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Professionelles Verhandeln für Einkauf und Verkauf

Die EVEREST-Methode®

0120
2025
978-3-3811-2372-8
978-3-3811-2371-1
UVK Verlag 
Jörg Pfützenreuter
Thomas D. Veitengruber
10.24053/9783381123728

Mithilfe von Strategie, Taktik und Psychologie richtig verhandeln Die Everest-Methode® von Jörg Pfützenreuter und Thomas D. Veitengruber ist bei Konzernen und Mittelständlern gefragt. Seit Jahren coachen sie Ein- und Verkäufer:innen gleichermaßen und lassen die eine Seite in die Karten der anderen schauen. Denn am Ende entscheidet die strategische, taktische und psychologische Raffinesse, wer als Sieger:in vom Verhandlungstisch aufsteht. Neu: Diese Auflage verrät, wie Sie Online-Verhandlungen erfolgreich führen und wie Sie künstliche Intelligenz als Assistent einsetzen können. Ein Buch für alle, die im Einkauf oder Vertrieb arbeiten und ihr Verhandlungsgeschick um den alles entscheidenden Gipfelmeter voranbringen wollen. Es eignet sich auch für Studierende der Betriebswirtschaftslehre.

<?page no="0"?> geht auf KI ein Jörg Pfützenreuter / Thomas D. Veitengruber Professionelles Verhandeln für Einkauf und Verkauf Die EVEREST-Methode® 2. Auflage <?page no="1"?> Professionelles Verhandeln für Einkauf und Verkauf <?page no="3"?> Jörg Pfützenreuter / Thomas D. Veitengruber Professionelles Verhandeln für Einkauf und Verkauf Die EVEREST-Methode® 2., vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage <?page no="4"?> 2., vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage 2025 1. Auflage 2014 (unter dem Titel „Die Everest-Methode: Professionelles Verhandeln für Ein- und Verkäufer“) DOI: https: / / doi.org/ 10.24053/ 9783381123728 © UVK Verlag 2025 ‒ Ein Unternehmen der Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5 · D-72070 Tübingen Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikro‐ verfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Alle Informationen in diesem Buch wurden mit großer Sorgfalt erstellt. Fehler können dennoch nicht völlig ausgeschlossen werden. Weder Verlag noch Autor: innen oder Heraus‐ geber: innen übernehmen deshalb eine Gewährleistung für die Korrektheit des Inhaltes und haften nicht für fehlerhafte Angaben und deren Folgen. Diese Publikation enthält gegebenenfalls Links zu externen Inhalten Dritter, auf die weder Verlag noch Autor: innen oder Herausgeber: innen Einfluss haben. Für die Inhalte der verlinkten Seiten sind stets die jeweiligen Anbieter oder Betreibenden der Seiten verantwortlich. Internet: www.narr.de eMail: info@narr.de Druck: Elanders Waiblingen GmbH ISBN 978-3-381-12371-1 (Print) ISBN 978-3-381-12372-8 (ePDF) ISBN 978-3-381-12373-5 (ePub) Umschlagabbildung: © skodonnell ∙ iStockphoto Autorenbild Jörg Pfützenreuter: © privat Autorenbild Thomas D. Veitengruber: © privat Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http: / / dnb.dnb.de abrufbar. <?page no="5"?> 9 11 13 15 1 17 1.1 17 1.2 18 1.3 20 1.4 21 1.5 23 1.6 25 2 31 3 39 3.1 42 3.2 43 3.3 44 3.4 45 Inhalt Vorwort der zweiten Auflage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vorwort der ersten Auflage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Danke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Über die Autoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Professionelles Verhandeln für Ein- und Verkäufer . . . . . . . . . . . . Verhandeln - was bedeutet das überhaupt? . . . . . . . . . . . . . Was passiert bei einer Verhandlung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . Parameter 1: Ziele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Parameter 2: Information . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Parameter 3: Teilnehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Parameter 4: Strategie und Taktik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die EVEREST-Methode zur professionellen Verhandlungsvorbereitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einstieg - Beschaffung der benötigten Informationen und Grobpositionierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Für Einkäufer ein Leichtes: Wettbewerbsinformationen sammeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Für den Einkäufer gut zu wissen: Das Unternehmen hinter dem Lieferanten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verkäufer sollten vor allem ihre Schlüsselkunden sehr gut kennen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Produkt: Darüber sollten Verkäufer wie Einkäufer sehr gut informiert sein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . <?page no="6"?> 3.5 46 3.6 48 3.7 50 4 51 4.1 51 4.2 58 5 63 5.1 64 5.2 66 5.3. 72 5.4 78 6 85 6.1 85 6.2 89 6.3 100 6.4 102 7 105 7.1 105 7.2 109 7.3 117 7.3.1 117 7.3.2. 121 7.4 125 7.5 133 8 137 8.1 137 8.2 142 Die Teilnehmer: Verkäufer, Einkäufer, bekannte und unbekannte Größen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Informationsbeschaffung: Was finde ich wo? . . . . . . . . . . . Grobpositionierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verhandlungsziele: Vorgaben und Zielsystem . . . . . . . . . . . . . . . . Warum Ziele festlegen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Zielsystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einschätzung der Ausgangsposition und des Risikos . . . . . . . . . . Ausgangsposition realistisch bewerten . . . . . . . . . . . . . . . . Einschätzung der Machtverhältnisse im Vertrieb . . . . . . . . Einschätzung des Risikos im Einkauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . Möglichkeiten, die Wahrnehmung des Gegenübers zu verändern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rhetorik - Das Argumentespiel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Motive (Kauf-, Verkaufsmotive) des Gegenübers erkennen Schlagkräftige Argumente entwickeln . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Schuhe des anderen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Argumentations- und Einwandtechniken erkennen und anwenden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Empathie - Wie man Menschen für sich gewinnt! . . . . . . . . . . . . Wie man die Beziehungsebene in Verhandlungen nutzen kann . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Menschen richtig beobachten und „lesen“ . . . . . . . . . . . . . . Menschen verstehen: Persönlichkeitstyp, Motivation und Antrieb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Persönlichkeitstypen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Motivation und Antrieb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Eigene Ausstrahlung zielgerichtet einsetzen . . . . . . . . . . . . Wellenlänge aufbauen / Menschen abholen . . . . . . . . . . . . . Strategie - der übergeordnete Plan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Strategie und Taktik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Strategie 1: Kooperative Lösung / Win-win . . . . . . . . . . . . 6 Inhalt <?page no="7"?> 8.3 143 8.4 143 8.5 144 8.6 144 9 147 9.1 150 9.2 155 9.3 157 9.4 164 9.5 172 10 175 10.1 175 10.2 177 10.3 179 10.4 181 10.5 182 11 187 11.1 187 11.2. 188 11.3 190 11.3.1 191 11.3.2 193 11.3.3 196 11.4 198 11.4.1 199 11.4.2 200 11.4.3 202 11.4.4 203 11.4.5 204 Strategie 2: Durchsetzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Strategie 3: Kompromiss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Strategie 4: Nachgeben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Strategie 5: Abbruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Taktik - Der taktische Baukasten professioneller Verhandler . . . Teilnehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Organisation und Zeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gesprächstaktik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Taktik der Argumentation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Trickkiste . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Online-Verhandlungen erfolgreich führen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Wahl des richtigen Mediums für Verhandlungen . . . . . Technik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ablauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kommunikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Flexibel agieren in Online-Verhandlungen . . . . . . . . . . . . . . KI als Assistenz in Verhandlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . KI in Verhandlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einführung in Chatbots - ChatGPT . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Prompt Engineering . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Allgemeine Tipps zum Prompting . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Allgemeine Anweisungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Strategien für effektives Prompting . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Konkrete Anwendungsmöglichkeiten von ChatGPT in Verhandlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Datenbasierte Recherche über den Verhandlungspartner . Unterstützung bei der Verhandlungsvor- und Nachbereitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Automatisierte Vertragsanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Unterstützung in Echtzeit: Vorschläge und Informationen während der Verhandlung durch KI-gestützte Systeme . . . Unterstützung in schwierigen Verhandlungssituationen: Monopole und übermächtige Verhandlungspartner . . . . . . Inhalt 7 <?page no="8"?> 11.4.6 205 11.4.7 207 12 211 12.1 212 12.1.1 213 12.1.2 213 12.1.3 213 12.1.4 214 12.1.5 214 12.2 215 12.2.1 215 12.2.2 217 12.2.3 220 12.2.4 221 12.2.5 227 12.2.6 238 12.2.7 239 12.3 241 10.4 247 253 255 262 263 Unterstützung als psychologischer Berater . . . . . . . . . . . . . ChatGPT als Trainer und Coach . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . „Expedition“ - Erfahrungen sammeln in der Praxis . . . . . . . . . . . Phasen einer Verhandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gesprächseinstieg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Präsentation der Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verhandlungseinstieg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verhandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gesprächsausstieg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tipps und Tricks aus unserer persönlichen Praxiserfahrung Verhalten in kritischen Situationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fragetechnik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Praxistipps für überzeugendes Argumentieren . . . . . . . . . . Einwände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Manipulation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wenn nicht …, dann …: Umgang mit Drohungen . . . . . . . . Schwierige Verhandlungen: Verhandeln mit übermächtigen Partnern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Trickkiste der Einkäufer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Praxistipps für Verkäufer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Register . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abbildungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tabellenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 Inhalt <?page no="9"?> Vorwort der zweiten Auflage Die Welt verändert sich rasant. Künstliche Intelligenz (KI) wird unser Leben nachhaltig verändern. Was KI alles leisten kann, erläutern wir im neuen Kapitel 11 - und gleich an dieser Stelle, denn das Vorwort der zweiten Auflage haben wir mithilfe der KI geschrieben. Den Prompt, also die formulierte Anweisung an die KI, finden Sie hier: Prompt für ChatGPT | „Wir haben vor genau 10 Jahren ein Buch über Verhandlungsführung geschrieben mit dem Titel „die EVEREST-Methode“. In der Zwischenzeit ist viel passiert. Die Märkte sind noch volatiler gewor‐ den. Es gab einige Krisen. Es wird seit Corona sehr viel online verhandelt. Der Einsatz von künstlicher Intelligenz wird bei Verhandlungen immer wichtiger. Ich gebe dir das Vorwort zur ersten Auflage als Datei. Bitte schreibe ein zusätzliches Vorwort zur zweiten, erweiterten Auflage. Der Text soll etwa eine DinA4-Seite lang sein. Der Schreibstil soll sich an dem Vorwort zur ersten Auflage orientieren.“ Es ist erstaunlich, wie viel sich in den letzten zehn Jahren seit der Veröffent‐ lichung der ersten Auflage dieses Buches verändert hat. Seit wir damals mit der EVEREST-Methode® einen strukturierten und praxistauglichen Ansatz für erfolgreiche Verhandlungen vorstellten, hat sich unsere Welt in vielerlei Hinsicht verändert: Ungewissheiten prägen den Markt, und die globalen Krisen haben die Herausforderungen komplexer und dynamischer gemacht. Die Rahmenbedingungen für Verhandlungen sind unberechenba‐ rer, was eine methodische Vorbereitung noch bedeutender macht. Mit dieser vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage der EVEREST-Methode® möchten wir Ihnen Werkzeuge an die Hand geben, um sich in dieser neuen Realität erfolgreich zu behaupten. Durch die Pandemie bedingt hat die Online-Kommunikation rapide an Bedeutung gewonnen. Verhandlungen über Videokonferenzen sind nicht mehr die Ausnahme, sondern oftmals die Regel. Diese Verlagerung in die digitale Sphäre bringt neue Herausforderungen mit sich, von der Körper‐ sprache, die nun durch eine Bildschirmfläche eingeschränkt wird, bis hin zur Notwendigkeit, Vertrauen und Beziehung über Distanz aufzubauen. Unser Buch ist auf diese Anforderungen angepasst und bietet in dieser vollständig <?page no="10"?> überarbeiteten und erweiterten Auflage praxisnahe Ansätze, wie Verhandler sich in virtuellen Verhandlungsräumen erfolgreich behaupten können. Ein weiterer, zunehmend wichtiger Aspekt ist der Einsatz von künstlicher Intelligenz. Tools, die einst als Zukunftsmusik galten, sind nun integraler Bestandteil vieler Verhandlungen. Ob bei der Analyse von Verhandlungs‐ partnern, der Vorhersage von Marktveränderungen oder der Optimierung von Entscheidungen: KI beeinflusst bereits heute den Ablauf und die Dynamik von Verhandlungen maßgeblich. In dieser überarbeiteten Ausgabe zeigen wir Ihnen, wie Sie diese Technologien im Rahmen der EVEREST- Methode® sinnvoll einsetzen, um Ihre Verhandlungen noch zielgerichteter und effizienter zu gestalten. Diese zweite Auflage soll Sie also nicht nur in bewährter Weise auf die Anforderungen Ihrer Verhandlungen vorbereiten, sondern Ihnen auch den Weg in eine veränderte Verhandlungswelt weisen. Unser Ziel bleibt das glei‐ che: Sie mit einem Werkzeug auszurüsten, das Sie souverän, systematisch und erfolgreich durch jede Verhandlung führt. Jörg Pfützenreuter und Thomas Veitengruber 10 Vorwort der zweiten Auflage <?page no="11"?> Vorwort der ersten Auflage EVEREST ist eine Methode, nach der Einkäufer und Verkäufer gleicher‐ maßen erfolgreich verhandeln. Doch kann das überhaupt funktionieren? Kann man Ein- und Verkäufer tatsächlich über einen Kamm scheren? Sicher nicht, werden Sie sagen, Verkäufer sind von Haus aus bis zu den Haarwurzeln aufs Verkaufen gepolt, haben das Verkaufen gewissermaßen im Blut, während Einkäufer oft nicht über vergleichbares Rüstzeug verfügen. Und auch thematisch sind sie doch so verschieden: der Einkäufer hat ein ganz anderes Ziel vor Augen als der Verkäufer. Wäre es also nicht viel sinnvoller, zwei Verhandlungsratgeber zu schrei‐ ben: einen für die Verkäufer, damit sie noch gewiefter werden? Und einen für die Einkäufer, um sie mit einer soliden Basis auszustatten, diesem Gewieftsein souverän zu begegnen? Wir sagen: Nein. Die Systematik, die hinter einer Verhandlung steckt, ist für alle gleich. In unseren vielen Seminaren, die wir über das erfolgreiche Verhandeln gehalten haben, im Kontakt mit den Einkäufern, Verkäufern, Personalern und Projektleitern, die uns in unseren Seminaren Einblick gaben in ihre tägliche Verhandlungsarbeit, finden wir bestätigt, was die EVEREST-Methode im Kern ausmacht: wer erfolgreich verhandeln möchte, muss die Sache systematisch angehen. Und EVEREST bietet Ihnen genau dies: eine Systematik zur Vorbereitung und Durchführung von Verhandlun‐ gen. Wer Ordnung in die vielen, vielen Parameter einer Verhandlung bringt, die ihn erwartet, hat einen klaren Blick auf sein Ziel und verliert es nicht aus den Augen, so haarig die konkrete Verhandlung dann auch werden mag. Systematik, Ordnung, Struktur: das hört sich nach viel trockener Arbeit an, werden Sie sagen. Wir wollen Ihnen darauf mit einem entschiedenen ‚Jein‘ antworten. Sie werden in der Planung und Strukturierung der Ver‐ handlung Entscheidungen treffen, darüber, wie Sie die Verhandlung führen wollen. Und dafür müssen Sie eigene Stärken und Schwächen, Ihr Team und das Ihres Verhandlungsgegners berücksichtigen, die unterschiedlichen Ziele der verschiedenen Teilnehmer, deren Persönlichkeiten, deren Schwächen. Es geht um strategische, psychologische, rhetorische Aspekte, um Zahlen, Machtgefüge, Zielsysteme und Taktik. Bei EVEREST schicken wir Sie maximal vorbereitet in die Verhandlung. Wir möchten, dass Sie das für Sie beste Ziel aushandeln können. Klar, das <?page no="12"?> erfordert Vorbereitung. Aber schon beim zweiten Mal werden Sie feststellen: das geht mir gut von der Hand. Beim dritten Mal ist die Systematik von EVEREST bereits in Sie übergegangen und bei der vierten Vorbereitung ist es wie Fahrradfahren. Wir versprechen Ihnen: mit EVEREST haben Sie ein Handwerkszeug an der Hand, mit dem Sie alle Verhandlungen erfolgreich bestehen. EVEREST wird Ihre ganz persönliche Kompetenz, Ihre Ziele zu erreichen. Jörg Pfützenreuter und Thomas Veitengruber 12 Vorwort der ersten Auflage <?page no="13"?> Danke Dieses Buch ist eine Herzensangelegenheit! Es steckt viel Zeit und Leiden‐ schaft darin und es war ein langer und spannender Aufstieg zu unserem ganz persönlichen Ziel. Wir sind stolz darauf, es erreicht zu haben - und das mit einem fantastischen Team an unserer Seite! Zuerst unsere Frauen, die nicht müde wurden, uns auf unserem Weg zu bestärken: Astrid und Natascha, dieses Buch hätte es ohne Euch nicht mal zum Basislager geschafft! Dann unsere Kinder, denen wir tägliche Übungseinheiten im erfolgreichen Ver‐ handeln verdanken: es gibt keinen besseren Sparringspartner als Euch! Jedes Team braucht einen Optimisten. Für unseren Lektor war das Ziel von Anfang an schon so gut wie in Sichtweite: vielen Dank für Ihre immer hilfreichen Vorschläge und Ihre Unterstützung, Herr Berger! Wir haben den Aufstieg geschafft und einen hilfreichen Ratgeber geschrieben für alle, die ihre Verhandlungsziele erfolgreich erreichen wollen. Dass es dazu ein besonders lesenswertes und kurzweiliges Buch geworden ist, ist Tina Huh und Annette Wenzel zu verdanken. Euch beiden, dem Wenzel und Huh Pressebüro, gilt unser letzter Dank: Euer Schreiben, Denken und Ideenliefern haben das Buch veredelt. <?page no="15"?> Über die Autoren Thomas D. Veitengruber, geboren 1967, ist Unter‐ nehmensberater und Inhaber der VEITENGRUBER - Beratung für den Mittelstand. Für seine Beratungstätigkeit greift der Diplom- Wirtschaftsingenieur auf eine langjährige Erfahrung als Führungskraft und Mitglied der Geschäftsleitung internationaler Industrieunternehmen zurück. Er lebte und arbeitete unter anderem in den USA, der Schweiz, Italien und Südostasien. Seine Schwer‐ punkte lagen dabei in Vertriebsmanagement und -steuerung, Marketing, Produkt- und Prozessmanagement, sowie in Einkauf und Supply Chain Management. Heute ist er einer der Experten für Value-Selling und Verhand‐ lungsführung und berät sowohl namhafte Konzerne als auch mittelständi‐ sche Unternehmen. Er ist Business-Coach und zertifizierter Online-Trainer. Thomas Veitengruber ist verheiratet und hat zwei Kinder. Gemeinsam mit seiner Familie lebt er im Rhein-Main-Gebiet. 🔗 www.veitengruber-bm.de Jörg Pfützenreuter, geboren 1962, ist selbständiger Trainer, Coach und Autor. Der Diplom-Ingenieur und Diplom-Kaufmann ar‐ beitete in seiner beruflichen Laufbahn über 15 Jahre als Führungskraft im Management und in der Ge‐ schäftsleitung internationaler Konzerne und mittel‐ ständischer Firmen. Seine Schwerpunkte lagen im globalen Einkauf, Supply Chain Management und Business Management für technische Produkte. Er greift auf vielfältige internationale Erfahrungen aus verschiedenen Branchen und Funktionen zurück und hat viele Jahre im Ausland, u. a. Saudi- Arabien, USA, Kanada, Europa gelebt oder gearbeitet. Heute leitet er sein eigenes Seminar-, Trainigs- und Coaching-Unterneh‐ men in Köln und ist einer der Top-Trainer für Verhandlungsführung und persönliche Souveränität. Er ist NLP-Master, Business - und Hypnose - Coach und hat eine Ausbildung zum Hypnose-Therapeuten absolviert. Mittlerweile hat er in seinen Seminaren und Coachings mehr als 6.000 Teilnehmer geschult. <?page no="16"?> Jörg Pfützenreuter ist verheiratet und hat vier Kinder. Er lebt mit seiner Familie in Köln. 🔗 www.joerg-pfuetzenreuter.com Gemeinsam haben die Autoren die Verhandlungswerkstatt® gegründet, in der sie Führungskräfte, Einkäufer und Verkäufer vieler namhafter Unter‐ nehmen mit dem nötigen Handwerkszeug ausstatten, um Verhandlungen zielorientiert und erfolgreich zu führen. 🔗 www.verhandlungswerkstatt.com 16 Über die Autoren <?page no="17"?> 1 Professionelles Verhandeln für Ein- und Verkäufer SUMMARY Erfolgreiches Verhandeln ist keine Frage von Talent, einer glücklichen Hand oder gar Zufall - es kann erlernt werden! Und in diesem Kapitel legen wir die Basis dafür. Wir sehen uns genau an, was Verhandeln eigentlich bedeutet und lernen hier bereits vier entscheidende Parame‐ ter kennen, die darüber entscheiden, ob wir unser Verhandlungsziel erreichen: Ziele, Informationen, Teilnehmer und zuletzt Strategie und Taktik. So mit Basiswissen ausgerüstet, können wir den Weg zum Gipfel beginnen! 1.1 Verhandeln - was bedeutet das überhaupt? Sie betreten den Verhandlungsraum und sehen nach rechts und links - mit Ihnen sind andere Bergsteiger am Start, die wie Sie ein Ziel haben: die Verhandlung erfolgreich abschließen, den Gipfel erreichen. Was tun Sie? Einfach mal losmarschieren und auf Ihr Glück, Ihre Kraft und Ausdauer setzen? Jeder erfahrene Bergsteiger wird Ihnen sagen: Dies ist der Weg, auf dem Sie den Gipfel ganz sicher nicht erreichen. Der Berg will nicht bezwungen, er will vorbereitet sein. Jeder erfolgreiche Verhandler wird Ihnen sagen: Einzelkämpfer haben selten Erfolg. Alles, was Sie erreichen wollen, hängt immer auch vom anderen ab. Ob Sie innerhalb der Familie das Ziel der nächsten Urlaubsreise besprechen oder mit einem Kunden über den Preis für eine Lieferung diskutieren - immer müssen verschiedene Interessen auf einen gemeinsamen Nenner gebracht werden. Wie dieser Nenner dann konkret aussieht, hängt ganz davon ab, wie die Gespräche verlaufen. Und das wiederum haben Sie in der Hand! Beim Verhandeln stehen sich mindestens zwei Personen gegenüber, die beide das Gleiche wollen: ihr Ziel möglichst zu 100 Prozent erreichen. Zu‐ gleich wissen beide, dass keine Verhandlung zustande käme, beharrten beide <?page no="18"?> Kommuni‐ kation als Schlüssel Seiten auf ihren in der Regel konträren Standpunkten. Kommunikation ist das Schlüsselwort, ohne sie funktioniert es nicht; nicht umsonst heißen die gängigen Synonyme zum Wort „verhandeln“ erörtern, sich besprechen, un‐ terhalten oder konferieren. 1.2 Was passiert bei einer Verhandlung? Gibt es einen Königsweg beim Verhandeln, der mich zielsicher zum Gipfel führt? Ganz so einfach ist es nicht, denn keine Verhandlung gleicht der anderen, und was einmal funktioniert hat, kann das nächste Mal genau der falsche Weg sein. Wetterbedingungen ändern sich, die Natur verändert die Route und jeder Einzelne im Team bringt andere Stärken und Schwächen mit ein. Aber es gibt verschiedene Mittel und Methoden, sozusagen die Ausrüstung, um Verhandlungen einzuschätzen und erfolgreich zu führen. Jeder wird außerdem mit der Zeit seinen eigenen Stil entwickeln und die passenden Methoden für seine Persönlichkeit finden. Aus einem feinsinni‐ gen Verhandler wird keine aggressive „Bulldogge“ und umgekehrt. Je nach Verhandlung und Persönlichkeit argumentieren, feilschen, wer‐ ben, handeln wir oder üben Druck aus, um den Verhandlungspartner in die Richtung unseres Wunschergebnisses zu bewegen. Dazu setzen wir rhetorische Fähigkeiten ein, spielen vielleicht, wenn vorhanden, mit unse‐ rem Charisma, bemühen uns, passende Soft Skills anzuwenden und die Gedankengänge unseres Gegenübers zu entschlüsseln. Eine Verhandlung ist keine Terra incognita, für die man nur genügend Abenteuergeist braucht, um sie zu erforschen. Das Gegenteil ist der Fall. Es sind vier Parameter, die darüber bestimmen, wie eine Verhandlung verläuft: ▶ Ziele ▶ Informationen ▶ Teilnehmer ▶ Strategie und Taktik 18 1 Professionelles Verhandeln für Ein- und Verkäufer <?page no="19"?> Preisverhandlung Feedbackbzw. Reklamationsgespräch Vertragsverhandlung Zielvereinbarungsgespräch Ziele Information Teilnehmer Strategie & Stil Vorbereitung Ergebnis/ Erfolg Abb. 1: Verhandlungsrahmen Über was verhandeln wir im Geschäftsleben? Da sind sicherlich als Erstes die Preisverhandlungen zu nennen. Sie haben einen hohen Stellenwert und werden oft sehr erbittert geführt, da das Ergebnis kaum transparenter sein könnte als die Zahl, die am Ende schwarz auf weiß auf dem Papier steht. Zudem müssen Einkäufer und Verkäufer gleichermaßen ein zweites Mal Geschick zeigen, wenn sie das erzielte Ergebnis intern vorstellen und eventuell rechtfertigen müssen. Wer sich hierbei keine Blöße geben will, kämpft in der Verhandlung allein schon deshalb besonders hart und entschlossen. Neben den prominenten Preisverhandlungen werden aber auch nicht minder wichtige Verhandlungen über Verträge, Reklamationen, technische Inhalte oder Zielvereinbarungen geführt. Gut zu wissen: Ganz gleich, welcher Inhalt verhandelt wird, die Parameter für den Erfolg der Verhandlung bleiben immer dieselben! 1.2 Was passiert bei einer Verhandlung? 19 <?page no="20"?> 1.3 Parameter 1: Ziele Mit welchem Ergebnis möchten Sie den Verhandlungstisch optimalerweise verlassen? Haben Sie eine genaue Vorstellung oder ist sie eher vage? Entscheidend für den erfolgreichen Verlauf jeder Verhandlung ist es, sein Ziel genau zu kennen. Je genauer Sie es definieren, desto weniger werden Sie in die Verlegenheit kommen, plötzlich auf glattem Eis „herumzueiern“ und am Ende auszurutschen. Denken Sie immer daran: Ein gewieftes Gegenüber wird Ihre „So ungefähr“-Vorstellung ohne zu zögern schamlos ausnutzen und die eigenen Ziele durchdrücken - und das, ohne dass Ihnen wirklich bewusst ist, was geschieht. BEISPIEL Einkäufer Ernst Erhardt hat sich im Vorfeld der Verhandlung Gedanken gemacht, welchen Hebel er ansetzen kann, um bei der Verhandlung um die Verlängerung des Rahmenvertrags mit Lieferant Volker Vogt einen Rabatt herauszuschlagen. Zwar besteht die Geschäftsbeziehung schon lange, die Qualität der Produkte ist gleichbleibend hoch und die Zuverlässigkeit legendär, aber auf der anderen Seite ist das zu vergebende Auftragsvolumen sehr attraktiv und die Wettbewerber stehen schon Schlange. Trotzdem ist Erhardts Interesse an einem Lieferantenwechsel gering, da es einigen organisatorischen Aufwand mit sich bringt, den er vermeiden möchte. Sein klares Ziel also: Ich setze den Lieferanten mit dem umkämpften Wettbewerb unter Druck und erwirke so viel Rabatt wie möglich auf die bestehende Preisliste. Ist das Ziel schlüssig? Stellen wir diese Frage in Seminaren, kommen die Anfänger meist anerkennend zu dem Ergebnis, der Einkäufer sei ein wirklich harter Knochen. Für die Profis hingegen ist das Problem offensichtlich: Dieser Einkäufer hat überhaupt kein Ziel! Er hat die Situation strategisch analysiert und den entsprechenden Hebel „Wettbewerb“ erkannt. So weit, so gut. Was er sich allerdings nicht überlegt hat, ist die genaue Definition des Ziels: Mit welcher Forderung steige ich ein, wie lautet mein Wunschziel, mit welchem Ergebnis gebe ich mich gerade noch zufrieden und wann steige ich aus? 20 1 Professionelles Verhandeln für Ein- und Verkäufer <?page no="21"?> Erfahrung Vergleichs‐ angebot Wettbewerbsanalyse Kostenana‐ lyse Umfeld Marktver‐ hältnisse 1.4 Parameter 2: Information Wer die Route und vor allem ihre Schwierigkeiten sowie die Engpässe der Route genau kennt, hat den Vorteil auf seiner Seite. Beschaffen Sie sich also alle relevanten Informationen vor der Verhandlung, um besser einschätzen zu können, welche Ziele realistisch sind, welche Forderungen zum Scheitern der Verhandlung führen könnten und welches Vorgehen zum Ziel führt. Oft entscheiden sich Verhandlungen zugunsten derjenigen, die besser über den Verhandlungspartner, sprich das Unternehmen, informiert sind. Wie groß ist es, wie hoch ist der Verhandlungswert im Vergleich zum Gesamtumsatz oder wie wichtig ist der Auftrag für die eine wie für die andere Seite? In Zahlen umgesetzt: Sind mehr als 2,5 Prozent Rabatt einfach nicht drin, sind 5,5 Prozent realistisch oder kann ich höher einsteigen und versuchen, die 9-Prozent zu erreichen? Folgende drei Möglichkeiten führen zu einer Einschätzung von realisti‐ schen Zielen: 1. Einkäufer und Verkäufer können allein aufgrund ihrer Erfahrung eine realistische Einschätzung ihrer Verhandlungsziele vornehmen. 2. Der Einkäufer holt sich Vergleichsangebote ein und verschafft sich einen Überblick über den aktuellen Wettbewerb. Für den Verkäufer ist es nicht ganz so einfach: Er weiß nicht, wie sich seine Wettbewerber positionie‐ ren, zumindest nicht auf offiziellem Weg. Ganz ohne Wissen muss aber auch der Verkäufer nicht dastehen: Er kann eine Wettbewerbsanalyse durchführen und abbilden, wie sich das Unternehmen in der Vergan‐ genheit verhalten hat, wie seine Ziele aussehen und wie sich die aktuelle Situation darstellt. 3. Ein für Einkäufer und bedingt auch für Verkäufer guter Weg ist eine detaillierte Kostenanalyse: Danach geht es in Verhandlungen häufig nicht mehr um den Preis an sich, sondern um die technische Erreichbarkeit des zuvor ana‐ lysierten und berechneten Preises. Voraussetzung ist die Bereitschaft beider Seiten, die Kalkulation offenzulegen und den Cost-Breakdown gemeinsam zu analysieren. Informationen über das Umfeld bzw. die Marktverhältnisse, in denen sich Einkäufer und Verkäufer bewegen, spielen eine wichtige Rolle. Wie sieht etwa der Wettbewerb aus, wie stark ist die Konkurrenz, hat der Verkäufer Alleinstellungsmerkmale oder sogar eine Monopolstellung? Informationen 1.4 Parameter 2: Information 21 <?page no="22"?> Wettbewer‐ ber Vertriebs‐ kompetenz Markt- / Wettbe‐ werbsanalysen Machtver‐ hältnisse Anforde‐ rungen des Kunden über die Wettbewerber bieten wichtige Hinweise zu ihrer preislichen und technischen Positionierung und die Stärken und Schwächen der einzelnen Anbieter. Da sich der Verkäufer im Markt besser auskennt - schließlich geht es um sein Produkt in seinem Markt und seine direkten Wettbewerber -, hat er hier meist einen Informationsvorsprung. Allerdings muss er sein Produkt zusätzlich klar positionieren, Kenntnis über den Nutzen des Produkts für den Kunden haben, Vor- und Nachteile gegenüber den Wettbewerbern und die Kostenstruktur kennen und die Anforderungen des Kunden verstehen (Produkt, Logistik, Service, Beratung, Information über Updates etc.). Kurzum: Er muss zur Verhandlungskompetenz seine Vertriebskompetenz durch Markt- und Wettbewerbsanalysen untermauern. Alle diese Informationen über Unternehmen und Marktumfeld bilden die Machtverhältnisse ab. Dieses Bild zeigt sehr deutlich, wer stark ist und Druck ausüben kann und den längeren Atem hat oder wer etwa beim Schei‐ tern der Verhandlung mehr zu verlieren hat. In Sachen Information müssen Sie als Ein- oder Verkäufer aber auch an das Produkt selbst denken. Ein Verkäufer kennt in der Regel sein Produkt sehr gut und kann das Verhältnis von Rabatt, technischen Änderungen, Umsatz und Gewinn schon im Schlaf tanzen. Um den Kunden zu überzeugen, braucht es (aber) mehr: Es ist wichtig, Informationen zu sammeln, die die Anforderungen des Kunden genau abbilden. Wie setzt er das Produkt ein, was erwartet er vom Dienstleister, welche Verbesserung soll die neue Lösung bewirken etc.? Spitzen Sie in den Verhandlungen stets die Ohren und merken Sie sich jede Information, jedes beiläufig geäußerte Wort genau. Halten Sie das schriftlich fest und legen Sie sich eine Art Factsheet zum Kunden an. Gerade die Nebensätze bergen oft wertvolle Hinweise, die man andernorts nicht herausfinden kann. Nehmen Sie im Zweifelsfall Fachleute aus Ihrem Unternehmen mit zur Verhandlung, vor allem dann, wenn sich Kenntnisse über technische Lösungen oder Produktdetails auf den Preis auswirken und sich Ein- oder Verkäufer ohne diesen fachlichen Beistand alleine auf unsicheren Boden begeben würden. Wer sich nicht auskennt, wird leicht über den Tisch gezogen oder die Verhandlung kommt ins Stocken und wird eindimensional („… es ist eben einfach zu teuer! “). Fazit: Vorbereitung macht den Meister! Generell sind alle Informationen wichtig, die Sie vom oder über den Kunden und das Marktumfeld sammeln können. Je mehr Sie wissen, desto besser können Sie Verhandlungsstrategie 22 1 Professionelles Verhandeln für Ein- und Verkäufer <?page no="23"?> und -taktik anpassen und desto wahrscheinlicher ist es, dass Sie Ihr Ziel erreichen. 1.5 Parameter 3: Teilnehmer In Verhandlungen begegnet man einer Vielzahl von verschiedenen Persön‐ lichkeiten. Die Lauten und Überheblichen, die an den Verhandlungstisch poltern und auf alles eine Antwort haben, sei sie noch so an den Haaren herbeigezogen, fallen durch ihr dominantes Auftreten besonders auf. Wir alle neigen dazu, uns von Arroganz und Aggressivität einschüchtern zu lassen. Das muss nicht sein, im Gegenteil. Wer sich von vornherein auf Überheblichkeit und Co. einstellt, lässt sich kaum von ihr beeindrucken. Doch wie macht man das? Überlegen Sie einmal, warum der andere so arrogant oder aggressiv auftritt. Man muss kein ausgebildeter Psychologe sein, um zu wissen, dass sich hinter diesem Verhalten oft Angst und Unsicherheit verbergen. Angst, zu versagen, Unsicherheit, dem Druck nicht standzuhalten, und so weiter. Sie wissen doch: Hunde, die bellen, beißen nicht. Wenn man sich das klarmacht, verliert der Furor des Gegenübers seinen Schrecken. Stellen Sie sich vor, da sitzt Ihnen jemand gegenüber, der unsicher ist und in Auftreten und Ton über das Ziel hinausschießt. Klopfen Sie ihm gedanklich verständnisvoll auf die Schulter und sagen Sie sich trotzdem: „Jetzt wird hier aber vernünftig verhandelt und Klartext geredet! Und zwar nach meinen Regeln! “ Es soll Verhandlungen geben, in denen sich zwei Partner gegenübersitzen, die nicht um den heißen Brei herumreden, sondern klar und verständlich sagen, was sie denken und was sie erreichen möchten, und die beide eine einvernehmliche Lösung herbeiführen möchten. Diese Verhandlungen sind in der Regel schnell und unkompliziert. Man kam als Partner zusammen und geht auch als Partner aus der Verhandlung wieder heraus. Die schlechte Nachricht: Solche Verhandlungen kommen in der Realität eher selten vor. Im Alltag traut die eine Seite der anderen nicht über den Weg. In der Annahme, die Gegenseite macht das ja genauso, wird taktiert, geblufft, die Ergebnisse verzögert, mitunter sogar gelogen. Schließlich will man ja nichts verschenken und sich nicht über den Tisch ziehen lassen. Am Verhandlungs‐ tisch regieren Taktik und Hintergedanken, Strategie und Geheimhaltung. Vertrauen und Ehrlichkeit? Die müssen leider draußen bleiben. Und deshalb müssen Sie sich auf Ihr Gegenüber nicht im Hinblick auf ihn als Privatperson, sondern als Ihr Verhandlungspartner einstellen. Natürlich 1.5 Parameter 3: Teilnehmer 23 <?page no="24"?> Verhand‐ lung und Verhand‐ lungsführer hilft es zu wissen, für welchen Fußballverein sein Herz schlägt oder ob derjenige frisch verheiratet ist. Das reicht für ein paar nette, warme Worte am Anfang der Verhandlung. Aber es bereitet nicht das Feld. Denn in Businessverhandlungen geht es nicht vertrauensvoll und unverstellt zu. Vielmehr werden bisweilen Arroganz, Überheblichkeit oder Aggressivität bewusst eingesetzt, um Ziele durchzusetzen. Denken Sie allein an den sogenannten „Eisenfresser“ - wie beinharte und sehr erfahrene Profis unter den Verkäufern salopp genannt werden. Er erkennt sofort, wenn die Gegenseite die falsche Ausrüstung dabei hat und sich trotzdem auf rutschigen Untergrund wagt. Ein kleiner Rempler genügt und die Gegenseite rutscht aus: Da werden Verhandlungen verschleppt, Gegenargumente wie Platzregen eingesetzt oder durch unbequemes Verhalten auf menschlicher Ebene verunsichert, um nur einige Tricks zu nennen. Nur eines wird nicht passieren: Der Eisenfresser verschenkt keinen einzigen Cent. Der unerfahrene Einkäufer gibt sich schließlich zu schnell mit einem Nachlass von 2,5 Prozent zufrieden. Was er nicht ahnt: Der Verkäufer hatte einen viel höheren Rabatt in der Tasche und den Einkäufer lediglich durch seine Hartnäckigkeit schon bei 2,5 Prozent ausgebremst. Und deshalb steht der Parameter Ziele an oberster Stelle. Denn was pas‐ siert, wenn der Einkäufer mit der konkreten Zielformulierung - möglichst 9 Prozent, mindestens aber 7,5 Prozent Rabatt - in die Verhandlung geht? Er wird sich niemals mit 2,5 Prozent abspeisen lassen. Der Verkäufer erhält sehr schnell das Signal: Dieser Einkäufer weiß genau, was er will, und er meint es ernst! Und wenn uns nun der notorische Eisenfresser gegenübersitzt, der die gewünschten 9 Prozent einfach nicht herausrückt? Hier bleibt dem Einkäufer nur eine Option, die Ultima Ratio: Er bricht die Verhandlung ab. Abbrechen kann dabei auch Unterbrechen im Sinne einer Denkpause heißen, die dem Einkäufer Zeit gibt, seine Ziele eventuell in einem akzep‐ tablen Rahmen zu korrigieren. Entscheidend dabei ist aber das Signal an den Verkäufer: Ich werde mich nicht mit 2,5 Prozent zufrieden geben, egal wie hartnäckig, grob oder psychologisch trickreich der Eisenfresser an meinem Willen auch nagen mag. Sprich: Ziele sind der beste Freund in Verhandlungen, ganz gleich, wie die Teilnehmer auch heißen mögen. Bei der Betrachtung der Teilnehmer einer Verhandlung gibt es noch einen weiteren interessanten Punkt. Jede Verhandlung, egal wie viele Leute auf der einen oder der anderen Seite am Tisch sitzen, braucht einen Verhand‐ lungsführer. Er gibt die Reihenfolge der zu besprechenden Punkte vor, steckt den zeitlichen Rahmen und achtet auf das Einhalten der Agenda. Der Ver‐ 24 1 Professionelles Verhandeln für Ein- und Verkäufer <?page no="25"?> handlungsführer dringt aber nicht nur auf die Formalien. Er trifft auch Ent‐ scheidungen oder bricht die Verhandlung, wenn nötig, ab. Alle diese wich‐ tigen Aufgaben sollten in einer Person gebündelt sein. Die Funktion des Verhandlungsführers ist eine machtvolle Position und meistens wird ein er‐ fahrener Einkäufer, da er nun mal der Kunde ist, diese Aufgabe an sich rei‐ ßen. Keine Chance also für den Verkäufer, auch mal Verhandlungsführer zu sein? Mitnichten. Immer wieder gehen Einkäufer mit einer „Ich warte mal ab, was passiert“-Haltung in eine Verhandlung. Sie haben keine Agenda, keinen roten Faden, keinen konkreten Plan. Diese Unerfahrenheit gilt es sofort auszunutzen! Sobald Sie als Verkäufer merken, dass der Posten des Verhandlungsführers vakant beziehungsweise ihrem Gegenüber schlicht nicht bekannt ist, bieten Sie sich freundlich an, diese Aufgabe zu überneh‐ men. 1.6 Parameter 4: Strategie und Taktik Strategie Wir haben bereits drei entscheidenden Punkte betrachtet, mit denen eine Verhandlung steht und fällt: Ziele, Informationen und Teilnehmer. Mit diesen drei Parametern lässt sich eine Verhandlung schon sehr gut beschreiben. Ziele, Teilnehmer und Informationen sind die wichtigen Eckpunkte, aber wie führe ich sie zu einem stabilen Gebilde zusammen? Was noch fehlt, ist das Wichtigste: der Plan! Sprich: Wie genau will ich mir denn jetzt holen, was ich mir als Ziel formuliert habe? Es geht also um die geeignete Verhandlungsstrategie. Wenn wir in unseren Seminaren in die Runde fragen, welche Verhand‐ lungsstrategien es denn so gibt, kommen meistens die Antworten, die wir alle kennen: „good cop / bad cop“ oder „möglichst hoch einsteigen“ oder „mit dem Wettbewerb drohen“. Doch das ist nicht Strategie, sondern Taktik, die handwerkliche Umsetzung einer Strategie. Das folgende Schaubild verdeutlicht Strategien und die dazugehörigen Ergebnisse einer Verhandlung: 1.6 Parameter 4: Strategie und Taktik 25 <?page no="26"?> EK VK MIN. MIN. MAX. MAX. Verlierer Gewinner EK VK MIN. MIN. MAX. MAX. EK VK MIN. MIN. MAX. MAX. EK VK MIN. MIN. MAX. MAX. neues Min. nach Deal neues Min. nach Deal Ergebnis: win - lose Gewinner Verlierer Ergebnis: win - win Ergebnis: lose - lose Ergebnis: win - win Abb. 2: Mögliche Verhandlungsergebnisse Bietet die Verhandlungssituation auch nur die geringste Chance, eigene Ziele zu erreichen, weil man über eine stärkere Verhandlungsposition und entsprechende Druckmittel verfügt, wird in der Praxis oft die Winlose-Option bevorzugt. Dabei steht das Erreichen der eigenen Ziele ohne Kompromisse im Vordergrund, denn in der heutigen Zeit hat schließlich niemand etwas zu verschenken. Dieses Vorgehen bezeichnen wir als hartes Verhandeln. Am Verhandlungstisch agiert man gegeneinander; das Ziel ist es zu gewinnen und die Niederlage des Gegenübers wird in Kauf genommen. 26 1 Professionelles Verhandeln für Ein- und Verkäufer <?page no="27"?> Im Gegensatz dazu zielen Win-win-Verhandlungen darauf ab, Ergebnisse zu erreichen, mit denen beide Seiten gut leben können. Solche Verhandlun‐ gen führen zu einem Konsens, der für alle Beteiligten zufriedenstellend ist. Bei angestrebten Win-win-Ergebnissen wird tendenziell weicher ver‐ handelt. Es geht um einen Dialog und Austausch, um Geben und Nehmen. Die Beteiligten nutzen ihren Verhandlungsspielraum voll aus und kommen einander entgegen. Ein zu hartes Auftreten wäre hier kontraproduktiv. Diese weiche Verhandlungsmethode ist sinnvoll, wenn keine Seite die andere dominieren kann und die Machtverhältnisse sowie Verhandlungspositionen ausgeglichen sind. Oft ist die Beziehung zum Verhandlungspartner genauso bedeutend wie das Verhandlungsergebnis. Doch was geschieht, wenn kein win-win in Sicht ist und niemand die andere Seite zum Nachgeben zwingen kann? Oft wird dann notgedrungen ein Kompromiss, auch als Pain-Sharing bekannt, gewählt. Hierbei sind beide Parteien nur mäßig zufrieden, nicht umsonst wird diese Lösung als lose-lose bezeichnet. Man könnte nun sagen, besser als nichts. Doch gute Verhandler geben sich hiermit nicht zufrieden. Sie brechen die Verhandlung nicht auf halber Strecke ab, akzeptieren kein lose-lose und suchen weiterhin hartnäckig nach Lösungen. Hierbei sind die Verhand‐ lungskompetenzen und die Kreativität der beteiligten Personen gefragt. Gelingt es ihnen, in dieser scheinbar ausweglosen Situation eine Winwin-Situation zu schaffen? Eine Möglichkeit besteht darin, einen sogenann‐ ten Deal zu vereinbaren, indem eine bisher unbedachte neue Route zum Gipfel gesucht wird. Möglicherweise sind neben dem Preis auch andere Aspekte für das jeweilige Gegenüber von Interesse. Zum Beispiel könnte der Verhandlungspartner entgegenkommen (oder man selbst), wenn ver‐ besserte Zahlungsbedingungen, eine größere Menge oder eine langfristige Sicherung auf den Tisch kommen. Hier ist es umso wichtiger, im Gespräch herauszufinden, welche weiteren interessanten Ziele unter der Oberfläche schlummern könnten. Dazu ist es notwendig, miteinander zu kooperieren, eine gemeinsame Route zu finden und sich gegenseitig auf den Gipfel zu helfen. 1.6 Parameter 4: Strategie und Taktik 27 <?page no="28"?> hart verhandeln weich verhandeln Das harte Verhandeln ist ein rücksichts‐ loser Kampf für den eigenen Sieg bzw. die eigenen Ziele (win- ? ). - Das weiche Verhandeln berücksichtigt die Interessen der Gegenseite. Beide Parteien sollen mit dem Ergebnis zufrie‐ den sein. Es geht nicht um Annäherung, Koope‐ ration und Ausgleich der Interessen, sondern um Durchsetzung der eigenen Interessen. Verhandlungsmethoden können Bedro‐ hungen, Tricks, Manipulationstechni‐ ken, Bestechungen, Versprechen oder andere Kampfmittel sein. Oft wird der Verhandlungspartner durch Zähigkeit und Beharrlichkeit so‐ wie taktische Tricks und Spielchen „weichgekocht“. Der Verhandlungspartner wird hier ten‐ denziell als Gegenspieler betrachtet, den es zu bezwingen gilt - notfalls auch zum Schaden des anderen. Nachgeben ist ein Rückschritt und keine Option. Das angestrebte Ziel ist ein Ergebnis, das beiden Seiten nutzt (win-win), auch wenn die „Gegner“ vollkommen unter‐ schiedliche Vorstellungen haben. Dies erfordert Entgegenkommen und einen entsprechenden Verhandlungs‐ spielraum (zur Not muss sogar „losewin“ in Kauf genommen werden). Unter Umständen muss man von sei‐ nen ursprünglichen Vorstellungen ab‐ weichen und einen Kompromiss bzw. eine Alternative (Plan B) suchen. Der Verhandlungspartner soll nicht ver‐ nichtet oder unterworfen werden. Trotz „harter Wortgefechte“ wird die Beziehung zum Geschäftspartner be‐ rücksichtigt und gepflegt. Tab. 1: Hartes und weiches Verhandeln Taktik Die Strategie steht fest, nun geht es darum, sie praktisch umzusetzen: Die Taktik ist gefragt. Taktik, das sind sozusagen die Zutaten Ihres Provi‐ ants für den Aufstieg. Die einen versorgen sich mit Energieriegeln und Energydrinks, die anderen bevorzugen Quellwasser, Butterbrote und Obst. Und so, wie jeder eine andere Vorstellung vom perfekten Proviant hat, unterscheiden sich auch die Vorstellungen, wie eine harte oder weiche Verhandlung zu schmecken und auszusehen hat. Taktische Zutaten für eine Verhandlung sind zum Beispiel Fairness und Stil. Gibt es eine Bewirtung, lässt man den anderen bei einem schalen Glas Wasser verhungern, argumentiert man mit falschen Versprechen, Unwahrheiten, ist man höflich oder lässt den anderen warten? Taktische Unhöflichkeiten mögen sehr schlechter Stil sein, in Branchen, die vorwie‐ gend hart verhandeln, führen sie aber zu guten Verhandlungsergebnissen. Ein Verkäufer, der dem Druck der Unhöflichkeit nicht standhält, gerät 28 1 Professionelles Verhandeln für Ein- und Verkäufer <?page no="29"?> schnell ins Hintertreffen. Der Verkäufer kann wiederum mit seiner Taktik versuchen, den Einkäufer zu irritieren, indem er ausgesucht freundlich zu ihm ist und sich nicht von dessen Unhöflichkeiten aus dem Konzept bringen lässt. In der Wahl der taktischen Mittel ist Ihr persönlicher Geschmack entscheidend - ein sanfter Charakter wird nie ein glaubwürdiges Brecheisen sein, jemandem mit polterndem Gemüt wird es schwerfallen, dem Gegen‐ über Honig um den Mund zu schmieren. Bleiben Sie in der Wahl Ihrer Taktik authentisch! Denn hartes Verhandeln geht durchaus auch höflich - auch wenn Sie bei dieser Taktik sehr gut argumentieren und willensstark auftreten können müssen. Mit folgenden taktischen Zutaten setzt man eine Verhandlungsstrategie um: ▶ Stil ▶ Auftreten ▶ Gesprächsführung ▶ Argumentation ▶ Teilnehmer ▶ Ort und Zeit ▶ Organisation (beispielsweise Raum und die berühmten drei K: Kaffee, Kekse, Kaltgetränke) Die Wahl der geeigneten Taktik wird von folgenden Faktoren beeinflusst: ▶ Wirtschaftliche Situation Ihres Unternehmens ▶ Zeitdruck ▶ Persönliche und charakterliche Merkmale ▶ Unternehmenskultur ▶ Marktsituation Wir meinen: Das Gebot der Fairness sollte immer an erster Stelle stehen. Klar ist aber auch, dass Fairness eine Sache des Common Sense einer Gruppe ist. Im Eishockey gelten Bodychecks nicht als unfaires Spiel, im Fußball hinge‐ gen schon. Ein Unternehmen, das mit dem Rücken an der Wand steht und um sein Überleben kämpft, wird das Fairnessgebot anders auslegen als ein Unternehmen, das am laufenden Band dicke Gewinne einfährt. Zudem hat jeder Mensch unterschiedliche Vorstellungen davon, was er ganz persönlich als fair empfindet. Dazu kommen die Gepflogenheiten im Unternehmen. Gibt Ihre Firma Ihnen Regeln für den Umgang mit Geschäftspartnern vor? 1.6 Parameter 4: Strategie und Taktik 29 <?page no="30"?> Sieht man Geschäftspartner tatsächlich als Partner? Oder gilt die Devise: Geht raus und zieht die Kunden / Lieferanten über den Tisch? Ziele, Teilnehmer, Information, Strategie und Taktik - keine Frage, er‐ folgreich verhandeln ist eine komplexe Angelegenheit. Wer erfolgreich verhandeln will, muss diese Komplexität beherrschen, anstatt sich von ihr überrollen zu lassen. Mit EVEREST haben wir eine Methode entwickelt, mit der Sie souverän noch die letzte Facette dieser Komplexität nicht nur erkennen, sondern auch in Ihrem Sinne steuern. EVEREST funktioniert! Unsere Methode ist kein Papiertiger und existiert nicht nur auf dem Reiß‐ brett, sondern wurde von unseren Seminarteilnehmern bereits tausendfach wirksam in ihrer Ein- und Verkaufspraxis umgesetzt. Willkommen in der Welt der erfolgreichen Verhandler! 30 1 Professionelles Verhandeln für Ein- und Verkäufer <?page no="31"?> 2 Die EVEREST-Methode zur professionellen Verhandlungsvorbereitung SUMMARY Willkommen in der Welt der Gipfelstürmer! In diesem Kapitel erhalten Sie einen ersten Überblick über EVEREST. Unsere Methode funktioniert branchenunabhängig und wird deutschlandweit von Ein- und Verkäu‐ fern gleichermaßen erfolgreich angewandt. Wir beginnen also unseren Weg nach oben und behandeln ein paar wesentliche Fragen. Was hat zum Beispiel Rhetorik mit gutem Verhandeln zu tun. Was Macht und Empathie? Gibt es auch für denkbar ungünstige Ausgangspositionen eine erfolgreiche Route ans Ziel? Und wie vermeiden Sie, dass Ihnen die besten Antworten immer erst nach der Verhandlung einfallen? Keine leichte Zeit für professionelle Ein- und Verkäufer! Die Globalisierung hinterlässt nicht nur positive Spuren und hinzu kommt eine seit Jahren schwankende (volatile) Nachfrage, befeuert durch weltweite Krisen, wie Corona, Kriege, Inflation oder Umweltkatastrophen. Auch sie trägt nicht gerade dazu bei, die Situation zu entspannen. Kosten müssen gesenkt werden und der Kampf um knappe Rohstoffe wird immer härter- und so, wie der Einkäufer seinen Kostendruck auf den Verkäufer abzuwälzen versucht, spielt der Verkäufer ihm diesen Ball nicht minder unerbittlich zurück. Nicht zuletzt lässt sich eine generelle Professionalisierung der Verhandlungspart‐ ner beobachten, Ein- und Verkäufer sind heutzutage schlichtweg besser ausgebildet und nicht selten mit so einigen Wassern gewaschen. Um es salopp zu formulieren: Am Verhandlungstisch saß es sich in den letzten Jahren nicht gerade gemütlich und die Einflüsse auf Entscheidungen werden vielschichtiger und damit unüberschaubarer. Wie kann ich mich als Verkäufer in einer Verhandlung trotzdem erfolg‐ reich durchsetzen? Auf mein Produkt allein kann ich mich heutzutage nicht mehr verlassen - tatsächlich sind viele Produkte austauschbar geworden. Qualität und Service? Auch hier gleichen die Anbieter sich immer mehr an. Im Nacken sitzen einem zudem die vielen Konkurrenten, die mitunter <?page no="32"?> eine sehr aggressive Preispolitik betreiben. Nicht anders geht es mir als Einkäufer. Ich bin gehalten, Kosten zu senken. Meine Kunden fordern immer mehr Sonderwünsche und Qualität und wollen zugleich Kosten einsparen. So oder so: Der Preiskampf wird für alle Verhandlungspartner immer härter. Markt Qualität, on time, Flexibilität, Zuverlässigkeit, Sonderwünsche … Sublieferant Lieferant Eigenes Unternehmen Kunde Interne Verbesserung 5 % Interne Verbesserung 5 % Erwartung Preis - 5% Erwartung Preisdruck - 5 % - 10 % - 15 % Abb. 3: Druck aus der Supply Chain Wollen wir die Zustände beklagen? Oder sie vielleicht besser zu unserem Vorteil nutzen? Eben! Doch wie geht das, das erfolgreiche Verhandeln? Es geht mit einer professionellen und gründlichen Vorbereitung. Und hier liefert Ihnen die EVEREST-Methode das nötige Rüstzeug. Wir versprechen Ihnen: Mit EVEREST lassen Sie sich nicht aus der Ruhe bringen und bestehen auch im Eifer des Gefechts! Sie werden gute und tragfähige Verhandlungs‐ ergebnisse erzielen und Ihre Ziele erreichen. Mittlerweile haben bereits mehrere Tausend Ein- und Verkäufer unsere Seminare besucht und wenden die EVEREST-Methode in der Berufspraxis an. Die Methode funktioniert branchenübergreifend. Egal ob Sie aus der Pharma-, Elektronik-, Maschinenbau- oder Versicherungsbranche kommen: Ihre Verhandlungsergebnisse werden Sie mit der EVEREST-Methode perfek‐ tionieren! Ein großer deutscher Automobilhersteller lässt zum Beispiel seine fast 5000 Einkäufer weltweit nach EVEREST trainieren. Und zwar, das sagen wir nun ganz unbescheiden, mit sehr, sehr großem Erfolg. Willkommen in der Welt der Gipfelstürmer! 32 2 Die EVEREST-Methode zur professionellen Verhandlungsvorbereitung <?page no="33"?> agieren statt re‐ agieren Einstieg Zielsetzung Rhetorik Einstieg Verhandlungsziele Rhetorik Empathie Einschätzung Strategie Taktik Experience Erfahrung E V ERE S T Abb. 4: Die EVEREST-Methode Was leistet EVEREST? Um es auf den Punkt zu bringen: eine gute Vorberei‐ tung auf eine Verhandlung. Mit EVEREST liefern Sie sich nicht dem Zufall aus und können agieren statt reagieren. Ebenso eignet sich die EVEREST-Methode zur retrospektiven Analyse einer Verhandlung. Wenn Sie sich verdeutlichen möchten, was tatsächlich während der geführten Verhandlung geschehen ist, bietet diese Methode wertvolle Einsichten. Sie hilft Ihnen, die Dynamiken und Schlüsselmomente zu erkennen und zu verstehen, warum bestimmte Entscheidungen getroffen wurden. Den Einstieg Ihrer Route markiert die Beschaffung aller relevanten In‐ formationen, die Sie für die Verhandlung benötigen. Auf Basis dieser Infor‐ mationen erarbeiten Sie eine sinnvolle Zielsetzung, sozusagen Ihren ganz persönlichen Gipfelpunkt. Es gibt immer drei Hauptrouten, auf denen Sie Ihr Ziel erreichen können. Die erste und zentrale ist die Route der Rheto‐ rik. Auf diesem Weg arbeiten Sie mit kühlen Sachargumenten, die geschickt 2 Die EVEREST-Methode zur professionellen Verhandlungsvorbereitung 33 <?page no="34"?> Einschät‐ zung Empathie formuliert das Gegenüber von Ihrem Standpunkt überzeugen sollen. Hier geht es um die eigenen Argumente und die zu erwartenden Argumente Ihres Gegenübers, die Sie mit geschickt eingesetzten Einwandtechniken zu ent‐ kräften versuchen. Wir nennen diesen Weg gerne den Weg der Vernunft (was aber im Umkehrschluss nicht bedeutet, dass die zwei anderen Routen unvernünftig sind). Der zweite Weg führt über die Machtfrage und basiert auf einer präzisen Einschätzung Ihrer eigenen Position. Hier geht es nicht darum, zu überzeu‐ gen, sondern zu zwingen. Das kann ein ganz sanfter Zwang sein, verpackt in einer angedeuteten Warnung, einen anderen Lieferanten zu wählen, oder der Zwang sogar als massive Drohung („Wenn nicht …, dann …“) daherkom‐ men. Hier ist die große Frage: Wer hat in der Verhandlung mehr zu verlieren? Wer hat mehr Macht und kann diese ausspielen? Denken Sie an den Ein‐ käufer, der ohne große Mühe zu einem anderen Lieferanten wechseln kann. Da kann der Lieferant die Sachargumente noch so sehr auf seiner Seite ha‐ ben, wenn er im Fall, dass die Verhandlungen scheitern, ein Werk schließen muss, gibt er nach. Hat man weder Argumente noch die nötige Machtposition, um sich durchzusetzen, bleibt der dritte Weg über die Empathie. Auf dieser Route wird es persönlich und Sie können sie auf zwei Arten nutzen. Die erste Möglichkeit folgt dem chinesischen Sprichwort „Wenn Du Deinen Feind nicht besiegen kannst, dann umarme ihn“. Hier begleiten Sympathie, Re‐ spekt und gegenseitige Achtung die Bergsteiger auf dem gemeinsamen Weg zum Gipfel. Suchen Sie ein für alle verträgliches Verhandlungsergebnis, dann wollen auch alle miteinander verhandeln. Profis am Berg wissen: In haarigen Situationen muss man ein Teamplayer sein. Wenn man sich da auf den Tod nicht ausstehen kann und Hilfe verweigert, können alle abstürzen. Die zweite Möglichkeit, Empathie einzusetzen, ist nicht ganz so freund‐ lich. Statt Achtung und Teamgeist geben hier ganz andere Gefühle den Ton an, nämlich Angst vor der Höhe, den kräftezehrenden Anstrengungen, der Kälte und dem drohenden Absturz bzw. Scheitern. Wer den Gipfel alleine erreichen und in erster Linie seine eigenen Interessen durchsetzen will, verhandelt deshalb hart. Sie verunsichern Ihren Verhandlungspartner also gezielt und machen ihm weis, dass er gar nicht erst versuchen soll, den Berg zu besteigen, da er mit Ihrer Unerschrockenheit und übermenschlichen Kondition sowieso nicht mithalten kann. Schleppen Sie niemanden auf Ihren Gipfel, der den Aufstieg nicht schafft. Zugegeben: egoistisch, aber 34 2 Die EVEREST-Methode zur professionellen Verhandlungsvorbereitung <?page no="35"?> Einstieg Verhand‐ lungsziele effektiv! Ob man das nun gut findet oder nicht, in der Praxis, an den Verhandlungstischen dieser Welt, wird dies täglich sehr oft beobachtet. Drei Wege - ein Ziel. Nachdem Sie evaluiert haben, welche Route bzw. welche geschickte Kombination aus den drei Routen für die bevorstehende Verhandlung am erfolgversprechendsten ist, kümmern Sie sich um die Strategie. Die Strategie ist so etwas wie Ihr Masterplan für die gesamte Expedition zum Gipfel. Sie beschreibt im Wesentlichen, welche Route Sie für die Verhandlung nutzen wollen und können. Können Sie Ihre Ziele durchsetzen, weil die Argumente komplett auf Ihrer Seite sind? Oder schielen Sie besser auf einen Kompromiss, weil Sie sich ein Scheitern der Verhandlung nicht erlauben können? Wollen Sie den Gipfel im Team oder im Alleingang bezwingen? Auf welchem Weg wollen Sie in der Verhandlung Ihre Ziele erreichen und wie viel Verhandlungsspielraum brauchen Sie in Ihrer jeweiligen Situation. Die EVEREST-Route hat bislang also folgende Wegmarken: E wie Einstieg. Die Basis einer sinnvollen Vorbereitung auf Verhandlungen ist Information. Machen Sie sich ein präzises Bild davon, mit wem und was Sie es zu tun haben. Besorgen Sie sich alle relevanten Informationen, die Sie über das Marktumfeld, den Kunden bzw. den Lieferanten, die Teilnehmer der Verhandlung und die Entscheidungsstrukturen bekommen können. Na‐ türlich versteht sich, dass die Informationsbeschaffung auch die genaue Kenntnis des Verhandlungsgegenstands (des Produktes oder der Dienstleis‐ tung) und das Verständnis für die Anforderungen des Kunden einschließt. Als Verkäufer müssen Sie den Kundennutzen Ihres Produkts individuell kommunizieren und den Mehrwert sichtbar machen! Als Einkäufer sollten Sie wissen, welche Bedeutung der Auftrag hat, den Sie zu vergeben haben. Wie dringend braucht Ihr Gegenüber diesen Auftrag, wie wichtig ist das Produkt für die Leistungserstellung in Ihrem Unternehmen? Das erfahren Sie in Kapitel 3. Haben Sie alle Informationen beisammen, können Sie anfangen, sich über Ihre Ziele Gedanken zu machen: V wie Verhandlungsziele. In jeder Verhandlung gibt es ein ganzes Bündel von Zielen, die unterschiedlich wichtig sind (Haupt- und Nebenziele), sich bisweilen sogar widersprechen können (Zielkonflikte). Neben den Informa‐ tionen, die Sie über Ihr Verhandlungsgegenüber gesammelt haben, spielen natürlich auch Vorgaben, z. B. der Unternehmensleitung oder der Fachab‐ 2 Die EVEREST-Methode zur professionellen Verhandlungsvorbereitung 35 <?page no="36"?> Einschät‐ zung der Ausgangs‐ position Rhetorik teilungen, in Ihr Zielkonstrukt ein. Vergegenwärtigen Sie sich Ihr Zielsys‐ tem, priorisieren Sie einzelne Ziele und stecken Sie auf dieser Grundlage den eigenen Verhandlungsspielraum ab. Ihr Zielsystem, das sind die vernünfti‐ gen Wegmarken, die Sie sich auf Ihrem Weg nach oben setzen. Davon han‐ delt Kapitel 4. Nun überprüfen Sie, inwiefern Ihnen die drei zur Verfügung stehenden Hauptrouten beim Besteigen des Gipfels oder besser beim Erreichen Ihrer Verhandlungsziele nutzen können. Das bringt uns zum ersten Schritt auf der EVEREST-Route, der Einschätzung der Ausgangsposition: E wie Einschätzung der Ausgangsposition. Nun geht es gewissermaßen darum, Ihre Verhandlungssituation unter den Gesichtspunkten Marktmacht und Versorgungsrisiko zu analysieren. Wie abhängig sind Sie und Ihr Ver‐ handlungspartner voneinander? Wer ist mächtiger? Welche Auswirkungen hat es, sollte die Verhandlung scheitern? Wer trägt das größere Risiko? Ha‐ ben Sie Möglichkeiten, die Wahrnehmung des Gegenübers zu verändern? All diese Antworten dienen dazu, Ihre Ziele über den Verhandlungsspiel‐ raum und die Verhandlungsmasse zu erden. Davon handelt Kapitel 5. Nachdem Sie sich die erste Route näher angesehen haben, fragen Sie sich, ob sie schon ausreicht, um den Gipfel zu erreichen? Meistens nicht. Schauen Sie sich an, welches Kletterequipment Sie für die zweite Route brauchen. R wie Rhetorik oder das Argumentespiel. Lernen Sie Ihren Verhandlungs‐ partner kennen! In dieser Phase Ihrer Vorbereitung setzen Sie sich ganz konkret mit den Ihnen zur Verfügung stehenden Argumenten und der Ar‐ gumentation Ihres Verhandlungspartners auseinander. Wenn Sie das Ganze aus seiner Perspektive sehen, dann werden Sie wissen, wo bei Ihrem Ver‐ handlungspartner der Schuh drückt, und Sie können maßgeschneiderte und damit schlagkräftige Argumente entwickeln. Wenn Sie wissen, was Ihren Verhandlungspartner antreibt, können Sie darauf eingehen und sind auf die offensichtlichen Argumente oder Einwände der Gegenseite vorbereitet. Ver‐ meiden Sie, dass Ihnen die besten Antworten immer erst hinterher einfallen. Davon handelt Kapitel 6. Die beiden ersten Routen führen nicht immer zum Ziel. Sind Sie auf dem Weg zum Gipfel über Ihre Argumentation oder Ihre Machtposition noch nicht richtig vorangekommen, können Sie nun auf die dritte Route wechseln, die Route der Empathie. 36 2 Die EVEREST-Methode zur professionellen Verhandlungsvorbereitung <?page no="37"?> Empathie Strategie Taktik E wie Empathie oder: Wie baut man Wellenlänge auf. Wenn es in der Sache nicht weitergeht, hilft es nicht, die selben Argumente zu wiederholen, nur etwas lauter. In kritischen Situationen kann es Sie weiterbringen, Ihren Ver‐ handlungspartner auf einer anderen, auf der emotionalen Ebene abzuholen und Wellenlänge aufzubauen oder, nicht ganz so nett, mit Emotionen wie Verunsicherung oder sogar Angst vor dem Scheitern zu arbeiten. Wie das geht, erfahren Sie in Kapitel 7. Ihre Ziele stehen fest, die Verhandlungsmasse ist ausgelotet, Sie kennen Ihre Marktmacht und haben sich gründlich mit den Argumenten der Gegenseite auseinandergesetzt und wissen, wie Sie sie zu kontern haben. Zeit also, Ihre Verhandlungsstrategie festzulegen: S wie Strategie. Nun erst geht es darum, die endgültige Route zum Ver‐ handlungserfolg abzustecken und den Verhandlungsspielraum und die Ver‐ handlungsmasse festzulegen. Jede Situation erfordert eine andere Verhand‐ lungsstrategie. So ist der vielbeschworene Begriff der Partnerschaft (winwin) in vielen Fällen unpassend, wenn Sie das Optimum für sich und Ihr Unternehmen erreichen wollen. Wenn Sie am längeren Hebel sitzen, es die Wettbewerbssituation erlaubt, dann ist es fast schon Ihre Pflicht, Ihre Maxi‐ malforderung durchzusetzen, und Ihre Rücksichtnahme darf erst dort be‐ ginnen, wo über kurz oder lang das Zerwürfnis mit Ihrem Geschäftspartner droht (und somit das gesamte Geschäft platzt). In anderen Fällen kann ein (fauler) Kompromiss für Sie das Beste sein, was zu erreichen ist, und in wie‐ der anderen Fällen bleibt Ihnen nur die Kapitulation. In Kapitel 8 erfahren Sie, welche Strategie sich für welche Situation eignet. Der kaufmännisch-analytische Teil von EVEREST ist nun abgeschlossen. Es bleiben noch einige Punkte, die nicht zu unterschätzen sind: die organi‐ satorischen Rahmenbedingungen und Ihre Persönlichkeit. T wie Taktik. Taktik, das ist gewissermaßen die Dramaturgie oder das Drehbuch einer Verhandlung: Das fängt bei der Bewirtung an und hört bei der Gesprächsführung längst noch nicht auf. Entsprechend eingesetzt und kombiniert können die taktischen Mittel für den Verlauf und Erfolg einer Verhandlung entscheidend sein. Der taktische Baukasten professioneller Verhandler umfasst viele Maßnahmen, mit denen Sie Ihre Strategie umset‐ zen. Dabei müssen diese Maßnahmen aber immer authentisch sein - einem Mauerblümchen wird man die Taktik des Eisenfressers nicht abnehmen und 2 Die EVEREST-Methode zur professionellen Verhandlungsvorbereitung 37 <?page no="38"?> umgekehrt. In Kapitel 9 lernen Sie unseren Taktikbaukasten kennen und finden heraus, welche Verfahren am besten zu Ihnen passen. Ist EVEREST damit abgeschlossen? Nein. Sie sind kurz davor, die Gipfelfahne zu setzen, die Luft ist bereits sehr dünn und es gilt - trotz knappen Sauer‐ stoffs -, einen klaren Kopf zu bewahren und nicht in einen Höhenrausch zu verfallen, denn nun beginnt die Verhandlung selbst. Besser vorbereitet können Sie kaum sein, nun hängt alles davon ab, wie gut es Ihnen gelingt, in der konkreten Situation Ihren Plan umzusetzen. In Kapitel 10 stellen wir Ihnen die Phasen einer Verhandlung vor, zeigen Ihnen ein paar Tricks zu Gesprächsführung und Moderation in Ihrem Sinn und stellen Ihnen Optionen vor, wie Sie sich in kritischen Situationen klug verhalten können. Mit jeder Verhandlung, die Sie führen, sammeln Sie wertvolle Erfahrungen für die nächste. Sie sind in der Lage, das Verhandlungsgespräch zielstrebig zum ge‐ wünschten Ziel zu führen. Eine Gesprächsvorbereitung durch EVEREST bringt Ihnen innere Sicherheit und damit äußere Souveränität: Ihr Auftreten spiegelt Ihre innere Einstellung wider und Ihr Gesprächspartner erkennt, dass Sie ein professioneller und ernst zu nehmender Gesprächspartner sind, der weiß, was er will, und bereit ist, sich dafür einzusetzen - einer, der sich am Berg nicht abhängen lässt. 38 2 Die EVEREST-Methode zur professionellen Verhandlungsvorbereitung <?page no="39"?> Rahmen‐ bedingun‐ gen verän‐ dern sich und beein‐ flussen die Verhand‐ lung. 3 Einstieg - Beschaffung der benötigten Informationen und Grobpositionierung SUMMARY In diesem Kapitel dreht sich alles um die Informationen, die Sie im Zuge Ihrer Vorbereitung auf die Verhandlung sammeln sollten. Ja, oft entscheiden die besseren Informationen über den Ausgang von Verhandlungen. Wer sich richtig informiert, wird seine Ziele richtig formulieren. Wir zeigen Ihnen, welche Informationen Sie sich beschaf‐ fen sollten, um Klarheit über Ihre eigene Aufgabenstellung zu gewinnen und, nicht zuletzt, um die Problemstellungen und Anforderungen Ihres Gegenübers zu verstehen und für sich zu nutzen. Auch bestens vorbereitete Bergtouren sind oftmals dem launischen Wetter im Gebirge ausgesetzt, das von einem Moment auf den anderen umschlagen kann. Ähnlich verhält es sich mit Verhandlungen. Selbst wenn Sie mit dem‐ selben Unternehmen um dasselbe Produkt verhandeln, nehmen Rahmenbe‐ dingungen wie die wirtschaftliche Situation des Unternehmens, die Zusam‐ mensetzung der Verhandlungsrunde oder technische Neuerungen Einfluss auf die Verhandlung. Stellen Sie sich Ihre Bergwanderung vor: Sie wandern seit Jahren in derselben Gruppe dieselbe Route. Trotzdem wird keine Tour der anderen gleichen. Das Wetter ist nicht berechenbar, die körperliche Fitness der Wanderer schwankt und die entgegenkommende Gruppe, die zeitgleich mit Ihnen ausgerechnet die engste Stelle passieren will, beeinflusst den Zeitpunkt, zu dem Sie den Gipfel erreichen werden. Wer sich als Bergsteiger zudem im Vorfeld nicht wenigstens über den Schwierigkeitsgrad der Route erkundigt, die Wettervorhersagen studiert und die entsprechende Ausrüs‐ tung einpackt, wird nicht weit kommen und im schlimmsten Fall sich selbst und im Falle heikler Rettungsaktionen sogar andere durch sein fahrlässiges Verhalten gefährden. Deshalb gilt für jede Verhandlung: Bereiten Sie sich sehr gut vor und beschaffen Sie die aktuellen Informationen zu allen wesentlichen Punkten, <?page no="40"?> die die Verhandlung beeinflussen können. Ohne Fleiß kein Preis? Tatsäch‐ lich entscheiden sich Verhandlungen oftmals zugunsten derjenigen, die umfassend informiert sind. Selbstverständlich spielt die aus vergangenen Verhandlungen gewonnene Erfahrung eine große Rolle und als Profi be‐ schäftigen Sie sich ohnehin regelmäßig mit Themen wie Marktentwicklung, Wettbewerbsverhalten, Produktneuheiten und den Zielen des Unterneh‐ mens. Sie sind informiert, darauf können Sie jederzeit zurückgreifen und werden somit nie bei „null“ anfangen. Jede nicht erfasste Information ist eine verpasste Chance auf Informa‐ tionsvorsprung und schadet dem Unternehmen. Etablieren Sie deshalb in Ihrem Unternehmen ein System, in dem Informationen strukturiert gesammelt werden können und das überdies transparent ist, denn die zusammengetragenen Informationen können auch für andere Abteilungen von großem Wert sein. Im Umkehrschluss erhalten Sie ebenfalls wichtige Informationen aus anderen Bereichen. Verkäufer verschaffen sich einen enormen Vorteil, wenn sie auf das Wissen anderer Abteilungen (Marketing, Produktmanagement usw.) und Ihrer Vertriebskollegen (z. B. Key-Account- Manager) zugreifen können. Zu diesem Zweck setzen viele Unternehmen CRM-Systeme ein. TIPP VERKÄUFER Verfügen Sie in Ihrem Unternehmen nicht über ein professionelles CRM- System, legen Sie für alle wichtigen Kunden Kundendossiers an und halten Sie die Inhalte aktuell. Versuchen Sie herauszufinden, ob der Einkäufer über eine professionelle Informationsbasis verfügt. Ohne professionell aufbereitete Informatio‐ nen wird er seine Ziele nicht „auf den Punkt“ formulieren und sich allein auf seine Erfahrung stützen. Nutzen Sie diese Schwachstelle zu Ihren Gunsten aus. Einkäufer haben idealerweise in ihrem Unternehmen Lieferanten-Manage‐ ment-Systeme, die nicht nur Kennzahlen zur internen Bewertung der Lie‐ feranten hinsichtlich Qualität und Liefertreue enthalten, sondern auch allge‐ meine Unternehmenszahlen, Angaben zu Kontaktpersonen und zunehmend auch weiche Faktoren wie Kommunikationsverhalten, Zuverlässigkeit oder Erreichbarkeit. Für Einkäufer gilt deshalb gleichermaßen: Sammeln und strukturieren Sie alle Informationen über Verhandlungspartner wenigstens 40 3 Einstieg - Beschaffung der benötigten Informationen und Grobpositionierung <?page no="41"?> in selbst angelegten Dossiers, wenn Sie nicht über ein professionelles System verfügen. Nur eines sollten Sie vermeiden, insbesondere, wenn Sie mehrere Lieferanten bzw. Warengruppen betreuen - sich lediglich auf Ihr Bauchgefühl zu verlassen. Die meisten Verkäufer arbeiten bereits mit professionellen Informations‐ systemen, allerdings nur wenige Einkäufer. Liebe Einkäufer, überlasst hier nicht freiwillig den Verkäufern das Feld und strukturiert die Informationen! TIPP EINKÄUFER Arbeiten Sie mit einem professionellen Informationssystem oder legen Sie wenigsten Dossiers über die Verkäufer an. Für beide Fälle gilt: Halten Sie unbedingt auch Informationen zur Person des Verkäufers fest (Charakter, Hobbys etc.). Die wichtigsten Informationen lassen sich wie folgt clustern: Märkte ▶ Welche bzw. wie viele Wett‐ bewerber? ▶ Aktuelle Marktpreise bzw. wel‐ che Preise / Leistungen bietet der Wettbewerb? ▶ Vorzüge der Wettbewerber? ▶ Aktuelle Auftragslage bzw. Kon‐ junkturauswirkungen? ▶ Intensität des Wettbewerbs? Verhandlungsgegenstand ▶ Spezifikation vorliegend bzw. ver‐ standen? ▶ Kalkulation bzw. Preisanalyse vor‐ liegend? ▶ Möglichkeiten zur Preis‐ differenzierung? ▶ Möglichkeiten zur Produkt‐ veränderung / Abweichung von Spezifikation? ▶ Spezielles Know-how oder bspw. Werkzeuge erforderlich? ▶ (Interne) Abwicklungsnotwendig‐ keiten? ▶ Alternativbzw. Substitutionspro‐ dukte? Kunde bzw. eigenes Unternehmen ▶ Umsatz, Gewinn, Marktanteil, An‐ zahl Mitarbeiter, Standorte etc.? ▶ Größe des Unternehmens im Ver‐ gleich? ▶ Geschäftsentwicklung bzw. Auf‐ tragslage des Kunden? Teilnehmer ▶ Besondere Eigenschaften bzw. Ei‐ genarten bzw. Informationen? ▶ Mögliche Smalltalk-Themen? ▶ Rollenverteilung im Team (Ent‐ scheider, Fachmann etc.) bekannt? ▶ Entscheidungskompetenz des Ver‐ handlungsführers? ▶ Sind die teilnehmenden Personen bekannt? 3 Einstieg - Beschaffung der benötigten Informationen und Grobpositionierung 41 <?page no="42"?> ▶ Eigener Anteil am Beschaffungs‐ volumen des Kunden bzw. des Kunden am eigenen Umsatz? ▶ Aufwand, andere Lieferanten auf‐ zubauen (Dauer, Kosten, Investi‐ tionen)? ▶ Bedeutung des Projektes für den Kunden? ▶ Aktuelle Zusammenarbeit (Quali‐ tät, Performance, Reklamationen)? Abb. 5: Informationsbeschaffung und Analyse der Verhandlungspartner Eine genaue Analyse des Wettbewerbs bleibt weder Verkäufern noch Ein‐ käufern erspart: Wie hat sich der Wettbewerb in der Vergangenheit entwi‐ ckelt, welche Ziele verfolgt das Unternehmen und wie sieht die aktuelle Situation aus (Ergebnis, Auslastung etc.)? Für den Verkäufer ist es nicht ganz einfach, sich Markttransparenz zu verschaffen. Über das Verhalten seiner Wettbewerber oder die Ziele und die „Preisbereitschaft“ seines Verhandlungspartners kann er nur spekulieren. In der Regel gestatten Einkäufer keinen Einblick in die Angebote der Wettbe‐ werber und Absprachen mit „Marktbegleitern“ verbietet der Gesetzgeber. Wie entwickelt der Verkäufer dann eine klare Positionierung? Er stützt sich auf Markt- und Wettbewerbsanalysen, kennt sein Produkt und den Nutzen für den Kunden bestens, hat die Vor- und Nachteile gegenüber seinen Wettbewerbern analysiert und die Kostenstrukturen berechnet. Außerdem versteht er die konkreten Anforderungen jedes einzelnen Kunden nicht nur an den Verhandlungsgegenstand, also das Produkt, sondern darüber hinaus ebenso an Logistik, Service, Beratung oder Informationen über Updates usw. Trotzdem bleibt für den Verkäufer eine Restunsicherheit bestehen. Er hat selten Erkenntnis darüber, ob die Wettbewerber etwa mit strategischen Preisen bzw. Kampfpreisen agieren. 3.1 Für Einkäufer ein Leichtes: Wettbewerbsinformationen sammeln Der Einkäufer hat es an dieser Stelle leicht, da er die Angebote der Wettbe‐ werber anfordern kann. Er muss lediglich folgende Punkte abfragen: 42 3 Einstieg - Beschaffung der benötigten Informationen und Grobpositionierung <?page no="43"?> ▶ Wie viele Wettbewerber gibt es? ▶ Wer sind die wichtigsten Wettbewerber des Lieferanten im Markt? ▶ Wie unterscheiden sie sich im Vergleich? ▶ Wie ist das Ansehen des Lieferanten in seiner Branche? ▶ Wie steht das Unternehmen in Wirtschaftszahlen im Vergleich zu seinen Wettbewerbern da? ▶ Wie stark ist der Wettbewerb aus Low-Cost Countries? ▶ Wie stark ist seine Marktstellung? ▶ Wie hoch ist sein Marktanteil? ▶ Welche wichtigen Trends gibt es in der Branche des Lieferanten? ▶ Welche Auswirkungen haben Rohstoffpreis-, Lohnkosten-, Energie- oder Logistikkostenentwicklungen auf die Preise der gesamten Branche? 3.2 Für den Einkäufer gut zu wissen: Das Unternehmen hinter dem Lieferanten ▶ Wie sehen die betriebswirtschaftlichen Zahlen aus (im Vergleich zum eigenen Unternehmen)? ▷ Umsatz, Gewinn, Deckungsbeiträge ▷ Größe, Anzahl Mitarbeiter ▷ technische Entwicklungen, Patente ▷ Auszeichnungen, Referenzen ▷ Bonität, Auslastung ▶ Wie bedeutend ist der zu vergebende Auftrag für den Lieferanten? ▶ Wie ist die aktuelle Auftragslage bzw. Auslastung? ▶ Wie wirtschaftlich gesund bzw. angeschlagen ist der Lieferant? ▶ Kommt er für eine langfristige Zusammenarbeit infrage? ▶ Welche Mitwettbewerber sind ebenfalls Kunden bei diesem Lieferanten? ▶ Welchen Aufwand muss man treiben, um einen anderen Lieferanten auszuwählen, gibt es Umstellungskosten (Wechselbarriere bei bestehen‐ den Lieferanten)? ▶ Wie beschreibt der Lieferant seine Unternehmensphilosophie bezie‐ hungsweise seine Unternehmensstrategie? ▶ Was versucht das Unternehmen über seinen Internetauftritt hervorzu‐ heben? ▶ Wie ist die aktuelle Zusammenarbeit mit dem Lieferanten (Qualität, Performance, Zuverlässigkeit, Fehler)? 3.2 Für den Einkäufer gut zu wissen: Das Unternehmen hinter dem Lieferanten 43 <?page no="44"?> ▶ In welchem Zusammenhang berichten gegebenenfalls die Medien über das Unternehmen? 3.3 Verkäufer sollten vor allem ihre Schlüsselkunden sehr gut kennen Insbesondere ihre Schlüsselkunden sollten Verkäufer gut kennen und alle Informationen zu folgenden Fragen sorgfältig sammeln: ▶ Wer sind die wichtigsten Kunden des Kundenunternehmens? ▶ Welche besonderen Anforderungen stellen diese Kunden? ▶ Wer sind die wichtigsten Wettbewerber des Kundenunternehmens im Markt? ▶ Was unterscheidet sie im Vergleich? ▶ Wie stark ist die Marktstellung? ▶ Wie hoch ist der Marktanteil? ▶ Welche wichtigen Trends gibt es in der Branche des Kunden? ▶ Welche Position nimmt das Kundenunternehmen in seiner Branche ein? ▶ Wie steht das Unternehmen in Wirtschaftszahlen im Vergleich zu seinen Wettbewerbern da? ▶ Wie beschreibt das Unternehmen seine Unternehmensphilosophie be‐ ziehungsweise Vision / Mission? ▶ Welche Besonderheiten finden sich im Internetauftritt des Unterneh‐ mens? ▶ Welche wesentlichen Referenzen hat der Kunde im In- und Ausland? Gibt es Berichte über Installationen oder Evaluationen im Internet? Außerdem sollten Sie die Ziele und Erwartungen Ihres Kunden verstehen: ▶ Welche Probleme drücken ihn eventuell? ▶ Welche Auswirkungen haben seine Projekte (in wirtschaftlicher, sozia‐ ler und ökologischer Hinsicht)? ▶ Was sind die wichtigsten Motivationen und Aktionen, die das Kunden‐ unternehmen vorantreiben? ▶ Welche besonderen Projekte werden wesentliche Auswirkungen auf die Zukunft des Unternehmens haben, sowohl bei positivem als auch bei negativem Ausgang? ▶ Wie sehen die Konsequenzen aus, wenn diese Projekte nicht durchge‐ führt werden? 44 3 Einstieg - Beschaffung der benötigten Informationen und Grobpositionierung <?page no="45"?> Kunden‐ nutzen hat oberste Priorität. ▶ Welche finanziellen Vorteile kann der Kunde von der Umsetzung dieser Projekte erwarten oder welche finanziellen Einbußen können auftreten, wenn die Projekte scheitern? ▶ Welche Einflüsse im Umfeld des Unternehmens können die Umsetzung erschweren oder gar verhindern? ▶ In welchem Zusammenhang berichten gegebenenfalls die Medien über das Unternehmen? 3.4 Das Produkt: Darüber sollten Verkäufer wie Einkäufer sehr gut informiert sein In der Verhandlungsrealität nicht immer selbstverständlich, aber wichtig: Wenn es um den Verhandlungsgegenstand geht, also Ihr Produkt oder Ihre Dienstleistung, sollten Sie keine Wissenslücken zulassen. Wie gut kennen Sie Ihre Kalkulation wirklich? Wie viel Rabatt können Sie gewähren und wie hoch muss der Umsatz steigen, um den Gewinn konstant zu halten, oder welche technischen Änderungen (Abspecken) führen zu welchen möglichen Preisnachlässen? Haben Sie auch die Gegenleistungen des Kunden mitein‐ bezogen, die Ihr Entgegenkommen gegebenenfalls ausgleichen können? Geben Sie sich hier keine Blöße, denn Unsicherheiten in puncto Produkt wirken unprofessionell und haben in der Regel negative Auswirkungen auf Ihr Verhandlungsergebnis. Dennoch fällt es vielen Verkäufern schwer, ihre Kunden zu überzeugen - dabei müssen Sie kein Ingenieur sein, der die Funktionsweise des Produkts, die technische Ausführung jedes Merkmals genau erklären kann. Viel wichtiger ist es, die Anforderungen des Kunden genau zu verstehen: ▶ Wie setzt er das Produkt ein? ▶ Was erwartet er von einem Dienstleister? ▶ Welche Verbesserung soll die neue Lösung beim Kunden bewirken? Ingenieur, Techniker und Chemiker auf der einen und Kaufleute auf der anderen Seite wollen gewissermaßen zwei verschiedene Berge erklimmen. Während die eine Gruppe an technische Raffinessen und Patente denkt, kalkuliert die andere und berechnet, was der Markt überhaupt bereit ist, für die Lösung zu bezahlen. Wollen Sie wirklich gemeinsam und im Team den entscheidenden Berggipfel erreichen und ein Produkt oder eine Dienst‐ 3.4 Das Produkt: Darüber sollten Verkäufer wie Einkäufer sehr gut informiert sein 45 <?page no="46"?> leistung erfolgreich verkaufen, ist es unabdingbar, dass sich beide Seiten informieren und austauschen. Einkäufer sind häufig Kaufleute und keine Techniker oder Ingenieure. Trotzdem ist es von Vorteil, ein gewisses technisches Verständnis mitzubrin‐ gen. Bei komplizierteren technischen Lösungen ist es ratsam, die Experten an den Verhandlungstisch zu holen. 3.5 Die Teilnehmer: Verkäufer, Einkäufer, bekannte und unbekannte Größen Besondere Bedeutung für die Vorbereitung einer Verhandlung haben die Beschaffungsprozesse des Kunden und die Rollen aller beteiligten Personen. Jedes Unternehmen hat seine eigenen Regeln, nach denen Einkaufsvorgänge ablaufen. Routinevorgänge laufen an, wenn zum Beispiel stets die gleichen Teile gekauft und in bestimmten Abständen die Preise neu verhandelt werden. Der Ansprechpartner beim Kunden ist in der Regel der Einkäufer, der sich ebenfalls auf die Routineverhandlung mit dem Verkäufer einstellt und den Ablauf kennt. Kaufentscheidungen werden spätestens dann zu Teamentscheidungen, wenn zum Beispiel neue Produkte, neue Konzepte oder komplexe Leistun‐ gen angeboten werden. An diesem Punkt sind auch die Fachabteilungen und höherrangige Stellen des Managements beteiligt. Bei weitreichenderen Entscheidungen sind mindestens fünf bis zehn Entscheidungsträger eines Unternehmens in den Kaufprozess involviert. Will heißen: „Den Kunden“, „den Verkäufer“ gibt es dann nicht mehr. Es ist wichtig zu wissen, wer welche Rolle einnimmt und wen Sie wie ansprechen bzw. mit welcher Argumenta‐ tion überzeugen wollen. Bereiten Sie für jeden Einzelnen eine individuelle Argumentation vor, denn jeder hat andere Interessen, Ansichten und Ent‐ scheidungskompetenzen. Darüber hinaus können außenstehende Experten und Organisationen wie Unternehmensberater, Bauträger, Entwicklungs‐ partner etc. beeinflussend und „unsichtbar“ wirken. Gut zu wissen: willkür‐ lich ist ein professionelles Team nie zusammengestellt! Die Strukturen der Entscheidungsabläufe sind meistens vorgegeben und transparent, so dass es leichtfällt, die einzelnen Rollen der Beteiligten zu identifizieren und sich darauf einzustellen: 46 3 Einstieg - Beschaffung der benötigten Informationen und Grobpositionierung <?page no="47"?> Entscheider bestimmt über die endgültige Auftragsvergabe Typische Rollen im Buying Center des Kunden Nutzer verwendet die beschaffte Leistung Gegner favorisiert andere Lieferanten Einkäufer wählt u. a. Lieferant aus und führt Verhandlung Beeinflusser legt z. B. Richtlinien fest Initiator erkennt den Bedarf Unterstützer ist überzeugt vom Anbieter Torwart trifft Vorauswahl und bereitet Entscheidung vor Abb. 6: Buying Center - typische Rollen Grundsätzlich lassen sich fünf Rollen beschreiben, die ein Einkaufsteam bil‐ den: Der Einkäufer, der (wirtschaftliche) Entscheider, der Nutzer/ Anwender, der Torwart und der Beeinflusser. Darüber hinaus gibt es oftmals einen Initiator, der den ursprünglichen Bedarf erkannt hat, die Unterstützer/ Men‐ toren und die Gegner des Projekts bzw. des Lieferanten. Einzelne Personen können mehrere unterschiedliche Rollen einnehmen, und jede Rolle kann einmal oder mehrfach in einem Team besetzt sein. Der Entscheider bildet die Ausnahme: Ihn gibt es nur einmal. Stellen Sie das Verhandlungsteam des Kunden bzw. des Lieferanten Ihrem eigenen gegenüber. Die Gegenseite: ▶ Wer ist involviert? ▶ Wo liegen die Stärken und Schwächen des Teams bzw. der Mitglieder? ▶ Wird eine partnerschaftliche oder eine harte Verhandlung erwartet? ▶ Welche Taktiken oder Tricks sind zu erwarten? 3.5 Die Teilnehmer: Verkäufer, Einkäufer, bekannte und unbekannte Größen 47 <?page no="48"?> Ihr eigenes Team: ▶ Welche Personen bilden unser Team? ▶ Wer nimmt welche Rolle ein? ▶ Wo liegen die Stärken und Schwächen unseres Teams? ▶ Wo erkennen wir Wissens- oder Erfahrungslücken? TIPP FÜR DEN VERKÄUFER Beschäftigen Sie sich intensiv mit der Frage: Welche Ziele verfolgt mein Kunde und welche Erwartungen hat er an mich? Wenn Sie erkennen, von wem bzw. wovon die Entscheidung abhängt, können Sie gezielte Angebote machen und die Anforderungen besser erfüllen als die Konkurrenz. TIPP FÜR DEN EINKÄUFER Vermeiden Sie unbedingt Back-Door-Selling! Schafft es ein Verkäufer im Laufe eines komplexen Entscheidungsprozesses, Keile zwischen die beteiligten Abteilungen zu treiben, hat er zu 90 Prozent gewonnen. Vielleicht liegt ihm längst die Zusage einer Fachabteilung vor und die ersten Stücklisten oder Zeichnungen sind erstellt. Spätestens dann fühlt er sich sicher, weil andere Lieferanten die gesetzten Termine nicht mehr erfüllen könnten. Was glauben Sie, wie viel Nachlass er Ihnen noch gewähren wird? 3.6 Informationsbeschaffung: Was finde ich wo? Am einfachsten kommen Sie natürlich an intern vorliegende oder an frei zugängliche, öffentliche Informationen wie Pressemitteilungen, Geschäfts‐ berichte etc. Gibt es in Ihrem Unternehmen einen Newsletter für relevante Markt- und Wettbewerbsinfos? Fragen Sie bei den zuständigen Kollegen nach und teilen Sie ihnen Ihren konkreten Informationsbedarf mit. Sie werden sicher fundiert über die aktuellen Markt- und Wettbewerbsberichte informiert. Oft übernehmen Stabsabteilungen wie ein zentrales Vertriebsmanage‐ ment oder das Marketing die Aufgabe der Kundenqualifikation, um dem 48 3 Einstieg - Beschaffung der benötigten Informationen und Grobpositionierung <?page no="49"?> Verkauf objektive Hinweise darauf zu geben, wo der vertriebliche Aufwand lohnt. Die im Zuge dieser Kundenqualifikation gesammelten Informationen sollten Sie unbedingt für die Verhandlungsvorbereitung nutzen, denn sie geben nicht nur Hinweise für die Intensität der Kundenbetreuung, sondern lassen auch Rückschlüsse zu, wie hart der Kampf in der Verhandlung zu führen ist und ob sich der Kampf überhaupt lohnt. Im Zeitalter des Internets ist es allgemein einfach, Informationen zu beschaffen. Neben den gängigen Suchmaschinen gibt es zahlreiche weitere Quellen: ▶ Homepage des Kunden, inkl. Firmenblog, Youtube-Kanal, Facebook, Pinterest etc. ▶ Webdirectories / Kataloge / Verzeichnisse ▶ Lieferantenverzeichnisse ▶ Creditreform, unternehmensregister.de ▶ Rohstoff- und Preisspiegel: lme.com, rohstoff-welt.de ▶ Fachportale Wirtschaft / Technik: industrie.de ▶ messekalender.de, Homepages der Messeveranstalter ▶ Newsgroups und Foren ▶ Newsdienste, Portale, z. B. Google, Financial Times / Handelsblatt ▶ Statistisches Bundesamt: destatis.de ▶ Soziale Netzwerke: XING, LinkedIn, Facebook Neben der Fachpresse sind im Jahr 2024 die wichtigsten Plattformen für Unternehmen: Facebook, Instagram, LinkedIn, YouTube, X (ehemals Twit‐ ter) und TikTok (lt. Statista). Hinzu kommen Einsatzmöglichkeiten von künstlicher Intelligenz bei der Recherche. Wie Sie textgenerierende Systeme am besten nutzen, zeigen wir Ihnen in einem der folgenden Kapitel. Suchen Sie aber unbedingt darüber hinaus das Gespräch mit „Insidern“. Gibt es etwa Kollegen, die Ihre Verhandlungspartner besser und länger ken‐ nen als Sie selbst? Vielleicht war einer Ihrer Kollegen vor nicht allzu langer Zeit bei Ihrem wichtigsten Wettbewerber oder beim Kunden beschäftigt. Unter Umständen ist auf Kundenseite ein Kollege des Einkäufers (Konstruk‐ tion, Qualitätssicherung etc.) gesprächiger als Ihr Verhandlungspartner selbst. Eventuell können Sie Ihrem Ansprechpartner auch wichtige Infor‐ mationen entlocken. Auch wenn er in der Verhandlung damit zurückhaltend sein mag: Dem Einkäufer ist doch meist an der besten Lösung für sein Unternehmen gelegen und er wird Sie - wenigstens im Vorfeld - dabei 3.6 Informationsbeschaffung: Was finde ich wo? 49 <?page no="50"?> unterstützen, die beste Lösung für ihn zu finden. Auch auf Messen oder über (Branchen-)Verbände kommen Sie an Informationen. Und gerade bei Branchentreffen wird oft so offen diskutiert, dass man kaum erkennt, dass hier direkte Wettbewerber zusammensitzen. Aber nicht immer werden Sie bereits vor einer Verhandlung alles in Erfahrung bringen. Dann gilt es in der Verhandlung umso genauer (aktiv) hinzuhören und zu fragen, fragen, fragen! 3.7 Grobpositionierung Information ist die Basis jeder guten Verhandlungsvorbereitung. Nun, da Sie alle wesentlichen Informationen eingesammelt haben, geht es darum, sie zu bewerten und daraus Wissen zu extrahieren. Bestimmt vermittelt Ihnen die Fülle der Informationen ein erstes „Bauchgefühl“, ob Sie sich in einer eher starken oder eher schwachen Verhandlungsposition befinden. Haben Sie viele teilweise aggressive Wettbewerber? Sind Ihre Produkte im Prinzip austauschbar? Und hat der Kunde in der Vergangenheit mal hier, mal da bestellt? Dann müssen Sie sich wohl auf eine harte Gangart Ihres Verhandlungspartners einstellen. Kennen Sie die Entscheidungsprozesse beim Kunden genau und den Entscheider persönlich? Schätzt Ihr Kunde Ihre Leistungen, vor allem die, die die wenigen Wettbewerber nur mit erheblichem Mehraufwand bieten können? Dann stehen Ihre Chancen gut, dass die Verhandlungspartner in einem konstruktiven Dialog eine befriedigende Lösung finden werden. Bauchgefühl ist gut, Wissen ist besser. Wir haben die vielen Informationen rund um die Verhandlung nicht zusammengetragen, um sie in ein mehr oder weniger amorphes Bauchgefühl münden zu lassen, das ohnehin trüge‐ risch sein kann. Zu einer guten Verhandlungsvorbereitung gehört mehr: Deshalb ist es wichtig, die gesammelten Informationen, die Stärken und Schwächen beider Seiten möglichst objektiv zu bewerten - damit Sie dann Ihre Verhandlungsstrategie endgültig festlegen können. Wie Sie das am besten tun, erfahren Sie in Kapitel 5. 50 3 Einstieg - Beschaffung der benötigten Informationen und Grobpositionierung <?page no="51"?> 4 Verhandlungsziele: Vorgaben und Zielsystem SUMMARY Wir verhandeln, um Ziele zu erreichen, und verhandeln sollte nur, wer seine Ziele kennt. Sie brechen ja auch nicht zu einer Bergtour auf, ohne zu entscheiden, wo es hingehen soll. In diesem Kapitel geht es folglich darum, sich darüber klar zu werden, dass ein erfolgreiches Ver‐ handeln keine „Bauchsache“ ist. Wer sich im Vorfeld der Verhandlung ein durchdachtes Koordinatensystem aus Haupt- und Nebenzielen und Verhandlungsmasse zurechtlegt, besteht in der Hitze des Gefechts und tut sich leichter, seine Verhandlungsziele durchzusetzen. 4.1 Warum Ziele festlegen? Businessverhandlungen sind das täglich Brot von Einkauf und Vertrieb. Oftmals kennen sich die Verhandlungspartner gut und die Strategien des anderen sind vorhersehbar. Business as usual - warum also etwas daran ändern? So ist man bislang auch ganz gut gefahren. Wirklich? BEISPIEL Der Einkäufer Ernst Erhardt verhandelt mit seinem langjährigen Lieferanten Volker Vogt um Standardteile. Der Wettbewerb um den lukrativen Jahresauftrag ist zwar hoch, aber Vogt ist zuverlässig und liefert Qualität. Erhardt möchte das Wettbewerbsargument dennoch nutzen und setzt sich ein Ziel: „Ich will den Preis senken.“ Und genau mit dieser laxen Herangehensweise wird er kein gutes Ergebnis erzielen. Denn Erhardt hat es versäumt, seine Ziele konkret festzulegen: Welchen Preis will er idealerweise erzielen, bei welchem Angebot wird er gerade noch zustimmen und welches wird er ableh‐ nen? Zudem entpuppt sich Lieferant Vogt als gewiefter Verhandler, was den Einkäufer Erhardt überrascht, meinte er doch, die Argumente auf seiner Seite zu haben. Plötzlich wird er unsicher und die Verhand‐ lungspartner einigen sich schließlich auf 2 Prozent Preisnachlass (den <?page no="52"?> Zielsystem der Lieferant wahrscheinlich bereits eingeplant hatte). Erhardt geht mit dem drängenden Gefühl aus der Verhandlung, eine Chance vertan zu haben. Es hätte mehr drin sein können! Nur: Wie will man ein Ziel erreichen, wenn man die Koordinaten nicht kennt? Wer mit vagen Vorstellungen und einer „Pi mal Daumen“-Mentalität in eine Verhandlung geht, wird spätestens dann von seinem Verhandlungs‐ partner kalt erwischt, wenn dieser eine hieb- und stichfeste Strategie in der Tasche hat. Er wird Sie in Windeseile aushebeln und Ihre Unwissenheit zu seinem Vorteil nutzen. Schließlich ist, auch wenn man sich noch so gut und lange kennt, eine Businessverhandlung kein nettes Beisammensein unter Freunden. Sie brauchen ein clever durchdachtes Zielsystem: Welches Opti‐ malziel will ich erreichen und unter welches Angebot bin ich nicht bereit zu gehen? Welche Konditionen biete ich als Einstieg an, um (ein paar Schritte später) meinem Optimalziel so nahe wie möglich zu kommen? Wer diese Koordinaten genau kennt, der lässt sich nicht von seinem Weg abbringen, der strahlt Souveränität und Selbstbewusstsein aus und agiert, statt aus der Defensive heraus verzweifelt zu reagieren. Mit einem konkreten Zielsystem ausgerüstet wäre Einkäufer Ernst Er‐ hardt nicht gleich an der ersten Kletterwand abgestürzt, sondern so aufge‐ treten, wie er es geplant hatte: als Verhandlungsführer, der seinen Parcours genau kennt und den kein Argument davon abbringt, seine Steigeisen an die richtigen Stellen zu setzen. Wäre er etwa mit einem Minimalziel von 10 Pro‐ zent Preisnachlass in die Verhandlung gegangen, hätte er den angebotenen 2 Prozent niemals zugestimmt. Er wäre bei Widerstand nicht umgefallen und hätte seine Firma nicht um einen schönen Gewinn gebracht. Denn natürlich sind es auch die Zahlen selbst, die für eine konkrete Zielabsteckung sprechen: BEISPIEL Die Firma, in der Ernst Erhardt als Einkäufer beschäftigt ist, macht einen Gesamtumsatz von 1 Million € und einen Gewinn von 5 Prozent (50.000 €). Die vom Einkauf beeinflussbaren Kosten, also die Material- und Beschaffungskosten, betragen 60 Prozent (600.000 €) des Umsatzes. Damit verbleiben noch 35-Prozent (350.000-€) für alle anderen Kosten, wie beispielsweise Löhne, Abschreibungen oder Gemeinkosten. Würde der Einkauf die Kosten für Material und Beschaffung um 10 Prozent 52 4 Verhandlungsziele: Vorgaben und Zielsystem <?page no="53"?> Hebelwir‐ kung senken, würde sich der Gewinn von 50.000 € auf 110.000 € erhöhen, was einer Gewinnsteigerung von 120 Prozent entspricht. Zum Vergleich: Würde man so eine Gewinnsteigerung über die Absatzmenge erzielen wollen, müsste der Umsatz von 1 Million € auf 2,2 Millionen € gesteigert werden. Utopisch! Gewinn 50.000 € = 5 % Material- und Beschaffungskosten 600.000 € = 60 % 350.000 € = 35 % Direkte und indirekte Kosten 110.000 € = 11 % 540.000 € = 54 % 350.000 € = 35 % Gewinnsteigerung um 120 % Kostensenkung um 10 % Abb. 7: Beispiel zur Hebelwirkung des Einkaufs Keine Frage, Material- und Beschaffungskosten um 10 Prozent zu senken, ist schwierig, oftmals sogar unmöglich. Aber schon bei einer Senkung um drei Prozent erhöht sich der Gewinn in unserem Beispiel bereits um 18.000 €, und dies entspricht immer noch einer Gewinnsteigerung von immerhin 36 Prozent! Die folgende Tabelle gibt für unser Beispiel wieder, welche Hebelwirkung der Einkauf bei verschieden hohen Einsparungen hat: 4.1 Warum Ziele festlegen? 53 <?page no="54"?> Einsparung Neuer Gewinn Gewinnsteigerung bzw. vergleichbare Umsatz‐ steigerung in-€ in % in-€ in % in % 6.000 1 56.000 5,6 12 12.000 2 62.000 6,2 24 18.000 3 68.000 6,8 36 24.000 4 74.000 7,4 48 30.000 5 80.000 8,0 60 36.000 6 86.000 8,6 72 42.000 7 92.000 9,2 84 48.000 8 98.000 9,8 96 54.000 9 104.000 10,4 108 60.000 10 110.000 11,0 120 Tab. 2: Gewinnsteigerung des Einkaufs bei 1 Million Euro Umsatz, 60 Prozent Material- und Beschaffungskosten und 5-Prozent Gewinn Mithilfe der folgenden Formel können Sie in jeder beliebigen Konstellation nachvollziehen, welche Wirkung der Einkauf mit einer Kostensenkung erzielen kann. Gewinnsteigerung durch den Einkauf Materialkostenanteil am Umsatz Rendite vergleichbare Umsatzsteigerung geplante Kosteneinsparung = = ⨯ Abb. 8: Formel zur Berechnung der Gewinnsteigerung durch den Einkauf Das vage Ziel „Ich will den Preis senken“ wirkt angesichts dieser Berechen‐ barkeit beinahe unverantwortlich, jedenfalls aber hemdsärmelig. Zahlen sprechen eine klare Sprache. Und daher sollten sie mit an den Verhandlungs‐ tisch! 54 4 Verhandlungsziele: Vorgaben und Zielsystem <?page no="55"?> VORTEIL EINKÄUFER Ein kluger Einkäufer wird sich immer Klarheit über seinen Einfluss auf den Unternehmensgewinn verschaffen und darüber seine Stellung im Unternehmen definieren. Und er wird dieses nicht abstrakt, sondern mit konkreten Zahlen kommunizieren - nichts überzeugt mehr! Auch die Zusammenarbeit mit den technischen Abteilungen verbessert sich, wenn deutlich wird, wie eine einkaufsorientierte Zusammenarbeit Ar‐ beitsplätze sichern kann. Neue Wettbewerber bringen eine zunehmend aggressive Preispolitik mit. Aber nicht nur der Kampf um Marktanteile wird mit harten Bandagen ausgefochten, auch die wachsende Professionalisierung des Einkaufs und in‐ novative Verhandlungsmethoden machen dem Verkäufer das Leben schwer. Deshalb überlegen Sie, welche Hebel Sie als Verkäufer sinnvoll und clever einsetzen können, sprich, mit welcher Ausrüstung Sie diesen Unwägbarkei‐ ten trotzen können. Die erste Frage muss heißen: Was ist mein Hauptziel? Das misst sich zu‐ nächst an einer grundsätzlichen Entscheidung, die die Unternehmensleitung treffen muss: Ist die Verkaufspolitik mengen-, umsatz- oder gewinnorien‐ tiert? Wird ein maximaler Gewinn angestrebt, verbieten sich aggressive Preisnachlässe. Das Minimalziel ist höher und der Verhandlungsspielraum geringer als zum Beispiel bei einer mengenorientierten Strategie, bei der es darum geht, möglichst viel zu verkaufen - auch auf Kosten des Preises. 4.1 Warum Ziele festlegen? 55 <?page no="56"?> Zielkonflikt Menge/ Marktanteil ↑ Umsatz ↑ Gewinn ↑ 1 2 3 Strategischer Ansatz 1 Mengenorientiert: Beinhaltet oft aggressive Tiefpreise; der Umsatz lässt sich durch eine höhere Absatzmenge vergrößern, kann sich aber auch verringern, die Wettbewerber auf den Plan rufen und zu Preisverfall führen: Kapazitätsauslastung (+/ -) Umsatzorientiert: Kann niedrige Preise nach sich ziehen, um das Umsatzmaximum zu erreichen Gewinnorientiert: Weniger aggressive Preise für das Gewinnoptimum; Verluste von Marktanteilen werden erwartet und in Kauf genommen: Marge (%) vs. Profit ($), profitabler Produktmix 2 3 „Es ist (fast) unmöglich, alle Ziele gleichzeitig zu erreichen.“ Abb. 9: Strategische Ansätze und Zielkonflikte Das vielfach formulierte Unternehmensziel „Profitables Wachstum“ ist so gesehen ein Widerspruch in sich, denn Wachstum muss sehr oft mit Preisnachlässen erkauft werden. Umso wichtiger ist es, dass Sie sich als Verhandlungsführer persönliche Ziele (Beispiel) setzen, die Ihnen Orientie‐ rung bieten und Sie motivieren. Nur so schaffen Sie die Voraussetzungen, das Gespräch zielstrebig zu führen. BEISPIEL Das bringt uns noch einmal zu Ernst Erhardt und Volker Vogt. Erhardt ist mit einem konturlosen Ziel in die Verhandlung gegangen und hat daher längst nicht alles erreicht, was möglich gewesen wäre. Aber auch Volker Vogt hat Fehler gemacht. Er hat es versäumt, im Vorfeld zu berechnen, wie gravierend sich Preisnachlässe auf sein Ergebnis auswirken können: Sein Unternehmen erzielt eine durchschnittliche Marge von 10 Prozent vom Umsatz. Um die Verhandlung zu einem schnellen Abschluss zu bringen, gewährt er Ernst Erhardt einen Nach‐ lass auf den abgegebenen Angebotspreis von - auf den ersten Blick - geringen 2 Prozent. Dafür müsste aber das Volumen um ein sattes Viertel steigen, um diesen negativen Ergebniseffekt auszugleichen. 56 4 Verhandlungsziele: Vorgaben und Zielsystem <?page no="57"?> Zielvorgaben Hinzu kommt der psychologische Aspekt: Das vorschnelle Gewähren von Nachlässen könnte bereits die nächste Verhandlung mit dem (verwöhnten) Kunden zu seinen Ungunsten beeinflussen. Beispiel: Welche Zusatzmenge sollten Sie im Gegenzug für Preisnach‐ lässe fordern? Preisnachlass … um 1 % … um 2 % … um 5 % … um-10 % Welche zusätzliche Menge benötigen Sie, um den Umsatz konstant zu halten? + 1 % + 2 % + 5,3 % + 11,1 % Welche zusätzliche Menge benötigen Sie, um den Deckungsbeitrag konstant zu halten? * + 11,1 % + 25 % + 100 % + unendlich *Annahme: 10-prozentige DB-Marge Tab. 3: Zusammenhang zwischen Preisnachlass, Zusatzmenge und Deckungsbeitrag Der Eintritt in neue Märkte oder die Markteinführung eines neuen Produkts erfordern einen anderen Ansatz als die Verhandlung mit bereits bestehenden Kunden um am Markt etablierte Produkte. Und die „Kauf- oder auch Verkaufsreue“? Wie wichtig ist Ihnen die Be‐ stätigung nach der Verhandlung, für das Unternehmen ein gutes Ergebnis erzielt zu haben? Für Einkauf und Vertrieb gelten gleichermaßen: Der Ab‐ schluss muss in der Regel ein zweites Mal auf den Prüfstand, nämlich intern. Wenn die Zahlen eindrücklich ein für das Unternehmen positives Ergebnis belegen, stärkt das auch Ihre Position im Unternehmen. Überdies haben Sie bereits im Vorfeld über Zielvorgaben seitens des Unternehmens nachge‐ dacht: Sind sie überhaupt erreichbar oder umgekehrt zu wenig ambitioniert? Es folgt der didaktische Nutzen, der einen fruchtbaren Lernprozess im Un‐ ternehmen anstoßen kann. Außerdem beziehen Sie alle Akteure mit ein: zum Beispiel Konstruktion, Qualitätssicherung, Pricing und Produktmanage‐ 4.1 Warum Ziele festlegen? 57 <?page no="58"?> Einstiegs‐ ziel ment, die ihr Know-how beisteuern. Das belebt die Kommunikation zwi‐ schen den Abteilungen und sorgt für Transparenz Ihrer Entscheidungen. VORTEIL VERKÄUFER Fokussieren Sie sich auf Kunden, die zu Ihren Unternehmenszielen passen. In den Verhandlungen gilt: keine vorschnellen Zugeständnisse! Sie sind vorbereitet und kennen Ihre Zahlen. Ihnen liegen Musterrech‐ nungen bezüglich verschiedener Szenarien vor und Sie kennen die Kalkulation. Fazit: Ziele festlegen Wer sich vor Businessverhandlungen konkrete Ziele setzt, agiert zielgerich‐ tet und wirkt sicher und souverän. Ziele in Zahlen machen das Verhand‐ lungsergebnis zudem messbar und stärken die eigene Position im Unter‐ nehmen. Denn sie zeigen die Hebelwirkung einer erfolgreich geführten Verhandlung auf den Unternehmensgewinn. 4.2 Das Zielsystem Klare Zielvorstellungen sind wichtig, um eine Verhandlung aktiv zu führen, aber ohne die Flexibilität für Lösungen erstarrt so manche Verhandlung oder fährt gegen die Wand. Wie bleiben Sie flexibel, ohne Ihr Hauptziel zu gefährden? Indem Sie sich Ihr Zielsystem bewusst machen können Sie auch die Forderungen der Gegenseite bewerten und entsprechend reagieren. Immerhin führen viele Wege nach Rom - beziehungsweise in unserem Fall auf den herausforderungsreichen Achttausender. Beginnen wir im Tal. Dort sehen wir den Gipfel, das Optimalziel. Um es zu erreichen, brauchen wir 1. ein taktisches Ziel bzw. ein Einstiegsziel. Dieses Ziel markiert Ihren ersten Schritt in Richtung Gipfel, Ihren Einstieg in die Verhandlung. Das taktische Ziel eröffnet Ihren ganz persönlichen Klettersteig zum Opti‐ malziel. Es kann dabei zum Preisanker werden. 58 4 Verhandlungsziele: Vorgaben und Zielsystem <?page no="59"?> TIPP PREISANKER Der Anchoring-Effekt (auch Ankereffekt genannt) ist ein mächtiges Werkzeug in Verhandlungen und kann den Verhandlungsspielraum stark beeinflussen. Es handelt sich um ein kognitives Phänomen, bei dem Menschen sich stark an einer zuerst präsentierten Information orientieren, wenn sie Entscheidungen treffen oder Urteile fällen. Vor allem in Preisverhandlungen kann der „Anker“ einen großen Ein‐ fluss auf den weiteren Verlauf der Verhandlungen haben: 1. Erste Zahl dominiert: in einer Verhandlung kann die erste genannte Zahl den Rahmen für die weitere Diskussion setzen. Denn selbst wenn die Zahl extrem hoch oder niedrig ist, wird sie oft als Aus‐ gangspunkt genommen. 2. Psychologische Beeinflussung: Der Anker beeinflusst die Wahrneh‐ mung der nachfolgenden Zahlen. Wenn beispielsweise ein Verkäufer einen hohen Preis nennt, wird ein späterer, etwas niedrigerer Preis als günstiger wahrgenommen, obwohl er immer noch hoch ist. 3. Unbewusste Wirkung: Der Effekt wirkt oft unbewusst. Möglicher‐ weise ist beiden Parteien die Beeinflussung durch den Anker gar nicht bewusst. 4. Kognitive Verzerrung: Oft wird die erste Information überbewertet. Dies kann dazu führen, dass objektive Bewertungen und Entschei‐ dungen erschwert werden. Beide Seiten können den Ankereffekt nutzen - oder seine negativen Auswirkungen zu minimieren: ▶ Vorbereitung: Eine gründliche Vorbereitung und das Wissen um realistische Preise und Werte können helfen, den Einfluss des Ankers zu reduzieren. ▶ Bewusstsein schaffen: Das Erkennen des Ankereffekts kann bereits helfen, seine Wirkung zu mindern. ▶ Alternative Anker setzen: Wenn ein Anker gesetzt wurde, kann man versuchen, einen eigenen Anker zu setzen, um den Einfluss des ersten Ankers zu verringern. 4.2 Das Zielsystem 59 <?page no="60"?> Ausstiegs‐ ziel Hauptziele Nebenziele 2. ein Minimalbzw. ein Ausstiegsziel, die sogenannte „Walk Away Condition“. Alles unter dem Minimalziel ist der Punkt, an dem Sie die Verhandlung unterbrechen, wenn nicht sogar abbrechen. Mit Minimal-, Optimal- und Einstiegsziel haben Sie Ihren Verhandlungs‐ spielraum abgesteckt, sodass Sie auf Ihrer Route atmen können. Aber Verhandlungen verlaufen oft nicht geradlinig. Für ein gutes Zielsystem sollten Sie daher Umwege von vorneherein einplanen. Definieren Sie neben Ihren Haupt- und Nebenzielen Ihre Verhand‐ lungsmasse. Hauptziele: Dies sind Ziele, von denen Sie nicht abrücken können und wollen. Ist der Verhandlungsspielraum (Einstiegsziel bis Ausstiegsziel) hier ausgereizt, gibt es schlicht keine Lösung und die Verhandlung wird unter Umständen auch abgebrochen. Nebenziele: Die sind Ziele, von denen Sie für einen Kompromiss abrü‐ cken können, sollte die Verhandlung andernfalls scheitern (allerdings erst, wenn die Verhandlungsmasse vollständig aufgebraucht ist). Ihre Verhandlungsmasse besteht aus Tauschobjekten (nice-to-haves) oder Sacrificial Targets. Tauschobjekte sind Ziele, die man nur deshalb mit in die Verhandlung nimmt, um einen Deal zu machen. Beispielsweise verzichtet der Einkäufer auf eine Zahlungsfrist von 60 Tagen, wenn der Ver‐ käufer die Lieferkosten übernimmt. Es gilt „Quidproquo“ oder salopp gesagt: was nichts kostet ist nichts wert. Tauschobjekte werden nicht verramscht, sondern nur gegen eine gleichwertige Gegenleistung eingetauscht. Mit scheinbar großzügigen Zugeständnissen (zum Planen von Zugeständnissen siehe → Abb. 24 auf Seite 167) lassen sich Fronten aufweichen und das eigentliche Verhandlungsziel wird wieder greifbarer. Machen Sie sich eine Liste der Konzessionen, die Sie bereit sind einzugehen, um den Weg zu Ihrem Optimalziel frei zu machen. Überlegen Sie dabei auch, was wohl der andere als Tauschobjekt in die Verhandlung einbringen wird. Manche Ziele, so genannte „Sacrificial Targets“, sind nur dazu da, großzügig von Ihnen geopfert zu werden! Psychologisch kommen sie gerne dann zum Einsatz, wenn beim Gegenüber der letzte Rest an Unentschlossenheit beseitigt werden soll. Denken Sie zum Beispiel an den Verkäufer, der dem Kunden mit scheinbar großzügiger Geste eine Service- oder Bedienerschulung „schenkt“. Die Schulung ist zwar längst anberaumt, macht aber nichts, da wird der Servicetechniker des Kunden eben einfach mit hinzugenommen! Extrakos‐ 60 4 Verhandlungsziele: Vorgaben und Zielsystem <?page no="61"?> ten? Keine. Die Wirkung auf den anderen indes ist Gold wert: Wer etwas geschenkt bekommt, verhandelt möglicherweise nicht mehr so hart. Lassen Sie uns das Everest-Bild kurz auf die Spitze treiben, um noch einmal den Unterschied zwischen Haupt- und Nebenzielen zu illustrieren. Demnach wäre es Ihr Hauptziel, den Gipfel des Mount Everest zu erklimmen. Sie wollen ganz nach oben, ohne Spielraum, also nicht 10 Meter vorher aufgeben. Ein zweites Hauptziel könnte in diesem Zusammenhang sein, dass Sie den Gipfel vor 14.00 Uhr erreichen müssen, damit Sie während des Abstiegs nicht von der Dunkelheit überrascht werden. Bei diesem zweiten Hauptziel haben Sie einen kleinen Spielraum: Zur Not reichte es auch, bis um 15.00 Uhr auf dem Gipfel zu sein. Was könnten in diesem Szenario Nebenziele sein? Zum Beispiel wie Reinhold Messner den Gipfel ohne Sau‐ erstoffgerät zu besteigen. Oder ohne Hilfe von Sherpas. Wenn Sie nun aber vor der Alternative stehen, „Gipfel mit Sauerstoff “ oder „kein Gipfel ohne“ wird schnell klar, wie sich ein Hauptziel von einem Nebenziel unterscheidet - und wie wenig gerne man gleichwohl ein Nebenziel aufgibt. Das tut man erst, wenn wirklich alle anderen Möglichkeiten ausgereizt worden sind. Kommen wir zu den Tauschobjekten unserer Achttausenderbesteigung. „Nice to have“ wäre es, als Erster der Gruppe auf dem Gipfel anzukommen, um das Gefühl, oben angekommen zu sein, erst mal alleine genießen zu können. Klar ist aber auch, dass man dieses Tauschobjekt schnell (und gerne) in die Waagschale wirft, wenn ansonsten die ganze Expedition zu scheitern droht. Zurück an den Verhandlungstisch. Mehr Dimensionen bringen mehr Möglichkeiten und deshalb sollten Sie im Vorfeld sämtliche für die Verhand‐ lung entscheidenden Parameter bewerten: Was ist optimal, was taktisch, was geht überhaupt nicht? Neben dem Preis werden also Lieferzeiten, Prozess‐ abläufe, Reklamationen, Qualität, Gerichtsstand, Garantien, Zahlungs--und Lieferkonditionen ebenfalls jeweils mit Optimal-, Einstiegs- und Ausstiegs‐ ziel bewertet. Was will ich in jedem Punkt erreichen, wie eröffne ich die Verhandlung und wann steige ich aus? Das Zielsystem ist die Panoramakarte für Ihre Verhandlung. Haben Sie alle Punkte bedacht? Je austarierter das Zielsystem, desto mehr prallen Überraschungscoups der Gegenseite daran ab, Sie sind vorbereitet und kon‐ tern geschickt, indem Sie je nach Situation die eingebauten Register ziehen. So werden Pakete geschnürt, Deals gemacht und Lösungen gefunden! 4.2 Das Zielsystem 61 <?page no="62"?> Position der Gegenseite Walk Away Condition absolutes Minimalziel Vergessen Sie dabei nicht: ein austariertes Zielsystem bringt auch die Po‐ sition der Gegenseite ins Spiel. So, wie Sie bei der Suche Ihres Optimalziels abschätzen sollten, wie stark oder schwach die Gegenseite Ihnen gegenüber auftreten kann, sollten Sie sich auch in allen Facetten Ihres Zielsystems in Ihren Verhandlungspartner eindenken. Welche Ziele verfolgt die Gegen‐ seite, woran misst sie ihren Verhandlungserfolg und wo liegt die Schmerz‐ grenze, der Punkt, an dem die Verhandlung platzen könnte? Wo sieht der andere Herausforderungen und Risiken? Welche kurz- und langfristigen Ziele verfolgt er und mit welcher Gewichtung tut er dies? Welche Spiel‐ räume hat er und was wird er Ihnen anbieten, damit Sie von Ihrem Wunsch‐ ziel ablassen? Je transparenter der Verhandlungspartner im Vorfeld für Sie ist, desto konkreter können Sie Maßnahmen in Ihr Zielsysten integrieren und desto erfolgreicher werden Sie die Verhandlung führen. Wer sowohl die eigene als auch die (vermutete) Verhandlungsmasse der Gegenseite in sein Zielsystem einbaut, agiert im Konfliktfall souverän nach dem Motto „Gib wenig und erhalte viel! “ Haupt- und Nebenziele, Verhandlungsmasse - die Route ist nun festge‐ legt, die Wanderkarte quasi gezeichnet. Zeit, in den Feinschliff zu gehen. Reflektieren Sie nun noch einmal Ihr zuerst gestecktes Optimalziel und se‐ hen Sie es sich in Ihrem Zielsystem an. Nun, da sie alle Koordinaten am Berg kennen, könnten Sie eventuell noch ein bisschen höhergehen? Oder trägt sich das Ziel an dieser Stelle doch nicht? Denken Sie immer daran: Ihr Ziel darf gerne ambitioniert sein, aber nie unrealistisch! Dann weiter zur Walk Away Condition (WAC). Überlegen Sie vor dem Hintergrund Ihres Zielsys‐ tems noch einmal genau! Die WAC ist das absolute Minimalziel, das nicht unterschritten werden darf. Sie sollten mental darauf vorbereit sein, auch in der Hitze des Gefechts nie, absolut nie unter das Minimalziel zu gehen. Aus dem Bauch heraus werden Sie in der Verhandlung kaum bessere Entschei‐ dungen treffen als im Zug einer systematischen Vorbereitung! Ihr Minimal‐ ziel muss mit kühlem Kopf kalkuliert und nicht mit heißer Nadel gestrickt sein. Ihr Mantra: Das Minimalziel steht, egal was passiert, während der Ver‐ handlung nicht zur Debatte! Möglicherweise müssen Sie Ihr taktisches und Ihr Ausstiegsziel noch einmal überdenken und an Ihre Verhandlungsstrate‐ gie anpassen! (Siehe hierzu ausführlich Kapitel 9.) 62 4 Verhandlungsziele: Vorgaben und Zielsystem <?page no="63"?> 5 Einschätzung der Ausgangsposition und des Risikos SUMMARY Bergsteigen hat mit guter Ausrüstung und Kondition zu tun, aber auch mit mentaler Stärke. Lassen Sie sich leicht beeindrucken? Sind Sie verunsichert, wenn die Gegenseite vor dem Aufstieg die Muskeln spielen lässt und mit Selbstsicherheit protzt - oder kratzen Sie gekonnt am Selbstbewusstsein der Gegenseite? Kurz: Kennen Sie Ihre Machtposition und die Ihres Verhandlungspartners und die Möglichkeiten, die Wahr‐ nehmung der Machtverhältnisse zu beeinflussen? In diesem Kapitel erfahren Sie, wie Sie Ihre Machtposition objektiv bewerten und sich der Risiken bewusst werden. Aber auch, wie Sie die Wahrnehmung der Gegenseite - sozusagen die empfundene Macht - geschickt in die von Ihnen gewünschte Richtung lenken können. Vorsicht: Bauchgefühl und Erfahrung können Sie dabei gründlich täuschen! Wenn Sie die EVEREST-Methode beherrschen, bezwingen Sie die Achttau‐ sender - keine Frage. Aber es gibt natürlich auch interessante und nicht weniger herausfordernde Drei-, Vier- oder Fünftausender. Wenn Sie drei Viertausender erfolgreich bezwungen haben, ist Ihre Bilanz besser, als gleich am ersten Achttausender zu scheitern, weil der Berg nicht zu Ihren Zielen und Ihrer körperlichen Verfassung passt. Beißen Sie sich also nicht an übermächtigen Verhandlungspartnern die Zähne aus, sondern holen Sie bei weniger schwierigen Verhandlungen möglichst viel heraus. Viele Unternehmen und Verkäufer stellen fest, dass Ihre aufwendigen Vertriebsaktivitäten in einem unbefriedigenden Verhältnis zur tatsächlichen Zahl der Aufträge stehen. Nicht alle Kunden passen zwangsläufig zu Ihrem Unternehmen. Und die größten Kunden sind nicht notwendigerweise auch die besten. Im Gegenteil, denn bei großen Kunden bleibt Ihnen oft nur der Preiskampf als einzige Chance, an den Auftrag zu gelangen. <?page no="64"?> Im Vertrieb nennt man den Vorgang, die passenden Kunden auszuwählen, auch „qualifizieren“. Oft übernehmen Stabsabteilungen wie ein zentrales Vertriebsmanagement oder das Marketing diese Aufgabe. Die im Zuge dieser Kundenqualifikation gesammelten Informationen sind aufschlussreich. Als Verkäufer sollten Sie diese wertvollen Hinweise unbedingt für die Verhandlungsvorbereitung nutzen. Sie geben nämlich nicht nur Aufschluss darüber, wie intensiv der Kunde betreut werden muss, sondern lassen auch Rückschlüsse zu, wie hart der Kampf in der Verhandlung geführt werden muss und ob es sich unter dem Strich auch wirklich lohnt. Auch für den Einkäufer lohnt sich ein Blick auf das Potenzial einer Verhandlung. Geht es beispielsweise um hohe Summen, steigt das eigene Risiko beim Scheitern bzw. bei einem schlechten Ausgang der Verhandlung. Geht es um wenig, kann man allein aus Zeitgründen auch mal großzügig sein. Eine Einsparung von 10 Prozent von ganz wenig ist und bleibt ganz wenig. Dafür hat wahrscheinlich kein Einkäufer Zeit. 5.1 Ausgangsposition realistisch bewerten Die Frage nach den Machtverhältnissen - der gegenseitigen Abhängigkeit und der zu erwartenden Konsequenzen beim Scheitern der Verhandlung - gilt gleichermaßen für Einkauf und Verkauf. Sie beeinflusst ganz wesentlich die Planung, Vorbereitung und den Ausgang der Verhandlung. Wer sitzt also am längeren Hebel? Es ist menschlich, die eigene Ausgangsposition schlechter zu bewerten, als sie tatsächlich ist. Der Gipfel scheint schier unerreichbar und die Route steiler und felsiger, als sie es wirklich ist. In den Bergen gilt stets der überlebenswichtige Grundsatz: Ruhe bewahren! Egal, ob Sie kurzfristig aus dem Tritt geraten oder nur von der neuen Hightechausrüstung der anderen beeindruckt sind. Das will nichts heißen, denn auch in neuen High-End-Schuhen kann man schmerzhafte Blasen an den Füßen bekommen. Bewerten Sie deshalb Ihre eigene Ausgangsposition möglichst objektiv. Dabei werden Sie sicher überrascht feststellen, dass Ihre Position gar nicht so schlecht ist. Der Kunde kauft Ihr Produkt, also scheint er es zu brauchen. Und umgekehrt machen sich auch Einkäufer oft nicht bewusst, dass sie der „König Kunde“ sind. Woher kommt dieses mangelnde Selbstbewusstsein? 64 5 Einschätzung der Ausgangsposition und des Risikos <?page no="65"?> ▶ Fehlende Zeit und fehlende Vorbereitung schwächen das Selbstver‐ ständnis der an sich starken, eigenen Rolle als Kunde. ▶ Eine Typfrage: Nicht jeder Einkäufer ist eine extrovertierte „Rampen‐ sau“, die Konflikte selbstbewusst austrägt und auch Disharmonien nicht scheut. Einkäufer lassen sich oft allein durch das schnittige und eloquente Auftreten des Verkäufers in eine vermeintlich schwächere Position drängen. ▶ Fehlender Informationsaustausch mit der Fachabteilung: Der Einkäufer glaubt, einen starken Monopolisten vor sich zu haben. Tatsächlich aber hat sich nur die eigene Fachabteilung auf diesen Lieferanten „eingeschossen“ und die Spezifikation entsprechend „maßgeschneidert“. Es handelt sich also um einen sogenannten „hausgemachten Monopolis‐ ten“. Der Einkäufer ist sich dessen aber nicht bewusst. Er hat eigentlich einen „Monopolisten aus Gewohnheit“, nicht aus „Notwendigkeit“ vor sich, dessen Stellung durchaus anzuzweifeln und die Abhängigkeit eventuell zu knacken ist. ▶ Fehlende Information über Produkt oder Dienstleistung: Einkäufer sind Kaufleute, die sich mit glatten Ledersohlen auf ein vereistes Schneefeld begeben müssen, sobald über technische Details und Spezialwissen verhandelt wird. Kein gutes Gefühl! Wie diese Misere(n) beheben? Hier sind nicht nur Ihr Fleiß, sondern auch Ihre Fähigkeit zu Offenheit und Kommunikation gefragt: Bereiten Sie sich vor, sprechen Sie mit Kollegen, versorgen Sie sich mit den wichtigen Informationen aus den Fachabteilungen, nehmen Sie sich Zeit und lernen Sie das Produkt wirklich gut kennen, trainieren Sie Verhandlungstechniken und positionieren Sie sich auch intern in Ihrem Unternehmen als ernst zu nehmende Stelle im Kontakt nach außen. Das mag Ihnen wie die Quadratur des Kreises vorkommen, aber genau genommen sind das die ureigensten Aufgaben eines professionellen Einkaufs. Greifen Sie auf das bewährte Hilfsmittel der (operativen) Portfolios für die situative und problembezogene Analyse zurück (alle wichtigen Informatio‐ nen haben Sie bereits gesammelt, siehe Kapitel 3). Dabei ist es für eine objektive Beurteilung der Situation wichtig, dass Sie sich der Dimensionen dafür bewusst werden, wie stark oder schwach Ihre Ausgangsposition im Vergleich zu Ihrem Verhandlungspartner ist. Zwei wesentliche Faktoren haben wir bereits erwähnt: 5.1 Ausgangsposition realistisch bewerten 65 <?page no="66"?> ▶ Die eigene Machtposition ▶ Das Risiko, falls es zu keiner Einigung kommt Macht zu bewerten, ist häufig schwierig. Zur Bewertung der Macht gibt es kein Messgerät, das einen Wert von 8,9 oder 15,4 Macht ausspuckt. Leider! Das wäre einfach und transparent. Macht zu bewerten ist und bleibt bei allem Bemühen um möglichst große Objektivität durch Portfoliotechniken eine subjektive Einschätzung. Häufig hilft es, sich zu fragen, wer mehr zu verlieren hat, falls es zu keiner Einigung kommt. Derjenige, für den viel mehr auf dem Spiel steht, wird vielleicht die Nerven verlieren und nachgeben. 5.2 Einschätzung der Machtverhältnisse im Vertrieb Jedes Unternehmen und jeder Verkäufer kennt seine A-, B- und C-Kunden. Die A-Kunden werden intensiv und individuell betreut und erhalten über‐ dies meist auch die besseren Konditionen und Preise. Sie sind sozusagen die schönsten Hausberge mit den attraktivsten Gipfelkreuzen. Dieser aus‐ gewählte Kundenkreis macht einen erheblichen Anteil des Geschäfts aus, selbstredend, dass niemand diese Pfründe an die Konkurrenz verlieren möchte. Deshalb sind die meisten Verkäufer bei A-Kunden auch zu den größten Zugeständnissen bereit. Aber sind die Zugeständnisse tatsächlich immer notwendig oder entste‐ hen sie allein aus der Befürchtung heraus, diesen umsorgten Kunden zu verprellen? Schauen Sie sich nicht nur die Umsatzanteile, sondern auch die Machtverhältnisse an. Die Klassifizierung nach Umsatzanteilen allein sagt nämlich nicht alles über die Machtverhältnisse innerhalb Ihrer Geschäfts‐ beziehung aus. Diese Betrachtung geht über eine ABC-Analyse hinaus: Ein A-Kunde, der 30 Prozent seines Beschaffungsvolumens bei Ihnen einkauft, ist von Ihnen eventuell genauso abhängig wie Sie von ihm. Für eine Bewertung Ihrer Ausgangsposition ist es also ebenso wichtig, Ihre eigenen Lieferanteile beim Kunden genau zu betrachten. Wahrschein‐ lich kommen Sie so zu einer anderen Kundenklassifizierung. 66 5 Einschätzung der Ausgangsposition und des Risikos <?page no="67"?> abhängige Partner abhängige Kunden Chancenrealisierung Geschäftsfreunde Anpassung Emanzipation abhängige Kunden abhängige Partner Füller oder schlummernde Potenziale eigene Abhängigkeit eigene Lieferanteile beim Kunden (%) C-Kunden B-Kunden A-Kunden Umsatzanteile der Kunden (%) Marktmachtportfolio niedrig niedrig hoch hoch Abb. 10: Das Machtportfoliofür den Vertrieb ▶ Bewegen Sie sich im rechten oberen Quadranten (abhängige Partner), so begegnen sich die Geschäftspartner auf Augenhöhe. Es besteht eine gegenseitige Abhängigkeit und somit ist der Kunde in der Regel zur partnerschaftlichen Zusammenarbeit bereit. Darauf sollten Sie setzen! Sie sollten also einerseits die (hohen) Erwartungen Ihres Kunden nicht enttäuschen. Andererseits besteht keine Veranlassung zu übertriebenen Zugeständnissen. Auch Sie erwarten ein für Ihr Unternehmen profita‐ bles Geschäft. Sprechen Sie viel mehr darüber, wie die Zusammenarbeit weiterentwickelt werden kann und weniger über Konditionen. ▶ Im linken oberen Quadranten befinden sich Ihre abhängigen Kunden. Diese kaufen bereits in (relativ) großem Umfang bei Ihnen. Weitere Zu‐ geständnisse führen wahrscheinlich nicht zu einem höheren Lieferanteil 5.2 Einschätzung der Machtverhältnisse im Vertrieb 67 <?page no="68"?> Füller eigene Ab‐ hängigkeit (Share of Wallet). Hier müssen Sie am ehesten den Hebel ansetzen, um Ihren Profit zu erhöhen. ▶ Im Quadranten unten links sind die Randgeschäfte („Füller“) oder die schlummernden Potenziale eingeordnet. Diese Kunden müssen zu‐ nächst sorgfältig auf ihre vorhandenen Potenziale überprüft werden. Einerseits könnten hier Kleinkunden positioniert sein, die Ihren Liefer‐ anteil nicht erhöhen wollen und bei denen Sie als Zweit- oder Drittlie‐ ferant dienen. Hier können sich aber auch Kunden mit Wachstums‐ chancen verbergen, die bisher vernachlässigt wurden, oder Neukunden, bei denen die Geschäftsbeziehungen erst am Anfang stehen. Aus diesem Grund bietet es sich an, nicht nur die prozentualen, sondern auch die wertmäßigen Einkaufspotenziale bei diesen Kunden zu betrachten. ▶ Kunden im unteren rechten Quadranten sind für Sie besonders kritisch. Kurzfristig können Sie es sich eventuell nicht leisten, diese Kunden zu verlieren. Sie müssen aber mittelfristig daran arbeiten, die eigene Ab‐ hängigkeit zu reduzieren. Auch dafür gibt es verschiedene Alternativen, über die Sie sich vor der Verhandlung Gedanken machen sollten. Wollen Sie den Kunden zu einem „Partner“ entwickeln, dann sollte es eines Ihrer Hauptziele sein, Ihren Lieferanteil zu erhöhen. Im Zuge einer Preisver‐ handlung sollten Sie daher immer auf höhere Mengenzusagen und ge‐ gebenenfalls auf längere Vertragslaufzeiten als Gegenleistung für ein Entgegenkommen hinarbeiten. Bei unrentablen Geschäften kann es aber auch richtig sein, das Geschäft zugunsten anderer Kunden zurückzu‐ fahren. (Lieber ein Ende mit Schrecken als Schrecken ohne Ende! ) Bei der Verhandlungsvorbereitung kann also bereits die Berücksichtigung nur einer weiteren Dimension zu neuen Erkenntnissen führen. Jede weitere Dimension, die Sie hinzuziehen, vervollständigt das Bild. Kennen Sie eine sichere Abkürzung, die Ihnen einen Vorteil verschafft, oder gibt es eine Stelle, an der Sie darauf angewiesen sind, von der Gegenseite gesichert zu werden, um gefahrlos die scharfe Kante eines Bergrückens zu überwinden? Für die Preissetzung und -durchsetzung ist ein weiterer Aspekt wesent‐ lich: Die reine Volumenbetrachtung sagt noch nichts über die Profitabilität der Geschäftsbeziehung aus. Um dies zu berücksichtigen kann beispiels‐ weise der Deckungsbeitrag des Kunden im Portfolio farbig (> 10 % = grün, 5 % - 10 % = gelb, < 5 % = rot) dargestellt werden. Stellen Sie noch mehr Fragen, um weitere Dimensionen zu beleuchten, wie zum Beispiel: 68 5 Einschätzung der Ausgangsposition und des Risikos <?page no="69"?> A-Kunden nicht für selbstver‐ ständlich nehmen. ▶ Verhalten: Wie verhält sich der Kunde im täglichen Geschäft - aufwen‐ dige Auftragsabwicklung, Zahlungsverhalten usw. ▶ Image: Wie wichtig ist dieser Kunde für Sie als Referenz, welcher Imagegewinn ist mit diesem Auftrag verbunden? ▶ Offenheit: Kann ich bei diesem Kunden neue Lösungen offen diskutieren oder gar neue Produkte testen? ▶ Leistungsversprechen: Wie gut können wir die Anforderungen dieses Kunden erfüllen? (Produkte / Lösungen, Preisniveau im Vergleich zum Wettbewerb, Flexibilität bei Änderungen, zusätzliche Anforderungen, Logistik, Beratung etc.) ▶ Konkurrenz: Wie ist der Wettbewerb bei diesem Kunden positioniert? All diese Aspekte und Überlegungen spielen eine Rolle für die Bewertung der Ausgangsposition vor der Verhandlung. Um zu einem erfolgreichen Abschluss zu kommen, ▶ muss sich der Auftrag für Sie lohnen, ▶ muss das eigene Unternehmen wettbewerbsfähig sein, ▶ müssen Sie aufgrund der (internen) Entscheidungssituation beim Kun‐ den eine realistische Chance haben, den Auftrag zu erhalten. Sicher haben Sie A-Kunden, die auch in Zukunft einen Großteil Ihres Ge‐ schäftsvolumens ausmachen werden. Sie sollten damit rechnen, dass manche von Jahr zu Jahr geringere Mengen bestellen. Nehmen Sie diesen Umstand nicht einfach hin, sondern gehen Sie auf Ursachensuche. Kaufen diese Kun‐ den stattdessen bei Ihrem direkten Wettbewerber? Oder werden Ihre Zulie‐ ferungen nicht mehr benötigt, da sich das Produktangebot Ihres Kunden an‐ ders entwickelt? Verliert der Kunde selbst gegenüber seinen Wettbewerbern an Boden? Oder schrumpft sogar der gesamte Absatzmarkt Ihres Kunden? Sie sehen, eine Beschränkung auf das aktuelle Geschäft, den Status quo, greift zu kurz. Jede der beschriebenen zukünftigen Veränderungen führt zu einer anderen Bewertung der eigenen Ausgangsposition und der des Verhandlungspartners. Sie müssen sich deshalb verdeutlichen, wie wichtig der Kunde für Sie, für Ihr Unternehmen auch in Zukunft sein wird. Sie sollten sich fragen: Wie attraktiv ist ein Kunde heute und in Zukunft für unser Unternehmen? 5.2 Einschätzung der Machtverhältnisse im Vertrieb 69 <?page no="70"?> ▶ Welche Wachstumsraten sind zu erwarten? ▶ Gibt es neue (technologische) Entwicklungen, die die Absatzmärkte Ihres Kunden verändern, z. B. Alternativen zu den Produkten Ihes Kunden? ▶ Wie abhängig ist das Geschäft des Kunden von (politischen) Rahmen‐ bedingungen oder neuen Regularien? Das Kundenwertportfolio stellt den Kundenwert, also die aktuelle und zukünftige Renditeerwartung im Geschäft mit diesem Kunden, dem Risiko gegenüber, dass dieser Kunde zu einem anderen Anbieter wechselt: Wechselrisiko Kundenwert keine aktiven Maßnahmen Serviceführerschaft: Crossbzw. Upselling Serviceführerschaft: Kundenbindung Abwanderungsvermeidung niedrig niedrig hoch hoch Kundenwertportfolio mittel Abb. 11: Kundenwertportfolio Im Grunde läuft diese Betrachtung hinaus auf die Bewertung der Attrakti‐ vität des Kunden und des eigenen Zugangs zu diesem Kunden (im Vergleich 70 5 Einschätzung der Ausgangsposition und des Risikos <?page no="71"?> zum Wettbewerb) - ein hervorragender Zugang reduziert i. d. R. das Wech‐ selrisiko. Es ist für die Verhandlungsvorbereitung sicherlich nicht notwendig, den Kundenwert wissenschaftlich zu berechnen. Mit Ihrer Marktkenntnis und Erfahrung ist es Ihnen bestimmt möglich, eine realistische Einschätzung vorzunehmen anhand von a. aktueller Rendite (= Preisniveau und Berücksichtigung von Nachlauf‐ kosten) und b. der Erwartung an ein zukünftiges Geschäft (z. B. ++, +, o, -, - -). ▶ Kommen Sie zu dem Ergebnis, dass Ihr Kunde in die linke Hälfte des Kundenwertportfolios gehört, muss sich i. d. R. die Preisqualität verbessern. Selbst wenn Sie mit dem Preisniveau zum Zeitpunkt der Auftragserteilung zufrieden sind, ist die Marge bei diesem Kunden offensichtlich zu gering, um die Aufträge auch profitabel abzuschließen. Wenn Sie also nicht genau wissen, wo Sie im Auftragsabwicklungsprozess ansetzen sollen, müssen Sie an der Preisschraube drehen. Wie stark, das hängt vom Wechselrisiko ab. ▶ Im linken oberen Quadranten rechnen Sie mit dem Wechsel des Kunden, sofern Sie seinen Forderungen nicht nachkommen. Lassen Sie sich nicht unter Druck setzen! Wenn das Geschäft Ihnen keinen Spaß macht, wofür kämpfen Sie dann? Je nachdem, wie groß das Einkaufsvolumen dieses Kunden ist, kann das zwar auf den ersten Blick schmerzhaft sein. Aber welche Wahl haben Sie? Pest oder Cholera! Die Erkenntnis, den Auftrag nicht um jeden Preis holen zu müssen, kann sehr befreiend wirken! ▶ Im linken unteren Quadranten schätzen Sie das Wechselrisiko geringer ein. Also ist es bei diesen Kunden einen Versuch wert, die Konditionen zu Ihren Gunsten zu verbessern und damit den Kundenwert zu erhöhen. Bieten Sie in einem nächsten Schritt zusätzliche Produkte und Dienstleistungen an (Cross-Selling) und fragen Sie danach, wie Sie Ihren Service für diese Kunden optimie‐ ren können, um die höheren Preise zu rechtfertigen. ▶ Im rechten unteren Quadranten sind Sie mit dem aktuellen Ge‐ schäft und der zukünftig erwarteten Entwicklung zufrieden. Hier finden Sie Ihre wertvollen und treuen Kunden. Sie können es sich leisten, die Preise regelmäßig in einem vertretbaren Rahmen 5.2 Einschätzung der Machtverhältnisse im Vertrieb 71 <?page no="72"?> anzupassen. Ihr Hauptaugenmerk richten Sie aber darauf, die Kundenbindung weiter zu erhöhen. Setzen Sie auf die Qualität der Zusammenarbeit. ▶ Verhandlungen mit Kunden im rechten oberen Quadranten sind für Sie besonders schwierig. Bei diesen ebenfalls sehr wertvollen Kunden werden Sie alles daran setzen, die Kundenbindung zu erhöhen, indem Sie Zusatzdienste anbieten oder besondere Zusa‐ gen machen. Sie müssen aber ebenfalls damit rechnen, dass der Kunde den Wettbewerb für sich spielen lässt. Hier ist es besonders wichtig, dass Sie sich gut vorbereiten und sich in der Verhandlung an Ihre Marschroute halten. Widerstehen Sie in jedem Fall der Versuchung, weiter nachzugeben, wenn Sie Ihr Limit erreicht haben! 5.3. Einschätzung des Risikos im Einkauf In Verhandlungen dreht sich die Machtfrage nicht nur um Größe oder Status des Unternehmens. Meist verfügt die Seite über die größere Macht, die es sich besser leisten kann, aus der Verhandlung auszusteigen. Die Fragen lauten: Wer hat am Ende das größere Problem, wenn es zu keiner Einigung kommt? Wer hat mehr zu verlieren? Wem würde es schwerer fallen, dieses Ergebnis, das Scheitern der Verhandlung, in seinem Umfeld zu verkaufen? Wichtige Einflussgrößen für die Bestimmung des Risikos sind etwa: ▸ Anteile des Lieferumsatzes am Einkaufsvolumen (klassische A-, B-, C- Lieferanten) ▸ Wichtigkeit des eingekauften Produkts für die eigene Wertschöpfung ▸ Anzahl der vergleichbaren Wettbewerber ▸ Technische Kompetenz des Lieferanten ▸ Andere etwaige Alleinstellungsmerkmale des Lieferanten Ein ganz wesentlicher Punkt dabei ist auch der Zeitdruck. Wenn Sie es sich leisten können, die Entscheidung zu vertagen, Ihr Verhandlungspartner aber unter Termindruck steht, haben Sie einen Vorteil. Dabei spielen neben den Unternehmensinteressen auch ganz persönliche Interessen eine Rolle. Braucht Ihr Gegenüber den Abschluss noch im laufenden Quartal, um seine persönlichen Ziele zu erreichen? Ist er in den kommenden Wochen mehr als ausreichend mit anderen Aufträgen bei anderen Kunden beschäftigt und will 72 5 Einschätzung der Ausgangsposition und des Risikos <?page no="73"?> die Entscheidung vom Tisch haben? Oder stehen Sie selbst unter Erfolgs- und Zeitdruck? Mit dem sogenannten ABC-Risiko-Portfolio verschafft sich der Einkäufer einen guten Überblick über mögliche Risiken für beide Seiten. niedrig niedrig hoch Versorgungsrisiko Umsatzanteile der Lieferanten (%) A-B-C hoch ABC-Versorgungsrisiko-Portfolio Engpasslieferanten • wenige Alternativlieferanten • Produkt nicht ohne Risiko zu beschaffen • Risiko beim Ausbleiben des Produktes • Einkaufsvolumen für beide Seiten unbedeutend Strategische Partner • führende Position am Markt (Oligopol oder Monopol) • besonderes Know-how beim Lieferanten • gut: Einkaufsvolumen wichtig • schlecht: Einkaufsvolumen unbedeutend für Lieferanten Unkritische Lieferanten • viele Lieferanten verfügbar • keine oder nur geringe Lieferantenintegration • Know-how nicht entscheidend • Einkaufsvolumen auch für Lieferanten unbedeutend Hebellieferanten • alternative Lieferanten ohne größeren Aufwand verfügbar • Produkte i. d. R ohne besondere technische Komplexität • Know-how nicht entscheidend • Einkaufsvolumen bedeutend für den Lieferanten Abb. 12: ABC-Versorgungsrisikoportfolio Eine Achse bildet das Versorgungsrisiko ab, die andere Achse den Wert des Verhandlungsgegenstandes und damit das Potenzial der Verhandlung. Daraus ergeben sich verschiedene Konstellationen und damit auch unter‐ schiedliche Vorgehensweisen in Verhandlungen. Ihr Risiko wird von verschiedenen Faktoren bestimmt: ▶ Zeitdruck ▶ Marktmacht ▶ Wettbewerb 5.3. Einschätzung des Risikos im Einkauf 73 <?page no="74"?> unkritische Lieferanten ▶ Produktkomplexität ▶ Bedeutung des Produkts für das eigene Unternehmen Am wichtigsten ist dabei die Wettbewerbssituation: Je mehr alternative Anbieter es gibt, desto geringer ist Ihr Risiko, ohne Lösung dazustehen, sollte diese Verhandlung scheitern. Das ABC-Versorgungsrisiko-Portfolio ist ursprünglich kein Verhandlungs‐ tool. Angewendet wird es insbesondere im Lieferanten-Management, aber es lassen auch sich wertvolle Ansätze für Verhandlungen daraus ableiten: Abgeleitet aus den Portfoliokonstellationen ergeben sich folgende Hand‐ lungsempfehlungen für die verschiedenen Lieferanten: Bei unkritischen Lieferanten empfehlen sich für den Einkäufer typischer‐ weise folgende Maßnahmen: ▶ Reduzierung der Bestellabwicklungskosten ▶ Effizienter und einfacher Prozess ▶ Einführung neuer Versorgungskonzepte, wie beispielsweise Kanban, E- Procurement oder Purchasing Card ▶ Klassisches C-Teile-Management ▶ Direkte Beschaffung über den internen Anforderer ▶ Verwendung von Standard und Normteilen ▶ Sammelbestellungen, große Abnahmemengen ▶ Termin-, Rechnungs- und Qualitätskontrollen vermeiden Wie verhandeln Sie mit diesen unkritischen Lieferanten? Hier geht es wieder nicht um große Potenziale, sondern schlicht um Abläufe, die mit dem Lieferanten geklärt werden. „Einfach“ und „unkompliziert“ lauten die Schlüsselwörter, denn mit C-Artikeln möchte man sich zeitlich nicht unnötig lange belasten. Lieferanten, die alles aus einer Hand liefern können, sind dabei hilfreicher, als Lieferanten, die zwar billiger anbieten, sich aber als ungeliebte Zeitfresser entpuppen, da jede Menge Kleinkram zu erledigen ist, um den man sich selbst kümmern muss. Die Wörter „Büroklammer“ oder „Unterlegscheibe“ zum Beispiel will der Einkäufer nur einmal im Jahr in den Mund nehmen, nämlich dann, wenn mit dem Lieferanten geklärt wird, wann und wie diese Teile angeliefert werden. BEISPIEL Büro Müller ist ein kleiner Dorfladen, der bereits seit drei Generationen von der Familie Müller geführt wird. Müller liefert das komplette Bü‐ 74 5 Einschätzung der Ausgangsposition und des Risikos <?page no="75"?> Hebellieferanten romaterial bis hin zu IT-Kleinkram wie USB-Sticks an ein benachbartes Unternehmen. Im Laden geht es familiär zu und jeder wird freundlich behandelt. Die örtlichen Sportvereine lassen in dem kleinen Laden seit jeher ihre Urkunden drucken und Kinder kaufen dort ihre Schulsachen. Klar, dass die Preise nicht mit den Preisen von discount24 und office discount konkurrieren können. Trotzdem bestellt das benachbarte Unternehmen sein Büromaterial bei Müller und nicht beim Discounter. Warum? Weil Müller Junior nach der Schule einmal pro Woche ins Werk kommt, alle Büromaterialschränke gewissenhaft überprüft und feststellt, was bestellt und aufgefüllt werden muss. Das Material wird auch prompt geliefert und sogar einsortiert. Dabei gibt es keinerlei Lieferzeitverzögerungen, da die erforderlichen Produkte - als Standard definiert - stets bei Müller im Lager vorrätig sind. Dadurch werden die Mitarbeiter enorm entlastet und können die gewonnene Zeit in wichtige Verhandlungen investieren. Bei Hebellieferanten empfehlen sich für den Einkäufer typischerweise fol‐ gende Ansätze: ▶ Preis- und Leistung durch Wettbewerb optimieren ▶ Bestimmend bis aggressiv auftreten ▶ Bestimmte Aufgaben (bspw. Qualitätssicherung- und Lagerhaltung) zum Lieferanten verlagern / dem Lieferanten überlassen ▶ Intensive Prüfung der Kalkulationen Für Verhandlungen heißt es in diesem Fall salopp: Es geht um die Wurst. Wenn Sie Potenziale realisieren möchten, dann sicher in diesem Feld. Hier geht es um hohe Summen, dennoch ist Ihr Risiko gering, das der Gegenseite umso größer. Wenn die Verhandlung mit einem Lieferanten scheitert, verhandeln Sie einfach mit dem nächsten. Um es mit etwas derben Worten zu sagen: Hier sitzen Ihnen die armen Schweine gegenüber, mit denen Sie getrost hart verhandeln können. Wenn nicht hier, wo dann? Sie haben die Argumente auf Ihrer Seite, können Ihre Macht ausspielen und jederzeit Druck ausüben. Überall dort, wo es um hohe Summen geht, die Lieferanten also lukrative Aufträge wittern und der Wettbewerb hoch ist, wird der Einkäufer natürlich versuchen, seine Einsparung durchzusetzen. Wenn der Preis bereits ausgereizt und dort nichts mehr zu holen ist, können Sie in puncto Prozesskosten Einsparungen vornehmen und dem Lieferanten Aufgaben wie Lagerhaltung oder bestimmte Qualitätskontrollen 5.3. Einschätzung des Risikos im Einkauf 75 <?page no="76"?> Engpasslieferanten strategi‐ sche Liefe‐ ranten übertragen oder ihm die Verantwortung für andere Aufgaben aus dem eigenen Wertschöpfungsprozess geben. Sie können Ihre Macht sogar so weit ausspielen, dass der Lieferant seine Kalkulationen offenlegen muss, wodurch sich in der Regel für den Fachmann weitere Einsparungspotenziale offenbaren. Das kann man fair und preisneutral machen, man kann den Lieferanten aber eben auch dazu zwingen, seine Gewinne zu minimieren. Bei Engpasslieferanten geht es dem Einkäufer hauptsächlich darum, das Versorgungsrisiko zu minimieren: ▶ Versorgungsengpässe und Fehlmengen vermeiden ▶ Großzügige Bestellmengen, Sicherheitsbestände (Kapitalbindung gering) ▶ Langfristige Lieferverträge, Stammlieferanten ▶ Konzentration auf sichere Lieferanten ▶ Vermeidung von kurzfristigen Lieferantenwechseln ▶ Neupositionierung zum unkritischen Lieferanten durch beispielsweise Standardisierung oder technische Entfeinerung der eingekauften Produkte Was heißt das für die Verhandlung? Wie bei den unkritischen Lieferanten geht es nicht um große Preisvorteile, sondern die Zuverlässigkeit der Lieferanten ist hier sehr wichtig. In den Verhandlungen geht es deshalb um Verträge, Abläufe und Prozesse mit dem Ziel, Lieferung und Versorgung zu sichern. Die schwierigsten Verhandlungen führen Sie hier nicht mit den externen Lieferanten, sondern intern mit den Fachabteilungen. Dabei wird über Sinn und Zweck von Engpassprodukten diskutiert. Sie kennen sicher die berühmte Spezialschraube, die eben im Fall der Fälle nun mal vorrätig sein muss. Sie kostet nicht viel, ist aber schwer zu beschaffen und das Fehlen eines solchen Zwei-Euro-Produkts kann unter Umständen die gesamte Produktion lahmlegen. Wenn Sie von der Wichtigkeit dieser Spezialschraube überzeugt sind, diskutieren Sie mit der Fachabteilung die Standardisierung dieses Produkts. Und eines versprechen wir Ihnen: Keine Fachabteilung lässt sich gerne in technische Entscheidungen hineinreden. Schnell geht es hier um Macht und Einfluss, und das wird oftmals sehr persönlich und unerbittlich ausgefochten. Aber: Technische Entscheidungen verursachen Kosten und sind damit ebenfalls Sache des Einkäufers. Wie der Name schon sagt, haben strategische Lieferanten strategische Bedeutung: 76 5 Einschätzung der Ausgangsposition und des Risikos <?page no="77"?> ▶ Aufbau langfristiger Zusammenarbeit mit Lieferanten ▶ Strategische Partnerschaften ▶ Single oder Dual Sourcing ▶ Intensive Preisanalyse, am besten gemeinsam mit dem Lieferanten ▶ Laufende aktive Beschaffungsmarktforschung auf der Suche nach Al‐ ternativen ▶ Make-or-Buy-Überlegungen In der Regel wird hier auf Augenhöhe verhandelt. Es geht um viel und der zu verhandelnde Auftrag ist für beide Parteien wichtig. Wenn man den Begriff strategische Partnerschaft wörtlich nimmt, wird in dieser Konstellation nicht ge‐ geneinander, sondern miteinander verhandelt. Die Kalkulation eines Produktes kann zum Beispiel gemeinsam auf Einsparpotenziale überprüft werden. Oft wird hier in wertanalytischen Workshops versucht, das Produkt so zu optimieren und auf den Bedarf anzupassen, dass sich die Produktion kostengünstiger gestalten lässt - durch die Reduzierung unnötig hoher Genauigkeiten und Anforderungen. Der Aufwand kann beträchtlich sein und deshalb werden Sie sich häufig auf einen oder wenige Lieferanten einlassen (Single, Dual Sourcing). Hier kommt es sicher auf die Argumentation an (siehe auch Kapitel 6), die Beziehungsebene sollte aber nicht unterschätzt werden. Wenn die Verhand‐ lungspartner (Partner ist hier wörtlich im Sinne von partnerschaftlich zu verstehen) eine Lösung finden wollen, weil sie sich beispielsweise schätzen, respektieren und mögen, werden sie alles daran setzen, diese auch zu finden. Wie Sie die Beziehungsebene gestalten, lesen Sie in Kapitel 7. Da man die Lieferanten häufig nicht zwingen kann, Zugeständnisse zu machen, ist es ratsam, durch aktive Beschaffungsmarktforschung immer wieder neue Lieferanten in neuen Märkten zu identifizieren, um einen Wettbewerb aufzubauen. Sehr schwer kann es in diesem Feld werden, wenn der Lieferant die bessere Machtposition hat. Viele Seminarteilnehmer fragen uns nach dem Trick, der Geheimwaffe, mit der man den Monopolisten knacken kann. Sie hoffen auf eine einfache Patentlösung, die es leider nicht gibt. Auch wenn es viele desillusioniert, gerade hier liegt der Hebel in der sehr guten Vorbereitung im Detail. Sollen Machtunterschiede ausgeglichen werden, versucht man das über einkäuferische Methoden wie Bündelung oder Einkaufsgemeinschaften etc. zu erreichen oder über die Beeinflussung der Wahrnehmung des Verhandlungspartners. 5.3. Einschätzung des Risikos im Einkauf 77 <?page no="78"?> WICHTIG FÜR DEN VERKÄUFER Überlegen Sie genau, wie der Einkäufer Ihr Unternehmen beurteilt. Als Hebellieferant ist es meist wenig erfolgversprechend, an eine partner‐ schaftliche Zusammenarbeit zu appellieren. Zwar wird auch der Einkäufer solche Begriffe in den Mund nehmen, aber machen Sie sich bewusst: „Wir sind Hebellieferant“ und unsere Strategie folgt dieser Tatsache. Auch während der Verhandlung sollten Sie als Verkäufer immer genau beobachten, ob Ihre Einschätzung und das Verhalten (die Verhandlungsfüh‐ rung) des Einkäufers zusammenpassen. Wenn beispielsweise ständig davon die Rede ist, dass die Wettbewerber schon im Nebenraum warten und man keine Zeit zu verschwenden hat, Ihr Verhandlungspartner Sie aber immer noch nach neuen Lösungsansätzen fragt, obwohl Sie keine Zugeständnisse machen, dann ist das Interesse anscheinend doch etwas größer … 5.4 Möglichkeiten, die Wahrnehmung des Gegenübers zu verändern Machtverhältnis und Risiko sind wichtige Faktoren, die Ihnen helfen, nicht nur Ihre, sondern auch die Ausgangsposition Ihres Gegenübers realistisch einzuschätzen. Sie sind darauf vorbereitet, welche Strategie der andere in der Verhandlung fahren wird, und können sich entsprechend vorbereiten. Heißt Ausgangsposition realistisch einschätzen sie klaglos hinnehmen? Na‐ türlich nicht. Ihre Vorbereitung umfasst auch die Möglichkeiten, mit denen sie die Wahrnehmung des Gegenübers verändern können. Schließlich wollen Sie auch bei schlechter Ausgangsposition verhandeln - und nicht von vornherein kapitulieren. Es gilt, das Beste aus der Verhandlung herauszuholen. Welche Möglichkeiten haben Sie, Augenhöhe mit Ihrem Gegenüber zu erreichen? Entweder Sie steigen selbst auf oder Sie holen den anderen, salopp formuliert, vom Sockel herunter. In der Praxis der Verhandlung wirkt in der Regel eine Kombination von beiden Methoden. Man versucht die Machtposition des anderen kleinzureden, sich die eigene, schwache Position zu keinem Moment anmerken zu lassen und im Gegenteil sich als attraktiv, ja geradezu unverzichtbar zu positionieren. 78 5 Einschätzung der Ausgangsposition und des Risikos <?page no="79"?> Macht‐ waage Ein nützliches Werkzeug, mit dem Sie sich auf diese Machtspiele vorbe‐ reiten können, ist die Machtwaage: Stellen Sie sich eine Waage mit zwei Waagschalen vor. Wenn Sie in eine dieser Waagschalen ein Gewicht legen, sinkt sie und die andere Schale wird angehoben. Genauso verhält es sich auch zwischen Verhandlungspartnern. Was den einen herunterzieht, stärkt die Position des anderen. + Verkäufer Einkäufer Macht - Risiken mögliche Schäden Ängste Hebel Alternativen Hebel Alternativen Risiken mögliche Schäden Ängste Abb. 13: Machtwaage Was aber sind diese Gewichte, die uns als Verhandler belasten oder unserem Gegenüber Macht verleihen? Es sind die Risiken, die befürchteten Konsequen‐ zen und persönlichen Ängste für den Fall, dass es zu keiner Einigung kommt. Risiken für den Verkauf Risiken für den Einkauf ▶ Auftragsverlust: Auslastung, Ge‐ winn, Umsatz ▶ Verlust einer wichtigen Kundenre‐ ferenz- ▶ Zukunfts-/ Folgegeschäft (Cross- Selling/ Up-Selling) ▶ Wettbewerb wird aktiv und ge‐ stärkt ▶ Persönliche Ziele werden verfehlt ▶ Produktionsstillstand, Engpässe ▶ Gefährdung der Versorgung eige‐ ner Kunden ▶ Zeitdruck ▶ Aufwand einer neuen Ausschrei‐ bung ▶ Qualitäts- und Zuverlässigkeits-ri‐ siken bei einem neuen Lieferanten ▶ Aufwendige Zulassung neuer Lie‐ feranten 5.4 Möglichkeiten, die Wahrnehmung des Gegenübers zu verändern 79 <?page no="80"?> ▶ Hoher Aufwand bei Aufbau neuer Kundenbeziehungen ▶ Arbeitsplatzsicherheit ▶ Gesicht wahren ▶ Ärger mit Fachabteilungen oder der Geschäftsleitung ▶ … ▶ Konflikte mit Fachabteilungen ▶ Persönliche-Mühe, Ärger, An‐ strengung ▶ … Tab. 4: Beispiele für mögliche Risiken der Geschäftspartner Wie groß das Risiko für die Verhandlungspartner tatsächlich ist, lässt sich vorab kaum feststellen. Es hängt hauptsächlich von der Wahrnehmung der Beteiligten und ihrer Risikobereitschaft ab - und genau dies können Sie zu Ihrem Vorteil nutzen. Bereiten Sie sich zunächst auf mögliche Angriffe Ihres Gegenübers vor, indem Sie Ihre eigenen Schwachstellen ehrlich, sorgfältig und umfassend ermitteln. Für jedes dieser potenziellen Druckmittel sollten Sie sich überlegen, wie Sie damit umgehen wollen, falls es in der Verhandlung darauf ankommt. Holen Sie betroffene Abteilungen oder Personen frühzeitig ins Boot. In der Verhandlung können Sie die Wahrnehmung des Verhandlungspartners dann beeinflussen: ▶ Zeigen Sie bei Angriffen keine Reaktion. Schweigen Sie einfach dazu oder wechseln das Thema. ▶ Reden Sie Risiken klein oder streiten Sie ab, dass sie überhaupt existie‐ ren: „Das lassen Sie mal meine Sorge sein.“ oder „Glauben Sie mir, wir haben das im Griff.“ ▶ Bleiben Sie ruhig und gelassen. ▶ Wechseln Sie auf die Beziehungsebene: „Wir haben doch bisher auch immer eine Lösung gefunden.“ oder „Wir wollen doch auch in Zukunft vertrauensvoll zusammenarbeiten.“ ▶ Präsentieren Sie Ihre Alternativen glaubhaft und zeigen die Vorteile dieser möglichen Lösungen auf. ▶ Andeuten, Warnen, Drohen - wo stehen wir? ▶ Wenn die Gegenseite droht, bewahren Sie einen kühlen Kopf und zeigen Sie, dass Sie einer Konfrontation nicht aus dem Weg gehen. Sollte dies nicht ausreichen, können Sie zum Gegenangriff übergehen und Ihren Verhandlungspartner von seinem hohen Ross herunterholen. Dazu 80 5 Einschätzung der Ausgangsposition und des Risikos <?page no="81"?> Bluffen müssen Sie mögliche Schwachstellen des Verhandlungspartners ermitteln und überlegen, wie diese am Verhandlungstisch als Hebel eingesetzt werden können. Binden sie auch hier betroffene Abteilungen oder Personen ein und schmieden Sie Allianzen. ▶ Machen Sie deutlich, dass Sie bereit sind, es darauf ankommen zu lassen, falls nötig. Zeigen Sie Stärke und Entschlossenheit! ▶ Erarbeiten Sie ein alternatives Szenario, und schmücken Sie es aus, sodass Sie es als besonders attraktiv vermitteln können. ▶ Überlegen Sie, wie weit Sie bei der Nutzung des jeweiligen Hebels gehen wollen: Erwähnung, Warnung, Drohung. Nachgeben können Sie immer noch! ▶ Gleichzeitig sollten Sie den Nutzen einer Einigung für beide Seiten hervorheben, denn Ihr Ziel ist es ja, auf der Sachebene eine Lösung zu finden. Indem Sie mögliche Alternativen aufzeigen, machen Sie Ihrem Gegenüber klar, dass Sie ein Entgegenkommen erwarten, wenn die Zusammenarbeit fortgesetzt werden soll. So können Sie die Wahrnehmung des Verhandlungspartners beeinflussen, ihn verunsichern und seine vermeintlich starke Verhandlungsposition in Frage stellen. Die Machtwaage neigt sich zu Ihren Gunsten! Dies ist der Moment, da in Verhandlungen geblufft wird und den Bluff gewinnt der, der die besseren Nerven hat. Wie blufft man? Präsentieren Sie dem vermeintlichen Monopolisten einen Wettbewerber oder eine technische Alternative. Versuchen Sie als Einkäufer den strategischen Lieferanten so zu positionieren, dass der sich als Hebellieferant wahrnimmt. Und umgekehrt gilt für den Verkäufer: Zeigen Sie stählerne Nerven und versuchen sich aus der Hebellieferantenecke zu be‐ freien und stattdessen zum strategischen Partner aufzusteigen. Oder nutzen Sie Informationen über die Entwicklung der Branche Ihres Kunden, um das zukünftige Potenzial kleinzureden oder das Risiko einer Verknappung Ihres Produktes an die Wand zu malen. Bluffen Sie weiter, indem Sie „klagen“! Die schlechte Margenqualität stellt für Sie ein echtes Problem dar im internen Kampf um Ressourcen (Konstruktion, Projektmanagement etc.). Bluffen ist eine Kunst, keine Frage. Es gilt, das richtige Maß zu finden - nicht zu dick aufzutragen und nicht zu übertrieben zu jammern. Ein Bluff wirkt nur, wenn er glaubwürdig ist und nicht auf der großen Bühne gespielt wird. Wir fassen zusammen: 5.4 Möglichkeiten, die Wahrnehmung des Gegenübers zu verändern 81 <?page no="82"?> Zeitdruck Marktmacht Wettbe‐ werb Produkt‐ komplexi‐ tät Produkt Auftrag ▶ Bevor Sie sich auf eine Verhandlungsstrategie festlegen - wenn möglich unter Einbeziehung aller Beteiligten -, machen Sie sich Ihre Situation noch einmal klar: ▷ Wie wichtig ist die Zielerreichung für uns? ▷ Wie schätzen wir die Machtverhältnisse ein? ▷ Welche Bedeutung hat der Verhandlungspartner für uns? ▷ Welche Rolle soll er langfristig bei uns spielen? ▷ Welche Bedeutung haben wir für den Verhandlungspartner (Status als Kunde / Lieferant)? ▷ Was macht uns bzw. den Verhandlungspartner stark / mächtig? ▷ Wie kann die Wahrnehmung beim Verhandlungspartner verän‐ dert werden? ▷ Wie wichtig ist die langfristige Beziehung? ▷ Welches Risiko besteht für uns, wenn wir zu keiner Lösung in der bevorstehenden Verhandlung kommen? Das Risiko determiniert sich über: ▶ Zeitdruck: Haben Sie Zeit? (Abhängig von internen Vorlaufzeiten, Lie‐ ferzeiten / Wiederbeschaffungszeiten, Abhängigkeit von knappen Res‐ sourcen etc.) ▶ Marktmacht: Wie viel Macht hat der Kunde / Lieferant verglichen mit mir? (Größe, Marktstellung, Bedeutung des Auftrages, Bestellvolumen etc.) ▶ Wettbewerb: Gibt es mögliche Alternativen? (Anzahl der Wettbewerber, Intensität des Wettbewerbs etc.) ▶ Produktkomplexität: Verstehen wir die Anforderungen des Kunden? Wie einfach ist ein Lieferantenwechsel? (Zulassungskriterien, Lern‐ kurve etc.) ▶ Bedeutung des Produkts für den Kunden: Welche Auswirkungen hat der Ausfall des Produktes? ▶ Bedeutung des Auftrags für den Lieferanten: Wie ist die Auftrags‐ lage / Auslastung? Wie strahlt der Auftrag auf das zukünftige Geschäft aus? Nutzen Sie folgende Werkzeuge zur Bestimmung der strategischen Position: ▶ Marktmachtportfolio ▶ ABC-Versorgungsrisiko-Portfolio ▶ Kundenwertportfolio ▶ Machtwaage 82 5 Einschätzung der Ausgangsposition und des Risikos <?page no="83"?> TIPP FÜR EIN- UND VERKÄUFER Ihr Ziel ist klar: Positionieren Sie sich mindestens auf Augenhöhe Ihres Gegenübers. Ihr Verhandlungspartner weiß schließlich nicht bis ins letzte Detail, wie sich Ihr Geschäft entwickelt oder welchem Druck Sie ausgesetzt sind. Theoretisch ist alles möglich. Nutzen Sie das zu Ihren Gunsten! 5.4 Möglichkeiten, die Wahrnehmung des Gegenübers zu verändern 83 <?page no="85"?> Ein guter Verkäufer spricht die Sprache seines Kun‐ den. 6 Rhetorik - Das Argumentespiel SUMMARY Wer den Verhandlungspartner zu nichts zwingen kann, muss eine andere Route wählen, um die eigenen Ziele zu erreichen. In diesem Kapitel geht es darum, den anderen zu überzeugen - auch und vor allem dann, wenn man nicht automatisch die besseren Argumente hat. Wer am Berg überholen möchte, braucht mehr als gutes Schuhwerk. Er muss den nächsten Schritt seines Konkurrenten vorausahnen - und am besten schon vorher darauf reagieren. Wie wird der andere argumentieren? Wie kann ich ihn trotzdem links überholen? In diesem Kapitel erfahren Sie, wie das geht! 6.1 Motive (Kauf-, Verkaufsmotive) des Gegenübers erkennen Das Vorurteil ist bekannt: Verkäufer hören schlecht zu, sind zu wenig am Geschäft des Kunden und an seinen Problemen interessiert und kennen ihr eigenes Produkt im Grunde genommen auch nicht wirklich gut. Zumindest können sie auf die Schnelle nicht sagen, welche Vorteile es im Vergleich zum Wettbewerb mitbringt. Verkäufer, sind wir ehrlich, hören sich gerne beim Reden zu. Wie überrascht ist man dann, wenn man einem wirklich professionellen Verkäufer begegnet. Der sieht nämlich nicht in den Spiegel, sondern auf die Probleme seines Kunden - und er sieht sie so genau, dass er dessen Pro‐ blembewusstsein dafür noch verstärken kann. Und der Kunde glaubt ihm, denn der fähige Verkäufer spricht schlicht und ergreifend seine Sprache. Was sind die wichtigsten Kaufmotive? Was wird von den Kunden wahr‐ genommen und ist im Moment der Kaufentscheidung relevant? Ist „höher, schneller, weiter“ ein solches Kaufmotiv? Wenn es nach der weitverbreiteten Meinung vieler geht, ist dieses „Ganz vorne“-Sein eines Produkts ein echtes Kaufmotiv. Verkäufer konzentrieren sich oft auf wenige Kennzahlen und Messgrößen, die für den (Verkaufs-)Erfolg entscheidend <?page no="86"?> Value Selling sein sollen und gehen davon aus, dass B2B-Kunden ihre Entscheidungen schon rational treffen (jedenfalls rationaler als der Konsument). Was aber, wenn „schneller“ keine Rolle spielt und auch andere „schnell genug“ sind? Mal abgesehen davon, dass die Differenzierung über Produktmerkmale heutzutage immer schwieriger fällt, weil der Wettbewerber ein ähnliches, ja fast identisches Produkt im Sortiment führt - interessiert sich der Kunde tatsächlich allein für genau diese Messgröße, diese Parameter? In letzter Zeit hörte man häufig den Abgesang auf den Kundennutzen („Value Selling ist out“). Der Kunde habe sich heute bereits im Vorfeld einer Anfrage bestens informiert und könne den Produktnutzen ohne Zutun des Verkäufers selbst einschätzen. Der Mehrwert des Verkäufers bestehe darin, den Kunden bei seiner Entscheidungsfindung zu unterstützen und ihm die Sicherheit zu vermitteln, dass er die „richtige“ Entscheidung trifft. Und zum Teil stimmt das auch. Der professionelle Einkäufer von heute ist technisch versiert, weiß, was er will und braucht, hat Produkt und Lieferant intern abgeklärt und möchte bitte schön keine umständlichen und langatmigen Produktbelehrungen - und anbiedernde Verkaufsgespräche schon gar nicht. Vor allem möchte er nicht, dass der Verkäufer ihm seine Zeit stiehlt. Aber - nicht jeder Einkäufer ist so. Und: In vielen Unternehmen wird im Einkauf so schnell rotiert, dass die Einkäufer sich kaum in neue Aufgabengebiete einarbeiten können. Nicht nur in vielen kleinen und mittelständischen Fir‐ men, sondern auch in zahlreichen Konzernen wird in Sachen Einkauf nicht so professionell gearbeitet, wie man arbeiten könnte. Die Zeiten, da ein Ver‐ käufer das Value Selling zu den Akten legen sollte, sind also längst nicht vorbei. Ein Verkäufer muss das Verkaufsgespräch in vielen Richtungen be‐ herrschen, denn er muss dem Einkäufer das verkaufen, was er haben will. Braucht er Zuverlässigkeit und Qualität, muss er Zuverlässigkeit und Qua‐ lität verkaufen, will er vom Produktnutzen überzeugt werden, muss er ihn auch von diesem Produktnutzen überzeugen. Und um herauszufinden, welchen Nutzen er dem Kunden verkaufen soll, muss er den Einzelfall und die Bedürfnisse des Kunden erkennen. Wer genau zuhört und echtes Interesse an den Anforderungen des Gegenübers erken‐ nen lässt, fördert das gegenseitige Vertrauen in den Verhandlungspartner. Das ist vor allem wichtig, wenn es gilt, in schwierigen Situationen Lösungen zu finden. Und so kann der Verkäufer selbst zum „Alleinstellungsmerkmal“ werden. Das Value Selling ist also nach wie vor wichtig und aktuell. Im ersten Schritt geht es also darum, die vielfältigen Kaufmotive Ihres Gegenspielers zu erkennen, um bedarfsgerecht beraten zu können. Fast 86 6 Rhetorik - Das Argumentespiel <?page no="87"?> Einkauf Technik immer wird dabei eines oder mehrere der folgenden Motive eine Rolle spielen: ▶ Gewinnstreben und Kostenorientierung (z. B. Steigerung von Umsatz oder Gewinn, Einsparung, Erhöhung der Produktivität) ▶ Bequemlichkeit (z. B. Arbeitserleichterung, Vereinfachung, Komfort, Wartungsfreiheit, Service, persönliche Bequemlichkeit) ▶ Sicherheitsstreben (z. B. Risiko minimieren [persönlich, sachlich], Lang‐ lebigkeit, Ausfallrisiko reduzieren, Zuverlässigkeit, Glaubwürdigkeit, Qualität, Referenzen, keine Fehler machen) ▶ Beziehung (langjährige Zusammenarbeit, Qualität der Kundenbetreu‐ ung, Effizienz in der Angebots- und Auftragsbearbeitung, Flexibilität usw.) ▶ Prestigedenken (z. B. Erfolg, soziale Anerkennung, Einfluss, Macht, Status, Karriere) ▶ Freude und Wohlbefinden (z. B. Spaß, Vergnügen, Beziehung, Harmo‐ nie) Nutzen Sie zur Vorbereitung Ihrer Argumente die Informationen, die Sie über Ihre Verhandlungspartner gesammelt haben, und bedenken Sie, dass jeder der Teilnehmer andere Interessen verfolgt, andere Nutzenerwartungen hat, da sein Erfolg an anderen Kriterien festgemacht wird: So ist es meist im Interesse des Einkaufs, Bestellvorgänge zu vereinfachen und den Verwaltungsaufwand zu minimieren. Der Einkäufer möchte daher die Zahl der Lieferanten gering halten oder reduzieren, Einkaufsmengen bündeln und die Anzahl der Bestellungen minimieren. Außerdem legt er Wert auf eine zuverlässige, termingerechte Auftragsabwicklung, flexible und schnelle Lieferungen und natürlich das beste Preis-Leistungs-Verhält‐ nis. Die meisten Einkäufer müssen eine Einsparungsliste führen. Darin müs‐ sen sie den Erfolg ihrer Arbeit festhalten und zeigen, dass die gesetzten Ziele erreicht worden sind. Es würde den Verkäufer natürlich brennend interes‐ sieren, an welchen Zielen der Erfolg des Einkäufers gemessen wird. Ist es Einsparung, Liefertermintreue, sind es Reklamationsquoten oder andere Einkaufskennzahlen? So oder so: Beim Einkauf steht der Aufwand in Zahlen im Vordergrund. Denken Sie auch an die Abteilung Technik, die unter Umständen ganz andere Ziele verfolgt. Die Anforderungen sind, je nach Verhandlungsge‐ genstand und Branche des Kunden, sehr unterschiedlich. Erwartet wird, dass die Technik zuverlässig ist und das Produkt sicher funktioniert. Die Technik 6.1 Motive (Kauf-, Verkaufsmotive) des Gegenübers erkennen 87 <?page no="88"?> Geschäfts‐ leitung Orientie‐ rung an Mengen Umsatz Gewinnori‐ entierung legt Wert auf einen reibungslosen Ablauf der eigenen Produktion als Grund‐ lage für eine kostenoptimierte Fertigung. Fragen der einfachen Bedienung und Wartung oder die Qualität der Verarbeitung können eine Rolle spielen. Aber natürlich auch innovative technische Lösungen oder mindestens der neueste „Stand der Technik“. In vielen Fällen spielt die Kompatibilität mit anderen Komponenten eine wichtige Rolle wie auch geringe Durchlaufzei‐ ten, einfache Produktionsprozesse oder bereits bestehende Abläufe. Oder es geht um Vereinfachung, Verkleinerung oder Gewichtsersparnis - jedenfalls geht es immer um handfeste technische Vorteile des Produkts. Die Geschäftsleitung hat naturgemäß eher das große Ganze im Blick. Entscheidend sind die Auswirkungen auf Gewinn, Kosten, Umsatz, Image, Betriebsklima und die eigene Organisation oder strategische Aspekte wie das Erzielen von Wettbewerbsvorteilen oder die Verminderung von Risiken. Gehen wir auf die andere Seite des Verhandlungstisches, zum Team, das über die Nordwand kommt: Verkäufer sind auch nur Menschen, und natürlich sind Bequemlichkeit, Sicherheit, eine hohe Kundenzufriedenheit, Prestige sowie Freude und Wohlbefinden wichtige Treiber. Aber was ist für sie der Gipfel des Erfolgs (an dem sich ja meistens auch der variable Gehaltsanteil bemisst)? Im Kern kann man drei verschiedene Motive unter‐ scheiden: Da ist zum einen die Orientierung an Mengen. Dieser Verkäufer will möglichst viel verkaufen. Eine höhere Absatzmenge ist in der Regel gut für die Auslastung und erhöht meist auch den Umsatz und die Marktanteile. Er generiert Menge über den Preis - mit oftmals entsprechend aggressiven Tiefpreisen - und wird diesen Preis nicht zu hart verhandeln, da der Auftrag sonst verloren gehen kann. Ein weiteres wichtiges Motiv des Verkäufers ist der Umsatz. In diesem Fall möchte er ein Umsatzmaximum erreichen - auch dies möglicherweise unter dem Einsatz von niedrigeren Preisen und einer Verhandlungstaktik, die nicht zu hart ist. Das dritte Verkäufermotiv in der Runde ist die Gewinnorientierung. Ein Verkäufer, der diesen Aufstieg nimmt, wird nicht um jeden Preis verkaufen und nimmt dafür auch den Verlust von Marktanteilen in Kauf, ja erwartet ihn sogar. Ihm ist es wichtig, einen möglichst profitablen Mix aus Marge und Menge zu erreichen, und das geht nur mit weniger aggressiven Preisen. Für den Einkäufer ist dieses Motiv sicherlich dasjenige, das ihn am meisten for‐ dert, da der Verkäufer die Tür relativ schnell zuschlägt und ein für beide 88 6 Rhetorik - Das Argumentespiel <?page no="89"?> Nutzen plausibel erklären Seiten gutes Preis-Leistungs-Verhältnis ausgehandelt werden muss (winwin). 6.2 Schlagkräftige Argumente entwickeln Ein Argument ist nicht dann gut, wenn es Ihnen selbst wie ein klares, helles Licht erscheint, das den richtigen Weg leuchtet. Es ist gut, wenn Ihr Gegenüber dieses Licht ebenso sieht und ihm folgt. Ein schlagkräftiges Argument spricht in der Sprache meines Gegenübers und passt seine Erläuterungen dem Kenntnisstand meines Gegenübers an. Ob Ein- oder Verkäufer: Man kann seine Position umso besser vermitteln, je mehr man sich auf den Ton und die Diktion seines Gegenübers einlässt. Argumente, die das Budget betreffen oder Vorgaben der Geschäftsleitung oder die vielen anderen Positionen mehr, die zu berücksichtigen sind: Wer sie nach Maßgabe seines Gegenübers formuliert, zum Beispiel eher techniklastig oder eher kaufmännisch, je nachdem eben, mit wem man argumentiert, steigert die Chancen, verstanden zu werden und zu einer guten Lösung zu kommen. Die Sprache, die ich spreche, wirkt aber nicht nur beim anderen, sondern erlaubt auch Rückschlüsse darauf, wie ich selbst ticke. Ein Einkäufer, den Leistungsindikatoren bzw. das Kosten-Nutzen-Verhältnis nicht interessie‐ ren, sondern nur der Preis und damit eventuelle Einsparungen, sollte nicht allzu viel Interesse an Leistung und Nutzen zeigen, ansonsten wird der Ver‐ käufer logischerweise nicht sonderlich flexibel beim Preis sein. Vorsicht heißt es wiederum beim Verkäufer vor zu vielen technischen Details. Sie sind für den Kunden oft schwer zu verstehen. Viele Entscheider setzen sich nicht oder zumindest ungern intensiv mit Produktmerkmalen auseinander. Was zählt, ist das Ergebnis bzw. der Mehrwert, der sich aus der technischen Funktion für sie ergibt. Für Kunden zählen Leistungsindikatoren wie Aus‐ bringung oder Einsparungen an Betriebsstoffen, Reduzierung des Bedien‐ personals etc. und nicht die Produktspezifikation per se. Technische Details, Produktmerkmale und -vorteile sollten daher immer nur dazu dienen, den Nutzen, den der Kunde erwartet, plausibel zu erklären. Sie sprechen also in der Sprache Ihres Gegenübers. Sie geben acht, dass sich Aussage und Ziele nicht widersprechen. Bleibt der Inhalt: Wie lauten Ihre schlagkräftigen Argumente? 6.2 Schlagkräftige Argumente entwickeln 89 <?page no="90"?> Das Werteversprechen Als Verkäufer ist es Ihre Aufgabe, den Kunden davon zu überzeugen, dass er bei Ihnen kauft und nicht beim Wettbewerb. Mit Ihren Argumenten versprechen Sie dem Kunden einen Mehrwert, und dieses Werteversprechen (engl. „value proposition“) ist für den Kunden im wahrsten Sinn des Wortes wertvoll und ein ausschlaggebender Grund, warum Sie das Produkt oder die Dienstleistung verkaufen. Es gibt verschiedene Arten von Wertversprechen, aus denen sich jeweils unterschiedliche Argumente ergeben: 1. „Wir bieten den niedrigsten Preis.“ Nun, dieser Vorteil ist einfach zu verwirklichen, denn Sie sind nun mal der billigste Anbieter. Punkt. Der Nachteil dieses Werteversprechens liegt auf der Hand: Sie befinden sich ein für alle Mal im Preiskrieg. Das ist in Ordnung, wenn Sie die Kostenführerschaft haben und davon ausgehen, dass das auch in Zukunft so bleibt. Und der Einkäufer? Selbst wenn das für ihn das ausschlaggebende Ar‐ gument ist, wird er insgeheim aber vielleicht trotzdem versuchen, den maximalen Nachlass zu verhandeln. Der Verkäufer weiß aber, dass er der billigste Anbieter ist, und es gibt keinen Grund, noch weiter nachzugeben. 2. „Unser Produkt ist einmalig.“ Solange Ihr Wettbewerbsvorteil Bestand hat, müssen Sie keine eindimensio‐ nale Preisdiskussion führen. Aber der Wettbewerb schläft nicht. Die meisten sog. USP sind nicht von Dauer und auch Patente laufen bekanntlich irgend‐ wann mal aus. Zudem wird Ihr Kunde immer wieder überlegen, ob er nicht doch Kompromisse eingehen kann, um Geld zu sparen. Die Herausforderung besteht darin, dem Wettbewerb immer einen Schritt voraus zu sein, also nicht nur aktueller Technologieführer, sondern Innovationsführer zu sein. Und der Einkäufer? Der wird bei diesem Werteversprechen versuchen, Wettbewerb zu generieren, der das alles auch kann. Sei es realer Wettbewerb, der durch Recherche, Marktforschung oder durch technische Änderungen entsteht (mit einigen Änderungen in den Anforderungen können das Pro‐ dukt plötzlich auch andere). Natürlich kann er den Wettbewerb auch vorgau‐ keln und bluffen. Doch Vorsicht: Das erfordert Nerven aus Stahlseilen, denn beim Bluffen hängen Sie ohne Absicherung über dem Abgrund. Das kann gut 90 6 Rhetorik - Das Argumentespiel <?page no="91"?> gehen, wenn Sie darin erprobt sind und nicht zu viel auf einmal wollen. Man kann aber auch abstürzen, zumal dann, wenn man seine schauspielerischen Fähigkeiten falsch einschätzt. Dann genügt schon ein kleiner Windstoß. 3. „Wir machen Ihnen das Leben leichter.“ Ein schönes Werteversprechen. Und wenn der Kunde das auch so sieht, hört er vielleicht irgendwann auf, über Alternativen nachzudenken. Er bestellt einfach oder der Vertrag verlängert sich automatisch - und Sie können dieses Buch hier getrost zur Seite legen. Dennoch besteht die Gefahr, dass Ihre Leistung austauschbar wird. Das Risiko, zur „Commodity“ zu werden, hängt davon ab, wie spezifisch bzw. kritisch das für Ihre Leistungserbringung bei diesem Kunden erforderliche Know-how ist. Einen Kurierdienst zu ersetzen dürfte den meisten Kunden leichterfallen als den Dienstleister, der die komplette IT-Infrastruktur des Unternehmens wartet und betreibt. Und sehen Sie sich Ihr Gegenüber genau an und argumentieren in seinem Sinn, denn Einkauf und Fachabteilung empfinden oftmals bei ganz unterschiedlichen Dingen „Erleichterung“. Der Einkauf möchte in der Regel keinen großen administrativen Aufwand haben, der Techniker keine technischen Probleme. Argumentieren Sie entsprechend! Und der Einkäufer? Darf ehrlich sein! Sagen Sie, was Ihnen das Leben einfacher macht (wenn auch dies Ihr Verhandlungsziel ist). 4. „Wir übernehmen Verantwortung für den Erfolg des Kunden.“ Je fortgeschrittener Ihre Integration in die (operativen) Prozesse beim Kunden, desto schwerer wird es für ihn, Sie zu ersetzen. Diese Abhängigkeit kann echte Partnerschaft und Loyalität bedeuten. Aber Sie dürfen Ihren Kunden dennoch nicht enttäuschen. Er erwartet von Ihnen (mit Recht), dass Sie sein Geschäft, seine Anforderungen verstehen und aktiv daran mitarbeiten, besser zu werden. An echter Partnerschaft - sowohl technisch als auch kaufmännisch - hat der vernünftige Einkäufer sicher nichts auszusetzen. Je weiter der Einkäufer einen Lieferanten aber in den eigenen Prozess integriert, desto größer wird die Barriere, ohne großen Aufwand zu einem anderen Lieferanten zu wechseln. Plötzlich gibt es Zulassungen, Freigaben und Spezifikationen, die alle auf den einen Lieferanten zugeschnitten sind. Sie schaffen sich einen sogenannten „hausgemachten“ Monopolisten. Oft hat der Einkäufer auf diese Situation keinen Einfluss, da die Weichen dafür bereits in den 6.2 Schlagkräftige Argumente entwickeln 91 <?page no="92"?> Fachabteilungen gestellt werden. Hier lässt man sich, aus fachlicher Sicht durchaus nachvollziehbar, bereits früh auf einen Lieferanten ein, da es keinen Sinn macht und sogar kontraproduktiv ist, mit mehreren Lieferanten parallel zu arbeiten. Das bekommt besondere Bedeutung bei Produkten oder Dienstleistungen, die gemeinsam mit dem Know-how-Träger-Lieferant erarbeitet und entwickelt werden. Lieferanten wissen natürlich auch um dieses strukturelle Phänomen. Schlecht für den Einkäufer, wenn der Lieferant diese Situation gezielt herbeiführt (das sogenannte Back-Door-Selling) und sie dann zusätzlich sogar noch ausnutzt. Da hilft dann aber trotzdem kein nachträgliches Jammern über die Macht des Lieferanten, bei dem „man nichts machen kann“. In diese Situation haben Sie sich selber manövriert und müssen schon selbst einen Ausweg finden. Sind Sie wirklich der Meinung, dass „man nichts machen kann“? Bevor Sie sich nur noch die Preislisten schicken lassen und überhaupt nicht mehr verhandeln, nehmen Sie die Herausforderung an, denn an diesem Punkt wird es für den guten Einkäufer erst richtig spannend. Dabei kann die „Machtwaage“ (Kapitel 5.4) wertvolle Impulse geben. Machen Sie sich eines klar: Es gibt immer eine Alternative, auch zum Monopolisten. Die Frage ist, wie viel Aufwand Sie treiben wollen und können, um sich aus dieser Situation wieder herauszuarbeiten? Mit dem entsprechenden Aufwand in den Bereichen Marktforschung, technische Änderungen und Änderungen des Prozesses werden auf einmal auch wieder andere Lieferanten interessant. Treiben Sie diesen Aufwand oder legen Sie dem Lieferanten zumindest überzeugend dar, dass Sie bereit sind, seine Stellung infrage zu stellen, und Sie werden sehen, dass Sie plötzlich wieder bessere Karten haben. Erschüttern Sie seinen Glauben an seine Monopolstellung. Schaffen Sie wieder Wettbewerb, realen oder imaginären (Bluff), wenn der Lieferant sich nicht als Partner zeigt. Auch wenn es länger dauert. Aber auch ein Monopolist muss langfristig denken und Umsatz machen. Auch wenn Sie in einer konkreten Verhandlungssituation mal nachgeben „müssen“, machen Sie dem Lieferanten klar, dass Ihnen das nicht wieder passieren wird. Dabei dürfen Sie dem Lieferanten auch mal mit dem Verlassen der langfristigen Partnerschaft drohen. Ihrem Kunden einen Nutzen, also einen Mehrwert, zu versprechen, ist auf jeden Fall eine Grundlage für gute Argumente. Wirklich überzeugend sind diese Argumente aber nur, wenn Ihre Wettbewerber nicht das Gleiche können, Sie sich also mit Ihrem Angebot von Ihrem Wettbewerb abheben. 92 6 Rhetorik - Das Argumentespiel <?page no="93"?> Wer fragt, der agiert! Leistungsdifferenzierung Zwar sind Kaufmotive und Entscheidungskriterien so unterschiedlich wie die Personen, die Kaufentscheidungen zu treffen haben, und so vielfältig wie die Produkte, die ihnen angeboten werden. In unseren Beratungsprojekten zeigt sich jedoch immer wieder, dass sich die wesentlichen leistungsbezo‐ genen Kriterien branchenübergreifend unter den folgenden Überbegriffen zusammenfassen lassen: ▶ Qualität (z. B. Produktsicherheit, Lebensdauer …) ▶ Effizienz (z. B. Verfügbarkeit, Einsparpotenzial …) ▶ Flexibilität ▶ Möglichkeit, zusätzlichen Nutzen für den Kunden des Kunden zu gene‐ rieren Worauf legt der Mensch, der Ihnen am Verhandlungstisch gegenübersitzt, besonders Wert? Fragen Sie ihn doch einfach! CHECKLISTE Fragen zur Bedarfsermittlung im Kundengespräch bzw. in der Verhandlung □ Worauf legen Sie besonderen Wert? Aus welchen Gründen? □ Was ist für Sie bei der Auswahl eines Lieferanten von entscheidender Bedeutung? - Und was noch? □ Welche Anforderungen stellen Sie an …? □ Wie zufrieden sind Sie mit …? □ Welche Erfahrungen haben Sie mit … gemacht? □ Welche Ziele verfolgen Sie mit …? □ Welche Vorstellungen / Erwartungen haben Sie? □ Wofür interessieren Sie sich besonders? □ Was müssten wir Ihnen bieten, damit …? □ Welche Bedeutung hat für Sie …? □ Wie wichtig ist Ihnen …? □ Wäre das für Sie interessant? Als Einkäufer sollten Sie sich in dieser Fragerunde vor allem über eins im Klaren sein: Wer fragt, der agiert, wer antwortet, reagiert. Lassen Sie sich die Verhandlungsführung nicht zu einfach aus der Hand nehmen! Überlegen 6.2 Schlagkräftige Argumente entwickeln 93 <?page no="94"?> Sie genau, welche Informationen Sie Ihrem Gegenüber preisgeben. Sie dür‐ fen Fragen auch gerne zurückweisen oder mit der berühmten Gegenfrage beantworten: ▶ Warum fragen Sie das? ▶ Was ist der Hintergrund Ihrer Frage? ▶ Was genau möchten Sie wissen? Auf diese Weise sind Sie schnell wieder einen entscheidenden Höhenmeter weiter und führen die Tour, anstatt nur teilzunehmen. Gegenfragen sind auch eine gute Möglichkeit, herauszufinden, warum der andere etwas fragt. Und je unerfahrener Ihr Gegenüber ist, desto leichter wird er Ihnen (unfreiwillig) Einblick in seine Route geben. Klar, Gegenfragen haben einen schlechten Ruf und wirken immer fast ein bisschen schnippisch: Aber Sie sind der Kunde, Sie dürfen das! Sie haben nun hoffentlich viele Argumente gesammelt. Welche aber sind die schlagkräftigsten, Ihre „Trümpfe“, wann sollten Sie sie ausspielen und welche können Sie den Argumenten Ihres Gegenübers in der Verhandlung entgegensetzen? Wenn Sie jeden Aspekt bewerten nach a. der Bedeutung für den (jeden einzelnen! ) Kunden und b. Ihrer relativen Wettbewerbsstärke, wenn möglich aus der Sicht des Kunden, dann erhalten Sie eine (kundenbezogene) Wettbewerbsvorteils‐ matrix. TIPP VERKÄUFER Wenn Sie überhaupt nicht einschätzen können, wie der Kunde Ihr Unter‐ nehmen im Wettbewerbsvergleich beurteilt, können Sie ihn im Vorfeld der Verhandlung fragen - regelmäßig durchgeführte Kundenbefragun‐ gen bieten dafür eine gute Gelegenheit. Sorgen Sie dafür, dass diese Befragungen nicht allein vom Marketing betrieben werden, sondern bringen Sie Ihren Informationsbedarf, Ihre Fragen zum Beispiel zu der Bedeutung bestimmter Kriterien und der Position Ihres Unternehmens im Wettbewerbsvergleich ein. 94 6 Rhetorik - Das Argumentespiel <?page no="95"?> Probleme und Risiken nicht erst Bedeutung für den Kunden Leistung (relativ zum Wettbewerb) unwichtig viel schlechter sehr wichtig viel besser Wettbewerbsnachteile Wettbewerbsvorteile Übererfüllung Konsistenz Preis (TCO) Lieferzeit Kundenservice technisches Know-how technische Beratung Produktqualität Produktleistung Abb. 14: Beispiel einer Wettbewerbsvorteilsmatrix Konzentrieren Sie sich zunächst auf die Argumente mit der größten Durchschlagskraft, das sind die im rechten oberen Quadranten der Wettbe‐ werbsvorteilsmatrix. Hier müssen Sie den Wert für den Kunden besonders hervorheben. Unterlegen Sie diese Argumente mit den Fakten und Beweisen, die Ihre Argumente bezogen auf die Situation bei diesem Kunden am besten untermauern. Aber auch für den Kunden augenscheinlich weniger wichtige Aspekte können gute Argumente darstellen, wenn hier Ihre Stärken liegen (rechts unten). Betonen Sie die Risiken für den Kunden, die die Schwächen der Wettbewerber mit sich bringen (ohne diese dabei schlecht zu machen - das fällt nämlich auf Sie zurück). Versuchen Sie den Nutzen messbar zu machen. Versuchen Sie Trends aufzuzeigen, die in Zukunft für einen hohen Nutzen sorgen werden. Besonders wichtig ist auch, dass Sie Probleme und Risiken im Voraus er‐ kennen. Dort, wo Sie die Kundenanforderungen nicht erfüllen (links oben), müssen Sie Gegenargumente vorbereiten: 6.2 Schlagkräftige Argumente entwickeln 95 <?page no="96"?> am Ver‐ handlungs‐ tisch erken‐ nen. Kalkulation Partner‐ schaft Qualität ▶ Sind die Wettbewerber überhaupt besser? Beschreiben Sie ein mögliches Problem als typisch für alle Anbieter. ▶ Welche Themen basieren auf Anekdoten? Bereiten Sie Fakten vor, um Anekdoten zu kontern. ▶ Sind die Probleme evtl. kundenspezifisch (hausgemacht) oder gelten sie allgemein? Recherchieren Sie Gegenbeispiele. ▶ Und versuchen Sie Negatives in Positives umzudeuten: 5 % Lieferverzö‐ gerungen bedeuten auf der anderen Seite-95 % pünktliche Lieferungen! Keine Frage, die Basis für eine starke Story und für hervorragende Argu‐ mente sind Alleinstellungsmerkmale. Wenn ich dem Kunden etwas bieten kann, das er braucht (Kundenbedürfnis) und das der Wettbewerb nicht anbieten kann (Differenzierung), sind die Argumente von Natur aus auf meiner Seite und der Aufstieg ist ein Spaziergang. Doch wir leben in der realen Welt und Alleinstellungsmerkmale wachsen keineswegs wie Enzian am Wegesrand. Was also, wenn mein Produkt austauschbar ist (Commodity) bzw. das, was es eventuell einzigartig macht, für den Kunden keine Rolle zu spielen scheint? In Verhandlungen geht es nicht nur um Alleinstellungsmerkmale und Kundennutzen. Einkäufer wie Verkäufer nutzen unterschiedliche Argu‐ mente, die Ihre Ziele, Ihren Standpunkt, Ihre Forderungen untermauern, begründen und unterstützen. Sie müssen dabei nachvollziehbar und schlüs‐ sig und möglichst nicht widerlegbar sein. Das heißt nicht unbedingt, dass sie auch wahr sein müssen. Ein guter Bluff kann durchaus Wirkung zeigen! Also, welche Argumente hat der Verkäufer, wenn das Alleinstellungs‐ merkmal als Steigeisen gerade nicht zur Verfügung steht? Kalkulation: Können und wollen Sie anhand der Kostenstruktur / -entwick‐ lung darlegen, dass Ihr Angebot fair oder gar günstig ist? (Rohstoffpreise, Löhne, Energie, Logistik) Partnerschaft: Wuchern Sie mit dem Pfund einer guten Geschäftsbeziehung, dem bestehenden Vertrauen. Qualität: Nutzen Sie die bekannte Qualität Ihrer Produkte, Ihre Lieferper‐ formance usw. zu Ihren Gunsten. Heben Sie Ihre (technische) Kompetenz hervor, Ihre Flexibilität, die Qualität Ihrer Beratung etc. Verweisen Sie auf namhafte Kunden, Ihre langjährige Erfahrung, nennen Sie Referenzen. 96 6 Rhetorik - Das Argumentespiel <?page no="97"?> Sicherheit Wettbe‐ werb Kalkulation KVP / Lern‐ kurve Die eige‐ nen Kunden Sicherheit: Führen Sie aus, dass sich Ihr Kunde auf Sie verlassen kann, nicht nur auf Ihre Unterstützung (Partnerschaft) und Lieferperformance (Quali‐ tät), sondern auch darauf, dass Sie - als namhaftes, etabliertes und solventes Unternehmen - auch in einigen Jahren noch zuverlässig liefern werden, dass Ihr Kunde bei Engpässen bevorzugt beliefert wird usw. Und nicht vergessen: Nutzen Sie stets auch Ihre Verhandlungsmasse (Lie‐ ferzeit, Zahlungsbedingungen, zusätzliche Leistungen), um Ihre Hauptziele zu erreichen! Wie spielt der Einkäufer das Spiel der Argumente? Welche Routen stehen ihm zur Verfügung? Wettbewerb: Der Wettbewerb ist ein Argument, das Sie als Einkäufer immer benutzen können: „Sie haben ja recht, aber die anderen können es eben auch! “ Das Wettbewerbsargument sollte immer fallen. Wenn Sie es nicht benutzen, erkennt ein gewiefter Verkäufer, dass es keinen Wettbewerb gibt - denn sonst würden Sie ihm dieses Argument ja in den Weg legen. Kalkulation: Kalkulation ist Ihr gutes Recht als Einkäufer. Überzeugen Sie den Verkäufer anhand von Fakten und Zahlen der Produktkalkulation von der Richtigkeit Ihres Standpunkts. Das Kalkulationsargument kann für den Einkäufer nicht hoch genug bewertet werden - vorausgesetzt, er hat die Zahlen vorliegen und er hat recht. Sind Rohstoffkosten nicht gesunken oder lässt sich die Produktkalkulation nicht weiter optimieren, hat also der Ver‐ käufer die Kalkulation auf seiner Seite, wird dieses Argument natürlich nicht benutzt. Sackgassen führen nicht zum Gipfel! Aber es gibt ja noch andere Wege, zum Beispiel die KVP / Lernkurve: Arbeitet man mit einem Lieferanten bereits länger zusam‐ men, kann man aufgrund von KVP (kontinuierlicher Verbesserungsprozess) oder Lernkurveneffekten durchaus eine Optimierung beispielsweise des Preises oder der Qualität verlangen. Ihr Unternehmen muss diese Effekte schließlich auch an seine Kunden weitergeben, warum also nicht dasselbe vom Lieferanten fordern? Ein gutes Argument auch, um Preiserhöhungen abzuwehren. Die eigenen Kunden: Mit den eigenen Kunden ist gut argumentieren. Sie können nicht anders, als den Druck des Marktes, Ihrer Kunden, wenigstens zum Teil an die eigenen Lieferanten weiterzugeben. Auch wenn Sie noch so gerne anders handeln würden, es geht leider nicht. Ein wunderbares Argu‐ 6.2 Schlagkräftige Argumente entwickeln 97 <?page no="98"?> ment, das vielseitig eingesetzt werden kann: bei Preisverhandlungen, Re‐ klamationen, höheren Qualitätsanforderungen, Flexibilität, kurzfristigen Änderungen und so weiter. Beziehung / Partnerschaft / Fairness: Auch die gute Beziehung wird immer wieder gerne als Argument herangezogen. Man arbeitet schließlich schon lange Jahre gut zusammen, man ist ein Partner, auf den man sich verlassen kann, es kommen kontinuierlich Aufträge rein, die Zahlungsmoral ist auch in Ordnung. Sehr gut lässt sich dies mit einem Appell an Fairness kombinie‐ ren: „Das ist jetzt aber nicht mehr fair! / Unter Partnern kann man noch nicht … / Wir haben gedacht, gerade mit Ihnen …“ Das Beziehungsargument eignet sich auch gut, wenn die eigene wirtschaftliche Situation gerade schlecht ist und man Hilfe vom Partner erwartet oder man sich hohen Forderungen gegenübersieht, die überraschend kommen. Umsatz / Auslastung: Ein sehr belastbares Argument. Der Verkäufer soll bitte bedenken, dass der im Raum stehende Auftrag ja auch Auslastung bringt. Die Maschinen drehen sich, die Kollegen haben zu tun, das muss ihm doch etwas wert sein. Dieses Argument ist universell bei allen Verhandlungen einsetzbar und wirkt besonders stark bei großen Aufträgen. Budget / Vorgaben von oben: Ein schwer zu widerlegendes Argument, denn Ihr Gegenüber kennt die internen Vorgaben nicht, mit denen Sie argumentieren. Wie also darauf antworten? Referenz: Das Referenzargument eignet sich, wenn man einen guten Namen hat: Der Verkäufer möge auch daran denken, dass man als attraktiver Kunde ja auch auf der Referenzliste geführt werden kann. „Wenn Sie den Marktführer Pkws auf der Referenzliste haben wollen, dann …“ Verhandlungsmasse: Auch der Einkäufer braucht für die Verhandlungen Verhandlungsmasse. Wie der Lateiner schon wusste: Do ut des - gib, damit dir gegeben wird. So macht man es seinem Verhandlungspartner leichter, einem entgegenzukommen. Verhandlungsmasse sollte nie spontan ange‐ bracht werden, sie gehört zu den Argumenten, auf die man sich gründlich vorbereiten muss - siehe hierzu Kapitel 4. Typische Verhandlungsmasse wären: die Menge erhöhen, Folgeaufträge, bessere Zahlungskonditionen, bessere Lieferkonditionen, längere Laufzeit eines Vertrages usw. Sicher wird sich auch der Einkäufer Gedanken machen, welche Argumente auf dem Weg zum Gipfel am erfolgversprechendsten sind. Er wird sich 98 6 Rhetorik - Das Argumentespiel <?page no="99"?> überlegen, wie er Argumente kombiniert und nutzt. Insgesamt hat er es vielleicht ein wenig leichter, da er ja derjenige ist, der vom Verkäufer überzeugt werden muss. Schließlich ist er der Kunde und er entscheidet auch, ob der Verkäufer einen Auftrag bekommt. Er sollte aber wissen, wie er mit den Argumenten der Gegenseite umgehen will, und sich hier nicht dem Zufall oder der Intuition ausliefern. Sonst trifft das alte Sprichwort zu, dass man hinterher immer klüger ist. Der Einkäufer geht immer mit einem Abschluss nach Hause, ihm kann nur passieren, dass der Abschluss nicht besonders gut ist! Für den Verkäufer hingegen gilt, dass er eine Verhandlung auch häufig ohne Abschluss verlässt. TIPPS ▶ Machen Sie sich mit Argumentations- und Einwandtechniken ver‐ traut! (Ja-Aber-Technik, Verlust-Ausgleichs-Technik, „Später“-Tech‐ nik, Erfahrungstechnik) ▶ Machen Sie sich mit den gängigen Manipulationstechniken vertraut! („Ist-doch-klar“-Schwindel, Schwurtaktik, „Gutmensch“-Falle, „of‐ fensichtliche“ Falle ) ▶ Überlegen Sie genau, ob Sie genügend Verhandlungsmasse haben oder sich noch etwas zurechtlegen müssen (bspw. großzügiger Verzicht auf Schadensregulierung bei den letzten Reklamationen). ▶ Überprüfen Sie Stärken / Schwächen Ihrer Argumente und die Chance, dass diese vom Gegenüber akzeptiert werden. ▶ Überprüfen Sie, ob Begründungen und Folgerungen schlüssig sind. FRAGEN ▶ Mit welchen Argumenten (Fakten / Sachargumenten / Scheinargu‐ menten) kann ich meine Ziele begründen, meinen Standpunkt un‐ termauern? ▶ Welche meiner Argumente sind stark, welche sind schwach? ▶ Mit welchen Einwänden wird die Gegenseite meine Argumente kontern? ▶ Welche Argumente wird der Verhandlungspartner ausspielen? ▶ Welche Einwände / Gegenargumente stehen selber zur Verfügung? 6.2 Schlagkräftige Argumente entwickeln 99 <?page no="100"?> Ungleich‐ gewicht ▶ Was kann ich meinem Verhandlungspartner anbieten, damit er mir entgegenkommen kann? 6.3 Die Schuhe des anderen Was ist das täglich Brot des Verkäufers? Argumentieren, Kunden überzeu‐ gen, sprich: zu verkaufen. Als Einkäufer sollte man diese scheinbare Bana‐ lität immer im Hinterkopf haben. Der Verkäufer ist jeden Tag am Berg! Er hat aller Wahrscheinlichkeit mehr Übung und Erfahrung mit dem Aufstieg - und auch mit den Bergsteigern, die ihm nacheifern. Jeden Tag muss er Menschen einschätzen und sich einen Eindruck verschaffen, wie erfahren und professionell jemand ist. Er wird Lügen und Bluffs schnell erkennen und Unsicherheit und Unerfahrenheit für sich zu nutzen wissen. Ganz anders der Einkäufer, er ist kein Bergfex, wie auch, schließlich hat er noch Tausend an‐ dere Dinge zu tun: er muss Lieferanten bewerten, Standardisierungsprojekte leiten, technische Abstimmungen mit den Fachabteilungen vornehmen, La‐ gerbestände überwachen, ganz zu schweigen von administrativen Aufgaben wie Bestellungen schreiben, Auftragsbestätigungen hinterherlaufen oder abweichende Rechnungen prüfen. Das Ungleichgewicht wird noch verstärkt. Oft sind Verkäufer schlicht besser geschult. Das geht von Verhandlungsüber Produktschulungen bis zu einstudierten Kosten-Nutzen-Argumentationen. Wenn wir in unseren Seminaren hingegen Einkäufer fragen, auf welchen Schulungen sie auf‐ bauen können, ist es nicht selten, dass dies ihr erstes Verhandlungsseminar ist. Oft sind sie nicht einmal in der eigenen Argumentation sicher, ge‐ schweige denn in der Vorhersage der klassischen Gegenargumente des Ver‐ käufers. Wie bekommen Sie als Einkäufer den Berg trotzdem bezwungen, und zwar nicht irgendwie, sondern mindestens auf Augenhöhe mit dem Ver‐ käufer? Indem Sie sich in seine Welt hineindenken! In Kapitel 6.2 haben Sie bereits wertvolle Hinweise bekommen, wie der Verkäufer inhaltlich argumentieren wird. Die Karte und seine Route liegen also vor Ihnen - und es wäre geradezu fahrlässig, diesen Weg in Gedanken nicht vorzubereiten. Schauen Sie genau hin und erkennen Sie die Abkürzungen, jene Argumente, die Sie auf die des Verkäufers entgegnen können und die Sie einen entschei‐ 100 6 Rhetorik - Das Argumentespiel <?page no="101"?> denden Schritt nach vorne bringen. Sehen Sie genau hin und erkennen Sie die Fallen, die die Route des Verkäufers für Sie birgt. Entwickeln Sie ein sicheres Seil, das Sie über diese Abgründe trägt. Als Verkäufer haben Sie Ihre Argumente schon im Hinblick auf die Bedürfnisse des Kunden zurechtgelegt, sich also in seine Situation versetzt. Dennoch sollten auch Sie noch einmal darüber nachdenken, wie Ihr Ver‐ handlungspartner wohl argumentieren wird. Mit welchen Einwänden wird er versuchen zu verhindern, dass Sie Ihr Ziel erreichen? Sie dürfen nicht vergessen: Auch der Einkäufer bereitet sich (zunehmend) professionell vor. Versuchen Sie also die Ziele, Strategie und Taktik und die Argumen‐ tationsbasis Ihres Gegenübers vorherzusehen und fragen Sie sich: „Habe ich dem genug entgegenzusetzen? “ bzw. „Brauche ich noch eine größere Verhandlungsmasse? “ TIPPS ▶ Machen Sie sich mit den gängigen Einwandtechniken vertraut, um die Argumentation der Gegenseite nicht zur Wirkung kommen zu lassen. ▶ Bringen Sie die Argumente Ihres Gegenübers zum Einstürzen: ▷ Korrektheit der Begründung widerlegen ▷ Schlussfolgerungen infrage stellen ▶ Um einen Schritt voraus zu sein, überlegen Sie sich, welche Position Ihr Verhandlungspartner einnimmt: ▷ „Was würde ich in seiner Situation tun? “ ▷ „Welche Ziele hat er und wie will er versuchen diese zu erreichen? “ ▷ „Wie wird er argumentieren, damit ich zustimme? “ ▷ „Wo liegen seine Grenzen, bis wohin wird er gehen? “ FRAGEN ▶ Wie wird er seine Ziele „verkaufen“, also begründen? ▶ Welche seiner Argumente sind stark und bedürfen hoher Aufmerk‐ samkeit? ▶ Welche seiner Argumente sind schwach und lassen sich leicht aushebeln? 6.3 Die Schuhe des anderen 101 <?page no="102"?> ▶ Mit welchen Einwänden kann er meine Forderungen / Argumente kontern? ▶ Wie kann er mir entgegenkommen, damit ich ihm auch entgegen‐ kommen kann? ▶ Was kann ich ihm anbieten, was hilft ihm weiter, damit er mir entgegenkommen kann? 6.4 Argumentations- und Einwandtechniken erkennen und anwenden Jetzt, wo Sie Ihre Argumente und die voraussichtlichen Argumente der Gegenseite gesammelt haben, planen Sie Ihre Route! Zum Beispiel so: Der Verkäufer sagt: „Den geforderten Preisnachlass kann ich Ihnen nicht geben, das rechnet sich nicht für uns. Denken Sie nur an die gestiegenen Rohstoffkosten bzw. Personalkosten! “ (Kalkulationsroute) Sie als Einkäufer antworten: „Sie mögen recht haben, ich frage mich aller‐ dings, wie Ihre Wettbewerber das dann machen. Die geben im Preis nämlich nach.“ (Wettbewerbsroute) Oder Sie antworten, indem Sie sich ebenfalls auf die Kalkulationsroute machen: „Sie wollen mit mir über Kosten reden, das können wir gerne machen. Lassen Sie uns die Kalkulation aber bitte Schritt für Schritt durchgehen.“ Wenn Sie sich auf diese Route begeben, sollten Sie sicher sein, dass Sie sie ohne Anstrengung erwandern können. Sprich: dass Sie in dieser Diskussion um die Kosten die Oberhand behalten. Eine andere Route führt über die Manipulationstechnik - die im eigentlichen Sinn kein Argument verwendet, sondern den Standpunkt des anderen verbal diskreditiert, bevor dieser ihn ausgesprochen hat. Zum Beispiel so: „Ich kann nur hoffen, dass Sie mich nicht wie diese ganzen anderen Anfänger, mit denen ich es in letzter Zeit zu tun habe, mit gestiegenen Rohstoffkosten oder Personalkosten volljammern. Da kann ich Ihnen jetzt schon sagen, das werde ich nicht akzeptieren, da - nun wird ein eigenes Argument platziert, welches nicht mehr besonders gut sein muss - unsere Kunden darauf ebenfalls keine Rücksicht nehmen. Aber ich gehe davon aus, dass Sie mir mehr zu bieten haben! “ 102 6 Rhetorik - Das Argumentespiel <?page no="103"?> In Kapitel 10 finden Sie eine ausführliche Übersicht über gängige Argumen‐ tations- und Manipulationstechniken sowie über den Aufbau von Argumen‐ tationsketten und Argumentationsstrategien. Auch dem Verkäufer bieten sich verschiedene Varianten: Der Einkäufer sagt: „Ich kann es mir nicht leisten, jeden Techniker mit Ihrem Analysegerät auszustatten! “ Sie als Verkäufer entgegnen: „Können Sie es sich leisten, das nicht zu tun? (‚Bumerangmethode‘) Sie sagten doch vorhin, dass Schnelligkeit im Service entscheidend ist.“ Oder Sie nennen ausgleichende Vorteile: „Sicher, das bedeutet im ersten Schritt eine gewisse Investition. Da Ihre Servicetechniker diese Analysen sofort vor Ort durchführen können, sparen Sie …“ TIPPS FÜR EINKÄUFER UND VERKÄUFER AUF EINEN BLICK ▶ Prüfen Sie gewissenhaft, ob die eigene Argumentation vollständig ist: Sind die Wegmarken richtig gesetzt? ▶ Welche Argumente will ich in welcher Reihenfolge ausspielen? ▶ Welche Argumente der Gegenseite bedürfen besonders hoher Auf‐ merksamkeit? ▶ Wie will ich mit den starken Argumenten der Gegenseite umgehen? ▶ Wie will ich mit den schwachen Argumenten der Gegenseite umge‐ hen? ▶ Gibt es Argumentationsketten, die sinnvoll wären? ▶ Mit welchen Einwänden wird die Gegenseite kontern? ▶ Gibt es Manipulationstechniken, mit denen ich meine Argumente besser verpacken und verkaufen kann? Und nun: Üben Sie und laufen Sie Ihre Route in Gedanken oder, noch besser, laut vor sich hinsprechend, mehrmals ab. 6.4 Argumentations- und Einwandtechniken erkennen und anwenden 103 <?page no="105"?> 7 Empathie - Wie man Menschen für sich gewinnt! SUMMARY Im folgenden Kapitel geht es um Empathie - um die Wellenlängenroute, die Sie mit anderen Routen kombinieren können. Keine Sorge, jetzt wird es nicht kuschelig und uneindeutig, sondern es geht darum, wie man Wellenlänge zum Verhandlungspartner aufbaut. Beobachten und verstehen Sie den anderen, „schwingen“ Sie sich auf ihn ein und Sie werden ihn mit Ihren Argumenten besser erreichen. 7.1 Wie man die Beziehungsebene in Verhandlungen nutzen kann Bislang haben wir zwei Routen zum Verhandlungserfolg kennengelernt: die der Nutzung und Beeinflussung der Machtposition und die der Rhetorik. Doch was, wenn man nicht in der Ausgangssituation ist, dem anderen seinen Willen aufzuzwingen (Route A) - ja, der andere sogar in der wesentlich besseren Position ist? Oder wenn Route B keine Option darstellt, da beide Seiten gleichermaßen gute Argumente haben (oder die Gegenseite bessere)? Dann wählen Sie die dritte Route: Ihr Verhandlungspartner muss Ihre Ziele erfüllen wollen. Wenn es also über Sachargumente nicht weitergeht, wechseln Sie auf die psychologisch wichtige Beziehungsebene. Beziehungsebene freundlich einsetzen: die Wellenlänge Sie kennen das sicher aus eigener Erfahrung. Wenn zwei sich schätzen oder sich gar sympathisch sind, kommt man auch in einer schwierigen Verhandlungssituation zu einem guten Ergebnis, zumindest ist dieses Er‐ gebnis wahrscheinlicher, als wenn man sich nicht ausstehen kann. Und genau das beschreibt Route C: Man muss versuchen dahin zu kommen, dass beide Verhandlungsparteien einfach ein Ergebnis erzielen wollen. Dass eine Atmosphäre herrscht, in der man einander schätzt. Die alte chinesische <?page no="106"?> Volksweisheit „Wenn du einen Feind nicht besiegen kannst, dann mache ihn dir zum Freund! “ haben wir bereits erwähnt. Route C geht also, salopp formuliert, den Weg der Wellenlänge. Man versucht, den anderen für sich zu gewinnen und so das Verhandlungsergeb‐ nis zu erreichen, dass man sich vorgenommen hat. Das ist Manipulation, mögen Sie einwenden. Wir würden es gerne positiver fassen: Es geht darum, Menschen für sich zu gewinnen, um Aufmerksamkeit und Verständnis, Respekt und Höflichkeit. Und daran hat sich noch nie jemand gestört. Wellenlänge ist keine Schwingung, die vom Himmel fällt. Sie will viel‐ mehr sorgfältig vorbereitet und aufgebaut sein. Um Wellenlänge richtig zu verstehen, wollen wir zunächst vier grundsätzliche Fragen klären: 1. Mit was für einem Menschen hat man es zu tun? 2. Wie stellt man Wellenlänge zu einer Person her? 3. Wie baut man eine bestimmte gewünschte Beziehung zu einem be‐ stimmten Menschen auf ? 4. Wie gewinnt man diesen Menschen für sich? 1 2 3 4 Abb. 15: Auf den Verhandlungspartner „einschwingen“ Der erste Schritt, um eine Beziehung zu einer Person aufzubauen, ist, sie kennenzulernen, sie gewissermaßen „zu lesen“ (Welle eins). Und weil wir mit diesem Menschen nicht in den Urlaub fahren, sondern verhandeln wollen, interessieren uns vor allem folgende Punkte: ▶ Seine wahren Ziele für die Verhandlung (was sagt er und was meint er? ) ▶ Seine Taktik und Strategie (was führt er im Schilde? ) ▶ Die Motivation, seine eigenen Ziele zu erreichen, bzw. die Grundbedürf‐ nisse, die mit der Zielerreichung befriedigt werden sollen (stark geprägt 106 7 Empathie - Wie man Menschen für sich gewinnt! <?page no="107"?> durch den Charakter bzw. die Persönlichkeit des Verhandlungspartners). Was treibt den Verhandlungspartner an? Muss oder will er Erfolge erzielen? Warum? Will er seinem Chef gefallen, will er Karriere machen oder will er einfach gewinnen, weil er nur so mit sich selber im Reinen sein kann? Beantworten Sie sich diese Fragen sorgfältig - sie helfen Ihnen, Ihren Verhandlungspartner zu„erkennen“ und auf dieser Basis Ihre eigenen An‐ liegen „typgerecht“ anzubringen.. Diese Infos sind Ihre Basis, Wellenlänge aufzubauen (Welle zwei) und sich sozusagen auf ihn einzuschwingen. Dieser „eingeschwungene“ Zustand, in der Psychologie nennt man das einen Rapport herstellen, macht es Ihnen leichter, den anderen für sich zu gewinnen - und nun gestaltend auf die Beziehung einzuwirken. Wie geht das? Sie müssen Ihr Handeln, Ihr Auftreten, Ihre verbale und nonverbale Kommunikation so ausrichten (Welle drei), dass der andere die gewünschte Reaktion zeigt (Welle vier). Stellen Sie sich einfach vor, Sie würden mit dem Gegenüber eine Basis von Verständnis, Sympathie, Respekt und Wertschät‐ zung teilen. Dann wäre es selbstverständlich, dass Sie auf die Bedürfnisse des anderen eingingen. Und ja, in vielen Verhandlungssituationen ist diese Basis tatsächlich gegeben. Von diesen Verhandlungen können Sie profitieren für solche, bei denen diese Basis nicht vorhanden ist. Sie wissen, wie Wellenlänge funktioniert, und können sie auch in schwierigen Situationen nutzen, um einen sperrigen Gesprächspartner, den Sie nicht sonderlich schätzen, etwas gesprächsoffener zu bekommen. Wir geben zu: Das ist reine Verhandlungstaktik. Aber was solls? Sie wollen schließlich Ihr Ziel erreichen und wir fordern Sie ja nicht auf, den anderen vom Weg zu schubsen, sondern eine Basis für den Verhandlungserfolg herzustellen. Da haben schließlich beide Parteien etwas davon. Die Wellenlängenroute kann sehr gut mit den anderen Routen kombiniert werden. Mit Wellenlänge erreicht man zum Beispiel, dass der andere den Argumenten besser zuhört und sie ernster nimmt. Auch wird er vielleicht eine überlegene Machtposition nicht so ausspielen, denn schließlich gehört es sich nicht, jemanden, den man mag, zu etwas zu zwingen. Mit Wellenlänge können Sie aber auch die eigene mächtige Position so nett vermitteln, dass der andere gar nicht merkt, wie er in Wahrheit (sanft) gezwungen wird. So bieten Sie ihm die Möglichkeit - zumindest gefühlt - sein Gesicht zu wahren. 7.1 Wie man die Beziehungsebene in Verhandlungen nutzen kann 107 <?page no="108"?> Beziehungsebene drohend einsetzen: gezielte Verunsicherung Es gibt noch eine zweite Möglichkeit, die Beziehungsebene zu nutzen. Hier geht es nicht darum, den anderen über den Aufbau von Wellenlänge zu bestimmten Verhaltensweisen und Reaktionen zu bringen, sondern durch gezielte Verunsicherung, vielleicht sogar durch das Erzeugen von Furcht (beispielsweise Furcht vor dem Scheitern). 1 2 3 Abb. 16: Den Verhandlungspartner verunsichern Diese Variante der Gestaltung einer Beziehungsebene wird beispielsweise genutzt, um Einfluss auf die „gefühlte“ Machtposition des anderen zu nehmen - sie im Klartext zu schmälern. Die faktische Machtposition bleibt natürlich dieselbe, aber Sie können das Gefühl des anderen dafür manipu‐ lieren, sodass er sich am Ende zweifelnd fragt: Ist meine Position wirklich so sicher, wie ich dachte? Kann es mir wirklich so gleichgültig sein, wenn die Verhandlung scheitert? Wenn der andere durch Ihre Verunsicherung das Gefühl für seine eigene Position verloren hat, haben Sie gewonnen! Er Verunsicherung Augenhöhe Ich Stärke zeigen Abb. 17: „Augenhöhe“ zum Verhandlungspartner herstellen 108 7 Empathie - Wie man Menschen für sich gewinnt! <?page no="109"?> Ihr extrem sicheres Auftreten oder auch Ihre Bluffs lassen den anderen zweifeln, ob er sich wirklich so sicher sein kann, wie er dachte. Denn natürlich haben Sie als Einkäufer gute Alternativen und natürlich sind Sie auf ihn nicht angewiesen (auch wenn es sich wahrscheinlich de facto so verhält). In dem Moment, in dem die Gewissheit des anderen erschüttert wird, sich alles erlauben zu können, haben Sie alles richtig gemacht. Sie holen ihn sozusagen auf Augenhöhe herunter, damit jetzt eine Verhandlung unter gleichmächtigen oder gleichberechtigten Partnern beginnen kann. Beziehungen wollen vorbereitet sein, auch im Negativen. Sie müssen den anderen erst verstehen, sozusagen lesen, bevor Sie gezielt auf ihn einwirken können. Nicht jedem Verhandlungspartner können Sie auf die gleiche Art und Weise Angst machen, genauso wie Sie bei jedem Menschen auf eine andere Weise Wellenlänge aufbauen. Wie liest man nun aber Menschen? Wie kommt man hinter ihre Beweg‐ gründe, ihre Motive und Geheimnisse. Warum verhält sich jemand so, wie er sich verhält? 7.2 Menschen richtig beobachten und „lesen“ Häufig werden wir in Seminaren gefragt, ob man denn wohl lernen könne, eine Antenne für Menschen zu entwickeln oder ob einem das in die Wiege gelegt und sozusagen angeboren ist. Fragen wir also: Kann man Empathie lernen? Empathie ist, wie bei so vielen Fähigkeiten des Menschen, eine Mischung aus Talent, also angeborener Fähigkeit, und Handwerk, also erlernbarer Fähigkeiten. Natürlich kennen wir alle Leute, die eine unerklärliche Antenne für Menschen haben. Aber das muss uns, die wir diese natürliche Begabung nicht besitzen, nicht davon abhalten, ebenfalls Antennen zu entwickeln. Denken Sie beispielsweise an Psychologen, Ärzte oder Lehrer, für die dies essenziell ist und die sich bereits in ihrer Ausbildung intensiv damit auseinandersetzen. Wir müssen es eben nur lernen und üben. Und weil noch kein Meister vom Himmel gefallen ist, geht das nicht über Nacht. Fangen Sie also an, Menschen zu beobachten! Kann man sehen, ob jemand nervös oder selbstsicher ist, kann man erkennen, ob einer die Wahrheit sagt oder nicht, kann man sehen, ob sich jemand wohl in seiner Haut fühlt oder nicht? Jeder wird jetzt sagen: Na klar, das sieht man doch an der Körpersprache oder hört es in der Stimme! Sehen Sie, die Fähigkeit, 7.2 Menschen richtig beobachten und „lesen“ 109 <?page no="110"?> einem Menschen etwas anzusehen, haben wir alle (mehr oder weniger gut ausgeprägt). Wir müssen sie eben nur verfeinern. Machen Sie sich zum Beispiel klar, an welchen körpersprachlichen Merkmalen Sie bestimmte Dinge wie zum Beispiel Unsicherheit erkennen. Und genau darauf achten Sie dann einmal eine Zeit lang besonders und sensibilisieren sich. Hier sind einige Aspekte, auf die Sie in zukünftigen Verhandlungen achten sollten, um mehr über Ihr Gegenüber zu erfahren. Besonders non‐ verbale Signale und die Nuancen in der Stimme Ihres Verhandlungspartners sind hierbei aufschlussreich. Da diese Signale meist unbewusst ausgesendet werden, vermittelt Ihnen Ihr Verhandlungspartner eine Fülle von Informa‐ tionen, oft ohne sich dessen bewusst zu sein. Einfacher kann es kaum sein, diese unbewussten Hinweise zu Ihrem Vorteil zu nutzen. Doch wie bei vielen Fertigkeiten ist gezieltes Training, in diesem Fall Ihrer Beobachtungsgabe, notwendig, da Sie diese Hinweise sonst möglicherweise gar nicht erst wahrnehmen. Konzentrieren Sie sich also gezielt auf diese nonverbalen und stimmlichen Signale und trainieren Sie regelmäßig, sie zu erkennen und zu deuten. Mit der Zeit wird diese Fähigkeit zur zweiten Natur werden. Sie werden Feinheiten bemerken und erkennen, die Ihnen bisher verborgen blieben. Vergleichen Sie es mit dem Autofahren: Auch dort werden viele Abläufe und Beobachtungen mit der Zeit automatisiert. Man muss nicht mehr bewusst auf bestimmte Dinge achten, sondern bei Routinen, die man regelmäßig praktiziert, übernimmt schrittweise das Unterbewusstsein die Steuerung. Sie gehen umgangssprachlich in Fleisch und Blut über. Entwickeln Sie sich sozusagen zum Verhandlungsprofiler, der diese subtilen Hinweise intuitiv erfasst und nutzt. Nonverbale Signale in Verhandlungen Signal Mögliche Bedeu‐ tung Tipps für Verhandlungen Kopfnicken Zustimmung, In‐ teresse, Bestäti‐ gung Ein Signal für Einverständnis; kann ge‐ nutzt werden, um Übereinstimmung zu fördern. Nicken mit ge‐ senktem Kopf Nachdenklichkeit, Zustimmung Signalisiert oft Zustimmung, aber aus einer nachdenklichen oder besorgten Haltung heraus. 110 7 Empathie - Wie man Menschen für sich gewinnt! <?page no="111"?> Kopfschütteln Ablehnung, Un‐ stimmigkeit Ein Zeichen von Widerstand; es könnte eine Gelegenheit sein, nachzufragen und Bedenken zu klären. Stirnrunzeln Missbilligung, Konzentration, Verwirrung Zeichen von Unzufriedenheit oder Nachdenklichkeit; klärende Fragen könnten hilfreich sein. Überkreuzte Arme Defensive, Ver‐ schlossenheit, Un‐ sicherheit Kann darauf hindeuten, dass die Person nicht offen für Vorschläge ist oder sich unwohl fühlt. Offene Handflä‐ chen Ehrlichkeit, Offen‐ heit, Aufrichtig‐ keit Ein Zeichen von Offenheit und Ehrlich‐ keit; kann Vertrauen fördern. Hände auf den Tisch stützen Bereitschaft, En‐ gagement Zeigt Interesse und Beteiligung an der Diskussion; kann als Zeichen der Offen‐ heit interpretiert werden. Fester Hände‐ druck Selbstsicherheit, Entschlossenheit Zeigt Zuversicht an; ein sehr fester Händedruck kann jedoch auch als Do‐ minanz gedeutet werden. Vermeiden von Blickkontakt Unsicherheit, Des‐ interesse, Unbeha‐ gen Mangel an Blickkontakt kann auf Ner‐ vosität oder Täuschung hinweisen; wichtig, den Kontext zu berücksichti‐ gen. Intensiver Blick‐ kontakt Selbstbewusst‐ sein, Dominanz, Herausforderung Kann Selbstsicherheit ausstrahlen oder als Versuch zu dominieren wahrgenom‐ men werden. Hochgezogene Augenbrauen Überraschung, Skepsis, Fraglich‐ keit Kann Interesse oder Zweifel signalisie‐ ren; bietet eine Gelegenheit, mehr Infor‐ mationen zu geben. Mund verdecken Nachdenklichkeit, Verschleiern von Emotionen Oft ein Zeichen dafür, dass jemand seine wahren Gedanken oder Gefühle verbirgt. Fingertippen oder Fußwippen Ungeduld, Nervo‐ sität, Stress Zeichen von Unruhe oder Eile; mögli‐ cherweise fühlt sich die Person unter Druck gesetzt. Verschränkte Beine Zurückhaltung, Komfort, Abwehr‐ haltung Oft ein Zeichen von Zurückhaltung oder Selbstschutz; könnte auch einfach eine bequeme Sitzposition sein. Beine überschla‐ gen, zum Ge‐ sprächspartner hin Interesse, Engage‐ ment, Zustim‐ mung Signalisiert oft ein positives Engage‐ ment und Zustimmung zu den disku‐ tierten Punkten. 7.2 Menschen richtig beobachten und „lesen“ 111 <?page no="112"?> Beine überschla‐ gen, vom Ge‐ sprächspartner weg Distanzierung, Abwehr Kann ein Zeichen von Rückzug oder Unbehagen sein; möglicherweise ist eine Anpassung der Strategie erforder‐ lich. Leichtes Lächeln Freundlichkeit, Zugänglichkeit, Zustimmung Ein Zeichen von Freundlichkeit und Of‐ fenheit; kann aber auch eine Maske für Unsicherheit sein. Berührungen am eigenen Körper Nervosität, Selbst‐ beruhigung Häufig ein Zeichen von Nervosität oder Unsicherheit; die Person könnte Unter‐ stützung brauchen. Sitzposition nach vorne Interesse, Auf‐ merksamkeit, En‐ gagement Deutet auf aktives Zuhören und Inter‐ esse hin; ein gutes Zeichen in Verhand‐ lungen. Sitzposition nach hinten Entspannung, Desinteresse, Ab‐ standnahme Kann Desinteresse oder eine zurückhal‐ tende Haltung signalisieren; wichtig zu erkennen, wann Raum gegeben werden muss. Tab. 5: Menschen lesen - nonverbale Signale Hüten wir uns an dieser Stelle aber vor dem „Kaffeesatzlesen“, denn ver‐ schränkte Arme können Ablehnung, Rückzug oder Widerstand bedeuten, müssen es aber nicht zwangsläufig. Es kann genauso bedeuten, dass jemand friert oder er diese Körperhaltung als bequem empfindet. Denken Sie nur an die berühmte Raute, die Ex-Bundeskanzlerin Angela Merkel mit ihren Händen formt, und die vielen widersprüchlichen Deutungen. Oft ermöglicht erst die Häufung bestimmter Merkmale eine zuverlässige Interpretation. Wenn also jemand die Stirn runzelt, sich zurücklehnt und dabei die Arme verschränkt, ist eine gewisse Unzufriedenheit wahrscheinlicher. Ein weiterer wesentlicher Aspekt, den Sie in Ihren Beobachtungen be‐ rücksichtigen sollten und der Ihnen hilft, Menschen besser zu verstehen, ist die Art und Weise, wie jemand spricht und seine Stimme einsetzt. 112 7 Empathie - Wie man Menschen für sich gewinnt! <?page no="113"?> Verbale Signale/ Stimme Signal Mögliche Bedeu‐ tung Hinweise für Verhandlungen Schnelles Spre‐ chen Nervosität, Unge‐ duld, Aufregung Kann darauf hindeuten, dass jemand unter Druck steht oder etwas zu verber‐ gen hat. Achten Sie auf Möglichkeiten, beruhigend zu wirken. Langsames Spre‐ chen Bedachtsamkeit, Unsicherheit, Kontrolle Oft ein Zeichen dafür, dass jemand ge‐ nau wählt, was er sagt, möglicherweise um Fehler zu vermeiden oder Nach‐ druck zu verleihen. Leise Stimme Unsicherheit, Zö‐ gern, Höflichkeit Kann auf mangelndes Selbstvertrauen oder eine defensive Haltung hindeuten. Bieten Sie Sicherheit, um offene Ant‐ worten zu fördern. Laute Stimme Selbstsicherheit, Aggression, Enga‐ gement Eine laute Stimme kann Überzeugung oder Dominanz signalisieren. Achten Sie darauf, nicht in einen Machtkampf gezogen zu werden. Zögern oder Pau‐ sen Unsicherheit, Nachdenklichkeit, strategisches Ab‐ wägen Pausen können darauf hinweisen, dass jemand nachdenkt oder unsicher ist. Nutzen Sie diese Momente, um wichtige Punkte zu klären. Unterbrechungen Dominanz, Unge‐ duld, Mangel an Respekt Häufiges Unterbrechen kann auf eine dominante oder aggressive Haltung hindeuten. Setzen Sie Grenzen, um einen respektvollen Austausch zu ge‐ währleisten. Wechselnde Ton‐ höhen Emotionalität, Stress, Begeiste‐ rung Ein variabler Tonfall kann starke Emo‐ tionen anzeigen. Achten Sie auf die zu‐ grunde liegenden Gefühle und adressie‐ ren Sie diese. Klar artikulierte Worte Selbstsicherheit, Vorbereitung, Pro‐ fessionalität Klare Artikulation zeigt oft eine gute Vorbereitung und kann Überzeugungs‐ kraft verleihen. Nutzen Sie dies als In‐ dikator für Kompetenz. Wiederholungen Betonung, Unsi‐ cherheit, Versuch der Klarstellung Wiederholungen können ein Zeichen dafür sein, dass jemand einen Punkt verstärken möchte oder sich unsicher fühlt. Achten Sie darauf, was betont wird. 7.2 Menschen richtig beobachten und „lesen“ 113 <?page no="114"?> Hinhören Rhetorische Fra‐ gen Herausforderung, Überprüfung des Verständnisses, Provokation Rhetorische Fragen können dazu die‐ nen, die Kontrolle über das Gespräch zu behalten oder den anderen zu einem bestimmten Denken zu führen. Wechsel im Sprachfluss Nervosität, An‐ passung der Stra‐ tegie, Täuschung Plötzliche Änderungen im Sprachfluss können Unsicherheit oder eine Anpas‐ sung an neue Informationen anzeigen. Bleiben Sie aufmerksam. Tab. 6: Menschen lesen - verbale Signale Eine weitere Möglichkeit, einen Menschen zu lesen, ist, ihm genau zuzuhö‐ ren. Was bedeutet es denn, wenn jemand sagt: „Nun kann ich Ihnen eigentlich nicht weiter entgegenkommen! “ Es bedeutet, dass er Ihnen „eigentlich“ nicht weiter entgegenkommen kann. Und „eigentlich“ heißt: Er will nicht und es ist unbequem, wahrschein‐ lich hat er keine Lust dazu oder sein Chef findet es nicht gut. Wenn er Ihnen wirklich nicht mehr weiter entgegenkommen könnte, dann würde er es genau so formulieren: „Ich kann Ihnen nicht mehr weiter entgegenkommen.“ Aber - er verwendet das Wort „eigentlich“ und schränkt seine Aussage so, wahrscheinlich unbewusst, ein. Hier geht also noch was. Hören Sie diese verdeckten Botschaften zwischen den Zeilen heraus, können Sie darauf reagieren. Fragen Sie doch einfach mal: „Was meinen Sie mit eigentlich? “ oder „Welche Schwierigkeiten sind das genau? “. Oder Ihr Gegenüber sagt an einer ganz bestimmten Stelle in der Verhandlung: „Ab hier kann ich Ihnen jetzt leider nicht weiter entgegenkommen, denn nun fängt es an, sehr schwierig zu werden! “ Ist doch super! Denn das heißt nichts anderes, als dass es sehr schwierig, aber eben nicht unmöglich ist. Warum hat Ihr Gegenüber nur gesagt, dass es schwierig wird? Wenn es unmöglich wäre, hätte er das Wort auch gebraucht. Auch hier geht also noch was. Unsere Gesprächspartner sagen oft mehr, als sie beabsichtigen. Natürlich kann man aus einem Füllwort wie „eigentlich“ keine Wissenschaft machen. Aber wertvolle Informationen liefert das genaue Hinhören allemal. Und genau dazu fordern wir Sie auf. Wie oft sind wir nach ein, zwei Sätzen des Gegen‐ übers schon wieder in Gedanken bei der Formulierung unserer Antwort, schrei‐ ben Protokoll, denken an irgendwelche anderen Dinge, die in der Verhandlung eine Rolle spielen oder auch nicht. Wir verpassen mit dieser nur halben Auf‐ merksamkeit die wertvolle Chance, ein Wort zu hören, das uns auf unserem 114 7 Empathie - Wie man Menschen für sich gewinnt! <?page no="115"?> Verdeckte Botschaf‐ ten Weg weiterhilft. Tipp: Wenn Sie mit und als Teams verhandeln, übertragen Sie die Rolle des „aktiven Zuhörers“ zum Beispiel dem Beobachter. Verdeckte Botschaften erkennt man häufig an einer Veränderung von ei‐ ner absoluten und bestimmten zu einer schwammigeren und unspezifischen Ausdrucksweise. Diese Signale werden häufig unbewusst gesendet und spiegeln das eigentliche Denken des Gegenübers wieder. Das wird sehr schwierig. Schwierig aber machbar, nicht unmöglich. Es ist nicht üblich, dass ... Nicht üblich, aber möglich. Normalerweise … Verhandelbar, es gibt immer Möglichkeiten. Der Preis ist nicht verhandelbar. Man kann darüber verhandeln, was es für den Preis gibt. Ich bin nicht befugt, das zu entscheiden. Sprechen Sie mit dem Vorgesetzten/ Entscheidungsträger. Eigentlich ... Eigentlich kann bedeuten: eigentlich aber auch nicht. Der Preis bei diesem Volumen ist ... Anderes Volumen, anderer Preis. Verbale Weichspüler. Vermeiden! Füllwörter wie: schon, nur, noch, vielleicht, ein bisschen etc. Abb. 18: Beispiele für verdeckte Botschaften Besonderes Augenmerk ist bei den sogenannten verbalen Weichspülern gefordert: Durch Füllsel wie „normalerweise, fast, vielleicht, eventuell, mög‐ licherweise, schwierig“ oder den Gebrauch von Konjunktiven wie „müsste, könnte, würde, dürfte, sollte“ zeigt sich oft eine fehlende Identifikation mit Ziel, Produkt oder Unternehmen. Ihre Chance, einzugrätschen! (Und 7.2 Menschen richtig beobachten und „lesen“ 115 <?page no="116"?> diese Wörter umgekehrt komplett aus Ihrem Verhandlungswortschatz zu streichen! ) Wir empfehlen Ihnen auch, auf die Körpersprache des anderen zu achten. Wie sagt er was? Stimmen Körpersprache und Botschaft überein? Und wie geht das nun, das richtige Zuhören? Ein paar Tipps: ▶ Halten Sie Blickkontakt! ▶ Versuchen Sie, die gesamte Botschaft zu erfassen (Sach- und Beziehungs‐ ebene)! ▶ Stellen Sie Verständnisfragen bzw. lassen Sie präzisieren, wenn Ihnen etwas nicht stimmig vorkommt! ▶ Versuchen Sie, den anderen Standpunkt zu verstehen! Denken Sie sich hinein! ▶ Fragen Sie sich selbst: Was würde ich tun, wie würde ich reagieren? ▶ Lassen Sie nicht zu, dass Ihre Gedanken abschweifen! Konzentrieren Sie sich! Gut, werden Sie einwenden, aber was mache ich, wenn mir ein Verhandler gegenübersitzt, der nicht wirklich von alleine redet? Der nur das Nötigste sagt? Dann empfehlen wir Ihnen die Methode des aktiven Zuhörens. Aktives Zuhören ist eine erprobte Gesprächstaktik, um das Gegenüber zum Reden zu bringen und ihm Informationen zu entlocken. Mit aktivem Zuhören, also gezielten Rückfragen, steuern Sie das Gespräch indirekt in Ihre Richtung. Beim aktiven Zuhören geht es darum, Interesse und Verständnis zu signali‐ sieren und den Aussagen des Gegenübers so Gewicht zu verleihen, ihn aufzu‐ werten. Ergebnis: eine positive Gesprächsatmosphäre - eine Wellenlänge. Wie signalisieren Sie Interesse und Verstehen? ▶ Aufmerksames, „richtiges“ Zuhören ▶ Augenkontakt ▶ Kopfnicken ▶ Zugewandte und offene oder spiegelnde Körperhaltung ▶ Zustimmungslaute („MM-hm …“) ▶ Offene Fragen („… und was passiert dann? “) ▶ Verständnisvolle Kommentare („Das kann ich gut verstehen.“) ▶ Umschreiben des Gehörten, um eigenes Verstehen zu prüfen um dem anderen Verständnis zu signalisieren („Verstehe ich Sie richtig, dass …? Meinen Sie damit …? “) 116 7 Empathie - Wie man Menschen für sich gewinnt! <?page no="117"?> ▶ Eigene Reaktion auf das Gehörte in der Ich-Form formulieren („Ich höre da heraus, dass Sie sagen …“); die Du-Form wird häufig als Kritik, Angriff oder Wertung gesehen. Im Gegensatz dazu sollten Sie folgende Verhaltensweisen vermeiden, es sei denn, Sie möchten, dass Ihr Gegenüber in der Verhandlung verstummt: ▶ Themenwechsel ohne Erklärung (Das passiert oft ungewollt, wenn die Gedanken bereits abschweifen, während der andere redet: Also bleiben Sie konzentriert! ) ▶ Abgewandter Blick ▶ Kopfschütteln ▶ Zurücklehnen ▶ Arme verschränken ▶ Sofortige Einwände („Ja, aber …“) ▶ Abfällige Äußerungen („Ach was …“) ▶ Meinungen, Wertungen oder Kritik in der Du-Form formulieren ▶ Verneinen der Gefühle / Meinung des anderen („Das meinen Sie doch nicht ernst.“) ▶ Verhaltensinterpretation anstellen („Sie tun das doch nur, weil …“) ▶ Überredende / altkluge Ratschläge („Sie sollten lieber …“) ▶ Vorwürfe („Wie können Sie nur …“) 7.3 Menschen verstehen: Persönlichkeitstyp, Motivation und Antrieb Nachdem wir uns nun ausführlich damit beschäftigt haben, wie man Men‐ schen liest und auf was man alles achten kann, um an wichtige Informatio‐ nen über unseren Verhandlungspartner zu kommen, geht es nun darum, diese Informationen auch richtig zu interpretieren. Hierzu beschäftigen wir uns mit zwei wichtigen Blickwinkeln, die uns Einblick in das Handeln und Agieren von Menschen bieten und helfen, diese zu „entschlüsseln“. 7.3.1 Persönlichkeitstypen Um Menschen und deren Handeln zu verstehen und Sie dann für sich zu gewinnen, hilft es, sich mit den verschiedenen Persönlichkeitstypen 7.3 Menschen verstehen: Persönlichkeitstyp, Motivation und Antrieb 117 <?page no="118"?> und dem für sie typischen Verhalten zu beschäftigen. So kann man seine Gesprächspartner besser verstehen und sich entsprechend darauf einstellen. An dieser Stelle können wir Ihnen die DISG-Systematik empfehlen. Wir haben damit gute Erfahrungen gemacht haben und setzen diese auch in unseren Seminaren ein. Diese Systematik beschreibt vier verschiedene Persönlichkeitstypen (dominant, initiativ, stetig und gewissenhaft), ihre Sicht auf die Welt und andere Menschen, ihre typischen Verhaltens- und Reaktionsmuster. Darauf aufbauend können Sie nun Ihr Verhalten entspre‐ chend anpassen, um psychologisch typgerecht zu verhandeln. Dominant Diese Personen sehen die Welt als Wettbewerbsfeld, auf dem sie sich durchsetzen müssen. Sie sind entschlossen, entscheidungsfreudig, handeln proaktiv und oft autoritär. Ihr Fokus liegt auf Ergebnissen und Effizienz, und sie sind nicht scheu, Konflikte einzugehen, um ihre Ziele zu erreichen. Erkennungsmerkmale: Dominante Typen sind oft die Gesprächsfüh‐ rer, entschlossen und direkt. Sie kommunizieren mit einer festen, klaren Stimme und verwenden eine bestimmende Sprache. Ihre Körpersprache ist selbstbewusst und offen, und sie setzen häufig Gesten ein, die Autorität ausdrücken. In ihrer Kleidung bevorzugen sie oft formelle Businesskleidung, die ihre Führungsrolle unterstreichen und Professionalität vermitteln sollen. Tipp: Nutzen Sie die Entschlossenheit und Direktheit von dominanten Per‐ sönlichkeiten, um klare und präzise Vereinbarungen zu erreichen. Sie können deren Neigung zu Führung und schnellen Entscheidungen fördern, indem Sie sie ermutigen, ihre Visionen und Lösungen aktiv einzubringen. Setzen Sie jedoch klare Ziele und definieren Sie Grenzen, um ebenbürtig aufzutreten und die Diskussion zielorientiert und auf Augenhöhe zu gestalten. Seien Sie auf eine herausfordernde Diskussion vorbereitet, und nehmen diese an. Initiativ Menschen dieses Typs betrachten die Welt als Bühne für soziale Interaktion und Netzwerkbildung. Sie sind extrovertiert, kreativ, enthusiastisch und beeinflussen andere gerne durch ihre kommunikative Art. Sie streben nach Anerkennung und sind sehr auf das Wohlbefinden ihrer sozialen Beziehungen bedacht. 118 7 Empathie - Wie man Menschen für sich gewinnt! <?page no="119"?> Erkennungsmerkmale: Diese Persönlichkeiten sind sehr gesprächig und enthusiastisch. Sie nutzen Humor und Charme, um zu beeinflussen und sind ausgezeichnete Geschichtenerzähler, die emotional und anekdo‐ tisch kommunizieren. Ihre Gestik ist lebhaft und ihre Mimik expressiv, oft suchen sie intensiven Augenkontakt. In ihrer Kleidung wählen sie oft helle und auffällige Farben oder modische Accessoires, die ihre lebendige und zugängliche Persönlichkeit widerspiegeln. Tipp: Nutzen Sie die ausgeprägte soziale Kompetenz und den Enthusi‐ asmus von initiativen Persönlichkeiten, um eine dynamische und freundli‐ che Verhandlungsatmosphäre zu schaffen. Fördern Sie ihre kreativen und kommunikativen Fähigkeiten, indem Sie sie ermutigen, innovative Ideen vorzuschlagen. Es ist wichtig, die Diskussionen strukturiert zu halten und sicherzustellen, dass neben dem kreativen Austausch auch praktische und umsetzbare Lösungen entwickelt werden. Stetig Diese Persönlichkeiten sehen die Welt als einen Ort, der Sicherheit, Stabilität und Harmonie benötigt. Sie sind zuverlässig, unterstützend und bevorzugen ein stabiles berechenbares Umfeld. Sie schätzen Kooperation und sind sehr darauf bedacht, Konflikte zu vermeiden und ein angenehmes Klima zu schaffen. Erkennungsmerkmale: Stetige Personen sind ruhig und geduldig, oft zurückhaltend in Gruppensituationen. Sie hören mehr zu, als dass sie sprechen, und bevorzugen eine geordnete und vorhersehbare Umgebung. Ihre Kommunikation ist warm und einladend, sie meiden Konfrontationen und sprechen in einem moderierenden Ton, um Harmonie zu bewahren. Ihre Körpersprache ist weniger dominant, oft signalisieren sie Sicherheit und Reserviertheit durch entspannte, aber geschlossene Haltungen. Sie kleiden sich oft in unauffällige, praktische und bequeme Kleidung, die Seriosität und Zugänglichkeit ausstrahlt. Tipp: Nutzen Sie die Vorliebe stetiger Typen, beständige und harmoni‐ sche Lösungen zu entwickeln, die langfristig Bestand haben. Ermutigen Sie sie, in einem kooperativen Umfeld offen ihre Meinung zu äußern. Dies fördert die Beziehung, steigert die Sympathie und trägt dazu bei, dass alle Parteien sich verstanden und wertgeschätzt fühlen. Ein ruhiges und konstruktives Verhandlungsumfeld hilft diesen Persönlichkeiten, sich sicher zu fühlen und sich aktiv in die Verhandlung einzubringen. 7.3 Menschen verstehen: Persönlichkeitstyp, Motivation und Antrieb 119 <?page no="120"?> Gewissenhaft Gewissenhafte Typen betrachten die Welt durch eine Brille der Ordnung und Genauigkeit. Sie sind detailorientiert, methodisch und sehr systematisch in ihrem Ansatz. Ihre Interaktionen mit anderen sind oft geprägt von Genau‐ igkeit, Zuverlässigkeit und Effizienz. Sie legen großen Wert auf Regeln und klare Strukturen. Erkennungsmerkmale: Gewissenhafte Typen sind detailorientiert und methodisch. Sie stellen viele spezifische Fragen und legen großen Wert auf Fakten und Daten. Ihre Sprache ist präzise und sie nutzen oft Fachjargon. Sie vermeiden Unklarheiten und sind darauf bedacht, genaue Informationen zu liefern. Ihre Körpersprache kann zurückhaltend wirken, mit wenig Gestik und einem formellen körperlichen Abstand zu anderen. In ihrer Kleidung zeigen sie eine Vorliebe für konservative Outfits ohne viel Spielerei, die Ordnung und Genauigkeit betonen. Tipp: Nutzen Sie die Detailgenauigkeit und methodische Herangehens‐ weise gewissenhafter Persönlichkeiten, um sicherzustellen, dass alle As‐ pekte der Verhandlung gründlich durchdacht werden. Bereiten Sie detail‐ lierte Daten und gut strukturierte Vorschläge vor und seien Sie bereit, ihre Fragen umfassend und präzise zu beantworten. Achten Sie darauf, einen klaren und logischen Rahmen für die Diskussion zu schaffen, der es diesen Persönlichkeiten ermöglicht, ihre Stärken effektiv einzubringen. Leider ist es nicht möglich jeden Menschen in genau eine dieser vier Schubladen zu stecken. Alle Menschen sind einzigartig und damit unter‐ schiedlich. Es gibt Mischtypen, deren Verhalten, abhängig von Situation und Umfeld durchaus nicht ganz so eindeutig zuzuordnen ist. Es lohnt sich daher, sich mit der Systematik tiefergehend vertraut zu machen und in der Praxis genau hinzuschauen. Sammeln Sie Erfahrungen, seien sie neugierig auf Menschen, um ihr Verhalten besser zu verstehen und entsprechend typgerechter agieren zu können. Hier gilt wieder: Übung macht den Meister! Auch wenn es aus wissenschaftlicher Sicht bessere Methoden gibt, hat die DISG-Systematik einen großen Vorteil. Sie ist schnell zu lernen, zu verinnerlichen und praktisch anzuwenden. Da wir keine Therapeuten, sondern Verhandlungsprofis sind, reicht DISG für uns völlig aus. 120 7 Empathie - Wie man Menschen für sich gewinnt! <?page no="121"?> 7.3.2. Motivation und Antrieb Ein weiterer wichtiger Blickwinkel, der eng mit dem Persönlichkeitstyp verknüpft ist und der hilft, das Verhalten von Menschen zu entschlüsseln, ist die Motivation und der Antrieb, mit dem sie in eine Verhandlung gehen. Versuchen Sie zu erkennen, welches die Triebfedern sind, die das Handeln Ihres Gesprächspartners bestimmen, und stellen Sie sich darauf ein. Was gibt es für persönliche Motivationen in Verhandlungen? Unserer Erfahrung nach sind es die folgenden: Soziale Anerkennung  Man will hören: „Gut gemacht! “  Lob/ Anerkennung vor Kollegen und Chef  Wichtigkeit der Person herausstellen Erfolgsdruck Sicherheit Vertrauen Selbstachtung  Ergebnisse vorzeigen können  Eigene Erwartungen erfüllen  Erwartungen von Unternehmen, Vorgesetztem, Kollegen  Keine Fehler machen, nicht blamieren  Sicherung des Arbeitsplatzes  Sicherheit des Unternehmens  Vertrauensvolle und harmonische Atmosphäre  Keine Feindseligkeit  Vertrauen, sich verlassen können  Gesicht wahren  Stolz aufs Ergebnis sein, gewonnen haben  Nicht verloren haben Abb. 19: Menschliche Triebfedern Soziale Anerkennung: Jeder Mensch sucht nach sozialer Anerkennung. Man möchte, dass die anderen gut von einem denken, egal ob es der Chef oder der Kollege ist. Bei dieser Art Motivation spielt sicherlich auch Eitelkeit eine nicht zu unterschätzende Rolle. Wenn Sie jemanden gegenüber haben, der nach sozialer Anerkennung strebt, werden Sie schnell merken, wie sehr diese Person aufblüht, sobald Sie ihr (vor 7.3 Menschen verstehen: Persönlichkeitstyp, Motivation und Antrieb 121 <?page no="122"?> anderen) ein Kompliment machen. Solche Menschen sind oft auf der Suche nach Bestätigung und möchten regelmäßig hören, dass sie alles richtig machen. Achten Sie darauf, wie häufig sie ihre Erfolge betonen - das gibt Ihnen einen Hinweis darauf, wie wichtig ihnen die Anerkennung ihrer Leistungen ist. Geben Sie Ihrem Gegenüber das Gefühl, wichtig zu sein und etwas Besonderes zu sein. Loben Sie ihn, vielleicht sogar in einer E-Mail, die er seinem Chef zeigen kann. Geben Sie ihm die soziale Anerkennung, die er braucht, um sich gut zu fühlen, und er wird Sie dafür lieben. Erfolgsdruck Der Druck, Erfolge und Ergebnisse zu liefern, kann zur Höchstleistung an‐ spornen. Sie wollen Ziele erreichen, die Ihnen Ihr Vorgesetzter vorgegeben hat oder die Sie sich selbst gesteckt haben. Wer unter Druck steht, redet oft davon, hohe Ziele zu erreichen und schnelle Ergebnisse zu liefern. Wenn Sie genau hinhören, verraten Ausdrü‐ cke wie „muss“, „sollte“ und „unbedingt“, dass hier jemand nicht nur will, sondern muss. Solche Phrasen sind ein klarer Hinweis darauf, dass Ihr Gegenüber unter Erfolgsdruck steht. Verkäufer stehen unter Druck. Sie müssen in der Regel Umsatz, De‐ ckungsbeiträge und Volumen / Menge bringen. Opfern Sie deshalb ge‐ zielt die Verhandlungsmasse, die Sie genau für diesen Zweck eingeplant haben. Der Verkäufer ist damit sehr zufrieden und kann stolz sein erzieltes Verhandlungsergebnis in seinem Unternehmen präsentieren. Einkäufer stehen ebenfalls unter Druck. Ihre Leistung wird meist an Einsparungen gemessen. Je nach Verhandlungsgegenstand gibt es sehr unterschiedliche Ansätze, besonders wenn kundenspezifische Projekte (Anlagenbau, Sondermaschinen) oder Dienstleistungen verhandelt wer‐ den. Aber auch bei Commodities gibt es unter Umständen unterschied‐ liche Methoden (besser als Spotmarkt, Preisindex schlagen etc.). Versu‐ chen Sie herauszufinden, woran Ihr Kunde seinen Verhandlungserfolg misst, und reagieren Sie entsprechend darauf. 122 7 Empathie - Wie man Menschen für sich gewinnt! <?page no="123"?> Sicherheit Für jüngere Verkäufer und Einkäufer gilt gleichermaßen, dass der Verhand‐ lungserfolg im Sinne von Topergebnissen häufig erst an zweiter Stelle steht. Sie setzen eher auf Sicherheit, wollen keine Fehler machen und einigermaßen gute Ergebnisse erzielen und sich vor allem nicht blamieren. Vielleicht sitzen sogar erfahrene Kollegen aus der Fachabteilung dabei, deren bloße Anwesenheit dem Anfänger schon die Knie schlottern lassen. Häufig gehen sie deswegen kein hohes Risiko ein (könnte ja schiefgehen), werden Unkonventionelles (haben wir noch nie so gemacht) tunlichst vermeiden und lehnen sich nicht auf (das ist der Einzige, den wir haben). Leichtes Spiel für Sie! Diesen jungen und noch unerfahrenen Verhand‐ lungspartnern müssen Sie lediglich das Gefühl geben, alles richtig gemacht und das Beste rausgeholt zu haben. Signalisieren Sie ihnen, dass sie kompetent und professionell wirken. Ihre Verhandlungspartner werden dafür dankbar sein und mit dem Gefühl herausgehen, genau das erreicht zu haben, was sie wollten. Vertrauen / Harmonie Jeder Mensch strebt nach Harmonie und fühlt sich in einer vertrauensvollen Umgebung wohl. Was im zwischenmenschlichen Miteinander durchaus wünschenswert ist, ist beim Verhandeln nicht unbedingt von Vorteil. Ver‐ handlungspartner, bei denen diese Motivation stark ausgeprägt ist, scheuen die Konfrontation und kommen mit Feindseligkeit und menschlicher Kälte am Verhandlungstisch nicht klar. Beobachten Sie den Kommunikationsstil Ihrer Gesprächspartner. Lieben sie entspannte Gespräche, bei denen das Miteinander im Vordergrund steht? Dann sind Sie schon auf dem richtigen Weg. Wer nach Harmonie strebt, der mag es freundlich und kooperativ. Schaffen Sie eine angenehme Atmosphäre, zeigen Sie Verständnis und betonen Sie, was Sie gemeinsam haben. Das baut Brücken. Nutzen Sie auch eine kooperative Sprache: Sprechen Sie von „wir“ und „gemein‐ sam“, denn das schafft nicht nur Verbundenheit, sondern fördert auch 7.3 Menschen verstehen: Persönlichkeitstyp, Motivation und Antrieb 123 <?page no="124"?> die Harmonie und macht die Verhandlung für alle Seiten angenehmer. Zeigen Sie Ihrem Gegenuber, dass Sie jemand sind, den man gerne um sich hat, mit dem es keinen Stress gibt und den man immer wieder gerne einladt. Selbstachtung Die stärkste Motivation ist sicher die Selbstachtung. Diese Verhandlungs‐ partner wollen nach der Verhandlung in den Spiegel schauen und sagen können: „Du bist der Beste! “ Ob dieser Typ Einkäufer oder Verkäufer Ergeb‐ nisse bringt oder sich blamiert und was die Kollegen über ihn denken, ist für ihn nicht ausschlaggebend. Sein Credo lautet: „Ich will gewinnen! “ Das Wort „verlieren“ ist ein Fremdwort und das Gegenteil, die „Selbstverachtung“, kommt für ihn nicht infrage. Für ihn spielen Begriffe wie Ehre und Würde eine große Rolle und er will um jeden Preis sein Gesicht wahren. Nach unseren Beobachtungen ist die Selbstachtung die stärkste Motiva‐ tion und der kraftvollste Antrieb in Verhandlungen. Hier wird um jeden einzelnen Punkt gekämpft, als ginge es ums Leben. Diese Menschen hassen es regelrecht, zu verlieren. Geben Sie diesen Menschen das Gefuhl, dass sie gewonnen haben oder dass die Losung der Verhandlung allein ihr Verdienst ist. Dann konnen Sie auch mit diesen Verhandlungspartnern die Ergebnisse erzielen, die Sie sich gesteckt haben. Manchmal muss es trotzdem auf eine Konfrontation herauslaufen. In diesem Fall vermitteln Sie ihnen, dass Sie aus demselben Holz geschnitzt sind. Kalkulieren Sie kurz, welche Auswirkungen es haben kann, wenn Sie Ihrem Gegenüber signalisieren, dass Sie ebenfalls diesen sehr starken inneren Antrieb der Selbstachtung haben. 124 7 Empathie - Wie man Menschen für sich gewinnt! <?page no="125"?> Vom Lang‐ weiler zum Kettenhund Bereiten Sie sich vor: Mit welchem Typ Verhandlungspartner habe ich zu tun ▶ Machen Sie sich über Ihren Verhandlungspartner und sein Umfeld in der Firma kundig! ▶ Reden Sie mit den eigenen Fachabteilungen oder anderen, die Ihnen über die Person oder die Unternehmenskultur Auskunft geben können! ▶ Machen Sie sich klar, mit wem Sie es zu tun bekommen! ▶ Planen Sie die Beziehungsebene! Wichtige Fragen: ▶ Welche Entscheidungskompetenz hat Ihr Gegenüber? ▶ An welchen Zielen wird Ihr Verhandlungspartner gemessen? ▶ Unter welchem Druck steht er (wirtschaftliche Situation)? ▶ Was treibt ihn an, mit Ihnen um ein gutes Ergebnis zu kämpfen? ▶ Welches ist das wichtigste Ziel für ihn und warum? ▶ Welche interne Stellung und welches Verhältnis zu seinem Chef hat er? ▶ Was für ein Persönlichkeitstyp ist Ihr Gegenüber? ▶ Wie gehen Sie mit Ihrem Gegenüber um, um Wellenlänge und Vertrauen zu erzeugen? 7.4 Eigene Ausstrahlung zielgerichtet einsetzen Unser Auftreten ruft immer eine bestimmte Wirkung hervor, die das Ver‐ halten des Gegenübers beeinflusst oder sogar bestimmt. Stellen Sie sich vor, Sie beobachten Ihren Verhandlungspartner beim Be‐ treten des Raums und denken spontan: „Was für eine leichte Beute.“ Er ver‐ mittelt den Eindruck eines Langweilers ohne jegliche Körperspannung, und Sie sind sich sicher, ihn relativ schnell in die Ecke drängen zu können. Denn der „Langweiler“ wird Ihnen ohnehin nicht gewachsen sein. Aber: Vorsicht! Manchmal täuscht der erste Eindruck und Ihr blasses Gegenüber mutiert plötzlich zum aggressiven Kettenhund mit äußerst scharfen Zähnen. Gehen Sie hingegen innerlich schon in Gefechtsstellung, da Ihr Gegenüber „gefährlich und bissig“ wirkt, wird Ihre Reaktion entsprechend ausfallen. Das eigene Auftreten erzeugt immer eine Wirkung: Man kann nicht nicht auftreten! Die Punkte rechts neben der folgenden Grafik beschreiben die einzelnen Merkmale des eigenen Auftretens: 7.4 Eigene Ausstrahlung zielgerichtet einsetzen 125 <?page no="126"?> Auftreten Äußeres Körpersprache Sprache/ Tonfall Rhetorik + Wirkung - beispielsweise: positiv/ negativ hart/ weich sicher/ unsicher vorbereitet/ unvorbereitet + Verhalten - beispielsweise: Interesse/ Ablehnung Aggressivität/ Zurückhaltung Freundlichkeit/ Unhöflichkeit Akzeptanz/ Überheblichkeit Wodurch entsteht ein (der erste) Eindruck? Äußeres • Kleidung • äußeres Erscheinungsbild (Pflege, Frisur, Rasur) • Raum (äußeres Erscheinungsbild des Unternehmens) Körpersprache • Gestik, Mimik, Körperhaltung • Blickkontakt • Bewegung • Haut (Färbung, Konsistenz) • Körpertemperatur • Geruch Rhetorik • Sprechtechnik (Tonfall, Lautstärke, Modulation, Atmung, Sprechtempo etc.) • Inhalt, Formulierungskunst • Schlagfertigkeit Businessregeln/ Verhalten • Eloquenter Smalltalk • Begrüßung, Vorstellung der Teilnehmer • Gastgeberqualitäten (Platz, Kaffee, Essen etc.) Abb. 20: Merkmale des Auftretens Denken Sie auch noch daran, dass sich der berühmte erste Eindruck bereits nach ein paar Sekunden bildet. Also ist die Frage: Wie wollen Sie auftreten, um welche Wirkung zu erzielen. Sie kommunizieren über Ihr Auftreten: ▶ … die Einstellung zu sich selbst! ▶ … die Einstellung zum anderen! ▶ … die Einstellung zur Sache! 126 7 Empathie - Wie man Menschen für sich gewinnt! <?page no="127"?> Was wollen Sie kommunizieren bzw. welche Wirkung wollen Sie erzielen? Die Basis heißt immer: „Ich bin selbstbewusst, entschlossen und souverän und ich weiß, was ich will.“ Darüber hinaus könnten Sie noch kommunizie‐ ren: „Ich mag Sie, ich schätze Sie! “ oder „Wenn Sie Streit suchen, können Sie den gerne mit mir haben! “ oder „Ich bin nicht bereit, mit Ihnen zu teilen! “ Überlegen Sie also genau, wie Sie auftreten und wirken wollen, denn Sie rufen ein Verhalten hervor. Hier stellt sich wieder die Frage, ob man Ausstrahlung oder gar Charisma lernen kann. Genau wie beim Thema Empathie ist die Antwort auch hier: Ja! Wir sind beide Ingenieure. Mit diesem technisch-naturwissenschaftlichen Hintergrund ist es für uns schlicht unvorstellbar anzunehmen, dass Men‐ schen in einen Raum kommen und irgendwelche ominösen Schwingungen oder Strahlen aussenden, die mich beeinflussen und gegen die ich mich nicht wehren kann. Wir sind überzeugt, dass man lernen kann, wie man eine bestimmte Wirkung erzielen kann! Wodurch kommt die Unterschiedlichkeit der Wirkung zustande? Das hängt von der Körperhaltung ab, von der Stimme, vom Händedruck und vom Blickkontakt. Aber auch vom äußeren Erscheinungsbild, von der Art und Weise, wie man sich vorstellt und Smalltalk macht, wie man Visitenkarten tauscht und dem Gast einen Platz und Getränke anbietet. Dadurch kann man auf die Persönlichkeit, die Erfahrung und die Professionalität eines Verhandlungspartners schließen. Lassen Sie uns also die einzelnen Faktoren, die dazu beitragen, eine pro‐ fessionelle Wirkung beim Verhandlungspartner zu erzeugen, noch einmal genauer betrachten. Hier einige Gewusst-wie-Tipps, die man kennen und entsprechend vorbereiten sollte: Äußeres Erscheinungsbild Einige Aspekte rund um das äußere Erscheinungsbild, die dabei helfen können, professionell und selbstsicher zu wirken: Angemessene Kleidung ▶ Branchenangepasst: Wählen Sie Kleidung, die nicht nur zum Anlass passt, sondern auch branchenspezifische Erwartungen berücksichtigt. 7.4 Eigene Ausstrahlung zielgerichtet einsetzen 127 <?page no="128"?> In kreativen Branchen kann beispielsweise etwas mehr Individualität und Farbe angebracht sein, während in konservativen Feldern wie der Finanzbranche traditionelle Businesskleidung bevorzugt wird. ▶ Details beachten: Achten Sie auf Details wie saubere Schuhe, intakte Knöpfe und das Fehlen von Flecken oder Fusseln. Solche Kleinigkeiten können viel über Ihre Aufmerksamkeit und Sorgfalt aussagen. Gepflegtes Äußeres ▶ Haare und Bart: Ihre Haare sollten sauber und ordentlich gestylt sein. Für Männer mit Bart ist ein gleichmäßig getrimmter Bart essenziell. Für Frauen kann ein gepflegtes, professionelles Make-up das Selbstbe‐ wusstsein stärken und die Wahrnehmung beeinflussen. ▶ Diskrete Düfte: Ein leichtes, frisches Parfüm oder Aftershave kann po‐ sitiv wirken, jedoch sollte der Duft nicht überwältigend sein. Zu starke Düfte können ablenken oder sogar negativ aufgenommen werden. Zubehör und Accessoires ▶ Funktional und stilvoll: Wählen Sie Accessoires, die funktional sind und gleichzeitig Stil ausdrücken. Eine gute Uhr, ein eleganter Gürtel oder eine professionelle Tasche können Ihr Outfit abrunden. ▶ Technologie bedacht einsetzen: Moderne Technologien wie Smartpho‐ nes oder Tablets sollten diskret genutzt werden. Stellen Sie sicher, dass diese Geräte sauber und in gutem Zustand sind, um Professionalität zu signalisieren. Körpersprache und Stimme Es wäre einfach, Ihnen eine Liste mit Tipps zur Körpersprache, Gestik, Mimik und Haltung zu geben. Nach unserer Erfahrung ist dieses Wissen jedoch in der Hitze der Verhandlung nur begrenzt nutzbar. Es ist eine Her‐ ausforderung, ständig auf das eigene Auftreten zu achten und sich ständig zu fragen: „Mache ich einen sicheren Eindruck? “, „Lächle ich ausreichend? “, „Wie lange sollte ich Blickkontakt halten? “, „Rede ich zu schnell? “ oder „Ist meine Stimme sicher? “. Wenn man mit diesen Überlegungen zu beschäftigt ist, kann das die Konzentration auf das Wesentliche - das Verhandeln selbst, das Argumentieren und das angemessene Reagieren auf unerwartete 128 7 Empathie - Wie man Menschen für sich gewinnt! <?page no="129"?> Wendungen - beeinträchtigen. Hier entsteht ein Dilemma. Doch die Lösung ist denkbar einfach, so einfach, dass man sich sogleich vor die Stirn schlägt und ausrufen möchte: „Natürlich! “ ▶ Sie möchten souverän wirken? Seien Sie einfach souverän! ▶ Sie möchten ruhig und gelassen wirken? Seien Sie ruhig und gelassen. ▶ Sie möchten vermeiden, dass man Ihnen Unsicherheit anmerkt? Seien Sie einfach nicht unsicher! ▶ Sie möchten entschlossen wirken? Dann seien Sie entschlossen! Sie erkennen sicherlich: Alles ist eine Frage der inneren mentalen Einstel‐ lung. Wenn Sie Souveränität, Sicherheit und Entschlossenheit verinnerlicht haben, dann werden Sie diese Qualitäten auch ohne Mühe in Ihrer Körper‐ sprache und in der Art, wie Sie sprechen, ausstrahlen, ohne sich auf die Details Ihres Auftritts konzentrieren zu müssen. Es gibt zahlreiche Methoden, um sich in eine solche mentale Verfassung zu versetzen. Hier kann man besonders viel von Sportlern lernen, für die eine adäquate mentale Einstellung vor einem Wettkampf ebenso essenziell ist wie für einen professionellen Verhandler vor einer Verhandlung. In der Praxis hat sich gezeigt, dass eine gründliche Vorbereitung, das Treffen aller erforderlichen Entscheidungen und das mentale Durchspielen der Verhandlungssituation die Schlüsselelemente sind, um Sicherheit und Entschlossenheit zu erlangen. Genau das werden Sie dann auch in allen Phasen der Verhandlung ausstrahlen, ohne auch nur einen Gedanken daran verschwenden zu müssen. Das Äußere folgt dem Inneren; die Körper‐ sprache, Ihre Stimme, das Verhalten und die Reaktionen auf unerwartete Situationen werden stets von Ihrer inneren Einstellung geleitet. Tipps zur mentalen Vorbereitung: Jeder Mensch hat seine individuellen Methoden und Rituale, sich auf herausfordernde Situationen mental vorzu‐ bereiten. Hier sind einige Tipps, die wir als Coaches häufig empfehlen, wenn wir Verhandlungsführer auf schwierige Gespräche vorbereiten: ▶ Fokussieren Sie auf Ihre mentale Vorbereitung: Wie Sportler vor einem Wettkampf, sollten Sie sich mental auf Verhandlungen vorbereiten. Dies umfasst nicht nur die inhaltliche Vorbereitung, sondern auch das Einstellen auf eine selbstsichere und entschlossene Haltung. ▶ Mentales Durchspielen: Visualisieren Sie die Verhandlungssituation im Voraus. Stellen Sie sich vor, wie Sie erfolgreich argumentieren und auf 7.4 Eigene Ausstrahlung zielgerichtet einsetzen 129 <?page no="130"?> Einwände reagieren. Dies stärkt Ihr Selbstvertrauen und hilft Ihnen, natürlich und entschlossen zu wirken. ▶ Automatisieren Sie Ihr Verhalten: Üben Sie wichtige Verhaltenswei‐ sen wie festen Blickkontakt, ein natürliches Lächeln und eine offene Körpersprache im Alltag, sodass diese in Verhandlungen automatisch abrufbar sind. Je natürlicher diese Verhaltensweisen für Sie werden, desto weniger müssen Sie darüber nachdenken. ▶ Bleiben Sie authentisch: Vermeiden Sie es, eine Rolle zu spielen oder sich zu verstellen. Authentizität trägt wesentlich dazu bei, vertrauensvoll und überzeugend zu wirken. Wenn Sie sich selbst treu bleiben, müssen Sie sich weniger Gedanken über Ihr Auftreten machen. ▶ Achten Sie auf Ihre Atmung: Nutzen Sie Atemtechniken, um Stress zu reduzieren und Ihre Nervosität zu kontrollieren. Eine ruhige und tiefe Atmung kann helfen, Ihre Gedanken zu ordnen und Ihre Präsenz zu festigen. ▶ Nutzen Sie ein positives Selbstgespräch: Bestärken Sie sich selbst mit positiven Affirmationen und Selbstgesprächen. Wiederholen Sie vor und während der Verhandlung positive Mantras wie „Ich bin vorberei‐ tet“ oder „Ich kann das“. ▶ Vorbereitung ist der Schlüssel: Stellen Sie sicher, dass Sie alle notwen‐ digen Informationen gesammelt und Ihre Argumente durchdacht haben. Eine gründliche Vorbereitung gibt Sicherheit und ermöglicht es Ihnen, flexibel und adaptiv auf die Dynamik der Verhandlung zu reagieren. Rhetorik Um in Verhandlungen und generell in professionellen Gesprächen einen souveränen Eindruck zu hinterlassen, spielt die Rhetorik eine entscheidende Rolle. Wer gut reden kann, wem man vielleicht sogar an den Lippen hängt, dem wird in der Regel Kompetenz und eine professionelle Ausstrahlung, vielleicht sogar Charisma, zugeschrieben. Rhetorik ist keine Geheimwissen‐ schaft. Sicher fällt es einigen leichter, aber die Art und Weise, wie man spricht, wie man Argumente formuliert, Einwände kontert oder Fragen stellt, sind erlernbare Techniken. Alles eine Sache der Übung. Hier sind einige wichtige Aspekte, die Sie bei Ihrer Rhetorik beachten sollten: ▶ Klarheit und Präzision: Formulieren Sie Ihre Gedanken klar und ver‐ ständlich. Vermeiden Sie Fachjargon, es sei denn, er ist allgemein 130 7 Empathie - Wie man Menschen für sich gewinnt! <?page no="131"?> bekannt und wird verstanden. Dies zeigt, dass Sie Ihre Themen beherr‐ schen und in der Lage sind, diese auch einem Laienpublikum nahezu‐ bringen. ▶ Selbstbewusstes Sprechen: Nutzen Sie eine feste, klare Stimme. Vermei‐ den Sie ein zögerliches Sprechen und zu viele Füllwörter wie „ähm“ und „also“, da diese Unsicherheit signalisieren können. ▶ Strukturiertes Vorgehen: Gliedern Sie Ihre Argumente logisch und nachvollziehbar. Eine gute Struktur in Ihrer Argumentation hilft Ihrem Gegenüber, Ihnen zu folgen und Ihre Punkte zu verstehen. ▶ Aktives Zuhören: Zeigen Sie, dass Sie aufmerksam zuhören, indem Sie auf das Gesagte eingehen und es in Ihren Antworten reflektieren. Dies nicht nur signalisiert Respekt, sondern ermöglicht es Ihnen auch, gezielter und relevanter auf Punkte Ihres Gegenübers zu reagieren. ▶ Angemessene Sprache: Passen Sie Ihre Sprache der Situation und dem Publikum an. Ein souveräner Sprecher weiß, wann eine formelle Sprache angebracht ist und wann eine lockerere Tonart das Gespräch fördern kann. ▶ Überzeugende Argumentation: Setzen Sie rhetorische Mittel gezielt ein, um Ihre Argumente zu stärken. Dazu gehören beispielsweise Analogien, Metaphern und rhetorische Fragen, die Ihre Aussagen unterstreichen und das Interesse des Zuhörers wecken. ▶ Fragetechnik: Lernen Sie, Fragen richtig einzusetzen. Fragen werden in Verhandlungen zu einem mächtigen Werkzeug. Vor allem, wenn Sie die verborgenen Ziele des Verhandlungspartners herauskitzeln, Vorwände enttarnen oder einfach an die wichtigen Informationen kommen wollen, müssen Sie richtig fragen. Im Eifer des Gefechts fallen einem die richtigen Fragen oft nicht ein, also formulieren Sie sich diese ruhig vorher, ähnlich wie ein Moderator einer Talkshow. ▶ Positive Sprache: Verwenden Sie positive Formulierungen und vermei‐ den Sie negative Konnotationen. Positive Sprache kann die Stimmung einer Verhandlung beeinflussen und die Wahrscheinlichkeit einer Eini‐ gung erhöhen. ▶ Gesprächsführung übernehmen: Steuern Sie das Gespräch durch ge‐ zielte Fragen und lenken Sie es zurück auf relevante Themen, wenn es abzuschweifen droht. Dies zeigt Ihre Fähigkeit, das Gespräch zu führen und auf Kurs zu halten. 7.4 Eigene Ausstrahlung zielgerichtet einsetzen 131 <?page no="132"?> ▶ Schlagfertigkeit: Legen Sie sich einfach ein paar Schlagfertigkeitstechni‐ ken zu, die Ihnen dann in den entscheidenden Situationen zur Verfügung stehen. Dafür gibt es auch hervorragende Seminare. Businessrituale Die Art und Weise, wie wir uns in professionellen Situationen verhalten, wird oft durch eine Vielzahl von Faktoren beeinflusst, einschließlich der Branchenspezifika, des Alters der Beteiligten, der Unternehmenskultur und regionalen Gepflogenheiten. Diese Faktoren können erheblich beeinflussen, welche Businessrituale angemessen sind und wie sie am besten durchge‐ führt werden. Es ist wichtig, diese Aspekte zu berücksichtigen, um ein passendes und respektvolles Miteinander sicherzustellen. Hier sind einige grundlegende Businessrituale und Tipps, wie sie je nach Kontext angepasst werden können: ▶ Professionelle Vorstellung: Ein fester, aber nicht erdrückender Hände‐ druck ist ein universelles Zeichen der Professionalität. Stellen Sie sich mit vollem Namen und Ihrer Position vor. Ein Lächeln kann zusätzlich eine freundliche und offene Atmosphäre schaffen. In Kulturen oder Situationen, wo ein Händedruck weniger angemessen ist, achten Sie auf alternative Begrüßungsformen wie eine leichte Verbeugung oder ein Kopfnicken. ▶ Effektiver Smalltalk: Nutzen Sie Smalltalk geschickt, um eine Verbin‐ dung herzustellen und eine entspannte Gesprächsatmosphäre zu schaf‐ fen. Vermeiden Sie kontroverse Themen und wählen Sie stattdessen all‐ gemeine, positive Themen wie Anfahrt, Wetter (oft genutztes Smalltalk- Ritual zum Einstieg), gemeinsame Interessen oder leichte Branchenthe‐ men. Das Alter und der berufliche Hintergrund Ihrer Gesprächspartner können dabei helfen zu entscheiden, welche Themen am besten geeignet sind. ▶ Platz anbieten: Achten Sie darauf, Ihren Gästen den angemessenen Platz anzubieten, besonders wenn Sie der Gastgeber sind. Dies zeigt Respekt und Aufmerksamkeit für das Wohlbefinden Ihres Gegenübers. Die Art des angebotenen Platzes kann je nach formeller oder informeller Einstellung der Besprechung variieren. ▶ Bewirtung: Sorgen Sie für eine angemessene Bewirtung, wie Wasser, Kaffee oder andere Getränke. Das Anbieten von Erfrischungen sollte 132 7 Empathie - Wie man Menschen für sich gewinnt! <?page no="133"?> die Präferenzen und möglichen diätetischen Einschränkungen der Gäste berücksichtigen. In manchen Kulturen oder bei bestimmten Geschäfts‐ anlässen kann auch eine umfangreichere Bewirtung erwartet werden. ▶ Verabschiedung: Beenden Sie das Meeting oder die Verhandlung mit einem Dankeschön für die Zeit und die Diskussion und bieten Sie, wo angebracht, einen weiteren festen Händedruck an. Drücken Sie deutlich Ihre Freude über die weitere Zusammenarbeit aus, um eine positive und erwartungsvolle Haltung zu vermitteln. 7.5 Wellenlänge aufbauen / Menschen abholen Wenn reine Sachargumente in einer Verhandlung an ihre Grenzen stoßen, die Verhandlungsposition kein Durchsetzen der Ziele ermöglicht, bietet das, was Sie bislang gelernt haben, den Weg auf die psychologisch entschei‐ dende Route über die Beziehungsebene. Allerdings entsteht eine solide Beziehungsebene nicht einfach aus dem Nichts bzw. sie fällt Ihnen in den Schoß. Sie muss bewusst aufgebaut und gepflegt werden. Dies erreichen Sie, indem Sie Ihren Verhandlungspartner dort „abholen“, wo er steht. Das bedeutet, gezielt und auf den jeweiligen Typ (abgestimmt auf ihn) eingehen, um Wellenlänge, Sympathie und Wertschätzung zu erzeugen. Nur so wird Ihr Gegenüber bereit sein, Ihnen entgegenzukommen, einfach weil er Ihnen helfen will, und offen für Ihre Vorschläge ist. Auf diese Weise gewinnen Sie nicht nur den Menschen für sich, sondern auch die Kontrolle über den Verhandlungsverlauf. Wie man Menschen abholt, richtig auf sie eingeht und gute Beziehungen aufbaut, wird weder an der Schule noch in der Lehre oder an den Hochschu‐ len und Universitäten gelehrt. Jeder muss erst mal auf das zurückgreifen, was er von sich aus mitbringt. An dieser Stelle wollen wir nicht zu tief in psy‐ chologische Phänomene oder Methoden wie neurolinguistisches Program‐ mieren (NLP) etc. einsteigen. Aber mit gesundem Menschenverstand kann man schon eine ganze Menge erreichen. Ein schönes Beispiel zum Erzeugen von Wellenlänge haben wir mit dem aktiven Zuhören bereits erwähnt. Wir haben unseren Verhandlungspartner dadurch nicht nur kennengelernt und gelesen, sondern bereits angefangen uns auf ihn einzuschwingen und Wellenlänge aufzubauen bzw. vorzubereiten. Dafür muss man nicht Psychologie studiert haben, sondern das ist gesunder Menschenverstand, den jeder als Bordwerkzeug dabei haben kann. 7.5 Wellenlänge aufbauen / Menschen abholen 133 <?page no="134"?> Lassen Sie uns aber gerne noch ein wenig tiefer einsteigen und ein paar weitere Bordwerkzeuge in Ihren Werkzeugkoffer legen. Wie gelingt es, einen Menschen abzuholen? Da jeder Mensch einzigartig ist, erfordert dies ein spezifisches und auf den Persönlichkeitstyp abgestimmtes Eingehen auf Ihr Gegenüber. Sie haben in vorherigen Kapiteln bereits erfahren, wie man Menschen beobachtet und ihre Verhaltensweisen interpretiert. Diese Beobachtungen und Einsichten nutzen Sie nun, um den Ihnen gegenübersitzenden Persönlichkeitstyp zu identifizieren, sein Denken und Verhalten zu verstehen sowie seine Motiva‐ tionen zu erkennen. Im nächsten Schritt überlegen Sie, wie Sie am besten mit den verschiede‐ nen Typen interagieren: Hierzu bieten sich zwei grundlegende Verhaltensregeln an, die sowohl in Verhandlungen als auch im alltäglichen Leben überaus nützlich sind: 1. Menschen mögen Menschen, die ihnen ähnlich sind! Im Allge‐ meinen fühlen sich Menschen zu jenen hingezogen, bei denen sie Ge‐ meinsamkeiten erkennen können - seien es sprachliche Eigenarten, In‐ teressen, Äußerlichkeiten oder Ansichten. Gemeinsamkeiten erzeugen unterschwellig Vertrauen, Wertschätzung und Sympathie. Versuchen Sie also, Ihr Gegenüber in Sprache, Tempo, Verhalten und Denken zu spiegeln, um so eine tiefere psychologische Verbindung herzustellen. Dies sollte bereits während des Smalltalks umgesetzt werden, um von Anfang an eine gute Verbindung zu schaffen. 2. Behandle jeden Menschen so, wie er behandelt werden möchte! Viele Menschen leben nach dem Grundsatz: Behandle andere so, wie du selbst behandelt werden möchtest. Dies ist grundsätzlich lobenswert und würde die Welt verbessern. Doch der Verhandlungsprofi erkennt, dass das Gegenüber möglicherweise anders behandelt werden möchte. Daher ist es entscheidend, individuell auf die spezifischen Eigenheiten, Vorlieben und Charakteristika des Gegenübers einzugehen. Dies bedeu‐ tet, dass Sie beispielsweise einen S-Typ nicht wie einen D-Typ behandeln sollten. Ihre Kenntnis der verschiedenen Persönlichkeitstypen sollte Ihnen dabei helfen, sich jeweils richtig einzustellen. 134 7 Empathie - Wie man Menschen für sich gewinnt! <?page no="135"?> Wie können Sie das im Umgang mit den verschiedenen DISG-Typen nutzen? Indem Sie sich in die Lage Ihres Gegenübers versetzen in dessen Haut schlüpfen, seinen Persönlichkeitstyp spiegeln und in Ihrem Verhalten auf seinen Persönlichkeitstyp eingehen. Kurzfristig können Sie auf ihre authen‐ tische Art in die Rolle jedes DISG-Typs schlüpfen, deren charakteristische Merkmale annehmen und so ähnlich „ticken“. Denken Sie daran: Menschen mögen Menschen, die ihnen ähnlich sind. Auch wenn dies langfristig nicht Ihr natürliches Verhalten sein mag, ermöglicht es Ihnen, kurzzeitig „in der Haut“ eines anderen Typs zu stecken, um Gemeinsamkeiten zu schaffen, die eine Nähe herstellen und das Verhandlungsklima positiv beeinflussen. ▶ Dominante Typen (D) schätzen Effizienz und klare Ergebnisse. Seien Sie direkt, bringen Sie Ihre Punkte schnell auf den Tisch und zeigen Sie Anerkennung für ihre Zielstrebigkeit und Erfolge. ▶ Initiative Typen (I) sind enthusiastisch und sozial orientiert. Betonen Sie Gemeinsamkeiten, seien Sie offen und kommunikativ, und bringen Sie Dynamik ins Gespräch. ▶ Stetige Typen (S) suchen Harmonie und Sicherheit. Zeigen Sie Geduld, Unterstützung und Empathie, um eine vertrauensvolle Atmosphäre zu schaffen. ▶ Gewissenhafte Typen (G) legen Wert auf Detailgenauigkeit und gründ‐ liche Überlegungen. Bieten Sie klare Fakten und detaillierte Erklärungen an und zeigen Sie Respekt für ihre methodische Herangehensweise. Berücksichtigen Sie die persönlichen Motivationen Die Motivation eines Verhandlungspartners kann stark variieren und ist oft von persönlichen Triebfedern wie der Suche nach Anerkennung, Sicherheit, sozialer Bestätigung oder dem Bedürfnis, sich selbst zu behaupten, getrie‐ ben. Diese Erkenntnisse nutzen Sie, um typspezifisch auf die jeweiligen Bedürfnisse einzugehen und so die Beziehung zu stärken: ▶ Anerkennung und Lob: Loben Sie Ihren Verhandlungspartner, vielleicht sogar öffentlich, um ihm soziale Anerkennung zu verschaffen. Dies stärkt sein Selbstwertgefühl und seine Bereitschaft, sich in der Verhand‐ lung kooperativ zu zeigen. 7.5 Wellenlänge aufbauen / Menschen abholen 135 <?page no="136"?> ▶ Sicherheit: Beachten Sie die individuellen Ängste und Bedürfnisse nach Sicherheit, insbesondere bei jüngeren Verhandlungspartnern, die weniger Risiken eingehen möchten. ▶ Selbstachtung: Menschen, die stark auf Selbstachtung fokussiert sind, benötigen Bestätigung ihrer Kompetenz und ihres Erfolgs. Achten Sie darauf, wie Sie Erfolge kommunizieren und wie Sie dabei das Selbstbild Ihres Gegenübers stärken. Durch das tiefgehende Verständnis der Persönlichkeitsprofile und Motiva‐ tionen Ihrer Verhandlungspartner können Sie gezielt auf sie eingehen und so die Verhandlungen auf einer tieferen, persönlichen Ebene führen. Dies ermöglicht nicht nur bessere Ergebnisse, sondern fördert auch langfristige Geschäftsbeziehungen. 136 7 Empathie - Wie man Menschen für sich gewinnt! <?page no="137"?> 8 Strategie - der übergeordnete Plan SUMMARY Das Gipfelkreuz ist zum Greifen nah! Ihnen stehen nun verschiedene Routen zur Auswahl. Die eine ist vielleicht kurz, direkt und kräftezeh‐ rend, eine andere länger und verschlungener, dafür aber auch raffinier‐ ter. Wägen Sie nun ab, welche Route Sie sicher und ohne Blessuren zum Gipfel führt. Sind Sie stark genug, die direkte zu nehmen oder gehen Sie einen Umweg, um gefährliche Stellen zu meiden? Im folgenden Kapitel erfahren Sie, wie Sie Ihre optimale Strategie entwerfen, die Sie erfolgreich zu Ihrem Verhandlungsziel führt. Mit dieser Strategie legen Sie fest, über welche Route Sie den Gipfel anstreben, und setzen die entscheidenden Wegmarken. Sie definieren nun auch, ob Sie sich nur auf Ihre Karabiner und Sicherungsgeräte verlassen und den Ruhm für sich alleine einstreichen wollen oder ob Sie auf ein Team und gegenseitige Sicherung vertrauen. Und wie immer berechnen Sie auch den Zeitpunkt mit ein, an dem Sie besser ganz abbrechen. 8.1 Strategie und Taktik Die Begriffe Strategie und Taktik entstammen der Terminologie des Militärs. Der Begriff Strategie leitet sich vom griechischen Wort Strategos ab und bedeutet ursprünglich Heerführer. Der Heerführer hat das Ziel, einen Krieg zu gewinnen, und entwirft den großen Plan. Die Umsetzung dieses Plans überlässt er seinen Generälen, die die Taktik festlegen, mit der die Strategie umgesetzt wird: einzelne Schlachten, die Aufstellung des Heeres, die Reihenfolge, in der die Truppen in die Schlacht geschickt werden, der Angriffszeitpunkt etc. Die Taktik ist also die handwerkliche Umsetzung einer übergeordneten Strategie. Eine Taktik kann auch dazu benutzt werden, die eigentliche Strategie zu verschleiern. Was hinter dem Wort Verschleierungstaktik steckt, ist also der Versuch, über taktische Maßnahmen, die im ersten Moment unlogisch oder sogar falsch erscheinen, die eigentliche Strategie zu verbergen, um <?page no="138"?> den Gegner zu täuschen. So manche gewonnene Schlacht hat sich für die Gegenseite als eine Täuschung entpuppt. Die Taktik dahinter: Der Gegner fühlt sich durch den erreichten Sieg sicher, rückt mit seinen Truppen unbe‐ dacht vor, um schließlich in einem bewusst gelegten Hinterhalt festzusitzen. So kann man zum Beispiel in einer Verhandlung mit einem Lieferanten zuerst über mehrere Stunden Reklamationen diskutieren und jede kleine Fehllieferung bis ins Detail auseinandernehmen. Das funktioniert besonders gut, wenn der Lieferant in der Vergangenheit tatsächlich einige Qualitäts‐ probleme hatte. Der Lieferant nimmt dabei automatisch die schwache Position der Rechtfertigung ein und ist damit bereits in der Defensive. Die entscheidende Schlacht spielt sich aber an einer ganz anderen Stelle ab: Durch den ausgeübten Druck soll der Lieferant davon abgehalten werden, eigentlich gerechtfertigte Preiserhöhungen zu fordern. Das strategische Ziel ist also die Abwehr von Preiserhöhungen, der taktische Plan zielt auf die Verunsicherung des Lieferanten ab, indem er in unbequeme Qualitätsdis‐ kussionen verwickelt wird. Unterscheiden Sie immer sehr genau Strategie und Taktik, denn nur so können Sie die Ziele der anderen Partei aufdecken. ▶ Die Strategie benennt das große Ziel, also den übergeordneten Plan und die wesentlichen Eckpunkte, um dieses Ziel zu erreichen. ▶ Die Taktik definiert die Mittel und Wege, mit denen die Strategie umgesetzt wird. Wir kennen alle den Begriff der Unternehmensstrategie. Die Unterneh‐ mensstrategie beschreibt in der Regel die langfristige Ausrichtung des Unternehmens. So könnte beispielsweise der Vorstand eines Unternehmens beschließen, sich am Markt als Technologieführer zu etablieren. Diese Strategie muss nun handwerklich umgesetzt werden. Das geht bis zu Ar‐ beitsplatzbeschreibungen der einzelnen Mitarbeiter. Denn jeder Mitarbeiter muss wissen, was er dazu tun kann bzw. muss, um der Strategie zu folgen. In der Regel geschieht das über Zielvereinbarungen. So müssen die Mitar‐ beiter der Forschungs- und Entwicklungsabteilung wissen, wie viele neue Entwicklungen und Patente sie in einem bestimmten Zeitraum avisieren sollen. 138 8 Strategie - der übergeordnete Plan <?page no="139"?> KLEINER EXKURS IN DEN FUSSBALLSPORT Beim Fußball gibt es grundsätzlich zwei Strategien, die der Trainer bei der Planung eines Spieles verfolgen kann. Die eine Strategie hat den Sieg zum Ziel, die andere Strategie hat das Vermeiden einer Niederlage zum Ziel. Hier stehen sich eine offensive (wir wollen gewinnen) sowie eine defensive (wir wollen nicht verlieren) Strategie gegenüber. Diese Strategien kann man oft beobachten, wenn das große Ziel etwa lautet, beim Europapokal eine Runde weiterzukommen. Im Auswärts‐ spiel wird die defensive Strategie umgesetzt (nicht zu verlieren oder nicht hoch zu verlieren), im Heimspiel hingegen lautet die offensive Strategie: Wir wollen ganz klar gewinnen. Die Taktik beim Fußball ist die Festlegung der Spielweise der Mann‐ schaft. Die richtige Taktik zu finden, hängt von vielen Faktoren ab. Die Fähigkeiten der Spieler - wie Fußballtechnik, Beweglichkeit, Schnellig‐ keit, Ausdauer etc. - gehören genauso dazu wie die mannschaftliche Entwicklung - wie die Mannschaftsstruktur, der Ausbildungsstand bei immer wiederkehrenden Spielsituationen usw. Außerdem ist die richtige Analyse des Gegners wichtig. Die bekannteste Form der taktischen Ausrichtung ist das Spielsystem (z. B. 4-4-2). Ein Spielsystem beschreibt idealerweise, wo sich die Spieler einer Mannschaft auf dem Spielfeld in etwa zu positionieren haben. Diese unterschiedlichen Aufstellungen werden gewählt, je nachdem, ob eine Mannschaft eher offensiven oder defensiven (strategische Aus‐ richtung) Fußball spielen will. Was bedeutet dies aber nun für unsere Verhandlungen? Wie sind die Begriffe der Verhandlungsstrategie und der Verhandlungstaktik einzuordnen? Über die Strategie legen Sie die Rahmenbedingungen Ihrer Verhandlung fest: ▶ Wie hart (Durchsetzen) bzw. wie weich (Einigung) wollen Sie verhan‐ deln? Harte Verhandlungen bedeuten, dass das Durchsetzen bzw. Siegen im Vordergrund steht. Weiche Verhandlungen setzen tendenziell eher auf einen Konsens, idea‐ lerweise eine Win-win-Situation oder zumindest einen Kompromiss. 8.1 Strategie und Taktik 139 <?page no="140"?> Hart verhandeln bedeutet in diesem Zusammenhang: Sie machen keine Kompromisse, weil Sie sie nicht machen müssen. Gerade an dieser Stelle dürfen Sie noch nicht auf die Taktik schließen. Sie können das durchaus sehr freundlich, sehr ehrlich und sehr sympathisch machen. Hart verhandeln im strategischen Sinne bedeutet also nicht hart verhandeln im taktischen Sinne, etwa den Verhandlungspartner auf der menschlichen Ebene anzugreifen. Vielleicht hat Ihre Analyse aber gezeigt, dass Sie eigentlich keine andere Möglichkeit haben, als sich mit Ihrem Verhandlungspartner zu einigen. Ihre Verhandlungsposition ist einfach nicht gut genug, um Ihre Ziele brutal durchzusetzen. Wenn Sie diese Position auf der taktischen Ebene verschleiern wollen, könnten Sie zum Beispiel nicht besonders freundlich und höflich sein, in der Hoffnung, dass der andere seine Position dadurch falsch einschätzt und verunsichert wird. Ihre leichte Überheblichkeit und Arroganz deutet Ihr Gegenüber unter Umständen als Überlegenheit, die aber de facto nicht vorhanden ist. Sie legen also mehr oder weniger fest, ob Sie den Gipfel alleine besteigen können und damit den gesamten Ruhm für sich ernten oder ob Sie gemeinsam in einem Team den Gipfel besteigen wollen, allerdings dann nur einer unter vielen sind. ▶ Damit wird deutlich, dass über die Verhandlungsstrategie auch der Ver‐ handlungsspielraum festgelegt wird. Bei harten Verhandlungen werden Sie in der Regel nur einen kleinen Verhandlungsspielraum haben, eben weil Sie ihn nicht brauchen. Bei weichen Verhandlungen werden Sie tendenziell eher einen größeren Spielraum brauchen, da eine Einigung angestrebt wird. ▶ Die Verhandlungsstrategie beschreibt ebenfalls grundsätzlich, welche Routen Sie auf dem Weg zum Gipfel beschreiten wollen. Setzen Sie eher auf Überzeugung (R-Route der Rhetorik), auf Macht und Zwang (E-Evaluation; Route der der Macht- / Risikoverhältnisse) oder auf die Beziehungsebene / Sympathie / Wollen (E-Route der Empathie)? ▶ Wie reagieren Sie, wenn die Strategie des Konsens oder des Durchset‐ zens nicht aufgeht bzw. nicht funktioniert? Bereiten Sie eine Alterna‐ tivroute zum Gipfel vor - Ihren Plan B. Sollte aber auch Plan B scheitern, legen Sie bereits in der Vorbereitung fest, wann bzw. unter welchen Bedingungen Sie die Verhandlung abbrechen und umkehren, um zu einem anderen Zeitpunkt einen erneuten Aufstieg zu versuchen. Schlagen Sie die Türen nie vorschnell endgültig zu, sondern vertagen oder unterbrechen Sie die Verhandlung. Nur wenn Sie ganz sicher 140 8 Strategie - der übergeordnete Plan <?page no="141"?> sind, dass Sie keine weiteren Gespräche führen wollen, brechen Sie die Verhandlung ab. Die folgende Grafik mit dem Win-lose-Strategie-Diagramm beschreibt die Wahl der Strategie. Einigung: Wollen + Können Durchsetzen: Wollen + Können unwichtig viel schlechter sehr wichtig viel besser mittel mittel 1. Kooperative Lösung  „Sieg“ und gute Beziehung win - win überzeugen  neue Lösungen suchen  Offenheit  weich verhandeln  entsprechender Verhandlungsspielraum 3. Kompromiss  beste Alternative zu win - win kein Sieg/ kein Verlieren oft lose-lose: beide geben mehr als geplant  Verhandlungsmasse  Deal machen  überzeugen  argumentieren  Vorteile aufzeigen 5. Ergebnislose Verhandlung „weder - noch“ Alternativen prüfen  hart verhandeln  kleiner Verhandlungsspielraum 2. Durchsetzen der eigenen Maximalziele  Sieg in eigener Sache win - ? Dominanzstrategie bei Abhängigkeit  hart verhandeln  kleiner Verhandlungsspielraum 4. Aufgeben der eigenen Ziele  Beziehung wichtiger als Verlust notfalls lose - win Minimierung des Verlustes  (sehr) weich verhandeln  hoher Verhandlungsspielraum Abb. 21: Normstrategien für Verhandlungen Um diese Eckpunkte festzulegen, müssen Sie die Erkenntnisse aus der Vorbereitung entsprechend einfließen lassen. Sie berücksichtigen dafür: ▶ Alle Informationen, die Sie über Ihr Gegenüber sammeln konnten. Beziehen Sie alle Informationen ein: über den Lieferanten als Firma (Größe / Umsatz im Verhältnis zur eigenen Firma, Größe des Auftrags, aktuelle Auslastung des Lieferanten etc.), aber auch über den Menschen, der Ihnen in der Verhandlung gegenübersitzt. 8.1 Strategie und Taktik 141 <?page no="142"?> ▶ Versuchen Sie, Ihre Ziele gegen die Ziele des Verhandlungspartners zu stellen. Überprüfen Sie in den Verhandlungsszenarien die zur Verfügung stehenden Lösungsmöglichkeiten. ▶ Überprüfen Sie nun die einzelnen Routen, inwieweit sie für den Aufstieg zum Gipfelkreuz begehbar sind: ▷ E-Evaluation des Risikos / der Macht / der strategischen Aus‐ gangsposition: Bewerten Sie Ihre Position und die Ihres Verhandlungspartners. Versuchen Sie, Rückschlüsse über die Machtbzw. Risikoverhält‐ nisse zu ziehen (siehe Kapitel 5). ▷ R-Rhetorik: Stellen Sie Ihre Argumentation gegen die Argumenta‐ tion Ihres Gegenübers. Überprüfen Sie Ihre Chancen, den anderen zu überzeugen. Wie stark ist Ihre Argumentation, wie stark ist die Argumentation der anderen Seite? Können Sie diese Argumente über geschickte Einwände entkräften (siehe Kapitel 6)? ▷ E-Empathie: Überlegen Sie, inwieweit Sie den Verhandlungspart‐ ner auf der Beziehungsebene dazu bewegen können, sich Ihren Zielen anzuschließen (siehe Kapitel 7). 8.2 Strategie 1: Kooperative Lösung / Win-win Hier geht es darum, einen Konsens zu erarbeiten und eine Lösung zu finden, mit der sowohl Sie als auch Ihr Verhandlungspartner zufrieden sind. Sie wollen sich also durchsetzen und eine Einigung erzielen. Wenn beide Parteien bekommen haben, was sie wollen, kann man das als Win-win- Situation bezeichnen. Partnerschaft bedeutet, dass beide Seiten Freude am Ergebnis haben. Dies ist eine klassische, aus strategischer Sicht weiche Verhandlung, bei der man einen entsprechenden Verhandlungsspielraum und ein Entgegenkommen benötigt, um eine Lösung zu finden. Hier ist man auch bereit, um die Ecke zu denken und neue Wege zu beschreiten, um eine Einigung zu erzielen. BEISPIEL Eine Lösung ist nicht in Sicht, obwohl bereits alles ausgereizt wurde: Rabatte, Margen, Verhandlungsmasse und die Möglichkeiten für Deals. Jetzt kann der Verhandlungsgegenstand selbst diskutiert werden. Even‐ tuell eröffnet sich eine Lösung über die Veränderungen in der Spezi‐ 142 8 Strategie - der übergeordnete Plan <?page no="143"?> fikation eines Bauteils oder einer Dienstleistung. Über geringfügige Änderungen in der Spezifikation (Entfeinern von Toleranzen, Verzicht auf Puffer bei der Lieferzeit, Einsatz von Substitutionsmaterial etc.) bekommt der Einkäufer nach wie vor die Qualität, die er als ausreichend definiert. Für den Hersteller haben geringfügige Änderungen eventuell große Auswirkungen im Bereich der Kosten. Daher wird er diese Kostenvorteile in die Verhandlung einbringen, ohne seinen Gewinn opfern zu müssen. So haben letztendlich beide Seiten gewonnen. Hier ist die Kreativität von Einkäufern und Verkäufern beim Finden neuer Lösungen gefragt. 8.3 Strategie 2: Durchsetzen Die Einigung steht für Sie nicht im Vordergrund, weil ihre Verhandlungspo‐ sition sehr gut ist. Da Sie nichts zu verschenken haben und sich durchsetzen können, werden Sie dies auch tun. Sie machen keine Kompromisse, verhan‐ deln hart und haben einen kleinen Verhandlungsspielraum. Verbinden Sie Ihre starke Ausgangsposition aber nicht zwangsläufig mit rüdem Auftreten und unhöflichem Verhalten, denn auch diese Verhandlungen können höf‐ lich, transparent und offen geführt werden. 8.4 Strategie 3: Kompromiss Die Verhandlung steckt fest. Beide Parteien müssen nun von ihren Zielen abweichen, um noch ein Ergebnis zu erzielen. Für diesen Fall haben Sie Nebenziele formuliert, die sie opfern können. Da beide Parteien von ihren Zielen abrücken müssen, entsteht letztendlich eine Lose-lose-Situation. Lose-lose hört sich zunächst nicht sehr attraktiv an, ist aber die beste Alternative und kommt der Win-win-Lösung relativ nah, da es keine Sieger-Verlierer-Konstellation gibt. Geteiltes Leid ist halbes Leid! Partner versuchen so, doch noch eine Einigung zu erreichen. Je mehr Nebenziele Sie opfern können und je mehr Verhandlungsmasse Sie für Deals einsetzen können, desto besser. 8.3 Strategie 2: Durchsetzen 143 <?page no="144"?> 8.5 Strategie 4: Nachgeben Man muss auch anerkennen, wenn der Berg zu hoch ist. Manchmal ist es sinnvoll, einfach nachzugeben und anzuerkennen, dass man nicht gewinnen kann und der andere keine Kompromisse machen muss. Der Grat ist schmal. Bleiben Sie stur und hartnäckig, stellen Sie eventuell irgendwann fest, dass Sie sich komplett verrannt haben. Diese Verhandlungssituation ist natürlich schlecht und das Risiko des Scheiterns hoch (Produktionsstillstand, Neukon‐ struktion, Auftragsverlust, geringe Auslastung, Kurzarbeit etc.). Stellen Sie sich darauf ein, dass Sie nun mal auf den Geschäftspartner angewiesen sind. Nun ist sich Ihr Gegenüber wahrscheinlich bewusst, dass er keine Kom‐ promisse machen muss. Was erwarten Sie? Er wird hart verhandeln und sich durchsetzen. Verschwenden Sie keine überflüssige Energie, um eventuell marginale Verbesserungen zu erreichen. Einkäufer meiden zwar das Nachgeben wie der Teufel das Weihwasser und auch die Verkäufer geben sich nicht gern unter Wert geschlagen, aber der leidenschaftslose Kaufmann sollte seine Chancen ganz sachlich bewerten. 8.6 Strategie 5: Abbruch Sie wollen weder Kompromisse machen noch nachgeben, haben daher nur einen kleinen Verhandlungsspielraum und merken schnell, dass Sie zu keiner Lösung kommen werden. Wenn es dem Verhandlungspartner in diesem Fall genauso geht, wird die Verhandlung auf einen Abbruch hinauslaufen. Frei nach dem Motto: Dann verhandle ich eben mit anderen. BEISPIEL | Szenario 1: Strategieweg 1-2-3-5 Sie würden gerne, egal ob als Verkäufer oder Einkäufer, mit Ihrem Gegenüber einen Konsens erzielen, da der Kunde bzw. Lieferant inter‐ essant ist und Ihnen eine langfristige Partnerschaft attraktiv erscheint. Deshalb sind Sie bereit, mit einem relativ großen Spielraum zu verhan‐ deln und dem anderen entgegenzukommen. Sie gehen davon aus, dass Ihr Verhandlungspartner die Situation genauso bewertet und ebenfalls einen entsprechenden Verhandlungsspielraum mitbringt. Stellt sich nun aber in der Verhandlung heraus, dass die Spielräume der beiden Parteien nicht ausreichen, um eine Lösung zu erzielen (man also 144 8 Strategie - der übergeordnete Plan <?page no="145"?> immer noch zu weit auseinanderliegt), muss man eine neue Strategie ausprobieren. Sie müssen sich nun entscheiden. Strategie 1 hat nicht funktioniert. Sie wechseln zu Strategie 2 und passen Ihre taktischen Mittel an. Häufig erken‐ nen Sie das an Sprachmustern, die sich nun verändern. Arbeiten Sie zum Beispiel mit „Wenn nicht …, dann …! “-Formulierungen. Sie versuchen nun, den anderen zu zwingen. Sie verlassen die weiche Route der Vernunft und wechseln zur härteren Route der Macht. Die Situation sollte das allerdings auch Erfolg versprechend zulassen. So sollten Sie zum Beispiel im Falle eines Scheiterns der Verhandlung den Verlust des anderen höher einschätzen als Ihren eigenen. Wenn diese Strategie nicht funktioniert, weil der andere sich nicht unter Druck setzen lässt, können Sie versuchen, nun einzulenken und einen Kompromiss auszuloten (Strategie 3). Klappt auch das nicht, bleibt Ihnen noch der Abbruch (Strategie 5). BEISPIEL | Szenario 2: Strategieweg 1-3-4 Dabei haben wir es mit dem klassischen Monopolistenszenario zu tun. Als Einkäufer sind Sie auf den Verhandlungspartner angewiesen! Wenn der Lieferant aufsteht und die Zusammenarbeit beendet, wäre das für Sie katastrophal. In diesem Fall kann der Lieferant hart verhandeln. Streben Sie einen Konsens an, mit dem beide gut leben können (Stra‐ tegie 1). Lässt sich der Lieferant darauf nicht ein, können Sie versuchen einen Kompromiss anzustreben. Klappt auch das nicht, bleiben nur zwei Möglichkeiten: abbrechen oder nachgeben. Wenn der Lieferant hart verhandeln und keine Kompromisse machen möchte, seine Situa‐ tion zudem ausnutzt und seine Karten sauber herunterspielt, dann bleibt Ihnen nichts anderes übrig, als ein guter Verlierer zu sein. Bis zur Niederlage ist es allerdings ein langer und harter Weg. Hier gilt die HHH-Regel: Hartnäckige Höflichkeit hilft. Nur weil Sie wissen, dass sie zur Not auch nachgeben können, müssen Sie es dem Lieferanten nicht zu leicht machen. Sie können zum Beispiel versuchen, über geeignete taktische Maßnahmen diese Option zu verschleiern. Vielleicht schaffen Sie es so, die Siegessicherheit des Lieferanten anzukratzen. In letzter Konsequenz werden Sie den Lieferanten jedoch nicht gehen lassen. Sie sehen schon, dass es zahlreiche Möglichkeiten gibt, Strategien zu kombi‐ nieren und flexibel zu planen. Wichtig ist, immer einen klaren Plan zu haben 8.6 Strategie 5: Abbruch 145 <?page no="146"?> (Strategie), um in den unterschiedlichen Situationen einer Verhandlung immer richtig agieren und reagieren zu können. Wenn Sie diesen Plan haben, kann Ihnen nichts passieren. Wenn Sie jedoch an einen Punkt kommen, an dem Sie überhaupt nicht weiterwissen, bleibt Ihnen immer noch die Möglichkeit, die Verhandlung zu einem späteren Zeitpunkt fortzusetzen oder der Abbruch. Reagieren Sie nie unüberlegt, sondern überlegen Sie genau und besprechen Sie das weitere Vorgehen mit Ihren Mitstreitern. Nun gilt es, die Strategie optimal umzusetzen: mit Ihrer Taktik, über die Sie alles Wichtige im folgenden Kapitel 9 erfahren. CHECKLISTE □ Wägen Sie ab: Zum Beispiel „Ich will und kann mich einigen“ oder „Ich will mich einigen, kann mich aber nicht durchsetzen“ und in der Konsequenz „Soll ich nachgeben? “ □ Kann ich … □ Will / Muss ich … mich durchsetzen? □ Kann ich … □ Will / Muss ich … mich einigen? □ Ist eine Win-win-Situation möglich? □ Was kann ich tun, um win-win zu erreichen (Deal, Produkt, neue Lösung)? □ Welchen Plan B verfolge ich, wenn meine Strategie nicht aufgeht? 146 8 Strategie - der übergeordnete Plan <?page no="147"?> 9 Taktik - Der taktische Baukasten professioneller Verhandler SUMMARY Die Strategie steht nun fest. Was jetzt noch fehlt, ist ein Plan, wie Sie die gesammelten Informationen und die zurechtgelegten Argumente in der Verhandlung nutzen und Ihre Strategie konkret umsetzen wollen. Und genau um diesen Plan geht es in diesem Kapitel. Die Aufstiegsroute samt aller ihrer Alternativen steht fest. Zeit, in die Details zu gehen. Wann möchten Sie losmarschieren? Welcher Proviant wird eingepackt? Wer macht die Fotos? Wer geht wo am Seil und wer achtet darauf, dass die Zeit eingehalten wird? Fragen über Fragen - ihre Antworten formen die Taktik. Die einen wählen Energieriegel und Energydrinks, die anderen bevorzugen Quellwasser, Butterbrote und Obst. Und so, wie jeder eine andere Vorstellung vom perfekten Proviant hat, unterscheiden sich auch die Vorstellungen, nicht nur welcher, sondern auch wie dieser Weg einer Verhandlung dann am besten zu gehen ist. Berücksichtigen Sie bei der Wahl Ihrer taktischen Mittel unbedingt Ihre Vorlieben, Stärken und Schwächen. Bleiben Sie authentisch! Denn nur, wenn Sie voll hinter Ihrem Vorgehen stehen, werden Sie die Taktik gut umsetzen und überzeugend auftreten können. <?page no="148"?> Die Umsetzung im Detail: taktische Planung Gesprächstaktik Das Spiel Teilnehmer Stil Auftreten Gesprächseinstieg, -führung Offensive vs. defensive Gesprächsführung: Fordern vs. Abwehren Fragen formulieren: zur Gesprächsführung, zur Infobeschaffung Reihenfolge der Themen Einstellen auf Gesprächsstil des Gegenübers Eskalationsstrategie Reihenfolge der Argumente Haupt- und Begleitargumente Argumentationstechnik Einwände der Gegenseite Eigene Einwände Einwandtechniken Argumentationsketten Aggressive vs. defensive Argumentation Plan für Zugeständnisse Verhandlungsmasse / Tauschobjekte Verhandlungsführer bestimmen Verhandlungsmandat bestimmen (Verhandlungsführer = Entscheider? ) Anzahl der Teilnehmer Rollen / Aufgaben: Beobachter, Protokollführer etc. Wechsel in der Verhandlungsführung Sitzordnung Höflichkeit Verbindlichkeit Freundlichkeit Ehrlichkeit Fairness Aggressivität Hartes / weiches Auftreten Unterschiedliches Auftreten der Teilnehmer Erster Eindruck: erstes Auftreten, Begrüßung, Smalltalk, Visitenkarten, Vorstellung etc. Business-Regeln, Etikette Eingesetzte Rhetorik Kleidung Körpersprache Sprache Bild des Unternehmens (Raum, Präsentation etc.) Beziehungsebene Tricks Methoden Zeit Organisation Beziehung zum Gegenüber gestalten: Wellenlänge / Sympathie vs. Einschüchterung / Verunsicherung Andere taktische Mittel darauf abstimmen Suggestion, unterschwellige und symbolische Maßnahmen Einschüchterung Manipulation Good Guy vs. Bad Guy Aggressivität, Defensive Old-School-Tricks Bewährte Strategie / Taktikkombinationen: Salamitaktik Blockieren / Mauern Spiel auf Zeit Handeln / Basar Termin Zeitpunkt Dauer Zeitdruck Räumlichkeit Bewirtung Ausstattung Transport / Unterbringung der Gäste Abb. 22: Taktikbaukasten 148 9 Taktik - Der taktische Baukasten professioneller Verhandler <?page no="149"?> Taktikbaukasten Ausschlaggebend für den Verhandlungserfolg ist, ob und inwieweit es Ihnen gelingt, Ihre Planung umzusetzen. Besonderes Augenmerk verdienen dabei ▶ die rhetorischen Elemente, wie Gesprächsführung, das Argumentespiel und die nonverbale Kommunikation, die Teilnehmer, ihre Rollen und Aufgaben und ihr Zusammenspiel als Team - sowohl aufseiten des Verhandlungspartners als auch im eigenen Verhandlungsteam, ▶ die persönlichen Elemente, wie Verhandlungsstil und Ihr Auftreten, ▶ die psychologischen Elemente, Einsatz von Tricks, Rückgriff auf be‐ währte Taktiken, Gestaltung der Beziehungsebene und ▶ der zeitliche Rahmen und die organisatorische Vorbereitung der Ver‐ handlung. Natürlich lassen sich die Zutaten in der Praxis nicht so leicht trennen wie hier auf dem Papier. Vieles bedingt einander. So ist beispielsweise die Frage, ob man die Trickkiste aufmachen soll, nicht nur eine Frage der Psychologie, sondern auch des ganz persönlichen Stils. Die Rolle, die man sich zuteilt, muss zur Person passen - wir hatten das bereits mehrfach erwähnt. Ein Mensch der leisen Töne wird den lauten Polterer wohl kaum glaubwürdig mimen können, es sei denn, er hat echtes Schauspieltalent. Was passt für mich? Wichtig ist, dass Sie alle Bereiche des Taktikbaukas‐ tens durchgehen und sich überlegen, wie Sie hier vorgehen möchten, hier in dieser speziellen Verhandlung. Die Erfahrung zeigt, dass eine gute Pla‐ nung, auch im Detail, den Erfolg bringt. Die Wahl der geeigneten Taktik wird von vielen Faktoren beeinflusst. Denken Sie zum Beispiel an ein Unternehmen, das sich in einer kritischen Marktsituation befindet. Da gelten dann gleich andere Spielregeln als zu gu‐ ten Zeiten. Dazu kommen die Gepflogenheiten und Werte im Unternehmen selbst. Gibt Ihre Firma Ihnen Regeln für den Umgang mit Geschäftspartnern vor? Sieht man Geschäftspartner tatsächlich als Partner? Oder gilt die Devise: Geht raus und zieht die Kunden / Lieferanten über den Tisch? Ein Faktor, der die Wahl der taktischen Mittel bestimmt, sind zuletzt natürlich auch Sie ganz persönlich, denn schließlich müssen Sie in der Verhandlung bestehen, und das können Sie nur, wenn Sie eine Taktik wählen, die nicht total mit Ihrer Persönlichkeit kollidiert. Um es plakativ zu formulieren: Dem Eisenfresser wird man nie das zahme Täubchen abnehmen. Und umgekehrt. 9 Taktik - Der taktische Baukasten professioneller Verhandler 149 <?page no="150"?> TIPPS ▶ Gehen Sie die einzelnen Bausteine des Taktikbaukastens durch und entscheiden Sie sich für „Ihre“ Taktik. ▶ Wichtig ist, dass die Taktik Ihre Strategie unterstützt. ▶ „Ihre“ Taktik sollte Ihnen liegen und sich an Ihren Fähigkeiten und Überzeugungen orientieren. ▶ Die einzelnen Elemente der Taktik sollten aufeinander abgestimmt sein, damit alles aus einem Guss ist. Ein geübter Gegner erkennt sofort Widersprüche. ▶ Auch bei der friedlichsten Verhandlung muss ein bestimmter Druck aufgebaut werden, damit das Gegenüber handelt. ▶ Gehen Sie nicht davon aus, dass Ihr Gegenüber Ihnen aus reiner Nettigkeit entgegenkommt. Es geht in letzter Konsequenz immer noch um Geld. ▶ Vermeiden Sie widersprüchliches Auftreten / Peinlichkeiten wegen fehlender Abstimmung. FRAGEN ▶ Welche Taktik erscheint mir / uns am vielversprechendsten, um unsere Strategie umzusetzen und unsere Ziele zu erreichen? ▶ Steht das Team dahinter? ▶ Wirken wir geschlossen und glaubwürdig? ▶ Habe ich mir über alle Bestandteile der Taktik Gedanken gemacht und Entscheidungen getroffen? ▶ Wird genügend Druck aufgebaut? 9.1 Teilnehmer Alle Vorbereitung auf eine Verhandlung führt zu nichts, wenn die Teilneh‐ mer nicht mitspielen. Der erste Schritt besteht daher darin, festzulegen, wer überhaupt auf Ihrer Seite an der Verhandlung teilnimmt. Wer muss dabei sein, wer sollte, und wer muss auf Abruf bereitstehen? Damit Ihre Planungen nicht ins Leere laufen, ist es wichtig, dass Sie sich persönlich auf die anderen Verhandlungsteilnehmer einstellen. Und diese 150 9 Taktik - Der taktische Baukasten professioneller Verhandler <?page no="151"?> Einstellung beginnt mit Vorgesprächen. Nur so können Sie auch sicherstel‐ len, dass alle Mitglieder Ihres Teams dieselben Vorstellungen davon haben, worum es in der Verhandlung eigentlich gehen und was erreicht werden soll. Sprechen Sie mit Ihrem Team über folgende Punkte: ▶ Welche Ziele verfolgen wir und welche Strategien, welche Taktik wen‐ den wir an, um diese Ziele zu erreichen? ▶ Wie gehen wir konkret vor und wie argumentieren wir? Welche Infor‐ mationen dürfen (von wem) gegeben werden und welche nicht? Je mehr Sie Ihren Verhandlungspartner unter Druck setzen wollen oder müssen, desto wichtiger ist die interne Abstimmung. Soll eines Ihrer Team‐ mitglieder während der Verhandlung eine bestimmte Rolle „spielen“ (den „Bedenkenträger“, „Good Cop / Bad Cop“ etc.), dann muss derjenige genau instruiert sein. Wenn Sie besonders hart verhandeln müssen, sollten Sie Ihr Team unbedingt vorwarnen, damit es Ihnen aus Angst vor einem Scheitern der Verhandlung nicht in den Rücken fällt (denken Sie z. B. an die Fachab‐ teilung, die unbedingt einen Lieferanten haben will). Kündigen Sie auch jeden Bluff, den Sie eventuell anbringen möchten, in den Vorgesprächen genau an! Am bass erstaunten Gesichtsausdruck der Mitstreiter ist schon so manch wohlkalkulierter Verhandlungsbluff gescheitert. Je klarer Sie im Vorfeld die Rollen der einzelnen Teammitglieder fest‐ zurren, desto sicherer klettern Sie durch die Verhandlung. Versuchen Sie gemeinsam, die Stärken und Schwächen des eigenen Teams und des Kun‐ denteams zu identifizieren und passen Sie dann auch gegebenenfalls Ihre Taktik noch einmal an! Und noch ein wichtiger Punkt gehört vorab mit dem Team geklärt - nämlich die wesentlichen Entscheidungen, von denen Sie annehmen, dass sie am Verhandlungstisch nicht getroffen werden können. Stimmen Sie sich mit Ihrem Team also genau ab, ob und wann Sie die Situation eskalieren lassen: ▶ Wer geht in die Eskalation? (Verhandlungsführer / Ranghöchster)? ▶ Können wir unterbrechen / vertagen / (vorläufig) abbrechen? ▶ Welche Aussagen / Ergebnisse führen zu Verhandlungspausen (oder in eine gesonderte Beratung in einem zweiten Raum)? ▶ Wie wird dabei vorgegangen? In der Regel fordert der Verhandlungs‐ führer zu Verhandlungspausen auf. Der Verhandlungsführer muss nicht der Ranghöchste sein (ist es aber meistens). 9.1 Teilnehmer 151 <?page no="152"?> Stärken und Schwä‐ chen ▶ Müssen eventuell weitere Teilnehmer auf Abruf bereitstehen oder wenigstens telefonisch erreichbar sein? Bei Vergabeverhandlungen in Übersee kann das wegen der Zeitverschiebung auch nachts erforderlich sein. ▶ Wie gehen wir um mit Drohungen oder mit „Wenn nicht, dann …“-Si‐ tuationen? TIPP FÜR VERKÄUFER Da Verhandlungen meist beim Kunden stattfinden, sind es wohl oder übel Sie als Verkäufer, die anreisen müssen - oft bereits am Vortag. Sehen Sie das bewusst als Chance, um die gemeinsame Zeit der Anreise und des Abends im Hotel für die Abstimmung mit Ihrem Team zu nutzen. TIPP FÜR EINKÄUFER Das Verkäuferteam hat in der Regel die längere Anreise. Sie sollten wissen, dass die Verkäufer diese Zeit nicht zum Ausruhen nutzen, sondern damit, sich detailliert abzusprechen. Tun Sie es Ihren Verhandlungsgegnern gleich und planen Sie im Vorfeld ein ausführliches Vorbereitungsgespräch mit Ihrem Team. Sich im Vorfeld einer Verhandlung mit allen ihren Teilnehmern auseinan‐ derzusetzen, heißt zunächst, die Stärken und Schwächen beider Seiten zu identifizieren. Wer weiß, womit er im eigenen Team rechnen kann, kann sein Team besser strukturieren, um Stärken zu nutzen und Schwächen aus‐ zugleichen. Wer weiß, womit er bei der Gegenseite rechnen kann, kann seine Taktik entsprechend maßschneidern. Gehen Sie Punkt für Punkt durch: Eigenes Verhandlungsteam ▶ Wer gehört zu unserem Team? ▶ Welche Rolle übernimmt jeder Einzelne? ▶ Was sind die Stärken und Schwächen unseres Teams bzw. der einzelnen Mitglieder? ▶ Wo sehen wir Wissens- oder Erfahrungslücken? 152 9 Taktik - Der taktische Baukasten professioneller Verhandler <?page no="153"?> Verhand‐ lungsführer Verhandlungsteam des Kunden / Lieferanten ▶ Wer ist auf der Gegenseite involviert? ▶ Was sind die Stärken und Schwächen des anderen Teams bzw. seiner einzelnen Mitglieder? ▶ Erwarten wir eine partnerschaftliche oder eine harte Verhandlung? ▶ Welche Taktiken oder Tricks erwarten wir? Bedenken Sie immer: Ihre Taktik, also auch die Zusammensetzung Ihres Verhandlungsteams, muss zur gewählten Verhandlungsstrategie passen. Oder hat es für Sie etwa keine Signalwirkung, wenn die Geschäftsführung oder Rechtsanwälte am Verhandlungstisch Platz nehmen? Nachdem Sie sich ein Bild verschafft haben, wie sich welches Team zu‐ sammensetzt, teilen Sie Ihrem Team seine Aufgaben zu. Zunächst die wich‐ tigste Entscheidung: Wer ist Verhandlungsführer? Vergessen Sie bei dieser Entscheidung den Teamgedanken für einen Moment, denn: Es kann nur ei‐ nen geben! Die Rolle des Verhandlungsführers ist die wichtigste in einer Verhandlung. Er gibt Agenda, Themen und Richtung vor und entscheidet über Fortgang und Unterbrechung der Verhandlung. Ein guter Verhand‐ lungsführer steuert das Gespräch so, dass die Ziele - seine Ziele - so gut wie möglich erreicht werden. Und er lässt dem Verhandlungspartner so viel Raum wie nötig. Den Verhandlungsführer gibt es am Tisch nur einmal. Meist werden beide Seiten, Ein- und Verkäufer, diese Rolle beanspruchen. Deshalb kann diese Rolle im Verlauf der Verhandlung auch wechseln. Kämpfen Sie darum, die Führungsrolle zu übernehmen, und überlassen Sie dies nicht Ih‐ rem Gegner! VERHANDLUNGSFÜHRER ▶ Führt die Verhandlung ▶ Gibt Informationen ▶ Stellt die entscheidenden Fragen ▶ Drückt seine Meinung aus ▶ Macht Angebote ▶ Verhandelt Zugeständnisse ▶ Es muss jedoch nicht die älteste / ranghöchste Person sein, es kann auch derjenige sein, der für diese bestimmte Warengruppe oder diesen bestimmten Kunden im Tagesgeschäft verantwortlich ist. 9.1 Teilnehmer 153 <?page no="154"?> Hinweis an Verkäufer Ja, Verhandlungsführer kann es nur einen geben. Aber: Als Verhandlungs‐ führer können Sie in einer schwierigen Verhandlungssituation unmöglich alles alleine machen. Das Gespräch führen, souverän argumentieren, aktiv zuhören und auf alle (nonverbalen) Signale Ihres Verhandlungspartners achten, die Zeit im Auge behalten und am besten noch Protokoll führen. Teilen Sie in Ihrem Team also noch die folgenden Rollen ein: Zusammenfasser / Protokollführer ▶ Stellt Fragen, um das Verständnis zu überprüfen ▶ Sucht / überprüft Informationen ▶ Zieht bei Bedarf die Aufmerksamkeit auf sich ▶ Fasst zusammen, um in gewissen Situationen Zeit zu gewinnen ▶ Bestätigt übereinstimmende Punkte, macht aber keine Zugeständnisse ▶ Verbreitet nicht die eigene Meinung oder Informationen Beobachter ▶ Behält die Übersicht ▶ Beobachtet und hört aufmerksam zu, versucht, „zwischen den Zeilen zu lesen“, und gibt Hinweise an den Verhandlungsführer ▶ Macht Notizen ▶ Verwaltet Modelle und Preisbzw. Kosteninformationen ▶ Versucht, die Motive des Kunden / Lieferanten zu verstehen ▶ Spricht wenig, um besser zuhören zu können In Sachen Teilnehmer möchten wir noch ein bisschen aus unserem Erfah‐ rungsschatz plaudern. Unser Hinweis an Verkäufer: Lassen Sie Ihren Chef nicht ins Team! Warum? Ganz einfach: Kunden von Topmanagern haben meistens die schlechtesten Margen! Falls Sie daran zweifeln, dann denken Sie daran, dass Topmanager es sich nicht leisten können zu verlieren. Für „Vorstandaufträge“ gibt es meistens nur ein unzureichendes Preiscontrol‐ ling. Denn welcher Controller verbietet schon der Geschäftsleitung, einen Auftrag anzunehmen? Zudem sind die Chefs meistens einfach unzureichend vorbereitet: Für wichtige Verhandlungen (große Projekte, Jahresverhand‐ lungen etc.) sollten Sie in der Regel mit einer Vorbereitungszeit von min‐ destens 2 bis 3 Tagen rechnen - durchschnittlich investieren Topmanager aber nur ca. 45 Minuten in die Vorbereitung einer Verhandlung. 154 9 Taktik - Der taktische Baukasten professioneller Verhandler <?page no="155"?> Hinweis an Einkäufer Zuletzt noch ein Tipp für Einkäufer. Für Sie ist es immens wichtig, sich mit den Fachabteilungen abzustimmen. Denken Sie immer daran: Die eigene Fach‐ abteilung will nicht immer dasselbe wie Sie, deswegen stimmen Sie sich unbe‐ dingt ab, sonst werden sie das Nachsehen haben. Man kann es gar nicht oft genug sagen: Der Außendienstler, der Ihnen gegenübersitzt, ist erfahrener und oft auch besser vorbereitet. Vielleicht hat er sogar im Vorfeld schon mit den Fachabteilungen diskutiert und versucht, sie ins Boot zu holen. Klingt absurd? Wir kennen aus unserer Beratungspraxis genügend Fälle, wo dies Standard ist. 9.2 Organisation und Zeit Ja, eine besondere taktische Bedeutung hat auch die organisatorische Vorbe‐ reitung der Verhandlung! Einmal signalisieren Sie damit Professionalität im Umgang mit Geschäftspartnern. Man wird annehmen, dass Sie eine gewisse Erfahrung haben und auch auf die Verhandlung professionell vorbereitet sein werden. Zum anderen hat es einen ganz klaren taktischen Vorteil, wenn Sie es sind, der die scheinbar schnöden Eckdaten der Verhandlung organi‐ siert: Sie können die Gesprächsatmosphäre von Anfang an in Ihrem Sinne steuern und dem Gespräch die gewünschte Richtung geben. Überdenken Sie die folgende Liste: ▶ Tagesordnung bzw. Gesprächsagenda festlegen ▶ Reservierung des Raumes mit entsprechender Ausstattung (beispiels‐ weise Flipchart, Overhead, Beamer) ▶ Getränke (die drei K: Kaffee, Kekse, Kaltgetränke) und Verpflegung (evtl. Mittagessen in Kantine oder Restaurant, Snacks im Verhandlungsraum) organisieren ▶ Ort, Zeitpunkt und Dauer der Verhandlung festlegen Bedenken Sie auch hier: Zeitpunkt und zeitlicher Rahmen für die Verhand‐ lung müssen zur gewählten Strategie entsprechen: Welcher Verhandlungs‐ partner möchte sich am Freitagabend noch „abfertigen“ lassen, und was sagt dieser Termin über die Wertschätzung des Gegenübers aus? Und um gemeinsam Lösungen für ein schwieriges Problem zu finden, benötigen Sie möglicherweise Stunden. Wenn Sie hingegen planen, Ihrem Gesprächspart‐ ner die Pistole auf die Brust zu setzen, reichen dafür wenige Minuten. Zeitdruck ist ein wirksames Mittel in harten Verhandlungen, aber unter Zeitdruck kreativ zu sein, fällt den meisten schwer. 9.2 Organisation und Zeit 155 <?page no="156"?> Organisiert also nur nur einer der Verhandlungspartner diese Eckdaten, während der andere sich ausruht? Mitnichten. Auch wenn Sie der Einge‐ ladene sind (in der Regel also der Verkäufer), sollten Sie sich im Vorfeld intensiv mit der Organisation der Verhandlung beschäftigen. Überdenken Sie folgende Liste, die übrigens auch für den Gastgeber gilt: ▶ Bereitstellung von Unterlagen: Dokumente, Zeichnungen, Angebote, technische Daten; Einkäufer: Vergleichswerte anderer Anbieter ▶ Teilnehmer (Verhandlungspartner, eigene Firma) einladen ▶ Eventuell benötigte Fachleute auf Abruf bereithalten ▶ Vertragsentwurf / Verhandlungsprotokoll vorbereiten ▶ Sitzordnung bestimmen ▶ Eventuell Unterkunft, Transport (bei Kunden / Lieferanten mit weiter Anreise, beispielsweise aus China) ▶ Betriebsbesichtigung oder Werksrundgang anfragen / planen TIPP FÜR DEN EINKÄUFER Gehen Sie davon aus, dass der Verkäufer sehr häufig bei seinen Kunden verkehrt und so einen guten Vergleich hat, ob Sie ein Profi sind oder nicht. Schaffen Sie das richtige Bühnenbild! Stellen Sie sich einfach vor, wie Sie das Denken des Verkäufers beeinflussen, wenn: ▶ Der Verkäufer am Empfang angemeldet ist ▶ Sie ihn dort pünktlich abholen ▶ Sie ihn souverän und selbstsicher begrüßen und ihn eloquent durch den Smalltalk führen ▶ Sie ihn in einen freundlichen Raum führen, wo bereits dampfender Kaffee auf dem Tisch steht ▶ Er auf dem Flipchart schon beim Eintreten die Agenda für das Gespräch lesen kann (z. B. Beginn und Begrüßung 10: 00 Uhr, 10: 15 Uhr top eins, 10: 45 Uhr top zwei usw.) ▶ Der Beamer mit angeschlossenem Notebook bereits das Logo Ihrer Firma an die Wand wirft ▶ Alle Leute / Teilnehmer Ihres Teams bereits anwesend (und dem Anlass entsprechend gekleidet) sind ▶ Die Unterlagen kopiert sind und schon auf den vorbereiteten Plätzen liegen 156 9 Taktik - Der taktische Baukasten professioneller Verhandler <?page no="157"?> Sieht so nicht eine Bühne aus, die von vorne bis hinten Souveränität und Professionalität ausstrahlt? Die dem anderen suggeriert: Da ist einer exzellent vorbereitet. Da ist einer ein professioneller und ernst zu nehmender Gesprächspartner. Der macht das nicht zum ersten Mal! Sie können sich vorstellen, dass Ihr Verhandlungsgegner sich nun anders verhalten wird, als wenn er schon beim Beginn des Besuches das Gefühl hat, dass bei Ihnen alles drunter und drüber geht. Unterschwellig wird er davon ausgehen, dass Sie inhaltlich genauso gut vorbereitet sind wie organisatorisch. Die organisatorische Vorbereitung bringt so viel an „Grundstimmung“! Sie ist kein Zeitfresser und lässt sich übrigens auch komplett delegieren! Das Setting geht weiter. Nun stellen Sie alle Leute einander vor und stellen sicher, dass jeder weiß, wer an der Verhandlung teilnehmen wird. Geben Sie den anderen die Möglichkeit, ihre Visitenkarten auszu‐ tauschen. Begrüßen Sie zur Verhandlung, stellen Sie den Verhandlungs‐ gegenstand klar, stellen Sie die Agenda vor - und fangen Sie an zu verhandeln! 9.3 Gesprächstaktik Der Einstieg Der Einstieg legt die Route fest, er stellt die Weichen - Umkehr vielleicht nicht ausgeschlossen, aber schwierig. Wie fangen Sie das Gespräch an? So: „Ich bin hundertprozentig davon überzeugt, dass wir heute eine zufriedenstellende Lösung erarbeiten! “ Oder so: „Der Preis ist für mich nicht verhandelbar.“ Der erste Schritt in Sachen Gesprächstaktik besteht darin zu überlegen, mit welchen Aussagen man in die Verhandlung starten möchte. Mit spär‐ lichen Informationen, eventuell garniert mit einem Pokerface? Oder mit einem Zuversicht signalisierenden Statement und einem gewinnenden Lächeln? Die Entscheidung liegt bei Ihnen. Fest steht: Die beiden genannten Beispiele bringen völlig verschiedene Verhandlungen auf den Weg. Die Richtung, die Sie mit den ersten Sätzen einschlagen, sollte dem inneren Kompass Ihres Verhandlungsziels entsprechen. Angriff oder Verteidigung? Sie können offensiv und fordernd in das Gespräch gehen und den andern 9.3 Gesprächstaktik 157 <?page no="158"?> vor sich hertreiben - oder Sie können etwas defensiver und abwehrend in das Gespräch gehen. Wählen Sie den Weg, der Ihre Strategie unterstützt. Die Gesprächsführung In Sachen Gesprächsführung möchten wir Ihnen wenige, dafür aber beson‐ ders wichtige Hinweise geben: Wer fragt, der führt. Wer antwortet, reagiert (nur). Egal, wie Ihr Ziel lautet und mit welchen taktischen Mitteln Sie Ihre Strategie durchsetzen möchten: Es ist immer ratsam, die Gesprächsführung zu haben. Doch Fragen fallen nicht vom Himmel, zumal nicht in der oft angespannten Stimmung der ersten halben Stunde einer Verhandlung, also wollen sie vorbereitet sein. Wer fragt, verschafft sich Informationen. Überlegen Sie also im Vorfeld, was Sie vom Gegenüber noch wissen müssen und formulieren Sie diese Frage offen. Ein Beispiel: Auf die Frage „Werden Sie auch pünktlich liefern? “ werden Sie auf dieser Erdkugel wohl kaum einen Lieferanten finden, der darauf nicht mit einem kräftigen Ja! antwortet - Ihr Informationsstand nach dieser Frage ist also derselbe wie zuvor. Ganz anders die offene Formulierung: „Wie stellen Sie Ihre Liefertermine sicher? “ Da kann sich der Lieferant nicht mit einem einfachen Ja oder Nein aus der Affäre ziehen. Sie bekommen Informationen. Und auch die Verkäufer können gezielt offene Fragen formulieren, zumal sich gerade Entscheider ungern sagen lassen, was sie zu brauchen haben. Stellen Sie also Fragen nach den Bedürfnissen Ihres Kunden und lassen Sie ihn den Nutzen für sich einschätzen! Etwa so: „Was für eine Reak‐ tionszeit / Verfügbarkeit / … stellen Sie sich denn vor? “ Oder: „Würde es Ihnen helfen, wenn … ? “; „ … Wäre das nicht ein interessanter Gesichtspunkt für Sie? “ Nutzen Sie Fragen geschickt zur Gesprächsführung. Anregungen und Tipps dazu finden Sie in Kapitel 10 WER FRAGT, … ▶ der führt! ▶ lenkt das Gespräch auf die Themen, die besprochen werden sollen! ▶ zeigt Interesse! ▶ bekommt Informationen! ▶ muss selber nicht antworten! 158 9 Taktik - Der taktische Baukasten professioneller Verhandler <?page no="159"?> ▶ hat Zeit zum Nachdenken! ▶ manipuliert seinen Gesprächspartner! ▶ bekommt die Antworten, die er bekommen möchte! Achten Sie während des Gesprächs immer darauf, dass die gestellten Fra‐ gen auch wirklich beantwortet werden und Ihr Gegenüber Ihnen nicht ausweicht oder gar mit einer Gegenfrage antwortet - dann ist Ihre Ge‐ sprächsführung nämlich sofort aus dem Lot und Sie drohen zu straucheln. BEISPIEL | Tipps für den Einkäufer Ganz klar: Sie sind der Kunde, also übernehmen Sie die Rolle als Verhandlungsbzw. Gesprächsführer! Bleiben Sie dabei höflich, aber bestimmt. Führen Sie! ▶ Geben Sie dem Verhandlungspartner durch (straffe) Führung das Gefühl, dass Sie die Verhandlung im Griff haben. ▶ Geben Sie Ihrem Verhandlungspartner den Raum / Redeanteil, den er braucht und der Ihrer Verhandlungsstrategie entspricht. Lassen Sie den Verkäufer reden, aber nur so viel und so lange Sie wollen: ▷ Vorstellung des Unternehmens, ▷ Informationsbeschaffung, ▶ Aber: Sie erteilen das Wort und bestimmen das Thema. ▶ Kein Abschweifen und Ablenken vom Thema zulassen! Wenn der Lieferant eine Frage beantwortet, die Sie gar nicht gestellt haben oder seinerseits eine Gegenfrage stellt, dann bleiben Sie hartnäckig! ▶ Wer fragt, agiert, wer antwortet, reagiert! Merken Sie sich, was Sie gefragt haben und ob Sie tatsächlich eine Antwort erhalten haben. ▶ Bestimmen Sie Ort, Zeitpunkt, Agenda und Zeitrahmen. ▶ Bestimmen Sie: ▷ wie lange die Verhandlung dauert, ▷ Tempo und Inhalte, ▷ Pausen, ▷ Themenwechsel, ▷ Abbruch, Vertagung. 9.3 Gesprächstaktik 159 <?page no="160"?> Typischer Anfängerfehler: Der Verhandlungspartner übernimmt die Führung ▶ Wehren Sie sich von Anfang an gegen eine Reglementierung seitens Ihres Verhandlungspartners bezüglich Themenwahl oder Zeitrahmen. Sie sind der Kunde und bestimmen! ▶ Durchschauen Sie die Technik des Ausklammerns: „Bevor wir die Frage der Preiserhöhung nicht geklärt haben, können / sollten wir noch nicht über Optimierungsprojekte sprechen …“ - Wieso nicht? ▶ Besonders beim Gesprächseinstieg versuchen Verkäufer häufig schon das Gespräch an sich zu nehmen. ▶ Lassen Sie sich nicht überrumpeln, aber werden Sie insbesondere in der frühen Phase des Gesprächs noch nicht unfreundlich: ▷ Nicht: „Jetzt lassen Sie mich bitte mal ausreden! “ ▷ Besser: Fangen Sie einfach noch einmal an - „Hochinteressant, was Sie da sagen. Darauf werden wir noch ausführlich zu sprechen kommen. Aber zuerst mal …herzlich willkommen bei uns im Haus. Möchten Sie einen Kaffee? “ ▷ „Hochinteressant, was Sie da sagen. Darauf werden wir sicher noch ausführlich zu sprechen kommen. Lassen Sie uns aber nun über das wichtige Thema Liefertermintreue sprechen! “ BEISPIEL | Tipps für den Verkäufer („OPAL-Fragen“) Die Kunst des Verkaufens besteht darin, ein Kundenproblem zu finden und es zu lösen. Wenn Sie die Bedürfnisse Ihrer Kunden kennen und sie von Ihrem Produkt zu überzeugen können, dann kommen Sie dem Gipfel/ dem Verkaufserfolg schon sehr nah. Aber oft will Ihr Gegenüber sich nicht überzeugen lassen. Oft verhandeln die Parteien gegeneinander und versuchen, die guten Argumente der Gegenseite mit Einwänden oder „Totschlagargumenten“ zu entkräften. Was tun? „Kaufen lassen statt verkaufen“ lautet eine Antwort: Wenn der Kunde selbst erkennt, welche Argumente für einen Kauf sprechen, dann wird er diese kaum im nächsten Atemzug wieder entkräften. Und wie bringen Sie Ihr Gegenüber dazu? Indem Sie die richtigen Fragen stellen, die ihn zu Ihrer Lösung hinführen! Dafür bietet sich die OPAL-Fragetechnik an (siehe „SPIN- Selling“ Methode von Huthwaite International). Vier Fragearten werden so 160 9 Taktik - Der taktische Baukasten professioneller Verhandler <?page no="161"?> gestellt, dass die Kunden nicht nur das Problem erkennen, sondern es auch schnellstens lösen wollen, und zwar mit einer Entscheidung für Ihr Angebot: ▶ O - Orientierungsfragen liefern Ihnen Informationen über die derzeitige Situation: „Mit welchem Gerät arbeiten Sie zur Zeit? “ ▶ P - Problemfragen liefern Ihnen Informationen über die Kundenpro‐ bleme und mögliche Alternativen: „Wie oft fällt das Gerät aus? “ oder „Ist die Speicherkapazität groß genug? “ ▶ A - Auswirkungsfragen führen Sie zu den Folgen der Kundenprobleme: „Inwiefern führt das zu einem Mehraufwand? “ ▶ L - Lösungsfragen beinhalten Informationen über den Wert der angebo‐ tenen Lösung: „Würde eine Anlage mit einer um 15 % erhöhten Kapazität diesen Engpass beseitigen? “ Den wesentlichen Unterschied machen die Auswirkungsfragen: Je größer das Problembewusstsein des Kunden, desto größer das Interesse an einer Lösung. Erfolgreiche Verkäufer stellen meist viele Auswirkungsfragen (und nur wenige Orientierungsfragen). Auswirkungsfragen verstärken das Pro‐ blembewusstsein des Kunden. Daher sollten Sie Ihre Fragen sorgfältig vorbereiten: 1. Notieren Sie denkbare Probleme Ihres Kunden. Wenn Sie Ihre Kunden (oder typische Probleme vergleichbarer Unternehmen) kennen, sollte Ihnen das nicht allzu schwer fallen. 2. Überlegen Sie, welche Konsequenzen es hätte, wenn das Problem nicht gelöst würde. 3. Schreiben Sie Fragen auf, mit denen Sie diese möglichen Auswirkungen aufdecken können, und konzentrieren Sie sich auf die Punkte, mit denen Sie Ihre Wettbewerbsvorteile deutlich machen. Es ist gar nicht einfach, OPAL-Fragen aus dem Stehgreif zu stellen, aber eine gute Vorbereitung macht sich bezahlt! Agenda Schritt für Schritt - nichts anderes bezeichnet Ihre Agenda. Und diese Schrittfolge müssen Sie beibehalten, denn nur dann kann man wirklich von Gesprächsführung reden. Bestimmen Sie in der Vorbereitung die Rei‐ henfolge der Themen, wie lange Sie für die einzelnen Themen Zeit haben, 9.3 Gesprächstaktik 161 <?page no="162"?> Preisanker ob die einzelnen Themen abgeschlossen sind, Ihre Fragen dazu beantwortet wurden et cetera. Tipp: Machen Sie sich am besten einen Routenplan - ähnlich eines Fluss‐ diagramms, das Programmierer benutzen, um eine Logik in eine Software zu bringen. Das Timing bei Preisverhandlungen Als wesentlicher Aspekt bei Preisverhandlungen gilt immer die Frage, zu welchem Zeitpunkt Sie einen Preis nennen. Meistens wird dieser Moment von beiden Seiten verzögert, bis alle Argumente ausgetauscht sind und es sich wirklich nicht mehr vermeiden lässt. Warum? Weil sich hartnäckig der Mythos hält, man solle nie als Erster ein Angebot auf den Tisch legen. Wer das erste Angebot macht, gebe zu, für wie wenig er bereit ist abzuschließen. Der Verhandlungspartner könne das ausnutzen, um zu einem günstigen Abschluss zu kommen. Falsch! Studien zeigen: Kaum etwas beeinflusst das Verhandlungsergebnis mehr als der Startpreis („Preisanker“). Und das leuchtet auch ein! Schließlich haben Sie Ihre Ziele mit küh‐ lem Kopf und auf Basis der besten Informationen bestimmt, die Ihnen zur Verfügung stehen. Sie haben Ihren Zielpreis unter Berücksichtigung von Wettbewerbsvorteilen, Kundennutzen und Ihrer spezifischen Verhand‐ lungsposition definiert. Warum sollten Sie sich durch einen Fantasiepreis, den Ihr Verhandlungspartner Ihnen entgegenschleudert, verunsichern las‐ sen? Setzen stattdessen Sie den Preisanker! Wie setzt der Verkäufer den Preisanker? Die Basis bilden Ihr Angebot und die Ergebnisse vergangener Verhandlungen. Berücksichtigen Sie dann sowohl quantitative als auch qualitative Informationen: Inwiefern unter‐ scheidet sich die aktuelle Ausgangslage von früheren Verhandlungen? . Setzen Sie den Startpreis so, dass Ihr Zielpreis ungefähr in der Mitte zwischen Start- und Minimalpreis liegt. Haben Sie hohe Ansprüche - seien Sie nicht zu zurückhaltend, sondern fordern Sie ruhig ein wenig mehr, als es Ihnen realistisch erscheint. Wie setzt der Einkäufer den Preisanker? Ja, wir empfehlen auch dem Einkäufer, seinen Preis zuerst zu nennen. Denn der Erste kann davon ausgehen, dass der andere nun arbeiten muss. Es ist eben ein Unterschied, ob Sie einen hohen Preis nach unten argumentieren müssen oder ob der andere aktiv werden muss und einen niedrigen Preis nach oben argumentieren muss. Lassen Sie also besser den anderen arbeiten! Eine Ausnahme: Nur 162 9 Taktik - Der taktische Baukasten professioneller Verhandler <?page no="163"?> wenn Sie über die Gepflogenheiten in der Branche und die Situation des Kunden wenig wissen und die andere Seite über große Erfahrung im Markt verfügt, sollten Sie Ihrem Verhandlungsgegner den Vortritt lassen. Anker- und Referenzpreis haben einen nachgewiesenen Einfluss, also nutzen Sie diesen! Für den Verkäufer: Sprechen Sie über den Preis als eine selbstverständ‐ liche Eigenschaft Ihres Produktes. Winden Sie sich nicht, verteidigen Sie sich nicht. Wenn Sie aufgefordert werden, den Preis zu begründen, dann argumentieren Sie mit Wettbewerbsvorteilen, dem hervorragenden Service und der Reputation Ihres Unternehmens, aber entschuldigen Sie sich nicht. Und zweifeln Sie nie selbst an der Berechtigung Ihrer Forderung. Der Kunde wird dies sofort merken. Für den Einkäufer: Falls Sie nicht über die nötigen Informationen verfü‐ gen, um aktiv einen Preisanker zu setzen, oder Befürchtung haben, den Anker zu hoch zu setzen und damit etwas zu verschenken, weil der andere vielleicht doch noch Zugeständnisse in der Tasche hat, dann empfehlen wir Ihnen, eine andere Technik anzuwenden: die so genannte Last-Price- Technik. Und die hört sich zum Beispiel so an: „Lieber Verkäufer, wir werden das jetzt so machen: Sie geben mir nun Ihren letzten Preis. Der geht heute Abend in die Endausscheidung, das handhaben wir mit jedem Lieferanten gleich. Dieser Preis wird also darüber entscheiden, ob Sie den Auftrag bekommen oder nicht. Dieser Preis wird nicht noch einmal nachverhandelt, er ist endgültig. Ziehen Sie sich also nicht zu warm an und geben Sie mir an Rabatt, was Sie haben. Und ich werde Sie dann zu gegebener Zeit darüber informieren, ob es gereicht hat oder nicht.” Zugeständnisse bei Preisverhandlungen Denken Sie als Verkäufer immer daran: Preiszugeständnisse sind teuer. Jeder Euro, den Sie hergeben, schmälert 1 : 1 Ihren Gewinn. Deshalb müssen Sie äußerst vorsichtig damit umgehen. Zugeständnisse sollten groß genug sein, um für den Kunden attraktiv zu sein, aber nicht zu groß. Außerdem muss ein Zugeständnis signalisieren, dass die Verhandlung auch scheitern kann, denn sonst wird der Kunde nicht aufhören, immer mehr zu fordern. Wie geht das genau? 9.3 Gesprächstaktik 163 <?page no="164"?> Methodik der Zugeständnisse (für Ein- und für Verkäufer): 1. Signalisieren Sie durch immer kleiner werdende Zugeständnisse, dass sich Ihr Verhandlungsspielraum erschöpft (z. B. Nachlässe von 3.000,- / 1.500,- / 500,-). 2. Erhöhen Sie die Präzision mit jedem Schritt (3.000,- / 1.430,- / 496,-). So erwecken Sie den Anschein, dass Sie von Schritt zu Schritt schärfer kalkulieren. 3. Denken Sie bei jedem Schritt länger nach. 4. Gemachte Zusagen können nicht zurückgenommen werden. Sie werden kaum ein einmal gemachtes Zugeständnis wieder zurücknehmen kön‐ nen (es sei denn im Tausch gegen ein anderes Zugeständnis). Sie sollten aber erkennen, wenn ein Einkäufer dies versucht: Oft signalisieren Einkäufer ein „Ja“ zu einem bestimmten Preis, um es dann wieder infrage zu stellen. Sie erwarten, dass Sie dann um diese erstgenannte Zahl kämpfen, obwohl diese zuvor viel zu niedrig für Sie war. Bleiben Sie bei Ihrem Standpunkt und akzeptieren Sie diesen Preis auf keinen Fall! 9.4 Taktik der Argumentation Erst eine gute Gesprächsführung stellt sicher, dass Sie Ihre Argumente an der richtigen Stelle einbringen können. Konzentrieren Sie sich dann auf Punkte mit maximaler Aussagekraft, denn nicht die Masse ist entscheidend, sondern die Wirksamkeit. Weniger ist mehr! ▶ Nutzen Sie die überzeugendsten Argumente, die Sie finden können, um Ihre Ziele zu erreichen. ▶ Identifizieren Sie die Kriterien, die von Ihrem Geschäftspartner als stichhaltig akzeptiert werden und die Sie in Ihrem Sinne einsetzen können. ▶ Entscheiden Sie, welche objektiven Kriterien Ihre Argumentation am besten stützen und bereiten Sie Daten vor: ▷ Kostentreiber (Rohstoffe, Lohnkosten, etc.) bzw. aufseiten des Einkaufs gesunkene Kosten ▷ Auslastung der Branche bzw. aufseiten des Einkaufs Auslastung des Wettbewerbs ▷ Preise der Endprodukte: Kommunizieren Sie signifikante Ände‐ rungen (zu Ihren Gunsten) auch vor der Verhandlung. 164 9 Taktik - Der taktische Baukasten professioneller Verhandler <?page no="165"?> ▷ Im Verkauf: eigene USP (Alleinstellungsmerkmale), Performance im Vergleich zum Wettbewerb, Wechselkosten für den Kunden ▷ Im Einkauf: zu erwartende Produktivitätssteigerung (Erfahrungs‐ kurve) ▶ Verkäufer argumentieren mit dem Nutzen, nicht mit den Preisen, Ein‐ käufer fragen nach dem Wert des Nutzens. ▶ Verkäufer betonen Kundennutzen und nicht technische Produkteigen‐ schaften und zeigen auf, wie sie ihren Kunden dabei unterstützen, seine Ziele zu erreichen. Und: Heben Sie als Verkäufer Situationen hervor, in denen Sie außergewöhnlichen Service geliefert haben (technische Unterstützung / Unterstützung bei Lieferengpässen etc.). Zur Ermittlung der relevanten Kernaussagen können Sie als Verkäufer die Wettbewerbsvorteilsmatrix nutzen, die wir bereits in Kapitel 6 erläutert haben. Wettbewerbsvorteilsmatrix Bedeutung für den Kunden Leistung (relativ zum Wettbewerb) unwichtig viel schlechter sehr wichtig viel besser Wettbewerbsnachteile Wettbewerbsvorteile Übererfüllung Konsistenz Preis (TCO) Lieferzeit Kundenservice technisches Know-how technische Beratung Produktqualität Produktleistung Abb. 23: Wettbewerbsvorteilsmatrix 9.4 Taktik der Argumentation 165 <?page no="166"?> Strategische Wettbewerbsvorteile: Vorteile kommunizieren! ▶ Identifikation von Schlüsselfaktoren und zugehörigen Botschaften ▶ Festlegung, was vor und was während der Verhandlung angesprochen werden sollte ▶ Unterlegung von Argumenten mit Fakten und Beweisen ▶ Zusammenfassung mithilfe von Daten und Fakten, die die verwendeten Argumente am besten untermauern „Mehrleistung“: Die vom Kunden gefühlte Wichtigkeit erhöhen! ▶ Betonung der Risiken, die die Schwächen der Wettbewerber mit sich bringen ▶ Quantifizierung und Darstellung von Stärken und Nutzen ▶ Identifikation von Eigenschaften, die in der Zukunft wichtig werden könnten und dann für einen hohen Nutzen sorgen ▶ Verknüpfung dieser Eigenschaften mit einem Preis, um ihren Nutzen zu verdeutlichen („Was nichts kostet, ist nichts wert! “) Vorbereitung auf die Top-5-Gegenargumente: Probleme im Voraus erkennen und Gegenargumente vorbereiten! Analyse der eigenen Wettbewerbsnachteile, um auf die wahrscheinlichsten Gesprächsthemen vorbereitet zu sein: ▶ Wo erfüllen wir die Kundenanforderungen nicht? ▶ Wo sind die Wettbewerber besser als wir? ▶ Welche Probleme / Beschwerden erwarten wir? ▶ Welche Gesprächsthemen basieren auf Anekdoten, welche auf Fakten? ▶ Sind die Probleme spezifisch oder gelten sie für die gesamte Branche? ▶ Gegenbeispiele recherchieren ▶ Fakten vorbereiten, um Anekdoten zu kontern ▶ Ein mögliches Problem als typisch für die gesamte Branche beschreiben ▶ Negatives in Positives ummünzen (z. B. 5 % Lieferverzögerungen bedeu‐ ten auf der anderen Seite-95 % pünktliche Lieferungen) Nachdem Sie sich bewusst gemacht haben, was wohl die Kernthemen („Knackpunkte“) in der Verhandlung sein werden (das sind meist die Punkte, die für den Kunden oder Lieferanten besonders wichtig sind), denken 166 9 Taktik - Der taktische Baukasten professioneller Verhandler <?page no="167"?> Sie weiter! Überlegen Sie noch einmal, wie wichtig Ihnen selbst diese Themen für die Erreichung Ihrer Ziele sind. Oft werden Sie feststellen, dass beide Seiten den Wert der angebotenen Leistungen unterschiedlich bewerten. Daraus ergeben sich mögliche Tauschobjekte, Zugeständnisse und Kompromisse, und gerade darin besteht die Chance einer Einigung. ▶ Wie wollen Sie Zugeständnisse machen (Anzahl und Höhe der Schritte)? ▶ Wie argumentieren Sie für jeden Schritt? ▶ Warum geben Sie nach (Begründung)? ▶ Wie viel geben Sie nach bzw. was bieten Sie zum Tausch an? ▶ Welche Gegenleistung fordern Sie? Die Bestimmung der Wichtigkeit von Kernthemen / -produkten für jede Seite gibt Ihnen Hinweise darauf, in welcher Phase Sie welche Argumente sinnvoll einsetzen. Wichtigkeit für den Kunden Wertigkeit für Sie niedrig niedrig hoch hoch zuerst zweitens zuletzt drittens Wenn überhaupt! Abb. 24: Planen von Zugeständnissen 9.4 Taktik der Argumentation 167 <?page no="168"?> Erstens: Diese Punkte geben wahrscheinlich nicht den finalen Ausschlag, sind aber eine nette Zugabe. Versuchen Sie, deren Wichtigkeit künstlich zu überspitzen! ▶ Opfern Sie diese Punkte aber nicht unnötigerweise - Sie könnten sie später noch brauchen, beispielsweise, wenn die Verhandlung um Schlüsselthemen ins Stocken gerät. ▶ Schauen Sie nach Win-win-Möglichkeiten als Ausgleich. ▶ Bedenken Sie das Timing - nutzen Sie diese Punkte in Schlüsselmomen‐ ten - aber überschätzen Sie nicht den Wert dieser Themen für die Verhandlung. Zweitens: Schlüsselthemen - nutzen Sie diese intelligent! Übertreiben Sie, wie wichtig diese Themen für Sie sind, und geben Sie nur widerstrebend nach. ▶ Priorisieren Sie den Wert einzelner Zugeständnisse, um Präferenzen zu entwickeln. ▶ Planen Sie die Kommunikation, Quantifizierung und Betonung der Zugeständnisse. ▶ Unterschätzen Sie den Einfluss dieser Produkte / Themen nicht! Drittens: Geben Sie nie kampflos auf! Verlangen Sie immer eine Gegenleis‐ tung, kämpfen Sie hart für eine faire Lösung! ▶ Bereiten Sie die Wertargumente vor. ▶ Haben Sie im Hinterkopf, was Sie als Gegenleistung für Zugeständnisse verlangen sollten (z. B. höhere Abnahmemengen etc.). ▶ Beachten Sie Ihren Start-, Ziel- und Mindestpreis. Zuletzt: Bereiten Sie sich darauf vor, die Verhandlung abzubrechen, anstatt hier nachzugeben. ▶ Bereiten Sie starke Wertargumente vor. ▶ Bereiten Sie sich auf Ablenksmanöver zu den „Bargaining-Chips“ vor (z. B. andere oder weniger margensensitive Produkte). ▶ Haben Sie keine Angst, Nein zu sagen. Als Lieferant behalten Sie beim Spiel der Argumente zudem immer Ihre Kundenanalyse im Hinterkopf: Was ist ihm neben dem Preis besonders wichtig? Bieten Sie zuerst preisneutrale Zugeständnisse an. Dann, falls nötig, machen Sie preisrelevante Zugeständnisse für weniger wichtige Produkte 168 9 Taktik - Der taktische Baukasten professioneller Verhandler <?page no="169"?> oder Positionen Ihres Angebots. Überprüfen Sie die eigene Kosten- und An‐ gebotssituation vor der Verhandlung: Was können Sie realistisch anbieten? Beispiele: Zuliefersicherheit, Value Added Services, kürzere Lieferzeiten. Und sollten Sie damit nicht weiterkommen, bieten Sie keine Preisnachlässe auf Ihre Kernprodukte an, sondern machen Sie (zunächst) preisrelevante Zugeständnisse bei weniger wichtigen Produkten oder Dienstleistungen. Erstens verteidigen Sie so die wichtigen Preisniveaus Ihrer Kernprodukte; zweitens erhöhen Sie den Umsatz dieser weiteren Produkte. (Es versteht sich von selbst, dass Sie dazu Ihre Zahlen kennen müssen! ) Ein Beispiel: Welche Zusatzmenge sollten Sie im Gegenzug für Preisnachlässe fordern? Preisnachlass um 1 % um 2 % um 5 % um-10 % Welche zusätzliche Menge benötigen Sie, um den Umsatz kon‐ stant zu halten? + 1 % + 2 % + 5,3 % + 11,1 % Welche zusätzliche Menge benötigen Sie, um den Deckungs‐ beitrag konstant zu halten? * + 11,1 % + 25 % + 100 % + ∞ *10 % DB-Marge Tab. 7: Zusammenhang zwischen Preis und Menge Legen Sie für jedes Zugeständnis eine Gegenleistung fest: ▶ Fragen Sie sich beim Angebot von Preisnachlässen immer: Welches zusätzliche Volumen (der anderen Produkte) muss ich verkaufen, damit der Deal margenneutral wird? ▶ Wenn Sie keine höhere Menge herausschlagen können, fragen Sie nach festen Mengenzusagen. ▶ Zuallerletzt - fragen Sie nach nicht monetären Zugeständnissen wie Nachfrageinformationen, Exklusivität … ▶ Denken Sie daran: Quidproquo. Immer nach einer Gegenleistung fragen! Um kreative Lösungen vorschlagen zu können, legen Sie sich eine Konzes‐ sionsliste zurecht. 9.4 Taktik der Argumentation 169 <?page no="170"?> Konzessionsliste Zugeständnisse Gegenleistungen Verkürzung der Lieferzeit Erweiterung der Garantieleistung Preisnachlass bis 3 % Erhöhung der Bestellmenge um … Anzahlung bzw. Vorauszahlung Sammellieferung Kostenfreie Wartung im ersten Jahr Preisnachlass bis 5 % Zusätzlicher Abschluss eines War‐ tungsvertrags Probeauftrag für ein anderes Produkt Tab. 8: Beispiel Konzessionsliste Der Verhandlungsführer hat noch weitere Möglichkeiten, die Argumenta‐ tion taktisch in einen Kontext einzubetten. In der Praxis haben sich hier fünf verschiedene Taktiken bewährt, die gerne beliebig zu kombinieren sind: Taktik 1: Aktiv eine Lösung anbieten Sie sagen, wie Sie das Thema beurteilen und stellen dann dar, was Sie sich als ideales Ergebnis wünschen. Dies begründen Sie mit Ihren ein bis zwei Hauptargumenten. Gehen Sie nun positiv darauf ein, wie Sie die Wünsche Ihres Verhandlungspartners verstanden haben. Daraus leiten Sie einen Lösungsvorschlag ab. Dies kann eine „echte“ Win-win-Lösung sein oder ein Kompromiss. Diese Methode bietet sich an, wenn Sie Ihren Partner gut kennen und wissen, dass auch er grundsätzlich ein faires Ergebnis erreichen will. Ver‐ handlungen, die nach diesem Muster ablaufen, sind häufig sehr unkompli‐ ziert und schnell. Beide Parteien schenken sich taktische Spielchen und gehen offen und ehrlich miteinander um. Taktik 2: Nur die eigene Sicht diskutieren Die Ausführungen und die Argumente der Gegenseite interessieren Sie nicht. Stattdessen stellen Sie Ihre Sicht in den Vordergrund und begründen diese mit Ihren Hauptargumenten („Ja, aber…“). Fordern Sie nun den Ver‐ handlungspartner auf, mit Ihnen eine Lösung zu suchen, die auf Ihrem Standpunkt basiert. Diese Taktik bietet sich an, wenn Sie sehr gute Argumente sowie hieb- und stichfeste Beweise auf Ihrer Seite haben. Häufig versucht man mit dieser 170 9 Taktik - Der taktische Baukasten professioneller Verhandler <?page no="171"?> Taktik aber auch, einen eigenen wackeligen Standpunkt zu verschleiern. Sie lassen sich nicht auf Wortgefechte ein, welche Sie zu verlieren fürchten. Taktik 3: Den Verhandlungspartner besiegen Das ist eine ziemlich brachiale Methode, die oft offene Konfrontation bedeutet. So gehen Sie vor, wenn Sie die Konfrontation nicht scheuen, ja vielleicht sogar wünschen. Aber Achtung: Diese Methode ist höchst konfliktträchtig! Auch diese Taktik wählen Sie, wenn Sie von Ihrem Standpunkt überzeugt sind, weil Sie mächtige, starke und gute Argumente haben. Vielleicht sind Sie sogar in der Lage, die Argumente Ihres Gegenübers mit Fakten als falsch zu entlarven. Bei dieser Art der Verhandlung bringen Sie Ihrem Gegenüber eine Nie‐ derlage bei. Seien Sie sich über die Folgen dessen bewusst. Taktik 4: Die Gegenseite scheinbar ins Boot holen Sie sagen, was Sie vom anderen verstanden haben und warum Sie das größtenteils auch so sehen. Würdigen Sie den Standpunkt, schildern Sie aber auch Ihre Bedenken und Einwände, um dann auf die Vorzüge und guten Argumente des eigenen Standpunktes zu verweisen. Fassen Sie zusammen und nennen Sie noch einmal einige Begründungen dafür, warum Ihr Vorschlag letztlich doch noch besser ist als der - ebenfalls sehr gute - von der Gegenseite. Diese Taktik eignet sich, wenn Sie mit Ihrem Partner auf Augenhöhe verhandeln, trotzdem aber keine Zugeständnisse machen können oder wollen. Sie können ihn so sein Gesicht wahren lassen. Die Taktik bietet sich auch an, wenn Sie wissen, dass Ihr Verhandlungspartner mächtiger ist oder mit Vorurteilen und feindseligen Gefühlen gegen Sie antreten wird. Indem Sie ihm aufmerksam zuhören und seine Ausführungen schließlich positiv bewerten, stimmen Sie ihn friedlicher. Taktik 5: Lösungen verhandeln Hier stellen Sie, möglichst wertfrei, Ihren Standpunkt und den der Ge‐ genseite nebeneinander. Arbeiten Sie an einer gemeinsamen Lösung und fordern Sie dazu auch den Verhandlungspartner auf. Ziel ist es, eine für beide Seiten zufriedenstellende Lösung zu erarbeiten. Das kann eine „echte“ Win- 9.4 Taktik der Argumentation 171 <?page no="172"?> win-Situation sein oder zumindest ein Kompromiss, bei dem beide Seiten über ihren Schatten springen müssen. Diese Taktik ist anwendbar, wenn beide Standpunkte gleich stark begrün‐ det sind und bietet sich an, wenn man mit einem gleichgewichtigen oder strategischen Partner verhandelt, bei dem man selber oder beide an einer Lösung interessiert sind. Diese Taktik bietet sich aber auch dann an, wenn Sie mit einer Person zu verhandeln haben, die über mehr Macht verfügt als Sie. Dann vermeiden Sie so ein riskantes Wortgefecht und appellieren stattdessen an die Fairness des anderen. Entsprechend der von Ihnen gewählten Argumentationstaktik müssen Sie auch entscheiden, wie Sie Einwände nutzen oder eben darauf verzichten wollen. In einer harten Verhandlung gilt es, Druck aufzubauen. Sie verhandeln gegeneinander, „Gegenwind“ ist da Teil des Programms. Also ist es nur richtig, die Argumente der Gegenseite mit eigenen Gegenargumenten zu entkräften. Einwände oder sogar „Totschlagargumente“ gehören dazu. Anders müssen Sie vorgehen, wenn Sie gemeinsam mit Ihrem Verhand‐ lungspartner nach einer Lösung suchen. Hier sind Sie auf Kooperation und Kreativität angewiesen, jeder Ansatz ist willkommen, der Sie einer Einigung näher bringt. Da kann es sinnvoll sein, auf Kommentare zu verzichten, auch wenn Ihnen ein Vorschlag unsinnig erscheint oder Sie überhaupt nicht verstehen, was das bringen soll. „Das ist ein interessanter Vorschlag! Welche weiteren Ansätze sehen Sie? “ So halten Sie Ihr Gegenüber bei der Stange und ein konstruktives Gespräch am Laufen. Wer hingegen mehrmals heruntergeputzt wurde, verliert die Lust und nimmt wahrscheinlich keinen weiteren Anlauf, um eine Lösung zu finden. Offensichtlich haben Sie ja kein Interesse an seinen Ideen. 9.5 Die Trickkiste Müssen Sie die Trickkiste wirklich öffnen? Wenn Sie gute Argumente oder eine gute Position haben, dann brauchen Sie keine Tricks. Und: Durchschaut Ihr Gegenüber Ihren Trick, kann das nach hinten losgehen. Dies vorausge‐ setzt, schauen wir mal in die Kiste hinein. Sie enthält: 172 9 Taktik - Der taktische Baukasten professioneller Verhandler <?page no="173"?> Manipulationen: Damit meinen wir auch einfache rhetorische Manipulationen wie beispiels‐ weise die „Gutmensch“-Falle. Hierzu mehr in Kapitel 10. „Good Guy - Bad Guy“ Diesen Trick wenden Sie an, wenn Sie beispielsweise eine konsensorien‐ tierte Verhandlung führen möchten, aber der andere sich darauf nicht einlassen möchte, sondern sogar aggressiv und frech auftritt. Dann müssen Sie diesem Verhalten etwas entgegensetzen können - und wenn Sie das nicht selbst erledigen wollen, nehmen Sie Ihren „Kettenhund“ mit. Der wird von der Leine gelassen, damit er „Stress“ macht, ebenso aggressiv ist und dem anderen klarmacht: Wenn du Streit suchst, gerne! Natürlich muss es so weit nicht kommen, Sie können den Kettenhund rechtzeitig wieder an die Leine nehmen und die Verhandlung übernehmen: Ihr Gegenüber wird dankbar sein. Endlich wieder mit einem vernünftigen, lösungsorienterten Partner sprechen! Old-School-Tricks Der Name sagt es bereits: Diese Tricks sind nicht mehr zeitgemäß, trotzdem sollte man sie kennen (nicht zuletzt, um sie zu durchschauen, wenn die Gegenseite auf sie zurückgreift): ▶ Den anderen unnötig lange warten lassen ▶ Keinen Kaffee anbieten ▶ Einen ungemütlichen Raum wählen ▶ Den anderen so setzen, dass er in die Sonne schaut ▶ Die Heizung zu hoch bzw. zu niedrig einstellen usw. Sie sehen, worauf das hinausläuft. Kratze an der Würde deines Gegenübers und er wird ganz klein werden und sich entsprechend verhalten. So primitiv diese Tricks sind, so effektiv sind sie manchmal - leider! Ja, wir geben hier ein ganz klares Votum gegen old school ab. Es ist hässlich, nicht zeitgemäß und wenn Sie damit an den Falschen geraten, kann das Ganze richtig böse nach hinten losgehen, weil er die Botschaft, die hinter diesen Tricks steckt, kennt und souverän für sich ausnutzt: Da ist einer verzweifelt genug über seine schwache Position, dass er sich nicht anders zu helfen weiß, als mich ohne Kaffee hier sitzen zu lassen. Da wirft einer mit Wattebällchen. 9.5 Die Trickkiste 173 <?page no="174"?> TIPP VERKÄUFER Taktische Verhandlungsplanung - Überlassen Sie nichts dem Zufall! ▶ Vorbereitung ist alles: Mindset und Selbstvertrauen hängen davon ab! ▶ Investieren Sie Zeit in die Bewertung des Produktnutzens für Ihre Kunden, sonst lassen Sie Geld auf dem Tisch liegen. ▶ Schrecken Sie nicht davor zurück, für die Verhandlungsvorbereitung Tools zu nutzen, die Sie bei der Preisfindung unterstützen. ▶ Widerstehen Sie der Versuchung, über Preisnachlässe Marktanteile zu gewinnen, ohne sich über die kurz- und langfristigen Auswirkun‐ gen im Klaren zu sein. ▶ Vergessen Sie nicht, dass Sie es mit Menschen zu tun haben.Men‐ schen machen Fehler - dies kann zu Ihrem Vorteil, aber auch zu Ihrem Nachteil sein. 174 9 Taktik - Der taktische Baukasten professioneller Verhandler <?page no="175"?> 10 Online-Verhandlungen erfolgreich führen Die Digitalisierung ist für uns kein neues Thema. Aber erst die Coronakrise im Jahr 2020 hat auf eindrucksvolle Weise gezeigt, wie schnell sich digitale Lösungen in der Praxis durchsetzen können. Was anfangs kaum vorstellbar war, wurde in wenigen Woche zur selbstverständlichen Realität. Die digitalen Techniken erwiesen sich nicht nur als praktikable Lösung, sondern auch als äußerst effizient. Trotz einiger technischer Probleme muss‐ ten selbst die hartnäckigsten Traditionalisten der analogen Geschäftswelt erkennen, dass die Nutzung dieser digitalen Techniken keine vorüberge‐ hende Modeerscheinung ist. Online-Verhandlungen bieten eine Reihe von Vorteilen. Sie sind … ▶ ortsunabhängig: einzige Voraussetzung ist ein Internetzugang, ▶ flexibel und schnell: keine Reise- oder Raumplanung, kurzfristige Ter‐ minabsprachen, ▶ zeitsparend und kostengünstig: keine Reisezeiten, keine Reisekosten. Aber es gibt einige Besonderheiten, die gegenüber Face-to-Face-Verhand‐ lungen oder Verhandlungen am Telefon zu beachten sind. Die professionelle Nutzung des Mediums kann Ihnen als Verhandlungsführer entscheidende Vorteile gegenüber Ihrem Gesprächspartner verschaffen. 10.1 Die Wahl des richtigen Mediums für Verhandlungen Bei der Wahl eines Kommunikationsmediums sollten Sie immer den Inhalt berücksichtigen, den Sie besprechen wollen. Manchmal genügt ein Telefo‐ nat, ein anderes Mal wollen Sie Ihrem Verhandlungspartner unbedingt in die Augen sehen. Wählen Sie die Form einer Online-Verhandlung bewusst und nicht aus der Not heraus. Richtig ist jedoch auch: jedes Medium ist ein Verhandlungsmedium, wenn Sie es dazu machen! Das Medium kann als taktisches Mittel betrachtet werden: Genauso, wie Sie bewusst einen geeigneten Raum für eine Face-to- Face-Verhandlung wählen, können Sie sich auch bewusst für den virtuellen Raum entscheiden. <?page no="176"?> Bei der Auswahl des Verhandlungsmediums ist folgende Überlegung hilfreich: Je vielschichtiger und mehrdeutiger der Sachverhalt (die Kommu‐ nikationsaufgabe), desto „reichhaltiger“ muss das gewählte Medium sein. Komplexität der Kommunikationsaufgabe hoch hoch niedrig niedrig Persönliches Gespräch Videomeeting Telefonkonferenz Sprachnachricht E-Mail Briefpost Overcomplification Oversimplification Media Richness Abb. 25: Wahl des Verhandlungsmediums (Medienreichhaltigkeit) Gemäß der Medienreichhaltigkeitstheorie-(Media Richness Theory nach Robert H. Lengel und Richard L. Daft) werden solche Kommunikationsme‐ dien als „reichhaltig“ bezeichnet, die geeignet sind, die Mehrdeutigkeit zu reduzieren und Missverständnisse weitgehend zu vermeiden. In der Praxis geht es also darum, ein Medium zu wählen, das eine klare Kommunikation ermöglicht und eine reibungslose Zusammenarbeit fördert. Verhandeln an sich ist an sich schon ein komplexer Vorgang. Und um das Gegenüber wirklich zu verstehen, Vertrauen zu schaffen oder einen Bluff zu erkennen, sind nonverbale Signale oft wichtiger als die Wortwahl. Allerdings kann ein zu reichhaltiges und zeitintensives Medium für simple Besprechungen überflüssig und sogar nachteilig sein. In Verhandlungen geht es um Inhalte, Lösungen und Ergebnisse. Sie verfolgen Ziele und loten Möglichkeiten aus, um mit Ihrem Verhandlungs‐ partner eine Einigung zu erzielen. In diesem Punkt unterscheidet sich die inhaltliche Vorbereitung einer Online-Verhandlung auch nicht von jeder anderen Verhandlungsvorbereitung. 176 10 Online-Verhandlungen erfolgreich führen <?page no="177"?> Wohl aber gibt es einige Besonderheiten, die Sie berücksichtigen müssen, damit die Verhandlung für Sie zum Erfolg wird. Diese Besonderheiten betreffen ▶ die genutzte Technik, ▶ den Ablauf der Verhandlung und ▶ die Kommunikation mit den Verhandlungspartnern 10.2 Technik Ein wesentlicher Mehrwert von Online-Verhandlungen gegenüber Verhand‐ lungen am Telefon liegt in der Möglichkeit, Präsentationen, Tabellen oder bereits vorbereitete Dokumente und Verträge einzubinden. Sie können Dokumente teilen und gemeinsam bearbeiten. Dashboards oder Grafiken können zur Untermauerung Ihrer Argumente eingesetzt oder Bilder von Re‐ klamationen gezeigt werden. Vorbereitete Dokumente können gemeinsam durchgesehen und erfahrungsgemäß sehr viel fokussierter und schneller finalisiert werden. In einer Verhandlung wollen Sie sich jedoch voll und ganz auf die Verhandlungsführung, Ihre Gesprächspartner und den Verhandlungsgegen‐ stand konzentrieren. Daher sollten Sie einige Rahmenbedingungen vorher bedenken und optimieren, wenn Sie sich während der Verhandlung nicht auch noch mit technischen Schwierigkeiten herumschlagen wollen. Die erste und vielleicht wichtigste Regel heißt: Keep it simple! Wählen Sie das Software-Tool für Ihre Verhandlung nach dem Motto „so viele Funktionen wie nötig, so einfach wie möglich“ und machen Sie sich im Vorfeld damit vertraut. Ziehen Sie gegebenenfalls einen Co-Moderator zur technischen Unterstützung oder als Protokollführer hinzu. Denken Sie auch an Ihre Verhandlungspartner: Wie funktioniert das Login und was wird benötigt? Ist die Installation einer Software, App oder eines Plug-ins nötig oder kann das Tool browserbasiert genutzt werden? Gibt es funktionale Einschränkungen, wenn eine browserbasierte Version genutzt wird? Ist eine Einweisung der Teilnehmer im Vorfeld sinnvoll? 10.2 Technik 177 <?page no="178"?> Technische Vorbereitung Damit eine Webkonferenz einen echten Mehrwert bietet, müssen sich alle Teilnehmer gut hören und sehen können. Achten Sie daher besonders auf eine gute Bild- und Tonqualität. ▶ Wenn möglich, nutzen Sie eine LAN-Verbindung. Diese bietet im Zwei‐ fel eine stabilere Verbindungsqualität als das (drahtlose) WLAN. ▶ Testen Sie Ihre Kamera. Manche PCs oder Notebooks haben ordentliche integrierte Webcams. Ansonsten nutzen Sie besser eine externe Kamera. ▶ Dasselbe gilt für das integrierte Mikrofon und den Lautsprecher. Ein Headset liefert oft bessere Ergebnisse, und sowohl der Kopfhörer als auch gute Mikrofone können Störgeräusche herausfiltern. ▶ Achten Sie auf die Kameraperspektive! Insbesondere auf Ihr Notebook blicken Sie meist „von oben herab“ - und genau so wirkt es auch auf Ihren Gesprächspartner. ▶ Damit Sie klarsehen und Ihr Gegenüber Sie deutlich erkennen kann, ist die Beleuchtung entscheidend. Vermeiden Sie störende Lichtquellen, wie die tiefstehende Sonne, und setzen Sie sich selbst „ins richtige Licht“. Das Schließen der Jalousien oder das Einschalten der Schreibtischlampe kann schon Wunder bewirken. Professionelle Webkonferenz-Tools bieten neben der reinen Audio- und Videoübertragung weitere Funktionalitäten, die sich in Online-Verhandlun‐ gen als nützlich erweisen. Besonders die Übertragung von Dateien und die gemeinsame Nutzung von Zeichenwerkzeugen können die Effizienz steigern. Beachten Sie jedoch Folgendes: ▶ Das Wichtigste zuerst: Räumen Sie Ihren eigenen Desktop auf und schließen Sie alle Browserfenster, die Sie nicht benötigen! Es wäre unan‐ genehm, wenn Sie Ihrem Verhandlungspartner wichtige Informationen zum Wettbewerb unabsichtlich auf dem Präsentierteller servieren wür‐ den. Und ein Screenshot ist schneller gemacht, als Sie denken! Nutzen Sie im Zweifel einen zweiten Computer für Notizen oder den Austausch von Informationen mit Ihrem Verhandlungsteam. ▶ Laden Sie erforderliche Unterlagen wie Präsentationen oder Tabellen vorher hoch. So vermeiden Sie lästige Unterbrechungen und unnötigen Ärger, wenn Sie versehentlich die falsche Datei öffnen. 178 10 Online-Verhandlungen erfolgreich führen <?page no="179"?> ▶ Nutzen Sie die Lobby der Webkonferenz-Tools, und lassen Sie den Verhandlungspartner bewusst im „Raum“ ankommen, wenn Sie bereit sind! 10.3 Ablauf Online-Kommunikation erfordert Disziplin! Es ist nicht einfach zu impro‐ visieren und „mal eben schnell“ eine Skizze an die Pinwand zu heften. Planen Sie den Ablauf daher kleinteiliger und detaillierter, als Sie es gewohnt sind. Unter Umständen gehört dazu auch, benötigte Unterlagen und die Agenda vorab an alle Teilnehmer zu verteilen. Damit der erste Eindruck stimmt, sollten Sie sich etwas Mühe mit dem Einladungstext und der Gestaltung der Dokumente geben. In einer Face-to-Face-Verhandlung sitzen Sie gemeinsam im selben Raum und befinden sich in derselben Zeitzone. Sie sitzen sich von Angesicht zu Angesicht gegenüber und erkennen unmittelbar den fragenden Blick Ihres Gegenübers. Bedenken Sie bei der Planung einer Online-Verhandlung die veränderten Rahmenbedingungen: ▶ Die Qualität der Datenverbindung kann die Kommunikation erschwe‐ ren, möglicherweise kommt es sogar zu Unterbrechungen, oder Teilneh‐ mende verlassen unfreiwillig das Meeting. ▶ Die Verhandlungspartner befinden sich an unterschiedlichen Orten und das unmittelbare Umfeld kann sehr unterschiedlich sein. Während Sie im Homeoffice an Ihrem geordneten Schreibtisch sitzen, hockt ein Verhandlungspartner auf der Bettkante im Hotelzimmer mit dem Laptop auf dem Schoß, und Ihr Kollege aus der Technik befindet sich an seinem Arbeitsplatz im Großraumbüro. ▶ Manchmal befinden sich die Teilnehmer sogar in verschiedenen Zeit‐ zonen. Während Sie gerade gefrühstückt haben, hat Ihr Verhandlungs‐ partner eventuell schon einen langen Arbeitstag hinter sich. Schaffen Sie eine Umgebung, in der Sie sich sicher und wohl fühlen. Schließlich möchten Sie ein professionelles Bild abgeben und während der Verhandlung nicht abgelenkt werden. Auch Ihr Gesprächspartner soll nicht durch störende Bilder und Nebengeräusche abgelenkt werden, sondern sich auf das Wesentliche - nämlich Sie - konzentrieren können. 10.3 Ablauf 179 <?page no="180"?> ▶ Sorgen Sie schon im Vorfeld dafür, dass störende Geräusche vermieden werden, wie z. B. der Rasenmäher des Nachbarn oder die tobenden Kinder im Homeoffice. ▶ Achten Sie auf einen angemessenen Bild-Hintergrund. Vor den rosa Einhorn-Aufklebern im Kinderzimmer kann man eine Fotoleinwand aufstellen, oder Sie nutzen virtuelle Hintergründe, die viel Tools bieten. ▶ Bestimmte Farben und Muster wirken im Video unruhig oder verzer‐ rend. Wählen Sie Ihre Kleidung und den Bildhintergrund entsprechend. Auch Bilder, Türen oder Möbel im Hintergrund können irritierend wirken, wenn Sie beispielsweise wie Hörner aus Ihrem Kopf wachsen. Überprüfen Sie dies im Vorfeld in einem Probemeeting mit Kollegen. ▶ Vermeiden Sie während des Gesprächs störende Geräusche, wie das Klicken der Tastatur oder das Füllen eines Wasserglases. Nutzen Sie die „Mute“-Taste Ihres Systems. Andere „Störungen“ sind auch eine Frage der Etikette und des Stils: Essen Sie nicht, schalten Sie Ihr Mobiltelefon stumm und rühren es nicht an. Und wenn es gar nicht anders geht, erklären Sie es Ihrem Gegenüber. Bevor es los geht, schließen Sie alle Anwendungen und Dokumente, die für die Verhandlung nicht benötigt werden und laden Sie die benötigten Dateien hoch. Öffnen Sie den virtuellen Raum erst dann, wenn Sie selbst bereit sind. Begrüßen Sie alle Teilnehmenden, führen Sie ein wenig Smalltalk, stellen Sie sicher, dass alle wissen, mit wem sie es zu tun haben. Leiten Sie dann zum Thema über und stellen den Sachverhalt und die Agenda vor. Auch, wenn es sich etwas anders anfühlt, als in einer klassischen Gesprächsrunde, es ist im Grunde dasselbe Spiel. Also führen Sie! Binden Sie Ihre Gesprächspartner aktiv ein. Machen Sie deutlich, wenn Sie eine Reaktion erwarten und holen Sie regelmäßig Feedback ein, um sicher zu stellen, dass alle Beteiligten noch an Bord sind. Planen Sie Pausen ein, denn die Aufmerksamkeit lässt in Online-Meetings oft schneller nach. Unterbrechen Sie bei Bedarf die Übertragung von Bild oder Ton. Und wenn sich die gewünschten Ergebnisse nicht wie erwartet einstellen, fällt es auch sehr viel leichter, sich zu vertagen. Schließlich muss dem Geschäftspartner kein weiter Hin-und Rückweg zugemutet werden. Zum Ende der Verhandlung fixieren Sie das Ergebnis und lassen es von Ihrem Gesprächspartner bestätigen. Und vergessen Sie nicht die Nachberei‐ tung des Gesprächs: was hat gut funktioniert, was nicht und warum? Was wollen wir beim nächsten Mal anders, besser machen? Analysieren Sie das 180 10 Online-Verhandlungen erfolgreich führen <?page no="181"?> Verhalten Ihres Verhandlungspartners und versuchen Sie, zwischen den Zeilen zu lesen! 10.4 Kommunikation In Online-Verhandlungen fehlt Ihnen das direkte Gegenüber, die nonverbale Kommunikation ist eingeschränkt. Im Vergleich zu persönlichen Face-to- Face-Gesprächen gehen somit einige wesentliche Eindrücke verloren: Nicht nur Sie nehmen Ihre Verhandlungspartner anders wahr, als wenn diese Ihnen persönlich begegnen würden. Das gilt auch umgekehrt - und fängt bei Kleidung und Körperhaltung an und endet nicht beim Händedruck. Andererseits gibt es per Video weit mehr zu beobachten als am Telefon. Je besser es Ihnen gelingt, Ihre Kommunikation auch an den Anforde‐ rungen des Mediums anzupassen, desto sicherer wird Ihre Botschaft beim Gegenüber ankommen. 1. Da uns im Video viele nonverbale Eindrücke fehlen, dauert der erste Eindruck länger als „im wahren Leben“ - bis zu 15 statt nur 2 bis 3 Se‐ kunden. Hier entscheidet sich: klingt eine Stimme fordernd, freundlich, gestresst, abweisend? ▷ Lächeln Sie! Ihre Mimik beeinflusst auch den Klang der Stimme. Und selbst, wenn das Bild etwas unscharf ist, wird man hören, wie Sie gerade dreinblicken. ▷ Halten Sie Blickkontakt! In Online-Meetings bedeutet das: blicken Sie in die Kamera, nicht auf den Bildschirm! ▷ Sitzen Sie aufrecht, sonst wirken Sie leicht „lasch“ und inkompe‐ tent. ▷ Nutzen Sie nur wenig Gestik, das verwirrt nur! Ihre Hände be‐ finden sich meist außerhalb des sichtbaren Bildausschnitts, und wenn Sie sie vor das Gesicht heben, wirkt die Geste perspektivisch verzerrt. 2. Online haben wir eine kürzere Aufmerksamkeitsspanne, als in der gewohnten, analogen Umgebung. Langweilen Sie Ihr Gegenüber nicht. Achten Sie auf eine interessante Modulation und Betonung: ▷ Formulieren Sie kurze Sätze: klare, prägnante Aussagen machen Ihre Stimme fester! ▷ Sprechen Sie bewusst langsam und deutlich! 10.4 Kommunikation 181 <?page no="182"?> ▷ Setzen Sie Pausen bewusst ein: das wirkt souverän und weniger hektisch. ▷ Unterscheiden Sie klar zwischen Präsentation und Diskussion. Fordern Sie Antworten, Feedback und Vorschläge von Ihrem Gegenüber aktiv ein. ▷ Halten Sie auch längere Pausen aus, wenn Ihr Verhandlungspart‐ ner auf Ihre Fragen nicht reagiert. Der Ball liegt auf seiner Seite! 3. Achten Sie auf die Stimme Ihres Verhandlungspartners. Wie klingt sie, wenn er entspannt ist? So erkennen Sie, wenn sich die Stimme aufgrund von Ärger, Stress oder bei Lügen verändert. 10.5 Flexibel agieren in Online-Verhandlungen Wir haben Jahre, oft Jahrzehnte lang unser Verhalten in der analogen Welt geübt. Im Vergleich dazu ist die Kommunikation im virtuellen Raum für die meisten Menschen noch ungewohntes Neuland. Während wir uns im Besprechungszimmer Blicke zuwerfen, Zeichen geben und Zettel zuschie‐ ben oder auch zur Abstimmung unter vier Augen kurz vor die Tür gehen können, scheint all das in Online-Meetings zunächst nicht möglich. Aber es gibt für fast jede denkbare Situation eine Alternative im virtuellen Raum. Die folgenden Beispiele verdeutlichen dies, und sicherlich fallen Ihnen weitere ein. Überlegen Sie sich, welche Situationen auf Sie zukommen könnten und wie Sie damit in einer Online-Verhandlung umgehen wollen. Möglicherweise müssen Sie dafür auch entsprechende Vorbereitungen tref‐ fen. Sie wollen Informationen mit Kollegen austauschen, ohne dass Ihr Verhandlungspartner mitlesen oder zuhören kann. ▶ Nutzen Sie persönliche Nachrichten im Chat des Webkonferenz-Tools. Aber Vorsicht: wenn Sie den falschen Adressaten wählen, ist die Nach‐ richt öffentlich sichtbar! ▶ Besser: Nutzen Sie die Chat- oder Messenger-Funktion in einem anderen System oder sogar auf einem zusätzlichen Endgerät (z. B. Ihrem Smart‐ phone oder Tablett). 182 10 Online-Verhandlungen erfolgreich führen <?page no="183"?> Sie planen eine Pause zur internen Abstimmung. Oder: Sie wollen Ihrem Gegenüber die Möglichkeit geben, sich abzustimmen. ▶ Nutzen Sie Breakout-Rooms, und achten Sie genau darauf, wer den Raum betreten kann. Möglicherweise aber vertraut Ihr Gegenüber der Technik nicht und befürchtet, dass der Raum nicht abhörsicher ist. ▶ Unterbrechen Sie die Verhandlung aktiv und pausieren die Übertragung für einen festgelegten Zeitraum. So geben Sie den Beteiligten die Mög‐ lichkeit, sich auf einem anderen Kanal (z. B. per Telefon) auszutauschen. ▶ Auch das kurzzeitige Vertagen auf einen späteren Zeitpunkt ist möglich, wenn Ergebnisse sich nicht wie erwartet ad hoc erzielen lassen. Schließ‐ lich müssen Sie den Verhandlungspartnern keine weite An- und Abreise zumuten. Sie wollen Ihren Verhandlungspartner unter 4 Augen sprechen. ▶ Auch hier können Sie einen Breakout-Room nutzen. Als Moderator haben Sie die Möglichkeit, den Zugang zu begrenzen oder in Breakout- Sessions nur Teilnehmende zuzulassen, die Sie selbst aktiv eingeladen haben. ▶ Eröffnen Sie ein zweites Parallel-Meeting, in dem Sie sich im kleinen Kreis austauschen. Verlassen Sie dafür sicherheitshalber die Verhand‐ lung. Wenn Sie stattdessen ein anderes Endgerät nutzen, stellen Sie sicher, dass Sie die Bild- und Tonübertragung in die Verhandlungsrunde unterbrechen. ▶ Greifen Sie zum Telefon. Auch dann müssen Sie natürlich darauf ach‐ ten, dass Sie für die übrigen Teilnehmenden der Verhandlungsrunde stummgeschaltet sind. Sie wollen (spontan) am Flipchart einen Lösungsvorschlag skizzieren/ den aktuellen Stand des Gesprächs zusammenfassen. ▶ Nutzen Sie ein Zeichen-Tool. Die meisten Webkonferenz-Tools bieten eine Whiteboard-Funktion. Wenn Ihnen das integrierte Werkzeug nicht gefällt, suchen Sie eine externe Alternative und teilen Sie in der Ver‐ handlung Ihren Bildschirm. Machen Sie sich in jedem Fall vorab mit dem gewählten Werkzeug vertraut! Es erfordert eine gewisse Übung, damit 10.5 Flexibel agieren in Online-Verhandlungen 183 <?page no="184"?> umzugehen. Und Sie wollen ja nicht mit der Technik kämpfen, sondern mit Ihrem Verhandlungspartner. ▶ Nutzen Sie eine Präsentations-Software, mit der Sie bereits vertraut sind. Auch hier können Sie eine Grafik erstellen und den Bildschirm teilen. ▶ Nutzen Sie ein Textverarbeitungsprogramm, um den Status des Ge‐ sprächs oder die noch offenen Punkte zusammenzufassen oder ein Tabellenkalkulationsprogramm, um die Zahlen transparent für alle darzustellen. ▶ Nutzen Sie ein echtes Flipchart und zoomen Sie heran, sodass alle mitlesen können. Wenn Ihre Webcam keine Zoom-Funktion hat, können Sie eine zweite Kamera auf das Flipchart richten, an dem Sie schreiben und zeichnen. Dazu eignet sich auch die Kamera Ihres Smartphones. Welche Situationen kommen Ihnen sonst noch in den Sinn? ▶ Keiner der genannten Punkte wird allein darüber entscheiden, ob Sie Ihre Verhandlungsziele erreichen oder sich gegen Ihren Verhandlungs‐ partner durchsetzen können. Aber je weniger Sie durch die Technik und das virtuelle Umfeld abgelenkt werden, je besser es Ihnen gelingt, sich auf das Wesentliche - die Verhandlungsführung - zu fokussieren, desto erfolgreicher werden Sie auch Online-Verhandlungen zu einem Abschluss bringen! TIPP FÜR VIDEO-VERHANLDUNGEN Ablauf ▶ Erforderliche Unterlagen vorher hochladen! ▶ Den eigenen Desktop aufräumen, Browserfenster schließen! Der Verhandlungspartner kann schnell einen Screenshot machen. ▶ Mit dem Verhandlungspartner bewusst im „Raum“ ankommen (Lobby nutzen)! ▶ Nachbereitung: Analysieren und versuchen Sie, zwischen den Zeilen zu lesen! Kommunikation ▶ Sprache: Langsamer als Face-to-Face, fast wie am Telefon ▶ Interessante Modulation und Betonung 184 10 Online-Verhandlungen erfolgreich führen <?page no="185"?> ▶ Klare Aussagen und Ansagen ▶ Lächeln Sie! ▶ Halten Sie Blickkontakt: in die Kamera blicken, nicht auf den Bildschirm! ▶ Nutzen Sie wenig Gestik, das verwirrt nur. 10.5 Flexibel agieren in Online-Verhandlungen 185 <?page no="187"?> 11 KI als Assistenz in Verhandlungen 11.1 KI in Verhandlungen Die Integration Künstlicher Intelligenz in Verhandlungsprozesse eröffnet vielfältige Möglichkeiten, die sowohl die Verhandlungsvorbereitung als auch die Verhandlungsführung effizienter, zielorientierter und erfolgreicher gestalten. In diesem Abschnitt konzentrieren wir uns auf die praktische Anwendung von Chatbots, da diese in den verschiedenen Phasen der Verhandlung Anwendung finden. Andere KI-Systeme, die beispielsweise in der Bild-, Video- und Sprach‐ verarbeitung oder in der Maschinen- und Fahrzeugsteuerung eingesetzt werden und in Bereichen wie Medizin, Technik und Forschung relevanter sind, werden hier nicht weiter betrachtet. Ebenso fokussieren wir uns auf die praktische Anwendung von Chatbots und weniger die dahinterstehenden technologischen Details. Grundsätzlich lassen sich die beschriebenen Anwendungen mit allen auf allgemeine Anwendungen ausgerichteten Chatbots realisieren. Für die folgenden Ausführungen stützen wir uns überwiegend auf Erfahrungen mit dem Chatbot ChatGPT von OpenAI, der den gesamten Verhandlungsablauf unterstützen kann. 1. Planung und Vorbereitung Eine gründliche Vorbereitung ist für den Erfolg jeder Verhandlung ent‐ scheidend. ChatGPT kann dabei unterstützen, relevante Daten und Infor‐ mationen zu sammeln und zu interpretieren. Der Chatbot ist in der Lage, Marktanalysen durchzuführen, Preisentwicklungen zu verfolgen und detail‐ lierte Informationen über Verhandlungspartner sowie deren Unternehmen bereitzustellen. Weiterhin ermöglicht die KI die Entwicklung von Argumen‐ tationslinien, Verhandlungsstrategien und Gesprächstaktiken. Zudem kann ChatGPT psychologisches Profiling der Verhandlungspartner betreiben und Empfehlungen für den Umgang mit den emotionalen Zuständen der beteiligten Persönlichkeitstypen geben, was ein typgerechtes Verhandeln fördert. Der Chatbot kann auch als Trainer und Coach genutzt werden, um allgemeine Verhandlungsfertigkeiten zu trainieren und sich auf spezifische Verhandlungsszenarien vorzubereiten. <?page no="188"?> 2. Durchführung Während der Verhandlung kann ChatGPT als Berater dienen, teilweise sogar in Echtzeit. Der Bot bietet alternative Argumentationslinien, reagiert spon‐ tan auf Fragen, liefert notwendige Daten umgehend, analysiert Dokumente oder plant die nächsten Schritte. 3. Nachbereitung Nach Abschluss einer Verhandlung ist es wichtig, die Ergebnisse zu ana‐ lysieren und zu dokumentieren. ChatGPT kann die Auswertung von Ver‐ handlungsprotokollen übernehmen, Ergebnisse evaluieren, Schlüsselpunkte zusammenfassen und Verbesserungsmöglichkeiten für zukünftige Verhand‐ lungen aufzeigen. 11.2. Einführung in Chatbots - ChatGPT Der Generative Pretrained Transformer, kurz GPT, bildet die technologische Basis von Chatbots wie ChatGPT, einem hochentwickelten Chatbot, der von OpenAI entwickelt wurde. Diese fortschrittlichen KI-Modelle sind darauf spezialisiert, menschliche Sprache nicht nur zu verstehen, sondern auch zu generieren. Sie reagieren auf Texteingaben, indem sie die Strukturen und Muster der menschlichen Sprache analysieren und darauf basierend kohärente und kontextabhängige Antworten erzeugen. Durch das kontinu‐ ierliche Lernen aus umfangreichen und stetig wachsenden Datenmengen sowie durch den Einsatz komplexer Algorithmen können immer präzisere Antworten generiert werden. Weitere fortschrittliche Chatbots, die ähnliche Funktionen wie ChatGPT bieten und auf natürliche Sprache reagieren, sind beispielsweise Gemini von Google, Perplexity, Claude, Zendesk und Copilot, um nur einige zu nennen. Diese unterscheiden sich oft nur geringfügig in ihrer Ausrichtung, Bedienung und dem Funktionsumfang. Manche sind für den allgemeinen Gebrauch geeignet, während andere sich auf Bereiche wie Socialmedia, Marketing, Bildung oder Gesundheit spezialisieren. 188 11 KI als Assistenz in Verhandlungen <?page no="189"?> TIPP Die Technologieentwicklung im KI-Sektor schreitet rasant voran. Das Angebot an Chatbots ist zum heutigen Zeitpunkt (August 2024) sehr vielfältig und dynamisch. Es ist daher wichtig, stets über die neuesten Entwicklungen informiert zu sein und die eigenen Strategien laufend an‐ zupassen. Mit der Einführung von ChatGPT-4o wurden beispielsweise Leistung und Effizienz signifikant verbessert. Auch neue Technologien, die zur Gesichts- und Sprachanalyse eingesetzt werden können, um Emotionen, verborgene Botschaften und Stressreaktionen zu erkennen, werden zukünftig eine wichtige Rolle spielen. Es ist sogar denkbar, dass KI die komplette Verhandlungsführung übernimmt und in Echtzeit reagiert und verhandelt, eventuell sogar mit einem Avatar am Verhand‐ lungstisch. ChatGPT bietet vielfältige Einsatzmöglichkeiten, von der Beantwortung von Anfragen über die Erstellung von Texten bis hin zur Analyse und Übersetzung von Dokumenten. Hier einige spezifische Anwendungsfälle für ChatGPT: ▶ Fragen beantworten: Als Informationsquelle kann ChatGPT schnelle und präzise Antworten auf vielfältige Fragen bieten. ▶ Texte übersetzen: Dies ist besonders vorteilhaft in internationalen Verhandlungssituationen, wo Kommunikationsbarrieren überwunden werden müssen. ▶ Texte generieren: ChatGPT kann bei der Erstellung von E-Mails, Berich‐ ten, Präsentationen und anderen formalen Dokumenten unterstützen. ▶ Texte analysieren: Der Chatbot kann die Analyse von Verträgen, All‐ gemeinen Geschäftsbedingungen, Angeboten und anderen wichtigen Dokumenten durchführen. ▶ Strategische Tipps geben: ChatGPT kann bei der Entwicklung von Verhandlungsstrategien helfen und Vorschläge für die Verhandlungs‐ führung machen. ▶ Taktische Tipps geben: Er kann bei der Erstellung eines Verhandlungsd‐ rehbuches, bei der Ausarbeitung von Argumentationsketten und der Planung von Gesprächstaktiken unterstützen. 11.2. Einführung in Chatbots - ChatGPT 189 <?page no="190"?> ▶ Assistenz bei spezifischen Aufgaben: Spezifische Aufgaben bei Planung, Durchführung und Nachbereitung von Verhandlungen können effektiv von ChatGPT unterstützt werden. ▶ Training und Coaching: Der Chatbot kann als Trainer und Coach bei‐ spielsweise für praktisches Üben von Argumentationsgeschick, Small‐ talk oder typgerechtem Verhandeln eingesetzt werden. Darüber hinaus lassen sich die Funktionen von ChatGPT durch speziell entwickelte GPT-Modelle erweitern, um spezialisierte Anwendungen zu ermöglichen, die über die grundlegenden Funktionen hinausgehen. Mittlerweile gibt eine Vielzahl von GPTs für viele verschiedenen Aufga‐ ben. Hier nur eine kleine Auswahl von Beispielen für spezialisierte GPT- Modelle, die für Verhandlungen von Interesse sein könnten. ▶ DALL-E: Generiert Bilder aus Textbeschreibungen, nützlich für die visuelle Darstellung von Konzepten oder Produkten. ▶ Canva: Unterstützt bei der Erstellung von Präsentationen, Logos und Socialmedia-Posts, was in der Verhandlungsvorbereitung und -präsen‐ tation oder im Marketing hilfreich sein kann. ▶ Jasper AI: Spezialisiert auf Marketing und Copywriting, ideal für die Erstellung überzeugender Verhandlungsunterlagen und Marketingma‐ terial. ▶ Math: Bietet Unterstützung bei der Lösung komplexer mathematischer Probleme, was für technische Berechnungen nützlich sein kann. ▶ Legal Assistant: Für die Erstellung und Analyse rechtlicher Dokumente, eine wertvolle Hilfe in rechtlich komplexen Verhandlungssituationen. Die Erstellung eigener spezifischer GPT-Modelle ist mittlerweile auch für Laien durchführbar, sodass individuelle Modelle leicht erstellt werden kön‐ nen, die auf die speziellen Bedürfnisse und Situationen in Verhandlungen zugeschnitten sind. Dies ermöglicht eine noch zielgerichtetere Anpassung und Nutzung der KI-Fähigkeiten in spezifischen Verhandlungskontexten. 11.3 Prompt Engineering Prompt Engineering ist sowohl eine Kunst als auch eine Wissenschaft. Es umfasst das sorgfältige Formulieren von Anfragen und Anweisungen an KI- Modelle wie ChatGPT, um optimale und relevante Antworten zu generieren. Eine wirksame Prompt-Gestaltung ist entscheidend, um das volle Potenzial 190 11 KI als Assistenz in Verhandlungen <?page no="191"?> der KI zu nutzen und präzise sowie nützliche Antworten zu erhalten. Es ist wesentlich zu verstehen, dass ChatGPT nicht im eigentlichen Sinne „versteht“, sondern durch Analyse von Wahrscheinlichkeiten und Mustern in Buchstabenfolgen der Eingabe einen „Sinn“ gibt und ebenso mithilfe einer riesigen Datenbasis Antworten generiert. In diesem Kapitel erörtern wir allgemeine Richtlinien für das Prompting sowie verschiedene Strategien zur Optimierung Ihrer Prompts, die Ihnen helfen sollen, effektiv mit dem Chatbot zu kommunizieren und Ihre eigenen Prompts für Ihre spezifischen Aufgabenstellungen zu formulieren. Letztlich ist alles eine Frage der Kreativität und des geschickten Kombinierens der Informationen, die dem Chatbot zur Verfügung gestellt werden. TIPP „ChatGPT ist vergleichbar mit einem Praktikanten, der über ein enormes Wissensreservoir verfügt und komplexe Zusammenhänge analysieren, verstehen und nutzen kann. Wie bei einem Praktikanten sind jedoch klare Anweisungen erforderlich, um optimale Ergebnisse zu erzielen.“ 11.3.1 Allgemeine Tipps zum Prompting Tipp 1: Klarheit und Präzision Formulieren Sie Ihre Anfragen und Instruktionen so klar und präzise wie möglich. Klare und genaue Prompts sind entscheidend, um nützliche und zielgerichtete Antworten von ChatGPT zu erhalten. Vermeiden Sie Mehrdeutigkeiten und umgangssprachliche Ausdrücke. Beispiel: Unpräziser Prompt: „Kannst du mir bei einer Verhandlung helfen? “ Präziser Prompt: „Erstelle eine Liste von Argumenten gegen eine Preiserhöhung von 10 % bei elektronischen Bauteilen in der Automobilin‐ dustrie, unter Berücksichtigung der aktuellen Marktbedingungen und der Beziehung zum Lieferanten.“ Tipp 2: Zieldefinition Definieren Sie klar das Ziel Ihrer Anfrage. Je spezifischer das Ziel, desto zielgerichteter und effektiver kann die KI darauf hinarbeiten. 11.3.1 Allgemeine Tipps zum Prompting 191 <?page no="192"?> Beispiel: „Ich möchte Argumente entwickeln, um meinen Lieferanten von Preisnachlässen zu überzeugen, die auch für ihn von Vorteil sind. Erstelle eine entsprechende Argumentationslinie und bereite mich auf verschiedene Verhandlungsszenarien vor.“ Tipp 3: Verständlichkeit Verwenden Sie eine einfache und verständliche Sprache, um die KI nicht unnötig zu verwirren. Kurze Sätze und eine klare Struktur helfen der KI, Ihre Anfragen richtig zu interpretieren. Beispiel: „Erkläre die Vorteile für meinen Lieferanten, wenn er bei Abnahme großer Mengen einen Preisnachlass gewährt.“ Tipp 4: Überprüfung der Ergebnisse Es ist wichtig, die Antworten auf ihre Richtigkeit zu überprüfen und sich nicht blind auf die KI zu verlassen. Nutzen Sie bei heiklen, beispielsweise rechtlichen, Fragestellungen auch andere Quellen zu Verifizierung. Sollten die Antworten zu ungenau sein, fragen sie nach oder präzisieren Sie Ihre Prompts, um genauere und relevantere Informationen zu erhalten. Beispiel: Falls die Antworten von ChatGPT nicht spezifisch genug sind, könnten Sie nachhaken: „Konzentriere dich bitte auf langfristige Kostenein‐ sparungen und die Steigerung des Marktanteils als Hauptargumente.“ Tipp 5: Geduld Manchmal ist es notwendig, mehrere Anläufe zu nehmen, um den perfekten Prompt zu finden. Wenn die ersten Antworten nicht zufriedenstellend sind, modifizieren Sie den Prompt schrittweise. Tipp 6: Datenschutz Vermeiden Sie es, soweit wie möglich, sensible, interne oder private Infor‐ mationen in Ihren Prompts zu verwenden. Stellen Sie sicher, dass der Datenschutz im Einklang mit den Richtlinien Ihres Unternehmens gewahrt bleibt. 192 11 KI als Assistenz in Verhandlungen <?page no="193"?> Tipp 7: Verantwortungsvoller Einsatz Verwenden Sie ChatGPT als Unterstützungstool. Wichtige Entscheidungen sollten immer auf einer breiten Informationsbasis getroffen werden, um Fehlentscheidungen zu vermeiden. Letztendlich müssen Sie Ihre Entschei‐ dung selbst vertreten und können bei negativen Folgen nicht ChatGPT die Schuld geben. Tipp 8: Nutzung des Archivs Speichern Sie nützliche Prompts und archivieren Sie Chats, um sie später erneut verwenden oder anpassen zu können. Außerdem können Sie sich Prompts vorbereiten, die während einer Verhandlung in Echtzeit nützlich sein können. Dies erleichtert die Wiederverwendung bewährter Formulie‐ rungen und erhöht die Effizienz Ihrer Arbeit mit der KI. 11.3.2 Allgemeine Anweisungen Die sorgfältige Formulierung der Anfragen an den Chatbot steigern die Rele‐ vanz, die Verständlichkeit und Zielgenauigkeit der Antworten erheblich. Im Folgenden finden Sie hilfreiche Anleitungen mit konkrete Formulierungs‐ vorschlägen für allgemeine Aspekte der Prompt-Formulierung: Stil Weisen Sie die KI an, einen ganz bestimmten und gewünschten Formulie‐ rungstil für die Antwort zu nutzen, sodass diese möglichst verständlich oder sogar ohne Bearbeitung über Copy and Paste für eine bestimmte Zielgruppe weiter verwertbar ist. Beispiele: ▶ „Verwende natürliche Sprache und wähle Ausdrücke, die im alltäglichen Umgang eines Menschen Anwendung finden. Formuliere so, als würdest du die Inhalte einem Kollegen aus dem Einkauf erklären.“ oder „Formu‐ liere in der Du- [bzw. Sie-] Form.“ ▶ „Der Text soll auch von Nicht-Technikern verstanden werden können. Verwende eine klare und einfache Sprache, selbst bei der Erklärung komplexer Sachverhalte. Formuliere in kurzen Sätzen und vermeide Fremdwörter sowie Fachjargon.“ 11.3.1 Allgemeine Tipps zum Prompting 193 <?page no="194"?> ▶ „Schreibe im Stil von [z.-B. eines Sachbuchautors].“ ▶ „Formuliere im Schreibstil eines [z. B. Vertriebsleiters, Geschäftsführers, Ingenieurs, Managers].“ ▶ „Wählen Sie eine [z. B. formelle, wissenschaftliche, diplomatische, hu‐ morvolle etc.] Ausdrucksweise.“ ▶ „Vermeide Fachbegriffe und Fremdwörter, setzen stattdessen auf einfach zu verstehende Umschreibungen.“ Zielgruppe Indem Sie die KI anweisen, die Antwort auf eine ganz bestimmte Zielgruppe auszurichten, wird die Antwort entsprechend spezifisch formuliert. Beispiele: ▶ „Meine Lieferanten/ Kunden sind [z. B. mittelständische Unternehmen, spezialisiert auf…, aus der Branche …].“ ▶ „Die Zielgruppe für die Antwort sind [keine] aus der Branche …, Verkäufer, Kaufleute, Ingenieure, Logistiker, Physiker, Geschäftsführer, Controller etc.].“ ▶ „Die Leser des Textes haben nur geringes Verständnis für [z. B. Technik, Naturwissenschaften, Juristendeutsch etc.].“ Autor Auch die Information über Sie als die mit dem Chatbot kommunizierende Person hilft der KI die Antworten zielgerichteter zu formulieren. Beispiel: „Ich bin Einkäufer/ Verkäufer bei einem Unternehmen aus der Branche …, welches … herstellt und verkauft.“ Rolle des Chatbots Sagen Sie der KI, welche Rolle Sie ihr in der Kommunikation zuteilen möchten. Wenn die KI diese Informationen hat, können die Antworten entsprechend ausgerichtet werden. Beispiel: „Du bist ein [z. B. strategischer Einkäufer, Key-Account-Mana‐ ger, Ingenieur, Geschäftsführer, Kaufmann, Trainer für Verhandlungsfüh‐ rung, Lehrer etc.].“ 194 11 KI als Assistenz in Verhandlungen <?page no="195"?> Text Geben Sie der KI generelle Informationen über den gewünschten Antwort‐ text, sodass diese für die Formulierung, Strukturierung und den Umfang eine Orientierung hat Beispiele: ▶ „Der Text soll etwa 50 Wörter lang sein.“ ▶ „Ziel des Textes ist, das Thema verständlich zu erklären, ohne die Nuancen und interessanten Details zu verlieren.“ ▶ „Verfassen Sie ein[e] [z. B. E-Mail, Dokumentation, Bericht, Kommentar, Blogartikel, Twitter-Post, Produktbeschreibung, PowerPoint-Präsenta‐ tion, Einleitung, Fazit, Anekdote, Komödie, Fabel, Gedicht, Lied etc. zum Thema …“ Struktur des Prompts Diese allgemeinen Anweisungen können dem Chatbot auf unterschiedliche Weise zur Verfügung gestellt werden, strukturiert oder unstrukturiert in einem Fließtext, je nach persönlicher Vorliebe und Denkweise. Beispiel für einen strukturierten Prompt: ▶ Aufgabe: Entwickle mögliche Verhandlungsstrategien ▶ Thema: Verhandlungen mit Monopolisten ▶ Branche: Automobil ▶ Produkt: Elektronikkomponenten ▶ Zielgruppe: Einkäufer bei einem OEM ▶ Fachwissen der Zielgruppe: Laie ▶ Ziel: Überzeugen von Zusammenarbeit und Wellenlänge aufbauen ▶ Umfang: 500 Wörter ▶ Form: Stichpunktartig ▶ Stil: Locker und flockig, freundlich und humorvoll ▶ Aufbau: Verschiedene Szenarien mit alternativen Ansätzen ▶ Sprache: Deutsch ▶ Anrede: Du-Form Beispiel für einen unstrukturierten Prompt: „ChatGPT, ich bin Einkäu‐ fer bei einem Automotive OEM und bereite mich auf eine Verhandlung mit einem Lieferanten von Elektronikkomponenten vor. Der Lieferant ist bekannt für seine wettbewerbsfähigen Preise, aber es gab in der Vergan‐ 11.3.1 Allgemeine Tipps zum Prompting 195 <?page no="196"?> genheit einige Bedenken bezüglich der Lieferzuverlässigkeit und Qualität. Leider habe ich zu diesem Lieferanten zurzeit keine echten Alternativen. Ich möchte eine Strategie entwickeln, die nicht nur den besten Preis sichert, sondern auch Verbesserungen in den Liefer- und Qualitätskonditionen erreicht. Kannst du mir basierend auf diesen Informationen eine Analyse der Situation geben und Vorschläge für Verhandlungsansätze machen, die diese Punkte berücksichtigen? “ 11.3.3 Strategien für effektives Prompting Die gezielte Anwendung und kluge Kombination verschiedener Strategien kann die Effektivität von ChatGPT in Verhandlungen erheblich steigern und sicherstellen, dass die KI nicht nur nützliche, sondern auch präzise und kontextbezogene Unterstützung bietet. Few-Shot-Prompting (vs. Zero-Shot-Prompting) Beim Few-Shot-Prompting geben Sie der KI konkrete Beispiele als Orien‐ tierung, bevor sie eine Antwort liefert. Diese Beispiele helfen der KI, die Struktur und den Stil der gewünschten Antwort besser zu verstehen und auf Ihre Anforderungen abzustimmen. Beispiel: „Basierend auf diesen zwei Argumenten, die ich bereits ver‐ wendet habe, gib mir weitere Argumente, die auf aktuellen Marktanalysen basieren.“ Im Gegensatz dazu steht das Zero-Shot-Prompting, bei dem Sie der KI eine direkte Aufgabe ohne vorherige Beispiele stellen. Diese Methode kann oft weniger präzise Ergebnisse liefern, da die KI keine konkreten Hinweise oder Beispiele hat, um die Antwort zu formen. Beispiel: „Welche Argumente kann ich zur Abwehr einer Preiserhöhung nutzen? “ Nutzung von Beispielen Indem Sie spezifische Beispiele in Ihre Prompts einbauen, können Sie klarere und relevantere Antworten erhalten. Beispiel: „Entwickle eine Argumentationsstrategie, die in Form und Aufbau an das Beispiel in dem hochgeladenen PDF-Dokument angelehnt ist, und verbessere sie.“ 196 11 KI als Assistenz in Verhandlungen <?page no="197"?> ChatGPT eine Rolle zuweisen Durch das Zuweisen einer spezifischen Rolle an ChatGPT können Sie kontextbezogene Antworten erhalten, die zu Ihrem Szenario passen. Beispiel: „Ich möchte eine Preisverhandlung simulieren, bei der du die Rolle des Einkaufsleiters eines mittelständischen Unternehmens in der Automobilindustrie übernimmst.“ Nutzung des Chatverlaufs Der Verlauf der bisherigen Unterhaltung kann genutzt werden, um detail‐ liertere und konsistentere Antworten zu generieren. Beispiel: „Basierend auf den Argumenten, die wir bisher diskutiert haben, hätte ich jetzt gerne eine zusammenfassende Übersicht. Welche zusätzlichen Informationen könnten hilfreich sein? “ Chain-of-thought-Prompting Fordern Sie ChatGPT auf, die Antworten oder Überlegungen Schritt für Schritt darzulegen, um die Nachvollziehbarkeit zu erhöhen. Beispiel: „Erläutere schrittweise, wie ich eine Produktkostenkalkulation für eine Maschine/ Dienstleistung erstellen kann, um mich auf eine Preis‐ verhandlung vorzubereiten.“ Iteratives Prompting Beziehen Sie sich auf vorherige Antworten und verfeinern Sie den Prompt kontinuierlich, um präzisere und tiefere Einsichten zu erlangen. Beispiel: „Du hast drei Hauptargumente genannt. Bitte spezifiziere jedes Argument für die Automobilbranche und gib mir für jedes ein konkretes Formulierungsbeispiel.“ Model-Guided-Prompting Lassen Sie sich von den initialen Antworten der KI leiten und fordern Sie gezielt jene Informationen an, die für die Bearbeitung Ihrer Aufgabe notwendig sind. 11.3.1 Allgemeine Tipps zum Prompting 197 <?page no="198"?> Beispiel: „Ich bin Verkäufer und möchte überzeugende Argumente für eine Preiserhöhung meiner Produkte entwickeln. Welche weiteren Informa‐ tionen benötigst du von mir? “ Negative-Prompting Geben Sie explizite Anweisungen darüber, was in der Antwort vermieden oder ausgeschlossen werden soll, um unerwünschte Inhalte zu minimieren. Beispiel: „Ich möchte meine Lieferanten von nachhaltigen Produktions‐ konzepten überzeugen. Bitte liefere Vorschläge, die kein Investment von mehr als 10.000-€ erfordern.“ Diese Methoden ermöglichen es Ihnen, die Interaktionen mit ChatGPT zu optimieren und so präzisere und relevantere Unterstützung für Ihre spezifischen Verhandlungsbedürfnisse zu erhalten. 11.4 Konkrete Anwendungsmöglichkeiten von ChatGPT in Verhandlungen Die Qualität der Antworten von KI-Systemen wie ChatGPT hängt, wie im vorigen Kapitel beschrieben, maßgeblich von der sorgfältigen Formulierung der Prompts ab. Oft ist es nötig oder hilfreich, der KI relevante Informationen in Form von hochgeladenen Dateien zur Verfügung zu stellen, die spezifisch für die jeweilige Branche, das Produkt oder die Situation sind und die die KI nicht in ihrem eigenen Datenbestand findet. Mögliche Informationsquellen sind: ▶ Unternehmensberichte, Bilanzen ▶ Rohstoffpreis-Datenbanken, etwa vom statistischen Bundesamt ▶ Korrespondenzen, wie E-Mail-Verläufe ▶ Interne Daten, wie Preislisten oder Bestell- und Umsatzverläufe, Ange‐ bote, Vertragsentwürfe, Spezifikationen Jedes Format ist verwendbar, z. B. Text, Tabelle, Liste oder Bild. Texte können abfotografiert und von der KI als Text interpretiert werden. Zusätzlich können im Netz verfügbare Informationen als Informationsquelle genutzt werden, wie Tagespresse, Websites, Datenbanken oder soziale Netzwerke. Im Folgenden finden Sie nun Beispiele und Anregungen für die Nutzung des Chatbots in den verschiedenen Phasen einer Verhandlung. 198 11 KI als Assistenz in Verhandlungen <?page no="199"?> 11.4.1 Datenbasierte Recherche über den Verhandlungspartner Eine umfassende Recherche über Verhandlungspartner und deren Unter‐ nehmen ist essenziell, um informierte Entscheidungen zu treffen und eine wirksame Verhandlungsstrategie zu entwickeln. ChatGPT kann dabei un‐ terstützen, relevante Informationen schnell und präzise zu sammeln und zu analysieren. Hier einige Beispiele: Analyse des Marktumfeldes: „Analysiere die aktuellen Markttrends für Elektronikkomponenten und erstelle Profile der Hauptwettbewerber. Durchsuche relevante Nachrichtenartikel, um die neuesten Entwicklungen im Markt zu verstehen. Fasse diese Informationen zusammen, um strategi‐ sche Argumente für die bevorstehenden Verhandlungen mit dem neuen Lieferanten zu entwickeln.“ Unternehmensspezifische Datenanalyse: „Werte die bereitgestellten Dokumente aus, die die Kaufhistorie unseres wichtigen Kunden XY enthal‐ ten. Analysiere vergangene Bestellungen und identifiziere Trends im Kauf‐ verhalten. Entwickle auf dieser Grundlage maßgeschneiderte Vorschläge, die speziell auf die Bedürfnisse und Vorlieben dieses Kunden abgestimmt sind.“ Analyse der Unternehmenshistorie und Finanzdaten: „Untersuche die finanzielle Stabilität und Zuverlässigkeit unseres neuen Lieferanten XY durch Analyse der Jahresabschlüsse und Geschäftsberichte. Stelle sicher, dass alle Daten auf dem neuesten Stand sind und ziehe Schlussfolgerungen bezüglich der zukünftigen Verlässlichkeit dieses Lieferanten für unser Un‐ ternehmen.“ Identifikation von Unternehmensstrategien und Geschäftszielen: „Führe eine detaillierte Wettbewerbsanalyse durch, um das Marktumfeld von XY zu verstehen. Identifiziere die Hauptkonkurrenten und deren Stra‐ tegien, und bestimme, wie unser Unternehmen mit spezifischen Vorteilen und Alleinstellungsmerkmalen im Vergleich zum Wettbewerb positioniert ist.“ 11.4 Konkrete Anwendungsmöglichkeiten von ChatGPT in Verhandlungen 199 <?page no="200"?> 11.4.2 Unterstützung bei der Verhandlungsvor- und Nachbereitung Fragen zur Informationsgewinnung Die KI kann helfen, geschickte Fragen für das Verhandlungsgespräch zu formulieren, um die nötigen Informationen zu erhalten, Ziele und Absichten des Verhandlungspartners zu erfahren oder mögliche Vorwände zu hinter‐ fragen. Ebenso wichtig ist es, sich auf die Fragen des Verhandlungspartners vorzubereiten. Beispiel: „Welche Fragen bzw. Frageketten kann ich stellen, um her‐ auszufinden, ob ein Lieferant noch Rabatt hat, den er mir noch nicht gegeben hat. Ich möchte, dass er an seine Schmerzgrenze geht. Kombiniere verschiedene Fragearten und gib mir anschauliche Beispiele.“ oder „Auf welche Fragen muss ich als Einkäufer vorbereitet sein, wenn ich mit einem Konkurrenzangebot, welches es in Wahrheit gar nicht gibt, bluffe, um nicht aufzufliegen. Welche Fragen eines erfahrenen Verkäufers, der herausbekommen möchte, ob ich bluffe oder die Wahrheit sage, können das sein und wie verhalte ich mich am geschicktesten. Veranschauliche das mit praktischen Beispielen.“ Strategische Beratung Gerade beim Entwickeln von möglichen Verhandlungsstrategien oder um‐ fassender Ansätze für bevorstehende Verhandlungen kann die KI dem Ein- oder Verkäufer viel Gedankenarbeit abnehmen und verschiedene Vorschläge zur Auswahl unterbreiten. Beispiel: „Entwickle verschiedene strategische Ansätze für die bevorste‐ hende Verhandlung und erstelle jeweils ein detailliertes Drehbuch, das die verschiedenen Phasen der Verhandlung abdeckt. Integriere geeignete Argu‐ mente und Details für jede Phase, um eine strukturierte und zielgerichtete Verhandlungsführung zu gewährleisten.“ Simulieren von Verhandlungsszenarien Um sich auf alle Eventualitäten einer Verhandlung vorzubereiten, kann man die KI anweisen, verschiedene Reaktionsmöglichkeiten des Gegenübers und verschiedene Szenarien zusammenzustellen. 200 11 KI als Assistenz in Verhandlungen <?page no="201"?> Beispiel: „Simuliere verschiedene Verhandlungsszenarien für eine be‐ vorstehende Preisverhandlung mit einem Lieferanten von Elektronikkom‐ ponenten. Schlage geeignete Reaktionsstrategien vor und bereite Antworten auf wahrscheinliche Einwände vor, um mich optimal auf die Verhandlung vorzubereiten.“ Analyse relevanter Dokumente Oft ist es während der Verhandlungsvorbereitung wichtig, Dokumente und notwendige Unterlagen zu sichten und zu analysieren, um sich die wesent‐ lichen Inhalte übersichtlich zusammenfassen und bewerten zu lassen. Beispiel: „Überprüfe alle vorliegenden Angebote und stelle alle wichti‐ gen und wesentlichen Aspekte in einem Vergleich nebeneinander, der die Stärken und Schwächen der jeweiligen Angebote herausstellt. Liste auch alle kritischen Punkte und potenziellen Risiken auf, sodass ich gut informiert in die Verhandlungen gehen kann.“ Vorbereitung von Argumentationsstrategien Die KI kann beim Ausarbeiten von spezifischen und situationsbedingten Argumenten und kompletten Argumentationsstrategien basierend auf Da‐ ten und Fakten behilflich sein. Beispiel: „Entwickle eine detaillierte Argumentationsstrategie, um einen Preisnachlass abzuwehren, die die Vorteile unserer Produkte hervorhebt, insbesondere die verbesserte Qualität und zusätzliche Dienstleistungen. Stelle außerdem eine Übersicht über die aktuellen Kostenerhöhungen bereit, um die Notwendigkeit einer Preisstabilität zu untermauern.“ Taktische Planung - Erstellung des Verhandlungsdrehbuchs Gerade bei der Erstellung eines taktischen Drehbuchs, kann man sich vom Chatbot verschiedene Möglichkeiten vorschlagen lassen, um daraus die handwerkliche Umsetzung der verschiedenen Phasen zu strukturieren. Beispiel: „Erstelle ein detailliertes Drehbuch mit verschiedenen Optio‐ nen zur Auswahl für eine anstehende Verhandlung, das verschiedene Phasen der Diskussion abdeckt. Berücksichtige dabei die taktischen Zutaten, die im EVEREST-Taktikbaukasten aufgeführt sind.“ 11.4 Konkrete Anwendungsmöglichkeiten von ChatGPT in Verhandlungen 201 <?page no="202"?> Nachbereitung - Analyse des Verhandlungsverlaufs Auch nach der Verhandlung kann der Chatbot bei der Auswertung des Gesprächsverlaufs und zur Identifizierung von Stärken und Schwächen genutzt werden. Beispiel: „Analysiere den Gesprächsverlauf der kürzlich abgeschlos‐ senen Verhandlung anhand des Verhandlungsprotokolls und fasse die Schlüsselpunkte zusammen. Identifiziere Stärken und Schwächen in mei‐ ner Verhandlungsführung, um Verbesserungspotenziale für zukünftige Ver‐ handlungen aufzuzeigen.“ Nachbereitung - Dokumentation der Ergebnisse Auch für die Dokumentation der Verhandlung, der Zusammenfassung und strukturierten Dokumentation ist die KI von großem Nutzen. Beispiel: „Fasse die Ergebnisse der Verhandlung anhand des Gesprächs‐ protokolls und des abgeschlossenen Vertrages in einem detaillierten Bericht zusammen, der die vereinbarten Konditionen und die nächsten Schritte klar darstellt. Stelle sicher, dass alle wichtigen Details enthalten sind, um eine präzise Kommunikation mit dem Management zu gewährleisten.“ 11.4.3 Automatisierte Vertragsanalyse Die Überprüfung und Analyse von Vertragsdokumenten ist ein essenzieller, aber auch zeitintensiver Prozess in jeder Verhandlung. Künstliche Intelli‐ genz wie ChatGPT kann genutzt werden, um wichtige Vertragspunkte und potenzielle Risiken effizient zu identifizieren und zu bewerten. Dies ermöglicht eine schnellere und fundiertere Entscheidungsfindung. Folgende Aspekte können durch KI unterstützt werden: ▶ Identifikation von Schlüsselbedingungen und Klauseln: „Analy‐ siere den umfangreichen Liefervertrag für Baustoffe, den ich erhalten habe. Identifiziere und hebe wichtige Klauseln wie Lieferfristen, Zah‐ lungsbedingungen und Gewährleistungen hervor. Stelle sicher, dass keine kritischen Vertragspunkte übersehen werden, um eine fundierte Verhandlungsgrundlage zu schaffen.“ ▶ Erkennung von potenziellen Risiken und Haftungsklauseln: „Überprüfe den Vertrag mit unserem großen Kunden auf Haftungsklau‐ seln. Identifiziere jegliche übermäßige Haftungsverpflichtungen, die 202 11 KI als Assistenz in Verhandlungen <?page no="203"?> unser Unternehmen einem hohen Risiko aussetzen könnten. Bereite eine Zusammenfassung dieser Risiken vor, um mögliche Nachverhand‐ lungen zu unterstützen.“ ▶ Überprüfung der Einhaltung gesetzlicher Vorschriften: „Prüfe den Vertrag mit unserem Verpackungslieferanten auf Einhaltung aller rele‐ vanten gesetzlichen Anforderungen, einschließlich Umweltschutzaufla‐ gen und Sicherheitsstandards. Erstelle einen Bericht über eventuelle Mängel oder Compliance-Probleme, um rechtliche Schwierigkeiten zu vermeiden.“ ▶ Vergleich mit früheren Verträgen: „Vergleiche den neuen Kunden‐ vertrag mit unseren Standardvertragsbedingungen. Identifiziere Abwei‐ chungen und erstelle eine detaillierte Analyse, um sicherzustellen, dass die Vertragsbedingungen standardisiert und vorteilhaft für unser Unternehmen sind.“ ▶ Ermittlung von Verhandlungsspielräumen: „Analysiere den Ver‐ trag mit unserem Lieferanten und identifiziere verhandelbare Bedin‐ gungen, wie flexible Liefertermine oder Preisnachlässe bei größeren Bestellmengen. Erstelle eine Übersicht der Verhandlungsspielräume, um gezielt vorteilhafte Bedingungen aushandeln zu können.“ ▶ Erstellung von Vertragszusammenfassungen: „Erstelle eine klare und übersichtliche Zusammenfassung des komplexen Vertrags mit un‐ serem neuen Kunden. Hebe die wichtigsten Bedingungen und Verpflich‐ tungen hervor, um eine effektive Kommunikation und vollständiges Verständnis der Vertragsinhalte beider Parteien zu gewährleisten.“ 11.4.4 Unterstützung in Echtzeit: Vorschläge und Informationen während der Verhandlung durch KI-gestützte Systeme Künstliche Intelligenz kann während laufender Verhandlungen als Echtzeit- Berater fungieren und durch die schnelle Analyse und Bereitstellung von Informationen den Verhandlungsprozess maßgeblich unterstützen. KI-ge‐ stützte Systeme wie ChatGPT helfen Verhandlungsführern dabei, flexibel und informierter auf die Dynamik der Verhandlung zu reagieren. Hier sind einige der unterstützenden Funktionen, die KI in Echtzeit bieten kann: ▶ Bereitstellung von Ad-hoc-Daten und Fakten: „Stelle dringend rechtliche und regulatorische Informationen zu spezifischen Importvor‐ 11.4 Konkrete Anwendungsmöglichkeiten von ChatGPT in Verhandlungen 203 <?page no="204"?> schriften für Lebensmittelprodukte bereit, und prüfe, ob der vorliegende internationaler Liefervertrag alle notwendigen Bedingungen erfüllt, sodass Verzögerungen oder rechtliche Probleme vermieden werden können.“ ▶ Formulierung von Argumenten und Gegenargumenten: „Biete sofortige Argumente zur Darstellung der Zuverlässigkeit unserer Ma‐ schinen, basierend auf neuesten Tests, Zertifizierungen und Kundenzuf‐ riedenheitsberichten, um die aufgekommenen Zweifel des Kunden zu zerstreuen und sein Vertrauen zu stärken.“ Gerade in diesen Ad-hoc-Situationen ist es sinnvoll, schnell auf eine über‐ sichtliche Prompt-Bibliothek zurückgreifen zu können, in der man vielleicht schon Formulierungen für mögliche Eventualitäten abgelegt hat. So kann man sich Formulierungsaufwand unter Zeitdruck vermeiden. 11.4.5 Unterstützung in schwierigen Verhandlungssituationen: Monopole und übermächtige Verhandlungspartner Verhandlungen mit monopolistischen oder übermächtigen Verhandlungs‐ partnern sind besonders herausfordernd. Künstliche Intelligenz wie ChatGPT kann hier entscheidende Unterstützung bieten durch … ▶ Analyse der Machtverhältnisse und Marktbedingungen: „Analy‐ siere die aktuellen Marktbedingungen und Machtverhältnisse bei den OEM’s im Automobilsektor. Erstelle eine detaillierte Einschätzung unse‐ rer Verhandlungsposition gegenüber einem großen Automobilhersteller und empfehle eine realistische Verhandlungsstrategie, die unsere Stär‐ ken optimal nutzt. Nutze bitte alle zu Verfügung stehenden Quellen.“ ▶ Entwicklung von Verhandlungsstrategien: „Entwickle maßge‐ schneiderte Verhandlungsstrategien für Verhandlungen mit einem Mo‐ nopolisten in der Elektronikindustrie. Berücksichtige dabei die Mög‐ lichkeit, auf langfristige Verträge zu setzen und prüfe, wie alternative Lieferanten ins Spiel gebracht werden können, um unseren Verhand‐ lungsdruck zu erhöhen. Was fällt dir noch ein, um unsere Verhandlungs‐ position zu verbessern? “ ▶ Simulation von Verhandlungsszenarien: „Simuliere verschiedene Verhandlungsszenarien für Gespräche mit einem dominierenden Ein‐ zelhändler. Bewerte die potenziellen Auswirkungen verschiedener Stra‐ 204 11 KI als Assistenz in Verhandlungen <?page no="205"?> tegien auf unsere langfristige Geschäftsbeziehung und empfehle die besten Ansätze zur Maximierung unseres Erfolgs.“ ▶ Vorbereitung auf Einwände und schwierige Fragen: „Simuliere häufige Einwände in einer Preisdiskussion und bereite mich auf schwie‐ rige Fragen vor, die ein dominierender Stofflieferant möglicherweise stellen wird. Entwickle überzeugende Antworten und Gegenargumente, um unsere Verhandlungsposition zu stärken.“ ▶ Entwicklung langfristiger Strategien und Partnerschaften: „Ent‐ wickle langfristige Partnerschaftsstrategien für Verhandlungen mit einem großen Industriekonzern im Energiebereich. Berücksichtige ge‐ meinsame Nachhaltigkeitsinitiativen und technologische Kooperatio‐ nen, die beiderseitige Vorteile bringen könnten.“ 11.4.6 Unterstützung als psychologischer Berater In Verhandlungen kann ChatGPT als psychologischer Berater fungieren, um ein umfassendes Verständnis der Verhandlungspartner zu entwickeln und die Interaktionen entsprechend anzupassen. Dieses Kapitel gibt Anre‐ gungen, wie Künstliche Intelligenz genutzt werden kann, um das psycho‐ logische Profiling der Verhandlungspartner zu unterstützen, Verhandlungs‐ taktiken typgerecht anzupassen, effektiv mit Emotionen umzugehen und schließlich eine vertrauensvolle Beziehung aufzubauen. Psychologisches Profiling Eine präzise Kenntnis über den Verhandlungspartner ist im Businessumfeld entscheidend. ChatGPT kann dabei helfen, ein detailliertes psychologisches Profil anhand von beruflichen Kommunikationen, LinkedIn-Profilen und anderen öffentlich zugänglichen Informationen zu erstellen. Beispielsweise könnte ChatGPT die vergangenen Posts und Artikel eines Verhandlungs‐ partners analysieren, um dessen Werte, Prioritäten und bevorzugte Kom‐ munikationsstile zu identifizieren. Beispiel: „Erstelle ein psychologisches Profil für [Name des Verhand‐ lungspartners] basierend auf der Website [www.name.com], seinem/ ihrem öffentlich zugänglichen LinkedIn-Profil, veröffentlichten Artikeln und so‐ zialen Medienbeiträgen, sowie des bisherigen E-Mail-Verlaufs. Analysiere diese Informationen, um seine/ ihre Werte, Prioritäten, typbedingte Eigen‐ schaften und den bevorzugten Kommunikationsstil zu identifizieren.“ 11.4 Konkrete Anwendungsmöglichkeiten von ChatGPT in Verhandlungen 205 <?page no="206"?> Anpassung an Verhandlungspartner In Einkaufs- und Verkaufsverhandlungen ist die spezifische Anpassung der Strategie an den Verhandlungspartner unerlässlich. ChatGPT kann Empfehlungen geben, wie Verkäufer und Einkäufer ihre Ansätze basierend auf der Persönlichkeit und dem Verhalten der Geschäftspartner modifizieren sollten. Beispielsweise könnte ChatGPT einem Verkäufer vorschlagen, bei einem risikoaversen Einkäufer die Zuverlässigkeit und langfristigen Vorteile eines Produktes zu betonen. Beispiel: „Gib Empfehlungen, wie ich meine Verkaufsstrategie an einen risikoaversen Einkäufer anpassen kann, um die Zuverlässigkeit und lang‐ fristigen Vorteile unseres Produktes zu betonen.“ Typgerechte Verhandlungsführung Die Anpassung der Verhandlungsstrategie an den Persönlichkeitstyp des Partners ist entscheidend. ChatGPT kann dabei unterstützen, Verhand‐ lungsstrategien zu entwickeln, die auf den individuellen Typ zugeschnitten sind. Beispielsweise könnte die KI empfehlen, bei einem extrovertierten Partner eine offene und dialogorientierte Verhandlungsführung zu wählen, während bei einem introvertierten Partner eine datengetriebene und fak‐ tenbasierte Herangehensweise vorteilhafter sein könnte. Beispiel: „Entwickle eine Verhandlungsstrategie für einen extrovertier‐ ten Partner, die eine offene und dialogorientierte Herangehensweise betont. Berücksichtige auch Alternativstrategien für einen introvertierten Partner, die sich auf datengetriebene und faktenbasierte Argumentation stützen.“ Management von Emotionen Emotionale Intelligenz spielt eine große Rolle in geschäftlichen Verhandlun‐ gen. ChatGPT kann dazu genutzt werden, bisheriges Verhalten zu analysie‐ ren, beispielsweise in Stress- oder Konfliktsituationen, und Empfehlungen für das eigene Verhalten zur Emotionssteuerung zu geben. Wenn etwa ein Verhandlungspartner in der Vergangenheit auf Preisdruck emotional reagiert hat, könnte ChatGPT Strategien vorschlagen, wie man diese Situa‐ tion in Zukunft mildern kann. Beispiel: „Analysiere, wie verschiedene Persönlichkeitstypen auf Kon‐ flikt- und Stresssituationen, wie einer hart geführten Preisverhandlung, 206 11 KI als Assistenz in Verhandlungen <?page no="207"?> reagieren. Empfehle Strategien, um in diesen Verhandlungssituationen eine Eskalation zu vermeiden und stattdessen Ruhe und Gelassenheit zu fördern.“ Aufbau von Rapport in Geschäftsbeziehungen Der Aufbau von Rapport ist entscheidend für die Förderung langfristiger Geschäftsbeziehungen. ChatGPT kann Techniken empfehlen, um während der Verhandlung eine vertrauensvolle und positive Atmosphäre zu schaffen, wie beispielsweise das Spiegeln von Gestik und Sprachmustern, um Nähe und Verständnis zu signalisieren. Beispiel: „Empfehle Techniken, die während der Verhandlungen ange‐ wendet werden können, um eine vertrauensvolle und positive Atmosphäre zu schaffen. Vorschläge sollten das Spiegeln von Gestik und Sprachmustern einschließen, um Nähe und Verständnis zu signalisieren.“ Anpassung des eigenen professionellen Verhaltens Die Selbstwahrnehmung und das Management des eigenen Verhaltens sind kritische Aspekte in professionellen Verhandlungen. ChatGPT kann dabei unterstützen, Verhaltensweisen zu identifizieren und anzupassen, die zu erfolgreichen Verhandlungsresultaten führen. Beispielsweise könnte die KI einem Verhandlungsführer helfen, seine dominante Natur zu mäßigen, um kooperativere und weniger konfrontative Gespräche zu fördern. Beispiel: „Ich neige zum impulsiven und emotionalen Verhalten während Verhandlungen. Mein Persönlichkeitstyp nach DISG ist überwiegend domi‐ nant. Ich möchte, dass du mir hilfst erfolgreicher zu sein. Biete spezifische Empfehlungen an, wie ich meine dominante Natur mäßigen kann, um kooperativere Gespräche zu fördern.“ 11.4.7 ChatGPT als Trainer und Coach In diesem Kapitel wird die Rolle von ChatGPT als Trainer und Coach für Verhandlungsführung beleuchtet. ChatGPT kann entsprechend angewiesen werden, den Ein- oder Verkäufer zu trainieren und mit ihm Übungen durchzuführen, und dabei helfen, Verhandlungsfähigkeiten zu schärfen und Erfahrungen zu sammeln. Hier verlangt man schon ziemlich viel von der KI. Entsprechend wichtig ist es, dass man seine Prompts sorgfältig und ausführlich gestaltet. Hier muss man sicherlich ein wenig ausprobieren, bis 11.4 Konkrete Anwendungsmöglichkeiten von ChatGPT in Verhandlungen 207 <?page no="208"?> man mit dem Ergebnis zufrieden ist. Hier sind ein paar Beispiele, mit denen wir gute Erfahrungen gemacht haben. Training von Verhandlungsfähigkeiten ChatGPT kann als interaktives Werkzeug dienen, um individuelle Verhand‐ lungsfähigkeiten zu entwickeln. Durch simulationsbasiertes Lernen bietet ChatGPT personalisierte Übungen und Feedback in Echtzeit, was den Nutzern hilft, ihre Techniken zu verfeinern und ihre Reaktionsfähigkeit in verschiedenen Verhandlungsszenarien zu verbessern. Beispiel: „Ich möchte, dass du jetzt mein Coach und Trainer für Ver‐ handlungsführung bist. Ich bin Einkäufer/ Verkäufer bei X, einem Hersteller von Y. Ich muss viele Verhandlungen mit unterschiedlichsten Themen mit anspruchsvollen Lieferanten/ Kunden führen. Du sollst nun die Rolle eines Lieferanten/ Kunden einnehmen und mit mir verschiedene Verhand‐ lungsszenarien üben. Wähle Szenarien aus, die typische und schwierige Situationen widerspiegeln, aber auch Szenarien mit schwierigen Charakte‐ ren als Verhandlungspartner. Du bringst in dem Verhandlungsszenario eine Forderung oder ein Argument vor, die typisch ist für diese Konstellation und ich muss antworten. Analysiere meine Antworten und gib konstrukti‐ ves Feedback zu meinen Fragetechniken, meinem Argumentationsaufbau und meinem Umgang mit Einwänden. Anschließend bewertest du meine Antwort. Dieses Feedback ist mir wichtig. Nach diesem Feedback reagierst Du entsprechend auf meine Antwort und setzt deine Argumentation in diesem Szenario fort. Ich antworte wieder und du gibst mir wieder Feedback und setzt deine Argumentation fort. So kann ich meine Argumentations- und Einwandbehandlungsfähigkeiten trainieren. Habe ich meine Sache nach maximal zehnmal Argumentationspingpong gut gemacht, kannst du ein schwierigeres Szenario wählen. Es kann auch sein, dass ich ein neues Szenario fordere, dann denkst du dir etwas Neues aus. Mir dir als Coach und Trainer möchte ich meine Verhandlungskompetenzen steigern, damit ich für meine Firma ein gutes Ergebnis verhandeln kann.“ Vorbereitung auf spezifische Verhandlungssituationen ChatGPT kann helfen, spezifische Verhandlungssituationen vorzubereiten, indem es Szenarioanalysen durchführt und potenzielle Antworten und Strategien vorschlägt. Dies schließt die Vorbereitung auf schwierige Fragen 208 11 KI als Assistenz in Verhandlungen <?page no="209"?> und die Entwicklung von Taktiken für komplexe Verhandlungsszenarien ein. Beispiel: „Bereite mich auf eine internationale Verhandlung vor, indem du kulturelle Einsichten, rechtliche Rahmenbedingungen des Zielmarktes analysierst und Strategien vorschlägst, um kulturelle Missverständnisse zu vermeiden und Vertrauen aufzubauen. Übe das bitte mit mir anhand konkreter möglicher Verhandlungssituationen.“ Smalltalk und Gesprächseinstieg Viele Menschen sind in Bezug auf Zahlen, Daten, Fakten und Verhandlungs‐ fertigkeiten sehr gut vorbereitet und aufgestellt. Leider sind sie nicht so gut im Smalltalk. Da aber gerade der erste Eindruck, den man bei Begrüßung und Smalltalk vermittelt, einen prägenden Ankereffekt hat, macht es Sinn, sich auch in diesem Bereich zu trainieren. Man hat keine zweite Chance für den ersten Eindruck! Beispiel: „Ich möchte, dass du mit mir Business-Smalltalk übst. Ich möchte, dass du mit mir ein Smalltalk-Gespräch vor einer wichtigen Verhandlung führst. Lass uns ein Gespräch führen, indem du die Rolle meines Verhandlungspartners, der mich in meinem Unternehmen besucht, übernimmst. Nach einiger Zeit gib mir bitte ein Feedback mit Verbesserungs‐ vorschlägen. Können wir so vorgehen? “ 11.4 Konkrete Anwendungsmöglichkeiten von ChatGPT in Verhandlungen 209 <?page no="211"?> 12 „Expedition“ - Erfahrungen sammeln in der Praxis SUMMARY Am Berg lautet die oberste Regel: Ruhe bewahren und einen klaren Kopf behalten. Die Verhandlung beginnt! Sie verlassen nun die Phase der theoretischen Vorbereitung und wechseln in die Praxis. Ihr Verhand‐ lungspartner sitzt Ihnen leibhaftig gegenüber und wird Ihrer Planung entweder folgen oder sie durchkreuzen wollen. Bleiben Sie ruhig, aber konzentriert! Nun hängt alles davon ab, wie gut es Ihnen gelingt, Ihren sehr gut vorbereiteten Plan umzusetzen und flexibel auf die taktischen Rafinessen Ihres Verhandlungspartners zu reagieren. Im folgenden Kapitel stellen wir Ihnen praxisnahe Feinheiten, Tricks und Details zur Verhandlungstechnik in den verschiedenen Phasen der Verhandlung vor und geben Ihnen weitere Tricks in Sachen Gesprächsführung, Moderation oder Auftreten an die Hand. Setzen Sie auf ihre Wirkung: Mit diesen taktischen Tools und Methoden können Sie sich flexibel und erfahren präsentieren und sich noch besser auf die bevorstehende Verhandlung einstellen. Eigener Stil und Erfahrung Das Ergebnis der Verhandlung hängt von Ihrem Verhalten in kritischen Situationen, Ihrer Flexibilität und Ihrer Fähigkeit ab, die geplante Strategie- Taktik-Kombination durchzusetzen. Je mehr Erfahrung (lernen aus vorhe‐ rigen Verhandlungen) Sie haben, desto besser, da sie zu Flexibilität (eine Strategie und die entsprechende Taktik rasch anzupassen) oder einfach zu Intuition und Schlagfertigkeit führt. Mit wachsender Erfahrung werden Sie Ihren bevorzugten Stil finden. Denken Sie an eine professionelle Nachbereitung und geben Sie sich im Team gegenseitig ehrliches Feedback: <?page no="212"?> ▶ Was hat gut / nicht geklappt? Warum? ▶ Konnte die geplante Strategie / Taktik umgesetzt werden? Wenn nein, warum nicht? ▶ Was kann an der Vorbereitung verbessert werden? ▶ Welche Informationen fehlten? Wo war die Argumentation unvollstän‐ dig? ▶ Mit welchem Verhalten des Verhandlungspartners hat man nicht ge‐ rechnet? ▶ Was könnte man ändern? Wie / wann? Betrachten wir zunächst einmal die verschiedenen Phasen, die jede Verhand‐ lung mehr oder weniger ausführlich durchläuft: 12.1 Phasen einer Verhandlung Phasen der Verhandlung 1. Gesprächseinstieg 2. Präsentation der Unternehmen 3. Verhandlungseinstieg 4. Verhandlung 5. Gesprächsaustieg 1. Smalltalk: Warming-up, Ice-Breaking 2. Vorstellung der Teilnehmer 3. Thema, Ziel 4. Ablauf, Rahmenbedingungen (roter Faden, Agenda) 1. Präsentation von Lieferant und Kunde (z. B. PowerPoint) 2. Werksbesichtigung (sofern sinnvoll) Hinweis: Zuhören und beobachten! 1. Zieldefinition, Verhandlungsgegenstand 2. Gegensätzliche Standpunkte verdeutlichen 3. Positionierung von Hauptargumenten 1. Verhandeln: Argumente, Einwände 2. Handeln 3. Feilschen 4. Lösungsmöglichkeiten diskutieren 5. Lösungen auswählen (win - win, win - lose, Kompromiss, Abbruch) 6. Ergebnis festhalten evtl. weiteres Handeln vereinbaren 1. Dokumentation/ Protokoll 2. Smalltalk (Feedback? ) 3. Verabschiedung Abb. 26: Phasen einer Verhandlung 212 12 „Expedition“ - Erfahrungen sammeln in der Praxis <?page no="213"?> 12.1.1 Gesprächseinstieg Unterschätzen Sie nicht die Bedeutung eines guten Gesprächseinstiegs. Hier wird die gemeinsame Basis für das Gespräch gelegt, denn Sympathie spielt für den Ausgang der Verhandlung eine wichtige Rolle. Smalltalk heißt nicht umsonst auch „Ice-Breaker“. Brechen Sie also das Eis durch einen lockeren Gesprächseinstieg. Außerdem bereiten Sie in dieser Phase die Teilnehmer auf die Verhand‐ lung vor, indem Sie für die Stimmung sorgen, die Ihre Taktik unterstützt. Machen Sie bereits hier Ihre Vorstellungen vom Ablauf der Verhandlung deutlich. Beschreiben Sie die Agenda, den zeitlichen Rahmen und was Sie am Ende der Verhandlungsrunde erreicht haben wollen. Und nutzen Sie diese Phase dazu, sich selbst zu positionieren: als ernst zu nehmender, souveräner Verhandlungsführer. 12.1.2 Präsentation der Unternehmen Geschäftspartner, die sich bereits kennen, werden sich nicht erst während einer Verhandlung über aktuelle Entwicklungen informieren. Aber egal, ob eine formale Präsentation vorgesehen ist oder nicht, es wird eine Phase ge‐ ben, in der die Gesprächsteilnehmer zur eigentlichen Verhandlung überlei‐ ten. Oft werden jetzt Informationen zur Geschäftsentwicklung ausgetauscht und jeder versucht, sich und sein Unternehmen gut zu positionieren (VK: gute Auslastung, das Produkt ist ein Renner, die Kunden sind ausnahmslos begeistert …, EK: wir müssen sparen, die Kunden werden immer anspruchs‐ voller, unsere Geschäftsleitung fordert Produktivität …). Hören Sie in dieser Phase aufmerksam zu und beobachten Sie Ihre Gesprächspartner genau. Versuchen Sie herauszufiltern, was echt und was nur gespielt ist. 12.1.3 Verhandlungseinstieg Jetzt profitieren Sie davon, wenn Sie sich von Anfang an als „Chef im Ring“ in Position gebracht haben. Denn jetzt sind Sie als Verhandlungsführer gefragt. Wenn Ihre Rolle bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht klar ist, fällt es Ihnen jetzt doppelt schwer, die Führung an sich zu reißen. Spätestens jetzt müssen Sie es aber tun, wenn Sie das Heft nicht aus der Hand geben wollen! 12.1 Phasen einer Verhandlung 213 <?page no="214"?> TIPP FÜR DEN VERKÄUFER Wenn ein professioneller Einkäufer diese Rolle souverän an sich zieht, kann sich ein Verkäufer kaum dagegen wehren. Schließlich ist er der Kunde. Beharren Sie trotzdem auf der Beantwortung Ihrer Fragen und bringen Sie Ihre Argumente vor. Nur so können Sie dem Kunden den Nutzen bieten, den er sich von einem qualifizierten Lieferanten verspricht. 12.1.4 Verhandlung Der Übergang in die eigentliche Verhandlung ist meist fließend. Informa‐ tionen, Standpunkte und Argumente werden manchmal sehr zeitaufwendig ausgetauscht, ohne dass bereits verhandelt wird. Beide Seiten tasten sich ab und versuchen, die Strategie der anderen Seite zu verstehen, gemeinsame Interessen auszuloten oder gegensätzliche Standpunkte zu erkennen. Bereits jetzt legt sich jeder im Geiste zurecht, wie eine Vereinbarung am Ende aussehen könnte. In dieser Phase ist wichtig: ▶ dem Gespräch aufmerksam folgen, aktives Zuhören und richtiges Fra‐ gen, ▶ schlagkräftig argumentieren und kontern (Argumente, Gegenargu‐ mente und Einwände), ▶ den Gegner beeinflussen oder sogar manipulieren bzw. Manipulation und Tricks der Gegenseite erkennen, ▶ in kritischen Phasen Ruhe bewahren und Herr der Situation bleiben. Für eine Lösung brauchen Sie schließlich Ihren Verhandlungspartner. 12.1.5 Gesprächsausstieg Alle Entscheidungen werden abschließend noch einmal so formuliert, wie sie von allen Beteiligten getragen werden. Dokumentieren Sie die Ergebnisse schriftlich (evtl. Unterzeichnung eines Verhandlungsprotokolls durch beide Parteien). ▶ Vergewissern Sie sich, dass die Verhandlungspartner das gleiche Ver‐ ständnis vom Verhandlungsergebnis haben. 214 12 „Expedition“ - Erfahrungen sammeln in der Praxis <?page no="215"?> ▶ Die einzelnen Punkte werden gemeinsam durchgegangen, bis man von einer Vereinbarung reden kann, d. h. bis beide Parteien zustimmen / zu‐ frieden sind. ▶ Einigung über die juristischen, kommerziellen und technischen Bedin‐ gungen, das weitere Vorgehen. Bevor Sie sich endgültig von Ihrem Verhandlungspartner verabschieden, stellen Sie sicher, dass auch die persönliche Beziehung (wieder) intakt ist. Beobachten Sie Ihr Gegenüber genau. Falls nötig, bauen Sie ihn auf („Sie haben es mir wirklich nicht leicht gemacht, mehr hätte ich nicht zusagen können“). Versuchen Sie, eine Rückmeldung von Ihrem Verhandlungspart‐ ner zu bekommen (Gesichtsausdruck, Körpersprache, „mit dem Ergebnis können wir doch alle zufrieden sein …“, „das war aber eine verdammt harte Verhandlung …“). Versuchen Sie, ein Feedback zu bekommen, das Sie für die Nachbereitung mit Ihren Kollegen / für zukünftige Verhandlungen nutzen können. Wenn Ihr Geschäftspartner einen sehr unzufriedenen Eindruck macht, haben Sie ihn wohl an seine Schmerzgrenze gebracht. Wenn er allzu entspannt ist, war Ihr Verhandlungsziel wohl nicht ambitioniert genug. Besprechen Sie Ihre Beobachtungen in Ihrem Verhandlungsteam. Decken sich die Eindrücke? Und halten Sie Ihre Erkenntnisse schriftlich fest. So erhalten Sie wertvolle Hinweise für Ihre nächste Verhandlung mit diesem Geschäftspartner. 12.2 Tipps und Tricks aus unserer persönlichen Praxiserfahrung Im Laufe unseres Berufslebens haben auch wir praktische Erfahrungen gesammelt und für uns wichtige Schlüsse daraus gezogen. Die folgenden Ausführungen sollen Ihnen als Anregungen und Tipps dienen: Worauf kommt es bei der Umsetzung der geplanten Taktik an und worauf sollten Sie bei der Analyse Ihres Gegenübers achten? 12.2.1 Verhalten in kritischen Situationen Wenn Sie nicht wissen, worauf Ihr Verhandlungspartner hinaus will, fragen Sie nach und versuchen Sie zu klären, was er plant. So können Sie außerdem auch Zeit gewinnen, um zu überlegen, was Sie als Nächstes tun wollen (siehe Einwände / Nachfragetechnik). 12.2 Tipps und Tricks aus unserer persönlichen Praxiserfahrung 215 <?page no="216"?> ▶ Sie müssen nicht auf alles eine Antwort geben: „Bevor ich nicht weiß, worauf Sie hinauswollen, kann ich Ihnen nichts dazu sagen! “ ▶ Stellen Sie Gegenfragen. ▶ Lassen Sie sich nicht in die Enge treiben - kontern Sie: ▷ Was hat das jetzt damit zu tun? ▷ Worauf wollen Sie hinaus? ▷ Wie soll ich das verstehen? ▶ Behandeln Sie Einwände / Argumente professionell. ▶ Verlangen Sie konkrete Beweise und Fakten. ▶ Vertreten Sie Ihren Standpunkt selbstbewusst. ▶ Verteidigen und rechtfertigen Sie sich nicht: ▷ Nicht in die Defensive drängen lassen. ▷ Ruhig bleiben, nicht die Nerven verlieren. ▶ Lassen Sie sich nicht durch manipulative Techniken blenden (siehe Abschnitt „Manipulation“). ▶ Versuchen Sie, Zeit zu gewinnen. ▶ Lenken Sie das Gespräch auf andere Themen. Bei all dem „Gezerre“ um Positionen dürfen Sie jedoch eines nie vergessen: Sympathie beeinflusst jede Verhandlung, denn Entscheidungen haben im‐ mer auch emotionale Gründe. Die Aussage „zu teuer“ ist häufig ein Vorwand, wenn die Beziehung schlecht ist und Sympathie und Respekt fehlen. Beson‐ ders wichtig wird dieser Aspekt, wenn Ihr Produkt austauschbar ist, die Beziehung zu Ihrem Kunden also das einzige Alleinstellungsmerkmal ist. Deshalb sind folgende Punkte wichtig: ▶ Mensch und Sache trennen: auch Menschen, die Ihnen unsympathisch sind, für sich gewinnen ▶ Aufmerksam und aktiv zuhören ▶ Eigenarten akzeptieren / tolerieren ▶ Verständnis zeigen, offenen Widerspruch vermeiden, aber nicht „schlei‐ men“ ▶ Nach Gemeinsamkeiten suchen ▶ Kunde / Mensch individuell ansprechen, echtes Interesse zeigen 216 12 „Expedition“ - Erfahrungen sammeln in der Praxis <?page no="217"?> TIPP FÜR DEN VERKÄUFER Damit Letzteres gelingt, ist es hilfreich, Informationen zu Interessen, Vorlieben usw. zu dokumentieren: Pflegen Sie Ihre Kundendaten, auch mit persönlichen Informationen. TIPP FÜR DEN EINKÄUFER Das können Sie doch auch, oder? 12.2.2 Fragetechnik Wir sagten ja bereits: Wer fragt, der führt. Nutzen Sie Fragen geschickt in Ihrem Sinne! Geschlossene Fragen ▶ Fragen, die mit „Ja“ oder „Nein“ beantwortet werden ▶ Basieren oft auf „haben“ und „sein“ ▷ Sind Sie …? Haben Sie …? Können Sie …? ▶ Wählen Sie geschlossene Fragen, wenn Sie: ▷ eine Entscheidung herbeiführen / einen Vielredner stoppen wol‐ len, ▷ jemanden aus der Reserve locken wollen („die „Würmer aus der Nase ziehen“), ▷ ein Thema logisch strukturieren wollen. ▶ Vorsicht: Bei zu vielen geschlossenen Fragen bekommt das Gespräch den Charakter eines Kreuzverhöres. Offene Fragen ▶ Fragen, die zwar die Richtung für die Antworten vorgeben, aber dem Antwortenden viel Freiheit für die Antwort gewähren ▶ Fragen, die in ganzen Sätzen beantwortet werden müssen ▶ Fragen, durch die man umfangreiche Informationen erhält und sich ein Bild von einer Situation machen kann 12.2 Tipps und Tricks aus unserer persönlichen Praxiserfahrung 217 <?page no="218"?> ▶ Fragen, die durch die W-Fragewörter eingeleitet werden: ▷ Wer, wann, wo, wie, was? ▷ Warum, wieso, weshalb vorsichtig einsetzen: kann als indirekter Vorwurf aufgefasst werden. Formulieren Sie geschlossene Fragen in öffnende Fragen um! Wie Sie hier sehen, bekommen Fragen dadurch häufig einen völlig anderen Charakter. statt: „Werden Sie pünktlich liefern? “ - „Wie stellen Sie Liefertermine sicher? “ - - statt: „Wird es es Probleme geben? “ - „Welche Probleme könnten auftreten? “ - - statt: „Sehen Sie das auch so? “ - „Wie sehen Sie das? “ - - statt: „Brauchen Sie noch Unterlagen? “ - „Welche Unterlagen brauchen Sie, um weiterzumachen? “ - - statt: „Wissen Sie, dass der Mitbewerber preiswerter ist? “ - „Was glauben Sie, wo der Wettbewerb liegt? “ - - statt: „Ist noch ein Preisnachlass möglich? “ - „Welchen Preisnachlass können Sie mir geben? “ Mit Fragen können Sie ganz unterschiedliche Ziele verfolgen: ▶ Informationsfrage - Eine Frage, um Informationen zu bekommen. Meis‐ tens wertfrei, ohne Manipulationsabsichten. ▷ Wie lange ist Ihre Lieferzeit? ▶ Rhetorische Frage - Frage, bei der keine Antwort erwartet wird, da sie vom Fragenden gleich selbst beantwortet wird, das Denken aber in eine bestimmte Richtung gelenkt wird. ▷ Dass der Preis zu hoch ist, ist wohl unstrittig, oder (? ), also lassen Sie uns überlegen …! ▶ Gegenfrage - Eine Frage direkt mit einer Frage beantworten. Kann genutzt werden, um Zeit zu gewinnen, die andere Seite in Bedrängnis zu bringen oder sich selbst aus einer Engpasssituation zu befreien. Nutzt man vorwiegend, wenn man keine Antwort geben kann oder will. 218 12 „Expedition“ - Erfahrungen sammeln in der Praxis <?page no="219"?> ▷ Wie stellen Sie sich das denn vor? Wie könnten Sie sich das denn vorstellen? ▶ Kontrollfrage - Instrument des Gesprächsführers. Dient der Kon‐ trolle des Gesprächsstatus, der bisher erlangten Informationen, der Gesprächsatmosphäre. Werkzeug des aktiven Zuhörens. ▷ Sind wir also alle einer Meinung, dass …? ▶ Alternativfrage - Oder-Fragen, die dem Befragten die Wahl zwischen zwei Antworten erlauben; möglichst positive Alternativen formulieren. Häufig wird das „Weder - noch“ nicht in Erwägung gezogen. ▷ Also, bekommen wir nun Skonto oder geben Sie uns lieber einen Preisnachlass? ▶ JA-Reihe-Fragen - Aneinanderreihung mehrerer Ja-Fragen, mit dem Ziel bei einer letzten Frage bzw. suggestiven Feststellung ebenfalls ein Ja zu erzielen. ▷ Sind Sie denn nun grundsätzlich an einer Lösung interessiert? ▷ Sind Sie auch an einer partnerschaftlichen Zusammenarbeit interes‐ siert? ▷ Denken Sie nicht auch, dass Partner eine Lösung finden müssten? ▷ Könnten Sie sich vorstellen, dass …? ▶ Ermutigungsfrage - Die andere Seite soll motiviert werden, sich zu öffnen. Wird positiv formuliert und soll positive Atmosphäre herstellen. Wird genutzt, um „trotzige Kinder“ an den Verhandlungstisch zurückzuholen. ▷ Ich sehe, dass Sie sauer sind, da bin ich wohl zu weit gegangen, worüber ärgern Sie sich denn genau? ▶ Provozierende Frage - Sie greifen Ihr Gegenüber an und ermutigen die andere Seite, etwas Unüberlegtes zu sagen. Negative Atmosphäre, unfair; nur in Ausnahmefällen anwenden. ▷ Können Sie nicht oder wollen Sie nicht? ▶ Suggestivfrage - Gesprächspartner soll im Sinne des Fragers beeinflusst werden. Insbesondere anwendbar, wenn Feststellungen getroffen wer‐ den können. ▷ Das muss doch jeder mit Sachverstand so sehen, oder? ▶ Fangfrage - Frage, die Ihr Gegenüber in eine Falle locken kann. Anwenden, wenn man die Antwort nicht direkt erfragen kann oder bereits kennt. ▷ Wie läuft denn das Produkt so bei der Konkurrenz? (wenn das Produkt nicht läuft, man dies aus anderen Quellen weiß und die „Tolle Produkt“-Argumentation zum Einstürzen bringen will.) 12.2 Tipps und Tricks aus unserer persönlichen Praxiserfahrung 219 <?page no="220"?> HINWEISE ZUM GEBRAUCH VON FRAGEN ▶ Eingliedrig fragen. Frageketten laden zum Ausweichen förmlich ein. ▶ Kurze Fragen stellen. Bandwurmfragen rufen oft Bandwurmantwor‐ ten hervor. ▶ Präzise Fragen ergeben präzise Antworten. ▶ Verständlich fragen. Fachbegriffe und Fremdwörter vorsichtig ein‐ setzen. ▶ Akzentuiert fragen, Fragen mit Blickkontakt und entsprechender Gestik verbinden. ▶ Richtige Fragen lenken den Partner in Denkbahnen, die Sie bereits auf Richtigkeit und Sinn überprüft haben. ▶ Führen Sie mit Fragen durch Ihre Argumentation. Überzeugen Sie durch die richtigen Fragen, anstatt selbst zu argumentieren. ▶ Hören Sie „aktiv“ bei den Antworten zu. ▶ Nach der Frage eine Pause einlegen: Gelegenheit zur Antwort geben. Stille eventuell aushalten. Nicht durch Erklären der Frage die Frage abschwächen. Der Ball liegt auf der anderen Seite! 12.2.3 Praxistipps für überzeugendes Argumentieren ▶ Vermeiden des reinen Aufzählens zu vieler Argumente hintereinander, stattdessen Merkmale / Fakten mit Nutzenargumenten verbinden: ▷ damit können sie …, das bedeutet für Sie …, das garantiert Ihnen-…, so sparen Sie … ▶ Beziehen Sie Ihren Kunden in die Nutzenanalyse mit ein ▷ Erst fragen, dann argumentieren, vgl. Arzt: erst Diagnose, dann Therapie ▷ Was können wir hier für Sie tun? Was würde Ihnen weiterhelfen? Was erwarten Sie von uns? ▶ Formulieren Sie verständlich: ▷ Fach-, Branchen-, Firmenjargon nicht übertreiben. ▷ kein „Blabla“, keine Worthülsen. ▷ Vorsicht bei übertriebenen Anglizismen. ▶ Formulieren Sie anschaulich und überzeugend: ▷ konkret: „So sparen Sie 8 bis 10 % im Jahr.“ 220 12 „Expedition“ - Erfahrungen sammeln in der Praxis <?page no="221"?> ▷ bildlich: „Die Maschine ist zuverlässig“ versus „Es ist wahrschein‐ licher, dass es in der Wüste schneit, als dass die Maschine ausfällt.“ ▶ Argumentieren Sie in der Sprache Ihrer Kunden: ▷ kunden- und branchenspezifische Sprache ▷ Sprache der Qualitätsfachleute, Techniker, Kaufleute, Juristen etc. ▶ Treffend argumentieren: Trümpfe ausspielen ▷ besser zwei oder drei relevante Argumente als zehn, die ins Leere gehen. 12.2.4 Einwände Jeder Einwand baut eine Barriere zwischen den Verhandlungspartnern auf. Darum ist es wichtig zu wissen, welche Einwände es gibt und welche Art von Einwand im konkreten Fall vorliegt. Die unterschiedlichen Arten von Einwänden können Sie selbst nutzen, Sie sollten aber in jedem Fall erkennen, wenn Ihr Gegenüber Sie nutzt: ▶ Sachlicher Einwand, der auf Tatsachen und Fakten basiert: „Die geforderte Lieferzeit schaffen wir nicht, weil unsere Produktions‐ kapazitäten momentan ausgelastet sind.“ ▶ Scheinargument, Pauschalisierung: „Jeder weiß doch, dass die Rohstoffpreise gerade durch die Decke schießen.“ ▶ Vorwand; ein vorgeschobener Einwand statt des tatsächlichen Grundes: „Unser Budget erlaubt diesen Preis nicht“, als Vorwand für „Das ist mir zu teuer, da stehe ich schlecht da.“ ▶ Emotionale Weigerung „So brauchen Sie mir mit Ihrer Preiserhöhung schon mal gar nicht zu kommen! “ Sie entscheiden, mit welcher Technik Sie den Einwänden Ihres Gegenübers begegnen wollen. Diese Techniken zur Einwandbehandlung und Argumen‐ tation sind die Spielregeln des Argumentespiels, vergleichbar den Spielre‐ geln beim Schach oder beim Skat. a) Nachfragen ▶ Sachliche Einwände, sprich sachliche Gründe, warum etwas nicht so funktioniert, wie Sie es sich vorstellen, erfordern Lösungen. Um diese Lösungen zu finden bzw. zu erarbeiten, braucht man Informationen. 12.2 Tipps und Tricks aus unserer persönlichen Praxiserfahrung 221 <?page no="222"?> Diese Informationen finden Sie, indem Sie die richtigen Fragen stellen. Diese könnten so gestellt werden: ▷ „Was meinen Sie genau damit? “ ▷ „Wenn das so nicht geht, wie könnte es Ihrer Meinung nach funktionieren? “ ▷ „Was können wir tun, um das Problem zu beheben? “ ▷ „Was würden Sie denn vorschlagen? “ ▶ Diese Technik verwenden Sie auch, wenn Sie Zeit gewinnen wollen oder den Widerstand der Gegenseite nicht ganz verstehen und vom anderen noch mehr über seine Bedenken hören wollen. ▷ „Wenn ich Sie recht verstehe, dann meinen Sie …“ ▷ „Habe ich Sie richtig verstanden, dass die …? “ ▷ „Können Sie mir Ihre Bedenken genauer erklären? “ ▷ „Können Sie das im Detail erläutern? “ ▶ Im Normalfall wird ihr Gegenüber Ihnen nun noch einmal erläutern, warum er Ihnen nicht zustimmt. Das verschafft Ihnen Zeit. ▶ Diese Technik können Sie auch anwenden, wenn Sie spüren, dass der andere mit seinen Einwänden übertreibt. Durch Ihre Rückfrage können Sie die Sache schon etwas abmildern. Oft wird die Gegenseite dann vorsichtiger formulieren, gerade wenn Sie durch Ihre Rückfragen zeigen, dass sie etwas über das Ziel hinausgeschossen ist. b) „Ja, aber“-Technik ▶ Bei der „Ja, aber“-Technik nehmen Sie den Einwand bzw. das Argument der Gegenseite auf, verbinden dieses jedoch sofort mit einem für Sie günstigen, im besten Fall stärkeren Argument. Schlagen Sie die Karte der Gegenseite mit einem Trumpf und nehmen den Stich mit nach Hause. ▶ Die „Ja, aber“-Technik kann auch eine Blockadehaltung Ihres Verhand‐ lungspartners verhindern. Sie bestätigen zunächst, dass er ein gutes Argument bzw. einen berechtigten Einwand vorgebracht hat. Deshalb muss darüber auch nicht gestritten werden. Durch das anschließend von Ihnen vorgebrachte Argument geben Sie dem Gespräch eine andere und für Sie günstigere Richtung. ▶ Damit es nicht zu monoton wird, gibt es auch noch andere Formulie‐ rungen: ▷ „Ja …, allerdings … / Stimmt …, jedoch … / Natürlich …, gleich‐ wohl …! “ 222 12 „Expedition“ - Erfahrungen sammeln in der Praxis <?page no="223"?> ▶ Diese Technik können Sie auch anwenden, wenn Ihr Gegenüber ein starkes Argument gebracht hat. Kombinieren Sie es mit einem noch stärkeren eigenen Argument, auch wenn dieses inhaltlich gar nichts mit dem Einwand der Gegenseite zu tun hat. ▷ „Richtig, die Kosten sind gestiegen, aber Ihre Konkurrenten haben deswegen die Preise auch nicht angehoben.“ (Hier wird das Kostenargument der Gegenseite mit dem eigenen Wettbewerbsargument verknüpft.) c) Verlust-Ausgleichs-Technik ▶ Diese Technik können Sie anwenden, wenn Ihr Verhandlungspartner mit seinem Einwand tatsächlich (offensichtlich) recht hat. Dann sollten Sie sich gar nicht erst auf einen Kampf einlassen. Sie können Ihr Gegenüber sowieso nicht überzeugen. Unter Umständen machen Sie sich unglaubwürdig. Stellen Sie einen Ausgleich für seinen Nachteil in Aussicht. ▶ Versuchen Sie einen vorteilhafteren Aspekt zu finden und bringen Sie Ihr Gegenüber dazu, die Sache von einer anderen Seite zu betrachten. ▷ „Natürlich ist die Preiserhöhung erst mal schwer zu verdauen. Aber denken Sie auch daran, dass wir ständig in neue Technolo‐ gien und Know-how investieren, welches Ihnen direkt zugute kommt.“ ▶ Unter Umständen bieten Sie einen Deal an. Dafür ist es auch gut, sich ein wenig Verhandlungsmasse in Form von Zugeständnissen bereitzulegen. ▷ „Ich sehe ein, dass Ihre Kosten gestiegen sind. Wir sind daher be‐ reit, Ihnen bezüglich der Zahlungsbedingungen entgegenzukom‐ men.“ d) Den Wind aus den Segeln nehmen ▶ Diese Technik ist eine vorbeugende Maßnahme. Sie ist anzuwenden, wenn Sie wissen oder spüren, mit welchen Einwänden Ihr Gegenüber argumentieren wird, um seinen Standpunkt durchzusetzen. ▶ Bevor er jetzt seine Bedenken und Einwände verbal äußert, sprechen Sie diese bereits an und können sie sofort entkräften oder widerlegen (den Wind aus den Segeln nehmen). 12.2 Tipps und Tricks aus unserer persönlichen Praxiserfahrung 223 <?page no="224"?> ▶ Sie versuchen so vorbeugend zu verhindern, dass sich die Gegenseite auf einen Standpunkt versteift oder sich in eine Sackgasse manövriert und so das Gesicht verliert. Am besten, Ihr Gegenüber traut sich nun gar nicht mehr, sein Argument vorzubringen. ▶ Achten Sie darauf, dass Sie dem anderen Ihre Einwände nicht plump unterstellen („Sie wollen sicherlich sagen, dass …“), sondern ganz neutral in der „Man“-Form aussprechen. ▷ „Man könnte hier argumentieren, dass …“; „Aber wir wissen doch alle, dass …“ ▷ „Gestern habe ich gehört, dass …“; „Wir jedoch denken …“ e) Hoch- und Runterrechnen ▶ Hier versuchen Sie die Kraft des Einwandes zu verkleinern, indem Sie ihn in Relation zu etwas Kleinerem stellen. ▷ Verhandlungspartner: „Das kostet über 1.000 Euro mehr als die im Angebot beschriebene Lösung! “ Sie: „Ja. Das sind umgerechnet auf die Laufzeit pro Tag aber nur 30 Cent mehr. Das heißt, für 30 Cent am Tag bekommen Sie …! “ ▶ Jetzt wird der andere hoffentlich darüber nachdenken, ob er wirklich wegen Cent-Feilscherei auf den Vorteil verzichten will. ▶ Vorsicht! Ein schlagfertiger Verhandlungspartner kann die Sache blitz‐ schnell umdrehen und entgegnen, warum Sie eigentlich so kleinlich sind und darauf bestehen, die 30-Cent pro Tag unbedingt haben zu wollen! ▶ Man kann nicht nur mit Geldbeträgen, sondern auch mit anderen Maß‐ einheiten, wie aufzuwendender Zeit oder Arbeitsbelastung arbeiten. ▷ Verhandlungspartner: „Dafür müssen wir noch mal 2 Tage Kon‐ struktionsaufwand reinstecken! “ Sie: „Das ist nicht mal eine Minute pro Tag, bei einem 2-Jahres- Auftrag.“ ▶ Man kann die Relationstechnik natürlich auch umdrehen und Dinge dadurch vergrößern: ▷ „Sie sparen mit der neueren Maschine pro Produktzyklus 0,7 Cent. Das sind bei 350.000 Bauteilen …“ 224 12 „Expedition“ - Erfahrungen sammeln in der Praxis <?page no="225"?> f) „Später“-Technik ▶ Bei dieser Möglichkeit hoffen Sie entweder auf die Vergesslichkeit des anderen und / oder auf eine spätere Idee, wie Sie mit dem Thema umgehen wollen (Zeitgewinn). Sie wenden diese Technik an, wenn Sie grundsätzlich oder im Moment nichts zu dem vorgebrachten Einwand sagen können oder wollen. Oft erledigen sich Probleme, wenn man sie nur lange und oft genug nach hinten schiebt. Beispiel: „Das ist alles wichtig und wir können gerne nachher darauf ausführlich eingehen. Aber lassen Sie uns zuerst …“ Wenn Sie Glück haben, fällt dem anderen nicht mehr ein, welcher seiner Einwände am Schluss der Verhandlung noch offen ist. ▶ Versuchen Sie, nicht den Eindruck zu vermitteln, dass Sie der Sache bewusst ausweichen und nur auf die Vergesslichkeit Ihres Gegenübers hoffen. Dann kann es sein, dass er misstrauisch wird und beharrlich jeden weiteren Fortschritt der Verhandlungen behindert, bis Sie auf seinen speziellen Einwand eingehen. ▶ Diese Technik funktioniert häufig nicht bei Problemen, die dem anderen sehr wichtig sind. Dann wird er bei diesem Thema wahrscheinlich nicht vergesslich sein und darauf zurückkommen. Aber Sie haben mindestens Zeit gewonnen. g) Erfahrungstechnik ▶ Diese Technik können Sie anwenden, wenn Ihr Gegenüber mit Pau‐ schalisierungen und Phrasen daherkommt. Tun Sie es ihm gleich und schlagen Sie ihn mit seinen eigenen Waffen. Argumente, die zwar stimmen, aber nicht mit Fakten untermauert sind, lassen sich so unter Umständen widerlegen oder zumindest abschwächen. ▷ Verhandlungspartner: „Sie wissen doch selbst, dass Qualität nun mal kostet! “ Sie: „Nach meiner Erfahrung ist es genau andersherum. Wer gute Qualität hat, ist besonders günstig. Qualität senkt die Kosten, alles andere ist doch Quatsch! “ ▷ Verhandlungspartner: „Sie wissen doch selbst, dass die Preise nachgeben! “ 12.2 Tipps und Tricks aus unserer persönlichen Praxiserfahrung 225 <?page no="226"?> Sie: „Ich weiß nicht, wo Sie Ihre Recherchen machen, aber nach meinen Informationen haben unsere wichtigsten Wettbewerber alle Preiserhöhungen angekündigt.“ ▶ Sie können diese Technik auch anwenden, wenn Sie versuchen wollen, Ihrem Gegenüber zu vermitteln, dass andere mit dem, was Sie vertreten, bereits erfolgreich waren. ▷ Verhandlungspartner: „Das ist mir alles viel zu kompliziert. Dem kann ich nicht zustimmen.“ Sie: „Die Meinung, dass dies sehr kompliziert ist, hören wir bei IT- Fachleuten häufiger. Lassen Sie mich kurz erklären, warum wir trotz des Aufwandes mit unserem Verfahren der elektronischen Bestellungen sehr erfolgreich waren.“ h) Verständnistechnik ▶ Diese Technik ist erfolgreich, wenn Sie spüren, dass Ihr Verhandlungs‐ partner mit inneren oder emotionalen Widerständen kämpft, diese allerdings noch nicht geäußert hat. Vielleicht traut er sich nicht oder er ist wütend und zieht sich deshalb zurück. Das ist erst einmal schlecht für Sie! Sie bekommen deshalb bestimmte Zugeständnisse nicht, weil er schlicht nicht will. ▶ Wenn er seine Zweifel, Bedenken oder Vorurteile nicht äußert, können Sie die Barrieren auch nicht überwinden. Sie müssen also Ihr Gegenüber zum Reden bringen und ihn an den Verhandlungstisch zurückholen. Wenn er wieder offen ist, können Sie ganz vorsichtig den Druck erneut erhöhen. ▷ „So ganz zufrieden sind Sie noch nicht, oder? “ ▷ „Ich glaube, Sie haben noch Zweifel, oder? “ ▷ „Sie ärgern sich, oder? Das tut mir leid, das wollte ich nicht. Was kann ich tun? “ ▷ „Sind damit alle Ihre Fragen für Sie vollständig beantwortet? “ ▶ Wer nichts mehr sagt, ist nicht unbedingt überzeugt und hat noch lange nicht zugestimmt. ▶ Gerade bei partnerschaftlich geprägten Verhandlungen bemüht man sich, die Widerstände der Gegenseite zu überwinden und zu einem lang‐ fristig überzeugenden Verhandlungsergebnis zu kommen. Ein schlech‐ ter Verhandlungspartner zielt auf kurzfristige rhetorische Siege. Ver‐ zichten Sie besser darauf! 226 12 „Expedition“ - Erfahrungen sammeln in der Praxis <?page no="227"?> Einwände deuten unbe‐ wusste Ma‐ nipulation Deuten Sie Einwände richtig! Hören und schauen Sie genau hin: ▶ Was sagt der Verhandlungspartner tatsächlich? ▷ „Eigentlich kann ich das nicht vertreten“, „damit sind wir fast am Limit“, „das wird schwierig“ (ist aber eben nicht unmöglich! ) etc. ▶ Wie sagt Ihr Gegenüber es? ▷ Stimmen Körpersprache und Botschaft überein? ▶ Was sagt der Verhandlungspartner nicht? Droht der Einkäufer mit einem Alternativangebot? Wenn er seine Trumpfkarte nicht spielt, hat er sie vielleicht nicht. 12.2.5 Manipulation Um sich gegen Manipulation wehren zu können, muss man diese erst einmal erkennen. Dann können Sie die Absichten des Manipulators durchkreuzen und sich wehren. Unter Manipulation verstehen wir hier, das Denken und die Meinung des Verhandlungspartners zu den eigenen Gunsten zu beein‐ flussen. Oft passiert dies unterschwellig und suggestiv, ohne dass der andere sich dessen bewusst ist. Unbewusst machen wir das eigentlich ständig, aber bewusst eingesetzt mag das eine fragwürdige Methode sein. Dennoch: Wer fragt nach den Mitteln, wenn der Zweck heilig ist? Außerdem macht es Sinn, sich damit zu beschäftigen, damit man selber erkennt, wenn der Verhand‐ lungspartner bewusst oder unbewusst zu diesen Mitteln greift. Ob Sie damit arbeiten wollen, entscheiden in letzter Konsequenz sowieso Sie. TIPPS ZUM UMGANG MIT MANIPULATIONEN ▶ Nicht emotional reagieren, sachlich und fair kontern. ▶ Nicht vom Weg abbringen lassen, nicht das eigene Ziel aus den Augen verlieren. ▶ Bleiben Sie Ihrem persönlichen Stil treu. ▶ Versuchen Sie das Gespräch auf die Sachebene zurückzubringen. ▶ Bauen Sie Brücken, über die Ihr Gegenüber ohne Gesichtsverlust wieder auf Ihre Seite gelangt. 12.2 Tipps und Tricks aus unserer persönlichen Praxiserfahrung 227 <?page no="228"?> a) Präzisionssuggestion Ihr Verhandlungspartner arbeitet in diesem Fall mit Fakten oder Behaup‐ tungen, die er zunächst nicht weiter belegt. Der Trick dabei ist, dass diese Fakten so exakt formuliert werden, dass Sie überhaupt nicht auf die Idee kommen, diese könnten nicht stimmen. Ihnen wird suggeriert, dass viel Gehirnschmalz, Nachdenken und Abwägen dahinterstecken. Ein Beispiel dafür sind Angaben auf Kommastellen genau oder Prozentangaben. Das können Sie natürlich so nicht stehen lassen. Wenn jemand so genaue Zahlen nennt, kann er sicher auch mit Daten und Fakten erklären, wie er dazu kommt. Die Präzisionssuggestion erkennt man an Formulierungen wie: ▶ „Kosten für Rohstoffe sind bei uns im letzten Jahr um 15 Prozent gestiegen. Daher müssen wir auch unsere Preise anheben.“ ▶ „ … deshalb sehen wir uns gezwungen, unsere Preise um 3,7 Prozent anzuheben …“ ▶ „Wir kalkulieren das Material mit 42-Prozent …“ ▶ „Unser Deckungsbeitrag beträgt nur noch 0,8 Prozent.“ Die Präzisionssuggestion kontert man mit Formulierungen wie: ▶ „Dann lassen Sie uns doch mal die konkrete Materialpreiskalkulation durchgehen.“ ▶ „Damit ich das verstehe, würde ich gerne wissen, wie sich die 3,7 Prozent zusammensetzen.“ ▶ „Welchen Anteil haben die Rohstoffe in Ihrer Kalkulation? “ ▶ „Lassen Sie uns das einmal konkret durchrechnen.“ b) Autoritätenmethode Bei dieser Methode versucht der Verhandlungspartner, seinen Aussagen besonderes Gewicht zu verleihen, indem er sich auf Autoritäten wie aner‐ kannte Persönlichkeiten, Experten, Fachleute oder Institutionen bezieht. Er versucht Widerspruch oder Nachfragen zu verhindern, weil er davon ausgeht, dass Sie nicht den Mut haben, diesen ausgewiesenen Fachleuten zu widersprechen. Da Sie nun aber nicht wissen, ob diese Autoritäten wirklich die Aussagen Ihres Verhandlungspartners untermauern bzw. in welcher Weise sie sich geäußert haben, sollten Sie das auf alle Fälle hinterfragen. 228 12 „Expedition“ - Erfahrungen sammeln in der Praxis <?page no="229"?> name dropping Eine Variante der Autoritätenmethode, die gerne von eitlen und wichtig‐ tuerischen Verhandlungspartnern genutzt wird, ist das sogenannte „name dropping“. Das darf aber nicht plump wirken, sondern sollte so raffiniert eingesetzt werden, dass ein geschickter Verhandlungspartner Sie nicht als Angeber entlarven kann.- Unbewusst sollen Sie dazu verleitet werden, die Behauptungen wider‐ spruchslos hinzunehmen, da Ihr Verhandlungspartner davon ausgeht, dass Sie die Meinung von namhaften Fachleuten / Autoritäten sowieso nicht anzweifeln. Es gibt Antworten, die Sie geben können, die die Autorität der Fachleute nicht infrage stellen, Ihrem Gegenüber aber den Wind aus den Segeln nehmen. Wie deutlich Sie werden, hängt von Ihren Intentionen ab. Die Autoritätenmethode erkennt man an Formulierungen wie: ▶ „Da können Sie jeden erfahrenen Kaufmann / Ingenieur fragen …“ ▶ „In einer Studie des VDMA hat man herausgefunden …“ ▶ „Ihre eigenen Techniker sagen doch selber …“ ▶ „Als mich Dr. Wichtig neulich um Rat gefragt hat …“ ▶ „Haben Sie denn nicht den Artikel in der Financial Times über den Stahlpreisanstieg gelesen? “ Die Autoritätenmethode kontert man mit Formulierungen wie: ▶ „Das ist interessant, können Sie mir den Artikel / die Studie mal zukom‐ men lassen? “ ▶ „Beeindruckend! Das interessiert mich auch. Auf welcher Seite steht denn das? Ich möchte das nachher noch einmal ganz genau nachlesen.“ ▶ „Mir haben unsere Techniker etwas ganz anderes erzählt …“ ▶ „Dr. Wichtig wird uns hier an dieser Stelle nicht weiterhelfen.“ c) „Ist doch klar“-Schwindel Mit dieser Taktik versucht Ihr Verhandlungspartner, Sie einzuschüchtern, indem er bestimmte Sachverhalte oder Zusammenhänge für offensichtlich erklärt. Wenn Sie nun doch noch Zweifel oder Fragen haben, kann es nur daran liegen, dass Sie zu dumm sind, das Offensichtliche zu erkennen. Wer nun Angst hat, als Dummkopf dazustehen, wird nichts sagen. Wer nun auch noch einen Minderwertigkeitskomplex entwickelt, hat verloren. 12.2 Tipps und Tricks aus unserer persönlichen Praxiserfahrung 229 <?page no="230"?> Fremdwör‐ ter und Ab‐ kürzungen Zu dieser Taktik, Ihnen die Wahl zu lassen, entweder unklare Argumente hinzunehmen oder sich selbst als dumm zu zeigen, gehört übrigens auch der hinterhältige Trick, Fremdwörter und Abkürzungen zu verwenden. Ihr Ge‐ genüber tut so, als müsse jeder normale Mensch wissen, was in ZPE, VOB oder GFFW beschrieben ist. Sie outen sich nicht als dumm, wenn Sie nachfragen. Im Gegenteil! Ihr Verhandlungspartner wird Sie sehr viel mehr respektieren, wenn Sie solchen Spielchen Widerstand entgegensetzen. Jedem, der nachfragt, um solchen Schwindel zu entlarven, und dabei Gefahr läuft, sich zu blamieren, sollte man Hochachtung zollen. Außerdem werden Sie vermutlich erleben, dass in den meisten Fällen die Person, die sich solche Undurchsichtigkeiten geleistet hat, selbst ins Stammeln gerät, wenn sie einmal erklären muss, was sie nicht erklären wollte. Ob flapsig, ironisch, sachlich oder übertrieben naiv, Ihre Nachfrage wird Ihren Verhandlungspartner warnen, sich bei Ihnen mit dieser Taktik in Zu‐ kunft zurückzuhalten. Er erkennt, dass Sie nicht durch angebliche „geistige Überlegenheit“ eingeschüchtert sind, sondern sehr scharf analysieren, wie man Ihnen gegenüber argumentiert. Den „Ist doch klar“-Schwindel erkennt man an Formulierungen wie: ▶ „Es ist doch offensichtlich, dass …“ ▶ „Es liegt doch auf der Hand, dass …“ ▶ „Wie heute jeder weiß, ist …“ ▶ „Nach VOB ist vorgeschrieben …“ ▶ „Da können Sie jeden fragen.“ Den „Ist doch klar“-Schwindel kontert man mit Formulierungen wie: ▶ „Ich frage nicht jeden, ich frage Sie.“ ▶ „So offensichtlich ist das durchaus nicht. Erklären Sie mir es doch mal bitte.“ ▶ „Ja, dazu würde ich gern einmal im Detail hören, wie Sie die Sache einschätzen.“ ▶ „Wofür stehen die Buchstaben GFFW eigentlich genau? “ ▶ „Halten Sie mich gerne für dumm, aber das hätte ich von Ihnen gern noch einmal auf Deutsch gehört.“ ▶ „Das wundert mich, dass Sie in diesem Zusammenhang diesen Begriff verwenden. Was verstehen Sie genau darunter? “ 230 12 „Expedition“ - Erfahrungen sammeln in der Praxis <?page no="231"?> Ehrenwort ▶ „Doch, ich glaube schon, dass man darüber reden muss. Wie ist da eigentlich genau Ihre Sicht? “ ▶ „Nee, auf meiner Hand liegt das nicht. Das müssen Sie mir schon erläutern, was bei Ihnen auf der Hand liegt.“ d) Schwurtaktik Mit der Schwurtaktik wird gerne gespielt / gelogen - das wissen wir zumin‐ dest aus der Politik. Ihr Verhandlungspartner will damit erreichen, dass Sie seine Worte widerstandslos akzeptieren und auf keinen Fall kritisch hinterfragen. Das tut er, weil er lügt, selbst nicht so genau Bescheid weiß oder pokert. Er hofft, dass Sie seinem Anstand oder seinem Sachverstand glauben. Für den Fall, dass Sie nicht glauben, was er sagt, sollen Sie wenigstens widerstandslos akzeptieren und ihn nicht mit kritischen Fragen in Schwie‐ rigkeiten bringen. Ihr Verhandlungspartner lässt Ihnen also die Wahl, ihm brav zuzustimmen oder seinen Sachverstand infrage zu stellen und ihn zu beleidigen. Da Sie gut erzogen sind oder sich das nicht trauen, schweigen Sie lieber zu dem, was Sie sehr wohl hinterfragen könnten - das hofft zumindest Ihr Verhandlungspartner. Die wenigsten Menschen mögen gegen Ehrbeteuerungen anderer ange‐ hen. Darauf bauen z. B. auch windige Finanzberater, die das gezielt in ihren Trainings lernen. Solche Ehrbeteuerungen werden besonders gerne Menschen mit sympa‐ thischer und verbindlicher Ausstrahlung geglaubt und Menschen, die mit sehr guten Manieren und gepflegter Kleidung daherkommen. Lassen Sie sich davon nicht einwickeln! Die Schwurtaktik erkennt man an Formulierungen wie: ▶ „Ich gebe Ihnen mein Ehrenwort.“ ▶ „Ich lüge bestimmt nicht, wenn ich sage …“ ▶ „Wenn ich etwas verspreche, dann halte ich das auch …“ ▶ „Das gehört für mich zu meinem Ehrenkodex.“ ▶ „Ich verbürge mich persönlich dafür, dass …“ ▶ „Ich will jetzt mal ganz ehrlich zu Ihnen sein.“ Die Schwurtaktik kontert man mit Formulierungen wie: 12.2 Tipps und Tricks aus unserer persönlichen Praxiserfahrung 231 <?page no="232"?> Ungenauig‐ keiten ▶ „Wir sollten bei dieser Sache nicht gleich mit einem Ehrenkodex drama‐ tisieren. Sagen Sie mir ganz einfach …“ ▶ „Ob ich Ihnen glaube, spielt hier keine Rolle. Erklären Sie es mir so, dass ich es meinen Leuten plausibel machen kann.“ ▶ „Wenn Sie mir mit Ihrem Wort dafür einstehen können, spricht sicher nichts dagegen, dass Sie es auch noch mit Fakten unterlegen.“ ▶ „Sie sind schon sehr überzeugend, wie Sie das so sagen, aber ich bin nun mal eher faktenorientiert, deswegen …“ ▶ „Sind Sie denn sonst nicht ehrlich? “ ▶ „Ich bin nun mal ein misstrauischer Mensch und bisher damit nicht schlecht gefahren. Deshalb sagen Sie mir bitte …“ ▶ „Mir kommen die Tränen! “ e) Der Superexperte Diese Taktik funktioniert ähnlich wie die Schwurtaktik. Ihr Verhandlungs‐ partner lässt Ihnen die Wahl, seinem Sachverstand zu glauben oder ihn zu beleidigen. Lassen Sie sich nicht mit Ihrer guten Erziehung, andere nicht beleidigen zu wollen, erpressen. Ein Verhandlungspartner, der solche Spielchen mit Ih‐ nen versucht, verdient nichts anderes als Zweifel an seiner Ehre und / oder seinem Sachverstand. Er mag diese Technik vielleicht instinktiv einsetzen, um Ungenauigkeiten auf seiner Seite zu verschleiern. Trotzdem sollten Sie sich vor Augen halten, dass es eine Taktik ist, die windige Strukturvertriebe ihren Mitarbeitern gezielt einpauken. Der Erfolg - selbst bei Akademikern - gibt ihnen recht. Den Superexperten erkennt man an Formulierungen wie: ▶ „Ich verkaufe diese Technik seit 25 Jahren. Hier können Sie mir nun wirklich glauben.“ ▶ „Aus meiner langjährigen Erfahrung …“ ▶ „Nach allem, was ich bisher darüber gelernt habe, gibt es für mich nicht den geringsten Zweifel, dass …“ ▶ „Ich habe mich seit Jahren gründlich mit dem Thema befasst. Glauben Sie mir, wenn ich sage …“ ▶ „Das ist mein Aufgabe, solche Sachen einfach zu wissen! “ Den Superexperten kontert man mit Formulierungen wie: 232 12 „Expedition“ - Erfahrungen sammeln in der Praxis <?page no="233"?> Moralische Erpressung ▶ „Sie haben da sicherlich mehr Erfahrung als ich. Deshalb würde ich gerade von Ihnen gerne hören …“ ▶ „Das sagen Sie! Von anderen, die auch so lange im Geschäft sind wie Sie, hört man anderes.“ ▶ „Ich fürchte, mir fehlt da das gesunde Urvertrauen. Helfen Sie mir, damit ich die Sache auch so gut verstehe wie Sie und nicht auf Glauben angewiesen bin.“ ▶ „Und wenn mich mein Chef danach fragt? Soll ich ihm dann sagen: Das müssen wir Herrn Müller einfach glauben, weil er schon so lange dabei ist? Der wird mir was erzählen.“ ▶ „Wenn Sie das so genau wissen, dann bin ich aber froh. Endlich kann mir es jemand so erklären, dass ich es verstehe.“ ▶ „Dass Sie das wissen, glaube ich gerne. Was mich stört ist, dass ich es nicht weiß. Deshalb erklären Sie mir doch bitte …“ f) Die „Gutmensch“-Falle Mit moralischer Erpressung wird hier versucht, Sie in eine bestimmte Rich‐ tung zu drängen, um etwas zu tun oder zu akzeptieren, dass Sie eigentlich nicht wollen. Sie haben also die Wahl, sich zu unterwerfen oder ein herzloser Schuft und schlechter Mensch zu sein. Manchmal artet das in regelrechtes Geheule und Gejammer aus. Das ist etwas, mit dem der eine oder andere unbewusst schon gearbeitet hat. Beispiele aus dem privaten Umfeld: ▶ „Deinetwegen habe ich die ganze Nacht keine Ruhe gehabt.“ ▶ „Nach allem, was ich für dich getan habe …“ ▶ „Wenn du mich wirklich lieben würdest, dann würdest du …“ Diese Art der Manipulation ist so hinterhältig, dass Sie eigentlich auf der Stelle aufstehen und die Verhandlungen abbrechen sollten. Beispiele solcher Erpressungen aus geschäftlichen Verhandlungen: ▶ „Es macht Ihnen wohl nichts aus, dass Ihre Kollegen …“ ▶ „Liegt Ihnen gar nichts an der Umwelt? “ ▶ „Bisher habe ich Sie als sachlichen Einkäufer gesehen. Unter Partnern würde man doch …“ ▶ „Im Interesse der Partnerschaft sollten Sie …“ ▶ „Ist es das, was Sie unter Zusammenarbeit verstehen? “ ▶ „Schade, ich hätte gedacht, auf Sie könnte man sich verlassen.“ 12.2 Tipps und Tricks aus unserer persönlichen Praxiserfahrung 233 <?page no="234"?> Diffamie‐ rungen ▶ „Es fällt Ihnen offensichtlich sehr leicht, Ihre Lieferanten fallen zu lassen.“ ▶ „Sie wollen das doch sicher nicht auf dem Rücken unserer Mitarbeiter austragen.“ ▶ „Das ist nicht fair, was Sie da machen.“ Sagen Sie ganz klar: „Ich lasse mich nicht erpressen.“ Die „Gutmensch“-Falle kontert man mit Formulierungen wie: ▶ „Höre ich da eine Erpressung heraus? “ ▶ „Versuchen Sie, auf die Tränendrüsen zu drücken? “ ▶ „Könnten Sie nicht versuchen, einfach sachlich zu bleiben? “ ▶ „Sind Ihnen die Argumente ausgegangen, dass Sie es jetzt mit Jammern versuchen? “ ▶ „Sie werden ja richtig sentimental! “ ▶ „Sie greifen mich in meinem Charakter an, und ich soll Ihnen einen Gefallen tun? Jetzt ganz bestimmt nicht mehr! “ g) Die „offensichtliche“ Falle Ihr Verhandlungspartner baut Ihnen eine offensichtliche Falle, in die Sie nicht reinfallen, weil Sie ja nicht dumm sind. So denkt er zumindest. Er versucht, Sie daran zu hindern, einen Standpunkt zu vertreten, indem er diesen Standpunkt untergräbt, bevor Sie ihn überhaupt äußern konnten. Damit hat er Sie noch nicht angegriffen, weil Sie ja noch nichts in diese Richtung gesagt haben. Aber Sie scheuen sich nun davor - so hofft er zumindest -, genau diesen Standpunkt zu vertreten. Sie haben jetzt die Wahl, ob Sie sich seinem Standpunkt anschließen oder sich als Dummkopf, Schurke, Manipulationsopfer oder Feigling zu erkennen geben. Auch von solchen Manövern dürfen Sie sich nicht einschüchtern lassen. Wer so argumentiert, hat sicher keine sachlich überzeugenden Argumente oder gar Beweise zur Verfügung. Sie können offensiv auf solche Diffamierungen eingehen und Ihrem Ver‐ handlungspartner klar sagen, dass Sie diese Manipulationstechnik erkannt haben und sich dadurch nicht davon abhalten lassen, Ihre eigene Meinung zu vertreten. Das kann natürlich zu einer Kampfansage werden und zur Konfrontation führen. In diesem Fall sollten Sie zum einen die Fronten klä‐ ren und zum anderen zeigen, dass Sie für solche Spielchen zu schlau sind. 234 12 „Expedition“ - Erfahrungen sammeln in der Praxis <?page no="235"?> Die „offensichtliche“ Falle erkennt man an Formulierungen wie: ▶ „Natürlich gibt es immer noch ein paar Ahnungslose, die da glauben …“ ▶ „Wer von allen guten Geistern verlassen ist, der wird jetzt sagen …“ ▶ „Für einen Anfänger könnte das so aussehen, dass …“ ▶ „Wer nur an die eigenen egoistischen Ziele denkt, der …“ ▶ „Wer dabei Angst hat, sollte lieber …“ ▶ „Wer selbstständig denken kann, der wird hier wohl …“ ▶ „Eine gesunde Risikobereitschaft gehört natürlich dazu, wenn …“ Die „offensichtliche“ Falle kontert man mit Formulierungen wie: „Wenn Sie das so sehen, dann gehöre ich auch zu den Leuten ohne einen Funken Verstand. Jetzt erklären Sie mir doch mal, wieso …“ ▶ „Nein, die gesunde Risikobereitschaft fehlt mir auch. Ich habe einen ausgeprägten Überlebensinstinkt. Was bringt Sie zu der selbstmörderi‐ schen Haltung …“ ▶ „Es kann sein, dass Sie in mir jetzt auch so ein Egoistenschwein sehen. Ich fühle mich ganz wohl dabei. Machen Sie doch mal plausibel …“ Mit solchen Antworten wird für Ihren Verhandlungspartner deutlich, dass Sie die Taktik durchschaut haben und sich davon nicht einschüchtern lassen. Geht Ihr Verhandlungspartner dennoch in diese Richtung weiter, müssen Sie das als persönliche Beleidigung erkennen. Eventuell müssen Sie die Verhandlungen abbrechen. h) Themen eingrenzen und ausgrenzen Durch diese Taktik versucht Ihr Verhandlungspartner gleich zu Beginn, die zu behandelnden Themen einzugrenzen. Wenn Sie sich direkt widerstandslos mit solchen Ausgrenzungen abfin‐ den, wird es Ihnen später schwerfallen, bei Bedarf auf das Thema zurückzu‐ kommen. Ihr Verhandlungspartner wird Sie mit großen Augen anschauen und erwidern: „Wir hatten uns doch geeinigt, dass das heute nicht auf der Agenda steht! “ Dann sind Sie die schuldige Person, die vom Thema abkommt oder unfaire Abstecher macht. Lassen Sie sich solche Ausklammerungen von Anfang an nicht diktieren! Auch wenn Sie selbst noch nicht die Absicht haben, das betreffende Thema 12.2 Tipps und Tricks aus unserer persönlichen Praxiserfahrung 235 <?page no="236"?> zur Sprache zu bringen, sollten Sie aus zwei Gründen die Ausklammerung ablehnen: 1. Sie brauchen vielleicht doch noch das offene Hintertürchen zu dem betreffenden Thema. Sie können nie wissen, ob das noch wichtig wird. 2. Sie sollten Ihrem Verhandlungspartner gleich klarmachen, dass Sie solche Regeln nicht widerstandslos hinnehmen. Wer sind Sie denn, dass Sie nicht mitbestimmen dürfen, worum es heute geht oder nicht? Empfehlenswert ist es, nicht feindselig oder hart gegen diese Versuche vorzugehen. Sie wollen schließlich am Anfang noch keine Endlosdiskussion darüber, was heute diskutiert werden soll und was nicht. Sie wollen lediglich klarmachen, dass Sie sich nicht vorschreiben lassen, worüber Sie reden, und dass Sie bei Bedarf das Thema noch auf den Tisch bringen werden, wenn Sie es für wichtig halten. Das Themeneingrenzen und -ausgrenzen erkennt man an Formulierungen wie: ▶ „Um es gleich vorweg zu sagen: Das Thema Preisnachlass steht heute nicht zur Debatte. Wir sollten erst einmal klären, wie die Zusammenar‐ beit …“ ▶ „Bevor die Ursachen für die Probleme nicht geklärt sind, werden wir nicht über Maßnahmen reden.“ ▶ „Lassen wir die Kostenfrage mal ganz außer Acht und konzentrieren uns auf die Qualität.“ ▶ „Ob uns die Vorgaben meiner Geschäftsleitung nun gefallen oder nicht, steht hier gar nicht zur Debatte. Was wir hier zu klären haben …“ Das Themeneingrenzen und -ausgrenzen kontert man mit Formulierungen wie: ▶ „Das werden wir ja noch sehen, ob wir darüber reden müssen oder nicht.“ ▶ „Gut, wir können das erst mal zurückstellen, wenn Sie mit … beginnen möchten.“ ▶ „Gut, wenn Sie meinen. Aber das sage ich gleich: Tabus darf es hier nicht geben! Was heute Thema wird oder nicht, muss offenbleiben.“ ▶ „Also, da sollten wir uns nicht jetzt schon Scheuklappen anlegen.“ 236 12 „Expedition“ - Erfahrungen sammeln in der Praxis <?page no="237"?> Nostalgie i) Die „Damals“-Technik Mit der Taktik, Ihre Vorschläge und Ideen als zu modern oder überflüssig bzw. übereifrig abzutun, verbindet sich meistens die Aussage, dass es solche Sachen doch früher auch nicht gab, und trotzdem hat es funktioniert. Ihnen wird suggeriert, dass Sie die bisherigen Erfolge, die guten alten Traditionen und Werte anzweifeln oder angreifen wollen. Ihr Verhandlungspartner will keine Neuerungen und Änderungen, hat jedoch keinen vernünftigen Grund, diese abzulehnen. Also verlegt er sich auf die Taktik, dass es das damals auch nicht gab und deshalb auch in Zukunft nicht notwendig sein wird. Auf keinen Fall sollten Sie sich auf Diskussionen einlassen, die Ihnen als Kritik am Bisherigen ausgelegt werden könnten. Bedenken Sie bitte, dass diese Taktik nur selten in böser Absicht angewendet wird. Meistens steckt dahinter echte Angst vor dem Risiko oder den Unbequemlichkeiten einer Neuerung. Argumentieren Sie deshalb bewusst positiv und beruhigend. Die „Damals“-Technik erkennt man an Formulierungen wie: ▶ „Das hatten wir bisher doch auch nicht und waren trotzdem erfolgreich.“ ▶ „Wir haben doch bisher auch nicht alles falsch gemacht, oder? “ ▶ „Das Vertrauen unserer Kunden liegt doch auch in unserer Kontinuität, das sollten wir nicht riskieren …“ ▶ „Ich weiß nicht, ob wir jedem Trend folgen müssen.“ ▶ „In Ihrem Alter möchten Sie natürlich …“ ▶ „Nun besteht das Unternehmen seit mehr als 100 Jahren und jetzt wollen Sie, dass wir … über Bord werfen? “ Die „Damals“-Technik kontert man mit Formulierungen wie: ▶ „Gerade weil das Unternehmen bisher so erfolgreich war, meine ich, können wir diese Chance nutzen …“ ▶ „Unsere Kunden können unsere vertrauenswürdige Kontinuität daran erkennen, dass wir innovativ bleiben.“ ▶ „Nun ja, wenn man bedenkt, wie noch in den Fünfzigerjahren unsere Produktion aussah. Das machen wir heute auch anders. Ich schlage deshalb vor …“ ▶ „Ja, ich bin jünger als Sie, aber deswegen würde ich mir nie erlauben, an Ihrer Lernfähigkeit zu zweifeln.“ ▶ „Bisher waren wir erfolgreich, weil … Aber wie sich heute der Zukunfts‐ markt abzeichnet, da sollten wir …“ 12.2 Tipps und Tricks aus unserer persönlichen Praxiserfahrung 237 <?page no="238"?> ▶ „So alt sind Sie doch auch nicht! “ 12.2.6 Wenn nicht …, dann …: Umgang mit Drohungen a) Sie werden bedroht! „Wenn Sie den Preis nicht zahlen wollen, werden wir den Support einstel‐ len! “ „Wenn Sie nicht …, dann werde ich das Gespräch beenden! “ „Wenn Sie nicht …, dann werden Sie hier keinen Auftrag mehr bekom‐ men! “ „Dann liefern wir ab Montag nicht mehr! “ „Wollen Sie Ihre Teile nun pünktlich haben oder nicht? “ ▶ Bevor die Situation eskaliert oder Sie nachgeben: Meint Ihr Gegenüber es wirklich ernst? ▶ Geben Sie die Entscheidung zurück. Sie werden schnell sehen, ob er es ernst meint. Vermitteln Sie, dass Sie Ihre Entscheidung getroffen haben. Wenn er es auf die Spitze treiben möchte, ist er bei Ihnen genau richtig. ▷ Den anderen länger als normal mustern, dann betont konstruktiv fortfahren: „Sind Sie einverstanden, dass wir weitermachen? “ ▷ Dumm stellen, Drohung als Missverständnis interpretieren: „Da muss ich Sie falsch verstanden haben.“ ▷ Wiederholtechnik: „Können Sie das bitte wiederholen? “ ▷ Perspektive wechseln: „Was würden Sie an meiner Stelle tun? “ ▷ Aus der Situation treten: „Vielleicht sollten wir eine kurze Pause machen, bis sich die Gemüter beruhigt haben? “ ▶ Sollte der andere sich nicht von seinem Kurs abbringen lassen, müssen Sie Farbe bekennen. „Wenn nicht dann“ ist kurzfristig immer „dann“. Sie können sich ja nicht bedrohen lassen. ▶ Sie haben nun die Möglichkeit, in Ruhe zu überlegen und die Sache evtl. nach oben zu delegieren. ▶ Geben Sie einmal nach, wird Ihr Gegenüber das vielleicht immer wieder probieren. Sie müssen dem sowieso einen Riegel vorschieben. Dann können Sie es auch gleich beim ersten Mal machen. 238 12 „Expedition“ - Erfahrungen sammeln in der Praxis <?page no="239"?> Sprichwort: „Hunde, die bellen, beißen nicht! “ ▶ Wer droht, deutet an, dass er die angedrohte Maßnahme eigent‐ lich / noch nicht treffen möchte. ▶ Drohungen können also durchaus Verhandlungsangebote sein. ▶ Äußerste Vorsicht bei Drohungen unter vier Augen! Eskaliert die Situa‐ tion, weiß Ihr Gegenüber hinterher von nichts mehr. („Ich weiß auch nicht, was in Herrn / Frau Meier gefahren ist.“) ▶ Keine Angst haben und zeigen. ▶ Bleiben Sie in jedem Falle sachlich. ▶ Zeigen Sie am besten keine Wirkung. Sie entscheiden selber, ob dieser Einschüchterungsversuch erfolgreich ist. ▶ Verschlechtern Sie Ihr bestehendes Angebot in einigen Punkten in der Verhandlung mit Verweis auf die Drohung. b) Sie werden selbst massiv und drohen: Verhaltensregeln ▶ Sie müssen zuerst selber entscheiden, ob Sie zu dieser Maßnahme greifen wollen oder nicht. Ist es in dieser Situation angemessen? ▶ Drohen sollte die letzte Maßnahme sein. Es gibt kaum noch ein Zurück. ▶ Machen Sie unter Umständen eine kleine geäußerte Drohung in der Verhandlung wahr. Fehlende Konsequenz wirkt sich auf die Glaubwür‐ digkeit aus. ▶ Seien Sie immer vorsichtig mit Ihren Drohungen! Wenn es „hart auf hart“ kommt, müssen Sie auch konsequent bleiben, um nicht das Gesicht zu verlieren. Deswegen müssen Konsequenzen umsetzbar sein. ▶ Deswegen muss die Drohung selbst angemessen und glaubwürdig und damit umsetzbar sein ! Richtiges Einschüchtern will gelernt sein! 12.2.7 Schwierige Verhandlungen: Verhandeln mit übermächtigen Partnern Was tun Sie, wenn der Verhandlungspartner mächtiger erscheint? Machen Sie sich zunächst einmal bewusst, dass häufig die eigene Position unter‐ schätzt wird (weil man die Risiken und Schwächen der Position natürlich genau kennt! ). Deswegen sind die wichtigsten Tipps hier: 12.2 Tipps und Tricks aus unserer persönlichen Praxiserfahrung 239 <?page no="240"?> Werden Sie sich Ihrer eigenen Macht bewusst! ▶ Überlegen Sie genau, in welchen Verhandlungspunkten Sie Macht be‐ sitzen: ▷ Einkäufer: Sie sind der Kunde, auch ein mächtiger Partner / Liefe‐ rant (Monopolist) verzichtet nicht einfach auf Umsatz, nur weil Sie sich nicht alles gefallen lassen. ▷ Verkäufer: Überlegen Sie, warum Sie wohl zu der Verhandlung eingeladen wurden. Offensichtlich hat der Kunde ernsthaftes Interesse an Ihrem Angebot. ▶ Machen Sie sich alle Handlungsoptionen klar: Meist haben Sie mehr, als es auf den ersten Blick scheint. ▶ Gefühl von Macht / Ohnmacht entsteht häufig bei ganz bestimmten Personen. Bei ▷ unsympathischen Personen, ▷ arroganten / überheblichen Personen, ▷ charismatischen Personen. ▶ Stellen Sie sich mental auf diese Personen ein, lassen Sie sich nicht verunsichern. ▷ Gestehen Sie dem Verhandlungspartner Macht zu (durch Ihre subjektive Wahrnehmung), werden Sie ihm das mindestens unbe‐ wusst signalisieren. ▷ Erkennen Sie seine Macht an, wird sie sich entfalten. Zeigen Sie Stärke! ▶ Zeigen Sie Ihrem Verhandlungspartner, dass er ohne Sie nicht gewinnen kann. ▶ Wenn Ihr Gegenüber nicht von seinem hohen Ross steigt, dann steigen Sie zu ihm auf. ▶ Signalisieren Sie ihm das durch Ihr souveränes Auftreten, und Ihr Gegenüber wird Sie als charismatisch wahrnehmen. ▶ Lassen Sie sich von Drohungen / Ultimaten (Wenn Sie nicht …, dann …) nicht beeindrucken. Drohen Sie selbst bzw. brechen Sie die Verhandlung ab! ▶ Keine Angst: So schnell fällt das Kind nicht in den Brunnen! ▶ Finden Sie die richtige mentale Einstellung: „Nachgeben ist keine Option.“ Mit „ … da kann man sowieso nichts machen …“ kommt man nicht weit. 240 12 „Expedition“ - Erfahrungen sammeln in der Praxis <?page no="241"?> 12.3 Die Trickkiste der Einkäufer Manche Einkäufer tricksen, frei nach dem Motto: „Der Zweck heiligt die Mittel! “ Die oberste Regel heißt dann: Ruhe bewahren! Ärgern Sie sich nicht, versuchen Sie Mensch und Sache zu trennen. Vielleicht steht der Einkäufer unter starkem Erwartungsdruck und weiß sich nicht anders zu helfen. a) Der Budgetbzw. Zielpreisvorwand ▶ Dem Verkäufer wird ein Zielpreis, der auf Marktuntersuchungen basiert, oder ein Budget vorgegeben. ▶ Wenn das ein Trick ist, müssen Sie diesen entlarven! Gibt es wirklich ein Budget, müssen Sie das ernst nehmen. ▶ Variation: „Der Chef / Vorstand hat gesagt, wir müssen …“ Ziel: ▶ Der Einkäufer versucht ▷ Ihnen zu zeigen, dass ihm die Hände gebunden sind. ▷ jegliche Argumentation abzuwürgen. ▶ Dem Verkäufer wird suggeriert, ▷ dass der Zielpreis auf objektiven Zahlen basiert und eine nicht diskutierbare Größe darstellt. ▷ dass der Preis alleine entscheidet. ▶ Großzügiges Entgegenkommen beim Zielpreis: Bündnis (gegen andere Lieferanten oder den eigenen Chef) wird vorgetäuscht! Gegenmaßnahmen: ▶ Grundlage des Zielpreises / Budgetlimit infrage stellen. ▶ Verantwortliche (Chef, Controlling etc.) einbeziehen. ▶ Möglichkeit, Budgetlimits zu erhöhen, erfragen. ▶ Alternative Entscheidungskriterien erfragen, in die Diskussion bringen. ▶ Wettbewerb, der „schon nahe“ am Zielpreis liegt, hinterfragen. ▶ Wichtig: Gesprächspartner entlarven, aber nicht bloßstellen. ▶ Anregungen für „goldene Brücken“: ▷ Abspecken: anderes Produkt, weniger Optionen, weniger Zusatz‐ leistungen. ▷ Andere Budgets (z. B. für Instandhaltung) miteinbeziehen, Teile des Umfangs (z. B. Dienstleistungen) herauslösen. 12.3 Die Trickkiste der Einkäufer 241 <?page no="242"?> ▷ Preis auf mehrere Jahre verteilen. ▷ In Naturalien bezahlen lassen: Gegengeschäfte. ▷ Mit anderen Aufträgen verknüpfen - über Mischkalkulation kom‐ men Sie trotz des Zielpreises zu einem guten Gesamtergebnis. Fazit: Übernehmen Sie nicht vorschnell vom Kunden ein Preisproblem. Wenn Ihnen ein Kunde ein Preislimit (Budget, Zielpreis o. Ä.) vorgibt, so sollten Sie dies nicht ohne Weiteres als gegeben hinnehmen. b) Zeitdruck erzeugen Wer die Zeit auf seiner Seite hat, hat häufig auch einen Verhandlungsvor‐ teil. Zeitdruck verursacht Stress, und Stress ist ein mächtiges Mittel in der Verhandlung mit dem Ziel, beim Verhandlungspartner das rationale Denken erheblich zu beeinträchtigen. Dadurch werden häufig viel zu früh entscheidende und teure Zugeständnisse gemacht. ▶ Künstlichen Zeitdruck für die Verhandlung erzeugen durch: ▷ sehr kurzfristiges Ansetzen des Termins, ▷ langes Wartenlassen und ▷ starkes Abkürzen der Verhandlungsdauer. Ziel: ▶ Der Gegenseite die Möglichkeit nehmen, sich optimal vorzubereiten ▶ Keinen Raum für ausführliche Argumention lassen ▶ Die Wichtigkeit der Person oder des Themas herabsetzen ▶ Reduzierung der Verhandlung auf Preise ▶ Ablenken von allen Punkten, die für Sie / Ihr Unternehmen / Ihr Pro‐ dukt sprechen Gegenmaßnahmen: ▶ Nehmen Sie konsequent keine kurzfristigen Verhandlungen an, de‐ monstrieren Sie Gelassenheit und Souveränität. ▶ Nehmen Sie Wartezeiten nicht hin: Drängen Sie auf pünktlichen Beginn. ▶ Vertagen Sie ggf. das Gespräch. ▶ Bestimmen Sie die Agenda im Vorfeld. Damit führen Sie jederzeit souverän durch die Verhandlung und bestimmen, welche Punkte zu welchem Zeitpunkt diskutiert werden. 242 12 „Expedition“ - Erfahrungen sammeln in der Praxis <?page no="243"?> ▶ Ignorieren Sie den Zeitdruck einfach und verlagern Sie offene Punkte in ein neues Gespräch. ▶ Stellen Sie die Preisdiskussion so weit wie möglich nach hinten. Weigern Sie sich einfach elegant, über Preise zu reden, wenn der Nutzen noch nicht kommuniziert ist. Lassen Sie niemals erkennen, dass Sie unter Zeitdruck stehen. Lassen Sie keinen Abschlussdruck Ihrerseits erkennen. Verhandeln Sie erst die kleineren Punkte, wenn Sie bei den großen Punkten nicht voran‐ kommen. c) Ultimatum / Drohung ▶ Der Einkäufer arbeitet mit einem Ultimatum. ▶ Entweder Sie akzeptieren den Preis / die Bedingungen, oder das Ge‐ spräch / die Zusammenarbeit ist beendet. Ziel: ▶ Druck erhöhen, Angst vor Auftragsverlust nutzen. ▶ Schnelle Entscheidung erzwingen. Gegenmaßnahmen: ▶ Ein „Nein“ bedeutet unter Umständen Auftragsverlust, deshalb „Viel‐ leicht“ als Lösung. ▶ Alternativen / neue Lösungen anbieten. ▶ Führen Sie neben dem Preis weitere Dimensionen ein, z. B. Lieferzeit, Zahlungsbedingungen, Mengen etc. ▶ An Bedingungen koppeln: „Sie sind hart, aber ich bin einverstanden wenn …“ So können alle ihr Gesicht wahren. ▶ Ausweichen, Themenwechsel. ▷ „… das kriegen wir schon irgendwie hin, allerdings müssen wir vorher …“ ▷ „… das ist eine große Herausforderung, dazu müssen wir folgende Optionen betrachten …“ ▶ Weitere Möglichkeit: Ultimatum thematisieren, direkt ansprechen! Si‐ gnalisieren Sie Ihrem Gegenüber, dass dieses Spiel mit Ihnen nicht funktioniert, bauen Sie ihm aber eine letzte Brücke. 12.3 Die Trickkiste der Einkäufer 243 <?page no="244"?> Folgeauf‐ träge oder andere Kö‐ der in Aus‐ sicht stel‐ len. Ungerecht‐ fertigte Re‐ klamatio‐ nen ▷ „Was lassen Sie uns denn für Möglichkeiten? Sie setzen uns die Pistole auf die Brust. Das können wir nicht akzeptieren.“ ▷ „Sollten wir nicht eine partnerschaftliche Lösung …“ ▷ „Was hat Sie so verärgert, dass …? “ ▶ Gespräch vertagen, unterbrechen, mit Hintertür abbrechen (nicht die Beziehung). Haben sich die Gemüter beruhigt, finden sich vielleicht neue Lösungen. ▷ „… unter diesen Umstände bedaure ich sehr … können wir gerne morgen noch mal telefonieren.“ Generell: Lassen Sie sich nicht bedrohen, Nachgeben ist Kapitulation. Wenn der Einkäufer damit Erfolg hat, wird er das immer wieder versuchen. Zeigen Sie Rückgrat! Hier brauchen Sie aber Rückhalt von Ihren Chefs. d) Lügen Hierzu gehören z. B. falsche Versprechen, wie etwa Folgeaufträge / höhere Mengen / längere Laufzeiten in Aussicht zu stellen, oder ungerechtfertigte Reklamationen, um Druck aufzubauen. Für den Fall, dass ein Einkäufer zu diesen Mitteln greift, sollten Sie gewappnet sein. Gegenmaßnahmen: Generell: ernst nehmen, hinterfragen, dem EK nie das Gefühl geben, ertappt worden zu sein. Folgeaufträge oder andere Köder in Aussicht stellen: Lassen Sie sich nicht auf mündliche Vereinbarungen ein mit der Aussicht, dass Sie für ein Zugeständnis zum jetzigen Zeitpunkt irgendwann mit einem weiteren Auftrag belohnt werden. Stattdessen … ▶ Rabatte an Folgeaufträge koppeln. ▶ Boni vereinbaren. Rabatte werden gewährt, Boni werden verdient. Koppeln Sie Boni beispielsweise an Umsätze. Ungerechtfertigte Reklamationen ▶ Jede Reklamation wird gründlich auf ihre Berechtigung geprüft. ▶ Reklamation gesondert behandeln, vom aktuellen Verhand‐ lungsgegenstand abkoppeln. ▶ Gründe für das Verhalten analysieren. ▶ Ablehnung der Reklamation nachvollziehbar begründen. 244 12 „Expedition“ - Erfahrungen sammeln in der Praxis <?page no="245"?> Bei wichtigen Kunden Fingerspitzengefühl bezüglich Kulanz zeigen. e) „Damals“-Technik Verweis auf … ▶ frühere oder übliche Rabatte: ▷ „Vor zwei Jahren haben wir …“ ▷ „Alle anderen …“ ▶ Absprachen mit dem Vorgänger: ▷ „Bei Ihrem Vorgänger war es eigentlich üblich …“ Gegenmaßnahmen: ▶ Prüfen Sie, inwieweit das stimmt und ob Sie den alten Regeln folgen wollen. ▶ Wenn es stimmt, heißt das nicht, dass es jetzt immer noch so gemacht werden muss. f) Aggressives Auftreten und persönliche Angriffe Ziel: ▶ Druck aufbauen, einschüchtern ▶ Manipulieren ▶ Widerstand brechen Zerstöre das Selbstbewusstsein von Menschen und sie werden sich verhalten wie Menschen ohne Selbstbewusstsein. Dieses Verhalten zeigt: ▶ Verzweiflung, keine „richtigen“ Mittel ▶ Dünnhäutigkeit, großer Druck ▶ Dreistigkeit, Stillosigkeit ▶ schlechte Vorbereitung ▶ Unsicherheit, Unerfahrenheit Macht Ihnen dieses Verhalten jetzt noch Angst? Also: Bewahren Sie Ruhe! Optimalerweise bauen Sie Ihrem Gegenüber eine Brücke zurück zu einem angemessenen Verhalten. 12.3 Die Trickkiste der Einkäufer 245 <?page no="246"?> Gegenmaßnahmen: ▶ Unfaire Manöver überhören ▶ Im Stillen Verständnis für die „arme Sau“ zeigen ▶ Angriff als Offenheit, Ehrlichkeit, Vertraulichkeit interpretieren ▶ Sachlichen Kern des Angriffs aufgreifen ▶ Gründe für das unfaire Verhalten erfragen ▶ Gefühle offenbaren, thematisieren, Ausfälle zurückweisen ▶ Vertagen / Pause machen g) „Good Guy - Bad Guy“ ▶ Der Böse setzt Sie kontinuierlich mit Gegenargumenten und seinem arroganten Auftreten unter Druck, um bewusst eine Antipathie bei Ihnen hervorzurufen. Er ist der Kettenhund, der von der Leine gelassen wird. ▶ Der Gute spielt jenen Part, der bewusst sympathisch auf Sie wirken soll. Er stellt sich (scheinbar! ) auf Ihre Seite, vermindert den Druck, wird zur Vertrauensperson und schlägt gütliche Lösungen vor. So entlockt er Ihnen gerade dann, wenn der „Bad Guy“ den Raum verlassen hat, Zugeständnisse. Sätze wie „Ich bin absolut Ihrer Meinung! Glauben Sie mir, wenn Sie mir jetzt nur 5 Prozent Preisnachlass zusichern können, werde ich mich persönlich beim Vorstand dafür einsetzen, dass wir bis morgen abschließen können! “ wirken wahre Wunder. Ziel: ▶ Manipulation Ihres Verhaltens Gegenmaßnahmen: ▶ Das Spiel erkennen ▶ Ruhig bleiben ▶ Vorsicht vor falschen Freunden ▶ Forderung des „Bösen“ ignorieren ▶ Bedenkzeit ausbitten ▶ Strategie entlarven und thematisieren: „Das ist wirklich die beste „Good Guy - Bad Guy“-Inszenierung, die ich je gesehen habe - Kompliment! Lassen Sie uns aber wieder ins Tagesgeschäft einsteigen.“ 246 12 „Expedition“ - Erfahrungen sammeln in der Praxis <?page no="247"?> h) Old-School-Tricks Die einladende Partei nimmt an der Fensterfront Platz, Sie werden an die Wandseite gesetzt. Durch den grellen Lichteinfluss ermüden Sie deutlich schneller, die Konzentration nimmt ab. Außerdem können Sie so die Mimik der Gegenseite nur bedingt lesen. Weitere Tricks aus dieser Schublade: warten lassen, keinen Kaffee anbie‐ ten, Heizung hoch- oder runterregeln (zu kalt, zu warm) … Hier gibt es nur ein Ziel: ▶ Verunsicherung der Person Gegenmaßnahmen: ▶ Erkennen und nicht beeindrucken lasssen. Denken Sie immer: Wie armselig, wenn Ihr nichts Besseres habt, dann ist das ja nicht viel. 10.4 Praxistipps für Verkäufer ▶ Preise möglichst nur bei positivem Gesprächsklima verhandeln. ▶ Verhandeln Sie nicht am Telefon, wenn es um eine lohnende Sache geht. ▶ Sprechen Sie erst über den Preis, wenn der Kunde ein Wertempfinden für das Produkt aufgebaut hat. ▶ Notfalls Preisspanne nennen: ▶ „Je nach …, liegt der Preis zwischen …“ ▶ Preis immer in Verbindung mit einem Nutzen oder einem Alleinstel‐ lungsmerkmal nennen. Ermitteln Sie den tatsächlichen Kundennutzen bzw. erfragen Sie tatsächliche Bedürfnisse des Kunden. ▶ Kundennutzen detailliert erläutern oder - noch besser - berechnen: ▷ Hoher Durchsatz ▷ Weniger Aufwand ▷ Zeitersparnis ▷ Einsparungen ▶ Lassen Sie Ihre Betroffenheit bei Forderungen der anderen Seite erken‐ nen. Zucken Sie zusammen! Sagen Sie niemals „Ja“ zur ersten Forderung. ▶ Dramatisieren Sie Nachlässe, stellen Sie marginales Nachgeben als kolossales Zugeständnis dar: ▷ „Ich kann mich nicht erinnern, dass wir schon mal einen Nachlass von 2 % auf dieses Produkt gegeben haben. Ich glaube auch nicht, 10.4 Praxistipps für Verkäufer 247 <?page no="248"?> dass das wieder vorkommen wird. Sie sind wirklich ein harter Brocken.“ Wenn Sie dann noch ein Zugeständnis bekommen (Skonto, Menge), ist alles gut. ▶ Preise / Summen / Differenzen klein- oder großrechnen - je nach Be‐ darf: ▷ %-Werte statt absoluten Zahlen oder umgekehrt ▶ Technik des Differenzpreises anwenden: ▷ „Verstehe ich es richtig, das Ihre Entscheidung, ob Sie diese Anlage kaufen (Wert 500.000 €) von einer Differenz (zum Wettbewerb) von 3.500-€ abhängt? “ ▶ Preis auf Tage (Laufzeit) umrechnen, unterteilen Sie den Preis in kleine Kosteneinheiten. Rechnen Sie vor, was die Leistungen über den Nut‐ zungszeitraum kosten. Diese kleinen, z. B. monatlichen Beträge sind dem Kunden leichter zu verkaufen als der eine große Brocken. ▶ Bieten Sie dem Kunden Ihr Produkt zur Probe an. ▶ Wenn schon Nachlass / Rabatt, dann über zusätzliche Leistungen / Pro‐ dukte. ▷ Als „Wert“ setzen Sie den Listenpreis an, die tatsächlichen Kosten sind weitaus geringer (Beispiele: Ersatzteilpaket für das erste Jahr, Technikerunterstützung während der Inbetriebnahme etc.). ▶ Verkaufen Sie, wenn es gar nicht anders geht, den einmaligen Sonder‐ preis als absolute Ausnahme. ▶ Knüpfen Sie Ihr Zugeständnis an eine Bedingung, um Nachverhandlun‐ gen auszuschließen. ▷ „Ich gehe auf diesen Preis ein, wenn ich dafür verbindlich den Auftrag bekomme.“ Denken Sie immer daran: Kein Entgegenkommen ohne Gegenleistung! a) Taktische Alternativen für Preisverhandlungen Angebotsvergleich Hauptargument des Einkaufs ist oft der Wettbewerb. ▶ Auf Finten / Widersprüche in Formulierungen achten. ▶ Wettbewerbsangebote hinterfragen: Äpfel + Birnen. ▶ Vergleichbarkeit anzweifeln. 248 12 „Expedition“ - Erfahrungen sammeln in der Praxis <?page no="249"?> ▶ Wenn möglich, Unterschiede zwischen den Angeboten heraus‐ finden-und herausstellen. ▶ Nie über den Wettbewerb (schlecht) reden: Sie sollen nicht den Wettbe‐ werb nicht verkaufen, sondern Ihr Produkt verkaufen. Hinterfragen ▶ Anzuwenden bei der „Zuteuer“-Mauer. Diese kann viele Ursachen haben. Fragen Sie: ▷ Inwiefern zu teuer? ▷ Im Verhältnis wozu? ▷ Aus welchen Gründen? ▷ Was genau ist Ihnen zu teuer? ▶ Unbedingt freundlich fragen, Schärfe herausnehmen. ▶ Führt der Kunde den Wettbewerb an, geht es in die nächste Runde (s. o.). Bluffen ▶ Scheinbar alles auf eine Karte setzen: Entweder … oder! ▶ Keine Angst: Auch wenn es schiefgeht, fällt das Kind nicht so schnell in den Brunnen, wenn Sie es richtig anstellen. ▷ Sie können am nächsten Tag immer noch beim Kunden anrufen und eine neue Idee präsentieren, die Ihnen in der Nacht gekommen ist. ▷ Manche Verkäufer präsentieren diese Idee auch schon beim Zu‐ sammenpacken, die Türklinke in der Hand. ▶ Aber: Bluffen Sie geschickt, d. h. glaubwürdig, sonst wirken Sie schnell lächerlich. Neuer Blickwinkel: Perspektivwechsel und Umdeutung Versuchen Sie, die Sichtweise durch Perspektivwechsel zu ändern. Beispiel: Veröffentlichte Unternehmensergebnisse zeigen Rekordge‐ winne, der Aktienkurs ist gestiegen. Dies ist ein möglicher Auslöser von Preisdiskussionen. ▶ Negative Sichtweise: Rekordgewinne bedeuten, dass Kunden zu viel bezahlen. ▷ Forderung nach günstigeren Preisen. ▶ Umdeutung: Gewinne werden durch viele zufriedene Stammkunden, durch überzeugte Neukunden generiert. Grund dafür ist das ausgezeich‐ nete Preis-Leistungs-Verhältnis. 10.4 Praxistipps für Verkäufer 249 <?page no="250"?> b) Tipps für die Abschlussphase Meist sind die Parteien am Ende der Verhandlung bereit, noch weitere Zugeständnisse kleinerer Art zu machen. Diese Stimmung können Sie kurz vor Verhandlungsschluss nutzen, um zusätzliche, aber im Verhältnis zum Hauptgegenstand der Verhandlung kleine Zugeständnisse zu erbitten. ▶ Abschlusszugeständnisse sollten auf den Abschluss bezogen sein und konkret formuliert sein, um ein einfaches Ja oder Nein zu erhalten (Entscheidung forcieren). ▶ Werden Sie nicht zu gierig, sonst wirkt es plump. ▶ Jeder muss sein Gesicht wahren können. Im Guten auseinandergehen. ▶ Streiten Sie nicht um Kleinigkeiten (bestehen Sie nicht auf zu starren Prinzipien), wenn Sie kurz vor dem Abschluss stehen. ▶ Verpacken Sie das richtige Signal in einen Vorschlag: ▷ „Ist das einschließlich Lieferung? ▷ Schließt das Anwaltskosten mit ein? ▷ Wäre das rückwirkend? “ c) Lernen Sie rechnen! ▶ Vorsicht vor schnellen Zugeständnissen ▷ Auswirkung von Rabatten bei höheren Abnahmemengen. (Wie viel Mehrumsatz benötigen Sie, um den Gewinn konstant zu halten? ) ▷ Auswirkung anderer Konditionen, wie z. B. Zahlungsbedingun‐ gen. ▶ Machen Sie zur Übung Musterrechnungen. ▷ Wie wirken sich Zahlungskonditionen und Nachlässe auf die Gewinnsituation aus? ▶ Kenntnis über: ▷ Gewinnsituation bei verschiedenen Produkten, Zahlungs- und Lieferbedingungen (eigene und Wettbewerb). ▷ Allgemeine Verkaufsbedingungen. Hüten Sie sich grundsätzlich vor vermeintlich einleuchtenden, einfachen Lösungen. Sie bergen oft die Gefahr, dass Sie übervorteilt werden. Einleuch‐ tende Lösungen sind zu erkennen durch Einfachheit: 250 12 „Expedition“ - Erfahrungen sammeln in der Praxis <?page no="251"?> ▶ Abrunden auf eine „runde Summe“ ▶ „Bei dieser Stückzahl muss wenigstens ein kostenloses Gerät dabei sein …“ d) Lernen Sie mit Ablehnung souverän umzugehen: Ist der Kunde wirklich ablehnend oder verhandelt er nur hart? ▶ „Zu teuer“ ist nicht zwangsläufig ein „Nein“. ▶ Feilschen als Selbstverständlichkeit akzeptieren. ▶ Schlagen Sie immer wieder Alternativen vor. ▶ Aus Niederlagen lernen! Gehen Sie konstruktiv mit Ablehnung um. Motivieren Sie sich für neue Abschlüsse und Kunden. ▶ Verkrampfen Sie nicht: Merkt der Einkäufer, dass Sie den Auftrag dringend brauchen, wird er das (aus-)nutzen. e) Das Wichstigste zuletzt: Mit Überzeugung überzeugen! Professionell verkaufen bedeutet (auch) Identifikation mit Produkt und Unternehmen. Seien Sie wirklich überzeugt! Echten Profis können Sie nichts vorspielen. Stellen Sie Unternehmen / Produkt überzeugend vor. Mangelnde Identifi‐ kation und Überzeugung wird schnell sichtbar und weckt überdies den „Jagdinstinkt“ vieler Einkäufer. Stehen Sie zu Ihrem Preis - hier wird Ihre Identifikation ganz deutlich - und lassen Sie sich nicht durch den Wettbewerb entmutigen: Dort wird auch nur mit Wasser gekocht. Auch wenn Sie hören „besser, schneller, günstiger, billiger, zusätzlich …“ Stimmt das wirklich? Auch wenn der Kunde Sie mit Argumenten zu Zugeständnissen bewegen möchte, bleiben Sie bei Ihrer Aussage, wiederholen Sie Ihren Standpunkt mehrfach, aber immer höflich. Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass der Kunde nach einiger Zeit resigniert. 10.4 Praxistipps für Verkäufer 251 <?page no="253"?> Literatur Beck, G. (2008): Verbotene Rhetorik, 4.-A., München Becker, J. (2014): Du wirst tun, was ich will, München Berne, E. (2000): Spiele der Erwachsenen, Reinbek bei Hamburg Birkenbihl, V. F. (2010): Rhetorik. Redetraining für jeden Anlass, 12.-A., München Boutellier, R./ Wagner, S.-M./ Wehrli H.-P. (2003): Handbuch Beschaffung, München und Wien Braun, G. (2014): Verhandeln in Einkauf und Vertrieb, 2.-A., Wiesbaden Bredemeier, K. (2003): Schwarze Rhetorik, 4.-A., München Carnegie, D. & Associates/ Crom,J. O., Crom, M. (2005): Der Verkäufer in Dir, Frankfurt am Main Cialdini, R. B. 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(2006): Erfolgreiche Verhandlungsführung in Einkauf und Logis‐ tik, 2.-A., Berlin und Heidelberg 254 Literatur <?page no="255"?> Register Abbruch-144, 151 ABC-Analyse-66 ABC-Risiko-Portfolio-73 ABC-Versorgungsrisikoportfolio-73 Abhängigkeit-64 Ablauf der Verhandlung-213 Ablehnung-251 Absatzmenge-88 Abschlussdruck-243 Abschlussphase-250 Abspecken-45 Abstimmung-152 Accessoires-128 Agenda-159, 161, 213, 242 aggressive Preispolitik-55 aggressives Auftreten-245 aktives Zuhören-116, 133, 214 A-Kunden-66, 69 Alleinstellungsmerkmal-21, 86, 96, 165, 247 Alternativfrage-219 Analyse des Verhandlungspartners-42 Anchoring-Effekt-59 Anfängerfehler-160 Angebotsvergleich-248 Anglizismen-220 Angriff-246 Angst-243 Antrieb-117, 121 Argumentation-221 Argumentation der Gegenseite-101 Argumentationsbasis-101 Argumentationsketten-103 Argumentationsstrategien-103 Argumentationstechniken-99, 102f. Argumente-34f., 214 Argumente der Gegenseite-103 Argumentespiel-36, 149 Auftragslage-43, 82 Auftragsverlust-243 Auftreten-29, 125, 149 Augenhöhe-108f., 171 Ausgangsposition-63f., 78 Ausklammerungen-235 Auslastung-82, 98 Ausstiegsziel-60 Ausstrahlung-127 Autoritätenmethode-228 Back-Door-Selling-48, 92 Bandwurmfragen-220 Bauchgefühl-41, 50 Bedarfsermittlung-93 Bedenkenträger-151 Bedeutung des Produkts-82 Beobachter-154 Bequemlichkeit-87 Beschaffungsmarktforschung-77 Betriebsbesichtigung-156 Beziehung-87, 98 Beziehungsebene-105, 116 Blickkontakt-116, 127, 220 Bluff-151, 249 Boni-244 Bonität-43 Budget-98, 241f. Budgetvorwand-241 <?page no="256"?> Canva-190 Chain-of-thought-Prompting-197 Charisma-18, 127 Chatbots-187f. ChatGPT-187f., 191, 197, 205 Coach-207 Coronakrise-175 Cost-Breakdown-21 CRM-Systeme-40 DALL-E-190 Damals-Technik-237, 245 Datenschutz-192 Deal-27 Deckungsbeitrag-57 Diffamierungen-234 Differenzierung-86, 96 DISG-Systematik-118, 135 Dokumente-156 Dramatisieren-247 Dramaturgie-37 Dreistigkeit-245 Drohung-152, 239f., 243 Druck aufbauen-245 Druck des Marktes-97 dumm stellen-238 Dünnhäutigkeit-245 Durchsetzen-139, 143 Effizienz-93 Ehrbeteuerungen-231 eigener Stil-211 Einschätzung-34, 36 Einschüchterung-239, 245 Einsparpotenziale-77 Einsparungen-75f., 87 Einstieg-33, 35 Einstiegsziel-58 Einwände-99, 101f., 214, 221 Eitelkeit-121 emotionale Intelligenz-206 emotionale Weigerung-221 Emotionen-37 Empathie-34, 37, 105, 109 Engpasslieferanten-76 Engpassprodukte-76 Entscheidungskompetenz-125 Erfahrung-211 Erfahrungskurve-165 Erfahrungstechnik-225 Erfolg des Einkäufers-87 Erfolgsdruck-121f. Ermutigungsfrage-219 Erscheinungsbild-127 erster Eindruck-125f. Erzeugen von Wellenlänge-133 Eskalation-151 Everest-Methode-30, 32 Expedition-211 Facebook-49 Fachbegriffe-220 Fairness-28f., 98 falsche Versprechen-244 Fangfrage-219 Feedback-211, 215 Few-Shot-Prompting-196 Flexibilität-93, 211 Folgeaufträge-244 Frageketten-220 Fragen-158, 218, 220 Fragetechnik-217 Fremdwörter-220 Füllwort-114 Furcht vor dem Scheitern-108 256 Register <?page no="257"?> Gegenargumente-95, 214 Gegenfrage-94, 216, 218 Gegengeschäfte-242 Gegenleistung-68, 168f. Gelassenheit-242 Gemeinkosten-52 Gemeinsamkeiten-134 Geschäftsberichte-48 Geschäftsleitung-88 geschlossene Fragen-217 Gesprächsagenda-155 Gesprächsausstieg-214 Gesprächsführer-159, 219 Gesprächsführung-29, 38, 149, 158 Gesprächstaktik-157 Gesprächsvorbereitung-38 Gestik-220 Gewinn-43, 52 Gewinnorientierung-88 Gewinnsteigerung-53 Gewinnstreben-87 goldene Brücken-241 Good Cop - Bad Cop-151 Good Guy - Bad Guy-173, 246 Grobpositionierung-39 Gutmensch-Falle-233 Händedruck-127 Harmonie-87, 123 hartes Verhandeln-26, 139 Haupt- und Nebenziele-35, 51 Hauptziele-55, 60, 62 hausgemachter Monopolist-91 Hebellieferanten-75 Hebelwirkung-53 HHH-Regel-145 Hinterfragen-249 Hoch- und Runterrechnen-224 Ice-Breaker-213 Identifikation-251 Informationen-18, 21, 30, 33, 35, 39 Informationsbeschaffung-39, 42, 48 Informationsfrage-218 Informationsgewinnung-200 Innovationsführer-90 Instagram-49 Interesse des Einkaufs-87 Internet-49 Ist doch klar-Schwindel-229 Ja, aber-Technik-222 JA-Reihe-Fragen-219 Jasper AI-190 Kalkulation-21, 45, 76, 96f. Kapitulation-37 Kaufentscheidung-46, 85 Kaufmotive-85f. Kennzahlen-40 Kernthemen-167 Köder-244 kolossales Zugeständnis-247 Kommunikation-18 Kompromiss-37, 139, 143, 145, 172 Konfrontation-171 Konkurrenz-48 Konsens-139, 142 Kontrollfrage-219 Konzessionen-60 Kooperative Lösung-142 Körperhaltung-127 Körpersprache-116, 128 Kosten-52 Kostenanalyse-21 Kostenführerschaft-90 Kosten-Nutzen-Verhältnis-89 Register 257 <?page no="258"?> Kostenorientierung-87 Kostensenkung-54 Kundenanforderungen-95 Kundenbedürfnis-96 Kundenbefragungen-94 Kundennutzen-165, 247 Kundenqualifikation-48 Kundenunternehmen-44 Kundenwertportfolio-70 künstliche Intelligenz-49, 187 KVP-97 langfristige Zusammenarbeit-77 Last-Price-Technik-163 Legal Assistant-190 Leistungsdifferenzierung-93 Leistung und Nutzen-89 Lernkurve-97 Lieferanten-Management-Systeme-40 Lieferantenverzeichnisse-49 Liefertermintreue-87 Liefertreue-40 Listenpreis-248 lose-lose-143 Lügen-244 Macht-34 Machtfrage-34 Machtposition-34, 63, 66 Machtverhältnis-22, 63f., 78, 204 Machtwaage-79 Make-or-Buy-77 Manipulation-99, 103, 106, 214, 216, 227 Marge-56 Marketing-48 Marktanteil-44 Marktmacht-36, 82 Marktstellung-44 Markt- und Wettbewerbsanalysen-42 Material- und Beschaffungskosten-53 Math-190 Medienreichhaltigkeitstheorie-176 Menschen abholen-133 mentale Einstellung-240 Minimalziel-52, 55, 60 Mittagessen-155 Model-Guided-Prompting-197 Moderation-38 Monopol-77, 92, 145, 240 Motivation-117, 121, 135 Musterrechnungen-250 Nachfragen-221 Nachlass-56, 248 Name-Dropping-229 Nebenziele-60, 62 Negative-Prompting-198 Neupositionierung-76 Newsletter-48 nonverbale Kommunikation-110, 149, 181 Nutzenerwartungen-87 offene Fragen-217 offensichtliche Falle-234 Old-School-Tricks-173, 247 Online-Kommunikation-179 Online-Verhandlungen-175 OPAL-Fragen-160 OpenAI-187 Optimalziel-52, 58 Organisation-29 organisatorische Vorbereitung-149, 155 Ort-29, 159 Pain-Sharing-27 258 Register <?page no="259"?> Partnerschaft-37, 96, 98 Pauschalisierung-221 Performance-43 persönliche Angriffe-245 Persönlichkeit-18 Persönlichkeitstypen-117, 187 Perspektivwechsel-238, 249 Phasen einer Verhandlung-38, 212 Plan B-140 Portfolio-65 Portfoliotechniken-66 positive Gesprächsatmosphäre-116 Präsentation der Unternehmen-213 Präzisionssuggestion-228 Preisanalyse-77 Preisanker-59, 162f. Preisdiskussion-243 Preiskrieg-90 Preis-Leistungs-Verhältnis-87, 89, 249 Preislimit-242 Preisnachlässe-45, 55f. preisneutrale Zugeständnisse-168 preisrelevante Zugeständnisse-168 Preisverhandlung-68, 162, 248 Pressemitteilungen-48 Prestigedenken-87 Produktkalkulation-97 Produktkomplexität-74, 82 Produktmerkmale-89 Produktnutzen-86 Professionalisierung des Einkaufs-55 Profiling-205 Prompt-190, 193, 196, 204 Protokollführer-154 provozierende Frage-219 psychologische Elemente-149 Qualität-43, 86, 93, 96 Quidproquo-169 Rabatte-244, 248 Rahmenbedingungen-39 Ranghöchster-151 Rapport-107, 207 Referenz-98 Referenzargument-98 Referenzen-43, 98 Referenzpreis-163 Reklamation-87, 244 Respekt-34, 216 Rhetorik-33, 36, 130 rhetorische Elemente-149 rhetorische Frage-218 Risiko-36, 63, 66, 78 Rituale-132 Rohstoffkosten-97 Rohstoffpreis-43 Rollen-149, 151 Rückhalt-244 Sachargumente-105 Sachebene-116 sachlicher Einwand-221 Sacrificial Targets-60 Scheinargument-221 schlagkräftige Argumente-89 Schwächen der Wettbewerber-95 Schwurtaktik-231 Selbstachtung-121, 124 Selbstbewusstsein-245 Sicherheit-97, 121, 123 Sicherheitsstreben-87 Sitzordnung-156 Smalltalk-127, 209, 213 souveränes Auftreten-240 Souveränität-38, 242 Register 259 <?page no="260"?> soziale Anerkennung-121 Später-Technik-225 Spiel der Argumente-97 Stärke-240 Stärken/ Schwächen Ihrer Argumente-99 Startpreis-162 Stil-18, 28f., 245 Stille-220 Stimme-127f. Strategie-18, 25, 30, 35, 37, 137 Strategieweg-144f. strategische Lieferanten-76 strategische Partnerschaft-77 strategische Wettbewerbsvorteile-166 Stress-242 Suggestivfrage-219 Superexperte-232 Sympathie-34, 216 Szenarioanalyse-208 Taktik-18, 28, 30, 37, 137, 147 Taktikbaukasten-38, 148f. taktische Baukasten-147 taktisches Ziel-58 Tauschobjekte-60 Team-46 Teamentscheidungen-46 Teammitglieder-151 Technik-87 Technik des Differenzpreises-248 Techniker-46 technische Änderung-45 technische Details-89 Technologieführer-90 Teilnehmer-18, 23, 29f., 149f. teure Zugeständnisse-242 Themen eingrenzen und ausgrenzen-235 TikTok-49 Timing bei Preisverhandlungen-162 Tipps und Tricks-215 Ton und die Diktion-89 Trainer-207 Tricks-149, 172, 214 Überzeugung-251 Ultimaten-240 Ultimatum-243 Umsatz-43 Umsatzmaximum-88 Unerfahrenheit-245 unfaire Manöver-246 ungerechtfertigte Reklamationen-244 unkritische Lieferanten-74 Unsicherheit-245 unterbrechen-151 USP-90 Value Proposition-90 Value Selling-86 verbale Signale-113 verdeckte Botschaften-115 Vergleichsangebote-21 Verhalten in kritischen Situationen-215 Verhandlung-17f. Verhandlungseinstieg-213 Verhandlungsergebnis-214 Verhandlungsführer-24, 151, 153, 159, 213 Verhandlungsmasse-37, 51, 62, 98, 143 Verhandlungspausen-151 Verhandlungsposition-50 Verhandlungsprotokoll-214 Verhandlungsspielraum-55, 60, 140 Verhandlungsstil-149 260 Register <?page no="261"?> Verhandlungsstrategie-25, 82, 139f. Verhandlungstaktik-107, 139 Verhandlungsteam-47, 152 Verhandlungsvorbereitung-39 Verhandlungsziele-35, 51 Verkäufermotiv-88 Verkaufsmotive-85 Verlust-Ausgleichs-Technik-223 Verpflegung-155 Verschleierungstaktik-137 Versorgungsengpässe-76 Versorgungsrisiko-36, 76 Verständnisfragen-116 Verständnistechnik-226 Vertagen-151, 246 Vertragsanalyse-202 Vertrauen-121, 123 Vertriebsmanagement-48 Verunsicherung-37, 108 Vorbereitungsgespräch-152 Vorgaben-98 Vorwand-221 Wellenlänge-37, 105ff., 116, 133 Wenn nicht …, dann …: Umgang mit Drohungen-238 Werksrundgang-156 wertanalytische Workshops-77 Wertargumente-168 Werteversprechen-90 Wettbewerb-73, 82, 92, 97 Wettbewerber-43 Wettbewerbsanalyse-21f. Wettbewerbsargument-97 Wettbewerbsvergleich-94 Wettbewerbsvorteil-90 Wettbewerbsvorteilsmatrix-95, 165 Wiederholtechnik-238 Wind aus den Segeln nehmen-223 win-win-37, 89, 142 Win-Win-Ergebnis-27 Win-win-Situation-139, 171 Wirkung-127 wirtschaftliche Situation-39 Worthülsen-220 Wunschziel-20 X-49 Zahlungskonditionen-250 Zeit-29 Zeitdruck-72, 82, 242 zeitlicher Rahmen-149, 213 Zeitpunkt-159 Zeitrahmen-159 Zero-Shot-Prompting-196 Ziele-18, 20f., 30 Zielkonflikte-35, 56 Zielpreis-241f. Zielpreisvorwand-241 Zielsystem-52 Zugeständnisse-163, 169 Zusammenfasser-154 zusätzlicher Nutzen-93 Zuverlässigkeit-43, 86 Zwang-34 Register 261 <?page no="262"?> Abbildungsverzeichnis Abb. 1: Verhandlungsrahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 Abb. 2: Mögliche Verhandlungsergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . 26 Abb. 3: Druck aus der Supply Chain . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 Abb. 4: Die EVEREST-Methode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 Abb. 5: Informationsbeschaffung und Analyse der Verhandlungspartner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 Abb. 6: Buying Center - typische Rollen . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 Abb. 7: Beispiel zur Hebelwirkung des Einkaufs . . . . . . . . . . . 53 Abb. 8: Formel zur Berechnung der Gewinnsteigerung durch den Einkauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 Abb. 9: Strategische Ansätze und Zielkonflikte . . . . . . . . . . . 56 Abb. 10: Das Machtportfoliofür den Vertrieb . . . . . . . . . . . . . . 67 Abb. 11: Kundenwertportfolio . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 Abb. 12: ABC-Versorgungsrisikoportfolio . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 Abb. 13: Machtwaage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 Abb. 14: Beispiel einer Wettbewerbsvorteilsmatrix . . . . . . . . . 95 Abb. 15: Auf den Verhandlungspartner „einschwingen“ . . . . . 106 Abb. 16: Den Verhandlungspartner verunsichern . . . . . . . . . . . 108 Abb. 17: „Augenhöhe“ zum Verhandlungspartner herstellen . 108 Abb. 18: Beispiele für verdeckte Botschaften . . . . . . . . . . . . . . . 115 Abb. 19: Menschliche Triebfedern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 Abb. 20: Merkmale des Auftretens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 Abb. 21: Normstrategien für Verhandlungen . . . . . . . . . . . . . . . 141 Abb. 22: Taktikbaukasten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 Abb. 23: Wettbewerbsvorteilsmatrix . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 Abb. 24: Planen von Zugeständnissen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 Abb. 25: Wahl des Verhandlungsmediums (Medienreichhaltigkeit) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 Abb. 26: Phasen einer Verhandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 <?page no="263"?> Tabellenverzeichnis Tab. 1: Hartes und weiches Verhandeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 Tab. 2: Gewinnsteigerung des Einkaufs bei 1 Million Euro Umsatz, 60-Prozent Material- und Beschaffungskosten und 5-Prozent Gewinn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 Tab. 3: Zusammenhang zwischen Preisnachlass, Zusatzmenge und Deckungsbeitrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 Tab. 4: Beispiele für mögliche Risiken der Geschäftspartner . . . 79 Tab. 5: Menschen lesen - nonverbale Signale . . . . . . . . . . . . . . . 110 Tab. 6: Menschen lesen - verbale Signale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 Tab. 7: Zusammenhang zwischen Preis und Menge . . . . . . . . . . 169 Tab. 8: Beispiel Konzessionsliste . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 <?page no="264"?> ISBN 978-3-381-1237 1-1 Mithilfe von Strategie, Taktik und Psychologie richtig verhandeln Die Everest-Methode® von Jörg Pfützenreuter und Thomas D. Veitengruber ist bei Konzernen und Mittelständlern gefragt. Seit Jahren coachen sie Ein- und Verkäufer: innen gleichermaßen und lassen die eine Seite in die Karten der anderen schauen. Denn am Ende entscheidet die strategische, taktische und psychologische Ra„inesse, wer als Sieger: in vom Verhandlungstisch aufsteht. Neu: Diese Auflage verrät, wie Sie Online-Verhandlungen erfolgreich führen und wie Sie künstliche Intelligenz als Assistenz einsetzen können. Ein Buch für alle, die im Einkauf oder Vertrieb arbeiten und ihr Verhandlungsgeschick um den alles entscheidenden Gipfelmeter voranbringen wollen. Es eignet sich auch für Studierende der Betriebswirtschaftslehre. Thomas D. Veitengruber ist Diplom-Wirtschaftsingenieur sowie selbständiger Trainer, Unternehmensberater und Autor. Gemeinsam leiten sie die VerhandlungsWerkstatt. Jörg Pfützenreuter ist Diplom-Ingenieur, Diplom-Kaufmann sowie selbständiger Trainer, Coach und Autor.