Tourismus
Kurzlehrbuch mit eLearning-Kurs
1111
2024
978-3-3811-2202-8
978-3-3811-2201-1
UVK Verlag
Martin Linne
10.24053/9783381122028
Kurzlehrbuch mit eLearning-Kurs
Sie suchen einen schnellen Einstieg in die Grundlagen der Tourismuswirtschaft, dann ist dieses Kurzlehrbuch genau das richtige für Sie! Es geht auf die Träger der Tourismuswirtschaft ein und stellt zentrale Tätigkeiten, etwa das Personalmanagement und die Tourismusfinanzierung, in Kürze vor. Auch die touristischen Produkte und Kunden lässt es nicht außer Acht und verrät wichtige Kennzahlen.
Das Buch richtet sich an Studierende der Tourismuswirtschaft sowie an Quereinsteigende in die Branche.
Mit Interviews von Moritz Luft (Sylt Marketing), Wybcke Meier (TUI Cruises), Rolf Seelige-Steinhoff (SEETELHOTELS) und Bernd Männel (NTT DATA).
Die espresso-Kurzlehrbücher bereiten ideal auf Studium, Vorlesung und Prüfung vor - die konzentrierte Dosis Wissen für Ihren Studienerfolg. Jeder Band wird von einem passenden eLearning-Kurs begleitet, der den Lernfortschritt kontinuierlich sichtbar macht.
9783381122028/eLearning-Kurs.html
<?page no="0"?> Martin Linne Tourismus <?page no="1"?> Dr. Martin Linne hat langjährige Erfahrung als Dozent an Hochschulen und ist in der Tourismusberatung und -forschung tätig. Tourismus eLearning-Kurs & eBook Zu diesem Band gibt es ein eBook und einen eLearning-Kurs, die Sie kostenfrei online abrufen können. Zu Beginn eines jeden Kapitels finden Sie einen QR-Code, der Sie zum dazugehörigen Fragenkatalog des eLearning-Kurses bringt. Erstellen Sie gleich einen persönlichen Account auf unserer eLibrary und schalten Sie eBook und eLearning-Kurs mit Ihrem Gutscheincode frei. So geht’s gutschein.narr.digital besuchen den Schritten zum Aktivieren des Gutscheincodes folgen eBook herunterladen und eLearning-Kurs nutzen Ihr Gutscheincode für eBook & eLearning-Kurs pafy-rnrp-qr7X <?page no="2"?> Mit den von Expert: innen verfassten Bänden der Reihe espresso können Sie sich fundiert und kompakt über grundständige Lehrinhalte informieren. Ein besonderes Augenmerk legt die Reihe auf den didaktischen Anspruch, die Möglichkeit per eLearning-Kurs den eigenen Wissensstand vor und nach der Bandlektüre zu überprüfen sowie die Chance, empfohlene Medien zu nutzen. Das abgedeckte Fachspektrum ist breit: Von den Wirtschaftswissenschaften über die Geistes- und Naturwissenschaften bis hin zu den Sozialwissenschaften - jede: r wird in dieser Reihe fündig. Alle Bände unter espresso.narr.digital <?page no="3"?> Martin Linne Tourismus Kurzlehrbuch mit eLearning-Kurs <?page no="4"?> DOI: https: / / doi.org/ 10.24053/ 9783381122028 © UVK Verlag 2024 ‒ Ein Unternehmen der Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5 · D-72070 Tübingen Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikro‐ verfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Alle Informationen in diesem Buch wurden mit großer Sorgfalt erstellt. Fehler können dennoch nicht völlig ausgeschlossen werden. Weder Verlag noch Autor: innen oder Heraus‐ geber: innen übernehmen deshalb eine Gewährleistung für die Korrektheit des Inhaltes und haften nicht für fehlerhafte Angaben und deren Folgen. Diese Publikation enthält gegebenenfalls Links zu externen Inhalten Dritter, auf die weder Verlag noch Autor: innen oder Herausgeber: innen Einfluss haben. Für die Inhalte der verlinkten Seiten sind stets die jeweiligen Anbieter oder Betreibenden der Seiten verantwortlich. Internet: www.narr.de eMail: info@narr.de Druck: Elanders Waiblingen GmbH ISSN 2942-6588 ISBN 978-3-381-12201-1 (Print) ISBN 978-3-381-12202-8 (ePDF) ISBN 978-3-381-12203-5 (ePub) Umschlagabbildung: © snorkulencija ∙ iStock Autorenbild: © privat Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbi‐ bliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http: / / dnb.dnb.de abrufbar. Dieses espresso-Kurzlehrbuch ersetzt, aktualisiert und erweitert den 2016 bei utb erschienen Band „Grundwissen Tourismus“ von Martin Linne (ISBN 978-3-8252-4546-7). <?page no="5"?> 7 9 11 13 1 17 1.1 17 1.2 19 1.3 20 1.4 21 1.5 22 1.6 28 1.7 29 2 33 2.1 35 ♦ 37 2.2 40 2.3 43 ♦ 46 2.4 50 ♦ 55 2.5 60 2.6 62 2.7 64 Inhalt Was Sie vorher wissen sollten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abkürzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aufbau des Buches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . espresso-Warm-up: Arbeiten im Tourismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tourismus - eine Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Reisen als Kernbestandteil des Tourismus . . . . . . . . . . . . . . Vom Reisen zum Tourismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tourismus in der Wissenschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bezugsrahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Organisationen der Tourismuswirtschaft . . . . . . . . . . . . . . . Die Tourismuswirtschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Träger der Tourismuswirtschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Destinationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Experteninterview | Moritz Luft (Sylt Marketing) . . . . . . . . Verkehrsunternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kreuzfahrtunternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Experteninterview | Wybcke Meier (TUI Cruises) . . . . . . . . Beherbergungsunternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Experteninterview | Rolf Seelige-Steinhoff (SEETELHOTELS) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Reisemittler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Reiseveranstalter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Integrierte Touristikkonzerne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . <?page no="6"?> 3 65 3.1 66 3.2 69 3.3 73 3.4 74 4 77 4.1 79 4.2 81 5 85 5.1 85 ♦ 88 5.2 92 5.3 94 6 97 6.1 97 6.2 99 6.3 100 6.4 102 6.5 104 6.6 106 111 115 117 119 121 123 129 Tätigkeiten der Tourismuswirtschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Statistik und Kennzahlen im Tourismus . . . . . . . . . . . . . . . . Tourismusmanagement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Personalmanagement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tourismusfinanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tourismusmarketing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Produkte im Tourismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kunden der Tourismuswirtschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aktuelle Herausforderungen im Tourismusmanagement . . . . . . . Digitalisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Experteninterview | Bernd Männel (NTT DATA) . . . . . . . . Fachkräftemangel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nachhaltigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Themen der Tourismuswirtschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Themen als Basis der Produktentwicklung . . . . . . . . . . . . . Erholungstourismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gesundheitstourismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Geschäftstourismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sporttourismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kulturtourismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Glossar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Websites, die Sie kennen sollten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Lehrbücher, die Sie kennen sollten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Belege von Fotos und Abbildungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Register . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abbildungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 Inhalt <?page no="7"?> Was Sie vorher wissen sollten Mit der Berufswahl in einem Bereich der Tourismuswirtschaft geht für viele ein Traum in Erfüllung. Ein Traum vom Reisen, von fernen Ländern und exotischen Kulturen - und das auch noch als bezahlte Dienstreise. Wahrlich traumhaft ist es sogar dann, wenn man dort arbeiten und leben kann, wo andere nur Urlaub machen. Und mit einer akademischen Ausbildung ist der lukrative Chefposten irgendwie schon zum Greifen nah. Wie bei vielen anderen Träumen ist auch im Tourismus die Realität etwas anders. Die Jobs verlangen von den Mitarbeitern sehr viel Engagement ab. Die Arbeitszeiten sind nicht immer optimal. Selbst bei einem Studium des Tourismus sind viele Dinge zu lernen und zu verstehen, die nicht in jeder Traumvorstellung vorkommen. Und dennoch lohnt es sich, den Weg über ein Bachelor-Studium mit einem späteren Master-Studium zu verfolgen. Dieses UVK-Kurzlehrbuch aus der espresso-Reihe soll den Interessierten, Einsteigern und Studierenden einen grundlegenden Einblick in die Touris‐ muswirtschaft geben. Nicht alle Aspekte können in diesem Buch beschrie‐ ben werden. Mir ist es wichtiger, die wesentlichen Akteure (→ Kapitel 2) und die größeren Tätigkeitsfelder (→ Kapitel 3 und → Kapitel 4) zu beschreiben. Ein zentrales Anliegen ist es mir zudem, auch auf Grenzen der Entwick‐ lung und die Verantwortung der Akteure hinzuweisen (→ Kapitel 1). Gerade im Bereich des kulturellen Austausches und der ökologischen Dimension des Tourismus sind noch nicht alle Probleme nachhaltig gelöst. Zum Glück ist die Tourismuswirtschaft eine sehr dynamische Branche. Fehlentwicklungen eines Massentourismus sind zwar nur schwer zu korri‐ gieren. Die Fehler sollten jedoch bei der künftigen Entwicklung und Planung neuer Projekte im Tourismus vermieden werden. Ich wünsche allen Leserinnen und Lesern spannenden Einblicke. Beson‐ ders freut es mich, mit diesem Buch ein umfangreiches Interesse an der immer wieder spannenden wissenschaftlichen Arbeit im Tourismus wecken zu können. Elmshorn, im Sommer 2024 Martin Linne <?page no="8"?> Danksagung Besonders danken möchte ich Wybcke Meier, Moritz Luft, Rolf Seelige- Steinhoff und Bernd Männel dafür, dass sie bereit waren, meine Fragen zu ihrem spezifischen Fachgebiet zu beantworten. Die Antworten haben dieses Buch sehr bereichert. 8 Was Sie vorher wissen sollten <?page no="9"?> Abkürzungen AD | Ankunftsdichte BD | Bettendichte BGB | Bürgerliche Gesetzbuch BTW | Bundesverband der Deutschen Tourismuswirtschaft CEO | Chief Executive Officer CRM | Customer-Relationship-Management DACH | Deutschland (D), Österreich (A für Austria), Schweiz (CH für Confoederatio Helvetica) DEHOGA | Deutscher Hotel- und Gaststättenverband DHV | Deutsche Heilbäderverband DMO | Destination-Management-Organisation DRV | Deutscher Reiseverband DTV | Deutscher Tourismusverband DZT | Deutsche Zentrale für Tourismus EU | Europäische Union EW | Einwohner GDS | Global Distribution Systems KI | Künstliche Intelligenz KT | Kurtaxe L | Leistung LTO | Lokale Tourismusorganisation NABU | Naturschutzbund Deutschland ÖPNV | Öffentlicher Personennahverkehr OTA | Online Travel Agent PMS | Property-Management-System RDA | Internationaler Bustouristikverband S | Subventionen SDG | Social Development Goals TI | Tourismusintensität TT | Tourismusabgabe UE | Umsatzerlös UN | United Nations ÜN | Übernachtungen <?page no="10"?> Genderhinweis | Der Autor verzichtet auf verkürzte Formen zur Kennzeichnung mehrgeschlechtlicher Bezeichnungen im Wortinneren und verwendet in der Regel das generische Maskulinum. UNWTO | Welttourismusorganisation USP | Unique Selling Proposition (Alleinstellungsmerkmal) 10 Abkürzungen <?page no="11"?> Aufbau des Buches espresso-Wissenscheck | Der Link bzw. QR-Code führt zu einem eLear‐ ning-Kurs. Im Rahmen dessen kann das Gelernte auf die Probe gestellt wer‐ den. Zu diesem Buch gibt es einen ergänzenden eLearning-Kurs mit über 50 Fragen. Mithilfe des Kurses können Sie online überprüfen, inwieweit Sie die Themen des Buches verinnerlicht haben. Gleichzeitig festigt die Wiederholung in Quiz-Form den Lernstoff. Der eLearning-Kurs kann Ihnen dabei helfen, sich gezielt auf Prü‐ fungssituationen vorzubereiten. Der eLearning-Kurs ist eng mit vorliegendem Buch verknüpft. Sie fin‐ den im Folgenden zu den wichtigen Kapiteln QR-Codes, die Sie direkt zum dazugehörigen Fragenkomplex bringen. Andersherum erhalten Sie innerhalb des eLearning-Kurses am Ende eines Fragendurchlaufs neben der Auswertung der Lernstandskontrolle auch konkrete Hin‐ weise, wo Sie das Thema bei Bedarf genauer nachlesen bzw. vertiefen können. Diese enge Verzahnung von Buch und eLearning-Kurs soll Ihnen dabei helfen, unkompliziert zwischen den Medien zu wechseln, und unterstützt so einen gezielten Lernfortschritt. espresso-Warm-up | Dieser Text führt in das Kapitelthema ein und erklärt grundsätzliche Zusammenhänge. Dies schafft ein tieferes Verständnis der folgenden Kapitel. espresso-Keywords | Diese Liste von Worten verschafft einen Überblick über die relevanten Schlagwörter des Kapitels. Diese Begriffe sollten nach dem Lesen verstanden sein. espresso-Verständnis | Diese Inhalte verschaffen schnell und einfach ein Aha-Erlebnis. Sie helfen dabei, das Wissen zu verinnerlichen. espresso-Wissen | Hierbei handelt es sich um Inhalte, ohne die ein Ver‐ ständnis des Themas nicht möglich ist. Kurzum: Sie sind essenziell. <?page no="13"?> 1 Statistisches Bundesamt 2021, S. 32f. espresso-Warm-up: Arbeiten im Tourismus espresso-Keywords | Abschneidegrenze, Arbeitgeber, Funktionen, Gas‐ tronomie, Hotellerie, Influencer, Institutionen, Reisebüro, Reiseveran‐ stalter, Selbstständigkeit, Werbeagenturen Das Statistische Bundesamt hat für 2019 (aktuellere Daten liegen nicht vor) ermittelt, dass in Deutschland ca. 2,8 Mio. Menschen „im Tourismus“ arbeiten. In deren ausführlicher Analyse werden auch Beschäftigungsver‐ hältnisse berücksichtigt, die indirekt mit dem touristischen Konsum zu‐ sammenhängen: Gesundheitsleistungen, Lebensmittel, Treibstoff, Waren (Handel) und Dienstleistungen. Insgesamt resultieren 6,14 % aller sozialver‐ sicherungspflichtig Beschäftigten in Deutschland dieser Aufstellung nach aus dem touristischen Konsum. Die meisten Beschäftigten innerhalb der Tourismusbranche gibt es in der Gastronomie (über 1 Mio.) und in der Hotellerie (ca. 483.000). Deutlich weniger Menschen werden bei Reisever‐ anstaltern und in Reisebüros beschäftigt (ca. 100.000). 1 Diese Auswertung ist insofern interessant, als dass es beim Statistischen Bundesamt die so genannte Abschneidegrenze gibt. So werden z. B. nur Beherbergungsbetriebe erfasst, die über mehr als 10 Betten verfügen. Viele Betriebe fallen also durch das Raster, weil sie klein sind. Doch auch dort gibt es Beschäftigte, wenn auch nicht in größerem Rahmen. Wenn man sich aber die Art der Beschäftigungsverhältnisse anschauen würde, ergäbe sich in der Relation ein anderes Bild. Die Tourismusbetriebe sind noch nicht so stark mit akademisch geprägten Beschäftigten durchsetzt, wie z. B. die Industrie. Derartige Beschäftigungsverhältnisse sind sehr häufig bei Reiseveranstaltern und im Destinationsmanagement anzutreffen, weniger in der Hotellerie und selten in der Gastronomie. Wie die Auswertung des Statistischen Bundesamtes zeigt, gibt es nicht nur im Kern der Tourismuswirtschaft berufliche Möglichkeiten. Eine tou‐ ristische Ausbildung oder noch mehr ein tourismuswissenschaftliches Studium eröffnen die Möglichkeit, bei vielen anderen Arbeitgebern, in der <?page no="14"?> Auswertung bei Dienstleistungen angesiedelt, spannende Beschäftigungs‐ verhältnisse zu finden. Hier sollen exemplarisch einige Möglichkeiten aufgelistet werden: ● in Verwaltung (Kommunen, Ministerien) oder im Regionalmanagement, ● in der Forschung, gelegentlich mit Promotionsmöglichkeiten verbun‐ den, ● in der Beratung, es gibt einige größere Beratungsgesellschaften und viele kleinere, spezialisierte Büros, ● in Verbänden, alle Teilbranchen und die Tourismuswirtschaft als Ganzes sind in Verbänden zusammengeschlossen, ● bei den Industrie- und Handelskammern, ● im Journalismus, z.-B. als Reisejournalist, ● in den Geschäftsreiseabteilungen großer Unternehmen/ Konzerne au‐ ßerhalb der Tourismusbranche (Business Travel) und ● bei Dienstleistern für die Tourismuswirtschaft. Besonders breit sind die Dienstleister gefächert. Dort ist in der Regel sehr spezifisches Fachwissen vorhanden (z. B. in der IT-Branche oder bei Werbeagenturen), das jedoch nicht immer die spezifischen Anforderungen der Tourismuswirtschaft abdeckt. espresso-Verständnis | Werbeagenturen werden beispielsweise von touristischen Betrieben intensiv genutzt. Kommunikation ist eine wichtige Funktion im Tourismus. Hier spielt klassische Werbung im‐ mer noch eine Rolle; aber Internet und Social-Media-Agenturen sind mittlerweile wesentlich wichtiger. Doch nicht jeder „Werber“ kann auch Tourismus. Das spezifische Wissen der Tourismusbranche ist dort oft sehr hilfreich. Das gilt z. B. sogar für Architekten. Gebäude zu gestalten, zu planen und deren Statik zu berechnen ist deren Kern‐ kompetenz. Doch wie sind z. B. Hotels oder Flughäfen zu gestalten, welche funktionalen Zusammenhänge sind bei der Konzeption einer derart spezifischen Immobilie zu beachten - dies wissen vielfach dann doch eher die Touristiker. Umgekehrt gibt es im Tourismus zahlreiche Beschäftigungsmöglichkeiten für Menschen mit einer Ausbildung oder einem Studium außerhalb der 14 espresso-Warm-up: Arbeiten im Tourismus <?page no="15"?> Tourismuswirtschaft. Aus den Bereichen BWL - insbesondere Marketing, Controlling und Finanzen, HR-Management oder IT - werden immer Fach‐ kräfte benötigt. Die Tourismusbranche bietet auch die Chance, selbst Arbeitgeber werden zu können. In der Hotellerie oder Gastronomie geht das relativ einfach. Auch als spezialisierter Reiseveranstalter gibt es Chancen, selbstständig Nischen zu besetzen. Viele junge Menschen träumen von einer Influencer-Karriere. Als Reiseblogger könnte auch das im Tourismus realisiert werden. Dennoch sollte der Schritt in die Selbstständigkeit nicht ohne Fachwissen und wirtschaftliche Kenntnisse vollzogen werden. Die Industrie- und Handels‐ kammern sowie die Fachverbände (z.-B. DEHOGA) bieten für die Existenz‐ gründung zahlreiche Hilfestellungen an. Oft sind es im Tourismus nicht die klassischen ökonomischen Herausforderungen, sondern auch zahlreiche juristische Aspekte, die bei einer Selbstständigkeit berücksichtigt werden müssen. Tourismus ist also ein weites Feld mit vielen interessanten beruflichen Perspektiven. Oft ergeben sich berufliche Möglichkeiten dort, wo sie zu‐ nächst nicht zu vermuten waren. Wichtig ist aber: Ein qualifizierter Einstieg, entweder über eine spezifische Ausbildung, eine Weiterbildung und/ oder ein Studium sind immer noch wesentliche Erfolgsfaktoren für eine persönliche Karriere im Tourismus (… und drum herum). espresso-Warm-up: Arbeiten im Tourismus 15 <?page no="17"?> 1 Tourismus - eine Einführung espresso-Wissenscheck | https: / / narr.kwaest.io/ s/ 1282 espresso-Keywords | Alltagsraum, Akkulturation, Ausflüge, Bezugs‐ rahmen, Covid-19-Pandemie, Demografie, Geschäftsreisen, Gesell‐ schaft, Kultur, Leistungsbündel, Lobbying, Markt, Natur, Organisation, Reisen, Reiseveranstalter, Tagesreisen, Technologie, Tourismuspolitik, Tourismuswirtschaft, Verbraucherschutz, Wissenschaft 1.1 Entwicklung Seit die Menschen sesshaft geworden sind, haben sie auch Reisen unternom‐ men. Archäologische Befunde z. B. bei Stonehenge belegen den Austausch von Gütern und damit das Reisen der Menschen seit vielen tausend Jahren. Erste konkrete Belege eines Tourismus, bei dem es der Nachfrage entspre‐ chende Angebote gibt, liefern die Olympischen Spiele von 770 v. Chr. Der Römische Straßenbau erleichterte das Reisen und die aufkommende Badekultur in den beheizten Thermen lieferte gesundheitstouristische Möglichkeiten. Im Mittelalter entwickelte sich diese Kultur zurück und erst im 18. Jahrhundert kommt das Reisen zumindest bei Adligen und Dichtern wieder in Mode. Einen ersten großen Entwicklungsschub lieferte im 19. Jahrhundert die Dampfmaschine, genauer die Eisenbahn. Es entstanden neue Verbindungen, die es größeren Menschenmengen leichter machten, zu reisen. Dasselbe Phä‐ nomen beobachten wir noch heute, wenn Fluggesellschaften neue Relationen installieren, werden auch heute neue Reiseziele erreichbar. Tourismus entsteht. Das 20. Jahrhundert ist von einem stetigen Auf und Ab geprägt. Beide Weltkriege brachten den Tourismus weitestgehend zum Erliegen. Danach, in den 1950er-Jahren, entstand die Sehnsucht nach dem Süden. Angetrieben wohl auch durch die Schlager der Zeit, wollten immer mehr Menschen nach Italien oder Spanien. In den 1960er-Jahren nahm die Entwicklung an Tempo zu. Mallorca wurde touristisch erschlossen, die großen Reiseveranstalter entstehen und Tourismus entwickelt sich bis in die 1980er-Jahre zu einem globalen Massenphänomen. <?page no="18"?> 770 v. Chr. Olympische Spiele (Sporttourismus) Römisches Reich Ausbau des Straßennetzes und des Bäderwesens (Geschäftstourismus, Gesundheitstourismus) Mittelalter Verfall des Straßennetzes Wallfahrer, Händler und Handwerker, Entdeckungsreisen 18. Jahrhundert Bildungsreisen junger Aldiger 1793 Gründung des ersten deutschen Seebades Heiligendamm Reisen der Dichter u. Denker Industrialisierung Dampfschifffahrt und Eisenbahn, Grandhotels, Erholungsansprüche der Arbeiter entstehen Drang „ins Grüne“ zu reisen nimmt zu 1841 Erfindung der Pauschalreise durch Thomas Cook 1891 Erste moderne Kreuzfahrt von Albert Ballin , um im Winter nicht genutzte Schiffe wirtschaftlich zu betreiben Beginn des 20. Jahrhunderts Gründung von Fremdenverkehrsvereinen erste Jugendherberge 1914-1945 Niedergang durch Weltkriege 1950er-Jahre Sehnsucht nach Italien, Professionalisierung des Tourismus, Charter- Flugverkehr und „Erschließung“ Mallorcas 1960er-Jahre Entstehung der großen Reiseveranstalter Gründung der TUI 1980er-Jahre Globalisierung des Tourismus Aufkommen des Massentourismus Reisen werden immer billiger 2000er-Jahre nichts ist unmöglich (z. B. Weltraumflüge) extrem individualisierte und kommerzialisierte Nischenangebote 2019-2021 Corona-Schock weltweit fast völliger Zusammenbruch der Branche massive staatliche Hilfen ab 2022 Branche orientiert sich nach Corona Nachhaltigkeit gewinnt an Bedeutung Herausforderungen durch Digitalisierung Abb. 1: Eckpunkte der historischen Entwicklung des Tourismus | [1] 18 1 Tourismus - eine Einführung <?page no="19"?> Die bitteren Einschnitte durch die Covid-19-Pandemie brachte die Bran‐ che nicht nur zum Erliegen. Ihr wurde sogar eine Mitschuld an der raschen Verbreitung der Pandemie zugesprochen. Niemand (außer Epidemiologen) hat mit einem derart heftigen und allumfassenden Einbruch durch einen sich rasch verbreitenden Virus gerechnet. Abwanderung der Arbeitskräfte in andere Branchen, drastischer Rückgang der Studienimmatrikulationen, Insolvenzen sind einige der Folgen der Pandemie. Nach der Covid-19-Pandemie erholte sich die Branche teilweise sehr schnell. Aber Tourismus ist anders als zuvor. Tourismus ist spontaner geworden. Nachhaltigkeit gewinnt bei den Anbietern an Bedeutung. Ob das von den Nachfragern honoriert wird oder ob billige Preise doch stärker locken, bleibt abzuwarten. Die größte Herausforderung der Zeit sind fehlende Fachkräfte und die zunehmende Digitalisierung. Kann Künstliche Intelligenz Gastfreundschaft ersetzen? 1.2 Reisen als Kernbestandteil des Tourismus Nur Menschen können reisen. Güter werden transportiert. Der in den Medien oft verwendete Begriff des Abfalltourismus, wenn Abfälle von Deponie zu Deponie transportiert werden, ist insofern als schlechte Meta‐ pher zu verstehen. espresso-Wissen | Reisen Reisen sind vorübergehende Ortsveränderungen, die stets an ihren Ausgangspunkt zurückführen. Der Reisende bewegt sich im Raum. Er verlässt seinen gewöhnlichen Aufenthaltsbereich, seinen Alltagsraum. Manche Forscher haben versucht, diese Bewegung im Raum an bestimmte Mindestentfernungen zu koppeln. Allein die Tatsache, dass es keine Einigung auf ein bestimmtes Maß gibt, zeigt, dass sich das Verlassen des Alltagsraums mehr im Kopf des Reisenden abspielt als messbar auf einer Landkarte. Auch die zeitliche Dimension des Reisens sollte bestimmte Mindestzei‐ träume nicht unterschreiten. So wurde viele Jahrzehnte daran festgehalten, 1.2 Reisen als Kernbestandteil des Tourismus 19 <?page no="20"?> 2 Bieger 2006, 47; Krüger 1995, 1. dass Reisen im Tourismus mindestens 24 Stunden dauern mussten. Erst seit wenigen Jahren hat die Wissenschaft und die Praxis akzeptiert, dass auch Tagesreisen und Ausflüge zum Tourismus hinzugehören. Geschäftsreisen zählten ursprünglich ebenfalls nicht zum Tourismus, genauso wie Reisen, die nicht ins Ausland gingen. Heute ist es selbstver‐ ständlich, sowohl Geschäftsals auch Freizeitreisen innerhalb eines Staates dem Tourismus zuzuordnen. 1.3 Vom Reisen zum Tourismus Es ist gar nicht einfach, zu unterscheiden, ob nun „nur“ eine Reise vorliegt oder ob tatsächlich von Tourismus gesprochen werden kann. Reisen sind zwar der Kern des Tourismus, aber nicht jede Reise ist zugleich Tourismus. Bei den Olympischen Spielen um 770 v. Chr. sprechen viele Forscher tatsächlich von Sporttourismus. 2 Offenbar hat es neben den Reisen der Teil‐ nehmer und der Gäste auch dafür passende Angebote gegeben: Unterkunft, Verpflegung, Unterhaltung. Wenn also neben den Reisen der Gäste auch eine „tourismuswirtschaftliche“ Infrastruktur vorhanden ist, dann wird von Tourismus gesprochen. Tourismus ist also eine Art Markt, bei der einer speziellen Nachfrage ein spezifisches Angebot gegenübersteht. espresso-Wissen | Markt Ein Markt ist das Zusammentreffen von Angebot und Nachfrage an einem realen oder virtuellen Ort. Unter dieser weitgefassten Sichtweise könnte Tourismus wie folgt definiert werden: espresso-Verständnis | Im Tourismus werden an Reisebedürfnisse po‐ tenzieller Kunden angepasste Sach- und Dienstleistungen zur freien Disposition oder gebündelt angeboten und in Anspruch genommen, die 20 1 Tourismus - eine Einführung <?page no="21"?> 3 Linne 2008, 53. 4 Kaspar 1996, 16. ihren Kristallisationspunkt immer an einem Ort oder in einem Gebiet mit natürlichen oder künstlichen Angebotsvoraussetzungen haben. 3 Eine klassische Definition des Tourismus liefert z.-B. Kaspar: espresso-Verständnis | Tourismus ist die Gesamtheit der Beziehun‐ gen und Erscheinungen, die sich aus dem Reisen und dem Aufenthalt von Personen ergeben, für die der Aufenthaltsort weder hauptsächli‐ cher und dauernder Wohn- und Arbeitsort ist. 4 1.4 Tourismus in der Wissenschaft Vor gut 100 Jahren wurde damit begonnen, das Reisen wissenschaftlich zu untersuchen und erste Definitionen des Tourismus anzustellen. Alle Ansätze setzen sich mit dem Verhalten von Menschen als Reisenden, räumlichen Dimensionen, zeitlichen Dimensionen und inhaltlichen Abgrenzungen aus‐ einander. Folglich kann die Tourismuswissenschaft als eine noch relativ junge wissenschaftliche Disziplin angesehen werden. Allerdings ist das noch immer nicht selbstverständlich. Viele Wissenschaftler gehen davon aus, dass Tourismus „nur“ eine beson‐ dere Ausprägung „ihrer“ wissenschaftlichen Disziplin ist. Das liegt z. B. daran, dass Tourismus sehr viele Beziehungen zu den unterschiedlichsten Wissenschaften hat. Dieses Buch beginnt mit einem Beispiel der Archäolo‐ gie. In der Medizin werden Reisekrankheiten erforscht. Juristen kümmern sich um das Reiserecht, Geografen um räumliche Dimensionen, die beim Tourismus eine Rolle spielen. Für Volkswirte sind makroökonomische Ef‐ fekte des Reisens relevant und für Betriebswirte die einzelbetrieblichen Fragestellungen. Das sind nur einige der Beziehungen des Tourismus zu anderen Wissenschaften. Reisen sind der spezifische Forschungsgegenstand der Tourismuswissen‐ schaft. Die sich daraus ableitenden Fragen sind so komplex, dass sie die Hilfe anderer wissenschaftlicher Disziplinen benötigen. Eine Wissenschaft des 1.4 Tourismus in der Wissenschaft 21 <?page no="22"?> Tourismus ist folglich durch eine große Multidisziplinarität gekennzeich‐ net. Beim Tourismus wird dann von so genannten Mutterwissenschaften gesprochen. 1.5 Bezugsrahmen Aus der Vielschichtigkeit der Tourismuswissenschaft leitet sich auch in der Praxis ein breit gefächerter Kanon an Bezugspunkten ab. Für viele macht gerade das den Reiz aus, eine berufliche Orientierung im Bereich des Tourismus zu finden. Gesellschaft Technologie Politik Recht Kultur Natur Tourismus Abb. 2: Bezugsrahmen des Tourismus | [2] Wir werden von der Gesellschaft beeinflusst und umgekehrt. Das gilt auch auf Reisen. Das Reisen an sich ist schon ein Wert in der Gesellschaft. In unserer westlichen, industriell geprägten Kultur wird das Reisen teilweise als gesellschaftliche Notwendigkeit angesehen. Und wir Deutschen sind - und bleiben das auch nach Covid19 - Reiseweltmeister. Eine Haupturlaubs‐ reise und viele kleinere Wochenendreisen gehören für viele Menschen zum Lebensgefühl dazu. 22 1 Tourismus - eine Einführung <?page no="23"?> 5 Kramer 1998 zit. in Schwark 2007, 286. Schon Aristoteles definierte den Menschen als „zoon politicon“, als ein Wesen, das nicht ohne Gesellschaftsbezug existieren kann. Das sehen wir in verschiedenen Formen auch im Tourismus. Gruppenreisen, Reisebekannt‐ schaften und der Austausch über das Reisen sind für uns elementar. Schließ‐ lich reden Reisende sehr gern über ihre Erfahrungen. Dabei unterscheiden sich das Treffen im Kegelclub, die Dia-Shows der 1970er-Jahre oder die Autoaufkleber nur technisch von den Posts auf Facebook, Instagram & Co: Schaut her, wo ich gewesen bin! Wir versuchen es, uns mit unseren Reiseerlebnissen gesellschaftlich zu inszenieren. Reisethemen sind in den Sozialen Medien beliebt; Reiseblogs werden intensiv gelesen. Gesellschaft verändert sich stetig. Damit sind nicht nur Moden und Trends gemeint. Der demografische Wandel (mehr ältere Menschen, älter werden ältere Menschen) kann für die Tourismuswirtschaft positiv gewertet werden. Gerade jetzt, in Zeiten, in denen die geburtenstarken Jahrgänge in Rente gehen, steht sehr viel Kaufkraft für das Reisen bereit. In Bezug zum weiten Themenkomplex der Kultur, werden Reisen als kulturelles und soziales Lernerlebnis verstanden. Aus Sicht der Kulturwis‐ senschaftler ist Reisen kulturgeprägter Genuss, demonstrativer Konsum (Bezug zur Gesellschaft) und die Aneignung der Welt. 5 Reisen bildet. Reisen fördert auch den kulturellen Austausch. Das kann jedoch auch zu kultureller Verfremdung und Veränderung führen. espresso-Wissen | Akkulturation Treffen Menschen unterschiedlicher Kulturkreise aufeinander, führt das zu gegenseitiger Beeinflussung der bisherigen Verhaltensweisen. Reisen führt zum Kontakt der Kulturen - insbesondere auf Auslandsreisen, aber nicht nur dort. Der Reisende erlebt die Kultur der Zielregion. Doch ist die immer noch authentisch oder wird uns im Zuge der Vermassung des Reisens nicht auch eine Scheinkultur vorgespielt? - Dafür müssen wir gar nicht ins Ausland reisen. In nahezu jedem Urlaubsort werden Heimatabende dargeboten und die Traditionen, Gebräuche oder Trachten der Orte präsentiert. Doch das ist in der Regel nicht mehr die gelebte, allenfalls die erinnerte Kultur. 1.5 Bezugsrahmen 23 <?page no="24"?> Schattenseiten des Reisens zeigen sich besonders im Bezugspunkt Natur. Es ist nicht nur der Schadstoffausstoß, der durch Reisen verursacht wird, auch die Naturräume selbst leiden unter zu viel Tourismus (Skigebiete, Tauchriffe etc.). Fehlentwicklungen des Massentourismus sind nicht zu übersehen. Die Verantwortung der Menschen im Tourismus zeigt sich in Überlegungen zur Nachhaltigkeit von Reisen und in Formen des sanften Tourismus. Natur im weiten Sinn ist als Standortfaktor Auslöser für Reisen: das Meer mit den Stränden, Berge, Seen, Flüsse. Für den Tourismus wird fast zwangsläufig in die Natur eingegriffen. Es werden Wege gebaut, Schilder aufgestellt oder Aussichtsplattformen errichtet, um die Natur zu erleben oder genauer: um Naturerlebnisse zu inszenieren. Für die touristische Infrastruktur werden viele Flächen verbraucht: Verkehr, Unterkunft, Gas‐ tronomie, Unterhaltung. Im Tourismus wird mittlerweile immer häufiger Natur nachgebaut um sie als künstliche Erlebniswelt besser konsumierbar zu machen. Natur und Tourismus - das muss kein Konfliktthema sein. Ein verantwor‐ tungsbewusster Umgang ermöglicht z. B. auch in Schutzgebieten gezielten Tourismus. Schutzgebiete steigern die Wertigkeit der Natur aus touristischer Sicht. espresso-Wissen | Nationalparktourismus Gerade in ausgewiesenen Nationalparks kann ein besonders anspruchs‐ volles Naturerlebnis generiert werden. Auf ausgewiesenen Wegen kön‐ nen Highlights besonders gut gesehen werden. Aussichtpunkte und Fotostopps unterstreichen das und lenken so die Besucher gezielt durch die Nationalparks. Mit Ausstellungsräumen und interaktiven Medien lassen sich die Besonderheiten des Gebiets darstellen. So kann es gelingen, Verständnis zu schaffen und zur Umweltbildung beizutragen. Technologien begeistern die Menschen. Wer kennt nicht die faszinieren‐ den die Romane von Jules Vernes, Frank Schätzing oder Marc Elsberg. Tech‐ nikglaube ist eng mit Fortschrittsdenken verbunden und mit der Hoffnung auf eine bessere Welt verknüpft. Technologische Entwicklungen begleiten den Tourismus seit Anbeginn. Deutlich wird das an der Entwicklung der Verkehrsmittel. Die Dampflok 24 1 Tourismus - eine Einführung <?page no="25"?> 6 🔗 https: / / www.hishotelgroup.com/ en/ . brachte für die Tourismusbranche einen riesigen Schub. Wo Bahnhöfe entstanden, entwickelte sich auch der Tourismus. Heute ist es die Fliegerei, die den Tourismus entstehen lässt. Werden ferne Reiseziele von Fluggesell‐ schaften als lohnendes Ziel erkannt, dann kann sich heute wie von 150 Jahren der Tourismus um die Verkehrsinfrastruktur herum entwickeln. Der Schiffsbau faszinierte die Reisenden bis hin zu dem Irrglauben, es sei möglich, Schiffe zu konstruieren, die nicht untergehen können. Heute konstruieren wir immer größere Kreuzfahrtschiffe, erschaffen künstliche Inseln und bieten sogar touristische Weltraumflüge an. Die technologische Entwicklung scheint unaufhaltsam zu sein. Das Telefon, die Postkarte oder das Smartphone - immer sind Reisende bestrebt, modernste Technologien der Kommunikation zu nutzen. Viele Prozesse werden im Tourismus zunehmend digitalisiert: Hotelbu‐ chungen, Check-in und Check-out mittels Smartphone, Chatbots für Kun‐ denanfragen, Beacons um digitale Stimulierungen auf das Smartphone einzuspielen, virtuelle Rundgänge oder 3D-Animationen sind heute fast ebenso normal wie Serviceroboter im Restaurant oder an der Bar. So können touristische Betriebe effizienter wirtschaften, Personal kundenori‐ entierter einsetzen und den Energieverbrauch sukzessive reduzieren. Technik kann selbst zum Erlebnis, zum touristischen Produkt werden. Technikmuseen, Erlebniswelten der Automobilhersteller, UNESCO-Welter‐ bestätten, historische technische Errungenschaften, Technik Messen u. v. m. können auch als Reiseanlass dienen. espresso-Wissen | Technikgläubigkeit Wie fatal der Glaube an Technik wirkt, können wir am Untergang der Titanic nachvollziehen, einem Schiff, das für unsinkbar gehalten wurde. Wie wirkt es auf den Gast, wenn Menschen zunehmend durch Roboter ersetzt werden? Die japanische Hotelkette Henn na Hotels setzt an den Rezeptionen nur Roboter ein, die entweder in menschlicher Gestalt oder als Dinosaurier daherkommen und den Check-in- und Check-out-Prozess autonom durchführen können. 6 Wie Künstliche Intelligenz im Tourismus eingesetzt wird - diese spannende Entwicklung beginnt gerade erst richtig. 1.5 Bezugsrahmen 25 <?page no="26"?> Das Rechtssystem stellt den Rahmen unserer Gesellschaft und unserer Wirtschaft dar. Das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) ist neben dem Grundge‐ setz eine wesentliche Säule unseres Rechtssystems. Im BGB werden im 3. Kapitel Verbraucherverträge näher geregelt. Einen besonderen Regelungs‐ bedarf sieht das BGB für den Pauschalreisevertrag: § 651 a bis y. Dem Gesetzgeber ist es wichtig, den Verbraucher besonders zu schützen; denn Reiseverträge sind äußerst komplexe Rechtsgebilde. espresso-Wissen | Verbraucherschutz Verbraucherschutz besteht aus gesetzlichen Regelungen, um die Stel‐ lung des Konsumenten gegenüber den mächtigeren Unternehmen und ihren Taktiken zu stärken. Der § 651a verpflichtet Unternehmer dem Reisenden die Pauschalreise zu verschafften, also so wie angeboten auch zu leisten. Der Reisende ist ver‐ pflichtet, den vereinbarten Reisepreis zu zahlen. Das klingt zunächst einfach. Doch was ist eine Pauschalreise? Wenn ein Unternehmer mindestens zwei verschiedenartige Reiseleitungen für dieselbe Reise zusammenstellt, egal ob dies auf Wunsch des Kunden oder für den Kunden frei disponierbar statt‐ findet, liegt eine Pauschalreise vor. Der Unternehmer ist dann automatisch Reiseveranstalter. Wird also zu einem Hotelaufenthalt ein passender Flug verkauft, liegt gem. § 651a eine Pauschalreise vor. Von der Pauschalreise ausgeschlossen sind Reiseverträge, die keine Über‐ nachtung enthalten, weniger als 24 Stunden dauern und deren Reisepreis unter 500€ liegt. Ebenfalls nicht als Pauschalreise gelten Verträge, in denen eine Reiseleistung (z. B. Hotel) mit einer anderen Leistung (z. B. Schiffsan‐ reise) kombiniert wird, deren Anteil am Gesamtwert jedoch weniger als 25 % ausmacht. Tourismuspolitik ist - wie der Tourismus überhaupt - nicht grundsätz‐ lich ein abgeschlossenes Teilgebiet der Politik. Viele Bereiche der Politik tangieren den Tourismus: Verkehrspolitik, Wirtschaftspolitik, Währungs‐ politik, Umweltpolitik etc. Tourismuspolitik findet in Parteien statt. Die Parteien haben tourismuspolitische Sprecher. In Ministerien gibt es ein Tourismusreferat (z. B. in Deutschland) oder gar ein Tourismusministerium (z. B. Spanien). In der parlamentarischen Verwaltung kann es auch einen Tourismusausschuss geben (z. B. im Deutschen Bundestag). Um der Politik 26 1 Tourismus - eine Einführung <?page no="27"?> 7 🔗 https: / / www.unwto.org/ . 8 🔗 https: / / european-union.europa.eu/ institutions-law-budget/ institutions-and-bodies / types-institutions-and-bodies_de. ein Gegengewicht zu stellen, haben sich viele Unternehmen im Tourismus zu Verbänden (siehe Organisationen der Tourismuswirtschaft) zusammen‐ geschlossen. Lesetipp | Ralf Bochert und Ralf Vogler gehen in ihrem Buch detailliert auf die Tourismuspolitik ein. Tourismuspolitik findet auf internationaler Ebene statt. Bei den Vereinten Nationen gibt es eine Sonderorganisation für Tourismus, die Welttouris‐ musorganisation. 7 In der Europäischen Union findet Tourismus gleich auf verschiedenen Ebenen statt, z. B. als Ausschuss im Europäischen Parlament oder als Referat in der Europäischen Kommission. 8 In Deutschland findet Tourismuspolitik auf Bundes-, Landes-, Kreisebene und in den Orten statt. Auf Bundesebene ist das Ministerium für Wirtschaft und Klimawandel federführend. Neben zwei Referaten im Ministerium gibt es einen Koordinator für Tourismus, der Mittler zwischen der Politik und Tourismuswirtschaft ist. Der Tourismusbeirat setzt sich aus Vertretern der Tourismusunternehmen und -verbände zusammen und berät den Bundeswirtschaftsminister und den Koordinator der Bundesregierung für Tourismus. Dem Deutschen Bundestag ist ein Ausschuss für Tourismus angegliedert. Ähnliche, jedoch schlankere Strukturen gibt es auch auf Landesebene. 1.5 Bezugsrahmen 27 <?page no="28"?> Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz Referat VII D 2 für Internationale Tourismuspolitik/ Reisewirtschaft Referat VII D 3 für Tourismuswirtschaft Deutscher Bundestag Ausschuss für Tourismus Organisationen der Tourismuswirtschaft Beirat für Tourismus Deutsche Bundesregierung Koordinator für Tourismus Abb. 3: Institutionen der Tourismuspolitik der Deutschen Bundesregierung | [3] In den touristisch orientierten Orten gibt es häufig einen Tourismusausschuss, in dem die lokalen Belange des Tourismus behandelt werden. In der Verwal‐ tung kann es eine Abteilung oder ausgegliedert einen Eigenbetrieb oder eine Eigengesellschaft geben, die sich um die Entwicklung des Tourismus‐ standort (Destinationsmanagement) kümmern. Der Tourismusausschuss ist zugleich das Kontrollorgan dieser kommunalen Tourismusbetriebe. 1.6 Organisationen der Tourismuswirtschaft Die Unternehmen bzw. die Leistungsträger der Tourismuswirtschaft haben sich in sehr vielen verschiedenen Vereinen und Verbänden zusammenge‐ 28 1 Tourismus - eine Einführung <?page no="29"?> schlossen. Diese Organisationen der Tourismuswirtschaft bündeln die Inter‐ essen der Mitglieder und vertreten sie in der Öffentlichkeit und gegenüber der Politik. Dieses Lobbying ist im legitimen Rahmen und den politischen Strukturen (→ Tourismusbeirat) entsprechend ein gängiges Mittel, um den politischen Entscheidungsträgern die Belange der Tourismuswirtschaft zu erläutern. Alle Verbände hier vorzustellen ist nicht möglich. Die folgende Abbil‐ dung liefert einen Überblick über die wesentlichen Organisationen der Tourismuswirtschaft. Auslandsvertretungen Marketingkooperationen DZT BTW DTV DHV DRV DEHOGA RDA Tourismusorte Heilbäder, Kurorte Reisebüros Betriebe des Gastgewerbes Förderer Landes- Marketinggesellschaften andere Verbände touristische Unternehmen Landesorganisationen Landesverbände Landesverbände Landesverbände regionale Verbände regionale Verbände regionale Verbände regionale Organisationen Abb. 4: Organisationen der Tourismuswirtschaft | [4] 1.7 Die Tourismuswirtschaft Zum Tourismus gibt es viele Zugänge. Ein wesentlicher erfolgt über die Wirtschaft bzw. die Wirtschaftswissenschaften. Zunächst lässt sich eine Gliederung zwischen der Volks- und Betriebswirtschaft vornehmen. Inner‐ halb der Betriebswirtschaft ist es üblich, zwischen einer institutionellen 1.7 Die Tourismuswirtschaft 29 <?page no="30"?> (wer? ) und einer funktionalen (was, wie? ) Ebene zu unterscheiden. Das ist so auch im Tourismus möglich. Wir kennen als Träger z. B. Hotelbetriebe (wer? ), die Werbung (was? ) als Tätigkeit für sich machen müssen. Im Tourismus empfiehlt es sich, noch eine dritte Ebene einzufügen. Auf der dritten Ebene wird zwischen verschiedenen Themen unterschieden. So gibt es z. B. Wellnesshotels, Radlerhotels, Wanderhotels u. v. m. So zeigt sich, wie sich die Tourismuswirtschaft in viele Teilmärkte aufgliedert. Tourismuswirtschaft ist der Teil der Wirtschaft, bei dem nach Trägern (Institutionen), Tätigkeiten (Funktionen) und Themen (Märke) differenziert, den Reisebedürfnissen der Kunden entsprechende Leistungen angeboten werden. Träger Tätigkeiten Themen Finanzierung Beschaffung Marketing Personal u. A. Natur Kultur Gesundheit Sport u. A. Abb. 5: TTT-Gliederung der Tourismuswirtschaft | [5] Hier steht die zunächst Angebotsseite im Vordergrund. Die Abbildung stellt die drei Ebenen des touristischen Angebots - Träger, Tätigkeiten und Themen - dar. Jeder Teil einer Ebene kann für sich betrachtet werden. Jedoch wird erst in den Schnittpunkten die konkrete Handlungsoption deutlich. Ein Beispiel: Ein Reiseveranstalter (Träger) hat sich auf Sportreisen (Themen) spe‐ zialisiert und beschafft (Tätigkeit) für sein künftiges Angebot neue, passende Hotelkapazitäten. 30 1 Tourismus - eine Einführung <?page no="31"?> Das touristische Angebot setzt sich immer aus mehreren Leistungen der verschiedener Träger zusammen. Die Basis des Angebots bilden stets die Orte. Dort sind Beherbergungsangebote ebenso wie gastronomische Angebote und ein gewisses Maß an Unterhaltungsmöglichkeiten (z. B. Sehenswürdigkeiten, Freizeitpark etc.) erforderlich. Dieses Prinzip der Leistungsbündeldung macht das touristische Angebot zu einem eigen‐ ständigen Wirtschaftsgut, das dem speziellen Forschungsgegenstand der Reise (Nachfrage) gegenübersteht. 1.7 Die Tourismuswirtschaft 31 <?page no="33"?> 2 Träger der Tourismuswirtschaft espresso-Wissenscheck | https: / / narr.kwaest.io/ s/ 1283 espresso-Keywords | Alleinstellungsmerkmal, Beherbergung, Destina‐ tionen, Destinationsmanagement, Eigenbetrieb, Eigengesellschaft, Functional Split, Hospitality, Konzerne, Künstliche Intelligenz, Marke, Modal Split, Overtourism, Personal, Property-Management-Systeme, Raumüberbrückung, Reisemittler, Reiseveranstalter, Servicekette, Ver‐ kehrsunternehmen, Wertschöpfung, Yield-Management, Zielgebiets‐ marken Im Tourismus sorgen viele verschiedene Unternehmen und öffentliche Einrichtungen, ja sogar der öffentliche Raum, dafür, dass Reisen als Gesamt‐ ergebnis wahrgenommen werden. Das Prinzip der Leistungsbündelung bestimmt somit das Wesen des Tourismus. Nicht jedes Unternehmen, das vom Tourismus profitieren kann, wird auch vom Reisegast direkt als Teil des Tourismus gesehen. Es gibt viele Betriebe, die indirekt am Tourismus teilhaben. Der örtliche Bäcker liefert z. B. die Brötchen für das Hotelfrühstück. Der Malermeister des Ortes sorgt für frische Farben in der Touristinfo. espresso-Wissen | Wertschöpfung Die Wertschöpfung im Tourismus untergliedert sich in eine direkte, erste Stufe und eine indirekte, zweite Stufe. Die Wertschöpfung be‐ schreibt die Einkommenseffekte, die durch die Tourismuswirtschaft entstehen. Die für den Gast wahrnehmbaren Leistungen der Tourismusbetriebe bestim‐ men in der Summe das Reiseerlebnis. Es setzt sich zusammen aus dem Ort (als Reiseziel), den Beherbergungsleistungen, der Gastronomie, dem Unterhaltungsangebot aber auch aus den Empfehlungen im Reisebüro und/ oder den Leistungen eines Reiseveranstalters. Auch wenn es nicht immer <?page no="34"?> einen geregelten Ablauf dafür gibt, so können diese Leistungsteile doch als Servicekette in einem idealtypischen Ablauf beschrieben werden. Für fast alle touristischen Angebote können spezifische, idealtypische Serviceketten ermittelt, analysiert und optimiert und das Gesamterlebnis für den Gast verbessert werden. Das ist ein Teil des Qualitätsmanagements im Tourismus. espresso-Wissen | Serviceketten Serviceketten sind chronologische bzw. sachlogische Abläufe des touris‐ tischen Konsums. Sie dienen der Analyse von Schwachstellen, insbeson‐ dere beim Übergang von einem zum anderen Träger der touristischen Leistung. Reservierung Ankunft Check-in Zimmerbezug Aufenthalt Check-out Abreise Nachbetreuung vor Ort Abb. 6: Vereinfachte Darstellung einer Servicekette | [6] 34 2 Träger der Tourismuswirtschaft <?page no="35"?> In den folgenden Abschnitten werden nun einige wesentliche Träger der touristischen Leistung dargestellt. Das ist nur eine knappe Auswahl. Die Fülle der direkt und indirekt im Tourismus tätigen Akteure kann hier nicht abgedeckt werden. 2.1 Destinationen Destinationen sind die Urlaubsziele der Reisenden. Es gibt kein bestimmtes Maß, was oder wie groß eine Destination sein muss. Eine Destination kann eine Insel (z. B. Sylt) oder ein ganzer Staat (z. B. USA) sein. Eine Destination kann Teil einer Stadt sein (z. B. Reeperbahn in Hamburg) oder mehrere Städte (z. B. in Form einer Rundreise) umfassen. Entscheidend ist, was der Reisegast erwartet! espresso-Verständnis | Destinationen entstehen in den Köpfen der Verbraucher. Geografische Orte (oder Bereiche) bilden die naturräumliche Basis, um weitere touristische Angebote entstehen lassen zu können. Trotzdem hat nicht jeder Ort das Potenzial, als Destination wahrgenommen zu werden. Es sind bestimmte Angebotsvoraussetzungen zu erfüllen, die sich aus Besonderheiten (z.-B. Alleinstellungsmerkmal) ableiten lassen: ● natürliche Angebotsvoraussetzungen: ○ geografisch - z.-B. Meer und/ oder Strand, Berge, Seen etc., ○ klimatisch - z.-B. Reizklima, Sonnenschein, Schnee etc. ● künstliche Angebotsvoraussetzungen: ○ real - z. B. Freizeiteinrichtungen, Schiff, Klubanlagen, Hafenanla‐ gen, künstliche Erlebniswelten etc., ○ virtuell - z.-B. Images, historische und kulturelle Faktoren. Die Geschicke einer Destination werden vom Destinationsmanagement gesteuert. Hier liegt die Verantwortung, die Destination wie eine Marke zu führen und zu entwickeln. 2.1 Destinationen 35 <?page no="36"?> espresso-Wissen | Zielgebietsmarken Destinationen sollten als touristische Zielgebietsmarken aufgefasst werden. Das Destinationsmanagement kann verschiedene Rechtsformen annehmen. Eine Destination-Management-Organisation (DMO) kann von der Kom‐ mune betrieben werden: ● als interne Abteilung einer Kommunalverwaltung (Amt), ● als Eigenbetrieb einer Kommune (z.-B. Kurverwaltung), ● als Eigengesellschaft einer Kommune (z.-B. XYZ Tourismus GmbH). Destinationsmanagement kann aber auch in verschiedenen privatwirt‐ schaftlichen Rechtsformen (vom Verein, GmbH oder Aktiengesellschaft) geführt werden, bei denen sich dann auch wiederum Kommunen neben privaten Investoren beteiligen können. Wichtige Aufgaben des Destinationsmanagements: ● Führung der Destination als strategische Einheit im Sinne einer Marke (Destination Governance mit Moderation und Networking), ● Finanzierung der eigenen Aufgaben, durch ○ Fördermittel, ○ Eigenanteile der Träger, ○ Steuern und Abgaben (z.-B. Kurtaxe) und ○ eigene Umsatzerlöse, ● Werbung für die Destination, ● Koordination des Angebots der eigenständigen Träger touristischer Leistungen, ● Ergänzung des Angebots z.-B. durch Veranstaltungen, ● Beratung und Information der Gäste sowie ggf. auch der Vertrieb von Leistungen der örtlichen Anbieter, Betrieb einer Tourismusinformati‐ onsstelle und ● Betrieb öffentlicher Einrichtungen (Bäder, Parks etc.). Die Herausforderungen im Destinationsmanagement sind groß. Die Aufga‐ ben sind komplex. Die konkreten Gestaltungsmöglichkeiten sind jedoch eher gering. Die Verantwortung für die jeweiligen Angebote (Beherbergung, Gastronomie, Freizeit etc.) liegt bei den einzelnen Anbietern. Das Destinati‐ onsmanagement kann hier nur koordinierend, kooperativ und überzeugend 36 2 Träger der Tourismuswirtschaft <?page no="37"?> wirken. Dennoch liegt die Verantwortung für die erfolgreiche Entwicklung der Destination beim Destinationsmanagement. Das führt nicht selten zu Spannungen zwischen der DMO und den lokalen Leistungsträgern. Aber genau in dieser Spannung liegt auch der Reiz des Destinationsmanagements. Lesetipp | Mehr über Destinationsmanagement erfahren Sie in dem Buch von Albrecht Steinecke und Marcus Herntrei. Destinationen sind in Tourismusverbänden zusammengeschlossen. In jedem Bundesland gibt es einen so genannten Landestourismusverband. Auf Bun‐ desebene gibt es den Deutscher Tourismusverband e. V. (DTV). Hier wird einerseits politische Lobbyarbeit betrieben. Andererseits werden aber auch Qualitätsanforderungen für Träger touristischer Leistungen definiert, so genannte Klassifizierungen. espresso-Wissen | Deutscher Tourismusverband e.-V. Auf der Website des DTV können Sie sich über die Leistungen des Verbandes informieren: 🔗 -www.deutschertourismusverband.de/ ♦ Experteninterview | Moritz Luft (Sylt Marketing) ▶ Welches sind auf Ihrer Sicht die wesentlichen Aufgaben des Destinationsmanagements? ▷ Das Destinationsmanagement umfasst weitaus mehr als die von vielen Organisationen fokussierte Umsetzung eines touristischen Marketings und Vertriebs. Es geht vielmehr darum, sowohl einen Beitrag zur Förderung der Wertschöpfung einer Destination zu leisten als auch zur Steigerung der Lebensqualität aller Menschen dort. Eine Destinations‐ management-Organisation (DMO) fungiert somit als innovativer und in Entscheidungsprozesse einer Destination integrierter Mitgestalter eines Erlebnis- und Lebensraums. ♦ Experteninterview | Moritz Luft (Sylt Marketing) 37 <?page no="38"?> ▶ Worin sehen Sie die größten Herausforderungen im Destinati‐ onsmanagement in den nächsten 10 bis 20 Jahren? ▷ Die Steigerung der Anforderungen und die Aufgabenentwicklungen einer DMO verliefen in den letzten drei Jahrzehnten derart rasant, dass dabei oftmals die Rahmenbedingungen nicht adäquat mitwuchsen. Heutzutage wird einer DMO oftmals die Rolle des Innovationsmotors und Netzwerkers mit Mandat noch nicht umfänglich zugesprochen und wichtige Ressourcen nicht zur Verfügung gestellt. Insofern wird es auf das Verständnis innerhalb der Destinationen ankommen: Inwieweit erkennen Gesellschafter, zumeist Kommunen, aber auch Stakeholder die Transformation des Destinationsmanagements und statten ihre DMO mit entsprechenden finanziellen und personellen Ressourcen aus? Innerhalb einer DMO wird es wichtig sein, das Team unter Umstän‐ den noch interdisziplinärer aufzustellen, da es nicht mehr nur darauf ankommen wird, an Herausforderungen des klassischen Tourismusma‐ nagements zu arbeiten. ▶ Kann eine Destination allein, also ohne das Umfeld, vermarktet werden? - Die Marke Sylt hat ja eine Stand-alone-Position. ▷ Sicherlich begünstigt im Fall von Sylt die eigene Markenstärke eine entsprechend autarke Marktpositionierung. Dennoch ist es im Sinne einer Optimierung vorhandener Mittel im Innenverhältnis, aber auch wirkungsvoller Sichtbarkeit im Außenverhältnis, ratsam, sich je nach Thema mit Partnern zu vernetzen. Wenn wir Sylt beispielsweise im europäischen Ausland vermarkten, dann gern und passend im Verbund der Nordsee Schleswig-Holstein. ▶ Wie ordnen Sie in der künftigen Entwicklung der Destinatio‐ nen das Thema Nachhaltigkeit ein, wobei damit nicht nur Green Travel verstanden wird? ▷ In der Tat beschränken viele Destinationen ihre Aktivitäten im Thema Nachhaltigkeit leider nach wie vor nur auf den Umweltschutz. Aber gerade die sozialen Auswirkungen des Tourismus innerhalb einer Desti‐ nation spielen eine immer größere Rolle: inwieweit kann der Tourismus das Gemeinwohl fördern, die Resonanzbeziehungen zwischen Einwoh‐ nern und Gästen, aber auch Mitarbeitenden und ihren Betrieben fördern. 38 2 Träger der Tourismuswirtschaft <?page no="39"?> Um sämtliche Wirkungen des Tourismus verstehen und auch lenken zu können, ist es für DMO ratsam, Nachhaltigkeit als fundamentale Säule ihrer Aktivitäten zu implementieren. ▶ Wie wichtig ist aus Ihrer Sicht die Digitalisierung auch mittels Künstlicher Intelligenz im Destinationsmanagement? ▷ Auf Basis eines klaren Verständnisses darüber, was eine DMO mit ih‐ ren jeweiligen Ressourcen leisten kann und welche Rolle sie einnimmt, sind digitale Lösungen entlang der sog. Customer Journey eine wir‐ kungsvolle Ergänzung. Dabei gilt je nach Themenbereich zu prüfen, ob eine DMO zwingend eigene digitale Lösungen vorhalten muss, oder ob nicht eher eine Fokussierung auf erfolgreiche Drittsysteme als sinnvol‐ ler erscheinen könnte (Bsp. eigenes Buchungssystem). Und auch wenn der Einsatz Künstlicher Intelligenz im Destinationsmanagement Anfang 2024 noch weit am Anfang stehen mag, so kann davon ausgegangen werden, dass es in den Bereichen der Inspiration und Information, der Vertriebsunterstützung sowie der Urlaubsbegleitung zeitnah geeignete Anwendungsmöglichkeiten geben wird. ▶ Destinationsmanagement ist auch Markenmanagement - Wie wichtig sind dafür Daten, also Besucherzahlen, Vorbuchungsda‐ ten, Wetter etc. und wie aktuell sollten diese Daten sein? ▷ Gerade um vielfach sehr limitierte finanzielle und personelle Ressour‐ cen innerhalb einer DMO wirkungsvoll einsetzen zu können, bedarf es einer guten Datengrundlage aus quantitativen Messwerten, aber auch qualitativen. Zur Optimierung einer Wertschöpfung braucht es beispielsweise mitunter werbliche Engagements zur Stimulierung der Nachfrage - insofern sind vergleichende Vorbuchungsdaten im Blick zu haben. Die Steigerung der Lebensqualität aller sich in der Destination aufhaltenden Menschen jedoch kann eher durch Zufriedenheitswerte gefördert werden. ▶ Und noch eine persönliche Frage, die insbesondere die Berufs‐ einsteiger interessiert: Wie wird man Destinationsmanager? ▷ In meinem persönlichen Fall fiel der Apfel nicht weit vom Stamm: Als Professor für Destinationsmanagement steckte mich mein Vater schon als Kind mit diesem Aufgabenspektrum an. Und diese Begeisterung ♦ Experteninterview | Moritz Luft (Sylt Marketing) 39 <?page no="40"?> hielt nach meiner Hotelausbildung und dem Studium der Tourismus‐ wirtschaft weiterhin an - bis heute. Seit 2006 leitet Moritz Luft als Geschäftsführer die Sylt Marketing GmbH. Zuvor folgten nach seiner Hotelausbildung und Stationen im In- und Ausland ein Tourismusstudium und Leitungsaufgaben in kleineren Destinationen. 2.2 Verkehrsunternehmen espresso-Wissen | Verkehr Verkehrsunternehmen betreiben Verkehrsmittel. Damit bieten sie Ver‐ kehrsleistungen an. Die Kunden von Verkehrsunternehmen sind Passa‐ giere. Voraussetzung dafür sind Verkehrsmedien (Land, Wasser, Luft), die Verkehrsinfrastruktur (z. B. Leitsysteme, Bahnhöfe, Häfen) sowie die Verkehrswege (z. B. Straßen, Schienenstrecken, Wasserstraßen) und Verkehrsmittel (z.-B. Busse, Schienenfahrzeuge, Schiffe). Verkehrsunternehmen spezialisieren sich i. d. R. auf bestimmte Ver‐ kehrsmittel. Luftverkehrsunternehmen werden Fluggesellschaften genannt; Wasserverkehrsunternehmen nennen sich Reedereien. Für Landverkehrs‐ unternehmen gibt es keine einheitliche Bezeichnung (Bahnunternehmen, Busunternehmen, …), weil die Verkehrsmittel zu unterschiedlich sind. 40 2 Träger der Tourismuswirtschaft <?page no="41"?> Lesetipp | Das Handbuch Tourismus und Verkehr von Sven Groß verrät alles Wissenswerte über Verkehrsunternehmen, Strategien und Konzepte. Nicht jedes Verkehrsmittel muss von einem Verkehrsunternehmen betrie‐ ben werden. Fahrräder, Autos, Segelschiffe oder Sportflugzeuge werden auch von Privatpersonen betrieben und im Tourismus eingesetzt. Das wird als touristischer Individualverkehr bezeichnet. Verkehrsmittel im Tourismus Land Luft Wasser Kreuzfahrtschiffe Ausflugsschiffe Segelschiffe Hausboote Autos Bahnen Lifte Fahrräder Flugzeuge Hubschrauber Ballone Sportflugzeuge Abb. 7: Ausgewählte Verkehrsmittel im Tourismus | [7] espresso-Wissen | Funktion im Tourismus Verkehrsunternehmen haben im Tourismus die Funktion, Gästen Reisebzw. Transportleistungen anzubieten. Sie übernehmen damit eine Raumüberbrückungsfunktion vom Alltagsraum in den touristischen Erlebnisraum. 2.2 Verkehrsunternehmen 41 <?page no="42"?> Touristische Verkehrsunternehmen erfüllen zwei wesentliche Funktionen im Tourismus: ● Transportleistungen zum und vom Reiseziel sowie ● Transportleistungen innerhalb des Reiseziels. Ohne eine qualifizierte, verlässliche und bedarfsgerechte Erreichbarkeit, kann sich kaum eine profitable Tourismuswirtschaft in den Reisezielen etablieren. Das galt vor 150 Jahren, als Bahnnetze die Regionen erschlossen haben ebenso wie heute mit Schifffahrts- und Fluglinien. Auch wenn die Destination das Ziel bzw. der Kern der Reise ist, so sind die Verkehrsmittel wie Gatekeeper zu betrachten. Bei den Transportleistungen innerhalb des Reiseziels sind bestimmte Angebotsformen besonders häufig (Beispiele): ● Erlebnisfahrten: ○ Bootsfahrten mit Ausflugsschiffen und ○ Stadtrundfahrten mit Bussen. ● Zweckfahrten: ○ öffentlicher Personennahverkehr (ÖPNV) und ○ individuelle Verkehrsangebote (z.-B. Taxis). Der Erfolg von Verkehrsunternehmen hängt maßgeblich vom Angebot der Verbindungen ab. So ist es nicht egal, ob eine Fluggesellschaft ihre Flüge z. B. ab Hamburg oder ab Lübeck anbietet. Auch bei Ausflugsschiffen hängt der Erfolg von den angebotenen Touren ab. Der Standort des Unternehmenssit‐ zes hat keinen wesentlichen Einfluss auf den Erfolg, wohl aber der Standort der Verkehrsinfrastruktur. Je mehr Verkehrsmittel ein Konsument benötigt, um sein Reiseziel zu erreichen, desto schlechter lassen sich solche Angebote verkaufen. Der Gast erwartet einfache, bequeme Strukturen. espresso-Wissen | Modal Split Die Kombination mehrerer Verkehrsmittel im Tourismus wird als Modal Split bezeichnet. Alle Verkehrsunternehmen haben sich mit einem betriebswirtschaftlichen „Problem“ auseinander zu setzen. Ihre Angebote verfügen über starre 42 2 Träger der Tourismuswirtschaft <?page no="43"?> Kapazitäten. Ein Reisebus (engl.: Coach) hat z. B. 50 Sitzplätze. Der Bus kann also nicht 53 Passagiere befördern, selbst wenn es die Nachfrage dafür gäbe. Drei Passagiere können nicht befördert werden, obwohl sie bereit wären, für diese Fahrt Geld auszugeben. Wenn dieser Bus nur 15 Passagiere befördert, dann bleiben 35 Plätze unbesetzt. Das Verkehrsunternehmen kann 35-mal den Reisepreis nicht kassieren. Und diese 35 nicht verkauften Tickets können bei einer wiederholten Tour nicht zusätzlich verkauft bzw. nachge‐ holt werden; denn da steht wieder nur die Kapazität von 50 Sitzplätzen bereit. espresso-Wissen | Preise Mit einer dynamischen Preisgestaltung können Verkehrsunternehmen dem Problem starrer Kapazitäten entgegenwirken (z. B. Frühbucherra‐ batte, Saisonpreise). In der Praxis wird häufig Yield-Management (englisch für Ertragsmanagement) betrieben. Hierbei werden höchst dynamisch Preise je nach Auslastung und Nachfragesituation angepasst. Das kann man sich ungefähr wie eine Börse vorstellen. 2.3 Kreuzfahrtunternehmen Kreuzfahrtunternehmen sind spezielle Verkehrs-/ Unternehmen, die Kreuzfahrten anbieten. Eine Reederei muss nicht zwingend das Kreuzfahrt‐ unternehmen sein, denn deren Kernfunktion ist der nautische Betrieb der Schiffe. Aus touristischer Sicht ist die Veranstaltung der Kreuzfahrt relevant, und das kann von einer Reederei direkt, von einem Kreuzfahrtunterneh‐ men oder einer für bestimmte Regionen zuständigen Kreuzfahrtagentur übernommen werden. Unabhängig vom touristischen Angebot ist der Besitz der Schiffe zu sehen. espresso-Wissen | Functional Split In der Regel werden die verschiedenen Funktionen durch die Aufsplit‐ tung in verschiedene Unternehmen dargestellt. Das wird als Functional Split bezeichnet. 2.3 Kreuzfahrtunternehmen 43 <?page no="44"?> Schiffseigner Eigentum der Schiffe Betrieb der Schiffe Veranstaltung von Kreuzfahrten Verkauf von Kreuzfahrten Finanzierungsgesellschaften Reisemittler Kunde Reeder Kreuzfahrtunternehmen Kreuzfahrtagenturen Abb. 8: Anbieter im Schiffsverkehr | [8] Nicht eindeutig geklärt ist die Entstehung der Kreuzfahrt. Im deutschsprachigen Raum wird Albert Ballin die Erfindung der „modernen“ Kreuzfahrt zugeschrie‐ ben. Als junger, revolutionärer Chef der hamburgischen HAPAG musste er eine Lösung finden, damit seine Schiffe im Winter nicht ungenutzt blieben. Die Witterungsverhältnisse machten den Einsatz als Linienschiffe zwischen Deutschland (Europa) und den USA im Winter über den Nordatlantik unmöglich. Ballin entwickelte kurzerhand die Idee der programmatischen Vergnü‐ gungsreise und erfand alles, was heute noch an Bord von Kreuzfahrtschiffen üblich ist: Unterkunft mit reichlich Essen, Musik, Spiele, Landausflüge, Ka‐ pitänsdinner, Bordzeitung (heute Bord-TV) und Reportagezeichner (heute Bordfotograf). Die erste Reise auf der SMS Augusta Victoria begann am 22.1.1891 in Cuxhaven (Thema im Destinationsmanagement? ), führte durchs Mittelmeer und endete am 21.3.1891 wieder in Cuxhaven. espresso-Wissen | SMS Damit ist keine Kurznachricht gemeint. Im Kaiserreich wurden alle Schiffe als SMS „Seiner Majestät Schiff “ bezeichnet. espresso-Verständnis | Eine Kreuzfahrt ist eine Vergnügungsreise mit einem Passagierschiff, die neben dem Transport auch eine Beher‐ 44 2 Träger der Tourismuswirtschaft <?page no="45"?> bergung und Verpflegung sowie zahlreiche Unterhaltungsangebote beinhaltet. Wichtig ist die Übernachtung an Bord und dass verschie‐ dene Ziele angesteuert werden. Es steht bei der Kreuzfahrt also nicht der Transport von A nach B wie bei einer Fährfahrt im Vordergrund. Rechtlich sind Kreuzfahrten Pauschalreisen. Erfolgsfaktoren für die Kreuzfahrt sind die Routenplanung mit möglichst ungewöhnlichen Destinationen und die Größe der Schiffe mit vielen und vielfältigen Aktivitäten an Bord. Im Trend liegen auch Expeditionskreuz‐ fahrten mit kleineren Schiffen, die ungewöhnliche Destinationen besser ansteuern können als die großen Kreuzfahrtschiffe mit mehr als 6.000 Passa‐ gieren an Bord. Flusskreuzfahrten, Segelkreuzfahrten und Frachtschiffreisen sind bei den Gästen ebenfalls beliebt. Kreuzfahrtschiffe werden immer größer. Das hat primär ökonomische Gründe. Schiffe mit bis zu 9.000 Passagieren rechnen sich über die Zeit leichter als kleinere Einheiten. Kreuzfahrten stehen in der Kritik. Einerseits wird die Emission der Schiffe kritisch gesehen, auch wenn sich das je Passagier bei den größeren Fahrzeugen besser darstellen lässt. Der NABU erstellt seit einigen Jahren ein Kreuzfahrtranking, um auf die Verbrennung von Schweröl aufmerksam zu machen. Die Entwicklung neuer Schiffe wird immer weniger umweltbelas‐ tend. Schiffsantriebe werden umweltfreundlicher, Schiffsanstriche ebenso. Und im Schiffsbau kann schon mit der Rumpfform und der Propulsionstech‐ nik die Energieeffizienz des Schiffes gesteigert werden. espresso-Wissen | NABU-Kreuzfahrtranking Der Naturschutzbund Deutschland (NABU) e. V. setzt sich seit Jahren für eine saubere Kreuzfahrt ein. Die Emissionsbelastung wird teilweise mit deutlichen Bildern dargestellt. Unklar ist, ob die Berechnungen stimmen oder ob man die Kreuzfahrt auch „sauber“ rechnen kann. Denn wenn 9.000 Passagiere reisen entsteht bei jeder Reiseform eine deutliche Umweltbelastung. Machen Sie sich Ihr eigenes Bild: 🔗 https: / / www.nabu.de/ umwelt-und-ressourcen/ verkehr/ schifffahrt/ kreuzschifffahrt/ 33548.html 2.3 Kreuzfahrtunternehmen 45 <?page no="46"?> Neben der Emission wird die quantitative Belastung in den Zielhäfen kritisch gesehen, weil Kreuzfahrtgäste mit den großen, modernen Schiffen immer gleich in großer Zahl zeitlich sehr punktuell auftreten. So entstehen in den Orten zeitweise Effekte der Überlastung. espresso-Wissen | Overtourism Overtourism (Übertourismus) ist, wenn Tourismus zu viel wird. Ein genaues Maß, wann zu viele Touristen stören, gibt es nicht. Overtourism ist nicht gleichzusetzen mit Massentourismus. Letzterer ist in der Regel gewollt. Bei Overtourism ist jedoch das Gefühl des Übermaßes erreicht; die Lebensqua‐ lität der Einwohner leidet ebenso wie die Erlebnisqualität der Gäste. ♦ Experteninterview | Wybcke Meier (TUI Cruises) ▶ Vor einigen Jahren war das Schiff die Marke, so wie es die MS Europa heute noch ist. Heute steht eher der Name des Veranstal‐ ters im Vordergrund. Bei TUI Cruises hat man die Schiffe gleich durchnummeriert und sie nicht mit quasi eigenständigen Namen ausgestattet. Wenn mir Bekannte von ihrer Kreuzfahrt erzählen, waren sie mit der Mein Schiff unterwegs. Wie verkauft sich heute eigentlich die Kreuzfahrt? ▷ Bei einer Kreuzfahrt definiert das Schiff oder die Schiffe sowie die Route das Kreuzfahrterlebnis. Das Schiff steht also weiterhin im Vordergrund, denn dort verbringen die Kunden ihren Urlaub, erfahren und entdecken von dort aus die Welt. Wenn es bei Reedereien von einem Schiffstyp nur ein Schiff der Baureihe gibt, und dieses lange und erfolgreich fährt, wie die wunderbare MS Europa von Hapag-Lloyd Cruises, die als erstes Kreuzfahrtschiff, wie eine Yacht gestaltet wurde, wird der Schiffsname zur Produktmarke, ist aber gleichermaßen mit Hapag-Lloyd Cruises als Reederei verbunden. Wenn, wie in den letzten zehn Jahren geschehen, neue Schiffe in Reihe gebaut werden, gibt es einen Schiffstyp, der sich in Ausstattung und Design von Schiff zu Schiff nur minimal verändert. So geschehen bei 46 2 Träger der Tourismuswirtschaft <?page no="47"?> unserer bald sieben Schiffe umfassenden Mein-Schiff-Flotte. Das hat viele Vorteile im Betrieb und auch im Vertrieb der Schiffe und bietet dem Kunden die Sicherheit, dass das Kreuzfahrterlebnis einem Standard entspricht, die Orientierung leichtfällt. So wissen Kunden, was sie an Bord vorfinden, ganz gleich ob es eine Nordlandroute oder eine Asienroute ist. Übrigens ist die Route immer noch das Kriterium Nr. 1 bei Kunden im DACH-Markt. Und daher ist es in Ordnung, wenn von Mein Schiff, TUI Cruises oder auch einer spezifischen Mein Schiff 1 gesprochen wird. Selbiges trifft auch auf die junge Hanseatic Expeditionsflotte von Hapag- Lloyd Cruises zu. Die baugleichen Hanseatic-Schiffe, die als Hanseatic Nature, Inspiration oder Spirit über die Weltmeere fahren, stehen für ex‐ zellente Konzepte auf eleganten Schiffen. Kombiniert mit faszinierenden Routen definiert sich ein einzigartiges Kreuzfahrterlebnis. ▶ Worin sehen Sie die größten Herausforderungen der Kreuz‐ fahrt in den nächsten 10 bis 20 Jahren? ▷ Ich sehe mehr Chancen als Herausforderungen, die Kreuzfahrt hat in den letzten Jahren gerade in Deutschland immer mehr Anhänger gefunden, steht aber mit 3 Mio. Passagieren in 23 immer noch für einen kleinen Teil der rund 70 Mio. Pauschalreisenden. Neue, moderne Schiffe sind gebaut worden, das Angebot ist deutlich erweitert, so dass für jeden Geschmack und jedes Budget heute eine Kreuzfahrt möglich ist. Es ist eine bequeme Reisemöglichkeit, die für alle Kundengruppen attraktiv ist. ▶ Wie sehr wird sich die Kreuzfahrt in Richtung Nachhaltigkeit verändern? ▷ Die Kreuzfahrt ist Innovationstreiber für nachhaltigen Schiffsbetrieb in der gesamten Schifffahrt, auch wenn sie mit ihren knapp 500 Hochsee- Kreuzfahrtschiffen weltweit daran nur einen Anteil von 2 % hat. Die Nutzung von grünem Landstrom, die stetige Verbesserung der Energie‐ effizienz, der konsequenten Nutzung von Abgasnachbehandlungssyste‐ men oder Investition in moderne Antriebe, Kreislaufwirtschaft an Bord u. v. m. wird von der Kreuzfahrt getrieben. Hier wird es auch in der Zukunft keinen Stillstand geben, sondern wir werden uns konsequent weiterentwickeln und investieren. ♦ Experteninterview | Wybcke Meier (TUI Cruises) 47 <?page no="48"?> ▶ Was tut TUI Cruises bereits jetzt für eine umweltschonende Kreuzfahrt? ▷ Wir haben uns bereits bei Gründung ambitionierte Nachhaltigkeitsziele gesetzt und arbeiten konsequent an der Zielerreichung und perspektivisch an der klimaneutralen Kreuzfahrt. Unsere moderne energieeffiziente Flotte verbraucht immer weniger Treibstoff, wir setzen auf Landstrom für den Hafenbetrieb, wir optimieren Routen, wir investieren in neue Antriebe. Im Sommer 2024 werden wir die Mein Schiff 7 in Dienst stellen. Sie wird eines der ersten Kreuzfahrt Schiffe sein, was mit Methanol (synthetisch, grünen) klimaneutral betrieben werden kann. ▶ Wie wichtig ist aus Ihrer Sicht die Digitalisierung auch mittels Künstlicher Intelligenz im Kreuzfahrtmanagement? ▷ Die Digitalisierung und KI sind heute bereits im Einsatz, wenn es um die vielfältigen Prozesse geht, wie z. B. bei der Buchung, bei der Beantwortung von Kundenanfragen, bei der Planung und auch im Revenue-Management. Aufwändige Routineaufgaben können schnell gelöst werden. Wir stellen aber fest, dass die Kombination aus KI und Human-Expert die besten Ergebnisse liefert. ▶ In der Gastronomie werden immer häufiger Roboter eingesetzt als Servicekraft, für Cocktails oder zum Pizzabacken. Ist das auch ein Thema für die Kreuzfahrt? Sehen Sie in der Technisierung eine Chance? ▷ Wenn ein Roboter der Crew an Bord das Staubsaugen abnehmen kann oder Geschirr abräumt, bietet das der Crew die Möglichkeit, die Zeit für wertvollen Austausch mit den Gästen an Bord und für persönlichen Service zu nutzen. Wir hatten auch schon DJ Robots im Einsatz, das kann auch für sich allein, ein Unterhaltungsmoment sein, aber eine Kreuzfahrt bei Mein Schiff lebt vom Dialog Crew und Gast, gerade persönliche Begegnungen haben wieder an Bedeutung gewonnen und werden geschätzt. Manch‐ mal möchte der Gast aber auch einfach nur die schnelle Antwort, wo z. B. der Fitnesskurs stattfindet oder die Ankunftszeit im nächsten Hafen, hier ist eine App oder ein Digital-Concierge genauso hilfreich. 48 2 Träger der Tourismuswirtschaft <?page no="49"?> ▶ Kann so individueller Service ersetzen werden? ▷ Der individuelle Service kann unterstützt werden, wenn der Somme‐ lier schon die Weinpräferenzen des Gastes kennt, aber niemals ersetzen. ▶ Leidet die Kreuzfahrt wie andere Bereiche des Tourismus (Beher‐ bergung, Gastronomie) auch unter dem Mangel an qualifiziertem Personal oder gehört es immer noch zur Hospitality-Karriere dazu, einmal auf einem Kreuzfahrtschiff gearbeitet zu haben? ▷ Im DACH-Raum finden sich immer weniger junge Leute, die in die Hospitality-Branche gehen. Das merken auch wir, aber wir rekrutieren die Crew weltweit, bieten eigene Ausbildungen für den Hotelbetrieb oder in der Küche an. Auf jedem Schiff sind Deutschlehrer im Einsatz. Damit bieten wir attraktive Entwicklungsmöglichkeiten. Unsere Crew wird max. in 2er-Kabinen untergebracht, hat eigene Bereiche zur Ent‐ spannung und kann auch die Gastbereiche nutzen. ▶ Und noch eine persönliche Frage, die insbesondere die Berufs‐ einsteiger interessiert: Wie wird man Chef eines solchen großen Unternehmens wie TUI Cruises? ▷ Wie immer gibt es viele Wege, wenn man sich in der Branche umschaut. Ich hatte es nicht geplant, aber die Begeisterung für das Reisen, die Offenheit, Neugier, Engagement und Freude, an dem, was man tut, war mein roter Faden. Seit 2014 ist Wybcke Meier Vorsitzende der Geschäftsführung von TUI Cruises. Ihre Karriere startete sie bei Fischer Reisen. Danach folgten weitere Stationen u.-a. bei Öger Tours, Windrose Finest Travel und OFT. ♦ Experteninterview | Wybcke Meier (TUI Cruises) 49 <?page no="50"?> 2.4 Beherbergungsunternehmen espresso-Wissen | Funktion im Tourismus Beherbergungsunternehmen haben im Tourismus die Funktion, Gästen vorübergehend Beherbergungsund/ oder Bewirtungsleistungen anzu‐ bieten. Beherbergungsunternehmen zählen neben den Destinationen (als Basis) und den Verkehrsunternehmen (als „reisetechnisches Bindeglied“) zu den elementaren Leistungen (Hauptleistungen) im Tourismus. Gerade Übernachtungsgäste erleben ihren Urlaub aus dem Beherberg‐ ungsunternehmen heraus. Sie verbringen dort einen sehr großen Teil ihrer Reisezeit. Folglich hat das Beherbergungsunternehmen einen zentralen Einfluss auf die Wahrnehmung der Reise und die daraus resultierende Zu‐ friedenheit mit dem Angebot. Oder umgekehrt: Misslingt in der Beherberg‐ ungsleistung etwas (z.-B. unsaubere Zimmer), dann hat das eine erhebliche Wirkung auf die Wahrnehmung weiterer Leistungsnagebote. Um das bildlich darzustellen: Sehen Sie im Supermarkt einen Korb mit Erdbeeren und dort ist eine schlecht, dann kaufen Sie diesen Korb nicht, sondern wählen einen anderen aus. Doch das geht im Tourismus meist nicht, denn ob die Erdbeere schlecht war oder nicht, erlebt der Gast meist erst dann, wenn er die Leistung bereits konsumiert. espresso-Wissen | Hospitality-Branche Anstelle des Begriffs Beherbergungsunternehmen wird in der Literatur häufig verallgemeinernd auch von der Hotellerie und der Parahotelle‐ rie gesprochen. Diese Unterteilung ist eine ältere Sichtweise, die der modernen Vielfalt der Hospitality-Branche nicht mehr gerecht wird. Lesetipp | Das Buch Hotelmarketing und -management von Martin Linne und Ines Karnath vermittelt praxisnahes Wissen rund um die Hotelwelt. 50 2 Träger der Tourismuswirtschaft <?page no="51"?> Das Gastgewerbe bildet den größten Teil der Hospitality-Branche. Es wird generell in Beherbergung und Gastronomie gegliedert. Doch neben dem gewerblichen Teil findet sich auch ein nicht-gewerblicher Teil. Völlig unter‐ schätzt werden hier große Teile der touristischen Wertschöpfung generiert. Der so genannte graue Beherbergungsmarkt, umgangssprachlich auch Sofatourismus genannt, hat sich in den letzten Jahren zunehmend professio‐ nalisiert. Mit dem Schwung der Sharing Economy hat sich der Bereich völlig eigenständig einen digitalen Vertrieb erschlossen. Neue Geschäftsmodelle wie Airbnb sind entstanden. espresso-Wissen | Reisemittler Airbnb ist ein Reisemittler, ein so genannter OTA (Online Travel Agent). Oft wird Airbnb mit Beherbergung gleichgesetzt. Das ist falsch, weil der/ die OTA auf einer anderen Stufe der Wertschöpfungskette im Tourismus steht. Interessant ist, dass auch im Bereich der Gastronomie ähnliche Strukturen des nicht-gewerblichen Bereichs zu finden sind. Beherbergung und Gastronomie lassen sich so in Schlafbzw. Essgelegen‐ heiten, gruppenorientierte Angebote und Einzelgastorientierte Angebote unterscheiden. Ein Hotel in der folgenden Abbildung ist also eine einzelgas‐ torientierte Beherbergungsleistung. In einer alten, jedoch in der Tourismusliteratur etablierten Gliederung wurde Camping der dort so genannten Parahotellerie zugeordnet. Das ist leicht irreführend; denn auf Campingplätzen werden überwiegend Stell‐ plätze für mitgeführte eigene Unterkünfte (Zelte, Wohnwagen, Wohnmo‐ bile) angeboten. So gibt es nach dieser Sicht auch andere Überschneidungen zum Bereich Verkehr: Kreuzfahrten, Luxuszüge oder Hotelbusse sind Verkehrsmittel, die Beherbergungs- und Gastronomieleistungen anbieten. Lesetipp | Mehr über Camping erfahren Sie in dem Buch Grundwissen Camping von Kristina Sommer. 2.4 Beherbergungsunternehmen 51 <?page no="52"?> Abb.3 Hospitality-Branche Gastgewerbe Camping und Caravaning Kreuzfahrt, Luxuszüge, Hotelbusse, sonstige Bahn- und Flugreisen Essgelegenheiten » Verwandten- und Bekanntenbewirtung » Sammelbewirtung bei Veranstaltungen » Sharing Economy, Kitchen-Surfing etc. Gruppenorientierung » Kantinen » Caterer » Gastro-Events etc. Einzelgastorientierung » Restaurants » Ausschank von Getränken » Imbiss » Mitnahmeangebote etc. Einzelgastorientierung » Hotels » Resorts, Clubanlagen » Gasthöfe » Ferienwohnung, Ferienhaus etc. Gruppenorientierung » Erholungs- und Ferienheime » Hostels » Jugendherbergen » Hütten etc. Schlafgelegenheiten » Verwandten- und Bekanntenbesuche » Sammelunterkünfte bei Veranstaltungen » Sharing Economy, Couch- Surfing » Privatunterkünfte etc. Verkehr Gastronomie Beherbergung Abb. 9: Gliederung der Hospitality-Branche | [9] 52 2 Träger der Tourismuswirtschaft <?page no="53"?> 9 Linne, M.; Karnath, I. 2022, S.-12. Die Erfolgsfaktoren von Beherbergungsunternehmen sind auf zwei Bereiche aufzuteilen: ● rahmengebende Erfolgsfaktoren: ○ Standort und ○ Betriebskonzept. ● interne Leistungsfaktoren (Kernleistungen): ○ guter Schlaf (Bett, Matratze, Kopfkissen), ○ gutes Frühstück, ○ freundliches Personal und ○ Sauberkeit. Gerade bei den Kernleistungen und hier vor allem bei der Sauberkeit gibt es in Beherbergungsunternehmen immer wieder gravierende Qualitätsmängel. Was selbstverständlich scheint, stellt in Beherbergungsunternehmen eine große Herausforderung dar. Das Hotel ist die häufigste Form der Beherbergungsunternehmen. espresso-Verständnis | Hotels sind ökonomische, technische, juristi‐ sche, soziale und ökologische Institutionen, in denen Beherbergungs- und Verpflegungsleistungen (mindestens Frühstück) in Verbindung mit komplementären Leistungen (z. B. Konferenzen, Seminare, Sport, Freizeit, Wellness etc.) temporär gegen Entgelt zur Verfügung gestellt werden. Ein Hotel garni verfügt über kein eigenes Restaurant. Es wird den Gästen lediglich ein Frühstück geboten. 9 Ökonomische und juristische Aspekte der Hotellerie liegen auf der Hand. Die technischen Aspekte von Hotels werden oft übersehen. Neben Gebäu‐ detechnik und Küchentechnik spielen digitale Systeme eine immer größer werdende Rolle. So genannte Property-Management-Systeme (PMS) bil‐ den die Belegungsplanung und den Vertrieb in alle möglichen Kanäle digital ab. Datenmanagement der Kundendaten, Chatbots für die Kommunikation Serviceroboter und auch Künstliche Intelligenz stellen das Spektrum der technischen Dimension dar. 2.4 Beherbergungsunternehmen 53 <?page no="54"?> Da Hotels sehr energieintensiv sind, dürfen die ökologischen Aspekte nicht außer Acht gelassen werden. Ressourcenverbrauch zu optimieren ist dabei auch immer zugleich ein ökonomischer Effekt; denn so lassen sich oft schon kurzfristig die Betriebskosten senken. Seltener werden die sozialen Aspekte beachtet, die sich auf mehreren Eben abspielen. Da ist einerseits die Interaktion Gastgeber - Gast. Mit‐ arbeiter sind ein zentraler Leistungsfaktor in der Hotellerie. Allerdings arbeiten die Mitarbeiter oft in der „Scheinwelt“ bzw. in der „Kulisse“ des Hotels und inszenieren eine Konsum- und Genusssituation, die oft dem persönlichen Lebensumfeld nicht entspricht. Anderseits sind es die internen sozialen Aspekte, das Miteinander in den Teams, die in Unternehmen generell eine große Bedeutung für die Qualität der Leistung haben. Aktuell bekommt dieser Aspekt eine immer größere Bedeutung; denn in Zeiten des so genannten Fachkräftemangels werden Fragen der Mitarbeiterführung, des Teambuildings und der Mitarbeiterbindung immer wichtiger. Wie auch Verkehrsunternehmen sehen sich die Beherbergungsunterneh‐ men mit einer starren Kapazität konfrontiert. Sie sind in besonderem Maße der Saisonalität des touristischen Angebots ausgeliefert, die sich aus dem Standort und damit der Destination ableitet. So müssen z. B. Strand‐ hotels den weitaus größten Teil ihrer Umsätze in den Sommermonaten erwirtschaften, während die Kosten (z. B. Abschreibungen und Zinsen) ganzjährig anfallen. Beherbergungsleistungen sind personalintensiv. Deshalb ist hier, wie auch in der Gastronomie, der aktuelle Fachkräftemangel besonders proble‐ matisch. Zum Teil sind die Probleme hausgemacht. Bessere Ausbildung und zeitgemäßes Personalmanagement sind aber in dieser Branche, die von vielen Klein- und Kleinstunternehmen und familiengeführten Unternehmen geprägt ist, teilweise schwer umzusetzen. Die Folgen in der Beherbergungsbranche sind in Konzentrationsprozes‐ sen zu sehen. Viele große Hotelketten dominieren den größten Teil des Angebots. Auch im vermeintlich kleingewerblichen Bereich lassen sich seit einigen Jahren lokale Konzentrationsprozesse feststellen. Ein Beispiel für lokale Konzentrationsprozesse liefen die SEETELHOTELS auf Usedom. 54 2 Träger der Tourismuswirtschaft <?page no="55"?> ♦ Experteninterview | Rolf Seelige-Steinhoff (SEETELHOTELS) ▶ Welche Bedeutung hat für Sie die Beherbergung im Tourismus allgemein? ▷ In der Tourismusbranche spielt die Beherbergung eine zentrale Rolle, da sie nicht nur Grundbedürfnisse von Reisenden erfüllt, sondern auch maßgeblich zur Qualität der Reiseerfahrung beiträgt. In den letzten drei Jahrzehnten haben wir bei SEETELHOTELS uns darauf konzentriert, unseren Gästen mehr als nur eine Unterkunft zu bieten. Wir sehen unsere Hotels als Plattformen für den Austausch zwischen Kulturen und als Fenster zur Entdeckung der Schönheiten Usedoms. Dabei geht es nicht nur um das Schlafen in einem fremden Bett, sondern um das Erleben von Gastfreundschaft, die Verbindung mit der lokalen Kultur und die Schaffung unvergesslicher Erinnerungen. Diese Philosophie hat uns geholfen, eine starke Bindung zu unseren Gästen aufzubauen und trägt wesentlich zum Erfolg unseres Unternehmens bei. Beherbergung im Tourismus bedeutet für uns, jeden Aufenthalt zu einem einzigartigen Erlebnis zu machen, das die Gäste gerne wiederholen und weiteremp‐ fehlen. ▶ Übernehmen Sie in der Funktion des Beherbergungsunterneh‐ mens auch öffentliche Funktionen? ▷ Als Betreiber von Beherbergungsbetrieben übernehmen wir vielfäl‐ tige öffentliche Funktionen, die weit über das Bereitstellen von Über‐ nachtungsmöglichkeiten hinausgehen. Wir agieren als Botschafter der Region Usedom, indem wir unseren Gästen die einzigartige Kultur, Ge‐ schichte und Natur nahebringen. Durch die Schaffung von Arbeitsplät‐ zen und die Zusammenarbeit mit lokalen Lieferanten und Dienstleistern tragen wir maßgeblich zur ökonomischen Entwicklung der Region bei. Zudem engagieren wir uns in der lokalen Gemeinschaft durch die Unterstützung sozialer Projekte und Veranstaltungen, was wiederum die soziale Verantwortung unseres Unternehmens unterstreicht. Diese öffentlichen Funktionen sind ein integraler Bestandteil unserer Unter‐ nehmensphilosophie und festigen unser Engagement für eine nachhal‐ tige Entwicklung der Region. ♦ Experteninterview | Rolf Seelige-Steinhoff (SEETELHOTELS) 55 <?page no="56"?> ▶ Sie haben in den zurückliegenden Jahren eine lokale Hotelkette aufgebaut. Was waren die Auslöser bzw. Gründe für die Expan‐ sion? ▷ Die Expansion der SEETELHOTELS auf Usedom war getrieben durch das Ziel, das touristische Angebot der Insel zu bereichern und vielfäl‐ tigere Übernachtungsmöglichkeiten zu schaffen. Der Entschluss zur Expansion basierte auf der Nachfrage nach hochwertigen Unterkünften und dem Wunsch, neue Zielgruppen zu erschließen. Durch das Hinzu‐ fügen verschiedener Hotelkonzepte - von luxuriösen Häusern bis hin zu familienfreundlichen Resorts - wollten wir den unterschiedlichen Be‐ dürfnissen und Wünschen unserer Gäste gerecht werden. Die Expansion ermöglichte es uns, die Wirtschaftlichkeit unserer Betriebe durch Syn‐ ergien zu verbessern, die Qualität unseres Angebots kontinuierlich zu steigern und einen bedeutenden Beitrag zur touristischen Entwicklung Usedoms zu leisten. ▶ Haben Sie bei der Expansion eine Strategie verfolgt oder ging es „nur“ um quantitative Erweiterung? ▷ Unsere Expansionsstrategie basierte auf sorgfältiger Planung und zielgerichteter Auswahl von Projekten, die unser Portfolio sinnvoll ergänzen und unser Markenversprechen stärken. Dabei lag der Fokus nicht nur auf quantitativem Wachstum, sondern vor allem auf der Quali‐ tät und der Einzigartigkeit jedes einzelnen Hauses. Wir achteten darauf, dass neue Hotels die kulturellen und landschaftlichen Gegebenheiten ihrer Standorte respektieren und sich harmonisch in das Gesamtbild einfügen. Durch die Entwicklung maßgeschneiderter Konzepte für jedes Hotel konnten wir nicht nur die Diversität unserer Gruppe erhöhen, sondern auch spezifische Marktsegmente gezielter ansprechen. Diese strategische Herangehensweise ermöglichte es uns, langfristig erfolg‐ reich zu expandieren und einen nachhaltigen Beitrag zum Tourismus auf Usedom zu leisten. ▶ Welche Perspektiven sehen Sie für die Expansion? ▷ Während die SEETELHOTELS bisher erfolgreich auf Usedom expan‐ diert sind, öffnen wir den Blick auch über die Inselgrenzen hinaus. Eine Expansion außerhalb Usedoms birgt Chancen und Risiken gleicher‐ 56 2 Träger der Tourismuswirtschaft <?page no="57"?> maßen. Es gibt bereits Bestrebungen, das Portfolio zu diversifizieren und neue Märkte zu erschließen. Die Entscheidung, neue Standorte zu erschließen, wird sorgfältig abgewogen, indem wir Marktanalysen durchführen und die regionale Kultur und Wirtschaft berücksichtigen, um sicherzustellen, dass unsere Unternehmensphilosophie auch dort erfolgreich umgesetzt werden kann. Innovation und Nachhaltigkeit blei‐ ben dabei unsere Leitprinzipien. Die Expansion in neue Regionen bietet uns die Möglichkeit, unsere Vision von einzigartiger Gastfreundschaft und regionaler Verbundenheit einem breiteren Publikum zugänglich zu machen, während wir gleichzeitig die Herausforderungen durch Anpassungsfähigkeit und strategische Planung meistern. ▶ Wie schätzen Sie die Entwicklung der Hotellerie in den nächs‐ ten 10 bis 20 Jahren ein? ▷ Die Hotellerie wird in den nächsten Jahrzehnten einen signifikan‐ ten Wandel erfahren, angetrieben durch den raschen Fortschritt in der Technologie, ein wachsendes Bewusstsein für Nachhaltigkeit und sich verändernde Gästeerwartungen. Personalisierung wird zunehmend wichtiger, da Technologien wie Künstliche Intelligenz es ermöglichen, maßgeschneiderte Erlebnisse für jeden Gast zu schaffen. Gleichzeitig werden Nachhaltigkeitspraktiken nicht nur ein Pluspunkt, sondern eine Grundvoraussetzung für den Betrieb sein. Hotels, die in erneuerbare Energien, Ressourceneffizienz und lokale Partnerschaften investieren, werden sich als Vorreiter etablieren. Die Integration von digitalen Lösungen für einen reibungslosen und kontaktlosen Aufenthalt wird ebenfalls erwartet, wobei die menschliche Berührung weiterhin uner‐ setzlich bleibt. ▶ Welche Rolle spielt dabei Nachhaltigkeit? ▷ Nachhaltigkeit wird in der Hotellerie immer mehr zum entscheiden‐ den Faktor. Gäste suchen zunehmend nach Unterkünften, die ihre ökologischen Fußabdrücke minimieren und positive Auswirkungen auf die lokale Gemeinschaft haben. Für Hotels bedeutet dies, in nachhaltige Technologien und Praktiken zu investieren, von der Energieeffizienz bis hin zur Reduzierung von Lebensmittelabfällen. Zudem wird erwartet, dass Hotels aktiv zum Schutz der Umwelt beitragen, etwa durch die Förderung des Ökotourismus oder die Unterstützung lokaler Natur‐ ♦ Experteninterview | Rolf Seelige-Steinhoff (SEETELHOTELS) 57 <?page no="58"?> schutzprojekte. Eine nachhaltige Betriebsführung wird nicht nur ein Marketinginstrument sein, sondern auch ein wesentlicher Bestandteil der Unternehmenskultur und des operativen Geschäfts. ▶ In der Gastronomie werden immer häufiger Roboter eingesetzt, als Servicekraft, für Cocktails oder zum Pizzabacken. Wie sehen Sie die Entwicklung der Digitalisierung und den Einsatz von Künstlicher Intelligenz in der Hotellerie? ▷ Die Digitalisierung und der Einsatz von KI werden die Hotellerie grundlegend verändern. Von automatisierten Check-in- und Checkout-Prozessen bis hin zu personalisierten Zimmererlebnissen, die auf den Präferenzen der Gäste basieren, eröffnen sich neue Möglichkeiten, die Gästezufriedenheit zu steigern und die Betriebseffizienz zu verbes‐ sern. Roboter in der Gästebetreuung oder intelligente Systeme zur Energieverwaltung sind keine ferne Zukunft mehr. Dennoch bleibt die menschliche Interaktion zentral; Technologie soll das Gästeerlebnis bereichern, nicht ersetzen. Hotels, die eine Balance zwischen technolo‐ gischer Innovation und persönlichem Service finden, werden in der Lage sein, sich in einem zunehmend digitalisierten Markt zu behaupten. ▶ Welches sind die größten Herausforderungen der Hotellerie in den nächsten 10 bis 20 Jahren? ▷ Die Hotellerie steht vor der Herausforderung, sich an den digitalen Wandel und nachhaltige Praktiken anzupassen, während sie das ver‐ änderte Reiseverhalten navigiert. Digitalisierung erfordert nicht nur Investitionen, sondern auch eine Kulturveränderung und Personalent‐ wicklung, um mit neuen Technologien Schritt zu halten. Die Pandemie hat die Notwendigkeit von Flexibilität und Resilienz verstärkt, mit einem Fokus auf Sicherheitskonzepte, die das Gästevertrauen stärken. Ein kri‐ tischer Faktor ist zudem die Personalsituation. Der Fachkräftemangel, verschärft durch die Pandemie, zwingt zu innovativen Ansätzen in der Personalgewinnung und -bindung, einschließlich besserer Arbeitsbe‐ dingungen und Weiterbildungsmöglichkeiten. Die Schaffung einer po‐ sitiven Unternehmenskultur ist essenziell, um Mitarbeiter zu motivieren und langfristig zu halten, was in der aktuellen Wettbewerbslandschaft entscheidend für den Erfolg ist. 58 2 Träger der Tourismuswirtschaft <?page no="59"?> ▶ Und auch für Sie eine persönliche Frage aus Sicht der Berufs‐ einsteiger: Wie wird man Chef/ Direktor eines Hotels bzw. einer Hotelkette? ▷ Der Weg an die Spitze eines Hotels oder einer Hotelkette ist vielschich‐ tig und erfordert ein solides Fundament an Wissen, Erfahrung und Führungsqualitäten. Zunächst ist eine fundierte Ausbildung im Bereich Hotelmanagement oder Tourismuswirtschaft essenziell, um das nötige Fachwissen zu erlangen. Praktische Erfahrungen in verschiedenen Ab‐ teilungen eines Hotels sind unverzichtbar, da sie ein tiefes Verständnis für die Abläufe und Herausforderungen des Hotelbetriebs vermitteln. Diese Erfahrungen ermöglichen es, die Bedürfnisse der Gäste aus unter‐ schiedlichen Perspektiven zu verstehen und die Qualität des Services kontinuierlich zu verbessern. Netzwerken und lebenslanges Lernen spielen ebenfalls eine wichtige Rolle. Die Teilnahme an Branchenkonferenzen, Workshops und Weiter‐ bildungen hält Sie auf dem Laufenden über Trends und Innovationen in der Hotellerie und erweitert Ihr professionelles Netzwerk. Soft Skills wie Kommunikationsstärke, Empathie und die Fähigkeit, ein Team zu motivieren und zu führen, sind ebenso entscheidend. In einer Branche, die so stark auf Service und Gästeerfahrung ausgerichtet ist, machen diese Fähigkeiten oft den Unterschied zwischen einem guten und einem außergewöhnlichen Leiter aus. Schließlich ist es wichtig, Visionen zu entwickeln und Risiken einzu‐ gehen. Die Fähigkeit, zukünftige Trends zu erkennen und innovative Lösungen für die Herausforderungen der Branche zu finden, kann eine Hotelmarke von der Konkurrenz abheben. Wer den Mut hat, neue Wege zu gehen, und wer eine klare Vision für die Entwicklung des Unternehmens hat, wird in der Lage sein, sich in der Führungsrolle zu etablieren und langfristigen Erfolg für das Hotel oder die Hotelkette zu sichern. ♦ Experteninterview | Rolf Seelige-Steinhoff (SEETELHOTELS) 59 <?page no="60"?> Dipl.-Ing. Dipl.-Kfm. Rolf Seelige-Steinhoff ist geschäftsführender Gesellschafter der SEETELHOTELS auf Usedom - ein Familienunterneh‐ men mit 17 Häusern. 2015 erhielt er die Auszeichnung „Hotelier des Jahres“. 2.5 Reisemittler espresso-Wissen | Funktion im Tourismus Reisemittler übernehmen verschiedene Funktionen im Tourismus. Sie beraten ihre Kunden (Beratungsfunktion), sie bieten eigene Sortimente (Sortimentsfunktion) von Reiseleistungen an (z. B. Hotels in verschie‐ denen Reisezielen, Flugreisen verschiedener Airlines) und sie kassieren den Reisepreis im Voraus für andere Leistungsträger (Inkassofunktion). Die folgenden Träger touristischer Leistungen unterscheiden sich grund‐ sätzlich von den zuvor dargestellten. Nicht jeder Reisegast nimmt ihre Leistungen in Anspruch. Das sind die so genannten Individualreisenden, die ihre Urlaubsplanungen, -vorbereitungen und vor allem -buchungen eigenständig durchführen. Reisemittler agieren auf Handelsstufen im touristischen Leistungska‐ non. Dieser Bereich wird auch als Touristik bezeichnet. Auch wenn sie nicht unmittelbar touristische Angebote „produzieren“, so tragen ihre Leistungen dennoch zum Urlaubserlebnis im weiteren Sinne bei. 60 2 Träger der Tourismuswirtschaft <?page no="61"?> espresso-Wissen | Reisebüro Allein schon die erste Beratung für die Urlaubsplanung in einem Reisebüro kann schon erste Bedürfnisse der Gäste befriedigen: z. B. Information über mögliche Reiseziele. Der Erfolgsfaktor von Reisemittlern liegt in dem engen Kontakt zu ihren Kunden, also den Reisegästen der Anbieter, deren Leistungen sie verkaufen. Reisemittler kennen ihre Kunden, die sie z. B. beim Reisebüro aus der näheren Umgebung ihres Standortes generieren. Sie können daher ihr Sortiment auf ihre Kunden ausrichten und ihre Kunden individuell beraten. Aus Sicht der zuvor dargestellten Träger touristischer Leistungen (Destina‐ tion, Beherbergungs- und Verkehrsunternehmen) üben sie eine Gatekeeper- Funktion aus. Sie öffnen quasi die Tore/ Wege zum Kunden. Unternehmen können ihre Leistungen direkt an ihre Kunden verkaufen: direkter Vertrieb. Sie können sich aber auch verschiedener Absatzmittler bedienen. Diese stehen zwischen dem Anbieter und dem Kunden. Das wird als indirekter Vertrieb bezeichnet. direkter Vertrieb Absatzmittler Kunden Träger touristischer Leistungen indirekter Vertrieb Abb. 10: Direkter und indirekter Vertrieb aus Sicht der Leistungsträger | [10] Reisemittler (z. B. Reisebüro) sind Leistungsträger des indirekten touris‐ tischen Vertriebs. Innerhalb der Reisemittler gibt es einen erheblichen Wettbewerb. Das klassische Reisebüro spürt die massive Konkurrenz aus 2.5 Reisemittler 61 <?page no="62"?> dem Internetvertrieb der OTAs (Online Travel Agent). Viele touristische Leistungen lassen sich relativ gut über so genannte Buchungsmaschinen (GDS bzw. Global Distribution Systems) verkaufen. Der Kunde kennt grundsätzlich die Leistungen eines Hotels. Er weiß, was er z. B. unter einer 3-Sterne-Klassifizierung erwarten kann. Insofern ist nicht bei allen touristischen Angeboten eine Erklärungsbedürftigkeit gegeben. Der Vertrieb kann digital erfolgen. Das Buchungsportal ersetzt das Reisebüro in der Funktion des Reisemittlers. 2.6 Reiseveranstalter espresso-Wissen | Funktion im Tourismus Reiseveranstalter übernehmen nicht nur eine Vertriebsfunktion (→ Reisemittler). Sie haben auch eine Produktionsfunktion. Sie erstellen eigenständige Reiseprodukte: Pauschalreisen. Der Reiseveranstalter unterliegt strengen Pflichten, die sich aus dem Reiserecht (vgl. z.-B. §-651 BGB) ableiten. Abgesehen von der rechtlichen Seite sind Reiseveranstalter eigenstän‐ dige touristische Unternehmen. Durch ihre Produktionsfunktion lassen sie Reiseprodukte entstehen, die ohne die Kombination verschiedener Haupt- und Nebenleistungen so nicht existieren würden. Reiseveranstalter üben auch eine Raumüberbrückungsfunktion aus. Gerade ferne Reiseziele werden durch ihre Leistungen für viele Kunden erst konsumierbar. Sie lösen damit z. B. Sprach- und Devisenprobleme. Der Reiseveranstalter ist eine Betriebsform, die es so nur in der Tourismuswirtschaft gibt. espresso-Wissen | Reiseveranstalter Ein Reiseveranstalter entsteht, wenn mindestens zwei touristische Hauptleistungen zu einem eigenständigen Produkt zusammengefügt werden. 62 2 Träger der Tourismuswirtschaft <?page no="63"?> Ein Reiseveranstalter entsteht. Er entsteht im juristischen Sinne, weil die Rechtsprechung den Verbraucherschutz sehr streng auslegt. Es genügt schon der Anschein, touristische Hauptleistungen in Kombinationen zu verkaufen. Das kann z. B. passieren, wenn ein Hotel seinen Kunden eine Verkehrsleistung (z.-B. Flug) zur Hotelbuchung anbietet. Zwei touristische Hauptleistungen sind so definiert, dass sie zusammen ein Reiseerlebnis darstellen. Das ist häufig die Beherbergungs- und die Verkehrsleistung. Aber auch die Kreuzfahrt, die zugleich aus Verkehrs- und Beherbergungsleistung besteht, fällt unter die Reiseveranstaltung. Kunden Reisemittler einstufig Träger touristischer Leistungen zweistufig Reiseveranstalter direkter Vertrieb indirekter Vertrieb Abb. 11: Ein- und zweistufiger indirekter Vertrieb aus Sicht der Leistungsträger | [11] Reiseveranstalter sind durch ein wirtschaftliches Phänomen gekennzeich‐ net. Sie können relativ schnell über eine relativ hohe Liquidität verfügen. Sie verkaufen ihre Leistungen vorzeitig an die Reisekunden. Ihre „Lieferan‐ ten“ (z. B. Hotels, Fluggesellschaften) werden jedoch erst nach erbrachter Leistung bezahlt. Zu große Liquidität bedeutet zugleich die Gefahr des Miss‐ managements; denn die eingenommenen Mittel müssen für die späteren Zahlungsverpflichtungen bereitgehalten werden. Auch aus diesem Grund - neben dem Verbraucherschutz - unterliegen Reiseveranstalter gem. § 651 r u. s der Pflicht, sich gegen Insolvenz zu versichern. 2.6 Reiseveranstalter 63 <?page no="64"?> 2.7 Integrierte Touristikkonzerne Integrierte Touristikkonzerne sind im Kern Reiseveranstalter, die ihre Tätigkeiten entlang der touristischen Wertschöpfungskette ausgeweitet haben. Die Integrationsmöglichkeiten können horizontal (entlang der Wert‐ schöpfungskette) oder vertikal (auf der gleichen Stufe der Wertschöpfungs‐ kette) erfolgen. horizontale Integration Destination AB C Verkehrsbetrieb ABC Hotel AB C DE Reiseveranstalter AB C D Reisemittler ABC DE vertikale Integration = integrierter Touristik Konzern Abb. 12: Horizontale und vertikale Integrationsmöglichkeiten | [12] Integrierte Touristikkonzerne verfolgen damit verschiedene Strategien. Sie können durch engere Kooperationen entlang der Wertschöpfungskette Synergieeffekte entstehen lassen. Sie können an vielen Stellen zusätzlichen Gewinn abschöpfen. Integration dient aber auch der Risikominimierung. Wenn ein integriertes Unternehmen weniger profitabel ist, kann das durch andere ausgeglichen werden. Diese Konzerne sind die Big Player der Tourismuswirtschaft. Sie sind die mit Abstand größten Arbeitgeber der Branche und bieten gerade jungen Fachkräften gute Einstiegsmöglichkeiten in das Berufsleben. Integrierte Touristikkonzerne sind per se international ausgerichtet. Ihr Bestreben ist es, Zielgebiete bestmöglich zu erschließen und zu vermarkten. Für die gesättigten Märkte im Tourismus ist es ihre Herausforderung immer wieder neue Reiseziele zu erschließen. Damit stoßen sie oft auf Widerstand; denn neue Zielgebiete zu erschließen bedeutet dort massive Eingriffe in die naturräumlichen und soziokulturellen Strukturen. 64 2 Träger der Tourismuswirtschaft <?page no="65"?> 3 Tätigkeiten der Tourismuswirtschaft espresso-Wissenscheck | https: / / narr.kwaest.io/ s/ 1284 espresso-Keywords | Abschneidegrenze, Akzeptanzmanagement, Be‐ suchermanagement, Bettensteuer, Destination Governance, Finanzie‐ rung, integratives Management, Kennzahlen, Kulturförderabgabe, Kur‐ taxe, Personalmanagement, Subventionen, Tourismusintensität, Tourismusmanagement, Tourismusstatistik, Umweltverantwortung, Yield-Management Tätigkeiten der Tourismuswirtschaft sind alle operativen Bereiche der Unternehmensführung bzw. der Verwaltungsleitung (das gilt für bestimmte Organisationsformen des Destinationsmanagements). Diese Tätigkeiten werden oft als Tourismusmanagement bezeichnet. espresso-Wissen | Tourismusmanagement Genaugenommen gibt es das Tourismusmanagement als eigenständige Managementform nicht. Es wäre genauer, vom Management im Touris‐ mus oder vom Management touristischer Leistungsträger zu sprechen. Im Bereich der Tätigkeiten der Tourismuswirtschaft gibt es sehr viele Über‐ schneidungen zu der funktionalen Betriebswirtschaftslehre. Dennoch sind im Tourismus viele spezielle Aspekte zu beachten. Es empfiehlt sich, für die jeweiligen Funktionslehren sowohl allgemeine Literatur als auch spezielle Tourismusliteratur zu lesen (z.-B. Marketing & Tourismusmarketing). In diesem Kapitel können nicht alle Tätigkeiten der Tourismuswirtschaft vorgestellt werden. Es ist nur ein kurzer Überblick über besondere Merkmale einzelner Tätigkeiten möglich. <?page no="66"?> 3.1 Statistik und Kennzahlen im Tourismus Wie alle Formen der Statistik durchläuft auch die Tourismusstatistik den üblichen Prozess der Datenverarbeitung. Daten … … erheben erfassen auswerten aufbereiten interpretieren Abb. 13: Prozess der statistischen Datenverarbeitung | [13] Die Statistikämter (Träger) des Bundes und der 16 Bundesländer sind verpflichtet, über die Tourismuswirtschaft Daten zu erheben, aufzubereiten und zu verbreiten (Tätigkeit). In der so genannten amtlichen Tourismus‐ statistik werden Daten über das Angebot und die Nachfrage im Tourismus zusammengetragen. Das deutsche System der Statistik ist kompatibel mit dem europäischen System, sodass die Daten entsprechend zusammen ver‐ arbeitet werden können. Einige (nicht alle) Unternehmen der Tourismuswirtschaft sind verpflich‐ tet, ihre Daten monatlich an die jeweiligen Landesämter zu melden. Hier werden die Daten ausgewertet und aufbereitet. Bis die Monatsberichte erscheinen, können 3 bis 5 Monate vergehen. Von den Landesämtern werden die Daten an das Statistische Bundesamt weitergeleitet. Erfasst werden z. B. die Beherbergungsdaten, wenn ein Unternehmen über mehr als 10 Betten verfügt oder die Passagierzahlen, wenn eine Reederei eine regelmäßige Schifffahrtslinie betreibt. Die wesentlichen Funktionen der Tourismusstatistik sind die Dokumen‐ tation, die Analyse (z. B. Ländervergleiche, Zeitvergleiche) und das Erstellen von Prognosen. Außerdem fließen die Daten in die volkswirtschaftlichen Analysen und Berechnungen ein. Die Tourismusstatistik ist aussagekräftig, wenn die Daten innerhalb eines Systems (z. B. amtliche Tourismusstatistik) analysiert werden. Dann sind in diesem Rahmen vergleichende Analysen und abgeleitete Prognosen und Trends darstellbar. 66 3 Tätigkeiten der Tourismuswirtschaft <?page no="67"?> Die Tourismusstatistik ist generell nur eingeschränkt aussagekräftig, wenn damit ein totaler Marktüberblick angestellt werden soll. Das liegt an der eingeschränkten Datenerhebung. Die so genannte Abschneidegrenze (z.-B. ab 10 Betten) führt nur zu einer partiellen Marktanalyse. Es gibt auch andere Formen der Tourismusstatistik. Die Deutsche Rei‐ seanalyse liefert jährlich Daten, die aus einer Primärerhebung in Form von Telefoninterviews stammen. Auch diese Daten sind über mehrere Jahre hinweg vergleichbar und liefern Aussagen über Trends im Tourismus. Mit der amtlichen Tourismusstatistik dürfen diese Zahlen jedoch nicht vermischt werden, weil sie auf einer anderen Datenbasis beruhen. Aus den Tourismusstatistiken lassen sich Kennzahlen bilden. Zur Ver‐ gleichbarkeit können jedoch ausschließlich Daten desselben Systems ge‐ nutzt werden, also z. B. nur aus der amtlichen Statistik oder nur aus der Deutschen Reiseanalyse. Nur dann sind Kennzahlen aussagekräftig. Kennzahlen komprimieren Statistiken und steigern deren Aussagekraft. Folgende Funktionen von Kennzahlen sind üblich: ● Dokumentation des Status quo, ● Branchenvergleiche, ● regionale Vergleiche bzw. Betriebsvergleiche, ● Planung neuer Objekte/ Investitionen, ● Beurteilung von Projekten (z. B. Events, Kommunikationsmaßnahmen) und ● Prognose künftiger Entwicklungen. Kennzahlen stoßen jedoch auch an gewissen Grenzen. Sie schreiben z. B. Fehler/ Ungenauigkeiten der Ausgangsstatistiken fort. Ihre Aussagekraft ist nur bei grundsätzlich vergleichbaren Ländern, Regionen, Orten gegeben. Bei gänzlich unterschiedlichen Vergleichsländern, -regionen, -orten wird die Aussagekraft mindestens eingeschränkt. Übliche Kennzahlen im Tourismus sind: ● Tourismusintensität (TI) = Übernachtungen × 1000 Einwohner 3.1 Statistik und Kennzahlen im Tourismus 67 <?page no="68"?> ● Bettendichte (BD) = Bettenanzahl × 1000 Einwohner ● Ankunftsdichte (AD) = Ankünfte × 1000 Einwohner Diese Kennzahlen werden jeweils im Vergleich zu 1.000 Einwohnern (EW) angegeben. So wird z. B. bei der Tourismusintensität (TI), bei der Betten‐ dichte (BD) oder der Ankunftdichte (AD) die Zahl der Übernachtungen (ÜN) eines Ortes oder einer Region herangezogen. In einigen Veröffentlichungen werden die Werte auch auf 100 Einwohner bezogen. Das zeigt, wie wenig sich diese Kennzahlen im Tourismus (abgesehen von der Tourismusintensi‐ tät) durchgesetzt haben. Ein Beispiel: Für einen Ort mit 3.578 Einwohner und 600.000 Übernachtungen lässt sich der Wert 167.691,45 errechnen. Dieser Wert ist dimensionslos, d. h. er hat keine Einheit, wie z. B. km. Die Tourismusintensität liefert nur dann Aussagen, wenn sie mit anderen Orten oder Regionen verglichen werden kann. Für ganz Deutschland liegt die Tourismusintensität ungefähr bei 5.000. Offenbar ist der Beispielort wesentlich stärker durch die Tourismuswirt‐ schaft geprägt als Deutschland insgesamt. Allerdings können Top-Reiseziele in Deutschland auch eine Tourismusintensität von rund 300.000 erreichen. Das Statistische Bundesamt wertet Tourismusintensität wie folgt: Stufe Tourismusintensität Bedeutung 0 bis 5.174 kein nennenswerter Tourismus 1 5.175-12.056 kaum Tourismus 2 12.057-32.990 schwacher Tourismus 3 32.991-84.869 tourismusintensive Gebiete 4 ab 84.870 herausragende Gebiete 68 3 Tätigkeiten der Tourismuswirtschaft <?page no="69"?> espresso-Wissen | Tourismusintensität Die Tourismusintensität basiert auf den Übernachtungen in den Orten bzw. Regionen. Damit wird nur ein Teil der Tourismuswirtschaft erfasst. Der Tagesbzw. Ausflugstourismus wird nicht mit der Tourismusinten‐ sität abgebildet, sondern mit der Ankunftsdichte. Und: Die Tourismusintensität eignet sich nicht, um Overtourism festzu‐ stellen. An der amtlichen Statistik ist einiges zu kritisieren. Sie bildet den Tourismus nicht komplett ab; denn die Abschneidegrenze schließt einen großen Teil des Beherbergungsangebots aus. Der Tagestourismus wird nicht erfasst. Das größte Problem - in der heutigen datengetriebenen Zeit - ist die Langsamkeit des Systems. Daten werden monatlich erfasst. Die Aufberei‐ tung selbst kann mehrere Monate dauern. Dann werden die Monatsdaten zu Jahresdaten aggregiert und stehen wiederum erst im Frühjahr/ Frühsommer des folgenden Jahres sicher zur Verfügung. Damit erfüllen sie statistisch dokumentarische Zwecke. Für das operative Management und die Unter‐ nehmensplanung kommen diese Daten aber oft zu spät. 3.2 Tourismusmanagement „Das“ Tourismusmanagement, das gleichermaßen für alle unterschiedlichen Leistungsträger im Tourismus gilt, gibt es nicht. Dennoch lassen sich viele betriebswirtschaftlichen Managementthemen und -techniken bei allen Leis‐ tungsträgern anwenden. Wer sich mit Tourismusmanagement beschäftigt, sollte sich auch mit der Standardliteratur der BWL befassen. Tourismusmanagement - genauer das Management touristischer Be‐ triebe - weist ein paar Besonderheiten auf, die im Folgenden dargestellt werden sollen. espresso-Wissen | Umweltverantwortung Tourismusmanagement braucht Umweltverantwortung; denn Umwelt bildet die Basis der Tourismusentwicklung. 3.2 Tourismusmanagement 69 <?page no="70"?> Jeder touristische Leistungsträger muss sich seiner Verantwortung für die Umwelt bewusst sein. Tourismus braucht Umwelt. Natürliche Stand‐ ortfaktoren sind oft das Ziel der Reise und der Kristallisationspunkt für die touristische Entwicklung der Destinationen. Die Umwelt braucht den Tourismus hingegen nicht. Die Umwelt wird vom Tourismus beansprucht. Flächen werden verbaut. Orte werden „touristifiziert“, in dem überall Bänke, Schilder, Wegweiser, Hinweistafeln und Wege errichtet werden. Strände werden nutzbar ge‐ macht. Skipisten werden in die Berge gebaut. Tauchriffe werden touristisch erschlossen. Tourismus kann Umwelt zerstören, wenn er falsch gemacht wird. Ein Beispiel: Freies Ankern an Korallenriffen zerstört mit jedem Ankervorgang ein kleines Stück des Riffs. Einmal installierte Festmachbojen können nach und nach von den Korallen besiedelt werden. Eine Zerstörung bleibt aus. Jetzt kommt es auf das Verhalten der Tauchtouristen an - hier hilft Aufklärung. espresso-Wissen | Akzeptanzmanagement Tourismusmanagement ist Akzeptanzmanagement; denn ohne ein Mit‐ einander in den Destinationen werden zu viele Störfaktoren gebildet. In letzter Zeit werden oft neue touristische Projekte (z. B. größere Hotelanla‐ gen) von der Bevölkerung abgelehnt und juristisch verhindert. Touristische Angebote tangieren Lebensbereiche. Allzu schnell wird der Tourismus in den Orten als Overtourism empfunden. Lesetipp | Dem Thema Overtourism hat Andreas Kagermaier ein spannendes Buch gewidmet. Ohne die Akzeptanz der Bevölkerung ist es schwierig, in den Destinationen gute touristische Angebote zu entwickeln. In Destinationsmanagementor‐ ganisationen werden, wenn sie öffentliche Betriebe sind, die Belange der Bevölkerung über die politischen Gremien berücksichtigt. Doch auch pri‐ vate Leistungsträger können und sollten sich nicht gegen die Bevölkerung stellen. 70 3 Tätigkeiten der Tourismuswirtschaft <?page no="71"?> espresso-Wissen | Integratives Management Tourismusmanagement ist integratives Management; denn das touristi‐ sche „Produkt“ wird nicht nur von einem Leistungsträger allein erstellt. Ein Hersteller von klassischen Konsum- oder Investitionsgütern orientiert sich i. d. R. entlang seiner Wertschöpfungskette, vom Bezug der Materialien über die Vertriebsstufen bis zum Kunden. Im Tourismusmanagement ist es wichtig, sich mehrdimensional zu orientieren. Insbesondere im Destinati‐ onsmanagement ist es wichtig, alle Leistungsträger zu beachten. Bei Desti‐ nationen spricht man oft auch von Destination Governance. In der Koope‐ ration der unterschiedlichen Leistungsträger liegen Chancen für spannende Angebote: die Kunstgalerie im Frühstücksraum, das Candle-Light-Dinner im Museum, Sportkurse am Strand aber auch die Wacken-Kreuzfahrt sind eigne Beispiele für kooperative Angebotsentwicklungen, die es im Touris‐ mus gibt. espresso-Wissen | Besuchermanagement Im Tourismus ist es wichtig, Besucherströme zu lenken. Lesetipp | Das Buch von Julian Reif und Dirk Schmücker über Besu‐ chermessung zeigt Methoden und Ziele auf, die in diesem Kontext hilfreich sind. Sehenswürdigkeiten ziehen Touristen an. Es ist schon faszinierend, dass sich ungesteuerte Besucherströme immer ballen. Highlights werden stets zur selben Zeit von vielen Touristen besucht. Kommen in den Orten dann noch Kreuzfahrtgäste hinzu, die sehr punktuell und zeitlich befristet anwe‐ send sind, dann sind die Highlights überfüllt und für den einzelnen Gast kaum noch erlebbar. Und dennoch gibt es Zeiten, da wären ausreichend Kapazitäten für Besucher frei. Besucherströme müssten zeitlich und räumlich gesteuert werden, damit Überfüllungen vermieden werden. Gute Rezeptionisten im Hotel empfehlen 3.2 Tourismusmanagement 71 <?page no="72"?> den Gästen den Besuch der Highlights zu weniger überfüllten Zeiten. Doch in den Destinationen sind dazu kaum adäquate Mittel gefunden worden. Ein gutes Beispiel: Die Strandampel. Sie zeigt Besuchern an einigen Ostseestränden, wo es zu voll ist oder wo es noch ausreichend Plätze gibt. Die Entzerrung der Besucherströme unterstützt übrigens auch eine bessere Akzeptanz des Tourismus bei den Einheimischen. Besucherströme könnten auch finanziell gesteuert werden. Auslastungs‐ abhängige Eintrittspreise bei den Attraktionen könnten ebenso entzerrend wirken wie tagesspezifische Bemessungen einer Kurabgabe, Bettensteuer, Anlandungsgebühr in den Häfen oder Kulturförderabgabe. Warum sollte an einem Montag nicht ein günstigerer Preis festgesetzt werden als an einem Samstag? espresso-Wissen | Yield-Management Im Tourismusmanagement kann mittels Yield-Management die Nach‐ frage gesteuert, die Auslastung optimiert und die Erträge gesteigert werden. Voraussetzung für erfolgreiches Yield-Management sind fixe Kapazitäten. Das ist in der Hotellerie, in der Gastronomie und bei Verkehrsmitteln gegeben. Doch im Grunde könnte das auch für Sehenswürdigkeiten gelten, wenn man eine maximale Besucherzahl je Tag der Stunde definiert. Mittels Yield-Management werden die Preise so flexibel gesteuert, dass sie mit hoher bzw. steigender Auslastung steigen und umgekehrt bei nied‐ riger bzw. sinkender Auslastung gesenkt werden. Das geschieht heute mit digitalen Systemen nahezu automatisiert. Diese Form der dynamischen Preisdifferenzierung führt einerseits zu höheren Erträgen und andererseits zu einer Lenkung der Nachfrage in nachfrageschwächere Zeiten. Zur Abgrenzung: Unter Yield-Management werden nicht Saisonpreise (Haupt- und Nebensaison oder Klassenpreise (Business und Economy) ver‐ standen. Das sind andere Formen der Preisdifferenzierung. 72 3 Tätigkeiten der Tourismuswirtschaft <?page no="73"?> 3.3 Personalmanagement Für alle Träger touristischer Leistungen ist das Personal ein zentraler Produktionsfaktor. Weitere Produktionsfaktoren wären z. B. Gebäude oder Maschinen. In vielen Unternehmen der Tourismuswirtschaft stellen die Personal‐ kosten einen der größten Anteile an den Kosten dar. Personal wird daher allzu oft als Kostenfaktor betrachtet. Einige Hotels bieten z. B. schon Check-in-Apps an, um Rezeptionspersonal einzusparen. Solche Formen der Rationalisierung kommen im Tourismus in Zukunft häufiger vor. Ohne Personal können touristische Leistungen bis auf wenige Ausnah‐ men nicht erstellt werden. In klug geführten Unternehmen wird Personal daher besser als Leistungsfaktor angesehen. Das Aufgabenspektrum/ Instrumentarium des Personalmanagements ist sehr umfangreich. Es deckt folgende Bereiche ab: ● Personalmarketing: ○ Employer Branding, ○ Personalführung und ○ Arbeitsbedingungen. ● Personalplanung: ○ Personalbedarfsplanung, ○ Personalbeschaffungsplanung, ○ Personaleinsatzplanung, ○ Personalentwicklungsplanung und ○ Personalabbauplanung. ● Personalverwaltung: ○ Personalbeurteilung, ○ Personalbetreuung und ○ Personalentlohnung. Dem Personalmanagement eines Unternehmens wird durch viele Gesetze ein gewisser Rahmen vorgegeben. Das leitet sich aus der Wirtschaftsord‐ nung der Sozialen Marktwirtschaft ab. Das Arbeitsrecht in Deutschland besteht aus vielen Einzelgesetzen. Ziel ist der Schutz und die Gleichbehand‐ lung der Arbeitnehmer. Bereiche wären z. B. der Kündigungsschutz, die Mitbestimmung, Arbeitszeit, u. v. m. Das Personalmanagement im Tourismus hat besondere Herausforderun‐ gen zu bewältigen. Der schwankende Bedarf an Arbeitskräften wird oft 3.3 Personalmanagement 73 <?page no="74"?> durch Saisonpersonal abgedeckt. Durch das Personal bestimmt sich über‐ wiegend die Qualität der Leistung. Zu häufige Wechsel haben einen negati‐ ven Einfluss auf die Qualität. Die Saisonalität vieler touristischer Angebote lässt daher die erforderliche Konstanz nicht zu. Saisonpersonal, welches besonders häufig in Gastronomie- und Beher‐ bergungsunternehmen eingesetzt wird, hat die Möglichkeit, seine Leis‐ tungen in unterschiedlichen Regionen mit gegensätzlichen Saisonzeiten anzubieten. Es findet in der Tat eine gewisse Wanderschaft des Personals zwischen Winter- und Sommerurlaubsgebieten statt. 3.4 Tourismusfinanzierung Die Tätigkeit (Funktion) der Tourismusfinanzierung ist für zwei Arten der Träger (Institutionen) touristischer Leistungen zu betrachten: private Unternehmen der Tourismuswirtschaft und öffentliche Einrichtungen (z. B. Destinationsmanagement). Private Unternehmen finanzieren sich in erster Linie durch den Verkauf ihrer Leistungen (L) an die Kunden. Dafür erhalten sie Umsatzerlöse (UE). Die in der Regel positive Differenz zwischen Umsatzerlösen und betrieblichen Aufwendungen, der Gewinn der Unternehmen, wird für den Erhalt und weitere Investitionen benötigt. Auch öffentliche Einrichtungen verkaufen zum Teil Leistungen (L) gegen Entgelt (UE) (z. B. Schwimmbadeintritt) an die Kunden. In der Regel ent‐ stehen dabei keine Gewinne. Das Destinationsmanagement in bestimmten Tourismusorten kann sich zusätzlich über zwei weitere Einnahmen finan‐ zieren: Kurtaxe (KT) und Tourismusabgabe (TT). Die Kurtaxe (KT) ist eine Pauschalsteuer, die Gäste zu zahlen haben, wenn sie sich in Kurorten aufhalten. Das Besondere daran ist, dass die Kurtaxe von den Beherberg‐ ungsunternehmen eingenommen und an das Destinationsmanagement wei‐ tergeleitet wird. Die Tourismusabgabe (TT) ist ein Beitrag der Unternehmen, die von der Tourismuswirtschaft profitieren. Sie wirkt wie eine Steuer und ist in die Preise der Unternehmen einkalkuliert. 74 3 Tätigkeiten der Tourismuswirtschaft <?page no="75"?> Kunden Staat private Unternehmen öffentliche Einrichtungen UE UE L L KT TT S S Abb. 14: Finanzierung im Tourismus | [14] espresso-Wissen | Kurtaxe, Bettensteuer, Kulturförderabgabe Kurtaxe (KT) (vergleichbar auch Bettensteuer und Kulturförderabgabe) belasten den Reisegast als Pauschalsteuer direkt. Sie wird von den Kunden schlecht akzeptiert, weil sie nicht immer erkennen, wofür sie den Betrag zahlen: für die Nutzung des Öffentlichen Raums und der touristischen Infrastruktur. Tourismusabgaben (TT) belasten den Reise‐ gast indirekt. Diese Form der Finanzierung wäre den Pauschalsteuern vorzuziehen. Viele Unternehmen, selbst wenn sie Gewinne erwirtschaften, brauchen in der Startphase staatliche Zuschüsse in Form von Subventionen (S). Mit diesen Staatsausgaben wird Wirtschaftsförderung betrieben. Die Subventio‐ nen bei neuen Unternehmen sorgen für zusätzliche Arbeitsplätze. Damit wird seitens des Staates auch Arbeitsmarktpolitik betrieben. 3.4 Tourismusfinanzierung 75 <?page no="76"?> Auch öffentliche Einrichtungen werden staatlich subventioniert. Der Betrieb solcher Einrichtungen (z. B. Bäder, Lesehallen, Informationsstellen) ist in der Regel defizitär. Oft sind diese Einrichtungen aber nötig, um in den Tourismusorten erforderliche Angebote vorzuhalten, ohne die der Tourismus gar nicht möglich wäre. Die Subventionen sichern damit indirekt Arbeitsplätze bei den übrigen Tourismusunternehmen. Als Staat in der vorhergehenden Abbildung sind alle Kommunen, Land‐ kreise, Bundesländer, der Bund und auch die Europäische Union (EU) zu verstehen. Kommunen und Landkreise betreiben Einrichtungen zum Destinationsmanagement. Die Bundesländer können Landesmarketingge‐ sellschaften unterhalten. Gerade in der EU gibt es viele Ansätze, Mittel für den Tourismus bereit zu stellen. Das ist jedoch an strenge Auflagen gekoppelt, die sich z. B. um die Bereiche Nachhaltigkeit und Entwicklung der Regionen ranken. 76 3 Tätigkeiten der Tourismuswirtschaft <?page no="77"?> 4 Tourismusmarketing espresso-Wissenscheck | https: / / narr.kwaest.io/ s/ 1285 espresso-Keywords | Dienstleistung, Distributionspolitik, Drei-Dimen‐ sionen-Modell, Ergebnisbündel, Kommunikationspolitik, Konsumver‐ halten, Kunden, Leistungsbündel, Marketing, Personalpolitik, Preispo‐ litik, Produktpolitik, Prozessgestaltung, Qualität Eine besondere Tätigkeit/ Funktion im Tourismus ist das Marketing. Mar‐ keting ist nicht gleichzusetzen mit Werbung. Werbung ist ein Teil der Kommunikationspolitik im Marketing. Marketing beschäftigt sich mit der Führung von Unternehmen. Es wer‐ den Marktdaten erhoben, analysiert und verstanden (Denken, wie der Kunde denkt! ), und das bildet so die Grundlage der unternehmerischen Führungsentscheidungen. Im Marketing wird das eigene Unternehmen in einem Beziehungsgefüge zur Unternehmensumwelt gesehen; das betrifft im Tourismus die Region, die Destination aber auch die Branche, in der das Unternehmen tätig ist. Im Allgemeinen unterscheidet sich Tourismusmarketing bzw. das Mar‐ keting touristischer Unternehmen kaum vom Marketing anderer Unterneh‐ men. Der Marketing-Management-Ansatz zeigt das. Im Detail gibt es aber schon Unterschiede. Der Marketing-Mix entspricht dem von Dienstleistungsunternehmen. Anstelle der „klassischen 4 P’s“, der klassischen 4 Marketinginstrumente: ● Produktpolitik (product), ● Kommunikationspolitik (promotion), ● Distributionspolitik (place) und ● Preispolitik (price) <?page no="78"?> Marketing-Controlling Makroumwelt Marktanalyse Umweltanalyse Betriebsanalyse Marktforschung Mikroumwelt Stärken Schwächen Chancen Risiken eigenes Unternehmen Philosophie Leitbild Zielsystem Marketing-Ziele Marketing-Strategien Organisation Führung Planung Marketing-Mix Recht Produktpolitik (Personal, Prozesse, Umfeld) Gesellschaft Wirtschaft Technologie Ökologie Politik Konkurrenz Kunden Lieferanten Banken Basisstrategien Marktfelder Marktstimulierung Marktsegmentierung Marktareale Wettbewerbsstrategien Preispolitik Distributionspolitik Kommunikationspolitik Marketing-Realisation Marketing-Konzept Abb. 15: Der Marketing-Management-Ansatz | [15] 78 4 Tourismusmarketing <?page no="79"?> wird die Produktpolitik in drei weitere „Ps“ weiter ausdifferenziert in: ● Personalpolitik (personnel), ● Prozessgestaltung (process) und ● Dienstleistungsumfeld (physical evidence). Und wenn man noch weiter ins Detail geht, werden noch weitere Unter‐ schiede und Besonderheiten deutlich, in denen sich Tourismusmarketing vom „normalen“ Marketing unterscheidet. Kern des Marketinginstrumentariums ist die Produktpolitik. Daher ist es elementar zu wissen, was das touristische Produkt ausmacht. Lesetipp | Mehr über das Grundwissen Tourismusmarketing finden Sie in dem Buch von Axel Dreyer und Martin Linne. 4.1 Produkte im Tourismus Unter einem Produkt verstehen viele Menschen ein anfassbares, materielles Gut. Solche Güter werden in Unternehmen nach konkreten Material- und Produktionsplänen hergestellt. Das ist im Tourismus gänzlich anders. Darum ist auch der Begriff Produkt im Tourismus eher theoretisch als Ergebnis der unternehmerischen Fakto‐ renkombination zu verstehen. Pauschalreiseangebote können am treffendsten mit dem Begriff Pro‐ dukt im Tourismus bezeichnet werden. Doch auch hier liegt kein fertiges Produkt, sondern ein vorab zusammengestelltes Leistungsbündel vor. espresso-Wissen | Drei-Dimensionen-Modell Touristische Produkte sind spezielle Dienstleistungen, die mit dem für Dienstleistungen typischen Drei-Dimensionen-Modell als Dienst‐ leistungspotenzial, Dienstleistungsprozess und Dienstleistungsergebnis beschrieben werden können. In allen Dimensionen sind Dienstleistun‐ 4.1 Produkte im Tourismus 79 <?page no="80"?> gen stets immateriell, selbst wenn materielle Dinge benötigt werden, um Dienstleistungen zu erstellen. Dienstleistungen sind in allen drei Dimensionen stets immateriell. Bei einem Hotel wird nicht das Dienstleistungspotenzial, das Hotelzimmer, angebo‐ ten, sondern dessen temporäre Nutzung. Auch Handtücher, Bademäntel und Kosmetikartikel werden nur zur Nutzung angeboten. Das Hotelzimmer und alle Ausstattungen sind in diesem Beispiel Teile des bereit gestellten internen Leistungspotenzials. Dieses bereitgestellt interne Dienstleistungspotenzial ergibt aus Kundensicht das Dienstleistungsumfeld. Es wirkt fast wie eine The‐ aterkulisse und ist im Rahmen der Produktpolitik entsprechend zu gestalten. Während des Dienstleistungsprozesses entsteht die eigentliche Dienst‐ leistung. Der Dienstleistungsprozess bildet daher den entscheidenden Kern der Dienstleistung. Das wird als Prozesscharakter der Dienstleistung bezeichnet. Der wesentliche Unterschied zu sächlichen Produkten ist, dass bei Dienstleistungen stets ein Kunde oder mindestens ein Teil von ihm anwesend sein muss. Erst dann kann die abschließende Faktorenkom‐ bination der bereit gestellten internen Leistungspotenziale und des so genannten relevanten externen Faktors, dem Gast, stattfinden. Das wird als Uno-actu-Prinzip bezeichnet. Im Dienstleistungsprozess treffen Gäste und Mitarbeiter aufeinander. Die Mitarbeiter haben die Möglichkeit, den Prozess so zu gestalten, dass der Gast zufrieden ist. Mitarbeiterpolitik ist im Tourismus ein wesentlicher Teil der Produktpolitik. Eine touristische Dienstleistung entsteht also immer nur dann, wenn der Gast sie in Anspruch nimmt. Sie kann weder auf Vorrat produziert noch gelagert oder nachgeholt werden. Sie entsteht unmittelbar. Und das macht sie besonders anfällig für Fehler, denn die entstehen auch unmittelbar vor den Augen der Gäste. Qualitätsmanagement im Tourismus ist daher besonders anspruchsvoll. Auch und erstrecht die Dienstleistungsergebnisse sind immateriell. Von einem Urlaub oder einer Dienstreise bleiben Fotos, Erinnerungen, die Erholung, eine verbesserte Gesundheit, Geschäftsabschlüsse u. v. m. Die materiellen Bestandteile (z. B. Fotos, wenn sie gedruckt sind oder Souvenirs) sind allenfalls Träger der Erinnerung, jedoch niemals das materielle Ergeb‐ nis der touristischen Dienstleistung. Das Produkt des Tourismus besteht jedoch nicht aus einem Leistungsteil. Das Prinzip der Leistungsbündelung ergibt sich aus der Tatsache, dass grundsätzlich viele verschiedene Träger an der touristischen Dienstleistung 80 4 Tourismusmarketing <?page no="81"?> mitwirken. Es gibt also stets verschiedene Potenziale, Prozesse und Ergebnisse im Tourismus. Reisemittler Beratung/ Verkauf Information/ Buchung Reiseveranstalter Verkauf Buchung Transport An- und Abreise Ankunft Destination Aufenthalt Erlebnisse Beherbergung Übernachtung Erholung sonst. Anbieter Unterhaltung Erlebnisse Dienstleistungspotenzial Dienstleistungsprozess Dienstleistungsergebnis rel. ext. Faktoren Abb. 16: Das Drei-Dimensionen-Modell im Tourismus | [16] Das Ergebnis touristischer Leistungen ist immer ein Ergebnisbündel. Es besteht aus den Teilergebnissen der unterschiedlichen Träger. Die große Herausforderung besteht darin, dass schon ein schlechtes Leistungsergebnis das gesamte Ergebnis beeinflussen kann (sie erinnern sich hoffentlich an das Erdbeerkörbchen aus Kapitel 2.4). Das gesamte Er‐ gebnisbündel wird negativ, mindestens aber negativer wahrgenommen, als es tatsächlich ist. Die Anforderungen an Qualität touristischer Leistungen dürfen daher nicht zu niedrig gestellt sein. 4.2 Kunden der Tourismuswirtschaft Kunden sind in der speziellen Dienstleistung Tourismus ein besonderer Faktor. Sie sind - als so genannter relevanter externer Faktor - erforder‐ 4.2 Kunden der Tourismuswirtschaft 81 <?page no="82"?> lich, um die Leistungen überhaupt anbieten zu können. Sie sind aber auch höchst individuell. Zwei verschiedene Kunden können ein und dieselbe Leistung (angebo‐ tene Leistungspotenziale) völlig unterschiedlich wahrnehmen. Es gibt keine komplexeren Anbieter - Kunden - Beziehungen als im Tourismus. Wenn bei klassischen Dienstleistungen ein relevanter externer Faktor untersucht wird, so sind es im Tourismus immer mehrere: Der Gast und sein Auto, eine Reisegruppe, eine Familie, der Gast und sein Sportgerät etc. Hier sind unterschiedliche Formen der Kundenintegration in den Dienst‐ leistungsprozess vonnöten, um Zufriedenheit mit dem Leistungsergebnis erzielen zu können. Und hier wirkt die Qualität des Personals besonders deutlich. Sich individuell zeitgleich auf verschiedene Gäste eizustellen ist eine besondere Herausforderung. espresso-Wissen | Konsumverhalten Das Konsumverhalten im Tourismus wird als Reiseverhalten bezeichnet. Das Reiseverhalten zu analysieren ist ein aufwendiger Prozess der touris‐ tischen Marktforschung. Im Allgemeinen wird das Reiseverhalten bisher eher quantitativ untersucht: Wann reist wer mit welchem Verkehrsmittel wohin und wie ist der Gast untergebracht. Eine qualitative Dimension ist wesentlich aufwendiger zu erforschen und findet daher nur punktuell statt. Das ist im Tourismus zu generell optimieren. Reiseverhalten umfasst neben Auswahlentscheidungen (z. B. Wahl des Reiseziels) auch ein Nutzungsverhalten. Wie sich Gäste vor Ort verhalten, könnte z. B. anhand von Kundenlaufstudien untersucht werden. Damit bekämen die Entscheider z. B. Informationen über die zeitliche Abfolge der Leistungsbündelung. Das Reiseverhalten wird zudem beeinflusst von allgemeinen, gesell‐ schaftsorientierten Wertvorstellungen und Konsumeinstellungen (z. B. öko‐ logisches oder soziales Bewusstsein), von eigenen Wertmaßstäben und von eigenen Verhaltensmustern der Konsumenten. Reiseentscheidungen (Aus‐ wahlentscheidungen) werden vor, während und nach der Reise getroffen. Die Unternehmen des Tourismus müssen zu unterschiedlichsten Zeiten und in verschiedensten Situationen Konsumimpulse setzen, um für sie positive Entscheidungen zu beeinflussen. Selbst bei mehr oder weniger 82 4 Tourismusmarketing <?page no="83"?> standardisiert angebotenen Pauschalreisen trifft der Gast auch während der Reise eine Vielzahl von Reiseentscheidungen. Jeder Leistungsträger muss seine Kunden verstehen, um erfolgreich zu sein. Er muss die Bedürfnisse, Bedarfe und Verhaltensmuster der Kunden kennen, um seine Leistungen optimal verkaufen zu können. Marketing liefert die entscheidenden Methoden und Instrumente, Märkte zu bearbeiten und den Kunden passende Angebote unterbreiten zu können. Das spezielle „Produkt“ Tourismus bedarf jedoch spezieller Methoden im Bereich des Marketings, die sich nicht ohne spezielle Kenntnisse aus der allgemeinen Literatur zum Marketing ableiten lassen. Das Wissen um die Gäste, deren Reiseverhalten, deren Erwartungen wirkt sich auf alle Bereiche des Marketinginstrumentariums aus. Um zu verstehen, wie das z. B. in der Werbung zu umzusetzen ist, gibt es einen Trick: Geben Sie bitte mal in einer Internetsuchmaschine das Stichwort „Hotelfrühstück“ ein und lassen sich die Fotos zeigen, die diese Maschine aus dem Netz (z. B. von den Internetseiten verschiedener Hotels) auflistet. Was sehen Sie auf den Fotos? Und noch wichtiger: Was sehen Sie auf den Fotos nicht? - Menschen! Viel zu selten werden in den Werbefotos Menschen dargestellt. In unserem Beispiel Menschen, die das Hotelfrühstück genießen. Oft werden Hotelzimmer abgebildet, nicht aber Menschen, die offensichtlich ihren Aufenthalt in dem Hotelzimmer genießen. Das lässt sich auf viele Bereiche der Tourismuswerbung ausweiten. Touristische Dienstleistungen entstehen in einem Prozess. Und dieser Prozess sollte in der Werbung kommuniziert werden. Es ist nicht verkaufsfördernd nur Teile des Dienst‐ leistungspotenzials statisch abzubilden. 4.2 Kunden der Tourismuswirtschaft 83 <?page no="85"?> 5 Aktuelle Herausforderungen im Tourismusmanagement espresso-Wissenscheck | https: / / narr.kwaest.io/ s/ 1286 espresso-Keywords | Arbeitszeiten, Datenmanagement, Digitalisie‐ rung, Fachkräfte, Ferienkultur, Kultur, Nachhaltigkeit, Offboarding, On‐ boarding, Servicelücke, Shareholder, Smart-Check-in, Trinkgeld, Unzu‐ frieden, Wertschöpfung, Zertifikate 5.1 Digitalisierung Tourismus war immer offen für technische Innovationen. Daher hat es schon frühzeitig Anstrengungen gegeben, Prozesse zu digitalisieren. In den letzten 20 Jahren haben sich bereits viele Formen der Digitalisierung etabliert. Wer bucht heute schon noch ein Hotelzimmer per Fax? ! Bei den verschiedenen Leistungsträgen können viele Prozesse mittler‐ weile problemlos digitalisiert werden. Kommunikation, Buchung, Zahlung, Check-in und Check-out und Boarding sind Beispiele für Prozesse, die der Gast unmittelbar mitbekommt. Mittelweile ist es möglich, weite Teile der Betriebsabläufe zu digitalisieren. In der Hotellerie werden Property- Management-Systeme eingesetzt, die alle internen und externen Bereiche abdecken, bis auf die Prozesse, die physisch von Mitarbeitern erbracht wer‐ den müssen, wie z. B. Zimmerreinigung. Solche Formen der Digitalisierung sind im Tourismus mittlerweile etablierter Standard. Auch der Einsatz von Robotern ist Realität geworden: Zum Servieren, Einsammeln von gebrauchtem Geschirr, als Cocktail-Mixer an der Bar oder als Pizzabäcker stellen sie teilweise auch für technikaffine Gäste eine besondere Form des Erlebnisses dar. Aktuell rüstet sich die Branche auf den Einsatz von KI-unterstützen Systemen. Digitalisierung im Tourismus ist sinnvoll, weil die knappen Personalres‐ sourcen dort eingesetzt werden können, wo sie die größere Wertschöp‐ fung für das Unternehmen und die größere Nutzenstiftung für den Gast <?page no="86"?> bringen. Mit digitalisierten Angeboten können im Tourismus so genannte Servicelücken geschlossen werden. espresso-Wissen | Servicelücken Im Tourismus werden Leistungen verschiedener Leistungsträger zu einem Gesamterlebnis kombiniert. Jeder Leistungsträger ist dabei ei‐ gentlich nur für sich selbst verantwortlich. Probleme können aber beim Übergang von einem Leistungsträger zum anderen entstehen, wenn dieser Übergang nicht reibungslos funktioniert. Das können falsche Informationen, falsche Ortsangaben, falsche Zeitangaben oder schlecht getaktete Verkehrsverbindungen sein. Diese Schwachstellen werden als Servicelücken bezeichnet. Dazu ein reales Beispiel: An einer Seilbahnstation fragt der Gast, ob denn die Hütte oben auf dem Berg geöffnet hätte. Der Mitarbeiter ist in der Zwickmühle. Sagt er ja, dann verkauft er sein Ticket; aber er lügt. Ist er ehrlich, verkauft er möglicherweise kein Ticket. Diese relevante Information kann sich der Gast heute im Internet oder via Apps selbst besorgen und seinen Reiseverlauf gleich so einplanen, dass sowohl die Hütte als auch der Seilbahnbetrieb geöffnet sind. Digitalisierung der Informationsstörme hilft also, den Übergang vom Leistungsträger Seil‐ bahn zum Leistungsträger Hütte reibungslos zu gestalten. Wenn dann im Zuge der Information gleich noch das Ticket verkauft und der Sitzplatz reserviert werden kann, dann macht die Digitalisierung für den Gast und die Leistungsträger Sinn. Am besten wäre es für den Gast, wenn er nicht in vielen unterschiedlichen Systemen agieren muss. Dabei muss er häufig dieselben Daten mehrfach angeben, was die digitalen Prozesse dann schon wieder umständlich macht. Digitalisierung muss den Tourismus unkompliziert machen. Doch in der Realität stoßen wir bei den Verbindungen zwischen unterschiedlichen Sys‐ temen heute häufig auf Probleme mit Schnittstellen. Diese Schnittstellen brauchen wir, damit sich die verschiedenen digitalen Systeme untereinander austauschen können. Dazu ein Beispiel aus der Hotellerie. 86 5 Aktuelle Herausforderungen im Tourismusmanagement <?page no="87"?> espresso-Wissen | Smart Check-in Eigentlich ist es heute problemlos möglich, ein Hotelzimmer ohne Kontakt zum Hotelpersonal zu beziehen. Die Buchung ist digital mög‐ lich. Der Kundenkontakt läuft mittels standardisierter Kommunikation und Chatbots. Auch der Check-in und das Öffnen des Zimmers kann digital erfolgen. Allerdings müssen die Systeme miteinander kommu‐ nizieren können: Das Property-Management-System (Vertrieb und Reservierung), das Customer-Relationship-Management-System (zur Kommunikation), das Check-in-System (via App oder Check-in-Box im Hotel) und schließlich das Schließsystem an der Zimmertür. Für alle Systeme gibt es viele verschiedene spezialisierte Anbieter. Doch das darf für den Gast nicht störend sein. Alle Systeme müssen untereinander mittels Schnittstellen so vernetzt sein, dass die Abläufe für den Gast reibungslos funktionieren. Die Probleme stecken dabei oft im Detail. Ein weiterer Vorteil der Digitalisierung im Tourismus ist die Verfügbarkeit von Daten. Im Grunde könnten sie permanent zur Verfügung stehen, wenn Schnittstellen zwischen den Leistungsträgern und z. B. den Statistikämtern entsprechend eingerichtet werden würden. Aktuell verfügbare Daten haben den Vorteil, dass die betriebliche Planung optimiert werden kann. Das betrifft z.-B. den Wareneinkauf aber auch die Personaleinsatzplanung. Jemand, der sich mit Datenmanagement und Prognosen auskennt, ist Bernd Männel, Smart Tourism Lead bei NTT DATA. Hier kommt unser Interview. espresso-Verständnis | In Destinationen stehen viele verschiedenste Daten zur Verfügung. Besonders deutlich wird das auf Inseln, die nur mit Verkehrsmitteln erreichbar sind. Das sind ja fast abgeschottete Räume, die datentechnisch im Grunde ein ideales Bild liefern könnten. Dort gibt es Zahlen über Ankünfte von den Verkehrsmitteln/ -trägern, die alle Anreisen betreffen, Übernachtungszahlen der Urlaubsgäste u. v. m. 5.1 Digitalisierung 87 <?page no="88"?> ♦ Experteninterview | Bernd Männel (NTT DATA) ▶ Auf welche Daten könnten Sie zurückgreifen, wenn die Leis‐ tungsträger dazu bereit sind? ▷ Touristische Destinationen und ihre Leistungsträger verfügen über eine Vielzahl von Datenquellen. Diese reichen von Anreise- und Ver‐ kehrsdaten über Übernachtungszahlen bis hin zu Transaktionsdaten aus dem lokalen Handel und der Gastronomie. Darüber hinaus bieten mo‐ derne Technologien wie Sensor- und Mobilfunkdaten die Möglichkeit, Bewegungsströme und Besucherverhalten noch genauer zu analysieren. So können beispielsweise durch die Integration von Wetterdaten und Veranstaltungskalendern präzisere Prognosen über die Besuchernach‐ frage erstellt werden. Ein konkretes Beispiel wäre die Analyse von Ankunfts- und Buchungsdaten in Kombination mit Wettervorhersagen, um die Auslastung von Fähren und öffentlichen Verkehrsmitteln zu prognostizieren. Werden die Prognoseergebnisse mit den Warenwirt‐ schaftssystemen der lokalen Dienstleister verschnitten, erhalten diese sehr genaue Prognosen, mit denen sie ihren Waren- und Personaleinsatz exakt planen können. Wichtig ist immer, den individuellen, konkreten Mehrwert zu kommunizieren. ▶ Wie gelingt es ihnen, diese unterschiedlichen Daten auszuwer‐ ten und nutzbar zu machen? ▷ Die Integration und Analyse dieser vielfältigen Datenströme erfor‐ dern fortschrittliche Technologien. Durch den Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) und maschinellem Lernen können aus diesen Daten verwertbare Erkenntnisse mit Mehrwert gewonnen werden. Die Her‐ ausforderung besteht darin, Daten aus verschiedenen Quellen in ei‐ nem einheitlichen Format zu aggregieren und zu synchronisieren. Werkzeuge zur Datenvisualisierung und -interpretation spielen dabei eine entscheidende Rolle, um komplexe Datenmengen verständlich und für verschiedene Adressatengruppen zugänglich zu machen. Die Implementierung eines solchen Systems in einer Destination ermöglicht z. B. die Vorhersage von Besucherzahlen und damit die dynamische Anpassung von Angeboten und Ressourcen. Smart Tourism ist dabei der Enabler für noch weitergehende Aspekte der intelligenten Daten‐ 88 5 Aktuelle Herausforderungen im Tourismusmanagement <?page no="89"?> nutzung. Da wir in Dänemark die touristischen Daten in unserer Plattform momenttum verarbeiten, wissen wir am besten, wann wie viele Menschen vor Ort sind. So plant Dänemark mit unseren Daten die Stationierung seiner Notärzte. ▶ Was ist der Nutzen eines aktuellen Datenmanagements? ▷ Ein aktuelles und umfassendes Datenmanagement bietet viele Vorteile. Es ermöglicht nicht nur eine effiziente Ressourcenallokation und ver‐ bessert das Besuchererlebnis durch personalisierte Angebote, sondern trägt auch zur Nachhaltigkeit bei. Beispielsweise kann die Analyse von Besucherströmen und -präferenzen die Entwicklung nachhaltiger Tou‐ rismuskonzepte unterstützen, die sowohl die Bedürfnisse der Gäste als auch den Schutz der lokalen Umwelt berücksichtigen. In Nationalparks, in denen momenttum eingesetzt wird, werden Ranger bedarfsgerecht eingesetzt. Für Destinationen sind aktuelle und gut verwaltete Daten die Grundlage für faktenbasierte Entscheidungen. Darüber hinaus lassen sich aus diesem Datenschatz weitere Mehrwerte generieren. Die Erkenntnisse aus der klassischen Marktforschung durch Umfragen o. ä. werden damit in Qualität und Effizienz deutlich übertroffen. Da gut interpretierte Daten aussagekräftig sind, erhalten die touristischen Akteure viel genauere und detailliertere Einblicke in ihre Gäste und Gästestrukturen. Durch die Verschneidung verschiedener Datenquellen entsteht ein Bild, das wesentlich differenzierter ist, als es beispielsweise die Sinus-Milieus liefern. Eine Zahl als Beispiel: Die Destination Vesterhavet an der dänischen Nordsee war vor der Einführung von momenttum das Reiseziel für 30 % aller Touristen. Seit vier Jahren, als die Plattform flächendeckend eingeführt wurde und von den Leistungsträgern und Touristikern aktiv im Alltag genutzt wird, hat sich der Anteil auf 50 % erhöht. Das Ziel, den Tourismus durch den Einsatz modernen Technologien wettbewerbsfähiger zu machen, haben wir damit eindeutig erreicht. Das gelingt nur mit modernem Datenmanagement auf einer performanten und geeigneten Plattform. ▶ Welche Prognosen sind mit den Daten möglich, mit welchem Planungshorizont und mit welcher Planungssicherheit? ♦ Experteninterview | Bernd Männel (NTT DATA) 89 <?page no="90"?> ▷ Mit Hilfe von Datenanalyse und Künstlicher Intelligenz können kurz- und mittelfristige Prognosen über Besucherzahlen, Nachfrageentwick‐ lungen und saisonale Schwankungen erstellt werden. Diese Prognosen bieten ein hohes Maß an Zuverlässigkeit und können Entscheidungs‐ trägern als Grundlage für strategische Planungen dienen. Ein Beispiel hierfür ist die Vorhersage von Besucherzahlen für bestimmte Zeiträume, die es ermöglicht, Personalplanung und Marketingmaßnahmen gezielt und effizient zu gestalten. Davon profitieren die DMO, die Leistungsträ‐ ger und die ganze Region, das ganze Land. Mit der Smart-Tourism-Plattform momenttum von NTT DATA ist eine Prognosegenauigkeit von über 95 % für die nächsten sieben Tage in Bezug auf Besucherzahlen, Wareneinsatz und Auslastung möglich. Das ist realisierbar, weil unser KI-Algorithmus ständig dazu lernt und wir Daten von hoher Qualität einspeisen. Dabei ist es besonders wichtig, das Wissen vor Ort an Bord zu holen und eng mit den lokalen Akteuren zusammenzuarbeiten. Nur sie können Auffälligkeiten in den Daten schlüssig erklären. So erreichen wir über 14 Tage noch eine Genauigkeit von über 85 % - und das auf individueller, sehr spezifischer Ebene. Bei der Betrachtung längerer Zeiträume hängt die Genauigkeit stark von der betrachteten Fragestellung ab. Durch die Integration von Buchungsda‐ ten und historischen Bewegungsdaten ist es beispielsweise möglich, bereits Monate im Voraus zu erkennen, ob eine Destination ausgelastet sein wird. Die Destination kann dann ihre Marketingmaßnahmen ge‐ zielt anpassen. ▶ Wenn Sie in den Orten engagiert werden, wie groß ist denn die Akzeptanz, Daten freiwillig zur Verfügung zu stellen? - Der Nutzen ist ja unbestritten. ▷ Die Bereitschaft, Daten zur Verfügung zu stellen, hängt oft vom Verständnis des direkten Nutzens ab. Eine transparente Kommunika‐ tion der Vorteile einer Datenfreigabe, wie z. B. die Optimierung des Gästeerlebnisses und die Steigerung der Wirtschaftlichkeit, fördert die Akzeptanz. Zu Beginn arbeiten wir mit einer ausgewählten Anzahl von Betrieben zusammen. Sobald unsere Dashboards die ersten Zahlen liefern und wir die erste Phase der Datenintegration und -validierung hinter uns haben, sind bisher alle vom Mehrwert überzeugt. In Dä‐ nemark zum Beispiel ist das Projekt Visit Data, in dem momenttum 90 5 Aktuelle Herausforderungen im Tourismusmanagement <?page no="91"?> eingesetzt wird, das einzige Projekt, an dem alle DMOs, alle LTOs und alle Tourismusverbände aktiv beteiligt sind. Der Mehrwert wird schnell deutlich, sobald die erste Nutzung erfolgt ist. Auch die Zusammenarbeit mit lokalen Tourismusverbänden, die bereits positive Erfahrungen mit datengetriebenen Ansätzen gemacht haben, ist hier unterstützend. ▶ Welche Hemmnisse bzw. Hürden gibt es seitens der Leistungs‐ träger, sich zur Kooperation bereit zu erklären? ▷ Es gibt Hürden, aber wenn der Mehrwert gut kommuniziert ist, sprin‐ gen die Leistungsträger auf. Obwohl der Nutzen von Datenanalysen unbestritten ist, gibt es Bedenken hinsichtlich des Datenschutzes, der Datensicherheit und der Preisgabe von Geschäftsgeheimnissen. Durch klar definierte Datenschutzmaßnahmen und die Einhaltung gesetzlicher Rahmenbedingungen schaffen wir Vertrauen und bauen Bedenken ab. Die von uns eingesetzte Technologie erfüllt höchste Datenschutz- und Datensicherheitsstandards und ist BSI C5 zertifiziert. Da wir keine personenbezogenen Daten verarbeiten und Daten aggregieren, ist ein direkter Personenbezug nie herstellbar. Erst ab einer kritischen Größe > 5 erfolgt eine statistische Auswertung. Dies ist auch der Grund, warum wir keine Verknüpfung mit konkreten Geschäftsdaten für Dritte ermöglichen. Der Aufbau eines Datenökosystems basiert auf drei wesentlichen Säu‐ len: Erstens Vertrauen in den Dienstleister. Zweitens Vertrauen in den Schutz und die Sicherheit der Daten und drittens Vertrauen in den Mehrwert der gemeinsamen Datennutzung. In einem transparenten Ökosystem, in dem alle Beteiligten von der Bereitstellung der Daten profitieren, steigt durch die Zusammenarbeit der Mehrwert jedes ein‐ zelnen Datensatzes und damit der Mehrwert für alle Beteiligten. ▶ Wie können KI-gestützte Technologien dazu beitragen, das Verständnis und das Engagement für nachhaltigen Tourismus zu fördern? ▷ Technologie, insbesondere Künstliche Intelligenz, spielt eine transfor‐ mative Rolle in der Tourismusbranche, da sie die effiziente Verarbei‐ tung und Analyse großer Datenmengen aus verschiedenen Quellen ermöglicht. KI-gestützte Systeme können Muster erkennen, die für menschliche Analysten nicht offensichtlich sind, und ermöglichen so ge‐ ♦ Experteninterview | Bernd Männel (NTT DATA) 91 <?page no="92"?> nauere Prognosen und personalisierte Empfehlungen. Leistungsträgern und touristischen Akteuren steht damit ein großer Informationspool zur Verfügung. Diese Technologien unterstützen die Optimierung von Maßnahmen und Prozessen, verbessern das Gästeerlebnis durch maß‐ geschneiderte Angebote und tragen zur nachhaltigen Entwicklung von Destinationen bei. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist der Einsatz von KI zur Verbesserung der Besucherlenkung. Durch die Analyse von historischen und Echtzeit‐ daten kann KI helfen, Overcrowding zu vermeiden und die Verteilung von Besucherströmen zu optimieren. Dies ist besonders wichtig in sensiblen Naturräumen oder bei Großveranstaltungen. Bernd Männel ist seit über 12 Jahren Experte für intelligente Datennut‐ zung und Digitalisierung. Seine Beratungsfelder umfassen verschiedene Bereiche wie Smart X, strategische Managementberatung und digitale Transformation. Bei NTT DATA ist er für den Bereich Smart Tourism verantwortlich. 5.2 Fachkräftemangel Digitalisierung ersetzt Personal. Folglich dürfte Fachkräftemangel im Tourismus kein Problem sein. - Weit gefehlt! Touristische Dienstleistungen sind und bleiben personalintensiv. Und je mehr einfache Prozesse digitali‐ siert werden, umso höher werden die fachlichen Anforderungen an das Personal und damit steigt auch das Problem des Fachkräftemangels. Im Grunde drückt der Begriff Fachkräftemangel etwas Falsches aus. Es fehlen nicht nur Fachkräfte. Es fehlen im Tourismus allgemein Arbeitskräfte. Die Gründe sind vielfältig. Durch die Covid-19-Pandemie haben sich viele Arbeitskräfte aus dem Tourismus in andere Branchen orientiert und 92 5 Aktuelle Herausforderungen im Tourismusmanagement <?page no="93"?> sind nicht zurückgekehrt. Die Arbeit ist oft körperlich anstrengend und muss teilweise unter einen gewissen Zeitdruck erledigt werden (z.-B. Room Service auf dem Kreuzfahrtschiff oder im Hotel). Die Arbeitszeiten sind oft nicht Freizeitkompatibel: in den frühen Morgenstunden, am späten Abend, am Wochenende, in den Ferien. Arbeitgeber sind nicht auf modernes Per‐ sonalmanagement eingestellt. Onboarding- und Offboarding-Prozesse finden quasi nebenbei jedenfalls selten professionalisiert statt. Arbeitszeit‐ modelle sind nicht an die Bedürfnisse der Arbeitnehmer angepasst, obwohl die Branche eigentlich flexible Modelle zulässt. Die Bezahlung orientiert sich bei einfachen Tätigkeiten oft am Mindestlohn, weil z. B. für Servicekräfte über Trinkgelder der Gäste erwartet werden. Das alles wären lösbare Probleme, wenn nicht der demografische Wandel wäre. Die geburtenstarken Jahrgänge streben geradewegs auf das Rentenal‐ ter zu. Die geburtenschwachen Jahrgänge der Generation Y und Z wirken für die Tourismusbranche auf den ersten Blick nicht kompatibel. Hinzu kommt das Phänomen, dass die Geburtenstarken Jahrgänge als fleißiger angesehen werden und der Generation Y und Z eine gewisse Faulheit unterstellt wird. Das ist zwar grundlegend falsch, aber die Einstellungen existieren. Arbeitsangebot und Arbeitsnachfrage in Einklang zu bringen, ist eine der größten Herausforderungen im Tourismus in den nächsten Jahren. Das wird den größeren Betrieben leichter fallen als den kleineren Akteu‐ ren. Die Branchen (Beherbergung und Gastronomie) sind sehr stark von kleinbetrieblichen Strukturen geprägt. Und dort ist professionelles HR- Management noch ausbaufähig. Die Folgen im Tourismus sind schon jetzt deutlich spürbar. Insbesondere in der Gastronomie werden Betriebszeiten eingeschränkt. Zwei bis drei Ru‐ hetage pro Woche auch in der Hauptsaison sind heute schon keine Seltenheit mehr. Das schmälert die Umsätze. Aber es erhöht die Unzufriedenheit bei den Gästen. Ein Problem ist das auf den Inseln oder in abgelegenen Orten ohne nennenswertes Umfeld. Die Gäste haben kaum bis keine Möglichkeit auszuweichen. Wenn das perspektivisch zum Abwandern der Gäste führt, kann mitunter das gesamte System Tourismus in einer kleinen Destination oder auf einer Insel zusammenbrechen. Die Chancen liegen darin, betriebliche Prozesse umzugestalten, Mitarbei‐ ter zeitgemäß zu führen, Prozesse zu digitalisieren, Arbeitsbedingungen zu flexibilisieren und ggf. neue Dienstleistungen im HR-Bereich zu etablieren. Denn im Grunde ist die Tätigkeit im Tourismus sinnstiftend. Menschen 5.2 Fachkräftemangel 93 <?page no="94"?> werden glücklich gemacht. Menschen wird eine tolle Zeit mit vielen Erleb‐ nissen beschert. 5.3 Nachhaltigkeit Nachhaltigkeit ist genau zu definieren, um sie richtig zu verstehen und vom reduzierten Verständnis Umweltschutz abzugrenzen. Nachhaltigkeit basiert auf drei Säulen: ökonomische Nachhaltigkeit, ökologische Nachhal‐ tigkeit und soziokulturelle Nachhaltigkeit, kurz oft als soziale Nachhaltig‐ keit dargestellt. espresso-Verständnis | Der Grundgedanke dabei ist es, Entscheidun‐ gen so auszurichten, dass sie dauerhaft tragfähig sind und die Zukunft nicht oder möglichst wenig belasten. Dahinter verbirgt sich auch der Gedanke der Generationengerechtigkeit, also dass heutige Ent‐ scheidungen nicht zu Lasten künftiger Generationen getroffen wer‐ den. espresso-Wissen | Social Development Goals Die Vereinten Nationen (UN) haben in ihrer Agenda 2023 17 Nachhal‐ tigkeitsziele (Social Development Goals kurz SDGs) ausgegeben, um den Regierungen der Welt einen groben Handlungsrahmen der Nachhaltig‐ keit zu geben. Eine Übersicht und ausführliche Beschreibung der Ziele finden sie auf der folgenden Website: 🔗 https: / / unric.org/ de/ 17ziele/ Diese politischen Ziele sind nicht immer perfekt auf die jeweiligen Unter‐ nehmen zu übertragen. Sie sollen aber die Handlungsmaximen in den Bereichen der ökonomischen Nachhaltigkeit, ökologischen Nachhaltigkeit und soziokulturellen Nachhaltigkeit aufzeigen. Der Gedanke der Generationengerechtigkeit bzw. überhaupt der Gene‐ rationengedanke ist in vielen, kleineren touristischen Unternehmen selbst‐ verständlich: Das Unternehmen soll ökonomisch funktionieren, so dass die folgende Generation ihn problemlos weiterführen kann. Ökonomische 94 5 Aktuelle Herausforderungen im Tourismusmanagement <?page no="95"?> Nachhaltigkeit ist daher im Rahmen des Tourismus nicht die größte Her‐ ausforderung. Ein Umdenken müsste es bei den börsennotierten Großkon‐ zernen geben. Hier herrschte in den letzten Jahrzehnten der Gedanke des Shareholder Values vor, also dem Kapitalgeber schnell eine möglichst hohe Rendite zu erwirtschaften, auch wenn das Unternehmen dadurch ggf. substanziell leidet. Das „schnelle Geld“ ist oft leichter zu verdienen als das „langsame“. Ökologische Nachhaltigkeit ist im Tourismus auch nicht grundsätzlich problematisch. Viele touristische Betriebe sind ressourcenbzw. energiein‐ tensiv. Hier Optimierungen im Sinne einer ökologischen Nachhaltigkeit vorzunehmen, führt meist zugleich zu einer Steigerung der Ökonomischen Nachhaltigkeit: Weniger Ressourcenverbrauch → weniger Kosten → bes‐ seres Betriebsergebnis. Soziokulturelle Nachhaltigkeit ist im Tourismus etwas komplexer um‐ zusetzen. Reisen verbindet Kulturen. Dass dabei auch negative Einflüsse entstehen, liegt auf der Hand. Destinationen maßvoll zu entwickeln, so dass die heimische Kultur nicht von der Ferienkultur dominiert oder zerstört wird, ist heute im Sinne der soziokulturellen Nachhaltigkeit wichtig. Das betrifft auch die Führung der Mitarbeiter in den touristischen Unternehmen. Ohne Mitarbeiter aus verschiedenen Ländern bzw. Kulturen sind heute schon touristische Betriebe nicht mehr aufrecht zu erhalten. Damit Unternehmen zeigen können, wie sehr sie Nachhaltigkeitsmanage‐ ment umsetzen, können sie sich zertifizieren lassen. Sie durchlaufen dabei einen Managementprozess, der Schwachstellen der Nachhaltigkeit aufdeckt und beseitigt. Zertifizierungsprozesse sind kostenintensiv. Sie können hel‐ fen, Nachhaltigkeitsziele zu erreichen. Doch das geht grundsätzlich auch ohne den Zertifizierungsprozess. Der Nutzen der Zertifikate liegt häufig auf einer kommunikativen Ebene: Der Gast kann schneller erkennen, welche Bemühungen das Unternehmen unternimmt, um nachhaltiger zu wirtschaf‐ ten. Allerdings gibt es mittlerweile so viele verschiedene Zertifikate/ Siegel, dass auch hier eine Unübersichtlichkeit festgestellt werden muss. 5.3 Nachhaltigkeit 95 <?page no="97"?> 6 Themen der Tourismuswirtschaft espresso-Wissenscheck | https: / / narr.kwaest.io/ s/ 1287 espresso-Keywords | Alleinstellungsmerkmal, Bleisure, Destination, Erholungstourismus, Geschäftstourismus, Gesundheitstourismus, Hauptmotiv/ Nebenmotiv, hybrider Verbraucher, Kulturtourismus, Li‐ teraturtourismus, Massentourismus, Produktentwicklung, Speziali‐ sierung, Sporttourismus, Worcation, Zielgruppe 6.1 Themen als Basis der Produktentwicklung Anstelle des Begriffs Themen wird in der Literatur der Begriff Märkte benutzt. Bei den Themen der Tourismuswirtschaft werden das Angebot und die Tätigkeiten der Träger auf bestimmte Teilleistungen ausgerichtet. Diese Form der Spezialisierung führt dazu, dass andere Leistungen nicht oder nur eingeschränkt angeboten werden können. In der Spezialisierung liegt oft ein wirtschaftlicher Vorteil. Das eigene Angebot wird besser wahrgenom‐ men; Preise können etwas freier gestaltet werden. Themen im Tourismus lassen sich relativ leicht definieren. Tourismus plus X - mit dieser Formel ließe sich die Themenbildung vereinfacht darstellen. Tourismus plus Natur liefert Naturtourismus. Tourismus plus Geschichte liefert Geschichtstourismus. Tourismus plus Rad liefert Radtou‐ rismus. In der Tourismusliteratur werden regelmäßig Erholungstourismus, Kul‐ turtourismus, Naturtourismus, Gesundheitstourismus, Sporttourismus oder Geschäftstourismus als wesentliche Themen/ Märkte diskutiert. Das ist jedoch nicht immer überschneidungsfrei. Im Sinne der touristischen Produktentwicklung steht immer im Vor‐ dergrund, welche Besonderheit wie genutzt werden kann, um daraus tou‐ ristische Angebote zu kreieren. Aus Sicht der Destination stellen sich die Fragen, welche besonderen Merkmale in der Destination vorhanden sind und wie diese genutzt werden können, um Reisebedürfnisse der Gäste zu befriedigen. Klassische Elemente sind Strände, Seen, Berge, natürliche Heil‐ mittel (z. B. Moore, Sole) oder historische Ereignisse und Persönlichkeiten, <?page no="98"?> Filmproduktionen u. v. m. So werben viele Orte mit einem Goethe-Bezug, sei es auch nur, einmal in einem seiner Briefe erwähnt worden zu sein. Gerne werden dazu auch Superlative herangezogen, um Alleinstellungsmerk‐ male bilden zu können: der höchste Berg (Zugspitze), die tiefste Landstelle (Senke bei Wilster in Schleswig-Holstein), der größte See, der tiefste See, der längste Strand, der breiteste Strand usw. Diese besonderen Merkmale können sämtliche Themen des Tourismus betreffen, sei es kultureller Art, aus dem Bereich der Geologie, Gesundheit, Natur, Sport, usw. Wenn keine Besonderheiten vorhanden sind, kann man immer noch darüber nachdenken, wie andere Themen aufgegriffen werden können, um marktfähige touristische Angebote zu entwickeln. Entscheidend ist, dass die Angebote klar und eindeutig auf bestimmte Themen ausgerichtet sind. Entscheidend ist, was als „X“ definiert wird. Was ist Kultur? - Was ist ein Kulturtourist? Ein krasses Beispiel liefert das Wacken Open Air, ein berühmtes Heavy Metal Festival. Auch hier sprechen wir von einem kultur‐ touristischen Angebot, auch wenn Bach-, Wagner- oder Händel-Fans das nicht nachvollziehen können. Das zeigt, wie groß die Bandbreite innerhalb des Kulturtourismus oder anderer Themen wie Natur, Gesundheit etc. ist. In der Tourismuspraxis - und leider gelegentlich auch in der Touris‐ muswissenschaft - wird in diesem Zuge von einer Spezialisierung auf Zielgruppen gesprochen. Der Begriff der Zielgruppe ist sehr spezifisch und im Bereich des Marketings sehr genau definiert. Eine Zielgruppen‐ spezialisierung auf Kulturtourismus ist noch viel zu allgemein, wie das Wacken-Beispiel darstellen soll. Wenn wir jetzt auf der Seite der Gäste sind, stellt sich die Frage, ab wann ein Tourist z. B. ein Sporttourist oder Kulturtourist o. ä. ist. Auch diese Frage ist nicht leicht zu beantworten. Zunächst hält sich kein Tourist für einen Touristen, allenfalls für einen Urlauber, Reisenden oder Gast. Selten kommt ein „X“-Tourist in reiner, idealtypischer Form vor. Es kommt dabei auf das Hauptmotiv der Reise an. Wenn ein Tourist per Fahrrad an einem Fluss unterwegs ist, dann ist das Radfahren sicherlich Hauptmotiv für diese Reise. Wir hätten es mit einem Radtouristen zu tun. Und das auch dann, wenn er nebenbei ein altes Schloss besichtigt (Kultur), unterwegs gern mal in einer Straußenwirtschaft (Kultur) Rast macht und sich auch für die Natur oder Geografie der Landschaft interessiert. In dem Fall sprechen wir von einem Radtouristen im engen Sinne. Würde derselbe Gast diese Reise per Bahn absolvieren und nur für ein oder zwei Ausflüge ein Rad mieten, dann müsste man ihn als Radtouristen im weiten Sinne bezeichnen. Oft findet man auch 98 6 Themen der Tourismuswirtschaft <?page no="99"?> in der Literatur die Bezeichnung Radtourist versus Auch-Radtourist. Dann ist das Radfahren Nebenmotiv der Reise. espresso-Wissen | Hybrider Verbraucher Ein Kunde lässt sich nicht immer grundsätzlich in ein festes Segment einordnen. Das kennen wir aus verschiedenen Bereichen der Wirtschaft. Ein und derselbe Kunde kauft heute im Lebensmitteldiscounter ein, morgen im normalen Supermarkt aber am Samstag auch auf dem Wochenmarkt. Und so ist es im Tourismus auch. Je nach Zweck oder Motiv der Reise verhalten sich die Touristen immer unterschiedlich. Entscheidend ist es daher, dass die touristischen Angebote für den jeweiligen Reisezweck optimal ausgerichtet sind. Dieser Fakt unterstreicht zudem die Bedeutung der Produktpolitik im Tourismus. Was für einzelne Leistungsträger treffsicher umgesetzt werden kann, z. B. als Radlerhotel, ist für die Destination weitaus schwieriger. Soll sich eine Destination nur auf ein Thema ausrichten? Hier ist es mitunter sinnvoller, einen Themenschwerpunkt zu setzen, aber andere Themen nicht völlig außer Acht zu lassen. Im Folgenden sollen nur einige ausgewählte Themen exemplarisch aus‐ führlicher beschrieben werden. Lesetipp | Sehr lesenswert ist der Tourismusatlas Deutschland, der von Bernd Eisenstein, Jule Kampen, Rebekka Weis, Julian Reif und Christian Eilzer herausgeben wurde. 6.2 Erholungstourismus Das wohl grundlegendste Bedürfnis beim Reisen ist die Erholung. Die 3 S des Reisens: Sonne, Strand und See oder die 3 E des Reisens: Erholung, Entspannung und Erlebnisse umschreiben dieses Grundthema der Touris‐ muswirtschaft. Alljährlich, zu bestimmten Reisezeiten, zieht es Millionen von Reisenden in den Urlaub. Erholung vom Alltag, Kraft und neue Energie 6.2 Erholungstourismus 99 <?page no="100"?> tanken, sich mal so richtig verwöhnen lassen, das sind die treibenden Motive dieser Urlauber. Die Tourismuswirtschaft nutzt diesen Effekt und hat in den vergangenen 30 Jahren Strukturen des Massentourismus geschaffen. An den großen Flughäfen starten bzw. landen die Großraumflugzeuge (Verkehrsmittel) fast im Minutentakt. Riesige Hotelkomplexe (Beherbergung) dominieren die Landschaft an geeigneten Küstenabschnitten (Destination). Ferne Reiseziele können mit Pauschalreisen (Produkte), und den damit verbundenen Men‐ geneffekten zu günstigen Preisen (Marketing) verkauft werden (Vertrieb). Dieses grob skizzierte Beispiel soll verdeutlichen, wie die drei Glieder‐ ungsebenen der Tourismuswirtschaft (Träger, Tätigkeiten, Themen) aufein‐ ander abgestimmt werden müssen, um passende Angebote zu entwickeln. In den Zeiten vor dem Massentourismus, waren die Motive mit denen heutiger Touristen vergleichbar. Das Reisen war jedoch schwieriger, indivi‐ dueller und folglich auch teurer, sodass sich nur wenige Reisende den Er‐ holungsurlaub überhaupt leisten konnten. In der Frühphase des Tourismus waren solche Reisen nur Adligen und äußerst Wohlhabenden vorbehalten. Der Sommerurlaub wurde damals als Sommerfrische bezeichnet. Heute ist das Reisen für Erholungszwecke für die allermeisten Menschen ein erschwingliches, teilweise sogar preiswertes Phänomen. Denken wir dabei weiter und versuchen Aspekte der Nachhaltigkeit oder der Vermei‐ dung des Overtourism zu berücksichtigen, stellt sich die Frage, ob Reisen zu Erholungszwecken wirklich als preiswertes Massengut angeboten werden sollen. Leider ist es immer noch so, dass die Reisenden zwar immer häufiger nachhaltig reisen möchten, sie sich aber dennoch sehr stark am Preis für die Reise orientieren. 6.3 Gesundheitstourismus Gesundheitstourismus ist ein Thema mit sehr unterschiedlichen Formen. Wird das Thema besonders weit ausgelegt, gibt es logische Überschneidun‐ gen zum Bereich des Erholungstourismus. Schließlich kann eine fortwäh‐ rende Belastung und Anspannung ohne entsprechenden Ausgleich auch zu gesundheitlichen Folgen führen (z.-B. Burn-out). 100 6 Themen der Tourismuswirtschaft <?page no="101"?> Gesundheitstourismus Erholung gesundheits -orientierter Tourismus Selfnesstourismus Wellnesstourismus Kurtourismus Operationstourismus Gesundheits -memorialtourismus Gesundheits -geschäftstourismus Sport Fitness Mental Wellness Spiritualität Medical Wellness Spa Beauty & Kosmetik präventive Kur behandelnde Kur rehabilitative Kur Schönheit Zahnersatz andere Eingriffe historische Orte Museen Kongresse, Messen Bildung besondere Arzteinsätze Abb. 17: Formen des Gesundheitstourismus | [17] 6.3 Gesundheitstourismus 101 <?page no="102"?> Urformen des Gesundheitstourismus gehen bis in die Antike zurück. Das Orakel von Delphi (Spiritualität) oder der Tempel von Asklepios sind einige Beispiele. In Deutschland hat sich das Kurwesen lange Zeit als bedeutender Bereich des Gesundheitstourismus etablieren können. Die Ursprünge liegen im Jahr 1892, als der Deutsche Heilbäderverband (DHV) gegründet wurde. Lesetipp | Das Handbuch Kur- und Bäderwesen von Ingo Menke zum Felde vermittelt Grundwissen und touristische Perspektiven. Kuren bewirken, dass die Arbeitskraft der werktätigen Bevölkerung wieder hergestellt werden kann. Leider ließ sich genau dieser Ansatz auch für Propagandazwecke missbrauchen. Auf der einen Seite können Regime den Arbeitern etwas Gutes tun. Auf der anderen Seite wurde deren Arbeitskraft dringend benötigt, um einerseits die Rüstungsindustrie im Dritten Reich und andererseits den Sozialismus aufzubauen. In diesen Zeiten entstanden die Organisationen Kraft durch Freude Reisen (KdF) und Reiseangebote des Freien Deutschen Gewerkschaftsbund (FDBG). Orte, die über besondere natürliche Angebotsvoraussetzungen verfügen, können sich durch den DTV und den DHV prädikatisieren lassen. Sie müs‐ sen z. B. über besondere klimatische (z. B. Meeresklima) oder geologische (z. B. Sole) Faktoren verfügen, bei denen eine gesundheitsförderliche Wir‐ kung nachgewiesen werden kann. Prädikatisierte Orte dürfen den Zusatz „Bad“ vor dem Ortsnamen führen. 6.4 Geschäftstourismus Die Reiseziele im Geschäftstourismus richten sich nicht nach naturräum‐ licher Ästhetik, sondern nach naturräumlicher Zweckmäßigkeit aus. Hier sind vor allem künstliche Angebotsvoraussetzungen in den Destinationen erforderlich, z.-B. Messezentren, Tagungsräume, Erreichbarkeit. Anders als bei weitestgehend selbstbestimmten Privatreisen, werden Reisezeitpunkte im Geschäftstourismus vorgegeben. Hier führen Kunden‐ termine, Messetermine oder Reparaturfälle zu einer Fremdbestimmtheit des Reisenden. Oft wird das durch höhere Ansprüche im Bereich der Zuverlässigkeit und des Reisekomforts ausgeglichen. 102 6 Themen der Tourismuswirtschaft <?page no="103"?> Geschäftstourismus Messen, Ausstellungen MICE Incentives Tagungen, Kongresse Treffen Neubauten Montagen Reparaturen Garantien Sponsoring Repräsentation Promotion Shows Events Kunden Besuche Partner Filialen Seminare Aus- und Weiterbildung Trainings Workshops Prüfungen Abb. 18: Formen des Geschäftstourismus | [18] 6.4 Geschäftstourismus 103 <?page no="104"?> Es gibt Reiseveranstalter, die sich auf dieses Segment spezialisiert haben. Oft gibt es in großen Firmen eigene Geschäftsreiseabteilungen. Hier besteht die Möglichkeit, die Leistungen an spezialisierte Reisebüros auszugliedern: Outsourcing. Auch Beherbergungsbetriebe können sich im Bereich des Geschäftstou‐ rismus spezialisieren. Es gibt z. B. Tagungshotels, die neben der Beherber‐ gung über verschiede Tagungsräume verfügen, die mit entsprechender Tagungstechnik ausgestattet sind. Eine solche Investition lohnt sich oft nur bei der Spezialisierung, wenn damit eine entsprechend höhere Auslastung erzielt werden kann. Ein neuer Trend im Bereich des Geschäftstourismus ist Worcation. Ein anderer Begriff ist Bleisure, abgeleitet aus Business (Geschäft) und Leisure (Freizeit). Hier werden Arbeitsreisen und Urlaubsreisen work und Vacation bzw. Business und Leisure nicht nur sprachlich verbunden. Workation bzw. Bleisure richtet sich an Geschäftsreisende, die vor oder im Anschluss an ihre Geschäftsreise noch einen Privataufenthalt koppeln und/ oder an deren Familienangehörige, um sie auf der Geschäftsreise zu begleiten. 6.5 Sporttourismus Sporttourismus ist der Teil des Tourismus, der über Sportarten erschlossen wird. Beispiele sind Radtourismus, Skitourismus, Wandertourismus, Angel‐ tourismus, Segeltourismus oder Klettertourismus. Anders als Gesundheits- und Geschäftstourismus, lässt sich der Sport‐ tourismus nicht eindeutig systematisieren. Die Komplexität, die sich aus Leistungssport und Breitensport, Sportteilnahme und Sporterleben ergibt, ist nicht überschneidungsfrei darstellbar. Dreyer hat allerdings eine Systematik der Reisen im Sport bzw. der Nach‐ fragetypen im Sport erstellt, die einen guten Überblick über die Bandbreite des Sporttourismus gibt. 104 6 Themen der Tourismuswirtschaft <?page no="105"?> Nachfragetyp Beschreibung Reisen mögliche Reisemotive sportbezogene Motive sonstige Motive ⓵ Sporturlauber vollständige Ausrich‐ tung der Reise auf die Ausübung von Sport Sport treiben, Bewegungs‐ drang, Erlernen neuer Sportar‐ ten Spaß, Wunsch nach Anerken‐ nung, persönli‐ che Entfaltung ⓶ sportorientierter Aktivurlauber sportliche Aktivitäten gehören zu einem wichtigen Teil zum Ur‐ laub, obwohl sie nicht die einzigen Betätigun‐ gen sind; Ausübung verschiedener Sportak‐ tivitäten aktive Erho‐ lung, Fitness, Gesundheit, Re‐ habilitation Spaß, Gesellig‐ keit, Erlebnis‐ drang ⓷ Trainingsreisen‐ der, Wettkampf‐ reisender - Reise von Leistungs‐ sportlern ins Trainings‐ lager oder zur Wett‐ kampfstätte Leistungsmes‐ sung, -beweis (Sieg), Leis‐ tungsverbesse‐ rung Berufsausübung, Wunsch nach Anerkennung, Ehre, Ruhm ⓸ Veranstaltungs‐ tourist (Sportzuschauer) Reise zum Besuch von Sportveranstaltungen passives Sport‐ interesse, Sport‐ begeisterung Abwechslung, Alltagskontrast, Kontakte, Gesel‐ ligkeit, Erlebnis, Unterhaltung ⓹ Sportunterstützer und -begleiter Reise zur Organisation von Sportevents oder als Begleiter von Akti‐ ven Sportlern (Trainer, Serviceleute, Freunde, Mitarbeiter der Sport‐ artikelindustrie) passives Sport‐ interesse Berufsausübung, Unterstützung, Begeisterung, Erlebnis ⓺ Sportmedien-ver‐ treter Reise zum Zweck der Beobachtung und Sportberichterstattung passives Sport‐ interesse journalistische Berufsausübung, Medienbericht‐ erstattung ⓻ Sport-Memo‐ rial-Tourist Reise zu Sportattrak‐ tionen wie Sportmu‐ seen, Arenen (Ground‐ hopping) etc. passives Sport‐ interesse Historie, Promi‐ nenteninteresse Abb. 19: Nachfragetypen und Reisen im Sporttourismus | [19] 6.5 Sporttourismus 105 <?page no="106"?> Im Sporttourismus gibt es eine weitere interessante Unterscheidung. Reisen können je nach Art der Sportausübung unternommen werden. Das hängt ebenfalls von den Sportarten ab. Sportausübung Reisen zum Sport/ zur Sportstätte während der Sportausübung passiv teilhabend Beschaffung von Sportgerä‐ ten, Besichtigung von Sport‐ geräten und Sportstätten (Memorialreisen), Besuch von Wettkämpfen nicht möglich passiv teilnehmend Dienstreisen von Journalis‐ ten, Funktionärsreisen Sonderfall: z. B. Segelkreuzfahrt aktiv teilnehmend Reisen zur Sportausübung, Reisen zur Wartung und Pflege von Sportgeräten, Rei‐ sen zur Vorbereitung von Sportreisen abhängig von Sportarten: z. B. Wandern, Radfahren, Rallye, Segeln Abb. 20: Sportreisen | [20] 6.6 Kulturtourismus Ein besonders weites Feld ist der Kulturtourismus. Er kommt gleich in unterschiedlichsten Formen und Dimensionen daher. Der Grund ist das weite Spektrum des Begriffs Kultur. Eine besondere Form des Kulturtourismus sind Städtereisen. Städte sind sehr beliebte Reiseziele, weil dort die vielfältigsten (kulturellen) Angebote zu finden sind. Städtereisen können auch als Hauptmotiv geschäftliche Zwecke haben oder z.-B. aus gesundheitlichen Gründen angetreten werden. Kulturreisen werden häufig geplant. Es sollen bestimmte Museen besich‐ tigt werden, sie müssen zu bestimmten Daten stattfinden. Es kann aber auch vorkommen, dass bestimmte Dinge per Zufall entdeckt werden, wenn die Reisenden vor Ort sind. Das kann passieren, wenn der Gast eine tolle Empfehlung im Hotel bekommt, sich vor Ort einen anderen Reiseführer kauft oder unterwegs ein Hinweisschild sieht, ihm folgt und etwas entdeckt, was er nicht erwartet hätte. Das kann z. B. auch durch die braunen Auto‐ bahnschilder ausgelöst werden. 106 6 Themen der Tourismuswirtschaft <?page no="107"?> Kulturtourismus Themenrouten/ -straßen Thementourismus Kunsttourismus Geschichtstourismus kulinarischer Tourismus Objekttourismus Bildungstourismus spiritueller Tourismus Erlebniswelten (Lego, Disney etc.) Literaturtourismus Musiktourismus Heritage Tourism Dark Tourism Brauchtum Weintourismus Biertourismus Gastronomietourismus Architekturtourismus Industrietourismus Gartentourismus Sprachtourismus Studientourismus i. e. S. Kirchen, Klöster, Wahlfahrtsorte i. w. S. Selfness Filmtourismus Malereitourismus Skulpturentourismus Handwerk Regionalitätentourismus Abb. 21: Formen des Kulturtourismus | [21] 6.6 Kulturtourismus 107 <?page no="108"?> Dimensionen des Kulturtourismus Objekte räumliche Dimension Ensembles Orte Städtetourismus Eröffnungen, Vernissagen Anlässe Veranstaltungen Events erleben sinnliche Dimension entdecken erkunden entschleunigen Aufenthalt zeitliche Dimension Ausflug Besichtigung Hauptmotiv Motivation Nebenmotiv Zufall Regionen anschauen erfahren Daten Abb. 22: Dimensionen des Kulturtourismus | [22] 108 6 Themen der Tourismuswirtschaft <?page no="109"?> Wenn wir bei anderen Formen des Tourismus Urlaube/ Aufenthalte und Ausflüge unterscheiden, so können im Kulturtourismus noch Besichtigun‐ gen (z. B. einer Kirche) und das Anschauen von Objekten (z. B. Statuen, Brunnen etc.) betrachtet werden. Alles findet in einer anderen zeitlichen, qualitativen und quantitativen Dimension statt. Auch die räumliche Dimension variiert. Einzelne Objekte können ebenso Ziel der Reise sein, wie Ensembles (der Frankfurter Römer, Teile einer In‐ nenstadt etc.). Es können besondere Orte besucht werden (z. B. Stonehenge), ganze Städte (z. B. Rom) und Regionen (z. B. Schottland für seine Schlösser und Filmdrehorte). espresso-Verständnis | Eine sehr ausführliche Betrachtung der wich‐ tigsten Facetten des Kulturtourismus liefern Dreyer und Antz in der 3. Auflage des Buches Kulturtourismus. 6.6 Kulturtourismus 109 <?page no="111"?> 10 Schwark 2006, 58. Glossar Alleinstellungsmerkmal (Unique Selling Proposition) | Im Tourismus ist es oft schwer, echte Alleinstellungsmerkmale zu finden. Viele Leistungen sind ähnlich und austauschbar (z.-B. Hotel A - Hotel B). Selbst Destinationen unterscheiden sich innerhalb geografischer Regionen kaum voneinander. Umso wichtiger ist das Tourismusmarketing mit eigenständigen Images, um sich von Wettbewerbern zu unterscheiden. Alltagsraum | Menschen halten sich in ihrem Alltag in bestimmten Bereichen auf. Der persönliche Aktivitätsradius orientiert sich stark an den beruflichen und alltäglichen Erfordernissen. Dieser sogenannte Alltagsraum wird durch immer wiederkehrende Tätigkeiten bestimmt. 10 Die Dimension dieses Alltagsraumes hängt von den Gewohnheiten, der Lebenssituation und dem Lebensraum (Groß‐ stadt oder Land) eines Individuums ab. Beacon | Beacons versenden eigenständig Datenpakete an mobile Empfangsgeräte (z.-B. Handys), um damit kurze werbliche Inhalte und Informationen automati‐ siert abzugeben. Im Marketing wird diese Form der Stimulation auf als Nudging bezeichnet: Es wird dabei gewissermaßen ein kleiner Gedankenschubs gegeben. Channel-Management | Die Möglichkeiten, touristische Leistungen zu verkaufen, sind insbesondere mit den Formen des elektronischen Vertriebs (E-Commerce) immens. Die Fülle der Möglichkeiten erfordert daher eine umfassende Auswahl und Kontrolle verschiedenster Vertriebswege. Chatbot | Chatbots analysieren Daten und können eingehende Fragen eigenständig beantworten. Besonders bekannt sind Chatbots seit der Einführung von Chat GPT. Dieses System ist in der Lage, menschliche Kommunikation künstlich nachzubilden. Demografischer Wandel | Der Demografische Wandel beschreibt die Entwicklung der Bevölkerungszahlen. Seit vielen Jahrzehnten ist bekannt, dass sich die Struk‐ tur der Bevölkerung substanziell verändert. Gründe sind niedrige Geburtenraten, sinkende Sterbezahlen und damit steigende Lebenserwartung sowie Migration. Destination-Management-Organisation (DMO) | Eine DMO ist die zentrale Or‐ ganisations- und Marketingeinrichtung in touristischen Zielorten und -gebieten. Künftig muss hier noch viel mehr Wert auf Markenprofilierung der Destination <?page no="112"?> 11 Esch 2018. S.-17ff. gelegt werden. Kleinere Organisationseinheiten neigen dazu, zu wenig Marken‐ strategisch zu agieren. Gatekeeper | Ein Gatekeeper (Türsteher) entscheidet, wer oder was durchkommt. Damit entsteht eine Machtposition für Systeme und Kanäle. Klassifizierung | Einheitlich festgelegte Anforderungen an die Beschaffenheit touristischer Angebote, die i.-d.-R. Vorgaben für das Leistungspotenzial (z.-B. Hotelzimmer) umfassen. Klassifizierungen dienen der Angebotsunterscheidung aber nicht der qualitativen Angebotsbeurteilung. Kunden | Kunden werden im Tourismus als Gäste, Reisende oder bei Verkehrsmit‐ teln als Passagiere bezeichnet. Ohne sie geht im Tourismus nichts. Touristische Dienstleistungen können nur erbracht werden, wenn Gäste anwesend sind. Lobbying | Lobbying oder Lobbyarbeit ist die Vertretung der Interessen einer Gruppe innerhalb der Gesellschaft gegenüber anderen Gruppen oder der Gesell‐ schaft. Marke | Technisch und rechtlich gesehen ist eine Marke ein Zeichen/ Logo o. ä. für ein Produkt oder ein Unternehmen. Im Sinne des zeitgemäßen Marketings ist eine Marke die Idee/ Vorstellung des Kunden von dem Produkt. 11 Das ist völlig abstrakt und weitestgehend losgelöst von den technischen Eigenschaften des Produktes bzw. der Dienstleistung zu sehen. Outsourcing | Beim Outsourcing werden Teile der betrieblichen Leistung nicht mehr selbst erbracht, sondern bei Dritten eingekauft. Dabei kann es sich um Dienstleistungen (z.-B. Reinigung) oder Sachleistungen (z.-B. Frühstücksbuffet) handeln. Qualitätssiegel | Von Verbänden herausgegebene Zeichen, Signets, Prädikate, die die Zugehörigkeit zu einem definierten Qualitätsprogramm darstellen sollen. Rationalisierung | Rationalisierung bezeichnet den Prozess, Kosten zu optimieren, indem mittels Maschinen (Roboter, EDV-Systeme) Prozesse standardisiert und Mitarbeiter ersetzt werden. Saison | Für Regionen typische Zeitabschnitte extrem hoher Reisenachfrage. An den Küsten im Sommer (Badeurlaub) in den Bergen im Winter (Wintersporturlaub). Shareholder Value | Das Shareholder-Value-Konzept ist eine Unternehmensstrate‐ gie, bei der der Vorstand einer börsennotierten Aktiengesellschaft durch alle Maßnahmen, die er in seinem Unternehmen entwickelt und umsetzt, den Unter‐ nehmenswert im Sinn des Marktwertes des Eigenkapitals steigern soll. Dabei wird 112 Glossar <?page no="113"?> 12 🔗 https: / / wirtschaftslexikon.gabler.de/ definition/ shareholder-value-43433/ version-2 66763. 13 🔗 https: / / wirtschaftslexikon.gabler.de/ definition/ sharing-economy-53876/ version-38 4536. der Gewinn als Maßgröße des Unternehmenserfolges infrage gestellt. Zielgröße ist das Aktionärsvermögen. 12 Sharing Economy | Der Begriff der Sharing Economy meint das systematische Ausleihen von Gegenständen und gegenseitige Bereitstellen von Räumen und Flächen, insbesondere durch Privatpersonen und Interessengruppen. Im Mittel‐ punkt steht die collaborative consumption, der Gemeinschaftskonsum. 13 Dahinter verbergen sich weitergehenden grundlegende Änderungen im Konsumverhalten und dem Verständnis von Besitz: „Ich brauche ein Loch in der Wand und muss dafür keine Bohrmaschine dauerhaft besitzen.“ Synergieeffekt | Der Synergieeffekt entsteht durch Kooperation, wenn auf diese Weise mehr erreicht werden kann als ohne die Kooperation. Das kann man sich ungefähr vorstellen wie die mathematisch falsche Aussage 1 + 1 > 2. Verband | Ein Verband ist ein Zusammenschluss von Personen, Unternehmen oder anderen Vereinen mit dem Ziel die gemeinsamen Interessen nach außen zu vertreten (siehe Lobbying). Zielgruppe | Eine Zielgruppe bestimmt sich über soziodemografische Merkmale, Verhalten, Einstellungen und Lebensstile. Im Tourismus sind Zielgruppen kaum exakt zu definieren. Besser wäre es hier allgemein von Kundengruppen zu sprechen. Glossar 113 <?page no="115"?> Websites, die Sie kennen sollten ♦ Europäische Union Diese Website gibt einen guten Überblick über die Organe der Europäischen Union (EU): 🔗 https: / / european-union.europa.eu/ institutions-law-budget/ institutions -and-bodies/ types-institutions-and-bodies_de ♦ Vereinte Nationen Diese Website der Vereinten Nationen beschreibt die 17 Ziele der Nachhal‐ tigen Entwicklung (auch Sustainable Development Goals oder häufig kurz SDGs genannt) im Detail: 🔗 https: / / unric.org/ de/ 17ziele/ ♦ Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz Auf der Website des Ministeriums ist ein lesenswerter Artikel über Touris‐ mus bzw. Tourismuspolitik zu finden: 🔗 https: / / www.bmwk.de/ Redaktion/ DE/ Dossier/ tourismus.html ♦ Naturschutzbund Deutschland e.-V. Der Naturschutzbund Deutschland e.-V. - kurz NABU genannt - veröffent‐ licht ein Kreuzfahrtranking, das Sie hier finden: 🔗 https: / / www.nabu.de/ umwelt-und-ressourcen/ verkehr/ schifffahrt/ kreu zschifffahrt/ 33548.html ♦ Welttourismusorganisation Die Welttourismusorganisation - kurz UNWTO genannt - ist eine Sonder‐ organisation der Vereinten Nationen. Details dazu finden Sie hier: 🔗 https: / / www.unwto.org/ ♦ Wirtschaftslexikon Das Gabler Wirtschaftslexikon ist eine Institution und die richtige Anlauf‐ stelle, wenn Sie einen wirtschaftswissenschaftlichen Begriff nachschlagen wollen: 🔗 https: / / wirtschaftslexikon.gabler.de/ <?page no="117"?> Lehrbücher, die Sie kennen sollten Die Geografie und die Ökonomie bilden, je nach Ausprägung der Hoch‐ schulen, zwei wesentliche Stoßrichtungen, über die der Tourismus erschlos‐ sen wird. Die Grundlage dieses Buches bildet die Ökonomie. Es ist grundsätzlich notwendig, die jeweiligen Standardwerke der „Mut‐ terwissenschaften“ zu kennen. Für die Betriebswirtschaftslehre sei hier explizit der Klassiker von Wöhe/ Döring mit dem Titel Einführung in die All‐ gemeine Betriebswirtschaftslehre genannt. Auch für jede weitere Vertiefung des Studiums sollten stets die Grundlagenwerke der BWL betrachtet werden. Das gilt z.-B. für Organisation, Führung, Finanzierung, Marketing etc. Für die Tourismuswirtschaft bilden drei Standardwerke die Basis: Wal‐ ter Freyer liefert mit Tourismus: Einführung in die Fremdenverkehrsökonomie das klassische Werk. Jörn Mundts Buch Tourismus ist eine gleichwertige Ergänzung. Einen etwas erweiterten Blick liefert Bieger mit Tourismuslehre - Ein Grundriss. Für jeden Leistungsträger gibt es spezielle Werke. In den Standardwer‐ ken werden die wesentlichen Aspekte mehr oder weniger ausführlich vorgestellt. So liefern z. B. Steinecke/ Herntrei mit Destinationsmanagement oder Gardini mit Marketing-Management in der Hotellerie entsprechende Vertiefungen. Auch für die Tätigkeiten im Tourismusmanagement (BWL: Funktio‐ nen) sowie für die Themen (Teilmärkte) sind zahlreiche spezialisierte Pu‐ blikationen verfügbar. Hier sind oftmals auch Sammelbände mit Beiträgen verschiedener Autoren zu einem Themenkomplex zu finden. In diesem Buch wird weitestgehend auf das übliche Zitieren verzichtet. Dieses Buch ist als Lehr- und Studienbuch angelegt. Grundlage dieses Buches, gerade für die vielen neuen Aspekte, liefern die Forschungen und Lehrerfahrungen von Dr. Martin Linne. Für eigene wissenschaftliche Arbeiten sollte dieses Buch - wie auch alle anderen Quellen - entsprechend den jeweils geltenden Vorgaben zitiert werden. <?page no="119"?> Literatur Hinweis Websites | Die im Buch genannten Links waren zum 25.07.2024 aktiv. Antz, C.; Dreyer, A. (2005): Handbuch Tourismus in Sachsen-Anhalt, Magdeburg, Wernigerode. Bieger, T. (2006): Tourismuslehre - ein Grundriss, 2. Aufl., Bern, Stuttgart, Wien. Burmeister H.-P. (Hrsg.) (1998): Auf dem Weg zu einer Theorie des Tourismus, S.-153-166. Rehburg-Luccom: Loccumer Protokolle. Dreyer, A. (2004): Sport und Tourismus, in Krüger, A.; Dreyer, A. (Hrsg.): Sportma‐ nagement - Eine themenbezogene Eingrenzung, S.-327-376, München, Wien. Dreyer, A.; Antz, C. (Hrsg.) (2020): Kulturtourismus, 3. Aufl. Berlin/ Boston. Dreyer, A.; Krüger, A. (Hrsg.) (1995): Sporttourismus, München. Esch, F.-R. (2018): Strategie und Technik der Markenführung 9. Aufl. München. Kaspar, C. (1996): Die Tourismuslehre im Grundriss, 5. Aufl., Bern, Stuttgart, Wien. Kramer D. (1998): Was bedeutet die Theorie des Tourismus für Kulturwissenschaf‐ ten? In H.-P. Burmeister (Hrsg.) Auf dem Weg zu einer Theorie des Tourismus, S.-153-166. Rehburg-Luccom: Loccumer Protokolle. Krüger, A. (1995): Einführender Überblick über die Thematik des Sporttourismus, in: Dreyer, A.; Krüger, A. (Hg.) 1995: Sporttourismus, München; S.-1-7. Krüger, A.; Dreyer, A. (Hrsg.) (2004): Sportmanagement - Eine themenbezogene Einführung, München, Wien. Linne, M. (2008): Tourismus - ein produkttypologischer Ansatz, Hamburg. Linne, M. (2008a): Touristische Ausprägungen des Segelsports, Hamburg. Linne, M.; Hesse, N.; Röder, P. (2019): Management von Kreuzfahrtunternehmen, IST-Studieninstitut (Hrsg.) Düsseldorf. Linne, M.; Karnath, I. (2022): Hotelmarketing und -management, Tübingen. Schwark, J. (2006): Grundlagen zum Sporttourismus, Münster. Schwark J. (2007): Sporttourismus - Stand und Entwicklung eines neuen For‐ schungsfeldes, in Sportwissenschaft, Heft 2, S.-279-295. Statistisches Bundesamt (2021): Aktuelle Daten zur Tourismuswirtschaft, Wirt‐ schaftliche Bedeutung und Nachhaltigkeit. <?page no="121"?> Belege von Fotos und Abbildungen Interviews Foto von Moritz Luft: © Axel Steinbach (Sylt Marketing) Foto von Wybcke Meier: © Ulrich Schaarschmidt (TUI Cruises) Foto von Rolf Seelige-Steinhoff: © Mandy Knuth Photography (SEETELHO‐ TELS) Foto von Bernd Männel: © NTT DATA Abbildungen [1] eigene Darstellung [2] eigene Darstellung [3] eigene Darstellung nach 🔗 https: / / www.bmwk.de/ Redaktion/ DE/ Dossier/ tourismus.html [4] eigene Darstellung in Anlehnung an Antz/ Dreyer 2005, 40 [5] eigene Darstellung bzw. Linne 2016, 17 [6] eigene Darstellung bzw. Linne 2016, 23 [7] eigene Darstellung bzw. Linne 2016, 28 [8] eigene Darstellung nach Linne, M.; Hesse, N.; Röder, P. 2019, 29 [9] eigene Darstellung nach Linne, M.; Karnath, I. 2022, 17 [10] eigene Darstellung bzw. Linne 2016, 34 [11] eigene Darstellung bzw. Linne 2016, 38 [12] eigene Darstellung bzw. Linne 2016, 39 [13] eigene Darstellung bzw. Linne 2016, 44 [14] eigene Darstellung bzw. Linne 2016, 51 [15] eigene Darstellung nach Linne, M.; Karnath, I. 2022, 47 [16] eigene Darstellung [17] eigene Darstellung bzw. Linne 2016, 61 [18] eigene Darstellung bzw. Linne 2016, 63 [19] eigene Darstellung nach Dreyer 2004a, 351 [20] eigene Darstellung nach Linne 2008a, 78 [21] eigene Darstellung [22] eigene Darstellung <?page no="123"?> Register Abfalltourismus-19 Abschneidegrenze-67 Airbnb-51 Akkulturation-23 Akzeptanzmanagement-70 Alleinstellungsmerkmal-35, 98, 111 Alltagsraum-19, 111 Arbeitsrecht-73 Arbeitszeitmodelle-93 Ausflüge-20 Ausflugsschiffe-42 Autobahnschilder-106 Ballin, Albert-44 Beacon-25, 111 Beherbergung-50, 53 Beratungsfunktion-60 Besucherlenkung-92 Besuchermanagement-71 Besucherströme-71, 89 Besucherverhalten-88 Besucherzahlen, Prognosen-90 Betriebswirtschaft-29 Bettensteuer-75 Bewegungsströme-88 Bezugsrahmen-22 Bleisure-104 Boarding-85 Buchung-85 Bürgerliches Gesetzbuch-26 Camping-51 Channel-Management-111 Chatbot-25, 53, 111 Check-in-85, 87 Check-in, smarter-87 Covid-19-Pandemie-19, 92 Customer Journey-39 Customer-Relationship- Management-87 Dampfmaschine-17 Daten-87f., 90 Datenmanagement-87, 89 Datenökosystem-91 Datenschutz-91 Demografie-23, 111 Destination-97 Destinationen-35 Destinationen, Daten-87, 89 Destination Governance-36, 71 Destination-Management- Organisation-111 Destinationsmanagement-28, 35 Destinationsmanager-39 Deutsche Reiseanalyse-67 Deutscher Tourismusverband-37 Dienstleistungsergebnisse-80 Dienstleistungspotenzial-80 Dienstleistungsprozess-80 Digitalisierung-39, 48, 58, 85 Distributionspolitik-77 Drei-Dimensionen-Modell-79 Eigenbetrieb-28, 36 Eigengesellschaft-28, 36 Eisenbahn-17 Empfehlung-106 <?page no="124"?> Ergebnisbündel-81 Erholung-99 Erlebnisfahrten-42 Europäische Kommission-27 Europäische Parlament-27 Europäische Union-27 Expeditionskreuzfahrten-45 Facebook-23 Fachkräftemangel-54, 58, 92 Faktor, externer-81 Faktorenkombination-80 Ferienkultur-95 Filmdrehorte-109 Flusskreuzfahrten-45 Frachtschiffreisen-45 Freier Deutscher Gewerkschaftsbund-102 Functional Split-43 Gatekeeper-112 Gebräuche-23 Generationengerechtigkeit-94 Geschäftsreisen-20 Geschäftstourismus-102 Gesellschaft-22 Gesundheitstourismus-100 Global Distribution Systems-62 graue Beherbergungsmarkt-51 Green Travel-38 Hanseatic Expeditionsflotte-47 HAPAG-44 Hapag-Lloyd Cruises-46f. Hauptmotiv-98 Henn na Hotels-25 Herausforderungen-38, 47 Hospitality-49f. Hotel-53 Hotelbusse-51 Hotelfrühstück-83 Hotellerie-50, 57f. Individualverkehr-41 Inkassofunktion-60 Insolvenz-63 Instagram-23 Integrationsmöglichkeiten-64 Kapazität-43 Kapitänsdinner-44 Kennzahlen-67 Klassifizierung-62, 112 klimaneutral-48 Kommunikationspolitik-77 Konsumverhalten-82 Konzentrationsprozesse-54 Kraft durch Freude-102 Kreuzfahrten-25, 43f., 46, 51 Kultur-95 Kulturförderabgabe-75 Kulturtourismus-106 Kunden-81, 112 Künstliche Intelligenz 25, 39, 48, 53, 57f., 88, 90f. Kurtaxe-74f. Landesmarketinggesellschaften-76 Leistungsbündel-31, 80 Lobbying-29, 112 Luft, Moritz-37, 40 Luxuszüge-51 Management, integratives-71 Männel, Bernd-88 Männel, ernd-92 124 Register <?page no="125"?> Marke-35, 38f., 112 Marketing-37, 77 Markt-20 Massentourismus-46, 100 Meier, Wybcke-46 Mein Schiff-47 Methanol-48 Ministerium für Wirtschaft und Klimawandel-27 Modal Split-42 momenttum-89 MS Europa-46 NABU-45 Nachfragetypen-104 nachhaltiger Tourismus-89 Nachhaltigkeit-38, 47f., 57, 76, 94 Nachhaltigkeitsziele-94 Nationalparks-24 Natur-24 Naturerlebnis-24 Nebenmotiv-99 NTT DATA-88, 92 Onboarding-93 Online Travel Agent-51, 62 Orakel von Delphi-102 Outsourcing-104, 112 Overcrowding-92 Overtourism-46, 70, 100 Parahotellerie-50 Parteien-26 Pauschalreise-26, 62 Pauschalreiseangebote-79 Personal-73 Personalkosten-73 Personalmanagement-54, 73 Personalmarketing-73 Personalplanung-73 Personalressourcen-85 Personalverwaltung-73 Politik-26 Postkarte-25 Preis-43 Preisdifferenzierung-72 Preispolitik-77 Produkt-79 Produktentwicklung-97 Produktpolitik-77 Property-Management-System-53, 87 Qualität-81f. Qualitätssiegel-112 Rationalisierung-112 Raumüberbrückungsfunktion-41, 62 Rechtssystem-26 Reisebekanntschaften-23 Reisebüro-61 Reiseerlebnis-23 Reisemittler-51, 60 Reisen-19 Reiserecht-62 Reiseveranstalter-17, 26, 30, 62 Reiseverhalten-82 Reiseverträge-26 Revenue-Management-48 Roboter-48, 53, 58, 85 Saison-112 saisonale Schwankungen-90 Saisonpersonal-74 Saisonpreise-72 Scheinkultur-23 Schnittstellen-86 Register 125 <?page no="126"?> Seelige-Steinhoff, Rolf-55 Seelige-Steinhoff, Rolf-60 SEETELHOTELS-54, 60 Segelkreuzfahrten-45 Sehenswürdigkeiten-71 Servicekette-34 Servicelücke-86 Serviceroboter-25 Shareholder Value-95, 112 Sharing Economy-51, 113 Siegel-95 Smartphone-25 Smart Tourism-88, 92 Smart X-92 SMS-44 Social Development Goals-94 Sofatourismus-51 Sommerfrische-100 Sortimentsfunktion-60 Soziale Marktwirtschaft-73 soziale Verantwortung-55 Spezialisierung-97 Sporttourismus-20, 104 Städtereisen-106 Stakeholder-38 Statistik-66, 69 Statistisches Bundesamt-68 Sterne-62 Stonehenge-17, 109 Strandampel-72 Subventionen-75 Superlative-98 Sylt-38 Sylt Marketing GmbH-37, 40 Synergien-64, 113 Tagesreisen-20 Technikgläubigkeit-25 Technikmuseen-25 Technologie-24 Telefon-25 Tempel von Asklepios-102 Titanic-25 Tourismus-20f., 33, 41f., 50 Tourismusabgabe-74 Tourismusakzeptanz-72 Tourismusausschuss-26 Tourismusentwicklung-69 Tourismusfinanzierung-74 Tourismusintensität-69 Tourismusmanagement-65 Tourismusministerium-26 Tourismuspolitik-26 Tourismusstatistik-66 Touristikkonzerne, integrierte-64 Trachten-23 Traditionen-23 Trinkgelder-93 TUI Cruises-46, 49 Umsatzerlöse-74 Umweltverantwortung-69 UNESCO-Welterbe-25 Unique Selling Proposition-111 Uno-actu-Prinzip-80 Unzufriedenheit-93 Verband-29, 113 Verbraucher-26 Verbraucher, hybrider-99 Verbraucherschutz-26, 63 Verkehr-40, 42 Vertrieb-61 Volkswirtschaft-29 Wacken Open Air-98 126 Register <?page no="127"?> Weltraumflüge-25 Welttourismusorganisation-27 Wertschöpfung-33, 85 Wertschöpfungskette-64 Wetter-88 Wirtschaftswissenschaften-29 Wissenschaft-21 Worcation-104 Yield-Management-72 Zertifikate-95 Zielgebietsmarken-36 Zielgruppe-98, 113 Zweckfahrten-42 Register 127 <?page no="129"?> Abbildungsverzeichnis Abb. 1: Eckpunkte der historischen Entwicklung des Tourismus | [1] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 Abb. 2: Bezugsrahmen des Tourismus | [2] . . . . . . . . . . . . . . . 22 Abb. 3: Institutionen der Tourismuspolitik der Deutschen Bundesregierung | [3] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 Abb. 4: Organisationen der Tourismuswirtschaft | [4] . . . . . . 29 Abb. 5: TTT-Gliederung der Tourismuswirtschaft | [5] . . . . . 30 Abb. 6: Vereinfachte Darstellung einer Servicekette | [6] . . . 34 Abb. 7: Ausgewählte Verkehrsmittel im Tourismus | [7] . . . 41 Abb. 8: Anbieter im Schiffsverkehr | [8] . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 Abb. 9: Gliederung der Hospitality-Branche | [9] . . . . . . . . . . 52 Abb. 10: Direkter und indirekter Vertrieb aus Sicht der Leistungsträger | [10] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 Abb. 11: Ein- und zweistufiger indirekter Vertrieb aus Sicht der Leistungsträger | [11] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 Abb. 12: Horizontale und vertikale Integrationsmöglichkeiten | [12] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 Abb. 13: Prozess der statistischen Datenverarbeitung | [13] . . 66 Abb. 14: Finanzierung im Tourismus | [14] . . . . . . . . . . . . . . . . 75 Abb. 15: Der Marketing-Management-Ansatz | [15] . . . . . . . . 78 Abb. 16: Das Drei-Dimensionen-Modell im Tourismus | [16] 81 Abb. 17: Formen des Gesundheitstourismus | [17] . . . . . . . . . . 101 Abb. 18: Formen des Geschäftstourismus | [18] . . . . . . . . . . . . 103 Abb. 19: Nachfragetypen und Reisen im Sporttourismus | [19] 105 Abb. 20: Sportreisen | [20] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 Abb. 21: Formen des Kulturtourismus | [21] . . . . . . . . . . . . . . . 107 Abb. 22: Dimensionen des Kulturtourismus | [22] . . . . . . . . . . 108 <?page no="130"?> ISBN 978-3-381-12201-1 Kurzlehrbuch mit eLearning-Kurs Sie suchen einen schnellen Einstieg in die Grundlagen der Tourismuswirtschaft, dann ist dieses Kurzlehrbuch genau das richtige für Sie! Es geht auf die Träger der Tourismuswirtschaft ein und stellt zentrale Tätigkeiten, etwa das Personalmanagement und die Tourismusfinanzierung, in Kürze vor. Auch die touristischen Produkte und Kunden lässt es nicht außer Acht und verrät wichtige Kennzahlen. Das Buch richtet sich an Studierende der Tourismuswirtschaft sowie an Quereinsteigende in die Branche. Mit Interviews von Moritz Luft (Sylt Marketing), Wybcke Meier (TUI Cruises), Rolf Seelige-Steinhoff (SEETELHOTELS) und Bernd Männel (NTT DATA). Die espresso-Kurzlehrbücher bereiten ideal auf Studium, Vorlesung und Prüfung vor - die konzentrierte Dosis Wissen für Ihren Studienerfolg. Jeder Band wird von einem passenden eLearning-Kurs begleitet, der den Lernfortschritt kontinuierlich sichtbar macht. www.uvk.de