Zielsetzung der Aufgabe positiv auf die mündliche Sprachproduktion auswirken (vgl. Miede 2019). Bei der Einführung in einen Sprechanlass sollte die Lehrperson • die vorgegebenen chunks einführen • sprachliche Strukturen wiederholen • die Aussprache sichern • Beispiele im Plenum machen (vgl. Ganguillet et al. 2014c). Die Vermittlung expliziter Grammatikkenntnisse ist nicht sinnvoll, da dieses Wissen vor allem beim dialogischen Sprechen nicht angewendet werden kann (Fischer 2007: 15). Zudem soll die Lehrperson eine positive Fehlerkultur leben. Es ist empirisch belegt, dass die mündliche Produktion steigt, wenn die Lernenden positiv bestärkt werden (vgl. Miede 2019). Die fachdidaktischen Kompetenzen einer Lehrperson sind wesentlicher Bestandteil ihrer Lehrkompetenzen. Es braucht ein Bewusstsein der Lehrperson, Lernanlässe zu gestalten und zu nutzen (vgl. Doff/ Klippel 2007). In den kommunikativen Phasen hat der Inhalt Vorrang vor der Form (vgl. Thaler Es wird untersucht, • ob und wie die vom Lehrwerk vorgegebenen chunks eingeführt werden, • ob und wie sprachliche Strukturen zur Vorentlastung wiederholt werden, • ob und wie die Aussprache gesichert wird, • ob und wie viele Beispiele im Plenum gemacht werden. Ausserdem wird untersucht, • inwiefern die Lehrperson die didaktische Absicht des Lernanlasses erkennt, • wie sie mit sprachlichen Fehlern der Lernenden umgeht und Kategorie C3.1 In der Aufgabe vorgesehene chunks einführen Kategorie C3.2 Für die Aufgabe relevante sprachliche Strukturen wiederholen Kategorie C3.3 Aussprache wesentlicher Ausdrücke für die Sprechaufgabe sichern Kategorie C3.4 Beispiele mit vorgegebenen Satzanfängen im Plenum machen Kategorie C3.5 Didaktische Absicht des Lernanlasses erkennen Kategorie C3.6 Positive Fehlerkultur installieren Kategorie C3.7 Sozialform (Gruppen- oder Klassenaktivität) 180 4 Forschungsdesign Themen aus dem didaktischen Kommentar und der Fachliteratur Gegenstand der Untersuchung Deduktiv gebildete Kategorien 2014b). Empirische Untersuchungen sprechen sich für einen stärkeren focus on meaning aus (vgl. Dauster 2006). Fehler sind essenzieller Bestandteil eines jeden Lernprozesses und können die Weiterentwicklung des individuellen Wissesn, Könnens und der Einstellungen begünstigen (vgl. Schlaak/ Willems 2022: 81). Es braucht kooperative Verfahren bzw. Methoden: Aufgaben werden in einem geschützten Raum in Gruppen bearbeitet (vgl. ebd.: 60 - 61). • welche Sozialform sie für die die zu bearbeitende Aufgabe wählt. Tab. 39: Deduktiv gebildete Kategorien für die Unterrichtsbeobachtungen mit Fokus auf die Lehrperson Nach einem ersten Materialdurchgang werden die deduktiv gebildeten Kategorien induktiv ergänzt oder weiter ausdifferenziert (vgl. Tab. 40): Deduktiv gebildete Kategorien Induktiv gebildete Kategorien C1: Didaktische Absicht Nimmt ehemalige Kategorie C4.5 (Didaktische Absicht des Lernanlasses erkennen) als neue Hauptkategorie auf. Ergänzt C1 um zwei Kategorien: C1.1 Umsetzung der Aufgabe zum interaktiven Sprechen C1.2 Gewährleistung der Authentizität des Sprechanlasses Hauptkategorie C2: Redeanteile C2.1 Redeanteil der Lehrperson in Bezug auf die Einführung in die Sprechaufgabe Fasst die ehemaligen Kategorien C1.1 und C1.2 zusammen: C2.1 Redeanteile von Lehrperson und Lernenden in Bezug auf die Einführung in die Sprechaufgabe C2.2 Redeanteil der Lernenden bei der Einführung C2.3 Redeanteile von Lehrperson und Lernenden in Bezug auf die gesamte Lernsequenz Ergänzt C2 um eine Kategorie: C2.2 Gesprächsform: Partizipative / exklusive Gestaltung der Einführung 4 Forschungsdesign 181 Deduktiv gebildete Kategorien Induktiv gebildete Kategorien Hauptkategorie C3: Lehrpersonensprache C3.1 Verwenden der Zielsprache Differenziert C3.1 in Unterkategorien C3.1.1 und C3.1.3: C3.1.1 Verhältnis der Fremdsprache (Französisch) und der Schulsprache (Deutsch) bei der Einführung in die Sprechaufgabe Benennt ehemalige Kategorie C2.4 (Herstellen von Bezügen zu anderen Sprachen) um und nimmt sie als Unterkategorie zu C3.1 auf: C3.1.2 Verwenden der Schulsprache (Deutsch) zur kontrastiven Analyse C3.1.3 Verwenden der Fremdsprache (Französisch) und/ oder der Schulsprache (Deutsch) bei Bemerkungen zur Klassenführung Nimmt ehemalige Kategorie C2.2 (Korrektheit) als Unterkategorie zu C3.1 auf: C3.1.4 Korrektheit der Fremdsprache (Französisch) C3.2 Korrektheit C3.2 Adaptationen Differenziert C3.2 in drei Unterkategorien: C3.2.1 Unterstützendes Wiederholen wesentlicher Informationen C3.2.2 Unterstützendes Verwenden von Parallelwörtern Deutsch-Französisch C3.2.3 Übersetzen bestimmter Ausdrücke / Informationen zur Verständnissicherung C3.3 Herstellen von Bezügen zu anderen Sprachen Ergänzt C3 um eine Kategorie: C3.3 Non-verbales Handeln Differenziert C3.3 in Unterkategorien C3.3.1 und C3.3.2 C3.3.1 Visualisieren C3.3.2 Gestik 182 4 Forschungsdesign Deduktiv gebildete Kategorien Induktiv gebildete Kategorien Hauptkategorie C4: Methodisch-didaktische Kompetenzen C4.1 In der Aufgabe vorgesehene chunks einführen Differenziert C3.1 in drei Unterkategorien: C4.1.1 Bedeutung der vorgegebenen chunks klären C4.1.2 Weitere chunks einführen C4.1.3 Chunks als feste sprachliche Einheiten einführen C4.2 Für die Aufgabe relevante sprachliche Strukturen wiederholen C4.3 Aussprache wesentlicher Ausdrücke für die Sprechaufgabe sichern C4.4 Beispiele mit vorgegebenen Satzanfängen im Plenum machen C4.5 Didaktische Absicht des Lernanlasses erkennen C4.5 Positive Fehlerkultur installieren C4.7 Sozialform (Gruppen- oder Klassenaktivität) Ergänzt C4 um eine zusätzliche Kategorie: C4.6 Nachschlagematerialien angeben Tab. 40: Kategoriensystem mit deduktiv und induktiv gebildeten Kategorien zur Auswertung der Daten aus den Unterrichtsbeobachtungen mit Fokus auf die Lehrperson Die Hauptkategorie C1 (Didaktische Absicht) wird neu hinzugefügt, da es sich als zentrales Einstiegskriterium handelt. Die Hauptkategorie C2 (Redeanteile) wird durch eine Kategorie ergänzt, die die Gesprächsform berücksichtigt. Die Kategorien zu den Redeanteilen der Lehrperson und der Lernenden werden zusammengefasst. Bei der Hauptkategorie C3 werden die Kategorien C3.1 (Verwenden der Zielsprache) und C3.2 (Adaptationen) weiter ausdifferenziert und die Hauptkategorie wird um die Kategorie C3.3 (Non-verbales Handeln) ergänzt, das beim ersten Materialdurchgang dank der videobasierten Beobachtung sichtbar wird. Bei der Hauptkategorie C4 wird die Kategorie C4.1 ausdifferenziert. Ausserdem werden die zusätzlichen Kategorien „ Nachschlagematerialien angeben “ (C4.6) und „ Sozialform (Gruppen- oder Klassenaktivität) “ (C4.7) ebenfalls induktiv gebildet, da die Sprechaufgaben je nach Klasse in verschiedenen Gruppenkonstellationen und mit unterschiedlichen Hilfsmitteln bearbeitet werden. Aus der deduktiv-induktiven Kategorienbildung entsteht das folgende Kategoriensystem (vgl. Tab. 41): 4 Forschungsdesign 183 C1 Didaktische Absicht C1.1 Umsetzung der Aufgabe zum interaktiven Sprechen C1.2 Gewährleistung der Authentizität des Sprechanlasses C2 Redeanteile C2.1 Redeanteile von Lehrperson und Lernenden in Bezug auf die Einführung in die Sprechaufgabe C2.2 Gesprächsform: Partizipative/ exklusive Gestaltung der Einführung C2.3 Redeanteile von Lehrperson und Lernenden in Bezug auf die gesamte Lernsequenz C3 Lehrpersonensprache C3.1 Verwenden der Zielsprache C3.1.1 Verhältnis der Fremdsprache (Französisch) und der Schulsprache (Deutsch) bei der Einführung in die Sprechaufgabe C3.1.2 Verwenden der Schulsprache (Deutsch) zur kontrastiven Analyse C3.1.3 Verwenden der Fremdsprache (Französisch) und/ oder der Schulsprache (Deutsch) bei Bemerkungen zur Klassenführung C3.1.4 Korrektheit der Fremdsprache (Französisch) C3.2 Adaptionen C3.2.1 Unterstützendes Wiederholen wesentlicher Informationen Übersetzungen C3.2.2 Unterstützendes Verwenden von Parallelwörtern Deutsch- Französisch C3.2.3 Übersetzen bestimmter Ausdrücke/ Informationen zur Verständnissicherung C3.3 Non-verbales Handeln C3.3.1 Visualisieren C3.3.2 Gestik C4 Methodisch-didaktische Kompetenzen C4.1 In der Aufgabe vorgesehene chunks einführen C4.1.1 Bedeutung der vorgegebenen chunks klären C4.1.2 Weitere chunks einführen C4.1.3 Chunks als feste sprachliche Einheiten einführen C4.2 Für die Aufgabe relevante sprachliche Strukturen wiederholen C4.3 Aussprache wesentlicher Ausdrücke für die Sprechaufgabe sichern C4.4 Beispiele mit vorgegebenen Satzanfängen im Plenum machen C4.5 Positive Fehlerkultur installieren C4.6 Nachschlagematerialien angeben C4.7 Sozialform (Gruppen- oder Klassenaktivität) Tab. 41: Definitives Kategoriensystem zur Analyse der Daten aus den Unterrichtsbeobachtungen mit Fokus auf die Lehrperson 184 4 Forschungsdesign Um die Analyseergebnisse zu den Einführungen zu den verschiedenen Aufgaben zum interaktiven Sprechen der vier Lehrpersonen mit dem definitiven Kategoriensystem festzuhalten, werde ich die folgende Profilmatrix anfertigen (vgl. Tab. 42): Frau Schmid, Lehrerin der Klasse Amrein (L3) C1 Didaktische Absicht erkennen C1.1 Umsetzung der Aufgabe zum interaktiven Sprechen Sprechen bei A: Quiz Sprechen bei B: Questionnaire Sprechen bei C: Questions Sprechen bei D: Trucs à savoir Sprechen bei E: Métiers L3 fördert das interaktive Sprechen wie in der Aufgabe vorgesehen. Sie fordert ihre Schülerinnen und Schüler (SuS) auf, abwechslungsweise Quizfragen zu stellen und Antworten zu geben. Beispiel für die Auftragserteilung: A: 00: 01: L3: ensuite vous changez les rôles. La personne qui a donné la réponse pose maintenant la question et, l ’ autre personne donne la réponse L3 fördert das interaktive Sprechen stärker als in der Aufgabe vorgesehen. Sie führt die Sprechaufgabe mit ihren Schülerinnen und Schülern (SuS) in Form eines speed datings durch. Dadurch verlängert sie die Lernsequenz und multipliziert die Interaktionspaare. Beispiel für die Auftragserteilung: B: 01: 51: L3: alors il faut poser des questions. hein? plein plein plein de questions. et toujours des questions. [ … ] B: 05: 01: L3: alors je vous donne trois minutes et puis je sonne avec la clochette. Vous changez de place L3 fördert das interaktive Sprechen weniger als in der Aufgabe vorgesehen. Sie bearbeitet die Sprechaufgabe im Plenum und nicht wie vom Lehrwerk vorgesehen in Kleingruppen. Die Schülerinnen und Schüler (SuS) lesen eine/ r nach der/ dem anderen eine schriftlich vorbereitete Frage vor und wählen eine/ n Mitschüler/ in, der/ die die Frage beantwortet. L3 unterstützt, korrigiert resp. wiederholt die Fragen der SuS laut und deutlich. Die Fragen werden von immer anderen SuS im Plenum beantwortet. Die anderen SuS hören zu. Beispiel für die Auftragserteilung: C: 11: 36: L3: tu poses la question, tu choisis Diese Aufgabe wird in K3 nicht bearbeitet. L3 fördert das interaktive Sprechen weniger als in der Aufgabe vorgesehen. Sie bearbeitet die Sprechaufgabe im Plenum und nicht wie vom Lehrwerk vorgesehen in Kleingruppen. Die Schülerinnen und Schüler (SuS lesen eine/ r nach der/ dem anderen im Plenum die schriftlich vorbereiteten Sätze vor. Beispiel für die Auftragserteilung: E: 05: 56: L3: Vous avez choisi des métiers et tout en bas vous avez un cadre. Là, vous écrivez. [ … ] E: 06: 12: L3: Alors, vous commencez la phrase avec „ J ’ aimerais devenir “… 4 Forschungsdesign 185 vers la droite. D ’ accord? quelqu ’ un qui donne la réponse. C1.2 Gewährleistung der Authentizität des Sprechanlasses Sprechen bei A: Quiz Sprechen bei B: Questionnaire Sprechen bei C: Questions Sprechen bei E: Métiers Die Sprechaufgabe wird als authentische Interaktion in der Klasse durchgeführt. Die SuS sind sie selbst und tauschen neue Informationen aus. Die Sprechaufgabe wird als authentische Interaktion in der Klasse durchgeführt. Die SuS sind sie selbst und tauschen neue Informationen aus. L3 fordert die Lernenden auf, neue Information in monologischer Form zu präsentieren. Dadurch, dass L3 in der Sequenzabfolge zwischen den SuS interveniert, gibt es kaum direkte Interaktionen zwischen den SuS. L3 fordert die Lernenden auf, neue Information in monologischer Form zu präsentieren. Die Sprechaufgabe wird ins Plenum verlegt und in Mikro-Präsentationen umgewandelt. Tab. 42: Ausschnitt aus der Profilmatrix zur Auswertung der Unterrichtsbeobachtungen mit Fokus auf die Lehrpersonen (Anhang II.IV) Um die Fälle miteinander vergleichen zu können, werde ich ausserdem ein mehrstufiges Raster mit Deskriptoren zu jeder Kategorie entwickeln. So kann ich zeigen, bei welchen Einführungen welche Lehrperson ein optimales Handeln zeigt und wo suboptimal vorgegangen wird (vgl. Tab. 43): C3: Lehrpersonensprache (C3.1) Frau Müller (L1) Frau Huber (L2) Frau Schmid (L3) Frau Gerber (L4) C3.1 Verwenden der Zielsprache C3.1.1 Verhältnis der Fremdsprache (Französisch) und der Schulsprache (Deutsch) bei der Einführung in die Sprechaufgabe Die Lehrperson… A B C E A B C D A B C E A C D führt die Aufgabe ausschliesslich in der Fremdsprache ein (Französisch: 91-100%). 1+2 führt die Aufgabe mehrheitlich in der Fremdsprache ein (Französisch: 51-90%). 1+2 führt die Aufgabe mehrheitlich in der Schulsprache ein (Französisch: 21-50%). führt die Aufgabe ausschliesslich in der Schulsprache ein (Französisch: 0-20%). C3.1.2 Verwenden der Schulsprache (Deutsch) zur kontrastiven Analyse Die Lehrperson… A B C E A B C D A B C E A C D verwendet die Schulsprache zur kontrastiven Analyse. 2 verwendet die Schulsprache nicht zur kontrastiven Analyse. 1+2 1 C3.1.3 Verwenden der Fremdsprache (Französisch) und/ oder der Schulsprache (Deutsch) bei Bemerkungen zur Klassenführung Die Lehrperson… A B C E A B C D A B C E A C D macht Bemerkungen zur Klassenführung in der Fremdsprache. 1+2 2 macht Bemerkungen zur Klassenführung in der Schul- und Fremdsprache. macht Bemerkungen zur Klassenführung in der Schulsprache. macht keine Äusserungen zur Klassenführung. 1 Tab. 43: Auszug aus dem mehrstufigen Analyseraster zur Auswertung der Daten aus den Unterrichtsbeobachtungen mit Fokus auf die Lehrperson (Anhang II.V) 186 4 Forschungsdesign 4.5.2 Kompetenzorientierte und kategoriengeleitete Analyse (KKAL) Die kategoriengeleitete Textanalyse kann als Grundform einer Methode betrachtet werden, aus der sich „ durch Differenzierung in einzelne Analyseschritte, Aufstellen von Ablaufmodellen und Formulierung von Interpretationsregeln [neue] wissenschaftliche Auswertungstechniken entwickeln [lassen] “ (Mayring 2015: 130). Damit kann sichergestellt werden, dass die Auswertungsmethode „ auf den konkreten Forschungsgegenstand ausgerichtet [ist] “ (ebd.: 131). Für die Äusserungen der Lernenden möchte ich eine Analyse vornehmen, die kompetenzorientiert und kategoriengeleitet ist. Für dieses methodische Vorgehen kombiniere ich die KT mit Ansätzen der kompetenzorientierten Lernersprachenanalyse. 4.5.2.1 Analyse der Lernendensprache Unter der Analyse der Lernendensprache wird „ the study of language learners ’ language “ (Corder 1981: 66) verstanden. Das Analyseverfahren hat seinen Ursprung in der Soziolinguistik, der Zweitspracherwerbsforschung und der Sprachlehr- und -lernforschung (vgl. Ahrenholz 2014: 170). Mit dem wachsenden Interesse am Output von L2-Lernenden in den 1970er Jahren wird „ [d]ie Analyse von Lerneräußerungen und der sogenannten Lernersprache [zu] ein [em] zentrale[n] Untersuchungsfeld “ (Edmondson/ House 2011: 214) (vgl. Kap. 2.5). Zu Beginn werden die Lernendensprachen vor allem auf ihre Fehlerhaftigkeit hin analysiert (vgl. Marx/ Mehlhorn 2016: 300). Selinker geht von der „ Fehleranalyse “ aus, weil er Fossilisierungsphänomene zu erklären sucht (vgl. Selinker 1972: 221). Fehler stellen ein wichtiges Indiz dar, um die Lernendensprache zu beschreiben, denn sie sind „ eine schöpferische Eigenleistung des Lerners “ (Kielhöfer/ Börner 1979: 10). Wenn L2-Lernende einen Fehler machen, bedeutet dies, „ dass der Lerner sich aktiv mit der Fremdsprache auseinandersetzt “ (Edmondson/ House 2011: 215): C ’ est au moment où l ’ apprenant tente de créer ses propres messages dans la langue qu ’ il est en train d ’ apprendre que peuvent se produire des erreurs. L ’ apprenant peut alors faire référence aux hypothèses implicites qu ’ il se fait sur le fonctionnement de la langue, c ’ est-à-dire supposer, a priori, que la L2 fonctionne à peu près comme sa L1 - d ’ où les erreurs dues à l ’ interférence de la L1 et de la L2 - ou bien faire des surgénéralisations des structures déjà apprises (Germain/ Netten 2005: 8). Zu fehlerhaften Äusserungen werden diejenigen Lernendenäusserungen gezählt, die dazu führen, dass sich entweder „ ein Missverhältnis zwischen Äußerungsintention und konkreter Äußerung “ ergibt oder dass „ ein Miss- 4 Forschungsdesign 187 verhältnis zwischen der (den) Sprachnorm(en) und der konkreten Äußerung [besteht] “ (Kielhöfer/ Börner 1979: 10). Im Gegensatz zur „ Fehleranalyse “ untersucht die Analyse der Lernendensprache nicht ausschliesslich die Fehler, sondern die Äusserungen der Lernenden als Ganzes. Das Analyseziel verschiebt sich dadurch auf „ die Erforschung des Gesamtbestandes lernersprachlichen Wissens einer Zielsprache [ … ], d. h. sowohl fehlerhafte als auch korrekte sprachliche Strukturen [sind] Gegenstand der Analyse “ (Vogel 1990: 18), wodurch ein ganzheitliches Bild der Entwicklung von Lernendensprache entsteht, bei der der Transfer von Formen, Inhalten und Regeln einerseits von der/ den L1 auf die L2 und andererseits auch innerhalb der L2 analysiert wird und bei der auch der Transfer von methodischen und strategischen Kompetenzen Bestandteil der Analyse ist (vgl. Raabe 1974: 17). Der variationslinguistische Ansatz sieht vor, Lernendenäusserungen als spezifische Varietäten zu verstehen, „ die ihre eigenen Gesetzmäßigkeiten hinsichtlich ihrer Struktur und ihrer Veränderungsprinzipien haben “ (Ahrenholz 2014: 171). Nemser führt bereits zu Anfang der 1970er Jahre als Desiderat auf, dass Lernendenäusserungen nicht nur im Hinblick auf Elemente der Ausgangs- und der Zielsprache analysiert werden sollten, sondern als eigenes System den Untersuchungsgegenstand darstellen müssten: „ As such, learner speech should be studied not only by reference to L s [Source Language] and L t [Target Language] but in its own terms as well “ (Nemser 1971: 16). Bei Untersuchungen von Lernendensprachen in der Variationslinguistik werden i. d. R. folgende Sprachbereiche berücksichtigt: Phonetik/ Phonologie, Orthografie, Lexik, Syntax, Morphologie, textdiskursive Merkmale und Pragmatik (vgl. Ahrenholz 2014: 168 - 170; vgl. Marx/ Mehlhorn 2016: 298). In der Fremdsprachenforschung wird die linguistische Analyse der Lernendensprache vermehrt um die Analyse der kognitiven Prozesse ergänzt (Transfer, Strategien, Übergeneralisierungen etc.) (vgl. Marx/ Mehlhorn 2016: 302) und es wird nach Zusammenhängen zwischen „ (nur indirekt beobachtbaren) kognitiven Prozessen und (direkt beobachtbaren) sprachlichen Phänomenen “ (ebd.: 298 - 299) gesucht. Dabei stellt das Erfassen der kognitiven Prozesse eine besondere Herausforderung für die Forschenden dar, weil von äusseren Zeichen auf innere Prozesse geschlossen werden muss, d. h. es wird ‚ Output ‘ „ analysiert, um interne Verarbeitungsprozesse zu entdecken “ (Edmondson/ House 2011: 214). Mit der Definition der sprachlichen Fertigkeiten als Kompetenzen 46 verlagert sich der Schwerpunkt der Analyse der Lernendensprache „ darauf, was Ler- 46 Zur Kompetenzorientierung vgl. Kap. 2.3.4 188 4 Forschungsdesign nende in der Zielsprache bereits ausdrücken können “ (Marx/ Mehlhorn 2016: 301) und es werden nicht (hauptsächlich) Ressourcen, sondern Kompetenzen in den Blick genommen. Als Grundlage für kompetenzorientierte Analyse der Lernendensprache können Kompetenzbeschreibungen aus dem GER (Europarat 2001) oder dem GER Begleitband (Europarat 2020) herangezogen werden. In ihrer Studie zu den Sprechkompetenzen von Kindern im frühen Französischunterricht erstellt Neveling (2007) Kategorien für die Auswertung der elizitierten Lernendensprache in Anlehnung an den GER (vgl. ebd.: 274 - 276). Neben den linguistischen Phänomenen untersucht sie somit auch die Paraverbalia, die Nonverbalia, das pragmatisch-kommunikative Verhalten resp. die Interaktionsfähigkeit sowie das kommunikativ-strategische Verhalten. Als Basis für die Analyse von Lernendensprache braucht es einen Output in Form einer komplexen sprachlichen Einheit (vgl. Mezger/ Schellhardt/ Ş im ş ek 2016: 182). In der vorliegenden Untersuchung bilden die transkribierten Interaktionen der Schülerinnen und Schüler bei der Bearbeitung von Sprechaufgaben diese Textgrundlage. Dabei handelt es sich um Versuche, „ kommunikative Anliegen mit unzureichenden Mitteln zu realisieren “ (Ahrenholz 2014: 170), was „ zu einem eigenen, lernerspezifischen (und damit eventuell nicht normgerechten) Sprachgebrauch, also zur Herausbildung von Lernersprachen [führt] “ (ebd.). Im Sinne von translanguaging werden bei der Analyse sowohl positive als auch negative Transfers berücksichtigt. Beim Bearbeiten der ausgewählten Aufgaben zum Sprechen wird mündliche Interaktion hervorgerufen und es ist somit wichtig, dass bei der Analyse auch Aspekte der Interaktionskompetenz berücksichtigt werden. Zudem sind auch die strategischen Kompetenzen im Bereich der mündlichen Sprachproduktion und der Interaktion von Interesse. Zu allen Bereichen, die für die Fragestellung relevant sind, werden Kategorien gebildet, die für die Auswertung der Daten leitend sind (vgl. Kap. 4.5.2.3). 4.5.2.2 Verknüpfung der kompetenzorientierten Analyse der Lernendensprache (KAL) und der kategoriengeleiteten Textanalyse (KT) Für die Datenauswertung zur Unterrichtsbeobachtung mit Fokus auf die Schülerinnen und Schüler sehe ich vor, wie bei den anderen Datensätzen kategoriengeleitet vorzugehen. Dies bedeutet, dass der kompetenzorientierten Analyse der Lernendensprache (KAL) ein Kategoriensystem vorangestellt werden muss, anhand dessen die Transkripte der Interaktionen zwischen den Lernenden kodiert und ausgewertet werden. Es werden also bestimmte Bereiche resp. Kategorien festgelegt, die bei der Datenauswertung untersucht werden. Bei der KAL ist ein kategoriengeleitetes Vorgehen nicht zwingend, auch wenn i. d. R. im Vorfeld festgelegt wird, welche Bereiche für die Aus- 4 Forschungsdesign 189 wertung der Daten berücksichtigt werden. Die Methode der kompetenzorientierten und kategoriengeleiteten Analyse der Lernendensprache (KKAL) zeichnet sich dadurch aus, dass die KAL als ein eindeutig kategoriengeleitetes Verfahren angewendet wird, wobei die „ konsequente und systematische Nutzung des [ … ] aufgestellten Kategoriensystems [ … ] ein Unterscheidungskriterium von freieren Formen der Textinterpretation [darstellt] “ (Burwitz- Melzer/ Steininger 2016: 258). Das Kategoriensystem gilt als wesentliches Merkmal resp. als „ Herzstück “ der KT und ist ein „ Differenzierungskriterium gegenüber anderen qualitativen Verfahren “ (Schreier 2014: 3), weshalb es im nachfolgenden Kapitel genauso wie die Kategoriensysteme für die Auswertung der anderen Datensätze beschrieben und begründet wird. 4.5.2.3 Kategoriensystem für die Unterrichtsbeobachtungen mit Fokus auf die Lernenden Für die deduktive Kategorienbildung werden hauptsächlich der GER (Europarat 2001) und der GER Begleitband (Europarat 2020) herangezogen und die curricularen Vorgaben des Schweizer Kontexts berücksichtigt (vgl. Kap. 3.1.2). Das Lehrwerk, aus dem die Aufgaben zum interaktiven Sprechen stammen, die die Schülerinnen und Schüler bearbeiten, ist basierend auf dem Lehrplan Passepartout (Bertschy et al. 2015) entwickelt worden, welcher sich wiederum „ am ganzheitlichen Kompetenzmodell des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens [orientiert] “ (ebd.: 4). Der Einleitung des Lehrplans ist zu entnehmen, dass das Gesamtsprachenkonzept der Konferenz der Erziehungsdirektorinnen und Erziehungsdirektoren (EDK) von 1998 und der Gemeinsame Europäische Referenzrahmen für Sprachen (GER) [ … ] die konzeptionellen Grundlagen für eine Erneuerung des Sprachenunterrichts in der Volksschule [bilden] (ebd.: 2). Ausserdem werden Erkenntnisse zur mündlichen Interaktion aus den psycholinguistischen Modellen zum Sprechvorgang beigezogen (vgl. Kap. 2.4) (vgl. Tab. 44): 190 4 Forschungsdesign Bereiche aus dem GER (Europarat 2001) / GER Begleitband (Europarat 2020) Gegenstand der Untersuchung Deduktiv gebildete Kategorien Bereich 1 Mündliche Interaktion allgemein Hauptkategorie D1 Mündliche Interaktion „ Bei der Interaktion handeln Sprachverwendende abwechselnd als Sprechende und Hörende mit einem oder mehreren Gesprächspartnern, um durch das Aushandeln von Bedeutung auf der Basis des Prinzips der Kooperation das Gespräch gemeinsam entstehen zu lassen “ (Europarat 2001: 78). Laut der Beispielskala können Lernende mit elementarem Niveau die Kommunikation aufrechterhalten, indem sie Fragen stellen und beantworten, um Informationen auszutauschen (ebd.: 79). 47 Die Aufgaben aus dem Lehrwerk zielen auf die interaktive Aktivität des Informationsaustausches ab (Europarat 2001: 79/ 84). 48 Die Lernenden können „ sich in schulischen Alltagssituationen auf einfache Art verständigen, zu einem neuen Thema einfache Fragen stellen und auf einzelne W-Fragen antworten: Wo? Wer? Wie? Wann? “ (Bertschy et al. 2015: 22). Sie können „ sich mit Mitschülerinnen und Mitschülern in der Arbeitsgruppe auf Französisch und in der Schulsprache verständigen “ (ebd.) Sie können „ so oft Es wird untersucht, • inwiefern es den Lernenden gelingt, die Kommunikation in Form einer Interaktion aufrecht zu erhalten, • Fragen zu stellen und zu beantworten • und Informationen auszutauschen. Dabei ist anzumerken, dass die Gesprächspartnerin oder der Gesprächspartner nicht wie im GER Begleitband (Europarat 2020) beschrieben „ kompetente Sprechende “ sind, sondern ebenfalls Sprachlernende. Entsprechend ist die Hilfe, die von der Gesprächspartnerin oder von dem Gesprächspartner erwartet werden kann, eine andere. Kategorie D1.1 Interaktion aufrechterhalten Kategorie D1.2 Fragen stellen und beantworten Kategorie D1.3 Informationen austauschen 47 Die Änderungen, die im Bereich der „ mündlichen Interaktion allgemein “ im GER Begleitband (Europarat 2020: 88 - 89) im Vergleich zum GER (Europarat 2001) auszumachen sind, können als minim eingestuft werden und haben keinen Einfluss auf das Bilden deduktiver Kategorien in der vorliegenden Studie: ‚ Gesprächspartner ‘ wird durch genderneutrale Formulierung ‚ Gesprächspartner/ innen ‘ ersetzt, ‚ Muttersprachler ‘ wird durch ‚ kompetente Sprechende ‘ ersetzt, A1-Niveaus wird in A1.1 und A1.2 unterteilt, Skala wird um vor-A1-Niveau erweitert 48 Die Änderungen, die in der Skala der „ Informationsaustausch “ im GER Begleitband (Europarat 2020: 97) im Vergleich zum GER (Europarat 2001) auszumachen sind, haben keinen Einfluss auf das Bilden deduktiver Kategorien in der vorliegenden Studie: Die Beschreibungen auf dem elementaren Niveau wurden um konkrete Hinweise zu möglichen Informationen erweitert, die ausgetauscht werden können (z. B. persönliche Angaben wie Name, Alter, Telefonnummer). 4 Forschungsdesign 191 Bereiche aus dem GER (Europarat 2001) / GER Begleitband (Europarat 2020) Gegenstand der Untersuchung Deduktiv gebildete Kategorien als möglich Gelegenheiten zum Sprechen nutzen “ (ebd.: 25). Das Zusammenspiel der verschiedenen Verarbeitungssysteme (Conceptualizier, Formulator, Articulator, Audition, Speech-Comprehension System) funktioniert (vgl. Levelt 1989: 9). Die Lernenden betrachten sich „ als Teilhaber des Interaktionsprozesses “ (Neveling 2007: 262; vgl. Bachman/ Palmer 1996) Bereich 2 Kommunikationsstrategien: Produktionsstrategien, Interaktionsstrategien, Mediation Hauptkategorie D2 Kommunikationsstrategien „ Strategien werden als Gelenkstellen zwischen den Ressourcen der Lernenden (Kompetenzen) und dem, was sie mit ihnen tun können (kommunikative Aktivitäten) betrachtet “ (Europarat 2001: 38). Für den Bereich Produktionsstrategien stehen die drei Beispielskalen Planen, Kompensieren und Kontrolle und Reparaturen zur Verfügung (ebd.: 70 - 71). 49 Unter der Produktionsstrategie Kompensieren sind Gesten oder code-switching aufgeführt, wobei code-switching bedeutet, dass „ ein Wort aus der Muttersprache mit zielsprachlicher Aussprache “ (ebd.: 70) verwendet wird. Die Lernenden können „ Modellsätze in Gruppen anwenden und anpassen “ (Bertschy et al. 2015: 22). Die Lernenden können „ die Gesprächspartner beobachten, Mimik und Gestik zu Hilfe nehmen, das Nichtverstehen signalisieren “ (ebd.: 25). Lernende greifen in aufgabenorientierten Lernsettings oft auf die Schulsprache zurück (Manoïlov (2019). Von den drei Produktionsstrategien sind zwei Gegenstand der Untersuchung: Es wird untersucht, • welche kompensierenden Strategien die Lernenden anwenden, um die Interaktion aufrecht zu erhalten • und ob resp. wie die Lernenden erkennen, dass ein Problem entstanden ist, resp. wie sie mit dem Problem umgehen. Die Produktionsstrategie Planen kann nicht untersucht werden, da sie in den Daten zu den Lernendenäusserungen nicht sichtbar ist (vgl. Edmondson/ House 2011: 214). Kategorie D2.1 Kompensieren Kategorie D2.2 Sprecherwechsel 49 Die drei Beispielskalen zu den Produktionsstrategien werden im GER Begleitband (Europarat 2020: 84 - 86) im Vergleich zum GER (Europarat 2001) erweitert und korrigiert. 192 4 Forschungsdesign Bereiche aus dem GER (Europarat 2001) / GER Begleitband (Europarat 2020) Gegenstand der Untersuchung Deduktiv gebildete Kategorien „ [N]eben den erwähnten [ … ] produktiven Strategien [gibt es] auch solche, die ausschließlich der Steuerung [des Interaktions-]Prozesses dienen “ (Europarat 2001: 87). Für den Bereich Interaktionsstrategien stehen die drei Beispielskalen Sprecherwechsel, Kooperieren und Um Klärung bitten zur Verfügung (ebd.: 88 - 89). 50 Die Skala zum Sprecherwechsel wird doppelt aufgeführt: einerseits unter den Interaktionsstrategien und andererseits unter „ pragmatischer Kompetenz “ (ebd.: 124). Die Skala zum Kooperieren wird im GER Begleitband im Bereich der Mediation zu „ Gemeinsame Konstruktion von Bedeutung “ weiterentwickelt (vgl. Europarat 2020: 130 - 132). Die Lernenden können „ einander bei der Aussprache und dem Gebrauch von Wörtern unterstützen “ (Bertschy et al. 2015: 22). Die Lernenden können „ um Wiederholung einer Frage oder Aussage bitten “ (ebd.). Es wird ausserdem untersucht, • ob resp. wie die Lernenden das Wort ergreifen, das Gespräch in Gang halten und beenden, • ob resp. wie die Lernenden einander auffordern, sich am Gespräch zu beteiligen oder ob resp. wie sie anzeigen, dass sie dem Gespräch folgen und • ob resp. wie die Lernenden sagen, dass sie etwas nicht verstehen und ob resp. wie sie um Klärung bitten. Kategorie D2.3 Um Klärung bitten Kategorie D2.4 Kooperieren Kategorie D2.5 Kontrolle und Reparaturen Bereich 3 Kommunikative Kompetenzen: linguistische und pragmatische Kompetenzen Hauptkategorie D3 Kommunikative Kompetenzen Die kommunikativen Sprachkompetenzen werden in die linguistische, soziolinguistische und pragmatische Kompetenz unterteilt (vgl. Europarat 2001: 109 - 130). Unter linguistischer Kompetenz sind die Bereiche Spektrum sprachlicher Mittel allgemein und Beherrschung der Aussprache und Into- Es wird untersucht, • über welches Repertoire an Wörtern, Wendungen und grammatischen Strukturen und Satzmustern die Lernenden verfügen und welche sprachlichen Fehler sie machen, Kategorie D3.1 Beherrschung der Phonologie Kategorie D3.2 Flüssigkeit Kategorie D3.3 Spektrum sprachlicher Mittel 50 Die drei Beispielskalen zu den Interaktionsstrategien werden im GER Begleitband (Europarat 2020: 109 - 111) erweitert und korrigiert. Die Skala zum Sprecherwechsel ist im GER Begleitband doppelt aufgeführt, sowohl unter „ Interaktionskompetenzen “ als auch unter „ pragmatische Kompetenzen “ . Damit wird ausgedrückt, dass diese Fähigkeit sowohl als Interaktionsstrategie als auch als integraler Aspekt von Diskurskompetenz angesehen werden wurde (vgl. ebd.: 164). 4 Forschungsdesign 193 Bereiche aus dem GER (Europarat 2001) / GER Begleitband (Europarat 2020) Gegenstand der Untersuchung Deduktiv gebildete Kategorien nation für die vorliegende Studie relevant (vgl. ebd.: 110 - 111/ 117). Die Aspekte zur soziolinguistischen Kompetenz sind für die Sprechsituationen und das Alter der Untersuchungsgruppe weniger relevant, im Gegensatz zur Flüssigkeit bei den pragmatischen Kompetenzen (vgl. ebd.: 129). Der Aspekt des Sprecherwechsels wird im Bereich der Interaktionsstrategien berücksichtigt. 51 Sprechabsichten können realisiert werden: Das mentale Lexikon liefert passende Lemmata und/ oder die Mitteilung kann ausgesprochen werden (vgl. Diehr/ Kötter 2013: 103). • wie die Schülerinnen und Schüler französische Laute, Wörter und Ausdrücke aussprechen und • wie flüssig die Lernenden sich ausdrücken, wie viele Pausen sie brauchen und wie oft sie stocken, neu ansetzen oder umformulieren müssen. Bereich 4 Auf einem plurilingualen Repertoire aufbauen Hauptkategorie D4 Plurilinguales Sprachhandeln In Bezug auf die Mehrsprachigkeit wird im GER (Europarat 2001) u. a. beschrieben, dass Sprachen miteinander zusammenhängen und besonders auf der Ebene von Individuen miteinander verbunden sind, dass alle Kenntnisse von und Erfahrungen mit Sprachen zum Aufbau kommunikativer Kompetenz beitragen und dass Barrieren zwischen Sprachen in der Kommunikation überwunden werden und verschiedene Sprachen in der gleichen Situation bewusst zur Übermittlung von Botschaften eingesetzt werden können (vgl. ebd.: 17). 52 Im GER Es wird untersucht, • inwiefern sich die Lernenden ihr plurilinguales Repertoire beim Verstehen zunutze machen und • inwiefern sich die Lernenden ihr plurilinguales Repertoire beim Sprechen zunutze machen. Kategorie D4.1 Plurilinguales Verstehen Kategorie D4.2 Plurilinguales Sprechen 51 Die drei Beispielskalen zu den linguistischen und pragmatischen Kompetenzen werden im GER Begleitband erweitert und korrigiert (vgl. Europarat 2020: 153/ 159/ 167). Insbesondere die Skala zur Aussprache und Intonation wird stark überarbeitet und mit Beherrschung der Phonologie (inkl. Aussprache und Intonation) neu betitelt. 52 Im GER Begleitband (Europarat 2020) wird zusätzlich zu den erwähnten Punkten die proaktive Fähigkeit beschrieben, die darin besteht, „ die Kenntnis vertrauter Sprachen zu nutzen, um neue Sprachen zu verstehen, indem man nach verwandten Wörtern und Internationalismen Ausschau hält, um Texte in unbekannten Sprachen zu verstehen “ (Europarat 2020: 145). Dasselbe gilt für die Sprachproduktion, nämlich mit der „ Fähigkeit, das eigene sprachliche Repertoire dazu einzusetzen, zielgerichtet und absichtsvoll in Äußerungen und Diskursen Sprachen zu mischen, einzubetten und zu variieren “ (ebd.). 194 4 Forschungsdesign Bereiche aus dem GER (Europarat 2001) / GER Begleitband (Europarat 2020) Gegenstand der Untersuchung Deduktiv gebildete Kategorien Begleitband werden zwei Skalen zum plurilingualen Repertoire entwickelt: Plurilinguales Verstehen und Auf einem plurilingualen Repertoire aufbauen (vgl. Europarat 2020: 148 - 151). Laut De Bot (1992) kann mit dem Monitor die benötigte Sprache an- und die nicht benötigte Sprache abgewählt werden (vgl. ebd.: 13). Code-switching erfolgt durch das Interagieren der verschiedenen Sprachsysteme miteinander (vgl. ebd.). Tab. 44: Deduktiv gebildete Kategorien für die Unterrichtsbeobachtungen mit Fokus auf die Lernenden Nach einem ersten Materialdurchgang werden die deduktiv gebildeten Kategorien induktiv weiter ausdifferenziert (vgl. Tab. 45): Deduktiv gebildete Kategorien Induktiv gebildete Kategorien Hauptkategorie D1: Mündliche Interaktion Benennt D1.1 um und ergänzt die Kategorie um fünf Unterkategorien: D1.1 Bearbeitung der Aufgabe nach Vorgaben D1.1.1 Nutzung der Lernzeit D1.1.2 Effektive Sprechzeit D1.1 Interaktion aufrechterhalten D1.1.3 Interaktion in der Zielsprache D1.1.4 Berücksichtigung der Vorgaben im Lehrwerk D1.1.5 Berücksichtigung der Anweisungen der Lehrperson D1.2 Informationen austauschen Benennt D1.2 um und ergänzt die Kategorie um zwei Unterkategorien: D1.2 Informationsaustausch D1.2.1 Informationen in der Zielsprache austauschen D1.2.2 Fragen stellen und beantworten D1.2.3 Paarsequenz oder Sequenzerweiterung 4 Forschungsdesign 195 Deduktiv gebildete Kategorien Induktiv gebildete Kategorien Hauptkategorie D2: Kommunikationsstrategien D2.1 Kompensieren Differenziert D2.1 in drei Unterkategorien: D2.1.1 code-switching (F-D-E) D2.1.2 Gestik und Mimik D2.1.3 Wiederholungen D2.2 Sprecherwechsel Benennt D2.2 um: D2.2 Das Wort ergreifen (turntaking) D2.3 Um Klärung bitten D2.4 Kooperieren Differenziert D2.4 in zwei Unterkategorien: D2.4.1. Gegenseitige Unterstützung D2.4.2. Kooperieren in der Zielsprache D2.5 Kontrolle und Reparaturen Differenziert D2.3 in drei Unterkategorien: D2.5.1 Selbstkorrektur D2.5.2 Korrektur des/ der Interaktionspartners/ in Hauptkategorie D3: Kommunikative Kompetenzen D3.1 Beherrschung der Phonologie Präzisiert D3.1 mit einer Klammerbemerkung: D3.1 Beherrschung der Phonologie und der Phonetik (Akzent, Aussprache einzelner Laute) D3.2 Flüssigkeit D3.3 Spektrum sprachlicher Mittel Hauptkategorie D4: Plurilinguales Sprachhandeln D4.1 Plurilinguales Verstehen Reduziert die Kategorie D4 auf die Kategorie D4.2: D4 Plurilinguales Sprechen D4.2 Plurilinguales Sprechen Tab. 45: Kategoriensystem mit deduktiv und induktiv gebildeten Kategorien zur Auswertung der Daten aus den Unterrichtsbeobachtungen mit Fokus auf die Lernenden Die Hauptkategorie D1 wird stark ausdifferenziert und um insgesamt neun Kategorien ergänzt. Der Hauptkategorie D2 werden acht neue Kategorien hinzugefügt. Die hohe Zahl an induktiv erarbeiteten Kategorien für das Kategoriensystem der Unterrichtsbeobachtungen mit Fokus auf die Lernenden lässt sich vermutlich dadurch erklären, dass mit diesem Datensatz relatives Neuland betreten wird und zwar mit dem Ziel, datenbasiert Theorie zu generieren. Bei der Hauptkategorie D3 wird die Kategorie D3.1 (Beherrschung 196 4 Forschungsdesign der Phonologie) präzisiert, da dieser Bereich für Lernende der Primarstufe von hoher Relevanz ist. Die Klammerbemerkung beinhaltet die drei Aspekte, die in der dreispaltigen Skala des GER Begleitbands detailliert beschrieben werden: Akzent, Aussprache einzelner Laute und Prosodie (vgl. Europarat 2020: 153/ 159/ 167). Die Hauptkategorie D4 wird als einzige Kategorie reduziert. Es ist nicht möglich, das plurilinguale Verstehen zu eruieren, weshalb die Kategorie sich auf die hörbare Kategorie (Plurilinguales Sprechen) beschränkt. Aus der deduktiv-induktiven Kategorienbildung entsteht das folgende Kategoriensystem (vgl. Tab. 46): D1 Mündliche Interaktion D1.1 Bearbeitung der Aufgabe nach Vorgaben D1.1.1 Nutzung der Lernzeit D1.1.2 Effektive Sprechzeit D1.1.3 Interaktion in der Zielsprache D1.1.4 Berücksichtigung der Vorgaben im Lehrwerk D1.1.5 Berücksichtigung der Anweisungen der Lehrperson D1.2 Informationsaustausch D1.2.1 Informationen in der Zielsprache austauschen D1.2.2 Fragen stellen und beantworten D1.2.3 Paarsequenz oder Sequenzerweiterung D1.3 Informationen austauschen D2 Kommunikationsstrategien D2.1 Kompensieren D2.1.1 code-switching (F-D-E) D2.1.2 Gestik und Mimik D2.1.3 Wiederholungen D2.2 Das Wort ergreifen (turntaking) D2.3 Um Klärung bitten D2.4 Kooperieren D2.4.1 Gegenseitige Unterstützung D2.4.2 Kooperieren in der Zielsprache D2.5 Kontrolle und Reparaturen D2.2.1 Selbstkorrektur D2.2.2 Korrektur des/ der Interaktionspartners/ in D3 Kommunikative Kompetenzen D3.1 Beherrschung der Phonologie D3.2 Flüssigkeit D3.3 Spektrum sprachlicher Mittel D4 Plurilinguales Sprechen Tab. 46: Definitives Kategoriensystem zur Analyse der Daten aus den Unterrichtsbeobachtungen mit Fokus auf die Lernenden 4 Forschungsdesign 197 Um die Analyseergebnisse zu den Bearbeitungen der verschiedenen Aufgaben zum interaktiven Sprechen durch die 24 Fokusschülerinnen und -schüler mit dem definitiven Kategoriensystem festzuhalten, werde ich die folgende Profilmatrix anfertigen (vgl. Tab. 47): D2.5 Kontrolle und Reparaturen D2.5.1 Selbstkorrektur Aufgabe A: Quiz Aufgabe B: Questionnaire Aufgabe C: Questions Aufgabe E: Métiers K1FS1 / K1FS2 K1FS1 kann Selbstkorrektur nicht vornehmen, wenn er/ sie auf fehlerhafte Aussage hingewiesen wird. Beispiel: Comment dit-on „Auf Wiedersehen» en français? Je pense que c’est «au revoir». z kø Aussprache «au revoir» und «c’est» in chunk. Korrektur: Je pense que c’est au revoir. K1FS2 [08 Führt nicht zur Selbstkorrektur. K1FS1 wiederholt fehlerhafte Aussprache: K1FS1 [08: 45] au revuar K1FS2 kann Selbstkorrektur vornehmen, wenn er/ sie auf fehlerhafte Aussage hingewiesen wird: K1FS2 [04: 15] [ki a v .] Oder so öpis ähnlechs. K1FS1 [04: 22] weles hesch du itz gmacht? Form: K1FS1 bittet um Erläuterung, weil er/ sie etwas nicht versteht (Verständnisproblem / comprehensibility problem: Lyster/ Ranta 1997: 47). Kennt allerdings die korrekte Lösung auch nicht. K1FS2 findet Lösung dann selber: K1FS1 setzt neu an, um den Satzanfang zu verwenden, um ein Wort korrekter auszusprechen oder um die Antwort auf Französisch zu geben: K1FS1 [00: 28] (2) [ty ] K1FS1 [00: 07] Ja. Oui c’est juste. Er/ Sie wird nicht auf fehlerhafte Aussagen hingewiesen. K1FS2 wird nicht auf fehlerhafte Aussagen hingewiesen und nimmt keine Selbstkorrektur vor. K1FS1 setzt neu an, um ein Wort korrekter auszusprechen: K1FS1 [00: 03] [ s ] K1FS1 kann Selbstkorrektur vornehmen, wenn er/ sie auf fehlerhafte Aussprache hingewiesen wird: Bei Courtedoux nimmt K1FS1 Selbstkorrektur wahr: K1FS1 [00: 29] [ Courtedoux) K1FS2 [00: 40] [ ] K1FS1 [00: 42] [ ] Wenn Courtedoux gegen Ende der Sequenz von K1FS1 wiederholt wird, spricht er/ sie es zwar besser, aber wieder nicht ganz korrekt aus: K1FS1 [03: 31] [ ] Bei Saint Léonard, crayon und faire du vin nimmt K1FS1 keine Selbstkorrektur wahr: K1FS1 [00: 58] [a s Saint Léonard) K1FS1 [03: 37] [ ] K1FS2 [03: 39] [ ] gloub K1FS1 [01: 38] [ ] (1) le ] Bei gagner de l’argent bestätigt K1FS1 mit «genau», nimmt keine Selbstkorrektur vor: E1: Es kann keine entsprechende Situation beobachtet werden: Es besteht der Anspruch, dass die Äusserung von Beginn an korrekt ist. E2: Bei K1FS2 kann keine entsprechende Situation beobachtet werden. K1FS1 korrigiert sich selbst von illustratice zu illustratrice: K1FS1 [07: 19] je pense que tu es une *illustratice K1FS1 [07: 25] illustratrice Tab. 47: Ausschnitt aus der Profilmatrix zur Auswertung der Unterrichtsbeobachtungen mit Fokus auf die Lernenden (Anhang II.VI) Um die Fokusschülerinnen und -schüler miteinander vergleichen zu können, werde ich ausserdem ein mehrstufiges Raster mit Deskriptoren zu jeder Kategorie entwickeln. So kann ich zeigen, bei welcher Aufgabe welche Fokusschülerinnen und/ oder -schüler ein optimales sprachliches Handeln zeigen und wo sie suboptimal vorgehen. Skalen, die auf der induktiven Kategorienbildung basieren, sind i. d. R. vierstufig, während die Skalen, die Beschreibungen in Anlehnung an die GER-Deskriptoren der Niveaus A1.2, A2.1 und A2.2 enthalten, grundsätzlich dreistufig sind (vgl. Tab. 48): 198 4 Forschungsdesign Klasse 1 (K1) Klasse 2 (K2) Klasse 3 (K3) Klasse 4 (K4) D2.5 Kontrolle und Reparaturen D2.5.1 Selbstkorrektur Die Fokusschülerin / der Fokusschüler… A B C1 C2 E1 E2 A B C D A B C E A C D kann erkennen, dass seine/ ihre Äusserung fehlerhaft war, wenn die/ der Interaktionspartner*in nicht wie erwartet reagiert oder wenn er/ sie selbst erkennt, dass ein inhaltliches/ sprachliches Problem entsteht. Er/ Sie kann die Äusserung ggf. mit Unterstützung der Mitschülerin/ des Mitschülers korrigieren. 2 3/ 4 1 1/ 2 1/ 2 1 4 1/ 2 6 1/ 2 1 kann die korrekte Form einer Äusserung nachsprechen, wenn ihr/ ihm die korrekte Form in Form einer Korrektur (durch die Mitschülerin/ den Mitschüler) angegeben wird. 1 2 3 2 3 3/ 4 5 4 1/ 2 korrigiert sich (auch bei der Angabe der korrekten Form) nicht selbst, resp. es kann keine entsprechende Situation beobachtet werden. 1 5/ 6 2 3/ 4 5/ 6 1/ 2 3/ 4 5/ 6 2 3 5/ 6 3/ 4 5 2 1 4 5/ 6 1 3/ 4 4 5/ 6 1/ 2 6 1/ 2 3/ 4 5/ 6 1/ 2 3/ 4 5/ 6 2 3 5/ 6 3/ 4 5/ 6 1 3/ 4 D2.5.2 Korrektur des/ der Interaktionspartners/ in (Lyster/ Ranta 1997: 1. explicit correction, 2. recasts, 3. clarification requests, 4. metalinguistic feedback, 5. elicitations refers und 6. repetition (46-48)) Die Fokusschülerin / der Fokusschüler… A B C1 C2 E1 E2 A B C D A B C E A C D kann bei ihrer/ seiner Mitschülerin / ihrem/ seinem Mitschüler eine fehlerhafte Äusserung erkennen und korrigieren resp. die korrekte Form angeben, und dabei auf verschiedene Korrektur- und Reparaturformen zurückgreifen. 2 4 2 2 2 2 2 2 4 kann bei ihrer/ seiner Mitschülerin / ihrem/ seinem Mitschüler eine fehlerhafte Äusserung erkennen und korrigieren resp. die korrekte Form angeben, jedoch immer mit derselben Korrektur- und Reparaturform. 1 3 6 3/ 4 6 3 5 1/ 2 4 1 6 1/ 2 4 2 3 reagiert bei fehlerhaften Äusserungen der Mitschülerin/ des Mitschülers nicht, resp. es kann keine entsprechende Situation beobachtet werden. 3 5/ 6 1/ 2 4 5 1 3/ 4 1 5/ 6 1/ 2 3/ 4 5/ 6 1/ 2 3/ 4 5/ 6 1 3/ 4 5 1 1 2 6 3 3 5 3 5/ 6 1/ 2 3/ 4 5/ 6 1/ 2 3/ 4 5/ 6 1 4 5/ 6 1/ 2 3/ 4 5/ 6 1 3/ 4 Tab. 48: Auszug aus dem mehrstufigen Analyseraster zur Auswertung der Daten aus den Unterrichtsbeobachtungen mit Fokus auf die Lernenden (Anhang II.VII) 4.5.3 Exkurs: Dokumentarische Methode (DM) Wie im einleitenden Kapitel zur Methodik beschrieben ist (vgl. Kap. 4.5), wird häufig erst im Laufe des Forschungsprozesses die Methode mit der grössten Passung für die Auswertung der verschiedenen Datensätze eruiert. Bevor ich zur definitiven Auswertung und Interpretation der Daten übergehe, werte ich deshalb einen Teil der Daten mit der Dokumentarischen Methode (DM) aus und prüfe, wie präzise sich die Forschungsfragen mit diesem Verfahren beantworten lassen. In diesem Kapitel fasse ich die Erkenntnisse zusammen, die ich aus der Probeanalyse mit der DM erhalten habe; eine minutiöse Methodendiskussion am Beispiel der vorliegenden Studie erscheint in einer separaten Publikation (vgl. Lovey 2021). Die DM hat ihren Ursprung in der Wissenssoziologie (vgl. Mannheim 1980; Bohnsack 2011: 16) und wird zunächst für Projekte zur Unterrichtsforschung mit soziologischer Ausrichtung übernommen, um Erkenntnisse über Unterrichts- und Bildungsprozesse hervorzubringen (vgl. Bonnet 2009: 220). In der Fremdsprachenforschung erhält die DM Einzug, um die „ Praktiken der Verständigung von Lernenden und Lehrenden in Mikroprozessen und Handlungsroutinen bzw. Interaktionsprozessen des Fremdsprachenunterrichts “ (Gerlach/ Tesch 2020: 1) zu untersuchen. Dabei lässt sich die DM auch in der „ Aufgabennutzungsbzw. Aufgabenbearbeitungsforschung “ (Tesch 2016: 14) einsetzen. Die DM zählt zu den rekonstruktiven Verfahren, da mit ihr erforscht werden kann, wie „ sich das Spezifikum des Gebrauchs einer fremden Sprache auf die Verständigungspraktiken im Fremdsprachenunterricht aus[wirkt] und wie 4 Forschungsdesign 199 sich diese rekonstruieren [lassen] “ (Gerlach/ Tesch 2020: 1). Rekonstruktive Verfahren zeichnen sich durch einen Wechsel der Analyseperspektive vom ‚ Was ‘ zum ‚ Wie ‘ aus, resp. zu einer Kombination des ‚ Was ‘ und des ‚ Wie ‘ . Ursprünglich wurde die DM für die Auswertung von Daten aus Gruppendiskussionen verwendet (vgl. Mangold/ Bohnsack 1988). Heute können Daten aus ganz verschiedenen Erhebungsverfahren wie Interviews oder Unterrichtsbeobachtungen mit der DM ausgewertet werden (vgl. Nohl 2017: 10). Grundsätzlich wird auch beim Transfer in andere Untersuchungssettings die ursprüngliche Form der DM beibehalten, d. h. es wird in vier Analyseschritten ein methodisch kontrolliertes Fremdverstehen ermöglicht. Die vier Analyseschritte sind erstens die formulierende Interpretation, zweitens die reflektierende Interpretation, drittens die Fallbeschreibung und viertens die Typenbildung. Bei der probehaften Auswertung von Daten zeigt sich, dass die Passung zwischen der DM und den gesammelten Daten sowie den Forschungsfragen nicht ideal ist. In den nachfolgenden Ausführungen werden ausgewählte problematische Punkte beleuchtet. Der erste Analyseschritt der DM, die formulierende Interpretation, dient u. a. dazu, in Form einer sequenziellen Analyse wichtige Textstellen für die Analyse auszumachen, für die eine (verfeinerte) Transkription angefertigt werden muss. Durch die Kennzeichnung von Themen als Überschriften soll die Übersichtlichkeit der Transkripte erhöht werden. Im Dissertationsprojekt liegen jedoch mit der gegebenen Datenauswahl und -aufbereitung bereits wichtige Prämissen vor, die nicht optimal zum ersten Analyseschritt der DM passen: Das Festlegen wichtiger und zu transkribierender Textstellen, wie es die DM im ersten Analyseschritt vorsieht, erübrigt sich also, denn im Dissertationsprojekt wurden die ausgewählten Daten im Anschluss an die Erhebung transkribiert. Auch die Kennzeichnung der Themen ist wenig zielführend, denn die Themenfelder sind grösstenteils bereits vor dem ersten Analyseschritt bekannt, da die angesprochenen Themen bei den Befragungen dem Leitfaden zu entnehmen sind und bei den Unterrichtsbeobachtungen dem Ablauf der bearbeiteten Aufgabe entsprechen. Insofern ist auch dieser Teilschritt der formulierenden Interpretation für die Daten der vorliegenden Studie wenig ergiebig. In Anbetracht des Vorgehens bzg. Datenauswahl und -aufbereitung lässt sich festhalten, dass eine sequenzielle Analyse für die Auswertung der Daten des Dissertationsprojekts wenig zielführend ist und dass es sinnvoller ist, wenn im Anschluss an die Transkription die Kodierung und Kategorisierung am Textmaterial erfolgen. Die Auswahlentscheidungen wurden von der Ausrichtung des Projekts bestimmt, das den Fokus auf Aufgaben zum interaktiven Sprechen richtet. Es lässt sich argumentieren, dass auch anders hätte ent- 200 4 Forschungsdesign schieden werden können, denn „ je nachdem, welcher Fokus im Vordergrund steht, beispielweise Relevanz für die Akteure oder Repräsentanz für den Unterrichtsgegenstand, werden unterschiedliche Analyseebenen adressiert “ (Tesch et al. 2020: 73). Man könnte sich vorstellen, dass aus demselben Datenmaterial Sequenzen herausgegriffen würden, die stärker das Handeln der Lernenden vor dem eigentlichen Beginn der Bearbeitung der Aufgabe fokussieren. So könnten Fragen geklärt werden, wie motiviert sich die Schülerinnen und Schüler zeigen, wie lange sie brauchen, bis sie mit der Bearbeitung beginnen, wie sie ihren Lernpartnerinnen oder Lernpartnern gegenüber eingestellt sind o. ä. Dies würde eine Verlagerung des Erkenntnisinteresses für das (fremd-)sprachliche Handeln auf das soziale Handeln im Fremdsprachenunterricht nach sich ziehen. Es würde nicht das fremdsprachliche Sprechen der Schülerinnen und Schüler im Zentrum stehen, sondern der Blick würde sich auf die Sozialität der Interaktion beim Bearbeiten von Aufgaben zum Sprechen richten. Dies entspricht jedoch nicht dem Erkenntnisinteresse, dem mit der Forschungsfrage 3b) nachgegangen wird. Der zweite Analyseschritt der DM, die reflektierende Interpretation, sieht vor, dass aus den Daten Orientierungsrahmen resp. Relevanzsysteme der Akteurinnen und Akteure aufgedeckt werden (vgl. Bonnet 2020: 4). Dafür braucht es Daten, die einen grossen Interpretationsspielraum zulassen, was bei den Daten des Dissertationsprojektes, die entsprechend dem beschriebenen Forschungsprozess erhoben werden, nicht der Fall ist. Die Daten der Befragungen werden aufgrund der Forschungsfragen mit einem Leitfaden erhoben. Aus leitfadengestützten Befragungen lassen sich jedoch nur sehr schwer Orientierungsrahmen aufdecken, da „ die Relevanzsetzungen [ … ] bereits durch die Interviewleiterin festgelegt [worden sind] “ (Prüsmann 2019: 141). Um eine breitere Rahmung zu erlangen, müssten beispielsweise anstelle der problemzentrierten Interviews narrative Interviews geführt werden. Doch das zentrale Anliegen des Dissertationsprojekts ist es, das kommunikativ-generalisierende Wissen zu erfassen und nicht das konjunktive (vgl. Mannheim 1980; Bohnsack 2011: 20). Um die Forschungsfrage 2a) des Dissertationsprojekts angemessen beantworten zu können, müssen individuelle Denkprozesse abgebildet werden und nicht die kollektiv geteilten Orientierungen. Auch bei den Daten zur Unterrichtsbeobachtung stellt sich das Aufdecken von Orientierungsrahmen im dokumentarischen Sinn als problematisch heraus. Ein Orientierungsrahmen besteht jeweils aus fachlichen und sozialen Anteilen, wobei der fachliche Anteil mit dem Interimskonzept gleichgesetzt werden kann (vgl. Bonnet 2009: 227). Auf der einen Seite müssten für die Rekonstruktion des Orientierungsrahmens also die lernendensprachlichen 4 Forschungsdesign 201 Äusserungen analysiert werden, da sie den fachlichen Anteil bilden, auf der anderen Seite müssten aber auch die sozialen Anteile berücksichtigt werden. Die zwei Komponenten ergeben sich aus der Überlegung, „ den fremdsprachlichen Kompetenzerwerb nicht nur als Zugewinn an fremdsprachlichem Können, sondern auch an Reflexionsfähigkeit und Persönlichkeitsentwicklung [zu] betrachten “ (Bonnet 2020: 5). Demzufolge müssten die Beobachtungsdaten zum Lernendenhandeln also nicht nur die „ reinen Lernprozesse “ wiedergeben, sondern es sollten auch Spuren von „ Bildungsprozessen “ sichtbar werden. Durch die Auswahl der Sequenzen, die auf die Bearbeitung von Sprechaufgaben begrenzt ist, wird jedoch ein klarer Fokus auf die fachlichen Anteile gesetzt. Obschon ich das Ziel verfolge, im Rahmen der vorliegenden Studie Unterrichtsforschung zu betreiben, wenn Sprechaufgaben zur Förderung der mündlichen Interaktion eingeführt und bearbeitet werden, erweist sich die Anwendung der DM als nicht zielführend, da diese Methode „ den Zugang zu den Relevanzsystemen der Schüler*innen und Lehrer*innen, sowie zum Unterrichtsgeschehen als sozialer Praxis “ (ebd.: 4) ins Zentrum rückt, im Gegensatz zum Forschungsprojekt, in dem in erster Linie die fremdsprachliche Kompetenz erfasst werden soll. Die stärker linguistische Ausrichtung ist nicht nur im vorliegenden Projekt auszumachen, sondern sie scheint grundsätzlich in der fremdsprachendidaktischen Forschung (noch) sehr prominent zu sein, da hier noch immer eine starke Orientierung an Inhalten, theoretischen Konzepten, kompetenzorientierten Modellen und unterrichtspraktischen Vorschlägen vorherrscht, während der institutionell-schulische Rahmen, die Normen des Fachunterrichts und der Fremdsprachendidaktik sowie die peerkulturellen Relevanzen der Schüler*innen weiterhin kaum Beachtung im Forschungsdiskurs finden (Grein/ Vernal Schmidt 2020: 20). Die eindeutige Verortung der DM in der Bezugsdisziplin Soziologie schafft zwar Klarheit bezüglich ihrer Anwendung in fremdsprachendidaktischen Forschungsprojekten, die den Fokus auf die Bildungsprozesse richten, aber es erfolgt auch eine Einschränkung der DM auf Projekte mit ebendieser Ausrichtung. Die Verwendung der DM würde sich im Dissertationsprojekt auf die Datenerhebung (offenere Gesprächsformen), die Datenauswahl (Ausrichtung auf Relevanzsysteme der Akteurinnen und Akteure), die Datenaufbereitung (anderes Verfahren bei der Transkription) und die Forschungsfragen (Verlagerung des Erkenntnisinteresses auf soziale Aspekte) auswirken. Insbesondere eine Verschiebung des Erkenntnisinteresses möchte ich jedoch vermeiden, so dass ich auf eine Anwendung der DM verzichte. 202 4 Forschungsdesign 5 Ergebnispräsentation: Fallperspektive Die vier Französischlehrerinnen schätzen im Rahmen der vorliegenden Studie die Sprechkompetenzen ihrer Schülerinnen und Schüler in Französisch ein, beantworten in einem problemzentrierten Interview Fragen zur Förderung der Kompetenz des interaktiven Sprechens und werden über mehrere Unterrichtsstunden bei den Einführungen zu Aufgaben zum interaktiven Sprechen videographiert. Die Schülerinnen und Schüler schätzen ihre eigenen Sprechkompetenzen ebenfalls ein, werden in einer Gruppendiskussion zum Französischsprechen befragt und während der Bearbeitung von Aufgaben zum interaktiven Sprechen videound/ oder audiographiert. In den nachfolgenden Kapiteln werden die Ergebnisse zu den verschiedenen ausgewerteten Datensätzen aus der Fallperspektive zu den einzelnen Klassen präsentiert. 53 5.1 Sprechen in der Klasse Längmatt 5.1.1 Selbst- und Fremdeinschätzung Die Tabelle 49 zeigt die Selbsteinschätzung der Schülerinnen und Schüler der Klasse Längmatt in Bezug auf ihre Sprechkompetenz. 54 Die Mehrheit der Schülerinnen und Schülern schätzt ihre Leistung in der Kompetenz Sprechen in den Bereichen Interaktion und Korrektheit auf A2.2, im Bereich der Flüssigkeit auf A2.1 und im Bereich des Spektrums auf A1.2 ein: Bereiche zur mündlichen Kommunikation (vgl. Lenz/ Studer 2007) Interaktion Spektrum Korrektheit Flüssigkeit Kompetenzniveau nach GER A2.2 92 % 92 % 31 % A2.1 85 % 77 % 69 % 77 % A1.2 92 % Tab. 49: Selbsteinschätzung der Sprechkompetenz der Lernenden der Klasse Längmatt 53 Die Auswertungsmethoden zu den einzelnen Datensätzen sind in Kap. 4.5 beschrieben. 54 Da die Schülerinnen und Schüler pro Bereich zur mündlichen Kommunikation mehrere Deskriptoren ankreuzen können, liegt das Total über 100 % (vgl. Kap. 4.4.2). Die höhere Prozentzahl ist jeweils fett gedruckt und grau hinterlegt. In den Bereichen Interaktion und Korrektheit schätzen sich 92 % der Schülerinnen und Schüler höher ein als A2.1 und 85 % resp. 69 % wählen die Deskriptoren zu A2.1. Mit dieser Einschätzung liegen sie in den beiden Bereichen über den Vorgaben des Lehrplans. Im Bereich der Flüssigkeit wählen 77 % das Niveau A2.1, 31 % entscheiden sich für Deskriptoren des Niveaus A2.2. Auch in diesem Bereich erfüllen sie nach ihrer Einschätzung die Vorgaben aus dem Lehrplan. Im Bereich Spektrum fällt die Selbsteinschätzung etwas geringer aus: 92 % der Schülerinnen schätzen sich auf das Niveau A1.2 ein und 77 % auf das Niveau A2.1. In diesem Bereich wird das vom Lehrplan vorgegebene Niveau von der Mehrheit der Schülerinnen und Schüler als nicht erreicht eingeschätzt. Die Tabelle 50 zeigt die Fremdeinschätzung von Frau Müller in Bezug auf die Sprechkompetenz ihrer Klasse. Das angegebene Niveau für die verschiedenen Bereiche ist jeweils grau hinterlegt: Bereiche zur mündlichen Kommunikation (vgl. Lenz/ Studer 2007) Interaktion Spektrum Korrektheit Flüssigkeit Kompetenzniveau nach GER A2.2 A2.1 A1.2 Tab. 50: Einschätzung der Sprechkompetenz der Lernenden der Klasse Längmatt durch Frau Müller Frau Müller ist der Meinung, dass die Lernenden in drei von vier Bereichen das vom Lehrplan vorgegebene Niveau A2.1 erreichen. Im Bereich des Spektrums erreichen sie ihrer Einschätzung nach erst das Niveau A1.2. Frau Müller präzisiert ihre Einschätzung in Bezug auf die Sprechkompetenzen ihrer Schülerinnen und Schüler im problemzentrierten Interview wie folgt: Zum Spektrum formuliert Frau Müller ihren Eindruck, dass ihre Schülerinnen und Schüler den „ falschen “ Wortschatz lernten. Deshalb schätze sie ihre Schülerinnen und Schüler in diesem Bereich auf das Niveau A1.2 ein. Bei der Befragung erwähnt sie Wortfelder zu Tourismus-Situationen, die im Lehrwerk nur am Rande behandelt würden: Ich find ’ s einfach schade, wenn ich denke, wenn die nach Frankreich in die Ferien gehen. Irgendwo was Kleines einkaufen oder im Restaurant etwas bestellen. Das können sie nicht. Diesen Wortschatz haben sie nicht (Transkript IK1L, Anhang III. I.I). 204 5 Ergebnispräsentation: Fallperspektive In Bezug auf die Korrektheit und die Flüssigkeit unterstreicht Frau Müller, dass die Schülerinnen und Schüler in diesen Bereichen zwar das Niveau A2.1 erreichten, dass dies jedoch lange Übungsphasen bedinge: „ Aber wirklich nur, weil sie ’ s so geübt haben “ (ebd.) und „ das ist wirklich dann langes Üben, das da vorangeht “ (ebd.). Für Frau Müller ist das explizite Grammatikwissen ebenfalls Grundlage für erfolgreiches Sprechen und sie zeigt sich erstaunt, dass ihre Schülerinnen und Schüler beispielsweise die Konjugation des Verbs être noch nicht beherrschten: Manchmal bin ich auch erschrocken, wenn sie wie das Wörtchen „ c ’ est “ , „ est “ also einfach „ est “ , „ ist “ . Das „ c ’ est “ haben wir schon so oft verwendet, aber sie können ’ s dann nicht einfach loslösen „ c ’ est “ heisst „ das ist “ also heisst das Verb „ ist “ „ est “ , e-s-t geschrieben, das finden sie dann nicht. Oder mit „ ce sont “ . Dass sie dann wissen ah „ sont “ das ist vom Verb „ sein “ , „ sind “ . Also auch mit Einzahl, Mehrzahl. Ah jetzt muss ich „ ce sont “ nehmen statt „ c ’ est “ , weil es sind ja mehrere. Das dann wirklich anzuwenden, ist für viele noch schwierig (ebd.). Die Schülerinnen und Schüler der Klasse Längmatt schätzen ihre Sprechleistungen zwar etwas höher ein als ihre Lehrerin Frau Müller, doch in der Gruppendiskussion heben sie eher ihre Schwächen als ihre Stärken hervor. Diese Einschätzungen stehen teilweise im Widerspruch zu den Selbsteinschätzungen auf den Fragebögen, laut denen die Klasse Längmatt in drei von vier Bereichen das vom Lehrplan vorgegebene Niveau erreicht. Beim direkten Vergleich mit gleichaltrigen Lernenden auf einer Videosequenz teilen alle das Gefühl, dass sie nicht so gut sprechen könnten wie diese Schülerinnen und Schüler: ich könnte es nicht so gut / ich kann es nicht so gut / ich könnte es auch nicht gerade so / ich würde ein bisschen stocken / ich müsste die Sachen zwei Mal lesen (Transkript GK1Su1, Anhang III.II.I). Eine Schülerin meint jedoch, „ mit Kärtchen würde es gehen “ (ebd.) und ein anderer Schüler denkt, dass er es auch könnte, wenn er „ ein paar Sachen zwei Mal lesen “ dürfte (ebd.). Auch wenn die Einschätzung von Frau Müller etwas tiefer ausfällt als diejenige ihrer Schülerinnen und Schüler, verlaufen die Selbst- und Fremdeinschätzungen mehrheitlich parallel. Der Bereich des Spektrums wird sowohl von Frau Müller als auch von den Schülerinnen und Schülern tiefer eingeschätzt als die drei anderen Bereiche. 5 Ergebnispräsentation: Fallperspektive 205 5.1.2 Befragungen 5.1.2.1 Befragung von Frau Müller Insgesamt vertritt Frau Müller die Meinung, dass das interaktive Sprechen in Form von fiktiven Rollenspielen eingeübt werden müsste und denkt, dass handlungsorientierte Lernsituationen die Schülerinnen und Schüler tendenziell überfordern würden. Kategorie A1: Übungsanlagen zur Kompetenz des interaktiven Sprechens Frau Müller findet die Übungsanlagen zur Kompetenz des interaktiven Sprechens im Lehrwerk ungeeignet, da sie ihr zu komplex seien: Die Sprechanlässe, die drin sind, mit den Sprechblasen, die finde ich nicht so geeignet. Die sind meiner Meinung nach zu komplex. Dort sollten es einfachere Sätze, Satzformen, Satzstrukturen sein, die dann die Kinder übernehmen können (Transkript IK1L, Anhang III. I.I). Frau Müller legt vielfach dar, dass der Wortschatzerwerb für den Aufbau der Kompetenz Sprechen zentral sei und dass sie beim Sprechen den Fokus auf „ Alltagskommunikation “ lege. Unter Alltagskommunikation versteht sie Sprechakte wie Einkaufen oder Bestellen im Restaurant. Im vorherigen Lehrwerk „ Bonne chance! “ (Binder et al. 1981a) fand Sprechen mehrheitlich in solchen vorgegeben Rollenspielen statt. Das Auswendiglernen solcher Dialoge schätzt Frau Müller als den effizienteren Weg zum Erlernen der Kompetenz Sprechen ein: Weil in „ Bonne chance! “ - ich habe jetzt den Vergleich - dort hatte man die Dialoge, sie konnten eine Rolle auswendig lernen. Natürlich, das war dann auch ihre Struktur, ihre Rolle. Aber so konnten sie schon Dialoge führen (Transkript IK1L, Anhang III. I.I). Frau Müller beanstandet den Aufbau der Kompetenz des interaktiven Sprechens im Lehrwerk „ Mille feuilles “ (Ganguillet et al. 2014a), da dieser ihrer Meinung nach wie im Lehrwerk „ Bonne chance! “ (Binder et al. 1981a) vom Einüben von Wortschatz zum Ausführen von Dialogen führen sollte. Folgende Aussage aus dem problemzentrierten Interview illustriert, wie Frau Müllers Meinung nach Aufgaben beschaffen sein müssten, um die Kompetenz des interaktiven Sprechens optimal zu fördern: Daher, das finde ich eigentlich, für Sprechanlässe hat es mir zu wenig Material, das vorhanden ist, das man einfach so gebrauchen und übernehmen kann. Und die Schüler haben auch einen zu kleinen Wortschatz, um wirklich dann sprechen zu können. Meiner Meinung nach müssten sie zuerst mal die Wörter sich aneignen, bevor sie ja dann einen Dialog führen können (Transkript IK1L, Anhang III. I.I). 206 5 Ergebnispräsentation: Fallperspektive Was Frau Müller im Lehrwerk „ Mille feuilles “ (Ganguillet et al. 2014a) hingegen gefällt, sind die Ausspracheübungen: Wobei, was ich gut finde, das sind diese Übungen zur Aussprache: Ist das „ e “ jetzt ausgesprochen, mit „ è aigu “ oder eben nicht? Oder mit dem „ c “ sage ich jetzt „ g “ oder „ s “ ? Also solche Übungen, die hat es jetzt fast in jeder Aktivität (meint Lerneinheit) mindestens einmal, wo es etwas hatte zur Aussprache. Das fand ich wichtig. Das ist ja auch ein Teil Sprechen, dann, die Wörter richtig lesen können, schon nur, und aussprechen können (Transkript IK1L, Anhang III. I.I). Kategorie A2 Umsetzung der Übungsanlagen im Unterricht Bei der Umsetzung der Aufgaben aus dem Lehrwerk „ Mille feuilles “ (Ganguillet et al. 2014a) greift Frau Müller vereinfachend ein, damit die mündliche Interaktion resp. Produktion in ihrer Klasse gelingen könne: Aber ich finde es nicht gut, dass so viele Sprechblasen dastehen. Warum kann man sich nicht auf eine beschränken? Und dass sie dieses Sätzchen dann können und einsetzen? Sonst sind sie wieder überfordert. Was muss ich jetzt? Und welches muss ich auswählen? Und da schränke ich es häufig dann ein und sage, wir nehmen nur diese Sprechblase. Oder ich vereinfache den Satz (Transkript IK1L, Anhang III. I.I). Frau Müller unterscheidet zwischen leistungsstarken und schüchternen Schülerinnen und Schülern. Erstere hätten weniger Probleme mit den Sprechaufgaben aus „ Mille feuilles “ (Ganguillet et al. 2014a), aber für gehemmte Kinder seien diese Aufgabenstellungen schwierig: Ja, das ist auch von Kind zu Kind unterschiedlich. Aber im Grunde genommen schon eher ein bisschen gehemmt. Und ein bisschen schüchtern so „ Huh, äh, ich weiss es nicht “ . Eben, wenn sie nicht wirklich sattelfest sind im Wortschatz, dann sind sie auch zögerlich. Und ja, die starken Schüler, für die ist es weniger ein Problem (Transkript IK1L, Anhang III. I.I). Manche Aufgaben aus dem Lehrwerk lasse sie ganz weg und ersetze sie durch eigene Übungen. Ob es sich bei der modifizierten Umsetzung der Aufgaben noch um eine authentische mündliche Interaktion handelt, spielt für Frau Müller eine sekundäre Rolle. Kategorie A3 Authentische Interaktion im Klassenzimmer Die Schwierigkeiten, die sich bei den interaktiv und authentisch gestalteten Aufgaben ergeben, sind laut Frau Müller wiederum auf den mangelnden Wortschatz und die zu komplexen Sätze zurückzuführen. Der Klassenwortschatz im Lehrwerk decke sich nicht mit dem Wortschatz, den die Schülerinnen und Schüler bei dieser Art von Sprechaufgaben brauchen würden und 5 Ergebnispräsentation: Fallperspektive 207 die vorgegebenen Sätze bei den Aufgaben müssten ihrer Meinung nach einfacher sein: Ich find ’ s nicht gut, wenn es so wie offene Sätze sind und zu komplizierte Sätze noch mit Nebensätzen und Begründungen mit parce que und so (Transkript IK1L, Anhang III. I.I). In Bezug auf die authentische Interaktion im Klassenzimmer berichtet Frau Müller, dass sie diese als schwierig empfinde. Sie müsse ihre Schülerinnen und Schüler immer wieder motivieren, Französisch zu sprechen, wenn sie in Kleingruppen arbeiteten. Sie selbst spreche auch nicht sehr viel Französisch mit der Klasse. Aber zum Sprechen, ja, muss ich ehrlich sagen, ich spreche nicht extrem viel mit der Klasse, wie das wahrscheinlich gewünscht wäre, weil es einfach für mich häufig zu schwierig ist, irgendwie einen Sprechanlass zusammenzusetzen. Also ich hab schon auch diverse Sprechanlässe durchgeführt, aber die habe ich dann selber irgendwie erarbeitet und nicht unbedingt von „ Mille feuilles “ her so bekommen, als Idee (ebd.). Es ist besonders hervorzuheben, dass Frau Müller eingesteht, dass die Aufgaben für sie zu schwierig seien und nicht für ihre Schülerinnen und Schüler. Dies widerspricht der Aussage weiter oben, in der sie die Lernenden als überfordert darstellt. Kategorie A4 Chansons im Französischunterricht Frau Müller nutzt auch das Singen im Französischunterricht zur Verbesserung der Aussprache, sowie zum Einüben ausgewählter Sprachmittel. Sie singt zwar eher selten mit ihrer Klasse, aber wenn, dann singt sie didaktische Lieder, die den Schülerinnen und Schülern beim Einprägen grammatischer Formen helfen sollen: Was ich viel gebrauche, das ist eine CD von Madame Fidimi (Maurer-Früh 2014), ich glaube, die ist von Adonia, und dort hat es ganz tolle Lieder zum Verb avoir oder être, wo wirklich der Text nur das ganze Verb durchkonjugiert. Das setze ich regelmässig ein und die Kinder können das auswendig. Die wissen, wie man das Verb konjugiert und müssen nicht immer gross überlegen mit j ’ ai, tu as, il a, elle a weil das der Liedtext ist (ebd.). Auf die authentischen Chansons aus dem Lehrwerk verzichtet sie lieber, denn sie sind ihr zu schnell, haben ihrer Meinung nach zu viel Text und seien für Kinder ungeeignet. 5.1.2.2 Befragung der Schülerinnen und Schüler Insgesamt geben die Schülerinnen und Schüler in der Gruppendiskussion an, dass sie mit dem Format der Aufgaben zur Förderung des interaktiven 208 5 Ergebnispräsentation: Fallperspektive Sprechens vertraut seien. Sie äussern sich bis auf die Ausnahme eines Schülers jedoch eher negativ zu den Unterrichtsinhalten des Französischunterrichts. Kategorie B1 Aufgaben aus dem Lehrwerk zur mündlichen Interaktion Die Schülerinnen und Schüler geben an, vertraut mit dem Aufgabenformat zu sein. Sie wissen, dass ihnen die Satzanfänge in den Sprechblasen beim Formulieren eigener Sätze helfen: Wir haben sie auch schon gebraucht. / Ja (Transkript GK1Su1, Anhang III.II.I). Auf die Frage, ob die Schülerinnen und Schüler wüssten, wie man die Sprechblasentexte ausspreche, antworten alle mit „ ja “ . Ein Kind nuanciert: Ja, eigentlich die jetzt schon (schaut auf Blatt mit Sprechblasen zu activité A) (ebd.) Allerdings geben die Schülerinnen und Schüler der Klasse Längmatt wiederholt an, dass sie mit dem, was sie lernten, nicht zufrieden seien: Ich bin nicht zufrieden. / Ich auch nicht so. / Ich auch nicht so. / Ich bin auch nicht so zufrieden (ebd.). Ihre Unzufriedenheit begründen sie damit, dass sie nicht fähig seien, in einem Restaurant auf Französisch etwas zu bestellen oder nach dem Weg zu fragen. Ein Schüler merkt jedoch an, dass er dies könnte: Also zum Beispiel irgendwie, wenn man irgendwo etwas bestellen möchte oder so. / Das könnte ich noch nicht. [ … ] „ Ich hätte gerne “ oder „ Wie heisst blablabla? “ oder ehm einfach „ ich würde gerne nach “ und so alles. / Ja, oder auch wenn man nach dem Weg fragt, wohin dass man muss. [ … ] Also etwas bestellen könnte ich jetzt schon. Da muss man ja nicht viel sagen (ebd.) Kategorie B2 Leistungen von Schülerinnen und Schülern im Sprechen Als Grund für ihr Gefühl, eher schwache Leistungen zu erbringen, geben die Schülerinnen und Schüler der Klasse Längmatt an, dass Französisch eine schwierige Sprache sei und dass sie Englisch viel schneller lernten. Sie geben aber auch zu, dass sie beim Bearbeiten der Aufgaben zur mündlichen Interaktion nicht immer konsequent Französisch sprechen würden: Es ist nur manchmal, also wenn wir jetzt untereinander sprechen, dann. Also jedenfalls ich spreche dann meistens Deutsch. Oder so halb Deutsch, halb Französisch (ebd.). 5 Ergebnispräsentation: Fallperspektive 209 Kategorie B3 Phasen des Sprechvorgangs nach Levelt Als grösste Schwierigkeit beim Sprechen auf Französisch benennen die Schülerinnen und Schüler die Aussprache: Ich kann einfach nicht so gut. Ich bin nicht so gut in der Aussprache vom Französisch. / Weil wenn ich es nicht richtig ausspreche, dann fange ich automatisch wieder von vorne an und probiere es immer wieder erneut. / Aussprechen kann ich einfach nicht so gut (ebd.). Wenn die Schülerinnen und Schüler in der Gruppendiskussion die Phasen des Levelt-Modells studieren, machen sie genauere Angaben zu dem, was ihnen beim Sprechen schwerfällt (vgl. Tab. 51): Klasse Längmatt Phase 1: Verstehen der Aufgabe Phase 2: Konzeptualisieren der Äusserung Phase 3: Formulieren der Äusserung Phase 4: Artikulieren der Äusserung Diese Phase fällt mir schwer 8 % 15 % 46 % 31 % Tab. 51: Phasen nach Levelt (1989), die nach eigenen Aussagen für die Klasse Längmatt schwierig sind Die Phase 3 (Formulieren der Äusserung) wird am häufigsten genannt, noch vor der Phase 4 (Artikulieren der Äusserung). Den Schülerinnen und Schülern fällt es ihren Angaben nach also nicht nur besonders schwer, eine Äusserung zu artikulieren, sondern auch eine Äusserung zu formulieren: Also am leichtesten geht mir wohl die zwei. Ich finde es immer leicht, den Satz anzufangen. Aber nachher drei und vier sind schon schwieriger. Ich kann den Satz nie zu Ende bringen. Und aussprechen auch nicht wirklich. / Also bei mir ist ’ s auch so. Zwei geht eigentlich sehr gut, aber nachher den Satz fertig zu stellen und auch noch auszusprechen fällt mir nicht so leicht (ebd.). 5.1.3 Triangulation der Daten (Einschätzungen und Befragungen) Vergleicht man die mündlichen Aussagen von Frau Müller mit denjenigen ihrer Schülerinnen und Schüler und zieht man auch die Einschätzungen aus den Fragebögen bei, so lassen sich gewisse Parallelen aber auch einige Diskrepanzen zwischen der Lehrerin und ihrer Klasse ausmachen. Es stellt sich heraus, dass die Einstellung von Frau Müller gegenüber der Sprechaufgaben grösstenteils identisch mit derjenigen ihrer Schülerinnen und Schüler ist, dass 210 5 Ergebnispräsentation: Fallperspektive jedoch die Lernenden ihre eigene Sprechkompetenz in zwei Bereichen höher einschätzen als ihre Lehrerin. In Bezug auf die Sprechkompetenz der Lernenden werden in der mündlichen Befragung von Frau Müller ebenso wie von den Lernenden selbst eher die Schwächen hervorgehoben als die Stärken. Die Sprechaufgaben aus dem Lehrwerk stuft Frau Müller als schwierig und komplex ein. Auch ihre Lernenden sehen dies grösstenteils so und geben an, dass ihnen das Bilden von Sätzen trotz der Hilfestellungen im Buch schwerfalle. Frau Müller sieht den Grund für diese Schwierigkeit im Bereich des Spektrums: Ihrer Meinung nach lernen die Schülerinnen und Schüler nicht den richtigen Wortschatz und es fehle ihnen an grammatischen Formen. Die Schülerinnen und Schüler geben an, dass sie in bestimmten ausserschulischen Situationen nicht auf Französisch agieren könnten und liegen mit ihren Beispielen (Bestellen im Restaurant oder nach dem Weg Fragen) nah an denjenigen ihrer Lehrerin (Einkaufen oder Bestellen im Restaurant). Bemerkenswert ist allerdings, dass dies auch anders wahrgenommen wird: Jemand sagt, dass er sich dies zutrauen würde. Und eine Schülerin meint, dass es eigentlich eine gute Idee sei, so wie im Lehrwerk vorgesehen Französisch sprechen zu lernen (vgl. Transkript GK1Su1, Anhang III.II.I). Die negativen Äusserungen in den Befragungen stehen im Gegensatz zu den schriftlichen Einschätzungen, die höher ausfallen. Dies kann verschiedene Gründe haben: Vielleicht liegt es an der Gruppendynamik, die sich bei der mündlichen Befragung einstellt. Nur ein Schüler traut sich, etwas anderes zu vertreten als der Rest der Gruppe. Vielleicht ist es auch auf die Bescheidenheit der Lernenden zurückzuführen, die von der Interviewerin nicht als Angeber*innen wahrgenommen werden wollen. Schliesslich kann es auch sein, dass die Schülerinnen und Schüler ähnlich wie ihre Lehrerin Frau Müller, die Sprechkompetenzen auf den Bereich des Spektrums reduzieren und sie die restlichen Bereiche (Interaktion, Korrektheit, Flüssigkeit), in denen sie laut ihren Einschätzungen stärker sind, weniger stark gewichten oder gänzlich vergessen. Frau Müller sagt von sich selbst, dass sie nicht sehr viel Französisch mit der Klasse spreche. Auch die Schülerinnen und Schüler geben an, bei den Aufgaben zur mündlichen Interaktion manchmal auf Deutsch zu wechseln. Als Zwischenfazit zur Erforschung der Innenperspektive kann für die Klasse Längmatt kein eindeutiger Schluss gezogen werden: Die Angaben in den mündlichen Befragungen deuten zwar darauf hin, dass sowohl Frau Müller als auch ihre Schülerinnen und Schüler den Eindruck haben, dass mit den Sprechaufgaben aus dem Lehrwerk keine optimale Förderung der mündlichen Interaktionskompetenz möglich sei, die Einschätzungen zur Sprechkompetenz 5 Ergebnispräsentation: Fallperspektive 211 der Lernenden hingegen besagen, dass die Schülerinnen und Schüler das vom Lehrplan vorgegebene Niveau durchaus erreichen würden. 5.1.4 Unterrichtsbeobachtungen 5.1.4.1 Unterrichtsbeobachtung mit Fokus auf Frau Müller In der beobachteten Lerneinheit setzt Frau Müller vier Aufgaben zum interaktiven Sprechen aus dem Lehrwerk um, nämlich die Aufgaben A (Quiz), B (Questionnaire), C (Questions) und E (Métiers). Aufgabe D (Trucs à savoir) lässt sie weg. Von der Aufgabe C (Questions) setzt sie zwei Teile separat um (C1 und C2). Auf der Grundlage von Aufgabe E1 (Métiers), die im Lehrwerk vorgegeben ist, erfindet sie eine weitere Aufgabe: Für die Aufgabe E2 (Métiers) stellen die Schülerinnen und Schüler in Kleingruppen abwechselnd eine Tätigkeit von der Berufsliste der Aufgabe E1 (Métiers) pantomimisch dar. Die anderen Gruppenmitglieder erraten mithilfe vorgegebener chunks den dargestellten Beruf auf Französisch. Bei Frau Müller können also insgesamt sechs Einführungen zu Aufgaben zum interaktiven Sprechen beobachtet werden. 5.1.4.1.1 Didaktische Absicht (C1) Von den insgesamt sechs Aufgaben zum interaktiven Sprechen, die Frau Müller durchführt, fördern die Aufgaben A (Quiz), B (Questionnaire) und E2 (Métiers) tatsächlich das interaktive Sprechen. Bei den Umsetzungen der Aufgaben C1 und C2 (Questions) wird das abwechselnde Vorlesen und bei derjenigen der Aufgabe E1 (Métiers) wird das monologische Sprechen gefördert. Frau Müller gelingt es, dass ihre Schülerinnen und Schüler in allen Sprechanlässen als sie selbst agieren. Drei der sechs Aufgaben setzt Frau Müller als authentische Sprechanlässe um, nämlich die Aufgaben A (Quiz), B (Questionnaire) und E2 (Métiers), bei denen die Lernenden echte Informationen austauschen. Bei der Aufgabe C (Quiz) agieren die Lernenden in einem nachgespielten Austausch, bei der Aufgabe E1 (Métiers) präsentieren sie Informationen in monologischer Form. Frau Müller führt alle Aufgaben wie vorgesehen in Kleingruppen durch, ausser die Aufgabe E1 (Métiers), die sie im Plenum durchführt. 5.1.4.1.2 Redeanteile (C2) Der Redeanteil von Frau Müller ist bei den Einführungen in die Sprechaufgaben bei allen Aufgaben hoch (durchschnittlich 94 %), was darauf zurückzuführen ist, dass sie die Aufgaben ohne Partizipation der Klasse einführt. Die Lernenden beteiligen sich zwischen min. 0 % (C2: Questions) und max. 13 % (A: 212 5 Ergebnispräsentation: Fallperspektive Quiz) an den Einführungen, indem sie gelegentlich Fragen von Frau Müller beantworten oder französische chunks wortwörtlich ins Deutsche übersetzen (vgl. Abb. 42): [19] . . 21 [02: 22.1] L1 [v] est-ce was heisst c'est? (2) hab ich vorhin schon gefragt? c'est (11) S1 [v] (hebt die Hand) S3 [v] (hebt die Hand) [20] 22 [02: 35.8] L1 [v] was heisst das, da sollten jetzt alle hände oben sein das müssen wir einfach S1 [v] (hebt die Hand) S2 [v] (hebt die Hand) S3 [v] (hebt die Hand) S4 [v] (hebt die Hand) S5 [v] (hebt die Hand) [21] . . 23 [02: 42.2]24 [02: 43.3] L1 [v] wissen (Name eines Schülers) genau oder das ist hä? also das ist die L1video [v] (schreibt dazu an Wandtafel) S1 [v] S2 [v] S3 [v] es ist S4 [v] S5 [v] Abb. 42: Auszug aus dem Transkript UAK1L, Anhang III.III.I In Bezug auf die gesamte Lernsequenz fallen die Einführungen von Frau Müller eher lang aus: Im Schnitt beansprucht Frau Müller für die Einführung 43 % der Zeit der gesamten Lernsequenz. Am kürzesten fällt die Einführung zur Aufgabe C2 (Questions) mit 25 % aus, am längsten diejenige zur Aufgabe B (Questionnaire) mit 68 %. Die Einführungen zu den Aufgaben A (Quiz) und C1 (Questions) beanspruchen ca. einen Drittel der gesamten Lernsequenz, diejenigen zu den Aufgaben E1 und E2 (Métiers) ca. die Hälfte der Zeit. 5.1.4.1.3 Lehrpersonensprache (C3) Frau Müller gelingt es mehrheitlich, bei den Einführungen in der Zielsprache zu sprechen. Allerdings gibt es grosse Unterschiede zwischen den Einführungen: In der Einführung zur Aufgabe A (Quiz) erfolgen nur 31 % in der Zielsprache Französisch, in derjenigen zur Aufgabe C2 (Questions) sind es 100 %. In 5 Ergebnispräsentation: Fallperspektive 213 der Einführung zur Aufgabe B (Questionnaire) spricht Frau Müller ebenfalls fast ausschliesslich in der Zielsprache und auch bei denjenigen zu den Aufgaben E1 und E2 (Métiers) spricht sie mehrheitlich in der Zielsprache. Der Einsatz der kontrastiven Analyse erklärt teilweise, warum Frau Müller bei den Einführungen zu den Aufgaben A (Quiz) und E2 (Métiers) mehr Deutsch spricht als bei den anderen. Bei diesen beiden Einführungen stellt Frau Müller nämlich Bezüge zur Grammatik in der Schulsprache Deutsch her, was sie bei den anderen Einführungen nicht tut. Beispielsweise erklärt sie bei der Einführung zur Aufgabe A (Quiz) die unterschiedliche Satzstellung im deutschen resp. im französischen Nebensatz (vgl. Abb. 43): [1] 0 [00: 00.0] 1 [00: 03.6] 2 [00: 07.9] L1 [v] Je pen: : se, que: , c'est, oui? c'est L1video [v] (zeigt mit der Hand an, dass es noch weiter geht) S1 [v] Ich denke dass ich denke dass [2] 3 [00: 08.9]4 [00: 10.9] 5 [00: 14.2] 6 [00: 16.3] L1 [v] c'est was heisst c'est? (2) mhmm (verneinend) (Name einer anderen S1 [v] äh (...? ) (1) [3] . . 7 [00: 19.5]8 [00: 20.2] 9 [00: 20.8] 10 [00: 22.7] L1 [v] Schülerin mhm (bejahend) ich denke dass es ist. ich S1 [v] ich denke dass ich? S2 [v] ist? [4] . . 11 [00: 28.1] L1 [v] denke dass c'est heisst immer das ist das habt&ihr&schon&gelernt die [5] . . L1 [v] Satzstellung ist ein bisschen anders als im deutschen. wir sagen ich denke es ist, [6] . . L1 [v] (.) dass. und die franzosen oder die welschschweizer sagen ich denke dass (.) das [7] . . L1 [v] ist (.) so. also je pense que c'est ich denke das es (.) dieses&oder&jenes ist, Abb. 43: Auszug aus dem Transkript UAK1L, Anhang III.III.I 214 5 Ergebnispräsentation: Fallperspektive Wenn Frau Müller Bemerkungen zur Klassenführung macht, erfolgen diese in den Einführungen zu den Aufgaben A (Quiz), C1 und C2 (Questions) ausschliesslich in der Zielsprache, bei den Einführungen zu den Aufgaben B (Questionnaire) und E1 (Métiers) macht sie keine Bemerkungen zur Klassenführung und bei E2 (Métiers) wechselt Frau Müller kurz ins Deutsche, nachdem sie das Spiel auf Mundart benannt hat. Die Gruppenbildung erfolgt wieder auf Französisch und sie bleibt in der Fremdsprache, wenn sie einen Schüler ermahnt, zuzuhören (vgl. Abb. 44): [2] . . 1 [00: 06.4] L1 [v] was es ist. Hä. Fasch e chli "Wir kommen aus dem Morgenland"-mässig Sx [v] [3] . . 2 [00: 13.3] L1 [v] (Schweizerdeutsch) aber ohne dauernd wegzurennen Äh. Nous formons maintenant [4] . . 3 [00: 17.6] L1 [v] des groupes à trois personnes. äh Jannick, écoute. Sx [v] (zeigt auf zwei Schüler hinter und vor ihm zur [5] . . 4 [00: 21.5] L1 [v] et ensuite une personne montre un métier et (les) deux autres Sx [v] Gruppenbildung) Abb. 44: Auszug aus dem Transkript UEK1Lb, Anhang III.III.IV In Bezug auf die Korrektheit lässt sich zur Einführung in die Aufgabe A (Quiz) keine Aussage machen, da Frau Müller zu wenig Französisch spricht, als dass die Korrektheit beurteilt werden kann. Bei den Einführungen zu den Aufgaben B (Questionnaire), C (Questions) und E (Métiers) macht Frau Müller vermehrt sprachliche Fehler. Dies illustriert die Abb. 45, ein Auszug aus der Einführung zur Aufgabe E1 (Métiers): 5 Ergebnispräsentation: Fallperspektive 215 [5] . . 4 [01: 00.3] 5 [01: 01.1]6 [01: 02.5] L1 [v] aussi vos rêves. Qu'est-ce que c'est une (sic) rêve. Oui? Ouiii. et le REBEKKA [v] der Traum [6] . . 7 [01: 08.7] L1 [v] métier de rêve, qu'est-ce que c'est en allemand? (zeigt auf Liste an der Wandtafel) [7] . . 8 [01: 13.4] L1 [v] ce sont les métiers (1) on a rencontré les métiers aujourd'hui, oui? SYLVIA [v] der Traumberuf [8] 9 [01: 14.7] 10 [01: 17.3] L1 [v] Exactement. Lisez encore une fois les métiers et prenez un (sic) (2) et ça c'est [9] . . 11 [01: 28.6] L1 [v] votre métier de rêve. Peut-être (sic) votre métier de rêve n'est pas sur la liste mais [10] . . 12 [01: 37.5] L1 [v] choisis (sic) ce métier que vous trouvez le meilleur sur la liste et ça c'est votre Abb. 45: Auszug aus dem Transkript UEK1La, Anhang III.III.IV Die sprachlichen Fehler stammen aus dem Nominalbereich (*une rêve anstatt un rêve oder auch *prenez un anstelle von prenez-en un), aus dem Bereich der Syntax (*Peut-être votre métier anstatt Peut-être que votre métier) oder aus dem Verbalbereich (*Choisis ce métier que vous trouvez anstelle von Choisissez … ). Der Nominal- und der Verbalbereich ist am häufigsten mit fehlerhaften Formen vertreten, wie dies ein weiterer Auszug aus der Einführung zur Aufgabe E2 (Métiers) illustriert (vgl. Abb. 46): 216 5 Ergebnispräsentation: Fallperspektive [10] . . 16 [01: 05.1] L1 [v] cuisiner, je suis une cuisinière, hein? alors prenez la forme äh féminin (sic) pour une [11] . . 17 [01: 12.9] L1 [v] fille et la forme masculin (sic) pour un garçon. Alors et vous ne dites pas seulement [12] . . 18 [01: 21.9] L1 [v] "cuisinière". Vous parlez ensemble, vous faisez (sic) des phrases. (schreibt an Abb. 46: Auszug aus dem Transkript UEK1Lb, Anhang III.III.IV Frau Müller gleicht die Adjektive masculin und féminin nicht an das feminine Nomen la forme an und sie konjugiert das unregelmässige Verb faire in der zweiten Person Plural fehlerhaft. Die grammatikalischen Unkorrektheiten in der Abbildung 46 sind insofern auffällig, als dass Frau Müller gerade an dieser Stelle zur Einführung in die Aufgabe E2 (Métiers) erklärt, dass die Schülerinnen und Schüler die Substantive bei der Bearbeitung der Aufgabe jeweils in der maskulinen oder in der femininen Form sagen sollten. Frau Müller sagt wesentliche Informationen bei den Einführungen zu den Aufgaben zum interaktiven Sprechen immer mindestens zwei Mal, wobei manche Wiederholungen unterstützender sind als andere. Eine Ausnahme bildet Aufgabe A (Quiz), bei der sie keine Informationen wiederholt. Als unterstützende Wiederholung kann das Handeln von Frau Müller bei der Einführung zur Aufgabe C2 (Questions) eingestuft werden: Sie wiederholt den Auftrag, indem sie sich direkt an einen Schüler wendet, der den Auftrag nicht ausgeführt hat (vgl. Abb. 47): [2] . . 2 [00: 14.1] L1 [v] 2 9 ( s i c ) a l o r s t o u r n e z l a p a g e d a n s l e m a g a z i n e . (4) (zu einem Schüler in der ersten [3] . . 3 [00: 21.9] L1 [v] Reihe) Tourne la page. Oui, c'est ça. Là vous avez déjà écrivé (sic) vous avez déjà Abb. 47: Auszug aus dem Transkript UCK1Lb, Anhang III.III.III Als weniger unterstützend können die Wiederholungen bei der Aufgabe E1 (Métiers) eingestuft werden. Frau Müller wiederholt insgesamt zwölf Mal den 5 Ergebnispräsentation: Fallperspektive 217 Ausdruck institutrice, obschon dieser für das Lösen der Aufgabe nicht notwendig ist. Frau Müller wiederholt den Ausdruck so lange, bis die korrekte Übersetzung vonseiten der Schülerinnen und Schüler erfolgt, ohne ein deutsch-französisches Parallelwort wie professeure oder ein Synonym wie maîtresse für die Bedeutungsklärung beizuziehen. Frau Müller verwendet bei allen Einführungen deutsch-französische Parallelwörter als Verstehenshilfe. Eine Ausnahme bildet die Einführung zur Aufgabe A (Quiz), bei der sie keine Parallelwörter braucht. Bei den Einführungen zu den Aufgaben B (Questionnaire), C1 und C2 (Questions) und E1 (Métiers) setzt sie ein bis vier Mal Parallelwörter zum besseren Verständnis der Klasse ein. Bei der Einführung zur Aufgabe E2 (Métiers) verwendet sie insgesamt zehn Parallelwörter: groupes, personnes, naturellement, forme, féminin, masculin, super, numéros, pilote und photographe (vgl. Transkript UEK1Lb, Anhang III. III.IV). Frau Müller übersetzt bei den beiden Einführungen zu den Aufgaben C1 (Questions) und E1 (Métiers) bestimmte Ausdrücke oder Informationen zur Verständnissicherung ins Deutsche. Bei den Einführungen zu den Aufgaben A (Quiz), B (Questionnaire), C2 (Questions) und E2 (Métiers) übersetzt sie keine Ausdrücke resp. spricht sie zu wenig Französisch, als dass Übersetzungen nötig wären. Bei der Einführung zur Aufgabe C1 (Questions) übersetzt sie beispielsweise un exercice pour lire mit „ Leseübung “ . Bei der Einführung zur Aufgabe E1 (Métiers) fällt die Übersetzung etwas länger aus. Zunächst übersetzt Frau Müller ça c ’ est mon métier de rêve mit „ Das ist mein Traumberuf “ . Für die darauffolgende Erklärung bleibt sie ebenfalls im Deutschen. Erst bei der Auftragserteilung an die Klasse wechselt sie zurück zur Zielsprache Französisch (vgl. Abb. 48): [22] . . 35 [03: 00.1] 36 [03: 02.1] L1 [v] instituteur, institutrice. Alors moi je dis: j'aimerais devenir institutrice. ça c'est [23] . . L1 [v] mon métier de rêve. Das ist mein Traumberuf. Also sage ich, selber, (zeigt auf [24] . . 37 [03: 13.5] L1 [v] sich) Ich möchte Lehrerin werden. Hm? et vous choisissez votre métier de rêve et Abb. 48: Auszug aus dem Transkript UEK1La, Anhang III.III.IV 218 5 Ergebnispräsentation: Fallperspektive Frau Müller visualisiert bei den Einführungen zu den Aufgaben A (Quiz), C1 (Questions), E1 und E2 (Métiers) jeweils die zu bearbeitenden Sprechaufgabe an der Wandtafel oder am Whiteboard. Bei den Einführungen zu den Aufgaben B (Questionnaire) und C2 (Questions) verwendet sie keine Visualisierungen, um ihr verbales Handeln zu unterstützen. Frau Müller setzt bei allen Einführungen ausser bei der Einführung zur Aufgabe C2 (Questions) jeweils eine oder mehrere Gesten ein. Bei der Einführung zur Aufgabe E2 (Métiers) zeigt sie beispielsweise auf ihren Kopf, wenn sie von penser spricht, und sie stellt die Berufe pantomimisch dar. Bei der Einführung zur Aufgabe E1 (Métiers) setzt sie Gestik ein, auch wenn sie in die Schulsprache Deutsch wechselt: Sie zeigt auf sich, wenn sie über sich selbst spricht. 5.1.4.1.4 Methodisch-didaktische Kompetenzen (C4) Frau Müller führt die in den Aufgaben vorgesehenen chunks oder eine Auswahl davon für alle Aufgaben ausser C2 (Questions) ein, wobei anzumerken ist, dass bei der Aufgabe C2 (Questions) dieselben chunks vorgesehen sind wie bei der Aufgabe C1 (Questions). Sie beginnt die Einführung zur Aufgabe C2 (Questions) damit, dass die Lernenden gleich weiterarbeiten sollen wie bei der Aufgabe C1 (Questions) (vgl. Abb. 49): [1] 0 [00: 00.0] 1 [00: 09.3] L1 [v] Nous continuons à faire la même chose avec l'activité C2 à la page 29. Ouvrez la page Abb. 49: Auszug aus dem Transkript UCK1Lb, Anhang III.III.III Die Bedeutung der chunks klärt Frau Müller bei den Aufgaben A (Quiz) und E1 und E2 (Métiers). Bei Aufgabe B (Questionnaire) wird ein chunk verwendet, dessen Bedeutung Frau Müller bereits in ihrer Einführung zur Aufgabe A (Quiz) geklärt hat (Je pense que … ). Bei den Aufgaben C1 und C2 (Questions) nimmt sie keine Bedeutungsklärung der vorgesehenen chunks vor, obschon sie neu für die Schülerinnen und Schüler sind. Für die Aufgaben A (Quiz) und E2 (Métiers) verwendet Frau Müller zusätzliche chunks, die nicht im Lehrwerk vorgesehen sind. Während der Einführung zur Aufgabe A (Quiz) verwendet Frau Müller chunks wie oui, non, j ’ ai quelque chose d ’ autre ohne explizite Einführung. Bei der Aufgabe E2 (Métiers) verwendet sie eigene chunks, weil sie die Anlage aus dem Lehrwerk zu einem Spiel erweitert. Bei der Einführung zum Spiel stellt sie den Schülerinnen und 5 Ergebnispräsentation: Fallperspektive 219 Schülern Satzanfänge wie Je pense que tu es un/ une … und Tu es peut-être un/ une … ? zur Verfügung (vgl. Abb. 50): [32] . . 54 [03: 51.8] 55 [03: 57.4] L1 [v] répétez encore une fois. Je pense que tu es un cuisinier. Je pense que tu es une Sx [v] (reden leise mit) (reden laut mit) [33] . . 56 [04: 03.6] 57 [04: 08.2] 58 [04: 12.7] L1 [v] cuisinière. Tu es peut-être un cuisinier? Tu es peut-être une cuisinière. D'accord? Klar, Sx [v] (reden mit) (reden mit) Abb. 50: Auszug aus dem Transkript UEK1Lb, Anhang III.III.IV Bei den Einführungen zu den Aufgaben A (Quiz) und E2 (Métiers) analysiert Frau Müller die chunks auf ihre formalen Aspekte, bei allen anderen Einführungen führt sie die chunks als feste sprachliche Einheiten ohne Analyse ihrer formalen Aspekte ein. Die Einführung zur Aufgabe A (Quiz) beginnt mit Erklärungen zur Bedeutung von c ’ est und zur französischen und deutschen Satzstellung (vgl. Abb. 43). Frau Müller wiederholt bei den Einführungen zu den Aufgaben B (Questionnaire), C1 und C2 (Questions) und E1 (Métiers) keine für die Sprechaufgabe relevanten sprachlichen Strukturen, bei der Aufgabe E2 (Métiers) wiederholt sie sowohl relevante als auch nicht-relevante Strukturen und bei der Aufgabe A (Quiz) wiederholt Frau Müller sprachliche Strukturen, die für die Bearbeitung der Aufgabe zum interaktiven Sprechen nicht relevant sind. Bei E2 (Métiers) erklärt Frau Müller Regeln zur Anpassung der Adjektive an maskuline oder feminine Substantive, die die Schülerinnen und Schüler bei der Bearbeitung der Aufgabe kennen müssen. Ausserdem wiederholt sie den Unterschied bei der französischen und deutschen Satzstellung im Nebensatz, den sie auch bei der Einführung zur Aufgabe A (Quiz) erklärt. Diese Unterscheidung ist aber weder für das Bearbeiten der Aufgabe A (Quiz) noch für diejenige der Aufgabe E2 (Métiers) notwendig. Die Aussprache der chunks sichert Frau Müller in den Einführungen zu den Aufgaben A (Quiz) und E2 (Métiers). Hier lässt sie die Klasse die Sätze im Chor nachsprechen. Bei den Einführungen zu den Aufgaben B (Questionnaire), C1 und C2 (Questions) und E1 (Métiers) sichert Frau Müller die Aussprache der wesentlichen Ausdrücke nicht. 220 5 Ergebnispräsentation: Fallperspektive Frau Müller macht bis auf die Ausnahme von C2 (Questions) zu jeder Aufgabe Beispiele im Plenum und verwendet dafür die in der Aufgabe vorgegebenen chunks oder eine Auswahl davon. Bei den Einführungen zu den Aufgaben B (Questionnaire) und C (Questions) erfolgt kein Hinweis darauf, ob der Inhalt oder die Form Vorrang hat. Bei den Einführungen zu den Aufgaben A (Quiz), E1 und E2 (Métier) liegt der Fokus so stark auf der Grammatik, dass deutlich wird, dass die Form Vorrang vor dem Inhalt hat und dass Frau Müller erwartet, dass ihre Schülerinnen und Schüler auch in kommunikativen Phasen versuchen, Fehler zu vermeiden. Beispielsweise stellt Frau Müller bei E1 (Métier) den Inhalt hinter die Form, wenn sie erklärt, dass die Schülerinnen und Schüler Einbussen bei den Angaben zu ihrem Traumberuf machen müssten, weil sie noch nicht über den nötigen Wortschatz verfügten (vgl. Abb. 45: Peut-être (sic) votre métier de rêve n ’ est pas sur la liste mais choisis (sic) ce métier que vous trouvez le meilleur sur la liste et ça c ’ est votre métier de rêve.). Ausserdem verlangt sie in derselben Einführung von ihren Schülerinnen und Schülern fehlerfreie Sätze (vgl. Abb. 51): [32] . . L1 [v] hoffe, ihr habt jetzt nochmals gut aufgepasst, damit ihr eure Berufe auch [33] . . 42 [06: 49.5] L1 [v] fehlerfrei benennen könnt. Wir gehen der Reihe nach. Tu commences, tu te lèves Abb. 51: Auszug aus dem Transkript UEK1Su1_12a, Anhang III.IV.XIV Frau Müller gibt bei der Einführung zur Aufgabe E1 (Métiers) Möglichkeiten zum Nachschlagen an, indem sie eine Seite aus dem Lehrwerk mit der Berufsliste nennt. Bei allen anderen Einführungen macht sie keine expliziten Angaben zu Nachschlagematerialien. Bei der Bearbeitung der Aufgaben durch die Lernenden zeigt sich jedoch, dass die Schülerinnen und Schüler der Klasse Längmatt Nachschlagematerialien kennen und auch verwenden. Es kann sein, dass die Nachschlagemöglichkeiten in der Klasse Längmatt schon so gut etabliert sind, dass keine explizite Nennung notwendig ist. Beispielsweise sagt bei der Bearbeitung von Aufgabe A (Quiz) der Fokusschüler Paul, dass er einen Ausdruck im Wörterbuch nachschlagen müsse (vgl. Abb. 52): 5 Ergebnispräsentation: Fallperspektive 221 [32] . . ERIKA [v] heisst gloub (? ) (13) OrthoFS6 [v] PAUL [v] [k l l ply g d animal ma in] welches ist das grösste tier OrthoFS5[v] Quel est le plus grand animal marin? [33] . . 46 [12: 54.5]47 [16: 50.1] ERIKA [v] [...] OrthoFS6 [v] PAUL [v] irgendöpis (2) [marin] das muess i grad go sueche. OrthoFS5[v] marin Abb. 52: Auszug aus dem Transkript UAK1Su3, Anhang III.IV.I 5.1.4.2 Triangulation der Innen- und Aussenperspektive für Frau Müller Frau Müller gibt im problemzentrierten Interview an, dass sie die Übungsanlagen zur Kompetenz des interaktiven Sprechens im Lehrwerk zu komplex und zu schwierig finde. Doch Frau Müller setzt die Mehrheit der Aufgaben in ihrem Unterricht um und fügt sogar noch eine weitere Aufgabe zum interaktiven Sprechen hinzu, die der Ausrichtung des Lehrwerks entspricht. Um die Komplexität zu reduzieren, vereinfacht sie jedoch drei der sechs Aufgaben so stark, dass sie nicht mehr das interaktive Sprechen fördern. Sie nimmt bei den Einführungen in die Sprechaufgaben viel Vorentlastung vor: Sie macht Beispiele im Plenum und führt schrittweise in die Aufgaben ein, wobei sie grösstenteils die vorgegebenen chunks resp. eine Auswahl davon einführt. Dass ihrer Meinung nach die Schülerinnen und Schüler zunächst über die nötigen Wortschatz- und Grammatikkenntnisse verfügen müssten, bevor sie eine Sprechaufgabe bearbeiten könnten, findet sich einerseits in ihren Aussagen im Interview und in der Einschätzung der Sprechkompetenzen der Lernenden und zeigt sich andererseits in ihrer Praxis. Bei der Befragung macht Frau Müller ihren Anspruch auf grammatikalische Korrektheit und das Anlegen eines umfangreichen Wortschatzes mehrfach deutlich. Bei den Unterrichtsbeobachtungen lässt sich feststellen, dass sie bei den Einführungen zu den Sprechaufgaben wortwörtliche Übersetzungen von den Schülerinnen und Schülern verlangt und bei zwei Einführungen Exkurse in die Grammatik macht, um die chunks formal zu analysieren. Es scheint ihr wichtig zu sein, dass die Schülerinnen und Schüler die formalen Aspekte der in den Aufgaben verwendeten chunks erkennen. Die Erklärungen fallen jedoch so komplex aus, dass diese Einführungen mehrheitlich in der Schulsprache Deutsch stattfinden. 222 5 Ergebnispräsentation: Fallperspektive Der Anspruch von Frau Müller auf Korrektheit steht im Gegensatz zu ihrer eigenen zielsprachlichen Sprachkompetenz. Im problemzentrierten Interview gibt Frau Müller an, dass sie beim Sprechen den Fokus auf die sogenannte Alltagskommunikation lege, worunter sie Sprechakte wie Einkaufen, Bestellen oder Wegbeschreiben versteht. Diese Art von Sprechaufgaben gibt es in der Praxis von Frau Müller jedoch nicht. Obschon Frau Müller die Meinung vertritt, dass Sprechen in Form von fiktiven Rollenspielen eingeübt werden müsste, und denkt, dass handlungsorientierte Lernsituationen die Schülerinnen und Schüler überfordern würden, führt sie ausschliesslich Sprechaufgaben durch, in denen die Schülerinnen und Schüler als sie selbst agieren. 5.1.4.3 Unterrichtsbeobachtung mit Fokus auf Schülerinnen und Schüler Die Fokusschülerinnen und -schüler der Klasse Längmatt bearbeiten sechs Aufgaben zur Förderung des interaktiven Sprechens, mit Ausnahme von Paul und Erika, die fünf der sechs Aufgaben bearbeiten. Paul und Erika, die von Frau Müller als leistungsschwach eingestuft werden, lösen die Aufgabe C1 (Questions) nicht, sondern beenden stattdessen auf Anweisung von Frau Müller eine (schriftliche) Übung, während der Rest der Klasse die mündliche Aufgabe bearbeitet. 5.1.4.3.1 Mündliche Interaktion (D1) Die Fokusschülerinnen und -schüler nutzen die Lernzeit bei den Aufgaben A (Quiz), B (Questionnaire), C1 und C2 (Questions) und E2 (Métiers) optimal. Bei Aufgabe E1 (Métiers) nutzen die Fokusschülerinnen und -schüler die Lernzeit nicht zur mündlichen Interaktion, da Frau Müller die Übung im Plenum durchführt und ein Kind nach dem anderen aufsteht, seinen Satz aufsagt und sich dann wieder hinsetzt, was nicht zu Interaktionen zwischen den Schülerinnen und Schülern führt. Die effektive Sprechzeit ist bei Aufgabe B (Questionnaire) bei allen Fokuslernenden hoch: Sie machen keine längeren Pausen und sie sprechen fast durchgehend miteinander. Bei Aufgabe E1 (Métiers) ist die effektive Sprechzeit bei allen Fokuslernenden tief: Die Fokuslernenden machen hauptsächlich Pausen und sprechen während 3 %, da jedes Kind während der ganzen Bearbeitungszeit nur einen Satz sagt. Bei der Bearbeitung der Aufgaben A (Quiz), C1 und C2 (Questions) und E2 (Métiers) variiert die effektive Sprechzeit je nach Fokuslernenden zwischen 26 % und 92 %, wobei die leistungsstarken Fokusschülerinnen jeweils die höchste Sprechzeit erreichen. Bei Aufgabe A (Quiz) sprechen Rebekka und Sylvia, die beiden leistungsstarken Schülerinnen, mehr oder weniger durchgehend (über 90 %), während Armin und Peter, die 5 Ergebnispräsentation: Fallperspektive 223 mittelmässigen Fokusschüler, zwei lange Pausen machen und nur während 34 % der gesamten Lernzeit tatsächlich miteinander sprechen. Dies liegt auch daran, dass die Notiz-, Nachschlage- oder Nachdenkpausen je nach Fokusschülerin oder -schüler unterschiedlich lang dauern, nämlich zwischen 2 Sekunden und 2.5 Minuten. Paul und Erika, die beiden leistungsschwachen Fokuslernenden, machen immer wieder Pausen zwischen zwei Sequenzen, die zwischen 2 und 13 Sekunden dauern. Sie sprechen zu Beginn der Sequenz viel miteinander, doch dann folgt eine Stillarbeit mit dem Wörterbuch. Insgesamt liegt ihre effektive Sprechzeit bei 42 %. Bei C1 (Questions) ist die effektive Sprechzeit von Rebekka und Sylvia, sowie von Armin und Peter hoch (85 % resp. 77 %). Paul und Erika bearbeiten diese Aufgabe nicht. Bei C2 (Questions) ist die effektive Sprechzeit von Sylvia und Rebekka ebenfalls hoch (92 %) und auch Paul und Erika erreichen eine hohe Sprechzeit (80 %). Armin und Peter warten bei C2 (Questions) auf die Unterstützung durch die Lehrperson und büssen während deren Erklärung weitere Sprechzeit ein, was die etwas tiefere Wertung erklärt (59 %). Bei Aufgabe E2 (Métiers), bei der die Lernenden gemimte Berufe erraten müssen, ist die effektive Sprechzeit bei allen Fokuslernenden etwas tiefer, da bei der Pantomime nicht gesprochen werden darf. Rebekka und Sylvia sowie Paul und Erika sprechen ungefähr die Hälfte der Zeit, Armin und Peter etwas weniger. Während der Bearbeitung der Aufgaben sprechen die Fokusschülerinnen und -schüler mehrheitlich in der Zielsprache Französisch miteinander, aber es sind auch Beiträge in Schweizer Mundart auszumachen. Rebekka und Sylvia, den leistungsstarken Schülerinnen, sowie Armin und Peter, den mittelmässigen Fokusschülern, gelingt es bei den Aufgaben B (Questionnaire), C1 und C2 (Questions) und E2 (Métiers), die Kommunikation zu grossen Teilen in der Zielsprache aufrecht zu erhalten. Bei Aufgabe E1 (Métiers) ist dies aufgrund des von Frau Müller angepassten Übungsformats nicht möglich. Bei Aufgabe A (Quiz) sprechen sie zuerst nur Französisch, wechseln dann aber nach sieben Minuten vom Französischen ins Deutsche resp. zur Mundart (vgl. Abb. 53, Z. 31): 224 5 Ergebnispräsentation: Fallperspektive [31] . . 97 [06: 59.7] 98 [07: 01.3] SYLVIA [v] seleb e tu a pa i sapel la tu eifel. pu kui pu kui] was wei mir do nä? [se n m OrthoFS2 [v] célèbre tour à Paris s'appelle la tour Eiffel. Pourquoi? c'est un [32] . . 99 [07: 06.5] 100 [07: 08.8] 101 [07: 10.6] REBEKKA [v] was isch Eiffel? Aha. Wer hat den SYLVIA [v] v dr Eiffelturm OrthoFS2 [v] nom inventé ... Monsieur Eiffel Abb. 53: Auszug aus dem Transkript UAK1Su1b, Anhang III.IV.I Würde man die drei letzten Minuten der Interaktion zur Aufgabe A (Quiz) nicht berücksichtigen, so würden Rebekka und Sylvia auch bei dieser Aufgabe mehr als 60 % in der Zielsprache interagieren. Dasselbe gilt für Armin und Peter und für Erika und Paul bei der Bearbeitung von Aufgabe A (Quiz): Bei allen drei Fokuspaaren nimmt die Interaktion in der Zielsprache nach fünf bis sieben Minuten massiv ab. Die Aufgabe A (Quiz) dauert deutlich länger als die anderen Aufgaben zur mündlichen Interaktion (vgl. Tab. 52): A: Quiz B: Questionnaire C: Questions E: Métiers 10 Min. 40 Sek. 02 Min. 10 Sek. C1) 03 Min. 34 Sek. C2) 02 Min. 47 Sek. E1) 02 Min. 35 Sek. E2) 07 Min. 50 Sek. Tab. 52: Dauer der Bearbeitung der Aufgabe durch die Lernenden Paul und Erika, die leistungsschwachen Fokuslernenden, sind die Einzigen, die die Aufgabe A (Quiz) zu über 60 % in der Zielsprache ausführen. Wenn man die drei letzten Minuten nicht berücksichtigt, dann liegt der Prozentsatz sogar bei 71 %. Bei den Aufgaben B (Questionnaire) und C2 (Questions) können sie die Interaktion ebenfalls zu grossen Teilen in der Zielsprache aufrechterhalten. Bei E2 (Métiers) weist diese Gruppe trotz enger Begleitung durch Frau Müller den grössten Anteil auf Deutsch im Vergleich zu den anderen Fokuslernenden auf. Sie interagieren zu 56 % in der Zielsprache miteinander. Grundsätzlich nutzen die Fokusschülerinnen und -schüler die Hilfestellungen zur Aufgabe im Lehrwerk dann, wenn sie von Frau Müller darauf hingewiesen werden. Dies ist beispielsweise bei den Aufgaben A (Quiz), B (Questionnaire) und E2 (Métiers) der Fall, wenn die Fokuslernenden die im Lehrwerk angeregten Interaktionen ausführen und/ oder die vorgegebenen chunks verwenden. Armin und Peter nutzen bei Aufgabe A (Quiz) zwar die 5 Ergebnispräsentation: Fallperspektive 225 Antwortmöglichkeiten, die zur Auswahl stehen, doch die Satzanfänge verwenden sie nicht. Alle anderen Fokuslernenden nutzen bei diesen drei Aufgaben die Hilfestellungen aus dem Lehrwerk. Bei den Aufgaben C1 und C2 (Questions) sind die beiden Satzanfänge A mon avis, la réponse 3 est … und La réponse 8 est … vorgegeben, doch diese werden von keiner Gruppe verwendet. Sie sind von Frau Müller auch nicht eingeführt worden, da Frau Müller die Aufgabe in eine „ Vorleseübung “ abändert. Bei E1 (Métiers) verwenden alle Fokuslernenden einmal den Satzanfang J ’ aimerais devenir … . Die Aufgabenstellung im Lehrwerk und die weiteren Hilfestellungen berücksichtigen sie nicht, da sie von Frau Müller anders instruiert worden sind. Die Fokusschülerinnen und -schüler bearbeiten die Aufgaben grundsätzlich so, wie Frau Müller sie anweist. Nur bei Aufgabe A (Quiz) verzichten Armin und Peter auf die Verwendung von chunks und bei Aufgabe E2 (Métiers) geben Erika und Paul die Antworten teilweise auf Deutsch anstatt auf Französisch. Alle Fokusschülerinnen und -schüler können grundsätzlich mit ihren Lernpartner*innen Informationen mit kurzen, formelhaften Ausdrücken in der Zielsprache resp. mithilfe von Gesten austauschen. Dies zeigen sie bei der Bearbeitung der Aufgaben A (Quiz), B (Questionnaire), C1 und C2 (Questions) und E2 (Métiers). Für E1 (Métiers) kann keine Aussage gemacht werden, weil die Aufgabe gemäss den Vorgaben von Frau Müller ohne Informationsaustausch durchgeführt wird. Die Interaktion, die über den konkret angelegten Informationsaustausch in der Aufgabe hinausgeht, erfolgt hingegen bei allen Fokuslernenden in der Schulsprache Deutsch. Wenn Peter und Armin sich beispielsweise bei Aufgabe A (Quiz) über die Antworten auf die Quizfragen informieren, dann erfolgt dieser Informationsaustausch in der Zielsprache Französisch. Wenn sie sich jedoch über den Arbeitsstand informieren, dass sie z. B. eine Quizfrage gelöst und eine Antwort parat haben, dann erfolgt diese Art von Informationsaustausch in der Schweizer Mundart (vgl. Abb. 54, Z. 8 und Z. 10): 226 5 Ergebnispräsentation: Fallperspektive [8] . . 32 [04: 05.8] 33 [04: 13.9] PETER [v] (blättert) i ha no eis [k l la ply (unverständlich)] [k l la ply o m d.] OrthoFS4 [v] Quelle est la plus Quelle est la plus haute [9] . . 34 [04: 17.7] 35 [04: 19.36 [04: 20.9]37 [05: 16.1] ARMIN [v] [wui] (55) (Sitznachbarn diskutieren über OrthoFS3 [v] Oui. PETER [v] [maunt v r st] OrthoFS4 [v] montagne du monde? Mount Everest [10] . . 38 [05: 24.1] 39 [05: 30.0] ARMIN [v] Kontinente) PETER [v] nei. wart i muess zerst d Frage läse [k l kontinent.] OrthoFS4 [v] Quel est le plus grand continent? Abb. 54: Auszug aus dem Transkript UAK1Su2, Anhang III.IV.I Eine Ausnahme stellt die leistungsstarke Fokusschülerin Rebekka bei der Bearbeitung von Aufgabe E2 (Métiers) dar, wenn es darum geht, auch die Arbeitsorganisation in der Zielsprache zu gestalten. Sie bleibt im Französischen, auch wenn es nicht um den reinen Informationsaustausch zur Aufgabe geht und sogar dann, wenn ihre Lernpartnerin in Mundart spricht. Rebekka [00: 08] Commence. [ … ] Sylvia [02: 45] Wieso fingsch du das use? Wieso findest du das heraus? Rebekka [02: 47] C ’ est simple. (Auszug 1 aus dem Transkript UEK1Su1b, Anhang III.IV.XIV) Alle Fokusschülerinnen und -schüler der Klasse Längmatt können bei den Aufgaben B (Questionnaire) und C2 (Questions) einer Mitschülerin oder einem Mitschüler in der Zielsprache Fragen stellen und Antworten geben resp. Erklärungen geben sowie Anweisungen ausführen. Den leistungsstarken Fokusschülerinnen Rebekka und Sylvia gelingt dies auch bei den Aufgaben A (Quiz), C1 (Questions) und E2 (Métiers). Den mittelmässigen Fokusschülern Armin und Peter gelingt dies ebenfalls bei den Aufgaben C1 (Questions) und E2 (Métiers). Bei der Aufgabe A (Quiz) stellen sie einander zwar Fragen in der Zielsprache, doch sie antworten grösstenteils in Ein- oder Zweiwortsätzen. Die leistungsschwachen Fokuslernenden Paul und Erika beantworten die Fragen 5 Ergebnispräsentation: Fallperspektive 227 Aufgaben A (Quiz) mit längeren Sätzen in der Zielsprache, bei der Bearbeitung von E2 (Métiers) verwenden sie dafür jedoch mehr Ein- oder Zweiwortsätze. Auch wenn es allen Fokuslernenden gelingt, einander Fragen zu stellen und sie zu beantworten, so gibt es dennoch deutliche qualitative Unterschiede in den Interaktionen. Beispielsweise wechseln die leistungsschwachen Fokusschülerin und -schüler Erika und Paul deutlich schneller zurück zur Mundart als Rebekka und Sylvia oder auch Armin und Peter. In einer Sequenz zu Aufgabe A (Quiz) stellt Paul die Frage auf Französisch und Erika gibt die Antwort in Mundart: Erika [10: 23] das isch villicht Hugo Boss Das ist vielleicht Hugo Boss? (Auszug 2 aus dem Transkript UAK1Su3, Anhang III.IV.I) Erika verwendet eine wörtliche Übersetzung der französischen Satzstruktur, die zuvor von Frau Müller bei der Einführung präsentiert und eingefordert wurde und die bei der Aufgabe im Lehrwerk steht (Est-ce peut-être Hugo Boss? ). Warum Erika bei bestimmten Antworten auf Mundart wechselt, kann nicht eindeutig erklärt werden. Vielleicht nutzt sie es aus, dass sie nicht von Frau Müller kontrolliert wird. Vielleicht ist sie aber auch von der inhaltlichen Komplexität der Aufgabe so eingenommen, dass sie es nicht schafft, den Informationsaustausch in der Zielsprache abzuwickeln Die Unterschiede zwischen den leistungsstarken, den mittelmässigen und den leistungsschwachen Fokusschülerinnen und -schülern werden auch bei der Verwendung von Paarsequenzen oder Sequenzerweiterungen sichtbar. Einerseits lassen sich quantitative Unterschiede in der Anzahl an Sequenzen ausmachen (vgl. Tab. 53) und andererseits gibt es qualitative Unterschiede hinsichtlich der Länge der Sequenzen (vgl. Tab. 54): Aufgabe A Quiz Aufgabe B Questionnaire Aufgabe C Questions Aufgabe E2 Métiers Rebekka und Sylvia 14 9 16 16 Peter und Armin 9 9 14 14 Paul und Erika 8 9 11 9 Tab. 53: Anzahl produzierter Sequenzen der Fokuslernenden der Klasse Längmatt 228 5 Ergebnispräsentation: Fallperspektive Paarsequenzen Erweiterte Sequenzen Rebekka und Sylvia 39 16 Peter und Armin 32 11 Paul und Erika 30 7 Tab. 54: Paarsequenzen und erweiterte Sequenzen der Klasse Längmatt Die leistungsstarken Fokusschülerinnen bilden mit insgesamt 55 Sequenzen mehr Sequenzen und vor allem mehr erweiterte Sequenzen als die mittelmässigen Fokuslernenden (Total 43 Sequenzen) oder die leistungsschwachen Fokusschülerinnen und -schüler (Total 37 Sequenzen). Peter und Armin bilden zwar insgesamt 11 erweiterte Sequenzen, aber oft erfolgt dabei die Sequenzerweiterung auf Deutsch. Dasselbe lässt sich auch bei den Paarsequenzen beobachten. Bei der Aufgabe E2 (Métiers) beispielsweise bilden sie zwar insgesamt 14 Paarsequenzen, aber davon sind nur bei 9 Sequenzen sowohl die Frage als auch die Antwort auf Französisch. Bei einer Paarsequenz ist die Frage auf Französisch und die Antwort erfolgt nonverbal und bei den vier anderen Paarsequenzen ist die Frage auf Französisch, die Antwort hingegen auf Deutsch. 5.1.4.3.2 Kommunikationsstrategien (D2) Die Fokusschülerinnen und -schüler der Klasse Längmatt wenden wenig Kompensationsstrategien an. Die Kompensationsstrategie des code-switching verwenden vier Fokuslernende bei je einer Aufgabe. Rebekka und Sylvia, die leistungsstarken Fokusschülerinnen, greifen auf diese Kompensationsstrategie einzig bei der Bearbeitung von Aufgabe A (Quiz) zurück. Wenn Sylvia eine Antwort vorschlägt, tut sie dies mehrmals gemischt auf Französisch und in Mundart: Sylvia [03: 09] das isch le shampoing Das ist le shampoing. [ … ] Sylvia [05: 26] auso chum de tüe mir la baleine - est-ce la baleine? Also komm, dann nehmen wir la baleine - est-ce la baleine? [ … ] Sylvia [07: 01] c ’ est un nom inventé oder Monsieur Eiffel? (Auszug 3 aus dem Transkript UAK1Su1b, Anhang III.IV.I) Rebekka verwendet ebenfalls code-switching, aber eher als humoristische Einlage. Sylvia nimmt diese Idee (lachend) auf und macht später eine ähnliche Äusserung: 5 Ergebnispräsentation: Fallperspektive 229 Rebekka [02: 41] oui i ha das o. Oui, ich habe das auch. Sylvia [02: 45] (lachend) oui i ha das o. Oui, ich habe das auch. [ … ] Sylvia [09: 13] oui je pense que auch (Auszug 4 aus dem Transkript UAK1Su1b, Anhang III.IV.I) Bei den mittelmässigen Fokusschülern wendet Peter einmal bei der Bearbeitung von Aufgabe E2 (Métiers) code-switching an. Er argumentiert, warum er nicht ingénieur en robotique sagen müsse, sondern nur ingénieur: Peter [03: 55] ingénieur längt. ingénieur reicht (Auszug 5 aus dem Transkript UEK1Su2b, Anhang III.IV.XIV) Dabei spricht er Ingénieur Französisch als [ ɛ ̃ ʒ eni œʁ ] aus. Es könnte sein, dass die Verwendung des passenden Verbs „ suffit “ von Peter als zu anstrengend empfunden wird oder dass er den Ausdruck nicht kennt. Vielleicht nutzt er es aus, dass er nicht von Frau Müller kontrolliert wird. Die leistungsschwache Fokusschülerin Erika ist die Einzige, die bei der Bearbeitung der Aufgabe E2 (Métiers) auf ein schweizerdeutsches Wort zurückgreift und es mit französischer Aussprache verwendet, weil ihr der französische Ausdruck noch unbekannt ist. Mit *une mixeu liegt sie gar nicht weit weg von un mixeur (vgl. Abb. 55): [7] . . 21 [01: 36.1] 22 [01: 41.5] 23 [01: 49.9] PAUL [v] (12) (lacht) nö-ö [e OrthoFS5 [v] c'est faux S2 [v] (leise) [mix di kyisinie] Ortho S2 [v] mixer (? ) de cuisinier ERIKA [v] [ p OrthoFS6 [v] je pense que tu es un mixer (? ) de cuisinier Abb. 55: Auszug aus dem Transkript UEK1Su3b, Anhang III.IV.XIV Die Kompensationsstrategie „ Gestik und Mimik “ wird von vier Fokuslernenden sporadisch verwendet. Rebekka, Paul und Erika setzen bei der Bearbeitung von Aufgabe A (Quiz) eine Geste ein, Armin bei der Aufgabe C1 (Questions) und wiederum Rebekka bei der Aufgabe C2 (Questions). Die häufigsten Gesten sind deiktische Zeichen, die die Fokusschülerinnen und -schüler verwenden, wenn sie auf einen Ausdruck in der Aufgabe im Lehrwerk zeigen. Beispielsweise zeigt Erika ihrem Lernpartner Paul die Stelle im Heft, die sie nicht versteht: 230 5 Ergebnispräsentation: Fallperspektive Erika [09: 58] Was heisst ds? Was heisst das? Paul [09: 59] Was? Erika [10: 00] Was heisst ds? (zeigt auf Satz im magazine) Was heisst das? (Auszug 6 aus dem Transkript UAK1Su3, Anhang III.IV.I) Weitere Gestik und Mimik, die die Fokuslernenden einsetzen, sind Schulterzucken bei Nichtwissen (Rebekka bei der Bearbeitung von Aufgabe C2: [03: 49]) oder beharrliches Anschauen der Lernpartnerin, bis die Bestätigung erfolgt (Paul bei Aufgabe A: [06: 32]). Die Kompensationsstrategie der „ Wiederholung “ wird von den Fokuslernenden der Klasse Längmatt nicht verwendet. Als Kommunikationsstrategie gilt auch das turntaking ( „ Wort ergreifen “ ): Die Fokusschülerinnen und -schüler ergreifen das Wort, wenn sie ein Gespräch eröffnen, wenn sie die Interaktion in Gang halten und wenn sie ein Gespräch beenden. Grundsätzlich beginnen die Fokuslernenden das Gespräch direkt mit der ersten Frage oder Hypothese der Aufgabe, und beendet werden die mündlichen Interaktionen i. d. R. durch Frau Müller, die die Übung als fertig erklärt. In den Aufgaben ist auch nicht vorgesehen, dass die Gespräche explizit auf Französisch eröffnet oder explizit auf Französisch beendet werden. Allerdings kennen die Lernenden seit ihrem ersten Lernjahr die Strategie „ Untereinander französisch sprechen “ / Discuter en français, die besagt, dass man beim Arbeiten und Spielen möglichst viele Gelegenheiten nutzen solle, um Französisch zu sprechen (vgl. Ganguillet et al. 2014b: 59). Erika, Rebekka und Sylvia gelingt es bei der Bearbeitung der Aufgaben B (Questionnaire) und E2 (Métiers), ein Gespräch in der Zielsprache zu eröffnen: Erika [00: 09] Alors. Je pense que … (Auszug 7 aus dem Transkript UBK1Su4, Anhang III.IV.V) Rebekka [00: 08] Commence. Sylvia [00: 10] Oui. (Auszug 8 aus dem Transkript UEK1Su1b, Anhang III.IV.XIV) Alle anderen turntakings finden auf Deutsch resp. in Schweizer Mundart statt. Nach den turntakings in Mundart geht das Gespräch jeweils in der Zielsprache weiter. Ähnlich wie beim turntaking verhält es sich mit der Kommunikationsstrategie „ Bitte um Klärung “ : Es gibt bis auf zwei Ausnahmen keine Situation, in der die Fokusschülerinnen und -schüler in der Zielsprache sagen, dass sie etwas nicht verstehen. Rebekka und Paul intonieren bei der Bearbeitung von Aufgabe C1 resp. C2 (Questions) beide je einmal ein französisches Wort als 5 Ergebnispräsentation: Fallperspektive 231 Frage, um anzuzeigen, dass sie es nicht verstehen resp. dass sie unsicher sind, ob dies die korrekte Antwort ist: Rebekka [03: 01] [ki a ɛ ̃ v ɑ ̃ te l ə s œ ̃ ndwit ʃ ] Qui a inventé le sandwich? Rebekka [03: 06] [l ə k ɔ ̃ m? ] *le comme (meint comte)? Sylvia [03: 10] [l ə k ɔ ̃ t de il (2) s ɑ ̃ dvi ʃ ] Le comte des îles Sandwich (Auszug 9 aus dem Transkript UCK1Su1, Anhang III.IV.VIII) Paul [01: 56] [kel s ɔ ̃ l ə t ʁ wa let ʁ (2) pu ʁ apele ʁ o seku ʁ s] Quelles sont les trois lettres pour appeler au secours? Paul [02: 06] [es o es? ] SOS? (Auszug 10 aus dem Transkript UCK1Su3b, Anhang III.IV.VIII) Die restlichen Bitten um Klärung erfolgen in Mundart. Es ergeben sich zahlreiche Situationen, in denen die Fokusschülerinnen und -schüler der Klasse Längmatt die Kommunikationsstrategie „ Kooperieren “ anwenden, also einander unterstützen, obschon Französisch für alle eine Fremdsprache ist. Dabei kann es um das Klären der Aufgabenstellung, das Lösen von Verstehensproblemen, um eine Rückfrage bezüglich einer vorgeschlagenen Lösung oder auch um Aussprachehilfen gehen. Wenn die Fokusschülerinnen und -schüler sich gegenseitig um Unterstützung bitten, dann tun sie dies meistens auf Deutsch resp. auf Mundart. Bei der Bearbeitung von Aufgabe A (Quiz) können alle Fokusschülerinnen und -schüler einerseits von der Lernpartnerin/ dem Lernpartner Unterstützung einfordern und andererseits selber Unterstützung bieten. Bei Aufgabe B (Questionnaire) unterstützen sich nur die leistungsschwachen Fokuslernenden Erika und Paul. Erika erklärt Paul zunächst, wie die Aufgabe funktioniert und spricht ihm später die korrekte Aussprache eines Ausdrucks vor (vgl. Auszug 7). Bei Aufgabe C1 (Questions) sind Armin und Peter die Einzigen, die sich gegenseitig unterstützen. Sie nutzen einander als Wissensressource und finden gemeinsam die Lösung: Peter [02: 25] [k ɔ ̃ bi ɛ ̃ (2) despa d ə p ɑ ̃ se d ə dinozo: ʁ . p œ t ɔ ̃ vo wa ʁ u . ko ʁ t ə do] Combien *d ’ espa *d ’ epensé (meint d ’ empreintes) de dinosaures peut-on *vo voir *ou (meint à) Courtedoux Armin [02: 37] [plys d ə ] plus de 232 5 Ergebnispräsentation: Fallperspektive Peter [02: 37] [plys d ə ] plus de Armin [02: 39] [ply d ə ] plus de Peter [02: 39] [s ɛ ̃ k mil s ɛ ̃ k s ɑ ̃ (1) ɛ ̃ p ʁ i] gäu? 5 ’ 500 *empri (meint empruntes) Armin [02: 47] jo Ja. (Auszug 11 aus dem Transkript UCK1Su2a, Anhang III.IV.VIII) Bei Aufgabe C2 (Questions) können die leistungsstarken und die mittelmässigen Fokuslernenden entweder von der Lernpartnerin oder dem Lernpartner Unterstützung einfordern oder selber Unterstützung bieten. Beispielsweise hilft Rebekka Sylvia weiter, wenn sie eine Antwort nicht findet: Sylvia [02: 16] i weiss doch nid. Ich weiss doch nicht. Rebekka [02: 18] du muesch haut d antwort suche irgendöpis mit s Du musst halt die Antwort suchen. Irgendetwas mit s- Sylvia [02: 24] i ha ’ s gfunde. Ich hab ’ s gefunden. (Auszug 12 aus dem Transkript UCK1Su1, Anhang III.IV.VIII) Auch bei Aufgabe E2 (Métiers) unterstützen Armin, Peter, Rebekka und Erika ihre Lernpartnerin oder ihren Lernpartner. Die Fokusschülerinnen und -schüler der Klasse Längmatt kooperieren zwar viel, aber sie weichen für die Organisation des gemeinsamen Arbeitens grösstenteils auf Mundart resp. auf die Schulsprache Deutsch aus. Dies ist der Grund, weshalb sie sich bei der Kategorie D2.4.2 „ Kooperieren in der Zielsprache “ bis auf eine Ausnahme alle Fokuslernenden bei allen Aufgaben auf der untersten Stufe der Skala verorten (vgl. Anhang II.VII). Zur Organisation des gemeinsamen Arbeitens zählen das Klären der Aufgabenstellung, das Festlegen der Reihenfolge, die Nachfrage zum bearbeitenden Aufgabenteil und das Abschliessen der Arbeit. Rebekka und Sylvia organisieren ihre gemeinsame Arbeit bei der Aufgabe E2 (Métiers) als einzige auf Französisch: Rebekka [00: 08] Commence. Sylvia [00: 10] Oui. (Auszug 13 aus dem Transkript UEK1Su1b, Anhang III.IV.XIV) Die Kommunikationsstrategie „ Kontrolle und Reparaturen “ kommt in der Klasse Längmatt bei allen Aufgaben zum interaktiven Sprechen zum Tragen. Die Aufgabe E1 (Métiers) ist davon ausgenommen, da in der Umsetzung der Aufgabe durch Frau Müller nur begrenzt die Möglichkeit zur Selbstkorrektur und gar keine Möglichkeit zur Korrektur des/ der Interaktionspartner/ in gege- 5 Ergebnispräsentation: Fallperspektive 233 ben ist. Von den Fokusschülerinnen und -schüler nehmen Rebekka, Sylvia, Armin, Peter und Paul Selbstkorrekturen vor, wobei die leistungsstarken Schülerinnen bei allen Aufgaben Selbstkorrekturen vornehmen, während dies bei den mittelmässigen und leistungsschwachen Fokuslernenden nur vereinzelt vorkommt: Aufgaben A (Quiz) und E2 (Métiers) für die mittelmässigen Fokuslernenden und Aufgabe B (Questionnaire) für die leistungsschwachen Fokuslernenden. Der leistungsstarken Rebekka gelingt es nicht immer, die Reparaturen ihrer Interaktionspartnerin Sylvia in Selbstkorrekturen umzusetzen. Bei Aufgabe A (Quiz) kann Rebekka keine Selbstkorrektur vornehmen, obschon Sylvia sie auf eine fehlerhafte Aussage beim Satz Je pense que c ’ est „ au revoir “ hinweist, indem sie Rebekkas Antwort wiederholt und dabei die Aussprache von [au] zu [o] korrigiert und „ c ’ est “ nach „ Je pense que “ einfügt. Rebekka nimmt jedoch vorläufig keine Selbstkorrektur vor. Sie lässt den Satzanfang ganz weg und wiederholt „ au revoir “ mit derselben fehlerhaften Aussprache: Rebekka [08: 40] [ ʃə p ɑ ̃ z kø au ʁə vua ʁ .] Je pense que *[au] revoir. Sylvia [08 : 41] [ ʃə p ɑ ̃ z kø se o ʁə vua ʁ .] Je pense que c ’ est au revoir. Rebekka [08: 45] [au revuar] (Auszug 14 aus dem Transkript UAK1Su1b, Anhang III.IV.I) Die ausbleibende Selbstkorrektur nach einer Korrektur durch die Interaktionspartnerin ist auch bei Aufgabe C (Questions) festzustellen. Sylvia korrigiert die Aussprache von Saint Léonard, crayon und faire du vin, ohne dass dies zu einer Selbstkorrektur bei Rebekka führt: Rebekka [00: 58] [a s ɛ ̃ len: a leano ʁ ] à Saint *Lena Leanord (meint Saint Léonard) Sylvia [01: 01] [leona ʁ ] Léonard [ … ] Rebekka [01: 38] [kel fryi se ʁ v ɑ ̃ a f ʁ i dy v ɛ ̃ ] quel fruit *servant à *fri (meint faire) du vin Sylvia [01: 43] [f ɛʁ dy v ɛ ̃ (1) le ʁ ez ɛ ̃ ] faire du vin, le raisin [ … ] Rebekka [03: 37] [l ə ka ʁ ajo] le *carayo (meint le crayon) Sylvia [03: 39] [le krej ɔ ̃ ] gloub le crayon glaube ich (Auszug 15 aus dem Transkript UCK1Su1b, Anhang III.IV.VIII) 234 5 Ergebnispräsentation: Fallperspektive In anderen Momenten der Bearbeitung von Aufgabe C (Questions) gelingt es Rebekka hingegen, die Korrekturen von Sylvia in Selbstkorrekturen umzusetzen. Sylvia weist Rebekka beispielsweise auf die fehlerhafte Aussprache des Ortnamens Courtedoux hin und Rebekka wiederholt die korrekte Aussprache fehlerfrei. Wenn Rebekka den Ortsnamen gegen Ende der Sequenz wiederholt, spricht sie Courtedoux zwar besser, aber wieder nicht ganz korrekt aus: Rebekka [00: 29] [a ko ʁ t ə ] à *Corte (meint Courtedoux) Sylvia [00: 40] [ku ʁ t ə du] Courtedoux Rebekka [00: 42] [ku ʁ t ə du] Courtedoux [ … ] Rebekka [03: 31] [a ko ʁ tadu] à *Cortadoux (meint Courtedoux) (Auszug 16 aus dem Transkript UCK1Su1b, Anhang III.IV.VIII) Später verbessert Sylvia die Aussprache von Rebekka bei jaune. Es geht darum, die Farben des Berner Fussballclubs Young Boys zu benennen. Rebekka wiederholt die Korrektur ihrer Interaktionspartnerin und ergänzt die Antwort um eine inhaltliche Präzision, indem sie die zweite Farbe hinzufügt. Sylvia schliesst die Sequenz mit Oui c ’ est juste ab. Diese Bestätigung könnte sich sowohl auf die sprachliche Korrektur von Rebekka als auch auf die inhaltlich korrekte Antwort beziehen: Rebekka [03: 07] ehm [ ʃ : o.n] Ehm j-au-ne Sylvia [03: 13] [ ʃ on] jaune Rebekka [03: 13] [ ʃ on e nwa ʁ ] Jaune et noir Sylvia [03: 15] [wi se ʒ yst] Oui c ’ est juste. (Auszug 17 aus dem Transkript UCK1Su1b, Anhang III.IV.VIII) Bei einer weiteren Korrektur von Sylvia zeigt Rebekka zwar, dass sie die sprachliche Korrektur ihrer Interaktionspartnerin wahrnimmt, indem sie diese mit „ genau “ kommentiert, doch sie bleibt auf der inhaltlichen Ebene und nimmt keine Selbstkorrektur im Sinne einer Wiederholung der korrigierten Aussage vor. Sylvia korrigiert die Aussprache von pour gagner de l ’ argent und spricht den Satz fertig, wenn Rebekka anstösst: 5 Ergebnispräsentation: Fallperspektive 235 Rebekka [02: 56] [pu ʁ ga ɲ e ga ɲ ] pour *gagné, *gagne (meint gagner de l ’ argent) Sylvia [02: 59] [pu ʁ ga ɲ e d ə la ʁ g ɑ ̃ ] pour gagner de l ’ argent Rebekka [03: 01] genau (Auszug 18 aus dem Transkript UCK1Su1b, Anhang III.IV.VIII) Rebekka nimmt auch Selbstkorrekturen vor, ohne von Sylvia auf die korrekte Form hingewiesen zu werden. Beispielsweise setzt sie bei Aufgabe B (Questionnaire) neu an, um einen bestimmten Satzanfang zu verwenden, um ein Wort korrekter auszusprechen oder um die Antwort auf Französisch zu geben: Rebekka [00: 28] (2) [ty vo ʃə p ɑ ̃ s k ə (2) ty v œ viv ʁ a njujo ʁ k] Tu *vo. Je pense que tu veux vivre à New York. [ … ] Rebekka [00: 42] [ta fl œʁ ami aimi e la ʁ oz] Ta fleur *ami *aimi est la rose. [ … ] Rebekka [00: 07] Ja. Oui c ’ est juste. (Auszug 19 aus dem Transkript UBK1Su1, Anhang III.IV.V) Dasselbe lässt sich auch bei Aufgabe C (Questions) beobachten, wenn sie expression mit expérience verwechselt oder auch bei Aufgabe E2 (Métiers), wenn sie einen Versprecher bei illustratrice korrigiert: Rebekka [00: 03] [ke si ɲ ifi lexpe ʁ i ɑ ̃ s lexp ʁ esi ɔ ̃ (1) œʁœ ka (2) e ʁ ika] Que signifie *l ’ expérience, l ’ expression Eurêka, *Erika (Auszug 20 aus dem Transkript UCK1Su1a, Anhang III.IV.VIII) Rebekka [07: 19] je pense que tu es une *illustratice Rebekka [07: 25] illustratrice (Auszug 21 aus dem Transkript UEK1Su1b, Anhang III.IV.XIV) Die ebenfalls leistungsstarke Fokusschülerin Sylvia nimmt weniger Selbstkorrekturen als Rebekka vor. Sie wird auch weniger von ihrer Interaktionspartnerin korrigiert. Bei Aufgabe C (Questions) setzt Sylvia neu an, um ein Wort korrekter auszusprechen: Sylvia [00: 11] [kom ɔ ̃ sapel la ply g ʁɑ ̃ m ɔ ̃ ta m ɔ ̃ ta ɲ e d ə sabl d œʁ op] Comment s ’ appelle la plus grande *montamontagne de sable d ’ Europe? [ … ] [ … ] Sylvia [00: 25] [ki a ɛ ̃ v ɑ ̃ te l ə s œ ̃ nd s ɑ ̃ di ʃ ] *Qui a inventé le sindsandwich? (Auszug 22 aus dem Transkript UCK1Su1b, Anhang III.IV.VIII) 236 5 Ergebnispräsentation: Fallperspektive Sylvia kann auch eine Selbstkorrektur vornehmen, wenn sie von Rebekka ein Signal für eine fehlerhafte Aussage erhält. Beispielsweise kann Rebekka bei Aufgabe A (Quiz) nicht nachvollziehen, welche Frage Sylvia stellt, weil sie jeans fehlerhaft ausspricht. Sylvia findet die Lösung daraufhin selbst: Sylvia [04: 15] [ki a ɛ ̃ v ɑ ̃ te l ə ʒəɑ ̃ ʒɑ ̃ ʁ ʒəɑ ̃ .] Oder so öpis ähnlechs. Qui a inventé le *géant,*genre, *géant oder so etwas Ähnliches Rebekka [04: 22] weles hesch du itz gmacht? Welches hast du jetzt gemacht? Rebekka [04: 25] wer hat das [ ʃə ] erfunden. Wer hat das *Schö erfunden Sylvia [04: 28] das isch [t ʃ jnz] im fau Das ist „ Jeans “ im Fall (Auszug 23 aus dem Transkript UAK1Su1b, Anhang III.IV.I) Der als mittelmässig eingeschätzte Fokusschüler Armin nimmt bei der Bearbeitung von Aufgabe A (Quiz) Selbstkorrekturen vor. Einerseits korrigiert Armin Aussagen, bei denen ein inhaltliches Problem vorliegt, ohne dass eine Korrektur durch seinen Interaktionspartner erfolgt: Armin [00: 20] [kø se t ʁ uf lø ply g ʁɑ ̃ ɛ ̃ ʃə po ʁ ɛʁ po ʁ dø dø ʁ op] *Que se trouve le plus grand *[ ɛ ̃ ʃə po ʁ ] aéroport de d ’ Europe? (Auszug 24 aus dem Transkript UAK1Su2, Anhang III.IV.I) Armin korrigiert die Aussprache von aéroport, weil es ein zentrales Inhaltswort der Quizfrage ist. Allerdings korrigiert er das fehlerhafte Fragewort Que nicht zu Où. Das Fragewort korrigiert er bei einer nächsten Frage, nämlich Quand zu Comment, wobei er jedoch Comme anstelle von Comment verwendet: Armin [01: 10] [k ɑ ̃ n (2) kom dit ɔ ̃ ] „ auf Wiedersehen “ ɑ ̃ f ʁɑ ̃ se] *Quand (2) *Comme dit-on „ auf Wiedersehen “ en français ? (Auszug 25 aus dem Transkript UAK1Su2, Anhang III.IV.I) Armin wird einmal von seinem Interaktionspartner Peter korrigiert, nämlich bei der Aussprache des Ausdrucks Au revoir. Armin gelingt es, aufgrund dieser Korrektur eine Selbstkorrektur vorzunehmen: Armin [01: 18] [au ʁ ewua ʁ ] *a-u revoir Peter [01: 21] [o ʁ ewua ʁ ] au revoir Armin [01: 22] [o ʁ ewua ʁ ] au revoir (Auszug 26 aus dem Transkript UAK1Su2, Anhang III.IV.I) Peter wird von seinem Interaktionspartner Armin nicht korrigiert, er nimmt aber eigenständig Selbstkorrekturen vor. Beispielsweise korrigiert er bei Auf- 5 Ergebnispräsentation: Fallperspektive 237 gabe A (Quiz) seine Aussprache von Popcorn: Er spricht dieses deutschfranzösische Parallelwort zuerst mit schweizerdeutschem „ r “ aus und korrigiert dann mit einem französischen [ ʁ ]: Peter [06: 41] [awek k ɛ l se ʁ eal fe popkorn popko ʁ n] Avec quelle céréale fait Popcorn popcorn? (Auszug 27 aus dem Transkript UAK1Su2, III.IV.I) Peter setzt bei einer Antwort bei Aufgabe E2 (Métiers) neu an, wenn er merkt, dass er den Satzanfang vergessen hat. Diesen liest er von der Wandtafel ab: Peter [03: 37] [ ɛ ̃ ʒ en] (blickt zur Wandtafel) [ ʃə p ɑ ̃ s k ə ɛ ̃ ʒ eni œʒ ] *ingén-. Je pense que *ingénieuse. (Auszug 28 aus dem Transkript UEK1Su2b, Anhang III.IV.XIV) Die leistungsschwache Fokusschülerin Erika und der leistungsschwache Fokusschüler Paul nehmen bis auf eine Ausnahme keine Selbstkorrekturen vor. Bei Aufgabe B (Questionnaire) übersetzt Paul sein Jo aufgrund einer Rückfrage von Erika zu Oui: Erika [00: 56] Je pense que tu veux être footballeur. Paul [01: 03] Jo. Erika [01: 04] Stimmt ’ s? Paul [01: 06] Oui. (Auszug 29 aus dem Transkript UBK1Su4, Anhang III.IV.V) Die Fokusschülerinnen und -schüler befinden sich noch auf Anfangsniveau, korrigieren sich aber dennoch gegenseitig. Grundsätzlich reparieren sie eine Äusserung dann, wenn der Inhalt missverständlich ist, doch Sylvia und Peter korrigieren auch die fehlerhafte Aussprache ihres Interaktionspartners oder ihrer Interaktionspartnerin. Sylvia, die leistungsstarke Fokusschülerin, kann bei den Aufgabe A (Quiz), C1 und C2 (Questions) bei ihrer Mitschülerin eine fehlerhafte Äusserung erkennen und korrigieren resp. die korrekte Form angeben, und dabei auf verschiedene Korrektur- und Reparaturformen zurückgreifen. Peter, der mittelmässige Fokusschüler, tut dies ebenfalls bei der Bearbeitung von Aufgabe A (Quiz). Bei der Bearbeitung von Aufgabe C2 (Questions) korrigiert Peter ebenfalls seinen Mitschüler, greift dabei jedoch immer auf dieselbe Korrekturform zurück. Rebekka nimmt bei der Bearbeitung von Aufgabe A (Quiz) ebenfalls Korrekturen mit immer derselben Korrektur- und Reparaturform vor. Armin kann bei der Bearbeitung der Aufgaben B (Questionnaire) und C2 (Questions) bei seinem Lernpartner Peter eine fehlerhafte Äusserung erkennen und korrigieren resp. die korrekte Form angeben. Er tut dies immer mit derselben Korrektur- und Reparaturform. Beim Korrigieren der Interaktionspartnerin oder des Interaktionspartners bedienen sich die 238 5 Ergebnispräsentation: Fallperspektive Fokusschülerinnen und -schüler der Klasse Längmatt drei verschiedener Formen (vgl. Tab. 55): Reparaturformen nach Lyster/ Ranta 1997 recast clarification requests explicit correction Rebekka x Sylvia x x x Armin x Peter x x Tab. 55: erwendete Reparaturformen in der Klasse Längmatt Am häufigsten wird die clarification request (Bitte um Erläuterung) verwendet. Dies kann daran liegen, dass die Fokusschülerinnen und -schüler über eine gemeinsame Schulsprache verfügen und in diese wechseln können, wenn sie etwas nicht verstehen. Beispielsweise verwechselt Rebekka bei Aufgabe C (Questions) ein Wort, so dass Sylvia die Frage nicht versteht und auf Deutsch nachfragt: Rebekka [01: 55] [kel s ɔ ̃ le t ʁ wa let ʁ pu ʁ apele ʁ o vieto] Quelles sont les trois lettres pour appeler au *vieto? Sylvia [02: 02] (schaut bei Rebekka ins Heft und fragt auf Deutsch) was? Rebekka [02: 04] [seku ʁ ] secours (Auszug 30 aus dem Transkript UCK1Su1b, Anhang III.IV.VIII) Die explicit correction (explizite Verbesserung) wird ebenfalls von einer Fokusschülerin und einem Fokusschüler verwendet. Beispielsweise von Sylvia bei der Bearbeitung von Aufgabe A (Quiz): Rebekka [04: 25] wer hat das [ ʃə ] erfunden. *jeu Sylvia [04: 28] das isch [t ʃ jnz] im fau Das ist „ Jeans “ im Fall (Auszug 31 aus dem Transkript UAK1Su1b, Anhang III.IV.I) Armin und Peter verwenden auch eine implizite Korrekturform, nämlich den recast (korrekte Wiederholung der fehlerhaften Form). Armin spricht den Ortsnamen Bâle Englisch aus, worauf Peter ihm die französische Aussprache angibt: 5 Ergebnispräsentation: Fallperspektive 239 Armin [00: 06] [bejl] *Bale (englisch ausgesprochen) Peter [00: 06] [bal] ja Bâle Armin [00: 06] [bal] [ba: l vil] Bâle, Bâle ville. (Auszug 32 aus dem Transkript UCK1Su2b, Anhang III.IV.VIII) 5.1.4.3.3 Kommunikative Kompetenzen (D3) Bei den kommunikativen Kompetenzen wird als erster Teilbereich die Beherrschung der Phonologie und der Phonetik betrachtet. Alle Fokuslernenden der Klasse Längmatt erreichen bei der Bearbeitung aller Aufgaben zum interaktiven Sprechen mindestens die mittlere, manchmal auch die oberste Stufe der Skala, was dem Niveau A2.2 entspricht (vgl. Anhang II.VII). Auf dem Fragebogen geben die beiden leistungsstarken Fokusschülerinnen Sylvia und Rebekka Schweizer Mundart als ihre Erstsprache an. In Bezug auf die Phonologie und die Phonetik merkt man teilweise, dass Schweizer Mundart ihre Ausgangssprache ist. Rebekka und Sylvia sprechen typische Laute des französischen Lautsystems wie [ ʁ ] oder die Nasale [ ɑ ̃ , ɛ ̃ , ɔ ̃ ] korrekt aus, obschon diese im Schweizerdeutschen nicht existieren, wodurch ihre Äusserungen oft akzentfrei klingen. Der Deutschschweizer Akzent macht sich bei wenigen Lauten bemerkbar, die so als solche in der Schweizer Mundart nicht existieren: Beispielsweise wird [ ʒ ] nicht durchgehend stimmhaft ausgesprochen. Sylvia bemüht sich bei der Bearbeitung von Aufgabe A (Quiz), diesen Laut bei Je oder juste korrekt Französisch auszusprechen und es gelingt ihr auch am Wortanfang. Hingegen gelingt ihr die korrekte Aussprache von [ ʒ ] am Wortende wie bei fromage nicht (vgl. Abb. 56): [29] 90 [06: 15.9] 91 [06: 21.9] 92 [06: 23.9] SYLVIA [v] nächärä [k o se] oma ] eh eh [ p OrthoFS2 [v] ? e -, [30] . . 93 [06: 32.9] 94 [06: 35.5] 95 [06: 45.5] REBEKKA [v] was wo steit ds? (9) ou mann SYLVIA [v] k p wär het aso OrthoFS2 [v] * . La Abb. 56: Auszug aus dem Transkript UAK1Su1b, Anhang III.IV.I 240 5 Ergebnispräsentation: Fallperspektive Bei der Bearbeitung von Aufgabe C (Questions) lesen Rebekka und Sylvia die Fragen aus dem Lehrwerk ab. In Bezug auf die Aussprache lässt sich hier beobachten, dass ihnen Zeichen Probleme machen, die als solche nicht im Deutschen existieren. Beide verwechseln die Aussprache von trouve und trouvé (vgl. Abb. 57): [11] . . 23 [02: 20.4] 24 [02: 22.4] 25 [02: 26.2] 26 [02: 30.1] REBEKKA [v] si ifi lexp esi (1) e ka] öh [ e t uv] [kome kom sap l la OrthoFS1 [v] signifie l'expression "Eurêka"? J'ai *trouve. Comment s'appelle la SYLVIA [v] ehm [ e t uv] OrthoFS2 [v] J'ai *trouve. Abb. 57: Auszug aus dem Transkript UCK1Su1a, Anhang III.IV.VIII Deutsch-französische Parallelwörter verleiten Rebekka und Sylvia ebenfalls dazu, sie eher nach deutschem Lautsystem auszusprechen. Dies ist bei der Buchstabenkombination „ au “ der Fall, die die beiden Fokusschülerinnen in den meisten Fällen korrekt als [o] aussprechen, wie bei animaux (vgl. Abb. 58, Z. 8). Steht „ au “ jedoch in französischen Ausdrücken, die an ein deutsches Wort erinnern, wie miauler oder dinosaure, dann sprechen sie die Buchstabenkombination als [au] aus (vgl. ebd., Z. 8 - 9): [8] 27 [02: 20.9] 28 [02: 24.1] 29 [02: 26.4] 30 [02: 29.7]31 [02: 31.1] REBEKKA [v] irgendöpis mit s [kel animo miaul] [kel animo OrthoFS1 [v] Quels animaux miaulent? Quels animaux SYLVIA [v] SOS i ha's gfunde was? (lacht) [9] . . 32 [02: 33.8] 33 [02: 35.2] 34 [02: 38.6] REBEKKA [v] miaul] sehr lustig jetzt chasch du mi froge OrthoFS1 [v] miaulent? SYLVIA [v] [le a] [kel e la . mon. OrthoFS2 [v] les chats Quelle est la monnaie des Abb. 58: Auszug aus dem Transkript UCK1Su1b, Anhang III.IV.VIII Auf dem Fragebogen geben die mittelmässigen Fokusschüler Armin und Peter wie alle Lernenden der Klasse Längmatt Mundart als ihre Erstsprache an. In Bezug auf die Phonologie und die Phonetik können beide eine begrenzte Anzahl von Lauten meistens verständlich aussprechen. Wie auch Rebekka und Sylvia sprechen sie typische Laute des französischen Lautsystems korrekt aus, 5 Ergebnispräsentation: Fallperspektive 241 wodurch ihre Äusserungen oft akzentfrei klingen. Bei Armin merkt man, dass sein Akzent im Französischen vom Deutschen beeinflusst wird. Dies ist aber nicht so stark, dass Peter viel Anstrengung aufbringen müsste, um ihn zu verstehen, und der Akzent tritt vor allem bei deutsch-französischen Parallelwörtern zum Vorschein. Beispielsweise spricht Armin bei der Bearbeitung von Aufgabe B (Questionnaire) rose, Christiane, sport, tulipe oder auch salade in Anlehnung an die deutsche Aussprache aus (vgl. Abb. 59): [1] 0 [00: 00.0] 1 [00: 05.4] 2 [00: 09.7] ARMIN [v] [n f dy sp t] OrthoFS3 [v] Non. Faire du sport. PETER [v] [ p okypasj (notiert OrthoFS4 [v] Je pense que ton occupation préférée * (est) jouer au foot. Je […] [6] . . 11 [00: 57.1] 12 [00: 59.5] ARMIN [v] [la tulp] OrthoFS3 [v] la tulipe PETER [v] richtige Antwort) [ p s k ta flœ m oz] (notiert richtige OrthoFS4 [v] que ta fleur aimée est la rose. Je pense que ton oiseau […] [9] . . 17 [01: 27.6] ARMIN [v] [n la mine al e salat] OrthoFS3 [v] Non. L'eau minérale et la salade PETER [v] ta nua ity e t buas prefe e s l koka e l kafe] OrthoFS4 [v] boisson préférées sont le coca et le café. Abb. 59: Auszug aus dem Transkript UBK1Su3, Anhang III.IV.V In Bezug auf die Phonologie und die Phonetik ist beim leistungsschwachen Fokusschüler Paul und der leistungsschwachen Fokusschülerin Erika kein Unterschied zu den mittelmässigen Fokusschülern auszumachen. Auch sie können beide eine begrenzte Anzahl von Lauten meistens verständlich aussprechen. Wie die anderen sprechen sie typische Laute des französischen Lautsystems korrekt aus. Was hingegen eindeutig auf den deutschsprachigen Einfluss in der Aussprache hinweist, sind die Wortendungen, die fehlerhaft ausgesprochen werden. Beispielsweise sprechen Paul und Erika bei der Bearbeitung von Aufgabe C2 (Questions), bei der sie Fragen vorlesen, sehr oft die stummen Wortendungen aus (Paul: -e bei langues, bananes, -r bei appeler, -s bei secours / Erika: -e bei Bâle, -ent bei servent). Weitere Zeichen, die auf Deutsch 242 5 Ergebnispräsentation: Fallperspektive und Französisch unterschiedlich ausgesprochen und hier fehlerhaft ausgesprochen werden, sind „ u “ als [u] resp. [y], „ ei “ als [ ɛ j] resp. [ ɛ ], „ oi “ als [oi] resp. [wa], „ au “ als [au] resp. [o] (vgl. Abb. 60): [3] . . 6 [00: 43.9] 7 [00: 49.1]8 [00: 55.8] 9 [01: 02.7] PAUL [v] (6) (flüstert) das stimmt nid (3) OrthoFS5 [v] Canada? ERIKA [v] [po tyge e [kel f u se v a OrthoFS6 [v] portugais et anglais Quels fruits servent [4] . . 10 [01: 07.2] 11 [01: 13.5] 12 [01: 21.8] PAUL [v] [kel iv t as t a.ve e la vil d pa i] [la s OrthoFS5 [v] Quelle rivière traverse la ville de Paris? la Seine ERIKA [v] f dy v ] [le es] (5) OrthoFS6 [v] à faire du vin? les raisins [5] 13 [01: 26.1] 14 [01: 31.9]15 [01: 33.2] 16 [01: 39.6] PAUL [v] [kel f yi sœ a f dy v ] [de OrthoFS5 [v] Quels fruits servent à faire du vin? des ERIKA [v] (3) [kel e la kapital d litali] [ m] OrthoFS6 [v] Quelle est la capitale de l'Italie? Rome [6] . . 17 [01: 43.2]18 [01: 49.1] 19 [01: 55.4]20 [01: 56.7] PAUL [v] banane] [kel s l t wa OrthoFS5 [v] bananes Quelles sont les ERIKA [v] (7) [kel animal sapel l o l oi des a anima] [l ] OrthoFS6 [v] Quel animal s'appelle "le roi des animaux"? le lion [7] . . 21 [02: 06.0] 22 [02: 08.7] PAUL [v] let (2) pu apele o seku s] [es o es? ] OrthoFS5 [v] 3 lettres pour appeler au secours? SOS ERIKA [v] (3) [kel s l kulœ d le.kip d futbal OrthoFS6 [v] Quelles sont les couleurs de l'équipe Abb. 60: Auszug aus dem Transkript UCK1Su3b, Anhang III.IV.VIII Auch im zweiten Teilbereich der Kommunikativen Kompetenzen, bei der Flüssigkeit, erreichen alle Fokuslernenden der Klasse Längmatt bei der Bearbeitung aller Aufgaben zum interaktiven Sprechen mindestens die mittlere, manchmal auch die oberste Stufe der Skala (vgl. Anhang II.VII). Sylvia und Rebekka, die leistungsstarken Fokusschülerinnen, situieren sich bei allen Aufgaben auf der obersten Stufe der Skala. Sylvia spricht sogar flüssiger, als im Deskriptor für das Niveau A2.2 formuliert ist. Rebekka und 5 Ergebnispräsentation: Fallperspektive 243 Sylvia machen keine längeren Pausen zwischen den Sequenzen und innerhalb einer Sequenz sprechen sie fliessend. Bei der Bearbeitung von Aufgabe A (Quiz) muss Rebekka anfangs mehrmals ansetzen, dann werden auch ihre Äusserungen flüssiger. Bei Aufgabe B (Questionnaire) macht Rebekka jeweils eine kurze Pause zwischen dem Satzanfang und dem Satzende (vgl. Abb. 61): [1] 0 [00: 00.0] 1 [00: 04.5] REBEKKA [v] (Installation der Technik) [ p OrthoFS1 [v] [2] . . 2 [00: 12.8] 3 [00: 16.6] REBEKKA [v] p nœ e awa OrthoFS1 [v] . SYLVIA [v] [wi se yst] OrthoFS2 [v] . Abb. 61: Auszug aus dem Transkript UBK1Su1, Anhang III.IV.V Dieses Stocken tritt bei der Bearbeitung der Aufgaben C (Questions) und E (Métiers) nicht auf. Armin und Peter, die mittelmässigen Fokusschüler, situieren sich in Bezug auf die Flüssigkeit bis auf je eine Ausnahmen auf der mittleren Stufe. Das heisst, dass sie viele Pausen machen, um nach Ausdrücken zu suchen oder um weniger vertraute Wörter zu artikulieren. Bei der Bearbeitung von Aufgabe A (Quiz) dauern Armins und Peters Pausen 8 bis 147 Sekunden zwischen zwei Sequenzen. Auch innerhalb einer Sequenz müssen beide bei komplizierteren Wörtern mehrmals ansetzen, was zu kurzen Verzögerungen führt (vgl. Abb. 62): 244 5 Ergebnispräsentation: Fallperspektive [1] 0 [00: 00.0]1 [00: 06.1]2 [00: 20.3] 3 [00: 29.1]4 [00: 45.5] ARMIN [v] [kø se t uf lø ply g po po dø dø op.] (15) (20) OrthoFS3 [v] Où (*Que) se trouve le plus grand aéroport d'Europe? [2] 5 [01: 05.0] 6 [01: 07.5] 7 [01: 10.8] ARMIN [v] das da villich? [k n (2) kom dit ] auf Wiedersehen [ se]. OrthoFS3 [v] *Quand... Comment dit-on "auf Wiedersehen" en PETER [v] [wui], hani o. OrthoFS4 [v] Oui. [3] . . 8 [01: 18.8] 9 [01: 21.6] 10 [01: 22.3] 11 [01: 24.3]12 [01: 54.6]13 [01: 58.0] ARMIN [v] [au ewua ] [o wua ] (30) ok [d k l vil dital pœt sœ OrthoFS3 [v] français? Au revoir. Au revoir. Dans quelle ville d'Italie PETER [v] [o wua ] OrthoFS4 [v] Au revoir. [4] . . 14 [02: 13.2] 15 [02: 16.8]16 [02: 23.0] ARMIN [v] deplase deplas: gondo: l.] [vœniz] (7) OrthoFS3 [v] peut-on se déplacer en gondole? Venise PETER [v] [van vœniz] [kel mamif nokty n vol kom OrthoFS4 [v] Venise Quel mammifère nocturne vole Abb. 62: Auszug aus dem Transkript UAK1Su2, Anhang III.IV.I In Bezug auf die Flüssigkeit situiert sich Paul, der leistungsschwache Fokusschüler, über alle Aufgaben hinweg auf der mittleren Stufe, während Erika, ebenfalls leistungsschwache Fokusschülerin, sich bei den beiden letzten Aufgaben E1 und E2 (Métiers) steigert. Wie auch Peter und Armin benötigt Paul bis zur letzten Aufgabe die Hilfestellungen aus dem Lehrwerk, um seine Sätze zu formulieren. Bei Aufgabe E2 (Métiers) macht er weiterhin innerhalb der Sequenzen Pausen zwischen dem Satzanfang und dem Satzende. Erika hingegen kann diese Sequenzen flüssig sagen. Sie hat die Satzanfänge auch etwas mehr geübt als Peter, beispielsweise bei Aufgabe B (Questionnaire), bei der sie diesen Satzanfang insgesamt 9 Mal verwendet (vgl. Abb. 63): 5 Ergebnispräsentation: Fallperspektive 245 [7] . . 21 [01: 36.1] 22 [01: 41.5] 23 [01: 49.9] PAUL [v] (12) (lacht) nö-ö [e OrthoFS5 [v] c'est faux S2 [v] (leise) [mix di kyisinie] Ortho S2 [v] mixer (? ) de cuisinier ERIKA [v] [ p OrthoFS6 [v] je pense que tu es un mixer (? ) de cuisinier […] [16] . . 60 [04: 41.8]61 [04: 44.8] 62 [04: 53.1] PAUL [v] eh (2) [ p ] OrthoFS5 [v] je pense que tu es une artiste L1 [v] Schülers) Qu'est-ce que tu penses? artiste […] [19] . . 71 [05: 34.3] 72 [05: 41.9]73 [05: 49.4] 74 [05: 56.6] 75 [05: 59.6] PAUL [v] [ty e . pœ' (3) polisi ] OrthoFS5 [v] Tu es peut-être un policier. S2 [v] [wi] (Name Ortho S2 [v] oui ERIKA [v] gar nid säge so wie vori (5) (lacht) L1 [v] policier Continue Abb. 63: Auszug aus dem Transkript UEK1Su3b, Anhang III.IV.XIV Im dritten Teilbereich zu den Kommunikativen Kompetenzen, dem Spektrum sprachlicher Mittel, verteilen sich die Fokuslernenden der Klasse Längmatt auf allen drei Stufen der Skala (vgl. Anhang II.VII). Rebekka und Sylvia, die leistungsstarken Fokusschülerinnen, können bei der Bearbeitung aller Aufgaben kurze, memorierte Wendungen aus einem begrenzten Repertoire korrekt resp. teilweise korrekt verwenden. Rebekka verwendet bei der Bearbeitung von Aufgabe A (Quiz) den chunk Je pense que c ’ est … fünf Mal nur teilweise korrekt und erst gegen Ende der Sequenz gelingt es ihr nach einem recast von Sylvia, ihn fast korrekt zu verwenden. Vergleicht man diese Sequenz mit der Bearbeitung von Aufgabe E2 (Métiers), so ist eine Progression festzustellen. Dann verwendet sie denselben chunk insgesamt acht Mal und jedes Mal korrekt (vgl. Abb. 64): 246 5 Ergebnispräsentation: Fallperspektive [8] . . 31 [02: 28.9] 32 [02: 30.9]33 [02: 41.4] 34 [02: 45.5] REBEKKA [ p OrthoFS1 [v] . SYLVIA [wi OrthoFS2 [v] . S3 [v] (11) Ortho S3 [v] L1 [v] i [9] . . 35 [02: 47.5] 36 [02: 49.5]37 [03: 15.1] 38 [03: 24.1] REBEKKA pl] (26) OrthoFS1 [v] SYLVIA ? S3 [v] ) [ p . . Ortho S3 [v] [10] 39 [03: 32.8] 40 [03: 38.0]41 [03: 44.4] 42 [03: 47.4] 43 [03: 49.4]44 [03: 55.8] REBEKKA [ p OrthoFS1 [v] SYLVIA s S3 [v] ? (6) [11] . . 45 [03: 59.5] 46 [04: 02.9]47 [04: 08.5] 48 [04: 10.8]49 [04: 12.8] REBEKKA Hä? OrthoFS1 [v] . SYLVIA (6) S3 [v] Ortho S3 [v] . Abb. 64: Auszug aus dem Transkript UEK1Su1b, Anhang III.IV.XIV Auch die anderen chunks aus der Lerneinheit wie Oui c ’ est juste, Oui, Non, c ’ est … , Non haben Rebekka und Sylvia memoriert und können sie korrekt verwenden, ohne nachzuschauen. Wenn Rebekka und Sylvia eine Aufgabe zur mündlichen Interaktion bearbeiten, so tun sie dies jeweils zu Beginn streng nach Vorgabe, gegen Ende lassen sie etwas mehr Variation zu. Davon zeugt auch die Komplexität der gebildeten Sätze. Beispielsweise formuliert Rebekka bei Aufgabe B (Questionnaire) in der Interaktion mit Sylvia insgesamt sieben Hypothesen. Bei den beiden ersten beginnt sie mit dem vorgegebenen Satzanfang und bildet korrekte Sätze. Bei der dritten vergisst sie zuerst, einen längeren Satz zu bilden, korrigiert sich dann aber selber und fügt einen 5 Ergebnispräsentation: Fallperspektive 247 Satzanfang hinzu. Bei den vier letzten Hypothesen beschränkt sie sich auf die Aussage und verzichtet auf den Satzanfang (vgl. Abb. 65): [1] 0 [00: 00.0] 1 [00: 04.5] REBEKKA [v] (Installation der Technik) [ p OrthoFS1 [v] [2] . . 2 [00: 12.8] 3 [00: 16.6] REBEKKA [v] p nœ e awa OrthoFS1 [v] . SYLVIA [v] [wi se yst] OrthoFS2 [v] . [3] 4 [00: 25.5] 5 [00: 28.5] 6 [00: 36.6]7 [00: 37.6] REBEKKA [v] (2) [ty p ] [ta kulœ OrthoFS1 [v] Ta couleur SYLVIA [v] [wi se yst] [wi] OrthoFS2 [v] . Oui. [4] . . 8 [00: 41.8]9 [00: 42.7] 10 [00: 48.5] 11 [00: 51.7] REBEKKA [v] p oz] [t pwuas OrthoFS1 [v] . est la rose. SYLVIA [v] [wi] [n g it] OrthoFS2 [v] Oui. . [5] . . 12 [00: 57.5] 13 [01: 02.9] 14 [01: 12.7] REBEKKA [v] p e l [te e o p e s ] ) [t OrthoFS1 [v] . Tes SYLVIA [v] Abb. 65: Auszug aus dem Transkript UBK1Su1, Anhang III.IV.V Im Gegensatz zu den leistungsstarken Fokussxchülerinnen benötigen die mittelmässigen Fokuslernenden Peter und Armin bis zur letzten Aufgabe die Hilfestellungen aus dem Lehrwerk, um ihre Sätze zu formulieren. Armin und Peter üben die chunks auch weniger häufig als Rebekka und Sylvia. Sie verwenden sie ausschliesslich bei der Bearbeitung der Aufgaben B (Questionnaire) und E2 (Métiers). Bei allen anderen Aufgaben verwenden sie mehrheitlich isolierte Einzelwörter. Vielleicht ist diese geringere Verwendung der 248 5 Ergebnispräsentation: Fallperspektive chunks in den vorangehenden Aufgaben mit Grund dafür, dass sie bei Aufgabe E2 (Métiers) weiterhin innerhalb der Sequenzen Pausen machen, nämlich zwischen dem Satzanfang, den sie an der Wandtafel ablesen und dem Satzende, das sie im Heft finden (vgl. Abb. 66): [4] . . 8 [00: 53.1] PETER [v] Sprechblasen) [ p ] S3 [v] […] [10] . . ] ] ARMIN [v] ] OrthoFS3 [v] PETER [v] S3 [v] Ortho S3 [v] . […] . . ] 47 [04: 50.0] Armin [v] ) [ p ] OrthoFS3 [v] Peter [v] OrthoFS4 [v] S3 [v] p Ortho S3 [v] Abb. 66: Auszug aus dem Transkript UEK1Su2b, Anhang III.IV.XIV Bei Paul und Erika, den leistungsschwachen Fokuslernenden, ist auffällig, dass sie sich in der Skala „ Spektrum sprachlicher Mittel “ manchmal ganz oben und manchmal ganz unten ansiedeln (vgl. Anhang II.VII). Auf dem Fragebogen geben sie an, Französisch mittel zu mögen. Es könnte sein, dass ihre Leistung auch von dieser geringeren Motivation beeinflusst wird, d. h. dass sie sich u. U. nicht immer gleich bemühen, die Vorgaben aus dem Lehrwerk resp. die Anweisungen der Lehrperson zu befolgen. Beispielsweise berücksichtigen sie bei der Aufgabe A (Quiz) die Vorgaben aus dem Lehrwerk und die Anweisungen der Lehrperson, was dazu führt, dass sie die elementaren Wendungen verwenden. Sie brauchen verschiedene Satzanfänge wie Je pense que c ’ est … , Est-ce … ? oder auch Est-ce peut-être … und beide bestätigen die 5 Ergebnispräsentation: Fallperspektive 249 Antworten jeweils mit Oui oder Ouais. Dabei kommt es manchmal zu Versprechern, Auslassungen und/ oder Reduktionen. Zum Beispiel verwenden beide den chunk Je pense que c ’ est … fehlerhaft, wie auch die beiden leistungsstarken Fokusschülerinnen, obschon Frau Müller diesen chunk explizit und mit formaler Analyse eingeführt hat. Paul und Erika sagen Je pense que *est: Paul [06: 32] [ ʒə p ɔ ̃ s (.) k ə ɛ s ɑ ̃ v ɛ ̃ t m ɛː t ʁ ] Je pense que *est 120 mètres. Erika [06: 40] [ ʃə p ɑ ̃ s k ə ɛ ɑ ̃ n ɑ ̃ ta ʁ ktik] Je pense que *est en Antarctique. Erika [07: 19] [ ʃə p ɑ ̃ s k ə ɛ la ʃ uv ɛ su ʁ i.] Je pense que *est la chauve-souris. Paul [07: 41] [ ʒə p ɔ s k ə ɛ munt ɛː v ɛː r ɛː st] Je pense que *est Mount Everest. Paul [08: 18] [ ʒ p ɔ s k ə ɛ t ʃ apon] Je pense que *est Japon. (Auszug 33 aus dem Transkript UAK1Su3, Anhang III.IV.I) Auf dem Fragebogen geben Paul und Erika wie alle Lernenden der Klasse Längmatt Mundart als ihre Erstsprache an. Dies könnte erklären, warum Erika bei der Bearbeitung von Aufgabe A (Quiz) zwei Mal sagt *Qui est marché sur la lune … ? , da dieser Fehler auf einen negativen Transfer aus dem Deutschen zurückzuführen sein könnte. 5.1.4.3.4 Plurilinguales Sprechen (D4) Die Fokusschülerinnen und -schüler der Klasse Längmatt geben als ihre Erstsprache exklusiv die Schweizer Mundart an, in ihrem Repertoire verfügen sie neben Deutsch auch über Französisch und Englisch, die sie als Fremdsprachen in der Schule lernen. Keine Fokusschülerin und kein Fokusschüler erreicht die oberste Stufe der Skala zum plurilingualen Sprechen (vgl. Anhang II.VII). D. h., sie können im Kontakt mit einer anderen Sprache das Gespräch mit der Mitschülerin/ dem Mitschüler nicht in dieser anderen Sprache fortsetzen (z. B. Zielsprache wechseln, wenn über einen englischen oder einen italienischen Ausdruck diskutiert wird). Alle Fokuslernenden können jedoch ihr Repertoire an verschiedenen Sprachen grundsätzlich nutzen, um sich auf sehr begrenzte Art und Weise zu verständigen. Sie können im Kontakt mit einer anderen Sprache ausgewählte Merkmale dieser Sprache in die Interaktion in der Zielsprache einbringen (z. B. Aussprache der anderen Sprache für bestimmte Ausdrücke übernehmen, wenn diese andere Sprache Thema der Diskussion ist oder wenn ein Ausdruck aus einer anderen Sprache verwendet wird). Das plurilinguale Sprechen ist also auf die Wortebene begrenzt, nämlich 250 5 Ergebnispräsentation: Fallperspektive auf die Übernahme der Aussprache der anderen Sprache für bestimmte Ausdrücke. Bei Aufgabe A (Quiz) gelingt dies allen Fokuslernenden. Wenn die Fokusschülerinnen und -schüler über Namen aus dem englischsprachigen Gebiet sprechen, dann übernehmen sie dafür die englische Aussprache. Bei Mount Everest geschieht dies in allen drei Fokusgruppen (vgl. Abb. 67, 68, 69): [8] . . 24 [02: 00.6] 25 [02: 07.9] REBEKKA [v] (2) öhm [ pos k maunt ] OrthoFS1 [v] SYLVIA [v] m ta dy m d.] (2) [ki ma sy la OrthoFS2 [v] haute montagne du monde? Abb. 67: Auszug aus dem Transkript UAK1Su1b, Anhang III.IV. I. [8] . . 32 [04: 05.8] 33 [04: 13.9] PETER [v] (blättert) i ha no eis [k l la ply (unverständlich)] [k l la ply o m d.] OrthoFS4 [v] Quelle est la plus Quelle est la plus haute [9] . . 34 [04: 17.7] 35 [04: 19.36 [04: 20.9]37 [05: 16.1] ARMIN [v] [wui] (55) (Sitznachbarn diskutieren über OrthoFS3 [v] Oui. PETER [v] [maunt v r st] OrthoFS4 [v] montagne du monde? Mount Everest Abb. 68: Auszug aus dem Transkript UAK1Su2, Anhang III.IV.I [10] . . 17 [07: 41.5] ERIKA [v] uv su i.] OrthoFS6 [v] PAUL [v] [u l la ply ot m ta dy m d.] eh [ p munt ] OrthoFS5[v] *Je pense que est Abb. 69: Auszug aus dem Transkript UAK1Su3, Anhang III.IV.I Bei Aufgabe B (Questionnaire) setzen die beiden Fokusschüler Armin und Paul ihr plurilinguales Repertoire ein. Beispielsweise spricht Paul la tulipe, das ihn vermutlich ans italienische tulipano erinnert, mit italienischer Aussprache aus: 5 Ergebnispräsentation: Fallperspektive 251 Paul [01: 40] [se la tulpa] C ’ est la *toulpa (meint tulipe) (Auszug 34 aus dem Transkript UBK1Su4, Anhang III.IV.V) Rebekka und Armin sprechen bei der Bearbeitung der Aufgabe C1 (Questions) le sandwich in Anlehnung an englische Aussprache aus: Rebekka [03: 02] [l ə s œ ̃ ndwit ʃ ] le *sandwitch (meint sandwich) (Auszug 35 aus dem Transkript UCK1Su1a, Anhang III.IV.VIII) Armin [02: 09] [l ə s ɑ ̃ dvit ʃ ] le *sandwitch (meint sandwich) (Auszug 36 aus dem Transkript UCK1Su2a, Anhang III.IV.VIII) Bei der Bearbeitung von Aufgabe C2 (Questions) nutzen Rebekka, Sylvia, Armin und Erika ihr plurilinguales Repertoire beim Sprechen. Dabei zeigt sich der Einfluss der zweiten schulischen Fremdsprache Englisch: Erika verwendet für das französische rivière das englische river, spricht es aber mit dem französischen [ ʁ ]-Laut aus: Erika [00: 29] [ ʁ iv ɛʁ ] *river (meint rivière) (Auszug 37 aus dem Transkript UCK1Su3b, Anhang III.IV.VIII) Armin spricht Bâle und langues in Anlehnung an die englische Aussprache aus: 55 Bei der darauffolgenden Antwort portugais et anglais imitiert er dann die portugiesische Aussprache und spricht jeweils die letzten Buchstaben der Wörter aus (Schluss -s und Schluss-t) aus. Er „ shiftet “ also von einer Sprache zur anderen. Peter bringt die Sprache der Interaktion wieder zurück ins Französische (vgl. Abb. 70): 55 Armin könnte bei Bâle an den wallisischen Fussballspieler Gareth Bale gedacht haben. 252 5 Ergebnispräsentation: Fallperspektive [1] 0 [00: 00.0] 1 [00: 06.3] 2 [00: 12.0] ARMIN [v] [kel e l ply p ti k t [bejl] [bal] [ba: l vil] ] OrthoFS3 [v] ? Bale PETER [v] [bal] ja l dœ l OrthoFS4 [v] Bâle-Ville [2] . . 3 [00: 23.5] 4 [00: 29.0] ARMIN [v] ] OrthoFS3 [v] PETER [v] ] OrthoFS4 [v] [3] . . 5 [00: 36.8] 6 [00: 42.8]7 [00: 52.9] 8 [00: 54.5]9 [00: 56.1] ARMIN [v] [kel l de mwa d - OrthoFS3 [v] ? PETER [v] ] L1 [v] . - Abb. 70: Auszug aus dem Transkript UCK1Su2b, Anhang III.IV.VIII 5.1.5 Integrierte Darstellung (Einschätzung, Befragung, Beobachtung) Die Selbsteinschätzungen der Sprechkompetenzen der Fokuslernenden der Klasse Längmatt decken sich mit der Einteilung zu leistungsstarken, mittelmässigen und leistungsschwachen Fokusschülerinnen und -schülern durch Frau Müller. Auch die Unterrichtsbeobachtungen mit Fokus auf die Lernenden bestätigen mehrheitlich die angegebenen Niveaus. Im Fragebogen, der auf die kommunikativen Kompetenzen ausgerichtet ist, schätzen sich Rebekka und Sylvia zwischen den Niveaus A2.1 und A2.2 ein (vgl. Tab. 10). In den drei Skalen zu den kommunikativen Kompetenzen erreichen sie die höchste Stufe, die dem Niveau A2.2 entspricht (vgl. Anhang II.VII). Damit liegen sie bei der Bearbeitung der Aufgaben zum interaktiven Sprechen über den Vorgaben des Lehrplans für das Ende der sechsten Klasse und Frau Müller stuft sie offensichtlich zu Recht als leistungsstarke Schülerinnen ein. Armin und Peter situieren sich in den drei Skalen zu den kommunikativen Kompetenzen sehr unterschiedlich, aber mit einer Mehrheit auf der mittleren Stufe (vgl. ebd.: 11 resp. 8 von 18 auf der zweiten Stufe, je 4 auf der untersten Stufe und 3 resp. 6 auf der obersten Stufe), was dem Niveau A2.1 entspricht. Damit erreichen sie bei der Bearbeitung der Aufgaben zum inter- 5 Ergebnispräsentation: Fallperspektive 253 aktiven Sprechen genau die Vorgaben des Lehrplans für das Ende der sechsten Klasse und Frau Müller stuft sie wiederum zu Recht als mittelmässige Schüler ein. Armin schätzt sich leicht besser, nämlich zwischen den Niveaus A2.1 und A2.2 ein, während Peter ein Mittel zwischen den Niveaus A1.2 und A2.2 angibt (vgl. Tab. 11). Paul und Erika schätzen sich auf dem Fragebogen tiefer ein als die beiden anderen Fokuspaare: Paul schätzt sich auf A2.1 ein und Erika zwischen den Niveaus A1.2 und A2.1 (vgl. Tab. 12). In den drei Skalen zu den kommunikativen Kompetenzen situieren sie sich ebenfalls unterhalb der anderen Fokusschülerinnen und -schüler, jedoch nicht sehr viel tiefer als die mittelmässigen Fokusschüler (vgl. Anhang II.VII). Allerdings bearbeiten sie aus Zeitgründen eine Aufgabe weniger als die anderen. Auch ihr Niveau deckt sich offensichtlich mit der Einschätzung von Frau Müller. Die Aussagen der Schülerinnen und Schüler in der Gruppendiskussion decken sich nur teilweise mit den Erkenntnissen aus den Unterrichtsbeobachtungen mit Fokus auf die Lernenden: Die Schülerinnen und Schüler geben an, bei den Aufgaben zur mündlichen Interaktion manchmal auf Deutsch zu wechseln. Die Unterrichtsbeobachtungen mit Fokus auf die Lernenden bestätigen, dass die Fokusschülerinnen und -schüler beim Bearbeiten der Aufgaben zum interaktiven Sprechen nicht konsequent Französisch sprechen. Insbesondere bei den Interaktionen zur Organisation des gemeinsamen Arbeitens wechseln die Fokuslernenden zur Mundart. Dieses Verhalten erinnert an die Lehrpersonensprache von Frau Müller: Auch sie wechselt oft zurück zur Schulsprache Deutsch, wenn sie etwas erklärt, das nicht direkt zur Aufgabe gehört. Allerdings nutzen die Fokuslernenden die Lernzeit optimal zur Bearbeitung der vorgegebenen Aufgabe zum interaktiven Sprechen (60 - 100 %) und gehen währenddessen keinen anderen Tätigkeiten nach. Ausserdem sprechen sie alle, von den leistungsschwachen bis zu den leistungsstarken Fokusschülerinnen und -schülern, deutlich mehr Französisch, wenn sie eine Aufgabe in Paararbeit bearbeiten, als wenn die Aufgabe ins Plenum verlagert wird. Die zwei Varianten der Bearbeitung von Aufgabe E (Métiers) macht dies augenscheinig: In der Sequenz von E1 spricht jedes Kind ungefähr 4 Sekunden. Bei der Dauer von E1 von insgesamt 2 Minuten und 10 Sekunden entspricht dies einer aktiven Beteiligung in der Zielsprache von 3 %. Bei E2 ist die aktive Beteiligung in der Zielsprache um ein Vielfaches höher, sie variiert zwischen 56 % bei den leistungsschwachen Fokuslernenden und 72 % bei den leistungsstarken Fokusschülerinnen. Ferner ist festzustellen, dass bei einer Bearbeitung im Plenum keine Möglichkeiten zur Differenzierung gegeben sind: Die Fokuslernenden schneiden bei allen Kategorien quantitativ und qualitativ gleich ab, mit Ausnahme der Aussprache und der Flüssigkeit. Bei den Aufgaben, die in Kleingruppen bearbeitet werden, stellt sich eine natürliche Differenzierung 254 5 Ergebnispräsentation: Fallperspektive ein, auch wenn Frau Müller bestrebt ist, die Aufgaben zum interaktiven Sprechen möglichst für alle gleich zu vereinfachen. In der Gruppendiskussion stufen die Schülerinnen und Schüler die Sprechaufgaben aus dem Lehrwerk grösstenteils als schwierig ein. Bei der Beobachtung zeigt sich jedoch, dass in der Klasse Längmatt alle Fokuslernenden alle Aufgaben zum Sprechen lösen und mit ihren Lernpartner*innen Informationen austauschen können. Nur die leistungsschwache Gruppe überspringt die Aufgabe C1 (Questions) aus zeitlichen Gründen. Es ist jedoch anzumerken, dass Frau Müller die Hälfte der Aufgaben so vereinfacht, dass damit kein interaktives Sprechen gefördert wird: Bei C1 und C2 (Questions) ist der mündliche Austausch nachgespielt und bei E1 (Métiers) präsentieren die Lernenden die Informationen in monologischer Form. Bei den Aufgaben A (Quiz), B (Questionnaire) und E2 (Métiers) findet interaktives Sprechen unter Lernenden statt und alle Gruppen können diese Aufgaben bewältigen. Die Schülerinnen und Schüler der Klasse Längmatt geben in der Gruppendiskussion an, dass ihnen das Formulieren einer korrekten Äusserung und deren Artikulierung Mühe bereite. Auf dem Fragebogen zur Selbsteinschätzung der Sprechkompetenz kreuzen 92 % der Schülerinnen und Schüler beim Teilbereich des Spektrums der sprachlichen Mittel die Deskriptoren des Niveaus A1.2 an. Die Schwierigkeiten beim Artikulieren einer Äusserung treten so nicht ein, wobei festzuhalten ist, dass nur das beobachtbar ist, was von den Lernenden tatsächlich ausgesprochen wird. Es kann sein, dass die Fokuslernenden auf bestimmte Äusserungen verzichten, weil ihnen deren Artikulation zu schwerfällt. Die Unterrichtsbeobachtungen bestätigen hingegen, dass das Formulieren, besonders für die mittelmässigen und die leistungsschwachen Fokuslernenden, eine Herausforderung darstellt. Während die leistungsschwächeren Lernenden sich mehr mit isolierten Einzelwörtern verständigen, können die leistungsstarken Lernenden einfache Satzmuster bereits grundsätzlich korrekt verwenden. Frau Müller gibt in verschiedenen Einführungen in die Aufgaben zum interaktiven Sprechen explizite Grammatikerklärungen ab. Diese Grammatikerklärungen führen zu wenig bis gar keinem Erfolg und können sich u. U. sogar negativ auf die Äusserungen der Lernenden auswirken. Dies lässt sich am Beispiel der Grammatikerklärungen zum Satzanfang Je pense que c ’ est … aufzeigen, der vor der Bearbeitung von Aufgabe A (Quiz) ausführlich von Frau Müller auf seine formalen Aspekte analysiert wird. Bei der nachfolgenden Bearbeitung durch die Schülerinnen und Schüler verwenden diesen Satzanfang alle Fokuslernenden fehlerhaft. Bei der Bearbeitung von Aufgabe B (Questionnaire), bei dem die Schülerinnen und Schüler denselben Satzanfang verwenden, der dieses Mal bei der Einführung von Frau Müller nicht explizit erklärt wird, erfolgt eine korrekte Verwendung. 5 Ergebnispräsentation: Fallperspektive 255 Beim Teilbereich der Interaktion kreuzen 92 % der Schülerinnen und Schüler die Deskriptoren des Niveaus A2.2 an. D. h., sie trauen es sich zu, Fragen zu stellen und Fragen zu beantworten, einfache Aussagen zu machen und auf Aussagen von anderen zu reagieren sowie anzugeben, wenn sie etwas nicht verstehen und den anderen/ die andere um Hilfe bitten (vgl. Anhang II.I). Es erreicht jedoch keine Gruppe die höchste Stufe. Dies liegt daran, dass die Fokusschülerinnen und -schüler zwar die Informationen der Aufgabe in der Zielsprache austauschen, die restliche Interaktion, beispielsweise das Bitten um Unterstützung oder auch der Austausch zur Organisation jedoch in Mundart erfolgt. In der Klasse Längmatt korrigieren sich die Fokuslernenden gegenseitig, ohne dass Frau Müller bei den Einführungen zu den Sprechaufgaben einen Hinweis darauf gibt. Sylvia ist die Fokusschülerin, die ihre Interaktionspartnerin mit Abstand am meisten von allen Fokuslernenden der Klasse Längmatt korrigiert. Sie verfügt über ein entsprechend hohes Sprachniveau und auf dem Fragebogen gibt sie an, Französisch sehr zu mögen (vgl. Tab. 10). Peter, der seinen Interaktionspartner Armin ebenfalls mehrmals korrigiert, gibt wie Sylvia an, Französisch zu mögen. Es fragt sich, ob die positive Einstellung der französischen Sprache gegenüber bei ihnen zur Motivation führt, auch ihre Lernpartnerin/ ihren Lernpartner dazu zu bringen, möglichst hohe Leistungen zu erbringen - oder ob die positive Einstellung am Erfolg liegt, den sie beim Französischlernen und -lehren haben. 5.2 Sprechen in der Klasse West 5.2.1 Selbst- und Fremdeinschätzung Die Tabelle 56 zeigt die Selbsteinschätzung der Schülerinnen und Schüler der Klasse West in Bezug auf ihre Sprechkompetenz. 56 Die Mehrheit der Schülerinnen und Schülern schätzt ihre Leistung in der Kompetenz Sprechen im Bereich Interaktion auf A2.1 ein, im Bereich Spektrum liegt die Mehrheit bei A1.2, im Bereich der Korrektheit verteilt sich die Mehrheit auf A1.2 und A2.1 und im Bereich der Flüssigkeit liegt eine knappe Mehrheit bei A2.2: 56 Da die Schülerinnen und Schüler pro Bereich zur mündlichen Kommunikation mehrere Deskriptoren ankreuzen können, liegt das Total über 100 % (vgl. Kap. 4.4.2). Die höhere Prozentzahl ist jeweils fett gedruckt und grau hinterlegt. 256 5 Ergebnispräsentation: Fallperspektive Bereiche zur mündlichen Kommunikation (vgl. Lenz/ Studer 2007) Interaktion Spektrum Korrektheit Flüssigkeit Kompetenzniveau nach GER A2.2 89 % 47 % A2.1 95 % 58 % 74 % 42 % A1.2 89 % 74 % Tab. 56: Selbsteinschätzung der Sprechkompetenz der Lernenden der Klasse West Im Bereich der Interaktion schätzen sich die Schülerinnen und Schüler mit 95 % resp. 89 % auf A2.1 und A2.2 und im Bereich der Flüssigkeit werden ebenfalls mehrheitlich die Niveaus A2.1 und A2.2 mit 42 % resp. 45 % gewählt. In diesen beiden Bereichen erfüllen die Schülerinnen und Schüler laut ihrer Selbsteinschätzung die Vorgaben des Lehrplans oder übertreffen sie sogar. Geringer fällt die Selbsteinschätzung in den Bereichen Spektrum und Korrektheit aus. Während sich im Bereich der Korrektheit die Mehrheit mit je 74 % auf die Niveaus A1.2 und A2.1 verteilt, ist die Einschätzung für den Bereich des Spektrums wie bei den Schülerinnen und Schülern der Klasse Längmatt am tiefsten. 89 % der Schülerinnen und Schüler schätzen sich auf das Niveau A1.2 ein, 58 % wählen das Niveau A2.1. Die Mehrheit der Klasse erreicht nach Angaben der Schülerinnen und Schüler in diesem Bereich das vom Lehrplan vorgegebene Niveau nicht. Die Tabelle 57 zeigt die Fremdeinschätzung von Frau Huber in Bezug auf die Sprechkompetenz ihrer Klasse. Das angegebene Niveau für die verschiedenen Bereiche ist jeweils grau hinterlegt. Bereiche zur mündlichen Kommunikation (vgl. Lenz/ Studer 2007) Interaktion Spektrum Korrektheit Flüssigkeit Kompetenzniveau nach GER A2.2 A2.1 A1.2 Tab. 57: Einschätzung der Sprechkompetenz der Lernenden der Klasse West durch Frau Huber Frau Huber ist der Meinung, dass die Lernenden in allen vier Bereichen das vom Lehrplan vorgegebene Niveau A2.1 erreichen. Im Bereich der Interaktion erreichen sie ihrer Einschätzung nach sogar das Niveau A2.2. 5 Ergebnispräsentation: Fallperspektive 257 Die Einschätzung von Frau Huber fällt mehrheitlich höher aus als diejenige ihrer Schülerinnen und Schüler. Sie schätzt sie in den Bereichen der Interaktion und des Spektrums sowie bei der Korrektheit höher ein. Bei der Flüssigkeit liegen die Schülerinnen und Schüler mit ihrer Einschätzung teilweise über derjenigen von Frau Huber. Die Schülerinnen und Schüler der Klasse West schätzen ihre Sprechleistungen zwar etwas tiefer ein als ihre Lehrerin Frau Huber, doch in der Gruppendiskussion heben sie eher ihre Stärken als ihre Schwächen hervor, insbesondere dann, wenn sie sich mit Gleichaltrigen vergleichen. Die erste Lernendengruppe schätzt sich gleich gut ein, die zweite sogar besser: Also das machen wir ja auch ab und zu. Und ja, wenn wir das jetzt hätten, ich glaube, das schaffen wir auch. Zur Frage, ob wir das auch können. Ich denke schon so die meisten. Also ich könnte das auch (Transkript GK2Su1, Anhang III.II.II). Ich könnte das auf jeden Fall besser. Ich könnte es sicher besser. Ja, also vielleicht nicht viel besser, aber besser (Transkript GK2Su2, Anhang III.II.III). Frau Huber präzisiert ihre Einschätzung der Sprechkompetenzen ihrer Schülerinnen und Schüler im problemzentrierten Interview: Sie macht deutlich, dass sie den Leistungen ihrer Schülerinnen und Schüler gegenüber positiv eingestellt ist: „ [ … ] bin ich extrem überrascht immer wieder, weil sie verstehen extrem viel “ (Auszug aus dem Transkript IK2L, Anhang III. I.II). Diese Einstellung führt zur Einschätzung auf dem Niveau A2.2 im Bereich der Interaktion. Bei ihrer Einschätzung zu den Bereichen des Spektrums und der Korrektheit fügt Frau Huber an, dass die Schülerinnen und Schüler nicht alles präsent hätten, was im Französischunterricht bereits zu früheren Zeitpunkten behandelt worden sei: Also so Fragen und solche Dinge stellen, das können sie eigentlich schon. Also vor allem, wenn ’ s gerade durchgenommen wird. Da müsste man schauen, wie nachhaltig ist das Ganze? (Transkript IK2L, Anhang III. I.II) 5.2.2 Befragungen 5.2.2.1 Befragung von Frau Huber Insgesamt vertritt Frau Huber die Meinung, dass Sprechen in handlungsorientierten Lernsituationen gefördert werden könne, wenn der Inhalt Vorrang vor der Form habe und die Schülerinnen und Schüler im Vorfeld die rezeptiven Fertigkeiten schulen würden. Allerdings dürfen ihrer Meinung nach die Erwartungen am Ende der Primarstufe nicht zu hoch sein. 258 5 Ergebnispräsentation: Fallperspektive Kategorie A1: Übungsanlagen zur Kompetenz des interaktiven Sprechens Frau Huber findet die Übungsanlagen zur Kompetenz des interaktiven Sprechens im Lehrwerk geeignet. Sie findet es richtig, dass der Inhalt stärker gewichtet wird als die korrekte Form. Ihrer Meinung nach muss die Kommunikation auf Anfangsniveau nicht fehlerfrei sein und sie sagt, dass es realitätsnäher sei, sich auf irgendeine Weise zu verständigen, u. U. auch mithilfe von Gesten, als auf bestimmte Dialogstrukturen zu warten, die dann in einem Gespräch u. U. gar nicht gebraucht würden: Wenn man viel versteht, man kann dann irgendwie, auch nur mit Gesten und Wörtern, kann man ja trotzdem dann mitteilen, was man möchte. Aber wenn man nur auf vorgefertigte Einheiten wartet, und die kommen dann nicht. Und den ganzen Rest versteht man nicht, dann ist man irgendwie aufgeschmissen. Vom Ansatz her finde ich das viel näher an der Realität (Transkript IK2L, Anhang III. I.II). Frau Huber zieht den impliziten Zugang zum Sprachlernen der expliziten Regelvermittlung eindeutig vor. Diese Einstellung beruht auf ihrer eigenen Sprachbiographie, da sie als Schülerin Grammatikunterricht nicht gemocht habe: Also ich selber habe ja Grammatik, das war für mich immer ein Gräuel. (lacht) Und ich finde einfach so wenig wie möglich. Also es ist einfach nicht natürlich. Also keiner geht zu einem zweijährigen Kind hin und sagt, du musst das Verb so konjugieren. Das macht jetzt einfach niemand. Und je natürlicher eigentlich der Erwerb ist und wie spielerischer, desto mehr macht es Freude. Und ja, ich denke, irgendwann kommt ’ s dann von alleine (ebd.). Im Gegensatz zu Frau Müller (L1) stört sich Frau Huber (L2) nicht daran, dass die mündliche Produktion ihrer Schülerinnen und Schüler noch relativ gering sei und sie vermisst die vorgefertigten Dialoge des vorherigen Lehrwerks nicht: Klar, man könnte jetzt schon mehr Red- oder Sprechübungen machen, aber das wären dann genauso vorgefertigte Brocken, die man auswendig lernt, und sie verstehen, sie wissen nur, ich muss diese Antwort geben, wenn genau diese Frage kommt. [ … ] Und das ist ja nicht die Realität. Und deswegen finde ich es eigentlich wichtig, dass sie zuerst einmal verstehen, bevor sie überhaupt viel reden (ebd.). Frau Huber ist der Meinung, dass zuerst die rezeptiven Kompetenzen ausgebildet werden müssen, bevor die Schülerinnen und Schüler selbst etwas sagen können. Folgende Aussage illustriert, wie Frau Hubers Meinung nach Aufgaben beschaffen sein müssten, um die Kompetenz des interaktiven Sprechens optimal zu fördern: Also zuerst [gefällt mir], dass sie überhaupt vielfältige Dinge zuerst mal hören. Das finde ich wichtig, weil da kann sich jeder [ … ] das herausnehmen, was er dann 5 Ergebnispräsentation: Fallperspektive 259 möchte oder was er braucht. Und die Struktur ist nicht so starr. Also sie dürfen eigentlich selber auch mit [ … ] Strukturen, die sie kennen, dürfen sie sich oder sollen sie sich getrauen, Sätze überhaupt zu formulieren. Und dass eigentlich vor allem darauf geachtet wird, dass der Inhalt rüberkommt (ebd.). Kategorie A2 Umsetzung der Übungsanlagen im Unterricht Für die Umsetzung der Übungsanlagen im Unterricht achte sie darauf, dass sie die chunks in den Sprechblasen wie vorgegeben verwenden und einführen würde. Sie schätzt die Hilfestellungen im Lehrwerk, mithilfe derer ihre Schülerinnen und Schüler die Sprechaufgaben lösen könnten. Bei einem Angebot an verschiedenen Redemitteln überlasse sie die Auswahl den Schülerinnen und Schülern. Sie begrüsse auch die wiederholenden Elemente, da diese besonders den leistungsschwächeren Lernenden helfen würden. Die Aufgaben zur Förderung des Sprechens lassen ihrer Meinung nach so auch Differenzierung zu: Also es gibt immer Kinder, die brauchen die dann mehr und die bleiben dann so ganz steif dabei und brauchen genauso die Blasen und wenn möglich immer die gleiche. Dann gibt es andere, die sind mutiger und ja, brauchen dann mehr Redewendungen oder mehr Ausdrücke, sie benutzen die Blasen vielleicht weniger und erinnern sich an andere Dinge und können die dann auch anwenden. Das kommt auf das Kind drauf an (ebd.). Frau Huber gefällt es, dass die Schülerinnen und Schüler im Rahmen der Sprechaufgaben des Lehrwerks eigene Äusserungen in der Fremdsprache machen und dabei ihr Vorwissen einbringen könnten. Sie erachtet es als Vorteil, dass ihre Schülerinnen und Schüler von zuhause aus mehrsprachig aufwachsen, weil dies zu einer Offenheit neuer Sprachen gegenüber führe, die lernförderlich sei: Gut eben, ich hatte von neunzehn Kindern sprachen ja achtzehn zuhause eine andere Sprache. Und das hilft sicher, oder? Wenn man dann ja, einfach davon ausgeht, das ist halt eine neue Sprache und ich muss gar nicht alles verstehen, sondern ich mache einfach, was ich kann. Dann geht ’ s schon, die waren eigentlich alle ziemlich locker in dieser Hinsicht (ebd.). Kategorie A3 Authentische Interaktion im Klassenzimmer Auch wenn leistungsschwächere Lernende die Redemittel weniger stark variierten als leistungsstärkere Lernende, ist Frau Huber der Meinung, dass die authentischen Interaktionen in ihrer Klasse grundsätzlich gelingen. Allerdings fragt sie sich, ob ihre Schülerinnen und Schüler auch Französisch sprechen würden, wenn sie nicht danebensteht. Sie ist der Meinung, dass die Sprechanlässe nicht ganz authentisch seien, da die Schülerinnen und Schüler eigentlich Deutsch miteinander sprechen würden: 260 5 Ergebnispräsentation: Fallperspektive Aber irgendwie, ja, es ist halt sowieso allgemein schwierig. Weil klar, versucht man, so reelle Situationen herzustellen. Aber schlussendlich, sie sprechen Deutsch miteinander und das ist ja, das ist das Authentische, oder? Und sobald sie Französisch sprechen müssen, kann man sich noch so Mühe geben, in einem Klassenzimmer ist es nie authentisch, schlussendlich (ebd.). Frau Huber sagt, dass sie im Unterricht konsequent auf Französisch spreche und dies auch von ihren Schülerinnen und Schülern einfordere. Sie verwende die Zielsprache nicht nur dann, wenn eine Aufgabe zum Sprechen bearbeitet würde, sondern auch sonst: Also ich denke, das kommt auch auf die Lehrperson drauf an. Ob sie, im Allgemeinen, jetzt nicht nur durch die Aufgabe, die zu lösen ist, fordert, dass gesprochen wird, sondern auch wird sonst auch gesprochen? Ganz allgemein. Schon nur irgendwie „ Darf ich trinken gehen? “ oder „ Darf ich auf die Toilette? “ oder solche Dinge. Also, wenn man das einfordert, kann man mehr Sprechmomente eigentlich hervorbringen, oder? (ebd.) Aussagen von Frau Huber deuten darauf hin, dass sie in ausgewählten Momenten bewusst zurück zur Schulsprache Deutsch wechselt. Als Beispiel hierfür nennt sie die Metasprache bei der Sprachlernreflexion, die noch über dem Sprachniveau der Lernenden liege: Genau. Also ich spreche sehr sehr viel oder eigentlich fast immer auf Französisch. Ausser geht ’ s um eine Reflexion oder Lernreflexion oder solche Dinge, dann nicht (ebd.). Kategorie A4 Chansons im Französischunterricht Frau Huber singt im Französischunterricht authentische Chansons aus dem Lehrwerk als Einstieg oder Abschluss einer Lektion. Dies löse zwar manchmal Unruhe in der Klasse aus, aber dafür lasse sich damit die Aussprache ihrer Schülerinnen und Schüler fördern und sie würden durch die Chansons auf die Prosodie der Sprache sensibilisiert: Also vor allem für die Aussprache denk ich jetzt mal. Und auch wie klingt diese Sprache überhaupt. Also so, um ein Gehör zu entwickeln für die Sprachmelodie, bringt das eigentlich, denke ich schon, bringt das viel (ebd.). 5.2.2.2 Befragung der Schülerinnen und Schüler Insgesamt geben die Schülerinnen und Schüler in der Gruppendiskussion an, dass sie vertraut mit den Aufgaben aus „ Mille feuilles “ (Ganguillet et al. 2014a) seien und dass sie diese Aufgaben zum interaktiven Sprechen einfach fänden. 5 Ergebnispräsentation: Fallperspektive 261 Kategorie B1 Aufgaben aus dem Lehrwerk zur mündlichen Interaktion In Bezug auf das Bearbeiten der Aufgaben zur mündlichen Interaktion geben die Lernenden an, dass sie diese Art von Sprechaufgaben kennen würden und einfach fänden. Sie sagen, sie wüssten, was die Satzanfänge in den Sprechblasen bedeuten, und könnten sie auch aussprechen: Ja, eigentlich finde ich es auch sehr einfach. / Ja, das ist ja nicht so schwer, eigentlich. / Einfach, es gibt ein paar Wörter, die ich sehr schwierig finde und die ich nicht aussprechen kann. Aber die meisten sind eigentlich fast die gleichen oder immer fast (Transkript GK2Su1, Anhang III.II.II). Ein Schüler präzisiert, dass Französisch sprechen zwar schwierig sei, die Übungen dazu im Lehrwerk jedoch nicht: Also wie man Französisch spricht, ist schon schwierig. Aber wie man ’ s lernt, das nicht. Ich will gerne lernen (ebd.). Die Schülerinnen und Schüler ergänzen, dass die Erklärungen von Frau Huber sie auf die Bearbeitung der Sprechaufgaben vorbereiteten: nachher schauen wir solche Sprechblasen an und schauen, was es bedeutet und wie, also ob wir das aussprechen können und sonst alles. / Zuerst wenn wir anfangen, dann sagt sie uns immer vor. / Also am Anfang. / oder wir müssen manchmal nachsprechen. Nachsagen (ebd.). Damit wir wissen, was wir sagen müssen. / Ja, wir wiederholen das die ganze Zeit. / Immer wieder (Transkript GK2Su2, Anhang III.II.II). Allerdings könne es sein, dass die Erklärungen von Frau Huber schon vergessen sind, wenn die Bearbeitung der Aufgabe durch die Lernenden einsetzt: Meistens erklärt sie uns vorher noch, was es bedeutet. Bis man nachher anfängt mit dem Arbeiten, hat man ’ s schon wieder vergessen (Transkript GK2Su1, Anhang III.II. II). Die Schülerinnen und Schüler geben an, dass sie auch die Hilfestellungen im Lehrwerk brauchen würden: Damit wir wissen, wie man es sagen kann (Transkript GK2Su2, Anhang III.II.II). Die Satzanfänge in den Sprechblasen könnten ihrer Meinung nach noch besser sein, wobei „ besser “ im Sinne von „ selber weniger denken müssen “ verstanden wird: Also. Ja, der Satz soll stehen. / Ja, es sollte noch eine Übersetzung auf Deutsch haben / Oder einfachere Sätze (ebd.). Die Schülerinnen und Schüler geben zu, dass es leichter ginge, wenn sie ein paar Ausdrücke (auswendig) lernen würden, aber jemand sagt, dass er die Wörter schnell wieder vergesse, auch wenn er sie lerne: 262 5 Ergebnispräsentation: Fallperspektive Ich find ’ s einfach schwierig, weil ich übe ein paar Wörter und dann vergesse ich sie einfach schnell wieder (Transkript GK2Su1, Anhang III.II.II). Kategorie B2 Leistungen von Schülerinnen und Schülern im Sprechen Bei der Leistungseinschätzung finden sie es eher schwach, was die anderen Schülerinnen und Schüler auf dem Video zeigen und geben an, dass sie dies besser könnten. In Bezug auf die Sprachlernreflexion geben die Lernenden an, dass Französisch für sie eine schwierige Sprache sei und dass sie Englisch viel einfacher fänden. Sie würden Französisch besser verstehen als sie sprechen könnten. Ja, das Französisch ist für mich auch eine sehr schwierige Sprache. Ich finde Englisch irgendwie viel einfacher (ebd.). Ich finde eher langweilig. Ich finde, dass Englisch besser ist. Es hat mehr Saft drin. Im Vergleich zu Englisch, da kann man sofort etwas sagen. / Englisch ist viel einfacher. / Ich verstehe auch viel besser Französisch als ich sprechen kann (Transkript GK2Su2, Anhang III.II.II). Als Grund für eher schwache Leistungen geben die Lernenden an, dass sie im Französischunterricht nicht nur Französisch, sondern auch Albanisch, Schweizerdeutsch, Deutsch oder Englisch sprechen würden. Gleichzeitig merken sie aber an, dass sie die Redemittel aus den Sprechblasen auch in weiteren Situationen des Französischunterrichts zum Sprechen in der Zielsprache verwenden würden: damit man sagen kann „ Das ist gut “ oder „ Das ist falsch “ oder / Oder bei dem Spiel auch. / Oder wenn wir einfach fragen „ Können wir trinken? “ oder so. Dann brauchen wir ja schon Wörter (Transkript GK2Su1, Anhang III.II.II). Französisch würden sie eher im Gespräch mit frankophonen Leuten brauchen als untereinander, beispielsweise im Klassenlager in der Suisse romande oder im Urlaub in frankophonen Gebieten: Wenn man Französisch oder so lernen will, dann geht man mit der Schule nach Frankreich. Dann lernt man dort, wie man spricht (ebd.). Wenn ich in Marokko bin, dann können ein paar Leute auch Französisch, dann muss ich auch so halb Französisch sprechen (Transkript GK2Su2, Anhang III.II.II). Kategorie B3 Phasen des Sprechvorgangs nach Levelt In Bezug auf die vier Phasen des Sprechvorgangs wird die Phase 4 (Artikulieren der Äusserung) als leicht eingestuft. Auch Phase 1 (Verstehen der Aufgabe) wird als leicht empfunden (vgl. Tab. 58): 5 Ergebnispräsentation: Fallperspektive 263 Klasse West Phase 1: Verstehen der Aufgabe Phase 2: Konzeptualisieren der Äusserung Phase 3: Formulieren der Äusserung Phase 4: Artikulieren der Äusserung Diese Phase fällt mir schwer 9 % 36.5 % 45.5 % 9 % Tab. 58: Phasen nach Levelt (1989), die nach eigenen Aussagen für die Klasse West schwierig sind Hingegen geben die Schülerinnen und Schüler die Phase 2 (Konzeptualisieren der Äusserung) und 3 (Formulieren der Äusserung) als schwierig an: 36.5 % nennen die Phase 2, 45.5 % die Phase 3. Den Schülerinnen und Schülern fällt es also besonders schwer, eine Äusserung zu konzeptualisieren und zu formulieren. 5.2.3 Triangulation der Daten (Einschätzungen und Befragungen) Vergleicht man die mündlichen Aussagen von Frau Huber mit denjenigen ihrer Schülerinnen und Schüler und zieht man auch die Einschätzungen aus den Fragebögen bei, so lassen sich gewisse Parallelen, aber auch bestimmte Abweichungen zwischen der Lehrerin und ihrer Klasse ausmachen. Sowohl Frau Huber als auch ihre Schülerinnen und Schüler heben bei der Befragung eher die Stärken der Lernenden hervor als ihre Schwächen. Die schriftliche Selbsteinschätzung zur Sprechkompetenz der Schülerinnen und Schüler fällt hingegen tiefer aus. Frau Huber gibt an, dass ihre Schülerinnen und Schüler die Sprechaufgaben mit den Hilfestellungen aus dem Lehrwerk lösen könnten und dass die meisten mitmachen würden. Die Schülerinnen und Schüler sehen dies auch so und geben an, dass die Aufgaben einfach zu lösen seien. Allerdings gibt es auch Lernende, die sagen, dass sie die Sprache lieber im Zielsprachengebiet lernen und verwenden würden. Frau Huber spricht die Problematik an, dass die Lernenden untereinander eigentlich Deutsch sprechen würden und sie deshalb die Sprechaufgaben aus dem Lehrwerk nicht ganz authentisch finde. Frau Huber fragt sich, ob die Kinder nur dann Französisch sprechen würden, wenn sie danebensteht. Ihre Schülerinnen und Schüler bestätigen, im Französischunterricht untereinander auch Albanisch, Schweizerdeutsch, Deutsch oder Englisch zu sprechen. Frau Huber vermerkt jedoch, dass sie mit der Klasse konsequent Französisch spreche und dies nicht nur bei der Bearbeitung 264 5 Ergebnispräsentation: Fallperspektive der Sprechaufgaben, sondern auch im restlichen Unterricht. Diese Aussage deckt sich mit derjenigen ihrer Schülerinnen und Schüler, die angeben, dass sie die Ausdrücke in den Sprechblasen auch in weiteren Situationen des Französischunterrichts verwendeten, um sich zu verständigen. Sowohl die Lehrerin als auch ihre Schülerinnen und Schüler machen die Erfahrung, dass man zuerst mehr versteht als man sprechen kann. Als Zwischenfazit zur Erforschung der Innenperspektive kann für die Klasse West kein eindeutiger Schluss gezogen werden: Die Angaben in den mündlichen Befragungen deuten zwar darauf hin, dass sowohl Frau Huber als auch ihre Schülerinnen und Schüler den Eindruck haben, dass mit den Sprechaufgaben aus dem Lehrwerk eine Förderung der mündlichen Interaktionskompetenz möglich ist, vorausgesetzt, dass bei der Bearbeitung der Sprechaufgaben Französisch gesprochen werde und die Lehrperson möglichst viel Französisch als Unterrichtssprache einfordere. Die Selbsteinschätzungen zur Sprechkompetenz der Lernenden hingegen besagen, dass die Schülerinnen und Schüler das vom Lehrplan vorgegebene Niveau nicht in allen Bereichen erreichen. 5.2.4 Unterrichtsbeobachtungen 5.2.4.1 Unterrichtsbeobachtung mit Fokus auf Frau Huber (L2) In der beobachteten Lerneinheit setzt Frau Huber vier Aufgaben zum interaktiven Sprechen aus dem Lehrwerk um, nämlich die Aufgaben A (Quiz), B (Questionnaire), C (Questions) und D (Trucs à savoir). Aufgabe E (Métiers) lässt sie weg. Die Aufgaben A (Quiz), B (Questionnaire) und C (Questions) führt sie wie vorgesehen in Kleingruppen durch. Die Aufgabe C (Questions) führt sie im Plenum durch. Die Aufgabe B (Questionnaire) wird nur von den leistungsstarken Fokusschülern bearbeitet, die schnell genug arbeiten, um die Ergebnisse der Aufgabe mündlich auszutauschen. Die Aufgabe D (Trucs à savoir) bearbeiten ebenfalls nur die mittelmässigen und die leistungsstarken Fokuslernenden. 5.2.4.1.1 Didaktische Absicht (C1) Frau Huber führt vier Aufgaben zum interaktiven Sprechen durch, wovon die Aufgaben A (Quiz), B (Questionnaire) und D (Trucs à savoir) effektiv das interaktive Sprechen fördern. A (Quiz) und B (Questionnaire) fördern das interaktive Sprechen wie in der Aufgabe vorgesehen, während D (Trucs à savoir) das interaktive Sprechen weniger als in der Aufgabe vorgesehen fördert. Bei der Umsetzung der Aufgabe D (Trucs à savoir) werden die beiden Phasen des Textverstehens und der Textproduktion zusammengefasst, was 5 Ergebnispräsentation: Fallperspektive 265 dazu führt, dass der Fokus stärker auf dem Textverstehen als auf der Förderung der mündlichen Interaktion liegt. Bei der Umsetzung von Aufgabe C (Questions) wird das monologische Sprechen gefördert, da die Schülerinnen und Schüler eine/ r nach der/ dem anderen eine selbst erfundene Frage vortragen. Die Mitschülerinnen und Mitschüler beantworten zwar die gestellte Frage, aber dadurch, dass Frau Huber das Rederecht verteilt, korrigiert resp. die Fragen der Schülerinnen und Schüler laut und deutlich wiederholt, gibt es keine direkte Interaktion zwischen den Schülerinnen und Schülern. Frau Huber gelingt es, dass ihre Schülerinnen und Schüler in den mündlichen Interaktionen bei den Aufgaben A (Quiz), B (Questionnaire) und D (Trucs à savoir) als sie selbst agieren und ein echter Informationsaustausch stattfindet. Bei Aufgabe C (Questions) fordert sie die Lernenden auf, neue Informationen in monologischer Form zu präsentieren. 5.2.4.1.2 Redeanteile (C2) Der Redeanteil von Frau Huber bei der Einführung in alle vier Sprechaufgaben ist eher tief (durchschnittlich 66 %). Die Lernenden beteiligen sich zu minimal 22 % (Aufgabe B: Questionnaire) und zu maximal 43 % (Aufgabe C: Questions) an den Einführungen. Dies liegt daran, dass Frau Huber in den Einführungen zu den Aufgaben A (Quiz), B (Questionnaire) und D (Trucs à savoir) die Klasse auffordert, aktiv mitzumachen. Bei der Einführung zur Aufgabe B (Questionnaire) lesen die Schülerinnen und Schüler zunächst die Aufgabenstellung im Heft und erklären sie dann im Klassenverbund. Dabei stellt Frau Huber viele Rückfragen, wodurch ihre eigenen monologischen Beiträge in kurze Sequenzen unterteilt werden (vgl. Abb. 71): 266 5 Ergebnispräsentation: Fallperspektive [71] . . 161 [30: 49.5] 162 [30: 57.3] L2 [v] Alors qu'est-ce qu'on doit faire? Sur cette page? (3) S7 [v] (3) Wir müssen [72] . . 163 [31: 03.9] 164 [31: 08.7] L2 [v] Oui. Et tu essaies en français? Toi aussi? S7 [v] die Fragen hier beantworten. Kästchen [73] . . 165 [31: 10.8] 166 [31: 11.9] 167 [31: 13.2] 168 [31: 15.2]169 [31: 16.4] 170 [31: 23.5] L2 [v] [ pli ] [ pli le (2) l kestion ] d'accord S7 [v] [remplir] [ pli ][l ] Kästchen (lacht) (2) Kästchen [74] 171 [31: 25.5] 172 [31: 27.5] 173 [31: 31.2] L2 [v] et ici, sur cette page? On doit faire quoi? C'est la même chose? (2) le questionnaire S7 [v] [remplir l (2) [75] . . 174 [31: 35.2] L2 [v] d'accord. Alors ici moi j'écris euh (2) je sais pas mon oiseau préféré c'est l' S7 [v] Kästchen] [76] . . 175 [31: 44.9] L2 [v] hirondelle et ici j'écris une autre fois mon oiseau préféré c'est l'hirondelle. Je dois [77] . . 176 [31: 54.4] 177 [31: 58.3] L2 [v] faire deux fois? Je dois faire deux fois pour moi? (2) (Name von S8) S8 [v] Das da ist wo [78] . . 178 [32: 05.4] L2 [v] d'accord, alors ici c'est pas moi mais S8 [v] man muss schreiben, was der andere hat gesagt. [79] . . 179 [32: 10.1]180 [32: 10.8] 181 [32: 12.8] L2 [v] c'est? mon partenaire. Alors maintenant vous faites la page 23. Et après vous S8 [v] Partner Abb. 71: Auszug aus dem Transkript UBK2La, Anhang III.III.VI Bei der Bearbeitung der Aufgabe D (Trucs à savoir) fordert Frau Huber die Fokuslernenden auf, die Aufgabenstellung mittels der Hilfestellungen (Tu piges? ) auf Französisch zu klären. Der leistungsstarke Fokusschüler Adriano 5 Ergebnispräsentation: Fallperspektive 267 nimmt dabei eine spezielle Rolle ein, denn er agiert als Hilfslehrer von Frau Huber, indem er bestimmte Ausdrücke von Frau Huber spontan ins Deutsche übersetzt, indem er erklärt, was ein anderer Schüler falsch gemacht habe und ihm auslegt, wie er es korrigieren könne, indem er bravoooo bei der korrekten Antwort eines Mitschülers ruft oder auch indem er missmutig kommuniziert, dass er nichts mehr sagen dürfe, weil er schon zu viel mitgemacht habe und dass sich nun die anderen beteiligen müssten. Er ist der einzige, dem es gelingt, die Aufgabe auf Französisch zu beschreiben, wenn auch nicht ganz fehlerfrei (vgl. Abb. 72): [5] 10 [00: 33.6] 11 [00: 40.0] L2 [v] Alors qu'est-ce que vous devez faire S1 [v] (zeigt seinem Nachbarn eine Stelle im magazine ) [6] . . 12 [00: 47.5] 13 [00: 49.7] 14 [00: 51.3] L2 [v] dans cette activité? (Name eines Schülers)? non en français ADRIANO [v] [alo ] ehm auf deutsch Ortho 5 [v] alors [7] 15 [00: 53.3] 16 [00: 55.3] L2 [v] tu as les bulles ici il faut, je pense qu'il faut, d'abord on doit, ADRIANO [v] hätte ich doch nicht [alo ] gesagt. [8] . . L2 [v] ensuite il faut, à la fin on doit. Tu as des bulles qui t'aident, d'accord? Alors essayez [9] . . 17 [01: 04.5] 18 [01: 13.4] 19 [01: 15.4] L2 [v] de l'expliquer explique en français ADRIANO [v] [alo il fo lize (2) e ekute le kwesti ] [d s pa ] [e wasise Ortho 5 [v] alors il faut *lisez et écouter les questions de ces (? ) pages et en *choisisez [10] . . 20 [01: 20.3] L2 [v] d'accord. alors vous devez lire, très bien, on va lire ensemble ADRIANO [v] pu ] ehm [ p s] Ortho 5 [v] un pour *réponse. Abb. 72: Auszug aus dem Transkript UDK2Lb, Anhang III.III.VIII In Bezug auf die gesamte Lernsequenz braucht Frau Huber für die Einführungen zu den Aufgaben A (Quiz), B (Questionnaire) und D (Trucs à savoir) ca. die Hälfte der Zeit, die den Fokuslernenden zur Bearbeitung der Aufgaben zur 268 5 Ergebnispräsentation: Fallperspektive Verfügung steht. Die Einführung zur Aufgabe C (Questions) fällt deutlich kürzer aus als die anderen, weil die Aufgabe im Plenum bearbeitet wird und der Auftrag deshalb weniger ausführlich erklärt sein muss, als wenn die Schülerinnen und Schüler ihn selbständig ausführen müssten (11 ’ 54 ’’ für die Aufgabe A (Quiz), 19 ’’ für Aufgabe C (Questions)). 5.2.4.1.3 Lehrpersonensprache (C3) Frau Huber spricht bei allen Einführungen fast ausschliesslich in der Zielsprache, d. h. zu 91 % oder mehr. Sie stellt bei den Einführungen in die Sprechaufgaben keine expliziten Bezüge zur Schulsprache Deutsch her. Vielleicht ist dies darauf zurückzuführen, dass es ihr ein Anliegen ist, ausschliesslich die Zielsprache zu verwenden. Frau Huber macht auch Bemerkungen zur Klassenführung hauptsächlich auf Französisch. Bei den Einführungen zu den Aufgaben A (Quiz) und B (Questionnaire) verwendet sie ausschliesslich die Zielsprache. Beispielsweise ist ihr bei der Einführung zur Aufgabe A (Quiz) die Klasse zu laut und sie macht dies in der Zielsprache deutlich (vgl. Abb. 73): [66] . . 174 [08: 59.8] 175 [09: 02.3] 176 [09: 10.5] L2 [v] hey! stop! (reden weiter) (3) trois (.) deux (.) un (.) (2) Vous faites trop S9 [v] heisst das [67] . . 177 [09: 17.8]178 [09: 19.8] L2 [v] de bruit et vous allez pas regarder les réponses à la fin du livre. non (1) alors Abb. 73: Auszug aus dem Transkript UAK2La, Anhang III.III.V Bei den Einführungen zu den Aufgaben C (Questions) und D (Trucs à savoir) verwendet Frau Huber für Bemerkungen zur Klassenführung abwechselnd die Schulsprache Deutsch und die Zielsprache Französisch. Beispielsweise fordert sie bei der Einführung zur Aufgabe C (Questions) die Schülerinnen und Schüler zuerst auf Französisch zum aktiven Mitmachen auf und als dies keinen Erfolg zeigt, wiederholt sie die Aufforderung auf Deutsch (vgl. Abb. 74): 5 Ergebnispräsentation: Fallperspektive 269 [50] . . 131 [09: 19.1] L2 alors j'aimerais que quelqu'un réponde qui n'a pas S1 [v] beide Hände in die Luft) [51] . . 132 [09: 30.0] L2 encore répondu. parce que la moitié de la classe dort encore. S1 [v] wie sagt man ost ADRIANO [v] i bi so schlächt i [52] . . 133 [09: 33.7]134 [09: 34.1] 135 [09: 36.1] L2 quoi? S1 [v] auf französisch [est]? ost auf französisch. [est]? ah ja (hält Hand hoch) ADRIANO [v] geografie [est] [53] 136 [09: 38.1] 137 [09: 43.3] 138 [09: 45.3] L2 (3) also ich möchte, dass alle mitmachen. MEHMET [v] i ha ke ADRIANO [v] ja aber wenn ich's nicht weiss Abb. 74: Auszug aus dem Transkript UCK2L, Anhang III.III.VII Frau Huber spricht korrekt Französisch und ihr zielsprachliches Niveau ist bei allen Einführungen hoch. Bei der Einführung in die Aufgabe D (Trucs à savoir) ist in zwei Bereichen eine kleine sprachliche Unsicherheit auszumachen: Sie verwendet qu ’ est-ce que anstelle von ce que fehlerhaft im Relativsatz ([00: 57] L2: on va discuter qu ’ est-ce que (sic) vous allez faire / [01: 25] L2: Et tu sais qu ’ estce que (sic) tu dois faire? ) und sie sagt *sur la page anstelle von à la page ([03: 39] L2: (sic) sur quelle page? ). Frau Huber wiederholt bei allen Einführungen die wesentlichen Informationen. Beispielsweise sagt sie bei den Einführungen zu den Aufgaben A (Quiz) und D (Trucs à savoir) mehrmals die Seitenzahl im Lehrwerk, auf der sich die zu bearbeitende Aufgabe befindet. Bei den Einführungen zu den Aufgaben B (Questionnaire) und D (Trucs à savoir) wiederholt sie mehrmals die Frage zur Klärung des Auftrags. Bei der Einführung zur Aufgaben C (Questions) repetiert sie die korrekte Form nach erfolgter Korrektur. Frau Huber verwendet ebenfalls bei allen Einführungen deutsch-französische Parallelwörter zur Unterstützung. Bei den Einführungen zu den Aufgaben B (Questionnaire) und C (Questions) sind es zwischen ein und vier Parallel- 270 5 Ergebnispräsentation: Fallperspektive wörter, bei A (Quiz) und D (Trucs à savoir) sind es mindestens fünf. Bei der Aufgabe A (Quiz) verwendet sie ein Parallelwort zur Erklärung bestimmter Ausdrücke, wenn sie merkt, dass sie von der Klasse nicht verstanden wird. Sie ergänzt beispielsweise Tu sais la réponse mit Tu as une idée? oder sie verwendet en réalité und pour de vrai. Frau Huber sichert das Verständnis bestimmter Ausdrücke oder Wörter ebenfalls bei allen Einführungen durch Übersetzungen. Die Übersetzungen betreffen meistens Wörter, die von einzelnen Schülerinnen oder Schülern als Beispiel bei der Einführung verwendet werden und vermutlich aufgrund der Einschätzung von Frau Huber nicht von der ganzen Klasse verstanden werden. Beispielsweise findet eine Schülerin bei der Einführung zur Aufgabe A (Quiz) die Fledermaus, la chauve-souris, als Antwort (vgl. Abb. 75, Z. 60). Frau Huber nimmt die Antwort auf und übersetzt sie für den Rest der Klasse: [60] . . 158 [08: 03.3] 159 [08: 05.3] 160 [08: 07.9] L2 [v] Schülerin S10)? aha la chauve-souris. S5 [v] (2) die Fledermaus S10 [v] ich suche gleich. das da [la ofsu i] oder? [61] . . 161 [08: 12.9] 162 [08: 14.9] 163 [08: 20.3] L2 [v] die Fledermaus. la chauve-souris. (3) Bonjour! (Name S6 [v] (Schüler kommt wieder in den Raum) Abb. 75: Auszug aus dem Transkript UAK2La, Anhang III.III.V Wenn Schülerinnen oder Schüler einen deutschen Ausdruck wortwörtlich ins Französische übersetzen wie beispielsweise der Blauwal, la baleine bleue, übersetzt Frau Huber diesen Ausdruck ebenfalls für den Rest der Klasse und bringt gleichzeitig zum Ausdruck, dass sie unsicher ist, ob der Ausdruck tatsächlich wortwörtlich übersetzt werden könne (vgl. Abb. 76): 5 Ergebnispräsentation: Fallperspektive 271 [116] . . 289 [17: 20.1] 290 [17: 22.1] L2 Q u e ll e e s t l a p lu s g r a n d e b a l e in e ? S1 [v] ich weiss es nicht KARIM [v] zusammen gemacht [117] . . 291 [17: 24.1] 292 [17: 26.1] L2 ADRIANO oui, moi je, la baleine bleue, der Blauwal. je ne sais ADRIANO [v] hm [l bal ] ADRIANO ortho la baleine bleue Abb. 76: Auszug aus dem Transkript UCK2L, Anhang III.III.VII Frau Huber unterstützt ihre Erklärungen bei den Einführungen zu den Aufgaben A (Quiz), B (Questionnaire) und D (Trucs à savoir) mit einer Visualisierung, indem sie ihr Heft so hält, dass es alle sehen können und regelmässig auf Stellen im Lehrwerk zeigt. Es kommt auch vor, dass Frau Huber ein Kind aus der Klasse auffordert, eine Seite aus seinem Heft den Mitschülerinnen und Mitschülern zu zeigen. Beispielsweise bei der Einführung zur Aufgabe D (Trucs à savoir): Frau Huber [04 : 41] Tu montres la page à tes copains. (Auszug 38 aus dem Transkript UDK2Lb, Anhang III.III.VIII) Bei der Einführung zur Aufgabe C (Questions) unterstützt Frau Huber ihr verbales Handeln mit keiner Visualisierung. Frau Huber nutzt bei den Einführungen zu den Aufgaben B (Questionnaire) und C (Questions) mindestens eine Geste, bei A (Quiz) und D (Trucs à savoir) unterstützt sie ihr verbales Handeln nicht mit Gesten. Bei der Einführung zur Aufgabe B (Questionnaire) hält sie beispielsweise den Daumen hoch, um zu zeigen, dass Tu as raison bedeutet, dass der Schüler Recht hat (vgl. Abb. 77): 272 5 Ergebnispräsentation: Fallperspektive [17] . . 33 [30: 31.2] 34 [30: 33.2] 35 [30: 40.4] L2 [v] von S1)? was denkst du? oui, ja, tu as raison. (Daumen hoch) oui tu as raison (Daumen S1 [v] ehm [18] . . 36 [30: 42.4] 37 [30: 44.4]38 [30: 46.4] L2 [v] hoch) gut Alors maintenant quand vous avez fini de remplir le S1 [v] aha. du hast recht. Abb. 77: Auszug aus dem Transkript UBK2Lb, Anhang III.III.VI 5.2.4.1.4 Methodisch-didaktische Kompetenzen (C4) Bei der Einführung der chunks, die in der Aufgabe vorgegeben sind, ist ein Unterschied zwischen den Aufgaben A/ B und C/ D auszumachen: Bei A (Quiz) und B (Questionnaire) führt Frau Huber die chunks ein, während sie bei C (Questions) und D (Trucs à savoir) die chunks nicht berücksichtigt. Die Einführung zur Aufgabe B (Questionnaire) erfolgt in zwei Teilen: Im ersten Teil (Transkript UBK2La) klärt Frau Huber mit der Klasse die deutschen und französischen Anweisungstexte. Im zweiten Teil (Transkript UBK2Lb) unterbricht Frau Huber die Klasse bei der Arbeit und erklärt, dass sie die Aufgabe auf Französisch mithilfe der Redemittel in den Sprechblasen lösen müssten ([28: 31] L2: mais vous devez essayer de vous parler en français). Die neuen chunks der Aufgaben C (Questions) und D (Trucs à savoir) wie A mon avis, la réponse 3 est … , La réponse 8 est..., Nous avons choisi la question … , La question … nous intéresse oder auch Nous pouvons répondre à la question führt Frau Huber nicht ein. Frau Huber wiederholt bei keiner Einführung für die Sprechaufgaben relevante sprachliche Strukturen. Frau Huber führt die chunks der Aufgaben A (Quiz) und B (Questionnaire) als feste sprachliche Einheiten ohne Analyse ihrer formalen Aspekte ein. Die Bedeutung der chunks klärt Frau Huber, indem die Schülerinnen und Schüler sie vorlesen und ins Deutsche übersetzen. Die Aussprache der chunks sichert Frau Huber, indem sie die Ausdrücke in den Sprechblasen vorspricht und die Schülerinnen und Schüler sie ihr im Chor nachsprechen. Bei der Einführung zur Aufgabe B (Questionnaire) verwendet Frau Huber noch weitere chunks, jedoch ohne explizite Einführung. Sie braucht beim Beispiel im Plenum beispielsweise den chunk Le/ La … préféré/ é de XY, c ’ est … Frau Huber macht in ihren Einführungen zu den Aufgaben A (Quiz) und B (Questionnaire) zwar Beispiele in der Klasse, sie verwendet dabei aber die von der Aufgabe vorgegebenen chunks nicht. Beispielsweise führt sie bei Aufgabe B (Questionnaire) zwar den Satzanfang Je pense que c ’ est … ein, verwendet ihn 5 Ergebnispräsentation: Fallperspektive 273 dann beim Beispiel im Plenum nicht. Anstatt Je pense que ta couleur préférée c ’ est le bleu sagt Frau Huber: Frau Huber [30: 51] La couleur préférée de XY c ’ est le bleu. C ’ est juste? (Auszug 39 aus dem Transkript UBK2Lb, Anhang III.III.VI) Bei allen Einführungen ermuntert Frau Huber die Schülerinnen und Schüler dazu, Französisch zu sprechen und es wird deutlich, dass Fehler dabei eine untergeordnete Rolle spielen: Die Schülerinnen und Schüler dürfen sagen, wenn sie etwas nicht können und erhalten Unterstützung von Frau Huber. Sie können sich zuerst absichern, bevor sie etwas sagen (z. B. ein Wort erfragen, bevor sie den ganzen Satz sagen), sie dürfen kreativ sein (z. B. etwas auf Englisch sagen, wenn sie es nicht auf Französisch wissen), Frau Huber fordert ihre Schülerinnen und Schüler auf, immer wieder zu versuchen, die Antwort auf Französisch zu geben und sie interveniert, wenn Schülerinnen und Schüler sich über ein Kind lustig machen, das etwas falsch sagt. Bei den Einführungen zu den Aufgaben A (Quiz) und D (Trucs à savoir) weist Frau Huber die Schülerinnen und Schüler auf Nachschlagemöglichkeiten hin, bei B (Questionnaire) und C (Questions) gibt sie keine Möglichkeiten zum Nachschlagen an. Bei Aufgabe A (Quiz) gibt sie die Lösungen im Heft an, die die Schülerinnen und Schüler allerdings nicht sofort anschauen sollen: Frau Huber [09: 17] Vous allez pas regarder les réponses à la fin du livre. (Auszug 40 aus dem Transkript UAK2La, Anhang III.III.V) Bei Aufgabe D (Trucs à savoir) erklärt Frau Huber, welche Informationen wo gefunden werden können. Es gebe hinten im Heft eine Übersetzungsliste und vorne die Antworten auf die Wissensfragen. 5.2.4.2 Triangulation der Innen- und Aussenperspektive für Frau Huber Frau Huber meint bei der Befragung, dass sie die Aufgaben zur Förderung des interaktiven Sprechens aus dem Lehrwerk „ Mille feuilles “ (Ganguillet et al. 2014a) gut fände. Sie setzt jedoch nicht alle Angebote der Lerneinheit um: Aufgabe E (Métiers) lässt sie für alle Schülerinnen und Schüler weg und die Aufgaben B (Questionnaire) und D (Trucs à savoir) werden von den leistungsschwachen resp. den leistungsschwachen und den mittelmässigen Fokuslernenden nicht mündlich bearbeitet. Bei der Befragung gibt Frau Huber an, der Überzeugung zu sein, dass die sprachlichen Beiträge ihrer Schülerinnen und Schüler aufgrund ihrer Vorkenntnisse sehr unterschiedlich ausfallen würden. Vielleicht ist dies eine Erklärung dafür, dass sie bei der Wahl der zu bearbeitenden Aufgaben eine quantitative Differenzierung vornimmt. Gleichzeitig reduziert sie damit für die leistungsschwächeren Schülerinnen und Schüler die Übungsgelegenheiten. 274 5 Ergebnispräsentation: Fallperspektive Bei der Umsetzung der Aufgaben zum interaktiven Sprechen aus dem Lehrwerk initiiert Frau Huber stets einen echten Informationsaustausch zwischen den Schülerinnen und Schülern. Frau Huber gibt an, dass ihrer Meinung nach das Sprechen in handlungsorientierten Lernsituationen gefördert werden könne und dass sie die explizite Regelvermittlung bewusst auf ein Minimum reduziere. Bei den Einführungen zu den Aufgaben zum interaktiven Sprechen sieht man, dass sie keine sprachlichen Strukturen einführt und auch keine formalen Analysen der chunks vornimmt. Frau Huber findet es laut ihren eigenen Aussagen richtig, dass bei den Aufgaben zum interaktiven Sprechen im Lehrwerk der Inhalt stärker gewichtet werde als die korrekte Form und kommuniziert diese Ausrichtung der kommunikativen Phasen ihren Schülerinnen und Schülern bei jeder Einführung zu einer Sprechaufgabe. Frau Huber sagt, dass es ihr wichtig sei, im Unterricht konsequent auf Französisch zu sprechen. Bei der Einschätzung der Sprechkompetenzen ihrer Schülerinnen und Schüler gibt sie für den Bereich der Interaktion das höchste Niveau A2.2 an, u. a. auch deshalb, weil sie der Meinung ist, dass ihre Lernenden ein ausserordentlich gutes Hörverstehen aufweisen. Dies ermutige sie, ausschliesslich die Zielsprache zu verwenden, was sich bei den Unterrichtsbeobachtungen bestätigt. Frau Huber geht bei zwei von vier Einführungen nicht explizit auf die in der Aufgabe vorgegebenen Redemittel ein, was im Widerspruch zu ihrer Aussage steht, dass sie darauf achte, die chunks in den Sprechblasen wie vorgegeben zu verwenden und einzuführen. Die Beispiele, die sie in der Klasse macht, kann sie auch ohne diese Hilfestellung sprachlich umsetzen. 5.2.4.3 Unterrichtsbeobachtung mit Fokus auf Schülerinnen und Schüler Die leistungsstarken Fokusschüler der Klasse West bearbeiten vier Aufgaben zur Förderung, die mittelmässigen Fokuslernenden bearbeiten deren drei und die leitungsschwachen Fokusschüler deren zwei. Die mittelmässigen und leistungsschwachen Fokuslernenden bearbeiten die Aufgabe B (Questionnaire) aus Zeitgründen nicht mündlich, die leistungsschwachen Fokusschüler bearbeiten aus demselben Grund auch die Aufgabe D (Trucs à savoir) nicht. Für die leistungsstarken Fokuslernenden Karim und Adriano liegen Daten für die Aufgaben Aufgaben A (Quiz), B (Questionnaire), C (Questions) und D (Questionnaire) vor, für die mittelmässigen Fokuslernenden Mehmet und Anna für die Aufgaben A (Quiz), C (Questions) und D (Questionnaire) und für die leistungsschwachen Fokuslernenden Hanad und Goran für die Aufgaben A (Quiz) und C (Questions). 5 Ergebnispräsentation: Fallperspektive 275 5.2.4.3.1 Mündliche Interaktion (D1) Alle Fokusschülerinnen und -schüler nutzen die Lernzeit bei den Aufgaben A (Quiz), B (Questionnaire) und D (Trucs à savoir) optimal resp. zwischen 66 % und 100 %. Aufgabe C (Questions) führt Frau Huber im Plenum durch, was die effektive Lernzeit bzg. der mündlichen Interaktion bei allen Fokuslernenden massiv reduziert, nämlich auf 1 % bis 20 %. Die effektive Sprechzeit ist bei den Aufgaben B (Questionnaire) und D (Trucs à savoir) hoch: Die leistungsstarken und die mittelmässigen Fokuslernenden, die diese Aufgabe(n) bearbeiten, machen keine längeren Pausen und sie sprechen fast durchgehend miteinander. Bei Aufgabe C (Questions) ist die effektive Sprechzeit bei allen Fokuslernenden tief: Der leistungsstarke Fokusschüler Adriano beteiligt sich zwar sehr aktiv an der Aufgabe, erreicht dabei jedoch nur eine Sprechzeit von 19.6 %. Der mittelmässige Fokusschüler Mehmet beteiligt sich ebenfalls aktiv an der Aufgabe und erreicht eine Sprechzeit von 6.1 %. Alle anderen beteiligen sich wenig aktiv und erreichen eine Sprechzeit zwischen 1 % und 2 %. Bei Aufgabe A (Quiz) ist die effektive Sprechzeit je nach Fokusgruppe unterschiedlich. Am höchsten ist sie bei den leistungsschwachen Fokuslernenden Hanad und Goran. Sie liegt bei 65 %. Sie machen zwar immer wieder kürzere Pausen zwischen den Sequenzen, doch sie unterhalten sich konstant über die Fragen der Aufgabe. Sie beanspruchen Frau Huber am meisten aller Gruppen: Von den insgesamt 13 Minuten 51 Sekunden, die für Hanad und Goran zur Bearbeitung von Aufgabe A (Quiz) zur Verfügung stehen, werden sie während insgesamt 4 Minuten 18 Sekunden von Frau Huber zu vier verschiedenen Zeitpunkten unterstützt. Allerdings sprechen sie in der letzten Unterstützungsphase durch Frau Huber in der Schulsprache Deutsch über den Inhalt einer Frage (vgl. Abb. 78): 276 5 Ergebnispräsentation: Fallperspektive [63] 179 [12: 43.7] 180 [12: 48.3] L2 [v] Qui est le copain wer ist der Freund de Bagheera et Baloo. Bagheera und [64] . . 181 [12: 51.4] 182 [12: 53.4] S1 [v] I have a question. HANAD [v] Mogli Mogli GORAN [v] (2) Mogli? ja diesen Film habe ich gerade L2 [v] Baloo. Kennst du das Dschungelbuch? (1) genau [65] . . 183 [12: 56.6] 184 [12: 57.3] 185 [12: 59.3] HANAD [v] das Dschungelbuch GORAN [v] geschaut. Ja, das ist jetzt im Kino L2 [v] ist es schon im Kino? ja das Dschungelbuch [66] 186 [13: 00.1]187 [13: 00.7] 188 [13: 01.7] 189 [13: 03.5] 190 [13: 04.8] HANAD [v] ja hab ich einmal als GORAN [v] Baloo ist dieser fette Bär L2 [v] von Kippling das ist super [67] 191 [13: 06.4]192 [13: 07.3] 193 [13: 11.7] S1 [v] he he hesch GORAN [v] ah und diese und diese Bagheera ist dieser schwarze Panther L2 [v] genau genau Abb. 78: Auszug aus dem Transkript UAK2Su3, Anhang III.IV.II Die leistungsstarken Fokusschüler Karim und Adriano verwenden bei der Bearbeitung von Aufgabe A (Quiz) viel Zeit für die inhaltliche Auseinandersetzung mit den Quizfragen, die jeweils stumm oder in der Schulsprache erfolgt. Beispielsweise erörtern sie nach der Frage Combien de trous ont la plupart des parcours de golf? während 1 Minute und 15 Sekunden auf Schweizer Mundart und mit thematischen Exkursen, wie die Antwort lauten könnte, um schliesslich auf eine falsche Lösung zu kommen, die nicht von allen gutgeheissen wird und die sie nicht auf Französisch sagen (vgl. Abb. 79, Z. 18): 5 Ergebnispräsentation: Fallperspektive 277 Abb. 79: Auszug aus dem Transkript UAK2Su1, Anhang III.IV.II Insgesamt bearbeiten Karim und Adriano die Aufgabe A (Quiz) während 18 Minuten, so dass diese 1 Minute 15 Verhandlung bereits einen Sechstel der gesamten Sprechzeit ausmacht. Werden von der von Karim und Adriano genutzten Lernzeit für die Aufgabe A (Quiz) die Pausen, die Exkurse und das Aushandeln auf Deutsch abgezogen, so verbleiben für die effektive Sprechzeit in der Zielsprache 58 %. Mehmet und Anna, die mittelmässigen Fokuslernenden, erreichen die geringste effektive Sprechzeit bei der Bearbeitung von Aufgabe A (Quiz). Sie machen immer wieder längere Pausen zwischen den Sequenzen und lassen sich mehrmals durch andere Gruppen ablenken. Meh- 278 5 Ergebnispräsentation: Fallperspektive met hört bei der Gruppe nebenan mit und hilft ihnen manchmal auch bei der Antwort auf eine Frage weiter (vgl. Abb. 80, Z. 21 - 22): [20] . . 74 [11: 12.3] 75 [11: 17.9] MEHMET [v] sich über "formaggio") [kom dit mazo e n an] (andere Gruppe OrthoFS3 [v] Comment dit-on "maison" en anan-? [21] . . 76 [11: 29.3] MEHMET [v] unterhält sich über Frage 10: Auf Wiedersehen auf Französisch) (beantwortet OrthoFS3 [v] au revoir [22] . . 77 [11: 31.3] 78 [11: 39.7] 79 [11: 40.7]80 [11: 42.7] MEHMET [v] Frage der anderen Gruppe) [o wa ] [o wa ] (18) (zeigt mit OrthoFS3 [v] au revoir L2 [v] (6) au revoir genau Abb. 80: Auszug aus dem Transkript UAK2Su2, Anhang III.IV.II Aufgrund der zahlreichen und längeren Pausen zwischen den Sequenzen und dem Mithören bei anderen Gruppen liegt die effektive Sprechzeit bei den mittelmässigen Fokuslernenden bei der Bearbeitung von Aufgabe A (Quiz) bei 27 %. Während der Bearbeitung der Aufgaben sprechen die Fokusschülerinnen und -schüler unterschiedlich viel in der Zielsprache Französisch miteinander. Karim und Adriano, die leistungsstarken Fokuslernenden, verwenden bei der Bearbeitung von Aufgabe A (Quiz) für 56 % der Äusserungen die Zielsprache, 44 % erfolgen in der Schulsprache Deutsch resp. in der Schweizer Mundart. Bei Aufgabe B (Questionnaire), die Karim und Adriano als einzige Fokuslernende bearbeiten, wickeln sie 61 % der mündlichen Interaktion in der Zielsprache ab. Bei Aufgabe C (Questions) interagieren die Fokuslernenden aufgrund des von Frau Hubers angepassten Übungsformats nicht miteinander. Bei Aufgabe D (Trucs à savoir) können die Fokuslernenden die mündliche Interaktion nur teilweise in der Zielsprache aufrechterhalten (zu 38 % resp. 40 %). Im Vordergrund steht hier die Verstehensleistung, die mehrheitlich in der Schulsprache vollzogen wird. Mehmet und Anna, die mittelmässigen Fokuselernenden, sowie Hanad und Goran, die leistungsschwachen Fokuslernenden, sprechen bei der Bearbeitung von Aufgabe A (Quiz) zu grossen Teilen in der Zielsprache. Sie sagen zwar weniger als Karim und Adriano, die leistungsstarken Fokusschüler, bleiben dabei jedoch mehr in der Zielsprache. 5 Ergebnispräsentation: Fallperspektive 279 Grundsätzlich nutzen die Fokusschülerinnen und -schüler die Hilfestellungen zur Aufgabe im Lehrwerk dann, wenn sie von Frau Huber darauf hingewiesen werden. Dies ist beispielsweise bei der Aufgabe A (Quiz) der Fall, wenn die Fokuslernenden die im Lehrwerk angeregten Interaktionen ausführen und als Ausgangspunkt dafür die Quizfragen aus dem Lehrwerk verwenden. Die Satzanfänge aus dem Lehrwerk werden bei keiner Aufgabe und von keiner Fokusgruppe berücksichtigt. Die im Lehrwerk vorgegebenen Satzanfänge werden von Frau Huber bei den Aufgaben A (Quiz) und B (Questionnaire) zwar eingeführt, doch in den Beispielen im Plenum nicht verwendet. Die Fokuslernenden machen ihre Aussagen ohne chunks wie Je pense que … / Est-ce … ? / Est-ce peut-être … ? , wie dies der Anfang der mündlichen Interaktion bei Aufgabe A (Quiz) von Adriano und Karim illustriert (vgl. Abb. 81): [1] 0 [00: 00.0] 1 [00: 04.6] 2 [00: 23.3] 3 [00: 27.6]4 [00: 29.6] ADRIANO [v] [alo . fe kwa.] (blättert) OrthoFS2 [v] Alors, on fait quoi? KARIM [v] [ fe kuiz sis sis] [o ydo kel pa ti d OrthoFS1 [v] On fait *quiz six. Au judo, quelle partie de l' S3 [v] ja ja [2] . . 5 [00: 38.0] 6 [00: 41.4] 7 [00: 42.3] KARIM [v] la(.)bil(.)m (3) ah ehm [la s ty ] OrthoFS1 [v] ? la ceinture S3 [v] [l kid l] Ortho S3 [v] Kittel (? ) [3] 8 [00: 44.9] 9 [00: 52.6] 10 [01: 02.3] 11 [01: 012 [01: 23.6] KARIM [v] was? welches hab ich? S3 [v] e h [ ] (3) ja. [la s ty ] (13) oben Ortho S3 [v] jaune et * et? ) la ceinture. Abb. 81: Auszug aus dem Transkript UAK2Su1, Anhang III.IV.II Karim und Adriano geben auf die Frage Au judo, quelle partie de l ’ habillement change de couleur selon le niveau? die beiden Antwortmöglichkeiten *[l ə kid ə l] und la ceinture an. Die Aufgabenstellung im Lehrwerk sähe vor, dass sie ihre Antworten mit Satzanfängen ergänzten und beispielsweise Je pense que c ’ est la ceinture. sagen würden. Die Fokusschülerinnen und -schüler bearbeiten die Aufgaben grundsätzlich so, wie Frau Huber sie anweist, doch bei Aufgabe A (Quiz) interagieren Hanad 280 5 Ergebnispräsentation: Fallperspektive und Goran, die leistungsschwachen Fokuslernenden, nicht so wie von Frau Huber angewiesen: S1, der ebenfalls in der Gruppe mitarbeitet, stellt Fragen und gibt die Antworten selber; Hanad und Goran hören ihm kaum resp. gar nicht zu und sprechen gleichzeitig. Sie beantworten die meisten Fragen ebenfalls selber, bemühen sich aber, dabei Französisch zu sprechen (vgl. Abb. 82): [23] . . 66 [03: 43.9] S1 [v] müesse s glich aber i ha's glich gschriebe wüu's stimmt. [alo . ki l kop d Ortho S1 [v] Alors. Qui est le copain de HANAD [v] [kel ob e se a kupe le OrthoFS5 [v] Quel objet sert à couper [24] . . 67 [03: 49.5] 68 [03: 53.6] S1 [v] bage a e d balu. (1) mogli] [ki s s nifi l mo itali formad o d ] eh Ortho S1 [v] Bagheera et de Baloo? Mowgli Que signifie le mot italien formaggio de HANAD [v] v (1) vœ? ] (3) [ vœ][l (.) ampo] OrthoFS5 [v] les cheveux? cheveux le *Shampoo (meint: shampoing) GORAN [v] (4) [kel ob kel ob e s t a kupe le v ] OrthoFS6 [v] Quel objet sert à couper les cheveux Abb. 82: Auszug aus dem Transkript UAK2Su3, Anhang III.IV.II Bei der Bearbeitung von Aufgabe D (Trucs à savoir) bearbeiten die vier Fokuslernenden die Aufgabe ebenfalls nur teilweise so, wie sie von der Lehrperson eingeführt worden ist: Sie lesen und beantworten Wissensfragen, aber sie sprechen dabei nicht durchgehend Französisch und sie bereiten auch keine Präsentation für die andere Gruppe vor. Die Fokuslernenden der Klasse West können unterschiedlich gut Informationen in der Zielsprache austauschen: Grundsätzlich tauschen sie nur bei den Aufgaben A (Quiz) und B (Questionnaire) Informationen in der Zielsprache aus. Bei Aufgabe C (Questions) ist dies aufgrund der Durchführung im Plenum nicht möglich und bei Aufgabe D (Trucs à savoir) werden die Informationen mehrheitlich in der Schulsprache Deutsch ausgetauscht. Die leistungsstarken Fokusschüler Karim und Adriano können sowohl bei Aufgabe A (Quiz) als auch bei Aufgabe B (Questionnaire) mit ihrem Lernpartner Informationen mit kurzen, formelhaften Ausdrücken in der Zielsprache austauschen. Allerdings wechseln sie zurück zur Schulsprache, wenn es darum geht, persönliche Meinungen auszutauschen oder zu diskutieren, was man als Nächstes tun sollte. Bei der Aufgabe B (Questionnaire) verhandeln die Fokusschüler zunächst auf Deutsch, was zu tun sei, bevor sie dann in der Zielsprache Französisch mit 5 Ergebnispräsentation: Fallperspektive 281 der eigentlichen Aufgabe beginnen. Unterbrochen wird die Diskussion auf Deutsch jeweils durch das französische alors, das nach der vierten Verwendung der Eröffnung des Gesprächs dient (vgl. Abb. 83, Z. 4): [1] 0 [00: 00.0] 1 [00: 09.1] 2 [00: 16.4] 3 [00: 21.0] KARIM [v] i bi fertig. fertig fertig. ADRIANO fertig ADRIANO ADRIANO [v] ( 5 ) [ a l o ] e h e e h m OrthoFS2[v] alors [2] 4 [00: 24.2] 5 [00: 26.5]6 [00: 32.5] 7 [00: 34.6] KARIM [v] A D R I A N O f e r t i g also was hesch bi mir gschriebe? ADRIANO [v] [alo ] ich komme grad OrthoFS2[v] alors [3] . . 8 [00: 36.6] 9 [00: 40.2] 10 [00: 42.2] ADRIANO [v] Geduld i ha i ha gschriebe [alo ] (Name von KARIM) du kontrolliersch und seisch jo [4] . . 11 [00: 45.4]12 [00: 47.5] 13 [00: 53.4 KARIM [v] jo ADRIANO [v] stimmt oder nid oder so. [alo ] [t okypasi p efe e e ue o fut] OrthoFS2[v] alors ton occupation préférée est jouer au foot. [5] 14 [00: 54.6] 15 [00: 56.6] 16 [00: 58.6] 17 [01: 05.4] KARIM [v] [wi se yst] eh eh wie OrthoFS1[v] oui c'est juste ADRIANO [v] franz [wi se yst] [t bonœ e viv œ œ OrthoFS2[v] oui c'est juste ton rêve de bonheur est vivre heureux et Abb. 83: Auszug aus dem Transkript UBK2Su1, Anhang III.IV.VI Ein ähnliches Verhalten zeigen die mittelmässigen Fokuslernenden Mehmet und Anna bei der Bearbeitung von Aufgabe A (Quiz). Sie tauschen Informationen in der Zielsprache aus, indem sie für das Fragenstellen und Antwortgeben Französisch sprechen, doch sobald sich weitere Fragen in der mündlichen Interaktion ergeben, wechseln sie zur Schulsprache zurück. Mehmet sagt Anna auf Schweizer Mundart, dass sie nun an der Reihe sei, ihm eine Frage zu stellen und Anna fragt bei Mehmet auf Deutsch nach, ob ihre Antwort stimme (vgl. Abb. 84, Z. 4). Mehmet heisst die Antwort zunächst auf Deutsch gut, bevor er dann auf Französisch mit oui oui oui bestätigt (vgl. ebd.): 282 5 Ergebnispräsentation: Fallperspektive [2] . . 3 [01: 00.4] 4 [01: 07.5] 5 [01: 12.46 [01: 43.4] ANNA [v] [l zizo](33) OrthoFS4 [v] les ciseaux MEHMET [v] eh (9) [k ] [kue obe so (.) guber le av v ] Jetzt muesch du OrthoFS3 [v] *Kué (Quel) *obe (objet) *so (sert à) couper les *chaveux, cheveux? [3] . . 7 [01: 45.4] 8 [01: 51.5] 9 [02: 00.3]10 [02: 09.6] ANNA [v] (2) [ki a v ] OrthoFS4 [v] MEHMET [v] mi froge. (7) [levi st aus] (8) [kuel est l ply g OrthoFS3 [v] Levi Strauss *Kuél (Quel) [4] . . 11 [02: 14.6] 12 [02: 23.1] 13 [02: 27.5] 14 [02: 29.5] ANNA [v] ehm (5) [la (.) bal ] (3) stimmt das? OrthoFS4 [v] MEHMET [v] ma Jo es stimmt. (1) [wi wi wi] OrthoFS3 [v] * e? oui oui oui Abb. 84: Auszug aus dem Transkript UAK2Su2, Anhang III.IV.II Den leistungsschwachen Fokuslernenden Hanad und Goran fällt der Informationsaustausch bei der Bearbeitung von Aufgabe A (Quiz) schwer: Sie tauschen wenig bis gar keine Informationen mit ihren Lernpartnern aus. Gleich zu Beginn stellt S1 eine Frage, worauf Goran eine andere Frage stellt, bevor eine Antwort auf die erste Frage gegeben wird (Transkript UAK2Su3, Anhang III.IV. II: Z. 1 - 6). Daraufhin kommen drei weitere Fragen hinzu (ebd.: Z. 7 - 11), die die Fokuslernenden bestenfalls selbst beantworten (vgl. S1) oder wozu sie die Lehrerin befragen (ebd.: Z. 11 - 18). Sie tauschen keine Informationen miteinander aus, hören sich gegenseitig kaum zu und stehen immer wieder bei ähnlichen Fragen an: Beispielsweise fragen sie sich an drei Stellen, ob man Frankfurt als grössten Flughafen Europas angeben könne, auch wenn er nicht auf der Liste steht (vgl. ebd.: Z. 3 - 6, 11 - 15, 21 - 23). Die Fokuslernenden der Klasse West können unterschiedlich gut Fragen stellen und beantworten. Die Umsetzungen der Aufgaben A (Quiz), B (Questionnaire) und C (Questions) ermöglichen das Fragenstellen und Antwortgeben in der Zielsprache: Den leistungsstarken Fokusschülern Karim und Adriano gelingt es bei der Bearbeitung der Aufgaben A (Quiz), B (Questionnaire) und D (Trucs à savoir), ihrem Mitschüler einfache Fragen in der Zielsprache zu stellen und in Ein- oder Zweiwortsätzen zu antworten. Bei der Bearbeitung von 5 Ergebnispräsentation: Fallperspektive 283 Aufgabe B (Questionnaire) kann Adriano auch längere Antworten formulieren, Erklärungen geben sowie Anweisungen ausführen. Er fordert Karim auf Französisch auf, zu beginnen (alors, alors, alors) oder er hilft ihm, zurück zur Aufgabe zu finden, indem er ihm den Satzanfang auf Französisch vorsagt. Adriano ist auch bei der Bearbeitung von Aufgabe C (Questions) initiativ und stellt im Plenum zwei Fragen auf Französisch, beantwortet insgesamt drei Fragen, davon zwei auf Französisch und eine auf Deutsch, und ausserdem korrigiert, kommentiert und unterstützt er auch im Plenum. Karim hingegen stellt bei der Bearbeitung von Aufgabe C (Questions) zwar seine zwei Fragen auf Französisch, beantwortet dann aber drei Fragen auf Deutsch und kommentiert eine weitere Frage ebenfalls auf Deutsch. Die mittelmässigen Fokuslernenden Mehmet und Anna können bei der Bearbeitung der Aufgaben A (Quiz) und B (Questionnaire) einander einfache Fragen in der Zielsprache stellen und in Ein- oder Zweiwortsätzen antworten. Sie geben bei keiner Aufgabe Erklärungen oder längere Antworten in der Zielsprache. Die leistungsschwachen Fokusschüler Hanad und Goran stellen bei der Bearbeitung der Aufgaben A (Quiz) und C (Questions) zwar Fragen in der Zielsprache, aber sie treten damit nicht in eine mündliche Interaktion mit ihren Mitschülerinnen und Mitschülern, da sie wenig bis gar keine Antworten geben. Die leistungsstarken, die mittelmässigen und die leistungsschwachen Fokuslernenden unterscheiden sich auch beim Bilden von Sequenzen in der Zielsprache. In den Tabellen 59 und 60 sind nur die Sequenzen zu den Aufgaben A (Quiz) und B (Questionnaire) aufgeführt, weil bei C (Questions) und D (Trucs à savoir) wenig bis gar keine direkten Interaktionen zwischen den Schülerinnen und Schülern in der Zielsprache stattfinden: Aufgabe A (Quiz) Aufgabe B (Questionnaire) Karim und Adriano 20 20 Mehmet und Anna 16 - Hanad und Goran 2 - Tab. 59: Anzahl produzierter Sequenzen der Fokuslernenden der Klasse West bei den verschiedenen Aufgaben 284 5 Ergebnispräsentation: Fallperspektive Rein französische Sequenzen Französisch-deutsche Sequenzen Unvollständige Sequenzen Karim und Adriano 21 13 6 Mehmet und Anna 7 6 3 Hanad und Goran - 2 - Tab. 60: Gestaltung der Sequenzen der Klasse West Die leistungsstarken Fokusschüler bilden mit insgesamt 40 Sequenzen deutlich mehr Sequenzen als die mittelmässigen Fokuslernenden (Total 16 Sequenzen) oder die leistungsschwachen Fokusschüler (Total 2 Sequenzen). Dies liegt auch daran, dass Karim und Adriano mehr Aufgaben zur Förderung der mündlichen Interaktion bearbeiten als die anderen, obschon die Differenz bereits bei der Aufgabe A (Quiz) sichtbar wird, die alle bearbeiten. Sie bilden auch mehr rein französische Sequenzen als die mittelmässigen und leistungsschwachen Fokuslernenden. 5.2.4.3.2 Kommunikationsstrategien (D2) Die Fokusschülerinnen und -schüler der Klasse West wenden wenig Kompensationsstrategien an, mit Ausnahme der Kompensationsstrategie des codeswitching: Alle Fokuslernenden verwenden mindestens einmal code-switching, wobei sie bei 9 von 17 code-switchings nicht zur Schulsprache Deutsch resp. zur Schweizer Mundart wechseln, sondern zur zweiten Fremdsprache Englisch (vgl. Tab. 61): Aufgabe A (Quiz) Aufgabe B (Questionnaire) Aufgabe C (Questions) Aufgabe D (Trucs à savoir) Englisch Deutsch Englisch Deutsch Deutsch Englisch Karim an hour swimming fliegen fast Adriano yes yes Istee twenty kilos Mehmet please waiting achtezwänzg Bäck just a minute ninetynine Anna fünf Sizilien Hanad blue Wal Shampoo Goran blue Wal Tab. 61: Code-switching auf Deutsch und Englisch in der Klasse West 5 Ergebnispräsentation: Fallperspektive 285 Die Fokuslernenden der Klasse West sind offenbar bemüht, sich in der Fremdsprache auszudrücken und behelfen sich dafür bei mehr als der Hälfte mit Ausdrücken aus dem Englischen, wenn sie in Französisch an ihre Grenzen stossen. Das code-switching auf Deutsch erfolgt, wenn die Verwendung des französischen Ausdrucks als zu anstrengend empfunden wird. Bei der Bearbeitung von Aufgabe B (Questionnaire) rät Adriano seinem Lernpartner Karim, auf ein Wort aus der Schulsprache Deutsch zurückzugreifen: Karim [01: 05] eh eh wie seit me „ fast “ ? Wie sagt man „ fast “ ? Adriano [01: 10] säg eifach „ fast “ Sag einfach „ fast “ . Karim [01: 12] fast (Auszug 41 aus dem Transkript UBK2Su1, Anhang III.IV.VI) Das code-switching auf Englisch wird auch verwendet, um eine humoristische Einlage durchzuführen: Bei derselben Aufgabe B (Questionnaire) verwendet Karim für nager das englische Verb swimming. Adriano spricht auf Englisch weiter und beide lachen: Karim [03: 24] [e e (1) e] eh swimming est est (1) est, eh swimming Adriano [03: 32] yes yes (lacht) Karim [03: 33] (lacht) (Auszug 42 aus dem Transkript UBK2Su1, Anhang III.IV.VI) Als Karim bei der darauffolgenden Sequenz für voler das deutsche Verb fliegen verwendet, gibt Adriano auf Französisch Antwort. Code-switching auf Deutsch bringt die beiden Fokuslernenden hier nicht zum Lachen und verleitet Adriano auch nicht dazu, in der Schulsprache weiterzusprechen: Karim [03: 35] [t ɔ ̃ ʁɛ v d ə bon œʁ e] fliegen ton rêve de bonheur est fliegen Adriano [03: 41] [n ɔ ̃ ɔ ̃ nabite bel vil e suaje œʁœ d ɑ ̃ la naty ʁ ] Non, habiter dans une belle ville et *soyer (meint être) heureux. (Auszug 43 aus dem Transkript UBK2Su1, Anhang III.IV.VI) Auch die leistungsschwachen Fokuslernenden Hanad und Goran verwenden code-switching. Wenn Hanad die Frage Quel objet sert à couper les cheveux? mit code-switching auf Deutsch beantwortet, wird dies von Goran nicht weiter kommentiert. Er stellt die Frage nochmals und gibt die korrekte Antwort darauf, ist allerdings unsicher: 286 5 Ergebnispräsentation: Fallperspektive Hanad [03: 43] [kel ob ʒ e se ʁ a kupe le ʃə v ə (1) ʃə v œ ? ] Quel objet sert à couper les *cheve, cheveux? Hanad [03: 49] (3) [ ʃə v œ ] Hanad [03: 53] [l ə (.) ʃ ampo] Goran [03: 53] (4) [kel ob kel ob ʒ e s əʁ t a kupe le ʃə v ə ] Quel *ob quel objet *serte à couper les cheveux? Goran [04: 01] [l ə s ə so œ n ɔ ̃ ] *le (les) ciseaux euh non. (Auszug 44 aus dem Transkript UAK2Su3, Anhang III.IV.II) Als Hanad die Frage Quel est le plus grand animal marin? mit code-switching auf Englisch-Deutsch beantwortet, bringt dies seinen Lernpartner Goran zum Lachen. Er wiederholt den Ausdruck insgesamt fünf Mal und lacht dazu: Hanad [07: 09] [l ə bluval] (2) [l ə bluval] le *blue Wal, le *blue Wal Goran [07: 13] (lacht) [l ə pluval] Hanad [07: 15] [blo] *blo (meint bleu? ) Goran [07: 16] (lacht) [l ə ploval] Goran [07: 18] (zu S1) är seit [l ə ploval] Hanad [07: 20] (singend) [l ə bluval] Goran [07: 22] [bluval] (lacht) [bluval] (lacht) (Auszug 45 aus dem Transkript UAK2Su3, Anhang III.IV.II) Mehmet, der mittelmässige Fokusschüler, verwendet englische und deutsche Ausdrücke zur Kompensation, wenn er den französischen Ausdruck nicht kennt oder wenn es ihm zu anstrengend ist. Wie viele andere Fokuslernende, beispielsweise seine Lernpartnerin Anna, switcht er bei den Zahlen. Während Anna bei der Bearbeitung von Aufgabe A (Quiz) dafür ins Deutsche wechselt, verwendet Mehmet einmal die Schweizer Mundart und einmal Englisch. Mehmet [08: 00] [kuel] ah nei da unde [kuel e la (.) la moti de la moti d ə ] achtezwänzg Quelle ah nein da unten Quelle est la, la *moti (meint moitié) de achtundzwanzig. Anna [08: 09] (lacht) ähm (9) [ … ] Anna [14: 06] [kel e l ə (.) ply g ʁɑ ̃ n ɔ ̃ b ʁə d ə ] fünf [ ʃ if ʁ ? ] Quel est le plus grand nombre de fünf chiffres? Mehmet [14: 14] (2) ninety-nine ninety-nine (Auszug 46 aus dem Transkript UAK2Su2, Anhang III.IV.II) Mehmet wechselt auch zu Englisch, wenn er seine Lernpartnerin oder seinen Lernpartner um etwas Geduld bittet. Bei Aufgabe A (Quiz) sagt er please waiting [03: 51], bei Aufgabe D (Trucs à savoir) sagt er just a minute [01: 32]. Der 5 Ergebnispräsentation: Fallperspektive 287 Ausdruck just a minute liegt nahe an juste une minute und man kann sich fragen, ob er tatsächlich aus Kompensationsgründen zum Englischen wechselt. Das englische waiting hingegen ist eindeutig näher beim deutschen Verb warten als beim französischen Verb attendre. Mehmet verwendet die Kompensationsstrategie code-switching nicht nur bei der Arbeit in Kleingruppen, sondern auch im Plenum. Bei der Aufgabe C (Questions) beantwortet er die Frage Qui a inventé le croissant? wie folgt: Mehmet [16: 27] Bäck [f ʁɑ ̃ s, la f ʁɑ ̃ s] Bäcker France, la France (Auszug 47 aus dem Transkript UCK2L, Anhang III.III.VII) Auch Anna stellt ihre Frage im Plenum mit Verwendung der Kompensationsstrategie code-switching: Anna [13: 35] [u se t ʁ ufe] Sizilien Où se *trouvé Sizilien? (Auszug 48 aus dem Transkript UCK2L, Anhang III.III.VII) Die Fokuslernenden der Klasse West setzen die Kompensationsstrategie „ Gestik und Mimik “ nur sporadisch ein. Karim, der leistungsstarke Fokusschüler, und Mehmet, der mittelmässige Fokusschüler, sind die einzigen, die Gesten verwenden. Karim imitiert bei der Bearbeitung von Aufgabe B (Questionnaire) die Geste des Superhelden Flash, um seinem Lernpartner Adriano klarzumachen, wen er meint. Ausserdem zeigen beide Fokusschüler je einmal zur besseren Identifikation des Gemeinten beim Sprechen auf ein Wort oder einen Ausdruck im Lehrwerk. Mehmet streckt bei der Bearbeitung von Aufgabe D (Trucs à savoir) zudem seinen Zeigefinger in die Luft, um deutlich zu machen, dass er etwas ganz Wichtiges in Erfahrung gebracht hat. Er wiederholt seine Antwort vier Mal und spricht douze mit einem langen und betonten [u: ] aus: Mehmet [00: 16] es steht da (zeigt mit Stift auf Text im magazine): [nu ytiliz ɔ ̃ duz duz] also [duz] (streckt seinen Zeigefinger) [du: z] Nous utilisons douze douze also douze, douze Karim [00: 25] zwölf muskle um sich z bewege zwölf Muskeln, um sich zu bewegen (Auszug 49 aus dem Transkript UDK2Su1b, Anhang III.IV.XII) Mehmet wiederholt douze bei der Bearbeitung von Aufgabe D (Trucs à savoir) insgesamt vier Mal, bis Karim die Antwort wahrnimmt und auf Deutsch wiederholt. Er verwendet damit also auch die Kompensationsstrategie der Wiederholungen. Die Fokuslernenden der Klasse West verwenden ansonsten wenig Wiederholung als Kompensationsstrategie. Eine Ausnahme bildet Karim, der bei der weiteren Bearbeitung von Aufgabe D (Trucs à savoir) eine 288 5 Ergebnispräsentation: Fallperspektive Aussage in modifizierter Form wiederholen kann, indem er zuerst nur die Zahl, dann auch das dazugehörige Nomen wiederholt: Karim [00: 54] [not ʁ viza ʒ k ɔ ̃ 'po ʁ t ply d ə s ɛ ̃ k ɑ ̃ t muskl] notre visage comporte plus de cinquante *Muskel (muscles) Mehmet [01: 05] zwölf Muskeln Karim [01: 07] [s ɛ ̃ k ɑ ̃ t] cinquante Mehmet [01: 09] was [s ɛ ̃ k ɑ ̃ t] cinquante Karim [01: 10] [s ɛ ̃ k ɑ ̃ t muskl] cinquante *Muskel (muscles) (Auszug 50 aus dem Transkript UDK2Su1b, Anhang III.IV.XII) Mehmet handelt mit Anna bei der Bearbeitung von Aufgabe A (Quiz) die Bedeutung von hiver ebenfalls mittels Wiederholungen aus: Mehmet [13: 39] [kuel ɛ la seso l ə plys l ə l ə ply f ʁ oud] Quelle est la saison la plus *froude (froide)? Anna [13: 46] [live ʁ ] l ’ hiver Mehmet [13.46] (.) was? was? Anna [13: 49] [live ʁ ] l ’ hiver Mehmet [13: 50] [se live ʁ ] c ’ est l ’ hiver Mehmet [13: 52] was? [se live ʁ ] c ’ est l ’ hiver (Auszug 51 aus dem Transkript UAK2Su2, Anhang III.IV.II) Als Kommunikationsstrategie gilt auch das turntaking ( „ Wort ergreifen “ ): Die leistungsstarken und die leistungsschwachen Fokuslernenden der Klasse West ergreifen das Wort bei der Bearbeitung von Aufgabe A (Quiz) in der Zielsprache Französisch. Adriano tut dies, um das Gespräch bei der Aufgabe B (Questionnaire) zu eröffnen. Der Gesprächseinstieg der leistungsschwachen Fokuslernenden Hanad und Goran in der Zielsprache bei der Bearbeitung von Aufgabe A (Quiz) ist eindrücklich, weil er in dieser Form bei keinen anderen leistungsschwachen Fokuslernenden zu sehen ist (vgl. Abb. 85): 5 Ergebnispräsentation: Fallperspektive 289 [2] 2 [00: 11.7] 3 [00: 13.5] 4 [00: 16.8] 5 [00: 18.5] 6 [00: 20.4]7 [00: 21.3] S1 [v] [n n n ] [se] Ortho S1 [v] non non non c'est, HANAD [v] [a la pa ] eh [disyiet] [wi] OrthoFS5 [v] à la page, eh, dix*-hiéte oui GORAN [v] [a la pa ? ] [a la pa disyit] [e disnœf] OrthoFS6 [v] à la page? à la page 18 et 19 Abb. 85: Auszug aus dem Transkript UAK2Su3, Anhang III.IV.II Nach der Eröffnung des Gesprächs in der Zielsprache erfolgen die weiteren turntakings des Gesprächs bei den leistungsstarken und leistungsschwachen Fokuslernenden der Klasse West bei beiden Aufgaben in der Schulsprache Deutsch resp. in der Schweizer Mundart: Adriano [00: 00] [alo ʁ . ɔ ̃ fe kwa.] Alors on fait quoi ? Karim [00: 23] [ ɔ ̃ fe kuiz sis sis] On fait *quiz six six. [ … ] Adriano [14: 14] chum mir mache witer Komm, wir machen weiter. (Auszug 52 aus dem Transkript UAK2Su1, Anhang III.IV.II) Eine Ausnahme bildet Mehmet, der mittelmässige Fokusschüler. Er verwendet bei der Bearbeitung von Aufgabe A (Quiz) französische Füllwörter wie oui oui oui oder bon bon bon, um die Kommunikation aufrecht zu erhalten (vgl. Abb. 86): [10] . . 33 [04: 53.7] 34 [04: 55.7] 35 [05: 00.8]36 [05: 06.5] ANNA [v] [o wa ] OrthoFS4 [v] au revoir MEHMET [v] Wiedersehen [ s] [wi wi] (1) [b b b ] (6) number three OrthoFS3 [v] Wiedersehen" en français? oui oui bon bon bon [11] 37 [05: 08.5] 38 [05: 15.9]39 [05: 26.2] 40 [05: 33.6] 41 [05: 39.0] ANNA [v] (2) [ki a k i (.) oi eka] (3) [a imedes] OrthoFS4 [v] Qui a crié "Eurêka! "? Archimèdes MEHMET [v] (10) äh [kui a k i œi eka] äh [wi sypli] OrthoFS3 [v] Qui a crié "Eurêka"! ? oui super (? ) Abb. 86: Auszug aus dem Transkript UAK2Su2, Anhang III.IV.II 290 5 Ergebnispräsentation: Fallperspektive Ähnlich wie beim turntaking verhält es sich mit der Kommunikationsstrategie „ Bitte um Klärung “ : In den meisten Fällen bitten die Fokuslernenden der Klasse West beim Nicht-Verstehen in der Schulsprache Deutsch oder auf Schweizer Mundart um Klärung. Es gibt drei Ausnahmen: Karim und Adriano, die leistungsstarken Fokusschüler, sowie Mehmet, der mittelmässige Fokusschüler, können je einmal auch in der Zielsprache ausdrücken, dass sie etwas nicht verstehen. Adriano zeigt bei der Bearbeitung von Aufgabe C (Questions) im Plenum mit intonierten Wörtern an, dass er etwas nicht versteht. Er wiederholt de la? mit einer Frageintonation als Aufforderung, damit der Mitschüler S1 das Satzende und die Antwort auf die Frage wiederhole (vgl. Abb. 87, Z. 57): [56] . . 144 [10: 01.0] 145 [10: 03.0] L2 S1) sait où se trouve Monaco? vas-y (Name von S1) S1 [v] Händen) ähm [d S1 (ortho) [v] dans le sud-est de la France MEHMET [v] (hebt Hand hoch) [ s] MEHMET ortho en France [57] . . 146 [10: 06.6] 147 [10: 08.6]148 [10: 09.4]149 [10: 10.3] 150 [10: 12.3] L2 d'accord oui bon. qui lit une S1 [v] f s] [f s] S1 (ortho) [v] ADRIANO [v] [d la]? i bi scheisse i geografie ADRIANO ortho de la Abb. 87: Auszug aus dem Transkript UCK2L, Anhang III.III.VII Karim sagt als einziger explizit in der Zielsprache, dass er etwas nicht versteht. Nachdem Mehmet manger und Manga verwechselt, fragt er bei der Kamerafrau auf Französisch nach, ob manga wirklich manger heisse und intoniert dann manga als Frage (vgl. Abb. 88, Z. 2): 5 Ergebnispräsentation: Fallperspektive 291 [1] 0 [00: 00.0] 1 [00: 04.3] 2 [00: 05.4] KARIM [v] [m OrthoFS1 [v] mange mange mange MEHMET [v] [pu kwa le mwa mwa m ] [m OrthoFS3 [v] mange [2] 3 [00: 07.4] 4 [00: 12.6] 5 [00: 17.9] KARIM [v] [m a]? OrthoFS1 [v] maman- . manga? MEHMET [v] wa e go e] wa e go e] OrthoFS3 [v] - Abb. 88: Auszug aus dem Transkript UDK2Su1c, Anhang III.IV.XII Mehmet zeigt bei der Bearbeitung von Aufgabe A (Quiz) mit intonierten Wörtern an, dass er bei einer Antwort unsicher ist: Mehmet [09: 25] [set]? (1) [set]? sept? (1) sept? Anna [09: 27] ja das hani au. Ja, das hab ich auch. (Auszug 53 aus dem Transkript UAK2Su2, Anhang III.IV.II) Bei der Bearbeitung von Aufgabe D (Trucs à savoir) bittet er auf Deutsch um Klärung: Mehmet [02: 00] was heisst wieder [mu ʃ e] mouché/ moucher Karim [02: 02] (zeigt mit der Hand zur Nase) dings nastiecher gloubs Dings, Taschentücher glaube ich. Mehmet [02: 04] mm: [mu ʃ wa ʁ ] dann heimouchoir Mehmet [02: 06] dann muss es [mu ʃ wa ʁ ] heissen Karim [02: 06] nein [mu ʃ wa ʁ ] mu ʃ wa ʁ ] ehm Mehmet [02: 08] [u s ɔ n le mu ʃ wa ʁ ɛ live liv ɛʁ ] Où sont les mouchoirs en l ’ hiver? … Mehmet [02: 14] Aha! en wo öh nein ich weiss auch nicht wo sind die (.) wo sind die nashö mhm nein wo siwo sind die (3) was heisst [mu? ] heisst das [mu ʃ wa ʁ ] oder was nicht 292 5 Ergebnispräsentation: Fallperspektive Karim [02: 33] [mu ʃ e] mouché/ moucher Mehmet [02: 34] [mu ʃ e] was heisst [mu ʃ e] mouché/ mouche, mouché/ mouche Mehmet [02: 36] öh ich frag Frau (Name der Lehrerin) (Auszug 54 aus dem Transkript UDK2Su1a, Anhang III.IV.XII) Es ergeben sich zahlreiche Situationen, in denen die Fokusschülerinnen und -schüler der Klasse West die Kommunikationsstrategie „ Kooperieren “ anwenden: Die Fokuslernenden kooperieren ausgesprochen viel und zielführend miteinander. Eine Ausnahme bildet Aufgabe C (Questions), die im Plenum bearbeitet wird und weniger Gelegenheit für die Schülerinnen und Schüler bietet, sich gegenseitig zu unterstützen. Bei der Bearbeitung von Aufgabe A (Quiz) kooperieren die beiden leistungsstarken Fokusschüler Karim und Adriano einseitig, weil sie zwar beide Unterstützung anbieten, aber keiner der beiden Unterstützung einfordert. Wenn Adriano eine Frage nicht korrekt stellt, ergänzt sie Karim, damit sie inhaltlich korrekt gestellt ist: Adriano [03: 00] (1) [k ɔ ̃ bi ɛ ̃ d ə s ə k ɔ ̃ d (1) ɛ s ə kilja a d ɑ ̃ z y œʁ ] Combien de secondes est-ce qu ’ il y a dans une heure ? Karim [03: 08] [e d ə mi] et demi Adriano [03: 08] (2) ja hei (Auszug 55 aus dem Transkript UAK2Su1, Anhang III.IV.II) Wenn umgekehrt Karim nicht weiss, wie er weitermachen soll, gibt Adriano ihm einen Satzanfang an: Adriano [05: 25] [kel spo ʁ p ʁ atik] Quel sport pratique … ? Karim [05: 28] [kel spo ʁ p ʁ atik sami ʁ naz ʁ i] Quel sport pratique Samir Nasri? (Auszug 56 aus dem Transkript UAK2Su1, Anhang III.IV.II) Die mittelmässigen Fokuslernenden Mehmet und Anna bieten einander Unterstützung an und fordern diese auch voneinander ein, wenn sie sie brauchen. Beispielsweise hilft Anna Mehmet weiter, wenn er bei einer Antwort zögert: Anna [07: 18] [ki ə l ə kaboi solit ɛ : ʁ ki (.) ti ʁ plus (1) vait k ə s ɔ ̃ ɔ ̃ b ʁə ] Qui est le cow-boy solitaire qui tire plus *veït (vite) que son ombre? Mehmet [07: 29] äh Anna [07: 30] i weiss es. Lucky Luke. Ich weiss es. Mehmet [07: 33] (2) ah Lucky Luke (Auszug 57 aus dem Transkript UAK2Su2, Anhang III.IV.II) 5 Ergebnispräsentation: Fallperspektive 293 Die leistungsschwachen Fokuslernenden Hanad und Goran unterstützen einander ebenfalls gegenseitig bei der Bearbeitung von Aufgabe A (Quiz). Goran fragt bei seinen Mitschülern nach, wenn er etwas nicht weiss, beispielsweise indem er nach der Seitenzahl fragt oder sich bei S1 erkundigt, ob er Baloo korrekt ausspreche (Transkript UAK2Su3, Anhang III.IV.II: Z. 57) oder auch wenn er bei beiden nachfragt, wie man Blauwal auf Französisch sage (ebd.: Z. 55 - 56). Hanad gibt die Seitenzahl an und fragt, ob Frankfurt in Europa liege (ebd: Z. 4 - 5). Es findet auch eine Zusammenarbeit bei der Entschlüsselung der Fragen statt, beispielsweise bei der Frage Qui a inventé le jean? , wobei das Problem aber erst mit Frau Huber zusammen gelöst werden kann (vgl. Abb. 89, Z. 30): [28] 75 [04: 50.8] 76 [05: 03.7] 77 [05: 78 [05: 10.3]79 [05: 28.4] HANAD [v] (6) [lœ: (2) sis e œ] (2) [ki a œv t n] öh (18) OrthoFS5 [v] *le *cis-e-eux Qui a inventé le *géan (jean)? GORAN [v] [ki a v ] OrthoFS6 [v] Qui a inventé le jean? [29] 80 [05: 36.0] 81 [05: 42.4] 82 [05: 44.4] S1 [v] [l n? ] i weiss au ni HANAD [v] le *Jeanne? (2) [kel e le ply g animal ma a] OrthoFS5 [v] *mara? GORAN [v] (4) [ki a v n] [kel . e . le . ply . g animal OrthoFS6 [v] Qui a inventé le *Jean? ? [30] . . 83 [05: 50.4] 84 [05: 56.3] 85 [05: 58.6] 86 [06: 00.6]87 [06: 01.7]88 [06: 03.089 [06: 03.8] S1 [v] was ist [ ] inz] Ortho S1 [v] *Jean jeans OrthoFS5 [v] GORAN [v] ma in] (3) Levi Strauss inz] OrthoFS6 [v] jeans L2 [v] tu es où? le jean Qui a inventé le jean? Abb. 89: Auszug aus dem Transkript UAK2Su3, Anhang III.IV.II In der Frage Qui a inventé le jean? müsste jean Englisch als [d ʒ i: n] ausgesprochen werden und nicht wie der französische Vorname [ ʒɑ ̃ ]. Hanad, der die Frage als erster vorliest, sagt [ ʒ e ɑ ̃ n] und versteht das Wort nicht, was er durch „ öh “ signalisiert. Danach wird die Gruppenarbeit durch eine Anweisung der Lehrperson unterbrochen, was zu einer längeren Pause führt. Goran hilft im Anschluss weiter und liest die Frage nochmals vor, dieses Mal mit der 294 5 Ergebnispräsentation: Fallperspektive korrekten Aussprache von jean, nach einem kurzen Zögern. Doch kurz darauf korrigiert er sich selbst und ersetzt [d ʒ i: n] durch [ ʒɑ ̃ n], das an die fehlerhafte Aussprache von Hanad erinnert. Offenbar ist Goran unschlüssig, ob er das Wort Englisch oder Französisch aussprechen soll und er probiert beide Varianten aus. In diesem Moment schaltet sich S1 ein, der le [ ʒɑ ̃ n]? wiederholt, doch gleich hinzufügt, dass er es nicht wisse. Seine Äusserung ist zweideutig: Entweder weiss er nicht, wie man das Wort ausspricht oder er kennt die Antwort auf die Frage Qui a inventé le jean? nicht. Hanad und Goran wechseln zu einer anderen Frage, während S1 die Aufmerksamkeit von Frau Huber sucht und bei ihr nachfragt. Sobald die Lehrerin den Ausdruck korrekt vorliest, findet eine Rückkehr zur Ausgangsfrage statt, denn S1 und Goran verstehen sofort, was mit dem Ausdruck gemeint ist und wiederholen beide synchron [d ʒ inz]. Die Aufgabe B (Questionnaire) wird ausschliesslich von den leistungsstarken Fokusschülern Karim und Adriano bearbeitet, die nach einem festen Muster kooperieren: Karim fordert Unterstützung ein, Adriano gibt Unterstützung. Beispielsweise gibt Adriano seinem Lernpartner Karim Satzanfänge an, um die Interaktion aufrecht zu erhalten, wie er dies auch bei der Bearbeitung von Aufgabe A (Quiz) bereits macht (vgl. Auszug 56): Adriano [03: 54] [ty v œ ] Tu veux Karim [04: 00] [te v œ viv ʁ ] Los Angeles Tu veux vivre *Los Angeles. (Auszug 58: Transkript UBK2Su1, Anhang III.IV.VI) Bei der Bearbeitung von Aufgabe C (Questions) im Plenum können sich Karim, Anna und Goran nicht kooperierend einbringen. Mehmet, Adriano und Hanad bieten hingegen einem Mitschüler Unterstützung, indem sie seine Äusserung korrigieren und Frau Huber dabei helfen, die Frage zu verstehen (vgl. Abb. 90, Z. 105 - 106): 5 Ergebnispräsentation: Fallperspektive 295 [104] . . 256 [16: 01.8] 257 [16: 03.8] 258 [16: 05.7] 259 [16: 07.7] L2 question. vas-y (schsch) (Name von S10) Qui a S10 [v] eh [ki a k s v te] S10 (ortho) [v] *Qui a croissants inventé? [105] . . 260 [16: 09.7] 261 [16: 11.7] 262 [16: 13.7] L2 inventé quoi? S1 [v] ah [k uas ] MEHMET [k uas ] ADRIANO [k uas ] S10 [v] [ki a k s t v te] nei [ki a v s ] S10 (ortho) [v] *Qui a croissants inventé? *Qui a inventé croissants? [106] 263 [16: 15.7] 264 [16: 18.7] 265 [16: 20.266 [16: 20.267 [16: 21.6] L2 ah les croissants d'accord. qui a inventé les croissants ? HANAD [v] [k uas ] S6 [v] ahaaa S7 (ortho) [v] [k uas ] S9 [v] was ist das? S10 [v] ja Abb. 90: Auszug aus dem Transkript UCK2L, Anhang III.III.VII Adriano kooperiert bei der Arbeit im Plenum besonders intensiv und kann auch Unterstützung einfordern. Beispielsweise bittet er einen Mitschüler, etwas nachzuschlagen (Transkript UCK2L, Anhang III.III.VII: Z, 42 - 43). Er bietet selber viel Unterstützung, korrigiert und unterstützt noch weitere Mitlernende als S10, wenn Frau Huber ihre Fragen nicht versteht (ebd.: Z. 31 - 32, Z, 72 - 75), er erklärt die angegebene Regel von Frau Huber nochmals in seinen Worten und zeigt dabei ins Heft des Mitschülers, der sie noch nicht verstanden hat (ebd.: Z. 77 - 78) oder er übersetzt die Frage des Mitschülers S12 unaufgefordert, weil die Antwort darauf ausbleibt (ebd.: Z. 93). Ein ähnliches Verhalten zeigt er bei der Bearbeitung von Aufgabe D (Trucs à savoir), wenn er gemeinsam mit Anna Sachtexte entschlüsselt (vgl. Abb. 91, Z. 23 - 24): 296 5 Ergebnispräsentation: Fallperspektive [22] . . 61 [03: 03.7] 62 [03: 05.3] 63 [03: 07.3] ADRIANO [v] myskel pu su i ] nei wie veu wie veu wie veu OrthoFS2 [v] muscles pour sourire? ANNA [v] welches ist der muskel tend (? ) [23] . . 64 [03: 09.8] 65 [03: 11.8] ADRIANO [v] nei tend (? ) chunt do nid vor wie viele muskeln brauchen wir eigentlich zum ANNA [v] tend [24] . . 66 [03: 15.5] 67 [03: 18.1] 68 [03: 20.1] ADRIANO [v] lachen. wenn i lache ja [u s l mu wo sind die [mu ] ist doch OrthoFS2 [v] Où sont les mouches en hiver? mouches ANNA [v] ja Abb. 91: Auszug aus dem Transkript UDK2Su2a, Anhang III.IV.XII Anna, die die Aufgabe zusammen mit Adriano bearbeitet, unterstützt ihren Mitschüler, indem sie Wörter nachschlägt (z. B. bei Transkript UDK2Su2a, Anhang III.IV.XII: Z. 41 - 43) oder indem sie Adriano korrigiert, wenn er etwas falsch versteht: Er übersetzt son zu „ Sonne “ und Anna wirft ein, dass dies eher „ Ton “ als „ Sonne “ sei. Daraufhin kann Adriano die Bedeutung von son als „ Schall “ ableiten (vgl. Abb. 92): [16] . . 46 [02: 09.4] 47 [02: 10.1] 48 [02: 13.3] ADRIANO [v] liest me umgekehrt und das heisst wie schnäu dreiht sich d sunne. [k bi l ANNA [v] jo genau [17] . . 49 [02: 16.1] 50 [02: 18.2] ADRIANO [v] ko k tie il do] [s ] was ist das dann OrthoFS2 [v] Combien le corps contient-il d'eau? ANNA [v] isch Sunne? nid Ton? [kombi l ko l k tin ko OrthoFS4 [v] Combien le *co le *continent [18] . . 51 [02: 24.1] 52 [02: 33.9] ADRIANO [v] ein sonstiger planet (3) aha der ehm schall ok ANNA [v] koti] ds isch der Körper (Name OrthoFS4 [v] ko koti (? ) Abb. 92: Auszug aus dem Transkript UDK2Su2a, Anhang III.IV.XII 5 Ergebnispräsentation: Fallperspektive 297 Karim, der leistungsstarke Fokusschüler, bietet Mehmet, dem mittelmässigen Fokusschüler, viel Unterstützung. Manchmal dauert es länger, bis Mehmet die Erklärung von Karim versteht, wie bei der Übersetzung von eau zu „ Wasser “ (vgl. Abb. 93): [5] . . 11 [00: 34.5] KARIM Zunge und fährt mit der Hand an die Stirn) MEHMET den [k bj le k k tj til d ] OrthoFS3 Combien le corps contient-il *de (d'eau? ) [6] 12 [00: 39.3] 13 [00: 40.7] 14 [00: 42.0]15 [00: 43.6]16 [00: 44.5] KARIM [k bj l k ] [k tin il] [do] OrthoFS1 Combien le corps *continent (contient)-il d'eau MEHMET (leise) wart schnäll was heisst [dø] (.) was heisst [d ] OrthoFS3 d'eau dans [7] 17 [00: 45.7] 18 [00: 48.0] 19 [00: 49.8] 20 [00: 50.9] KARIM [do] (.) [do] heisst wasser [do] heisst wasser OrthoFS1 d'eau d'eau MEHMET (unverständlich) (.) das da was heisst das das heisst [8] . . 21 [00: 51.9]22 [00: 53.4] 23 [00: 55.1] 24 [00: 56.8] 25 [00: 58.8] KARIM [do] wasser no wasser wasser hab ich gesagt OrthoFS1 d'eau MEHMET was? was ist was aha wasser eben nicht was Abb. 93: Auszug aus dem Transkript UDK2Su1a, Anhang III.IV.XII Wenn Karim selber Unterstützung braucht, fragt er bei der Lehrerin oder der Kamerafrau nach und nutzt seinen Mitschüler nicht als Ressource (vgl. Abb. 94, Z. 27): 298 5 Ergebnispräsentation: Fallperspektive [26] . . 51 [03: 30.1] KARIM [v] aber nein [do] wasser das OrthoFS1 [v] d'eau MEHMET [v] nicht liter es geht um kilo um gewicht es geht nicht um [27] . . 52 [03: 35.4]53 [03: 37.8] 54 [03: 45.5] KARIM [v] ist ja nicht in kilo (3) weisch was, i ga go froge (Name des MEHMET [v] hm [t (.) ko (.) e (.) k p z de dœ ti] [t t kilo] OrthoFS3 [v] Ton corps est *compose de deux *ti (tiers) trente kilos Abb. 94: Auszug aus dem Transkript UDK2Su1b, Anhang III.IV.XII Mehmet hingegen fragt zuerst bei Karim nach, bevor er sich an Frau Huber wendet (vgl. Auszug 54). Die Unterstützung, die Mehmet seinem Mitschüler Karim gibt, betrifft nicht die Sprache, sondern den Arbeitsauftrag: Mehmet [02: 17] da musst du die Lösung aufschreiben (zeigt ins zeigt ins magazine von Karim) (Auszug 59 aus dem Transkript UDK2Su1b, Anhang III.IV.XII) Die Fokuslernenden der Klasse West kooperieren viel, doch die Kooperation findet bis auf eine Ausnahme in der Schulsprache oder auf Schweizer Mundart statt. Beispielsweise kooperieren die leistungsstarken Fokusschüler der Klasse West Karim und Adriano bei der Bearbeitung von Aufgabe B (Questionnaire) auf Deutsch resp. in der Schweizer Mundart, um das gemeinsame Arbeiten zu organisieren: Karim [03: 02] Auso Adriano, letschte letschte säg Also Adriano, das letzte, letzte, sag. [ … ] Karim [03: 13] also jetzt ich Adriano. Jetzt kontrollier. (Auszug 60 aus dem Transkript UBK2Su1, Anhang III.IV.VI) Eine Ausnahme bilden die leistungsschwachen Fokusschüler Hanad und Goran, die bei der Bearbeitung von Aufgabe A (Quiz) das gemeinsame Arbeiten zu Beginn in der Zielsprache organisieren (vgl. Abb. 85). Die Kommunikationsstrategie „ Kontrolle und Reparaturen “ kommt in der Klasse West bei allen Aufgaben zum interaktiven Sprechen zum Tragen. Die leistungsstarken Fokusschüler Karim und Adriano nehmen mehrmals Selbstkorrekturen vor, der mittelmässige Fokusschüler Mehmet und der leistungsschwach Fokusschüler Goran je einmal. Der leistungsschwache Fokusschüler Hanad und die mittelmässige Fokusschülerin Anna nehmen keine Selbstkorrekturen vor. Bei der Bearbeitung von Aufgabe A (Quiz) spricht Hanad 5 Ergebnispräsentation: Fallperspektive 299 die korrekte Form einer Äusserung auch dann nicht in korrigierter Form nach, wenn ihm die korrekte Form durch den Mitschüler angegeben wird: Hanad [00: 13] [a la pa ʒ ] eh [disyiet] à la page, eh, dix-*hiéte Goran [00: 18] [a la pa ʒ disyit] à la page dix-huit Hanad [00: 20] [wi] Oui (Auszug 61 aus dem Transkript UAK2Su3, Anhang III.IV.II) Auch die mittelmässige Fokusschülerin Anna wird zwar von ihrem Mitschüler korrigiert, aber nimmt keine Selbstkorrektur vor. Bei der Bearbeitung von Aufgabe D (Trucs à savoir) korrigiert Adriano ihre Aussprache von impossible wie folgt (vgl. Abb. 95): [8] .21 [01: 06.3] 22 [01: 08.9] 23 [01: 10.2] 24 [01: 12.2] ADRIANO [v] [el e posibl] OrthoFS2 [v] elle est impos sible ANNA [v] [pu kwa set s [imposibl] warum eh OrthoFS4 [v] *e-s-t-elle *ïmpossible? [9] 25 [01: 13.8] 26 [01: 15.2] 27 [01: 17.2] 28 [01: 19.2] ADRIANO [v] e ehm ja wie ANNA [v] immission mission impossible ) Abb. 95: Auszug aus dem Transkript UDK2Su2a, Anhang III.IV.XII Anna zeigt zwar an, dass sie die Korrektur wahrnimmt, denn sie gibt an, wie impossible in Englisch ausgesprochen wird, doch sie übernimmt die korrekte Aussprache für das Französische nicht. Die leistungsstarken Fokusschüler Karim und Adriano korrigieren eine fehlerhafte Äusserung, wenn ihr Interaktionspartner nicht wie erwartet reagiert und sie dadurch erkennen, dass ein inhaltliches oder ein sprachliches Problem entsteht. Bei der Bearbeitung von Aufgabe A (Quiz) verwechselt Karim beim Vorlesen der Frage Quel pays d ’ Europe a la forme d ’ une botte? Den Ausdruck botte (Stiefel) mit boîte (Schachtel). Dies führt dazu, dass er die Frage inhaltlich missversteht und sie nicht beantworten kann. Adriano korrigiert boîte zu botte und hilft ihm damit, eine Selbstkorrektur vorzunehmen (vgl. Abb. 96): 300 5 Ergebnispräsentation: Fallperspektive [29] 112 [12: 09.9] 113 [12: 17.6]114 [12: 19.9] 115 [12: 21.2] ADRIANO [v] ah italia KARIM [v] [kel pe'i dœ op a la fo m dyne bwat] nei das isch e stifu OrthoFS1 [v] Quel pays d'Europe a la forme d'une boîte (sic)? [30] 116 [12: 22.3]117 [12: 24.3] 118 [12: 28.3] 119 [12: 30.1] 120 [12: 31.9] ADRIANO [v] ebe stiefel [bot] nein [bot] der stiefel OrthoFS2 [v] botte botte KARIM [v] [d bwat] (2) [bwat] ah ja die schachtel OrthoFS1 [v] de boîte (sic) boîte [31] 121 [12: 35122 [12: 41.8] 123 [12: 48.8] 124 [13: 01.5] 125 [13: 08.6] ADRIANO [v] [ki e l kokboi (2) ki e l koboi] OrthoFS2 [v] Qui est le *coq-boy, qui est le cow-boy solitaire qui tire KARIM [v] scho? (6) ah ja eh eh (7) (lacht) S3 [v] ah ja (10) Abb. 96: Auszug aus dem Transkript UAK2Su1, Anhang III.IV.II Am Ende des Transkriptauszugs (Abb. 96) korrigiert sich Adriano ebenfalls selbst aufgrund einer inhaltlichen Verschiebung: Anstelle des cow-boy fragt er nach einem *coq-boy. Er bemerkt, dass hier ein inhaltliches Problem vorliegt und wiederholt die korrigierte Form. Karim nimmt auch bei der Bearbeitung von Aufgabe B (Questionnaire) Selbstkorrekturen vor. Beispielsweise wiederholt er die Bestätigung in der Zielsprache Französisch, nachdem er zuerst auf Schweizer Mundart bestätigt hat, und nachdem ihm sein Lernpartner Adriano die korrekte Bestätigung auf Französisch vorgibt: Adriano [00: 45] [t ɔ ̃ okypasi ɔ ̃ p ʁ efe ʁ e e ʒ ue o fut] ton occupation préférée est jouer au foot Karim [00: 53] jo Ja. Adriano [00: 54] franz [wi se ʒ yst] Oui, c ’ est juste. Karim [00: 56] [wi se ʒ yst] Oui, c ’ est juste. (Auszug 62: Transkript UBK2Su1, Anhang III.IV.VI) Bei der Bearbeitung von Aufgabe D (Trucs à savoir) arbeitet Karim mit dem mittelmässigen Fokusschüler Mehmet zusammen und nimmt keine Selbst- 5 Ergebnispräsentation: Fallperspektive 301 korrektur vor, auch wenn ihm die korrekte Form von seinem Mitschüler angegeben wird. Beispielsweise korrigiert er in der Frage Combien le corps contient-il d ’ eau? das fehlerhaft verwendete continent anstelle von contient-il nicht, auch wenn Mehmet vor ihm die Verbform korrekt vorsagt: Mehmet [00: 34] [k ɔ ̃ bj ɛ ̃ le k ɔʁ k ɔ ̃ tj ɛ ̃ til d ə ] Combien le corps contient-il *de (d ’ eau? ) Karim [00: 39] [k ɔ ̃ bj ɛ ̃ l ə k ɔʁ k ɔ ̃ tin ɑ ̃ il] (1) [do] Combien le corps *continent (contient-)il (1) d ’ eau? [ … ] Karim [01: 03] aso [k ɔ ̃ bj ɛ ̃ l ə k ɔʁ k ɔ ̃ tin ɑ ̃ il do] Also. Combien le corps *continent (contient-)il d ’ eau? (Auszug 63: Transkript UDK2Su1a, Anhang III.IV.XII) Adriano nimmt auch bei den Aufgaben C (Questions) und D (Trucs à savoir) Selbstkorrekturen vor, wenn er mit der mittelmässigen Fokusschülerin Anna oder im Plenum arbeitet. Bei der Aufgabe C (Questions) trägt er eine Frage vor, wird von Frau Huber korrigiert und wiederholt die korrekte Form: Adriano [03: 28] zum Beispiel [kom ɔ ̃ sapel ta ʃɑ ̃ t œʁ p ʁ efe ʁ e] zum Beispiel Comment s ’ appelle ta *chanteure (meint: chanteuse) préférée? Frau Huber [03: 38] Alors ta chanteure. (2) Ta c ’ est féminin, on a dit. Adriano [03: 44] Ja. [ ʃɑ ̃ t œʁ ] Sängerin *chanteure (meint chanteuse) Frau Huber [03: 47] chanteuse Adriano [03: 47] (2) ah [ ʃɑ ̃ t œ z] chanteuse (Auszug 64 aus dem Transkript UCK2L, Anhang III.III.VII) Bei Aufgabe D (Trucs à savoir) wird Adriano von Anna aufgrund einer inhaltlichen Verschiebung korrigiert, worauf sich Adriano selber korrigiert und den Sinn der Frage versteht: Adriano [01: 26] [pu ʁ kwa l ə ma ŋ go s ə liz] Pourquoi les *mangos (meint mangas) se lisent … Anna [01: 29] [ma ŋ ga] manga Adriano [01: 31] [ma ŋ ga se liz d ə d ʁ wat a go ʃ ] auso irgendöpis über Manga mangas se lisent de droite à gauche. Also irgendetwas über Manga. (Auszug 65 aus dem Transkript UDK2Su2a, Anhang III.IV.XII) Wenn Frau Huber bei der Bearbeitung derselben Aufgabe eine Selbstkorrektur bei Adriano auslösen will, wird sie von Adriano überhört. Adriano erkundigt sich bei ihr, wie man „ fällt auf den Boden “ auf Französisch sage, worauf sie ihm die finite Form touche, gefolgt von der infiniten Form toucher angibt. Adriano 302 5 Ergebnispräsentation: Fallperspektive verwendet beim Bilden des Satzes anstelle der finiten Form die zuletzt genannte infinite Form. Ihre Korrektur mündet nicht in einer Selbstkorrektur von Adriano: Adriano [01: 25] [si ɔ ̃ ] (schreibt) Moment also wenn man auf dem Boden ankommt si on Frau Huber [01: 30] si on touche, toucher Frau Huber [01: 32] par terre Adriano [01: 32] [si ɔ ̃ tu ʃ e] (schreibt) si on *toucher Frau Huber [01: 34] touche Adriano [01: 35] [tu ʃ e] ähm [l ə l ə sol l ə s: ol] (schreibt) *toucher ähm le le sol le sol (Auszug 66 aus dem Transkript UDK2Su2b, Anhang III.IV.XII) Dass die Reparatur seiner Mitschülerin Anna zu einer Selbstkorrektur bei Adriano führt, die Reparatur durch Frau Huber jedoch nicht, kann verschiedene Gründe haben: Vielleicht nimmt er im ersten Fall eine Selbstkorrektur vor, weil es sich um ein inhaltliches Missverständnis und somit um eine Bedeutungsverschiebung handelt (Mango vs. Manga). Der Inhalt wird bei der Unterscheidung von touche und toucher wenig bis gar nicht tangiert, es handelt sich um ein rein formales Problem. Vielleicht liegt es auch daran, dass eine Reparatur durch eine Mitschülerin wirksamer ist als diejenige von der Lehrerin. Allerdings widerlegt dies das Beispiel von Mehmet, bei dem es genau umgekehrt ist: Der mittelmässige Fokusschüler Mehmet nimmt Selbstkorrekturen vor, wenn er von seiner Lehrerin Frau Huber explizit dafür aufgefordert wird, übernimmt jedoch keine sprachliche Verbesserung von seiner Mitschülerin Anna. Bei der Bearbeitung von Aufgabe C (Questions) beantwortet Mehmet die Frage Quelle est la capitale de Suisse? zuerst auf Deutsch, wird dann von Frau Huber aufgefordert, es auf Französisch zu versuchen und einen ganzen Satz zu machen. Er nimmt die entsprechende Selbstkorrektur vor: Mehmet [07: 03] natürlich Bern Frau Huber [07: 06] tu essaies en français? Mehmet [07: 09] äh [ ɛ be ʁ n] est Berne [ … ] Frau Huber [07: 19] si tu as la question quelle est la capitale de Suisse? alors tu peux dire? Frau Huber [07: 26] inverser la phrase : la capitale de Suisse est Mehmet [07: 30] [ ɛ be ʁ n] ah [la kapital d ə syis ɛ be ʁ n] est Berne. La capitale de Suisse est Berne. (Auszug 67 aus dem Transkript UCK2L, Anhang III.III.VII) 5 Ergebnispräsentation: Fallperspektive 303 Wenn Mehmet mit Mitschülerinnen und Mitschülern arbeitet, die ihn nicht explizit zur Selbstkorrektur auffordern, korrigiert er sich nicht selbst. Somit entfällt die Eigenkorrektur und damit auch die zielführende Anwendung der Kommunikationsstrategie. Beispielsweise hört Mehmet bei der Bearbeitung von Aufgabe A (Quiz) insgesamt fünf Mal die korrekte Aussprache qui und drei Mal diejenige von quel-le-s von seiner Mitschülerin Anna, spricht diese Wörter jedoch konsequent fehlerhaft aus: Anna [01: 45] [ki a ɛ ̃ v ɑ ̃ te l ə d ʃɛ : n] Qui a inventé le jean? Mehmet [01: 51] (7) [levi st ʁ aus] Levi Strauss Mehmet [02: 09] [kuel est l ə ply g ʁɑ ̃ animal ma ʁ in] *Q-u-el est le plus grand animal marin? Anna [02: 14] ehm (5) [la (.) bal ɛː n] la baleine [ … ] Anna [05: 08] (2) [ki a k ʁ i (.) oi ʁ eka] Qui a *cri Euréka? Mehmet [05: 26] äh [kui a k ʁ i œ i ʁ eka] *Q-u-i a *cri Euréka? (Auszug 68 aus dem Transkript UAK2Su2, Anhang III.IV.II) Mehmet spricht qui und quel-l-e-s auch dann als [kui] resp. [kuel] aus, wenn ihm Anna den kompletten Fragesatz mit Qui … ? bei Qui a crié Euréka? korrekt vorspricht. Goran nimmt auch keine Selbstkorrekturen vor, wenn seine Interaktionspartner nicht wie erwartet reagieren, wie beispielsweise bei der Frage nach der Nationalität der Pokémons: Goran [02: 10] [kel (.) est la natsionalite de pokemo ŋ ] Quelle *e-s-t la *natsionalité des *Pokémong? S1 [02: 15] (imitiert GORAN) [pokemo ŋ ? ] Goran [02: 16] [pokemo ŋ ] *Pokémong (Auszug 69 aus dem Transkript UAK2Su3, Anhang III.IV.II) Hingegen reagiert Goran mit einer Selbstkorrektur, wenn er selbst erkennt, dass ein inhaltliches Problem vorliegt. Auf die Frage De quelle nationalité sont les Pokémons? antwortet S1 mit le Japon, was von Goran als „ Shampoo “ verstanden wird: 304 5 Ergebnispräsentation: Fallperspektive S1 [02: 59] [l ə ʒ ap ɔ ̃ : ] le Japon Goran [03: 01] [ ʃ amp ɔ ̃ : ] oh [ ʃ ampo? ] (3) ah [l ə ʒ ap ɔ ̃ : ] [ ʒ ap ɔ ̃ ] *Shampoo, oh, *Shampoo? (3) ah, le Japon, Japon (Auszug 70 aus dem Transkript UAK2Su3, Anhang III.IV.II) Goran wiederholt die Antwort von S1 fehlerhaft und kontrolliert, ob das, was er versteht, tatsächlich Sinn ergibt. Er überlegt kurz und merkt dann, dass wohl le Japon damit gemeint sein muss. Er wiederholt das Wort nochmals, da ihm nun offensichtlich dessen Bedeutung klar geworden ist. Um die Äusserung einer Mitschülerin oder eines Mitschülers zu korrigieren, wird in der Klasse West die Reparaturform des recast von den Fokuslernenden eindeutig am häufigsten eingesetzt (vgl. Tab. 62): Reparaturformen nach Lyster/ Ranta 1997 recast metalinguistic feedback explicit correction Karim x Adriano x x x Mehmet x Anna x Hanad x Goran x Tab. 62: Verwendete Reparaturformen in der Klasse West Alle Fokuslernenden nehmen mindestens einmal bei der Bearbeitung der Aufgaben zur Förderung des interaktiven Sprechens eine Reparatur in Form eines recast vor. Adriano, der leistungsstarke Fokusschüler, verwendet bei der Bearbeitung der Aufgabe A (Quiz), B (Questionnaire) und C (Questions) ausserdem das metalinguistic feedback; bei der Aufgabe A (Quiz) verwendet er zusätzlich noch die explicit correction: Zur Behebung des Missverständnisses zwischen boîte und botte braucht Adriano alle drei Reparaturformen, wie dies die Abbildung 97 zeigt: 5 Ergebnispräsentation: Fallperspektive 305 [30] 116 [12: 22.3]117 [12: 24.3] 118 [12: 28.3] 119 [12: 30.1] 120 [12: 31.9] ADRIANO [v] ebe stiefel [bot] nein [bot] der stiefel OrthoFS2 [v] botte botte KARIM [v] [d bwat] (2) [bwat] ah ja die schachtel OrthoFS1 [v] de boîte (sic) boîte Abb. 97: Auszug aus dem Transkript UAK2Su1, Anhang III.IV.II Adriano korrigiert zunächst mittels eines metalinguistic feedback, indem er die deutsche Entsprechung „ Stiefel “ angibt, gefolgt von einem recast, indem er die korrekte französische Form botte weiderholt. Als Karim auch auf Deutsch die Bedeutung verwechselt (die Schachtel), verwendet Adriano ausserdem eine explicit correction, indem er seine nächste Äusserung mit „ nein “ beginnt, bevor er die korrekte Übersetzung und Aussprache für Karim wiederholt. Erst nach der expliziten Korrektur bemerkt Karim seine fehlerhafte Aussprache und versteht die Frage richtig. 5.2.4.3.3 Kommunikative Kompetenzen (D3) Bei den kommunikativen Kompetenzen wird als erster Teilbereich die Beherrschung der Phonologie und der Phonetik betrachtet. Alle Fokuslernenden der Klasse Längmatt erreichen bei der Bearbeitung aller Aufgaben bis auf eine einzige Ausnahme zum interaktiven Sprechen mindestens die mittlere, manchmal auch die oberste Stufe der Skala (vgl. Anhang II.VII). Karim und Adriano, die leistungsstarken Fokusschüler, sprechen grundsätzlich mit einem geringen Akzent Französisch, so dass die Mitschülerinnen und Mitschüler wenig Anstrengung aufbringen müssen, um sie zu verstehen. Auf dem Fragebogen gibt Karim Arabisch als seine Erstsprache an, während Adriano Italienisch und Deutsch (Schweizer Mundart) angibt. Sie können beide die meisten Laute mehrheitlich verständlich aussprechen. Nur bei der Bearbeitung von Aufgabe B (Questionnaire) schneidet Karim etwas weniger gut ab. Beim Ablesen einiger Ausdrücke verwechselt er bestimmte Buchstabenkombinationen und damit einhergehend bestimmte Laute. Beispielsweise verwechselt er aimée mit *animée und spricht deshalb den Laut [ ɛ ] nicht korrekt aus. Er vertauscht auch die Anfangsbuchstaben von oiseau und gelangt so zu *osi, wodurch er den Laut [wa] nicht korrekt ausspricht. Es kann sein, dass die Aussprache bei dieser Aufgabe durch eine Leseschwäche beeinflusst wird. Mehmet und Anna, die mittelmässigen Fokuslernenden, sprechen mit einem Akzent, der eindeutig von einer anderen Sprache beeinflusst wird, aber nicht so stark ist, dass die Mitschülerinnen und Mitschüler viel Anstrengung aufbringen müssten, um sie zu verstehen. Mehmet gibt als Erstsprache 306 5 Ergebnispräsentation: Fallperspektive Türkisch an, bei Anna ist es Deutsch (Schweizer Mundart). Sie können eine begrenzte Anzahl von Lauten meistens verständlich aussprechen, wobei Mehmet bei der Bearbeitung von Aufgabe A (Quiz) eine Ausnahme bildet, da er mit einem so starken Akzent Französisch spricht, dass Anna viel Anstrengung aufbringen muss, um ihn zu verstehen. Er spricht die Fragen, die er mehrheitlich abliest, grösstenteils mit einer 1: 1-Entsprechung zwischen Phonem und Graphem aus, die zwar im türkischen und oft auch im deutschen Orthographiesystem gegeben ist, im französischen jedoch nicht: [kui] für qui, [kue] für que, [kuel] für quel. l. e.s: Er spricht -quals [ku] aus. [ma ʁ in] für marin, [seso] für saison: Er spricht -inals [in] und -onals [o] aus, verwendet hier also keine Nasale. [guber] für couper: Er spricht den stummen -r am Wortende aus und rollt ihn. [moti] für moitié: Er spricht -oials [o] aus. (Auszüge 71 aus dem Transkript UAK2Su2, Anhang III.IV.II) Die Aussprache der chunks und Füllwörter wie bon, bon, bon, die Mehmet bei der Bearbeitung von Aufgabe A (Quiz) frei verwendet, ist deutlich besser. Hanads und Gorans Akzent, d. h. der Akzent der leistungsschwachen Fokusschüler, ist vergleichbar mit demjenigen der mittelmässigen Fokuslernenden. Allerdings produzieren sie deutlich weniger Äusserungen als Mehmet und Anna. Hanad gibt als Erstsprache Somalisch an, Goran nennt Serbisch und Deutsch (Schweizer Mundart). Hanad bereiten bei der Bearbeitung von Aufgabe A (Quiz) die Nasalen wie Mehmet Mühe (Transkript UAK2Su2, Anhang III.IV.II: z. B. marin als [ma ʁ a], Z. 29). Goran spricht Internationalismen entweder analog zur deutschen Aussprache (ebd.: z. B. nationalité als [natsionalite], Z. 9 - 10) oder zur englischen Aussprache (z. B. aéroport als [a ʁ po ʁ t], Z. 21) aus. Im zweiten Teilbereich der Kommunikativen Kompetenzen, bei der Flüssigkeit, erreichen die Fokuslernenden der Klasse West bei der Bearbeitung der Aufgaben A (Quiz) und B (Questionnaire) mindestens die mittlere, manchmal auch die oberste Stufe der Skala (vgl. Anhang II.VII). Bei der Bearbeitung der Aufgaben C (Questions) und D (Trucs à savoir) sagen die Fokuslernenden zu wenig, um die Flüssigkeit beobachtbar zu machen. Die leistungsstarken Fokusschüler Karim und Adriano können sich bei der Bearbeitung der Aufgaben A (Quiz) und B (Questionnaire) in kurzen Redebeiträgen mit eigenen Formulierungen und/ oder memorierten Wendungen grundsätzlich verständlich machen. Sie müssen, ihrem Sprachniveau entsprechend, häufig neu ansetzen und machen oft Pausen. Diese entstehen beispielsweise vor dem 5 Ergebnispräsentation: Fallperspektive 307 Beginn einer neuen Sequenz, wie dies ein Beispiel aus der Bearbeitung von Aufgabe A (Quiz) zeigt: Adriano [05: 48] (8) [k ɔ ̃ bj ɛ ̃ d ə ] (1) oh la nomau [k ɔ ̃ bj ɛ ̃ d ə k ɔ ̃ bj ɛ ̃ d ə t ʁ u ɔ ̃ la blypa ʁ de pa ʁ ku ʁ d ə golf] (8) Combien de (1) oh la nochmal. Combien de, combien de trous ont la plupart des parcours de golf? (Auszug 72 aus dem Transkript UAK2Su1, Anhang III.IV.II) Mehmet und Anna, die mittelmässigen Fokuslernenden, sprechen ungefähr gleich flüssig wie die leistungsstarken Fokusschüler Karim und Adriano. Sie machen ebenfalls viele Pausen, teilweise vor jedem neuen turn. Dies kann auch damit zusammenhängen, dass die Aufgabe inhaltlich anspruchsvoll ist und die Schülerinnen und Schüler lange überlegen müssen, bis sie die Frage sowohl inhaltlich als auch sprachlich korrekt beantworten können: Anna [01: 45] (2) [ki a ɛ ̃ v ɑ ̃ te l ə d ʃɛ : n] Qui a inventé le jean? Mehmet [01: 51] (7) [levi st ʁ aus] Levi Strauss Mehmet [02: 09] (8) [kuel est l ə ply g ʁɑ ̃ animal ma ʁ in] *Kuél (Quel)est le plus grand animal marin? Anna [02: 14] ehm (5) [la (.) bal ɛː n] la baleine (Auszug 73 aus dem Transkript UAK2Su2, Anhang III.IV.II) Hanad und Goran, die leistungsschwachen Fokusschüler, sprechen etwas weniger flüssig als die anderen Fokuslernenden. Sie können zwar sehr kurze, isolierte und meist vorgefertigte Äusserungen benutzen, machen dabei aber viele Pausen, auch innerhalb der turns, um nach Ausdrücken zu suchen oder um weniger vertraute Wörter zu artikulieren: Goran [04: 15] (18) Goran [04: 33] [alo ʁ . kel (.) kel ob ʒ e s əʁ t a kupe le (.) ʃə v ə ] Alors. Quel (.) quel objet *serte à couper les cheveux? Goran [04: 33] (5) eh [le sis: o] Eh. Les ciseaux. Hanad [04: 50] (6) [l œ : (2) sis e œ ] (2) *le *cis-e-eux (Auszug 74 aus dem Transkript UAK2Su3, Anhang III.IV.II) Im dritten Teilbereich zu den Kommunikativen Kompetenzen, dem Spektrum sprachlicher Mittel, verteilen sich die Fokuslernenden der Klasse West auf allen drei Stufen der Skala (vgl. Anhang II.VII). Das Spektrum sprachlicher Mittel kann bei der Bearbeitung der Aufgaben A (Quiz) und B (Questionnaire) ein- 308 5 Ergebnispräsentation: Fallperspektive geschätzt werden. Bei den Aufgaben C (Questions) und D (Trucs à savoir) produzieren die Fokuslernenden aufgrund des Übungsformats (im Plenum oder mit Schwerpunkt auf Textverstehen) eine zu geringe Menge an Aussagen, um das Spektrum sprachlicher Mittel zu beurteilen. Adriano, der leistungsstarke Fokusschüler, erreicht als einziger Fokuslernender der Klasse West das Niveau A2.2 im Bereich des Spektrums sprachlicher Mittel bei der Bearbeitung von Aufgabe B (Questionnaire). Er kann kurze gebräuchliche Ausdrücke grundsätzlich korrekt verwenden, indem er Fragen zu Karims Vorlieben stellt und chunks wie c ’ est faux oder c ’ est juste verwendet. Bei der Bearbeitung von Aufgabe A (Quiz) siedelt sich Adriano wie Karim, Mehmet und Anna auf dem Niveau A2.1 an. Sie können sehr elementare Wendungen verwenden, aber es kann zu Versprechern, Auslassungen und/ oder Reduktionen kommen. Hanad und Goran siedeln sich auf dem nächsttieferen Niveau A1.2 an: In der ersten Hälfte der Bearbeitung von Aufgabe A (Quiz) verwenden sie isolierte Einzelwörter. In der zweiten Hälfte produzieren eine zu geringe Menge an Aussagen, um das Spektrum sprachlicher Mittel einzuschätzen, da sie wenig miteinander sprechen und deshalb auch wenig in der Zielsprache sagen. 5.2.4.3.4 Plurilinguales Sprechen (D4) In der Klasse West nutzen bei der Bearbeitung der Aufgaben zum interaktiven Sprechen drei Fokusschüler ihr plurilinguales Repertoire. Es handelt sich um Karim, Adriano und Goran. Mehmet, Anna und Hanad nutzen ihr Repertoire an verschiedenen Sprachen kaum oder gar nicht zur besseren Verständigung in der Zielsprache. Allerdings wenden sie code-switching als Kompensationsstrategie an. Karim, der Fokusschüler mit Erstsprache Arabisch, kann im Kontakt mit einer anderen Sprache ausgewählte Merkmale vom Arabischen in die Interaktion in der Zielsprache einbringen. Er tut dies auf der Metaebene, beim Nachdenken über Sprachen, um die Frage Pourquoi les mangas se lisent-ils de droite à gauche? besser nachvollziehen zu können: Karim [01: 36] aha jetzt nach links (fährt mit dem Finger von rechts nach links) von rechts nach links aber im Arabisch ist es das Gegenteil (1) weil es ja anders geschrieben wird. (1) und da gibt ’ s doch einen Grund? Nicht? (2) also [pa ʁ sk œ ] parce que (Auszug 75 aus dem Transkript UDK2Su1d, Anhang III.IV.XII) Adriano, der Fokusschüler, der als Erstsprache Italienisch angibt, nutzt jede Gelegenheit, um seine Italienischkenntnisse einzubringen. Bei der Bearbeitung 5 Ergebnispräsentation: Fallperspektive 309 von Aufgabe A (Quiz) antwortet er jeweils auf Italienisch, wenn es inhaltlich um etwas Italienisches geht (Grazie, Italia, Pietro). Nach der korrekten Antwort Grazie wechselt Adriano Thema und sagt auf Italienisch, wie er heisst. Karim weiss, wie Adriano heisst. Es geht hier also eher um eine Demonstration der Kenntnisse als um einen echten Informationsaustausch: Karim [07: 14] [kom ɔ ̃ di ɔ ̃ me ʁ si ɑ ̃ n ‿ italj ɛ ̃ ] Comment dit-on merci en italien? Adriano [07: 17] Grazie (7) Mi chiamo (sein Name). Danke. Ich heisse Adriano. (Auszug 76 aus dem Transkript UAK2Su1, Anhang III.IV.II) Bei der Bearbeitung von Aufgabe B (Questionnaire) verwendet Adriano Englisch, um sich zu verständigen. Er antwortet yes, yes, wenn Karim bei einer Frage auf Englisch switcht. Er übernimmt auch den englischen Ausdruck heros für héros in Verbindung mit dem Superhelden Flash, der aus dem anglosaxonen Raum stammt. Goran kann sein Repertoire an verschiedenen Sprachen ebenfalls nutzen, um sich auf sehr begrenzte Art und Weise zu verständigen. Bei der Bearbeitung von Aufgabe A (Quiz) spricht er seine Lehrerin bei Fragen auf Englisch an. Frau Huber ist auch seine Englischlehrerin und diese Fremdsprache mag er nach eigenen Angaben auf dem Fragebogen im Gegensatz zu Französisch sehr. Goran [08: 13] I have a äh (Auszug 77 aus dem Transkript UAK2Su3, Anhang III.IV.II) Allerdings findet er den Ausdruck question weder auf Englisch noch auf Französisch und gerät davor ins Stocken. Nichtsdestotrotz aktiviert er sein plurilinguales Repertoire, um sich verständlich zu machen. Allgemein pflegt Goran einen kreativen Umgang mit Sprachen: Als Antwort auf die Frage nach der Nationalität der Pokemons gibt er „ Chiny “ an und er amüsiert sich über den Namen Levi Strauss, da er ihn an den deutschen Ausdruck Vogelstrauss erinnert: Goran [06: 27] (1) Levi Strauss (lacht) Strauss [se animal] (lacht) Strauss c ’ est animal (Auszug 78 aus dem Transkript UAK2Su3, Anhang III.IV.II) 310 5 Ergebnispräsentation: Fallperspektive 5.2.5 Integrierte Darstellung (Einschätzung, Befragung, Beobachtung) Die Selbsteinschätzungen der Sprechkompetenzen der Fokuslernenden der Klasse West decken sich bis auf eine Ausnahme mit der Einteilung zu leistungsstarken, mittelmässigen und leistungsschwachen Fokusschülerinnen und -schülern durch Frau Huber. Im Fragebogen, der auf die kommunikativen Kompetenzen ausgerichtet ist, schätzen sich Karim und Adriano auf den Niveaus A2.1 resp. A2.1-A2.2 ein (vgl. Tab. 15). In den drei Skalen zu den kommunikativen Kompetenzen (Beherrschung der Phonologie und der Phonetik (Akzent, Aussprache einzelner Laute), Flüssigkeit, Spektrum sprachlicher Mittel) erreichen sie jeweils die höchste oder die mittlere Stufe, die den Niveaus A2.2. und A2.1 entsprechen (vgl. Anhang II.VII). Damit liegen sie bei resp. über den Vorgaben des Lehrplans für das Ende der sechsten Klasse und Frau Huber stuft sie offensichtlich zu Recht als leistungsstark ein. Mehmet schätzt sich gleich gut ein wie die leistungsstarken Fokusschüler, nämlich zwischen den Niveaus A2.1 und A2.2 (vgl. Tab. 16). Die Unterrichtsbeobachtungen mit Fokus auf die Lernenden zeigen, dass Mehmet sich zwar sehr aktiv an den Aufgaben beteiligt, sich auf den Skalen zu den kommunikativen Kompetenzen aber auf unterschiedlichen Stufen, vom Niveau A1.2 bis A2.2 ansiedelt, mit einer Mehrheit auf dem mittleren Niveau A2.1 (vgl. Anhang II.VII). Anna schätzt sich auf den Niveaus A1.2 bis A2.2 ein (vgl. ebd.). Auch sie siedelt sich auf den Skalen zu den kommunikativen Kompetenzen auf unterschiedlichen Stufen an, mit einer deutlichen Mehrheit auf dem mittleren Niveau A2.1 (vgl. ebd.). Damit erreichen Mehmet und Anna bei der Bearbeitung der Aufgaben zum interaktiven Sprechen die Vorgaben des Lehrplans für das Ende der sechsten Klasse und Frau Huber stuft sie zu Recht als mittelmässige Fokuslernende ein. Hanad und Goran schätzen sich auf dem Fragebogen tiefer ein als die anderen Fokuslernenden, nämlich zwischen den Niveaus A1.2 und A2.1 (vgl. Tab. 17). In den drei Skalen zu den kommunikativen Kompetenzen situieren sich die leistungsschwachen Fokuslernenden bei den beiden von ihnen bearbeiteten Aufgaben auf dem mittleren oder dem tiefsten Niveau (vgl. Anhang II.VII), was sich wiederum mit der Einstufung von Frau Huber als leistungsschwache Fokuslernende deckt. Sie erfüllen nur teilweise die Vorgaben aus dem Lehrplan für das Ende der sechsten Klasse. Bei der Selbsteinschätzung geben die Schülerinnen und Schüler der Klasse West mit 89 % an, dass sie sich beim Teilbereich des Spektrums auf dem Niveau A1.2 ansiedeln würden. Bei der Gruppendiskussion schätzen sie das Formulieren einer Äusserung zu 45 % als die schwierigste Leistung beim Sprechen ein. Frau Huber schätzt ihre Klasse im Bereich Spektrum auf das nächsthöhere 5 Ergebnispräsentation: Fallperspektive 311 Niveau A2.1 ein, fügt jedoch an, dass der Wortschatz jeweils von einem Lernjahr zum nächsten wieder vergessen ginge. Die Unterrichtsbeobachtungen mit Fokus auf die Lernenden zeigen, dass die Fokuslernenden in der Tat in diesem Teilbereich weniger kompetent sind als in den beiden anderen Teilbereichen. Die Unterrichtsbeobachtungen zeigen ausserdem, dass die Fokuslernenden effektiv Schwierigkeiten haben, längere Sätze zu formulieren. Sie antworten oft mit Ein- oder Zwei-Wortsätzen und verwenden die Hilfestellungen aus dem Lehrwerk in Form von Satzanfängen nicht. Bei der Befragung geben die Schülerinnen und Schüler der Klasse West zwar an, dass sie wüssten, was die Satzanfänge bei den Aufgaben zur Förderung des interaktiven Sprechens bedeuten würden und dass sie sie auch aussprechen könnten. Frau Huber gibt im problemzentrierten Interview an, dass sie die chunks jeweils wie vom Lehrwerk vorgesehen einführe. Mögliche Gründe, warum die Fokuslernenden die chunks bei der Bearbeitung der Aufgaben zum interaktiven Sprechen trotzdem nicht verwenden, sind: • Frau Huber führt die vom Lehrwerk vorgegebenen chunks nur bei den Aufgaben A (Quiz) und B (Questionnaire) ein. Die chunks der Aufgaben C (Questions) und D (Trucs à savoir) führt Frau Huber nicht ein. • Frau Huber macht zu den Aufgaben Beispiele im Plenum, die ohne die vorgegebenen chunks auskommen. Die Fokuslernenden erfahren also die Bedeutung und Aussprache der chunks, aber nicht deren konkrete Verwendung. • Die Schülerinnen und Schüler der Klasse West geben an, dass sie meistens wieder vergessen hätten, was ihnen Frau Huber zu einer Aufgabe erklärt hat, bis sie mit deren Bearbeitung beginnen. • Ausserdem finden die Schülerinnen und Schüler, dass nicht nur die Satzanfänge, sondern ganze Sätze inkl. deutscher Übersetzung bei der Aufgabe stehen müssten. Die Fokuslernenden verwenden zwar keine der vorgegebenen chunks aus dem Lehrwerk, aber sie ergreifen im Vergleich zu den Fokuslernenden der anderen Klassen das Wort mehr in der Zielsprache, insbesondere auch die leistungsschwächeren Fokuslernenden. Dies kann auf die modellhafte und konsequente Verwendung der Zielsprache von Frau Huber zurückgeführt werden. Sie gibt bei der Befragung an, möglichst viel Französisch im Unterricht zu sprechen, was die Unterrichtsbeobachtungen mit Fokus auf die Lehrperson bestätigen. Frau Huber fragt sich im problemzentrierten Interview, ob ihre Schülerinnen und Schüler auch Französisch sprechen, wenn sie nicht dabei ist. Die Unterrichtsbeobachtungen mit Fokus auf die Lernenden zeigen, dass die Fokuslernenden der Klasse West die Interaktionen bei der Bearbeitung der Aufgaben 312 5 Ergebnispräsentation: Fallperspektive A (Quiz) und B (Questionnaire), bei denen der Fokus auf der Förderung des interaktiven Sprechens liegt, zur Hälfte oder zu grossen Teilen in der Zielsprache umsetzen. Bei der Aufgabe A (Quiz) sprechen die leistungsschwachen Fokuslernenden sogar weniger Französisch, wenn Frau Huber dabei ist, als wenn sie auf sich alleine gestellt sind. Am wenigsten Äusserungen in der Zielsprache produzieren die Fokuslernenden bei der Bearbeitung der Aufgabe C (Questions), bei der sie im Plenum von Frau Huber begleitet werden. Frau Huber insistiert zwar, dass die Schülerinnen und Schüler Französisch sprechen sollten, doch insgesamt sprechen die Lernenden weniger und wenn, dann mehr auf Deutsch. Wenn die Fokuslernenden in Paar- oder Kleingruppen arbeiten, verwenden sie auch Ausdrücke aus dem Englischen als Kompensationsstrategie. Das codeswitching mit Englisch ist in der Klasse West deutlich ausgeprägter als in den anderen Klassen. Mögliche Gründe dafür sind: • Frau Huber ist nicht nur die Französisch-, sondern auch die Englischlehrerin. Die Fokuslernenden stellen durch die Personalunion u. U. mehr Verbindungen zwischen den beiden Fremdsprachen her. • Bis auf eine Ausnahme haben alle Fokuslernenden laut ihren Aussagen bei der Befragung eine andere Erstsprache als Deutsch resp. Schweizer Mundart. Frau Huber meint im problemzentrierten Interview, dass es ein Vorteil sei, mehrsprachige Schülerinnen und Schüler in Französisch zu unterrichten, da sie eine lockere Haltung gegenüber der neuen Sprache hätten. Ihre Schülerinnen und Schüler scheinen es gewohnt zu sein, ihr plurilinguales Repertoire zu aktivieren und alle vorhandenen sprachlichen Ressourcen zu nutzen, um sich in einer fremden Sprache zu verständigen. • Bei der Befragung geben die Schülerinnen und Schüler ausserdem an, dass Englisch leichter und attraktiver sei als Französisch. Auch diese Präferenz kann das Ausweichen auf Englisch erklären. In der Klasse West korrigieren sich die Fokuslernenden gegenseitig, ohne dass Frau Huber bei den Einführungen zu den Sprechaufgaben einen Hinweis darauf gibt. Adriano ist der Fokusschüler, der seine InteraktionspartnerInnen am meisten von allen Fokuslernenden der Klasse West korrigiert. Er verfügt über ein entsprechend hohes Sprachniveau. Doch auch die anderen Fokuslernenden können bei ihren Mitschülerinnen und Mitschülern eine fehlerhafte Äusserung erkennen und korrigieren und diese Kommunikationsstrategie erfolgreich anwenden. 5 Ergebnispräsentation: Fallperspektive 313 5.3 Sprechen in der Klasse Amrein 5.3.1 Selbst- und Fremdeinschätzung Die Tabelle 63 zeigt die Selbsteinschätzung der Schülerinnen und Schüler der Klasse Amrein in Bezug auf ihre Sprechkompetenz. 57 Die Mehrheit der Schülerinnen und Schülern schätzt ihre Leistung in der Kompetenz Sprechen im Bereich der Flüssigkeit auf A2.2 ein, in den beiden Bereichen Interaktion und Spektrum auf A2.1 und im Bereich der Korrektheit verteilt sich die Mehrheit auf die Niveaus A2.1 und A2.2: Bereiche zur mündlichen Kommunikation (vgl. Lenz/ Studer 2007) Interaktion Spektrum Korrektheit Flüssigkeit Kompetenzniveau nach GER A2.2 81 % 75 % 69 % A2.1 88 % 100 % 75 % A1.2 81 % 44 % Tab. 63: Selbsteinschätzung der Sprechkompetenz der Lernenden der Klasse Amrein Im Bereich der Interaktion situiert sich die Mehrheit der Klasse auf den Niveaus A2.1 und A2.2 mit 88 % resp. 81 %. Auch im Bereich der Korrektheit verteilt sich die Mehrheit mit je 75 % auf die Niveaus A2.1 und A2.2. Damit liegen sie über den Vorgaben des Lehrplans. Bei der Flüssigkeit geben 69 % das Niveau A2.2 an, während 44 % das Niveau A1.2 wählen. Nur eine Minderheit wählt das mittlere Niveau A2.1 (25 %). Auch in diesem Bereich schätzt sich die Mehrheit der Schülerinnen und Schüler über dem vorgegebenen Niveau des Lehrplans ein. Im Bereich Spektrum situieren sich 100 % genau auf dem Niveau A2.1, 81 % wählen Deskriptoren des Niveaus A1.2. Alle Schülerinnen und Schüler geben also an, das vom Lehrplan vorgegebene Niveau erreicht zu haben, für viele trifft jedoch im Bereich Spektrum auch das nächsttiefere Niveau zu. Die Tabelle 64 zeigt die Fremdeinschätzung von Frau Schmid in Bezug auf die Sprechkompetenz ihrer Klasse. Das angegebene Niveau für die verschiedenen Bereiche ist jeweils grau hinterlegt. 57 Da die Schülerinnen und Schüler pro Bereich zur mündlichen Kommunikation mehrere Deskriptoren ankreuzen können, liegt das Total über 100 % (vgl. Kap. 4.4.2). Die höhere Prozentzahl ist jeweils fett gedruckt und grau hinterlegt. 314 5 Ergebnispräsentation: Fallperspektive Bereiche zur mündlichen Kommunikation (vgl. Lenz/ Studer 2007) Interaktion Spektrum Korrektheit Flüssigkeit Kompetenzniveau nach GER A2.2 A2.1 A1.2 Tab. 64: Einschätzung der Sprechkompetenz der Lernenden der Klasse Amrein durch Frau Schmid Die Einschätzung von Frau Schmid fällt mehrheitlich gleich aus wie diejenige ihrer Schülerinnen und Schüler. Sie ist der Meinung, dass die Lernenden in allen vier Bereichen das vom Lehrplan vorgegebene Niveau A2.1 erreichen und es im Bereich der Flüssigkeit sogar übertreffen. Bei der Leistungseinschätzung der anderen Schülerinnen und Schüler auf dem Video gehen die Meinungen in den Gruppendiskussionen auseinander. Einige finden es gut, dass die Lernenden auf dem Video überhaupt etwas auf Französisch sagen, und dabei konzentriert arbeiten. Andere bemängeln, dass sie zu leise sprechen würden, dass sie Artikel verwechselten, dass sie zu viel stockten und viel ablesen würden: Manchmal haben sie auch une und un verwechselt. / „ (.) öh (.) öh (.) öh (.) “ Ja. Sie haben ein bisschen leise gesprochen. / Sie haben sich drauf konzentriert (Transkript GK3Su1, Anhang III.II.IV). Beide haben ziemlich viel abgelesen und es hat stockend getönt. Nicht sehr flüssig. Und die Aussprache war nicht sehr gut (Transkript GK3Su2, Anhang III.II.V). Sie haben etwas gestockt. / Es geht (Transkript GK3Su3, Anhang III.II.VI). Einige Schülerinnen und Schüler der Klasse Amrein trauen sich zu, den Auftrag gleich gut oder besser auszuführen, während andere denken, dass sie mehr stocken würden und die Leistung nicht erbringen könnten. Insgesamt ist eine grosse Heterogenität bzg. der Leistungseinschätzungen festzustellen. Nein. Also ich würde mehr stocken. Ich glaube schon, ja. Er kann das flüssiger (zeigt auf S2) Hm. (wippt mit Kopf hin und her, unschlüssig) Weniger. Ich würde vielleicht gleich, vielleicht ein bisschen besser (Transkript GK3Su1, Anhang III.II.IV). Ich könnte das nicht. I: Und die anderen? Könntet ihr das auch? 5 Ergebnispräsentation: Fallperspektive 315 Ja. / Bei mir auch. / Eh, ich habe das Gefühl, ich würde es ein wenig besser lesen, also nicht so stockend. / Ich würde es etwa gleich stockend lesen. / Manchmal stockend, manchmal weniger. Ja. Manchmal so, manchmal (Transkript GK3Su2, Anhang III.II. V). Aber ich könnte es auch nicht besser. Ich bin schlecht. / Ja. Vielleicht, also, flüssiger lesen. aussprechen könnte ich besser (Transkript GK3Su3, Anhang III.II.VI). Frau Schmid präzisiert ihre Einschätzung der Sprechkompetenzen ihrer Schülerinnen und Schüler im problemzentrierten Interview: Sie sagt, dass ihr die Niveau-Zuordnung aus verschiedenen Gründen schwerfalle. Das Wissen der Schülerinnen und Schüler sei zwar vorhanden, müsse aber zuerst aktiviert werden. Wie Frau Huber (L2) hält sie bezüglich des Aktivierens fest: „ sich selber Vorstellen, das war in der dritten oder vierten Klasse. Und in der sechsten das nachher wieder sofort zu aktualisieren, das wird schwierig “ (ebd.). Sie berichtet von einer Idee, wie sie Gelegenheiten schafft, um Gelerntes zu wiederholen und so das in Vergessenheit geratene Wissen ihrer Schülerinnen und Schüler wieder aktiviert: Ich habe mit der vierten Klasse jetzt eine kleine Fragerunde veranstaltet, indem ich einfach Fragen stelle, die wir irgendwann einmal gelernt haben. „ Wie heisst du? “ , „ Wo wohnst du? “ Plötzlich aus dem Kontext heraus und zuerst einmal staunen sie, dann fängt es an zu denken und plötzlich haben sie auch die Sätze wieder in Erinnerung, die sie dazu sagen können (Transkript IK3L, Anhang III. I.III) Ausserdem weist Frau Schmid auf die grosse Heterogenität in der Klasse hin. Sie schätzt das Niveau in ihrer Klasse zwar als hoch ein, aber nicht für alle Lernenden: Aber es gibt auch in dieser Klasse, in der sechsten Klasse, noch Schüler, die haben keine Ahnung, was où oder que oder pourquoi heisst (ebd.). Im Bereich der Korrektheit stellt sie grosse Unterschiede fest. Während den Leistungsschwächeren die Syntax Probleme bereite, seien andere bereits fähig, Selbstkorrekturen vorzunehmen: Ich denke, es ist sehr unterschiedlich. Ich habe gemerkt, dass einige Schüler schon gar nicht einen Satz zusammen bekommen und dass es im Gegensatz dazu andere Schüler gibt, die ihn aussprechen und dabei selber bemerken, dass es nicht stimmt. Das sind die Highlights, die ich erlebe. Also die sagen „ Das tönt nicht richtig “ und es dann aber selber korrigieren können. Aber das ist dann wirklich die Elite (ebd.). Als Schwäche macht sie die französische Aussprache aus: La prononciation ist bei vielen Schülern einfach nicht, die sitzt überhaupt nicht. Wir haben ein Blatt zusammengestellt mit den verschiedenen Lauten und da werde ich mein Augenmerk darauf richten, dass sie diese Blätter besser studieren, dass sie sie 316 5 Ergebnispräsentation: Fallperspektive auch anwenden können, wenn sie ein neues Wort sehen und das dann eben aussprechen sollten, dass sie mit dieser Tabelle das einfacher haben (ebd.). 5.3.2 Befragungen 5.3.2.1 Befragung von Frau Schmid Insgesamt vertritt Frau Schmid die Meinung, dass Sprechen in handlungsorientierten Lernsituationen gefördert werden könne, wenn diese von der Lehrperson als solche erkannt und durchgeführt würden. Allerdings brauche es für die Durchführung solcher Sprechaufgaben optimale Bedingungen und viel Wiederholung. Kategorie A1: Übungsanlagen zur Kompetenz des interaktiven Sprechens Frau Schmid gibt an, erst durch ihre Mitarbeit im vorliegenden Projekt ein Bewusstsein für das Angebot an Sprechaufgaben im Lehrwerk entwickelt zu haben. Sie findet die Übungsanlagen zur Kompetenz des interaktiven Sprechens im Lehrwerk grundsätzlich geeignet, aber nur unter bestimmten Bedingungen. Am besten funktionieren sie ihrer Meinung nach im Halbklassenunterricht oder in (heterogenen) Gruppen, wenn sie von der Lehrperson begleitet resp. kontrolliert werden: Und da ist es auch wichtig, halt, dass man die Gruppe klein hält, also maximum fünf oder sechs Schüler, weil sonst passen die anderen wieder nicht auf. [ … ] Also auch wenn man am Computer sitzt, das hört, und nachsprechen sollte, die wenigstens Schüler machen das wirklich, wenn ich nicht hintendran stehe. [ … ] Wenn man sie am Computer arbeiten lässt, sie sprechen sowieso nicht Französisch. Wenn man sie nur in Gruppen arbeiten lässt, ohne sich dazu zu setzen, wird auch nicht Französisch gesprochen. Am einfachsten, denk ich mal, um das wirklich zu etablieren, ist diese kleine Runde. Halbklassenunterricht oder in Gruppen arbeiten mit der Lehrperson zusammen. Nur so funktioniert das (Transkript IK3L, Anhang III. I.III). Kategorie A2 Umsetzung der Übungsanlagen im Unterricht Frau Schmid führt die Klasse auf Französisch. Von ihren Schülerinnen und Schülern fordert sie, dass zumindest die Begrüssung und die Verabschiedung auf Französisch stattfinden. Frau Schmid macht die Erfahrung, dass die Schülerinnen und Schüler die Aufgaben zum Sprechen gerne machen, wenn man sie mit ihnen durchführt: Die Anlässe zum Sprechen: Bin ich durch meine Mitarbeit bei deinem Projekt darauf gestossen, dass es sehr viele gibt. Aber man muss sie eben auch mit den Schülern 5 Ergebnispräsentation: Fallperspektive 317 zusammen machen. Also oft werden diese Sprechanlässe einfach übergangen. Und jetzt [ … ] habe ich gesehen, dass es sehr viele solche Anlässe gibt, dass man auch andere dazu erfinden kann und dass es eigentlich noch, dass die Schüler es auch gerne machen (ebd.). Als Merkhilfe für die Schülerinnen und Schüler greife Frau Schmid auf wortwörtliche Übersetzungen zurück: Was ich jetzt häufig auch noch mache, ist diese Anfangssätze oder auch andere Sätze wortwörtlich zu übersetzen. Sie tönen zwar eher lustig auf Deutsch, aber sie können sie sich einprägen (ebd.). Für die Umsetzung der Übungsanlagen im Unterricht vereinfache Frau Schmid teilweise die Aufgaben, indem sie das Angebot an Redemitteln reduziere: Ich reduziere das jeweils auf eine oder zwei Sprechblasen, die sie als Antwort geben können. [ … ] Also zum Beispiel hier das Je pense que c ’ est … das ist eine einfache Antwort, ein einfacher Einstieg in eine Antwort. [ … ] C ’ est peut-être … ist schon etwas komplizierter und die Antwort Est-ce … ? da ist schon der Sinn nicht ganz klar (ebd.). Bei den Spielen gibt sie an, dass sie die Spielregeln teilweise umformuliere. Sonst würden die Lernenden sich auf Deutsch über die Spielregeln unterhalten: Da muss man wirklich darauf achten, dass die Spielregeln etwas vereinfacht sind, dann geht es auch besser mit dem Sprechen nachher. Ja (ebd.). Dann wird zuerst einmal über die Spielregeln gestritten, auf Deutsch, und das Französisch geht in den Hintergrund (ebd.). Kategorie A3 Authentische Interaktion im Klassenzimmer Frau Schmid gibt an, dass die Installation der Klassenzimmersprache intensives Üben und viel Zeit benötige, damit die Schülerinnen und Schüler sie auch verwenden können: Ja. Ich denke mal, man kann es auch zu wenig üben. Also die Klassenzimmersprache mit dem Spiele spielen und so weiter, wenn man das nicht jede Woche oder jede zweite Woche anwenden kann, dann wird das schwierig. Denk ich mal (ebd.). Wenn die Schülerinnen und Schüler allein in Gruppen oder am Computer arbeiten, hat Frau Schmid den Eindruck, dass die Lernenden nicht Französisch sprechen würden. Als Ausnahme nennt sie Spielsituationen, in denen die Schülerinnen und Schüler selbständig arbeiten und Französisch miteinander sprächen: Also was sicher sehr gut klappt, sind die verschiedenen fichier-Spiele. Wenn man die etabliert hat, dann kann man einfach mal die Spielfiguren hervorholen, die Würfel und dann sind die fichier-Karten auch schon bereit. Die Schüler wissen schon, 318 5 Ergebnispräsentation: Fallperspektive worum es geht und sie können das selbstständig sehr gut machen. Meistens klappt es auch mit dem Sprechen (ebd.). Kategorie A4 Chansons im Französischunterricht Frau Schmid singt authentische Chansons im Französischunterricht, die sie selbst wählt, da ihr die Chansons aus dem Lehrwerk nicht gefallen. Sie verwendet Chansons, die aktuell sind und die nicht direkt in Verbindung zur Lerneinheit aus dem Lehrwerk stehen. Laut Frau Schmid können damit die Schülerinnen und Schüler auf die Prosodie sensibilisiert und ihre Einstellung gegenüber der Fremdsprache positiv beeinflusst werden: Ich denke, wenn sie einen Text mitsingen, dass es dann eher ins Ohr geht. Es geht auch um den Sprachrhythmus, es geht darum, dass man auch merkt, „ Ah Französisch ist gar nicht so verstaubt “ wie man meint. Es ist auch nicht so verpönt, es ist aktuell. Und das ist das, was ich meinen Schülern auch beibringen möchte, was ich ihnen mitgeben möchte: Französisch ist sehr aktuell und es gibt wieder sehr sehr viele französische Lieder in der Hitparade auch (ebd.). 5.3.2.2 Befragung der Schülerinnen und Schüler Insgesamt geben die Schülerinnen und Schüler der Klasse Amrein in der Gruppendiskussion an, sehr vertraut mit den Aufgaben zum interaktiven Sprechen aus „ Mille feuilles “ (Ganguillet et al. 2014a) zu sein, dass sie dabei aber nicht konsequent auf Französisch sprechen würden. Kategorie B1 Aufgaben aus dem Lehrwerk zur mündlichen Interaktion Die Schülerinnen und Schüler der Klasse Amrein geben in Bezug auf das Bearbeiten der Aufgaben zur mündlichen Interaktion an, dass sie sie verstehen und die Hilfsmittel kennen würden: Meistens ergänzen wir die Sprechblasen selber … wir machen Sätze I: Und macht ihr das oft, dass ihr während - das ist ja am Anfang einer activité dass ihr während der activité miteinander auf Französisch sprecht? Ja / ja / ja / ja (Transkript GK3Su1, Anhang III.II.IV). Die Schülerinnen und Schüler der Klasse Amrein geben an, dass Frau Schmid die Redemittel in den Sprechblasen teilweise einführt und teilweise darauf verzichtet: Hm. Manchmal schauen wir sie an und manchmal nicht. Und wenn wir sie anschauen, dann besprechen wir, was es auf Deutsch heisst (Transkript GK3Su2, Anhang III.II.V). 5 Ergebnispräsentation: Fallperspektive 319 Kategorie B2 Leistungen von Schülerinnen und Schülern im Sprechen Als Grund, warum sie keine besseren Leistungen im Sprechen erzielen, geben sie an, dass sie nicht immer Französisch miteinander sprechen würden. Es sei ihnen zu anstrengend, sie hätten Angst davor, Fehler zu machen oder sie sprächen nur dann Französisch, wenn die Lehrerin danebenstehe, um einen guten Eindruck zu machen: Also es ist mir zu anstrengend (lacht). / Oder es ist so: Wenn sie nebendran steht, will man einen guten Eindruck machen und Französisch sprechen und wenn sie weg ist, dann kann das egal sein / Wenn sie nebendran steht, ist das manchmal so, dann hat man manchmal Angst, es auszusprechen, weil man dann denkt, man spricht es falsch. I: sprecht ihr dann auch auf Französisch miteinander? Und wann nicht? Ehm wenn Frau (Name der Lehrerin) nicht zuhört. (lacht) / Manchmal. (lacht) Wenn sie nebendran steht. / Manchmal. (lacht) Wenn sie zuhört (ebd.). Kategorie B3 Phasen des Sprechvorgangs nach Levelt In Bezug auf die vier Phasen des Sprechvorgangs verteilen sich die Einschätzungen der Schülerinnen und Schüler wie folgt (vgl. Tab. 65): Klasse Amrein Phase 1: Verstehen der Aufgabe Phase 2: Konzeptualisieren der Äusserung Phase 3: Formulieren der Äusserung Phase 4: Artikulieren der Äusserung Diese Phase fällt mir schwer 15 % 5 % 50 % 30 % Tab. 65: Phasen nach Levelt (1989), die nach eigenen Aussagen für die Klasse Amrein schwierig sind Die Phase 3 (Formulieren der Äusserung) wird also am häufigsten genannt, die Phase 4 (Artikulieren der Äusserung) am zweithäufigsten. I: Wo denkt ihr, sind bei euch die grössten Stolpersteine? Also in der Phase vier? Du hast den Satz schon im Kopf, aber kannst ihn nicht aussprechen. Und bei den anderen? Beim Aussprechen. Ja / Bei mir auch. Und manchmal auch bei Phase drei. Ja (ebd.). 5.3.3 Triangulation der Daten (Einschätzungen und Befragungen) Vergleicht man die mündlichen Aussagen von Frau Schmid mit denjenigen ihrer Schülerinnen und Schüler und zieht man auch die Einschätzungen aus 320 5 Ergebnispräsentation: Fallperspektive den Fragebögen bei, so lassen sich gewisse Parallelen zwischen der Lehrerin und ihrer Klasse ausmachen. Allerdings divergiert die mündliche Befragung von der schriftlichen Selbsteinschätzung: Während die Fremd- und Selbsteinschätzungen im Fragebogen ziemlich einheitlich ausfallen, zeigt sich eine grosse Heterogenität in den Aussagen der Schülerinnen und Schüler in den Gruppendiskussionen: Einige Lernende trauen sich schon viel zu, andere schätzen ihre Leistung als schwach ein, wobei die letzteren Stimmen in den Gruppendiskussionen mehr Gewicht erhalten als auf den Fragebögen. Auch Frau Schmid gibt im problemzentrierten Interview an, dass eine grosse Heterogenität in der Klasse Amrein auszumachen sei. Als Schwierigkeit wird die Aussprache sowohl von den Schülerinnen und Schülern selbst als auch von Frau Schmid benannt. Die Aussprache kommt im problemzentrierten Interview und in den Gruppendiskussionen mehrmals zur Sprache. Frau Schmid berichtet, dass sie zusätzliche Übungen anbieten wolle, um die Aussprache zu trainieren. Die Schülerinnen und Schüler und Frau Schmid sind mit den Sprechaufgaben aus dem Lehrwerk vertraut, aber sie benennen das Problem, dass unbeaufsichtigte Gruppenarbeiten nicht bzw. nicht ausschliesslich auf Französisch gemacht würden. Beide Seiten sagen, dass die Kontrolle der Lehrperson wirke. Als Zwischenfazit zur Erforschung der Innenperspektive kann für die Klasse Amrein der Schluss gezogen werden, dass sowohl Frau Schmid als auch ihre Schülerinnen und Schüler den Eindruck haben, dass mit den Sprechaufgaben aus dem Lehrwerk nur dann eine adäquate Förderung der mündlichen Interaktionskompetenz möglich ist, wenn eine Beaufsichtigung durch die Lehrperson gegeben ist und wenn eine zusätzliche Förderung im Bereich der Aussprache erfolgt. Die Angaben zur Einschätzung der Sprechkompetenz zeigen, dass die Schülerinnen und Schüler der Klasse Amrein in der Kompetenz des interaktiven Sprechens die Vorgaben des Lehrplans ihrer Meinung nach erreichen. 5.3.4 Unterrichtsbeobachtungen 5.3.4.1 Unterrichtsbeobachtung mit Fokus auf Frau Schmid (L3) Frau Schmid setzt vier Aufgaben zum interaktiven Sprechen aus dem Lehrwerk um, nämlich die Aufgaben A (Quiz), B (Questionnaire), C (Questions) und E (Métiers). Aufgabe D (Trucs à savoir) lässt sie weg. Frau Schmid führt die Aufgaben A (Quiz) und B (Questionnaire) wie vorgesehen in Kleingruppen durch. Die Aufgaben C (Questions) und E (Métiers) führt sie im Plenum durch. 5 Ergebnispräsentation: Fallperspektive 321 5.3.4.1.1 Didaktische Absicht (C1) Von den insgesamt vier Aufgaben zum interaktiven Sprechen, die Frau Schmid durchführt, fördern die beiden Aufgaben A (Quiz) und B (Questionnaire) das interaktive Sprechen. Bei der Umsetzung von Aufgabe B (Questionnaire) fördert Frau Schmid das interaktive Sprechen sogar stärker als in der Aufgabe vorgesehen, da sie die Aufgabe in Form eines speed-datings durchführt und dadurch die Lernsequenz verlängert, indem sie die Interaktionspaare multipliziert. Bei Aufgabe C (Questions) wird das monologische Sprechen gefördert, weil sie im Plenum bearbeitet wird; Aufgabe E (Métiers) fördert die Schreibkompetenz, da Frau Schmid sie als schriftliche Hausaufgabe durchführt. In allen Sprechaufgaben agieren die Fokusschülerinnen und -schüler als sie selbst. Bei Aufgabe E (Métiers) kommt es zu keinem Informationsaustausch, da die Aufgabe in Einzelarbeit und schriftlich ausgeführt wird. Bei den Aufgaben A (Quiz) und B (Questionnaire) findet eine Interaktion mit einem echten Informationsaustausch statt. Bei Aufgabe C (Questions) sieht Frau Schmid zwar vor, dass trotz der Plenumssituation mündliche Interaktionen zwischen den Lernenden stattfinden, und gibt dafür an, dass die Schülerinnen und Schüler ihre vorbereitete Frage stellen und dann selber eine/ n Mitschüler/ in bestimmen, der/ die die Frage beantwortet (vgl. Transkript UCK3L, Anhang III. III.XI: [11: 36] L3: tu poses la question, tu choisis quelqu ’ un qui donne la réponse). Bei der konkreten Durchführung der Aufgabe interveniert sie dann aber oft zur Unterstützung resp. zur Korrektur oder zur Wiederholung der ausgesprochenen Fragen, so dass sich nur selten direkte Interaktionen zwischen den Schülerinnen und Schülern ergeben. 5.3.4.1.2 Redeanteile (C2) Der Redeanteil von Frau Schmid bei der Einführung in die Sprechaufgaben ist durchwegs hoch (durchschnittlich 91.5 %). Frau Schmid spricht hauptsächlich allein und führt die Einführungen in die Aufgaben A (Quiz) und C (Questions) ohne Partizipation der Klasse durch: Die Lernenden beteiligen sich zwischen 0 % (Aufgabe C: Questions) und maximal 14 % (Aufgabe E: Métiers) an den Einführungen. Die Einführungen zu den Aufgaben B (Questionnaire) und E (Métiers) gestalten die Schülerinnen und Schüler teilweise aktiv mit, wodurch diese beiden Einführungen länger dauern als die beiden anderen (0 ’ 59 ’’ resp. 00 ’ 06 ’’ für die Aufgaben A undj C; 5 ’ 17 ’’ resp. 11 ’ 02 ’’ für die Aufgaben B und E). Die Einführung zur Aufgabe C (Questions) fällt deutlich kürzer aus als die anderen, weil die Aufgabe im Plenum bearbeitet wird und der Auftrag ausschliesslich von der Lehrperson erteilt wird. Bei der Einführung zur Aufgabe E (Métiers) lässt Frau Schmid die Schülerinnen und Schüler zuerst die Anweisungen in der revue (Ganguillet et al. 2014b) nachschlagen (vgl. Abb. 98): 322 5 Ergebnispräsentation: Fallperspektive [1] 0 [00: 00.0] L3 [v] (SuS lesen die Anweisungen zur activité und schlagen sie bei Bedarf in der revue [2] . . 1 [00: 51.0] 2 [00: 59.4] L3 [v] nach) Bon, maintenant je vous montre ce que les élèves de Genève ont discuté. J' Abb. 98: Auszug aus dem Transkript UEK3L, Anhang III.III.XII Im Schnitt beansprucht Frau Schmid 34.5 % der Zeit der gesamten Lernsequenz für die Einführung, allerdings mit grossen Unterschieden je nach Durchführungsformat der Aufgabe. Bei Aufgabe A (Quiz) beansprucht die Einführung 14 % der gesamten Lernsequenz, bei Aufgabe B (Questionnaire) sind es 43 %, da ein neues Aufgabenformat eingeführt wird, bei Aufgabe C (Questions) sind es nur 1 %, da die Aufgabe im Plenum durchgeführt wird und bei Aufgabe E (Métiers) sind es 80 %, inkl. Anhören von Modellsätzen des Lehrwerks. Frau Schmid spricht bei der Einführung zur Aufgabe A (Quiz) mehrheitlich und bei den Einführungen zu den Aufgaben B (Questionnaire), C (Questions) und E (Métiers) fast ausschliesslich in der Zielsprache. Sie stellt bei keiner Einführung in eine Sprechaufgabe explizite Bezüge zur Schulsprache Deutsch her. Bemerkungen zur Klassenführung macht Frau Schmid bei den Einführungen zu den Aufgaben B (Questionnaire) und C (Questions) ausschliesslich auf Französisch, bei den beiden anderen Aufgaben A (Quiz) und E (Métiers) verwendet sie auch Standarddeutsch. Wenn sie ein Kind dazu ermahnt, etwas wegzuräumen, tut sie dies entweder auf Französisch wie bei der Einführung zur Aufgabe B (Questionnaire) oder auf Deutsch, wie bei der Einführung zur Aufgabe E (Métiers) (vgl. Abb. 99 - 100): 5 Ergebnispräsentation: Fallperspektive 323 [18] . . L3 [v] avec (Name von S13) (SuS beginnen zu lachen und miteinander zu reden). [19] 19 [02: 18.1] 20 [02: 26.4] L3 [v] tournez-vous. (Name von S14) range ça. merci. sch (SuS reden durcheinander) [20] 21 [02: 39.8] 22 [03: 33.2] 23 [03: 35.0] L3 [v] Alors. (nimmt weitere Zuteilung der SuS vor) sch. s'il vous plait. vous avez deux [21] . . L3 [v] possibilités. sch. (Name von S15) écoute. vous avez deux possibilités. vous Abb. 99: Auszug aus dem Transkript UBK3L, Anhang III.III.X [12] . . 18 [02: 01.5] L3 [v] voilà alors et ça c'est les réponses d'une classe de Genève. Danke S8 [v] später werden will [13] . . 19 [02: 08.0] L3 [v] für den Ball. Alors, les élèves dans cette classe à Genève, ils ont dit "j'aimerais bien Abb. 100: Auszug aus dem Transkript UEK3L, Anhang III.III.XII Frau Schmid spricht bei allen Einführungen zu den Aufgaben zum interaktiven Sprechen korrekt Französisch. Sie wiederholt in allen Einführungen wesentliche Informationen, bis auf die Ausnahme von Aufgabe C (Questions), die im Plenum durchgeführt wird. Beispielsweise erwähnt sie bei Aufgabe A (Quiz) den Inhalt der Aufgabe mehrmals (poser des questions et donner des réponses) (vgl. Abb. 101): 324 5 Ergebnispräsentation: Fallperspektive [1] 0 [00: 01.0] L3 [v] et la deuxième personne, elle donne la réponse. ensuite vous changez les rôles, c' L3video [v] (hält magazine in den Händen) (zeigt mit den Händen den Wechsel an) [2] . . L3 [v] est cette la personne qui a donné la réponse pose maintenant la question et, l'autre L3video [v] [3] . . L3 [v] personne donne la réponse. et vous continuez jusqu'à la à au quiz numéro six. L3video [v] (zeigt mit den Händen an, dass es weitergeht) Abb. 101: Auszug aus dem Transkript UAK3L, Anhang III.III.IX Bei der Einführung zur Aufgabe B (Questionnaire) wiederholt Frau Schmid neben dem Inhalt der Aufgabe auch die Durchführungsart (speed-dating) und sie nennt einzelne Wörter wie oui, non, très oder plein mehrmals, um zu sie verdeutlichen resp. zu verstärken (vgl. Abb. 102): [9] . . 7 [01: 06.2] 8 [01: 08.2] 9 [01: 10.2] L3 [v] qu'il faut faire? oui (Name von S7)? non. non non. le speed- S7 [v] [ale sy inte net] S7 (ortho) [v] aller sur internet [10] . . 10 [01: 14.7] 11 [01: 16.7] 12 [01: 18.7] L3 [v] dating c'est en personne. non non non S8 [v] es git sone dating-app S9 [v] weil es schnell ist weil es schnell [11] . . 13 [01: 20.7] 14 [01: 28.0] L3 [v] oui oui ça va très très vite. (Name von S1) S9 [v] ist S1 [v] man muss halt vieles sagen so Abb. 102: Auszug aus dem Transkript UBK3L, Anhang III.III.X Zur Unterstützung des Verstehens verwendet Frau Schmid bei allen Einführungen deutsch-französische Parallelwörter. Beispielsweise verwendet sie bei 5 Ergebnispräsentation: Fallperspektive 325 der Einführung zur Aufgabe B (Questionnaire) Ausdrücke, die ans Deutsche erinnern, wie noter (für écrire) oder tu as une idée (für tu sais) (vgl. Abb. 103): [1] 0 [00: 00.0] L3 [v] alors je vous ai noté un mot (3) je vous ai noté un mot au tableau. (Name von S) [2] . . 1 [00: 19.9] L3 [v] tu as une idée ce que c'est? c'est un mot en anglais. (3) alors c'est que (Name Abb. 103: Auszug aus dem Transkript UBK3L, Anhang III.III.X Frau Schmid übersetzt bei allen Einführungen bestimmte Ausdrücke oder Informationen zur Verständnissicherung ins Deutsche. Bei der Einführung zur Aufgabe C (Questions) übersetzt Frau Schmid auch einen Ausdruck auf Mundart, da dieser näher am Französischen ist als die Übersetzung auf Standarddeutsch (vgl. Abb. 104): [42] . . 108 [16: 36.8] 109 [16: 40.4] L3 [v] pommes de terre oui tu as compris? Erdapfel. härdöpfu voilà. même pas avec la ELENA [v] härdöpfu FRED [v] öpfu? Abb. 104: Auszug aus dem Transkript UCK3L, Anhang III.III.XI Zur Unterstützung des Verstehens durch Visualisierung nutzt Frau Schmid die Wandtafel bzw. die Leinwand oder sie hält das Heft so in der Hand, dass die Klasse sieht, wo sich die Auf-gabe im Lehrwerk befindet. Frau Schmid nutzt auch bei allen Einführungen Gesten, um ihr verbales Handeln zu unterstützen. Das tut sie bei der Einführung zur Aufgabe A (Quiz) auch dann, wenn sie auf Deutsch spricht (vgl. Abb. 105): 326 5 Ergebnispräsentation: Fallperspektive [6] . . L3 [v] alors vous le faites à demi-voix hm. halblaut so. damit man etwas hört auf den L3video [v] (zeigt mit dem [7] . . L3 [v] Repetiergeräten aber nicht so dass man die Ohren schützen braucht weil man L3video [v] Finger auf die Ohren) Abb. 105: Auszug aus dem Transkript UAK3L, Anhang III.III.IX 5.3.4.1.3 Methodisch-didaktische Kompetenzen (C4) Frau Schmid führt die von der Aufgabe vorgegebenen chunks nur für die Aufgabe E (Métiers) ein, die die Schülerinnen und Schüler schriftlich bearbeiten. Bei den anderen Einführungen berücksichtigt Frau Schmid die chunks aus dem Lehrwerk nicht. Aufgabe A (Quiz) bearbeiten die Schülerinnen und Schüler ohne die vorgegebenen chunks. Aufgabe B (Questionnaire) ändert Frau Schmid so ab, dass keine Hypothesen gebildet werden müssen und die chunks aus der ursprünglichen Aufgabe hinfällig werden. Bei Aufgabe C (Questions) verlegt Frau Schmid die Aufgabe ins Plenum und bestätigt meistens selbst die Antworten der Lernenden, so dass die Schülerinnen und Schüler auch hier die vom Lehrwerk vorgegebenen chunks nicht brauchen. Da Frau Schmid bei den Aufgaben A (Quiz), B (Questionnaire) und C (Questions) ohne die chunks aus dem Lehrwerk arbeitet, gibt sie auch keine weiteren Erklärungen dazu ab. Bei der Einführung zur Aufgabe E (Métiers) klärt sie die Bedeutung des chunks J ’ aimerais devenir un/ une … , indem sie einen Jungen aus der Klasse den Ausdruck erklären lässt (vgl. Abb. 106): [11] . . 16 [01: 57.5] 17 [01: 59.5] L3 [v] ah, alors (Name des Schülers) erklär mal S8 [v] Junge) doch, ich weiss was es heisst was man [12] . . 18 [02: 01.5] L3 [v] voilà alors et ça c'est les réponses d'une classe de Genève. Danke S8 [v] später werden will Abb. 106: Auszug aus dem Transkript UEK3L, Anhang III.III.XII 5 Ergebnispräsentation: Fallperspektive 327 Bei der Einführung zur Aufgabe E (Métiers) verwendet sie bei den Beispielen, die sie in der Klasse macht, zusätzlich zum vorgegebenen chunk J ’ aimerais devenir un/ une … auch die Wendung J ’ aimerais bien être … Alle chunks, die bei der Aufgabe E (Métiers) Verwendung finden, führt Frau Schmid als feste sprachliche Einheit ein. Den chunk aus dem Lehrwerk sagt sie laut vor und ergänzt ihn mit der Audioaufnahme. Frau Schmid verwendet so bei der Einführung zur Aufgabe E (Métiers) die chunks zwar mehrmals selbst, aber sie kontrolliert nicht, ob die Schülerinnen und Schüler die Ausdrücke korrekt aussprechen. Die Aussprache steht nicht im Zentrum, da die Schülerinnen und die Schüler die Aufgabe schriftlich bearbeiten. Bei Aufgabe C (Questions) wiederholt Frau Schmid eine Ausspracheregel, die für die Bearbeitung der Aufgabe relevant ist (vgl. Abb. 107): [48] . . 117 [17: 19.3] L3 [v] changer les positions du verbe et de la personne. hein? et qu'il faut mettre un [49] . . 118 [17: 21.3] 119 [17: 26.5] L3 [v] trait. man verbindet es auch wenn man's ausspricht. fait-on hm là aussi (Name [50] . . 120 [17: 31.2] L3 [v] von Fred) répète la question s'il te plaît. FRED [v] [avek kel se eal fet dy popko n] FRED (ortho) [v] Avec quelles céréales fait-on du pop-corn Abb. 107: Auszug aus dem Transkript UCK3L, Anhang III.III.XI Bei den Einführungen zu den anderen Aufgaben wiederholt sie keine sprachlichen Strukturen. Bei den Einführungen zu den Aufgaben A (Quiz) und B (Questionnaire) gibt Frau Schmid keinen expliziten Hinweis darauf, ob der Inhalt Vorrang vor der Form hat und wie sie sich den Umgang mit Fehlern vorstellt. Bei der Einführung zu Aufgabe C (Questions) wird hingegen deutlich, dass die Form wichtiger ist als der Inhalt, denn bei der Bearbeitung der Aufgabe im Plenum erklärt Frau Schmid, dass es sich um einen (formalen) Korrekturanlass der Hausaufgaben handle und dass sie die Aussprache und die Rechtschreibung der Produktionen der Schülerinnen und Schüler korrigieren werde. Im Gegensatz dazu steht die die Einführung zu Aufgabe E (Métiers), in der deutlich wird, dass der Inhalt Vorrang hat vor der Form, denn die Schülerinnen und Schüler sollen angeben, welchen Beruf sie später wählen wollen. Frau 328 5 Ergebnispräsentation: Fallperspektive Schmid sagt explizit, dass sie einen Beruf wählen sollten, der sie interessiere, auch wenn er nicht im Lehrwerk stehe und sie schlägt die Berufswünsche für ihre Schülerinnen und Schüler im Online-Wörterbuch nach. Dies kontrastiert mit der Umsetzung der Aufgabe durch Frau Müller, bei der die Schülerinnen und Schüler einen Beruf aus dem Lehrwerk nehmen sollten, auch wenn dies nicht ganz der Realität entspricht. Frau Schmid gibt in den Einführungen zu den Sprechaufgaben nicht systematisch Möglichkeiten zum Nachschlagen an. Diese dürften den Schülerinnen und Schülern der Klasse Amrein jedoch bekannt sein. In den Gruppendiskussionen geben sie an, den mini-dic (Lusser/ Hermann 2019a) oder den midi-dic (Lusser/ Hermann 2019b), zwei Wörterbücher mit französisch-deutschen resp. französisch-englisch-deutschen Übersetzungen, zu verwenden: I: Und was macht ihr, wenn ihr ’ s nicht versteht? Ich geh zur Lehrerin. Oder im Duden / Kommt drauf an. / mini-dic / midi-dic (Auszüge 78 aus dem Transkript GK3Su3, Anhang III.II.VI) Bei der Aufgabe B (Questionnaire) erwähnt Frau Schmid ein Beiblatt und weist auf die Lehrwerkseite der Sprechaufgabe hin. Für die Aufgabe E (Métiers) verwendet Frau Schmid ein Online-Wörterbuch und die Lernenden kommen nach vorn, damit sie darin das gesuchte Wort für sie eintippt. 5.3.4.2 Triangulation der Innen- und Aussenperspektive für Frau Schmid Bei der Befragung berichtet Frau Schmid, dass es viele Gelegenheiten zum Üben des Sprechens und viel Wiederholung brauche. Bei der Umsetzung der Aufgaben lässt Frau Schmid jedoch einen Sprechanlass aus der Lerneinheit weg (Aufgabe D: Trucs à savoir) und setzt eine Aufgabe zur Förderung der Schreibkompetenz ein und nicht für das interaktive Sprechen. Im Gegenzug ist sie darum bemüht, die bestehenden Aufgaben auszuweiten. Beispielsweise schafft sie mit der Umsetzungsform eines speed-datings bei Aufgabe B (Questionnaire) viele Wiederholungsanlässe. Laut den Aussagen von Frau Schmid würden die Sprechaufgaben nur dann funktionieren, wenn sie im Halbklassenunterricht oder zusammen mit der Lehrperson umgesetzt würden. Dies mag der Grund sein, weshalb Frau Schmid die Hälfte der Aufgaben zum interaktiven Sprechen im Plenum durchführt und nicht wie im Lehrwerk vorgesehen in Kleingruppen. Insofern stimmen die Unterrichtsbeobachtungen mit den Aussagen von Frau Schmid bei der Befragung überein, wenn sie ihren Unterricht als lehrendenzentriert beschreibt. Bei der Befragung gibt Frau Schmid an, dass sie es als wichtig erachte, modellhaft und viel Französisch zu sprechen. Bei den Einführungen zu den Aufgaben zum interaktiven Sprechen verwendet sie fast ausschliesslich und 5 Ergebnispräsentation: Fallperspektive 329 stets korrekt die Zielsprache. Kontrastive Analysen macht sie bei keiner Einführung, was vielleicht darauf zurückzuführen ist, dass es ihr ein Anliegen ist, ausschliesslich Französisch zu verwenden. Ausserdem gibt Frau Schmid an, dass sie von ihren Schülerinnen und Schülern einfordere, dass zumindest die Begrüssung und die Verabschiedung auf Französisch stattfänden. Bei der Einführung zur Aufgabe A (Quiz) zeigt sich, dass Französisch als Klassenzimmersprache installiert ist: Als ein Kind niest, reagiert ein anderes Kind mit „ Gesundheit! “ , was fünf andere Schülerinnen und Schüler direkt und laut zu Santé! Korrigieren (vgl. Abb. 108): [9] . . 2 [00: 50.5] L3 [v] Allez-y, hop bon. S1 [v] (niest) S2 [v] Gsundheit S3 [v] santé (lacht) S4 [v] santé (lacht) S5 [v] santé (lacht) S6 [v] santé (lacht) S7 [v] sa: : : nté (lacht) Abb. 108: Auszug aus dem Transkript UAK3L, Anhang III.III.IX Dabei handelt es sich vermutlich um einen Ausdruck, den Frau Schmid oft im Unterricht verwendet und den ihr die Schülerinnen und Schüler „ dann wieder präsentieren, den Spiegel vorhalten “ (Transkript IK3L, Anhang III. I.III). Frau Schmid erklärt im problemzentrierten Interview, wie sie die chunks aus den Sprechblasen teilweise reduziere und mit welchen Merkhilfen sie sie einführe. Eine solche Situation gibt es nicht, da Frau Schmid bei drei von vier Aufgaben die chunks nicht einführt. 5.3.4.3 Unterrichtsbeobachtung mit Fokus auf Schülerinnen und Schüler Die Fokusschülerinnen und -schüler der Klasse Amrein bearbeiten vier Aufgaben zur Förderung des interaktiven Sprechens. Frau Schmid nimmt keine quantitative Differenzierung vor: Alle Fokuslernenden bearbeiten alle vier Aufgaben zur Förderung des interaktiven Sprechens. 5.3.4.3.1 Mündliche Interaktion (D1) Die Fokusschülerinnen und -schüler der Klasse Amrein nutzen die Lernzeit bei den verschiedenen Aufgaben zum Sprechen unterschiedlich gut. Die Lernzeit wird bei Aufgabe B (Questionnaire) von allen Fokuslernenden optimal genutzt. Dies liegt u. a. daran, dass die Aufgabe aufgrund des Formats (Speed-dating) eng 330 5 Ergebnispräsentation: Fallperspektive getaktet durchgeführt wird und die Fokuslernenden alle zwei Minuten eine neue Gesprächspartnerin/ einen neuen Gesprächspartner zugeteilt erhalten. Bei Aufgabe A (Quiz) stellt Frau Schmid mehr Lernzeit zur Verfügung als die Fokuslernenden dafür brauchen: Alle Fokusschülerinnen und -schüler sind schneller als von Frau Schmid angenommen mit der Bearbeitung der Aufgabe A (Quiz) fertig. Daraufhin spielen die mittelmässigen und leistungsschwachen Fokusschülerinnen und -schüler mit dem Diktiergerät oder sie gehen anderen Tätigkeiten nach. Sie nutzen die zur Verfügung stehende Lernzeit ungefähr zur Hälfte. Die leistungsstarken Fokusschüler Mike und Fred hingegen warten kurz zu, wenn sie mit der Aufgabe fertig sind, und beschliessen dann, die Aufgabe nochmals von vorne zu beginnen und dabei die Rollen zu tauschen. So nutzen sie die zur Verfügung gestellte Lernzeit optimal (vgl. Abb. 109, Z. 30): [28] 79 [05: 30.7]80 [05: 32.7]81 [05: 53.9] 82 [05: 55.0] MIKE [v] (20) da d wörter ine schriebe oder das ganze FRED [v] bueno was müesse mir itz mache? [29] . . 83 [05: 59.1]84 [06: 39.0]85 [06: 58.9]86 [07: 18.9]87 [07: 58.8]88 [08: 13.3] MIKE [v] wiederhole (40) (20) (20) (40) (15) FRED [v] aso chum mir mache do witer. [30] 89 [08: 15.4]90 [08: 15.8] 91 [08: 17.8] 92 [08: 19.8]93 [08: 21.8]94 [08: 22.8] MIKE [v] wo? dies mol fasch du a jo FRED [v] do (zeigt auf magazine) aso da also [avek k l OrthoFS2 [v] Avec quelle Abb. 109: Auszug aus dem Transkript UAK3Su1, Anhang III.IV.III Bei Aufgabe C (Questions) wird die Lernzeit wenig zum interaktiven Sprechen genutzt: Die Fokusschülerinnen und -schüler interagieren wenig bis gar nicht miteinander, da Frau Schmid die Aufgabe im Plenum durchführt. Zwar sieht sie vor, dass die Schülerinnen und Schüler miteinander in eine Interaktion treten, indem sie Fragen vorlesen und bestimmen sollen, wer die Frage beantwortet, und schliesslich sagen sollen, ob die Antwort korrekt sei. Doch das interaktive Sprechen zwischen den Lernenden findet nicht wie geplant statt, da Frau Schmid oft interveniert. Sie greift ein, wenn ein Satz falsch geschrieben ist, wenn sich keine Schülerin oder kein Schüler für die Antwort meldet, um die nächste Frage-Antwort-Bestätigung-Sequenz zu lancieren, um die Aussprache zu korrigieren, wenn die Lernenden vergessen, dass sie jemanden aufrufen 5 Ergebnispräsentation: Fallperspektive 331 müssen, um zu wiederholen, dass die Antwort korrekt ist, um die Bedeutung eines Ausdrucks zu klären oder um eine Antwort zu bestätigen. Im Gegensatz zur Klasse Längmatt werden in der Klasse Amrein nicht alle Schülerinnen und Schüler aufgerufen, aber dafür sagt jede Schülerin/ jeder Schüler insgesamt mehr Sätze. Es kommen deutlich mehr Mädchen zu Wort als Jungen. Bei Aufgabe E (Métiers) wird die Lernzeit nicht zur Förderung des interaktiven Sprechens genutzt, da sie schriftlich bearbeitet wird. Die effektive Sprechzeit variiert ebenfalls stark von Aufgabe zu Aufgabe. Bei der Bearbeitung von Aufgabe A (Quiz) sprechen die leistungsstarken Fokusschüler fast durchgehend, während die mittelmässigen und leistungsschwachen Fokusschülerinnen und -schüler immer wieder Pausen zwischen den Sequenzen einlegen. Bei Aufgabe B (Questionnaire) reden alle Fokusschülerinnen und -schüler fast durchgehend miteinander. Bei den Aufgaben C (Questions) und E (Métiers) sinkt die effektive Sprechzeit auf die unterste Stufe. Bei C (Questions) sprechen die Fokusschülerinnen und -schüler zwischen 1 % bis maximal 12 %; bei E (Métiers) macht die effektive Sprechzeit zwischen 0 % und 1 % aus. Interaktionen in der Zielsprache finden bei der Bearbeitung der Aufgaben A (Quiz) und B (Questionnaire) statt. Während der Bearbeitung von Aufgabe A (Quiz) gelingt es allen Fokuslernenden, zu grossen Teilen in der Zielsprache Französisch miteinander zu sprechen. Bei Aufgabe B (Questionnaire) sprechen bis auf den leistungsschwachen Fokusschüler Altin alle anderen Fokuslernenden ebenfalls zu grossen Teilen in der Zielsprache. Bei den Aufgaben C (Questions) und E (Métiers) interagieren die Schülerinnen und Schüler kaum bis gar nicht miteinander. Bei den Aufgaben A (Quiz), B (Questionnaire) und C (Questions) berücksichtigen die Fokuslernenden der Klasse Amrein die Angaben zur Aufgabe im Lehrwerk teilweise, in dem sie wie angegeben Fragen stellen und Antworten geben. Dafür nutzen sie bestimmte Hilfestellungen aus dem Lehrwerk, nämlich die Antwortmöglichkeiten. Die angegebenen chunks verwenden sie hingegen nicht. Sie wurden von Frau Schmid auch nicht eingeführt und sind wegen der Änderungen am Aufgabenformat bei den Aufgaben B (Questionnaire) und C (Questions) hinfällig. Bei Aufgabe E (Métiers) werden die Angaben zur Aufgabe im Lehrwerk nicht berücksichtigt, da die Aufgabe als schriftliche Hausübung durchgeführt wird. Die Aufgaben B (Questionnaire) und E (Métiers) bearbeiten die Fokusschülerinnen und -schüler so, wie sie von Frau Schmid eingeführt worden sind. Bei Aufgabe A (Quiz) tun dies nur die leistungsstarken Fokusschüler. Die mittelmässigen Fokuslernenden Luisa und Florian stellen zunächst nur Fragen und geben keine Antworten darauf, dann stellen sie Fragen und beantworten diese 332 5 Ergebnispräsentation: Fallperspektive gleich selbst. Erst nach der Intervention von Frau Schmid befolgen sie alle Anweisungen. Auch bei den leistungsschwachen Fokuslernenden stellt jeweils die gleiche Schülerin/ der gleiche Schüler die Frage und gibt die Antwort selbst. Teilweise bleiben die Fragen auch ohne Antwort. Frau Schmid hört zwar zu, wie Elena die Frage und die Antwort am Stück vorträgt, doch sie meint dazu: super (Transkript UAK3Su3, Anhang III.IV.III: Z. 9 - 10). Im Gegensatz zu Florian und Luisa beanstandet sie bei Altin und Elena die Sequenzabfolge nicht. Die beiden leistungsstarken Fokusschüler Fred und Mike befolgen die Anweisungen von Frau Schmid so genau, dass sie die Aufgabe lieber wiederholen als erweitern. Frau Schmid gibt in ihrer Einleitung genau an, welche Fragen beantwortet werden sollen: Frau Schmid [00: 01] [ … ] vous commencez avec le quiz numéro cinq, première question, et vous finissez au quiz numéro six, dixième question. (Auszug 79 aus dem Transkript UAK3L, Anhang III.III.IX) Dadurch entfällt die quantitative Differenzierung, die im Lehrwerk gegeben wäre. Mike und Fred lösen nicht mehr Aufgaben als die anderen, sondern beschränken sich auf die Auswahl ihrer Lehrerin. Bei Aufgabe C (Questions) gibt es einen Unterschied zwischen dem leistungsstarken Fokusschüler Mike und den anderen Fokuslernenden: Er ist der erste Schüler, der nach der Einführung in die Aufgabe durch Frau Schmid an der Reihe ist. Frau Schmid und er haben die Anweisungen noch sehr präsent. Er stellt die Fragen, erteilt das Rederecht und bestätigt die Antwort. Die anderen Fokuslernenden bearbeiten die Aufgabe nur teilweise so, wie sie von der Lehrperson eingeführt worden ist: Sie erteilen nicht durchgehend das Rederecht und bestätigen die Antworten nicht selber. Bei den Aufgaben B (Questionnaire) und C (Questions) zeigen die Fokuslernenden, dass sie grundsätzlich mit ihrer/ seiner Lernpartner*in Informationen mit kurzen, formelhaften Ausdrücken in der Zielsprache resp. mithilfe von Gesten austauschen können, die restliche Interaktion jedoch in der Schulsprache Deutsch oder gar nicht sprachlich abhandeln. Die Umsetzung der Aufgabe E (Métiers) bietet keine Möglichkeit für einen mündlichen Informationsaustausch in der Zielsprache. Bei Aufgabe A (Quiz) zeigt sich, dass leistungsstarke Fokusschüler auch fähig sind, in der Zielsprache zu diskutieren, was man als Nächstes tun sollte. Mike und Fred behelfen sich dafür mit chunks wie C ’ est ton tour! , et maintenant oder J ’ ai fini. Sie verwenden auch Ausdrücke aus der Schweizer Mundart und wechseln zwischen den Sprachen hin und her (vgl. Abb. 110): 5 Ergebnispräsentation: Fallperspektive 333 [8] . . 23 [01: 26.2] 24 [01: 31.8] 25 [01: 36.4] MIKE [v] [wui: ]. (3.5) [s t tu ]. [me t t] OrthoFS1 [v] C'est ton tour. mes tantes FRED [v] ehm (räuspert sich) [ki s le sœ d m p ]. OrthoFS2 [v] Qui sont les soeurs de mon père? [9] 26 [01: 38.1]27 [01: 44.1] 28 [01: 46.6] 29 [01: 50.2] 30 [01: 52.2] MIKE [v] Du muesch korrigiere. [e m tn ] OrthoFS1 [v] Et maintenant. FRED [v] (5) ok. Söu i no einisch? [kel e l de in : OrthoFS2 [v] Quelle est la Abb. 110: Auszug aus dem Transkript UAK3Su1, Anhang III.IV.III Bei den mittelmässigen und leistungsschwachen Fokusschülerinnen und -schülern der Klasse Amrein beschränkt sich der Informationsaustausch in der Zielsprache auf die Aufgabe an sich. Alles, was Arbeitsorganisation, Korrekturen, Verständnisfragen o. ä. betrifft, findet in der Schulsprache statt. Ein Auszug aus der Bearbeitung von Aufgabe A (Quiz) durch die mittelmässigen Fokuslernenden illustriert diese Tatsache (vgl. Abb. 111): [2] . . 5 [00: 06.8] 6 [00: 11.5] FLORIAN [v] [avek dy mais]. ok OrthoFS3 [v] maïs LUISA [v] ah i muess dir vorläse. [avek k l ge al e popko n]. OrthoFS4 [v] Avec quelle *guérale fait-on du pop-corn? [3] 7 [00: 15.9] 8 [00: 18.2] 9 [00: 21.9]10 [00: 23.3] FLORIAN [v] [avek dy me] aha OrthoFS3 [v] avec du *mais (meint maïs ) LUISA [v] oh nei, du muesch jo z nächste löse [kel mo kom: sa pa la OrthoFS4 [v] Quel mot commençant par [4] . . 11 [00: 37.6] 12 [00: 40.4] FLORIAN [v] Was heisst [etwual]? OrthoFS3 [v] étoile LUISA [v] lett e desine eg upom e eg up m detwual]. Stern. OrthoFS4 [v] la lettre «G» désigne un regroupement d’étoiles? Abb. 111: Auszug aus dem Transkript UAK3Su2, Anhang III.IV.III 334 5 Ergebnispräsentation: Fallperspektive Die Fokuslernenden der Klasse Amrein zeigen bei den Aufgaben A (Quiz) und B (Questionnaire), die sie in Paararbeit bearbeiten, dass sie einander Fragen in der Zielsprache stellen und beantworten können. Den leistungsstarken Fokusschülern Mike und Fred gelingt es bei der Bearbeitung von Aufgabe A (Quiz) auch, Erklärungen auf Französisch zu geben und Anweisungen auszuführen. Bei der Bearbeitung von Aufgabe C (Questions) stellen Mike, Fred und Elena Fragen und geben Antworten. Luisa und Altin stellen je zwei Fragen, werden aber nicht aufgerufen, um eine Antwort zu geben. Florian stellt eine Frage und liest eine Zahl vor. Mengenmässig steht dieser Informationsaustausch im Plenum von Aufgabe C (Questions) in keinem Verhältnis zum Informationsaustausch bei der Bearbeitung der Aufgaben A (Quiz) oder B (Questionnaire). Bei der Aufgabe E (Métiers) stellen die Fokuslernenden keine mündlichen Fragen. Den Fokuslernenden der Klasse Amrein gelingt es bei den Aufgaben A (Quiz) und B (Questionnaire), die sie in Paararbeit bearbeiten, Paarsequenzen zu bilden. Mike und Fred, die leistungsstarken Fokusschüler, bilden auch erweiterte Sequenzen bei der Bearbeitung von Aufgabe A (Quiz). Das Leistungsgefälle zeigt sich einerseits in der Menge der produzierten Sequenzen und andererseits in deren Qualität (vgl. Tab. 66): Unvollständige Sequenzen Paarsequenzen erweiterte Sequenzen Total Mike und Fred - 20 13 33 Florian und Luisa 9 6 6 21 Altin und Elena 1 15 - 16 Tab. 66: Anzahl verwendeter Paarsequenzen und erweiterter Sequenzen der Fokuslernenden aus der Klasse Amrein bei der Bearbeitung von Aufgabe A (Quiz) Bei Mike und Fred ist anzumerken, dass sich bis auf eine Ausnahme alle erweiterten Sequenzen im ersten Teil der Aufgabenbearbeitung befinden: Sie stellen abwechslungsweise eine Frage, beantworten sie und ratifizieren i. d. R. mit oui. Bei der Wiederholung der Fragen im zweiten Teil entfällt die Ratifizierung, was mit hoher Wahrscheinlichkeit inhaltlich begründet ist, da diese ja bereits stattgefunden hat: 5 Ergebnispräsentation: Fallperspektive 335 Fred [00: 14] (4) [kel mo kom: ɛ ̃ s ɑ ̃ pa ʁ la lett ʁ ʃ e desin yn ʁ eg ʁ up œ ̃ ʁ eg ʁ up ə m ɔ ̃ detwual]. Quel mot commençant par la lettre „ G “ désigne un regroupement d ’ étoiles? Mike [00: 27] [yn galaksi] une galaxie Fred [00: 29] [wui: ] [ … ] Mike [08: 31] [kel mo kom: ɛ ̃ s ɑ ̃ pa ʁ lett ʁ ʒ desin œ ̃ ʁə g ʁ u ʁə g ʁ upm ɔ ̃ detwual]. Quel mot commençant par la lettre „ G “ désigne un regroupement d ’ étoiles? Fred [08: 39] [yn galaksi] une galaxie Mike [08: 42] (3) Fred [08: 44] [ke sinifi … ] Que signifie … (Auszüge 80 aus dem Transkript UAK3Su1, Anhang III.IV.III) 5.3.4.3.2 Kommunikationsstrategien (D2) Die Fokusschülerinnen und -schüler der Klasse Amrein wenden wenig Kompensationsstrategien an, mit Ausnahme der Kompensationsstrategie des codeswitching: Vier von sechs Fokuslernenden verwenden mindestens einmal codeswitching. Fred und Altin verwenden kein code-switching, während Mike, Florian, Luisa und Elena die Strategie anwenden. Luisa wendet bei den drei Aufgaben A (Quiz), B (Questionnaire) und C (Questions) code-switching an, zu unterschiedlichen Zwecken. Bei den Aufgaben B (Questionnaire) und C (Questions) greift sie auf ein Wort aus der Schweizer Mundart zurück, weil sie die Verwendung des französischen Ausdrucks als zu anstrengend empfindet oder um eine humoristische Einlage durchzuführen: Luisa [15: 01] [ki a ɛ ̃ v ɑ ̃ te l ə ʃ o ʃ oki] Qui a inventé le cho- Schoggi? (Auszug 81 aus dem Transkript UCK3L, Anhang III.III.XI) Luisa [02: 34] [le] Hawaischnitzu und [l ə ] Rivella le Hawaischnitzel und le Rivella (Auszug 82 aus dem Transkript UBK3Su1, Anhang III.IV.VII) Wenn Luisas Gesprächspartner Florian bei der Bearbeitung von Aufgabe A (Quiz) das Aussprechen einer Zahl auf Französisch als zu anstrengend empfindet und die Zahl in der Schweizer Mundart sagt, übernimmt sie dies: 336 5 Ergebnispräsentation: Fallperspektive Florian [04: 06] achtzäh oder achtzehn, oder Luisa [04: 08] achtzäh gloub. achtzehn glaube ich (Auszug 83 aus dem Transkript UAK3Su2, Anhang III.IV.III) Luisa kann auch auf ein Wort aus der Schulsprache Deutsch oder aus der Schweizer Mundart zurückgreifen und es mit französischer Aussprache verwenden, wenn ihr der französische Ausdruck noch unbekannt ist. Um die Hauptstadt von Japan zu benennen, spricht sie Tokyo zuerst in der Schweizer Mundart und dann auf Französisch aus, wobei sie es als Frage intoniert: Luisa [02: 59] [tok ʁ io, tokjo]? *Tockio, Tokyo? (Auszug 84 aus dem Transkript UAK3Su2, Anhang III.IV.III) Elena stellt den französischen Begleiter le vor das deutsche Wort Eisvogel, dessen französische Entsprechung ihr noch unbekannt ist. Elena [00: 45] [l ə ] Eisvogel le *Eisvogel (Auszug 85 aus dem Transkript UBK3Su1, Anhang III.IV.VII) Mike, dessen Erstsprachen Englisch und Deutsch sind, verwendet bei Aufgabe B (Questionnaire) für le coca-cola eine Form, die an Schweizer Mundart ( „ Goggi “ ) oder ans englische Coke erinnert: Mike [02: 05] [l ə kok] ok le *coke (meint Coca-Cola) (Auszug 86 aus dem Transkript UBK3Su4, Anhang III.IV.VII) Florian verwendet code-switching ebenfalls, um eine humoristische Einlage einzubauen und pflegt allgemein einen kreativen Umgang mit Sprachen. Beispielsweise mischt er bei der Bearbeitung von Aufgabe A (Quiz) Französisch, Englisch und Italienisch, um 87 minutes auszusprechen. Florian [04: 43] [otiseven minyts] (lacht) [otiseven] (meint 87) *minuts (meint minutes) (Auszug 87 aus dem Transkript UAK3Su2, Anhang III.IV.III) Die Kompensationsstrategie „ Gestik und Mimik “ wird in den Interaktionen nur von zwei Fokuslernenden verwendet, nämlich von Fred und Altin, den beiden Fokuslernenden, die kein code-switching verwenden. Bei den Gesten handelt es sich um deiktische Zeichen: Fred zeigt bei der Bearbeitung von Aufgabe C (Questions) auf einen Mitschüler, um ihm das Rederecht zu erteilen (vgl. Abb. 112): 5 Ergebnispräsentation: Fallperspektive 337 [51] . . 121 [17: 34.0] 122 [17: 36.7] L3 [v] oui. tu demandes à qui? FRED [v] (zeigt auf S15) ohni z luege S15 [v] (schaut zuerst zur Wandtafel, dreht dann den Kopf weg) Abb. 112: Auszug aus dem Transkript UCK3L, Anhang III.III.XI Altin zeigt bei Aufgabe B (Questionnaire) einem Mitschüler, wo die Frage im Lehrwerk steht, die er stellen kann, nachdem er sie ihm vorgelesen hat: S8 [00: 26] i muess zerst frage? s glyche? Ich muss zuerst fragen? Das gleiche? Altin [00: 29] nei [kel e t ɔ ̃ ʁ ov d ə bon œʁ ] da (zeigt auf die Frage) Nein. Quel est ton *rove (meint rêve) de bonheur. Da. S8 [00: 31] [kel e t ɔ ̃ ʁɛː v d ə bon œʁ ] Quel est ton rêve de bonheur ? (Auszug 88 aus dem Transkript UBK3Su5, Anhang III.IV.VII) Die Kompensationsstrategie der „ Wiederholung “ wird bis auf eine Ausnahme in keiner Interaktion verwendet. Fred wiederholt bei der Bearbeitung von Aufgabe A (Quiz) zwei Mal ton tour, bis er die Aufmerksamkeit von Fred hat und dieser weitermacht (vgl. Abb. 113): [19] . . 54 [03: 45.2] 55 [03: 47.2] 56 [03: 56.5] 57 [03: 59.2] MIKE [v] naz i] [la futbol l futbol] (korrigiert singend) [k bj d t u la plypa d OrthoFS1 [v] Nasri? *la football, le football Combien de trous ont la FRED [v] [l futbol] (5) [t tu ] [t tu ] OrthoFS2 [v] le football ton tour ton tour Abb. 113: Auszug aus dem Transkript UAK3Su1, Anhang III.IV.III Als Mike später auf Mundart erklärt, dass er eine Frage schon gelesen habe (Transkript UAK3Su1, Anhang III.IV.III: Z. 37 - 38), wiederholt Fred wiederum C ’ est ton tour. Er wechselt so zurück zur Zielsprache (vgl. Abb. 114): 338 5 Ergebnispräsentation: Fallperspektive [38] . . 114 [09: 50.1] 115 [09: 52.3] 116 [09: 56.6] MIKE [v] scho vorhär gläse. [kel e la de in wuaiel d lalfab ]. OrthoFS1 [v] Quelle est la dernière voyelle de l’alphabet? FRED [v] [s e t t u ] [y] OrthoFS2 [v] C’est ton tour. u Abb. 114: Auszug aus dem Transkript UAK3Su1, Anhang III.IV.III Als Kommunikationsstrategie gilt auch das turntaking ( „ Wort ergreifen “ ): Die Fokusschülerinnen und -schüler der Klasse Amrein verwenden jedoch nicht die Zielsprache, um das Wort in der mündlichen Interaktion mit der Mitschülerin/ dem Mitschüler zu ergreifen. Eine Ausnahme bilden die leistungsstarken Fokusschüler Mike und Fred bei der Bearbeitung von Aufgabe A (Quiz), bei der sie das Wort abwechselnd in der Zielsprache und in der Schweizer Mundart ergreifen. Eröffnet wird das Gespräch mit der ersten Frage und beendet wird das Gespräch durch Frau Schmid. Das Gespräch wird in Gang gehalten durch Ausdrücke wie et maintenant, C ’ est ton tour., J ’ ai fini. oder Oui, ouais. Zur Mundart wechseln sie mit Ausdrücken wie Du muesch korrigiere (Du musst korrigieren.), Söu i no einisch (Soll ich nochmal? ), Fahre mir witer (Machen wir weiter.), Was müesse mir itz mache (Was müssen wir jetzt machen? ), Dies mol fasch du a (Dieses Mal beginnst du.) oder Du hesch das scho vorhär gläse (Du hast das schon vorher gelesen) (vgl. Transkript UAK3Su1, Anhang III.IV.III). Die Fokuslernenden der Klasse Amrein bitten beim Nicht-Verstehen oft um Klärung, tun dies jedoch stets in der Schulsprache Deutsch oder auf Schweizer Mundart. Dies ist sowohl mit Mitschülerinnen und Mitschülern der Fall, als auch mit Frau Schmid: Florian [00: 37] Was heisst [etwual]? Luisa [00: 40] Stern. (Auszug 89 aus dem Transkript UAK3Su2, Anhang III.IV.III) Elena [02: 37] eh Frau (Name von Lehrerin) was heisst Eisvogel auf Französisch? Luisa [02: 46] i ha ’ s i ha ’ s nochegluegt i ha ’ s nochegluegt. (4) eh wart do. Ich hab ’ s ich hab ’ s nachgeschaut, ich hab ’ s nachgeschaut (4). Eh warte, da. (Auszug 90 aus dem Transkript UBK3Su1, Anhang III.IV.VII) Die Fokuslernenden der Klasse Amrein wenden die Kommunikationsstrategie „ Kooperieren “ erfolgreich an und unterstützen sich gegenseitig. Bei den Aufgaben C (Questions) und E (Métiers), die im Plenum durchgeführt werden, 5 Ergebnispräsentation: Fallperspektive 339 ist dies nicht möglich, da Frau Schmid bei Unsicherheiten weiterhilft. Bei den Aufgaben A (Quiz) und B (Questionnaire), die in Kleingruppen bearbeitet werden, ergeben sich hingegen zahlreiche Situationen, in denen die Fokusschülerinnen und -schüler einander unterstützen. Eine Ausnahme bildet die leistungsschwache Elena, die weder bei A (Quiz) noch bei B (Questionnaire) bei Unterstützungsbedarf die Mitschülerin/ den Mitschüler als Ressource berücksichtigt und auch selbst keine Unterstützung bieten kann. Wenn beispielsweise bei der Bearbeitung von Aufgabe A (Quiz) ein Schüler (S7) sie um Unterstützung bittet, sagt sie, dass sie das nicht könne: S7 [01: 26] [k ɔ ̃ bi ɛ ̃ d ə sek ɔ ̃ d ɛ k ɛ il (.)] Wie seit me scho wieder [s ɛ ̃ ŋ k] Combien de secondes est-ce qu ’ il … (y a dans une heure et demie) ? Wie sagt man schon wieder cinq S7 [01: 37] (5) ehm [s ɛ ̃ ŋ k] Ehm cinq Elena [01: 45] i cha ’ s nid. Ich kann ’ s nicht. S7 [01: 47] [s ɛ ̃ ŋ k mil kat ʁ s ɑ ̃ (10)] Cinq mille quatre cent (Auszug 91 aus dem Transkript UAK3Su3, Anhang III.IV.III) Die Kooperation funktioniert hingegen sehr gut bei den leistungsstarken Fokusschülern Mike und Fred. Bei der Bearbeitung von Aufgabe A (Quiz) können sie einerseits vom Lernpartner Unterstützung einfordern und andererseits selber Unterstützung bieten. Beispielsweise fragt Fred nach der Korrektur von Mike nach, wie man Chinois schreibe: Fred [04: 23] [le ʃ inwuas] les Chinois (*Chinoises) Mike [04: 24] [ ʃ inwua] Chinois Fred [04: 26] aha wart wie schriebt me das? Aha, warte. Wie schreibt man das? Mike [04: 31] da staht ’ s ja Da steht ’ s ja. (Auszug 92 aus dem Transkript UAK3Su1, Anhang III.IV.III) Fred kann Mike ebenfalls unterstützen, wenn er um Hilfe gebeten wird: Mike [04: 47] [kat ʁ ] hm nei [kat ʁ ] wie seit me mal? Quatre hm nein. Quatre. Wie sagt man Mal? Fred [04: 55] nei vierzg do hinde steit vierzg (zeigt auf die Lösungen) Nein vierzig. Da hinten steht vierzig. (Auszug 93 aus dem Transkript UAK3Su1, Anhang III.IV.III) 340 5 Ergebnispräsentation: Fallperspektive Die mittelmässigen Fokuslernenden Florian und Luisa kooperieren bei der Bearbeitung der Aufgaben A (Quiz) und B (Questionnaire) erfolgreich, wobei Florian immer in der Rolle des Schülers ist, der von seiner Lernpartnerin Unterstützung einfordert und Luisa diejenige ist, die Unterstützung bietet. Bei Aufgabe B (Questionnaire) fragt Florian bei Luisa nach, wie man gagner ausspreche: Florian [00: 21] wie spricht me das nomau us? Wie spricht man das schon wieder aus? Luisa [00: 24] [ga ɲ e] gagner Florian [00: 25] ah jo genau. [ga ɲ e o loto] Ah ja genau. gagner au loto (Auszug 94 aus dem Transkript UBK3Su2, Anhang III.IV.VII) Luisa hilft Florian auch ohne Nachfrage weiter, beispielsweise wenn Florian bei der Aussprache von occupation ins Stocken gerät: Florian [01: 31] [kel e t ɔ ̃ o.okykyp] Quelle est ton *o-occuccup (meint occupation) Luisa [01: 35] [o.ky.pa.si ɔ ̃ ] o-cu-pa-tion Florian [01: 38] [okypasi ɔ ̃ p ʁ eve] occupation *prévé (Auszug 95 aus dem Transkript UBK3Su2, Anhang III.IV.VII) Die Kooperation zwischen den Fokuslernenden der Klasse Amrein findet ausschliesslich in Schweizer Mundart statt. Eine Ausnahme bilden Mike, Fred und Luisa, die bei der Bearbeitung von Aufgabe A (Quiz) auch einfache Bemerkungen in der Zielsprache verwenden, um anzuzeigen, dass sie verstehen, was gemeint ist. Mike und Fred bestätigen die Antwort jeweils mit Oui / Ouais oder sie fügen eine Ergänzung zur Antwort des Gesprächspartners hinzu: Tokyo / Tokyo city oder 5400 / 5400 secondes (vgl. Transkript UAK3Su1, Anhang III.IV.III). Luisa sagt oui / yes / Oui, c ’ est juste (vgl. Transkript UAK3Su2, Anhang III.IV.III). Die Kommunikationsstrategie „ Kontrolle und Reparaturen “ kommt in der Klasse Amrein bei den Aufgaben A (Quiz) und B (Questionnaire) zum Tragen. Bei den Aufgaben C (Questions) und E (Métiers), die im Plenum durchgeführt werden, können keine Kontrollen und Reparaturen unterhalb der Schülerinnen und Schülern stattfinden. Beim Korrigieren des Interaktionspartners/ der Interaktionspartnerin bedienen sich die Fokuslernenden drei verschiedener Formen (vgl. Tab. 67): 5 Ergebnispräsentation: Fallperspektive 341 Reparaturformen nach Lyster/ Ranta 1997 recast explicit correction metalinguistic feedback Mike x Fred x x x Luisa x x Elena x Tab. 67: Verwendete Reparaturformen in der Klasse Amrein Mike und Fred, die leistungsstarken Fokusschüler, können bei der Bearbeitung der Aufgaben A (Quiz) und B (Questionnaire) erkennen, dass eine Äusserung fehlerhaft ist, wenn der Interaktionspartner aufgrund eines inhaltlichen/ sprachlichen Problems nicht wie erwartet reagiert, und beide können im Anschluss ihre Äusserung korrigieren. Beide greifen wenn nötig mit einer Reparatur ein. Mike gelingt es, eine Selbstkorrektur aufgrund von genauem Hinhören bei Fred vorzunehmen. Er hört Fred zu und klärt für sich das Geschlecht von football: Fred [03: 45] [l ə futbol] le football Mike [03: 47] [la futbol l ə futbol] (korrigiert singend) *la football, le football (Auszug 96 aus dem Transkript UAK3Su1, Anhang III.IV.III) Es gibt aber auch Situationen, bei denen es einer Reparatur bedarf, um die Selbstkorrektur auszulösen. Fred nimmt eine explicit correction, verstärkt durch ein metalinguistic feedback vor, um Mike die korrekte Schreibweise von pink zu erklären: Fred [03: 07] [kom ɔ ̃ sapel l ə la kuloe ʁ ʁ o: z ɑ ̃ n e ŋ ɑ ̃ n ɑ ̃ ŋ gle] Comment s ’ appelle la couleur rose en anglais? Mike [03: 44] pink (schreibt Pink mit grossem Anfangsbuchstaben) Fred [03: 16] it ’ s [ ʃ mal] you have to wright it [ ʃ mal]. English is [ ʃ mal] *schmal (meint vermutlich „ klein “ für „ small “ ) (Auszug 97 aus dem Transkript UAK3Su1, Anhang III.IV.III) Mike verwendet durchgehend die Reparaturform des recast, um Fred oder andere Mitschülerinnen und Mitschüler zu korrigieren. 342 5 Ergebnispräsentation: Fallperspektive Mike [00: 31] [ke sinife lexp ʁ esi ɔ ̃ awua (? ) apeti uaso]. Que signifie l ’ expression „ avoir un appétit d ’ oiseau “ ? Fred [00: 36] [m ɑ ̃ ʒɛʁ p ə ] manger (mit ausgesprochenem Schluss-r) peu Mike [00: 38] [m ɑ ̃ ʒɛ p ə ] manger (korrekt ausgesprochen) peu Fred [00: 39] [m ɑ ̃ ʒɛ p ə ] manger (korrekt ausgesprochen) peu (Auszug 98 aus dem Transkript UAK3Su1, Anhang III.IV.III) Florian und Luisa, die mittelmässigen Fokuslernenden, korrigieren weniger als Mike und Fred, doch auch sie wenden die Strategie der Kontrolle und der Reparatur an. Florian kann die korrekte Form einer Äusserung nachsprechen, wenn ihm die korrigierte Form durch Luisa angegeben wird. Auf die Frage, womit Popcorn hergestellt werde, antwortet Florian: Florian [00: 00] [avek dy m ɛ ̃ ] avec du *mains (meint maïs) Luisa [00: 00] Wie hesch du das gschriebe? Wie hast du das geschrieben? Florian [00: 01] [mains] Luisa [00: 02] Es isch [mais] Es ist maïs. Florian [00: 04] ou, [avek dy mais] avec du maïs Luisa [00: 06] ah i muess dir vorläse. [avek k ɛ l ge ʁ al e ʃ ɔ ̃ popko ʁ n] Ah ich muss dir vorlesen. Avec quelle *guérale fait-on du popcorn ? Florian [00: 04] [avek dy me] avec du *mais (meint maïs) (Auszug 99 aus dem Transkript UAK3Su2, Anhang III.IV.III) Luisa hört aufgrund der fehlerhaften Aussprache (mains anstatt maïs), dass Florian das Wort falsch geschrieben hat und fragt nach. Florian korrigiert aufgrund der explicit correction von Luisa die Aussprache zu maïs. Bei der zweiten Wiederholung spricht er das Wort jedoch wieder fehlerhaft aus (mais anstatt maïs). Dieses Mal wird er von Luisa nicht mehr korrigiert. Es ist nicht klar, ob sie den Fokus nun stärker auf den Inhalt legt (sie geht direkt im Anschluss zur nächsten Frage über) oder ob sie selbst unsicher ist, wie die korrekte Aussprache von maïs lautet. Luisa verwendet für ihre Korrekturen auch den recast, scheint damit bei Florian jedoch weniger erfolgreich zu sein. Als sie seine Aussprache von alphabet mittels eines recast korrigiert, führt dies nicht zu einer Selbstkorrektur: 5 Ergebnispräsentation: Fallperspektive 343 Florian [01: 43] [k ɛ l ɛ la de ʁ ina wuaial d ə la al fa b ɛː t] Quelle est la dernière voyelle de *l ’ alphabet ? (mit ausgesprochenem Schluss-t) Luisa [01: 48] [lalfab ɛː ] l ’ alphabet (korrekt ausgesprochen, mit langgezogenem Schluss-e) Luisa [01: 51] [kel e le n ɔ ̃ (.) g ʁ o blo blok blo blok de glas]. Quel est le nom (d ’ un) gros *blo bloc *blo bloc de glace ? (Auszug 100 aus dem Transkript UAK3Su2, Anhang III.IV.III) Florian korrigiert Luisa nicht, doch eine Reparatur von Luisa führt im Sinne von „ Lernen durch Lehren “ zu einer Selbstkorrektur. Luisa spricht occupation zu Beginn der Interaktion fehlerhaft aus: Luisa [00: 00] [kel e t ɔ ̃ okypidasi ɔ ̃ pe ʁ fe ʁ e] Quelle est ton *occupidation (meint occupation) préférée? (Auszug 101 aus dem Transkript UBK3Su2, Anhang III.IV.VII) Florian hat ebenfalls Mühe, dieses Wort korrekt auszusprechen und gerät ins Stocken. Luisa hilft ihm weiter und spricht dabei das Wort Silbe für Silbe korrekt aus. Dies führt dazu, dass auch Luisa dieses Wort nun korrekt ausspricht: Florian [01: 31] [kel e t ɔ ̃ o.okykyp] Quelle est ton o-occuccup Luisa [01: 35] [o.ky.pa.si ɔ ̃ ] o-cu-pa-tion Florian [01: 38] [okypasi ɔ ̃ p ʁ eve] occupation *prévé (Auszug 102 aus dem Transkript UBK3Su2, Anhang III.IV.VII) Bei Aufgabe B (Questionnaire) interagiert Luisa mit Mike, der eine Korrektur vornimmt: Luisa [00: 40] [kel e ta kul œʁ pe ʁ fe ʁ e] Quelle est ta couleur *perférée? Mike [00: 43] [p ʁ efe ʁ e] préférée Luisa [00: 44] [p ʁ efe ʁ e] préférée Mike [00: 46] [l ə ve ʁ ] le vert (Auszug 103 aus dem Transkript UBK3Su3, Anhang III.IV.VII) Mike korrigiert die Aussprache von préférée mittels eines recast. Dafür unterbricht er die Frage-Antwort-Sequenz und gibt erst nach erfolgter Selbstkorrektur seine Antwort. Luisa nimmt in der Folge eine Übergeneralisierung vor, 344 5 Ergebnispräsentation: Fallperspektive indem sie auch die Präsens Indikativ Form préfères bei ihrer nächsten Frage wie das participe passé ausspricht und bei der übernächsten Frage bei préférés wiederum ins Stocken gerät. Dabei wird sie von Mike nicht mehr korrigiert. Bei der dritten Frage schliesslich spricht sie préférées korrekt aus. Offenbar bewirkt die Korrektur von Mike, dass Luisa der Aussprache dieser Form mehr Beachtung schenkt: Luisa [00: 52] [kel waso p ʁ efe ʁ e ty] Quel oiseau préfères-tu ? Mike [00: 56] [l ə ko ʁ bo] le corbeau Luisa [00: 59] [kel s ɔ ̃ tes e ʁ o p ʁ efe ʁ e] nei [p ʁ efe p ʁ efe] Quels sont tes héros préférés ? Nein: *préfé *préfé Mike [01: 03] Agatha Christie Luisa [01: 06] [kel s ɔ ̃ ta no.nu ʁ yt ʁ e la bwas ɔ ̃ p ʁ efe ʁ e] Quelles sont ta nourriture et ta boisson préférées? (Auszug 104 aus dem Transkript UBK3Su3, Anhang III.IV.VII) Elena, die leistungsschwache Fokusschülerin, korrigiert ihren Lernpartner Altin bei der Bearbeitung von Aufgabe A (Quiz) mittels eines recast, was jedoch nicht zu einer Selbstkorrektur führt: Elena [00: 16] [kel (2) kel m ɔ ̃ d kom komsa pa ʁ l ə let ʁ se designe œ ̃ ʁ egrupm ɛ ̃ detwual] Quel *monde (für mot) commençant par la lettre „ G “ désigne un regroupement d ’ étoiles? Altin [00: 39] [yn grob] *une *grobe (meint un globe) Elena [00: 42] (8) [yn glob] *une globe (Auszug 105 aus dem Transkript UAK3Su3, Anhang III.IV.III) Elena korrigiert nach acht Sekunden Pause grobe zu globe, belässt jedoch den fehlerhaften femininen Begleiter. Es ist auch zu beachten, dass Elena zwar die Form korrigiert, nicht aber den Inhalt. Die korrekte Antwort auf die Frage wäre la galaxie, nicht le globe. Allerdings verwechselt Elena beim Stellen der Frage le mot (das Wort) und le monde (die Welt), was die beiden Lernenden u. U. zu dieser fehlerhaften Antwort verleitet. Altin nimmt Selbstkorrekturen vor, wenn er bei der Bearbeitung von Aufgabe B (Questionnaire) von Mike korrigiert wird. Bei rose gelingt ihm dies nicht ganz, bei occupation gelingt es ihm ziemlich gut: 5 Ergebnispräsentation: Fallperspektive 345 Mike [02: 50] [kel fl œʁ ɛː m ty] Quelle fleur aimes-tu? Altin [02: 52] [la ʁ os] la *ross (für rose) Mike [02: 53] [la ʁ o: z] la rose (korrekt ausgesprochen) Altin [02: 54] [la ʁ o: s] la *roos (für rose) (Auszug 106 aus dem Transkript UBK3Su4, Anhang III.IV.VII) Altin [02: 11] [kel e t ɔ ̃ oku okupasi] Quelle est ton occu occupati (für occupation) Mike [02: 15] [okypasi ɔ ̃ ] occupation Altin [02: 11] [okypasi ɔ ̃ p ʁ e.fe ʁ e] occupation préférée Mike [02: 19] [ ɛː t ʁ avek dezami] être avec des amis (Auszug 107 aus dem Transkript UBK3Su4, Anhang III.IV.VII) Die Selbstkorrekturen sind wenig nachhaltig, denn in der nächsten Gesprächsrunde, die Altin mit dem Mitschüler S8 führt, spricht er occupation wieder fehlerhaft aus und konzentriert sich bei rose offenbar so sehr auf das Wortende, dass er den Anfang mit rollendem r ausspricht: Altin [00: 16] [kel e t ɔ ̃ okyki ʃ n p ʁ e.fe ʁ e] Quelle est ton occucichn (für occupation) préférée S8 [00: 20] [ ʒ ue o fut] jouer au foot [ … ] Altin [01: 11] [la roz] la rose (mit gerolltem r) (Auszug 108 aus dem Transkript UBK3SU5, Anhang III.IV.VII) 5.3.4.3.3 Kommunikative Kompetenzen (D3) Bei den kommunikativen Kompetenzen wird als erster Teilbereich die Beherrschung der Phonologie und der Phonetik betrachtet. Alle Fokuslernenden der Klasse Amrein erreichen bei der Bearbeitung der Aufgaben A (Quiz), B (Questionnaire) und C (Questions) mindestens die mittlere, manchmal auch die oberste Stufe der Skala (vgl. Anhang II.VII). Bei der Aufgabe E (Métiers) sprechen sie zu wenig, um die Beherrschung der Phonologie und der Phonetik beurteilen zu können. 346 5 Ergebnispräsentation: Fallperspektive Mike und Fred, die leistungsstarken Fokusschüler, erreichen bei der Aufgabe A (Quiz), B (Questionnaire) und C (Questions) durchgehend die oberste Stufe. Sie sprechen grundsätzlich mit einem geringen Akzent Französisch, so dass sie wenig Anstrengung aufbringen müssen, um sich gegenseitig zu verstehen. Sie können beide die meisten Laute mehrheitlich verständlich aussprechen, aber es gibt auch Laute, die beiden Probleme machen: Beispielsweise sprechen beide -gnals [gn] anstatt als [ ɲ ] aus. Die beiden mittelmässigen Fokuslernenden Luisa und Florian können eine begrenzte Anzahl von Lauten meistens verständlich aussprechen. Auf dem Fragebogen gibt Florian als seine Erstsprache Schweizer Mundart an. Florian spricht typische Laute des französischen Lautsystems wie [ ʁ ] oder die Nasale [ ɑ ̃ , ɛ ̃ , ɔ ̃ ] korrekt aus, wodurch seine Äusserungen oft akzentfrei klingen. Allerdings spricht er bestimmte Wörter oder Laute analog zum (Schweizer-)deutschen Lautsystem aus. Beispielsweise sagt er [tulp] für tulipe (vgl. Transkript UBK3Su2, Anhang III.IV.VII), was an Armins und Pauls Aussprache aus der Klasse Längmatt erinnert. Er spricht auch den Schluss -s von héros und prénoms aus (vgl. ebd.). Luisa gibt Englisch und Deutsch als ihre Erstsprachen an und bei ihrer Aussprache ist teilweise ein englischer Einfluss zu hören. Sie spricht beispielsweise tes héros als [tezhiro] wie auf Englisch aus, korrigiert es dann aber zu [tezhero], einer Mischform zwischen Englisch und Französisch (vgl. Transkript UBK3Su1, Anhang III.IV. VII). Bei anglais wird sie ebenfalls zur englischen Aussprache verleitet und sagt dafür [ingli], was an English erinnert (vgl. Transkript UCK3L, Anhang III.III. XI). Altin, der leistungsschwache Fokusschüler, gibt als Erstsprachen Türkisch und Schweizer Mundart an. Er spricht typische Laute des französischen Lautsystems wie beispielsweise den [ ʒ ]-Laut in Sätzen wie Je joue au foot und auch den [ ʁ ] meist korrekt aus, wodurch seine Äusserungen oft akzentfrei klingen. Bestimmte Ausdrücke spricht er aber so aus, dass die Mitschülerin viel Anstrengung aufbringen muss, um ihn zu verstehen. Dies ist bei aimes der Fall, was er als [ame] ausspricht (vgl. Transkripte UBK3Su4 und UBK3Su6, Anhang III.IV.VII). Elena, ebenfalls leistungsschwache Fokusschülerin, gibt als Erstsprachen Italienisch und Schweizer Mundart an und bei ihrer Aussprache ist teilweise ein italienischer Einfluss zu hören. Sie spricht zum Beispiel comment wie im Italienischen ohne Nasale aus: [come]. Die stummen Endungen spricht sie ebenfalls aus, was als Einfluss aus dem Italienischen oder dem Deutschen gedeutet werden kann (z. B. [spo ʁ t], [p ʁ atike], [peis], [pa ʁ is]). Für Egypte probiert Elena verschiedene Formen aus wie [ ɛʒ ipta], [egipt], [e ʒ ipte]. Diese könnten sowohl vom italienischen (Egitto) als auch vom deutschen Einfluss (Ägypten) geprägt sein. Auch im zweiten Teilbereich der Kommunikativen Kompetenzen, bei der Flüssigkeit, erreichen alle Fokuslernenden der Klasse Amrein bei der Bearbei- 5 Ergebnispräsentation: Fallperspektive 347 tung der Aufgaben A (Quiz), B (Questionnaire) und C (Questions) mindestens die mittlere, manchmal auch die oberste Stufe der Skala und die Leistungen der Fokuslernenden unterscheiden sich nur wenig (vgl. Anhang II.VII). Bei der mehrmaligen Bearbeitung von Aufgabe B (Questionnaire), die durch das Format des speed-datings gegeben ist, können sich alle Fokuslernenden relativ flüssig ausdrücken. Bei der Bearbeitung von Aufgabe C (Questions) siedeln sich ebenfalls alle Fokuslernenden auf der obersten Stufe an, da alle Redebeiträge vorbereitet sind und alle Schülerinnen und Schüler ihre Fragen flüssig vortragen. Unterschiede zeigen sich einzig bei der Bearbeitung der Aufgabe A (Quiz), bei der die Lernenden deutlich mehr und unvorbereitete Redebeiträge produzieren. Die leistungsstarken Fokusschüler Mike und Fred sprechen auch bei Aufgabe A (Quiz) flüssig. Sie können sich in kurzen Redebeiträgen mit eigenen Formulierungen oder memorierten Wendungen grundsätzlich verständlich machen und dabei ziemlich flüssig sprechen. Florian und Luisa, die mittelmässigen Fokukslernenden, können sehr kurze, isolierte und meist vorgefertigte Äusserungen benutzen, machen dabei aber Pausen, um nach Ausdrücken zu suchen oder um weniger vertraute Wörter zu artikulieren. Beispielsweise sucht Luisa nach dem passenden Ausdruck und experimentiert mit dem Adjektiv vert herum: Luisa [00: 51] [kel magazin? (1) kel magazin ɛ signalise pa ʁ yn c ʁ ua v ɛʁ v ɛʁ t v ɛʁ de v ɛʁ t] Quel *magazine? Quel *magazine (meint magasin) est signalisé par une croix *vert verte *verde verte ? (Auszug 109 aus dem Transkript UAK3Su2, Anhang III.IV.III) Altin und Elena, die leistungsschwachen Fokuslernenden, können wie Florian und Luisa sehr kurze, isolierte und meist vorgefertigte Äusserungen benutzen, machen dabei aber Pausen, um nach Ausdrücken zu suchen oder um weniger vertraute Wörter zu artikulieren. Zum Beispiel setzt Elena für la couleur und rose bei der Bearbeitung von Aufgabe A (Quiz) mehrmals an: Elena [02: 04] [kome sapel la l ə la kul œʁ ʁ o ʁ os ɑ ̃ n ɑŋ gl ɛ ]. *Come (meint Comment) s ’ appelle la *le la couleur *rorose en anglais? (Auszug 110 aus dem Transkript UAK3Su3, Anhang III.IV.III) Auch im dritten Teilbereich zu den Kommunikativen Kompetenzen, dem Spektrum sprachlicher Mittel, unterscheiden sich die Leistungen der Fokuslernenden nur wenig (vgl. Anhang II.VII). Bei der Bearbeitung von Aufgabe C (Questions) siedeln sich alle Fokuslernenden auf der obersten Stufe an, da alle Redebeiträge vorbereitet sind und alle Schülerinnen und Schüler die einfachen Satzmuster oder die memorierten Sätze grundsätzlich korrekt verwenden. Bei 348 5 Ergebnispräsentation: Fallperspektive Aufgabe B (Questionnaire) siedeln sich ebenfalls alle Fokuslernenden auf der obersten Stufe an, wenn sie Fragen stellen, da sie die kurzen gebräuchlichen Ausdrücke resp. die einfachen Satzmuster grundsätzlich korrekt verwenden. Wenn sie hingegen Antworten auf die Fragen geben, siedeln sie sich auf der mittleren Stufe an, denn die Antworten erfolgen bei allen in Form von Einzelwörtern. Bei Aufgabe E (Métiers) sagen sie nichts oder zu wenig in der Zielsprache, um das Spektrum zu beurteilen. Unterschiede zeigen sich wiederum einzig bei der Bearbeitung der Aufgabe A (Quiz). Mike und Fred siedeln sich auch bei Aufgabe A (Quiz) auf der obersten Stufe an. Sie können kurze gebräuchliche Ausdrücke, einfach Satzmuster oder memorierte Sätze grundsätzlich korrekt verwenden. Florian und Luisa siedeln sich bei Aufgabe A (Quiz) auf der mittleren Stufe an. Sie können sehr elementare Wendungen verwenden, aber memorierte Sätze oder Redeformeln verwenden sie nur selten, wie im nachfolgenden Auszug Mhm, ok oder oui c ’ est juste (vgl. Abb. 115): [24] . . 50 [03: 40.6] 51 [03: 42.6] 52 [03: 44.6] 53 [03: 48.9] 54 [03: 50.9] FLORIAN [v] naz i]. Mhm ok. [l fut bo: l] OrthoFS3 [v] Nasri? le football LUISA [v] [l futbol] [k l spo p atik sami naz i]. [wui se OrthoFS4 [v] le football Quel sport pratique Samir Nasri? oui c'est [25] . . 55 [03: 52.1] 56 [03: 59.1] FLORIAN [v] [k bi (lacht) d t u la plyp d pa ku d golf]. OrthoFS3 [v] Combien de trous ont la plupart des parcours de golf? LUISA [v] yst] [k bi de t u la OrthoFS4 [v] juste Combien de trous ont Abb. 115: Auszug aus dem Transkript UAK3Su2, Anhang III.IV.III Es kann auch zu Versprechern, Auslassungen oder Reduktionen kommen (vgl. Auszug 111): Florian [00: 42] [k ɛ sinif ɛ exp ʁɛ sio awua abit ɛ uaso]. Que signifie l ’ expression „ avoir un *habiter (meint appétit) d ’ oiseau “ ? (Auszug 111 aus dem Transkript UAK3Su2, Anhang III.IV.III) Bei der Bearbeitung von Aufgabe B (Questionnaire) schneiden Florian und Luisa wie alle anderen Fokuslernenden ab: Sie erreichen die höchste Stufe, wenn sie Fragen stellen, doch wenn sie Antworten auf die Fragen geben, siedeln sie sich auf der mittleren Stufe an, denn die Antworten erfolgen in 5 Ergebnispräsentation: Fallperspektive 349 Einzelwörtern. Allerdings liegt dies weniger am Sprachniveau, sondern am Frage-Antwort-Format: Sogar wenn die Fokuslernenden eine Frage in der Schulsprache Deutsch beantworten, erfolgt dies nicht in Sätzen, sondern in Einzelwörtern: Luisa [01 : 23] [kel s ɔ ̃ ta nu ʁ yte e la bwas ɔ ̃ pe ʁ fe ʁ e] Quelle sont ta nourriture et ta boisson préférées? Florian [01: 27] [ ʁœ sti] Rösti (Auszug 112 aus dem Transkript UBK3Su2, Anhang III.IV.VII) Altin und Elena befinden sich bei der Bearbeitung aller Aufgaben auf demselben Niveau wie Florian und Luisa. Für den Bereich des sprachlichen Spektrums sind zwischen diesen vier Fokuslernenden keine Unterschiede auszumachen. 5.3.4.3.4 Plurilinguales Sprechen (D4) Die Fokusschülerinnen und -schüler der Klasse Amrein geben als ihre Erstsprache(n) Deutsch, Englisch, Türkisch und Italienisch an. Das plurilinguale Sprechen zeigt sich im Nutzen von Französisch, Deutsch, Englisch und Italienisch. Die oberste Stufe der Skala zum plurilingualen Sprechen erreicht nur ein Fokusschüler, nämlich Fred bei der Bearbeitung von Aufgabe A (Quiz) (vgl. Anhang II.VII), indem er im Kontakt mit Englisch das Gespräch mit dem Mitschüler in dieser Sprache fortsetzt (vgl. Auszug 97). Er setzt das Gespräch mit Mike in Englisch fort, wenn er ihn korrigiert und ihm eine Orthografieregel aus dem Englischen erklärt. Es kann sein, dass Fred ins Englische wechselt, weil er weiss, dass Mike auch mit Englisch aufwächst und ihn versteht. Alle anderen Fokuslernenden erreichen bei der Bearbeitung der Aufgaben A (Quiz), B (Questionnaire) und/ oder C (Questions) die mittlere Stufe, da sie im Kontakt mit Englisch, Deutsch oder Italienisch ausgewählte Merkmale dieser Sprachen in die Interaktion in der Zielsprache einbringen können (z. B. Aussprache der anderen Sprache für bestimmte Ausdrücke übernehmen, wenn diese andere Sprache Thema der Diskussion ist oder wenn ein Ausdruck aus einer anderen Sprache verwendet wird). Wenn die Fokusschülerinnen und -schüler über Namen aus dem englischsprachigen Gebiet sprechen, dann übernehmen sie dafür die englische Aussprache. New York wird von allen Fokuslernenden Englisch ausgesprochen, wie dies das nachfolgende Beispiel von Elena bei der Bearbeitung von Aufgabe B (Questionnaire) zeigt (vgl. Auszug 113): 350 5 Ergebnispräsentation: Fallperspektive Luisa [00: 25] [u em ʁ e ty viv ʁ ] Où aimerais-tu vivre? Elena [00: 28] [a pa ʁ i o a nujork] À Paris *o (meint ou) à New York (Englisch ausgesprochen). Elena [00: 31] [nujork] New York (Englisch ausgesprochen) (Auszug 113 aus dem Transkript UBK3Su1, Anhang III.IV.VII) Eine Ausnahme bilden Mike und Luisa, deren Erstsprachen Deutsch und Englisch sind. Mike unternimmt bei der Bearbeitung von Aufgabe A (Quiz) den Versuch, New York Französisch auszusprechen, wovon beispielsweise seine Aussprache des [ ʁ ]-Lautes zeugt: Mike [03: 34] [a najo ʁ k] À *Na (meint New) York (Auszug 114 aus dem Transkript UAK3Su1, Anhang III.IV.III) Auch Luisa spricht englische Eigennamen Französisch aus, obschon resp. weil Englisch ihre Erstsprache ist. Beispielsweise spricht sie New York zuerst wie Mike mit dem [ ʁ ]-Laut auf Französisch aus, dann wiederholt Florian den Namen mit englischer Aussprache, worauf Luisa ins Englische shiftet und mit yes [ … ] New York (mit englischer Aussprache) bestätigt. Luisa [03: 24] [u s ə t ʁ uv la statue de la libe ʁ te]. Où se trouve la Statue de la Liberté? Luisa [03: 28] [niujo ʁ k] New York Florian [03: 30] New York (englisch ausgeprochen) Luisa [03: 31] yes [ … ] (unverständlich) New York (englisch ausgesprochen) (Auszug 115 aus dem Transkript UAK3Su2, Anhang III.IV.III) Die Fokuslernenden gehen unterschiedlich mit italienischen Ausdrücken um. Die meisten sprechen zum Beispiel grazie mit einer italienischen Aussprache aus, wie auch Elena, die mit Deutsch und Italienisch als Erstsprachen aufwächst: Elena [02: 56] Grazie (mit italienischem Akzent, lacht) (Auszug 116 aus dem Transkript UAK3Su3, Anhang III.IV.III) Es gibt aber auch Schülerinnen und Schüler, die französische Ausspracheregeln für das Wort anwenden. Beispielsweise tut dies Florian bei der Bearbeitung von Aufgabe A (Quiz): Florian [04: 21] [g ʁ asi] *grazie (französisch ausgesprochen) (Auszug 117 aus dem Transkript UAK3Su2, Anhang III.IV.III) 5 Ergebnispräsentation: Fallperspektive 351 Elena verwendet zwei weitere Male italienische Ausdrücke. Sie gibt bei der Bearbeitung von Aufgabe C (Questions) zwei Antworten auf Italienisch und wird dafür einmal von einem Mitschüler und einmal von Frau Schmid aufgerufen (vgl. Abb. 116 und 117): [24] . . 60 [14: 15.8] 61 [14: 19.0] L3 [v] vitesse. Cette question-là c'est (Name von Florian) oui. tu FLORIAN [v] [ki a v FLORIAN (ortho) Qui a inventé le nutella? [25] . . 62 [14: 21.7] 63 [14: 23.7] 64 [14: 26.2] 65 [14: 27.7] 66 [14: 29.7] L3 [v] demandes à qui? non. fe- Ferrero Ferrero ELENA [v] Pietro e Giovanni Ferre Ferrero FLORIAN [v] (Name von Elena) Abb. 116: Auszug aus dem Transkript UCK3L, Anhang III.III.XI [61] . . 145 [18: 45.2] 146 [18: 46.8] L3 [v] te plaît? là? (zeigt auf Frage an der Wandtafel) ALTIN [v] [kom ALTIN (ortho) Comment s'appelle la couleur [62] . . 147 [18: 50.8] 148 [18: 52.8] 149 [18: 55.3] L3 [v] oui tu demandes à qui? (Name von Elena) ELENA [v] (hält Hand hoch) [atsuro] ELENA (ortho) azzuro S10 [v] (hält Hand hoch) ALTIN [v] itali ] (Name von Elena) ALTIN (ortho) ? Abb. 117: Auszug aus dem Transkript UCK3L, Anhang III.III.XI Insbesondere die mittelmässigen und die leistungsschwachen Fokusschülerinnen und -schüler sprechen Wörter oder Wortkombinationen, die an deutsche Wörter erinnern, mit deutscher Aussprache aus. Beispielsweise spricht Florian la tulipe ähnlich wie auf Deutsch als la *toulpe aus (vgl. Transkript UAK3Su2, Anhang III.IV.III), wie dies auch Paul aus der Klasse Längmatt tut. Bei der Bearbeitung von Aufgabe B (Questionnaire) spricht Altin den Anfang des Wortes le pinguouin ebenfalls auf Deutsch aus: [pi ŋ gu ɛ ̃ pi ŋ gu ɛ ̃ : ]. Alle switchen daraufhin wieder zurück ins Französische. 352 5 Ergebnispräsentation: Fallperspektive 5.3.5 Integrierte Darstellung (Einschätzung, Befragung, Beobachtung) Die Selbsteinschätzungen der Sprechkompetenzen der Fokuslernenden der Klasse Amrein decken sich bis auf eine Ausnahme mit der Einteilung zu leistungsstarken, mittelmässigen und leistungsschwachen Fokusschülerinnen und -schülern durch Frau Schmid. Die Unterrichtsbeobachtungen mit Fokus auf die Lernenden bestätigen mehrheitlich die angegebenen Niveaus von Frau Schmid. Im Fragebogen, der auf die kommunikativen Kompetenzen ausgerichtet ist, schätzt sich Mike zwischen den Niveaus A1.2 und A2.2 und Fred zwischen den Niveaus A2.1 und A2.2 ein (vgl. Tab. 20). In den drei Skalen zu den kommunikativen Kompetenzen (Beherrschung der Phonologie und der Phonetik (Akzent, Aussprache einzelner Laute), Flüssigkeit, Spektrum sprachlicher Mittel) erreichen sie jeweils die höchste Stufe, die dem Niveau A2.2 entspricht (vgl. Anhang II.VII). Damit liegen sie bei der Bearbeitung der Aufgaben A (Quiz), B (Questionnaire) und C (Questions) über den Vorgaben des Lehrplans für das Ende der sechsten Klasse und Frau Schmid stuft sie offensichtlich zu Recht als leistungsstark ein. Florian und Luisa situieren sich in den drei Skalen zu den kommunikativen Kompetenzen entweder in der mittleren oder in der höchsten Stufe, was den Niveaus A2.1 und A2.2 entspricht (vgl. ebd.). Damit erreichen sie bei der Bearbeitung der Aufgaben zum interaktiven Sprechen die Vorgaben des Lehrplans für das Ende der sechsten Klasse und Frau Schmid stuft sie wiederum zu Recht als mittelmässig ein. Florian und Luisa schätzen sich beide zwischen den Niveaus A1.2 und A2.2 ein, womit sie je nach zu bearbeitender Aufgabe richtig liegen dürften (vgl. Tab. 21). Altin schätzt sich auf dem Fragebogen tiefer ein als seine Mitschülerinnen und Mitschüler: Er gibt die Niveaus A1.2 und A2.1 an. Elena schätzt ihre Sprechkompetenzen hingegen auf die Niveaus A2.1 und A2.2 ein, wird von Frau Schmid jedoch als leistungsschwache Fokusschülerin ausgewählt (vgl. Tab. 22). In den drei Skalen zu den kommunikativen Kompetenzen situieren sich die leistungsschwachen Fokuslernenden auf dem gleichen Niveau wie die mittelmässigen Fokuslernenden (vgl. Anhang II.VII). Das Leistungsgefälle zeigt sich hingegen in der Menge der produzierten Sequenzen und in deren Qualität. Frau Schmid befürchtet, dass ihre Schülerinnen und Schüler nicht Französisch sprechen, wenn sie in Gruppen arbeiten. Die Video- und Audioaufnahmen zeugen jedoch von hohen Sprechzeiten in der Zielsprache bei den Aufgaben A (Quiz) und B (Questionnaire), die in Paararbeit bearbeitet werden. Es kann natürlich sein, dass sich die Fokuslernenden aufgrund der Beobachtung mehr engagieren, als sie dies in einer anderen Französischstunde tun. 5 Ergebnispräsentation: Fallperspektive 353 Dennoch sprechen sie alle, von den leistungsschwachen bis zu den leistungsstarken Fokusschülerinnen und -schülern, deutlich mehr Französisch, wenn sie eine Aufgabe in Paararbeit bearbeiten, als wenn die Aufgabe ins Plenum verlagert wird. Bei den Aufgaben C (Questions) und E (Métiers) sprechen die Fokusschülerinnen und -schüler zwischen 0 % bis maximal 12 %. Ferner ist festzustellen, dass bei einer Bearbeitung im Plenum keine Möglichkeiten zur Differenzierung gegeben sind: Die Fokuslernenden schneiden bei allen Kategorien quantitativ und qualitativ gleich ab. Bei den Aufgaben, die in Kleingruppen bearbeitet werden, stellt sich eine natürliche Differenzierung ein. Die Aussagen der Schülerinnen und Schüler in der Gruppendiskussion decken sich nur teilweise mit den Erkenntnissen aus den Unterrichtsbeobachtungen mit Fokus auf die Lernenden (vgl. Kap. 5.3.4.3): Die Schülerinnen und Schüler geben an, dass sie stocken würden. Die Flüssigkeit ist aber bei allen Fokuslernenden durchwegs hoch. Als besondere Schwierigkeit beim Sprechverfahren geben die Schülerinnen und Schüler der Klasse Amrein das Formulieren einer Aussage und deren Artikulation an. Auch im Bereich der Phonetik und der Phonologie siedeln sich die Fokuslernenden auf der obersten Stufe an, was wiederum auf eine Diskrepanz zwischen der Wahrnehmung der Fokusschülerinnen und -schüler und deren Leistung darstellt, wobei festzuhalten ist, dass nur das beobachtbar ist, was von den Lernenden tatsächlich ausgesprochen wird. Hingegen lässt sich beobachten, dass die Fokuslernenden effektiv Schwierigkeiten haben, ganze Sätze zu formulieren. Sie antworten oft mit kurzen Redebeiträgen oder verwenden vorgefertigte Strukturen (chunks), um sich zu verständigen. Dieses sprachliche Verhalten entspricht dem A- Niveau, das die Schülerinnen und Schüler am Ende der 6. Klasse erreichen müssen. In der Klasse Amrein korrigieren sich die Fokuslernenden gegenseitig, ohne dass Frau Schmid bei den Einführungen zu den Sprechaufgaben einen Hinweis darauf gibt. Mike ist der Fokusschüler, der seine InteraktionspartnerInnen mit Abstand am meisten von allen Fokuslernenden der Klasse Amrein korrigiert. Er verfügt über ein entsprechend hohes Sprachniveau. Luisa korrigiert ebenfalls oft und mit verschiedenen Formen ihre Mitschülerinnen und Mitschüler. Beide geben als weitere Erstsprache die zweite schulische Fremdsprache Englisch an, und fühlen sich u. U. auch deshalb berechtigt, Korrekturen vorzunehmen. 354 5 Ergebnispräsentation: Fallperspektive 5.4 Sprechen in der Klasse Hoger 5.4.1 Selbst- und Fremdeinschätzung Die Tabelle 68 zeigt die Selbsteinschätzung der Schülerinnen und Schüler der Klasse Hoger in Bezug auf ihre Sprechkompetenz. 58 Die Mehrheit der Schülerinnen und Schülern schätzt ihre Leistung in der Kompetenz Sprechen in den Bereichen Interaktion, Spektrum und Korrektheit auf A2.1 ein, im Bereich der Korrektheit verteilt sich die Mehrheit auf A2.1 und A2.2: Bereiche zur mündlichen Kommunikation (vgl. Lenz/ Studer 2007) Interaktion Spektrum Korrektheit Flüssigkeit Kompetenzniveau nach GER A2.2 50 % 69 % A2.1 94 % 88 % 75 % 69 % A1.2 56 % 81 % Tab. 68: Selbsteinschätzung der Sprechkompetenz der Lernenden der Klasse Hoger In den Bereichen Korrektheit und Flüssigkeit situieren sie sich mit 75 % resp. 69 % auf dem Niveau A2.1 und mit 50 % resp. 69 % auf dem Niveau A2.2. Damit liegen sie über den Vorgaben des Lehrplans. Bei der Interaktion wählen 94 % das Niveau A2.1 und 56 % das nächsttiefere Niveau A1.2. Die Mehrheit gibt also auch hier an, das vorgegebene Niveau des Lehrplans zu erreichen. Im Bereich Spektrum geben 88 % das Niveau A2.1 an, 81 % entscheiden sich für Deskriptoren des Niveaus A1.2. In diesem Bereich werden die Vorgaben des Lehrplans nach Angaben der Schülerinnen und Schüler von der Mehrheit der Klasse zwar erreicht, für viele trifft jedoch auch das nächsttiefere Niveau zu. Die Tabelle 69 zeigt die Fremdeinschätzung von Frau Gerber in Bezug auf die Sprechkompetenz ihrer Klasse. Das angegebene Niveau für die verschiedenen Bereiche ist jeweils grau hinterlegt. 58 Da die Schülerinnen und Schüler pro Bereich zur mündlichen Kommunikation mehrere Deskriptoren ankreuzen können, liegt das Total über 100 % (vgl. Kap. 4.4.2). Die höhere Prozentzahl ist jeweils fett gedruckt und grau hinterlegt. 5 Ergebnispräsentation: Fallperspektive 355 Bereiche zur mündlichen Kommunikation (vgl. Lenz/ Studer 2007) Interaktion Spektrum Korrektheit Flüssigkeit Kompetenzniveau nach GER A2.2 A2.1 A1.2 Tab. 69: Einschätzung der Sprechkompetenz der Lernenden der Klasse Hoger durch Frau Gerber Frau Gerber ist der Meinung, dass die Lernenden in drei von vier Bereichen das vom Lehrplan vorgegebene Niveau A2.1 erreichen. Im Bereich des Spektrums erreichen sie ihrer Einschätzung nach das Niveau A1.2. Die Schülerinnen und Schüler der Klasse Hoger schätzen ihre Sprechleistungen zwar etwas höher ein als ihre Lehrerin Frau Gerber, doch in der Gruppendiskussion heben sie die grossen Leistungsunterschiede innerhalb ihrer Klasse hervor. Bei der Leistungseinschätzung finden sie ziemlich gut, was die anderen Schülerinnen und Schüler auf dem Video zeigen. Sie kritisieren jedoch deren Flüssigkeit und Lautstärke, die sie auf die Unsicherheit zurückführen: Also ich finde, sie haben ’ s gut gemacht. Was mir ein bisschen aufgefallen ist, also ich glaube, das mache ich auch, ehm, dass sie manchmal ein bisschen so gestockt haben. Also bei der Aussprache ein bisschen. Also, dass es nicht so fliessend war. / Ja. Und sie hatten manchmal auch so die Endungen wie abgehakt, sozusagen. [ … ] Ich glaube vielleicht eben verunsicherten sie sich ein bisschen und dann wird man halt eben automatisch leiser (Transkript GK4Su1, Anhang III.II.VII). Eine Schülerin fragt sich, ob die Lernenden auf dem Video überhaupt verstehen würden, was sie lesen (Gk4Su1, Anhang III.II.VII). Auf die Frage, ob sie dies besser könnten als die Schülerinnen und Schüler auf dem Video, geben die Lernenden der Klasse Hoger verschiedene Antworten und weisen darauf hin, dass die Niveaus in der Klasse unterschiedlich seien: Ich weiss nicht. / Ja. Kommt drauf an. / Ja. Also zum Teil schon. Andere vielleicht nicht, andere besser. / Ja schon. / Gleich gut wahrscheinlich. Wenn wir es vielleicht ein bisschen üben, dann könnten wir es schon ein bisschen besser. Wenn wir es jetzt mehrmals gelesen haben (ebd.). Nein. Aber zum Beispiel Seite so und so würden wir auch sagen (Transkript GK4Su2, Anhang III.II.VIII) 356 5 Ergebnispräsentation: Fallperspektive Bei der Einschätzung der Sprechkompetenz ihrer Schülerinnen und Schüler weist Frau Gerber wie auch Frau Huber und Frau Schmid darauf hin, dass Wortschatz- oder Grammatikwissen zwar vorhanden sei, aber jeweils zunächst wieder aktiviert werden müsste, damit die Schülerinnen und Schüler darüber verfügen könnten: Ja, also eben. Das kommt auch drauf an. Wenn jetzt dieser parcours nahe ist noch, oder noch nicht allzu weit entfernt oder noch nicht so lange her. Zum Beispiel bei den événements und curiosité oder, da kommen ja diese Fragen vor und dann wissen sie ’ s noch. Aber ich hab dann die Fragen wieder aufgegriffen. Später, ein Jahr später etwa. Und dann war viel schon nicht mehr bekannt. Oder bei vielen, das haben sie nicht mehr gewusst, obwohl wir ’ s eigentlich so intensiv da behandelt haben (Transkript IK4L, Anhang III. I.IV). Frau Gerber verbindet das Spektrum stark mit Grammatik. Da ihrer Meinung nach die Konjugation im Lehrwerk nicht systematisch aufgebaut wird, könne sie ihre Schülerinnen und Schüler in diesem Bereich nicht höher als A1.2 einschätzen. Auch in Bezug auf die Heterogenität in der Klasse deckt sich ihre Aussage mit derjenigen von Frau Schmid. Beide stellen grosse Differenzen zwischen den leistungsstarken, den mittelmässigen und den leistungsschwachen Lernenden fest: Ja, das ist schwierig zu sagen. Also ich denke jetzt, die guten Schüler, die haben jetzt eine gute Basis. Ehm. Aber das sind vielleicht wirklich so die besten, die gehen ins P (Sek. P = Progymnasium) [ … ] Die, die ins E (Sek. E = erweiterte Anforderungen) gehen, ja die haben ein bisschen aber zu wenig Sicherheit. Ich finde, die Sicherheit fehlt ihnen, weil sie zu wenig üben konnten. I: Und Sek. B (Sek. B = Basisanforderungen)? (lacht) uh. Ja, das ist die Frage. Wenn es ein fremdsprachiges also ein italienischsprachiges Kind ist oder spanisch-, dann habe ich noch die Hoffnung, dass sie es irgendwie schaffen. Und bei den anderen, sehe ich eher ein bisschen schwarz. [ … ] Ja, also die haben eben auch schon in der Stunde nicht wirklich intensiv mitgemacht oder eher über andere Dinge geredet und dann doppelt nicht profitiert. Und ja. Deshalb (ebd.). Die Einschätzung von Frau Gerber fällt etwas geringer aus als diejenige ihrer Schülerinnen und Schüler, doch der Bereich des Spektrums wird sowohl von Frau Gerber als auch von den Schülerinnen und Schülern tiefer eingeschätzt als die drei anderen Bereiche. Frau Gerber ist der Meinung, dass die Schülerinnen und Schüler in der Kompetenz Sprechen nicht in allen Bereichen die Vorgaben des Lehrplans erreichen. 5 Ergebnispräsentation: Fallperspektive 357 5.4.2 Befragungen 5.4.2.1 Befragung von Frau Gerber Insgesamt lässt sich aus den Aussagen von Frau Gerber schliessen, dass es ihr ein zentrales Anliegen ist, dass die Schülerinnen und Schüler zunächst Redemittel erwerben, um anschliessend sprachliche Handlungen auszuführen. Insofern lässt sich die Kompetenz des interaktiven Sprechens für sie am besten mit dem Auswendiglernen von Formen und Strukturen und Rollenspielen fördern, die sich auf den ausserschulischen Alltag beziehen. Gleichzeitig bemüht sie sich aber auch um die Installierung einer Klassenzimmersprache. Kategorie A1: Übungsanlagen zur Kompetenz des interaktiven Sprechens Frau Gerber merkt an, dass es zu wenig Übungsgelegenheiten für alle gebe und dass die Aufgaben zum interaktiven Sprechen aus dem Lehrwerk eher dem Niveau leistungsstarker Schülerinnen und Schüler entsprächen. Ausserdem seien die Übungsanlagen zur Kompetenz des interaktiven Sprechens im Lehrwerk zu stark auf das Klassenzimmergeschehen ausgerichtet. Frau Gerber macht die Erfahrung, dass die Aufgaben zum Sprechen aus dem Lehrwerk im Schulzimmer zwar funktionieren, doch sie bezweifelt, dass die Schülerinnen und Schüler auch in ausserschulischen Situationen sprachlich agieren könnten. Ihres Erachtens müsste man im Unterricht mehr Alltagsunterhaltungen üben: Sonst fehlt mir einfach [im Buch] so ein bisschen die Alltagssprache [ … ]. Es ist oft ein bisschen so eben nur auf die Übung bezogen. Und das finde ich schade. Sie fühlen sich dann verloren, wenn sie auf die Strasse gehen und etwas sagen oder fragen sollten. Dann merken sie, sie wissen gar nicht wie. [ … ] sobald es halt ein bisschen komplexer wird, weil ihnen ja die Verben fehlen, ist es schwierig (Transkript IK4L, Anhang III. I.IV). Die Hilfestellungen im Lehrwerk in Form von Satzanfängen findet Frau Gerber gut, weil das freie Sprechen für die Kinder noch schwierig sei. Allerdings sei es Aufgabe der Lehrperson, diese Hilfestellungen aus dem Lehrwerk sichtbar(er) zu machen und zu wiederholen: Also es gibt viele Hilfestellungen im Buch. Das finde ich gut, weil es schwierig ist für die Kinder, frei zu sprechen. Ehm, man muss aber dann diese Hilfestellungen wie noch ein bisschen hervorheben, damit sie überhaupt gesehen werden. Und dann hab ich ’ s oft auch an die Tafel geschrieben, dass sie das dann direkt ablesen und verwenden konnten. Und immer vor Augen hatten. Und dann wirklich intensiv das dann eingeübt (ebd.) Frau Gerber bemängelt, dass die Schülerinnen und Schüler mit „ Mille feuilles “ (Ganguillet et al. 2014a) nicht die „ richtigen “ sprachlichen Mittel lernen 358 5 Ergebnispräsentation: Fallperspektive würden. Diese sollten in Form von einfachen Sätzen im Lehrwerk eingeführt werden: Da kommen wir wieder zurück, eben zu den einfachen Sätzen, die sie nicht lernen. Ja, das fehlt dann! Und die Verben und das Anwenden (Transkript IK4L, Anhang III. I.IV). Frau Gerber fehlt auch ein stringenter Aufbau der Verben, insbesondere der Hilfsverben. Sie merkt allerdings an, dass sie keinen Überblick über die Lehrwerkinhalte habe, die in den beiden ersten Lernjahren (in der dritten und vierten Klasse) vermittelt würden, da sie erst ab der fünften Klasse Französischunterricht erteilt: Aber sobald es halt ein bisschen komplexer wird, weil ihnen ja die Verben fehlen, ist es schwierig. Also die Verben in der Gegenwart finde ich, das fehlt total im Heft. Also ich habe es nirgends gefunden. Da kommt irgendwo das passé composé in der fünften Klasse. Aber das Präsens können sie nicht. Also das passé composé wird sehr sehr ausführlich beschrieben, und wie man es formt und bildet und ich finde, da fehlt einfach die Grundlage. Also sowohl von den Hilfsverben, als auch von den anderen. Weil da brauchen sie ja die Hilfsverben und die werden nie so richtig oder nur ganz kurz eingeführt und die sollten meiner Meinung nach gleich am Anfang kommen. Weil ich habe ihnen das auch für Genf gesagt. Wenn ihr das être, avoir und aller durchkonjugiert, dann könnt ihr schon so viel sagen! [ … ] Im ersten - ja ich weiss nicht - wie es in der dritten, vierten ist, aber da wird ja sowieso alles spielerisch beigebracht - aber viel mehr eben auch als Grundlage da sein und getestet werden. Also wirklich auswendig gelernt, sonst bleibt es ja nicht hängen. Und dann würden sie sich auch, ich denke oder bin ich überzeugt, sich sicherer fühlen etwas sagen (ebd.) Frau Gerbers Meinung nach müssten sich die Schülerinnen und Schüler also zunächst einen Grundwortschatz und grundlegende Grammatikkenntnisse aneignen, bevor sie Aufgaben zum Sprechen bearbeiten könnten. Sie hält fest, dass der Aufbau der fremdsprachlichen Sprechkompetenz nicht von einem L1ähnlichen Spracherwerb ausgehen dürfte: Ja, aber von ganz Anfang an. Und auch so, dass sie es lernen müssen. Weil, das ist ja schön, wenn man denkt, ja man konfrontiert die Kinder mit der Sprache und dann gefällt sie ihnen und dann lernen sie ’ s. Aber das passiert aus meiner Sicht nur mit der Muttersprache, weil es da täglich passiert und immer wieder. Und im Abstand von einer Woche so zu lernen, das kann nicht funktionieren (ebd.) Kategorie A2 Umsetzung der Übungsanlagen im Unterricht Für die Umsetzung der Übungsanlagen im Unterricht berichtet Frau Gerber, dass sie bei der Einführung den Anfang der Übung als Beispiel mit der Klasse mache, Sätze übersetze und notiere und an Hilfsmittel erinnere. Mit dieser 5 Ergebnispräsentation: Fallperspektive 359 Vorbereitung könnten die Schülerinnen und Schüler die Sprechaufgaben gut lösen und beispielsweise auch Spiele auf Französisch spielen. Allerdings bezweifelt sie, dass sich das im Französischunterricht Gelernte auf weitere Kontexte transferieren lässt: Dies ist aber so losgelöst. Also nein, schon im Kontext. Aber wenn sie es später wieder verwenden, hätten verwenden müssen auf der Strasse, weiss ich nicht, ob es funktioniert hätte. Aber im Schulzimmer hat das so geklappt (ebd.) Frau Gerber lasse Aufgaben weg, die ihrer Meinung nach nur den Klassenbesten oder gar niemandem etwas nützen würden: Wenn es so ist, dass ich so viel investieren müsste, dann ist es oft so, dass ich den Sinn nicht so dahinter sehe und dann lasse ich das weg (ebd.) Im Gegenzug ersetze sie diese Aufgaben durch eigene Sprechübungen. Für das monologische Sprechen führt sie als Beispiele Vortraghalten und Vorlesen auf: Eh ja, ausser es ist ein Vortrag. Da müssen sie sich intensiv darauf vorbereiten und das auch einüben. Oder ich mache eine Vorlesenote. Das habe ich jetzt auch einmal gemacht, zum Üben. Das finde ich eigentlich auch recht sinnvoll, weil sie dann wirklich versuchen müssen, möglichst echt das Französisch zu sprechen. Sie haben auch die CD dazu mit dem Text und sie haben den Text, den sie lesen. Und ja, das finde ich noch gut, dass sie da mal überlegen oder merken, wie die Wörter ausgesprochen werden und es mehrere Male durchspielen (ebd.) Zum interaktiven Sprechen beschreibt sie ein Übungsformat, das sie zuerst in der Klasse und dann in Zweiergruppen durchführt: Und deshalb ist mir plötzlich die Idee gekommen, ja sie könnten ja mal zuhause auf den Verpackungen zum Beispiel nachschauen, was da eigentlich steht und eine Wörterliste machen. Zehn bis zwanzig Wörter, Französisch Deutsch. Und dann haben sie das mitgebracht, die Liste. Und dann habe ich einfach so gesagt okay, also jetzt zuerst auch an der Tafel aufgeschrieben: „ J ’ ai “ also „ J ’ ai le riz. “ . Und dann mussten sie als zweites fragen. „ Est-ce que tu aimes le riz? “ Und dann mussten sie jemand anderem die Frage stellen und dann hatte ich die Antworten „ Oui, j ’ aime le riz. “ oder „ Oui, j ’ adore le riz. “ oder „ Non, je n ’ aime pas le riz. “ oder „ Non, je n ’ aime pas du tout. “ oder „ Je déteste. “ , habe ich genommen. Und dann mussten sie so einfach durch die Klasse immer weitermachen. Die Frage stellen und dann nachher gab es die Antwort und dann haben sie wieder gesagt „ J ’ ai …“ und was sie noch hatten. Und dann mussten sie das Ganze immer durchspielen und immer weiter und immer durch die Klasse (ebd.) Kategorie A3 Authentische Interaktion im Klassenzimmer Als wichtigen Beitrag zur authentischen Interaktion führt Frau Gerber den Klassenaustausch in die französischsprachige Stadt Genf auf, den sie mit der Klasse vor Kurzem durchgeführt habe: 360 5 Ergebnispräsentation: Fallperspektive Und jetzt mit dem Austausch nach Genf war es natürlich ein guter Anlass. Sie wollten ja dann auch etwas sagen können und konnten selber die verschiedenen Sätze zusammenstellen. Da habe ich ihnen geholfen und das haben wir dann so eingeübt, in Rollenspielen auch. Ja, das finde ich fehlt einfach in „ Mille feuilles “ : der Alltagswortschatz und auch eben das Üben für Unterhaltungen, Alltagsunterhaltungen (ebd.) Es ist ihr aber auch wichtig, dass ihre Schülerinnen und Schüler im Klassenzimmer beim Agieren im Französischunterricht die Fremdsprache verwenden, da sie der Überzeugung ist, dass die Sprache vom Sprechen lebe. Dafür hat sie unterstützende Materialien erstellt und sie bewertet das Anwenden der Klassenzimmersprache mit einer Note. Die Notengebung sei eine disziplinarische Massnahme, damit die Kinder besser mitmachen würden: Und sie wissen ja, dass es auch eine Note gibt. Und ich konnte immer auch ein bisschen sagen „ So jetzt ist es wieder besonders wichtig, dass ihr da mitmacht. Ich komme vorbei, ich höre das. Das ist wichtig für diese Note auch. “ Aber natürlich habe ich ihnen gesagt, dass die Sprache lebt vom Sprechen und das ist absolut sinnvoll und es lohnt sich da mitzumachen! (ebd.) Frau Gerber vergleicht die Motivation ihrer Schülerinnen und Schüler im Französisch- und Englischunterricht und stellt fest, dass sie im Englischunterricht eher gewillt seien, die Zielsprache zu verwenden als im Französischunterricht: Aber man muss schon darauf beharren, dass sie die Sprache verwenden. Ich finde es in Englisch einfacher. Da ist die Motivation einfach grösser und sie verstehen auch schon mehr. Und sie finden es cool, Englisch zu sprechen. Und dann geht es viel einfacher. Beim Französisch muss man immer ein bisschen dranbleiben und sagen „ Jetzt, Französisch! “ oder? Und noch ein bisschen nachdoppeln und dann geht es dann auch recht gut. Ausser die Schwächsten, ja. Nein. Aber dann ausnahmsweise eben nur die. Und dann ist ’ s ok (ebd.) Kategorie A4 Chansons im Französischunterricht Frau Gerber verwendet im Französischunterricht Lieder, wobei sie die Chansons aus dem Lehrwerk nur ab und zu benutze, da die Schülerinnen und Schüler den Zugang zum Text nicht fänden und sich über die Chansons lustig machen würden: Ich brauch sie zwischendurch. Aber ich verwende sie höchstens einmal und dann (lacht). Ja, zum Beispiel „ Brosse à dents “ kommt mir jetzt in den Sinn, oder? Und ich find das, ja viele Kinder machen sich dann auch schon lustig darüber. Also hören sie gar nicht so richtig hin, nur einfach da beim Refrain und dann finden sie „ ja, das ist doch lustig! “ oder und lachen dazu und dann finden sie zwar die Melodie ein 5 Ergebnispräsentation: Fallperspektive 361 bisschen witzig aber der Text, der geht irgendwie an ihnen vorbei. Nein, ich brauche sie nicht so oft, diese Lieder (ebd.). Frau Gerber gibt an, auch didaktische Lieder im Unterricht einzusetzen. Sie setzt Chansons ein, um die Lernenden für Sprachfluss und Sprachmelodie zu sensibilisieren, sie das Schöne an der Sprache entdecken zu lassen und um die Einstellung ihrer Schülerinnen und Schüler zur Sprache zu verändern. Zudem unterstützten die Lieder ihre Schülerinnen und Schüler beim Einprägen bestimmter Verbformen. 5.4.2.2 Befragung der Schülerinnen und Schüler Insgesamt äussern sich die Schülerinnen und Schüler in der Gruppendiskussion eher positiv zum Französischunterricht und dem Aufbau der fremdsprachlichen Sprechkompetenz. Sie sagen, dass sie vertraut mit den Aufgaben zum interaktiven Sprechen seien. Allerdings wird vermehrt darauf hingewiesen, dass sich für diese Klasse aufgrund der grossen Heterogenität keine pauschalen Antworten geben liessen. Kategorie B1 Aufgaben aus dem Lehrwerk zur mündlichen Interaktion Die Schülerinnen und Schüler der Klasse Hoger geben an, dass sie mit dieser Art von Sprechaufgaben vertraut seien. Sie sagen, dass sie sämtliche Sprechanlässe des Lehrwerks im Unterricht durchführen würden: Ja, immer wenn im magazine solche Sachen gekommen sind, haben wir das gemacht. Manchmal in Zweiergruppen, manchmal in Vierergruppen (Transkript GK4Su1, Anhang III.II.VII). Zum Beispiel, wenn wir ein Quiz machen, steht dann zum Beispiel das, was wir antworten müssen / [Solche Sprechblasen] hat es ein bisschen überall. Ja. / Ja. Ja. / Mhm. / Ein bisschen, ja (Transkript GK4Su2, Anhang III.II.VIII). Im Widerspruch dazu steht die Aussage, dass sie beim Spielen nicht von selbst auf die Idee kämen, die Redemittel in den Sprechblasen zu verwenden: Also wenn wir ein Spiel spielen oder so, dann sagt Frau (Name der Lehrerin) immer, dass wir das jetzt brauchen können. Aber selber würden wir glaub ich nicht draufkommen, dort einfach, das aufzuschlagen (Transkript GK4Su1, Anhang III.II. VII). Die Schülerinnen und Schüler der Klasse Hoger finden die Satzanfänge in den Sprechblasen hilfreich, da sie die Aufgabe zwar erleichterten, aber dennoch eigene Aussagen ermöglichten und sie sagen, dass sie ihnen hälfen, wenn sie sich etwas merken wollten: 362 5 Ergebnispräsentation: Fallperspektive Ich finde, wenn man es nicht ganz ablesen kann, lernt man vielleicht mehr davon. Weil man dann sich das auch einprägen muss. Weil dann versteht man, zum Teil versteht man das ja dann gar nicht, was man überhaupt gelesen hat Eben so wie hier, dass man nur den ersten Teil (zeigt auf Sprechblase) vom Satz sozusagen lesen kann und den zweiten dazu erfinden muss sozusagen (ebd.). Ein Teil muss ja fehlen, sonst könnte man nur etwas sagen (Transkript GK4Su2, Anhang III.II.VIII) Kategorie B2 Leistungen von Schülerinnen und Schülern im Sprechen Die Lernenden geben an, Fortschritte zu machen, wenn sie untereinander im Fremdsprachenunterricht die Zielsprache verwendeten: im Französischunterricht ist, ist es ja eigentlich normal, dass man Französisch lernt und dann sollte man nicht einfach Deutsch wieder sprechen. Ja. Und vielleicht hilft es auch mehr, dass man es sich vielleicht mehr merken kann, wenn man es auch einmal vielleicht auf Französisch sagt (Transkript GK4Su1, Anhang III.II.VII). Die Schülerinnen und Schüler berichten, dass sie nach einem Hinweis von Frau Gerber, in der Zielsprache zu sprechen, miteinander Französisch sprechen würden, dass dies aber nicht alle Lernenden in der Klasse täten: Also einfach, wenn Frau (Name der Lehrerin) sagt, wir müssen jetzt in der Zweiergruppe Französisch sprechen, dann ja. / Nein, auch wenn sie nicht danebensteht, aber es ist je nachdem am Anfang ziemlich holprig (Transkript GK4Su2, Anhang III. II.VIII). Aber ein paar, die machen ’ s auch nicht, wenn sie ’ s sagt. Aber ich glaube wir, die hier sind (meint an dieser Gruppendiskussion), machen ’ s eigentlich auch von alleine (Transkript GK4Su1, Anhang III.II.VII). Die Schülerinnen und Schüler merken an, dass man auch wollen müsse und man für das eigene Lernen selbst verantwortlich sei. Und ich finde, es bringt auch nichts, wenn man dann so. Wenn man es lernen will, dann bringt es ja nichts, wenn man dann einfach nicht Französisch spricht, nur wenn sie direkt danebensteht. Man muss ja auch für sich selber wissen (ebd.). Kategorie B3 Phasen des Sprechvorgangs nach Levelt In Bezug auf die Schwierigkeiten, denen die Lernenden der Klasse Hoger beim Sprechen begegnen, wird die Phase 3 (Formulieren der Äusserung) am häufigsten genannt, die Phasen 1 (Verstehen der Aufgabe) und 2 (Konzeptualisieren der Äusserung) am zweithäufigsten (vgl. Tab. 70): 5 Ergebnispräsentation: Fallperspektive 363 Klasse Hoger Phase 1: Verstehen der Aufgabe Phase 2: Konzeptualisieren der Äusserung Phase 3: Formulieren der Äusserung Phase 4: Artikulieren der Äusserung Diese Phase fällt mir schwer 27.25 % 27.25 % 36.5 % 9 % Tab. 70: Phasen nach Levelt (1989), die nach eigenen Aussagen für die Klasse Hoger schwierig sind Sie äussern sich wie folgt dazu: Also bei mir ist es manchmal so, dass ich Mühe habe, bis ich zu dem Anfang komme. Bei mir ist es manchmal so, dass ich wenn ich hier bin (zeigt auf Kopf 1), dann überlege ich nicht und schwatz einfach gleich los und dann ist es … Dabei wäre das vielleicht ja richtig gewesen, aber ich setze nochmal von vorne an. / Aber wenn man sich selbst etwas ausdenken muss, je nachdem ist es dann Phase drei. / Also, bei mir ist es so, dass ich hier dann zuerst noch länger überlegen muss (zeigt auf Kopf drei). Ja, vor allem auch so alles zusammen zu also wie soll ich das sagen, ja. / Kommt drauf an. Also wenn es schwierige Wörter sind, dann schon, aber sonst (zuckt mit den Schultern) (ebd.). 5.4.3 Triangulation der Daten (Einschätzungen und Befragungen) Vergleicht man die mündlichen Aussagen von Frau Gerber mit denjenigen ihrer Schülerinnen und Schüler und zieht man auch die Einschätzungen aus den Fragebögen bei, so lassen sich gewisse Parallelen aber auch Diskrepanzen zwischen der Lehrerin und ihrer Klasse ausmachen. Frau Gerber und ihre Schülerinnen und Schüler sind sich einig, dass es beim Fremdsprachenlernen zentral ist, lernen zu wollen. Frau Gerber versucht, ihrer Klasse das Schöne an der Sprache zu vermitteln und erklärt ihnen, warum es wichtig sei, im Französischunterricht in der Fremdsprache zu sprechen. Sie organisiert auch Austauschtreffen mit einer Partnerklasse aus einer französischsprachigen Region der Schweiz. In der Gruppendiskussion geben die Schülerinnen und Schüler an, dass die motivierteren Lernenden so oft wie möglich miteinander Französisch sprechen würden, um die Sprache zu lernen, da sie auch selbst für ihr Lernen verantwortlich seien. Allerdings geben sie an, dass es Unterschiede zwischen den Schülerinnen und Schülern gebe. Dies merkt auch Frau Gerber an. Ausserdem fügen die Schülerinnen und Schüler an, dass sie die Hinweise von Frau Gerber brauchen würden, um bei den Aufgaben 364 5 Ergebnispräsentation: Fallperspektive Französisch zu sprechen, da sie die Signale im Lehrwerk sonst übersehen würden. Frau Gerber gibt ebenfalls an, dass sie die Hilfestellungen im Buch sichtbarer machen müsse, damit sie gebraucht würden. Während in den Gruppendiskussionen die positiven Stimmen der Lernenden dominieren, konzentriert sich Frau Gerber im problemzentrierten Interview eher auf negative Aspekte. Mangelnde Grammatikund/ oder Wortschatzkenntnisse sind bei den Schülerinnen und Schülern nur am Rande ein Thema, während sie von Frau Gerber stark betont werden. Im Phasenmodell nach Levelt (1989) stellt das Formulieren für die Schülerinnen und Schüler von Frau Gerber im Vergleich zu den anderen Klassen sogar eine weniger grosse Schwierigkeit dar, was nicht der Wahrnehmung der Lehrerin entspricht. Als Zwischenfazit zur Erforschung der Innenperspektive kann für die Klasse Hoger folgender Schluss gezogen werden: Frau Gerber und ihre Schülerinnen und Schüler haben den Eindruck, dass mit den Aufgaben aus dem Lehrwerk die mündliche Interaktionskompetenz gefördert werden kann, aber nur für leistungsstarke und motivierte Schülerinnen und Schüler, die lernen wollen und sich aktiv am Unterricht beteiligen. Der Bereich des Spektrums wird von allen am tiefsten eingeschätzt. 5.4.4 Unterrichtsbeobachtungen 5.4.4.1 Unterrichtsbeobachtung mit Fokus auf Frau Gerber (L4) In der beobachteten Lerneinheit setzt Frau Gerber drei Aufgaben zum interaktiven Sprechen aus dem Lehrwerk um, nämlich die Aufgaben A (Quiz), C (Questions) und D (Trucs à savoir). Die Aufgaben B (Questionnaire) und E (Métiers) lässt sie weg. Frau Gerber führt die Aufgaben A (Quiz) und D (Trucs à savoir) wie vorgesehen in Kleingruppen durch. Die Aufgabe C (Questions) führt sie im Plenum durch. 5.4.4.1.1 Didaktische Absicht (C1) Von den insgesamt drei Aufgaben zum interaktiven Sprechen, die Frau Gerber durchführt, fördert ausschliesslich die Aufgabe A (Quiz) das interaktive Sprechen. Bei Aufgabe C (Questions) müssen die Lernenden korrekte Sätze mit dem Verb avoir aufsagen, die sie als Hausaufgabe vorbereitet haben. Bei Aufgabe D (Trucs à savoir) fordert Frau Gerber die Lernenden nicht auf, mündlich in der Zielsprache Informationen auszutauschen. Sie verwendet diese Aufgabe als fakultatives Zusatzangebot für die leistungsstarken Schülerinnen und Schüler, die die Lernenden ohne explizite Einführung selbständig mithilfe des Lehrwerks bearbeiten. Frau Gerber fordert die Gruppe, die das fakultative Zusatzangebot nutzt und activité D (Trucs à savoir) bearbeitet, nicht 5 Ergebnispräsentation: Fallperspektive 365 dazu auf, mündlich in der Zielsprache Informationen auszutauschen. Hingegen fordert Frau Gerber alle Schülerinnen und Schüler bei der Aufgabe A (Quiz) dazu auf, in einem echten Informationsaustausch als sie selbst zu agieren. In Aufgabe C (Questions) ist keine Kommunikationsabsicht erkennbar, da sich die Lernenden auf die korrekte Form des Verbs avoir konzentrieren und nicht auf einen Informationsaustausch. Durch die Formorientierung ergeben sich inhaltlich teilweise absurde Gespräche (vgl. Abb. 118): [11] . .33 [02: 11.0] 34 [02: 13.0] 35 [02: 18.0] 36 [02: 20.9] L4 [v] S ' i l t e p l a î t ( L y n n ) très bien. il a un LYNN [v] [ f ][il a i ] LYNN (ortho) n [12] . . 37 [02: 23.8] 38 [02: 25.8] 39 [02: 30.9] L4 [v] . ) S7 [v] i ] und [el: (2) el el] (2) [el S7 (ortho) [v] Abb. 118: Auszug aus dem Transkript UCK4L, Anhang III.III.XIV 5.4.4.1.2 Redeanteile (C2) Der Redeanteil von Frau Gerber ist bei den Einführungen in die Sprechaufgaben eher hoch (durchschnittlich 76 %). Bei der Einführung zur Aufgabe A (Quiz) spricht Frau Gerber hauptsächlich allein, die Lernenden beteiligen sich zu 14 %. Auch bei den Einführungen zu den Aufgaben C (Questions) und D (Trucs à savoir) spricht Frau Gerber mehr als die Lernenden, die sich zu 25 % resp. zu 32.5 % an den Einführungen beteiligen. Bei der Einführung zur Aufgabe C (Questions) erklärt sie die Aufgabenstellung selbst. Bei den Einführungen zu den Aufgaben A (Quiz) und D (Trucs à savoir) lässt Frau Gerber die Klasse einen Teil der Aufgabenstellung erklären, indem die Schülerinnen und Schüler die Anweisungen vorlesen, Fragen von Frau Gerber zum Auftrag beantworten und chunks ins Deutsche übersetzen (vgl. Abb. 119): 366 5 Ergebnispräsentation: Fallperspektive [2] . . 2 [00: 14.1] L4 [v] football. Après (Name einer Schülerin) lis (zeigt auf die Stelle im magazine) [3] . . 3 [00: 20.2] 4 [00: 23.1] L4 [v] Cherchez et discutez. alors: Quelle est la S1 [v] Cherchez la bonne réponse. Discutez. [4] . . 5 [00: 33.7] L4 [v] longueur d'un terrain de football? Discutez. et vous voyez, ici, il y a des [5] . . 6 [00: 36.6] 7 [00: 38.6] L4 [v] bulles.(zeigt auf Sprechblasen im magazine) trois bulles. Je pense (.) que (.) c'est (.) Abb. 119: Auszug aus dem Transkript UAK4L, Anhang III.III.XIII Im Schnitt beansprucht Frau Gerber 16 % der Zeit der gesamten Lernsequenz für die Einführung, was wenig ist. Allerdings muss angemerkt werden, dass nur die Einführung zur Aufgabe A (Quiz) die Lernenden tatsächlich zum interaktiven Sprechen anleitet. Sie dauert deutlich länger als die beiden anderen Einführungen (7 ’ 02 ’’ für Aufgabe A, 00 ’ 15 ’’ resp. 01 ’ 26 ’’ für Aufgaben C und D). Ausserdem fällt die Einführung zur Aufgabe C (Questions) kürzer aus, weil sie im Plenum bearbeitet wird und diejenige für Aufgabe D (Trucs à savoir) ist ebenfalls kurz, weil die Aufgabenstellung von den Schülerinnen und Schülern grösstenteils selbst erarbeitet wird. 5.4.4.1.3 Lehrpersonensprache (C3) Frau Gerber verwendet bei den Einführungen zu den Aufgaben A (Quiz) und C (Questions) mehrheitlich die Zielsprache. Die Einführung zur Aufgabe D (Trucs à savoir) erfolgt ausschliesslich in der Schulsprache Deutsch. Die Einführungen zu den Aufgaben A (Quiz) und C (Questions) enthalten Passagen in der Schulsprache Deutsch zu 27 % resp. 48 %, da Frau Gerber oft auf Deutsch wiederholt, was sie auf Französisch erklärt oder umgekehrt (vgl. Abb. 120): 5 Ergebnispräsentation: Fallperspektive 367 [22] . . 36 [03: 12.3] L4 [v] vous discutez. Also das heisst? Was müsst ihr machen? Qu'est-ce que vous devez [23] . . 37 [03: 17.1] L4 [v] faire? was habe ich jetzt gesagt? D'abord, d'abord vous lisez la question et après Abb. 120: Auszug aus dem Transkript UAK4L, Anhang III.III.XIII Frau Gerber spricht bei den Einführungen zu den Aufgaben A (Quiz) und C (Questions) korrekt Französisch. Bei der Einführung zur Aufgabe D (Trucs à savoir) spricht sie zu wenig Französisch, als dass die Korrektheit beurteilt werden kann. Frau Gerber stellt bei keiner Einführung einen expliziten Bezug zur Schulsprache Deutsch her. Bemerkungen zur Klassenführung macht Frau Gerber bei der Einführung zur Aufgabe A (Quiz) auf Deutsch und Französisch, bei den Einführungen zu den Aufgaben C (Questions) und D (Trucs à savoir) verwendet sie Deutsch oder Schweizer Mundart (vgl. Abb. 121). Das Thema „ nicht gemachte Hausaufgaben “ beansprucht bei der Einführung zur Aufgabe C (Questions) ungefähr die Hälfte der Zeit und die Diskussion darüber findet auf Deutsch resp. in Schweizer Mundart statt: [19] 30 [02: 33.2] 31 [02: 40.1] L4 [v] Das heisst (1) D'abord vous lisez la question. (2) (Name von S8) das stört. (3) [20] . . 32 [02: 50.8] L4 [v] Machsch no witer i dim Heft und geisch use ga schaffe. S6 [v] ciao (Name von S8) [o Abb. 121: Auszug aus dem Transkript UAK4L, Anhang III.III.XIII Bei den Einführungen zu den Aufgaben A (Quiz) und C (Questions), bei denen Frau Gerber mehrheitlich die Zielsprache verwendet, wiederholt sie wesentliche Informationen. Bei der Einführung zur Aufgabe A (Quiz) sagt sie zehn Mal discutez und bei derjenigen zur Aufgabe C (Questions) wiederholt sie fünf Mal les formes, was jeweils dem Hauptaspekt der Aufgabenstellung entspricht. Frau Gerber verwendet bei den Einführungen zu den Aufgaben A (Quiz) und C (Questions) deutsch-französische Parallelwörter zur Erklärung bestimmter Ausdrücke. Beispielsweise gebraucht sie bei der Einführung zu Aufgabe A 368 5 Ergebnispräsentation: Fallperspektive (Quiz) Ausdrücke wie discutez, numéro, correct, mètres oder répéter. Frau Gerber sichert das Verständnis durch das Übersetzen bestimmter Ausdrücke bei den Einführungen zu den Aufgaben A (Quiz) und C (Questions). Beispielsweise übersetzt sie bei Aufgabe A (Quiz) die Satzanfänge in den Sprechblasen zuerst selbst, dann fordert sie die Klasse auf, sie zu übersetzen (vgl. Abb. 122): [30] . . 48 [04: 21.8] L4 [v] "c'est peut-être" das ist vielleicht also schreibt jetzt oben an diesen Sprechblasen […] [35] 55 [04: 53.8] 56 [05: 00.7] 57 [05: 02.7] L4 [v] Was heisst dann "Est-ce"? Est(.)-ce(.)? S3 [v] (leise zu S10) du muesch es übersetze. [36] 58 [05: 04.7] 59 [05: 07.0] 60 [05: 08.5]61 [05: 09.9] L4 [v] (Name von S4) ist es (1) Ist es (.) cent mètres? Est-ce cinquante S4 [v] (unverständlich) aha ou Abb. 122: Auszug aus dem Transkript UAK4L, Anhang III.III.XIII Frau Gerber nutzt bei den Einführungen zu den Aufgaben A (Quiz) und C (Questions) Visualisierungen zur Unterstützung des verbalen Handelns. Beispielsweise zeigt sie bei der Einführung zu Aufgabe C (Questions) auf die schriftliche Vorlage an der Wandtafel, während sie den Text vorliest. Frau Gerber nutzt auch Gesten zur Unterstützung des verbalen Handelns bei den Einführungen zu den Aufgaben A (Quiz) und D (Trucs à savoir), d. h. sowohl bei einer Einführung auf Französisch als auch bei der Einführung auf Deutsch. Bei der Einführung zur Aufgabe A (Quiz) breitet sie die Arme aus, um zu zeigen, dass es um die Länge geht, während sie bei der Einführung zur Aufgabe D (Trucs à savoir) den Finger vor den Mund hält, um für Ruhe zu sorgen. Bei der Einführung zur Aufgabe C (Questions) verwendet Frau Gerber keine Gestik. 5.4.4.1.4 Methodisch-didaktische Kompetenzen (C4) Bei der Einführung zur Aufgabe A (Quiz) führt Frau Gerber alle von der Aufgabe vorgegebenen chunks ein. Bei den Einführungen zu den Aufgaben C (Questions) und D (Trucs à savoir) führt Frau Gerber keine chunks ein. Bei der Einführung zur Aufgabe A (Quiz) klärt Frau Gerber die Bedeutung aller in der Aufgabe vorgegebenen chunks und führt sie als feste sprachliche Einheiten ein. 5 Ergebnispräsentation: Fallperspektive 369 Frau Gerber wiederholt mehrmals Ausdrücke wie Je pense que c ’ est … , C ’ est peut-être … und Est-ce … , sichert aber die Aussprache bei den Schülerinnen und Schülern nicht. Sie führt auch noch weitere chunks ein, die die Lernenden übernehmen könnten: Sie verwendet bei der Einführung Ausdrücke wie Qu ’ est-ce que tu penses / Qu ’ est-ce que vous en pensez? und il pense que c ’ est … / tu penses que c ’ est … ? , alledings ohne explizite Einführung. Bei der Einführung zur Aufgabe A (Quiz) macht Frau Gerber zwei Beispiele im Plenum mit den chunks, die in der Aufgabe vorgegeben sind. Für die Aufgaben C (Questions) und D (Trucs à savoir) macht Frau Gerber keine Beispiele mit den vorgegebenen Satzanfängen. Bei den Einführungen zu den Aufgaben A (Quiz) und D (Trucs à savoir) wiederholt Frau Gerber keine sprachlichen Strukturen. Für die Einführung von Aufgabe C (Questions) wiederholt sie zwar sprachliche Strukturen, die jedoch für die Bearbeitung der Aufgabe nicht relevant sind. Dies ist damit zu erklären, dass sie die Aufgabe auf das Einüben der Präsensformen des unregelmässigen Verbs avoir reduziert. Bei den Einführungen zu den Aufgaben A (Quiz) und D (Trucs à savoir) gibt Frau Gerber keinen Hinweis darauf, ob der Inhalt Vorrang vor der Form hat und wie sie sich den Umgang mit Fehlern vorstellt. Durch die Ausrichtung der Aufgabe C (Questions) wird bei der Einführung deutlich, dass die Form Vorrang vor dem Inhalt hat und die Fehlertoleranz gering ist, da es um korrekte Verbformen geht. Beispielsweise geben die Schülerinnen und Schüler die Verbformen von avoir zu allen Personalpronomen im Präsens an und Frau Gerber korrigiert, wenn nötig (vgl. Abb. 123): [23] . . 68 [04: 11.6] 69 [04: 17.6]70 [04: 19.1]71 [04: 21.1] L4 [v] il s e ll e s . Q u i e s t ( Ni c o l e ) elle a oui NICOLE [v] [ ty a ia nu: ] [el a] [nuz NICOLE (ortho) j'ai tu as il a nous elle a nous [24] . . 73 [04: 28.4] 74 [04: 30.4] L4 [v] très bien oui. il a du hast gesagt il y a il a mais NICOLE [v] av vu ave ilz elz ] NICOLE (ortho) avons vous avez ils ont elles ont [25] . . 75 [04: 35.9] 76 [04: 40.0] L4 [v] le reste était parfait Qui ose encore? Qui veut dire les formes encore? (Name Abb. 123: Auszug aus dem Transkript UCK4L, Anhang III.III.XIV 370 5 Ergebnispräsentation: Fallperspektive Nachschlagematerialien werden bei den Einführungen zu den Aufgaben A (Quiz) und C (Questions) von Frau Gerber benannt, wobei diese nur bei Aufgabe A (Quiz) verwendet werden dürfen, am Ende der Übung (vgl. Abb. 124): [39] 67 [05: 34.6] 68 [05: 36.6] L4 [v] pour discuter. Wenn ihr alle Fragen rechts mit einem Stichwort beantwortet habt, [40] . . 69 [05: 44.1] 70 [05: 46.4] L4 [v] dann erst dürft ihr die Lösungen anschauen. Die S11 [v] ah wo gibt es dann Lösungen? [41] . . L4 [v] Lösungen, regardez les solutions à la page quatre-vingt-neuf mais seulement à la [42] . . 71 [05: 55.7] 72 [06: 01.2] 73 [06: 02.6]74 [06: 03.3] L4 [v] fin. Pas encore. Après la dernière question. C'est bon? C'est clair? Discutez S6 [v] [wi] Abb. 124: Auszug aus dem Transkript UAK4L, Anhang III.III.XIII Bei der Einführung zur Aufgabe C (Quiz) dreht Frau Gerber das Blatt mit den Verbformen um, damit die Schülerinnen und Schüler die Formen auswendig aufsagen. 5.4.4.2 Triangulation der Innen- und Aussenperspektive für Frau Gerber Frau Gerber gibt im problemzentrierten Interview an, dass es zu wenig Übungsgelegenheiten zum Sprechen im Lehrwerk gebe. Bei der Umsetzung nutzt Frau Gerber vom Aufgabenangebot der Lerneinheit nur eine Aufgabe zum interaktiven Sprechen wie vorgesehen, zwei Aufgaben lässt sie weg und zwei andere führt sie so durch, dass kein interaktives Sprechen gefördert wird. Frau Gerber gibt bei der Befragung an, dass sie diejenigen Aufgaben weglasse, die ihrer Meinung nach nur den Klassenbesten oder gar niemandem etwas nützen würden. Die Unterrichtsbeobachtungen zeigen, dass sie Aufgabe D (Trucs à savoir) als fakultatives Zusatzangebot für leistungsstarke Schülerinnen und Schüler verwendet. Offenbar entspricht diese Aufgabe zum interaktiven Sprechen aus dem Lehrwerk ihrer Meinung nach eher dem Niveau leistungsstarker Schülerinnen und Schüler. 5 Ergebnispräsentation: Fallperspektive 371 Bei der Befragung bringt Frau Gerber zum Ausdruck, dass sich die Schülerinnen und Schüler zunächst Wortschatz und Grammatik aneignen müssten, um anschliessend sprachliche Handlungen ausführen zu können. Dies mag erklären, warum sie Aufgabe C (Questions) zu einer Grammatikübung umfunktioniert: Im Interview gibt sie die Konjugation der Verben als Grundlage für das Durchführen eines Gesprächs an; bei der Umsetzung von Aufgabe C (Questions) steht entsprechend die Konjugation des Verbs avoir im Vordergrund. Gleichzeitig gibt Frau Gerber im problemzentrierten Interview auch an, um eine Installierung einer Klassenzimmersprache bemüht zu sein und das Anwenden der Klassenzimmersprache mit einer Note zu bewerten. Bei den Einführungen zu den Aufgaben A (Quiz) und C (Questions) ist sie bemüht, die Klassenzimmersprache vorbildlich anzuwenden: Sie spricht viel und korrekt Französisch. Bei der Einführung zur Aufgabe D (Trucs à savoir) geht das Anwenden der Klassenzimmersprache hingegen vergessen, da Frau Gerber ausschliesslich Deutsch spricht. Frau Gerber gibt bei der Befragung an, dass sie die Hilfestellungen bei den Aufgaben zum Sprechen in Form von Satzanfängen in Sprechblasen schätze, diese aber für die Klasse zuerst sichtbar machen müsse. Die Einführung zur Aufgabe A (Quiz) zeigt, wie sie dies in ihrer Praxis vornimmt, indem sie die Satzanfänge mehrmals verwendet, sie übersetzt resp. übersetzen lässt und Beispiele damit macht. 5.4.4.3 Unterrichtsbeobachtung mit Fokus auf Schülerinnen und Schüler Die Fokusschülerinnen und -schüler der Klasse Hoger bearbeiten die drei Aufgaben A (Quiz), C (Questions) und D (Trucs à savoir) zur Förderung des interaktiven Sprechens. Sybille, die leistungsstarke Fokusschülerin, Lynn und Ursula, die mittelmässigen Fokusschülerinnen, bearbeiten alle drei Aufgaben. Für Nicole, die leistungsstarke Fokusschülerin, liegen nur zwei Transkripte vor, da sie die Aufgabe D (Trucs à savoir) die von Frau Gerber als fakultatives Zusatzangebot umgesetzt wird, nicht bearbeitet. Für Lukas und Elias, die von Frau Gerber als leistungsschwach eingestuft werden, liegt nur das Transkript zur Bearbeitung von Aufgabe C (Questions) vor. Bei Aufgabe A (Quiz) arbeiten sie still für sich und schreiben die Lösungen ins Heft, ohne sich mündlich darüber auszutauschen. Die Aufgabe D (Trucs à savoir) bearbeiten sie nicht. 5.4.4.3.1 Mündliche Interaktion (D1) Die Fokusschülerinnen und -schüler nutzen die Lernzeit bei den verschiedenen Aufgaben zum Sprechen unterschiedlich gut. Die mittelmässigen und leistungsstarken Schülerinnen nutzen ungefähr die Hälfte der von der Lehrperson angegebenen Lernzeit zur Bearbeitung der Aufgabe A (Quiz) zum interaktiven 372 5 Ergebnispräsentation: Fallperspektive Sprechen (53 % resp. 69 %). In der restlichen Zeit gehen sie anderen Tätigkeiten nach und tauschen sich mit einer anderen Gruppe aus, hören Erklärungen von Frau Gerber an andere Gruppe mit, lachen oder spielen. Bei Aufgabe C (Questions) interagieren die Fokusschülerinnen und -schüler nicht miteinander, da Frau Gerber die Übung im Plenum durchführt und ein Kind nach dem anderen seinen vorbereiteten Satz vorträgt. Bei Aufgabe D (Trucs à savoir) nutzen die drei Fokusschülerinnen, die die Aufgabe bearbeiten, die Lernzeit optimal (73 %), auch wenn sich Lynn während der Aufgabenbearbeitung von Sybille eine Frisur machen lässt (vgl. Abb. 125, Z. 20): [20] . . 52 [04: 14.0 SYBILLE [v] (steht hinter Lynn und macht ihr eine Frisur) tüet mir frage steue und i tue sie beantworte. itz hei [21] . . 53 [04: 20.5] 54 [04: 28.0] SYBILLE [v] mirs' jo gläse LYNN [v] also (verzieht ihr Gesicht, weil ihr Sybille an den Haaren rupft) (blättert [22] . . 55 [04: 34.8] 56 [04: 42.0] SYBILLE [v] wüu sie usgseh wie ne turban. LYNN [v] im magazine ) autsch. wieso heisse tulpe tulpe? (blättert im magazine ) [23] 57 [04: 46.9] 58 [04: 50.5] 59 [04: 52.5] 60 [04: 54.5] 61 [05: 01.2] SYBILLE [v] wenn's überhoupt stimmt. in neuseeland. (zöpfelt LYNN [v] wo läbt dr kiwi? was isch's? (6) aua. URSULA [v] wie heisst Abb. 125: Auszug aus dem Transkript UDK4Su1_2, Anhang III.IV.XIII Bei der Bearbeitung der Aufgaben reden die Fokusschülerinnen und -schüler nicht durchgehend miteinander, da sie manchmal Frau Gerber rufen, etwas notieren oder anderen Tätigkeiten nachgehen. Die Pausen dauern je nach Aufgabe und je nach Fokusschüler-in unterschiedlich lang. Bei Aufgabe A (Quiz) machen beispielsweise Lynn und Ursula, die beiden mittelmässigen Fokusschülerinnen, eine Pause, die 3.5 Minuten der insgesamt 18-minütigen Aufgabe beansprucht und sie rufen ausserdem zwei Mal Frau Gerber zu Hilfe, wodurch sich ihre effektive Sprechzeit nochmals reduziert (57 %). Zwischen Sybille und Nicole, den leistungsstarken Fokusschülerinnen, ist ein grosser Unterschied auszumachen, denn während Sybille bemüht ist, die mündliche 5 Ergebnispräsentation: Fallperspektive 373 Interaktion aufrecht zu erhalten, kommen von Nicole nur wenige Äusserungen: Zwischen 02: 08 und 05: 21 (Transkript UAK4Su1 aus dem Anhang III.IV.IV: Z.3 - 6) sagt Nicole nichts und notiert die Antworten stumm in ihr Heft, zwischen 05: 46 und 10: 03 (ebd.: Z. 17 - 27) spricht Nicole ausschliesslich Deutsch und zwischen 14: 40 und 16: 33 (ebd.: Z. 24 - 28) erfolgt eine Sequenz auf Mundart. Dies führt zu einer effektiven Sprechzeit für Nicole von 26 %, während Sybille 53 % der Zeit als effektive Sprechzeit nutzt. Sybille beginnt die mündliche Interaktion mit einer Frage und erhält eine Antwort von Nicole, worauf sie eine nächste Frage stellt. Als sie keine Antwort darauf erhält, fragt sie mit alors? bei Nicole nach. Ab der dritten Sequenz stellt Sybille die Frage und gibt die Antwort gleich selbst (vgl. Abb. 126, Z. 5 - 6): [3] . . 6 [02: 00.0] 7 [02: 02.0] 8 [02: 04.0] 9 [02: 08.5] 10 [02: 12.8] SYBILLE [v] [alo ? ] [se pœt t l d ] (14) OrthoFS1 [v] Europe? alors? C'est peut-etre Londres. NICOLE [v] London. [ p Aso London. OrthoFS2 [v] Je pense que c'est Londres. [4] 11 [02: 27.2] 12 [02: 33.9] SYBILLE [v] ehm (2) (blickt zu Nicole hinüber) (6) (schaut, bei welcher Frage OrthoFS1 [v] (notiert Antworten auf die NICOLE [v] (schreibt Antworten auf die Fragen in ihr magazine) [5] . . 13 [03: 15.4] SYBILLE [v] Nicole gerade ist, notiert Antworten auf die Fragen ins magazine ) [ki a v OrthoFS1 [v] Fragen ins magazine) Qui a inventé le [6] . . 14 [03: 20.7] 15 [03: 24.4] SYBILLE [v] levi straus] (schreibt Lösung ins magazine ) [se pœt t levi s(.)t(.) (1)aus] OrthoFS1 [v] jean? Levi Strauss C'est peut-être Levi Strauss. NICOLE [v] (schreibt Lösung ins magazine ) Abb. 126: Auszug aus dem Transkript UAK4Su1, Anhang III.IV.IV Bei Aufgabe C (Questions) sprechen die Fokuslernenden sprechen zwischen 0.5 % und 9.5 %. Die unterschiedlichen Prozentzahlen ergeben sich durch die variable Mitarbeit der Klasse beim Bearbeiten der Aufgabe im Plenum: Der leistungsschwache Fokusschüler Lukas erklärt, dass er krank gewesen sei und die Hausaufgaben nicht habe machen können, was sein einziger Beitrag ist 374 5 Ergebnispräsentation: Fallperspektive (0.5 %). Ursula, die ebenfalls krank war, beteiligt sich trotzdem, indem sie die Formen des Verbs avoir im Indikativ Präsens auswendig aufsagt (3.5 %). Ausserdem diskutiert sie mit, wenn es um die Klärung der Bedeutung von „ Lernen “ geht. Nicole erreicht 9.5 %, da sie einen fehlerhaften Satz sagt, der von Frau Gerber korrigiert wird und den sie korrekt wiederholt. Ausserdem meldet sie sich ebenfalls freiwillig für das Aufsagen der Verbformen von avoir. Bei Aufgabe D (Trucs à savoir) sprechen die drei Fokusschülerinnen durchgehend miteinander, allerdings mehrheitlich in der Schulsprache Deutsch. Während der Bearbeitung der Aufgaben gelingt es den leistungsstarken Fokusschülerinnen bei Aufgabe A (Quiz), ungefähr zur Hälfte in der Zielsprache Französisch miteinander zu sprechen, bei den mittelmässigen Fokusschülerinnen sind es 29 % und die leistungsschwachen Fokusschüler interagieren gar nicht in der Zielsprache. Bei Aufgabe C (Questions) ist eine Interaktion in der Zielsprache zwischen den Lernenden aufgrund des von Frau Gerber angepassten Übungsformats nicht möglich. Bei Aufgabe D (Trucs à savoir) können die Fokusschülerinnen die mündliche Interaktion nur teilweise in der Zielsprache aufrechterhalten (30 %). Allerdings finden in der ersten Hälfte der Aufgabenbearbeitung mehr Interaktionen in der Zielsprache statt als in der zweiten Hälfte, wie auch bei der Bearbeitung von Aufgabe A (Quiz) (vgl. Tab. 71): Anteil Französisch Aufgabe A (Quiz) Aufgabe D (Trucs à savoir) Teil 1 (00: 00 - 05: 00) Teil 2 (05: 01 - 18: 00) Teil 1 (00: 00 - 03: 23) Teil 2 (03: 23 - 06: 20) Sybille und Nicole 75 % 36 % Lynn und Ursula 50 % 22 % Sybille, Lynn und Ursula 55 % 0 % Tab. 71: Anteil von Französisch bei der Bearbeitung durch die Lernenden der Aufgabenteile 1 und 2 Bei der Bearbeitung von Aufgabe A (Quiz) lassen sich bestimmte Momente ausmachen, bei denen die Fokusschülerinnen und -schüler der Klasse Hoger zur Schulsprache Deutsch oder zur Schweizer Mundart wechseln. Beispielsweise ist dies bei Momenten der inhaltlichen Absicherung der Fall, nämlich wenn sie eine Antwort bestätigen oder wenn sie die Aufmerksamkeit ihrer Lernpartnerin oder ihres Lernpartners gewinnen wollen. Die Fokusschülerinnen Sybille und Nicole klären bei der Bearbeitung der Aufgabe A (Quiz) den Inhalt auf Deutsch, obwohl der Austausch darüber bereits in der Zielsprache stattgefunden hat, wenn sie die Antwort bestätigen wollen. Sybille bestätigt die 5 Ergebnispräsentation: Fallperspektive 375 Antwort Japon mit „ Ja, Japan “ bei der ersten Sequenz, während Nicole ihre Antwort Londres zuerst auf Deutsch und dann auf Französisch gibt und schliesslich nochmals mit „ Also London “ bestätigt (vgl. Abb. 127): [1] 0 [00: 00.0] 1 [01: 25.1] 2 [01: 30.3] SYBILLE [v] (Einführung L4) [kel (.) (.) la nasionalite d pokemon] OrthoFS1 [v] Quelle est la nationalité des pokémons? NICOLE [v] [ e p ] OrthoFS2 [v] Je pense que c'est le [2] . . 3 [01: 34.7] 4 [01: 39.8]5 [01: 52.0] SYBILLE [v] (3) Jo Japan. (11) [kesk u s t uv l ply g (.) a epo dœ op] OrthoFS1 [v] Qu'est-ce que Où se trouve le plus grand aéroport d' OrthoFS2 [v] Japon. [3] . . 6 [02: 00.0] 7 [02: 02.0] 8 [02: 04.0] 9 [02: 08.5] 10 [02: 12.8] SYBILLE [v] [alo ? ] [se pœt t l d ] (14) OrthoFS1 [v] Europe? alors? C'est peut-etre Londres. NICOLE [v] London. [ p Aso London. OrthoFS2 [v] Je pense que c'est Londres. Abb. 127: Auszug aus dem Transkript UAK4Su1, Anhang III.IV.IV Die Fokusschülerinnen Lynn und Ursula klären den Inhalt auf Deutsch, wenn sie in der Zielsprache nicht die nötige Aufmerksamkeit gewinnen können, auch wenn der Austausch darüber bereits in der Zielsprache stattgefunden hat. Bei der Bearbeitung von Aufgabe A (Quiz) gibt Lynn auf die Frage Dans quelle ville d ’ Italie peut-on se déplacer en gondole? die korrekte Antwort à Venise. Allerdings sieht sie, dass Ursula Antarktis als Lösung ins Heft einträgt und auf ihren Hinweis nicht reagiert. Die beiden wiederholen die Frage und Lynn versucht, mit dem Satzanfang Je pense que … die korrekte Antwort Venise zu geben. Es gelingt ihr allerdings nicht, die Aufmerksamkeit von Ursula zu gewinnen, die entweder lacht oder sich einer anderen Gruppe zuwendet. Schliesslich teilt Lynn auf Mundart mit, dass die notierte Antwort falsch sei und dass sie es in den Lösungen verifiziert habe (vgl. Abb. 128, Z. 8): 376 5 Ergebnispräsentation: Fallperspektive [6] 16 [01: 29.5] 17 [01: 58.9] 18 [02: 09.4] 19 [02: 17.1] URSULA [v] (Gelächter) ok. [d kel vil ditali] do geit's so gäge abe (Gelächter) (lacht) OrthoFS4 [v] Dans quelle ville d'Italie LYNN [v] (Gelächter) [d kel vil ditali] [ p ) OrthoFS3 [v] Dans quelle ville d'Italie [7] . . 20 [02: 24.7] ] ] URSULA [v] (Gelächter) was wo weli site? (zu anderer Gruppe) sit dir fertig? (14) LYNN [v] [ p s] nei aso [ p [8] ] ] ] ] URSULA [v] [alo ] wieso? OrthoFS4 [v] Alors LYNN [v] ehm ehm (2) nei das isch falsch. es isch venise wüu i hinde jo gluegt ha (bei Abb. 128: Auszug aus dem Transkript UAK4Su2, Anhang III.IV.IV Die Fokusschülerinnen und -schüler der Klasse Hoger nutzen die Hilfestellungen zur Aufgabe im Lehrwerk dann, wenn sie von Frau Gerber darauf aufmerksam gemacht werden. Dies ist bei Aufgabe A (Quiz) der Fall, wenn Frau Gerber die Aufgabe so einführt, wie sie im Lehrwerk vorgesehen ist und auf die Hilfestellungen hinweist. Allerdings ist die leistungsstarke Fokusschülerin Sybille die Einzige, die viele Fragen auf Französisch stellt und bei ihren Antworten eine Auswahl der vorgegebenen Satzanfänge verwendet. Sie hört bei anderen Gruppen mit und stellt fest, dass ihre Mitschülerinnen und Mitschüler die Aufgabe nicht „ richtig “ bearbeiten, da sie nicht zusammen Französisch reden würden (vgl. Abb. 129): [19] 46 [06: 36.8] 47 [06: 44.8] 48 [06: 50.1] SYBILLE [v] (unverständlich) [es lital] die andere mache's im Fau gar nid richtig. die rede OrthoFS1 [v] Est-ce l'Italie? [20] . . 49 [06: 56.9]50 [07: 29.1] 51 [07: 33.8] 52 [07: 41.3] SYBILLE [v] gar nid französisch. (33) Lueget i de Lösige! [ki e l kauboi OrthoFS1 [v] Qui est le cow-boy NICOLE [v] Mount Everest Abb. 129: Auszug aus dem Transkript UAK4Su1, Anhang III.IV.IV 5 Ergebnispräsentation: Fallperspektive 377 Ihre Lernpartnerin weist Sybille jedoch nicht darauf hin, dass sie mehr (Französisch) sprechen sollte. Auch Sybille selbst verwendet ab diesem Moment keine Satzanfänge mehr, sondern gibt die Antworten als Einzelwörter. Nicole, Lynn und Ursula stellen auf Französisch Fragen und geben die Antworten teilweise auf Deutsch, teilweise auf Französisch. Die Satzanfänge aus dem Lehrwerk verwenden sie höchstens je zwei Mal. Die leistungsschwachen Fokusschüler tauschen sich nicht mündlich über die Antworten aus und befolgen die entsprechenden Angaben zur Aufgabe im Lehrwerk nicht. Bei den Aufgaben C (Questions) und D (Trucs à savoir) werden die Angaben im Lehrwerk nicht berücksichtigt und auch die Hilfestellungen zum interaktiven Sprechen nicht genutzt. Bei C (Questions) liegt dies daran, dass Frau Gerber die Aufgabe zur mündlichen Interaktion in eine Kontrolle der Hausaufgaben abändert, in der die Lernenden vorbereitete Sätze sagen. Bei D (Trucs à savoir) ist dies darauf zurückzuführen, dass die Aufgabe zum Sprechen nicht explizit eingeführt wird. Die Satzanfänge Nous avons choisi la question … , La question … nous intéresse oder Nous pouvons répondre à la question... werden von der Gruppe nicht verwendet. Die mittelmässigen und die leistungsstarken Fokusschülerinnen bearbeiten alle drei Aufgaben teilweise oder genauso, wie Frau Gerber sie anweist. Bei Aufgabe A (Quiz) stellen sie zwar Fragen, diskutieren die Antworten jedoch mit Ausnahme von Sybille nicht zusammen auf Französisch, indem sie einen der drei verschiedenen Satzanfänge nutzen, die Frau Gerber eingeführt hat. Ursula verwendet den Satzanfang Je pense que c ’ est … in der ganzen Sequenz zwei Mal korrekt, allerdings kein einziges Mal in der Interaktion mit ihrer Mitschülerin Lynn, sondern ausschliesslich beim Austausch mit Frau Gerber (vgl. Abb. 130): 378 5 Ergebnispräsentation: Fallperspektive [15] . . 41 [05: 10.6] 42 [05: 15.7] URSULA [v] [ p OrthoFS4 [v] . LYNN [v] L4 [v] . [16] 43 [05: 19.8] 44 [05: 22.1] 45 [05: 24.1] URSULA [v] [ p OrthoFS4 [v] L4 [v] [17] . . 46 [05: 30.6] 47 [05: 38.2] URSULA [v] ] [ p OrthoFS4 [v] LYNN [v] L4 [v] - Abb. 130: Auszug aus dem Transkript UAK4Su2, Anhang III.IV.IV Bei Aufgabe C (Questions) tragen die mittelmässigen und leistungsstarken Fokusschülerinnen ihre Sätze so vor, wie es von Frau Gerber verlangt wird. Nicole und Ursula können auch die Verbformen aufsagen. Die Aufgabe D (Trucs à savoir) bearbeiten die mittelmässigen und leistungsstarken Fokusschülerinnen so, wie sie von Frau Gerber eingeführt worden ist, nämlich als fakultatives Zusatzangebot. Nicole macht die Aufgabe nicht, Sybille löst sie gemeinsam mit Lynn und Ursula, wobei sie nicht die Aufgabe zum Sprechen, sondern eine eigene Idee zur Verstehensüberprüfung umsetzt. Nachdem sie zu dritt die Antworten auf die Fragen entschlüsselt haben, schlägt sie Lynn und Ursula vor, dass sie sie zu den Wissensfragen abfragen sollen: Sybille [04: 06] tüet mir frage steue und i tue sie beantworte Stellt mir Fragen und ich beantworte sie. Lynn [04: 20] also (Auszug 118 aus dem Transkript UDK4Su1_2, Anhang III.IV.XIII) Bei den Aufgaben A (Quiz) und C (Questions) gelingt es den leistungsschwachen Fokusschülern Lukas und Elias nicht, sie so zu bearbeiten, wie sie von Frau Gerber eingeführt werden. Bei A (Quiz) bearbeiten sie die Aufgabe schriftlich, bei C (Questions) machen sie nicht mit, da Elias ein anderes Verb „ gelernt “ habe als Frau Gerber verlangt hat und da Lukas angeblich aus Krankheitsgründen die Übung nicht vorbereiten konnte. 5 Ergebnispräsentation: Fallperspektive 379 Bei Aufgabe A (Quiz) können die mittelmässigen und leistungsstarken Fokusschülerinnen grundsätzlich mit ihren Lernpartnerinnen Informationen mit kurzen, formelhaften Ausdrücken in der Zielsprache resp. mithilfe von Gesten austauschen, die restliche Interaktion erfolgt hingegen in der Schulsprache Deutsch. Bei C (Questions) kann keine Aussage gemacht werden, weil die Aufgabe gemäss den Vorgaben von Frau Gerber ohne Informationsaustausch durchgeführt wird. Die leistungsschwachen Fokusschüler können bei keiner Aufgabe Informationen in der Zielsprache mündlich austauschen. Auf dem Fragebogen zur Selbsteinschätzung der Sprechkompetenz wählen 94 % die Deskriptoren des Niveaus A2.1 und 56 % diejenigen des nächsttieferen Niveaus A1.2, d. h., dass sie es sich zutrauen, sich verständlich zu machen und dass sie viel verstehen, wenn sie über Dinge sprechen, die sie kennen (vgl. Anhang II.I). Die Unterrichtsbeobachtungen mit Fokus auf die Lernenden zeigen, dass die Schülerinnen und Schüler den Informationsaustausch in der Zielsprache auf die Quizfragen begrenzen und für die restliche Interaktion, auch wenn es dabei um Dinge geht, die sie kennen, in der Schulsprache Deutsch oder auf Mundart wechseln. Keine Fokusschülerin und kein Fokusschüler der Klasse Hoger diskutiert in der Zielsprache, was sie/ er als Nächstes tun sollte und/ oder macht Vorschläge resp. reagiert auf Vorschläge. Wie der Auszug aus Aufgabe D (Trucs à savoir) zeigt, diskutieren auch die leistungsstarken und mittelmässigen Fokusschülerinnen in der Schulsprache Deutsch resp. auf Mundart, was sie als Nächstes tun sollen (vgl. Auszug 118). Die leistungsstarke Sybille unterscheidet jedoch zwischen Interaktionen, die sie mit ihren Lernpartnerinnen hat und Gesprächen, die sie mit ihrer Lehrerin Frau Gerber führt: Während sie sich bei der Bearbeitung von Aufgabe A (Quiz) bei Frau Gerber in der Zielsprache nach der Bedeutung eines Ausdrucks erkundigt, stellt sie kurze Zeit später genau die gleiche Frage ihrer Lernpartnerin auf Mundart: Sybille [03: 56] Qu ’ est-ce que ça veut dire en allemand „ la baleine “ ? Frau Gerber [04: 20] la baleine c ’ est le poisson [ … ] Sybille [05: 19] Was heisst das da do? Was heisst das hier? Nicole [05: 21] fromage Sybille [05: 25] und das da do? Und das hier? (Auszug 119 aus dem Transkript UAK4Su1, Anhang III.IV.IV) Offenbar unterscheidet Sybille zwischen der Gesprächssituation mit Frau Gerber und ihrer Mitschülerin. Vielleicht liegt dies am Notendruck, da Frau Gerber das Anwenden der Klassenzimmersprache benotet, vielleicht auch an der Verbindlichkeit der Gesprächssituation. 380 5 Ergebnispräsentation: Fallperspektive Bei der Bearbeitung von Aufgabe A (Quiz) können die leistungsstarke Nicole und die mittelmässigen Fokuslernenden Ursula und Lynn einfache Fragen stellen und mit Ein- oder Zweiwortsätzen beantworten (vgl. Abb. 131): [2] . . 4 [00: 20.9] 5 [00: 28.3] 6 [00: 32.8] URSULA [v] Merci gschieds Ching. [d (.) kel (.) vil OrthoFS4 [v] Dans quelle ville LYNN [v] dir vorhär eigentlich nid zueglost? I ha's gmacht. [3] . . 7 [00: 41.8] 8 [00: 49.0] URSULA [v] (.) ditali (.) pœ (.) (.) se (.) de.pla.se (1) en gondole] (Gelächter) (leise) [d kel vil OrthoFS4 [v] d'Italie peut-on se déplacer en gondole? Dans quelle ville [4] . . 9 [00: 56.9] 10 [01: 03.7] 11 [01: 06.2]12 [01: 08.5] URSULA [v] ditali] he was isch das. (schreibt Antarktis) Aha (6) ok OrthoFS4 [v] d'Italie... LYNN [v] (3) [an a venis] Arktis isch obe Antarktis OrthoFS3 [v] A Venise Abb. 131: Auszug aus dem Transkript UAK4Su2, Anhang III.IV.IV Sybille gelingt es bei der Bearbeitung von Aufgabe A (Quiz), auch längere Antwortsätze zu bilden und komplexere Fragen zu stellen. Es kommt vor, dass Sybille den französischen Antwortsatz nachliefert, obschon sie die Lösung bereits gefunden und in einem Ein-Wort-Satz formuliert hat (vgl. Abb. 132, Z. 6): [5] . . 13 [03: 15.4] SYBILLE [v] Nicole gerade ist, notiert Antworten auf die Fragen ins magazine ) [ki a v OrthoFS1 [v] Fragen ins magazine) Qui a inventé le [6] . . 14 [03: 20.7] 15 [03: 24.4] SYBILLE [v] levi straus] (schreibt Lösung ins magazine ) [se pœt t levi s(.)t(.) (1)aus] OrthoFS1 [v] jean? Levi Strauss C'est peut-être Levi Strauss. NICOLE [v] (schreibt Lösung ins magazine ) Abb. 132: Auszug aus dem Transkript UAK4Su1, Anhang III.IV.IV Umgekehrt ist gegen Ende der Bearbeitung der Aufgabe A (Quiz) festzustellen, dass Nicole und Sybille nur noch in Ein-/ Zwei-Wortsätzen antworten, obschon 5 Ergebnispräsentation: Fallperspektive 381 die leistungsstarken Fokusschülerinnen zu Beginn unter Beweis stellen, dass sie fähig sind, komplexere Sätze zu bilden (vgl. Abb. 133): [38] . . 106 [16: 17.7] 107 [16: 25.6] 108 [16: 33.4] SYBILLE [v] ah nün ja logisch mache mir miteme andere witer. [avek kel se eal fe (1) OrthoFS1 [v] Avec quelle céréale NICOLE [v] was es ist. [39] . . 109 [16: 40.4]110 [17: 08.0] SYBILLE [v] popko n] [avek dy ma.is] (28) [kel mo kom s OrthoFS1 [v] fait-on du pop-corn? Avec du maïs. Quel mot commençant par la lettre [40] . . 111 [17: 16.9] 112 [17: 23.8] 113 [17: 34.0] SYBILLE [v] Hm? (6) (beantwortet die OrthoFS1 [v] "G" désigne un regroupement d'étoiles? NICOLE [v] (5) Galaxie? Abb. 133: Auszug aus dem Transkript UAK4Su1, Anhang III.IV.IV Das Bilden von Paarsequenzen oder erweiterten Sequenzen stellt für die Fokuslernenden der Klasse Hoger eine Herausforderung dar (vgl. Tab. 72). Aufgabe A Quiz Aufgabe C Questions Aufgabe D Trucs à savoir Sybille 20 0 3 Nicole 2 0 0 Ursula und Lynn 2 0 3 Elias und Lukas 0 0 0 Tab. 72: Anzahl produzierter Sequenzen der Fokuslernenden der Klasse Hoger Die Fokuslernenden der Klasse Hoger bilden in der mündlichen Interaktion mit einer Mitschülerin/ einem Mitschüler wenig bis gar keine Minimalpaare in der Zielsprache (Frage/ Antwort). Als einzige Ausnahme bildet Sybille bei der Bearbeitung von Aufgabe A (Quiz) mehrheitlich Paarsequenzen in der Zielsprache, wobei sie ab der dritten Sequenz sowohl die Frage stellt als auch die Antwort liefert. Ihre Lernpartnerin Nicole überlässt nach den zwei ersten Sequenzen das Stellen und Beantworten der Fragen fast ausschliesslich Sybille. 382 5 Ergebnispräsentation: Fallperspektive Bei derselben Aufgabe A (Quiz) bilden Lynn und Ursula zwar insgesamt 13 Sequenzen, wovon aber nur zwei Paarsequenzen komplett in der Zielsprache sind. Sechs weitere Sequenzen sind unvollständig, da entweder die Frage oder die Antwort fehlt und bei den fünf letzten Sequenzen erfolgt entweder die Frage oder die Antwort auf Deutsch. Bei der Bearbeitung von Aufgabe D (Trucs à savoir) bilden die Fokusschülerinnen insgesamt drei Minimalpaare in der Zielsprache, alle anderen Sequenzen sind unvollständig oder werden in der Schulsprache Deutsch beendet. Bei der Aufgabe C (Questions) wird das Bilden von Sequenzen nicht geübt, da die Aufgabe zum Sprechen nicht interaktiv umgesetzt wird. 5.4.4.3.2 Kommunikationsstrategien (D2) Die Fokusschülerinnen und -schüler der Klasse Hoger wenden so gut wie keine Kompensationsstrategien an. Bis auf eine Ausnahme verwenden sie kein codeswitching. Wenn Lynn bei der Bearbeitung von Aufgabe A (Quiz) Deutsch spricht, nimmt sie einen Sprachwechsel vor, indem sie sie ein französisches Wort von Frau Gerber aufgreift und sagt: Lynn [05: 54] Ich kann das machen discuter. (Auszug 120 aus dem Transkript UAK4Su2, Anhang III.IV.IV) Die Kompensationsstrategie „ Gestik und Mimik “ wird einzig bei der Bearbeitung von Aufgabe D (Trucs à savoir) von den beiden mittelmässigen Fokuslernenden verwendet. Bei den Gesten handelt es sich um deiktische Zeichen, die Ursula und Lynn verwenden, wenn sie auf einen Ausdruck in der Aufgabe im Lehrwerk zeigen. Entsprechend zeigen sie entweder auf ein Bild (Lynn) oder auf eine Textstelle (Ursula) im Heft (vgl. Abb. 134): [9] . . 25 [01: 42.7] 26 [01: 45.0] 27 [01: 47.0] 28 [01: 49.0] SYBILLE [v] s n] (2) [se kwa lokto(.)pu ] was OrthoFS1 [v] scène C'est quoi l'octopush? LYNN [v] (1) ist oktopus was isch oktopush das isch URSULA [v] [loktopus? ] OrthoFS4 [v] l'octopus? [10] . . 29 [01: 52.5] 30 [01: 54.5] SYBILLE [v] [a kel vit (.) a kel vites sirkyl l OrthoFS1 [v] A quelle vitesse circule le son? LYNN [v] unter wasser (zeigt auf Bild im magazine ) URSULA [v] (1) ah ja Abb. 134: Auszug aus dem Transkript UDK4Su1_2, Anhang III.IV.XIII 5 Ergebnispräsentation: Fallperspektive 383 Die Fokuslernenden der Klasse Hoger verwenden auch wenig bis gar keine Wiederholungen. Sybille wiederholt zwar bei der Bearbeitung von Aufgabe A (Quiz) eine Aussage in modifizierter Form, aber dabei handelt es sich nicht um eine Kompensationsstrategie, da ihre Lernpartnerin Nicole und sie selbst die Aussage schon beim ersten Mal verstanden haben. Warum Sybille den Satz von Nicole in modifizierter Form wiederholt, ist unklar. Vielleicht möchte sie zeigen, dass sie die verschiedenen chunks der Aufgabe nutzen kann: Nicole [02: 02] London. Je pense que c ’ est Londres. Sybille [02: 08] C ’ est peut-être Londres? Nicole [02: 08] Aso London Also London (Auszug 121 aus dem Transkript UAK4Su1, Anhang III.IV.IV) Als Kommunikationsstrategie gilt auch das turntaking ( „ Wort ergreifen “ ): Die meisten Fokuslernenden der Klasse Hoger eröffnen das Gespräch nicht explizit resp. nicht in der Zielsprache. Bei den Aufgaben A (Quiz) und D (Trucs à savoir) beginnen sie das Gespräch direkt mit der ersten Frage oder Hypothese der Aufgabe, und beendet werden die mündlichen Interaktionen grundsätzlich durch Frau Gerber, die die Übung als fertig erklärt. Bei der Aufgabe C (Questions), die im Plenum durchgeführt wird, ist Frau Gerber für die Gesprächseröffnung und -beendung verantwortlich. In den Aufgaben ist auch nicht vorgesehen, dass die Gespräche explizit auf Französisch eröffnet oder explizit auf Französisch beendet werden. Allerdings hat Frau Gerber ihrer Klasse mitgeteilt, dass sie möglichst viel des Klassenzimmergeschehens in der Zielsprache kommunizieren sollen, und die Schülerinnen und Schüler verfügen über ein Blatt mit hilfreichen Ausdrücken. Sybille und Ursula verwenden beide bei der Bearbeitung der Aufgabe A (Quiz) einmal alors(? ), um das Gespräch aufrecht zu erhalten. Beide verwenden aber auch Ausdrücke in der Schulsprache Deutsch resp. auf Mundart, um die Interaktion in Gang zu halten. Ursula erkundigt sich auf Mundart bei Lynn, auf welcher Seite sie gerade sei, dann meldet sie sich mit dem französischen alors wieder zurück zur gemeinsamen Arbeit und schliesslich gibt sie ebenfalls in der Zielsprache Bescheid, dass sie fertig sei (j ’ ai fini) (vgl. Abb. 135): 384 5 Ergebnispräsentation: Fallperspektive [7] . . 20 [02: 24.7] 21 [02: 37.4] 22 [02: 47.3] URSULA [v] (Gelächter) was wo weli site? (zu anderer Gruppe) sit dir fertig? (14) LYNN [v] [ p s] nei aso [ p [8] 23 [03: 00.8] 24 [03: 07.7] 25 [03: 11.0]26 [03: 11.7] URSULA [v] [alo ] wieso? OrthoFS4 [v] Alors LYNN [v] ehm ehm (2) nei das isch falsch. es isch venise wüu i hinde jo gluegt ha (bei […] [11] . . 33 [04: 25.9] 34 [04: 32.6] 35 [04: 35.3] URSULA [v] mit anderer Gruppe) [ fini] lug OrthoFS4 [v] J'ai fini. LYNN [v] [ (2) p ] (3) aber was hesch du dert? Abb. 135: Auszug aus dem Transkript UAK4Su2, Anhang III.IV.IV Bei der Bearbeitung von Aufgabe D (Trucs à savoir) können Sybille, Lynn und Ursula ebenfalls abwechselnd in der Zielsprache und in der Schulsprache Deutsch resp. in der Schweizer Mundart das Wort ergreifen, um die Interaktion in Gang zu halten (z. B. eine nächste Frage auf Französisch stellen). Die Fokuslernenden der Klasse Hoger bitten beim Nicht-Verstehen oft um Klärung, tun dies jedoch mit zwei Ausnahmen in der Schulsprache Deutsch oder auf Mundart. Eine Ausnahme bildet Ursula, die bei der Bearbeitung von Aufgabe D (Trucs à savoir) den Ausdruck octopush nicht versteht und ein ähnliches Wort, nämlich *l ’ octupus als Frage intoniert, um die Bedeutung des Ausdrucks zu klären (vgl. Abb. 136): [9] . . 25 [01: 42.7] 26 [01: 45.0] 27 [01: 47.0] 28 [01: 49.0] SYBILLE [v] s n] (2) [se kwa lokto(.)pu ] was OrthoFS1 [v] scène C'est quoi l'octopush? LYNN [v] (1) ist oktopus was isch oktopush das isch URSULA [v] [loktopus? ] OrthoFS4 [v] l'octopus? Abb. 136: Auszug aus dem Transkript UDK4Su1_2, Anhang III.IV.XIII Sybille wählt das gleiche Vorgehen mit intonierten Wörtern bei der Bearbeitung von Aufgabe A (Quiz), wenn sie ausdrückt, dass sie die Bedeutung von la 5 Ergebnispräsentation: Fallperspektive 385 baleine nicht kenne. Anschliessend teilt sie Frau Gerber in der Zielsprache mit, dass sie den Ausdruck nicht verstehe (vgl. Abb. 137): [7] 16 [03: 29.7] 17 [03: 40.7] SYBILLE [v] (hört bei anderer Gruppe mit; Lehrerin erklärt die Frage zu Venedig) [k l e l ply OrthoFS1 [v] Quel est le [8] . . 18 [03: 44.1] 19 [03: 50.3] SYBILLE [v] g animal ma ] (4) [la bal ? (hebt Hand hoch, L4 kommt zu ihr) OrthoFS1 [v] plus grand animal marin? la baleine [9] 20 [03: 56.1] 21 [04: 00.1] SYBILLE [v] [kesk sa vœ di n alm ein OrthoFS1 [v] Qu'est-ce que ça veut dire en allemand la baleine? L4 [v] la baleine c'est le poisson Abb. 137: Auszug aus dem Transkript UAK4Su1, Anhang III.IV.IV Die restlichen Bitten um Klärung erfolgen in der Schulsprache Deutsch oder auf Mundart, wie dies die Beispiele von Nicole resp. Lynn und Ursula bei der Bearbeitung von Aufgabe A (Quiz) illustrieren (vgl. Abb. 138 und 139): [17] . . 41 [05: 37.6] 42 [05: 46.1] 43 [06: 00.1] SYBILLE [v] [m siœ ef l a m siœ ef l a k st yi] ehm (schreibt OrthoFS1 [v] Pourquoi? Monsieur Eiffel a, Monsieur Eiffel a construit la tour. NICOLE [v] Was? (6) (schreibt Abb. 138: Auszug aus dem Transkript UAK4Su1, Anhang III.IV.IV 386 5 Ergebnispräsentation: Fallperspektive [9] . . 27 [03: 15.6]28 [03: 30.0] 29 [04: 01.4] URSULA [v] (lacht) (lacht) LYNN [v] den Lösungen) du hesch mi agsteckt (lacht auch) [kel mamif OrthoFS3 [v] Quel mammifère [10] . . 30 [04: 08.0] 31 [04: 10.0] 32 [04: 17.5] URSULA [v] Was isch was heisst das? nei wart schnäu (spricht LYNN [v] nokty n (2)] [vol] ähm OrthoFS3 [v] nocturne vole comme un oiseau? Abb. 139: Auszug aus dem Transkript UAK4Su2, Anhang III.IV.IV Bei den Aufgaben A (Quiz) und D (Trucs à savoir), die in Kleingruppen bearbeitet werden, ergeben sich zahlreiche Situationen, in denen die Fokusschülerinnen und -schüler der Klasse Hoger die Kommunikationsstrategie „ Kooperieren “ anwenden. Dabei geht es in erster Linie um Unterstützung beim Lösen von Verstehensproblemen. Die Fokusschülerinnen und -schüler können die meisten Verstehensprobleme ohne die Hilfe von Frau Gerber lösen. Die mittelmässigen Fokusschülerinnen Ursula und Lynn können sowohl bei der Aufgabe A (Quiz) als auch bei der Aufgabe D (Trucs à savoir) einerseits von der Lernpartnerin Unterstützung einfordern und andererseits selber Unterstützung bieten, wenn es darum geht, die Aufgabenstellung zu klären, Wörter/ Wendungen/ Texte zu entschlüsseln, Hilfsmittel beizuziehen etc. Bei der Bearbeitung von Aufgabe A (Quiz) unterstützen sich Lynn und Ursula bei Fragen zur Antarktis oder einer Rechnung gegenseitig (vgl. Abb. 140): 5 Ergebnispräsentation: Fallperspektive 387 [41] . . 118 [14: 17.7] 119 [14: 25.4] 120 [14: 27.4] 121 [14: 35.5] 122 [14: 43.8] URSULA [v] was isch wo isch LYNN [v] Schwiz, lueg (6) eh ah Londres [kel e la] (4) die Hälfte he was isch (2) ah die Hälfte OrthoFS3 [v] Quelle est la [42] . . 123 [14: 49.8] 124 [14: 53.1] 125 [14: 55.1] 126 [15: 01.6] URSULA [v] das überhaupt vierundzwanzig vierzehn. (3) (2) siebe (1) nei LYNN [v] von achtundzwanzig äh? vierzehn. ehm ja nei [43] 127 [15: 08.4] 128 [15: 10.4] 129 [15: 18.0] 130 [15: 25.5] URSULA [v] gäu. das stoht do gar nid? (unverständlich) [motie d la motie] OrthoFS4 [v] moitié de la moitié LYNN [v] das cha nid sy ah jo genau jetzt check i's Abb. 140: Auszug aus dem Transkript UAK4Su2, Anhang III.IV.IV Allerdings unterstützt Ursula ihre Lernpartnerin Lynn nicht, als diese bei Aufgabe A (Quiz) versucht, einen Satz mit Je pense que c ’ est … zu produzieren. Ursula lacht, spricht zu anderer Gruppe und unterbricht Lynn mit J ’ ai fini! . Offenbar merkt sie nicht, dass Lynn ihre Unterstützung brauchen könnte, zumal sie fähig ist, einen solchen Satz zu bilden, wie sie es später vor Frau Gerber demonstriert. Wenn die leistungsstarke Fokusschülerin Sybille bei der Bearbeitung von Aufgabe D (Trucs à savoir) zur Lerngruppe von Ursula und Lynn dazustösst, kann sie ebenfalls unterstützen und Unterstützung einfordern. Beispielsweise gelingt Sybille und Ursula der Entschlüsselungsprozess durch die Kooperation (vgl. Abb. 141): [11] . . 31 [02: 00.9] 32 [02: 06.8] 33 [02: 12.0] SYBILLE [v] s ] wie viele (2) liter? ah URSULA [v] (2) [kombj l ko k til il do] äh wasser im körper? OrthoFS4 [v] Combien le corps contient-il d'eau? Abb. 141: Auszug aus dem Transkript UDK4Su1_2, Anhang III.IV.XIII Ausserdem unterstützt Sybille bei der Bearbeitung von Aufgabe D (Trucs à savoir) ihre Lernpartnerinnen Ursula und Lynn beim Verstehen der Wissensfragen, indem sie die Fragen jeweils in der Zielsprache vorliest und direkt danach die deutsche Übersetzung davon liefert (vgl. Abb. 142): 388 5 Ergebnispräsentation: Fallperspektive [5] . . 14 [00: 55.5] 15 [00: 59.7] SYBILLE [v] [kel ply l nom d vil d f s] welcher ist der grösste OrthoFS1 [v] Quel est le plus long nom de ville de France? LYNN [v] neuseeland. URSULA [v] [s ] OrthoFS4 [v] Saint-Rémy [6] . . 16 [01: 03.8] 17 [01: 09.1] 18 [01: 11.1] SYBILLE [v] name in französisch (3) [s ][s ][s ] OrthoFS1 [v] Saint LYNN [v] [s mi] (1) [ busm s geli e is ] OrthoFS3 [v] Saint-Rémy en-Bouzemont-Saint-Genest-et- URSULA [v] [s ] [s ] [ mi ] (2) [ ] OrthoFS4 [v] Saint Saint en-Bouzemont-Saint-Genest-et- Abb. 142: Auszug aus dem Transkript UDK4Su1_2, Anhang III.IV.XIII Im vorliegenden Fall wäre eine Übersetzung aber gar nicht notwendig, da Ursula bereits während der Übersetzung damit beginnt, die Lösung vorzutragen. Das Vorgehen von Sybille erinnert an die Echorede, die auch Frau Gerber bei den Einführungen zu den Aufgaben zum Sprechen anwendet. Wenn Sybille bei Aufgabe A (Quiz) mit Nicole arbeitet, kann sie von ihr zwar Unterstützung einfordern, selber jedoch keine Unterstützung bieten. Sybille erkundigt sich bei Nicole nach einer Übersetzung: Sybille [05: 19] Was heisst das da do? Was heisst das hier? Nicole [05: 21] fromage (Auszug 122 aus dem Transkript UAK4Su1, Anhang III.IV.IV) Die leistungsschwachen Fokusschüler Elias und Lukas berücksichtigen bei Unterstützungsbedarf den Mitschüler nicht als Ressource und können selber keine bieten. Wenn die Fokusschülerinnen und -schüler der Klasse Hoger kooperieren, dann tun sie dies sowohl für das Anzeigen des Verstehens als auch für die Organisation des gemeinsamen Arbeitens stets auf Deutsch resp. auf Mundart. Die Kommunikationsstrategie „ Kontrolle und Reparaturen “ kommt in der Klasse Hoger bei den Aufgaben A (Quiz) und C (Questions) zum Tragen. Die Fokusschülerinnen Sybille, Nicole und Ursula nehmen Selbstkorrekturen vor. Sybille wird bei der Bearbeitung von Aufgabe A (Quiz) von Nicole korrigiert, wenn sie peu fehlerhaft ausspricht. Sie erkennt, dass ihre Äusserung fehlerhaft ist und meint, dass sie es selbst auch gemerkt hätte. Anschliessend wiederholt sie die korrekte Form von peu: 5 Ergebnispräsentation: Fallperspektive 389 Sybille [17: 48] [ke sinifi lexp ʁ esi ɔ ̃ awa ʁ ɛ ̃ apeti dwaso] Que signifie l ’ expression avoir un appétit d ’ oiseau? Sybille [17: 55] [m ɑ ̃ ʃ e p. e.u m ɑ ̃ ʃ e p œ i] (13) manger *p-e-u, manger *peui Nicole [18: 17] [p œ ] oder [boku] peu oder beaucoup Sybille [18: 17] Ja ja. ja i ha ’ s de ou gmerkt Ja ja. Ja, ich hab ’ s dann auch gemerkt. Sybille [18: 32] Ja i weiss nid, was das heisst. [m ɑ ̃ ʃ e p œ ] Ja, ich weiss nicht, was das heisst. Manger peu. (Auszug 123 aus dem Transkript UAK4Su1, Anhang III.IV.IV) Bei der Bearbeitung von Aufgabe C (Questions), die im Plenum durchgeführt wird, nehmen beide leistungsstarken Fokusschülerinnen eine Selbstkorrektur aufgrund der Reparatur von Frau Gerber vor. Sybille sagt den Satz Nous avons peur vor und spricht dabei den Laut [ œ ] wieder fehlerhaft aus: [nuz ‿ aw ɔ ̃ po ʁ ]. Sie wird von der Lehrperson mittels einer explicit correction zu [p œʁ ] korrigiert und nimmt anschliessend eine Selbstkorrektur vor. Nicole sagt *il est congé, wobei sie das Hilfsverb verwechselt und congé fehlerhaft ausspricht: [il e k ɔ ̃ ʒ i]. Sie wird mittels einer elicitation refer von Frau Gerber korrigiert (pas il est mais? Il … ) und wiederholt anschliessend den ganzen Satz. Auf Nachfrage von Frau Gerber übersetzt sie ihn ins Deutsche, wobei sie das Personalpronomen il mit „ sie “ übersetzt, was wiederum von Frau Gerber korrigiert wird. Nicole wiederholt „ Er “ . Bei Lynn ergibt sich keine entsprechende Situation, da sie bei der Bearbeitung der Aufgaben A (Quiz) und D (Trucs à savoir) nicht von ihrer Mitschülerin oder von Frau Gerber korrigiert wird. Wenn sie bei Aufgabe C (Questions) ihre Sätze J ’ ai faim und Il a un chien sagt ([ ʃ ʃə f ɛː ] ehm [e] [il a œ ̃ ʃ i ɛ ̃ ]) sagt Frau Gerber très bien. Eine Selbstkorrektur ist nicht nötig. Ursula stockt bei der Bearbeitung von Aufgabe A (Quiz) bei der Aussprache von pingouin. Lynn übernimmt die Frage und spricht pingouin beim zweiten Anlauf korrekt aus. Ursula wiederholt anschliessend pingouin korrekt: Ursula [00: 00] [u vi] (2) Où vit … Lynn [00: 05] [u vit l ə pi ŋ .p ɛ ̃ gu ɛ ̃ ] Où vit le pingouin? Ursula [00: 05] (4) [p ɛ ̃ gu ɛ ̃ ] pingouin (Auszug 124 aus dem Transkript UAK4Su2, Anhang III.IV.IV) Bei der Bearbeitung von Aufgabe C (Questions) sagt Nicole die Formen des Verbs avoir im Indikativ Präsens auf: [ ʒ e ty a il a el a nu av ɔ ̃ vus ave il z ɔ ̃ el z ɔ ̃ ]. Frau Gerber sagt très bien und eine Selbstkorrektur ist nicht nötig. 390 5 Ergebnispräsentation: Fallperspektive Für die leistungsschwachen Fokusschüler Elias und Lukas liegt nur das Transkript zur Bearbeitung von Aufgabe C (Questions) vor. Lukas sagt keinen Satz. Elias sagt den Satz *Je suis nerveusement, für den er das Hilfsverb être wählt und anstelle des Adjektivs nerveux fehlerhaft das Adverb nerveusement verwendet: *[ ʒə syi ne ʁ v œ sm ɑ ̃ ]. Frau Gerber gibt die korrekte Form an und beanstandet das falsch gewählte Hilfsverb, fordert jedoch keine Korrektur. Die Selbstkorrektur von Elias, auch wenn sie nötig gewesen wäre, bleibt hier deshalb aus (vgl. Abb. 143, Z. 18 - 19): [18] . . 56 [03: 28.4]57 [03: 29.9] 58 [03: 32.0] L4 [v] regarder sur la feuille voilà je suis nerveux mais ELIAS [v] Lösungsblatt) [ syi ne vœsm ] ELIAS (ortho) je suis *nerveusement [19] . . 59 [03: 37.5]60 [03: 38.6] L4 [v] attention c'est le verbe être pas avoir une phrase avec le verbe avoir ELIAS [v] was? [20] 61 [03: 41.6] 62 [03: 43.6] 63 [03: 45.5] 64 [03: 47.2]65 [03: 48.2] L4 [v] du hast être gelernt. d'accord S9 [v] är het s Verb être gno ELIAS [v] i chume nid drus ja Abb. 143: Auszug aus dem Transkript UCK4L, Anhang III.III.XIV Die Fokusschülerinnen und -schüler korrigieren sich wenig gegenseitig. Als einzige Fokusschülerinnen nehmen Nicole und Lynn bei der Bearbeitung von Aufgabe A (Quiz) eine Reparatur vor, die sich beide auf die Aussprache eines Wortes beziehen (peu und pingouin). Bei Aufgabe C (Questions) sind Reparaturen durch die Lernenden aufgrund des Übungsformats im Plenum nicht möglich, bei der Aufgabe D (Trucs à savoir) bleiben die Korrekturen gänzlich aus (vgl. Tab. 73). Reparaturformen nach Lyster/ Ranta 1997 recast Nicole x Lynn x Tab. 73: Verwendete Reparaturformen in der Klasse Hoger 5 Ergebnispräsentation: Fallperspektive 391 5.4.4.3.3 Kommunikative Kompetenzen (D3) Bei den kommunikativen Kompetenzen wird als erster Teilbereich die Beherrschung der Phonologie und der Phonetik betrachtet. Alle Fokuslernenden der Klasse Hoger erreichen bei der Bearbeitung aller Aufgaben bis auf eine einzige Ausnahme zum interaktiven Sprechen mindestens die mittlere, manchmal auch die oberste Stufe der Skala (vgl. Anhang II.VII). Sybille und Nicole, die leistungsstarken Fokusschülerinnen, sprechen grundsätzlich mit einem geringen Akzent Französisch, so dass die Mitschülerin wenig Anstrengung aufbringen muss, um sie zu verstehen. Sie können beide die meisten Laute mehrheitlich verständlich aussprechen. Sybille spricht sowohl bei Aufgabe A (Quiz) als auch bei Aufgabe C (Questions) die Buchstabenkombination „ eu “ fehlerhaft aus, wobei sie einmal durch Nicole und einmal durch Frau Gerber korrigiert wird. Auf dem Fragebogen geben beide Schülerinnen Mundart als ihre Erstsprache an. In Bezug auf die Phonologie und die Phonetik merkt man eher selten, dass Schweizer Mundart ihre Ausgangssprache ist. Sybille und Nicole sprechen typische Laute des französischen Lautsystems wie [ ʁ ], [ ʒ ] oder die Nasale [ ɑ ̃ , ɛ ̃ , ɔ ̃ ] korrekt aus, obschon diese im Schweizerdeutschen nicht existieren, wodurch ihre Äusserungen oft akzentfrei klingen. Beide machen teilweise auch die liaison (Sybille: [ ɑ ̃ ‿ ive ʁ ] / Nicole: [nuz ‿ av ɔ ̃ vuz ‿ ave ilz ‿ɔ ̃ elz ‿ɔ ̃ ]. Der Deutschschweizer Akzent ist bei Sybille v. a. bei der Bearbeitung von Aufgabe D (Trucs à savoir) wahrnehmbar. Sie spricht drei Wörter analog zur deutschen Ausprache aus: [bilets] für billets: Sie spricht -llals [l] aus und spricht die stumme Endung -ts aus. [nom] für nom: Sie spricht -omals [om] aus und spricht die stumme Endung -m aus. [nuvel zeland] für Nouvelle Zélande: Sie spricht -anals [an] aus und spricht die stumme Endung -de aus. (Auszug 125 aus dem Transkript UDK4Su1_2, Anhang III.IV.XIII) Da die Fokusschülerinnen bei Aufgabe D (Trucs à savoir) den Entschlüsselungsprozess in den Vordergrund stellen, könnte es sein, dass Sybille ihr plurilinguales Repertoire dazu nutzt, um den Verstehensprozess zu erleichtern. Mit einer deutschen Aussprache sind die Wörter den Fokusschülerinnen u. U. bekannt und einfacher zu verstehen. Nicole zeigt bei der Bearbeitung von Aufgabe A (Quiz) anfangs Schwierigkeiten mit der Aussprache von „ e “ als [ ə ] in Je pense que c ’ est. Doch schon bei der zweiten Intervention spricht sie den Satzanfang korrekt aus (vgl. Abb. 144): 392 5 Ergebnispräsentation: Fallperspektive [1] 0 [00: 00.0] 1 [01: 25.1] 2 [01: 30.3] SYBILLE [v] (Einführung L4) [kel (.) (.) la nasionalite d pokemon] OrthoFS1 [v] Quelle est la nationalité des pokémons? NICOLE [v] [ e p ] OrthoFS2 [v] Je pense que c'est le [2] . . 3 [01: 34.7] 4 [01: 39.8]5 [01: 52.0] SYBILLE [v] (3) Jo Japan. (11) [kesk u s t uv l ply g (.) a epo dœ op] OrthoFS1 [v] Qu'est-ce que Où se trouve le plus grand aéroport d' OrthoFS2 [v] Japon. [3] . . 6 [02: 00.0] 7 [02: 02.0] 8 [02: 04.0] 9 [02: 08.5] 10 [02: 12.8] SYBILLE [v] [alo ? ] [se pœt t l d ] (14) OrthoFS1 [v] Europe? alors? C'est peut-etre Londres. NICOLE [v] London. [ p Aso London. OrthoFS2 [v] Je pense que c'est Londres. Abb. 144: Auszug aus dem Transkript UAK4Su1, Anhang III.IV.IV Auf dem Fragebogen gibt Ursula, die mittelmässige Fokusschülerin, als ihre Erstsprache Deutsch an und Lynn, ebenfalls eine mittelmässige Fokusschülerin, Englisch und Deutsch. In Bezug auf die Phonologie und die Phonetik können beide eine begrenzte Anzahl von Lauten meistens verständlich aussprechen. Wie auch Sybille und Nicole sprechen sie typische Laute des französischen Lautsystems korrekt aus, wodurch ihre Äusserungen oft akzentfrei klingen. Bei Lynn ist kein englischer Einfluss zu hören. Probleme bereiten ihr manchmal die stummen Endungen (Où vit … / le grand), die sie versehentlich ausspricht. Ursula bereiten Buchstabenkombinationen wie „ oi “ , „ au “ oder „ ch “ Probleme: Sie spricht sie analog zum (Schweizer-)deutschen Lautsystem aus. Bei den leistungsschwachen Fokusschülern zeigt sich die Beherrschung der Phonologie und der Phonetik nur bei der Bearbeitung der Aufgabe C (Questions) und auch da nur für Elias, da Lukas bei der Aufgabe C (Questions) einen Satz auf Deutsch sagt. Elias gibt auf dem Fragebogen Italienisch und Deutsch als seine Erstsprachen an. Er spricht in seinem [ ʒə syi ne ʁ v œ sm ɑ ̃ ] bei Aufgabe C (Questions) typische Laute des französischen Lautsystems wie [ ʁ ], [ ʒ ] oder die Nasale [ ɑ ̃ ] korrekt aus, obschon diese weder im Schweizerdeutschen noch im Italienischen existieren, wodurch seine Äusserung hier akzentfrei klingt. Er müsste aber eine grössere Menge an Aussagen produzieren, um diese Beobachtung zu bestätigen. 5 Ergebnispräsentation: Fallperspektive 393 Auch im zweiten Teilbereich der Kommunikativen Kompetenzen, bei der Flüssigkeit, erreichen alle Fokuslernenden der Klasse Hoger bis auf eine Ausnahme mindestens die mittlere, manchmal auch die oberste Stufe der Skala (vgl. Anhang II.VII). Die leistungsstarke Fokusschülerin Sybille kann sich in kurzen Redebeiträgen mit eigenen Formulierungen oder memorierten Wendungen grundsätzlich verständlich machen und spricht dabei ziemlich flüssig. Sie erreicht die oberste Stufe sowohl bei Aufgabe A (Quiz), bei der sie frei spricht, als auch bei Aufgabe C (Questions), bei der sie ihren vorbereiteten Satz vorträgt. Bei der Bearbeitung von Aufgabe D (Trucs à savoir) benutzt Sybille meist kurze, isolierte und vorgefertigte Äusserungen und keine eigenen Formulierungen. Nicole, die zweite leistungsstarke Fokusschülerin, verwendet bei der Aufgabe A (Quiz) nur wenige eigene Formulierungen und drückt sich meistens mit kurzen, isolierten und vorgefertigten Äusserungen aus, was der mittleren Stufe entspricht. Bei Aufgabe C (Questions) trägt sie eine eigene Formulierung fliessend vor. Lynn und Ursula, die mittelmässigen Fokusschülerinnen, können bei der Bearbeitung der Aufgaben A (Quiz) und D (Trucs à savoir) sehr kurze, isolierte und meist vorgefertigte Äusserungen benutzen, machen dabei aber viele Pausen, um nach Ausdrücken zu suchen oder um weniger vertraute Wörter zu artikulieren. Dieser Deskriptor entspricht der mittleren Stufe. Die vielen kurzen Pausen zwischen den Silben zeigen sich für Ursula beispielsweise bei der Bearbeitung von Aufgabe A (Quiz) (vgl. Abb. 145): [2] . . 4 [00: 20.9] 5 [00: 28.3] 6 [00: 32.8] URSULA [v] Merci gschieds Ching. [d (.) kel (.) vil OrthoFS4 [v] Dans quelle ville LYNN [v] dir vorhär eigentlich nid zueglost? I ha's gmacht. [3] . . 7 [00: 41.8] 8 [00: 49.0] URSULA [v] (.) ditali (.) pœ (.) (.) se (.) de.pla.se (1) en gondole] (Gelächter) (leise) [d kel vil OrthoFS4 [v] d'Italie peut-on se déplacer en gondole? Dans quelle ville Abb. 145: Auszug aus dem Transkript UAK4Su2, Anhang III.IV.IV Wenn Ursula bei der Aufgabe C (Questions) ihren vorbereiteten Satz vorträgt, dann spricht sie sehr flüssig. Elias, der leistungsschwache Fokusschüler, spricht seinen Satz bei Aufgabe C (Questions) flüssig. Er müsste aber eine grössere Menge an Aussagen und vor allem auch unvorbereitete Äusserungen produzieren, damit diese Einschätzung zur Flüssigkeit bestätigt werden könnte. 394 5 Ergebnispräsentation: Fallperspektive Im dritten Teilbereich zu den Kommunikativen Kompetenzen, dem Spektrum sprachlicher Mittel, verteilen sich die Fokuslernenden der Klasse Hoger auf allen drei Stufen der Skala (vgl. Anhang II.VII). Sybille, die leistungsstarke Fokusschülerin, erreicht als einzige Fokuslernende der Klasse Hoger die oberste Stufe im Bereich des Spektrums sprachlicher Mittel bei der Bearbeitung von Aufgabe A (Quiz). Bei Aufgabe C (Questions) produziert sie aufgrund des Übungsformats eine zu geringe Menge an Aussagen, um das Spektrum zu beurteilen. Bei der Bearbeitung von Aufgabe D (Trucs à savoir) legt sie den Fokus aufs Textverstehen und macht sich über das Verwenden sehr elementarer Wendungen verständlich, was der mittleren Stufe entspricht. Nicole, ebenfalls leistungsstarke Fokusschülerin, siedelt sich in der Skala zum Spektrum sprachlicher Mittel bei allen Aufgaben auf der untersten Stufe an (vgl. Anhang II.VII). Dies liegt nicht an den Äusserungen, die sie macht und die korrekt sind, sondern an der zu geringen Menge an Aussagen, die sie produziert. Lynn und Ursula, die mittelmässigen Fokusschülerinnen, zeigen beim Bearbeiten der Aufgaben A (Quiz) und D (Trucs à savoir), bei denen das interaktive Sprechen gefördert wird, dass sie sehr elementare Wendungen verwenden können. Memorierte Sätze oder Redeformeln verwenden sie kaum, resp. nur dann, wenn sie sich an Frau Gerber wenden. Ansonsten antworten sie mehrheitlich mit reduzierten Sätzen: Ursula [05: 15] Je pense que c ’ est l ’ Everest. [ … ] Lynn [13: 27] Quel pays a la forme d ’ une botte? Ah Stiefel, l ’ Italie. (Auszüge 126 aus dem Transkript UAK4Su2, Anhang III.IV.IV) Bei der Bearbeitung von Aufgabe C (Questions) kann Ursula alle Personalformen des Verbs avoir im Präsens Indikativ bilden. Bei der Anwendung dieses Wissens bei Aufgabe D (Trucs à savoir) verwechselt sie jedoch zunächst avoir und être sowie nous und vous (vgl. Abb. 146): [2] 4 [00: 17.75 [00: 22.1] 6 [00: 29.0] 7 [00: 31.0] SYBILLE [v] äh LYNN [v] was isch dr kiwi URSULA [v] i OrthoFS4 [v] Abb. 146: Auszug aus dem Transkript UDK4Su1_2, Anhang III.IV.XIII 5 Ergebnispräsentation: Fallperspektive 395 Die beiden leistungsschwachen Schüler Elias und Lukas produzieren eine zu geringe Menge an Aussagen, um das Spektrum sprachlicher Mittel zu beurteilen. 5.4.4.3.4 Plurilinguales Sprechen (D4) Von den Fokusschülerinnen und -schüler der Klasse Hoger geben alle als ihre Erstsprache Schweizer Mundart an, Lynn gibt ausserdem Englisch und Elias Italienisch an. In ihrem Repertoire verfügen alle Fokuslernenden neben Deutsch auch über Französisch und Englisch, die sie als Fremdsprachen in der Schule lernen. Trotz des Sprachenreichtums findet in der Klasse Hoger nur wenig plurilinguales Sprechen statt. Bei der Bearbeitung der Aufgaben A (Quiz) und C (Questions) wird kein plurilinguales Sprechen verwendet. Bei der Aufgabe D (Trucs à savoir) nutzt Sybille, die leistungsstarke Fokusschülerin, als einzige ihr plurilinguales Repertoire. Dieses begrenzt sich dabei auf die Übernahme der Aussprache der deutschen Sprache für bestimmte französische Ausdrücke, die auch auf Deutsch existieren. Sie tut dies bei den Ausdrücken [bilets] / billets, [nuvel zeland] / Nouvelle Zélande und [nom] / nom. Während Sybille nach [bilets] in der Zielsprache Französisch weiterfährt, wechselt Lynn zur Mundart. Nach [nuvel zeland] wechseln alle drei ins Deutsche, während Sybille bei [nom] selber in Deutsch weiterfährt und Lynn und Ursula auf Französisch weitersprechen (vgl. Abb. 147): 396 5 Ergebnispräsentation: Fallperspektive [1] 0 [00: 00.6] 1 [00: 05.9] 2 [00: 11.2] 3 [00: 14.3] SYBILLE [v] [ kwa s (3) [kot ] OrthoFS1 [v] ? coton LYNN [v] . […] [3] 8 [00: 35.0] 9 [00: 39.5] 10 [00: 42.0] 11 [00: 46.8] SYBILLE [v] f ) OrthoFS1 [v] le - LYNN [v] t URSULA [v] [4] . . 12 [00: 49.2] 13 [00: 52.9] SYBILLE [v] ? ? OrthoFS1 [v] LYNN [v] [5] . . 14 [00: 55.5] 15 [00: 59.7] SYBILLE [v] [kel ply l nom d f s] OrthoFS1 [v] ? LYNN [v] neuseeland. URSULA [v] [s ] OrthoFS4 [v] - [6] . . 16 [01: 03.8] 17 [01: 09.1] 18 [01: 11.1] SYBILLE [v] (3) [s ][s ][s ] OrthoFS1 [v] LYNN [v] [s (1) [ s ] OrthoFS3 [v] y en- - -Genest-et- URSULA [v] [s ] [s ] [ ] (2) [ ] OrthoFS4 [v] en- - -Genest-et- Abb. 147: Auszug aus dem Transkript UDK4Su1_2, Anhang III.IV.XIII Es besteht also ein gewisses Risiko des Code-shiftings, d. h. dass aufgrund der Aussprache eines Ausdrucks in einer anderen Sprache als Französisch die Interaktion ebenfalls in dieser anderen Sprache fortgesetzt wird. Grundsätzlich dient aber das Repertoire an verschiedenen Sprachen dazu, sich zu verständigen: Sybille, Lynn und Ursula gelingt es, die Texte zu verstehen, indem sie die Verstehensstrategie der deutsch-französischen Parallelwörter anwendet. Ausserdem appelliert Ursula bei der Bearbeitung von Aufgabe A (Quiz) an die Englischkenntnisse von Lynn, jedoch ohne Erfolg: 5 Ergebnispräsentation: Fallperspektive 397 Lynn [15: 52] [kom ɔ ̃ dit ɔ ̃ mez ɔ ̃ ɑ ̃ e ŋ la] Comment dit-on maison en *engl (meint anglais) ? Ursula [15: 57] Ängland, das weisch. Und Lynn? England, das weisst du. Und Lynn? Lynn [16: 01] [kom ɔ ̃ dit ɔ ̃ mez ɔ ̃ ɑ ̃ n ɑ ̃ ŋ ɑ ̃ ŋ : : ] kei Ahnig (5) Comment dit-on maison en *ang *ang … Keine Ahnung. (Auszug 127 aus dem Transkript UAK4Su2, Anhang III.IV.IV) Es kann sein, dass Lynn die Frage nicht versteht und deshalb ihr plurilinguale Repertoire nicht zielführend abrufen kann. Sie spricht anglais nicht korrekt aus. Bei der Bearbeitung von Aufgabe A (Quiz) spricht Sybille Levi Strauss zunächst auf Mundart aus. Dann bildet sie einen französischen Antwortsatz und spricht den Namen - etwas stockend - Französisch aus. Es könnte sein, dass sich das Stocken aufgrund des Zögerns zwischen Deutsch, Englisch und Französisch einstellt (vgl. Abb. 148): [5] . . 13 [03: 15.4] SYBILLE [v] Nicole gerade ist, notiert Antworten auf die Fragen ins magazine ) [ki a v OrthoFS1 [v] Fragen ins magazine) Qui a inventé le [6] . . 14 [03: 20.7] 15 [03: 24.4] SYBILLE [v] levi straus] (schreibt Lösung ins magazine ) [se pœt t levi s(.)t(.) (1)aus] OrthoFS1 [v] jean? Levi Strauss C'est peut-être Levi Strauss. NICOLE [v] (schreibt Lösung ins magazine ) Abb. 148: Auszug aus dem Transkript UAK4Su1, Anhang III.IV.IV Wenn Ursula den Namen Levi Strauss als Lösung angibt, spricht sie ihn auf Mundart aus. Sie bildet keinen französischen Antwortsatz mit dem Namen und sowohl davor als auch danach spricht sie Mundart. Sie lässt sich weder durch Französisch noch durch Englisch beeinflussen (vgl. Abb. 149): 398 5 Ergebnispräsentation: Fallperspektive [31] . . 84 [09: 18.3] 85 [09: 25.8]86 [09: 32.5] 87 [09: 34.5] URSULA [v] aber es stoht do, lug emau. (7) Nummero zwöi isch guet. (5) Levi LYNN [v] wart stop. Hä? [32] . . 88 [09: 42.0]89 [09: 56.8] 90 [10: 01.0]91 [10: 10.0] URSULA [v] Strauss (lacht) (15) (8) (lacht) LYNN [v] so jetzt isch guet (Name von Ursula) Abb. 149: Auszug aus dem Transkript UAK4Su2, Anhang III.IV.IV 5.4.5 Integrierte Darstellung (Einschätzung, Befragung, Beobachtung) Die Selbsteinschätzungen der Sprechkompetenzen der Fokuslernenden der Klasse Hoger decken sich mit der Einteilung zu leistungsstarken, mittelmässigen und leistungsschwachen Fokusschülerinnen und -schülern durch Frau Gerber. Auch die Unterrichtsbeobachtungen mit Fokus auf die Lernenden bestätigen mehrheitlich die angegebenen Niveaus. Frau Gerber gibt an, dass die Jungen eindeutig leistungsschwächer in Französisch seien als die Mädchen. Bei der Befragung heben die Lernenden ebenfalls hervor, dass es grosse Leistungsunterschiede in der Klasse gebe und nicht alle verantwortlich genug seien, um bei den Aufgaben zum Sprechen Französisch zu verwenden. Bei der Unterrichtsbeobachtung sprechen die leistungsschwachen Fokusschüler tatsächlich wenig resp. gar kein Französisch. Dies ist auch der Fall einer der leistungsstarken Fokusschülerinnen. Diese Einschätzung lässt sich durch die Unterrichtsbeobachtungen bestätigen. Hingegen gibt Frau Gerber an, dass Nicole auch bei der mündlichen Interaktion zu den leistungsstarken Schülerinnen und Schülern zähle. Nicole produziert jedoch zu wenig mündliche Äusserungen, um dies bestätigen zu können. Im Fragebogen, der auf die kommunikativen Kompetenzen ausgerichtet ist, schätzen sich Sybille und Nicole zwischen den Niveaus A2.1 und A2.2 ein (vgl. Tab. 25). Sybille erreicht in den drei Skalen zu den kommunikativen Kompetenzen die höchste oder die zweithöchste Stufe, die dem Niveau A2.2 resp. A2.1 entsprechen (vgl. Anhang II.VII). Sie zeichnet sich über alle Bereiche hinweg durch ihre Leistungsstärke aus. Nicole liegt in den Bereichen der Flüssigkeit und der Beherrschung der Phonologie und Phonetik ebenfalls zwischen den Niveaus A2.1 und A2.2 (vgl. ebd.). Hingegen lässt sich für das Spektrum sprachlicher Mittel aufgrund der Unterrichtsbeobachtungen keine Aussage machen, da Nicole eine zu geringe Menge an Aussagen produziert. 5 Ergebnispräsentation: Fallperspektive 399 Die mittelmässigen Fokusschülerinnen Lynn und Ursula schätzen sich ebenfalls zwischen den Niveaus A2.1 und A2.2 ein (vgl. Tab. 26) und in den drei Skalen zu den kommunikativen Kompetenzen verorten sie sich auf den entsprechenden Niveaus (vgl. Anhang II.VII). Elias und Lukas schätzen sich auf dem Fragebogen zwischen den Niveaus A1.2 und A2.1 und damit etwas tiefer ein als die beiden anderen Fokuspaare (vgl. Tab. 27). Bis auf eine Ausnahme können für diese beiden Fokuslernenden aufgrund der Unterrichtsbeobachtungen keine Aussagen gemacht werden, da beide eine zu geringe Menge an Aussagen produzieren. Von den drei Aufgaben, die Frau Gerber in der Klasse Hoger umsetzt, sprechen sie nur bei der Aufgabe C (Questions), die im Plenum bearbeitet wird (vgl. Anhang II.VII). Die Aussagen der Schülerinnen und Schüler in der Gruppendiskussion decken sich nur teilweise mit den Erkenntnissen aus den Unterrichtsbeobachtungen mit Fokus auf die Lernenden (vgl. Kap. 5.4.4.3): In den Gruppendiskussion geben die Schülerinnen und Schüler der Klasse Hoger an, dass sie mit den Sprechaufgaben des Lehrwerks vertraut seien und dass sie die Hilfestellungen in Form von Sprechblasen unterstützend fänden. Die Unterrichtsbeobachtungen mit Fokus auf die Lernenden zeigen jedoch, dass die Fokusschülerinnen und -schüler die Angaben im Lehrwerk meistens nur teilweise oder gar nicht berücksichtigen und auch die Hilfestellungen kaum nutzen. In den Gruppendiskussionen sagen die Lernenden ausserdem, dass Frau Gerber sie jeweils darauf aufmerksam mache, bei den Aufgaben Französisch zu sprechen und sie auf die entsprechenden Hilfsmittel hinweise. Daraufhin würde - zumindest ein Teil der Klasse - in der Zielsprache sprechen. Die Unterrichtsbeobachtungen mit Fokus auf die Lernenden zeigen, dass die Lernenden die von Frau Gerber zur Verfügung gestellte Lernzeit bis auf eine Ausnahme nicht optimal nutzen und dass die effektive Sprechzeit gering ist. Sie lenken sich durch andere Tätigkeiten und Gespräche zwischen den Gruppen gegenseitig ab und bleiben nicht über längere Zeit konzentriert an einer Aufgabe. Trotzdem ist die effektive Sprechzeit bei den Aufgaben A (Quiz) und D (Trucs à savoir) mit Ausnahme eines leistungsschwachen Schülers immer noch um ein Vielfaches höher als bei der Aufgabe C (Questions), die im Plenum durchgeführt wird. Bei den Aufgaben A (Quiz) und D (Trucs à savoir) findet interaktives Sprechen statt, bei dem die Lernenden als sie selbst agieren und Informationen austauschen. Die mittelmässigen und leistungsstarken Fokusschülerinnen können diese Aufgaben bewältigen, während die leistungsschwächeren Fokuslernenden sich nicht darauf einlassen (können). Bei der Befragung geben die Schülerinnen und Schüler der Klasse Hoger an, dass ihnen das Formulieren einer Äusserung schwerfalle. Dies lässt sich aufgrund der Unterrichtsbeobachtungen mit Fokus auf die Lernenden bestä- 400 5 Ergebnispräsentation: Fallperspektive tigen, denn mit Ausnahme einer der leistungsstarken Fokusschülerinnen formulieren die Lernenden sehr wenig komplexe Sätze, sondern machen sich mehrheitlich mit Ein-/ Zweiwortsätzen verständlich. Bei der Aufgabe D (Trucs à savoir) übersehen die Fokusschülerinnen die Hilfestellungen dafür im Lehrwerk, da sie von Frau Gerber nicht eingeführt werden. Bei der Aufgabe A (Quiz) führt Frau Gerber die Satzanfänge hingegen sorgfältig ein, und trotzdem werden sie nur sehr begrenzt oder gar nicht von den Fokusschülerinnen und -schülern verwendet. Die Unterrichtsbeobachtungen zeigen, dass die Fokuslernenden unterscheiden, ob sie sich mit ihrer Lehrerin Frau Gerber unterhalten oder mit einer Mitschülerin oder einem Mitschüler. Sie sprechen auf Französisch, wenn sie sich an Frau Gerber richten, aber auf Deutsch resp. auf Schweizer Mundart, wenn sie sich mit einer Mitschülerin oder einem Mitschüler über das Gleiche austauschen. 5 Ergebnispräsentation: Fallperspektive 401 6 Ergebnispräsentation: Themenperspektive In den nachfolgenden Kapiteln werden die Ergebnisse zu den verschiedenen ausgewerteten Datensätzen aus der Themenperspektive zur Evaluations-, Innen- und Aussenperspektive präsentiert. 59 6.1 Einschätzung des Sprechniveaus Um das Sprechniveau der Lernenden in den vier Klassen zu vergleichen, werden die Auswertungen der Fremdeinschätzungen durch die Lehrpersonen, der Selbsteinschätzungen durch die Schülerinnen und Schüler und der Verortung in den Skalen bei den Unterrichtsbeobachtungen beigezogen (vgl. Anhänge II.II.II, II.II.III, II.II.VII). So können die Forschungsfragen „ 1a) Wie schätzen die Lehrpersonen die Sprechkompetenzen ihrer Schülerinnen und Schüler ein? “ und „ 1b) Wie schätzen die Schülerinnen und Schüler ihre Sprechkompetenzen ein? “ beantwortet werden. 6.1.1 Sprechniveau nach den Unterrichtsbeobachtungen Die Unterrichtsbeobachtungen zeigen, dass die Mehrheit der acht leistungsstarken, der acht mittelmässigen und der acht leistungsschwachen Fokuslernenden die Vorgaben des Lehrplans in den verschiedenen Bereichen erreichen (vgl. Tab. 74): 59 Die Auswertungsmethoden zu den einzelnen Datensätzen sind in Kap. 4.5 beschrieben. Tab. 74: Einschätzung der Sprechkompetenzen durch die Unterrichtsbeobachtungen Im Bereich „ Interaktion in der Zielsprache “ erreichen 20 von 24 Fokuslernenden das Niveau A2.1 oder A2.2, im Bereich der „ Flüssigkeit “ sind es sogar 22 von 24 Fokuslernenden. Im Bereich „ Spektrum sprachlicher Mittel “ verteilen sich die Fokuslernenden auf die drei Sprachniveaus: Acht Fokuslernende übertreffen die Vorgaben des Lehrplans und verorten sich im Niveau A2.2, zehn Fokuslernende situieren sich genau auf dem vorgegebenen Niveau A2.1 und sechs weitere Fokuslernende erreichen das Niveau A2.1 noch nicht. Bei den Fokuslernenden, die das Zielniveau noch nicht erreichen, handelt es sich um Fokusschülerinnen und -schüler, die von ihren Lehrerinnen als leistungsschwach eingeschätzt werden. 6.1.2 Sprechniveau nach den Lehrpersonen Die Einschätzung der Sprechkompetenzen ihrer Sechstklässlerinnen und -klässler fällt den vier Lehrerinnen nicht leicht, da bis zum Ende der Grundschule noch keine Selektion stattfindet und dadurch die Heterogenität in allen vier Klassen gross ist. Die Forschungsfrage 1a) lautet: Wie schätzen die Lehrpersonen die Sprechkompetenzen ihrer Schülerinnen und Schüler ein? Die Tabelle 75 zeigt das Ergebnis aus den Befragungen: 6 Ergebnispräsentation: Themenperspektive 403 Tab. 75: Einschätzung der Sprechkompetenzen durch die Lehrpersonen Die vier befragten Lehrerinnen sind sich einig, dass die Schülerinnen und Schüler ihrer Klasse in den Bereichen „ Interaktion in der Zielsprache “ und „ Flüssigkeit “ mehrheitlich das vom Lehrplan (D-EDK 2015) vorgegebene Zielniveau A2.1 erreichen. Je eine Lehrerin denkt sogar, dass die Schülerinnen und Schüler die Vorgaben des Lehrplans in diesen Bereichen übertreffen: Frau Huber für den Bereich der Interaktion und Frau Schmid für den Bereich der Flüssigkeit. Beim Bereich des „ Spektrums sprachlicher Mittel “ verteilen sich die vier Meinungen auf die Niveaus A1.2 und A2.1. Frau Müller und Frau Gerber denken, dass ihre Schülerinnen und Schüler das Zielniveau in diesem Bereich nicht erreichen, Frau Huber und Frau Schmid schätzen die Mehrzahl ihrer Schülerinnen und Schüler auf dem vom Lehrplan vorgegebenen Niveau A2.1 ein. Frau Schmid stellt fest, dass leistungsschwache Lernende zwar noch mit dem Formulieren einer Äusserung kämpften, leistungsstarke Schülerinnen und Schüler hingegen bereits fähig seien, fehlerhafte Äusserungen selbst zu korrigieren (vgl. Kap. 5.3.2.1). Frau Müller und Frau Gerber geben im problemzentrierten Interview an, dass ein Wortschatz gelernt würde, der sich von Wörtersammlungen vorheriger Lehrwerke unterscheide. Frau Huber und Frau Schmid meinen, dass der Wortschatz zwar gelernt würde, es jedoch zu wenig explizite Anregungen zum Aktivieren des bereits vorhandenen Wortschatzes gebe. Im Vergleich zu Englisch bemerkt Frau Gerber, dass Französischsprechen den Schülerinnen und 404 6 Ergebnispräsentation: Themenperspektive Schülern weniger leichtfalle und sie auch weniger motiviert seien (vgl. Transkript IK4L Anhang III. I.IV). 6.1.3 Sprechniveau nach den Lernenden Die Schülerinnen und Schüler der vier Klassen nehmen ebenfalls eine Einschätzung ihrer Sprechkompetenzen vor. Die Forschungsfrage 1b) lautet: „ Wie schätzen die Schülerinnen und Schüler ihre Sprechkompetenzen ein? “ Die Tabelle 76 zeigt das Ergebnis aus den Befragungen: Tab. 76: Einschätzung der Sprechkompetenzen durch die Lernenden Die Selbsteinschätzung der Schülerinnen und Schüler der vier Klassen unterscheidet sich kaum von der Fremdeinschätzung ihrer Lehrerinnen. Auch sie sind der Meinung, dass sie in den Bereichen „ Interaktion in der Zielsprache “ und „ Flüssigkeit “ das vom Lehrplan vorgegebene Zielniveau erreichen oder sogar übertreffen würden. Und auch sie geben an, dass die Hälfte der Lernenden im Bereich „ Spektrum “ das vom Lehrplan (D-EDK 2015) vorgegebene Niveau A2.1 noch nicht erreicht habe. Ihre Erläuterungen zum Wortschatzlernen decken sich ebenfalls mit denjenigen ihrer Lehrerinnen: Sie sprechen über die fehlenden Wiederholungsanlässe und stellen die Adäquatheit des gelernten Wortschatzes in Frage. Ein Kind aus der Klasse Längmatt berichtet, dass es zwar über einen bestimmten Wortschatz verfüge (Transkript GK1Su1, Anhang III.II.I: „ so zum Beispiel ‚ Wie ich heisse ‘ und ‚ Woher ich 6 Ergebnispräsentation: Themenperspektive 405 komme ‘ kann ich schon “ ), aber dass ihm das nicht genüge. Die Schülerinnen und Schüler der Klasse Längmatt möchten mehr Wortschatz lernen, um in einer Tourismussituation (im Restaurant essen, nach dem Weg fragen usw.) sprachlich handeln zu können (vgl. ebd.) Ein anderes Kind der Klasse West erklärt, dass es die Wörter zwar übe, dann aber schnell wieder vergesse (vgl. Kap. 5.2.2.2). In der Klasse Längmatt werden in der Gruppendiskussion ähnliche Äusserungen gemacht: Ich weiss viel nicht mehr, was wir jetzt vor einem Jahr gemacht haben oder so. Das weiss ich nicht mehr (Transkript GK1Su1, Anhang III.II.I). Die Lernenden aus der Klasse Hoger haben die Erfahrung eines Austauschs mit einer französischsprachigen Klasse aus Genf gemacht. Dabei ist es ihnen offenbar recht gut gelungen, sich zu verständigen: Wir haben uns gut verstanden. Aber dann hatten wir so Französisch und Deutsch zusammen gemixt (Transkript GK4Su1, Anhang III.II.VII) Die Schülerinnen und Schüler der Klasse West geben ebenfalls an, dass sie Gelegenheiten des Sprachkontakts sehr wichtig fänden und berichten von ihren Erfahrungen, wie man die Sprache im Zielsprachengebiet einfacher erlerne (vgl. Kap. 5.2.2.2). Im Gegensatz zu solchen Situationen steht der Französischunterricht, in dem die Lernenden mit Mitschülerinnen und Mitschülern Französisch sprechen, obschon sie sich auf Deutsch verständigen könnten. Die Versuchung sei gross, zur Schulsprache zu wechseln. Französisch sprechen die Schülerinnen und Schüler der Klasse Amrein laut ihren eigenen Aussagen dann, wenn Frau Schmid nebendran stehe (vgl. Kap. 5.3.2.2). Die Motivation scheint beim Sprechen ein besonders wichtiger Faktor zu sein. Die Unterrichtsbeobachtungen zeigen, dass leistungsschwache Fokuslernende entweder schweigen oder sehr viel in der Schulsprache Deutsch, resp. in der Schweizer Mundart sagen. Für Englisch scheint die Motivation grösser, resp. die Hemmschwelle, etwas in der Zielsprache zu sagen, niedriger zu sein. Die Schülerinnen und Schüler der Klasse West geben in der Gruppendiskussion an, dass sie Englisch einfacher fänden als Französisch. Ausserdem fänden sie Englisch auch besser, weil man sofort etwas sagen könne (vgl. Transkript GK2Su2, Anhang III.II.II). Aus den Angaben in den Fragebögen geht hervor, dass von den drei schulischen Sprachen Deutsch, Französisch und Englisch Französisch am wenigsten beliebt ist. Ausserdem wird in allen vier Klassen die schulische Leistung in Französisch tiefer benotet als in den beiden anderen Sprachfächern, wobei es möglich ist, dass dies tatsächlich der Fall ist. Es kann aber auch sein, dass in Französisch formorientierter geprüft wird oder ein höherer Korrektheitsanspruch vorherrscht als in Englisch, was sich u. U. 406 6 Ergebnispräsentation: Themenperspektive negativ auf die Schulleistungen und die Motivation auswirkt. Die Schülerinnen und Schüler aus der Klasse Hoger versuchen sich funktional für die französische Sprache zu motivieren. Sie wissen, dass sie höhere Berufschancen haben, wenn sie die Fremdsprache Französisch gut können: Ich denke, wenn man später mal einen Beruf macht, muss man sich diese Sprache ja auch ehm auch wollen (Transkript GK4Su1, Anhang III.II.VII). 6.1.4 Von der Einschätzung zu einer adäquaten Förderung Die Fremdeinschätzungen durch die Lehrpersonen sowie die Selbsteinschätzungen durch die Schülerinnen und Schüler fallen im Vergleich zu den Unterrichtsbeobachtungen mit Fokus auf die Lernenden in allen drei Bereichen leicht tiefer aus. Dies ist einerseits darauf zurückzuführen, dass sich die Lehrpersonen für eines der drei angegebenen Niveaus entscheiden müssen und deshalb eher das Mittelmass angeben als ein Extrem. Andererseits kann es auch damit zusammenhängen, dass die Lehrpersonen nicht wahrnehmen, wozu insbesondere die leistungsstarken Schülerinnen und Schüler ihrer Klassen fähig sind. Auch die Lernenden selbst scheinen die vorhandenen Kompetenzen nicht vollends wahrzunehmen. Beispielsweise reduzieren die Schülerinnen und Schüler der Klasse Längmatt, ähnlich wie ihre Lehrerin Frau Müller, ihre Sprechkompetenzen auf den Bereich des Spektrums und gewichten die restlichen Bereiche, in denen sie laut ihren Einschätzungen stärker sind, weniger stark. Die Unterrichtsbeobachtungen zeigen, dass mehr als die Hälfte aller Fokuslernenden die mündliche Interaktion mit einer Mitschülerin oder einem Mitschüler zu grossen Teilen (60 - 100 %) in der Zielsprache aufrechterhalten kann, was dem Niveau A2.2 entspricht (vgl. Anhang II.VII). Beim Spektrum sprachlicher Mittel erreicht ein Drittel aller Fokuslernenden ebenfalls das Niveau A2.2, da sie kurze gebräuchliche Ausdrücke, einfache Satzmuster oder memorierte Sätze / Redeformeln grundsätzlich verwenden können (vgl. ebd.). Bei der Flüssigkeit erreicht genau die Hälfte aller Fokuslernenden das Niveau A2.2. In Anbetracht der möglichen Leistungen der Mehrheit der Fokuslernenden ist es nicht sinnvoll, die Anforderungen bei den Aufgaben zur Förderung des interaktiven Sprechens zu nivellieren. Im problemzentrierten Interview geben die Lehrerinnen an, zur Förderung des interaktiven Sprechens verschiedene Differenzierungsformen anzuwenden und die Unterrichtsbeobachtungen zeigen, dass dies auch der Fall ist. Die Mehrheit dieser Massnahmen eignet sich u. U. für die Unterstützung leistungsschwächerer Schülerinnen und Schüler, ist aber für die Förderung mittelmässiger bis leistungsstarker Lernenden nicht zielführend. Beispielsweise reduzieren Frau Müller und Frau Schmid die Aus- 6 Ergebnispräsentation: Themenperspektive 407 wahl an Satzanfängen, weil zu viele chunks die Lernenden überfordern würden (vgl. Transkript IK1L, Anhang III. I.I und Transkript IK3L Anhang III. I.III). Während Frau Schmid über ein hohes Sprachniveau verfügt, ist Französisch für Frau Müller schwieriger. Frau Müller widerspricht im problemzentrierten Interview ihrer Behauptung, dass die Aufgaben die Schülerinnen und Schüler überfordern würden, und gibt zu, dass sie selbst Mühe habe, genügend Französisch zu sprechen und Sprechanlässe zu generieren: Frau Müller: Ich spreche nicht extrem viel mit der Klasse, wie das wahrscheinlich gewünscht wäre, weil es einfach für mich häufig zu schwierig ist, irgendwie einen Sprechanlass zusammenzusetzen (Transkript IK1L, Anhang III. I.I). Es fragt sich also, für wen die Sprechanlässe des Lehrwerks tatsächlich zu schwer sind. Für die Lehrperson oder für ihre Schülerinnen und Schüler? Um sicherzustellen, dass alle Schülerinnen und Schüler bei einer Aufgabe mitmachen, verlagern die vier Lehrerinnen ausgewählte Aufgaben ins Plenum. Bei Frau Huber, Frau Schmid und Frau Gerber ist dies die Aufgabe C (Questions), bei Frau Müller und Frau Schmid die Aufgabe E (Métiers) (vgl. Anhang II.V). Dadurch sinkt jedoch die effektive Sprechzeit der Schülerinnen und Schüler um ein Vielfaches (vgl. Anhang II.VII): Wenn die Lernenden bei der Bearbeitung in Kleingruppen einer Aufgabe zur Förderung des interaktiven Sprechens mindestens je zwei Sätze sagen, ist ihre effektive Sprechzeit bereits höher, als wenn sie die Aufgabe im Plenum bearbeiten. Es kommt auch vor, dass die Lehrerinnen so viele Vorgaben zu einer Aufgabe machen, dass die natürliche Differenzierung stark eingeschränkt wird. Beispielsweise ist dies bei Frau Schmid der Fall, wenn sie bei der Einführung zur Aufgabe A (Quiz) eine klare Mengenangabe zu den Quizfragen macht (vgl. Auszug 79). Fred und Mike, die beiden leistungsstarken Fokusschüler der Klasse Amrein, beginnen nochmals von vorne beim Quiz 5 und wiederholen alle ihre Fragen und Antworten, anstatt an weiteren Quizfragen zu üben (vgl. Abb. 109). Im Gegensatz dazu lässt Frau Huber offen, welche und v. a. auch wie viel Quizfragen die Lernenden beantworten sollen (vgl. Abb. 150): 408 6 Ergebnispräsentation: Themenperspektive [70] . . 185 [09: 45.9] L2 [v] allez faire l'exercice toujours à deux. d'accord? (4) et il y a plusieurs quiz, aussi à [71] . . 186 [09: 55.9] L2 [v] la page suivante il y a plusieurs quiz. vous pouvez choisir. vous pouvez faire le [72] . . 187 [10: 03.3] L2 [v] quiz cinq et le quiz (2) deux par exemple. d'accord? S8 [v] Ich habe noch einen Fehler Abb. 150: Auszug aus dem Transkript UAK2L, Anhang III.III.V Alle vier Lehrerinnen sind sich einig, dass das Lehrwerk eher zu wenig Übungen zur Förderung des interaktiven Sprechens beinhalte. Allerdings setzt keine von ihnen alle dafür vorgesehenen Aufgaben des Lehrwerks um. Ausserdem haben sie den Eindruck, dass bestimmte Aufgaben sich v. a. für leistungsstärkere Lernende eignen würden. Frau Müller, Frau Huber und Frau Gerber setzen quantitative Differenzierungsmassnahmen so ein, dass sie bestimmte Aufgaben zum interaktiven Sprechen nur von den leistungsstärkeren Fokuslernenden bearbeiten lassen. Sie vermeiden es so, von den leistungsschwächeren Fokuslernenden eine sie allenfalls überfordernde Aufgabe einzufordern, reduzieren damit aber auch Übungsgelegenheiten für ebendiese Lernenden, die sie dringend brauchen würden. Frau Huber wechselt zur Unterstützung der leistungsschwachen Fokuslernenden bei der Bearbeitung von Aufgabe A (Quiz) zur Schulsprache Deutsch (vgl. Abb. 78). Auch damit wird den leistungsschwachen Schülerinnen und Schülern eine Chance genommen, Fortschritte im mündlichen Bereich zu erzielen. Für eine adäquate Förderung aller Schülerinnen und Schüler sollten bei der Bearbeitung der Aufgaben zur Förderung des interaktiven Sprechens bestimmte Massnahmen ergriffen werden: • Natürliche Differenzierung durch Wahlangebot zulassen: Anstatt das Angebot an Redemitteln zu reduzieren, sollten diese wenn möglich in erweiterter Form angeboten werden. Im Sinne der natürlichen Differenzierung wählen die Lernenden selbst, welche und wie viele Redemittel sie bei der Bearbeitung einer Aufgabe effektiv brauchen können und möchten. Allerdings ist es wichtig anzugeben, welche Redemittel synonym eingesetzt werden können, • Natürliche Differenzierung durch offene Aufgabenstellung zulassen: Anstatt die Anzahl möglicher Übungen für alle (gleich) einzuschränken, sollte die 6 Ergebnispräsentation: Themenperspektive 409 Lehrperson den Lernenden Gelegenheit bieten, so viele davon zu bearbeiten, wie sie es vermögen, • Spezielles Setting für leistungsschwächere Lernende: Anstatt bestimmte Aufgaben für leistungsschwächere Schülerinnen und Schüler zu streichen, sollte die Lehrperson diese Lernenden als Gruppe zusammennehmen und bei der Bearbeitung der Aufgabe eng begleiten, während die mittelmässigen und leistungsstarken Schülerinnen die gleiche Aufgabe in Kleingruppen bearbeiten. Dabei sollte die Lehrperson gleich konsequent beim Verwenden der Zielsprache sein, um auch den leistungsschwachen Lernenden möglichst viel Input in der Zielsprache zu bieten, • Positive Fehlerkultur installieren: Anstatt in kommunikativ ausgerichteten Phasen des Unterrichts die formalsprachlichen Aspekte in den Vordergrund zu stellen, sollte die Angst vor Fehlern bei den Schülerinnen und Schüler abgebaut werden. Auch bei der Beurteilung und der Notengebung gilt es, das Können der Schülerinnen und Schüler in den Vordergrund zu stellen und zu berücksichtigen, dass es zumindest im Anfangsunterricht schwieriger ist, etwas auf Französisch zu sagen als auf Englisch. 6.2 Meinungen zu den Lernaufgaben Die Subjektiven Theorien der vier Lehrerinnen zu den Aufgaben zum interaktiven Sprechen lassen sich aus den Aussagen in den problemzentrierten Interviews herleiten. Sie betreffen drei verschiedene Aspekte der Aufgaben zum interaktiven Sprechen: 1. Eignung der Übungsanlagen zum Sprechen aus dem Lehrwerk 2. Machbarkeit der Übungsanlagen im Unterricht 3. Einstellung zur authentischen Interaktion im Klassenzimmer Ausserdem bekunden die Lehrerinnen ihre Meinung in Bezug auf die 4. Verwendung authentischer oder didaktischer Chansons im Französischunterricht. Die Wahrnehmung der Lernenden bzg. des Umgangs mit den Aufgaben zum interaktiven Sprechen ergibt sich aus ihren Äusserungen in den Gruppendiskussionen zu den zwei folgenden Aspekten: 1. Vertrautheit mit dem Aufgabenformat 2. Eignung der Aufgaben zum Französischlernen. 410 6 Ergebnispräsentation: Themenperspektive 6.2.1 Subjektive Theorien der Lehrpersonen Auf die Frage, wie gut sich die im Lehrwerk vorgegebenen Aufgaben zur Förderung des interaktiven Sprechens eignen, driften die Meinungen der vier Lehrerinnen von „ geeignet “ bis „ ungeeignet “ auseinander, wie dies die Tabelle 77 veranschaulicht: Aspekt 1 Eignung der Übungsanlagen zum Sprechen aus dem Lehrwerk geeignet ungeeignet Frau Huber (L2) Die Struktur ist nicht so starr. Also sie dürfen eigentlich selber auch mit Wörtern, die sie kennen oder halt Strukturen, die sie kennen, dürfen sie sich oder sollen sie sich getrauen, Sätze überhaupt zu formulieren. Und dass eigentlich vor allem darauf geachtet wird, dass der Inhalt rüberkommt. Das finde ich einen schönen Ansatz (Transkript IK2L, Anhang III. I.II). Frau Schmid (L3) Und jetzt durch meine Mitarbeit [im Projekt] habe ich gesehen, dass es sehr viele solche Anlässe gibt, dass man auch andere dazu erfinden kann und dass es eigentlich noch, dass die Schüler es auch gerne machen [ … ] Mit diesen Klassen hat es eigentlich geklappt ja. (Transkript IK3L, Anhang III. I.III). Frau Gerber (L4) Sonst fehlt mir einfach bei „ Mille feuilles “ so ein bisschen die Alltagssprache im Buch. Es ist oft ein bisschen so eben nur auf die Übung bezogen. Und das finde ich schade (Transkript IK4L, Anhang III. I.IV). Frau Müller (L1) Die Sprechanlässe, die drin sind, mit den Sprechblasen, die finde ich nicht so geeignet. Die sind meiner Meinung nach zu komplex (Transkript IK1L, Anhang III. I.I). Tab. 77: Meinungen der Lehrpersonen zum Aspekt 1 Die vier Lehrerinnen sind sich insbesondere bei zwei Hauptpunkten uneinig: • Aufsagen vorgefertigter Dialoge vs. Verwirklichen eigener Redeabsichten • übervs. untergeordnete Rolle von Grammatik und Wortschatz bei einem Sprechanlass. Frau Müller und Frau Gerber finden die Aufgaben eher ungeeignet. Frau Gerber findet sie von den Themen her zu alltagsfern, während Frau Müller sagt, dass sie ihr zu komplex seien. Beide wünschen sich Übungen zum interaktiven Sprechen in Form fiktiver Dialoge zur Vorbereitung sogenannter Alltagsunterhaltungen (vgl. Kap. 5.1.2.1 und Kap. 5.4.2.1). 6 Ergebnispräsentation: Themenperspektive 411 Frau Schmid und Frau Huber finden die Aufgaben zur Förderung des interaktiven Sprechens aus dem Lehrwerk eher geeignet. Frau Schmid meint, dass sie die vorgesehenen Sprechanlässe erst seit ihrer Teilnahme an der vorliegenden Studie genügend wahrnehme und durchführe, dass ihre Klasse die Aufgaben aber gerne löse. Frau Huber gibt an, dass es ihr gefalle, dass die Schülerinnen und Schüler eigene Äusserungen in der Fremdsprache machen würden und dass der Inhalt Vorrang vor der Form habe. Im Gegensatz zu Frau Müller und zu Frau Gerber möchte sie nicht zu den vorgefertigten Dialogen aus früheren Lehrwerken zurückkehren (vgl. Kap. 5.2.2.1). Offenbar hat Frau Huber in Bezug auf die Leistung in der mündlichen Produktion resp. Interaktion der Schülerinnen und Schüler am Ende der Primarstufe eine andere Erwartungshaltung als Frau Müller und Frau Gerber Sie vertritt die Meinung, dass bei den Lernenden der Primarschulstufe zuerst das Verstehen geschult werden müsse, bevor es zu (mündlicher) Sprachproduktion kommen könne: Frau Huber: Also wie gesagt, ich denke vor allem, dass in der Primarschule der Teil vom Verstehen halt viel wichtiger ist, oder sagen wir zu Beginn des - sie sind ja immer noch am Beginn des Spracherwerbs. Und diese Vielfalt, die sie da zu hören kriegen, irgendwann findet die dann den Weg, denke ich, [ … ] vom Verstehen, zum Produktiveren zu gelangen. Ich frag mich auch, geschieht das nicht einfach erst dann später? Also wenn man erwartet, dass sie schon Ende Primar wirklich halt reden können, ist es vielleicht nicht das richtige Lehrmittel. Im Sinne von, dann müsste man halt so Brocken lernen und dann könnten sie mehr reden (Transkript IK2L, Anhang III. I.II). Frau Müller und Frau Gerber sind der Meinung, dass die Schülerinnen und Schüler zuerst den Grundwortschatz und die Konjugation der Verben lernen müssten, bevor sie Sprechaufgaben lösen könnten (vgl. Kap. 5.1.2.1 und Kap. 5.4.2.1). Im Gegensatz zu Frau Müller und Frau Gerber findet Frau Huber, dass die Grammatik nicht im Vorfeld „ gepaukt “ werden müsse (vgl. Kap. 5.2.2.1). Frau Huber geht also davon aus, dass das Sprechenlernen in der Fremdsprache derselben Logik folgt wie der Sprecherwerb in der Erstsprache. Frau Gerber merkt hingegen an, dass der Erwerb einer schulischen Fremdsprache anders verlaufe als derjenige der Erstsprache (vgl. Kap. 5.4.2.1). Bezüglich des zweiten Aspekts der Machbarkeit der Übungsanlagen im Unterricht verteilen sich die Meinungen der vier Lehrerinnen von „ grundsätzlich machbar “ bis „ nicht machbar “ , wie dies die Tabelle 78 zeigt: 412 6 Ergebnispräsentation: Themenperspektive Aspekt 2 Machbarkeit der Übungsanlagen im Unterricht grundsätzlich machbar nicht machbar Frau Gerber (L4) Ja, also ich finde, wenn es so kurze Satzanfänge sind, wo man einfach noch sogar die Lösung unten dran hat und das einfach einsetzen muss, dann funktioniert das gut. Man muss natürlich ein Beispiel machen dazu, sicher übersetzen, sie reinschreiben lassen, was das bedeutet auf Deutsch. Weil sonst vergessen sie ’ s wieder, auch wenn wir ’ s kurz übersetzen. Und sie dann in der Gruppe sind, dann kommt bestimmt die Frage: „ Was heisst jetzt das schon wieder? “ Und man muss es einfach durchspielen, in der ganzen Klasse und dann finde ich, funktioniert das gut (Transkript IK4L, Anhang III. I.IV). Frau Huber (L2) Ja. Ja, ich denke, das geht schon. Weil sie haben ja auch hier diese Vorlagen, oder? Und die meisten Kinder haben das glaube ich auch gemacht. Aber die Frage ist immer, machen sie ’ s nur, wenn ich vorbeilaufe oder machen sie ’ s auch, wenn ich auf der anderen Seite des Klassenzimmers stehe (Transkript IK2L, Anhang III. I.II). Frau Schmid (L3) Sprechanlässe sind hm. Wie ich gesagt habe: Wenn man sie am Computer arbeiten lässt, sie sprechen sowieso nicht Französisch. Wenn man sie nur in Gruppen arbeiten lässt, ohne sich dazu zu setzen, wird auch nicht Französisch gesprochen. Am einfachsten, denk ich mal, um das wirklich zu etablieren, ist diese kleine Runde. Halbklassenunterricht oder in Gruppen arbeiten mit der Lehrperson zusammen. Nur so funktioniert das (Transkript IK3L, Anhang III. I.III). Frau Müller (L1) Also meine Erfahrungen sind, dass sie bei solchen Aufgaben schon die Frage allein gar nicht verstehen. Die sind zu komplex. Und dann fragen sie dauernd: „ Was heisst das? “ Oder müssen Wörter nachschlagen und wenn sie ein Wort nachschlagen, dann verstehen sie den Satzzusammenhang dann doch nicht (Transkript IK1L, Anhang III. I.I). Tab. 78: Meinungen der Lehrpersonen zum Aspekt 2 Frau Gerber, Frau Huber und Frau Schmid schätzen die Aufgaben zum interaktiven Sprechen aus dem Lehrwerk in der Praxis als machbar ein, allerdings unter bestimmten Bedingungen: • Sorgfältige Einführung durch die Lehrperson • Selbstverantwortung der Lernenden bei der Arbeit in Kleingruppen 6 Ergebnispräsentation: Themenperspektive 413 • Halbklassenunterricht • regelmässige Wiederholungsanlässe. Laut Frau Gerber gelingen die Sprechanlässe nur, wenn sie sorgfältig eingeführt werden: Es brauche ein Beispiel in der Klasse und eine Klärung der Bedeutung der Satzanfänge, verbunden mit der Aufforderung an die Lernenden, sich diese ins Heft zu notieren. Frau Huber fragt sich, ob ihre Lernenden verantwortlich genug sind, um auch dann untereinander Französisch zu sprechen, wenn sie sich nicht im Plenum unter ihrer direkten Aufsicht befinden, sondern in Kleingruppen arbeiten. Frau Schmid ist der Ansicht, dass die Sprechanlässe nur dann funktionieren, wenn sich die Lehrperson zu den einzelnen Gruppen setzt, was lediglich im Halbklassenunterricht umsetzbar sei. Frau Schmid und Frau Gerber weisen zudem darauf hin, dass es sehr viele Gelegenheiten zum Üben und Wiederholen im Unterricht brauche: Frau Gerber: Ähm, es kommt einfach drauf an, wie weit das schon her ist, seit dem Behandeln. Und je näher, desto besser geht ’ s. Und je weiter es weg ist, desto schneller geht ’ s auch wieder verloren [ … ] ich habe mir jetzt vorgenommen, mit der fünften bis zu den Ferien immer am Anfang der Stunde einen Sprechanlass zu machen (Transkript IK4L, Anhang III. I.IV). Für Frau Müller sind die Aufgaben zum interaktiven Sprechen nicht machbar, weil die Schülerinnen und Schüler nicht alle Wörter und Ausdrücke der Ausgangstexte verstehen würden. Frau Gerber teilt Frau Müllers Meinung, wenn es sich um Aufgaben handelt, bei denen mehr als eine Frage gestellt und eine Antwort gegeben werden muss (vgl. ebd.). Die unterschiedlichen Meinungen zur Beschaffung und Umsetzung der Aufgaben zum interaktiven Sprechen gehen auf die verschiedenen Subjektiven Theorien zum Fremdsprachenlehren und -lernen der vier Lehrerinnen zurück. Durch den Paradigmenwechsel zur Neokommunikativen Phase erfolgt eine Orientierung am „ ganzheitlichen Kompetenzmodell “ (Reinfried 2001: 10), das die Selbst-, Sozial-, Methoden- und Sachkompetenz beinhaltet. Dies zieht u. a. die Abgabe von Verantwortung an die Schülerinnen und Schüler in Form einer ausgeprägteren Lernendenorientierung nach sich, mit der die vier Lehrerinnen mehr oder weniger gut zurechtkommen. Frau Schmid z. B. fühlt sich dazu nicht bereit und wünscht sich eine Anpassung der Rahmenbedingungen (Halbklassenunterricht), um die Kontrolle nicht gänzlich abgeben zu müssen. Weitere zentrale Konzepte der Neokommunikativen Phase wie die Inhaltsorientierung und die Aufgabenorientierung (vgl. Kap. 2.3.4) führen zu einer „ authentische[n] und komplexe[n] Lernsituation “ (Reinfried 2001: 10), die beispielsweise Frau Müller als zu anspruchsvoll für ihre Schülerinnen und Schüler einschätzt. Bei einer Kompetenzorientierung im Sinne von Weinert 414 6 Ergebnispräsentation: Themenperspektive (2014) erhalten die Sprachmittel wie Wortschatz und Grammatik beim Sprechen in der Interaktion ausserdem eine dienende Funktion. Daran stossen sich Frau Müller und Frau Gerber mit ihren Subjektiven Theorien, da für sie die Sprachmittel der Kompetenz des interaktiven Sprechens über- und nicht untergeordnet, d. h. vor- und nicht nachgestellt sein müssten. Im vorangehenden, kommunikativ ausgerichteten Lehrwerk „ Bonne chance! “ (Binder et al. 1981a) führten die Lehrpersonen jeweils zuerst die neuen Wörter ein (vgl. Abb. 12), bevor die Schülerinnen und Schüler mit genau diesen Wörtern ein Rollenspiel aufführten (vgl. Abb. 13). Im neokommunikativ ausgerichteten Lehrwerk „ Mille feuilles “ (Ganguillet et al. 2014a) steht der Inhalt im Zentrum, zu dessen (mündlicher) Bearbeitung den Lernenden mögliche Redemittel im Nachgang zur Verfügung gestellt werden (vgl. Kap. 4.2.2). Die Ausrichtung der Sprechanlässe auf eine authentische Interaktion im Klassenzimmer verbinden die vier Lehrerinnen entweder stärker mit ihrer Rolle als „ sprachliches Vorbild “ oder mit derjenigen der „ Kontrollinstanz “ was in der Tabelle 79 zu erkennen ist: Aspekt 3 Einstellung zur authentischen Interaktion im Klassenzimmer Lehrperson als sprachliches Vorbild Frau Huber (L2) Also ich denke, das kommt auch auf die Lehrperson drauf an. Ob sie, im Allgemeinen, jetzt nicht nur durch die Aufgabe, die zu lösen ist, fordert, dass gesprochen wird, sondern auch wird sonst auch gesprochen? Ganz allgemein. Schon nur irgendwie „ Darf ich trinken gehen? “ oder „ Darf ich auf die Toilette? “ oder solche Dinge. Also, wenn man das einfordert, kann man mehr Sprechmomente eigentlich hervorbringen, oder? [ … ] Ja, also die Kinder wissen ’ s eigentlich genau, oder. Solche Momente. Dann sagt man schon Et on doit parler en français. und dann wiederholen sie, also On doit … und dann sagen sie sogar selber parler en français (lacht). Genau! Aber irgendwie, ja, es ist halt sowieso allgemein schwierig. Weil klar, versucht man, so reelle Situationen herzustellen. Aber schlussendlich, sie sprechen Deutsch miteinander und das ist ja, das ist das Authentische, oder? Und sobald sie Französisch sprechen müssen, kann man sich noch so Mühe geben, in einem Klassenzimmer ist es nie authentisch, schlussendlich. 6 Ergebnispräsentation: Themenperspektive 415 Aspekt 3 Einstellung zur authentischen Interaktion im Klassenzimmer Lehrperson als Kontrollinstanz Frau Schmid (L3) [Die Schülerinnen und Schüler wiederholen] die Redewendungen, die ich im Unterricht verwende, die sie mir dann wieder präsentieren. Den Spiegel vorhalten. [ … ] [Sie sprechen Französisch,] wenn sie den Auftrag haben [ … ]. Und bei der Begrüssung. Ja. Da bestehe ich drauf. Es gibt immer wieder Schüler, die es auf Deutsch versuchen. Aber zumindest die Begrüssung und die Verabschiedung auf Französisch. [Sie sprechen manchmal trotzdem auf Deutsch.] Ich denke nicht, dass es Hemmungen sind. Ich denke, es ist Protest. Frau Gerber (L4) Also, weil ich da das Blatt gemacht habe zum „ Französisch sprechen im Unterricht “ gibt es eigentlich einen Satz. Eine Frage, die sie glaub ich jetzt fast alle können (lacht). [ … ] „ Est-ce que je peux aller aux toilettes? “ (lacht) Ja, das ist das einzige, das wirklich so haften geblieben ist. [ … ] Und beim „ Guten Tag “ und „ Auf Wiedersehen “ sagen, ja, wenn ich das halt dann eben gesagt habe in der Fremdsprache in Französisch, dann haben sie auch so in der Fremdsprache geantwortet. Was nicht wirklich schwierig war, aber … [ … ] Und vielleicht. Eben, wenn ich ab und zu mal frage Ça va? , Bonjour, ça va? , Ça va bien? , Oui, ça va bien. So ein bisschen diese Frage-Antwort- Spiele am Anfang. Ja, das funktioniert auch recht gut. Frau Müller (L1) Aber es ist dann schon immer so ein bisschen ein Antreiben (macht Handbewegung: am Rad drehen) und so und „ jetzt bitte “ (klopft auf den Tisch) und „ jetzt Französisch sprechen “ . Man muss dann wirklich ihnen ein bisschen im Nacken sitzen, damit sie ’ s dann auch so durchziehen, wie man ’ s verlangt. [ … ] Ja, das ist auch von Kind zu Kind unterschiedlich. Aber im Grunde genommen schon eher ein bisschen gehemmt. Und ein bisschen schüchtern so „ Huh, äh, ich weiss es nicht “ . Eben, wenn sie nicht wirklich sattelfest sind im Wortschatz, dann sind sie auch zögerlich. Und ja, die starken Schüler, für die ist es weniger ein Problem. Tab. 79: Meinungen der Lehrpersonen zum Aspekt 3 Alle vier Lehrpersonen sagen, dass die Installierung der Klassenzimmersprache viel Engagement und Ausdauer benötige, und zwar sowohl vonseiten der Lehrperson als auch vonseiten der Schülerinnen und Schüler. Die Lehrerinnen müssten aktiv einfordern, dass die Interaktionen zwischen den Lernenden in 416 6 Ergebnispräsentation: Themenperspektive der Zielsprache ablaufen und dies dann auch kontrollieren. Schliesslich wäre es für die Schülerinnen und Schüler natürlicher resp. einfacher, die Informationen in der Schulsprache Deutsch resp. auf Schweizer Mundart auszutauschen. Frau Gerber geht in der Verbindlichkeit so weit, dass sie ihre Schülerinnen und Schüler beim Sprechen in der Zielsprache mit einer guten Note belohnt. Frau Huber, Frau Schmid und Frau Gerber sind der Überzeugung, dass ihre Schülerinnen und Schüler besonders dann Französisch sprechen, wenn sie selber als sprachliches Vorbild fungieren und ebenfalls mehrheitlich die Zielsprache verwenden. Die drei Lehrerinnen scheinen ein hohes Bewusstsein für ihre Vorbildfunktion zu haben und geben an, dass sie dies auch so in ihrem Unterricht umsetzen würden (vgl. z. B. Kap. 5.2.2.1). Frau Müller scheint dieselben Subjektiven Theorien zum Nutzen der Verwendung der Zielsprache durch die Lehrperson im Unterricht zu haben. Doch sie stösst bei der Umsetzung an ihre sprachlichen Grenzen (vgl. Kap. 5.1.2.1). Sie gibt an, dass sie es wohl anders mache als erwünscht und verweist damit implizit auf die Vorgaben im Lehrplan (Bertschy et al. 2015), in dem eine konsequente Verwendung der Zielsprache eingefordert wird, da es „ beim inhalts- und handlungsorientierten und beim Bilingualen oder immersiven Unterricht [ … ] darum [geht], dass die Verwendung der Zielsprache als etwas Sinnvolles und Notwendiges erlebt wird “ (ebd.: 10). Die Verwendung der Zielsprache über den Fremdsprachenunterricht hinaus wird als fakultatives Ziel im Lehrplan ausgewiesen, da „ bilingualer Sachfachunterricht und Immersion [ … ] die konsequente Umsetzung und Weiterführung des Inhalts- und handlungsorientierten Fremdsprachenunterrichts [sind] “ (ebd.). Frau Müller unterscheidet zwischen leistungsstärkeren und leistungsschwächeren Schülerinnen und Schülern. Letztere hätten mehr Hemmungen, sich in der Zielsprache auszudrücken, was sie wiederum mit dem mangelnden Wortschatz begründet. Für Frau Schmid liegt das Umgehen der Verwendung der Zielsprache nicht an möglichen Hemmungen oder Wortschatzmangel, sondern sie deutet es als Protest, zumal es sich bei den Sechstklässlerinnen und Sechstklässlern um Jugendliche handelt, bei denen die Pubertätsentwicklung einsetzt. Während Frau Müller also die kognitiven Fähigkeiten und Fertigkeiten dafür verantwortlich macht, denkt Frau Schmid, dass es eher an den motivationalen, volitionalen oder sozialen Bereitschaften und Fähigkeiten liegt (vgl. Weinert 2014: 27 - 28). Nach dem Kompetenzbegriff des GER (Europarat 2001) müsste beides in Betracht gezogen werden, da die „ Kompetenzen [als] die Summe des (deklarativen) Wissens, der (prozeduralen) Fertigkeiten und der persönlichkeitsbezogenen Kompetenzen und allgemeinen kognitiven Fähigkeiten, die es einem Menschen erlauben, Handlungen auszuführen “ (ebd.: 21) definiert sind. 6 Ergebnispräsentation: Themenperspektive 417 In Zusammenhang mit der Authentizität der verwendeten Materialien im Unterricht geben die vier Lehrerinnen auch an, ob sie tendenziell mehr authentische oder didaktische Chansons einsetzen, was in der Tabelle 80 dargestellt ist: Aspekt 4 Verwendung authentischer oder didaktischer Chansons im Französischunterricht mehrheitlich authentische Chansons Frau Schmid (L3) Wenn, dann suche ich mir andere Lieder aus. Die mir auch eher gefallen und bei denen ich denke, es ist auch für die Schüler etwas aktueller. [ … ] Ich denke, wenn sie einen Text mitsingen, dass es dann eher ins Ohr geht. Es geht auch um den Sprachrhythmus, es geht darum, dass man auch merkt, „ Ah Französisch ist gar nicht so verstaubt “ wie man meint. Es ist auch nicht so verpönt, es ist aktuell. Und das ist das, was ich meinen Schülern auch beibringen möchte, was ich ihnen mitgeben möchte: Französisch ist sehr aktuell und es gibt wieder sehr sehr viele französische Lieder in der Hitparade auch. Frau Huber (L2) Also, wir haben gewisse gemacht. Nicht alle. [ … ] Also vor allem für die Aussprache denk ich jetzt mal. Und auch wie klingt diese Sprache überhaupt. Also so, um ein Gehör zu entwickeln für die Sprachmelodie, bringt das eigentlich, denke ich schon, bringt das viel Frau Gerber (L4) Ich brauch sie zwischendurch. Aber ich verwende sie höchstens einmal und dann (lacht). [ … ] Und ich find, ja viele Kinder machen sich dann auch schon lustig darüber. [ … ] Nein, ich brauche sie nicht so oft, diese Lieder. [ … ] Es ist mehr so, dass sie so in den französischen, in den Sprachfluss, in die Sprachmelodie hineinkommen. Und dass es ihnen auch anfängt, zu gefallen. Also das Schöne an der Sprache, das Schöne entdecken, weil es ja grundsätzlich eher so ein bisschen mit Vorbehalt genossen wird. [ … ] Madame Fidimii, die habe ich [zum Einprägen von Formen] verwendet und ich finde, im Französischen ist es auch recht gut gemacht auf der CD. In der fünften Klasse; sechste ist es schon ein bisschen zu kindisch. 418 6 Ergebnispräsentation: Themenperspektive mehrheitlich didaktische Chansons Frau Müller (L1) Ich habe die Chansons nicht so sehr eingesetzt, weil einfach die Klasse auch nicht so musikbegeistert oder singbegeistert ist [ … ] da kann man nur den Refrain gebrauchen, der Rest ist zu schnell, viel zu schnell [ … ] und nicht eigentlich für Kinder geeignet, finde ich. Was ich viel gebrauche, das ist eine CD von Madame Fidimi [ … ] und dort hat es ganz tolle Lieder zum Verb avoir oder être, wo wirklich der Text nur das ganze Verb durchkonjugiert. Das setze ich regelmässig ein und die Kinder können das auswendig. Die wissen, wie man das Verb konjugiert und müssen nicht immer gross überlegen mit j ’ ai, tu as, il a, elle a weil das der Liedtext ist. Tab. 80: Meinungen der Lehrpersonen zum Aspekt 4 Die Verwendung von mehrheitlich authentischen oder mehrheitlich didaktischen Chansons widerspiegelt, was für die vier Lehrerinnen beim Fremdsprachenlernen im Vordergrund steht: Frau Schmid und Frau Gerber setzen hauptsächlich authentische Chansons ein, um ihren Schülerinnen und Schülern französische Kulturgüter näherzubringen, um ihnen zu zeigen, dass es in der französischen Sprache auch aktuelle Songs gibt und um beim Mit- und Nachsingen ihre Aussprache resp. ihr Gehör zu schulen. Frau Müller und Frau Gerber ergänzen resp. ersetzen das Angebot an authentischen Chansons mit didaktischen Liedern, um damit Formen und Strukturen zu festigen. Während Frau Gerber mithilfe von Musik „ das Schöne an der Sprache “ vermitteln möchte, sieht Frau Müller in den verhältnismässig schnell vorgetragenen Texten der authentischen Chansons wiederum eine Überforderung. Insgesamt lässt sich die Forschungsfrage 2a) zu den Subjektiven Theorien der Lehrpersonen zu den Aufgaben zum interaktiven Sprechen wie folgt beantworten: Die vier Lehrerinnen unterscheiden sich bezüglich ihrer Subjektiven Theorien zum Fremdsprachenlehren und -lernen, was zu unterschiedlichen Meinungen zu den Aufgaben zum interaktiven Sprechen im Lehrwerk führt. Ihre Meinungen sind abhängig von ihren Theorien für eine optimale Förderung der Kompetenz des interaktiven Sprechens im lehrwerkbasierten Fremdsprachenunterricht: Decken sich diese mehrheitlich mit dem Konzept des Lehrwerks, so überzeugen sie die Übungsanlagen und sie finden sie umsetzbar; entfernen sich diese vom Konzept des Lehrwerks, so finden sie die Übungsanlagen wenig oder gar nicht überzeugend und in der Praxis nicht machbar. Zwischen der Kommunikativen und der Neokommunikativen Phase erfolgt in Bezug auf die Förderung der Kompetenz des interaktiven Sprechens 6 Ergebnispräsentation: Themenperspektive 419 ein Paradigmenwechsel (vgl. Kap. 2.3.5), der je nach Verortung der Lehrperson auf Akzeptanz oder Ablehnung stösst. Die Subjektiven Theorien zum Sprechenlehren und -lernen, die sich in den Aussagen von Frau Huber zeigen, decken sich am ehesten mit dem Konzept des untersuchten Lehrwerks, das neokommunikativ ausgerichtet ist, während sich die Subjektiven Theorien von Frau Müller und Frau Gerber am weitesten davon entfernen. Ihre Subjektiven Theorien hätten mehr Übereinstimmungen mit einem kommunikativ ausgerichteten Lehrwerk. Frau Schmid scheint durch ihre Mitarbeit in der Studie eine neue Perspektive auf die neokommunikativ ausgerichteten Lehr- und Lernmaterialien gewonnen zu haben, was dazu führt, dass sie sich auf das Neue einlässt und positive Erfahrungen damit macht. Stellt man die Subjektiven Theorien der Lehrpersonen ihren Einschätzungen der Sprechkompetenzen gegenüber, so zeigt sich, dass Frau Müller und Frau Gerber, die sich von ihrer Überzeugung her stark vom Lehrwerk distanzieren, die Leistungen ihrer Schülerinnen und Schüler in der mündlichen Produktion tendenziell schlechter einschätzen als Frau Huber und Frau Schmid, die sich eher mit dem Lehrwerkkonzept identifizieren. Die Korrelation lässt sich auf zwei Arten interpretieren: Entweder steigern sich die Leistungen der Schülerinnen und Schüler durch eine positive Haltung der Lehrperson dem Lehrwerk gegenüber oder aber bessere Leistungen der Schülerinnen und Schüler führen zu einer positiveren Haltung der Lehrpersonen dem Lehrwerk gegenüber und sie kann die Leistungen ihrer Schülerinnen und Schüler adäquater einstufen. Die vorliegende Studie kann weder die eine noch die andere Hypothese untermalen, da bei den Unterrichtsbeobachtungen mit Fokus auf die Lernenden beispielsweise die Schülerinnen und Schüler der Klasse von Frau Müller nicht weniger gut sprechen können als die Schülerinnen und Schüler von Frau Schmid (vgl. Anhang II.VII). Was mit Sicherheit festgehalten werden kann, ist, dass Kompetenzen der Schülerinnen und Schüler auf einem Gebiet, das als nicht „ lernwert “ eingestuft wird, von ihren Lehrpersonen weniger als solche anerkannt werden können. Wenn die Schülerinnen und Schüler mit dem Lehrwerk hingegen genau das lernen, was die Lehrperson als sinnvoll erachtet, so wird der Lernzuwachs in diesen Bereichen für sie eher erkenn-, sicht- und bewertbar. 6.2.2 Einstellungen der Lernenden Die Schülerinnen und Schüler aller vier Klassen kennen das Format der Aufgaben zum interaktiven Sprechen aus dem Lehrwerk und werden im Unterricht je nach Klasse häufiger oder weniger oft dazu ermuntert, sich miteinander mündlich auszutauschen. Die exemplarischen Aussagen in der 420 6 Ergebnispräsentation: Themenperspektive Tabelle 81 illustrieren die Häufigkeit, mit der die Schülerinnen und Schüler die Aufgaben zum interaktiven Sprechen aus dem Lehrwerk bearbeiten: Aspekt 1 Vertrautheit mit dem Aufgabenformat sehr vertraut weniger vertraut Klasse Hoger (K4) Ja, immer wenn im magazine solche Sachen gekommen sind, haben wir das gemacht. Manchmal in Zweiergruppen, manchmal in Vierergruppen. [ … ] Wenn man es lernen will, dann bringt es ja nichts, wenn man dann einfach nicht Französisch spricht, nur wenn sie direkt danebensteht. Klasse Längmatt (K1) Ehm, das sind Satzanfänge, die helfen, einen Satz zu bilden. [..] Wir haben sie auch schon gebraucht. [ … ] Aber wenn sie sagt, man muss es auf Französisch sagen, dann probieren wir es, aber auch dann können wir es nicht immer. Aber wenn es geht, dann schon. Klasse Amrein (K3) Hm. Manchmal schauen wir sie an und manchmal nicht. [ … ] Wenn sie [meint Frau Schmid] neben dransteht, will man einen guten Eindruck machen und Französisch sprechen und wenn sie weg ist, dann kann das egal sein. Klasse West (K2) Also, das machen wir ja auch ab und zu. [ … ] Im Französisch gibt es nur Albanisch, Deutsch, Schweizerdeutsch. Und Englisch. Tab. 81: Wahrnehmungen der Schülerinnen und Schüler zum Aspekt 1 Je nach Klasse geben die Schülerinnen und Schüler an, bei der Bearbeitung mehr oder weniger Französisch miteinander zu sprechen oder eher nicht. Die Schülerinnen und Schüler der Klasse Hoger (K4) sagen beispielsweise, dass sie bei der Bearbeitung der Sprechaufgaben aus dem Lehrwerk Französisch sprechen würden und dass sie es normal fänden, im Unterricht die französische Sprache zu verwenden. Einige geben an, es jeweils auf Französisch zu versuchen, auch wenn es für sie mit einer Anstrengung verbunden sei. Im Gegensatz dazu sagen die Schülerinnen und Schüler der Klasse West (K2), dass sie im Französischunterricht kein Französisch sprechen würden, sondern nur in ihren Herkunftssprachen und in der zweiten Fremdsprache Englisch, 6 Ergebnispräsentation: Themenperspektive 421 wobei diese Aussage im Widerspruch zu anderen Aussagen steht, die belegen, dass sie durchaus auch Französisch in ihrem Unterricht verwenden. Die Schülerinnen und Schüler der Klassen Längmatt (K1) und Amrein (K3) geben an, dass sie die Sprechaufgaben auf Französisch bearbeiteten, aber manchmal auf Deutsch ausweichen würden. Die Schülerinnen und Schüler von Frau Müller sagen, dass sie zwar probierten, Französisch zu sprechen, dabei aber nicht immer erfolgreich seien. Die Lernenden von Frau Schmid berichten, dass sie Französisch sprechen würden, um einen guten Eindruck zu machen, wenn sie von ihrer Lehrerin Frau Schmid beaufsichtigt würden. Die verschiedenen Haltungen widerspiegeln, dass auch aufseiten der Schülerinnen und Schüler das Konzept der Lernendenorientierung und damit einhergehend das Tragen von Mitverantwortung für den eigenen Lernprozess unterschiedlich auf- und angenommen wird. Das Sprechen in der Zielsprache untereinander schätzen die Lernenden als befremdender ein, als wenn sie sich mit der Fremdsprachenlehrperson auf Französisch austauschen. Offenbar sorgen das Hierarchiegefälle, die Art des Kontakts, der Altersunterschied etc. dafür, dass die Interaktion mit der Lehrperson in der Zielsprache als authentischer wahrgenommen wird als diejenige unter den Schülerinnen und Schülern. In Bezug auf die Eignung der Aufgaben zum Französischlernen finden sich in allen vier Klassen ähnliche Aussagen, wie dies die Tabelle 82 zeigt. Die Schülerinnen und Schüler finden es zwar teilweise schwierig, sich auf Französisch auszudrücken, aber die Aufgaben an sich schätzen sie als durchaus machbar ein: Aspekt 2 Eignung der Aufgaben zum Französischlernen. Klasse Längmatt (K1) Also mit dem Buch war es eigentlich nicht schwierig. [ … ] Und auch, wenn man manchmal so Sachen hat, das nicht in den Blasen steht, dann weiss man irgendwie gar nicht weiter. Und dann spricht man manchmal schon auf Deutsch. Klasse West (K2) Also wie man Französisch spricht, ist schon schwierig. Aber wie man ’ s lernt, das nicht. [ … ] Es gibt ein paar Wörter, die ich sehr schwierig finde und die ich nicht aussprechen kann. Aber die meisten sind eigentlich fast die gleichen oder immer fast. [ … ] Der Satz soll stehen. [ … ] Ja, es sollte noch eine Übersetzung auf Deutsch haben [ … ] oder einfachere Sätze. 422 6 Ergebnispräsentation: Themenperspektive Aspekt 2 Eignung der Aufgaben zum Französischlernen. Klasse Amrein (K3) Ich muss schon im Kopf überlegen. Nicht schwierig, manchmal mache ich einfach Fehler. Na ja. [ … ] Wenn ich [ … ] den Satz zusammenstellen muss, ehm so vergesse ich es auch manchmal. Und dann schreibe ich ihn auch manchmal auf. Klasse Hoger (K4) Ich finde, wenn man es nicht ganz ablesen kann, lernt man vielleicht mehr davon. Weil man dann sich das auch einprägen muss. Weil dann versteht man, zum Teil versteht man das ja dann gar nicht, was man überhaupt gelesen hat [ … ] Ein Teil muss ja fehlen, sonst könnte man nur etwas sagen. [ … ] je nachdem, wenn ich nicht so sicher bin, dann traue ich mich nicht. [ … ] Also, ich spreche es einfach aus und wenn es dann halt falsch ist, dann ist es halt Tab. 82: Wahrnehmungen der Schülerinnen und Schüler zum Aspekt 2 Laut den Schülerinnen und Schülern eigenen sich die Aufgaben zur Förderung des interaktiven Sprechens, weil man dabei eigene Teile erfinden könne und nicht nur ablesen müsse. Hingegen bringe diese Freiheit mit sich, dass die Wörter manchmal schwierig seien, was dazu führe, dass die Lernenden manchmal auf die Schulsprache wechseln würden. Nebst dem code-switching gibt ein Schüler auch an, dass es ihm helfe, den Satz im Vorfeld zu notieren. Was bei der Bearbeitung der Aufgaben zum interaktiven Sprechen ausserdem helfe, sei all das, was sie in den letzten Jahren gelernt hätten (vgl. Anhang III.II. IV). Einige Schülerinnen und Schüler der Klasse West würden sich noch mehr Hilfestellungen bei den Aufgaben aus dem Lehrwerk wünschen, die teilweise soweit reichen würden, dass nicht mehr das interaktive Sprechen, sondern das Vorlesen gefördert werden würde. Beispielsweise schlagen sie vor, dass alle vorzutragenden Sätze angegeben wären. Die Unsicherheit bei der Bearbeitung von Aufgaben zum interaktiven Sprechen führt bei einigen Schülerinnen und Schülern dazu, dass sie lieber gar nichts sagen, während andere sehr grosszügig mit allfälligen Lücken umgehen und trotzdem etwas sagen. Sie stellen sich dem Konzept der Inhalts- und Handlungsorientierung also unterschiedlich, je nach Persönlichkeit und Leistungsvermögen. Der Umgang mit Fehlern variiert von einer Lehrperson zur anderen: Beispielsweise machen in der Klasse von Frau Gerber die leistungsschwachen Fokuslernenden bei der Bearbeitung der Aufgaben A 6 Ergebnispräsentation: Themenperspektive 423 (Quiz) und C (Questions) kaum mit, im Gegensatz zu den drei anderen Klassen, bei denen auch die leistungsschwachen mitmachen. Frau Gerber gibt entweder keinen Hinweis darauf, ob der Inhalt Vorrang vor der Form hat und wie sie sich den Umgang mit Fehlern vorstellt oder sie macht deutlich, dass die Form Vorrang vor dem Inhalt hat und Fehler auch in kommunikativen Phasen konsequent vermieden werden müssen (vgl. Anhang II.V). Insgesamt lässt sich die Forschungsfrage 2b) zur Wahrnehmung des Umgangs mit den Aufgaben zum interaktiven Sprechen durch die Schülerinnen und Schüler wie folgt beantworten: Die Lernenden nehmen alle wahr, dass die Aufgaben zum interaktiven Sprechen ein fixer Bestandteil ihres Französischunterrichts sind. Sie bearbeiten solche Aufgaben nach eigenen Angaben mehr oder weniger regelmässig und sind mit dem Aufgabenformat vertraut. Für die Schülerinnen und Schüler ist die mündliche Interaktion in der Zielsprache wenig authentisch: Sie empfinden es als anstrengend resp. als unnatürlich, sich miteinander auf Französisch zu unterhalten. Es gibt grosse Unterschiede zwischen den Lernenden in Bezug auf das Tragen von Mitverantwortung für den eigenen Lernprozess: Wenn die Lernenden angeben, auch bei der Arbeit in Kleingruppen miteinander Französisch zu sprechen, ist ihnen entweder bewusst, dass sie die Sprache durch die Anwendung lernen, oder sie wollen bei der Lehrerin einen guten Eindruck hinterlassen. Die Lernenden fügen an, manchmal auf die Schul- oder andere Sprachen zurückzugreifen, wenn die Aufgabe zu anspruchsvoll sei oder wenn ihnen die passenden Wörter fehlen würden. 6.2.3 Von den Meinungen zu den Gelingensbedingungen Ausgehend von den Meinungen der Lehrerinnen und ihrer Schülerinnen und Schüler lassen sich Gelingensbedingungen formulieren, die eine gute resp. bessere Ausgangslage bei der Bearbeitung von Aufgaben zur Förderung der Kompetenz des interaktiven Sprechens bilden. Einerseits darf sich eine Lehrperson nicht so sehr verbiegen, dass sie nicht mehr im Einklang mit ihren Subjektiven Theorien ist, da sie sonst nicht mehr authentisch wirkt (vgl. Thaler 2017a: 16), andererseits ist es wichtig, als Lehrperson Bereitschaft zu haben, sich sprachlich und didaktisch weiterzuentwickeln. • Sprachliche Vorbildfunktion wahrnehmen: als Lehrperson im Fremdsprachenunterricht, und zwar nicht nur bei den Aufgaben zum Sprechen, sondern so oft wie möglich, die Zielsprache verwenden, • Klassenzimmersprache installieren: zahlreiche wiederholende Elemente des Unterrichtsablaufs versprachlichen und wiederholen, Rituale einbauen, auch 424 6 Ergebnispräsentation: Themenperspektive in anderen Fächern die Fremdsprache als Unterrichtssprache verwenden (immersiver Unterricht), • Verwenden der Zielsprache aktiv einfordern: die Lernenden auffordern, möglichst oft in der Zielsprache zu kommunizieren, mit der Lehrperson aber auch untereinander; als Lehrperson ggf. die Anwendung der Zielsprache durch die Lernenden formativ beurteilen, • An Selbstverantwortung der Lernenden appellieren: bei der Arbeit in Kleingruppen die Schülerinnen und Schüler in die Mitverantwortung ziehen, beispielsweise über Sprachlernreflexionen und Miteinbezug bei der Planung der nächsten Lernschritte, • Enge Begleitung ermöglichen: Wenn kein Halbklassenunterricht möglich ist, das Unterrichtsgeschehen so zu planen, dass die Schülerinnen und Schüler nicht alle gleichzeitig die Aufgaben zum interaktiven Sprechen bearbeiten: Während die eine Hälfte der Klasse einer schriftlichen Tätigkeit nachgeht, kann sich die andere unter Aufsicht der Lehrperson mündlich austauschen, • Zwischenschritte einbauen: die einzelnen Systeme beim Vorgang des Sprechens entlasten (z. B. schriftliche Vorbereitung eines Sprechanlasses zur Entlastung des Konzeptualisierungssystems, vorgängiges Zusammentragen wichtiger Wörter und Ausdrücke zur Entlastung des Formulierungssystems, Vor- und Nachsprechen geläufiger Satzanfänge zur Entlastung des Artikulationssystems etc.), • Installieren einer positiven Fehlerkultur: den Schülerinnen und Schülern die Angst vor Fehlern nehmen und deutlich machen, dass in den kommunikativen Phasen des Unterrichts der Inhalt Vorrang vor der Form hat. Ausserdem kann man ihnen vor Augen führen, dass sie nur durch Fehler dazulernen, • Einen freieren Umgang mit dem Lehrwerk pflegen: im Sinne des Lehrwerkverwendungs-Typs B (vgl. Kurtz 2011: 7, vgl. auch Kap. 2.6.1) sich im Kern an der Systematik des Lehrwerks orientieren und es als sinnvolle Sammlung von Aufgaben ansehen, ohne jedoch auf eigene Ideen und Aufgaben zu verzichten, die anstelle von Aufgaben aus dem Lehrwerk bearbeitet werden können. Wenn man mehr Rollenspiele o. ä. mit den Schülerinnen und Schülern machen möchte, dann ist das erlaubt, solange es kongruent zu den Vorgaben im Lehrplan ist, • Intrinsische und integrative Motivation erhöhen (vgl. Brühweiler/ Le Pape Racine 2017): die Beliebtheit des Faches auf verschiedenste Art und Weise steigern, beispielsweise indem man eine Klassenfahrt an einen französischsprachigen Ort organisiert, kulturelle Erzeugnisse wie Film, Chansons etc. in den Unterricht einbezieht, einen Austausch mit einer Partnerklasse pflegt etc., • Extrinsische und instrumentelle Motivation erhöhen (vgl. ebd.): den Schülerinnen und Schülern aufzeigen, in welchen gegenwärtigen und zukünftigen 6 Ergebnispräsentation: Themenperspektive 425 Lebenssituationen ihnen das Gelernte einen Nutzen bringt, die Bewertung und Benotung der Französischkompetenzen transparent und umsichtig gestalten. 6.3 Unterrichtshandeln der Lehrpersonen Der Umgang der Lehrpersonen mit den Aufgaben zum interaktiven Sprechen zeigt sich in den videobasierten Unterrichtsbeobachtungen mit Fokus auf die Lehrperson. Aus den Erkenntnissen zur Forschungsfrage 3a) „ Wie gehen die Lehrpersonen mit den Aufgaben zum interaktiven Sprechen um? “ leiten sich Folgerungen für eine Optimierung des Handelns der Lehrpersonen beim Einführen in eine Aufgabe zum interaktiven Sprechen ab. 6.3.1 Menge und Intensität umgesetzter Sprechanlässe Über alle vier Klassen hinweg werden drei Viertel des Angebots an Aufgaben zum interaktiven Sprechen aus der Lehrwerkeinheit genutzt, ein Viertel wird aus zeitlichen, pädagogischen oder didaktischen Gründen nicht umgesetzt. Frau Müller setzt mit sechs Aufgaben am meisten Aufgaben um, gefolgt von Frau Schmid und von Frau Huber, die je vier Aufgaben umsetzen. Frau Gerber setzt mit drei Aufgaben am wenigsten Aufgaben um. Von den genutzten Aufgaben im Unterricht setzen die Lehrerinnen jedoch die Hälfte so um, dass nicht das interaktive Sprechen, sondern eine andere Kompetenz wie das monologische Sprechen oder das Vorlesen gefördert wird. Die Studie untersucht mit vier Lehrerinnen zwar ein kleines Sample, doch es ist davon auszugehen, dass der Optimierungsbedarf in Bezug auf die Nutzung des Aufgabenangebots allgemein besteht, und dass den Schülerinnen und Schülern tendenziell zu wenig Übungsanlässe zur Förderung des interaktiven Sprechens angeboten werden. Um das interaktive Sprechen genügend zu fördern, müssen Lehrpersonen die Unterschiede zwischen den verschiedenen produktiven Kompetenzen kennen und mit entsprechenden Übungsanlagen vertraut sein. Frau Müller und Frau Schmid fördern in je einer Aufgabenumsetzung das interaktive Sprechen stärker als in der Aufgabe im Lehrwerk vorgesehen. Frau Schmid setzt Aufgabe B (Questionnaire) in Form eines speed-datings um und Frau Müller führt die Aufgabe E (Métiers) in zwei Varianten durch. Beides führt dazu, dass die Lernenden mit dem gleichen Ausgangsmaterial mehrere Sprechanlässe mit verschiedenen Lernpartnerinnen und -partnern durchführen. Dadurch wird die Lernsequenz verlängert, indem die Interaktionspaare multipliziert und/ oder die Aufgabenstellung ausgebaut werden. Ausserdem skizziert 426 6 Ergebnispräsentation: Themenperspektive Frau Gerber im problemzentrierten Interview eine selbst entworfene Aufgabe, die das interaktive Sprechen ebenfalls fördert. Es scheint, dass die Lehrerinnen durchaus gute und kreative Ideen zur Förderung des interaktiven Sprechens haben, wenn sie sich den Ablauf einer Aufgabe im Vorfeld bewusst überlegen und ein klares Lernziel aus dem Bereich des interaktiven Sprechens festlegen. Dies bedingt, dass sie einen kompetenten Umgang mit dem Lehrwerk pflegen, sich die Aufgaben entweder zu eigen machen und so durchführen, dass die Schülerinnen und Schüler effektiv in der Kompetenz des interaktiven Sprechens gefördert werden, oder eigene ergänzende Aufgaben entwerfen, die diese Kompetenz ebenfalls zu fördern vermögen. Bei der Bearbeitung der Aufgaben zum interaktiven Sprechen stellen die Lehrerinnen ihren Schülerinnen und Schülern grundsätzlich zu viel Zeit zur Verfügung, resp. nach einem ersten Teil müssten sie die Gruppenarbeiten kurz unterbrechen, um die Lernenden daran zu erinnern, Französisch miteinander zu sprechen. Die zeitliche Limite an maximaler französischer Sprachproduktion liegt bei fünf bis sieben Minuten. Danach nimmt die Interaktion in der Zielsprache unter den Lernenden jeweils massiv ab (vgl. z. B. Tab. 71). Ausserdem sinkt auch die Konzentration im zweiten Teil der Aufgabenbearbeitung, in dem die Schülerinnen und Schüler eher versucht sind, vom Thema abzuweichen, zu spielen, den Kontakt mit einer anderen Gruppe zu suchen o. ä. 6.3.2 Zeitliche und sprachliche Gestaltung der Einführungen Die vier Lehrerinnen unterscheiden sich bei der Gestaltung der Einführungen in die Aufgaben zum interaktiven Sprechen insbesondere in den drei folgenden Bereichen: • Dauer der Einführung • Gesprächsgestaltung • Verwenden der Zielsprache Am Beispiel der Einführung zur Aufgabe A (Quiz), die von allen Klassen bearbeitet wird, kann aufgezeigt werden, wie unterschiedlich die Einführungen in diesen drei Bereichen ausfallen und welche Auswirkungen sie auf das Handeln der Schülerinnen und Schüler haben. Die vier Lehrerinnen setzen unterschiedlich viel Zeit für die Einführung in eine Aufgabe zum interaktiven Sprechen ein und verwenden die Zielsprache unterschiedlich oft. Bei Aufgabe A (Quiz) dauert die Einführung von Frau Huber am längsten, diejenige von Frau Schmid fällt am kürzesten aus. Dabei spricht Frau Huber am meisten Französisch und Frau Müller am wenigsten (vgl. Tab. 83): 6 Ergebnispräsentation: Themenperspektive 427 Aufgabe A (Quiz) Frau Müller (L1) Frau Huber (L2) Frau Schmid (L3) Frau Gerber (L4) Dauer der Einführung 06 ’ 13 ’’ 37 % 11 ’ 54 ’’ 45 % 00 ’ 59 ’’ 14 % 07 ’ 02 ’’ 27 % Dauer der Bearbeitung durch die Lernenden 10 ’ 40 ’’ 63 % 14 ’ 30 ’’ 55 % 06 ’ 04 ’’ 86 % 19 ’ 20 ’’ 73 % Form der Gesprächsführung bei der Einführung exklusiv partizipativ exklusiv partizipativ Sprachanteil Französisch 30.8 % 91 % 79 % 73 % Sprachanteil Deutsch 69.2 % 9 % 21 % 27 % Tab. 83: Dauer, Form und Sprachanteile bei den Einführungen zur Aufgabe A (Quiz) In Bezug auf die Dauer bei einer Einführung zu einem Sprechanlass muss das Ziel sein, dass den Lernenden im Anschluss möglichst viel Zeit für die eigenständige Bearbeitung der Aufgabe bleibt. Frau Schmid erreicht durch ihre sehr kurze Einführung, dass die Schülerinnen und Schüler in Bezug auf die Dauer der gesamten Lernsequenz am längsten sprechen (Verhältnis 14 % zu 86 %). Um die Einführung in die Aufgabe zugunsten der Bearbeitung durch die Lernenden möglichst kurz zu halten, ist es wichtig, die Einführung auf das Wesentliche zu reduzieren: Exkurse in die Grammatik (vgl. Abb. 42 oder Abb. 43) oder wiederholende Bemerkungen zur Klassenführung in der Schulsprache (vgl. z. B. Abb. 121) verlängern eine Einführung und stehen nicht im Dienste der Aufgabe zum interaktiven Sprechen. Wenn wichtige Informationen wie die zu verwendenden Materialien, Seitenzahlen, Sozialform, maximale Zeit, erwartetes Ergebnis etc. zur Visualisierung an der Wandtafel oder an der Leinwand stehen, müssen sie weniger oft mündlich wiederholt werden und können in der Zielsprache präsentiert werden (vgl. z. B. Abb. 119). Ferner kann Zeit eingespart werden, wenn die Lehrperson auf vorangehende ähnliche Aufgaben verweisen kann (vgl. Transkript UBK1L, Anhang III.III.II). Bei Frau Huber bleibt den Lernenden verhältnismässig am wenigsten Zeit für die eigenständige Bearbeitung der Aufgabe (Verhältnis 45 % zu 55 %). Allerdings bringen sich einzelne Schülerinnen und Schüler der Klasse West (K2) bei der Einführung in die Aufgabe bereits zu 34 % mündlich ein, da Frau Huber das Gespräch partizipativ ausrichtet. D. h., einzelne Schülerinnen und Schüler können bereits während der Einführung das interaktive Sprechen im Plenum üben. In den Klassen, in denen sich die Schülerinnen und Schüler aktiv an der Einführung beteiligen, d. h. Aufgabenstellungen vorlesen oder (mit-) erklären wie auch Beispiele zur Aufgabe selbst machen, steigt ihr Redeanteil. Für die Lehrperson wirkt eine partizipative Gesprächsgestaltung ausserdem unterstützend beim Verwenden der Zielsprache: Bei Frau Müller und Frau 428 6 Ergebnispräsentation: Themenperspektive Gerber dauern die Einführungen zur Aufgabe A (Quiz) ähnlich lange, doch Frau Gerber spricht dabei deutlich mehr Französisch als Frau Müller. Frau Gerber richtet das Gespräch im Gegensatz zu Frau Müller partizipativ aus, stellt ihren Schülerinnen und Schülern Fragen zum (möglichen) Ablauf der Aufgabe und gestaltet ihre eigenen Redebeiträge knapp und präzise. Wie auch Frau Huber unterteilt Frau Gerber ihre Beiträge in kurze monologische Inputs, meistens Fragen, und verzichtet auf längere Erklärungen am Stück, die für Lernende des A-Niveaus schwierig zu verstehen und zu behalten wären. Im Gegensatz dazu fällt die Gesprächsgestaltung bei Frau Müller exklusiv aus, d. h. sie spricht bei der Einführung zur Aufgabe A (Quiz) mehrheitlich alleine und weicht dabei immer wieder auf Deutsch aus. Ausserdem nimmt Frau Müller bei der Einführung zur Aufgabe A (Quiz) weniger Adaptionen an ihrer Lehrpersonensprache vor als die drei anderen Lehrerinnen: Adaptionen wie das Wiederholen wesentlicher Informationen, das Verwenden von Parallelwörtern, der Einsatz von Gestik und Mimik oder auch das Übersetzen ausgewählter Ausdrücke führt dazu, dass weniger oft zur Schulsprache zurück gewechselt werden muss. Wenn Frau Müller bei der Einführung zur Aufgabe E2 (Métiers) alle diese Adaptionen umsetzt, gelingt es ihr, bei der Einführung zu 89 % in der Zielsprache Französisch zu sprechen. Was negative Auswirkungen einerseits auf die Dauer der Einführung und andererseits auf deren sprachliche Ausgestaltung hat, ist das systematische Wiederholen der Aussagen auf Deutsch. Frau Gerber produziert bei der Einführung zur Aufgabe A (Quiz) eine Art Echo-Rede, bei der sie jeweils dieselbe Information auf Französisch und auf Deutsch präsentiert (vgl. Abb. 120). Dies hat sowohl eine Auswirkung auf das Handeln ihrer Schülerinnen und Schüler bei der Einführung zur Aufgabe als auch auf deren Bearbeitung: Bei der Einführung können die Lernenden jeweils die deutschen Beiträge von Frau Gerber abwarten und brauchen sich nicht anzustrengen, die französischen Teile zu verstehen. Bei der Bearbeitung der Aufgabe reproduzieren die lernstarken Fokusschülerinnen ein ähnliches Verhalten wie das von Frau Gerber, indem sie wichtige Informationen nicht nur auf Französisch sagen, sondern ebenfalls auf Deutsch (vgl. Abb. 142). Wenn die Einführung mehrheitlich in der Zielsprache ausfällt, so wirkt sich dies tendenziell positiv auf die Verwendung der Zielsprache durch die Lernenden bei der Bearbeitung von Aufgabe A (Quiz) aus (vgl. Tab. 84): 6 Ergebnispräsentation: Themenperspektive 429 Aufgabe A (Quiz) Frau Müller (L1) Frau Huber (L2) Frau Schmid (L3) Frau Gerber (L4) Sprachanteil Französisch 30.8 % 91 % 79 % 73 % Klassen Längmatt (K1) West (K2) Amrein (K3) Hoger (K4) Sprachanteil Französisch 52 %, 57 %, 62.5 % 56 %, 84 %, 62 % 93 %, 84 %, 79.5 % 47 %, 29 %, 0 % Tab. 84: Sprachanteil Französisch bei Aufgabe A (Quiz) Alle sechs Fokusschülerinnen und -schüler der Klasse Amrein (K3), bei der die Einführung zur Aufgabe A (Quiz) mehrheitlich in der Zielsprache erfolgt, können die mündliche Interaktion mit einer Mitschülerin/ einem Mitschüler zu grossen Teilen in der Zielsprache aufrechterhalten (60 - 100 %). Dies ist bei vier der sechs Fokuslernenden der Klasse West (K2) ebenfalls der Fall, wo die Aufgabe ausschliesslich in der Zielsprache eingeführt wird. In der Klasse Längmatt (K1), in der die Aufgabe mehrheitlich in der Schulsprache eingeführt wird, gelingt dies zwei Fokuslernenden. Was sich bei Aufgabe A (Quiz) zeigt, gilt auch für die anderen Aufgaben (vgl. Tab. 85): Wenn Frau Müller bei den Einführungen zu den Aufgaben B (Questionnaire), C (Questions) und E (Métiers) mehr in der Zielsprache spricht, führen die Fokuslernenden der Klasse Längmatt die Interaktionen insgesamt mehr in der Zielsprache (vgl. Tab. 86). Die Fokuslernenden der Klassen West (K2) und Amrein (K3) sprechen im Vergleich zu den Fokuslernenden der Klasse Hoger (K4) mehr Französisch, was ebenfalls in Zusammenhang mit der weniger konsequenten Verwendung der Zielsprache von Frau Gerber stehen kann (vgl. Tab. 85 und 86): 430 6 Ergebnispräsentation: Themenperspektive C3: Lehrpersonensprache (C3.1) C3.1 Verwenden der Zielsprache Frau Müller (L1) Frau Huber (L2) Frau Schmid (L3) Frau Gerber (L4) C3.1.1 Die Lehrperson… A B C E A B D A B A D führt die Aufgabe ausschliesslich in der Fremdsprache ein (Französisch: 91-100%). führt die Aufgabe mehrheitlich in der Fremdsprache ein (Französisch: 51-90%). führt die Aufgabe mehrheitlich in der Schulsprache ein (Französisch: 21-50%). führt die Aufgabe ausschliesslich in der Schulsprache ein (Französisch: 0-20%). Tab. 85: Verwendung der Zielsprache der Lehrpersonen (Anhang II.V) D1.1 Bearbeitung der Aufgabe nach Vorgaben Klasse Längmatt (K1) Klasse West (K2) Klasse Amrein (K3) Klasse Hoger (K4) D1.1.3 Interaktion in der Zielsprache Die Fokusschülerin / der Fokusschüler… A B C E A B D A B A D kann die mündliche Interaktion mit einer Mitschülerin/ einem Mitschüler zu grossen Teilen in der Zielsprache aufrechterhalten (60-100%). 5/ 6 1/ 2 3/ 4 5/ 6 1/ 2 3/ 4 5/ 6 1/ 2 3/ 4 3/ 4 5/ 6 1/ 2 1/ 2 3/ 4 5/ 6 1/ 2 3/ 4 6 kann die mündliche Interaktion mit einer Mitschülerin/ einem Mitschüler ungefähr zur Hälfte in der Zielsprache aufrechterhalten (41-59%). 1/ 2 3/ 4 5/ 6 1/ 2 5 1/ 2 kann die mündliche Interaktion mit einer Mitschülerin/ einem Mitschüler nur teilweise in der Zielsprache aufrechterhalten (26-40%). 1/ 2 3/ 4 3/ 4 1 3/ 4 interagiert wenig oder gar nicht in der Zielsprache mit einer Mitschülerin/ einem Mitschüler (0-25%). 5/ 6 2 5/ 6 Tab. 86: Verwendung der Zielsprache der Fokuslernenden (Anhang II.VII) Die Fokuslernenden der Klasse West (K2) vermitteln den Eindruck, dass sie wie ihre Lehrerin Französisch klingen wollen, wozu sie Füllwörter verwenden oder Ausdrücke von Frau Huber übernehmen. Bei der Bearbeitung von Aufgabe A (Quiz) tut dies beispielsweise der mittelmässige Fokusschüler Mehmet, indem er mit oui oui oui oder oui oui (1) bon bon bon eine Antwort bestätigt. Oder auch die leistungsschwachen Fokusschüler Hanad und Goran, die das Gespräch in der Zielsprache eröffnen (vgl. Abb. 86). Wenn eine Lehrperson mit ihrer Klasse mehr in der Zielsprache spricht, so wirkt sich dies offensichtlich auch positiv auf die Verwendung der Zielsprache beim Ergreifen des Worts aus. Bei der Bearbeitung von Aufgabe A (Quiz) sprechen Frau Huber (L2), Frau Schmid (L3) und Frau Gerber (L4) mehrheitlich bis ausschliesslich in der Zielsprache. In 6 Ergebnispräsentation: Themenperspektive 431 ihren Klassen wenden jeweils zwei bis vier Fokuslernende die Kommunikationsstrategie des turntaking auch in der Zielsprache an (vgl. Tab. 87): D1.1 Bearbeitung der Aufgabe nach Vorgaben Klasse Längmatt (K1) Klasse West (K2) Klasse Amrein (K3) Klasse Hoger (K4) D1.1.3 Interaktion in der Zielsprache Die Fokusschülerin / der Fokusschüler… A B C E A B D A B A D kann die mündliche Interaktion mit einer Mitschülerin/ einem Mitschüler zu grossen Teilen in der Zielsprache aufrechterhalten (60-100%). 5/ 6 1/ 2 3/ 4 5/ 6 1/ 2 3/ 4 5/ 6 1/ 2 3/ 4 3/ 4 5/ 6 1/ 2 1/ 2 3/ 4 5/ 6 1/ 2 3/ 4 6 kann die mündliche Interaktion mit einer Mitschülerin/ einem Mitschüler ungefähr zur Hälfte in der Zielsprache aufrechterhalten (41-59%). 1/ 2 3/ 4 5/ 6 1/ 2 5 1/ 2 kann die mündliche Interaktion mit einer Mitschülerin/ einem Mitschüler nur teilweise in der Zielsprache aufrechterhalten (26-40%). 1/ 2 3/ 4 3/ 4 1 3/ 4 interagiert wenig oder gar nicht in der Zielsprache mit einer Mitschülerin/ einem Mitschüler (0-25%). 5/ 6 2 5/ 6 Tab. 87: Bei Aufgabe A (Quiz) das Wort ergreifen (turntaking) Während die Fokuslernenden der Klassen West (K2), Amrein (K3) und Hoger (K4) also zumindest abwechslungsweise in der Schul- und Zielsprache das Wort ergreifen, um die Interaktion zu beginnen, in Gang zu halten und/ oder zu beenden, ergreifen die Fokusschülerinnen und -schüler der Klasse Längmatt (K1) bei der Bearbeitung von Aufgabe A (Quiz) das Wort in der Schulsprache Deutsch resp. in der Schweizer Mundart, was die nachfolgenden Auszüge der Interaktion zwischen Sylvia und Rebekka, den leistungsstarken Fokusschülerinnen der Klasse Längmatt (K1), illustrieren: Sylvia eröffnet das Gespräch auf Mundart: Sylvia [00: 10] liesisch du zerst vor? Liest du zuerst vor? Rebekka erhält die Kommunikation in Mundart aufrecht und Sylvia fährt in Mundart fort: Rebekka [01: 03] auso ehm Also ehm … Sylvia [01: 05] söu i nomou läse? Soll ich nochmal lesen? Rebekka greift nach einer kurzen Pause das Gespräch in Mundart wieder auf: Rebekka [03: 34] u närä Und nachher … Sylvia greift nach zehn Sekunden Pause das Gespräch in Mundart wieder auf: Sylvia [04: 50] auso was jetzt (5) mach jetzt Also was jetzt (5) Mach jetzt! (Auszüge 128 aus dem Transkript UAK1Su1b, Anhang III.IV.I) 432 6 Ergebnispräsentation: Themenperspektive Im GER (Europarat 2020: 110) sind unter „ Sprecherwechsel “ erst ab dem Niveau A2 Deskriptoren verfügbar. Lernende auf dem Niveau A2.1 sollten jemanden ansprechen können, Lernende auf dem Niveau A2.2 können einfache Mittel anwenden, um ein kurzes Gespräch zu beginnen, in Gang zu halten und zu beenden (vgl. ebd.). Rebekka und Sylvia, die beide bei den Skalen zur kommunikativen Kompetenz das Niveau A2.2 erreichen (vgl. Anhang II.VII), sollten also über ein genügend hohes Sprachniveau verfügen, um diese turntakings in der Zielsprache vornehmen zu können. Es könnte sein, dass der Sprachwechsel beim turntaking typisch für eine Unterrichtssituation ist, in der die Schülerinnen und Schüler zwischen der Hinführung zur Aufgabe und der eigentlichen Bearbeitung der Aufgabe unterscheiden. So macht es ihnen bei Aufgabe A (Quiz) auch ihre Lehrerin vor. Diese Unterscheidung ist jedoch im Fremdsprachenunterricht, in dem die Sprache sowohl das Mittel als auch der Gegenstand ist, nicht zielführend. Ausserdem steht die Unterscheidung im Widerspruch zum Anspruch auf authentische Interaktionen im Fremdsprachenunterricht, bei denen gerade diese Art von Unterrichtsgesprächen als wertvolle Momente für Interaktionen in der Zielsprache gelten. Bei den Aufgaben B (Questionnaire) und E (Métiers), in die Frau Müller mehrheitlich resp. ausschliesslich in der Zielsprache einführt, gibt es auch in der Klasse Längmatt Fokuslernende, die das Wort in der Zielsprache ergreifen (vgl. Anhang II.VI). Die Fokuslernenden merken sich offenbar die verwendeten Ausdrücke ihrer Lehrerin und imitieren sie dann bei der Arbeit in Kleingruppen. Die Tabelle 88 zeigt exemplarisch, dass alle Ausdrücke zum Ergreifen des Worts, die die Fokuslernenden bei der selbständigen Bearbeitung einer Aufgabe verwenden, auch von ihrer Lehrerin gebraucht werden: D1.1 Bearbeitung der Aufgabe nach Vorgaben Klasse Längmatt (K1) Klasse West (K2) Klasse Amrein (K3) Klasse Hoger (K4) D1.1.3 Interaktion in der Zielsprache Die Fokusschülerin / der Fokusschüler… A B C E A B D A B A D kann die mündliche Interaktion mit einer Mitschülerin/ einem Mitschüler zu grossen Teilen in der Zielsprache aufrechterhalten (60-100%). 5/ 6 1/ 2 3/ 4 5/ 6 1/ 2 3/ 4 5/ 6 1/ 2 3/ 4 3/ 4 5/ 6 1/ 2 1/ 2 3/ 4 5/ 6 1/ 2 3/ 4 6 kann die mündliche Interaktion mit einer Mitschülerin/ einem Mitschüler ungefähr zur Hälfte in der Zielsprache aufrechterhalten (41-59%). 1/ 2 3/ 4 5/ 6 1/ 2 5 1/ 2 kann die mündliche Interaktion mit einer Mitschülerin/ einem Mitschüler nur teilweise in der Zielsprache aufrechterhalten (26-40%). 1/ 2 3/ 4 3/ 4 1 3/ 4 interagiert wenig oder gar nicht in der Zielsprache mit einer Mitschülerin/ einem Mitschüler (0-25%). 5/ 6 2 5/ 6 Tab. 88: Verwendete Ausdrücke zum Ergreifen des Worts (turntaking) 6 Ergebnispräsentation: Themenperspektive 433 Dass gewisse turntakings von bestimmten Fokuslernenden in der Zielsprache realisiert werden, zeigt, dass bei einem entsprechenden Training die Fokuslernenden die Klassenzimmersprache auch bei der Arbeit in Kleingruppen anwenden können. Wenn die Fokuslernenden der Klasse Längmatt ausmachen, wer an der Reihe ist, tun sie dies auf Mundart. Den leistungsstarken Fokusschülern der Klasse Amrein gelingt es hingegen, dies in der Zielsprache zu regeln: Sylvia [00: 47] jetzt muess ig. Jetzt muss ich. Rebekka [00: 49] oui (Auszug 129 aus dem Transkript UEK1Su1b, Anhang III.IV.XIV) Peter [05: 24] du bisch dra Du bist dran. (Auszug 130 aus dem Transkript UEK1Su2b, Anhang III.IV.XIV) Fred [03: 30] [u s ə t ʁ uv la statu d ə la libe ʁ te. la statu la statu] Où se trouve la *statou (statue) de la liberté, la *statou, la *statou Mike [03: 34] [a najo ʁ k] A New York Fred [03: 37] [wui]. (räuspert sich) [se t ɔ ̃ tu ʁ ] Oui. C ’ est ton tour. Mike [03: 41] [kel spo ʁ p ʁ atik sami ʁ naz ʁ i] Quel sport pratique Samir Nasri? (Auszug 131 aus dem Transkript UAK3Su1, Anhang III.IV.III) Um nachzufragen, bei welcher Frage die Lernpartnerin oder der Lernpartner ist, wechseln die meisten Fokuslernenden zurück zur Schweizer Mundart: Armin [00: 06] U itz wo simer? Und jetzt, wo sind wir? Peter [00: 08] bim sächsi, du bisch dra. Bei Nummer sechs, du bist dran. (Auszug 132 aus dem Transkript UCK1Su2a, Anhang III.IV.VIII) Paul [05: 56] Das hei mir jo. Das haben wir ja. Erika [05: 58] jo aber i ha ja nüt anders. Ja, aber ich habe ja nichts anderes. Paul [06: 02] mir müesse neui mache. Wir müssen neue machen. (Auszug 133 aus dem Transkript UAK1Su3, Anhang III.IV.I) Nicht so die leistungsschwachen Fokusschüler der Klasse West (vgl. Abb. 85). Damit die Mehrheit der Schülerinnen und Schüler auch bei der Arbeit mit 434 6 Ergebnispräsentation: Themenperspektive Klassenkameradinnen und -kameraden die Sprecherwechsel in der Zielsprache vollzieht, braucht es eine hohe Selbstverantwortung vonseiten der Lernenden, sowie ein grosses Bewusstsein der Lehrperson, um die Klassenzimmersprache entsprechend zu installieren. Wechseln die Schülerinnen und Schüler für die turntakings systematisch die Sprache, so entsteht eine Kluft zwischen den Interaktionen im Klassenzimmer, bei denen dies aufgrund derselben Ausgangssprache der Lernenden möglich ist, und den Interaktionen mit einer Sprecherin/ einem Sprecher ohne gemeinsame weitere Sprache, in denen diese Momente anders gestaltet werden müssen. 6.3.3 Umgang mit chunks Die Fokuslernenden der Klasse Längmatt verwenden bei der Bearbeitung von Aufgabe A (Quiz) für das turntaking resp. für Äusserungen, die sich von der eigentlichen Aufgabenstellung entfernen, zwar exklusiv die Schulsprache Deutsch resp. die Schweizer Mundart, doch sie zeichnen sich dadurch aus, dass sie konsequent die zur Aufgabe gehörigen Satzanfänge nutzen und dadurch längere Äusserungen in der Zielsprache produzieren als Einresp. Zwei-Wort-Sätze. Frau Müller führt die chunks bei ihrer Einführung zur Aufgabe A (Quiz) wie auch Frau Gerber ein und macht dazu zwei Beispiele im Plenum (vgl. Tab. 89). Im Gegensatz dazu führt Frau Huber die chunks zwar ein, macht dann aber Beispiele in der Klasse, bei denen sie diese chunks nicht verwendet (vgl. Auszug 39). Frau Schmid führt die chunks gar nicht ein (vgl. Tab. 89): Aufgabe A (Quiz) Frau Müller (L1) Frau Huber (L2) Frau Schmid (L3) Frau Gerber (L4) Einführung der chunks ja ja nein ja Beispiel(e) im Plenum mit den chunks ja nein nein ja Klassen Längmatt (K1) West (K2) Amrein (K3) Hoger (K4) Verwendung der chunks durch die Fokuslernenden ja (2 von 3 Gruppen) nein (0 von 3 Gruppen) nein (0 von 3 Gruppen) ja (2 von 3 Gruppen) Tab. 89: Umgang mit chunks bei Aufgabe A (Quiz) 6 Ergebnispräsentation: Themenperspektive 435 Die Fokuslernenden der Klassen West (K2) und Amrein (K3) verwenden bei der mündlichen Interaktion keine der vorgesehenen chunks, im Gegensatz zu den Fokuslernenden der Klassen Längmatt (K1) und Hoger (K4). Es reicht also nicht, wenn Satzanfänge als Hilfestellungen im Lehrwerk stehen, sondern sie sie müssen von der Lehrperson mit dem Hinweis, dass die Schülerinnen und Schüler sie verwenden sollen, und mit Beispielen in der Klasse eingeführt werden. Die Lehrerinnen führen unterstützende chunks in ungefähr der Hälfte der Einführungen ein, doch sie machen dazu nicht systematisch Beispiele in der Klasse, die konform zur Aufgabe sind (42 %). 6.3.4 Folgerungen für eine Optimierung des Lehrpersonenhandelns Ausgehend von der Analyse des Unterrichtshandelns der vier Lehrerinnen lassen sich Folgerungen für eine Optimierung der Einführungen zu Aufgaben des interaktiven Sprechens formulieren: • Bewusstsein für die Kompetenz des interaktiven Sprechens entwickeln: Es braucht ein verstärktes Bewusstsein der Lehrpersonen für die Förderung des interaktiven Sprechens, insbesondere die Unterscheidung zwischen monologischem und dialogischem Sprechen, damit sowohl das Angebot im Lehrwerk als auch eigene Ideen adäquat im Unterricht umgesetzt werden, • Arbeit in Paar- oder Kleingruppen: Anstatt eine Aufgabe im Plenum durchzuführen, sollte die Arbeit in Paar- oder Kleingruppen privilegiert werden. Dadurch wird der Redeanteil der Schülerinnen und Schüler dadurch massiv gesteigert. Es ist auch denkbar, dieselbe Aufgabe sowohl im Plenum als auch im Anschluss in Gruppen zu bearbeiten. • Wiederholungsanlässe schaffen: Es ist zielführend, die Sprechanlässe mehrmals mit verschiedenen Lernpartnerinnen und -partnern durchführen zu lassen, ggf. mit einer Variation der Aufgabenstellung, damit der mündliche Informationsaustausch von Interesse und echt bleibt. Kooperative Lernformen wie Speed-dating, Kugellager, ExpertInnenrunde o. ä. eignen sich besonders dafür, • In regelmässigen Abständen an die Vorgaben erinnern: Es ist zumindest am Anfang nötig, nach fünf bis sieben Minuten zu intervenieren und den Schülerinnen und Schülern in Erinnerung zu rufen, dass sie in der Zielsprache miteinander sprechen sollen, • Zeitliches Verhältnis optimieren: Lehrpersonen sollten möglichst wenig Zeit für die Einführung zur Aufgabe aufwenden und möglichst viel Zeit für deren Bearbeitung durch die Lernenden vorsehen, 436 6 Ergebnispräsentation: Themenperspektive • Zielsprache verwenden: Je mehr eine Lehrperson in der Zielsprache spricht, desto mehr sprechen auch ihre Schülerinnen und Schüler in der Zielsprache. Dies scheint bei einer partizipativen Gesprächsgestaltung besser zu gelingen, • Einführung partizipativ ausrichten: Bei einer partizipativen Gesprächsgestaltung werden die Lernenden schon bei der Einführung in die Aufgabe auf das interaktive Sprechen eingestimmt und erhöhen dadurch ihren Redeanteil. Um den Redeanteil nicht nur für vereinzelte Lernende zu erhöhen, empfiehlt es sich, den Schülerinnen und Schülern vor der Einführung in eine neue Aufgabe den Auftrag zu erteilen, die Aufgabenstellung zunächst in Kleingruppen zu studieren und (in der Zielsprache) zu diskutieren, bevor sie im Plenum ratifiziert wird, • Bewusste sprachliche Gestaltung: Sprachlich intensive Momente wie die Einführung in eine neue Aufgabe sollten bewusst als solche wahrgenommen und sorgfältig vorbereitet werden (z. B. Zurechtlegen bestimmter Satzbausteine, Suche nach deutsch-französischen Parallelwörtern, Vorbereiten von Visualisierungsmöglichkeiten, Unterstützung durch nonverbales Handeln etc.), damit die Lehrpersonensprache möglichst korrekt und gut verständlich ist, • Klassenzimmersprache installieren: Insbesondere Ausdrücke, die für Sprecherwechsel notwendig sind, einführen und vor jedem neuen Sprechanlass wieder in Erinnerung rufen (z. B. C ’ est mon tour. / C ’ est ton tour. / On fait quoi? / On fait … / C ’ est où? / C ’ est à la page … / Commence. / Continue. etc.). • Chunks mit Beispielen einführen: Die im Lehrwerk vorgegebenen Satzanfänge sollten berücksichtigt, ggf. durch die Lehrperson angepasst resp. ergänzt werden und in Beispielen zur Aufgabe im Plenum verwendet werden. Eine formale Analyse der chunks ist zu diesem Zeitpunkt nicht zielführend, da es sich um eine kommunikative Phase handelt. 6.4 Interaktives Sprechen unter Lernenden Um die Forschungsfrage 3b) zu beantworten und aufzuzeigen, wie sich die mündliche Interaktion der Schülerinnen und Schüler bei der Bearbeitung der Aufgaben zum interaktiven Sprechen gestaltet, werden die Klassen untereinander verglichen und präsentiert, welches ihre Stärken und Schwächen sind. Daraus leiten sich Fördermassnahmen zum interaktiven Sprechen unter Lernenden ab. 6 Ergebnispräsentation: Themenperspektive 437 6.4.1 Bearbeitung der Aufgaben nach Vorgaben Für die Fokuslernenden, die als 12-Jährige die letzte Primarschulklasse besuchen, sind die Aufgaben zum interaktiven Sprechen aus dem Lehrwerk nicht selbsterklärend. Alle Fokuslernenden der vier Klassen befolgen primär die Anweisungen der Lehrperson und berücksichtigen die Vorgaben resp. Hilfestellungen im Lehrwerk nur dann, wenn sie von der Lehrperson darauf hingewiesen werden. Wenn die Fokuslernenden mit der Bearbeitung einer Aufgabe beginnen, bevor sie von der Lehrerin eingeführt worden ist, nutzen sie nicht alle Hilfestellungen und befolgen auch nicht alle Vorgaben. Bei Rebekka und Sylvia, den leistungsstarken Fokusschülerinnen der Klasse Längmatt (K1), ist dies bei der Bearbeitung von Aufgabe A (Quiz) der Fall: Bevor die Aufgabe von Frau Müller eingeführt worden ist, sprechen sie deutlich weniger in der Zielsprache (F: 32 %, D: 68 %) als beim zweiten Durchgang nach der Einführung durch Frau Müller. Beim ersten Durchgang lesen sie die Fragen zwar auf Französisch vor, beantworten sie aber auf Deutsch, und sie machen sich bei den Zahlen im ersten Durchgang nicht die Mühe, diese auf Französisch auszusprechen. Im zweiten Durchgang ändert sich dies: Sylvia [01: 29] Qui a marché sur la lune en nünzähnünächsächzg. Qui a marché sur la lune en neunzehnneunundsechzig. (Auszug 134 aus dem Transkript UAK1Su1a, Anhang III.IV.I) Sylvia [02: 07] Qui a marché sur la lune en dix eh nei mil neuf cent soixante-neuf. (Auszug 135 aus dem Transkript UAK1Su1b, Anhang III.IV.I) Manchmal gehen die Anweisungen der Lehrperson über die Vorgaben bei der Aufgabe hinaus. Beispielsweise erklärt Frau Müller in der Einführung zu Aufgabe A (Quiz), dass man eine Antwort bestätigen oder widerlegen solle. Dafür verwendet Frau Müller Beispiel oui, non und j ’ ai quelque chose d ’ autre. Rebekka und Sylva bestätigen jeweils die Antwort ihrer Lernpartnerin mit oui, c ’ est juste oder mit oui. Sylvia erklärt jedoch nach den fünf ersten Sequenzen ihrer Lernpartnerin Rebekka, dass sie keine Ratifizierung auf Französisch vornehmen müssten und stützt sich dabei vermutlich auf die Vorgaben im Lehrwerk (vgl. Abb. 151, Z. 7). Allerdings tut sie dies selbst gleich bei der übernächsten Sequenz wieder, indem sie die Antwort von Rebekka mit oui bestätigt (ebd., Z. 10). Offenbar haben die Anweisungen von Frau Müller mehr Gewicht als die Vorgaben im Lehrwerk: 438 6 Ergebnispräsentation: Themenperspektive [6] . . 18 [01: 37.9]19 [01: 41.8] REBEKKA [v] mami t mu v l kom wazo.] OrthoFS1 [v] mammifère vole comme un oiseau? SYLVIA [v] (4) ehm ehm [ p OrthoFS2 [v] Je pense que c'est la chauve-souris. [7] 20 [01: 48.3] 21 [01: 50.3] 22 [01: 54.5] 23 [01: 56.3] REBEKKA [v] [wi se yst.] OrthoFS1 [v] Oui, c'est juste. SYLVIA [v] (flüstert) du muesch das nid säge auso itz lies ig [k l la ply ot OrthoFS2 [v] Quelle est la plus [8] . . 24 [02: 00.6] 25 [02: 07.9] REBEKKA [v] (2) öhm [ pos k maunt ] OrthoFS1 [v] *Je pense que Mount Everest. SYLVIA [v] m ta dy m d.] (2) [ki ma sy la OrthoFS2 [v] haute montagne du monde? Qui a marché sur [9] . . 26 [02: 13.8] 27 [02: 21.7] REBEKKA [v] Neil ah ehm [ p OrthoFS1 [v] *Je pense que Neil Armstrong. SYLVIA [v] lyn : : ] [dis: : : ] eh nei [mil n f s swas ] OrthoFS2 [v] la lune en... 1969? [10] . . 28 [02: 27.9]29 [02: 28.7] 30 [02: 33.8] REBEKKA [v] ] [k l la natsionalite d pokemon.] OrthoFS1 [v] Quelle est la nationalité des Pokémons? SYLVIA [v] [wi.] [t ap ] eh (1) [s p t OrthoFS2 [v] Oui. Japon. Cest peut-être le Abb. 151: Auszug aus dem Transkript UAK1Su1b (nach der Einführung von L1), Anhang III.IV.I Dass die Fokuslernenden in den meisten Fällen die Vorgaben resp. Hilfestellungen im Lehrwerk nicht verwenden, wenn die Lehrperson sie nicht benennt oder keine Beispiele dazu macht, bestätigen auch die Schülerinnen und Schüler der Klasse Hoger (K4) in der Gruppendiskussion (vgl. Transkript GK4Su1, Anhang III.II.VII). Die Fokuslernenden der Klasse West (K2) führen ebenfalls vor, dass diese Tatsache auf sie zutrifft, wenn sie die Satzanfänge - wie ihre Lehrerin Frau Huber - bei der Bearbeitung der verschiedenen Aufgaben zum interaktiven Sprechen nicht verwenden, obschon sie im Lehrwerk abgebildet sind: Bis die Fokuslernenden mit der eigenständigen Bearbeitung beginnen, 6 Ergebnispräsentation: Themenperspektive 439 haben sie die Sprechblasen nach eigenen Aussagen wieder vergessen. Frau Huber unterbricht deshalb die Schülerinnen und Schüler bei der Arbeit, um sie an die Vorgaben und Hilfestellungen im Lehrwerk zu ermahnen: Frau Huber [02: 39] vous essayez de parler le plus possible en français. Vous avez ici les bulles (geht zu einem Schüler und nimmt sein magazine) ici (zeigt auf Sprechblasen) qui vous aident (Auszug 136 aus dem Transkript UAK2Lb, Anhang III.III.V) In der Klasse Längmatt gibt es diesbezüglich Unterschiede zwischen den leistungsschwachen, den mittelmässigen und den leistungsstarken Fokuslernenden: Bei ihren Einführungen zur Aufgabe C (Questions) weist Frau Müller auf einen chunk hin, der bei der Aufgabe nicht abgebildet ist: Oui, c ’ est juste. Bei C2 bestätigt Rebekka die Antworten von Sylvia mit Oui, Sylvia verwendet dafür den Ausdruck von Frau Müller (Oui, c ’ est juste). Sylvia verwendet bei C1 einen weiteren Satzanfang, nämlich Je pense que c ’ est … , den sie bei den Aufgaben A (Quiz) und B (Questionnaire) bereits mehrmals benutzt hat, obschon dieser Ausdruck bei der Einführung zur Aufgabe C (Questions) nicht nochmals von Frau Müller eingeführt worden ist. Es gelingt ihr also, mehr zu leisten als es die Anweisung von Frau Müller verlangt. Auch die mittelmässigen Fokusschüler verwenden eigene Satzanfänge, um die Aufgabe interaktiv zu gestalten. Allerdings übersehen auch sie die Hilfestellungen im Lehrwerk und greifen auf eigene Ressourcen zurück. Armin beginnt einen Satz mit Peut-être … , um die Diskussion über eine Antwort in Gang zu bringen. Diesen chunk verwendet er sonst bei keiner Aufgabe. Peter hingegen beginnt alle seine Sätze auf Deutsch, wenn er seinem Lernpartner die Antworten mitteilt: Peter [01: 57] Das isch das do pour gagner … Das ist das hier: pour gagner … (Auszug 137 aus dem Transkript UCK1Su2a, Anhang III.IV.VIII) Peter [00: 29] Es isch das do anglais et français. Es ist das hier: anglais et français. (Auszug 138 aus dem Transkript UCK1Su2b, Anhang III.IV.VIII) Die Satzanfänge von Peter in Mundart liessen sich durchaus durch die Satzanfänge auf Französisch aus dem Lehrwerk ersetzen: A mon avis, la réponse est … oder La réponse est … ., doch Peter berücksichtigt diese Hilfestellungen aus dem Lehrwerk nicht. Paul und Erika, die leistungsschwachen Fokuslernenden, berücksichtigen auch keine Hilfestellungen aus dem Lehrwerk, obschon sie damit ihre Interaktion in der Zielsprache aufrechterhalten könnten. Um eine 440 6 Ergebnispräsentation: Themenperspektive korrekte Antwort auszuhandeln, greift Paul auf Mundart zurück (Abb. 152, Z. 3): [2] . . 4 [00: 35.7] 5 [00: 37.7] PAUL [v] [la s n] [kel s le dœ l OrthoFS5 [v] la Seine ERIKA [v] ave s la vil d pa i] OrthoFS6 [v] ? [3] . . 6 [00: 43.9] 7 [00: 49.1]8 [00: 55.8] 9 [01: 02.7] PAUL [v] (6) ) OrthoFS5 [v] Canada? ERIKA [v] [kel f u se v a OrthoFS6 [v] s [4] . . 10 [01: 07.2] 11 [01: 13.5] 12 [01: 21.8] PAUL [v] [kel iv a.ve e la vil d pa i] [la s OrthoFS5 [v] Quelle ? la Seine ERIKA [v] f ] [le es] (5) OrthoFS6 [v] ? Abb. 152: Auszug aus dem Transkript UCK1Su3b, Anhang III.IV.VIII Anstelle von „ Das stimmt nicht “ wäre es denkbar gewesen, einen Satzanfang zu verwenden, der bei der Aufgabe C (Questions) im Lehrwerk steht, und ihn mit der korrekten Antwort zu ergänzen (A mon avis, la réponse est français et anglais). Wenn Sylvia und Paul die Sprache wechseln, flüstern sie dabei (vgl. Abb. 149, Z. 7/ Abb. 150, Z. 3), was verschiedene Gründe haben kann. Vielleicht möchten sie, dass ihr Einwand möglichst diskret ausfällt. Es könnte auch sein, dass sie den Sprachenwechsel bemerken und deshalb leiser sprechen. Auf jeden Fall erachten sie ihren Kommentar als nicht zur eigentlichen Sprechaufgabe gehörig und sind deshalb nicht gleich bemüht wie in der restlichen Interaktion, dabei auf Französisch zu sprechen. Vor und nach dem Kommentar sprechen sie Französisch. 6.4.2 Kooperation unter den Lernenden Die Fokuslernenden unterstützen sich bei der Arbeit in Kleingruppen zielführend, hauptsächlich in folgenden Situationen: 6 Ergebnispräsentation: Themenperspektive 441 • Klären der Aufgabenstellung • Lösen von Verstehensproblemen • Unterstützung bei der Aussprache Die Fokusschülerinnen und -schüler klären oft zu Beginn der gemeinsamen Arbeit das Vorgehen. Dies geschieht entweder auf Schweizer Mundart oder nonverbal: Sybille [04: 06] tüet mir frage steue und i tue sie beantworte. Itz hei mir ’ s jo gläse. Stellt mir Fragen und ich beantworte sie. Jetzt haben wir es ja gelesen. (Auszug 139 aus dem Transkript UDK4Su1_2, Anhang III.IV.VIII) Rebekka [00: 23] du muesch e satz nä du muesch irgendwie e satz vo do nä. Du musst einen Satz nehmen. Du musst irgendwie einen Satz von hier nehmen. (Auszug 140 aus dem Transkript UAK1Su1b, Anhang III.IV.I) Erika [00: 23] (unterbricht Paul) du muesch mir säge öb ’ s richtig isch Du musst mir sagen, ob es richtig ist. (Auszug 141 aus dem Transkript UBK1Su4, Anhang III.IV.V) Manchmal kommt es vor, dass die Fokuslernenden auch während der Aufgabenbearbeitung ihre Arbeitsform erläutern: Sybille [05: 06] lug i tue ’ s immer ikreise. Schau, ich umkreise es immer. (Auszug 142 aus dem Transkript UAK4Su1, Anhang III.IV.IV) Erika [06: 31] (zeigt auf Sprechblasen im magazine) (Auszug 143 aus dem Transkript UAK1Su3, Anhang III.IV.I) Ursula [10: 55] de darfsch du aber ou nid bi mir abluege, gäu. Dann darfst du aber auch nicht bei mir abschreiben, gell. Lynn [11: 03] Mann Ursula, mir mache ’ s zäme. Mann Ursula, wir machen es zusammen. Ursula [11: 10] aso wart (8), (5) mir chöi ja mau e chli ga Tipps sueche Also warte (8), (5) wir können ja einmal ein paar Tipps suchen gehen. Lynn [11: 34] i meine das ärnscht. (10) Die Froge chasch jetzt mou abkläre, ok? Ich meine das Ernst. (10) Diese Fragen kannst du jetzt einmal abklären, ok? (Auszug 144 aus dem Transkript UAK4Su2, Anhang III.IV.IV) 442 6 Ergebnispräsentation: Themenperspektive Die Fokusschülerinnen und -schüler können die meisten Verstehensprobleme ohne die Hilfe ihrer Lehrerinnen lösen. Dafür unterstützen sie sich gegenseitig, wie beispielsweise bei Aufgabe A (Quiz), wenn Armin seinen Lernpartner Peter um Bedeutungsklärung einer Frage bittet (vgl. Abb. 153, Z. 13). Gemeinsam gelangen sie dann zur Lösung der Aufgabe: [13] . . 48 [07: 04.3]49 [07: 12.1] ARMIN [v] (8) und was und was bedütet PETER [v] tapel la kulœ kulœ oz OrthoFS4 [v] *Comment t'appelle la couleur rose en anglais? [14] . . 50 [07: 15.9] 51 [07: 20.4]52 [07: 22.4]53 [09: 49.0] ARMIN [v] jetzt die frog? pink (147) PETER [v] ehm wie seit me d farb rosa uf änglisch villicht het's Abb. 153: Auszug aus dem Transkript UAK1Su2, Anhang III.IV.I Die Fokusschülerinnen und -schüler unterstützen sich auch gegenseitig bei der Aussprache. Manchmal greifen sie unterstützend ein, wenn ihr/ e Lernpartner/ in ins Stocken gerät. Manchmal unterstützen sie sich auch, wenn sie von ihrem/ ihrer Lernpartner/ in explizit dazu aufgefordert werden (vgl. Abb. 154). Dies machen beispielsweise Erika und Paul bei der Bearbeitung der Aufgabe B (Questionnaire): [3] . . 5 [00: 33.9] 6 [00: 40.7] ERIKA [v] (2) [ p OrthoFS6 [v] . PAUL [v] ] OrthoFS5 [v] [4] . . 7 [00: 48.7] 8 [00: 50.7] 9 [00: 56.4] ERIKA [v] ) [ p OrthoFS6 [v] PAUL [v] ] OrthoFS5 [v] . Abb. 154: Auszug aus dem Transkript UBK1Su4, Anhang III.IV.V 6 Ergebnispräsentation: Themenperspektive 443 6.4.3 Interaktion in der Zielresp. Schulsprache Bis auf zwei Ausnahmen gelingt es allen Fokuslernenden bei den Aufgaben zum interaktiven Sprechen, die in Kleingruppen durchgeführt werden, Informationen in der Zielsprache auszutauschen (vgl. Anhang II.VII, Skala D1.2). Sie verweilen in der Zielsprache, wenn sie Fragen stellen und Antworten darauf geben. Die meisten leistungsstarken Fokuslernenden vermögen es auch, die Sequenzen in der Zielsprache zu erweitern (vgl. z. B. Tab. 54 der Tab. 66). Wenn sich die Fokuslernenden von dieser Basis-Sequenzabfolge entfernen, findet i. d. R. ein Wechsel zur Schulsprache Deutsch resp. zur Schweizer Mundart statt, wie dies bereits anhand der Sprecherwechsel gezeigt werden konnte (vgl. Kap. 6.3.2). Die Fokuslernenden wechseln auch in Momenten zurück zur Schulsprache, wenn eindeutig der Inhalt im Vordergrund steht, nämlich wenn sie … : • sich rückversichern • über eine Aussage staunen • eine weiterführende Frage stellen • Worterklärungen anbieten • Erläuterungen zu einer Antwort geben • eine Antwort nicht wissen • eine korrekte Antwort aushandeln Wenn sich die Fokusschülerinnen und -schüler rückversichern, wechseln sie i. d. R. zur Schulsprache. D. h., dass sie den Inhalt nochmals auf Deutsch oder Schweizer Mundart klären, obwohl der Austausch darüber bereits auf Französisch stattgefunden hat und abgeschlossen ist. Zum Beispiel fragt Armin bei Aufgabe E2 (Métiers) bei Peter auf Mundart nach, ob Peter wirklich einen Reiter gemimt habe (vgl. Abb. 155), obschon Peter diese Information gerade bestätigt hat und obschon Armin die Antwort teilweise selbst schon gegeben hat: 444 6 Ergebnispräsentation: Themenperspektive [24] . . 46 [04: 40.1] 47 [04: 50.0] Armin [v] magazine)[ p ] OrthoFS3 [v] Peter [v] OrthoFS4 [v] S3 [v] p Ortho S3 [v] [25] . . 48 [04: 53.9]49 [04: 55.9] 50 [05: 02.4] Armin [v] ? ) Peter [v] Ja Abb. 155: Auszug aus dem Transkript UEK1Su2b, Anhang III.IV.XIV Wenn die Fokusschülerinnen und -schüler über eine Antwort staunen, wechseln sie ebenfalls zurück zur Schulsprache. Bei Aufgabe B (Questionnaire) gibt Rebekka an, dass Pommes Frites und Hamburger ihr Lieblingsessen seien. Dies wundert Armin so sehr, dass er sich auf Mundart vergewissert (Abb. 156, Z. 9), bevor er ihre Antwort auf Französisch wiederholt: [9] . . 19 [01: 39.7] 20 [01: 43.2] ARMIN [v] (unverständlich) Würklech? (2) [pom f it e OrthoFS3 [v] sont la Pommes frites et hamburgers? REBEKKA [v] [n pom f it e ambu ge ] i ha's fausch gläse. OrthoFS1 [v] Non, pommes frites et hamburger. [10] . . 21 [01: 55.6] 22 [02: 04.0]23 [02: 10.8] ARMIN [v] ambu ge ] OrthoFS3 [v] REBEKKA [v] [d lo mine al] i ha s fausche gläse OrthoFS1 [v] de l'eau minérale Abb. 156: Auszug aus dem Transkript UBK1Su2, Anhang III.IV.V Auch Altin wechselt die Sprache, wenn er über den sonderbaren Namen staunt, den sich Mike ausgedacht hat (Abb. 157, Z. 16): 6 Ergebnispräsentation: Themenperspektive 445 [15] . . 48 [03: 13.5] 49 [03: 18.5] 50 [03: 22.4] MIKE [v] Gri OrthoFS1 [v] préférés? ALTIN [v] (unverständlich) und Batman [kel s te p en p efe e] OrthoFS5 [v] Quels sont tes prénoms préférés? [16] 51 [03: 23.4]52 [03: 24.3] 53 [03: 26.3] 54 [03: 28.7] MIKE [v] gri grrri Ge är i ja. so würd i gärn heisse. ALTIN [v] was? Gri. Das isch di Lieblingsname. Abb. 157: Auszug aus dem Transkript UBK3Su4, Anhang III.IV.VII Die Fokuslernenden wechseln i. d. R. auch zurück zur Schulsprache oder zur Schweizer Mundart, wenn sie eine echte, weiterführende Frage haben. Nachdem Fred Altins Frage zu seinem Lieblingsessen und -trinken beantwortet hat, fragt er „ und du? “ zurück (Abb. 158, Z. 19). Die Wendung Et toi? dürfte Fred zwar bekannt sein, doch offenbar überschreitet er hier mit seiner Frage den Rahmen der Aufgabe inhaltlich und zeigt dies auch mit der Sprachwahl an: [18] 51 [02: 54.1]52 [02: 57.4] 53 [03: 01.8] 54 [03: 03.8]55 [03: 05.3] ALTIN [v] Leila [kel s ta ny itu e (.) ta bwaso p efe e] z OrthoFS5 [v] Quelles sont ta nourriture et ta boisson préférées? FRED [v] [le f ite] he? OrthoFS2 [v] les frites [19] . . 56 [03: 06.5] 57 [03: 07.6] 58 [03: 13.5] ALTIN [v] trinke? [pitsa] (Wecker klingelt) OrthoFS5 [v] pizza FRED [v] ah [kokakola] und du? OrthoFS2 [v] Coca-Cola Abb. 158: Auszug aus dem Transkript UBK3Su6, Anhang III.IV.VII Die Fokuslernenden wechseln die Sprache ausserdem, wenn sie ihrer Lernpartnerin oder ihrem Lernpartner Worterklärungen in Form von Übersetzungen anbieten. Um Altin vor Augen zu führen, dass er ihm falsch antwortet, übersetzt Fred für ihn die Fragen und seine Antworten. Altin greift das französische Wort couleur auf, übersetzt es ebenfalls mit „ Lieblingsfarbe “ und zeigt mit „ stimmt “ an, dass er mit dem Einwand von Fred einverstanden ist (Abb. 159, Z. 13): 446 6 Ergebnispräsentation: Themenperspektive [12] 32 [01: 44.5] 33 [01: 46.0] ALTIN [v] [ l a r o z ] (lacht) OrthoFS5 [v] la rose FRED [v] i säge was isch dini lieblingsfarb du seisch d rose. i säge wo wotsch [13] . . 34 [01: 57.6] 35 [01: 59.9] ALTIN [v] [kulœ ] stimmt, lieblingsfarb [kel flœ ame ty] OrthoFS5 [v] Quelle fleur aimes-tu? FRED [v] l ä b e , d u s e i s c h b l a u . Abb. 159: Auszug aus dem Transkript UBK3Su6, Anhang III.IV.VII Bei der Bearbeitung von Aufgabe B (Questionnaire) liefert Luisa in jeder Gesprächsrunde bei canari systematisch die deutsche Übersetzung als Worterklärung mit. Sie tut dies auch, wenn keine Nachfrage von ihrer Mitschülerin oder ihrem Mitschüler kommt, die das Wort u. U. verstanden haben, da es auch über ein deutsch-französisches Parallelwort (Kanarienvogel) erschlossen werden kann: Mike [02: 08] [kel waso kel waso p ʁ efe ʁ ty] Quel oiseau préfères-tu? Luisa [02: 10] [la kana ʁ i] *la canari Mike [02: 12] he? Luisa [02: 13] wäuesittich Wellensittich (Auszug 145 aus dem Transkript UBK3Su3, Anhang III.IV.VII) Elena [02: 04] [kel waso pe ʁ fe ty] Quel oiseau *perfé (für préfères)-tu? Luisa [02: 07] [l ə kana ʁ i se l ə ] ehm (2) wäuesittich le canari, c ’ est le Wellensittich (Auszug 146 aus dem Transkript UBK3Su1, Anhang III.IV.VII) Florian [02: 25] [kel (.) waso p ʁ ev ɛːʁ ty] Quel oiseau *préver (für préfères)-tu? Luisa [02: 31] [l ə kana ʁ i] öhm [se l ə ] öhm wäuesittich le canari, c ’ est le öhm Wellensittich (Auszug 147 aus dem Transkript UBK3Su2, Anhang III.IV.VII) Wenn die Fokuslernenden eine ihrer Antworten näher erläutern, wechseln sie dafür i. d. R. zur Schulsprache Deutsch oder in die Schweizer Mundart. Beispielsweise wechselt Florian zur Mundart, wenn er eine Erläuterung zu seinen 6 Ergebnispräsentation: Themenperspektive 447 Lieblingshelden abgibt. Luisa fährt auf Mundart fort, um ihm zu erklären, dass er nicht auswählen könne. Florian klärt das Missverständnis, bis Luisa mit „ ok “ einwilligt und dann wieder auf Französisch weitermacht: Luisa [00: 59] [kel s ɔ ̃ te e ʁ o pe ʁ fe ʁ e] Quels sont tes héros *perférés (meint préférés) Florian [01: 03] [g ʁ eg e noemi] (unverständlich) die heisst eso Greg et Noemie. Die heisst so. Luisa [01: 07] jetzt hesch abr d wau nid zwüsche de figure Jetzt hast du aber die Wahl nicht zwischen den Figuren. Florian [01: 12] aso zwüsche de reale und nid reale da het ’ s e chlammere weisch Also zwischen den realen und nicht realen da hat ’ s eine Klammer, weisst du. Luisa [01: 16] ok [kel s ɔ ̃ te p ʁ en ɔ ̃ pe ʁ fe ʁ e] Quels sont tes prénoms *perférés (meint préférés) (Auszug 148 aus dem Transkript UBK3Su2, Anhang III.IV.VII) Nicht nur die Person selbst, sondern auch ihr Gegenüber kann eine Antwort erläutern: Beispielsweise kommentiert Luisa die Antwort von Florian bzg. seines Lieblingssängers, den sie nicht kennt, oder Altin meint „ oh krass “ , wenn Fred ihm berichtet, dass er gerne in Miami wohnen würde. Bei den Kommentaren handelt es sich jeweils um persönliche Meinungen: Luisa [00: 28] [a pa ʁ twa mem ki vud ʁɛː ty ɛː t ʁ ] À part toi-même, qui voudrais-tu être? Florian [00: 32] Elen (? ) Schloger (? ) Luisa [00: 33] dä kenn i nid. Den kenne ich nicht (Auszug 149 aus dem Transkript UBK3Su2, Anhang III.IV.VII) Altin [01: 12] [e ame ʁ e ty viv ʁ ] *Et (meint Où) aimerais-tu vivre? Fred [01: 15] Miami Altin [01: 16] oh krass (Auszug 150 aus dem Transkript UBK3Su6, Anhang III.IV.VII) Bei Diskussionen über die korrekte Antwort kommt es ebenfalls oft vor, dass die Fokuslernenden zurück zur Schulsprache resp. zur Schweizer Mundart wechseln. Sylvia und Rebekka verhandeln auf Mundart, welche Antwort auf eine Frage bei Aufgabe A (Quiz) die richtige sei (Abb. 160, Z. 10). Erika und Paul diskutieren bei Aufgabe B (Questionnaire) auf Mundart darüber, ob Erikas Antwort korrekt gewesen sei oder nicht (Abb. 161, Z. 11 - 12): 448 6 Ergebnispräsentation: Themenperspektive [9] . . 17 [01: 41.1] 18 [01: 42.2] Rebekka [v] äne no d antwort usefinde. Sylvia [v] ja genau ehm [a m ] ah nein [ p s k se a s : . leona ] OrthoFS2 [v] A mon, ah nein, Je pense que c'est à Saint- [10] . . 19 [01: 51.6] 20 [01: 59.7] 21 [02: 05.6]22 [02: 13.1] REBEKKA [v] [a t i a ij ] hie. aso das stoht do. (7) [ke OrthoFS1 [v] A Chillon Que SYLVIA [v] ja aber das isch nid richtig OrthoFS2 [v] Léonard. Abb. 160: Auszug aus dem Transkript UCK1Su1a, Anhang III.IV.VIII [11] . . 26 [02: 29.4] 27 [02: 33.7] ERIKA [v] p efe e s le f it (1) l koka] das hani OrthoFS6 [v] préférées sont les frites, le coca. PAUL [v] [n se le spageti (1) l koka] OrthoFS5 [v] Non, c'est les spaghettis et le coca. [12] . . 28 [02: 35.7] 29 [02: 37.7] 30 [02: 39.7] 31 [02: 46.4] ERIKA [v] richtig gha. das isch richtig (4) mir si fertig PAUL [v] nä-ä das isch fautsch i go itz zur C. Abb. 161: Auszug aus dem Transkript UBK1Su4, Anhang III.IV.V Die Fokuslernenden wechseln auch zurück zur Schweizer Mundart, wenn sie die Antwort auf eine gestellte Frage nicht kennen. Bei Aufgabe B (Questionnaire) ist dies der Fall, wenn eine Frage aus dem Fragebogen bei der Vorbereitung auf den Sprechanlass unbeantwortet gelassen wird. Als Elena ihre Lernpartnerin Luisa zu ihren Lieblingshelden befragt, meint Luisa, dass sie keine Ahnung habe, weil sie dazu nichts aufgeschrieben habe (Abb. 162, Z. 12). Allerdings schafft es Luisa in der Zusammenarbeit mit dem leistungsstarken Fokusschüler Mike, ihr Wissensproblem bei derselben Frage in der Zielsprache auszudrücken (Abb. 163, Z. 14). Mike macht es ihr zu Beginn ihres Gesprächs vor (ebd., Z. 3) und offenbar kann es Luisa von ihm übernehmen: 6 Ergebnispräsentation: Themenperspektive 449 [12] . . 35 [02: 16.4] 36 [02: 22.4] LUISA [v] öh kei ahnig dört hani nüt gschriebe. ELENA [v] pe fe] [kel s to p en pe fete] OrthoFS6 [v] héros préférés? Quels sont tes prénoms Abb. 162: Auszug aus dem Transkript UBK3Su1, Anhang III.IV.VII [3] . . 5 [00: 33.2] 6 [00: 36.2] 7 [00: 38.9] 8 [00: 40.7] LUISA [v] [u ty viv ] [kel e ta kulœ OrthoFS4 [v] être? -tu vivre? MIKE [v] [ n tn ] [a land] OrthoFS1 [v] t en Irlande […] [14] 39 [02: 13.0] 40 [02: 14.5] 41 [02: 17.4] 42 [02: 20.0] LUISA [v] h [ ] OrthoFS4 [v] MIKE [v] te he o p efe e] te p en OrthoFS1 [v] ? Abb. 163: Auszug aus dem Transkript UBK3Su3, Anhang III.IV.VII Armin und Peter wechseln ebenfalls die Sprache, wenn sie eine Antwort nicht eindeutig wissen. Wenn sie sich darüber austauschen, wo der grösste unterirdische See Europas liegt, antwortet Armin zuerst auf Französisch (Abb. 164, Z. 2), dann korrigiert er sich auf Mundart und gibt eine andere Lösung an. Peter gibt ebenfalls auf Mundart Antworten (ebd., Z. 1 - 2) und fragt schliesslich auf Mundart nach, ob Armin die Antwort kenne. Die Interaktion geht über die Sequenz Frage-Antwort-Bestätigung hinaus, da mehrere Antworten in Betracht gezogen werden. Dafür verlassen die beiden Schüler die Zielsprache: 450 6 Ergebnispräsentation: Themenperspektive [1] 0 [00: 00.0] 1 [00: 09.7] 2 [00: 15.7] ARMIN [v] (Installation der Technik) [u s t uv l ply g lak sute. . dœ op.] OrthoFS3 [v] Où se trouve le plus grand lac souterrain d'Europe? PETER [v] ir [2] . . 3 [00: 19.2] 4 [00: 23.3] 5 [00: 25.7] 6 [00: 27.0] ARMIN [v] [ pœ a s: e.leo.na ? ] Ah nei [a ij ] Das hei mir doch OrthoFS3 [v] Peut-être à Saint Léonard? A Chillon. PETER [v] Sahara (lacht) Weisch es? Abb. 164: Auszug aus dem Transkript UCK1Su2a, Anhang III.IV.VIII Auch Rebekka und Sylvia kennen bei Aufgabe A (Quiz) die korrekte Antwort nicht, nämlich ob das grösste Meerestier le dauphin, la tortue oder la baleine sei. Bevor sie die korrekte Antwort finden, müssen sie ein sprachliches Problem lösen: Sie kennen zwar die Bedeutung von dauphin und tortue, aber nicht von baleine. Rebekka leitet ab, dass baleine wohl Wal heissen muss. Die Einstiegsfrage (Abb. 165, Z. 22) und deren abschliessende Beantwortung (ebd., Z. 25) erfolgen in der Zielsprache; bei der Entschlüsselung, die dazwischen liegt, erfolgt der Informationsaustausch auf Mundart: 6 Ergebnispräsentation: Themenperspektive 451 [22] 69 [05: 04.4] 70 [05: 07.5] 71 [05: 08.7]72 [05: 09.8] 73 [05: 11.2] REBEKKA [v] [k l l plu g animal ma .] was? OrthoFS1 [v] Quel est le plus grand animal marin? SYLVIA [v] [d m ] [d ma ] auso was chönnt OrthoFS2 [v] de mer de marin [23] . . 74 [05: 12.7] 75 [05: 16.5] SYLVIA [v] das si [l tof la to tu la balejne] aso [l tof ] isch dr deudouphin und [la OrthoFS2 [v] le dauphin, la tortue, la baleine le dauphin, la tortue, la baleine [24] . . 76 [05: 24.6] 77 [05: 26.0] REBEKKA [v] äuä wal SYLVIA [v] to tu] isch d schiudkrot und [la balejne] weiss i nid was es isch auso chum OrthoFS2 [v] la baleine [25] . . 78 [05: 28.0] 79 [05: 32.3] SYLVIA [v] de tüe mir [la balejne] [ s la balejne.] (lacht) (4) auso mir chöi jo no eis löse OrthoFS2 [v] Est-ce la baleine? Abb. 165: Auszug aus dem Transkript UAK1Su1b, Anhang III.IV.I Rebekka und Sylvia liefern häufig die französische Antwort nach, obschon sie die Lösung bereits gefunden und auf Deutsch ausgetauscht haben. Dies erinnert an das Erfüllen der Vorgaben in der Schulsituation und weniger an eine authentische Interaktion: Rebekka [04: 32] Levi Strauss. Sylvia [04: 34] Jo. Ja. Rebekka [04: 35] dr satz no Den Satz noch. Sylvia [04: 37] C ’ est peut-être Levi Strauss? (Auszug 151 aus dem Transkript UAK1Su1b, Anhang III.IV.I) Sybille macht dasselbe, indem sie den französischen Antwortsatz nachliefert, obschon sie die Lösung bereits gefunden und in einem Ein-Wort-Satz formuliert hat (vgl. Abb. 166): 452 6 Ergebnispräsentation: Themenperspektive [5] . . 13 [03: 15.4] SYBILLE [v] Nicole gerade ist, notiert Antworten auf die Fragen ins magazine ) [ki a v OrthoFS1 [v] Fragen ins magazine) Qui a inventé le [6] . . 14 [03: 20.7] 15 [03: 24.4] SYBILLE [v] levi straus] (schreibt Lösung ins magazine ) [se pœt t levi s(.)t(.) (1)aus] OrthoFS1 [v] jean? Levi Strauss C'est peut-être Levi Strauss. NICOLE [v] (schreibt Lösung ins magazine ) Abb. 166: Auszug aus dem Transkript UAK4Su1, Anhang III.IV.IV In diesen erweiterten Sequenzen ginge es um eine authentische Interaktion, wie sie im Lehrwerk „ Mille feuilles “ (Ganguillet et al. 2014a) definiert ist: Sylvia und Rebekka verhandeln über eine korrekte Antwort, die sie nicht kennen. Manchmal handelt es sich dabei um längere Sequenzen, da sich eine (echte) Wissensfrage nicht immer mit einer Paarsequenz abschliessen lässt. Doch sobald die Fokuslernenden diesen „ geschützten “ Rahmen verlassen, wechseln sie die Sprache. Mögliche Gründe dafür sind: • den Fokuslernenden fehlt es an savoir und savoir-faire (deklaratives und prozedurales Wissen), um den gesamten Entschlüsselungsprozess in der Zielsprache durchzuführen, • die Fokuslernenden wechseln die Sprache eher unbewusst und sie denken nicht an potentielle (verpasste) Lernprozesse, es fehlt ihnen an savoirapprendre (Lernfähigkeit), • Die Fokuslernenden merken zwar, dass sie die Sprache wechseln und sie würden auch über die nötigen sprachlichen Mittel verfügen, aber es fehlt ihnen an savoir-être (Einstellung, Motivation). Um das deklarative und prozedurale Wissen zu fördern, braucht es einen konsequenten Aufbau der Klassenzimmersprache mit entsprechenden Übungsanlagen. Mit kurzen, formelhaften Ausdrücken, die den Lernenden bekannt sind, könnten solche Situationen in der Zielsprache umgesetzt werden, auch wenn es ein hoher Anspruch an Schülerinnen und Schüler des A-Niveaus ist, gleichzeitig im Leseverstehen und in der mündlichen Interaktion tätig zu sein. Die Tabelle 90 verdeutlicht am Auszug von Rebekka und Sylvia (vgl. Abb. 165), wie (Schweizer-)deutsche Ausdrücke durch mögliche Alternativen in der Zielsprache ersetzt werden könnten: 6 Ergebnispräsentation: Themenperspektive 453 Deutsche Ausdrücke im Auszug aus dem Transkript UAK1Su1b, Anhang III.IV.I (Abb. 163) Mögliche Alternativen in der Zielsprache Was? Quoi? Also Alors Was könnte das sein? Qu ’ est-ce que c ’ est ? Qu ’ est-ce que ça veut dire ? Le dauphin ist der Delfin Le dauphin, c ’ est „ Delfin “ en allemand. La tortue ist die Schildkröte La tortue, c ’ est „ Schildkröte “ en allemand. La baleine weiss ich nicht, was das ist. La baleine - je ne sais pas. Wahrscheinlich Walfisch. C ’ est sûrement „ Wal “ . Also komm, dann nehmen wir „ la baleine “ . Ok, on prend „ la baleine “ . Tab. 90: Mögliche Alternativen zu Ausdrücken in der Schulsprache Die identifizierten Situationen, in denen ein Wechsel zur Schulsprache resp. zur Schweizer Mundart stattfindet, erinnern an die Sprechaufgaben mit natürlichen Elementen eines Gesprächs, die Kurtz (2001) skizziert: eigene Fragen stellen, das Gegenüber zu etwas auffordern, etwas wünschen, die eigene Meinung sagen, diskutieren, zustimmen, Missfallen äussern, staunen usw. Was für Englisch auf der Sekundarstufe I von den Schülerinnen und Schülern improvisiert werden kann, will für Französisch auf der Primarstufe vorbereitet oder unterstützt sein. Es wäre nötig, die Klassenzimmersprache entsprechend auszuweiten, damit die Lernenden auch in diesen Situationen die Kommunikation in der Zielsprache aufrechterhalten können. Um die Lernfähigkeit der Schülerinnen und Schüler zu stärken, braucht es ausserdem eine Sensibilisierung dafür, wie und wann sie das interaktive Sprechen üben können. Es kann sein, dass sie die Sprachwechsel unbewusst vollziehen und gar nicht merken, in welchen Momenten sie zur Schulsprache switchen. Allerdings deutet das Flüstern der Fokuslernenden darauf hin, dass sie den Sprachenwechsel durchaus wahrnehmen und zu kaschieren versuchen (vgl. Abb. 151 und 152). Den Lernenden muss auch bewusst sein, dass sie bei der Arbeit in Kleingruppen selbst für ihre Fortschritte verantwortlich sind. Das Lernenwollen setzt eine Einstellung zum Lernen voraus, die von der Motivation für die Fremdsprache abhängt. 454 6 Ergebnispräsentation: Themenperspektive 6.4.4 Verwendung von Kompensationsstrategien Die Fokuslernenden verwenden wenig Kompensationsstrategien, mit Ausnahme des code-switching. Gestik und Mimik verwenden sie nur dann, wenn sie auf eine Stelle im Lehrwerk zeigen. Erklären lässt sich dies durch den gegebenen Kontext: Die Lernenden haben dieselbe Schulsprache, wodurch ein Rückgriff auf die Ausgangssprache naheliegender erscheint als die nonverbale Kompensation. Wiederholungen setzen sie so gut wie keine ein (vgl. Anhang II. VII). Bei Wiederholungen sollte dieselbe Aussage idealerweise in modifizierter Form wiederholt werden, was ein sprachliches Können voraussetzt, worüber die Fokusschülerinnen und -schüler auf Anfangsniveau noch kaum verfügen. Im Gegensatz zum Austausch mit einem kompetenten Sprecher oder einer kompetenten Sprecherin sind deshalb auch Wiederholungen im gegebenen Setting weniger naheliegend. Den Lernenden scheint nicht bewusst zu sein, dass sie mit dem Einsatz anderer Kompensationsstrategien vermehrt in der Zielsprache bleiben könnten als mit dem code-switching. In den Klassen West (K2) und Amrein (K3) verwenden die Fokuslernenden das code-switching häufig, im Gegensatz zu den Schülerinnen und Schülern der Klassen Längmatt (K1) und Hoger (K4). Dies liegt vermutlich einerseits am mehrsprachigen Hintergrund der Schülerinnen und Schüler, den die Fokuslernenden der Klassen West und Amrein im Gegensatz zur Klasse Längmatt mitbringen. Die Kinder sind es offensichtlich von zuhause aus gewohnt, von einer Sprache zur anderen zu wechseln. Andererseits liegt es auch am Übungsformat: Die Lernenden verwenden code-switching am häufigsten bei der Arbeit in Kleingruppen, die in der Klasse Hoger (K4) am wenigsten oft stattfindet. 6.4.5 Kontrolle und Reparaturen Keine der vier Lehrpersonen gibt den Schülerinnen und Schülern explizit den Auftrag, sich bei der Arbeit in Kleingruppen gegenseitig zu korrigieren. Dennoch korrigieren sich die mittelmässigen bis leistungsstarken Fokuslernenden aller vier Klassen überaus erfolgreich bei der Arbeit in Kleingruppen. Im GER Begleitband (Europarat 2020: 86) liegen für die Strategie „ Kontrolle und Reparaturen “ für die Niveaus A1 bis A2 noch keine Kann-Beschreibungen vor, doch die Fokusschülerinnen und -schüler erreichen teilweise bereits das im GER als B1 ausgewiesene Niveau, was zeigt, dass diese Strategie in der Praxis auch auf A-Niveau zum Einsatz kommt. 60 Korrekturen werden durch folgende Probleme ausgelöst: 60 Aufgrund des Forschungsergebnisses könnte man neu prüfen, ob im GER (Europarat 2001) / GER Begleitband (Europarat 2020) für die Niveaus Pre-A1, A1 und A2 des Bereichs 6 Ergebnispräsentation: Themenperspektive 455 • Klären eines inhaltlichen Missverständnisses • Korrigieren eines sprachlichen Fehlers, in erster Linie Aussprachefehler Grundsätzlich korrigieren und reparieren die Fokuslernenden eine Äusserung dann, wenn der Inhalt missverständlich ist. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn ein Ortsname mit einem Fussballspieler verwechselt wird (Bale - Bâle, vgl. Auszug 32), wenn anstelle von Stiefel (botte) Schachtel (boîte) verstanden wird (vgl. Abb. 98) oder wenn die Bedeutung von maïs (Mais) durch die Verwendung ähnlicher Ausdrücke wie mais oder mains unklar wird (vgl. Auszug 99). Korrekturen werden auch angebracht, wenn ein sprachlicher Fehler vorliegt, der dem Niveau Pre-A1 oder A1 entspricht, wobei es sich v. a. um Aussprachefehler handelt. Wird der Ausdruck au revoir fehlerhaft ausgesprochen, so korrigieren dies die Lernpartnerinnen und Lernpartner (vgl. Auszug 14 oder Auszug 26). Sie korrigieren auch die fehlerhafte Aussprache von Schlusskonsonanten (z. B. alphabet, vgl. Auszug 100 oder manger, vgl. Auszug 98). Am häufigsten korrigieren sich die Fokusschülerinnen und -schüler mittels eines recast, gefolgt von der explicit correction. Das metalinguistic feedback findet in zwei Klassen Verwendung, die clarification request in einer Klasse (vgl. Tab. 91): Reparaturformen nach Lyster/ Ranta 1997 recast explicit correction metalinguistic feedback clarification requests Klasse Längmatt x x x Klasse West x x x Klasse Amrein x x x Klasse Hoger x Tab. 91: Verwendete Reparaturformen in allen vier Klassen Der recast wird zwar am häufigsten verwendet, doch er mündet nicht immer in einer Selbstkorrektur. Beispielsweise korrigieren sowohl Sylvia wie auch Peter die fehlerhafte Aussprache von au revoir mittels eines recast. Während Armin die Korrektur als solche wahrnimmt und den Ausdruck mit korrigierter Aussprache wiederholt, sagt Rebekka den Ausdruck ein weiteres Mal mit „ Kontrolle und Reparaturen “ ebenfalls Kann-Beschreibungen formuliert werden müssten. Aus den empirischen Ergebnissen aus dem Dissertationsprojekt liessen sich zusätzliche Kann-Beschreibungen ableiten (vgl. Lovey 2022: 159 - 160). 456 6 Ergebnispräsentation: Themenperspektive fehlerhafter Aussprache (vgl. Auszug 14 oder Auszug 26). Mike verwendet durchgehend die Reparaturform des recast, um Fred oder andere Mitschülerinnen und Mitschüler zu korrigieren und er ist erfolgreich damit (vgl. z. B. Auszug 98), während Luisa die Aussprache von Florian mittels eines recast korrigiert und damit keinen Erfolg hat (vgl. Auszug 100). Nicole und Ursula sind beide erfolgreich mit recasts (vgl. Auszüge 123 und 124). Lyster und Ranta (1997: 47) unterscheiden zwischen impliziten (recast) und expliziten Korrekturformen (explicit correction / metalinguistic feedback / clarification request). Recasts sind grundsätzlich implizite Korrekturen, da sie nicht durch Satzanfänge wie You mean … , Use this word: , oder You should say: eingeführt werden (ebd.). Bei Interaktionen zwischen Lernenden wirkt eine recast-Korrektur jedoch bereits wie eine explizite Korrektur, da sie zu einem inhaltlichen Bruch in der Progression der Interaktion führt, in der es sonst keine Wiederholungen zwecks sprachlicher Korrekturen gibt. Dies illustriert das Beispiel aus Aufgabe A (Quiz) der Fokusschülerinnen Rebekka und Sylvia, bei dem es um die korrekte Verwendung des chunks Je pense que c ’ est … geht (vgl. Abb. 167): 6 Ergebnispräsentation: Themenperspektive 457 [5] . . 15 [01: 15.9] 16 [01: 21.2] 17 [01: 27.0] REBEKKA [v] (2) öhm [ p ] (2) [k l OrthoFS1 [v] Quel SYLVIA [v] s g (2) [wi.] OrthoFS2 [v] - ? Oui. [6] . . 18 [01: 37.9]19 [01: 41.8] REBEKKA [v] mu v ] OrthoFS1 [v] ? SYLVIA [v] (4) ehm ehm [ p OrthoFS2 [v] Je - [7] 20 [01: 48.3] 21 [01: 50.3] 22 [01: 54.5] 23 [01: 56.3] REBEKKA [v] [wi se yst.] OrthoFS1 [v] . SYLVIA [v] e g [k l OrthoFS2 [v] [8] . . 24 [02: 00.6] 25 [02: 07.9] REBEKKA [v] (2) öhm [ ] OrthoFS1 [v] SYLVIA [v] m dy m d.] sy l OrthoFS2 [v] ? [9] . . 26 [02: 13.8] 27 [02: 21.7] REBEKKA [v] p OrthoFS1 [v] SYLVIA [v] lyn : : ] [dis: : : ] eh nei [mil n ] OrthoFS2 [v] lune en... 1969? [ … ] 458 6 Ergebnispräsentation: Themenperspektive [40] . . 118 [08: 30.7] 119 [08: 32.3] REBEKKA [v] [komo di ] "Auf Wiedersehen" ja aber mir müesse s glich mache OrthoFS1 [v] SYLVIA [v] das hei mir jo scho ah. oh [kom di ] auf Wiedersehen [ OrthoFS2 [v] Comment dit-on "auf Wiedersehen" en français [41] 120 [08: 37.8] 121 [08: 40.5] 122 [08: 41.4] 123 [08: 45.8] REBEKKA [v] [ p z kø] [au vua ] [au revuar] (schreibt ab) OrthoFS1 [v] *Je pense que au revoir. Au revoir SYLVIA [v] [se pøt ] [ p OrthoFS2 [v] C'est peut-être Je pense que c'est au revoir. [42] 124 [08: 49.8] 125 [08: 54.6] 126 [08: 56.6]127 [08: 57.5] 128 [09: 00.0] REBEKKA [v] das isch s SYLVIA [v] also (lacht) also das cha ni no nid das (zeigt darauf) Quiz drü. [43] . . 129 [09: 01.5] 130 [09: 05.4] REBEKKA [v] schwierigste SYLVIA [v] mou dr [pie ] das hei mir jo scho. Auso. [a k l p en OrthoFS2 [v] Pierre. A quel prénom français [44] . . 131 [09: 10.8] 132 [09: 13.7] REBEKKA [v] [ p OrthoFS1 [v] Je pense que c'est Pierre. SYLVIA [v] l p en itali [wui (1) p z kø] auch OrthoFS2 [v] correspond le prénom italien Pietro Oui. Je pense que auch Abb. 167: Auszug aus dem Transkript UAK1Su1b, Anhang III.IV.I Rebekka und Sylvia verwenden bei der Bearbeitung von Aufgabe A (Quiz) für den Antwortsatz sehr häufig den Satzanfang Je pense que c ’ est … (vgl. Abb. 167). Der chunk wird jedoch zu Beginn der Interaktion von Rebekka fehlerhaft verwendet. Rebekka sagt *Je pense que à Rome (Transkript UAK1Su1b, Anhang III.IV.I: Z. 5) und vergisst den Teil c ’ est. Daraufhin verwendet Sylvia den chunk korrekt und sagt Je pense que c ’ est la chauve-souris (ebd.: Z. 6). Auch wenn Rebekka nun die korrekte Verwendung gehört hat, sagt sie bei den zwei nächsten Antwortsätzen wieder *Je pense que Mount Everest (ebd.: Z. 7) und *Je pense que Neil Armstrong (ebd.: Z. 9), ohne dass Sylvia sie dabei korrigiert. Danach (ebd. Z. 10 - 39) verwenden die beiden Schülerinnen einen anderen chunk für ihre Antwortsätze, aber als Rebekka gegen Ende der Interaktion wieder auf Je pense que c ’ est … zurückgreift und den chunk fehlerhaft verwendet (*Je pense que au revoir, ebd. Z. 41), wird sie von Sylvia mittels eines 6 Ergebnispräsentation: Themenperspektive 459 recasts korrigiert. Syliva wiederholt den ganzen Satz und sagt Je pense que c ’ est au revoir (ebd. Z. 41). Beim nächsten Antwortsatz (ebd.: Z. 44) verwendet Rebekka den chunk korrekt und sagt Je pense que c ’ est Pierre. Rebekka ist nicht fähig, die korrekte Form des chunks herauszuhören und auf eigene Sätze zu übertragen, solange Sylvia ihn in anderen Sätzen verwendet. Doch sobald Sylvia den Satz von Rebekka in einem recast wiederholt und dabei den chunk korrekt verwendet, gelingt Rebekka der Transfer auf ihren nächsten Antwortsatz. Sylvia verlässt also den laufenden Gesprächsstrang und eröffnet eine Nebensequenz, weshalb hier die Form des recast als explizite Feedbackform erscheint, denn sie ermöglicht den direkten Vergleich des fehlerhaften Satzes mit der korrigierten Form, die Rebekka für die nachfolgende Selbstkorrektur vermutlich benötigt. Das vorherige Beispiel zeigt, dass explizite Korrektur aus lerntheoretischer Perspektive auch bei Lernenden untereinander effizienter ist als implizite Korrektur. Allerdings sollten implicit correction (recast) und explicit correction insbesondere bei Interaktionen zwischen peers als ein Kontinuum und nicht als Gegensätze betrachtet werden. Die Fokuslernenden wenden die Strategie „ Kontrolle und Reparaturen “ zwar oft und zielführend an, doch es kommt auch vor, dass sich die Schülerinnen und Schüler nicht korrigieren. Die Korrektur bleibt aus folgenden Gründen aus: • Unkenntnis der korrekten Form • kein inhaltliches Missverständnis • kein gegenseitiges Verständnis nötig Es kommt vor, dass eine Korrektur ausbleibt, weil der/ die Interaktionspartner/ in die korrekte Form selbst nicht kennt. Schliesslich handelt es sich um mehr oder weniger gleich kompetente Sprechende. Beispielsweise verstehen Ursula und Lynn bei der Bearbeitung von Aufgabe A (Quiz) den Ausdruck chauvesouris nicht und sprechen ihn fehlerhaft aus: Lynn sagt [au] anstelle von [o] (Abb. 168, Z. 20). Ursula versucht ebenfalls, chauve-souris auszusprechen, wobei sie jeweils [au] anstelle von [o] und [u] sagt (ebd., Z. 21). Lynn korrigiert den zweiten Wortteil und hilft ihr beim Verstehen von chauve-souris, indem sie darauf hinweist, dass souris „ die Maus “ heisse (ebd., Z. 21). Allerdings korrigiert sie die fehlerhafte Aussprache von „ au “ im ersten Wortteil nicht. Ursula beschliesst daraufhin, den Ausdruck phonetisch als [chaufesouris] auszusprechen (ebd., Z. 26): 460 6 Ergebnispräsentation: Themenperspektive [20] . . 51 [05: 57.8]52 [06: 04.0] 53 [06: 17.9] 54 [06: 31.0] URSULA [v] ah. (3) nei: : : (Gelächter) LYNN [v] [diskyte] [us] ähm [us] (unverständlich) [la au auve] OrthoFS3 [v] discuter la chauve-souris [21] 55 [06: 35.6] 56 [06: 39.0] 57 [06: 46.5] 58 [06: 54.0] URSULA [v] [la aufe (1) sau is] wart schnäu [la aufe (3)] OrthoFS4 [v] la chauve-souris LYNN [v] hä? ah [su i] heisst Maus (4) ah genau OrthoFS3 [v] souris […] [26] . . 68 [07: 47.4] 69 [07: 55.0] URSULA [v] [ c h a u f e s o u r i s ] ( 2 ) Welches ist der höchste Berg der Welt? OrthoFS4 [v] chauve-souris LYNN [v] Lueg. Abb. 168: Auszug aus dem Transkript UAK4Su2, Anhang III.IV.IV Rebekka spricht bei der Bearbeitung von Aufgabe C (Questions) den Ausdruck dinosaures fehlerhaft aus und sagt ebenfalls [au] anstelle von [o] (Abb. 169, Z. 4). Sylvia korrigiert sie nicht, da sie in derselben Sequenz dinosaures ebenfalls fehlerhaft ausspricht (ebd., Z. 15): [4] . . 6 [00: 40.3] 7 [00: 42.3] REBEKKA [v] ap te d dinozau pœ pœ wa a ko t ] [ko t du] OrthoFS1 [v] empreintes de dinosaures peut-on voir à Courtedoux? Courtedoux SYLVIA [v] [ko t du] OrthoFS2 [v] Courtedoux […] [15] . . 37 [03: 16.2] 38 [03: 23.1] REBEKKA [v] [k bi d (1) p (3) OrthoFS1 [v] Combien d'empreintes SYLVIA [v] ehm ehm [k bi d em emp te: d dinozau ie: OrthoFS2 [v] du Sud Combien d'empreintes de dinosaures Abb. 169: Auszug aus dem Transkript UCK1Su1a, Anhang III.IV.VIII 6 Ergebnispräsentation: Themenperspektive 461 In der Klasse Amrein bleibt der Aussprachefehler von Luisa unbemerkt, wenn sie bei der Bearbeitung von Aufgabe B (Questionnaire) in jeder Runde monter à cheval mit *montrer à cheval verwechselt. Sie wird dabei von niemandem korrigiert, was vermutlich auf die Unkenntnis der korrekten Form (monter vs. montrer) zurückzuführen ist (vgl. Transkripte UBK3Su1, UBK3Su2 und UBK3Su3, Anhang III.IV.VII). Armin aus der Klasse Längmatt macht denselben Fehler (vgl. Transkript UBK1Su2, Anhang III.IV.V) und wird auch nicht korrigiert. Auch die Aussprache von maïs bereitet den meisten Fokuslernenden Schwierigkeiten. Die mittelmässigen Fokuslernenden der Klasse Amrein sprechen maïs als mains oder mais aus (vgl. Auszug 99) und die leistungsstarken Fokusschüler Mike und Fred sprechen maïs ebenfalls als mais aus: Mike [00: 04] [avek k ɛ l se ʁ eal fe ɔ ̃ fet ɔ ̃ dy popko ʁ n] Avec quelle céréale *fait on, fait-on du pop-corn? Fred [00: 10] [avek dy m ɛː ] Avec du *mais (meint maïs) (Auszug 152 aus dem Transkript UAK3Su1, Anhang III.IV.III) Die unterschiedliche Aussprache von préfères und préféré/ e-s sorgt ebenfalls bei vielen Fokuslernenden für Ausspracheprobleme. Die gegenseitige Korrektur kann beispielsweise zwischen Luisa und Elena nicht stattfinden, weil beide das gleiche Problem haben und teilweise fehlerhafte Formen voneinander übernehmen: Luisa [00: 41] [kel waso pe ʁ fe ty] Quel oiseau *perfé (für préfères) -tu ? [ … ] Elena [01: 49] [kel e ta kul œʁ pe ʁ fete] Quelle est ta couleur *perfété (für préférée) ? [ … ] Elena [02: 04] [kel waso pe ʁ fe ty] Quel oiseau *perfé (für préfères) -tu ? (Auszug 153 aus dem Transkript UBK3Su3, Anhang III.IV.VII) Hier bewährt sich der mehrfache Wechsel der Lernpartnerinnen und Lernpartner, weil Mike die korrekte Form kennt und Luisa entsprechend korrigieren kann (vgl. Auszug 104). Wenn kein inhaltliches Missverständnis durch einen Fehler entsteht, bleiben Korrekturen ebenfalls aus, damit die Progression der Interaktion nicht beeinträchtigt wird. Zum Beispiel korrigiert Ursula ihre Lernpartnerin Lynn nicht, wenn sie bei einer Frage von Aufgabe A (Quiz) ein fehlerhaftes Partizip verwendet. Durch die Verwechslung des Partizips mit der Präsensform ent- 462 6 Ergebnispräsentation: Themenperspektive steht kein inhaltliches Missverständnis, denn die Hauptaussage der Frage, nämlich wer als erster Mensch auf dem Mond war, bleibt erhalten: Lynn [08.44] [ki a ma ʁʃ sy ʁ la lyn] Qui a *marche (anstelle von marché) sur la lune? Ursula [08 : 48] kei ahnig Keine Ahnung. Lynn [08: 49] Armstrong. Ursula [08: 51] aha (Auszug 154 aus dem Transkript UAK4Su2, Anhang III.IV.IV) Die gleiche Situation erleben auch Rebekka und Sylvia: Rebekka korrigiert Sylvia nicht, wenn sie anstelle der Partizipform [ma ʁʃ e] das Präsens [ma ʁʃ ] verwendet: Sylvia [02: 07] [ki ma ʁʃ sy ʁ la lyn ɑ ̃ : : dis: : : ] eh nei [mil n ə f s ɑ ̃ swas ɑ ̃ dn ə f] Qui *marche (anstelle von a marché) sur la lune en 1969? (Auszug 155 aus dem Transkript UAK1Su1b, Anhang III.IV.I) Inhaltliche Missverständnisse werden manchmal durch schriftliche Vorlagen vermieden, so dass keine Korrektur notwendig ist: Sylvia unterlässt es, ihre Interaktionspartnerin Rebekka zu korrigieren, wenn sie bei der Frage Quel objet sert à couper les cheveux? den Ausdruck cheveux (Haare) als chevaux (Pferde) ausspricht (Abb. 170, Z. 16) Dank der gemeinsamen schriftlichen Vorlage funktioniert die Kommunikation trotz der inhaltlichen Verschiebung. Allerdings versteht Rebekka die Antwort von Sylvia nicht und fragt nach (ebd., Z. 17). Es kann sein, dass Rebekka durch ihre fehlerhafte Aussprache von cheveux in einem anderen semantischen Feld nach einer Antwort sucht und eine Korrektur von Sylvia hilfreich gewesen wäre. Rebekka unterbricht im Anschluss an dieses Missverständnis Sylvia und es vergehen 21 Sekunden bis zur nächsten Sequenz: 6 Ergebnispräsentation: Themenperspektive 463 [16] . . 47 [03: 31.548 [03: 34.2] 49 [03: 41.0] REBEKKA [v] ehm u närä [k l ob se a kupe le vo.] OrthoFS1 [v] Quel objet sert à couper les cheveux? SYLVIA [v] Pult) ehm: : [se p t l mpw ] OrthoFS2 [v] C'est peut-être le shampoing. [17] 50 [03: 45.3] 51 [03: 48.7] 52 [03: 50.7] REBEKKA [v] was isch (zeigt auf "le shampoing" im magazine) SYLVIA [v] ja [l [ki a v OrthoFS2 [v] le shampoing Qui a inventé le [18] . .53 [03: 53.1] 54 [03: 555 [04: 15.0] 56 [04: 20.4] 57 [04: 22.4] REBEKKA [v] wart wart kurz (21) weles SYLVIA [v] [ ] [ki a v .] oder so öpis ähnlechs OrthoFS2 [v] je Qui a inventé le jeans? Abb. 170: Auszug aus dem Transkript UAK1Su1b, Anhang III.IV.I Anna korrigiert die fehlerhafte Aussprache von Mehmet bei qui oder quel-le-s als [kui] oder [kuel] nicht, da sie seine Fragen trotzdem versteht und sich keine inhaltlichen Missverständnisse daraus ergeben (vgl. Auszug 68). Es kann auch sein, dass es ihr gar nicht auffällt; jedenfalls hält sie es nicht für nötig, Mehmet zu einer Selbstkorrektur zu verhelfen, auch wenn ihre eigene Aussprache von qu als [k] stets korrekt ausfällt. Die Reparatur, beispielsweise durch eine repetition, bleibt aus. Aus Sicht der Gesprächsführung bewährt sich das Handeln von Anna und ihr Ausbleiben der Korrektur, denn „ die Fehler gefährden die Verständlichkeit der Äußerung nicht und damit auch nicht die Progression des Gesprächs “ (Bauer 2020: 334). Aus lerntheoretischer Sicht muss jedoch angemerkt werden, dass das Ausbleiben der Korrektur nicht lernförderlich ist. Es ist vorstellbar, dass Mehmet seinen Aussprachefehler hätte bemerken können, wenn Anna eine korrektive Rückkopplung in Form einer expliziten Korrektur angebracht hätte. Anna nimmt hier zwar die Rolle der Gesprächspartnerin wahr, indem sie kontrolliert, ob die Quizfragen inhaltlich korrekt beantwortet werden, aber sie sieht ihre Rolle nicht darin, dass sie die Sprechkompetenz ihres Gegenübers korrigieren resp. fördern müsste. Korrekturen können auch ausbleiben, wenn das Gesagte vom Lernpartner/ von der Lernpartnerin gar nicht verstanden werden muss. Dies ist in Interaktionen der Fall, in denen die Fokusschülerinnen und -schüler die Fragen selbst beantworten. Bei der Bearbeitung von Aufgabe A (Quiz) korrigiert 464 6 Ergebnispräsentation: Themenperspektive Nicole ihre Lernpartnerin Sybille nicht, wenn sie die Frage A quel prénom français correspond le prénom italien Pietro? fehlerhaft ausspricht (vgl. Auszug 156). Die sprachliche Korrektur ist zum gegenseitigen Verständnis auch nicht nötig, da Sybille die Antwort selbst gibt: Sybille [08: 24] [a kel p ʁ en ɔ ̃ f ʁɑ ̃ s ati a pi ɛ ] [a pi ɛʁ ] A quel prénom *France *ati (? ) à Pie? A Pierre. (Auszug 156 aus dem Transkript UAK4Su1, Anhang III.IV.IV) Bei der Bearbeitung von Aufgabe A (Quiz) korrigiert Armin seinen Lernpartner Peter aus demselben Grund nicht, wenn er oiseau fehlerhaft ausspricht (Abb. 171, Z. 5): Peter gibt die Antwort selbst und Armin bestätigt lediglich mit oui: [4] . . 14 [02: 13.2] 15 [02: 16.8]16 [02: 23.0] ARMIN [v] deplase deplas: gondo: l.] [vœniz] (7) OrthoFS3 [v] peut-on se déplacer en gondole? Venise PETER [v] [van vœniz] [kel mamif nokty n vol kom OrthoFS4 [v] Venise Quel mammifère nocturne vole [5] . . 17 [02: 30.2] 18 [02: 32.2]19 [02: 34.2]20 [02: 43.1] ARMIN [v] [wui] (9) [a k l p en f s ko s (1) OrthoFS3 [v] Oui. A quel prénom français PETER [v] oswua.] [la ofsu i] OrthoFS4 [v] comme un oiseau? La chauve-souris. Abb. 171: Auszug aus dem Transkript UAK1Su2, Anhang III.IV.I In Bezug auf die Frage, „ wie deutlich ein Kommunikationsproblem sein muss, bevor mit der Reparatur begonnen wird “ (Europarat 2020: 86) zeigt die Analyse der Unterrichtsbeobachtungen mit Fokus auf die Lernenden, dass die Korrekturen hauptsächlich inhaltlich motiviert sind. Dieses Korrekturverhalten entspricht dem Reparaturverhalten der Schülerinnen und Schüler in Interaktionen in der L1, denn Reparatur wird grundsätzlich als Mittel zur Progression der Interaktion und der Aufrechterhaltung der Intersubjektivität eingesetzt. Es entspricht ausserdem der Faustregel, die man Fremdsprachenlehrpersonen für ihren Unterricht gibt (vgl. Thaler 2017b: 16): Für das Korrigieren in den sogenannten kommunikativen Phasen wird Lehrpersonen anempfohlen, diejenigen Fehler zu korrigieren, die zu Verständnisproblemen führen (vgl. Thaler 2014b: 16). Grundsätzlich gilt es, beim Bereich „ Kontrolle und Reparaturen “ den Kontext zu berücksichtigen und zwischen schulischen und ausserschulischen Situationen zu unterscheiden. In Alltagssituationen ausserhalb des 6 Ergebnispräsentation: Themenperspektive 465 Lehr-Lernkontexts sind fremdinitiierte Fremdkorrekturen „ ein Eingriff in den Redebeitrag und damit in den Handlungsraum des Sprechers “ (Bauer 2020: 373), „ stellen dessen Handlungshoheit in Frage “ (ebd.) und sie „ sind sozial dispräferiert, weil sie ein face-bedrohendes Potenzial haben “ (ebd.). Im schulischen Kontext und im Besonderen im Fremdsprachenunterricht sind fremdinitiierte Fremdkorrekturen weniger negativ konnotiert und werden von den Beteiligten als notwendiges Mittel zur Förderung der Sprachkompetenz angesehen. In Bezug auf die Effizienz der Korrekturen nach dem Verständnis von Lyster/ Ranta (1997) lässt sich aus den Unterrichtsbeobachtungen mit Fokus auf die Lernenden ableiten, dass sich die Effektivität der verschiedenen Feedback- Formen bei Interaktionen unter Lernenden ähnlich verhält wie bei Interaktionen zwischen der Lehrperson und einer Schülerin/ einem Schüler (vgl. Lyster/ Ranta 1997: 56). In einer Interaktion zwischen Lernenden kann bereits ein recast zu einer anschliessenden Selbstkorrektur führen, doch explizite Korrekturformen erscheinen zielführender. Dies legt nahe, dass die Kommunikationsstrategie „ Kontrolle und Reparaturen “ im Fremdsprachenunterricht thematisiert werden sollte, um bei den Schülerinnen und Schülern das Bewusstsein dafür zu stärken. In einem lernendenorientierten Unterricht sind sie mitverantwortlich für ihre eigenen Fortschritte und für die Fortschritte ihrer Mitschülerinnen und Mitschüler. Reparaturformate können nämlich auch eingesetzt werden, „ wenn Probleme des Sprechens, Hörens, Verstehens und der Gesprächsorganisation nicht gegeben sind und weder Intersubjektivität noch Progression gefährdet scheinen. Dann verwenden die Gesprächsbeteiligten Reparaturformate, um anderes (oder mehr) zu tun, als (nur) zu reparieren “ (Bauer 2020: 336). 6.4.6 Plurilinguales Sprechen In allen Klassen gibt es Fokuslernende, die ihr Repertoire an verschiedenen Sprachen aktivieren, um ihre Kommunikationsabsichten zu verwirklichen. In der Klasse Hoger gelingt dies nur der leistungsstarken Fokusschülerin Sybille. In den drei anderen Klassen kann plurilinguales Sprechen bei den leistungsschwachen bis zu den leistungsstarken Fokuslernenden ausgemacht werden. Dabei bringen die Fokusschülerinnen und -schüler im Kontakt mit einer anderen Sprache ausgewählte Merkmale dieser Sprache in die Interaktion in der Zielsprache ein (z. B. Aussprache der anderen Sprache für bestimmte Ausdrücke übernehmen, wenn diese andere Sprache Thema der Diskussion ist oder wenn ein Ausdruck aus einer anderen Sprache verwendet wird). Zwei leistungsstarken Fokusschülern (Adriano und Fred) gelingt es, im Kontakt mit einer anderen Sprache das Gespräch mit der Mitschülerin/ dem Mitschüler in 466 6 Ergebnispräsentation: Themenperspektive dieser anderen Sprache fortsetzen (z. B. Zielsprache wechseln, wenn über einen englischen Ausdruck diskutiert wird). Das plurilinguale Sprechen wird bei den Fokuslernenden durch verschiedene Ausdrücke ausgelöst: • beim Sprechen über Eigennamen aus anderen Sprachen • beim Verwenden von deutsch-französischen oder englisch-französischen Parallelwörtern Das Sprechen über Eigennamen aus anderen Sprachen löst bei vielen Fokusschülerinnen und -schülern plurilinguales Sprechen aus (vgl. Mount Everest: Auszüge 66, 67, 68 oder auch New York: Auszüge 113, 114, 115). Bei Levi Strauss spricht beispielsweise die Fokusschülerin Sylvia den Namen zunächst in Mundart aus und korrigiert ihn dann zur englischen Aussprache (vgl. Abb. 172). Vor der ersten Verwendung zögert sie zwei Sekunden, bei der zweiten nochmals eine weitere Sekunde. Es könnte sein, dass sich diese Verzögerung aufgrund der Sprachwechsel ergibt, weil sie ihren Satz in Französisch beginnt, dann auf Deutsch wechselt und schliesslich ins Englische switcht: [20] 60 [04: 30.9] 61 [04: 32.9] 62 [04: 34.3]63 [04: 35.8] 64 [04: 37.4] REBEKKA [v] [t jnz] würklech? Levi Strauss dr satz no OrthoFS1 [v] jeans SYLVIA [v] jo [s p t (2) levi traus (1) livæi OrthoFS2 [v] C'est peut-être Levi Strauss. [21] . . 65 [04: 44.7] 66 [04: 50.6] 67 [04: 59.1]68 [05: 02.6] REBEKKA [v] [k l l plu g animal (1) ma .] (unverständlich) (5) OrthoFS1 [v] Quel est le plus grand animal marin? SYLVIA [v] traus] (10) auso was jetzt mach jetzt OrthoFS2 [v] Abb. 172: Auszug aus dem Transkript UAK1Su1b, Anhang III.IV.I Es gibt auch Eigennamen, die nicht aus dem englischsprachigen Raum stammen, wie Japon oder Bâle, die die Lernenden jedoch ebenfalls an die englische Sprache erinnern und für die sie die englische Aussprache übernehmen. Sylvia spricht Japon zunächst Englisch aus, korrigiert die Aussprache dann ins Französische, wenn sie ihre Antwort in einen ganzen Antwortsatz integriert (vgl. Abb. 173): 6 Ergebnispräsentation: Themenperspektive 467 [10] . . 28 [02: 27.9]29 [02: 28.7] 30 [02: 33.8] REBEKKA [v] ] [k l la natsionalite d pokemon.] OrthoFS1 [v] Quelle est la nationalité des Pokémons? SYLVIA [v] [wi.] [t ap ] eh (1) [s p t OrthoFS2 [v] Oui. Japon. Cest peut-être le [11] . . 31 [02: 41.1] 32 [02: 45.6] 33 [02: 47.9] REBEKKA [v] (3) [wi] i ha das o OrthoFS1 [v] Oui. SYLVIA [v] l ap .] (lachend) [wi] i ha das o [u s t uv l ply g a epo OrthoFS2 [v] Japon. Oui. Où se trouve le plus grand Abb. 173: Auszug aus dem Transkript UAK1Su1b, Anhang III.IV.I Paul spricht Japon ebenfalls Englisch aus, nimmt jedoch keine Selbstkorrektur vor, obschon der Rest des Satzes Französisch ist (vgl. Abb. 174): [13] 19 [08: 18.0] PAUL [v] [u ] (2) hm. [k l la nu ity d pokemon. (.) p s k t apon? ] OrthoFS5[v] Ouais. Quelle est la nationalité (*nourriture) des Pokémons? *Je pense que est [14] . . 20 [08: 31.1]21 [08: 33.0] 22 [08: 34.9] 23 [08: 37.0] ERIKA [v] [wi.] das hani nid glöst (? ) OrthoFS6 [v] Oui. PAUL [v] das hesch no nid ja so schwierig [kom dit ] OrthoFS5[v] Japon. Comment dit-on "auf Abb. 174: Auszug aus dem Transkript UAK1Su3, Anhang III.IV.I Wenn die Fokusschülerinnen und -schüler deutsch-französische oder englischfranzösische Parallelwörter verwenden, kann ebenfalls ein Wechsel von Französisch zu Englisch stattfinden. Beispielsweise klingt rivière ähnlich wie river, das die Schülerinnen und Schüler offenbar schon vom Englischunterricht her kennen. Erika verwendet für Fluss die englische Entsprechung in einem französischen Satz (vgl. Abb. 175): 468 6 Ergebnispräsentation: Themenperspektive [1] 0 [00: 00.0] 1 [00: 22.8] 2 [00: 27.3] 3 [00: 29.3] PAUL [v] (mise en place) [kel e l ply p ti k OrthoFS5 [v] Quel est le plus petit canton de Suisse? ERIKA [v] [bale d vil] (3) [kel iv OrthoFS6 [v] Bâle-Ville Quelle rivière [2] . . 4 [00: 35.7] 5 [00: 37.7] PAUL [v] [la s n] [kel s le dœ l OrthoFS5 [v] la Seine Quelles sont les deux langues parlées au ERIKA [v] t ave s la vil d pa i] OrthoFS6 [v] traverse la ville de Paris? Abb. 175: Auszug aus dem Transkript UCK1Su3b, Anhang III.IV.VIII Peter spricht bei der Bearbeitung von Aufgabe A (Quiz) continent mit deutscher Aussprache aus, da er die Nasale nicht als solche ausspricht und auch die stumme Endung des Wortes ausspricht (Abb. 176, Z. 10). Armin gibt auf die Frage von Peter die deutsche Antwort „ Afrika “ (ebd., Z. 11). Peter wartet drei Sekunden und korrigiert dann die Antwort seines Interaktionspartners zum französischen l ’ Afrique (ebd.): [10] . . 38 [05: 24.1] 39 [05: 30.0] ARMIN [v] Kontinente) PETER [v] nei. wart i muess zerst d Frage läse [k l lœ ply g kontinent.] OrthoFS4 [v] Quel est le plus grand continent? [11] 40 [05: 33.5] 41 [05: 39.5] 42 [05: 43.9]43 [05: 49.1]44 [06: 41.5] ARMIN [v] [afrika] stoht das de da? (52) OrthoFS3 [v] *Afrika PETER [v] (3) [laf ik] jo hie oh (erfreut) [awek k l se eal fe popkorn OrthoFS4 [v] L'Afrique Avec quelle céréale fait-on du pop-corn? Abb. 176: Auszug aus dem Transkript UAK1Su2, Anhang III.IV.I Es besteht also ein gewisses Risiko des Code-shiftings, d. h. dass aufgrund der Aussprache eines Ausdrucks in einer anderen Sprache als Französisch die Interaktion ebenfalls in dieser anderen Sprache fortgesetzt wird. Grundsätzlich dient aber das Repertoire an verschiedenen Sprachen den Fokuslernenden dazu, sich besser zu verständigen. Sylvia bedient sich des deutschen Nomens „ Floristin “ , um bei Aufgabe E2 (Métiers) einen Beruf zu erraten (vgl. Abb. 177). 6 Ergebnispräsentation: Themenperspektive 469 Anstelle von fleuriste sagt sie *floriste, was von ihrem Interaktionspartner verstanden und für korrekt befunden wird: [15] . . 62 [05: 33.4] 63 [05: 38.9] 64 [05: 40.9] 65 [05: 52.0] SYLVIA [ p s ke ty e n OrthoFS2 [v] . S3 [v] yst] Ortho S3 [v] c'est juste. L1 [v] . une Abb. 177: Auszug aus dem Transkript UEK1Su1b, Anhang III.IV.XIV Paul verwendet für la tulipe bei der Bearbeitung von Aufgabe B (Questionnaire) den Ausdruck [tulpa], der eine Mischung aus der deutschen „ Tulpe “ und dem italienischen tulipano sein dürfte (vgl. Transkript UBK1Su4, Anhang III.IV.V). Florian sagt bei derselben Aufgabe für la tulipe ans Deutsche erinnernd la *toulpe (vgl. Transkript UAK3Su2, Anhang III.IV.III). Beide erreichen ihr Ziel und können sich, ausgehend von ihren mehrsprachigen Kenntnissen, mit dieser Wortneuschöpfung verständlich machen. Beim Vorlesen kann das plurilinguale Repertoire ebenfalls entweder unterstützend oder irritierend wirken: Bei Aufgabe A (Quiz) lesen die Fokusschülerinnen und -schüler einander die Frage Dans quelle ville peut-on se déplacer en gondole? vor. Armin spricht gondole Französisch aus (Abb. 178, Z. 4). Es ist unklar, ob er den Ausdruck versteht, aber die Antwort, die Peter und Armin auf die Frage geben, ist korrekt: [3] . . 8 [01: 18.8] 9 [01: 21.6] 10 [01: 22.3] 11 [01: 24.3]12 [01: 54.6]13 [01: 58.0] ARMIN [v] [au ewua ] [o wua ] (30) ok [d OrthoFS3 [v] ? . PETER [v] [o wua ] OrthoFS4 [v] . [4] . . 14 [02: 13.2] 15 [02: 16.8]16 [02: 23.0] ARMIN [v] (7) OrthoFS3 [v] - ? PETER [v] ] [ OrthoFS4 [v] Abb. 178: Auszug aus dem Transkript UAK1Su2, Anhang III.IV.I 470 6 Ergebnispräsentation: Themenperspektive Sylvia spricht gondole Italienisch aus (Abb. 179, Z. 5) Auch bei ihr kann nicht eindeutig gesagt werden, ob sie den Ausdruck so versteht, aber die Antwort, die Rebekka auf die Frage gibt, ist falsch. Dies könnte entweder am fehlenden Weltwissen oder am falschen Verständnis von gondole liegen: [4] . . 9 [00: 47.3] 10 [00: 50.4]11 [01: 03.1] 12 [01: 05.1] 13 [01: 07.8]14 [01: 08.2] REBEKKA [v] anta ktik.] (10) auso ehm ja OrthoFS1 [v] Antarctique. SYLVIA [v] (2) [wi.] söu i nomou läse? [d œ OrthoFS2 [v] Oui. ' [5] . . 15 [01: 15.9] 16 [01: 21.2] 17 [01: 27.0] REBEKKA [v] (2) öhm [ ] (2) [k l OrthoFS1 [v] Quel SYLVIA [v] s g ndole.] (2) [wi.] OrthoFS2 [v] - ? Oui. Abb. 179: Auszug aus dem Transkript UAK1Su1b, Anhang III.IV.I Paul spricht gondole wie „ die Gondel “ auf Deutsch aus, was zu einer Bedeutungsverschiebung führt (Abb. 180, Z. 7). Er versteht die Antwort nicht und kann die Frage nicht korrekt beantworten. Nach dem Zufallsprinzip gelangt er dann aber doch noch zur richtigen Antwort, die er allerdings ebenfalls so fehlerhaft ausspricht, dass wiederum nicht klar ist, ob er unter *Vensi tatsächlich Venedig versteht (ebd., Z. 8): [7] . . 14 [06: 49.4] ERIKA [v] OrthoFS6 [v] . PAUL [v] g OrthoFS5[v] - [8] . . 15 [07: 08.0] 16 [07: 19.9] ERIKA [v] OrthoFS6 [v] PAUL [v] s: ] OrthoFS5[v] Est- Abb. 180: Auszug aus dem Transkript UAK1Su3, Anhang III.IV.I 6 Ergebnispräsentation: Themenperspektive 471 Selbstverständlich sollte das Aktivieren des mehrsprachigen Repertoires nicht dazu führen, dass die Schülerinnen und Schüler im Französischunterricht alle anderen Sprachen verwenden, ausser Französisch selbst. Doch wäre es sinnvoll, den Lernenden vor Augen zu führen, dass ihnen die Kenntnisse in anderen Sprachen dazu verhelfen, einen Text besser zu verstehen (vgl. Sybille liest billets für [bilets] und versteht das Wort, Auszug 125), bestimmte Merkmale besser zu deuten (vgl. Karim kann nachvollziehen, dass im Japanischen wie im Arabischen nicht von links nach rechts gelesen wird) oder aufgrund von Sprachverwandtschaften mit neuen Ausdrücken zu experimentieren, die ihnen noch unbekannt sind (vgl. Sylvia erfindet *floriste für fleuriste). 6.4.7 Fördermassnahmen zum interaktiven Sprechen unter Lernenden Aus den Ergebnissen können folgende Fördermassnahmen abgeleitet werden: • Hilfestellungen (im Lehrwerk) erkennen: mit den Lernenden üben, die Hilfestellungen bei einer Aufgabe als solche wahrzunehmen und zu verwenden, ggf. gemeinsam mit den Schülerinnen und Schülern eine Hervorhebetechnik entwickeln, die sie im Vorfeld einer Aufgabenbearbeitung eigenständig anwenden können, • Sprachwechsel sichtbar machen: mittels Audio- oder Videoaufnahmen den Lernenden vor Augen führen, wann und warum sie die Zielsprache zugunsten der Schulsprache verlassen, damit sie ein Bewusstsein dafür entwickeln (savoir-apprendre fördern), • Einstellung zum Lernen verbessern: den Lernenden zeigen, welche Fortschritte sie erzielen, wenn sie die gesamte Interaktion in der Zielsprache umsetzen (am savoir-être arbeiten), • Redemittel für das Umsetzen der Interaktionsmomente in der Zielsprache zur Verfügung stellen: den Lernenden zeigen, wie sie Interaktionsmomente, für die sie normalerweise die Sprache wechseln (sich rückversichern, über eine Aussage staunen, eine weiterführende Frage stellen, Worterklärungen anbieten, Erläuterungen zu einer Antwort geben, eine Antwort nicht wissen oder eine korrekte Antwort aushandeln), mit einfachen und immer wiederkehrenden, kurzen, formelhaften Ausdrücken in der Zielsprache gestalten können (savoir und savoir-faire fördern), • Einsatz von Kompensationsstrategien üben: den Lernenden zeigen, wie sie mit dem Einsatz verschiedener Kompensationsstrategien vermehrt in der Zielsprache bleiben können (Gestik & Mimik, Kooperieren, Kontrolle & Reparaturen etc.), 472 6 Ergebnispräsentation: Themenperspektive • Verwendung von Aufgaben zur Förderung kooperativer Strategien: damit Strategien wie „ Kooperieren “ und „ Kontrolle und Reparaturen “ angewendet werden können, braucht es Arbeit in Paar- oder Kleingruppen und Aufgaben, die die Inhalts- und Bedeutungskomponente einbeziehen. Dadurch erhalten die Schülerinnen und Schüler mehr korrektives Feedback und auch die Möglichkeit, sich selbst und andere zu korrigieren. Je komplexer die Lernaufgaben sind, desto fehleranfälliger werden die Äusserungen der Lernenden und umso breiter wird das Feld möglicher „ Kontrollen und Reparaturen “ , • Aufgaben mit authentischen Rollen: Sind die Aufgaben zum interaktiven Sprechen auf authentische Interaktionen ausgerichtet sind, so begünstigt dies das Anwenden der Strategie „ Kontrolle und Reparaturen “ , da die Lernenden korrektives Feedback geben können, ohne aus ihren Rollen zu fallen. Die Progression des Gesprächs wird zwar gebremst, aber die Ausgangslage der Interaktion bleibt dieselbe (sie tauschen als Lernende Informationen aus), • Rahmen mit definierten Regeln für Korrekturen abstecken: damit die Lernenden sich gegenseitig korrigieren können, ohne dass sich dies potenziell beziehungsgefährdend auswirkt, braucht es Regeln. Es muss festgelegt werden, wann und wie sich die Schülerinnen und Schüler korrigieren und welche Reparaturformate sie dazu nutzen resp. wie sie diese konkret realisieren können (vgl. ebd.), • Übernahme des Status von Belehrten und Lehrenden: die Schülerinnen und Schüler dazu auffordern, in Paar- oder Gruppenarbeiten abwechselnd als Lernende und ExpertInnen zu agieren und es für sie zur Selbstverständlichkeit machen, im Sinne des kooperativen Lernens dadurch ihre eigene Sprechkompetenz und diejenige der anderen zu verbessern. Die Lehrperson kann ihnen erklären, dass ihre korrektiven Feedbacks wertvoll für das Fördern der Sprachkompetenz ihrer peers sind, insbesondere wenn sie explizit ausfallen, • Plurilinguales Sprechen fördern: den Lernenden zeigen, dass ihnen die Kenntnisse in anderen Sprachen dazu verhelfen, einen Text besser zu verstehen, bestimmte Merkmale besser zu deuten oder aufgrund von Sprachverwandtschaften mit neuen Ausdrücken zu experimentieren, die ihnen noch unbekannt sind. 6 Ergebnispräsentation: Themenperspektive 473 7 Fazit Die Beantwortung der übergeordneten Forschungsfrage zum Umgang mit der Kompetenz Sprechen im lehrwerkbasierten Fremdsprachenunterricht auf der Primarstufe in der Interaktion kann nicht in einem abschliessenden Satz zusammengefasst werden, da sich der Umgang sowohl auf Lernendenals auch auf Lehrendenebene sehr heterogen gestaltet. Die vier Lehrerinnen mit ihren Klassen weisen unterschiedliche Profile auf, mit entsprechenden Stärken und Schwächen (vgl. Fallperspektive: Kap. 5.1, 5.2, 5.3, 5.4). Es sind durchaus Ansätze zu einer zielführenden Förderung des interaktiven Sprechens vorhanden, doch diese können in verschiedenen Bereichen noch optimiert werden, was aus der Evaluations-, der Innen- und der Aussenperspektive hervorgeht (vgl. Themenperspektive: Kap. 6.1, 6.2, 6.3, 6.4). Im Fazit wird nach einem Rückblick (Kap. 7.1) auf die vorliegende Studie ein Wechsel zur Meta-Ebene angestrebt, um für verschiedene Akteurinnen und Akteure Anregungen für die weitere Beschäftigung mit der Kompetenz des interaktiven Sprechens zu bieten. In Kapitel 7.2 wird ausgehend von den Erkenntnissen aus der vorliegenden Studie ein Vorschlag für ein ausgeweitetes Modell zum interaktiven Sprechen in der Fremdsprache gemacht, um einen Beitrag zur Grundlagenforschung zu leisten. In Kapitel 7.3 folgt ein 5-Schritte- Programm mit didaktischen Prinzipien zur optimalen Förderung des interaktiven Sprechens, um im Sinne der angewandten Forschung das gewonnene Wissen praktisch nutzbar zu machen. 7.1 Rückblick Die vorliegende Studie setzte sich zum Ziel, im Französischunterricht auf der Primarstufe die Realisierung bestimmter Sprechaufgaben in unterschiedlichen Gruppen zu beobachten, dabei zwischen Wahrnehmung und Realisierung zu unterscheiden, sowohl auf Lehrendenals auch auf Lernendenseite, und die vielseitige Wechselwirkung zwischen Material, Lehrenden und Lernenden zu untersuchen (vgl. Kap. 1.3; Caspari 2006: 38). Die Zielsetzung konnte nur dank der hohen Bereitschaft der Probandinnen und Probanden zur Kooperation erreicht werden (vgl. Wolff 2008 in Flick et al.: 335). Besonders die Lehrerinnen zeigten ein grosses Engagement, indem sie mir und meinem Vorhaben am Anfang des Projekts Vertrauen schenkten. Anschliessend nahmen sie sich Zeit für die Gespräche und akzeptierten die Infragestellung bislang geltender Selbstverständlichkeiten. Für die Unterrichtsbeobachtungen waren sie bereit, die Raumsouveränität teilweise aufzugeben und sich beim Unterrichten dennoch so natürlich wie möglich zu verhalten, obwohl sie sich unter Beobachtung wussten. Auch die Schülerinnen und Schüler brauchten Mut, um sich vor laufender Kamera resp. mit eingeschalteten Audiorecordern in der Fremdsprache zu äussern. Eine absolut authentische Lernsituation aufzuzeichnen ist in dieser Form nicht möglich, denn die Natürlichkeit des Unterrichts wird durch die Aufnahme und Präsenz der Forschenden beeinflusst. Labov (1980) nennt dies das Beobachterparadoxon: „ Um die Daten zu erhalten, die am wichtigsten für die linguistische Theorie sind, müssen wir beobachten, wie Leute sprechen, wenn sie nicht beobachtet werden “ (ebd.: 200). Es kann auch sein, dass die Protagonistinnen und Protagonisten bemüht sind, ein möglichst positives Bild von sich zu vermitteln, was mitunter nicht unbedingt der Realität entspricht (vgl. Mezger 2014: 76). Dies war in der vorliegenden Untersuchung besonders am Anfang der Aufzeichnungen der Fall. Frau Müller fragte ihre Schülerinnen und Schüler beispielsweise nach der ersten aufgezeichneten Aufgabe „ Wer hat sich mehr Mühe gegeben, weil er/ sie aufgenommen wurde? “ , worauf viele Kinder die Hand hochhielten. Das Problem der ungewollten Beeinflussung, die sogenannte Reaktanz (vgl. Knoblauch 2004: 126), verschwand jedoch mit zunehmender Gewöhnung der Probandinnen und Probanden an die Anwesenheit der Forscherin. Die Ergebnisse aus der Studie gliedern sich nahtlos in den Forschungsdiskurs ein (vgl. Kap. 2.2): Die vorliegende Untersuchung zeigt, dass authentische Interaktionsformen bereits im frühen Fremdsprachenunterricht wünschenswert sind und dass es beim interaktiven Sprechen unter Lernenden zielführend ist, den focus on form auf den focus on meaning zu verschieben (vgl. Dauster 2006). Die Interaktionen unter Lernenden in Kleingruppen führen tatsächlich zu mehr Äusserungen, und der focus on meaning zieht Redebeiträge nach sich, die mehrheitlich eigenständig und nicht rein imitativ ausfallen (vgl. Méron-Minuth 2009). Es hat sich auch herausgestellt, dass die Lernenden bereits auf der Primarstufe initiativ sind und gut kooperieren können (Unterstützung bieten, korrigieren etc.) (vgl. Neveling 2007). Allerdings bedingen Sprechaufgaben, die die natürlichen Elemente eines Gesprächs beinhalten wie eigene Fragen stellen, das Gegenüber zu etwas auffordern, etwas wünschen, die eigene Meinung sagen, diskutieren, zustimmen, Missfallen äussern oder staunen, für eine Umsetzung auf der Primarstufe für die Fremdsprache Französisch eine sorgfältige Vorbereitung und zumindest auch am Anfang eine enge Begleitung der Lerngruppen (vgl. Kurtz 2001). Die kognitive Belastung sollte mit vorbereitenden Übungen reduziert werden und es müssen 7 Fazit 475 gezielt Kommunikationsstrategien vermittelt werden, die das Aufrechterhalten der Interaktion in der Zielsprache auch bei doppelter Mobilisierung für Inhalt und Form ermöglichen (vgl. Manoïlov 2019). Die Daten zeigen, dass die Lernenden auf A-Niveau bereits erfolgreich Interaktionsstrategien anwenden können und ein bestimmtes (Textsorten-)Wissen über den mündlichen Informationsaustausch mitbringen müssen, um die Sequenzabfolgen adäquat gestalten zu können (vgl. Miede 2019). Schliesslich ist auch die Tatsache, dass die Verwendung der Zielsprache durch die Lernenden stark von deren Verwendung durch die Lehrperson abhängt, einmal mehr empirisch belegt (vgl. Tesch 2010). 7.2 Modell zum interaktiven Sprechen in der Fremdsprache Um den Sprechvorgang in einer fremdsprachigen Interaktion modellhaft darzustellen (vgl. Abb. 181), werden die in Kap. 2.4 vorgestellten Modelle miteinander kombiniert und erweitert. Das hier vorgelegte Modell möchte der Spezifik des interaktiven Sprechens in der Fremdsprache unter Lernenden Rechnung tragen. Im Modell werden die Systeme der Konzeptualisierung, der Formulierung, der Artikulation und des Hörverstehens des Modells von Levelt (1989) beibehalten, die auf die Weltwissens- und Sprachspeicher zugreifen können. Wie bei Levelt (ebd.: 11) stehen die Boxen für die Verarbeitungssysteme, während die Kreise und Ellipsen die Wissensspeicher darstellen. Von De Bot (1992) ist die Unterscheidung zwischen sprachspezifischen und sprachenübergreifenden Systemen übernommen. Die verschiedenen Sprachen scheinen innerhalb der einzelnen Systeme resp. Speicher als Kreise oder Boxen auf. Ausserdem ist wie bei De Bot (ebd.) auch der Sprachknoten mit dem Monitor im Modell enthalten. Von Bachman/ Palmer (1996) fliesst die Ausrichtung auf das interaktive Sprechen ein, indem das pragmatische Wissen nicht als Teilbereich des Weltwissens, sondern separat aufgeführt ist und die strategische Kompetenz ebenfalls ihren Platz im Modell erhält. Neu zum Modell hinzu kommt also ein gesonderter Sprachspeicher für den Bereich der Pragmatik, auf den insbesondere das Konzeptualisierungssystem, aber auch das Hörverstehenssystem Zugriff haben. Der Speicher enthält relevante Aspekte der pragmatischen Kompetenz, die grundlegend für eine gelingende Interaktion sind (vgl. Thaler 2018: 16). Beim mündlichen Austausch in der Fremdsprache ist die Situation der schulische Kontext und die AdressatInnen sind Mitschülerinnen und Mitschüler, was eine Auswirkung auf die Konzeption möglicher Äusserungen hat. Ausserdem sind im Sprachspeicher 476 7 Fazit für den Bereich der Pragmatik auch die plurilingualen Kompetenzen angesiedelt, die soziolinguistische Aspekte einer Interaktion beinhalten (Europarat 2020: 149 - 151). Der Sprachspeicher zur Lexik und Grammatik enthält neu die Lexikogrammatik (vgl. Schocker-von Dithfurth 2007; Thaler 2008). Damit wird der zentralen Rolle von chunks beim Sprechen in einer Fremdsprache Rechnung getragen (vgl. Funk 2012: 299). Insbesondere Lernende auf dem A-Niveau verwenden kurze, formelhafte Ausdrücke, um die Interaktion in der Zielsprache aufrechterhalten zu können. Neu ist auch die Darstellung von L1, L2 und L … , mit der das angenommene Zusammenspiel der verschiedenen Sprachen beim Sprechvorgang illustriert werden soll. Einerseits gibt es Bereiche im Modell, in denen die Sprachen in drei sich überschneidenden Kreisen dargestellt sind, wie dies beim Sprachspeicher zu Lexik, Grammatik und Lexikogrammatik, beim Konzeptualisierungs-, Formulierungs- und dem Hörverstehenssystem der Fall ist. Dies bedeutet, dass diese Bereiche sprachspezifisch sind, d. h. dass die verschiedenen Sprachen je nach Bedürfnis in den Vordergrund treten oder ausgeblendet Sprachknoten Monitor Sprachspeicher Lexik & Grammatik & Lexikogrammatik Konzeptualisierungssystem Formulierungssystem Artikulationssystem Hörverstehenssystem Audition Sprachknoten Monitor Sprachspeicher Pragmatik Diskursmodell, Situations-/ Adressatenwissen, plurikulturelles Wissen etc. Weltwissensspeicher Hintergrundwissen, enzyklopädisches Wissen, Informationen über die Welt etc. L1 L2 L… L1 L2 L… L1 L2 L… L1 L2 L… L1 L2 L… L1 L2 L… L1 L2 L… L1 L2 L… auditive Wahrnehmung artikulatorischer Plan präverbale Mitteilung Abb. 181: Vorschlag für ein Modell zum fremdsprachigen Sprechen 7 Fazit 477 werden können. Doch die Kreise überschneiden sich und sind durchlässig, da angenommen wird, dass es eine gemeinsame Menge zwischen den Sprachen gibt und bei Bedarf auch das Sprachwissen zu einer anderen Sprache aktiviert werden kann (beispielsweise im Formulierungssystem in Form von codeswitching als Kompensationsstrategie oder im Hörverstehenssystem in Form von Parallelwörtern als Verstehensstrategie). Andererseits gibt es Bereiche im Modell, in denen die Sprachen in wachsenden Kreisen oder Rechtecken dargestellt sind. Dies ist beim Weltwissensspeicher, beim Sprachspeicher zur Pragmatik, beim Artikulationssystem und bei der Audition der Fall. Hier handelt es sich m. E. um sprachenübergreifende Bereiche, die bei jeder dazugelernten Sprache wachsen, wobei die L1, L2, L … nicht alternative, sondern ergänzende Funktionen haben. Es gibt also Bereiche im Modell, bei denen die Sprachen wie in einem Wahlangebot je nach Verwendungsbedürfnis abrufbar sind und andere, bei denen die Sprachen als Gesamtes vorhanden sind. Für erstere ist ein Sprachknoten in Form eines Monitors notwendig, damit jeweils die passende Sprache abgerufen werden kann (vgl. Neveling 2007). Letztere kann man sich in Form eines Kontinuums vorstellen, was beispielsweise für das Artikulationssystem bedeutet, dass die neuen Laute wenn immer möglich dem bestehenden System hinzugefügt werden (vgl. De Bot 1992: 15). Auch bei Fremdsprachigen mit hohem Sprachniveau spielt die L1 im Bereich der Aussprache noch eine wichtige Rolle und dies „ makes the existence of two separate systems very improbable “ (De Bot 1992: 17). Beim Weltwissensspeicher werden Informationen zur Welt aus der L1 ebenfalls nicht ausgeblendet, wenn in einer anderen Sprache kommuniziert wird, sondern um das Wissen aus anderen Sprachen ergänzt. Dasselbe gilt für den Sprachspeicher im Bereich der Pragmatik. Wie in Levelts Modell (1989) wird die Richtung des Sprechvorgangs mit Pfeilen angegeben: Grundsätzlich beginnt die Interaktion beim Konzeptualisierungssystem, dann wird die präverbale Mitteilung im Formulierungssystem zu einem artikulatorischen Plan verarbeitet und dieser wird im Artikulationssystem schliesslich in Form einer hörbaren Mitteilung geäussert. Die artikulierte Mitteilung wird vom Gegenüber auditiv wahrgenommen und im Hörverstehenssystem verarbeitet. Neu enthält das Modell auch gestrichelte Pfeile zwischen den Bereichen, die in die entgegengesetzte Richtung zeigen. Diese unterstreichen die Relevanz der feedback loops resp. des monitoring, denn damit soll dargestellt werden, dass zwischen allen Verarbeitungssystemen eine Rückkoppelung möglich ist (vgl. Edmondson 2003: 199). Im monitoring lassen sich auch sämtliche Interaktionsstrategien verorten: Beispielsweise kann bei Missverständnissen zwischen dem Artikulationssystem und dem Hörverstehenssystem ein Feedback und/ oder eine Reparatur eingebracht werden, um die 478 7 Fazit Kommunikation aufrecht zu erhalten (vgl. die strategische Kompetenz assessment bei Bachmann/ Palmer 1996). Oder es kann um Klärung gebeten werden, wenn sich zwischen dem Hörverstehenssystem und dem Konzeptualisierungssystem eine Unklarheit ergibt. Zwischen dem Konzeptualisierungssystem und dem Formulierungssystem zeigt der Pfeil in die umgekehrte Richtung an, dass bei Bedarf umgeplant werden kann (vgl. planning bei Bachmann/ Palmer 1996) oder eine andere Zielsetzung verfolgt werden muss (vgl. goal-setting bei ebd.). Der gestrichelte Pfeil zwischen dem Artikulationssystem und dem Formulierungssystem zeigt, dass teilweise der artikulatorische Plan von den Lernenden nicht umgesetzt werden kann. Dies führt entweder zu einer Umformulierung der Äusserung oder zur Anwendung von Kompensationsstrategien (vgl. Silbenspeicher inkl. Gesten bei Levelt 1999), sofern diese verfügbar sind. Ansonsten geraten die fremdsprachigen Lernenden ins Stocken oder sie verstummen. Wenn der Kreislauf zwischen den verschiedenen Verarbeitungssystemen funktioniert, mit mehr oder weniger Rückkoppelung, bedeutet dies, dass die Interaktion aufrechterhalten werden kann, Fragen gestellt resp. beantwortet werden oder erfolgreich Informationen ausgetauscht werden können. Die Lernenden verstehen das Konzept, entwickeln eine präverbale Mitteilung, die sie in der L2 formulieren und artikulieren können. Es kann aber auch sein, dass die präverbale Mitteilung nicht in der L2 formuliert werden kann, was den Lernenden zwei Optionen bietet: Entweder gehen sie einen Schritt zurück und ändern die präverbale Mitteilung so ab, dass sie sie in der L2 formulieren können, oder sie suchen nach Kompensationsstrategien für das Formulierungssystem. Dafür können sie ein Wort aus einer anderen Sprache nehmen, ihre Lernpartnerin oder ihren Lernpartner um Unterstützung bitten o. ä. Den Wechsel zur L1, in der sie die ursprüngliche präverbale Mitteilung problemlos formulieren und artikulieren können, sollten sie wenn immer möglich vermeiden. Eine adäquate Aufgabe zur Förderung des interaktiven Sprechens müsste es den Lernenden ermöglichen, diese Option möglichst nicht wählen zu müssen, damit die Schülerinnen und Schüler so viel und so gut wie möglich Französisch miteinander sprechen und dabei lernen, Interaktionsstrategien anzuwenden. Dafür darf die Komplexität der Aufgabe nicht zu tief und nicht zu hoch sein: Die Schülerinnen und Schüler sollen weder auswendig gelernte Inhalte heruntersagen noch unvorbereitet über hochanspruchsvolle Themen verhandeln müssen (vgl. Diehr/ Kötter 2013: 102). Bei sehr komplexen Aufgaben bewährt sich u. U. ein Zwischenschritt zwischen dem Konzeptualisierungs- und dem Formulierungssystem in Form des iterativen Vorgehens nach Manïolov 2019 (vgl. Kap. 2.2), damit die kognitive Überlastung durch die 7 Fazit 479 doppelte Mobilisierung von Inhalt und Form nicht zu einem Wechsel zurück zur Schulsprache führt. 7.3 Didaktische Prinzipien zur Förderung des interaktiven Sprechens Auf der Basis der Erkenntnisse in der vorliegenden Studie lassen sich didaktische Prinzipien zur Förderung des interaktiven Sprechens in Form eines Fünf- Schritte-Programms für angehende und amtierende Fremdsprachenlehrpersonen formulieren (vgl. Abb. 182). FÜNF-SCHRITTE-PROGRAMM ZUR FÖRDERUNG DES INTERAKTIVEN SPRECHENS 1 INTERAKTIVES SPRECHEN BEWUSST FÖRDERN • Bewusstheit für die Kompetenz des interaktiven Sprechens entwickeln • Lernziele für das interaktive Sprechen formulieren • Auswahl an Lernaufgaben aus dem Lehrwerk treffen und mit eigenen Ideen ergänzen/ ersetzen • Zahlreiche Sprechanlässe unter den Lernenden ermöglichen 2 STIMULIERENDE AUFGABEN WÄHLEN/ ERSTELLEN Aufgaben anbieten, die … • einen echten Informationsaustausch initiieren (focus on meaning) • die authentischen Rollen der Lernenden beibehalten (Schülerinnen und Schüler) • komplex genug sind, um das Anwenden von Kommunikationsstrategien zu ermöglichen • ein iteratives Vorgehen bis zur mündlichen Interaktion vorschlagen • Hilfestellungen (z. B. Sammlung an Redemitteln) anbieten • die natürlichen Elemente eines Gesprächs beinhalten • klar als Förderung der Kompetenz des interaktiven Sprechens gekennzeichnet sind und entsprechende Lernziele ausweisen 3 REDEANTEIL DER SCHÜLERINNEN UND SCHÜLER ERHÖHEN • Aufgaben zum interaktiven Sprechen in Kleingruppen durchführen • Einführung zur Sprechaufgabe partizipativ ausrichten und sprachlich bewusst gestalten 480 7 Fazit • Einführung durch die Lehrperson möglichst kurzhalten, Bearbeitungszeit durch die Lernenden ausdehnen • Ängste abbauen, positive Fehlerkultur installieren 4 REDEBEITRÄGE DER SCHÜLERINNEN UND SCHÜLER IN DER ZIELSPRACHE ERHÖHEN • als Lehrperson Vorbildfunktion einnehmen und konsequent in der Zielsprache sprechen • die Zielsprache auch in anderen Momenten als bei den Sprechanlässen verwenden • Klassenzimmersprache installieren • Verwendung der Zielsprache von den Lernenden aktiv einfordern • Hilfestellungen bei der Aufgabe hervorheben • Sprachwechsel sichtbar machen • Kompensations- und Kommunikationsstrategien einüben • Plurilinguales Sprechen fördern • Verantwortung an die Lernenden abgeben • Motivation für die Zielsprache steigern (intrinsisch, extrinsisch, instrumentell und integrativ) • Nach 5 - 7 Minuten Arbeit in Kleingruppen an Vorgaben/ Hilfestellungen/ Lernziele erinnern 5 QUALITÄT DER REDEBEITRÄGE DER LERNENDEN IN DER ZIELSPRACHE STEIGERN • Chunks einführen und in Beispielen mit der Klasse anwenden • Redemittel für das Umsetzen der Interaktionsmomente in der Zielsprache zur Verfügung stellen • durch offene Aufgabenstellungen natürliche Differenzierung ermöglichen • durch gesteuerte Differenzierung individualisiertes Lernen mit gezielter Begleitung ermöglichen • sinnvolle Wiederholungsanlässe anbieten • einen Rahmen mit definierten Regeln für gegenseitige Korrekturen abstecken • die Lernenden dazu auffordern, abwechselnd als Lernende und ExpertInnen zu agieren Abb. 182: Didaktische Prinzipien zur Förderung des interaktiven Sprechens In Zukunft sollte die Fremdsprachendidaktik die im 5-Schritte-Programm aufgeführten Prinzipien in den Vordergrund stellen, die Lehrpersonen befolgen müssen, um ihre Lernenden in der Kompetenz des interaktiven Sprechens 7 Fazit 481 möglichst adäquat zu fördern: Als Erstes müssen die Lehrpersonen ein Bewusstsein für die Kompetenz des interaktiven Sprechens entwickeln und die dazugehörigen Lernziele formulieren können, um passende Aufgaben in einem Lehrwerk erkennen und auswählen resp. selbst erstellen zu können. Bei der Auswahl resp. der Entwicklung von Aufgaben müssen sie darauf bedacht sein, dass sie die Inhalts- und Bedeutungskomponente einbeziehen und Aufgaben mit einer möglichst authentischen Ausrichtung anbieten, die genug Komplexität aufweisen, um das Anwenden von Strategien zu ermöglichen. Um den Redeanteil der Lernenden möglichst hoch zu halten, müssen die Lehrpersonen zu Paar- oder Gruppenarbeiten anleiten, die keine allzu langen Einführungen benötigen. Damit die Lernenden für ihre Redebeiträge möglichst oft die Zielsprache verwenden, müssen die Lehrpersonen als sprachliches Modell fungieren. Ausserdem müssen sie den Schülerinnen und Schülern vermitteln, wie sie möglichst in der Zielsprache bleiben können, und zwar sogar dann, wenn sie sich inhaltlich von der Kernaufgabe lösen. Schliesslich können die Lehrpersonen die Qualität der Redebeiträge ihrer Schülerinnen und Schüler sichern, indem sie Redemittel mit den Lernenden im Vorfeld wiederholen und in Beispielen verwenden. Die Vorgaben zu den Aufgaben sollten sie möglichst offen formulieren, damit die Schülerinnen und Schüler differenziert nach ihrem Können und Wollen die Aufgabe bearbeiten. Gleichzeitig sollten sie ihren Unterricht so planen, dass eine individualisierte Begleitung der Lernenden möglich wird. Schliesslich müssen sie zur Förderung der mündlichen Interaktion unter Lernenden einen Rahmen setzen, in dem Fehler in kommunikativen Phasen explizit erlaubt sind und in dem sich die Schülerinnen und Schüler nach vereinbarten Regeln gegenseitig korrigieren können. Die Aufgaben zum interaktiven Sprechen, deren Umsetzung in der vorliegenden Studie untersucht worden sind, entstammen dem Lehrwerk „ Mille feuilles “ (Ganguillet et al. 2014a). Das Lehrwerk entspricht der Neokommunikativen Phase und basiert auf einem konstruktivistischen Lernverständnis. In der Studie gibt es Beispiele von Aufgabenumsetzungen, die besonders konstruktivistisch sind und andere, die sich stark davon entfernen. Beispielsweise verwendet Frau Schmid für eine Aufgabe, in der sich die Lernenden über ihre Vorlieben unterhalten, die kooperative Lernform des speed-dating. Frau Gerber macht aus einer Aufgabe, in der die Lernenden Antworten auf Wissensfragen austauschen, eine Hausaufgabenkontrolle, bei der die Schülerinnen und Schüler ihre Sätze mit der korrekten Konjugation des Verbs avoir vortragen. Die Förderung des (interaktiven) Sprechens fällt sehr unterschiedlich aus, wie dies die Tabelle 92 illustriert: 482 7 Fazit Kooperative Lernform: Speed-dating (Aufgabe B: Questionnaire) Hausaufgabenkontrolle (Aufgabe C: Questions) Arbeit in Kleingruppe Arbeit im Plenum Austausch unter Lernenden Austausch mit der Lehrperson mehrmaliges Durchführen des Sprechanlasses einmaliges Vortragen der vorbereiteten Sätze inhaltsorientiert formorientiert authentischer Informationsaustausch kein authentischer Informationsaustausch gegenseitige Korrektur durch die Lernenden Korrekturen durch die Lehrperson Gesprächsführung durch Lernende: Verwenden von Klassenzimmersprache Gesprächsführung durch Lehrperson: Gespräch eröffnen / turntaking / Gespräch beenden quantitative und qualitative Differenzierung durch offene Aufgabenstellung kaum Differenzierung möglich Tab. 92: Gegensätzliche Aufgabenumsetzungen In Bezug auf das interaktive Sprechen zeigt die konstruktivistische Umsetzung ein eindeutig besseres Ergebnis: Es wird tatsächlich das interaktive Sprechen gefördert, die Aufgabe ist stimulierend, der Redeanteil der Lernenden ist hoch, sie sprechen viel in der Zielsprache und erhalten Gelegenheit, die Qualität ihrer Äusserungen von einer Runde zur nächsten zu steigern. Trotz der Wiederholung sind die Schülerinnen und Schüler bis zum Schluss motiviert, da es Frau Schmid gelingt, sie in eine authentische Kommunikation zu führen. Da „ Mille feuilles “ (ebd.) konstruktivistisch geprägt ist, stellt es hohe Anforderungen an die Lehrperson, die pädagogischer, fremdsprachendidaktischer und sprachlicher Natur sind. Die kooperativen Lernformen, die im Lehrwerk angelegt sind, sind schwer umzusetzen, wenn die Klassenführung der Lehrperson Mühe bereitet. Wenn die Aufgaben aus disziplinarischen Gründen anstatt in Kleingruppen im Plenum bearbeitet werden, ist der Lerneffekt nicht derselbe. In „ Mille feuilles “ (ebd.) sind die Aufgaben zum interaktiven Sprechen nicht als solche gekennzeichnet, sondern sie sind in grössere Lernaufgaben (activités) eingebettet und scheinen immer wieder in Form von Sprechblasen auf. Das Signal der Sprechblasen wird im Lehrwerk aber auch für das monologische Sprechen verwendet. Es liegt also an der Lehrperson, die Aufgaben zur Förderung der Kompetenzen des interaktiven Sprechens zu erkennen und 7 Fazit 483 umzusetzen. Schliesslich verlangt das Lehrwerk durch den Einbezug authentischer Texte eine hohe Sprachkompetenz von den Lehrpersonen, die auch mit Themen aus Fachbereichen wie Geografie, Geschichte, Biologie oder Mathematik sprachlich zurechtkommen müssen. Von den Lernenden verlangen die Aufgaben aus „ Mille feuilles “ (ebd.), die in Paar- oder Gruppenarbeit ausgeführt werden, ein hohes Mass an Selbstverantwortung, da sie selbst entscheiden, wie intensiv sie die Übungsmomente gestalten. Teilweise sind die Aufgaben zum interaktiven Sprechen so angelegt, dass die Lernenden einen komplexen Inhalt entschlüsseln müssen und dabei in der Fremdsprache interagieren sollen (vgl. Kap. 4.2.2). Dies stellt insbesondere für Lernende des A-Niveaus eine hohe kognitive Anforderung dar. Die Anforderung sinkt, wenn eine Klassenzimmersprache aufgebaut wird, über die die Schülerinnen und Schüler beim Bearbeiten der Aufgaben zum interaktiven Sprechen verfügen können. Dies bedingt einen hohen Anteil der Verwendung der Zielsprache im Fremdsprachenunterricht, der u. U. dadurch gesteigert werden kann, wenn neben dem Französischunterricht noch weitere Fächer in der Fremdsprache in Form von immersivem Unterricht erteilt werden. Bei einer inhaltlichen Ausrichtung des Fremdsprachenunterrichts, in dem die Sprache als Kommunikationsmittel eingesetzt und geübt wird, muss das oberste Ziel der Verwendung der Fremdsprache sowohl für die Lehrenden als auch für die Lernenden sein, „ dass man nicht nur sprechen kann, sondern dabei auch etwas zu sagen hat “ (Hunfeld 2008: 73). 484 7 Fazit 8 Abkürzungsverzeichnis Abb. Abbildung Ausg. Ausgabe Bd. Band bzg. bezüglich bzw. beziehungsweise DM Dokumentarische Methode ebd. ebenda et. al. und andere GER Gemeinsamer Europäischer Referenzrahmen für Sprachen (Europarat 2001) Hg. Herausgeberschaft i. d. R. in der Regel ISKT Inhaltlich-strukturierende kategoriengeleitete Textanalyse Kap. Kapitel KKAL Kompetenzorientierten und Kategoriengeleiteten Analyse der Lernendensprache KT Kategoriengeleitete Textanalyse o. A. ohne Angabe o. ä. oder ähnlich S. Seite Tab. Tabelle u. a. und anderem u. U. unter Umständen v. a. vor allem vgl. vergleiche vs. versus Z. Zeile z. B. zum Beispiel 9 Literaturverzeichnis Aguado, Karin (2015): Triangulation: Möglichkeiten, Grenzen, Desiderate. In: Elsner/ Viebrock (Hg.), 203 - 219. Aguado, Karin (2014): Triangulation. In: Settinieri et al. (Hg.), 47 - 56. Aguado, Karin; Heine, Lena; Schramm, Karen (Hg.) (2013): Introspektive Verfahren und Qualitative Inhaltsanalyse in der Fremdsprachenforschung. Frankfurt am Main: Peter Lang. 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