Forschende Fachdidaktik IV
Sprachenlernen im Kontext gesellschaftlicher Transformation
0729
2024
978-3-3811-2472-5
978-3-3811-2471-8
Gunter Narr Verlag
Daniela Unger-Ullmann
Christian Hofer
10.24053/9783381124725
In diesem Band greifen Forschende, die zum Teil selbst langjährig in der universitären Sprachenlehre tätig sind, relevante Forschungsthemen aus dem Sprachunterricht auf und bearbeiten diese im Rahmen fachdidaktischer Forschungsprojekte. Die beschriebenen Projektergebnisse werden nachhaltig in die Sprachenlehre integriert, um Qualitätsentwicklung zu gewährleisten, Kompetenzerweiterung der Lehrenden zu fördern und aktuelle bildungswissenschaftliche Themen, die aus gesellschaftlichen Transformationsprozessen resultieren, in den praxisrelevanten Kontext zu übertragen. Diesem ganzheitlich integrativen Forschungspostulat folgen vorliegende fachdidaktische Forschungsergebnisse nicht nur, sondern verdeutlichen darüber hinaus Konsequenzen für die fachdidaktische Bildungskultur, die sich etwa aus der Corona-Krise oder aus veränderten Zielgruppen universitärer Sprachkurse ergeben haben.
<?page no="0"?> Forschende Fachdidaktik IV Daniela Unger-Ullmann / Christian Hofer (Hrsg.) Sprachenlernen im Kontext gesellschaftlicher Transformation <?page no="1"?> Forschende Fachdidaktik IV <?page no="3"?> Daniela Unger-Ullmann / Christian Hofer (Hrsg.) Forschende Fachdidaktik IV Sprachenlernen im Kontext gesellschaftlicher Transformation <?page no="4"?> Diese Publikation wurde unterstützt durch: DOI: https: / / doi.org/ 10.24053/ 9783381124725 © 2024 · Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5 · D-72070 Tübingen Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Überset‐ zungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Alle Informationen in diesem Buch wurden mit großer Sorgfalt erstellt. 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Internet: www.narr.de eMail: info@narr.de CPI books GmbH, Leck ISBN 978-3-381-12471-8 (Print) ISBN 978-3-381-12472-5 (ePDF) ISBN 978-3-381-12473-2 (ePub) Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http: / / dnb.dnb.de abrufbar. www.fsc.org MIX Papier aus verantwortungsvollen Quellen FSC ® C083411 ® <?page no="5"?> 7 11 39 63 97 131 151 227 283 Inhalt Daniela Unger-Ullmann, Christian Hofer Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Daniela Unger-Ullmann Angebotsentwicklung und Zielgruppenorientierung in Vorbereitenden Sprachkursen der Universität Graz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Christian Hofer Die Integration fachdidaktischer Projektergebnisse in den Sprachunterricht - Achtsamkeit als Lehrkompetenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Serena Comoglio Führung im virtuellen und interkulturellen Kontext - Chancen und Herausforderungen für universitäre Sprachenzentren in Österreich . . . . . Beatrice Maierhofer Auswirkungen von Social Media auf den Sprachunterricht und das Sprachenlernen bei treffpunkt sprachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Teresa Eibl-Steiner Implementierung digitaler Tools in die universitäre PräsenzSprachenLehre. H5P-Elemente und Aktivitäten der Lernplattform Moodle . . . . . . . . . . . . . . Stefanie Faustmann Kultur- und Wertevermittlung im universitären DaF-Unterricht - empirische Untersuchungen mit Sprachlehrenden und -lernenden der Universität Graz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sarah Bindar Intergenerationelles Sprachenlernen. Herausforderungen und Chancen in intergenerationellen Sprachkursen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sarah Jud Übung macht den Meister? Fremdsprachenlernerfahrung und Mehrsprachigkeit als Lernstrategie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . <?page no="6"?> 305 349 393 Antonia Gösweiner Erstsprachspezifische Grammatikvermittlung im DaF-Unterricht - Leitfadenkonzept für DaF-Lehrende mit Fokus auf den Sprachen Arabisch, Persisch, Türkisch und Ukrainisch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Yael Rosenmann ‘Mid-Country’ Crisis: Adult Immigrants’ Trajectory to Third Language Proficiency . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Autor: innen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 Inhalt <?page no="7"?> Vorwort Daniela Unger-Ullmann, Christian Hofer Der Forschungsbereich Fachdidaktik am treffpunkt sprachen - Zentrum für Sprache, Plurilingualismus und Fachdidaktik setzt sich mit konkreten Pro‐ blemstellungen und aktuellen Entwicklungen der universitären Sprachenlehre auseinander. Das wissenschaftliche Fundament stellen dabei aktions- und hand‐ lungsforschende Zugänge dar. Forschende, die zum Teil selbst langjährig in der Sprachenlehre tätig sind, greifen relevante Forschungsthemen aus dem Sprach‐ unterricht auf und bearbeiten diese im Rahmen fachdidaktischer Forschungs‐ projekte. Die Ergebnisse werden nachhaltig in die Sprachenlehre integriert, um Qualitätsentwicklung zu gewährleisten, Kompetenzerweiterung der Lehrenden zu fördern und aktuelle bildungswissenschaftliche Themen, die aus gesellschaft‐ lichen Transformationsprozessen resultieren, in den praxisrelevanten Kontext zu übertragen. Diesem ganzheitlich integrativen Forschungspostulat folgen vorliegende fachdidaktische Forschungsergebnisse nicht nur, sondern verdeut‐ lichen darüber hinaus Konsequenzen für die fachdidaktische Bildungskultur, die sich etwa aus der Corona-Krise oder aus veränderten Zielgruppen universitärer Sprachkurse ergeben haben. Daniela Unger-Ullmann greift in ihrem einführenden Beitrag Angebots‐ entwicklung und Zielgruppenorientierung in Vorbereitenden Sprach‐ kursen der Universität Graz Aspekte der Veränderung und Transformation auf und bespricht auf Überblick schaffende und detaillierte Weise zugleich die Entwicklung des universitären Sprachenangebots der letzten Jahre. Sie bezieht sich dabei auf statistische Daten, die über mehrere Studienjahre hinweg gesammelt und dokumentiert wurden. Von diesen Forschungs- und Evaluie‐ rungsergebnissen abgeleitet, bietet die Autorin Handlungsempfehlungen an und diskutiert längerfristige Maßnahmen, um Sprachenlehre weiterhin und langfristig im hochschulischen Kontext zu positionieren. Im Beitrag Die Integration fachdidaktischer Forschungsergebnisse in den Sprachunterricht - Achtsamkeit als Lehrkompetenz nimmt Christian Hofer auf andere Weise Stellung zu Veränderungen in der universitären Spra‐ <?page no="8"?> chenlehre, nämlich, indem er bereits abgeschlossene Forschungsprojekte des treffpunkt sprachen und deren Niederschlag in der konkreten Sprachlehrpraxis reflektiert. Er wagt den Blick zurück und stellt dar, in welcher Hinsicht es durch die Integration fachdidaktischer Projektergebnisse zur Erweiterung seiner Lehr‐ kompetenzen gekommen ist. Theoretische Basis seiner Ausführungen sind zum einen das fachdidaktische Dreieck Lehren - Forschen - Beraten, zum anderen das Konzept der Achtsamkeit als Lehrkompetenz. Der Beitrag von Serena Comoglio trägt den Titel Führung im virtuellen und interkulturellen Kontext - Chancen und Herausforderungen für universitäre Sprachenzentren in Österreich. Dieser ist vor allem für all jene interessant, die eine aktuelle und tiefergehende Analyse der Mehrdimensiona‐ lität von Virtualität im Kontext interkultureller Führung und Sprachvermittlung suchen. Die Autorin stellt den Einfluss virtueller Kommunikation auf den Führungsprozess in theoretischer und praktischer Hinsicht zur Diskussion. Im Zentrum ihrer Forschungsbemühungen steht die Frage, inwieweit virtuelle Kommunikation bei der pandemiebedingten Umstellung auf Fernlehre als Herausforderung empfunden wurde. Sie präsentiert die Ergebnisse leitfaden‐ gestützter Interviews, die sie mit Leiter: innen universitärer Sprachenzentren geführt hat und bindet aktuelle Forschungsliteratur mit ein. In Auswirkungen von Social Media auf den Sprachunterricht und das Sprachenlernen bei treffpunkt sprachen untersucht Beatrice Maierhofer, auf welche Weise Social Media den universitären Sprachunterricht beeinflusst hat und vor allem, inwiefern sowohl Lehrende als auch Lernende davon profitieren können. Die präsentierten Forschungsergebnisse basieren auf einer umfassenden Datenerhebung, die im Wintersemester 2020/ 2021 durchgeführt wurde. Es werden vor allem Möglichkeiten und Potentiale des Einsatzes von Social Media dargestellt und relevante Social-Media-Plattformen und Kommu‐ nikationstools besprochen. Die Autorin zeigt eindrucksvoll auf, in welcher Hinsicht mediengestützter Sprachunterricht sinnvoll und nachhaltig durchge‐ führt werden kann. Um digitale Kompetenzen, die sich aus der coronabedingten Fernlehre er‐ geben haben, geht es auch im praktisch und methodisch orientierten Beitrag Implementierung digitaler Tools in die universitäre PräsenzSprachen‐ Lehre. H5P-Elemente und Aktivitäten der Lernplattform Moodle von Teresa Eibl-Steiner. Primäres Ziel der Autorin, welche selbst als Lehrende tätig ist, ist es, zuvor erworbene Medienkompetenzen weiterhin zu nutzen. Als konkretes Ergebnis ihres fachdidaktischen Forschungsprojekts bietet Teresa Eibl-Steiner ein umfassendes Teacher Manual mit kompetenzübergreifenden 8 Daniela Unger-Ullmann, Christian Hofer <?page no="9"?> Online-Tools an, die auf vielfältige Weise für die Sprachenlehre eingesetzt werden können. Seit den enormen Flüchtlingsbewegungen nach Österreich in den letzten Jahren rückt neben dem Erwerb von Sprachkenntnissen auch die Vermittlung von gesellschaftlichen Werten in den Vordergrund. In ihrem Beitrag Kultur- und Wertevermittlung im universitären DaF-Unterricht - empirische Untersuchungen mit Sprachlehrenden und -lernenden der Universität Graz geht Stefanie Faustmann auf diese Thematik in einem fachdidaktischen Zusammenhang ein. Sie untersucht, inwieweit Werte in DaF-Kursen am treff‐ punkt sprachen bereits vermittelt werden und auf welche Weise diese Werte im fremdsprachigen Deutschunterricht thematisiert werden können. Theoretische Basis ihrer Untersuchungen sind sowohl Definitionen und Beschreibungen des Wertbegriffs im historischen, sozialen und kulturellen Kontext als auch etablierte Modelle der Kultur- und Wertevermittlung. In praktischer Hinsicht beziehen sich ihre Analysen auf die Ergebnisse von Fragebögen und auf konkrete Unterrichtshospitationen. Der Beitrag Intergenerationelles Sprachenlernen. Herausforderungen und Chancen in intergenerationellen Sprachkursen von Sarah Bindar beschäftigt sich mit den Bereichen der Alters- und Generationsunterschiede zwischen Sprachenlernenden. Sprachlehrveranstaltungen sind häufig von He‐ terogenität geprägt. Zudem können Altersgruppen innerhalb einer Sprachlern‐ gruppe stark divergieren. Die Autorin geht der Forschungsfrage nach, wie inter‐ generationelle Lehr- und Lernprozesse erfolgreich und effektiv gestaltet werden können. Dafür analysiert sie Ergebnisse zahlreicher Lehrendeninterviews und bietet methodisch-didaktische Konzepte an, um mit altersheterogenen Sprach‐ lerngruppen innovativ umgehen zu können. Auch Sarah Jud setzt sich in ihrem Beitrag Übung macht den Meister? Fremdsprachenlernerfahrung und Mehrsprachigkeit als Lernstrategie mit Veränderungsprozessen, die das Sprachenlernen beeinflussen, auseinander. Durch die erhöhte Mobilität, die Globalisierung und fortschreitenden Techno‐ logien sind Menschen häufig von mehreren Sprachen umgeben. Die Autorin stellt diesen Sachverhalt in einen fachdidaktischen Rahmen und thematisiert dabei das Multiple Sprachenlernen sowie die Mehrsprachigkeitsdidaktik. Sie beschäftigt sich mit der Fragestellung, ob und inwiefern sich Sprachenlernende auf ihr sprachenspezifisches Vorwissen beziehen, um so den Sprachlernprozess bewusster steuern und erfolgreicher gestalten zu können. Im Beitrag Erstsprachspezifische Grammatikvermittlung im DaF-Un‐ terricht - Leitfadenkonzept für DaF-Lehrende mit Fokus auf den Spra‐ chen Arabisch, Persisch, Türkisch und Ukrainisch ist es Antonia Gös‐ Vorwort 9 <?page no="10"?> weiners Bestreben, Zweitsprachenlernende mit verschiedenen sprachlichen Hintergründen zu unterstützen. Zudem sollen DaF-Lehrende konkrete Impulse erhalten, um Zweitsprachendidaktik kompetent in konkrete Unterrichtssitua‐ tionen integrieren zu können. Im Zentrum ihres Projekts stehen dabei die Sprachen Arabisch, Persisch, Türkisch und Ukrainisch. Auf der methodischen Ebene zieht die Autorin qualitative Interviews heran. Die Auswertungsergeb‐ nisse und Forschungserkenntnisse werden durch konkrete Beispiele aus den gewählten Sprachen untermauert. In ihrem Beitrag ‘Mid-Country’ Crisis: Adult Immigrants’ Trajectory to Third Language Proficiency geht Yael Rosenmann auf das aktuelle Thema Drittsprachenerwerb ein. In den letzten Jahrzehnten hat dieser Themenbereich aufgrund von Einwanderungswellen zunehmend an Bedeutung gewonnen. Nach der Ankunft am Zielort sehen sich Erwachsene oft mit großen Herausfor‐ derungen konfrontiert, insbesondere, was das Erlernen einer neuen Sprache betrifft. Die Autorin bietet zu dieser Problematik einen umfassenden Überblick. Sie bezieht sich auf neue Studien und zeigt unter anderem auf, inwiefern die Sprachbeherrschung die Basis einer gelungenen Integration darstellt und mit welchen anderen Faktoren diese korreliert. Sie schafft damit ein breiteres Bewusstsein für Sprachlehrende, die mit Migrant: innen arbeiten, und bietet wertvolle didaktische Impulse für eine gelungene Inklusion. Die Herausgeber: innen danken den Autor: innen für ihre eingereichten Bei‐ träge und dem Verlag für seine Bereitschaft, den vierten Band zur Forschenden Fachdidaktik zu publizieren. Besonderer Dank gilt den Lektorinnen Andrea Kraus und Lisa Wurzinger für ihre wertvolle Unterstützung beim Korrigieren und Formatieren der Texte. 10 Daniela Unger-Ullmann, Christian Hofer <?page no="11"?> Angebotsentwicklung und Zielgruppenorientierung in Vorbereitenden Sprachkursen der Universität Graz Daniela Unger-Ullmann Seit dem Studienjahr 2008/ 09 werden bei treffpunkt sprachen - Zentrum für Sprache, Plurilingualismus und Fachdidaktik der Universität Graz Vorberei‐ tende Sprachkurse für Studierende der Romanistik, Slawistik und des Instituts für Theoretische und Angewandte Translationswissenschaft (ITAT) ange‐ boten. In den vergangenen Jahren unterlag das Kursangebot großen Verände‐ rungen und wurde immer wieder adaptiert. Der folgende Beitrag beschäftigt sich mit diesen Veränderungen und stellt die Entwicklung des Kursangebots, der -auslastung sowie der Teilnehmer: innenzahlen und -zusammensetzung dar. Mögliche Gründe für die stark rückläufigen Teilnehmer: innenzahlen, die eine Kürzung des Sprachkursangebots zur Folge haben, werden anhand von statistischen Daten analysiert sowie Handlungsempfehlungen und längerfris‐ tige Maßnahmen ausgesprochen, welche im Hinblick auf eine Fortsetzung des Kursprogramms von Bedeutung sein könnten. Was sind Vorbereitende Sprachkurse? Vorbereitende Sprachkurse bereiten Studierende der Romanistik, Slawistik und des Instituts für Theoretische und Angewandte Translationswissenschaft (ITAT) gezielt auf die Sprachausbildung ihres regulären Sprachenstudiums vor. Die Kurse sind sowohl fachlich als auch pädagogisch-didaktisch hochwertig, orientieren sich an europäischen Standards (vgl. Council of Europe/ Europarat: Gemeinsamer Europäischer Referenzrahmen für Sprachen/ GER) und vermitteln den Studierenden fundierte Sprachkenntnisse für ihr Studium. Mit dem Angebot der Vorbereitenden Sprachkurse wurde der Anspruch erhoben, den Interessen und Zielsetzungen unterschiedlicher Institute entgegenzukommen und diese mit den Wünschen der Studierenden in Einklang zu bringen. <?page no="12"?> Die Aufnahme der Vorbereitenden Sprachkurse in das Lehrangebot des Zentrums für Sprache, Plurilingualismus und Fachdidaktik war der Tatsache geschuldet, dass sich die ursprünglich an den jeweiligen Instituten angesiedelten Sprachkurse aus Teilnehmer: innen zusammensetzten, welche zwar kostenlos in die Sprache „hineinschnuppern“, aber diese nicht studieren wollten. Aufgrund von Überbuchungen lag der Wunsch der Philologien nahe, ihre Grundstufen‐ kurse in den Sprachen Arabisch, Bosnisch/ Kroatisch/ Serbisch (B/ K/ S), Fran‐ zösisch, Italienisch, Österreichische Gebärdensprache (ÖGS), Russisch, Slowe‐ nisch, Spanisch, Türkisch und Ungarisch am Sprachenzentrum der Universität anzusiedeln, um zum einen die Teilnehmer: innenzahlen durch zu bezahlende Kursbeiträge überschaubar zu halten und zum anderen die Finanzierung des Sprachkursprogramms gewährleisten zu können. In diesem Zusammenhang sollte nicht unerwähnt bleiben, dass es sich bei diesem Kursangebot um au‐ ßercurriculare Lehrveranstaltungen handelt, welche von treffpunkt sprachen kostenpflichtig angeboten werden dürfen. Den Philologien sind aufgrund ihrer curricularen Lehrverpflichtungen insofern die Hände gebunden, als sie keine Möglichkeit haben, ihr Lehrveranstaltungsangebot über Kurseinnahmen zu finanzieren. Wer zählt zur Zielgruppe der Vorbereitenden Sprachkurse? Im Hinblick auf die Zielgruppenorientierung der Vorbereitenden Sprachkurse stellen sich zunächst folgende Fragen: An welche Personen richtet sich das fachspezifische Kursangebot? Welche Aufnahmekriterien gilt es zu Beginn des Studiums zu beachten? Über welche Sprachkompetenzen sollen angehende Sprachenstudierende bereits verfügen? Mit welchen Herausforderungen sehen sich Studierende konfrontiert, wenn sie den Anforderungen nicht entsprechen? Bezüglich dieser Fragestellungen ist es von Bedeutung, sich das Zielgruppen‐ profil genauer anzusehen. Zielgruppenorientierung Zu den Teilnehmer: innen der Vorbereitenden Sprachkurse zählen Studierende der Romanistik, Slawistik und des ITAT. Um ein Sprachenstudium an der Geis‐ teswissenschaftlichen Fakultät beginnen zu können, müssen angehende Spra‐ chenstudierende ein im Curriculum festgesetztes Sprachniveau nachweisen. Für Studierende, die das eingeforderte Eingangssprachniveau nicht erfüllen und für jene Sprachen, die in den Schulen nicht unterrichtet werden, bietet treffpunkt sprachen spezielle Vorbereitende Sprachkurse an. Diese Kurse sind 12 Daniela Unger-Ullmann <?page no="13"?> auf die Erfordernisse des weiteren Studiums abgestimmt und werden zu 2/ 3 von der GEWI-Fakultät und zu 1/ 3 über Kursbeiträge finanziert. Die Vorbereitenden Sprachkurse können als Freie Wahlfächer angerechnet werden und sind für Studierende folgender Studienrichtungen zugänglich: Lehramtsstudium inkl. Angabe der Studienkennzahl: Bos‐ nisch/ Kroatisch/ Serbisch (190 365 und 198 403); Französisch (190 347 und 198 409); Italienisch (190 350 und 198 417); Russisch (190 362 und 198 426); Slowenisch (190 368 und 198 428); Spanisch (190 353 und 198 429). Erweiterungsstudium Lehramt inkl. Angabe der Studienkennzahl: Bosnisch/ Kroatisch/ Serbisch (054 403); Französisch (054 409); Italienisch (054 417); Russisch (054 426); Slowenisch (054 428); Spanisch (054 429). Bachelorstudium inkl. Angabe der Studienkennzahl: Bosnisch/ Kroa‐ tisch/ Serbisch (033 651); Deutsch und Transkulturelle Kommunikation (033 605); Romanistik Französisch (033 647); Romanistik Italienisch (033 648); Romanistik Spanisch (033 649); Russisch (033 652); Slowenisch (033 659); Slawische Sprachen, Literaturen und Kulturen (033 650); Transkultu‐ relle Kommunikation Arabisch (032 385); Transkulturelle Kommunikation Bosnisch/ Kroatisch/ Serbisch (032 363); Transkulturelle Kommunikation Französisch (032 345); Transkulturelle Kommunikation Italienisch (032 348); Transkulturelle Kommunikation Österreichische Gebärdensprache (032 480); Transkulturelle Kommunikation Russisch (032 360); Transkul‐ turelle Kommunikation Slowenisch (032 366); Transkulturelle Kommuni‐ kation Spanisch (032 351); Transkulturelle Kommunikation Türkisch (032 386); Transkulturelle Kommunikation Ungarisch (032 381). Erweiterungsstudium inkl. Angabe der Studienkennzahl: Trans‐ kulturelle Kommunikation - 3. Fremdsprache: Arabisch, Bosnisch/ Kroa‐ tisch/ Serbisch, Französisch, Italienisch, Österreichische Gebärdensprache, Russisch, Slowenisch, Spanisch, Türkisch (045 004 323). (vgl. GEWI-Dekanat 2023) Geht man von der klar definierten Zielgruppe der Vorbereitenden Sprachkurse aus, so liegt die Vermutung nahe, dass ein Grundinteresse am Sprachenlernen von Seiten der geisteswissenschaftlichen Teilnehmer: innen besteht. Die Mess‐ latte der Anforderungen lässt sich bei ihnen aufgrund der sprachlichen Vorer‐ fahrungen durchaus höher legen, zumal vielen die elementaren Fertigkeiten (Hören, Lesen, Schreiben, Sprechen) durch ihre Schulausbildung und ihr per‐ sönliches Interesse an Sprachen vertraut sind. Angebotsentwicklung und Zielgruppenorientierung in Vorbereitenden Sprachkursen 13 <?page no="14"?> Aufnahmekriterien und Nachweis von Sprachkompetenzen Dass die sprachliche Ausbildung an den Schulen nicht immer den universitären Anforderungen und Erwartungen entspricht, zeigt sich anhand des Einstufungs‐ verfahrens, dem sich Studierende zu Beginn ihres Studiums zu unterziehen haben. Um das für ein reguläres Sprachenstudium eingeforderte Sprachniveau nachweisen zu können, müssen angehende Sprachenstudierende einen Einstu‐ fungstest an den betreffenden Instituten absolvieren. Dieser findet jeweils zu Semesterbeginn statt. Anhand der Einstufungsergebnisse wird festgestellt, ob Romanistik-, Slawistik- oder ITAT-Studierende über das erforderliche Sprach‐ niveau verfügen und gleich mit der Sprachausbildung am Institut beginnen können oder ob ihnen empfohlen wird, einen Vorbereitenden Sprachkurs am treffpunkt sprachen zu belegen. Die für das reguläre Studium erforderlichen Sprachniveaus unterscheiden sich je nach Institut deutlich: Romanistik: Für die Zulassung zu den Sprachkursen des Studiums sind Vorkenntnisse auf Niveau A2 erforderlich. Anerkannte Nachweise, die das Sprachenniveau A2 bestätigen und einen direkten Zugang zu den Sprachkursen des Studiums ermöglichen, sind: • Diplom Französisch: DELF (ab Niveau A2, nicht älter als zwei Jahre), • Diplome Italienisch: CELI (Università di Perugia), CILS (Università di Siena), ROMA 3 (Università La Sapienza di Roma 3), PLIDA (Dante Alighieri e Università La Sapienza di Roma) (jeweils ab Niveau A2, nicht älter als zwei Jahre), • Diplom Spanisch: DELE (ab Niveau B1, nicht älter als zwei Jahre). • (vgl. Institut für Romanistik 2023a) Slawistik: Für die Zulassung zu den Sprachkursen des Studiums sind Vorkennt‐ nisse auf Niveau A1 erforderlich (vgl. Institut für Slawistik 2023). ITAT: Für die Zulassung zu den Sprachkursen des Studiums sind Vorkenntnisse auf Niveau A2 bzw. B2 (für Deutsch als Fremdsprache und Englisch) erforderlich (vgl. Institut für Theoretische und Angewandte Translationswissenschaft/ ITAT 2023). Herausforderungen und Probleme Wie bereits erwähnt, haben Studierende bei Nicht-Bestehen des Einstufungs‐ tests die Möglichkeit, einen Vorbereitenden Sprachkurs am treffpunkt spra‐ chen zu absolvieren. Die Enttäuschung, das erforderliche Niveau im Zuge des Aufnahmeverfahrens nicht vorgewiesen zu haben, ist erfahrungsgemäß groß, 14 Daniela Unger-Ullmann <?page no="15"?> sodass sie sich letztlich gegen ein reguläres Sprachenstudium entscheiden. Das Gefühl, mit dem Besuch eines Vorbereitenden Sprachkurses zu viel Zeit zu verlieren und mit den Studienkolleg: innen, die den Einstufungstest erfolgreich absolviert haben, nicht mithalten zu können, verstärkt sich insofern, als die Kurse, je nach Einstufung, bis zu einem Studienjahr dauern können. Vorbereitende Sprachkurse gestalten sich als sehr zeitintensiv und bieten wenig Raum für den Besuch von Lehrveranstaltungen, die im regulären Studium vorgesehen sind. Ein weiterer Grund für das Aufgeben des Studienvorhabens ist die Entrich‐ tung von Kursbeiträgen, die sich je nach Stundenausmaß auf bis zu € 240,-pro Semester belaufen. So verwundert es nicht, dass sich die Österreichische Hochschülerschaft (ÖH) schon zu Beginn der Aufnahme der Vorbereitenden Sprachkurse in das Kursprogramm von treffpunkt sprachen dafür ausgesprochen hatte, diese Lehrveranstaltungen kostenlos anzubieten. Anfangs wurde dem Wunsch mit einem Refundierungsmodell Rechnung getragen, wonach den Teilnehmer: innen der Vorbereitenden Sprachkurse nach erfolgreicher Absolvie‐ rung des Kurses der Kursbeitrag abzüglich einer Organisationspauschale von € 5,-rückerstattet wurde. Die Refundierungsmöglichkeit sollte sich jedoch nach eingehenden Evaluierungsphasen als obsolet herausstellen, zumal sich nur ein Bruchteil der Studierenden um eine Refundierung bemüht hatte. Letztlich wurde das Modell im Wintersemester 2012/ 13 für beendet erklärt, worauf sich treffpunkt sprachen erneut mit der Kritik seitens der ÖH konfrontiert sah, die Sprachkurse wären für Studierende unerschwinglich und würden für den Studienbeginn eine große Hürde darstellen. Dass man die Einwände der ÖH hätte ernst nehmen müssen, zeigt die Ent‐ wicklung des Kursangebots, der -auslastung sowie der Teilnehmer: innenzahlen, die im Folgenden dargelegt und kommentiert wird. Entwicklung des Kursangebots Die bereits erwähnte Eingliederung der Vorbereitenden Sprachkurse für Studie‐ rende der Romanistik, Slawistik und des ITAT erfolgte im Studienjahr 2008/ 09. Im Laufe der Jahre unterlag die Anzahl der angebotenen Grundstufenkurse (Niveau A1 & A2) unterschiedlichen Schwankungen und reichte von neun bis 25 angebotenen Kursen pro Studienjahr: Angebotsentwicklung und Zielgruppenorientierung in Vorbereitenden Sprachkursen 15 <?page no="16"?> - Romanistik Sla‐ wistik ITAT Slawistik/ ITAT Romanistik/ ITAT Ge‐ samt Studienjahr 2008/ 09 15 3 5 2 - 25 Studienjahr 2009/ 10 13 2 5 2 - 22 Studienjahr 2010/ 11 10 3 3 3 - 19 Studienjahr 2011/ 12 6 - 1 5 4 16 Studienjahr 2012/ 13 1 - 0 4 4 9 Studienjahr 2013/ 14 3 - 1 4 2 10 Studienjahr 2014/ 15 3 - 1 5 2 11 Studienjahr 2015/ 16 2 - 1 3 3 9 Studienjahr 2016/ 17 2 - 1 3 3 9 Studienjahr 2017/ 18 3 - 9 4 3 19 Studienjahr 2018/ 19 2 - 6 2 3 13 Studienjahr 2019/ 20 2 - 7 2 2 13 Studienjahr 2020/ 21 1 - 6 4 2 13 Studienjahr 2021/ 22 1 - 6 2 4 13 Studienjahr 2022/ 23 1 - 6 3 3 13 Durchschnitt 4 3 4 3 3 14 Maximum 15 3 9 5 4 25 Minimum 1 2 0 2 2 9 Tabelle 1: Anzahl der Kurse (SJ 2008/ 09 bis SJ 2022/ 23) 16 Daniela Unger-Ullmann <?page no="17"?> Zu Beginn gestaltete sich das Kursprogramm als sehr kompakt: Aufgrund der großen Nachfrage konnten sowohl Intensivsprachkurse für Studierende der Romanistik (Niveau A1/ 1. + 2. Phase, 4 Semesterwochenstunden) als auch Semestersprachkurse für Studierende der Romanistik, Slawistik und des ITAT (Niveaustufen A1 bis A2, 4 bis 8 Semesterwochenstunden) angeboten werden. Im Wintersemester 2011/ 12 erfolgte die erste größere Umstellung des Kursan‐ gebots. Da sich die Nachfrage stark verringert hatte, wurde von Seiten der Philologien der Entschluss gefasst, die Kurse zusammenzulegen und sie für Studierende der Romanistik, Slawistik und des ITAT gemeinsam anzubieten. Ein Jahr später (WS 2012/ 13) mussten die Intensivkurse für Studierende der Romanistik wegen zu geringer Auslastung eingestellt werden. In den folgenden Jahren blieb das Kursangebot bis auf partielle Änderungen der Semesterwo‐ chenstunden weitgehend unverändert. Eine wesentliche Erweiterung erfuhr das Kursangebot im Wintersemester 2017/ 18. In Abstimmung mit dem ITAT wurden Vorbereitende Sprachkurse für die Sprachen Arabisch, ÖGS, Türkisch und Ungarisch in die Lehrplanung aufgenommen. Das Studienjahr 2022/ 23 weist insgesamt 13 Kurse auf und spiegelt die starke Reduktion des Kursangebots in den letzten 15 Jahren wider. Entwicklung der Teilnehmer: innenzahlen Mit der Anpassung des Kursangebots gehen auch die sinkenden Teilnehmer: in‐ nenzahlen einher. Von anfänglich insgesamt 391 Teilnehmer: innen (Studienjahr 2008/ 09) reduzierte sich die Anzahl der Teilnehmer: innen auf 83 (Studienjahr 2022/ 23): - Romanistik Sla‐ wistik ITAT Slawistik/ ITAT Romanistik/ ITAT Ge‐ samt Studienjahr 2008/ 09 153 53 162 23 - 391 Studienjahr 2009/ 10 135 36 138 39 - 348 Studienjahr 2010/ 11 132 63 81 47 - 323 Studienjahr 2011/ 12 85 - 19 103 112 319 Studienjahr 2012/ 13 14 - 0 72 86 172 Angebotsentwicklung und Zielgruppenorientierung in Vorbereitenden Sprachkursen 17 <?page no="18"?> Studienjahr 2013/ 14 52 - 22 86 40 200 Studienjahr 2014/ 15 41 - 28 87 36 192 Studienjahr 2015/ 16 36 - 30 59 29 154 Studienjahr 2016/ 17 24 - 29 49 28 130 Studienjahr 2017/ 18 47 - 135 33 45 260 Studienjahr 2018/ 19 20 - 79 25 37 161 Studienjahr 2019/ 20 16 - 51 17 18 102 Studienjahr 2020/ 21 11 - 54 26 28 119 Studienjahr 2021/ 22 12 - 48 13 34 107 Studienjahr 2022/ 23 9 - 42 16 16 83 Durchschnitt 52 51 61 46 42 204 Maximum 153 63 162 103 112 391 Minimum 9 36 0 13 16 83 Tabelle 2: Anzahl der Teilnehmer: innen (SJ 2008/ 09 bis SJ 2022/ 23) Ein besonders markanter Rückgang der Teilnehmer: innenzahlen lässt sich bei den Kursen der Romanistik feststellen. Hier nehmen im aktuellen Studienjahr lediglich neun Personen an einem Kurs teil. Bei den Kursen für Studierende des ITAT konnte nach der Erweiterung des Kursangebots im Studienjahr 2017/ 18 ein Plus an Teilnehmer: innen verzeichnet werden, danach waren die Zahlen jedoch wieder rückläufig. 18 Daniela Unger-Ullmann <?page no="19"?> Entwicklung der Kursauslastung Im Hinblick auf die Auslastung der angebotenen Kurse variiert die Anzahl der angebotenen Plätze pro Kurs zwischen 24 und 30 Personen. In den Studienjahren 2008/ 09 bis 2015/ 16 lag die Gesamtauslastung der Kurse stets über 60 % und erreichte im Studienjahr 2011/ 12 sogar ein Maximum von 87 %. Seit dem Studienjahr 2016/ 17 sank die Auslastung jedoch kontinuierlich auf aktuell 27 %: 69 % 70 % 75 % 87 % 80 % 81 % 71 % 69 % 59 % 57 % 52 % 33 % 38 % 34 % 27 % 10 % 20 % 30 % 40 % 50 % 60 % 70 % 80 % 90 % 100 % Auslastungsgrad Studienjahr 2008/ 09 bis 2022/ 23 Abbildung 1: Auslastungsgrad gesamt (SJ 2008/ 09 bis SJ 2022/ 23) Die höchste durchschnittliche Auslastung konnte mit 79 % bei den von 2008/ 09 bis 2010/ 11 angebotenen Kursen für Studierende der Slawistik verzeichnet werden, gefolgt von den Kursen für Studierende des ITAT mit einer durch‐ schnittlichen Auslastung von 64 %. Teilweise wurden sogar Höchstwerte über 100 % erreicht: Angebotsentwicklung und Zielgruppenorientierung in Vorbereitenden Sprachkursen 19 <?page no="20"?> - Romanistik Sla‐ wistik ITAT Slawistik/ ITAT Romanistik/ ITAT Studienjahr 2008/ 09 53 % 74 % 101 % 48 % - Studienjahr 2009/ 10 54 % 75 % 92 % 81 % - Studienjahr 2010/ 11 68 % 88 % 90 % 65 % - Studienjahr 2011/ 12 71 % - 63 % 86 % 117 % Studienjahr 2012/ 13 58 % - 0 % 75 % 90 % Studienjahr 2013/ 14 72 % - 73 % 90 % 83 % Studienjahr 2014/ 15 57 % - 93 % 73 % 75 % Studienjahr 2015/ 16 75 % - 100 % 82 % 40 % Studienjahr 2016/ 17 50 % - 97 % 68 % 39 % Studienjahr 2017/ 18 65 % - 63 % 34 % 63 % Studienjahr 2018/ 19 42 % - 55 % 52 % 51 % Studienjahr 2019/ 20 33 % - 30 % 35 % 38 % Studienjahr 2020/ 21 46 % - 38 % 27 % 58 % Studienjahr 2021/ 22 50 % - 33 % 27 % 35 % Studienjahr 2022/ 23 38 % - 29 % 22 % 22 % Durchschnitt 56 % 79 % 64 % 58 % 59 % Maximum 75 % 88 % 101 % 90 % 117 % Minimum 33 % 74 % 0 % 22 % 22 % Tabelle 3: Auslastungsgrade (SJ 2008/ 09 bis SJ 2022/ 23) 20 Daniela Unger-Ullmann <?page no="21"?> Entwicklung der Zusammensetzung der Kursteilnehmer: innen Die folgenden Abbildungen zeigen die Entwicklung der Zusammensetzung der Kursteilnehmer: innen von 2008/ 09 bis 2022/ 23. Analysiert wurde jeder einzelne Kurs, der im angegebenen Zeitraum gestartet werden konnte. Um die Auslas‐ tung der Kurse zu erhöhen und etwaigen Kursstornierungen entgegenzuwirken, wurden in Abstimmung mit dem GEWI-Dekanat nicht nur Studierende aufge‐ nommen, welche die Sprachausbildung für ihr reguläres Studium benötigten, sondern auch jene, die sich aus persönlichem Interesse für einen Vorbereitenden Sprachkurs angemeldet hatten. Für die Typisierung der Kursteilnehmer: innen wurde daher folgende Unterteilung vorgenommen: • Zielsprache: jene Studierende, welche die Sprache des jeweiligen Kurses studieren, • RO/ SL/ IT andere: jene Studierende, die der Romanistik, Slawistik oder dem ITAT zugehören, jedoch eine andere Sprache als die des jeweiligen Kurses studieren, • Sonstige: Studierende anderer Studienrichtungen. Anschließend erfolgte eine Berechnung der Durchschnittswerte (pro Studien‐ jahr) für die Bereiche Romanistik, Slawistik, ITAT, Slawistik/ ITAT und Roma‐ nistik/ ITAT. Bei den Vorbereitenden Sprachkursen für Studierende der Romanistik un‐ terlag der Anteil der Studierenden der Kategorie Zielsprache seit dem Studien‐ jahr 2008/ 09 Schwankungen zwischen 33 % und 92 %. Der niedrigste Wert von 33 % wurde im Studienjahr 2019/ 2020 verzeichnet, der höchste Wert von 92 % im Studienjahr 2021/ 22. Seit dem Studienjahr 2016/ 17 hält sich der Anteil der Stu‐ dierenden anderer Studienrichtungen (Kategorie Sonstige) kontinuierlich über 30 %. Ausnahmen bilden das Studienjahr 2020/ 21 mit 9 % und das Studienjahr 2021/ 22 mit 0 %. Angebotsentwicklung und Zielgruppenorientierung in Vorbereitenden Sprachkursen 21 <?page no="22"?> 57 % 78 % 66 % 66 % 36 % 75 % 66 % 75 % 61 % 61 % 57 % 33 % 73 % 92 % 67 % 31 % 15 % 13 % 19 % 7 % 2 % 8 % 15 % 7 % 9 % 4 % 21 % 18 % 8 % 0 % 12 % 7 % 21 % 15 % 57 % 23 % 26 % 10 % 32 % 31 % 39 % 45 % 9 % 0 % 33 % 0 % 10 % 20 % 30 % 40 % 50 % 60 % 70 % 80 % 90 % 100 % SJ 2008/ 09 SJ 2009/ 10 SJ 2010/ 11 SJ 2011/ 12 SJ 2012/ 13 SJ 2013/ 14 SJ 2014/ 15 SJ 2015/ 16 SJ 2016/ 17 SJ 2017/ 18 SJ 2018/ 19 SJ 2019/ 20 SJ 2020/ 21 SJ 2021/ 22 SJ 2022/ 23 Zusammensetzung der Kursteilnehmer: innen Vorbereitende Sprachkurse für Studierende der Romanistik Studienjahr 2008/ 09 bis Studienjahr 2022/ 23 Zielsprache RO/ SL/ IT andere Sonstige Abbildung 2: TN-Zusammensetzung: Kurse f. Studierende der Romanistik (SJ 2008/ 09 bis SJ 2022/ 23) Die im Zeitraum 2008/ 09 bis 2010/ 11 angebotenen Russischkurse wurden von mindestens 67 % der Slawistik-Studierenden der Kategorie Zielsprache besucht. Eine signifikante Erhöhung der Studierenden anderer Studienrichtungen (Ka‐ tegorie Sonstige) auf 28 % ergab sich lediglich im Studienjahr 2009/ 10. 22 Daniela Unger-Ullmann <?page no="23"?> 93 % 67 % 80 % 4 % 6 % 11 % 3 % 28 % 8 % 0 % 10 % 20 % 30 % 40 % 50 % 60 % 70 % 80 % 90 % 100 % SJ 2008/ 09 SJ 2009/ 10 SJ 2010/ 11 Zusammensetzung der Kursteilnehmer: innen Vorbereitende Sprachkurse für Studierende der Slawistik Studienjahr 2008/ 09 bis Studienjahr 2010/ 11 Zielsprache RO/ SL/ IT andere Sonstige Abbildung 3: TN-Zusammensetzung: Kurse f. Studierende der Slawistik (SJ 2008/ 09 bis SJ 2010/ 11) Bezüglich der Vorbereitenden Sprachkurse für Studierende des ITAT lässt sich ebenfalls eine Veränderung der Zusammensetzung der Kursteilnehmer: innen feststellen. Blieb der Anteil der Studierenden der Kategorie Zielsprache bis zum Studienjahr 2016/ 17 stetig über 80 %, so sank dieser ab dem Studienjahr 2017/ 18 kontinuierlich ab. Mit lediglich 38 % der Kursteilnehmer: innen wurde im Studienjahr 2022/ 23 der Tiefstwert erreicht. Das Studienjahr 2012/ 13 scheint in der folgenden Abbildung nicht auf, da in diesem Jahr keine Kurse angeboten wurden. Angebotsentwicklung und Zielgruppenorientierung in Vorbereitenden Sprachkursen 23 <?page no="24"?> 93 % 88 % 88 % 84 %91 %96 % 83 % 83 % 61 % 48 % 61 % 75 % 43 % 38 % 5 % 6 % 5 % 11 % 5 % 4 % 3 % 7 % 16 % 13 % 22 % 14 % 20 % 15 % 2 % 6 % 7 % 5 % 5 % 13 % 10 % 23 % 39 % 18 %11 % 37 % 47 % 0 % 10 % 20 % 30 % 40 % 50 % 60 % 70 % 80 % 90 % 100 % SJ 2008/ 09 SJ 2009/ 10 SJ 2010/ 11 SJ 2011/ 12 SJ 2013/ 14 SJ 2014/ 15 SJ 2015/ 16 SJ 2016/ 17 SJ 2017/ 18 SJ 2018/ 19 SJ 2019/ 20 SJ 2020/ 21 SJ 2021/ 22 SJ 2022/ 23 Zusammensetzung der Kursteilnehmer: innen Vorbereitende Sprachkurse für Studierende des ITAT Studienjahr 2008/ 09 bis Studienjahr 2022/ 23 Zielsprache RO/ SL/ IT andere Sonstige Abbildung 4: TN-Zusammensetzung: Kurse f. Studierende des ITAT (SJ 2008/ 09 bis SJ 2022/ 23) Bei den Sprachkursen für Studierende der Slawistik und des ITAT reduzierte sich der Anteil der Studierenden der Kategorie Zielsprache von ursprünglich 77 % auf 47 %. Der höchste Anteil der Studierenden der Kategorie Zielsprache konnte im Studienjahr 2012/ 2013 mit einem Wert von 83 % erreicht werden. 24 Daniela Unger-Ullmann <?page no="25"?> 20 77 % 59 % 68 % 76 % 83 % 74 % 68 % 69 % 66 % 56 % 73 % 40 % 75 % 68 % 47 % 10 % 21 % 6 % 15 % 3 % 9 % 14 % 5 % 12 % 10 % 14 % 30 % 11 % 27 % 5 % 13 % 19 % 26 % 9 % 14 % 17 % 18 % 26 % 22 % 34 % 13 % 30 % 14 % 5 % 48 % 0 % 10 % 20 % 30 % 40 % 50 % 60 % 70 % 80 % 90 % 100 % SJ 2008/ 09 SJ 2009/ 10 SJ 2010/ 11 SJ 2011/ 12 SJ 2012/ 13 SJ 2013/ 14 SJ 2014/ 15 SJ 2015/ 16 SJ 2016/ 17 SJ 2017/ 18 SJ 2018/ 19 SJ 2019/ 20 SJ 2020/ 21 SJ 2021/ 22 SJ 2022/ 23 Zusammensetzung der Kursteilnehmer: innen Vorbereitende Sprachkurse für Studierende der Slawistik und des ITAT Studienjahr 2008/ 09 bis Studienjahr 2022/ 23 Zielsprache RO/ SL/ IT andere Sonstige Abbildung 5: TN-Zusammensetzung: Kurse f. Studierende der Slawistik und des ITAT (SJ 2008/ 09 bis SJ 2022/ 23) Große Schwankungen weisen die Teilnehmer: innenzahlen der Kurse für Stu‐ dierende der Romanistik und des ITAT auf. Bis zum Studienjahr 2014/ 15 lag der Anteil der Studierenden der Kategorie Zielsprache stets über 70 %. Ab dem Studienjahr 2015/ 16 gab es jedoch Schwankungsbreiten zwischen 29 % (Studienjahr 2019/ 20) und 93 % (Studienjahr 2020/ 21). Ausgehend von den Durchschnittswerten hat sich der Anteil der Studierenden der Kategorie Zielsprache im Studienjahr 2022/ 23 mit 70 % wieder eingependelt. Angebotsentwicklung und Zielgruppenorientierung in Vorbereitenden Sprachkursen 25 <?page no="26"?> 77 % 90 % 80 % 86 % 66 % 56 % 69 % 62 % 29 % 93 % 50 % 70 % 14% 8% 13% 11% 15% 22% 16% 16% 49% 0% 29% 12 % 9 % 1 % 8 % 2 % 18 % 21 % 15 % 22 % 22 % 7 % 20 % 18 % 0 % 10 % 20 % 30 % 40 % 50 % 60 % 70 % 80 % 90 % 100 % SJ 2011/ 12 SJ 2012/ 13 SJ 2013/ 14 SJ 2014/ 15 SJ 2015/ 16 SJ 2016/ 17 SJ 2017/ 18 SJ 2018/ 19 SJ 2019/ 20 SJ 2020/ 21 SJ 2021/ 22 SJ 2022/ 23 Zusammensetzung der Kursteilnehmer: innen Vorbereitende Sprachkurse für Studierende der Romanistik und des ITAT Studienjahr 2011/ 12 bis Studienjahr 2022/ 23 Zielsprache RO/ SL/ IT andere Sonstige Abbildung 6: TN-Zusammensetzung: Kurse f. Studierende der Romanistik u. des ITAT (SJ 2011/ 12 bis SJ 2022/ 23) Im Hinblick auf die Angebotsentwicklung und die Zusammensetzung der Kursteilnehmer: innen lässt sich feststellen, dass die von treffpunkt sprachen angebotenen Vorbereitenden Sprachkurse in den letzten 15 Jahren einem starken Wandel unterlagen. Aufgrund zu geringer Teilnehmer: innenzahlen musste das ursprünglich sehr kompakte Kursangebot von 25 auf neun Kurse reduziert werden und auch die Auslastung der noch verbliebenen Kurse war von 87 % auf 27 % deutlich zurückgegangen. Die Zusammensetzung der Kursteilnehmer: innen unterlag ebenfalls diversen Schwankungen, wobei in den vorliegenden Analysen kein allgemeiner Trend zur Zu- oder Abnahme bestimmter Studierendengruppen erkennbar ist. Mit Ausnahme der Kurse für Studierende der Romanistik kann zumindest für das Studienjahr 2022/ 23 fest‐ gehalten werden, dass der Anteil der Studierenden, die tatsächlich die Sprache des jeweils besuchten Kurses studieren, stark zurückgegangen ist. 26 Daniela Unger-Ullmann <?page no="27"?> Gründe für die sinkende Nachfrage Hinsichtlich der Tatsache, dass sich die Teilnehmer: innenzahlen in den letzten Jahren sehr reduziert haben, ist es notwendig, sich die Gründe für das Fern‐ bleiben der Studierenden, welche die Vorbereitenden Sprachkurse für ihr regu‐ läres Studium benötigen, genauer anzusehen. Im Rahmen des Beirats zur Vergabe der Lehre (vgl. treffpunkt sprachen 2023a), der am Zentrum für Sprache, Plurilingualismus und Fachdidaktik jedes Studienjahr im Juni tagt, werden die Entwicklung des Kursangebots und der Teilnehmer: innenzahlen regelmäßig evaluiert und mögliche Maßnahmen dis‐ kutiert. An den Sitzungen nehmen das Vizerektorat für Studium und Lehre, die Leitung und Assistenz von treffpunkt sprachen, das Studiendekanat der GEWI- Fakultät, die Curricula-Kommissionen (CuKo) sowie der Vorsitz der ÖH teil. Nach Meinung der Beiratsmitglieder könnten folgende Gründe für das sin‐ kende Interesse am Sprachenstudium ausschlaggebend sein: • Rahmenbedingungen (Aufnahmeverfahren), • Einstufungstests (Überprüfung der Sprachkompetenzen), • Kursbeiträge (Vorbereitende Sprachkurse), • STEOP (Studieneingangs- und Orientierungsphase). Rahmenbedingungen (Aufnahmeverfahren) Einige Sprachenstudien der Universität Graz sind zugangsbeschränkt und un‐ terliegen per Gesetz einem Aufnahmeverfahren. Um sich für einen Studienplatz in den gewählten Studienfächern zu bewerben, ist es notwendig, sich online mittels Bewerbungstool der Universität Graz für das Aufnahmeverfahren zu registrieren. Von diesem Aufnahmeverfahren sind insbesondere Lehramtsstu‐ dierende des Bachelorstudiums Lehramt Sekundarstufe Allgemeinbildung be‐ troffen, deren Studienplatz von einer positiven Absolvierung eines Online- Self-Assessments und eines elektronischen Zulassungstests abhängig ist. Im Rahmen dieser verpflichtenden Tests wird festgestellt, ob sich Studierende für das Lehramtsstudium und den Beruf als Lehrer: in eignen (vgl. Zulassung Lehramt 2023). Erfahrungsgemäß wird dieser Einstieg ins Studium von den angehenden Sprachenstudierenden noch nicht als große Hürde gesehen. Schwieriger wird es für sie, wenn es um den Nachweis ihrer Sprachkenntnisse geht. Angebotsentwicklung und Zielgruppenorientierung in Vorbereitenden Sprachkursen 27 <?page no="28"?> Einstufungstests (Überprüfung der Sprachkompetenzen) Romanistik: Für die Sprache Französisch erfolgt der schriftliche Einstufungs‐ test online, für die Sprachen Italienisch und Spanisch in Präsenz. Die Verpflich‐ tung zum Test entfällt, wenn angehende Studierende ein B1-Niveau (schriftlich) mit einer entsprechenden Maturanote für ihr gewähltes Studienfach (Franzö‐ sisch, Italienisch, Spanisch) nachweisen können. Dieser Nachweis sollte nicht älter als zwei Jahre sein. Der Beginn des Romanistik-Studiums ist auch ohne bestandenen Einstufungstest möglich. Ein Einstieg in die Sprachausbildung 1 (SA1) erfordert jedoch Sprachkenntnisse auf Niveau A2, die über Vorbereitende Sprachkurse am treffpunkt sprachen erworben werden können. Die dafür vor‐ gesehenen Kurse ersetzen den Einstufungstest nicht (vgl. Institut für Romanistik 2023a). Slawistik: Voraussetzung für den Beginn eines Slawistik-Studiums sind Sprach‐ kenntnisse auf Niveau A1, welche entweder durch einen Einstufungstest nach‐ zuweisen sind oder vor dem Studium in einem Vorbereitenden Sprachkurs erworben werden können. Studierende mit sprachlichen Vorkenntnissen sind verpflichtet, einen Einstufungstest abzulegen. Studierenden ohne Vorkennt‐ nisse wird empfohlen, sich das erforderliche Niveau über einen Vorbereitenden Sprachkurs am treffpunkt sprachen anzueignen. Nach positivem Abschluss des entsprechenden Kurses sind Studierende automatisch - ohne Einstufungstest - berechtigt, mit der Sprachausbildung am Institut für Slawistik (Sprachkurs 1b) zu beginnen (vgl. Institut für Slawistik 2023). ITAT: Für das BA- und MA-Studium am Institut für Theoretische und Ange‐ wandte Translationswissenschaft sind folgende Vorkenntnisse nachzuweisen: für Deutsch und Englisch das Kompetenzniveau B2, für alle anderen Sprachen das Kompetenzniveau A2. Wer keine Kompetenzen in der gewählten Sprache aufweist oder die Sprachprüfung nicht besteht, kann die Vorbereitenden Sprach‐ kurse am treffpunkt sprachen und parallel dazu sprachenübergreifende Lehrver‐ anstaltungen aus der Studieneingangs- und Orientierungsphase (STEOP) sowie Lehrveranstaltungen aus der anderen Fremdsprache besuchen. Bei positiver Absolvierung eines Vorbereitenden Sprachkurses ist keine Sprachprüfung mehr abzulegen (vgl. Institut für Theoretische und Angewandte Translationswissen‐ schaft/ ITAT 2023). Sprachprüfungen stellen für Studierende eine große Herausforderung dar, zumal sich die Anforderungen einzelner Institute mit der Schulausbildung nur geringfügig decken und es trotz angebotener Orientierungsgespräche (vgl. Institut für Romanistik 2023b), in denen engagierte Fachkoordinator: innen an‐ gehende Studierende über die Schwerpunkte des Einstufungstests informieren, 28 Daniela Unger-Ullmann <?page no="29"?> zu einer relativ hohen Durchfallquote kommt. Diese Hürde könnte bei Studie‐ renden zu Überlegungen führen, dem Sprachenstudium ein „leichteres“ Studium vorzuziehen. Kursbeiträge (Vorbereitende Sprachkurse) Das viel diskutierte Thema der Bezahlung von Kursbeiträgen wurde im vor‐ liegenden Beitrag bereits ausführlich dargelegt (siehe Kapitel Wer zählt zur Zielgruppe der Vorbereitenden Sprachkurse? Herausforderungen und Probleme). Nach Ansicht des Vizerektorats für Studium und Lehre sei es nicht zwingend notwendig, jeden: jede Studierende: n für Sprachen zu begeistern. Ein Großteil der Studierenden gehe im Laufe des Studiums verloren und man solle auf jene Personen abzielen, welche tatsächlich an einem Sprachenstudium interessiert seien. Die Studierenden würden vor dem Studium gut überlegen, welche Berufschancen sich später für sie ergeben. Deshalb sei es wichtig, darüber nachzudenken, wie man die Studiengänge dementsprechend optimieren könne, und klar zu kommunizieren, was man nach dem Sprachenstudium beruflich machen könne (vgl. treffpunkt sprachen 2023b, S. 4). Durch die Kursbeiträge sei das Angebot der Vorbereitenden Sprachkurse vorerst gesichert, dennoch sei es wichtig, sich zu überlegen, wie man mit den kleinen Fächern in Zukunft umzugehen habe. Wenn es für bestimmte Studien und für die dazu angebotenen Sprachkurse keine Interessent: innen gebe, sei es in Frage zu stellen, ob sich eine Investition in diese überhaupt auszahle (vgl. ebd., S.-3). STEOP (Studieneingangs- und Orientierungsphase) Die Studieneingangs- und Orientierungsphase (STEOP) bietet einen Überblick über die wesentlichen Inhalte des Studiums und kann aus einer oder mehreren Lehrveranstaltungen bestehen. Die in den einzelnen Unterrichtsfächern und Spezialisierungen im Rahmen der STEOP zu absolvierenden Lehrveranstal‐ tungen und Prüfungen sind bei den Bestimmungen zu den einzelnen Unter‐ richtsfächern und Spezialisierungen im Curriculum gekennzeichnet. Bis zum erfolgreichen Abschluss aller Lehrveranstaltungen der STEOP können weitere Lehrveranstaltungen nur in einem Umfang von maximal 22 ECTS-Punkten be‐ sucht werden. Die Absolvierung von Lehrveranstaltungen und Prüfungen über diesen Umfang hinaus ist nicht möglich. Ist das vorziehbare Kontingent ausge‐ schöpft (bereits die Anmeldung zu prüfungsimmanenten Lehrveranstaltungen zählt! ), die STEOP aber noch nicht vollständig abgeschlossen, so verhindert das Online-System die Anmeldung zu prüfungsimmanenten Lehrveranstaltungen Angebotsentwicklung und Zielgruppenorientierung in Vorbereitenden Sprachkursen 29 <?page no="30"?> und Vorlesungsprüfungen. Erst wenn alle STEOP-Prüfungen erfolgreich abge‐ legt wurden, wird die ECTS-Beschränkung (Vorziehen von 22 ECTS-Punkten) aufgehoben (vgl. GEWI-Fakultät 2023). Da die Vorbereitenden Sprachkurse von der STEOP-Regelung nicht ausge‐ nommen sind, laufen Studierende Gefahr, sich aufgrund der unvollständig absolvierten STEOP-Lehrveranstaltungen NICHT für einen Sprachkurs ihrer Wahl in UNIGRAZonline anmelden zu können. Wie widersprüchlich dieses Reglement ist, zeigt sich im hohen administrativen Aufwand seitens des Orga‐ nisationsteams von treffpunkt sprachen. Studierende melden sich telefonisch oder per E-Mail mit der dringlichen Bitte, ihnen dennoch die Möglichkeit zu geben, an dem für das Sprachenstudium benötigten Vorbereitenden Sprachkurs teilnehmen zu dürfen. Um ihrem Wunsch Rechnung zu tragen, werden sie vorerst händisch in die Teilnehmer: innenliste eingetragen und im Laufe des Semesters nach Bekanntgabe der vollständig absolvierten STEOP-Lehrveran‐ staltungen ins UNIGRAZonline-System. Ohne die manuelle Eintragung in das UNIGRAZonline-Anmeldesystem wäre der Abschluss des besuchten Vorberei‐ tenden Sprachkurses mit einem Lehrveranstaltungszeugnis nicht möglich und somit auch nicht die Anrechnung als Freies Wahlfach mit den entsprechenden ECTS-Punkten (vierstündige Kurse: sechs ECTS-Punkte; sechsstündige Kurse: neun ECTS-Punkte). Faktoren wie Aufnahmeverfahren, Einstufungstests, Kursbeiträge und STEOP dürften entscheidende Gründe sein, warum sich angehende Studierende von ihrem Studienvorhaben abbringen lassen. Zweifellos sind diese schwie‐ rigen Rahmenbedingungen „hausgemacht“ und könnten mit entsprechenden Beschlüssen der Curricula-Kommissionen entschärft werden. Einstufungstests und die Entrichtung der Kursbeiträge werden nach Auffassung der Autorin für längere Zeit ihre Berechtigung finden, zumal alle Institute größten Wert auf ein hohes Niveau im Bereich der Sprachbeherrschung legen und sich der Tatsache bewusst sind, dass die Finanzierung der Sprachausbildung nicht nur von der Universitätsleitung abhängt, sondern auch von zahlenden Studierenden. Konsequenzen Welche Konsequenzen die Finanzierung der Sprachausbildung hat, sei an dieser Stelle kurz erwähnt. In Bezug auf das Kursangebot der Vorbereitenden Sprachkurse haben sich folgende Änderungen ergeben: Die ursprünglich mit acht Stunden konzipierten Kurse für Französisch, Italienisch, B/ K/ S, Slowenisch, Ungarisch und Türkisch werden seit dem Wintersemester 2022/ 23 lediglich als vierstündige Kurse angeboten. Für die Sprache Russisch gibt es statt ehemals 30 Daniela Unger-Ullmann <?page no="31"?> drei achtstündigen Parallelkursen nur mehr einen vierstündigen Kurs. Die Kurse für die Sprachen Arabisch, ÖGS und Spanisch werden (noch) mit sechs Stunden angeboten, sind jedoch bei zu geringer Auslastung mit dem Risiko verbunden, auf vier Stunden gekürzt zu werden. Dass sich das stark reduzierte Stundenausmaß auf die vollständige Abdeckung des vorgegebenen Lehr- und Lernstoffs negativ auswirkt, steht außer Frage. Handlungsempfehlungen Der permanente Aktualisierungsprozess von Studienprogrammen, vorange‐ trieben durch Komplexität, Digitalisierung, Schnelllebigkeit und hohe Erwar‐ tungshaltungen, führt zur stärkeren Notwendigkeit, das Lehrangebot an der Universität attraktiver zu gestalten und mit Einzelaktionen in der Öffentlichkeit sichtbarer zu machen. Als kurzfristige Handlungsempfehlungen können daher folgende Aktivitäten genannt werden: Tag der offenen Tür Bei Veranstaltungen, wie dem Tag der offenen Tür (vgl. Studien Info Ser‐ vice/ 4students 2023), der vom Studien Info Service traditionellerweise im April organisiert wird, haben Maturant: innen die Möglichkeit, sich vorab über das reichhaltige Studienangebot der Universität Graz zu informieren. Alle Institute sind eingeladen, sich mit Beratungsgesprächen, Workshops und Vorträgen ein‐ zubringen und insbesondere für jene Sprachen Begeisterung zu wecken, welche erfahrungsgemäß nicht zur ersten Studienwahl gehören (z. B. Türkisch und Ungarisch). Dabei wird versucht, auch bei Schüler: innen, die nicht eine Karriere als Übersetzer: innen oder Dolmetscher: innen anstreben, ein Bewusstsein für die Wichtigkeit der Sprachen als berufliche Zusatzqualifikation zu schaffen. Pandemiebedingt wurde diese Veranstaltung in den letzten drei Jahren online angeboten, was zur Folge hatte, dass es weniger Teilnehmer: innen gab. Zudem musste man sich eingestehen, dass es von Vorteil gewesen wäre, wenn sich die Veranstaltung nicht über mehrere Wochen hingezogen hätte, sondern für maximal drei Tage anberaumt gewesen wäre. Bewerbungsvideos, die explizit für den Tag der offenen Tür gedreht wurden, fanden bei den Studierenden Anklang, jedoch geringe Wirksamkeit. Seit April 2023 wird der Tag der offenen Tür wieder in Präsenz angeboten − eine erfreuliche Entscheidung! Angebotsentwicklung und Zielgruppenorientierung in Vorbereitenden Sprachkursen 31 <?page no="32"?> Bewerbung an Schulen Es steht außer Frage, dass die Begeisterung für Sprachen bereits in den Schulen geweckt werden muss. Im Hinblick auf die Berufsbildung stehen die Geisteswis‐ senschaften stets im Schatten anderer Disziplinen. Daher wäre es wichtig, den Schüler: innen die Perspektive eines Studiums der Geisteswissenschaften in Be‐ ratungen und Kurzvorträgen näherzubringen. Bislang wurden diese Aktivitäten von Lektor: innen der jeweiligen Institute durchgeführt, die über den hohen wissenschaftlichen Anteil ihres Studienfachs zwar Bescheid wissen, jedoch die eigentlichen Interessen der Schüler: innen schwer einschätzen können. So wäre es naheliegend, Lehramtsstudierende als zukünftige Botschafter: innen bzw. Multiplikator: innen für die Beratungen an den Schulen gezielt einzusetzen und ihnen für ihre Beratungsleistung ein Praktikumszeugnis mit einer ent‐ sprechenden Anzahl von ECTS-Punkten auszustellen. Auf diese Weise wäre die Nähe zu den Schüler: innen hergestellt und die Wahrscheinlichkeit, junge Menschen für ein Sprachenstudium zu begeistern, höher. Europäischer Tag der Sprachen Der Europäische Tag der Sprachen (vgl. European Centre for Modern Languages of the Council of Europe/ ECML 2023) ist eine Initiative des Europarats und wurde 2001 eingeführt. Er wird jährlich am 26. September vom Europäischen Fremdsprachenzentrum des Europarats (in Kooperation mit Partnerorganisa‐ tionen) veranstaltet und stellt sich zur Aufgabe, die individuelle Mehrsprachig‐ keit zu fördern, den Menschen mit Schnupperkursen und Workshops die Vorteile von Sprachkenntnissen bewusst zu machen und sie zum lebensbeglei‐ tenden Sprachenlernen zu motivieren (vgl. ebd.). Die Teilnahme an diesem internationalen Aktionstag scheint auf den ersten Blick für Spracheninstitute (z. B. Anglistik/ Amerikanistik, Romanistik, Slawistik und ITAT) der Universität Graz unerlässlich zu sein, zumal alle Menschen, egal welchen Alters, mit dem ab‐ wechslungsreichen Angebot angesprochen werden sollen. Die Erfahrungswerte zeigen jedoch, dass sich die Veranstaltung in Graz sehr stark auf Schüler: innen der Grund- und Mittelschulen (Unterstufe) konzentriert und weniger auf die Altersgruppe (18 Jahre/ Maturant: innen), die für die Universität von Relevanz wäre. Pop-up-Stores Um Lehre und Forschung der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, wurde seitens der Universität Graz die Idee geboren, einen sogenannten UNI-POP-UP- 32 Daniela Unger-Ullmann <?page no="33"?> STORE in der Flaniermeile von Graz (Herrengasse) einzurichten (vgl. Univer‐ sität Graz 2023a). Fragen, wie z. B. Woran erkenne ich Fake News? , Was ist Glück? , Darf man Grenzen schließen? oder Wie finden Geflüchtete Arbeit? , wurden im April 2022 von namhaften Expert: innen mitten in der Grazer Innenstadt beantwortet. Das vielfältige Programm (Experimentierworkshops, Science Quiz oder ein Ukrainisch-Schnupperkurs) erstreckte sich über zwei Monate und bot Passant: innen die Möglichkeit, sich über das Studienangebot der Universität Graz zu informieren. Alle Veranstaltungen waren kostenlos und hatten zum Ziel, „(…) Spitzenforschung und spannende Vorlesungen vom Campus in die City - und damit näher an die Grazerinnen und Grazer - (zu) bringen“ (Universität Graz 2023b). Stark vertreten waren die Philologien, die sich mit Vorträgen und Schnupperkursen für ihre Sprachen hervorgetan hatten. Beispielsweise setzte man sich zum Thema Gehörlosigkeit und Gebärdensprache mit folgenden Fragen auseinander: Ist die Gebärdensprache international? , Was hat es mit den fliegenden Händen auf sich? , Dürfen Gehörlose Auto fahren? . Mit der Beantwortung einfach aufbereiteter Fragen konnte das Interesse vieler Personen geweckt werden, die sich zuvor weniger mit dem Thema Sprachen beschäftigt hatten. Dieser Ansatz sollte in jedem Fall beibehalten werden, um insbesondere die Sichtbarkeit der Institute, die sich mit geringen Studierendenzahlen konfrontiert sehen, zu erhöhen. Sprachenwettbewerbe und Sommerschulen Sprachenwettbewerbe und Sommerschulen erfreuen sich bei Schüler: innen größter Beliebtheit. Sie werden von den Schulen über internationale Austausch‐ programme initiiert und von Erasmus+-Koordinator: innen organisiert. Hierbei wäre es naheliegend, Sprachenwettbewerbe in enger Zusammenarbeit mit den Erasmus+-Koordinator: innen direkt an den Instituten (Anglistik/ Ameri‐ kanistik, Romanistik, Slawistik, ITAT) der Universität Graz zu veranstalten, um Schüler: innen, die sich im Rahmen des Wettbewerbs mit ausgezeichneten Sprachkenntnissen hervorgetan haben, vor Ort für ein Sprachenstudium zu begeistern. Auf diese Weise lernen sie bereits das jeweilige Institut mit seinen Mitarbeiter: innen und Studienangeboten kennen und werden gezielt auf die Vorteile eines Sprachenstudiums aufmerksam gemacht. Ähnlich verhält es sich mit Sommerschulen, die z. B. für zwei Wochen im Juli an den Instituten statt‐ finden könnten und Schüler: innen zwischen 16 und 18 Jahren die Möglichkeit bieten, sich mit einfach aufbereiteten wissenschaftlichen Themen im Rahmen von Ringvorlesungen, Workshops sowie kleineren Exkursionen auseinander‐ zusetzen. Auch hier wäre die enge Zusammenarbeit mit den Erasmus+-Koordi‐ Angebotsentwicklung und Zielgruppenorientierung in Vorbereitenden Sprachkursen 33 <?page no="34"?> nator: innen wichtig, um den Ablauf der Sommerschulen gut organisieren zu können. Längerfristige Maßnahmen Um die Attraktivität sprachenbezogener Studienfächer zu fördern, müssten nach Auffassung der Autorin folgende längerfristige Maßnahmen gesetzt werden: Einstellung des Aufnahmeverfahrens Bei zugangsbeschränkten Studien, wie beispielsweise dem Bachelorstudium Lehramt Sekundarstufe Allgemeinbildung, welches in engem Zusammenhang mit einem Sprachenstudium steht, drängt sich die Frage auf, inwiefern Aufnah‐ meverfahren für Lehramtsstudierende gerechtfertigt sind. Aufnahmeverfahren ergeben bekanntlich nur Sinn, wenn es zu einer Überzahl an Bewerber: innen kommt und sich der dadurch erhöhte Betreuungsaufwand seitens des universi‐ tären Lehrpersonals nicht mehr bewerkstelligen lässt. Tatsächlich verhält es sich so, dass die Studierendenzahlen rückläufig sind und die maximale Anzahl an Bewerber: innen bislang nicht erreicht wurde (vgl. Abteilung für Leistungs- und Qualitätsmanagement/ LQM 2023, S. 8). Zudem gibt es aufgrund der Pensionierungswelle in Österreich einen massiven Mangel an Lehrkräften (vgl. Der Standard 2023), der lediglich mit einer intensiven Erhöhung der Lehramtsstudierendenzahlen kompensiert werden kann. Im Hin‐ blick auf den Abbau von bürokratischen Hürden wäre es wünschenswert, diesem für Sprachen kontraproduktiven Verfahren ein Ende zu setzen und sich dessen bewusst zu werden, dass man auf höhere Zahlen prüfungsaktiver Lehr‐ amtsstudierender angewiesen ist und sich eine mit dem Aufnahmeverfahren einhergehende Reduktion der Studienplätze nicht mehr wird leisten können. Neugestaltung der Curricula Um den Wunsch der Studierenden nach mehr Flexibilisierung (z. B. mehr Vorle‐ sungsaufzeichnungen), innovativen Lehrformen (z. B. Verwendung von Online- Tools in der Präsenzlehre, abwechslungsreiche Arbeitsaufträge, kleinere Lern‐ zielkontrollen) und Interdisziplinarität sowie Praxisbezug und kooperativen Lehrangeboten aufzugreifen (vgl. Abteilung Lehr- und Studienservices/ LSS 2023, S. 11 ff.), müssten die Curricula der Sprachenstudien neu gestaltet werden. 34 Daniela Unger-Ullmann <?page no="35"?> Berufliche Perspektiven eines Sprachenstudiums liegen insbesondere in der Sprachenlehre (im Bereich von Schule und Erwachsenenbildung), in einer wissenschaftlichen Laufbahn (Sprach- oder Literaturwissenschaft), im Bereich von Kulturvermittlung im interkulturellen Kontext, in Öffentlichkeits- und Medienarbeit, in internationalen Kooperationen im Bereich Bildung und Wis‐ senschaft, im Bibliotheks- und Archivwesen sowie im Verlagswesen und Buch‐ handel. Diese Wichtigkeit bzw. Bedeutsamkeit der employability sollte sich in neu ausgerichteten Curricula widerspiegeln und in Zusammenarbeit mit außeruniversitären Institutionen ermöglicht werden. Es besteht kein Zweifel, dass Sprachenstudierende insbesondere an sprach-, kultur- und literaturwissen‐ schaftlichen Studien mit konkreter Anwendungsorientierung interessiert sind. Berufsfelder wie Verlagsarbeit, Kulturmanagement, Journalismus, Translations‐ arbeit etc. untermauern die berufliche Legitimation von geisteswissenschaftli‐ chen Studierenden, die sich immer wieder mit dem Vorwurf eines brotlosen Studienvorhabens konfrontiert sehen. Eine bewusste Gegensteuerung könnte durch die Erweiterung des Studien‐ angebots an interdisziplinären Lehrveranstaltungen erzielt werden. Vorausset‐ zung für die enge Zusammenarbeit zwischen Universität und bestehenden örtlichen Sprach-, Kultur- und Literaturinstitutionen ist die Einbindung solcher Kooperationen in ein entsprechend abgestimmtes Curriculum, welches die wissenschaftlichen Disziplinen Sprache, Kultur und Literatur vereint und auf alle Sprachenstudien übertragbar ist. Neues muss möglich sein, zumal bestehende konsekutive Studien (Master) für Studierende nicht sehr attraktiv sind. Sie spiegeln das ehemalige Diplomstudium wider und tragen dem ausdrücklichen Wunsch der Studierenden nach neuen interdisziplinären und praxisorientierten Masterstudien keinerlei Rechnung. Ohne Zweifel würden interdisziplinär ausgerichtete Curricula mit inte‐ grierten Praktika an außeruniversitären Institutionen (z. B. Oper, Schauspiel‐ haus, Kunsthaus, Literaturhaus, Museen, Printmedien, Verlage etc.) geisteswis‐ senschaftlichen Studierenden den Weg abseits des Mainstreams ebnen und insbesondere jenen Personen berufliche Chancen ermöglichen, die keine Schul- oder Wissenschaftslaufbahn anstreben. Haus der Sprachen und Kulturen Um Schnittstellen zwischen Sprachen und der Gesellschaft zu schaffen, wäre es für die Universität Graz empfehlenswert, ein Haus der Sprachen und Kulturen am Uni-Campus einzurichten. Derzeit sind die Spracheninstitute der Universität Graz auf mehrere Standorte verteilt und könnten im Zuge der Umgestaltung Angebotsentwicklung und Zielgruppenorientierung in Vorbereitenden Sprachkursen 35 <?page no="36"?> eines ehemalig von der Medizinischen Universität genutzten Gebäudes ins Zentrum des Campus geholt werden. Durch die räumliche Zusammenlegung der Institute würde die Zusammen‐ arbeit der Philologien gestärkt, Synergien in Lehre, Forschung und Infrastruktur weiter ausgebaut und eine Profilschärfung der Sprachen erreicht werden. Zudem würde es sich anbieten, außeruniversitären Institutionen diverse Räum‐ lichkeiten für Veranstaltungen zur Verfügung zu stellen, um dem universitären Sprachenbereich eine gesellschaftliche Legitimation zu verleihen und mit gut durchdachten Konzepten als Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Gesell‐ schaft zu fungieren. Zentrale gemeinsame Forschungsschwerpunkte zu Sprach-, Kultur-, Literatur- und Translationswissenschaften könnten den einzelnen Instituten ein unverwechselbares Profil geben und die gewachsenen Instituts‐ strukturen stärken. Zusammenfassung Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass sich das Kursangebot und die Teilnehmer: innenzahlen der Vorbereitenden Sprachkurse in den letzten 15 Jahren stark reduziert haben. Die zunehmend geringe Nachfrage brachte eine Veränderung des Kursangebots mit sich, die mit einer regelmäßigen Adaptie‐ rung der Kursformen einherging. Als negative Konsequenz dieser Adaptierung ist die starke Reduktion des Stundenausmaßes zu sehen, welche sich aus dem Gesamtauslastungsgrad der Kurse ergeben hat. In diesem Zusammenhang war es naheliegend, die Zusammensetzung der Kursteilnehmer: innen zu analysieren und eine Einteilung in drei Gruppen vorzunehmen: In 1) Studierende, welche die Sprache des jeweiligen Kurses studieren 2) Studierende, die der Romanistik, Slawistik oder dem ITAT zugehören, jedoch eine andere Sprache als die des jeweiligen Kurses studieren und 3) Studierende anderer Studienrichtungen. Anhand der Analyse wurde aufgezeigt, dass die Zusammensetzung der Kursteilnehmer: innen bei allen Sprachkursen im Verlauf der Jahre immer wieder Schwankungen unterlag. Ein genereller Trend zur Zu- oder Abnahme einer bestimmten Studierendengruppe konnte jedoch nicht festgestellt werden. Mit Ausnahme der Kurse für Studierende der Romanistik gibt es jedoch eindeutige Hinweise, dass die Anzahl der Studierenden, welche die Sprache des jeweiligen Kurses studieren, stark zurückgegangen ist. Als Gründe für die sinkende Nachfrage der Vorbereitenden Sprachkurse wurden folgende Faktoren diskutiert: Rahmenbedingungen (Aufnahmever‐ fahren), Einstufungstests (Überprüfung der Sprachkompetenzen), Kursbeiträge (Vorbereitende Sprachkurse) und STEOP (Studieneingangs- und Orientierungs‐ 36 Daniela Unger-Ullmann <?page no="37"?> phase). Zweifellos handelt es sich dabei um schwierige Rahmenbedingungen, die nach Auffassung der Autorin mit entsprechenden Beschlüssen der Curricula- Kommissionen entschärft werden sollten. Um der geringen Auslastung der Vor‐ bereitenden Sprachkurse entgegenzuwirken, wurden Handlungsempfehlungen und längerfristige Maßnahmen herausgearbeitet, welche den Fortbestand des qualitativ hochwertigen Kursprogramms sichern könnten. Literatur Abteilung Lehr- und Studienservices/ LSS (2023): Online-Lehre im Sommersemester 2020 und Wintersemester 2020/ 21 - Bericht über die begleitenden Studierenden- und Lehrendenbefragungen. https: / / static.uni-graz.at/ fileadmin/ lehr-studienservices/ Qua lit%C3%A4tssicherung/ 20210623_Begleitbefragungen_Online-Lehre_Uni_Graz_Gesa mtbericht_LSS.pdf [24.03.2023]. Abteilung für Leistungs- und Qualitätsmanagement/ LQM (2023): Wissensbilanz 2021. https: / / static.uni-graz.at/ fileadmin/ Lqm/ Dokumente/ Wissensbilanz_2021_fina l.pdf [24.03.2023]. Council of Europe/ Europarat (2023): Gemeinsamer Europäischer Referenzrahmen für Sprachen/ GER. https: / / www.europaeischer-referenzrahmen.de/ sprachniveau.ph p [24.03.2023]. Der Standard (2023): Lehrkräftemangel in Österreich spitzt sich weiter zu. https: / / www .derstandard.at/ story/ 2000136929807/ lehrkraeftemangel-in-oesterreich-spitzt-sich-w eiter-zu [24.03.2023]. European Centre for Modern Languages of the Council of Europe/ ECML (2023): Euro‐ päischer Tag der Sprachen. https: / / edl.ecml.at/ [24.03.2023]. GEWI-Dekanat (2023): Vorbereitende Sprachkurse an der Geisteswissenschaftlichen Fakultät der Karl-Franzens-Universität Graz SS 23. https: / / static.uni-graz.at/ fileadmi n/ gewi/ downloads/ ba-ma/ Sprachkurse_InfoblattNEU.pdf [24.03.2023]. GEWI-Fakultät (2023): STEOP - Die Studieneingangs- und Orientierungsphase. https: / / gewi.uni-graz.at/ de/ studienservice/ studienbeginn/ [24.03.2023]. Institut für Romanistik (2023a): Einstufungstests. Welche vorbereitenden Sprach‐ kurse/ Diplome ersetzen den Einstufungstest? https: / / romanistik.uni-graz.at/ de/ stu dienservice/ vor-und-zu-studienbeginn-1/ [24.03.2023]. Institut für Romanistik (2023b): Online-Self-Assessment (OSA) und Orientierungsge‐ spräche. https: / / romanistik.uni-graz.at/ de/ studienservice/ vor-und-zu-studienbeginn -1/ [24.03.2023]. Institut für Slawistik (2023): Studienbeginn. https: / / slawistik.uni-graz.at/ de/ studieren/ st udienbeginn/ [24.03.2023]. Angebotsentwicklung und Zielgruppenorientierung in Vorbereitenden Sprachkursen 37 <?page no="38"?> Institut für Theoretische und Angewandte Translationswissenschaft/ ITAT (2023): Welche Vorkenntnisse muss ich mitbringen? https: / / translationswissenschaft.uni-gr az.at/ de/ 1/ studieren/ studieninteressierte-ba/ #c247380 [24.03.2023]. Studien Info Service/ 4students (2023): Der Tag der offenen Tür 2023. https: / / openhouse .uni-graz.at/ de/ [24.03.2023]. treffpunkt sprachen (2023a): Beirat zur Vergabe der Lehre. https: / / treffpunktsprachen.un i-graz.at/ de/ ueber-uns/ leitung-board-beiraete/ [24.03.2023]. treffpunkt sprachen (2023b): Protokoll zur 21. Sitzung des Beirats zur Vergabe der Lehre. Anmerkung: Das Dokument liegt zur Einsichtnahme am treffpunkt sprachen auf. Universität Graz (2023a): UNI-POP-UP Opening. https: / / www.uni-graz.at/ de/ veranstalt ungen/ uni-pop-up-opening-we-study-for-tomorrow/ [24.03.2023]. Universität Graz (2023b): Aufgepoppt! Das hat die UniGraz in der Herrengasse für euch! https: / / www.sciencegarden.at/ aufgepoppt/ [24.03.2023]. Zulassung Lehramt (2023): Willkommen am Anmeldeportal für StudienwerberInnen! https: / / www.zulassunglehramt.at/ [24.03.2023]. 38 Daniela Unger-Ullmann <?page no="39"?> Die Integration fachdidaktischer Projektergebnisse in den Sprachunterricht - Achtsamkeit als Lehrkompetenz Christian Hofer Im Beitrag Die Integration fachdidaktischer Projektergebnisse in den Sprachun‐ terricht - Achtsamkeit als Lehrkompetenz wird auf ausgewählte abgeschlos‐ sene fachdidaktische Forschungsprojekte des treffpunkt sprachen - Zentrum für Sprache, Plurilingualismus und Fachdidaktik Bezug genommen. Der Autor des vorliegenden Beitrags, welcher sich im Artikel auch als Lehrender bezeichnet, wählt einen introspektiv-reflektierenden Zugang, um die Reinte‐ gration sowie die Nachhaltigkeit der stattgefundenen handlungsorientierten Forschungsaktivitäten zu besprechen. Theoretischer Ausgangspunkt seines Reflexionsprozesses sind zum einen das fachdidaktische Handlungsdreieck Lehren - Forschen - Beraten. Dieses verdeutlicht, inwiefern Lehre, Forschung und Beratung in das sprachendidaktische Handlungsfeld einwirken und ineinander übergehen. Zum anderen wählt er Achtsamkeit als Lehrkompetenz als Ausgangspunkt seiner Schilderungen. Achtsamkeit zeigt sich dabei als eine forschende Haltung, die selbstkritische Reflexionsprozesse erst ermög‐ licht. In weiterer Folge bezieht er sich auf thematisch unterschiedliche Forschungsprojekte und zeigt auf, inwiefern diese Auswirkungen auf seine Arbeit als Lehrender, aber auch als Sprachendidaktiker haben. Die Integration von fachdidaktischen Projektergebnissen hat nicht nur zu einer Weiterent‐ wicklung in methodisch-didaktischer Hinsicht geführt. Daraus haben sich auch Änderungen im Selbstbild als Lehrperson und in persönlichen Lehrhal‐ tungen ergeben. Abschließend bietet er Fragestellungen für Sprachlehrende an, die mit den behandelten Forschungsprojekten in Zusammenhang stehen und die zur Reflexion anregen. <?page no="40"?> Das fachdidaktische Handlungsdreieck Lehren - Forschen - Beraten treffpunkt sprachen - Zentrum für Sprachen, Plurilingualismus und Fachdi‐ daktik der Karl-Franzens-Universität Graz wurde im Jahre 2009 von einem Sprachenzentrum mit dem Fokus auf Sprachenlehre in ein Sprachen- und For‐ schungszentrum umgewandelt. Neben einem vielfältigen Sprachenangebot für Studierende, Universitätsbedienstete sowie externe Teilnehmende und der Or‐ ganisation eines bedarfsgerechten Weiterbildungsangebots für Sprachlehrende sind die beiden Forschungsbereiche Plurilingualismus und Fachdidaktik zwei relevante Arbeitsgebiete des treffpunkt sprachen (vgl. Unger-Ullmann 2015). Seit diesem Zeitpunkt hat sich im Fachbereich Fachdidaktik ein Arbeitsprofil etabliert, welches die universitäre Sprachenlehre in den Fokus stellt, konkrete Problemstellungen wissenschaftlich behandelt und praxisrelevante Forschungs‐ fragen in einem handlungsorientierten Rahmen bearbeitet (vgl. Hofer 2015, S. 29-57). Erfahrene Lehrende bzw. herausragende Absolvent: innen der Mo‐ dulreihe Sprachenlernen mit Erwachsenen (vgl. Hofer 2013, S. 86-90) werden dabei zu Forschenden. Forschungsergebnisse fließen - unter anderem mittels erstellter Leitfäden für Sprachlehrende - wieder in die Unterrichtstätigkeit ein. Lehren und Forschen stehen im Rahmen der fachdidaktischen Forschungspro‐ jekte in einem engen Zusammenhang und bedingen einander. Die Ergebnisse der fachdidaktischen Forschungsprojekte kommen nicht nur den Sprachlehrenden zugute, womit stets für Qualitätssicherung im Unterricht gesorgt wird und aktuelle Themen in der Sprachenlehre berücksichtigt werden. Diese werden auch interessiertem Forschungspublikum zugänglich gemacht und in eigenen Sammelbänden publiziert. Inklusive des vorliegenden Sammel‐ bandes wurden nunmehr die Ergebnisse von 30 fachdidaktischen Forschungs‐ projekten veröffentlicht (vgl. Unger-Ullmann/ Hofer 2015, 2019, 2021 und 2024). Die handlungsforschenden Projekte decken vielfältige Themenbereiche der Sprachenlehre sowie der Fachbereiche Fachdidaktik und Sprachendidaktik ab. Zudem fließen andere Fachrichtungen mit ein. Als ein Beispiel kann das psycho‐ logisch geprägte Forschungsprojekt von Lisa Hammer (2019a, S. 223-258) Angst beim Sprachenlernen genannt werden. Die forschende Fachdidaktik, wie sie am treffpunkt sprachen betrieben wird, lässt sich demnach als eine fachübergrei‐ fende und praxisrelevante Wissenschaft definieren. In diesem Zusammenhang ist zu ergänzen, dass neben dem praxisrelevanten Zugang Interdisziplinarität am Zentrum einen wesentlichen Stellenwert einnimmt. Nicht zuletzt deshalb bietet treffpunkt sprachen die einjährige Modulreihe Interdisziplinäres Sprachenlernen (vgl. Unger-Ullmann/ Hofer 2018) an, welche zum Ziel hat, das Thema Sprachen‐ lernen im Rahmen unterschiedlicher fachlicher Richtungen zu beleuchten. 40 Christian Hofer <?page no="41"?> Neben der Sprachenlehre und den handlungsforschenden Aktivitäten hat sich im Fachbereich Fachdidaktik die beratende Ebene als wichtiger Eckpfeiler herausgestellt. Der Zusammenhang bzw. die Korrelation von Lehren - Forschen - Beraten kann mittels des fachdidaktischen Handlungsdreiecks visualisiert werden: Abbildung 1: Fachdidaktisches Handlungsdreieck Lehren - Forschen - Beraten Wie bereits zuvor skizziert wurde, bilden die in Beziehung stehenden Bereiche Lehren und Forschen ein wichtiges Fundament der fachdidaktischen Forschung am treffpunkt sprachen. Die Ebene des Beratens, welche eng mit Lehren und Forschen verknüpft ist, gewinnt zusätzlich und zusehends an Bedeutung. Die organisatorische und fachlich-methodische Begleitung der fachdidaktischen Projektleitenden bekommt immer mehr Gewicht. Sowohl das administrative als auch das wissenschaftliche Personal nehmen dabei unterstützende Rollen ein und fungieren als Forschungsberatende. Beratung gilt in Folge dessen als fundamentale Schnittstelle zwischen der lehrenden und forschenden Ebene. Lehrende treten mit Forschungsideen an die Forschungsberater: innen heran. Sie werden bei der Planung, der (methodischen) Durchführung der jeweiligen Projekte und im Rahmen der Veröffentlichung von Forschungser‐ gebnissen unterstützt. Die Etablierung einer beratenden Ebene ist für das Forschungsmanagement relevant. Es ist wichtig, einen Gesamtüberblick über bereits stattgefundene Forschungsprojekte zu behalten, um das Potential für weitere Forschungsaspekte auszuloten und fortführende Projekte einleiten zu können. Zudem arbeiten Leitende von Forschungsprojekten am treffpunkt sprachen auf der einen Seite sehr autonom und eigenständig. Reflektierende Begleitung und regelmäßige Gruppentreffen sowie forschungsrelevante Su‐ pervisionen auf der anderen Seite, die Erfahrungsaustausch ermöglichen, Die Integration fachdidaktischer Projektergebnisse in den Sprachunterricht 41 <?page no="42"?> geben Forschung jedoch als kommunikativ-gemeinschaftliche Arbeit zu er‐ kennen. Sie geben den Forschenden im Rahmen ihrer Arbeitsprozesse Halt und sind motivationsfördernd. Raschauer und Resch (2018, S. 243-247) haben den Stellenwert von Beratung im Rahmen von hochschuldidaktischen Arbeitsprozessen bereits vor geraumer Zeit erkannt. Sie skizzieren den Weg deutschsprachiger Hochschulen von Lehr- und Forschungseinrichtungen hin zu Beratungsinstitutionen. Sie beziehen sich auf die 1970er-Jahre und die zur damaligen Zeit stattgefundene Öffnung der Hochschulen für ein breiteres Publikum. Auch die Vereinheitlichung von Studiengängen in Europa im Zuge des Bologna-Prozesses und die mehrstufige Studienstruktur (Bachelor und Master) forcierten die Bedeutung von Beratung an Universitäten zunehmend. Die Autorinnen reflektieren zusätzlich über das Wesen von Beratung im hochschulischen Kontext (ebd., S. 242) und nennen drei Ebenen, auf denen sich die beratende Tätigkeit vollzieht: • Die Beratung des Personals, sprich der Universitätsbediensteten, welche auch von externen Personen durchgeführt werden kann, • die Beratung von Studierenden und an der Universität Lernenden, vor allem zu Fragen der Studienorganisation, • Universitätsangestellte, welche - in wissenschaftlicher Hinsicht - Fachbe‐ ratung anbieten. Im letzteren Fall werden Universitätsangestellte zu Forschungsberatenden. Forschungsberatung meint dabei sowohl das Anbieten der eigenen fachlichen Expertise und des Know-hows als auch die reflektierende und zum Teil psycho‐ logisch nuancierte Begleitung der jeweiligen Personen. Forschungsberatung vollzieht sich demnach sowohl auf der fachlich-inhaltlichen als auch auf der reflektierend-begleitenden Ebene. Wie es zum Beispiel im Bereich der Erwach‐ senenbildung oder der Supervision der Fall ist, so gibt es auch in Bezug auf die Arbeit als Forschungsberater: in kein offizielles oder klar strukturiertes Berufsbild. Universitäten bieten zum Teil jedoch Ausbildungen und Lehrgänge im Bereich des Coachings, der Supervision, Mediation und Beratung an. Oftmals haben Universitätsbedienstete eigenständig für derartige Fortbildungen und Kompetenzerweiterung Sorge zu tragen. Achtsamkeit als Lehrkompetenz im Sprachunterricht Das fachdidaktische Handlungsdreieck samt den Komponenten Lehren - For‐ schen - Beraten ist Teil des Arbeitsbereichs des Autors des vorliegenden Beitrags 42 Christian Hofer <?page no="43"?> (zum hochschuldidaktischen Arbeitsfeld des treffpunkt sprachen vgl. Hofer 2013, S. 75-95). Neben forschender und beratender Tätigkeit lehrt er seit beinahe zwanzig Jahren Italienisch und leitet die Modulreihe Sprachenlernen mit Erwachsenen (vgl. ebd., S. 86-90). Gerade aus der Sicht des erfahrenen Lehrenden ist die Frage nach der Implementierung bzw. der Reintegration der zahlreichen Projektergebnisse in die Lehre von Bedeutung. Handlungsforschende Projekte haben zum Ziel, wie oben bereits formuliert, nachhaltige Wirkung im jeweiligen Handlungsfeld zu erzielen. Nicht zuletzt aus diesem Grund hat sich der Autor diese reflektierenden Fragen gestellt: • Welchen Einfluss hatten und haben bisherige Forschungsergebnisse des Fachbereichs Fachdidaktik auf seine universitäre Lehre? • Zeigen diese Nachhaltigkeit und auf welche Bereiche der universitären Sprachenlehre wirken diese ein? • Hat er andere bzw. neue methodisch-didaktische Schwerpunktsetzungen vorgenommen? • Inwiefern haben sich das eigene Lehrverhalten und die Sicht auf sich selbst als Lehrenden geändert? • Welche Kompetenzen hat er sich aufgrund konkreter Projektergebnisse angeeignet bzw. in welcher Hinsicht kam es zu Kompetenzerweiterung? • Welche anderen Reflexions- und Bewusstseinsprozesse haben die Projekt‐ ergebnisse der forschenden Fachdidaktik ausgelöst? Diese Fragestellungen boten dem Autor die Gelegenheit, eine selbstreflexive, introspektive Position einzunehmen und über den eigenen Erkenntnisgewinn, welcher sich aus der Projektarbeit und der begleitenden Forschungsberatung heraus ergab, nachzudenken. Im Rahmen dieser reflektierenden und mitunter auch selbstkritischen Überlegungen war es diesem wichtig, mit genügend Distanz und Achtsamkeit auf die Arbeitserfahrungen der letzten Jahre zu blicken. Achtsamkeit, dies sei hervorgehoben, erweist sich diesbezüglich und aus der Sicht des Autors als fundamentale Reflexionskompetenz. Sie stellt den Anker bzw. die Voraussetzung seiner Überlegungen und Ausführungen dar. Harrer (2020, o. S.) nähert sich dem Begriff der Achtsamkeit auf folgende Weise: Achtsamkeit ist die beabsichtigte Lenkung der Aufmerksamkeit auf die Gegenwart, das heißt, auf den aktuellen Moment, auf die gegenwärtige Erfahrung. Achtsamkeit bedeutet das bewusste Beobachten, wobei die Beobachtung aus einer bestimmten Haltung heraus erfolgt. Ergänzend dazu umschreibt er Haltung wie folgt (ebd.): Die Integration fachdidaktischer Projektergebnisse in den Sprachunterricht 43 <?page no="44"?> • wohlwollend, akzeptierend, • nicht einteilend oder kategorisierend, • nicht identifiziert mit dem Objekt der Beobachtung, jedoch unmittelbar an der Erfahrung teilhabend, • unvoreingenommen und offen, • die Welt mit den Augen eines Kindes betrachtend („Anfängergeist“). Die von Harrer angebotene Annäherung zu Achtsamkeit und der darin berück‐ sichtigte Begriff der Haltung ist nicht nur als Form einer reflexiven Lehrkom‐ petenz zu lokalisieren. Darüber hinaus ist sie auch mit Grundaxiomen von handlungsorientierter Forschung in Verbindung zu setzen, welche die Teilhabe an konkreten Praxissituationen voraussetzt. Zusätzlich stellt das Beobachten eine wichtige Methode, vor allem in der Unterrichtsforschung, dar. Der: die Forschende beobachtet offen und möglichst objektiv-neutral die jeweiligen Geschehnisse in Lern- und Lehrprozessen (vgl. Hofer 2015, S. 36-39). In diesem Zusammenhang kann auch die Methode der Kollegialen Hospitation erwähnt werden, welche eine Unterrichtsbeobachtung unter Kolleg: innen darstellt (vgl. ebd. 2021, S. 49-70). Achtsamkeit im Umgang miteinander und eine wertschät‐ zende Haltung zueinander sind dabei die Voraussetzungen für gelungene hand‐ lungsorientierte Forschung. Ergänzend führt Harrer (2020, o. S.) folgende Aspekte an, wenn es um den Begriff der Achtsamkeit geht: Abbildung 2: Dimensionen der Achtsamkeit (vgl. Harrer 2020) 44 Christian Hofer <?page no="45"?> In den hier dargestellten Dimensionen der Achtsamkeit geben sich sowohl Elemente der zurückhaltenden Beobachtung als Forschungsmethode als auch von Beratungsbzw. therapeutischen Situationen zu erkennen. Einfühlungsver‐ mögen, die Fähigkeit, andere Perspektiven einzunehmen und eine mitfühlendwertneutrale Haltung sind wichtige kommunikative Grundvoraussetzungen in verschiedenen Beratungssettings. Achtsamkeit als Form von Lehrkompetenz im Zuge von Reflexionsprozessen bedeutet: einen Schritt zurückzutreten und möglichst neutral und unvoreingenommen den eigenen Unterricht sowie das Selbstbild als Lehrperson zu begutachten. Der: die Lehrende tritt in einen Evaluierungsprozess mit sich selbst. Lehrende in der Erwachsenenbildung und an der Hochschule sind es gewohnt, von Lernenden bzw. Studierenden evaluiert zu werden, um eine Rückmeldung zur Unterrichtsgestaltung zu erhalten. Die besprochenen fachdidaktischen Forschungsergebnisse bieten im vorliegenden Fall darüber hinaus die Möglich‐ keit, auf achtsame, introspektive und induktive Weise die persönliche Weiter‐ entwicklung zu beleuchten. Rückschlüsse und Erkenntnisse, die aus dieser Selbstbeobachtung resultieren, sollen auch für andere Lehrende Anlass sein, über eigene Lehr- und Lernprozesse nachzudenken. Prüfen und Beurteilen als konstruktiver Interaktionsprozess - Prüfende und Lernende auf einer Ebene In ihrem fachdidaktischen Forschungsprojekt Lernenden-, kompetenz- und hand‐ lungsorientiertes Beurteilen und Bewerten in der universitären Sprachenlehre (vgl. Seidl/ Simschitz 2015, S. 57-102) fokussierten sich die Forscherinnen auf Bewertungs- und Beurteilungsprozesse in der Sprachenlehre am treffpunkt sprachen. Im Forschungsinteresse standen dabei sowohl die Gestaltung von schriftlichen Prüfungen als auch von mündlichen Prüfungssituationen. Mittels Prüfungsanalysen, Unterrichtsbeobachtungen, Interviews und Expert: innenge‐ sprächen untersuchten sie den Status Quo der vorherrschenden Prüfungspraxis. Auf Basis der Forschungsergebnisse entwickelten sie als Unterstützung für Sprachlehrende einen praxisnahen Leitfaden für lernendenzentrierte und kom‐ petenzorientierte Prüfungsprozesse (vgl. ebd., S.-80-98). Der Autor des vorliegenden Beitrags erinnert sich, dass er selbst Teil des Forschungsprojekts war, insofern, als die forschenden Kolleginnen mittels Beobachtungen und Hospitationen auch seinen Unterricht dafür genutzt haben, das Thema zu beforschen. Allein schon der daraus resultierende Erfahrungs‐ austausch und die Gespräche waren aus der Sicht des Autors hinsichtlich des eigenen Prüfungsverhaltens sowie der Prüfungskompetenz sehr gewinnbrin‐ Die Integration fachdidaktischer Projektergebnisse in den Sprachunterricht 45 <?page no="46"?> gend. Die Forschungsaktivitäten am eigenen Sprachunterricht erlebte dieser als eine große Bereicherung. Für Lehrende hat Unterrichten sehr oft den „Beigeschmack“ einer Einzelgänger: innentätigkeit, da man im Rahmen der Lehre auf sich allein gestellt zu sein scheint. Die Anwesenheit der Forscherinnen erweckte im Autor das Gefühl, einen sinnvollen und gemeinschaftlichen Beitrag für die Weiterentwicklung universitärer Sprachlernprozesse geleistet zu haben. Was die Studierenden bzw. Sprachenlernenden betrifft, so gab es zu Beginn und von Seiten des Autors die Sorge, wie diese auf die Anwesenheit der Forscherinnen reagieren würden, vor allem im Rahmen von mündlichen Prü‐ fungen. Es stellte sich heraus, dass diese Sorge unbegründet war. Durch die zuvor stattgefundene Erklärung des Forschungsprojekts und die forschenddistanzierte Haltung der Beobachterinnen, nahmen die zu Prüfenden diese im Prüfungsraum zum Teil nicht oder nur marginal wahr. Als Lehrender erlebte der Autor des vorliegenden Beitrags die handlungsorientierte Forschungstätigkeit der beiden Projektleitenden als sehr kompetent und vor allem als Bereicherung für den eigenen Unterricht. Was das eigene Vorgehen im Rahmen von Prüfungssituationen bzw. das Verhalten als Prüfungsperson betrifft, so nimmt der Autor des vorliegenden Beitrags nunmehr eine bewusstere und achtsamere Haltung, vor allem bei mündlichen Prüfungen, ein. War das Abhalten von mündlichen Prüfungen für diesen zuvor ein eher unangenehmer und notwendiger Teil der Sprachenlehre mit dem Ziel, zu einer passenden Abschlussnote zu gelangen, so erlebt er dies nun als einen wertvollen und abrundenden Moment des gesamten Sprach‐ lernprozesses. Er achtet mehr auf eine angenehme und Stress reduzierende Prüfungsatmosphäre, um so den Prüfungskandidat: innen Ängste nehmen zu können. Der Autor hat in seiner Rolle als Prüfender zudem auch eine empa‐ thischere Haltung den zu Prüfenden gegenüber entwickelt. Er achtet mehr darauf, wie selbstsicher oder nervös-ängstlich sich diese in der jeweiligen Prüfungssituation zeigen. Es wurde ihm bewusst, dass die erwachsenen Spra‐ chenlernenden individuelle Vorerfahrungen, was Prüfungssituationen betrifft, mitbringen. Ohne die Lernleistung außer Acht zu lassen, berücksichtigt er diese mehr als früher im Rahmen von mündlichen Prüfungsprozessen. Darüber hinaus hat das Forschungsprojekt dem Lehrenden Anlass dazu ge‐ geben, Lehrrollen bei Unterrichtsprozessen und eigene Lehrhaltungen zu reflek‐ tieren. Dieser hat darüber nachgedacht, wie Studierende bzw. Sprachenlernende ihn selbst in der Rolle des Prüfenden wahrnehmen. Er hat gelernt, innerhalb von mündlichen Prüfungssituationen zwar in einer distanziert-professionellen Haltung zu verbleiben, aber trotzdem wertschätzende und authentische Rück‐ meldungen zum Prüfungsverlauf zu geben. 46 Christian Hofer <?page no="47"?> Mündliches Prüfen erlebt er auch als eine Feedbacksituation, in welcher sich nicht nur Lernleistungen zeigen. Vielmehr geht es darum, rasch und unmittelbar auf diese zu reagieren, konstruktives Feedback zu geben und auf weitere Lern‐ perspektiven und Lernmöglichkeiten aufmerksam zu machen. Außerdem wurde dem Lehrenden wieder klar, welch ein emotionaler Akt Prüfungssituationen sein können. Als Lehrender befindet man sich zum Teil in seiner Arbeitsroutine und versucht, Prüfungen korrekt und effektiv durchzuführen. Die Freude, die ein positives Prüfungsergebnis, oder die Enttäuschung, die sich aus einer misslungenen Prüfung ergeben können, sind Teil des Prüfungsprozesses. Es ist Aufgabe der Lehrperson, mit derartigen Emotionen umgehen zu können. Um Emotionen geht es auch im nächsten Forschungsprojekt, welches der Autor des vorliegenden Beitrags in seine Reflexionen mit einbezieht. Halt durch psychologisches Grundlagenwissen - Wissen zum Thema Angst schafft Vertrauen Lisa Hammer hat sich in ihrem Projekt Angst beim Sprachenlernen. Didaktische Methoden zur Gestaltung einer angstfreien Unterrichtsatmosphäre mit dem The‐ menbereich Ängste in Sprachlernprozessen auseinandergesetzt (vgl. Hammer 2019a, S. 223-257). Sie ist der Frage nachgegangen, in welchen Situationen der Sprachenlehre die Studierenden bzw. Sprachenlernenden Angst empfinden und wie sich diese zeigt. In einem Leitfaden (Hammer 2019b) bietet sie Sprachlehrenden methodisch-didaktische Unterstützung zur Umsetzung einer angstfreien Lernatmosphäre an. Methodisch hat Lisa Hammer mit Fragebögen, Evaluierungen und Expert: innengesprächen gearbeitet. Für den Autor des vorliegenden Beitrags war die Bereitstellung des theoreti‐ schen Grundlagenwissens zum Themenbereich Angst aus psychologischer sowie neurodidaktischer Sicht äußerst hilfreich (vgl. ebd., S. 224-227). Das Konzept der Stimmungskongruenz, um ein Beispiel zu nennen, besagt, dass „Lernen mit po‐ sitiven Gefühlen und Interesse am Lerngegenstand zu einer qualitativ besseren Verarbeitung im Gehirn führt“ (ebd., S. 224). Daraus hat der Lehrende gelernt, noch viel mehr auf die Lernmotivation der Studierenden bzw. Sprachenlern‐ enden zu achten. Vor allem ist er darum bemüht, reflektierende Lernmomente in der Sprachenlehre, aber auch in seinen anderen Unterrichtsbereichen, zu fördern. Er hat erkannt, dass es sinnvoll sein kann, schulische oder vorange‐ gangene Sprachlernerfahrungen zu reflektieren, um neue, positive Sichtweisen auf die zu erlernende Sprache entwickeln und etwaige negativ konnotierte Einstellungen dazu relativieren zu können. Den Diskurs über persönliche Sprachlernprozesse anzuregen, kann also den persönlichen Lernerfolg steigern. Die Integration fachdidaktischer Projektergebnisse in den Sprachunterricht 47 <?page no="48"?> Nicht zuletzt deshalb war es dem Autor des vorliegenden Beitrags wichtig, um ein weiterführendes Beispiel zu nennen, Lehrveranstaltungen anzubieten, in welchen Studierende bzw. Lernende tiefgreifender über die eigene Sprach‐ lernbiographie und deren sprachliche Identität nachdenken (vgl. Hofer 2018, S. 19-30). Wie tief verankert Angst sein und sich auf den Lernerfolg auswirken kann, war eine wesentliche Erkenntnis für den Lehrenden im Reflexionsprozess. Aus diesem Grund achtet er, vor allem seit der Beschäftigung mit den vorlie‐ genden Projektergebnissen, im Sprachunterricht auf den Aspekt der Angst. In gewissen Phasen des Unterrichts nimmt der Lehrende eine eher zurückhaltende und beobachtende Rolle ein, indem er versucht zu erkennen, wie Studierende auf neue Lerninhalte reagieren bzw. welche Reaktionen neuer Lernstoff auslösen kann. Der Lehrende konnte beobachten, dass manche Lernende auf die Darbie‐ tung neuer Wissensbereiche gelassen und ruhig reagieren, sich zurücklehnen und für sich eine kurze Denk- oder Lernpause einlegen. Sie wirken zum Teil zwar erschöpft, aber man hat den Eindruck, dass sie mit ihrer persönlichen Wissensaufnahme zufrieden sind. Andere blättern nervös in ihren Unterlagen, Ratlosigkeit scheint ihnen ins Gesicht geschrieben zu sein und sie versuchen, Hilfe bei dem: der Sitznachbar: in zu erhalten. Gelegentlich kann es angebracht sein, ein persönliches Gespräch mit der betroffenen Person zu führen, um dieser Lerndruck zu nehmen bzw. diese dabei zu unterstützen, Lernängste abzubauen. Auch auf der gruppendynamischen Ebene ist das Thema Angst von beson‐ derer Bedeutung. Die Gehirnforschung besagt, dass gemeinsame Lernerfolge in Gruppen wahrscheinlicher sind, wenn sie in einer angstfreien Lernatmosphäre stattfinden. Tritt dies ein, sind Lernende auch eher dazu bereit, Lernherausfor‐ derungen anzunehmen (vgl. Böttger 2015, S. 57). Nicht zuletzt aus diesem Grund versucht der Lehrende für eine gute Gruppenatmosphäre zu sorgen, gerade dann, wenn die Studierenden bzw. Sprachenlernenden mit neuen Wissensge‐ bieten konfrontiert werden und zahlreiche Lerninhalte aufzunehmen oder zu verarbeiten haben. Ferner wird versucht in Situationen, in denen Lehrende selbst innerlich gestresst sind oder unter Zeitdruck leiden, nach Außen eine offene Art und Haltung zu wahren. Basierend auf persönlichen Erfahrungen kann vorausgestellt werden, dass in schriftlichen Evaluierungen der Kursteil‐ nehmer: innen oftmals die ruhige Lehrhaltung als Grund für eine entspanntere Unterrichtssituation und eine Verminderung des Lerndrucks genannt wird. Um infolgedessen für eine angstfreie Umgebung zu sorgen, wird Humor als didaktisches Mittel und zur Auflockerung eingesetzt. Zusätzlich ist für den Autor des vorliegenden Beitrags von Bedeutung, durch gezielten Methodeneinsatz eine angstfreie Lernumgebung zu schaffen. Auf der einen Seite ist es Sprachenlernenden sehr wichtig, Sicherheit in der 48 Christian Hofer <?page no="49"?> mündlichen Kommunikation zu entwickeln, auf der anderen Seite erzeugt in diesen gerade das Sprechen in der zu erlernenden Sprache Ängste. Oftmals steht die Befürchtung, Fehler zu machen oder im mündlichen Ausdruck nicht kompetent genug zu sein, dahinter. Aus diesem Grund ist es dem Lehrenden ein besonderes Anliegen, zum freien Ausdruck zu ermutigen, um so von einer Fehlervermeidungsdidaktik hin zu einer Fehlerermutigungsdidaktik (vgl. Hammer 2019a, S. 237) zu führen. Außerdem versucht er Sprechanlässe in der Großgruppe zu vermeiden und bietet - im Rahmen einer Unterrichtsstunde - immer wieder Sprechgelegenheiten in Kleingruppen an. Sodann wird das Sprechen in der Fremdsprache ein begleitender und wiederkehrender Teil des Fremdsprachenunterrichts. Denn auch Gewohnheit schafft Vertrauen. Bei Gruppenübungen und während des Unterrichts entscheidet der Lehrende außerdem sehr bewusst, in welchen Situationen er präsent ist und unterstützend agiert und in welchen er es für sinnvoller erachtet, sich zurückzuhalten und den Studierenden bzw. Sprachenlernenden Raum zur sprachlichen Entfaltung zu geben, ohne ihnen das Gefühl zu vermitteln, kontrolliert zu werden. Denn sehr oft haben diese von Lehrenden noch ein eher autoritär-kontrollierendes Bild, welches aus der Schulzeit herrührt, obwohl man als Lehrende: r selbst gerne auch als Lernbegleitende: r wahrgenommen werden möchte. Anlass zur Reflexion bezüglich der eigenen Lehrendenrollen hat auch der evaluierende Fachbeitrag von Daniela Unger-Ullmann gegeben. Lehren in Präsenz oder digital - aus Krisenzeiten Lernpotential schöpfen In ihrem Beitrag Präsenzlehre versus Fernlehre: Hochschuldidaktische Auswir‐ kungen der Covid-19-Maßnahmen am Beispiel von treffpunkt sprachen - Zentrum für Sprache, Plurilingualismus und Fachdidaktik (vgl. Unger-Ullmann 2021, S. 11- 48) setzte sich Daniela Unger-Ullmann auf detaillierte Weise und aus der Sicht der Zentrumsleiterin mit den Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die universitäre Sprachenlehre auseinander. Sie wählte dabei unter anderem eine auswertend-diskursive Zugangsweise, indem sie Evaluierungsergebnisse so‐ wohl von Sprachlehrenden als auch von Studierenden bzw. Sprachenlernenden kritisch beleuchtete. Ihre Ausführungen haben den Autor des vorliegenden Beitrags dazu veranlasst, den Wechsel von Präsenzzu Onlinelehre in dieser herausfordernden Zeit zu reflektieren. Des Weiteren war für diesen die Frage‐ stellung interessant, inwiefern sich daraus eine Veränderung im Lehrverhalten, aber auch in den Lernansprüchen von Seiten der Studierenden bzw. Sprachen‐ lernenden ergeben hat. Die Integration fachdidaktischer Projektergebnisse in den Sprachunterricht 49 <?page no="50"?> Durch die langjährigen Unterrichtserfahrungen im Bereich der Sprachen‐ lehre und die theoretisch-wissenschaftliche fach- und sprachendidaktische Beschäftigung hat sich für den Verfasser des Beitrags eine gewisse Arbeits‐ routine eingestellt. Es war relativ klar, was Sprachenlernende an der Hoch‐ schule, obwohl ein recht heterogenes Klientel (zum Thema Heterogenität in der Sprachenlehre vgl. Gsell-Rayeen 2022, S. 95-112), von einem: einer Sprachlehr‐ enden erwarten, wie z. B. eine kommunikative Ausrichtung des Unterrichts, Transparenz der Leistungsziele oder eine klare Strukturierung des Lehr- und Lerngeschehens. Onlinebzw. mediengestützter Unterricht war zwar seit vielen Jahren Teil der universitären Sprachenlehre, stand aber nicht im Zentrum des Lehrgeschehens. Moodle wurde als begleitende Online-Plattform angeboten, von Studierenden bzw. Sprachenlernenden aber nicht immer genutzt. Dies war vor allem dann der Fall, wenn sie das Gefühl hatten, in den Präsenzphasen genügend Betreuung zu erhalten. Der spontan notwendige Wechsel von Präsenzzu Onlinelehre im März 2020 hat einen Bruch in die vorherrschende Arbeitsroutine gebracht. Brauchte man sich zuvor nicht auf sehr tiefgehende Weise mit Online-Lehre und Medi‐ endidaktik zu beschäftigen, so war dies nun von einem Tag auf den anderen notwendig. Der Verfasser des Beitrags hatte zwar bereits durch seine beruflichen Vorerfahrungen mediendidaktisches Wissen gesammelt, doch reichte dieses aus seiner Sicht nicht aus, um einen herausragenden Online-Unterricht zu gestalten. Das Sommersemester 2020 kann deshalb als ein Krisensemester verstanden werden, in dem man mit vorhandenem Wissen und Ressourcen versuchte, die Sprachenlehre aufrechtzuerhalten. Doch Krisenzeiten tragen das Potential für Wissenserwerb, Weiterentwicklung und Neues in sich. Durch den Online-Unterricht, den es auch im darauffolgenden Wintersemester gab, erwarb der Lehrende wichtige mediendidaktische Kompetenzen, welche ihm auch im gegenwärtigen Präsenzunterricht sehr dienlich sind und den Unterrichtsalltag erleichtern. Lehrende, die Online-Unterricht anbieten, sind aus der Sicht des Autors zu einem großen Teil Mediendidaktiker: innen. Das bedeutet zum Beispiel, dass neben der Durchführung des Unterrichts an sich vor allem das technische Knowhow und die Vorbereitung der Lernumgebung von großem Stellenwert sind. Der Lehrende hatte zu lernen, vermehrt autonome Lernaufträge anzubieten und an das eigenverantwortliche Tun der Studierenden bzw. Sprachenlernenden zu appellieren. Und nicht immer war dieses Unterfangen von Erfolg gekrönt, was man an konkreten Lernergebnissen sah. Sehr hilfreich waren die zahlreichen praxisnahen Fortbildungen bzw. Webinare, welche von Seiten des treffpunkt sprachen angeboten wurden. Es war sehr motivierend zu sehen, als Lehrperson 50 Christian Hofer <?page no="51"?> nicht alleine im Boot zu sitzen, sondern in herausfordernden Zeiten begleitet zu werden. Der Erfahrungsaustausch mit anderen Sprachlehrenden war in dieser Zeit und auch danach eine enorme Erleichterung und Unterstützung für die Gestaltung der Lehre. Die Bewältigung von Unterrichtssituationen in der Corona-Pandemie war zwar schwierig und herausfordernd, trotzdem hat diese Zeit für den Lehrenden zur Erweiterung von Lehrkompetenzen geführt. Zum einen hat dieser jetzt mehr Sicherheit in seiner Arbeitsrolle als Mediendidaktiker und integriert in seine Lehre mehr mediengestützte Lerninhalte, zum anderen hat er einen achtsameren Umgang und überlegteren Zugang entwickelt, wenn es um die Konzeption von Lehrveranstaltungen geht. Es ist ihm klarer, in welchen Situa‐ tionen es zielführender ist, im Präsenzunterricht zu verbleiben, und wann es er‐ folgsversprechender zu sein scheint, Elemente der Online-Lehre zu integrieren. Deshalb bietet der Lehrende nunmehr auch Hybrid-Lehre an, um Abwechslung in das Lerngeschehen zu bringen, aber auch, um den Studierenden den Lern‐ prozess zu erleichtern. Für manche Lernsettings hat sich eine Kombination aus Präsenz- und Onlinelehre als sehr ergiebig erwiesen. Die Erweiterung der Lehrkompetenzen und der Ausbruch aus der Arbeitsroutine sind der Pandemie und der anschließenden Aufarbeitung zu verdanken. Zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Beitrags beschäftigt sich der Autor des vorliegenden Textes mit den geänderten Lernbedürfnissen der Studierenden bzw. Sprachenlernenden, die sich aus der Corona-Pandemie und dem Rückzug in die heimischen Wände und vor die Bildschirme ergeben haben. Ihm fällt auf, dass diese zum Sprachenlernen und für ein erfolgreiches Abschließen mehr motiviert werden müssen als zuvor. Außerdem sind die Lernanliegen, in der Fremdsprache sprechen zu können, und die Förderung der kommunikativen Kompetenzen noch präsenter als vor der Pandemie. Der geforderte Rückzug hat zum Bedürfnis nach neuerlichen sozialen Aktivitäten, zum Austausch un‐ tereinander und auch zum Wunsch, wieder zu reisen, geführt. Eine Motivation für das Sprachenlernen scheint mehr denn je der Erwerb kommunikativer Skills zu sein. Forschendes Lernen als integrativer Bestandteil hochschuldidaktischer Lehre Der Autor hat im Rahmen seines achtsamen Reflexionsprozesses nicht nur erkannt, in seiner Arbeit vermehrt Mediendidaktiker zu sein, ihm wurde darüber hinaus bewusst, inwiefern das Forschen selbst ein fundamentaler Teil seiner Lehrtätigkeit ist. Dies wurde ihm im Zuge seines Forschungsprojekts Die Integration fachdidaktischer Projektergebnisse in den Sprachunterricht 51 <?page no="52"?> zum Thema Kollegiales Hospitieren klar. In seinem fachdidaktischen Projekt Kollegiales Hospitieren und Beraten hat dieser über mehrere Studienjahre hinweg Unterrichtshospitationen, welche Teilnehmende der Modulreihe Sprachenlernen mit Erwachsenen zu absolvieren haben, in mündlicher und schriftlicher Form evaluiert. Die Evaluierungsergebnisse wurden in seinem Beitrag Lernenden‐ zentriertes Hospitieren im universitären Sprachunterricht - das Grazer Modell besprochen und in einen sprachensowie hochschuldidaktischen Zusammen‐ hang gestellt (vgl. Hofer 2022, S.-49-70). Über mehrere Jahre hinweg hat der Autor evaluierende Forschung zum beschriebenen Thema betrieben. Die forschenden Tätigkeiten waren bereits so stark im Lehrgeschehen verankert, dass es diesem zum Teil selbst nicht immer bewusst war, in welchen Unterrichtssituationen lehrendes Handeln und in welchen Lehrbereichen forschendes Handeln stattfand. Im Rahmen seiner achtsam-introspektiven Reflexionsprozesse wurde ersichtlich, wie stark fachdidaktische Forschung im Lehrgeschehen verankert ist. Lehren und Forschen können ineinander übergehen, sodass deren Grenzen verschwimmen. Dies hat dazu geführt, noch tiefgehender über das eigene Rollenverständnis als univer‐ sitärer Sprachlehrender nachzudenken. In welchen Unterrichtssituationen ist dieser Lehrender? In welchen sieht er sich eher als Forschenden? Im konkreten Fall geht es am Ende der einjährigen Modulreihe von Spra‐ chenlernen mit Erwachsenen darum, Praktikums- und Hospitationserfahrungen gemeinsam zu reflektieren. Gerade die gemeinsame Reflexion, die Teil des wissenschaftlichen Erkenntnisprozesses war sowie Teil der Lehrveranstaltung an sich ist, beweist die Verwobenheit von forschenden und lehrenden Elementen in hochschuldidaktischen Unterrichtskonzeptionen. Für den Autor war es über die Jahre hinweg selbstverständlich, forschende Lehrhaltungen einzunehmen. Erst die distanzierte Selbstbetrachtung zeigte ihm noch deutlicher, in welchen Unterrichtssituationen er eher Lehrender war und in welchen er aus der forschenden Position heraus agierte. Im Zusammenhang mit seinen persönlichen Unterrichts- und Forschungsre‐ flexionen hat er sich wiederum mit theoretischen Aspekten und Charakteristika der Aktionsforschung auseinandergesetzt. Er wollte prüfen, inwiefern sich theo‐ retische Konzepte, was methodische Zugänge zu fachdidaktischer Forschung betrifft (vgl. Hofer 2015, S. 28-55), in der konkreten Praxis wiederfinden. Er hat festgestellt, dass grundlegende Aspekte der Aktionsforschung, wie etwa die Forschung der Betroffenen, Fragestellungen aus der Praxis, Veröffentlichung von Praktiker: innenwissen und vor allem das In-Beziehung-Setzen von Aktion und Reflexion (vgl. ebd., S.-35) Teil seiner forschenden Arbeit sind. 52 Christian Hofer <?page no="53"?> Durch das stetige Einnehmen einer forschenden Haltung und den kontinuier‐ lichen Einbezug der Rückmeldungen hat sich, um auf das konkrete Forschungs‐ projekt zurückzukommen, ein Konzept zum Kollegialen Hospitieren entwickelt, welches am treffpunkt sprachen und innerhalb der Modulreihe Sprachenlernen mit Erwachsenen zum Einsatz kommt. Zum einen hat sich gezeigt, welch großes Lernpotential durch das Beobachten konkreter Unterrichtssituationen im Konzept der Kollegialen Hospitation steckt. Zum anderen haben sich Detail‐ erkenntnisse offenbart, welche der Lehrende nunmehr verstärkt berücksichtigt. Es ist zum Beispiel sinnvoll, Hospitationen auch in fachfremden Sprachkursen zu besuchen, da man dann dazu geneigt ist, das Augenmerk der Beobachtungen auf breitere didaktische Felder der Unterrichtsgestaltung zu legen, wie auf die Gruppendynamik unter den Studierenden bzw. Sprachenlernenden oder auf den Lehrauftritt der Lehrperson. Das Projekt Kollegiales Hospitieren und Beraten hat dem Autor gezeigt, dass Forschung und forschendes Lernen ein integrativer und lernbegleitender Bestandteil von universitären Unterrichtsprozessen sind und dass die Grenzen zwischen der Lehrendenrolle und der forschenden Position fließend sein können. Der vielfältige Sprachlernprozess - verschiedene Generationen lernen mit- und voneinander Dass fachdidaktische Forschung und forschendes Lernen integrativer Bestand‐ teil der universitären und sprachenbezogenen Lehre sind, zeigt auch das Projekt Intergenerationelles Sprachenlernen. Wie Generationen im Fremdsprachenunter‐ richt von- und miteinander lernen (vgl. Bindar 2022, S. 137-168). Ausgehend von der Tatsache, dass Fremdsprachenkurse in der Erwachsenenbildung und im hochschulischen Bereich von Vielfalt und Heterogenität geprägt sind, auch was die Altersstruktur von Sprachenlernenden betrifft, beschäftigte sich Bindar mit dem intergenerationellen Sprachenlernen. Wie zuvor formuliert, bietet treffpunkt sprachen seit mehr als zehn Jahren die Modulreihe Sprachenlernen mit Erwachsenen an, um die daran Teilnehmenden auf die Arbeit als Sprachlehrende sowohl in der Erwachsenenbildung als auch an der Hochschule vorzubereiten. Forschendes und wissenschaftliches Arbeiten haben in dieser Modulreihe über ein ganzes Studienjahr hinweg einen wesentlichen Stellenwert. Die Teilnehmenden beschäftigen sich über die Lehrinhalte hinaus mit einem selbst gewählten Forschungsthema. Mit Unterstützung der Lehrpersonen (im Rahmen der Modulreihe gibt es eine eigene schreibdidaktische Begleitung in Form einer Lehrveranstaltung) verfassen die Teilnehmer: innen eine eigenständige Abschlussarbeit. Die Integration fachdidaktischer Projektergebnisse in den Sprachunterricht 53 <?page no="54"?> Dabei ist es für den Lehrenden immer wieder eine bereichernde Lehrerfah‐ rung, die Teilnehmenden innerhalb ihrer forschenden Lernprozesse zu begleiten und gemeinsam mit diesen Arbeitsthemen auszuloten. Umso ertragreicher für die Weiterentwicklung des fachdidaktischen Forschungsbereichs ist es, wenn Absolvent: innen der Modulreihe ihre Abschlussarbeiten dazu heranziehen, um fortführende fachdidaktische Projekte zu entwickeln und durchzuführen. Sie leisten so einen wichtigen Beitrag, um das fachdidaktische Profil am treffpunkt sprachen zu stärken. In seinem introspektiven Reflexionsprozess wurde dem Autor des vorliegenden Beitrags noch stärker bewusst, welch breite Entwick‐ lungsmöglichkeiten Lehrkonzepte bieten, die forschendes und entdeckendes Lernen fördern. Lehrende und Forschende Sarah Bindar liefert hierfür eines von mehreren herausragenden Beispielen. Ausgangspunkt ihres Forschungsprojekts waren Themenschwerpunkte, wie das lebenslange oder lebensbegleitende Sprachen‐ lernen, die innerhalb der Modulreihe besprochen werden. Auf diesen Grund‐ lagen aufbauend hat sie ihren weiteren Forschungsweg beschritten. Sarah Bindars theoretische und praktische Ausführungen sind für den Lehrenden in der eigenen Sprachenlehre überaus hilfreich. Seitdem er sich mit Konzepten zum intergenerationellen Sprachenlernen beschäftigt hat, achtet er noch viel bewusster auf die Altersstruktur in seinen Sprachkursen und versucht so, die Teilnehmenden bestmöglich und individueller beim Sprachenlernen zu unterstützen. Am Beginn eines Sprachkurses steht das Kennenlernen der persönlichen Lernbiographie der entsprechenden Sprachenlernenden im Fokus, wobei in Erstgesprächen folgende Fragestellungen fokussiert werden: Wie lern- und testgewohnt sind die älteren Sprachenlernenden? Wie viel Zeit haben diese zum Sprachenlernen zur Verfügung? Er hat die Erfahrung gemacht, dass auch unter älteren Sprachenlernenden ein ausgeprägtes Maß an Heterogenität herrscht. Für manche Teilnehmenden scheint es lernmotivierend und ein Ansporn zu sein, gemeinsam mit jungen Erwachsenen Sprachen zu lernen. Andere tendieren dazu, sich mit lerngewohnteren Studierenden zu vergleichen, sodass dies zu‐ sätzlich etwaige Lernhemmungen forciert. Nicht immer ist es dem Lehrenden in zufriedenstellendem Maße gelungen, den älteren Sprachenlernenden biogra‐ phisch bedingten Lerndruck zu nehmen. Es kam bereits vor, dass diese den Sprachkurs sehr frühzeitig abgebrochen haben, da sie zu wenig an das eigene Lernpotential glaubten. Methodische Strategien, die der Lehrende bislang und aufgrund seiner praktischen Erfahrungen angewandt hatte, konnte dieser - aufgrund der Er‐ kenntnisse im Forschungsprojekt - adaptieren und professionalisieren. Die 54 Christian Hofer <?page no="55"?> Projektergebnisse haben ihm geholfen, neue Strategien in altersheterogenen Sprachlerngruppen zu erproben und zu entwickeln. Vor allem die von Bindar angeführten Konzepte des Voneinander-Lernens, des Miteinander-Lernens und des Übereinander-Lernens (vgl. ebda., S. 142) waren für ihn im intergeneratio‐ nellen Zusammenhang eine große Unterstützung. Das Forschungsprojekt er‐ möglichte eine tiefgreifende Auseinandersetzung mit den Zielgruppen univer‐ sitärer Sprachkurse. Projekte zur hochschul- und sprachendidaktischen Weiterentwicklung Als Hochschul- und Sprachendidaktiker ist dem Autor des vorliegenden Bei‐ trags nicht nur die Weiterentwicklung der eigenen Lehrkompetenzen wichtig; auch Forschungsaktivitäten, die die Entwicklung des gesamten Sprachenzen‐ trums forcieren und das bestehende Zusatzangebot für Sprachenlernende und Studierende untersuchen, sind für ihn von Interesse und Teil seiner reflektie‐ renden Betrachtung. Als eines dieser Beispiele kann das von Martina Dubaniovski durchgeführte Projekt TandemEvaluationsProjekt (vgl. Dubaniovski 2021, S.-113-140) genannt werden. Im Zentrum der evaluierenden Studie standen dabei die am treffpunkt sprachen stattfindenden Sprachlernpartnerschaften, die ein zusätzliches Lernan‐ gebot für Sprachkursteilnehmende darstellen. Dubaniovski hat organisatorische Aspekte, die Sprachlerntandems betreffen, untersucht. Aber auch konkrete Lernergebnisse der daran Teilnehmenden waren für die Forscherin von Bedeu‐ tung. Es hat sich unter anderem gezeigt, dass Tandem-Lernpartnerschaften zum großen Teil für die Verbesserung der Sprachkompetenz und zur Optimierung der Aussprache herangezogen werden. In Sprachkursen mit hohen Teilnehmen‐ denzahlen ist es für Sprachlehrende oft schwer oder gar nicht möglich, auf alle Lernbedürfnisse gleichermaßen einzugehen. Deshalb sind zusätzliche Lernan‐ gebote, die das autonome, eigenverantwortliche und selbstregulierte Lernen fördern, absolut begrüßenswert. Für den Lehrenden ist es erleichternd, vor allem hinsichtlich der Vielfalt, die in Sprachkursen herrscht, auf ein derartiges Zusatzangebot verweisen zu können und Lernangebote zu machen, die das eigene Unterrichtskonzept ergänzen. Als eine ähnliche Unterstützung für Lehrende kann das fachdidaktische Projekt SprachLernBegleitung angesehen werden (vgl. Hofer 2019, S. 45-64). Im Rahmen individueller Coachings werden Studierende und Sprachenlernende hinsichtlich ihrer Lernanliegen von erfahrenen Sprachlehrenden, die sich im Bereich der Beratung fortgebildet haben, begleitet. Vor allem die Themenstel‐ Die Integration fachdidaktischer Projektergebnisse in den Sprachunterricht 55 <?page no="56"?> lungen Organisation des Lernprozesses, Anwenden von passenden Lernstrategien und Lernmotivierung stehen dabei oftmals im Mittelpunkt der Beratungsge‐ spräche. Wie aus den vorigen Schilderungen hervorgegangen ist, ist es für den Sprachlehrenden nicht immer ein leichtes Unterfangen, die Lernanliegen aller Studierenden und Sprachenlernenden in gleichem Maße zu erfüllen. Oftmals sind diese nicht damit vertraut, über ihre eigenen Lernstrategien und das persön‐ liche Lernverhalten nachzudenken. Aus diesem Grund ist der Lehrende überaus dankbar, dass er mit diesem fachdidaktischen Projekt das beratende Lernen fördern und individuelle Lernanliegen durch dieses Beratungsangebot auslagern kann. Es sei zu ergänzen, dass es immer wieder eines gewissen Erklärungs- und Gesprächsaufwands bedarf, um Studierende und Sprachenlernende zur In‐ anspruchnahme einer SprachLernBegleitung zu motivieren. Denn diese geht mit der (zeitlichen) Bereitschaft einher, sich mit sich selbst und dem persönlichen Zugang zum Sprachenlernen zu beschäftigen. Dass diese nicht immer gegeben ist, zeigt dem Lehrenden die Grenzen des eigens entwickelten Beratungsformats auf. Nichtsdestotrotz sind individuelle Beratung und Begleitung gerade an der Hochschule und im Rahmen hochschuldidaktischer Konzepte begrüßenswerte Lernformate, da diese als Teil des didaktischen Handlungsdreiecks Lehren - Forschen - Beraten, welches zu Beginn dargestellt wurde, betrachtet werden können. Abschließende Betrachtungen und reflektierende Perspektiven für Sprachlehrende Ziel des Beitrags war es, auf ausgewählte fachdidaktische Forschungsprojekte des treffpunkt sprachen einzugehen und deren Niederschlag sowie die Rein‐ tegration in die universitäre Sprachenlehre zu besprechen. Achtsamkeit als Lehrkompetenz sowie das fachdidaktische Handlungsdreieck Lehren - Forschen - Beraten waren dabei die beiden Ausgangspunkte der reflektierenden Be‐ trachtungen. Aus diesen Betrachtungen heraus lassen sich Fragestellungen für Sprachlehrende formulieren, die ebenso Anlass zur achtsamen Selbstre‐ flexion sein können. Sie können als Impulse gesehen werden, um über die Entwicklung der eigenen Lehrkompetenzen nachzudenken. Erkenntnisse aus fachdidaktischen Forschungsprojekten bieten so - über die Integration in den Sprachunterricht hinaus - die Möglichkeit, das eigene Unterrichtsverhalten kritisch zu beleuchten. Das fachdidaktische Forschungsprojekt Lernenden-, kompetenz- und hand‐ lungsorientiertes Beurteilen und Bewerten in der universitären Sprachenlehre hat zum einen gezeigt, wie nachhaltig, abwechslungsreich und sinnstiftend es sein 56 Christian Hofer <?page no="57"?> kann, den eigenen Sprachunterricht sowie sich selbst als „Forschungsobjekt“ zur Verfügung zu stellen. Forschungsaktivitäten machen Unterricht vor allem als „wertvolle Teamarbeit“ begreifbar. Zusätzlich werfen die Erkenntnisse des besprochenen Projekts Reflexionsfragen zum eigenen Prüfungsverhalten als Lehrperson und zur persönlichen Prüfungskompetenz auf: • Wie viel Zeit nehme ich mir für die Vorbereitung von schriftlichen und mündlichen Prüfungen bzw. wie viel Zeit kann ich dafür aufbringen? • Weise ich im Rahmen von mündlichen Prüfungen, die mit Stress und Angst verbunden sein können, genügend Empathie gegenüber den zu Prüfenden auf ? • Gelingt es mir, mich gut genug abzugrenzen und vermag ich es, in meiner Rolle als Prüfungsperson zu bleiben? • Wie erlebe ich mich selbst als Prüfungsperson in derartigen Unterrichtssi‐ tuationen? • Verwende ich mündliche Prüfungen auch als Setting, um Feedback einzu‐ holen oder Rückmeldungen zu geben? • Wie gehe ich damit um bzw. reagiere ich auf emotionale Reaktionen von Studierenden, die zum Beispiel eine Prüfung nicht bestanden haben? Die Überlegungen zum fachdidaktischen Forschungsprojekt Angst beim Spra‐ chenlernen. Didaktische Methoden zur Gestaltung einer angstfreien Unterrichts‐ atmosphäre haben verdeutlicht, wie ertragreich theoretisches und fachliches Wissen für die eigene Sprachenlehre sein können. Zusätzlich hat sich her‐ ausgestellt, dass die Reflexion des Lernverhaltens und die Berücksichtigung vorangegangener Erfahrungen zur Entfaltung eines gestärkten Selbstbilds als Sprachenlernende: r beitragen können. Folgende Reflexionsfragen ergeben sich daraus für Sprachlehrende: • In welchen Unterrichtssituationen erlebe ich mich als aktiv und eher im Zentrum des Lehr- und Lerngeschehens? • Wann halte ich mich zurück und nehme eine beobachtende Rolle ein? Aus welchen Gründen? • Verfüge ich aus meiner Sicht über genügend Wissen zum Thema Emotionen und Angst im Sprachenlernen? • Fördere ich in meinem Unterricht das reflektierende Sprachenlernen und rege ich dazu an, über das eigene Lernen nachzudenken? • Wie gehe ich mit dem Thema Fehler im Unterricht um? • Wähle ich Lehrmethoden, die zu einer angstfreien Lernumgebung bei‐ tragen? Die Integration fachdidaktischer Projektergebnisse in den Sprachunterricht 57 <?page no="58"?> Durch das evaluierende Projekt Präsenzlehre versus Fernlehre: Hochschuldidak‐ tische Auswirkungen der Covid-19-Maßnahmen am Beispiel von treffpunkt spra‐ chen - Zentrum für Sprache, Plurilingualismus und Fachdidaktik wurden die weitreichenden Folgen der Corona-Pandemie auf den universitären Sprachun‐ terricht verdeutlicht. Die abrupte Umstellung von Präsenzauf Fernlehre war zwar herausfordernd, aber dennoch hatte sich Potential zur Erweiterung der Lehrkompetenzen - etwa im mediendidaktischen Bereich - gezeigt. Folgende Fragestellungen ergeben sich aus dem introspektiven Reflexionsprozess des Autors: • Wie habe ich mich selbst in dieser Zeit als Lehrperson wahrgenommen und erlebt? • Welche Herausforderungen haben sich für mich ergeben? • Welche Kompetenzen habe ich erworben? • Integriere ich verstärkt mediengestützte Lernelemente in meinen Sprach‐ unterricht? Das Forschungsprojekt Lernendenzentriertes Hospitieren im universitären Sprachunterricht hat gezeigt, dass forschendes Lernen integrativer Bestandteil von Sprachlernprozessen und didaktisch orientierten Lernsettings sein kann. Lernen und Forschen können ineinander übergehen. Aus den Erkenntnissen des Forschungsprojekts ergeben sich für Sprachlehrende folgende Reflexionsfragen: • Sehe ich mich im Rahmen meiner Sprachlehre auch als forschende Person? Inwiefern? • Fördere ich in meinem Unterricht entdeckende und forschende Lernpro‐ zesse? • Welche persönlichen Erfahrungen habe ich mit dem Thema Hospitieren und Unterrichtsbeobachtung? • Welche Forschungsfragen würden sich aus meinem aktuellen Sprachunter‐ richt herausfiltern lassen? Das Projekt Intergenerationelles Sprachenlernen. Wie Generationen im Fremdspra‐ chenunterricht von- und miteinander lernen hat vor allem gezeigt, welche Ent‐ wicklungsmöglichkeiten forschungsbasierter Unterricht für Lernende bieten kann. Die Beschäftigung mit konkreten Lerninhalten kann Forschungsinter‐ essen wecken, sodass Lernende selbst wertvolle Forschungstätigkeiten über‐ nehmen. Darüber hinaus wurde durch das ausgewählte fachdidaktische Projekt einmal mehr deutlich, dass sich Sprachunterricht, Hochschullehre und Erwach‐ senenbildung durch Vielfalt - auch, was das Alter von Sprachenlernenden 58 Christian Hofer <?page no="59"?> betrifft - auszeichnet. Für Sprachlehrende ergeben sich folgende reflektierende Fragestellungen: • Achte ich in meinem Sprachunterricht auf verschiedene Altersgruppen? • Wie gehe ich methodisch-didaktisch vor, um alle Teilnehmenden aktiv an Lehr- und Lernprozessen teilhaben zu lassen? • Prüfe und beurteile ich ältere Sprachenlernende auf die gleiche Art und Weise wie jüngere Sprachenlernende? • Wie erlebe ich persönliche Reifungsprozesse an mir selbst und das „Älter- Werden“ als Lehrperson? Habe ich mich im Laufe der Zeit verändert und inwiefern? Die fachdidaktischen Projekte TandemEvaluationsProjekt und SprachLernBeglei‐ tung betonen vor allem den Stellenwert von autonomen, eigenverantwortlichen und selbstregulierten Sprachlernprozessen. Unterschiedliche Lernmotivationen und Lernstile machen es universitären Sprachlehrenden beinahe unmöglich, auf alle Sprachenlernenden gleichermaßen einzugehen, weswegen zusätzliche Lernangebote und persönliche Beratungsangebote eine wertvolle Lernbereiche‐ rung sein können. In diesem Zusammenhang können sich Sprachlehrende fragen: • Kann ich in meinem Sprachunterricht auf autonome und selbstregulierte Zusatzangebote verweisen? • Rege ich selbstständiges Sprachenlernen an, welches über meinen Sprach‐ kurs hinausgeht? • Vermittle ich Sprachenlernenden Strategien zum autonomen Weiterlernen? • Achte ich auf ein „Sprachenlernen danach“ (etwa nach einem Sprachkurs)? • Wende ich beratende Elemente als Lernunterstützung in meiner Sprachen‐ lehre an? Der achtsame Reflexionsprozess bezüglich der Integration der fachdidaktischen Forschungserkenntnisse in die universitäre Sprachenlehre war für den Autor des vorliegenden Beitrags sehr ertragreich und ergiebig. Er hat gezeigt, in welche Bereiche des sprachendidaktischen Tätigkeitsspektrums diese nach‐ haltig einwirken. Außerdem bot sich dadurch die Möglichkeit, die eigenen Lehrrollen und die persönliche Weiterentwicklung zu beleuchten. Es hat sich auch gezeigt, welch große Unterstützung fachdidaktische Forschungsprojekte in methodisch-didaktischer Hinsicht und für die Gestaltung der eigenen Lehre sind. Deshalb ist es dem Autor des vorliegenden Beitrags ein überaus großes Anliegen, allen Forschenden der Abteilung Fachdidaktik des treffpunkt sprachen für ihre wertvolle Arbeit ein „Herzliches Dankeschön! “ zukommen zu lassen. Die Integration fachdidaktischer Projektergebnisse in den Sprachunterricht 59 <?page no="60"?> Literatur Bindar, Sarah (2022): Wie Generationen von- und miteinander am Beispiel einer Fremd‐ sprache lernen. In: Hofer, Christian/ Leitner, Bettina/ Unger-Ullmann, Daniela (Hrsg.) Sprachenlernen mit Erwachsenen II. Heterogenität und didaktische Dimensionen. Graz: Leykam - Grazer Universitätsverlag, S.-137-168. Böttger, Barbara (2015): Wie lernen wir? Neurowissenschaftliche Erkenntnisse und ihre Konsequenzen für den Unterricht - Versuch einer Umsetzung. 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Tübingen: Narr Francke Attempto. Unger-Ullmann, Daniela/ Hofer, Christian (Hrsg.) (2021): Forschende Fachdidaktik III. Prozessveränderungen in der universitären Sprachenlehre. Tübingen: Narr Francke Attempto. Unger-Ullmann, Daniela/ Hofer, Christian (Hrsg.) (2024): Forschende Fachdidaktik IV. Sprachenlernen im Kontext gesellschaftlicher Transformation. Tübingen: Narr Francke Attempto. Unger-Ullmann, Daniela (2015): Zur Situation des forschungsbasierten Fremdsprachen‐ unterrichts und seiner Umsetzung am treffpunkt sprachen - Zentrum für Sprache, Plurilingualismus und Fachdidaktik. In: Unger-Ullmann, Daniela/ Hofer, Christian (Hrsg.) Forschende Fachdidaktik. Projektergebnisse. Tübingen: Narr Francke Attempto, S.-9-28. Unger-Ullmann, Daniela (2021): Präsenzlehre versus Fernlehre: Hochschuldidaktische Auswirkungen der Covid-19-Maßnahmen am Beispiel von treffpunkt sprachen - Zentrum für Sprache, Plurilingualismus und Fachdidaktik. In: Unger-Ullmann, Da‐ niela/ Hofer, Christian (Hrsg.) Forschende Fachdidaktik III. Prozessveränderungen in der universitären Sprachenlehre. Tübingen: Narr Francke Attempto, S.-11-48. Die Integration fachdidaktischer Projektergebnisse in den Sprachunterricht 61 <?page no="62"?> Abbildungen Abbildung 1: Diese Graphik wurde vom Autor erstellt. Abbildung 2: Harrer, Michael (2020): Was ist Achtsamkeit? https: / / www.achtsamleben.a t/ was-ist-achtsamkeit/ [23.03.2023]. 62 Christian Hofer <?page no="63"?> Führung im virtuellen und interkulturellen Kontext - Chancen und Herausforderungen für universitäre Sprachenzentren in Österreich Serena Comoglio Der vorliegende Beitrag bietet einen Überblick über die Ergebnisse des For‐ schungsprojekts Führung im virtuellen und interkulturellen Kontext - Chancen und Herausforderungen für universitäre Sprachenzentren in Österreich. Im Fokus stehen dabei zum einen der Einfluss virtueller Kommunikation auf den Führungsprozess unter Berücksichtigung der besonderen Situation an universitären Sprachenzentren und der dort angebotenen Dienstleistungen sowie zum anderen die sich daraus ergebenden Konsequenzen für die Füh‐ rungsarbeit. Zu diesem Zweck wird zunächst der aktuelle Stand der Literatur zu virtueller und interkultureller Führung dargestellt und in Bezug zur Realität an universitären Sprachenzentren in Österreich gesetzt. Anschlie‐ ßend werden die Ergebnisse der leitfadengestützten Interviews, die mit den Leiter: innen dieser Zentren durchgeführt wurden, präsentiert. Dabei stand die Frage im Mittelpunkt, inwieweit virtuelle Kommunikation bei der pandemiedingten Umstellung auf Fernlehre eine Herausforderung darstellte und wie die Führungskräfte mit dieser umgingen. Auf Grundlage der Erkennt‐ nisse aus der Fachliteratur und den Interviews wird schließlich reflektiert, wie die Zentrumsleiter: innen angesichts künftiger Formen der Arbeit in ihrem Führungsalltag in einem virtuellen bzw. hybriden und interkulturellen Umfeld besser unterstützt werden könnten. Der Beitrag ist insbesondere für all jene interessant, die eine aktuelle und tiefergehende Analyse der Mehrdimensionalität von Virtualität im Kontext interkultureller Führung und Sprachvermittlung suchen. <?page no="64"?> Ausgangslage Während der Corona-Krise wechselten sich Phasen der Präsenzlehre und der Fernlehre an universitären Einrichtungen ab. Auf organisatorischer Ebene stellte die damit verbundene Virtualität nicht nur eine bedeutende Heraus‐ forderung für die Führungskräfte dar, sondern erforderte gleichermaßen ein anderes Verständnis ihrer Aufgabe und Rolle. Denn im virtuellen, digitalisierten Arbeitsumfeld lösen sich vermehrt feste organisationale Strukturen auf bzw. läuft die Kommunikation überwiegend über andere (digitalisierte) Kanäle. Das Forschungsprojekt Führung im virtuellen und interkulturellen Kontext - Chancen und Herausforderungen für universitäre Sprachenzentren in Österreich setzt an dieser Ausgangssituation an und konzentriert sich auf den Einfluss der virtuellen Kommunikation auf den Führungsprozess mit Blick auf die besonderen kommunikationstechnischen Umstände bei den interviewten Spra‐ chenzentren. Ein wichtiger Aspekt ist dabei die virtuelle Zusammenarbeit. Diesbezüglich weist die einschlägige Literatur auf die damit verbundenen Problemfelder, wie u. a. die Herausforderungen der virtuellen Mitarbeiter: innenführung, mo‐ tivationale Probleme sowie eine fehlende Bereitschaft zu Engagement und Vertrauen im Team, hin. Auch die Koordination der Arbeitsprozesse wird dadurch intensiver, weil damit ungeplante und informelle Zusammentreffen seltener stattfinden (vgl. Kerschreiter, 2017, S. 46). Zudem zeigt sich die virtuelle Kommunikation beispielsweise anfällig für Kommunikationsfehler. Es kommt zu einer Ungleichverteilung bzw. zu Differenzen bei der Gewichtung von Infor‐ mationen, unterschiedlichen Vorstellungen bezüglich Zeit und Geschwindigkeit sowie zu Schwierigkeiten bei der Interpretation von „Kommunikationsstille“. All dies sind erhebliche Störfaktoren im Rahmen der Zusammenarbeit, da das Vertrauen zwischen den verschiedenen Akteuren in hohem Maße auf eine korrekte Zuschreibung („Attribution“) des Verhaltens und der Resultate der Arbeit angewiesen ist (vgl. Hertel, 2013, S.-168). Vor diesem Hintergrund gewinnt die Reflexion über die Besonderheiten der virtuellen Kommunikation sowie die spezifischen Empfindlichkeiten und Freiheitsgrade an österreichischen universitären Sprachenzentren zusätzlich an Gewicht. Dies liegt zum einen an der interkulturellen Vielfalt, die diesen Organi‐ sationen innewohnt, zum anderen hat der Wechsel in den virtuellen Raum auch das angebotene Dienstleistungsprodukt (Sprachunterricht) erheblich verändert, da der Unterricht vermehrt auf technisch gestützter Kommunikation beruht und nicht mehr ausschließlich auf räumlich-physischen Erfahrungen. 64 Serena Comoglio <?page no="65"?> Beschreibung des Projekts und der Forschungsmethoden Im vorliegenden Forschungsprojekt wurde untersucht, welche Chancen und Herausforderungen sich bei der virtuellen Führung von Organisationsmitglie‐ dern und interkulturellen Teams an österreichischen universitären Sprachen‐ zentren während und nach der Corona-Pandemie ergeben haben. Besonderes Augenmerk lag dabei auf dem multidimensionalen Einfluss der Virtualität in diesem spezifischen Untersuchungsfeld. Dies bedeutet, dass die pandemie‐ bedingte Virtualität die Führung herausforderte, da einerseits Organisations‐ mitglieder mit möglicherweise unterschiedlichen kulturellen Hintergründen optimal gesteuert werden mussten und andererseits eine interkulturelle Leis‐ tung (Sprachvermittlung) angeboten werden sollte, die nicht mehr in Präsenz, sondern im virtuellen Raum stattfinden musste. Im Fokus des Projekts standen daher folgende Fragestellungen: • Welche theoretischen Konstrukte zur Führung im virtuellen und interkul‐ turellen Kontext liegen vor? • Wie wirkt sich die virtuelle Kommunikation auf die Führungsarbeit und die Sprachvermittlung an den österreichischen universitären Sprachenzentren aus? • Inwieweit werden die Einflussfaktoren in Bezug auf die Führung im vir‐ tuellen und interkulturellen Kontext an österreichischen universitären Sprachenzentren berücksichtigt? Methodisch gesehen wurde in einem ersten Schritt eine Literaturrecherche und -analyse zum aktuellen Stand der Diskussion zur virtuellen und interkulturellen Führung durchgeführt. In diesem Zusammenhang ging es insbesondere darum, zu überprüfen, welche theoretischen Erkenntnisse auf den Führungsalltag an den universitären Sprachenzentren übertragbar sind. Nach der Festlegung des theoretischen Rahmens erfolgte in einem zweiten Schritt die Erhebung der qualitativen Daten mittels leitfadengestützter Ex‐ pert: inneninterviews nach Mayring (siehe Leitfaden im Anhang). Als Ex‐ pert: innen wurden sieben Leiter: innen von Sprachenzentren herangezogen. Die involvierten Sprachenzentren umfassen sowohl Institute, die Mitglied des Verbands universitärer Sprachenzentren und -institutionen (VUS) sind, als auch andere Spracheninstitute, die in den Bereichen Sprachendidaktik, Sprachlehr- und -lernforschung in Österreich tätig sind. Es wurde auf eine möglichst breite Streuung geachtet und ein: e Leiter: in bzw. max. zwei pro Bundesland ausgewählt. Führung im virtuellen und interkulturellen Kontext - Chancen und Herausforderungen 65 <?page no="66"?> Auf Basis der gesamten Forschungserkenntnisse wurde reflektiert, wie angesichts künftiger Formen der Arbeit die Zentrumsleiter: innen in ihrem Führungsalltag im virtuellen bzw. hybriden und interkulturellen Kontext noch besser unterstützt werden könnten. Die gewonnenen Informationen aus der Forschungsarbeit könnten beispielsweise dazu genutzt werden, gezielte Er‐ gänzungen bei professionellen Weiterbildungsangeboten für Führungskräfte vorzunehmen. Dadurch könnten einerseits das Engagement und die Bindung der Mitarbeiter: innen an die jeweiligen Institute gestärkt und andererseits die Effektivität des Dienstleistungsangebots erhöht werden. Literaturanalyse: Führung im virtuellen und interkulturellen Kontext Besonders durch den Trend zur mobilen Arbeit wurden implizite Vorausset‐ zungen im Rahmen der klassischen Mitarbeiter: innenführung mehr oder weniger stark auf den Kopf gestellt. Denn Mitarbeiter: innenführung ist traditionell durch eine direkte soziale Beziehung bzw. überwiegend Face-to- Face-Kontakte gekennzeichnet. Die Führungskraft nimmt dabei die formale Funktion ein, zielgerichtet Einfluss auf die Mitarbeiter: innen zu nehmen und somit ihr Verhalten so zu steuern und zu koordinieren, dass die Ziele der Organisation - in diesem Fall des Sprachenzentrums - bestmöglich erfüllt werden (vgl. Breisig, 2020, S. 188). Mitarbeiter: innenführung spielt sich folglich in „sozialen“ Gebilden ab, in denen Mitarbeitende typischerweise ihre Arbeitsleistung an einem fixen Ort und zu vereinbarten Arbeitszeiten erbringen sollen (Hofmann et al., 2015, S. 11). Bei virtueller Führung ist hingegen ein differenziertes Verständnis von Führung erforderlich, das ins‐ besondere dem Zusammenwirken von Rollen, lebendiger und interaktiver Telepräsenz, Teamprozessen und Technologie Rechnung trägt. In Anlehnung an Wald (vgl. 2021, S. 389) weist Abbildung 1 auf die wichtigsten Aspekte und Zusammenhänge hin, denen sich Führungskräfte im virtuellen Umfeld bewusst sein müssen. Dabei handelt es sich gleichermaßen um Faktoren, die zur Schaffung einer Kultur der Zusammenarbeit, des Vertrauens und der angemessenen Nutzung der Kommunikation in virtuellen Teams beitragen. 66 Serena Comoglio <?page no="67"?> Abbildung 1: Relevante Zusammenhänge in Bezug auf die virtuelle Führung Latniak und Schäfer (vgl. 2021, S. 78 f.) weisen in diesem Zusammenhang auf die möglichen Problemfelder hin, die mit einem Mangel an direktem Kontakt zusammenhängen. Koordination und Kooperation werden dadurch erschwert und die Verantwortlichkeiten müssen folglich sehr klar geregelt werden. Probleme und Schwierigkeiten in fachlicher Hinsicht und in Bezug auf die Motivation der Mitarbeiter: innen können nicht immer klar erkannt werden. Der Informationsfluss zwischen allen Gruppenmitgliedern lässt sich oft nicht genau einschätzen und mögliche Konflikte werden nicht rechtzeitig erkannt. Außerdem wird die Leistungsbewertung durch den fehlenden direkten Kontakt erschwert. In Zusammenhang mit der Distanz hebt Wald (vgl. 2021, S. 399) hervor, dass diese sich nicht nur durch ihre räumliche, sondern auch durch ihre soziale und kulturelle Natur auszeichnet und somit den Aufbau und Erhalt persönlicher Beziehungen im Vergleich zu Face-to-Face-Interaktionen eindeutig erschwert. Überbrückt wird diese Distanz und die damit einhergehende Verminderung direkter Kommunikation durch eine mediengestützte Führung. Diese Distanz beinhaltet aber auch eine beziehungsbezogene Komponente. Lorenz (vgl. 2018, S. 69) führt dazu an, dass Führungskräfte im digitalen Setting künftig vermehrt als „Beziehungsmanager: innen“ fungieren und ein proaktives Verhalten zum systematischen Aufbau guter Beziehungen und zur Minimierung der virtuellen Entfernung an den Tag legen sollten. Insbesondere bei Sprachenzentren mit Lehrenden, die unterschiedliche kul‐ turelle Hintergründe aufweisen, rückt die Notwendigkeit, die kulturelle Distanz sowie eine wirksame interkulturelle Kommunikation im virtuellen Raum zu meistern, in den Mittelpunkt. In Anlehnung an Treichel (vgl. 2017, S. 165) ist diese spezifische Organisation als kulturelles Konstrukt zu betrachten. Dabei ist Kultur kein interner Einflussfaktor wie viele andere, sondern sowohl das Führung im virtuellen und interkulturellen Kontext - Chancen und Herausforderungen 67 <?page no="68"?> Fundament als auch das Umfeld jeglichen professionellen Handelns. Die mediale Interaktion in Kombination mit der kulturellen Diversität im virtuellen Kontext sowie in den (Sprach-)Lernräumen ist besonders anfällig für Missverständnisse und Fehlinterpretationen, da die Kommunikation durch die Medien gefiltert wird und nonverbale Signale fast zur Gänze wegfallen. Letztere sind aber ein wichtiges Hilfsmittel, um eventuelle Defizite in der sprachlichen Kommunika‐ tion zu kompensieren. Die interkulturelle Interaktion und Kommunikation über neue Medien stellt eine erweiterte Dimension dar und beeinflusst nicht nur das Team einer Organisation, sondern darüber hinaus die Organisation selbst und ihren Arbeitsgegenstand (Sprachunterricht). Außerdem geht aus kulturellen Verhaltensweisen hervor, inwieweit sich ein: e Mitarbeiter: in im Rahmen einer Gruppendiskussion in den Vordergrund drängt bzw. seine: ihre eigene Meinung kundtut und geltend macht, vor allem, wenn Personen mit unterschiedlichem Rang innerhalb der Organisation anwesend sind (vgl. Köppel, 2007, S. 276). Die Aufgabe der Führung besteht also u. a. darin, wirksame interkulturelle Interaktion auch im virtuellen Kontext zu garantieren sowie Verständnis und Akzeptanz für andere Kulturen zu fördern. Darüber hinaus vertritt Wald (vgl. 2021, S. 397) die Auffassung, dass die durch die Informationsbzw. Kommunikationstechnik und neue Medien zu erwartenden Netzwerkeffekte und das neue Verhältnis zwischen Offenheit und Kontrolle bei der Weitergabe von Informationen sowie das Treffen von Entscheidungen eine Voraussetzung für das Funktionieren einer Organisation im digitalen Umfeld darstellen. In diesem Zusammenhang plädiert Au (vgl. 2016, S. 5) für einen Paradigmenwechsel in der Führung sowie für ein ganzheitliches Führungsverständnis, das sich von Führung als (einseitiger) „zielbezogener Einflussnahme“ der Mitarbeiter: innen abwendet (vgl. Nerdinger, 2019, S.-84). Besonderheiten der virtuellen Kommunikation Im Mittelpunkt der virtuellen Kommunikation stehen Medien, und zwar Hilfs‐ mittel, um Informationen in Form von Sprache, Text, Bild oder multimedialen Inhalten zu transportieren. Diese sorgen gleichermaßen dafür, dass die Füh‐ rungskraft zwar nicht physisch anwesend ist, aber durch digitale Medien präsent gemacht wird. Entkörperlichung In der virtuellen Kommunikation werden neben einer fehlenden Kopräsenz der Gesprächsteilnehmer: innen auch nicht alle Sinne angesprochen. Erstmals beschrieben hat dies der österreichische Wissenschaftler und Psychotherapeut 68 Serena Comoglio <?page no="69"?> Paul Watzlawick. Er vertrat die Auffassung, dass Kommunikation durch einen Inhalts- und einen Beziehungsaspekt gekennzeichnet ist. Dabei wird ersterer Aspekt von letzterem bestimmt (vgl. Watzlawick et al., 2017, S.-50). In Anlehnung an Watzlawick soll daher bewusst gemacht werden, dass auch Mimik und Gestik, Blickkontakt, Modulierung der Stimme, Bewegungen sowie Gerüche unabdingbare Bestandteile des Kommunikationsprozesses sind, weil dadurch eine Vielzahl an Informationen als Ausdruck der Beziehung einer Person zum: zur Gesprächspartner: in mitkommuniziert wird. In der virtuellen Kommunikation kann jedoch nur die inhaltliche Sachebene durch verbale Äußerungen ausreichend abgedeckt werden, der Beziehungsebene kann man dadurch aber nicht gerecht werden. Dies ist darauf zurückzuführen, dass jedes Medium gleichzeitig als Filter fungiert (vgl. Herrmann et al., 2012, S. 28). Demzufolge werden Informationen aufgrund der Computervermittlung nur über bestimmte Sinneskanäle (z. B. Seh- oder Hörsinn) übertragen und andere (z. B. Geruchssinn) werden außer Acht gelassen. Weiters kommt es vor, dass ein wichtiger nonverbaler Teil der Informationen (z. B. Gesichtsausdruck oder Kon‐ text) verloren geht. Herrmann et al. (vgl. 2012, S. 30) führen diesbezüglich aus, dass Menschen jedoch auf umfassende Informationen sehr stark angewiesen sind. Insbesondere in der fremdsprachlichen Interaktion spielen nonverbale und paraverbale Signale eine sehr große Rolle. Diese können dabei helfen, Fremdsprachendefizite zu kompensieren. Im Allgemeinen beeinflussen sie auch die Interaktion von Angesicht zu Angesicht stark und strukturieren sie vor (vgl. Kumbruck/ Derboven, 2016, S.-19). Besonders problematisch erscheint der Umgang mit der digitalen Kommuni‐ kation für Sprachenzentren, da ihr Dienstleistungsprodukt nicht mehr von einer räumlich-physischen Erfahrung mit Kopräsenz der Gesprächsteilnehmer: innen geprägt wird, sondern in einen virtuellen Lernkontext eingebettet ist. Dabei stellt sich insbesondere die Frage, wie die Online-Präsenz, also das Gefühl der sozialen Verbundenheit und Zugehörigkeit zu einem virtuellen Unterrichtsraum geschaffen und eine virtuelle Gemeinschaft von Lernenden gebildet werden können, wenn überwiegend der visuelle und auditorische Kanal im Mittelpunkt der virtuellen Kommunikation steht. Ziel ist es, dafür zu sorgen, dass man dar‐ über hinaus dem im konstruktivistischen Ansatz so zentralen sozialen Lernen ausreichend gerecht wird sowie die soziale Präsenz der Lernenden im virtuellen Kursraum wahrgenommen und ggf. gefördert wird (Feick/ Rymarczyk, 2022, S.-21). Um das Kommunikationserleben wieder ganzheitlich zu gestalten, den so‐ zialen Kontakt zu den Mitarbeiter: innen zu unterstützen sowie auch dem Beziehungsaspekt der Kommunikation gerecht zu werden, kann für Online-Be‐ Führung im virtuellen und interkulturellen Kontext - Chancen und Herausforderungen 69 <?page no="70"?> sprechungen auf Videokonferenzen zurückgegriffen werden. Sie bieten neben Bild und Ton weitere Kommunikationskanäle wie Chats, um kleine Kommen‐ tare zu posten und durch Emoticons Gefühle auszudrücken. Außerdem tragen geteilte Bildschirme dazu bei, einen gemeinsamen Aufmerksamkeitsfokus zu schaffen, während temporäre Kleingruppen Intimität herstellen sollen. Somit ergänzen sich verbale und paraverbale Elemente um weitere nonverbale Signale, auch wenn es in virtuellen Treffen zur getrennten Vermittlung kommt (vgl. Kunert, 2022, S. 465). Kritisch anzumerken ist, dass die Kompensation der Entkörperlichung dabei jedoch nur partiell gelingt, weil sich die Darstellung der Gesprächspartner: innen oft nur auf den vermeintlich wichtigsten Bildausschnitt (den Kopf) beschränkt. Außerdem sind die Mikrophone nicht aktiv sprechender Teilnehmer: innen stummgeschaltet, um störende Hintergrundgeräusche zu reduzieren und zu gewährleisten, dass geordnet nacheinander gesprochen wird. Das hat zur Folge, dass der Kommunikationsprozess abgehackt und unorganisch wirkt. Weiters vereinfachen Videochats nicht zwangsläufig die Kommunikation oder stellen einen Mehrwert dar. Aufgrund der über das Internet verschickten großen Datenmengen (Video- und Audiodaten) entstehen immer wieder Über‐ tragungsfehler, die wiederum Wiederholungen, Nachfragen usw. erfordern. Für Sprachenzentren ist dies besonders hinderlich, denn auch Asynchronitäten bei der verzögerten Übertragung von Bild und Ton erschweren die fremdsprach‐ liche Kommunikation maßgeblich. Übertragen auf den Führungsprozess kann in Anlehnung an Kunert (2020) beobachtet werden, dass Führungsbeziehungen dadurch eher statisch und formal wirken. Demzufolge sind spontane soziale Interaktionen, die Anerkennung, Lob und Aufmunterung sowie eine Identifika‐ tion der Mitarbeiter: innen mit der Organisation und Motivation ermöglichen, kaum umsetzbar. Textualität Aufgrund der mit der virtuellen Kommunikation zusammenhängenden Körper‐ losigkeit des Austauschs verschiebt sich verstärkt die Aufmerksamkeit, die bei der Face-to-Face-Kommunikation auf dem Körper bzw. den Körperzeichen und Attributen der Beteiligten liegt, auf den Gesprächsgegenstand bzw. die tatsächliche Botschaft, die überwiegend verschriftlicht wird. Hinzu kommt, dass Körperzeichen und -zustände - d. h. Mimik, Gestik, Lautstärke, Emotionen, Ge‐ räusche - bei der computervermittelten Kommunikation durch einen anderen Code als den des Körpers im textuellen Austausch ausgedrückt werden, damit sie wahrgenommen werden können (vgl. Misoch, 2006, S.-57). Rumpf (vgl. 2018, S. 56 f.) weist auf die Anforderungen der schriftlichen Kommunikation per Telemedien (bspw. E-Mail) und insbesondere auf die Prä‐ 70 Serena Comoglio <?page no="71"?> zisierung und Formalisierung der kommunizierten Inhalte hin. Dabei lassen die Formulierungen jedoch wenig Aufschluss über die Stimmungs- und Gefühls‐ lage der Gesprächspartner: innen zu. Die Kommunikation in rein textbasierten Programmen zeichnet sich demzufolge durch einen verbindlichen, genauen und zielstrebigen Stil aus, der sich für die inhaltlich-sachliche Komponente der Kommunikation gut eignet und durch verbale Aspekte transportiert wird. Durch diesen Kommunikationsstil, der im Übrigen förmlich und unbeteiligt wirken kann, findet aber kein persönlicher und möglicherweise informeller und dialogischer Kontakt statt. Dieser würde jedoch zur Befriedigung sozialer Bedürfnisse und zur Verbesserung der Motivation und Identifikation maßgeb‐ lich beitragen. Auch in dieser Hinsicht kann man dem Beziehungsaspekt, dem überwiegend durch nonverbale Signale entsprochen wird, nicht gerecht werden, obwohl dieser maßgeblich einen Beitrag zur Erfüllung mitarbeiter‐ bezogener Führungsaufgaben (Leadership, Motivation, Bindung) leistet (vgl. Schullan, 2022, S. 474). Reutner (vgl. 2011, S. 122) hebt weiters hervor, dass diese schriftliche Kommunikationsform ebenfalls kulturelle Unterschiede im Sprachverhalten aufweist und dadurch sogenannte critical incidents begünstigt werden können, da hier fehlende Explizitheit nicht durch Mimik und Gestik kompensiert werden kann. Meistens sind sich Sender: in und Empfänger: in nicht bewusst, dass sie mit jeweils anderen Diskurstraditionen konfrontiert sind und demzufolge eine absichtliche Anpassung des Stils an die Sprachgewohnheiten der anderen Kultur notwendig ist. Enträumlichung und Entkontextualisierung Im Gegensatz zur Face-to-Face-Kommunikation ist virtuelle Kommunikation nicht räumlich gebunden. Dank Internet und vernetzter Computer entstehen virtuelle Räume, die einen an sich ortslosen Kommunikationsprozess ein‐ rahmen. Weiters vermischen und überlappen sich reale Räume, in denen Mitarbeiter: innen vor dem Computer sitzen, mit den virtuellen Räumen, da gleichzeitig in beiden Dimensionen sowie in mehreren virtuellen Räumen kommuniziert werden kann. Ein weiteres Merkmal besteht folglich in der Pluralisierung der kommunikativen Räume. Besonders für Sprachenzentren stellt sich dabei die Frage, wie virtuelle Lernräume ausgestaltet werden können. Daher ist es auch eine Aufgabe der Führungskraft, dem eigenen Team die nötigen Instrumente zu geben, um in diesen virtuellen und ortsunabhängigen Lernräumen das tatsächliche Dienstleistungsprodukt - Sprache - bestmöglich zu vermitteln. Feick und Rymarczyk (vgl. 2022, S. 23) weisen darauf hin, dass es dabei um digital geschaffene und vor allem „inhaltsleere“ (Sprach-)Lernräume geht, die durch Lehrkräfte und Lernende unter Einbezug der digital verfügbaren Führung im virtuellen und interkulturellen Kontext - Chancen und Herausforderungen 71 <?page no="72"?> Funktionen des Raumes ausgestaltet werden sollen. Erst die Interaktion der Be‐ teiligten und die damit zusammenhängende Zweckgebundenheit, Sinnstiftung und Bedeutungskonstruktion machen virtuelle Räume zu (Sprach-)Lernräumen. Hertel (2013, S. 168) warnt wiederum vor der fehlenden Kontextualisierung von Aussagen, die mit der Nutzung von Informations- und Kommunikations‐ technologie einhergeht, was auch die Gefahr zunehmender Fehlattributionen sowie Verständigungsprobleme mit sich bringen kann. Da die Gesprächsteil‐ nehmer: innen am Kommunikationsgeschehen nicht physisch teilnehmen, teilen sie keinen gemeinsamen Kontext bzw. Handlungshintergrund. Das hat zur Folge, dass die unmittelbare Situation, in der sich die Beteiligten befinden, weniger stark wahrgenommen wird. Neben der Nutzung von beschränkten Aus‐ drucksmitteln sollte sich die Führungskraft daher genauer überlegen, welche Teile des Kontexts der Gesprächspartner: innen wahrgenommen werden und welche besser explizit genannt werden sollten, damit die Botschaft eindeutig übermittelt werden kann (vgl. Herrmann et al., 2012, S.-82). Herausforderung im Führungsprozess Führung existiert nicht per se, sondern zeigt sich vor allem in und durch Interaktion, also durch Beziehungen. Gelingende Führung im virtuellen Raum ist also an eine hohe Beziehungsqualität geknüpft und beruht auf verständnis‐ orientierter Kommunikation mithilfe von Kommunikations- und Informations‐ technologien, die als Instrument erster Wahl genutzt werden. Gestaltung von virtuellen Führungsbeziehungen als Resonanzgeschehen Gemäß Harmut Rosa (vgl. 2016, S. 298) ist Resonanz eine Form der Weltbe‐ ziehung, die durch Affizierung und Gefühl, intrinsisches Interesse und Selbst‐ wirksamkeitserwartung gebildet wird und in der sich das Subjekt und die Welt berühren und zugleich verändern. Resonanz ist der Gegenbegriff zur Entfremdung, ein im digitalen Zeitalter verbreiteter Zustand, in dem ein Subjekt nicht mehr berührt wird und keine Selbstwirksamkeitswirkung erfährt (vgl. Rosa, 2016, S.-316). Führung und Resonanz stehen daher in enger Verbindung zueinander, denn beide bezeichnen ein Beziehungsgeschehen, beinhalten die Komponente der Selbstwirksamkeit und sind durch Affizierung und Emotion geprägt (vgl. Eibisch, 2019, S. 181). Übertragen auf die Situation der universitären Sprachen‐ zentren, die hauptsächlich Sprachen lehren, benötigen die Mitarbeiter: innen dort Fähigkeiten, die Bestandteil der Resonanz sind wie Empathie, soziale Kom‐ petenz und Kommunikationsfähigkeiten. Für die Herausbildung von Resonanz 72 Serena Comoglio <?page no="73"?> sind jedoch nicht nur die Inhalte, über die man spricht, sondern zudem die Art der Kommunikation maßgeblich. Virtuelle Kommunikation macht resonante Führungsbeziehungen nicht einfach, Resonanzverlust tritt sehr häufig auf. Durch die Computervermittlung gibt es keine unmittelbaren Begegnungen oder Berührungen: Das Medium per se ist durch Sinnesarmut gekennzeichnet und weist oftmals Verzögerungen in der Datenvermittlung sowie technische Pro‐ bleme auf. Damit werden resonanzfördernde Verhaltensweisen wie Empathie und Identifikation mit den Gesprächspartner: innen zumindest beeinträchtigt, wenn nicht in zunehmendem Maße gestört (vgl. Eibisch, 2019, S. 196). Es ist dabei schwieriger, die eigene Stimme hörbar zu machen und die Reaktion einer anderen Stimme zu bekommen, die wirklich persönlich berührt. Das führt dazu, dass dem virtuellen Austausch diese transformative Qualität fehlt (vgl. Rosa, 2017, S. 25). Das Gefühl der Resonanzlosigkeit im virtuellen Raum kann dadurch zu einem verstörenden Effekt führen. In der Interaktion mit anderen sind Menschen auf mimische Rückmeldungen angewiesen, die in einem sinnesarmen Medium nicht möglich sind. Online sind deutlich weniger Anhaltspunkte für eine intuitive und fluide Kontaktgestaltung vorhanden. Man denke nur an die Interaktion bei Videokonferenzen mit Phantomen, d. h. jene Teilnehmer: innen, die mit „schwarzen Bildschirmen“ aufgrund von ausgeschalteten Kameras in Videokonferenzen eigentlich nicht wirklich am Kommunikationsgeschehen teilnehmen. Die Schwierigkeit, Resonanzbeziehungen im virtuellen Kontext aufzubauen, betrifft jedoch nicht nur die Beziehung zwischen der Führungskraft und dem Team, sondern ebenso das Resonanzerleben in der Sprachvermittlung bzw. in Lernsettings. Auch dieses muss in einem virtuellen Kontext neu gestaltet werden. Angesichts der die Kommunikation verändernden Medialisierung stellt dies eine Chance und eine Herausforderung zugleich dar. Denn Sprache ist das Medium, durch das etwas gelernt bzw. gelehrt oder verstanden werden kann, ein wichtiges Mittel der gegenseitigen Affizierung über Kulturen hinweg, um einerseits die Welt wahrzunehmen und andererseits eine Beziehung zu anderen aufzubauen. Dabei geht es nicht nur darum, die kommunikative Funktion der Sprache zu vermitteln, sondern überdies ihre kognitive und emotive Funktion in virtuellen (Sprach-)Lernräumen gleichermaßen zu entwickeln. Die Leiter: innen der Sprachenzentren sollten demzufolge auch digital versuchen, Resonanzbe‐ ziehungen auszubauen und virtuelle Räume bzw. (Sprach-)Lernräume nicht als bloße digitale Echoräume zu etablieren, sondern Orte zu schaffen, die gemäß Rosas Resonanztheorie einen antwortenden und (ggf.) transformierenden Pro‐ zess ermöglichen. Führung im virtuellen und interkulturellen Kontext - Chancen und Herausforderungen 73 <?page no="74"?> Aufbau und Förderung von Vertrauen bei virtuellen Kooperationen Unter Vertrauen versteht man die Bereitschaft einer Person, basierend auf den positiven Erwartungen an die Absichten und Handlungen anderer Menschen, „Verwundbarkeit“ zu ermöglichen. Vertrauen ist darüber hinaus wesentlicher Bestandteil der Dynamik einer virtuellen Zusammenarbeit und bestimmt ihren Erfolg bzw. Misserfolg (vgl. Breuer et al., 2017, S. 11). In einer virtuellen Umgebung sind jedoch die traditionellen Mechanismen, mit denen Vertrauen aufgebaut wird, kaum vorhanden (z. B. persönliche Interaktion und nonverbale Sprache, Reichhaltigkeit der Kommunikation zwischen den Teammitgliedern). Allerdings ist dies gerade in dieser virtuellen Umgebung wichtig, da Vertrauen immer notwendiger wird und es zur Verringerung der psychologischen Distanz zwischen den Teammitgliedern sowie zur Entwicklung des Teamzusammen‐ halts beiträgt (vgl. Flavian et al., 2019, S.-3). Daraus lässt sich ableiten, dass der Aufbau von interpersonellem Ver‐ trauen eine wesentliche Säule für einen adäquaten Führungsstil im virtuellen Raum darstellt. Für Führungskräfte bedeutet dies, dass sie aufgrund der ein‐ geschränkten Möglichkeiten zur persönlichen Kontrolle in virtuellen Struk‐ turen nicht auf direktive Führungstechniken setzen sollten, weil diese kaum wirksam sind. Stattdessen sollten sie ihre virtuellen Teams dazu ermuntern, eigenverantwortlich zu handeln und sich an Führungsaufgaben zu beteiligen, d. h. in gewissem Maße sich selbst zu führen. Hinzmann und Krystek (vgl. 2016, S. 156 f.) thematisieren die wechselseitigen Einflussbeziehungen zwischen Kommunikation und Vertrauen und weisen insbesondere auf die psychosoziale Funktion nicht-aufgabenbezogener Kommunikation für die interpersonelle Vertrauensbildung hin. Während in traditionellen Teams viele dieser sozialen Aspekte beispielsweise während eines kurzen Austauschs in der Kaffeepause oder zwischen zwei Besprechungen „nebenbei“ geregelt werden, soll bei der Führung gerade im virtuellen Raum für zusätzliche Möglichkeiten und Wege zum persönlichen Austausch gesorgt werden, die auch der Beziehungsebene der Kommunikation gerecht werden. Sollte dies nicht möglich sein, führt dies zu einer Verarmung der interpersonalen Kontakte, was wiederum negative Auswirkungen auf das Vertrauen und die Motivation im Team hat. Motivationsmanagement bei virtuellen Kooperationen Neben dem Aufbau von Vertrauen zu „unsichtbaren“ Mitarbeiter: innen und Kolleg: innen werden Führungskräfte virtuell ebenfalls mit potentiellen Ge‐ fahren für die Entwicklung und Aufrechterhaltung der Motivation der Mitar‐ beiter: innen konfrontiert, da aufgrund des geringen persönlichen Kontakts und der überwiegend über elektronische Medien abgewickelten Kommunikation 74 Serena Comoglio <?page no="75"?> vielfältige Quellen für Misstrauen und Missverständnisse entstehen können. Besonders herausfordernd ist beispielsweise in der virtuellen Zusammenarbeit, dass die virtuelle Kommunikation zu einer „anonymen Atmosphäre“ führen könnte, sodass die Beiträge der einzelnen Mitarbeiter: innen teilweise nicht mehr sichtbar werden, was folglich Motivationsverluste verursachen kann (vgl. Fajen, 2018, S.-107). Negativ wird beispielsweise die Motivation dadurch beeinflusst, dass sich bei Mitarbeiter: innen aufgrund der räumlichen Entfernung schnell Gefühle der Iso‐ lation und Ausgrenzung entwickeln können, selbst wenn sich Führungskräfte virtueller Teams üblicherweise um eine faire und gleiche Behandlung aller Mitarbeiter: innen bemühen und über E-Mails, Chatnachrichten und Videokon‐ ferenzen mit ihnen in Kontakt bleiben. Außerdem werden informelle Kontakte im virtuellen Umfeld unzureichend gepflegt und folglich fällt es Mitgliedern eines Teams häufig schwer, einen persönlichen „Draht“ zueinander zu finden, was sich wiederum schlecht auf die Gruppenkohäsion auswirkt. Eine weitere Gefahr besteht in der Verringerung der Arbeitsmotivation und des Commit‐ ments sowie auch in Unklarheiten hinsichtlich der Ziele, die das virtuelle Team eigentlich erreichen sollte. Es kann folglich mitunter vorkommen, dass einzelne Teammitglieder unterschiedliche Ziele verfolgen (vgl. Konradt/ Hertel, 2002, S.-100). Erkenntnisse aus den Leitfadeninterviews Im Folgenden werden die zentralen Erkenntnisse aus den Expert: inneninter‐ views präsentiert, wobei das Hauptaugenmerk auf den Merkmalen der virtu‐ ellen Kommunikation und ihren Auswirkungen liegt. Besonderheiten der virtuellen Kommunikation In den Interviews wurden folgende positive Aspekte der virtuellen Kommuni‐ kation beschrieben: Eine Besonderheit der virtuellen Kommunikation besteht darin, dass sie viele digi‐ tale Kontaktmöglichkeiten insbesondere durch die Nutzung von Videokonferenzen bietet. Für Sprachenzentren dienen diese als nützliches Instrument zur verstärkten Außenkommunikation sowie beispielsweise zur Abwicklung von Beratungen oder Beschwerden auf Distanz (IP5). Auch interaktive Settings sind zur Überbrückung der „Absenz von Miteinander“ virtuell möglich (IP4). Führung im virtuellen und interkulturellen Kontext - Chancen und Herausforderungen 75 <?page no="76"?> Dadurch kann die fehlende Kopräsenz der Gesprächsteilnehmer: innen ausgeglichen werden, sodass Gespräche auch synchron und interaktiv gestaltbar sind (IP4). Die Kommunikation mittels elektronischer Medien ist nicht raumgebunden. Meetings können auch ohne große Vorlaufzeit angesetzt und durchgeführt werden. Gleichzeitig können sich somit mehr Personen an Meetings beteiligen, was sich positiv auf die Zu‐ sammenarbeit auswirkt sowie den organisatorischen Aufwand erheblich reduzieren kann (IP1). Als alle Treffen bedingt durch die Covid-Pandemie in den virtuellen Raum verlegt wurden, habe ich positiv festgestellt, dass viel mehr Lehrende an den Arbeitsgemein‐ schaften teilgenommen haben (IP1). Darüber hinaus berichteten die Interviewpartner: innen von fehlenden geogra‐ phischen Grenzen und einer vermehrten Flexibilität. Die meisten Befragten sahen diese letzten zwei Aspekte kritisch, da sich durchaus überdies rechtliche Fragen hinsichtlich der Arbeitsverhältnisse mit den Lehrenden ergaben, die vom Ausland aus arbeiten wollten. Als ebenso problematisch wurde die Auflösung der Grenzen zwischen Arbeit und Privatleben erachtet. Weiters stellte die Orts‐ unabhängigkeit laut den interviewten Zentrumsleiter: innen aber auch einen Vorteil für die Sprachenzentren dar, da Lehrveranstaltungen parallel angeboten und Studierende im Unterricht dazugeschaltet werden konnten. Im Zuge der Interviews wurde darauf hingewiesen, dass sich bei virtuellen Meetings tendenziell erkennen ließe, dass sich einerseits Tagesordnungsthemen viel effizienter und zielgerichteter abhandeln lassen. Andererseits hätte sich dies auch negativ auf die Kommunikation ausgewirkt, da sie dadurch kälter und weniger lebendig wirkte. Der überwiegende Teil der Interviewpartner: innen merkte an, dass es kaum Rückmeldungen und Austausch auf persönlicher Ebene in virtuellen Besprechungen gab: Die Qualität der Kommunikation leidet im virtuellen Raum. Inhalte werden zwar zielgerichteter, aber manchmal relativ emotionslos abgehandelt (IP1). Ein richtiger Austausch auf persönlicher Ebene ist im virtuellen Raum selten möglich (IP1). Oft ist es schwer herauszulesen, wie es den Menschen tatsächlich geht (IP4). Laut Aussage der Interviewpartner: innen kam es aufgrund der Virtualität zu Gefühlen der Isolation sowie fehlender Kreativität, die wiederum auf den beschriebenen mangelnden persönlichen Austausch zurückzuführen waren. Alle interviewten Zentrumsleiter: innen berichteten, dass nonverbale und paraverbale Signale, die durchaus für die Auslegung einer Aussage ausschlag‐ 76 Serena Comoglio <?page no="77"?> gebend waren, im virtuellen Raum nicht im gleichen Ausmaß wahrgenommen wurden oder explizit ausgedrückt hätten werden müssen: Die stark reduzierte Körpersprache stellt eine große Barriere in der virtuellen Kom‐ munikation insbesondere auch bei der fremdsprachlichen Interaktion dar, weil nor‐ malerweise ein großer Teil der Kommunikation durch die Körpersprache ausgedrückt wird (IP6). Menschen im virtuellen Raum kann man nicht mehr so richtig „spüren“ (IP4). Darüber hinaus zeigte sich an den Interviews, dass die Technik den Blickkontakt mit den Gesprächspartner: innen in virtuellen Meetings erschwerte. Gleichzeitig wurde das Lebensumfeld der Gesprächspartner: innen zu einem Bestandteil der Kommunikation. Auch eigene Porträtbilder oder schöne Hintergründe wurden zur Selbstinszenierung im virtuellen Raum genutzt. Aus diesen Gründen ent‐ standen bei den anderen Teilnehmer: innen oft Irritationen und Ablenkungen. Auswirkungen der virtuellen Kommunikation auf die Sprachvermittlung In diesem Zusammenhang führten alle Interviewten an, dass sich der Fremd‐ sprachenunterricht vor Ort nicht so leicht in den virtuellen Raum übertragen ließe. Zunächst müssten Lehrende lernen, sich mithilfe des technischen Me‐ diums zu verständigen: Wir sind hineingestoßen worden in eine Kultur, wo wir uns nicht orientieren konnten, wo wir die Instrumente nicht verstanden haben, wo wir uns selber nicht mehr verstanden haben, wo wir total orientierungslos waren (IP3). Gleichzeitig wiesen die Interviewpartner: innen darauf hin, dass die virtuelle Kommunikation aber ebenso eine große Chance darstellte und der Fremdspra‐ chenunterricht von neuen Impulsen profitierte. Es wurde daher einerseits berichtet, dass in Lizenzen und neue Tools investiert wurde, um einem der wichtigsten Schwerpunkte in der Sprachvermittlung, nämlich dem Sprechen einer Fremdsprache, Rechnung zu tragen. Andererseits stellten die Zentrums‐ leiter: innen fest, dass sich das Lehrpersonal durch den vermehrten Einsatz von Lernmanagement-Systemen (z. B. Moodle) bzgl. Lehrmaterialien und digitalen Werkzeugen leichter austauschen konnte. Jetzt können wir ganz andere Möglichkeiten zum Material-Austausch nutzen. Früher habe ich eigene Kopien gehabt, die nur für mich zugänglich waren. Durch Corona haben wir alles auf Moodle hochladen müssen. Und das war ganz einfach, man konnte Führung im virtuellen und interkulturellen Kontext - Chancen und Herausforderungen 77 <?page no="78"?> die Kolleg: innen als Host einschreiben oder untereinander die Moodle-Zugänge austauschen und jede: r konnte sich dann bedienen (IP3). Zu den Möglichkeiten und Barrieren der virtuellen Sprachvermittlung führten alle Interviewten an, dass sich die virtuelle Kommunikation für die Vermittlung von Inhalten gut eignete. Auch die fremdsprachliche Interaktion wurde im virtuellen Raum mithilfe von Breakout-Rooms auf Videoplattformen erleich‐ tert. Allerdings merkte eine Interviewpartnerin an, dass der Erklärungsbedarf bzgl. Aufgabenstellungen im virtuellen Raum höher war, da oft die Wirkung der virtuellen Kommunikation aufgrund der bereits genannten Gründe nicht der in Face-to-Face-Gesprächen gleichkam und demzufolge ebenfalls weniger Rückfragen gestellt wurden. In Bezug auf die Kommunikation in getrennten vir‐ tuellen Räumen zwecks Sprachvermittlung thematisierten manche Interview‐ partner: innen, dass die Korrektheit der verwendeten grammatischen Strukturen und des Wortschatzes wie auch der behandelten Themen schwer zu kontrol‐ lieren war. Wenn man die einzelnen Räume virtuell betritt, findet oft keine richtige Kommunika‐ tion statt oder die Kursteilnehmer: innen unterhalten sich über andere Themen (IP1). In Präsenz kann man hingegen einen klareren Überblick über die Gruppe behalten und besser beurteilen, bei welcher es gerade nicht gut läuft und man gegebenenfalls eingreifen soll (IP4). Darüber hinaus beschrieben einige Interviewpartner: innen, dass die Pausen nicht mehr zur Knüpfung von sozialen Kontakten und dem Austausch über unterschiedlichste Themen genutzt werden konnten. Insbesondere wenn Teil‐ nehmer: innen aus vielen Nationen einen Präsenzkurs besuchten, stand die per‐ sönliche Begegnung im Vordergrund, wobei Sprache oft instrumentell wirkte. Das soziale Lernen und die soziale Funktion der Sprache gestalteten sich laut Aussage der meisten Leiter: innen im virtuellen Raum schwieriger, weil Lernenden der soziale Bezug und der Zusammenhalt im Kurs fehlten. Dies im virtuellen Raum zu rekonstruieren, war komplizierter: Im virtuellen Raum besteht die Gefahr, dass man zurück zum Frontalunterricht zurückkehrt, indem man als Lehrende: r versucht, diesen Raum zu füllen (IP6). Dennoch war es laut manchen interviewten Zentrumsleiter: innen möglich, durch kreative Lösungen, hybride Lerngruppen sowie die Verknüpfung der vir‐ tuellen Klassenzimmer mit den persönlichen Räumen der Kursteilnehmer: innen weitere Sinneskanäle in den Lernprozess mit einzubeziehen sowie die Teil‐ nehmer: innen zu begeistern und verstärkt zu involvieren. 78 Serena Comoglio <?page no="79"?> Auswirkungen der virtuellen Kommunikation auf die Sprachenzentren Diesbezüglich berichtete eine Zentrumsleiterin besonders von erhöhtem Druck bei den Kursevaluierungen, die nach dem Wechsel in den virtuellen Raum vermehrt ins Blickfeld des Vizerektorats gerückt waren, da die Sprachenzentren die Qualität des Angebots in jedem Fall beibehalten wollten: Wir haben uns die Frage gestellt, haben wir uns in der Online-Lehre verschlechtert? Haben wir uns verbessert oder ist das gleich geblieben im Vergleich zur Präsenz- Lehre? Auch da haben wir uns einiges von den Studierenden anhören müssen (IP1). Gleichzeitig erhöhten die Evaluierungsergebnisse den Druck auf die Lehrenden, für die die Umstellung des Unterrichts bereits an sich eine Herausforderung darstellte und die sich nun sorgten, dass die Zahl der Kursteilnehmer: innen sinken könnte, wenn sich die Kurse nicht weiterhin gut verkaufen ließen. Mit Ausnahme von einer interviewten Person berichteten alle Interview‐ partner: innen, dass die Umstellung auf die Fernlehre zu einem Rückgang der Kursanmeldungen führte. Ihrer Meinung nach verliert man durch virtuelle Sprachlernangebote ca. 15 % der Studierenden. In Bezug auf die Positionierung der Sprachenzentren führten fast alle In‐ terviewten an, dass derzeit die Kurse infolge der Vorgaben der Universitätslei‐ tung wieder in Präsenz stattfinden sollten. Trotz alledem sahen die Interview‐ partner: innen die Notwendigkeit, Kurse pilotartig auf zwei Schienen (Präsenz und online) abzuhalten und Lösungen zu testen, um die virtuelle Lehre im Zuge dieses Digitalisierungsschubs dort umzusetzen, wo es möglich war. Insbesondere wiesen manche Interviewpartner: innen auf die fehlende Kon‐ kurrenzfähigkeit der Sprachenzentren gegenüber anderen Online-Kursange‐ boten hin. Aufgrund der hohen Lohnkosten und Lohnnebenkosten in Österreich haben Online-Fremdsprachenkurse die gleichen Kursgebühren wie Präsenz- Kurse, was dazu führt, dass österreichische universitäre Sprachenzentren auf dem globalen Markt nicht konkurrenzfähig sind. Neben dem finanziellen Aspekt könnten Sprachenzentren laut Aussage einer interviewten Person auch techno‐ logisch nicht mithalten, da sie keine echten Expert: innen in diesem Bereich wären. Daneben wurde teilweise berichtet, dass Fremdsprachenlernen generell gegen den Trend zu sein schien. Durch die verbreitete Nutzung der englischen Sprache für die Verständigung im internationalen Kontext gerät augenschein‐ lich der praktische Nutzen des Fremdspracherwerbs in den Hintergrund. Dieser sollte laut den Interviewpartner: innen nun wieder vermehrt in den Vordergrund gestellt werden: Führung im virtuellen und interkulturellen Kontext - Chancen und Herausforderungen 79 <?page no="80"?> Sprachenlernen ist im Moment nicht besonders „in“ und ob sich das in dem nächsten Jahrzehnt ändert, das wissen wir nicht. Ehrlich gesagt glaube ich, dass es da eher nicht so gut aussieht. Ich denke, es ist wie das Lernen eines Musikinstruments, damit vergleiche ich es ganz gern (IP6). Ich glaube, uns geht es wie den Latein- und Griechisch-Lehrenden. Man sieht nicht mehr sofort den praktischen Nutzen, sondern man muss ihn vielleicht ein bisschen erklären. Und dieses Erklären, das wird in Zukunft schon eine unserer großen Aufgaben und Herausforderungen sein (IP5). Also das Zentrum, ja es verändert sich so ohnehin ganz ohne Pandemie. Die Pandemie hat vielleicht das Ganze noch einmal viel mehr beschleunigt. Aber wir sehen ja die Sprachlern-Apps und Online-Kurse etc. Die gab es auch schon vorher, die haben viel mehr Zulauf erfahren. Das heißt, die Rolle von Sprachenzentren ändert sich ohnehin (IP6). Auswirkungen der virtuellen Kommunikation auf die Führung Wie herausfordernd virtuelle Führung sein kann, zeigte sich an der folgenden Rückmeldung: Die Sitzungen laufen meistens so, dass man einfach versucht, die Präsenz ins Virtuelle zu übertragen, und das funktioniert nicht (IP4). Ebenso wurde berichtet, dass die internen Strukturen an die neuen Kontext‐ bedingungen, z. B. durch die Einrichtung von Steuergruppen bzw. die Grün‐ dung von Sub-Teams und die Abhaltung von regelmäßigen Jours fixes, hätten angepasst werden sollen. Gleichzeitig stieg laut den interviewten Zentrums‐ leiter: innen die Frequenz der Kommunikation insbesondere durch Telefonge‐ spräche, um fehlende Face-to-Face-Kontakte mit den Mitarbeiter: innen zu kompensieren. Dies führte zu einer erhöhten Erreichbarkeit. Zu beachten war laut Aussage der meisten Zentrumsleiter: innen dabei auch, dass die durch die Pandemie bedingte Virtualität eine Veränderung der gewohnten Arbeitskultur an den Sprachenzentren mit sich brachte, da neben einigen Fixpunkten wie Jours fixes die Bürozeiten deutlich flexibler wurden, was wiederum die Akzeptanz von virtuellen Terminen erhöhte. Zu den Chancen der virtuellen Führung gehörten laut den Interviewten ebenfalls der leichte Wechsel zwischen Präsenz- und Online-Meetings und das Thema Nachhaltigkeit aufgrund des Rückgangs von Geschäftsreisen. Ein Risiko, das von einem Zentrumsleiter thematisiert wurde, ist die vermehrte 80 Serena Comoglio <?page no="81"?> Fluktuation nicht nur hinsichtlich des Rückgangs der Teilnehmer: innenzahl bei den Sprachkursen, sondern auch des Personals. Bezüglich der neuen digitalen Kommunikationsmöglichkeiten bestand eine Aufgabe der Führung laut manchen Zentrumsleiter: innen darin, sich mit den datenschutzrechtlichen Einschränkungen vertraut zu machen und besonders auch die technischen Fähigkeiten der Belegschaft zu berücksichtigen. Laut Aussage aller Interviewten erhielten Mitarbeiter: innen im Bereich Sprachver‐ mittlung maßgeschneiderte und teilweise österreichweite Trainingsangebote. Diese erstreckten sich von der digitalen Lehre bis zur Aufrechterhaltung von Motivation und Konzentration im virtuellen Lernraum. Der Grund war, dass der überwiegende Teil der Belegschaft laut den meisten Zentrumsleiter: innen nicht mit den neuen Medien im Sprachunterricht vertraut war. Gleichzeitig merkten die Interviewten an, dass die angebotenen Schulungen gleichfalls darauf abzielten, die herrschenden Unsicherheiten und das anfäng‐ liche Unbehagen im Umgang mit den virtuellen Lernräumen zu reduzieren und das große Potential von Lehr- und Lerntechnologien aufzuzeigen. Ein konkretes, von einem Zentrumsleiter beschriebenes Beispiel im Umgang mit der Technik war die Einrichtung eines durchgängig besetzten virtuellen Helpdesks für Lehrende. Generell wurde berichtet, dass bei der virtuellen Führung deutlich mehr Auf‐ wand betrieben werden musste, um Verbindlichkeiten bei den Mitarbeiter: innen zu schaffen. Den Zusammenhalt im virtuellen Team aufrechtzuerhalten, gestal‐ tete sich laut Aussage der Interviewten aufgrund der fehlenden sozialen Kon‐ takte und Gespräche von Angesicht zu Angesicht schwieriger. Diesbezüglich ging aus den Interviews hervor, dass die Kohäsion im Team vermutlich leichter zu erreichen war, wenn sich die Mitarbeiter: innen schon lange kannten und zusammenarbeiteten, während diese wahrscheinlich schwieriger aufrechtzuer‐ halten war, wenn Bekanntschaften nur virtuell gemacht wurden bzw. der: die Mitarbeiter: in virtuell in das Team integriert wurde. Als konkretes Beispiel zur Stärkung der Teamkohäsion wurde von den Befragten die Schaffung eines kontinuierlichen Verbesserungsprozesses ange‐ führt, der offene und konstruktive Kritik ermöglichte sowie soziale Ereignisse und interaktive Elemente bot. Die Voraussetzung, damit Teamkohäsion gut gelingt, ist zum Beispiel, wenn Sie Vertrauen ansprechen, dass das Vertrauen auch vorher schon existiert haben muss. Seit Jahren haben wir so was wie einen kontinuierlichen Verbesserungsprozess, wo wir uns auch austauschen über unangenehme Dinge, die verbessert gehören, und die Regel ist, wir dürfen uns alles sagen (IP4). Führung im virtuellen und interkulturellen Kontext - Chancen und Herausforderungen 81 <?page no="82"?> Wir haben auch versucht, teilweise so spaßige Dinge zu machen, ein virtuelles Rätsel, eine Schnitzeljagd, wo Teams gemeinsam gearbeitet haben. Wir haben uns zum Online-Keks-Backen getroffen und einfach eine virtuelle Weihnachtsfeier gemacht. Wir haben uns bemüht, auch diese sozialen Ereignisse einzubauen. Statt des Betriebs‐ ausflugs haben wir dann den Leuten Kipferl und Sekt nach Hause geschickt und haben uns dann alle mit dem Sekt und den Kipferln vor den Computer gesetzt. Also wir haben versucht, auch diese sozialen interaktiven Elemente beizubehalten, aber mussten trotzdem feststellen, es ist nicht dasselbe (IP5). Ich denke mir, dass es auf jeden Fall wichtig ist, viele Kommunikationskanäle zu seinem Team offen zu halten. Ich glaube, dass es wichtig ist, dass es eben dann auch in solchen Teams, die sich vielleicht physisch nie begegnen, dass man da einen Jour fixe-Tag hat, (…) oder solche Dinge macht, dass man informelle Settings, z. B. auch via Chat, schafft (IP5). Interkulturalität im virtuellen Raum Diesbezüglich berichteten die Zentrumsleiter: innen, dass die Reflexion und die Anpassungsfähigkeit des Kommunikationsstils durch die Führungskraft eine wichtige Rolle spielten. Als konkretes Beispiel wurde in den Interviews die Kommunikation mit dem asiatischen Kulturraum genannt, bei dem ein indirekter Kommunikationsstil bevorzugt wird, insbesondere wenn Probleme oder konfliktbehaftete Situationen angesprochen werden. Aus den Interviews ging weiters hervor, dass nicht nur im Rahmen der Be‐ ziehung zwischen der Führungskraft und den Mitarbeiter: innen interkulturelle Aspekte in der Kommunikation zu beachten waren. Auch in der Sprachvermitt‐ lung als Form der interkulturellen Leistung im virtuellen Raum war es besonders schwierig, über diese kulturellen Unterschiede zu sprechen und diese sichtbar zu machen. In den Interviews wurde berichtet, dass besonders das kulturelle Distanzverhalten zwischen Gesprächspartner: innen aus unterschiedlichen Kul‐ turen in virtuellen Lernräumen schwer reproduzierbar war. Darüber hinaus war es laut den Zentrumsleiter: innen für eine gelungene interkulturelle Kommunikation im virtuellen Raum von großer Bedeutung, Toleranz für unterschiedliche Meinungen zu zeigen. Diese sollten nicht abwer‐ tend bzw. nicht nur nach den eigenen Maßstäben bewertet werden. Vielmehr ging es laut Aussage mancher Interviewten darum, zu verstehen, was der Hintergrund bzw. der Fokus der Botschaft war bzw. wie unterschiedliche Ansichten konstruktiv besprochen werden konnten. Ihrer Meinung nach war es daher besonders wichtig, dem Gegenüber aktiv zuzuhören und Interesse am Gesagten zu zeigen, wenn unterschiedliche Kulturen zusammentrafen. 82 Serena Comoglio <?page no="83"?> Hinsichtlich der wirksamen Kommunikation im interkulturellen Bereich wurde berichtet, dass es bei Mitarbeiter: innen, die schon lange in Österreich lebten, offensichtlich über die Jahre zu einem Lernprozess gekommen war und es kaum Kommunikationsprobleme gab. Zum Teil wurde angeführt, dass sich Fremdsprachenlehrende gleichzeitig der Tatsache bewusst waren, dass sie aus anderen Kulturen kamen und in einem fremden Umfeld lebten und handelten. Als Sprach- und Kulturexpert: innen hatten sie gelernt, mit dem „Fremdsein“ gut umzugehen. Optimierungsmöglichkeiten Bezüglich der Optimierungsmöglichkeiten für eine verbesserte Kommunikation im virtuellen und interkulturellen Kontext berichteten einige Interviewte davon, dass eine bessere technische Ausstattung für hybride Veranstaltungen und Mee‐ tings, bei denen der digitale und physische Raum nahtlos ineinandergreifen und die dazugeschalteten Gesprächsteilnehmer: innen den Raum gut im Blickfeld haben, von Nöten wäre. Mit Videowänden und modernen Whiteboards hätte der virtuelle Fremdsprachenunterricht besser gestaltet werden können. Verbesserungspotential gäbe es schon. Leider muss ich da wieder auf die Ausstattung zurückkommen. Aber was mir schon gefallen würde, wären gute hybride Lösungen für Veranstaltungen und Weiterbildungen, die das Institut anbietet, an denen man zum Beispiel parallel teilnehmen kann. Derzeit hat man leider nur die Möglichkeit, entweder in Präsenz oder online teilzunehmen (IP1). Ein weiterer Punkt war die fehlende technische Affinität der älteren Belegschaft. Es wäre laut manchen Zentrumsleiter: innen empfehlenswert gewesen, junge E- Tutor: innen als Unterstützung im Umgang mit der Technik einzusetzen. Eine interviewte Person meinte in Bezug auf die Spielregeln für die virtuelle Kommunikation auf Videoplattformen, dass eine horizontale Kommunikation und Inklusion ermöglicht werden sollten: Dieser soziale Raum gehört einfach offen gelassen, genauso wie wir uns in der Teeküche treffen. Es ist auch natürlich hilfreich, wenn wir fallweise entscheiden, ob wir ein Meeting aufnehmen oder nicht und jemand erstellt ein Protokoll dazu. Eine Bildschirmfreigabe bitte für alle, nicht nur für den Host. Also ein gleichberechtigter Raum, wo sich alle jederzeit treffen können und alle auch jederzeit alles teilen können: Das ist für mich das Um und Auf (IP3). Führung im virtuellen und interkulturellen Kontext - Chancen und Herausforderungen 83 <?page no="84"?> Diskussion der Forschungsergebnisse und ihre Umsetzung in der Praxis Wenn man die Aussagen der Interviewten zu Veränderungen durch die virtuelle Sprachvermittlung nun reflektiert betrachtet, dann stechen folgende Dimen‐ sionen in Bezug auf die Wirkung der Sprachvermittlung und eine gelungene virtuelle und interkulturelle Führung besonders hervor und bestätigen damit die Theorie: • Virtuelle Führung erfordert eine Anpassung der bestehenden Organisati‐ onsstrukturen sowie eine Neugestaltung von Koordinations- und Kommu‐ nikationsprozessen. • Der Verlust von wichtigen Kommunikationskomponenten (eine stark re‐ duzierte Körpersprache aufgrund von fehlenden nonverbalen und paraver‐ balen Signalen) stellt eine große Barriere in der virtuellen Kommunikation, insbesondere bei der fremdsprachlichen Interaktion, dar. • Die Beziehungsebene wird in der virtuellen Kommunikation vernachlässigt, was wiederum zu Gefühlen der Einsamkeit und Isolation führen kann. • Die intendierte Wirkung der kommunizierten Botschaften kommt im vir‐ tuellen Raum an, aber die Resonanz auf sozialer und persönlicher Ebene ist gedämpft. • Im virtuellen Raum ist es schwieriger, Gruppenkohäsion zu fördern und Vertrauen aufzubauen. • Sprachenzentren sollten sich im Spannungsfeld der digitalen Transforma‐ tion neu positionieren. • Kulturen sind heutzutage nicht klar voneinander abgegrenzt, sondern vernetzen und vermischen sich zusehends. Da dies aber keine Wirkmechanismen sind, die exakt voneinander getrennt werden können, sondern im Kontext zusammenhängend wirken, werden nach‐ folgend die wesentlichen Zusammenhänge kritisch reflektiert. Neue Erkenntnisse für universitäre Sprachenzentren Ausgehend von der Kommunikationsebene kann festgehalten werden, dass standortgebundene Interaktion und Face-to-Face-Kontakte bisher als inhärente Merkmale dieser Institute angesehen wurden, die, wie noch nie zuvor, durch die Umstellung auf Distanzlehre so tiefgreifend infrage gestellt wurden. Auch die Bedeutung der nonverbalen Kommunikation aller Beteiligten in der konkreten Lehr- und Lernsituation wurde bisher als Selbstverständlichkeit erachtet. Selbst nach einigen Semestern Distanzlehre gibt es weiterhin keine Zweifel daran, dass 84 Serena Comoglio <?page no="85"?> der offene und experimentelle Charakter der Präsenzlehre noch kein adäquates Äquivalent in der digitalen Welt gefunden hat. Dennoch müssen sich die universitären Sprachenzentren mit einigen Frage‐ stellungen und den daraus resultierenden Erkenntnissen beschäftigen. Inwie‐ fern lassen sich Sprachenzentren noch immer ausschließlich über ihren Ort (und die Präsenz an diesem Ort) bestimmen und definieren? Und noch wichtiger: Inwiefern haben sich universitäre Sprachenzentren als Organisation an sich durch die Corona-Pandemie und das Kennenlernen von anderen Lern- und Lehrformaten verändert? Vor diesem Hintergrund kann festgehalten werden, dass grundsätzlich Sprachenzentren für Studierende bzw. Kursteilnehmer: innen eine wichtige mehrsprachige Sozialisationsumgebung darstellen und auch ganz generell für ihre kulturelle Identitätsentwicklung von großer Bedeutung sind. Dabei ist anzumerken, dass der Klassenraum nicht der einzige physische Ort ist, der für den Lernprozess wichtig ist. Gerade für das gemeinsame, auch informelle Sprachenlernen spielen die Wege zwischen diesen Räumen eine wichtige Rolle. Schließlich ist ein Fremdsprachenkurs nicht nur Teil eines universitären Stu‐ diums, sondern auch ein Sozialisationsprozess. Dieser setzt sich u. a. auch zum Ziel, kulturelle Praktiken einzuüben und persönliche Beziehungen über Kulturen hinweg aufzubauen (Albert, 2020, S.-14). Im spezifischen Kontext der Sprachvermittlung erscheint diese Reflexion noch stringenter, da es hier kaum um reine Wissensvermittlung, die konsu‐ miert werden soll, sondern neben dem Erwerb von sprachlichen Fertigkeiten insbesondere um sprachliches Problemlösen, Handlungskompetenzen, interkul‐ turelle Interaktionsprozesse, kritisches Denken sowie aktives Experimentieren mit der Sprache geht. In diesem Sinn haben lebhafte Interaktionen einen hohen Stellenwert und diese sind in der digitalen Kommunikation schwerer zu reproduzieren. Denn während in interpersonellen Interaktionen mit den anderen Kursteil‐ nehmer: innen und Lehrkräften alle Sinne an der Kommunikation beteiligt sind, beschränkt sich die immer besser werdende digitale Kommunikation hauptsächlich auf das Hören und Sehen. Eine Sprache zu lernen, bedeutet hingegen, mit anderen Kulturen in Kontakt zu treten - und diese sind komplexe Gebilde. Es ist daher sehr schwierig, dies zu ermöglichen, wenn sich Studierende in virtuellen Videokonferenzen oder Lernräumen gegenseitig kaum wahrnehmen - ihre Beiträge sind noch stärker als bei räumlicher Kopräsenz ausschließlich an die Lehrperson gerichtet. Es kommt eher zu einem eingeschränkten Austausch als zu einer Gruppendiskus‐ Führung im virtuellen und interkulturellen Kontext - Chancen und Herausforderungen 85 <?page no="86"?> sion, die jedoch für das Artikulieren der Gedanken in einer Fremdsprache und das Experimentieren mit der Sprache unabdingbar sind. Trotz alledem sind universitäre Sprachenzentren dazu angehalten, noch viel stärker als bisher mit digitaler und Präsenzlehre in Kombination in der Breite zu experimentieren, diese anzupassen und weiterzuentwickeln und nun als die neue Normalität in modernen universitären Sprachenzentren zu begreifen. Eine weitere wichtige Erkenntnis, die aus den Interviewergebnissen deutlich hervorgeht, betrifft die durch die Corona-Pandemie maßgebliche Beschleuni‐ gung der Digitalisierung im Fremdsprachenunterricht. Angesichts des großen technischen Entwicklungssprungs, beispielsweise im Bereich der künstlichen Intelligenz (KI), die in den Medien große Aufmerksamkeit erfahren hat, scheint sich dieser Digitalisierungstrend nicht nur auf die virtuelle Welt reduzieren zu lassen. Laut der Autorin der vorliegenden Arbeit zeichnet sich somit bereits für die interne Führung solcher Sprachenzentren die nächste Herausforderung ab. So‐ wohl im virtuellen Fremdsprachenunterricht als auch bei Kursen, die in Präsenz abgehalten werden, ist der Umgang mit verschiedensten Tools und der künst‐ lichen Intelligenz bereits Realität. Gemäß dem heutigen Entwicklungsstand sollten diese bereits basale Kommunikationsfähigkeiten ermöglichen. Daraus lässt sich schließen, dass v. a. in der digitalen Welt Fremdsprachenunterricht mehr als die Herstellung von basalen Kommunikationsfähigkeiten oder die Beteiligung am fremdsprachlichen Diskurs zu leisten hätte. In Zukunft wird ein wichtiges Anliegen der Sprachvermittlung im virtuellen Raum aber auch in Präsenz darin bestehen, Lernenden die effektive und sinn‐ volle Verwendung von Sprachlern-Apps und Plattformen zu vermitteln, diese zu üben, insbesondere deren Möglichkeiten und Grenzen zu reflektieren und diese kritisch zu bewerten. Universitäre Sprachenzentren bleiben auch mit der Kombination von Prä‐ senzzeiten und digitaler Lehre weiterhin zentrale Einrichtungen zur Vermitt‐ lung von kulturellen Erfahrungen und Sozialisation sowie ein interkultureller Interaktionsraum in einer immer heterogeneren und mehrsprachigeren sowie digitaler kommunizierenden Gesellschaft. Folglich bedeutet dies, dass die Etablierung einer authentischen begegnungs‐ fördernden Online-Kultur im Rahmen der Sprachvermittlung auch für die Entwicklung von Lernbeziehungen entscheidend ist. Daraus lässt sich die Notwendigkeit ableiten, das interpersonelle Erleben im virtuellen Raum neu zu gestalten. Dabei geht es nicht so sehr darum, neue bzw. bessere Tools zu finden, sondern sich ausgerechnet diesen zwischenmenschlichen Raum online zurückzuerobern und diesen trotz technischer Ausfälle bzw. fehlerhafter 86 Serena Comoglio <?page no="87"?> Datenübertragung für gelungene Begegnungen so authentisch wie möglich zu gestalten. Dies bedeutet auch möglichst vielfältige auditive, visuelle und sensomotorische Erfahrungen in den Lehr- und Lernprozess zu intergieren, was wiederum spezifische Schlüsselkompetenzen beim Lehrpersonal erfordert, damit es diese virtuellen Lernräume fachspezifisch und didaktisch reflektiert gestalten kann. Führungsarbeit im virtuellen und interkulturellen Kontext an den Sprachenzentren Sowohl aus der Literaturanalyse als auch aus den empirischen Interviewer‐ gebnissen lässt sich ableiten, dass Führung im virtuellen Kontext deutlich an‐ spruchsvoller in Bezug auf die Kommunikationsfähigkeiten und -möglichkeiten der Führungskraft als in Präsenz ist. Ausgehend von den Aussagen der Befragten lässt sich konkret ermitteln, dass die anfängliche Begeisterung über verschiedene Tools und Videokonferenz- Plattformen für die virtuelle Kommunikation langsam der Erkenntnis weicht, dass „genau die Dinge, die jetzt (in Präsenz) als besser empfunden werden, mit den Defiziten des virtuellen Raums zu tun haben“ (IP4). Dennoch ist die virtuelle Kommunikation nicht nur als eine durch die Pandemie ausgelöste Notlösung zu betrachten, sondern sie gehört aufgrund des Trends zum mobilen und flexiblen Arbeiten nun mehr auch an Sprachenzentren dauerhaft zum Repertoire. Ein weiterer wichtiger Einflussfaktor ist dabei die Besonderheit dieses virtu‐ ellen Raums an sich für die Führungsarbeit. Denn dieser wirkt körpersprachlich oft als echoloser oder echoverzögerter Raum, insbesondere wenn Kameras und Mikrofone ausgeschaltet sind. Das von einigen Interviewpartner: innen beschriebene Gefühl der Resonanzlosigkeit findet man in der Literatur in Rosas Konzept der Resonanz (vgl. Rosa, 2016, 298) bzw. der Notwendigkeit der resonanten Lebendigkeit auch bei Führungsbeziehungen (vgl. Eibisch, 2019, S. 181) wieder. Diese Resonanz wird im virtuellen Raum aufgrund der fehlenden Unmittelbarkeit der Begegnung beeinträchtigt. Somit kann keine transformative Begegnung im Sinne von Rosa und folglich auch keine echte Bindung mehr entstehen. Dies bedeutet, dass Beratungsangebote für Führungskräfte zur Sensibilisie‐ rung und zum Aufzeigen von Alternativen von Nöten wären. Ziel wäre es dabei, dafür zu sorgen, dass dieser Umstand auf längere Sicht zu keinen Auswirkungen auf das Empathievermögen der Führungskraft aufgrund der schwierigen Deu‐ tung des Gegenübers führt. Denn wenn Bindungen schwerer hergestellt werden können, kann es passieren, dass sich Menschen emotional vermehrt zurück‐ Führung im virtuellen und interkulturellen Kontext - Chancen und Herausforderungen 87 <?page no="88"?> ziehen und sich weniger engagieren. Anstatt sich aktiv zu beteiligen, werden Menschen viel mehr zu Zuschauern, die Inhalte „konsumieren“ und deren eigene Wirksamkeit immer schwächer wird. Es gilt daher, sie aktiv aus dieser Zuschauer: innenrolle herauszuholen und die Gefahren des Verbindungsverlusts mit dem Gegenüber zu reduzieren. Konstruktiv mit diesen Veränderungen umzugehen, impliziert u. a. auch die Notwendigkeit, über Kommunikation explizit zu sprechen und diese ver‐ änderten Kommunikationsbedingungen zu thematisieren. Nur so wird allen Beteiligten - sei es Lehrenden oder Führungskräften - klar, welche Erwartungen an die „digitale Präsenz“ gestellt werden. So wird dafür gesorgt, dass Kommu‐ nikation erfolgreich stattfinden kann. Für eine gelingende Sprachvermittlung und Führungsarbeit an Sprachen‐ zentren sollten die Leiter: innen der Sprachenzentren auch berücksichtigen, dass die virtuelle Präsenz trotz aller Defizite auch ganz eigene positive Effekte für die Kommunikation mit sich bringt. Durch die medial vermittelte Kommunikation eröffnen sich Wege, die die Teilhabe erleichtern. Dabei ist einerseits eine Teilhabe beispielsweise aufgrund von individuellen Beeinträchtigungen sowie andererseits auch im Sinne von Partnerschaften mit anderen Instituten und somit eine verstärkte Erreichbarkeit von Personal und Studierenden gemeint, die nicht nur im Inland arbeiten und studieren. Eine weitere wichtige Voraussetzung für eine gelingende Sprachvermittlung und Führungsarbeit an Sprachenzentren besteht in der Gestaltung einer inklu‐ siven Online-Kultur und horizontaler Beziehungen, die für das Lernen, die Zusammenarbeit und das persönliche Wachstum unabdingbar sind. Zu diesem Zweck empfiehlt es sich beispielsweise, nach Besprechungen den virtuellen Raum für informelle Gespräche offen zu lassen sowie frei betretbare virtuelle Räume einzurichten oder Kontakträume zu schaffen, die nicht arbeitsbezogen sind, sondern nur für den persönlichen Austausch angeboten werden. Diese würden auch die zufälligen und absichtsfreien Begegnungen kompensieren, die in Präsenz für den Aufbau und den Erhalt einer persönlichen Beziehung zwischen der Führungskraft und den Mitarbeiter: innen so wichtig sind. Solche Formate können auch für die Sprachvermittlung nützlich sein. Die Möglichkeit, im physischen Raum stattfindende, teilweise von ritualisierten Praktiken, aber doch auch vom Zufall geprägten Interaktionen mit anderen Teilnehmer: innen auch noch digital zu reproduzieren (vgl. Elliker, 2020, S. 29), wäre für rein virtuelle Sprachkurse ein großer Gewinn. Denkbar wäre es, Umgebungen zu schaffen, die das Lernen durch eine echte immersive Erfahrung ermöglichen. 88 Serena Comoglio <?page no="89"?> Dabei geht es auch darum, jene Schlüsselkompetenz zu erlernen, die eine „echte“ Präsenz ermöglicht, die über eine rein technische und rein physische Präsenz hinausgeht. Konkret bedeutet dies, über das Onlinemedium bzw. durchaus über jene Dimensionen hinweg natürlich zu wirken, die im medial vermittelten Raum bzw. im Video sichtbar sind, und zwar vor allem Sprache, Stimme, Mimik und Körpersprache in der oberen Körperhälfte. Abschließend kann man festhalten, dass Sprachvermittlung und Führungsar‐ beit an Sprachenzentren gut gelingen können, wenn digitale Welten in Ergän‐ zung zu Präsenzsettings mitberücksichtigt werden, genauso wie sie heutzutage zu einem natürlichen Bestandteil des Lebens geworden sind. Darüber hinaus wird im theoretischen Kapitel des vorliegenden Beitrags darauf eingegangen, dass man im virtuellen Raum auch die kulturelle Distanz überbrücken muss. Es liegt jedoch auf der Hand, dass generell persönliche Be‐ gegnungen von Vorteil sind, um interkulturelle Prozesse verstehbar zu machen und diese mit Lernerfahrungen zu verknüpfen. Denn nur so ist es auch möglich, sich in verschiedene Rollen zu begeben und diese gemeinsam zu reflektieren. Es ist daher nötig, alle Beteiligten darin zu unterstützen, kulturelle Bezüge zu identifizieren und diese auszuhandeln. Dies schließt damit einhergehende Konflikte und Widersprüche, die durchaus zugelassen werden sollten, mit ein. Denn weicht man im virtuellen Raum Widersprüchen, Konflikten und Unterschieden dauerhaft aus, kann dies die Fähigkeit schwächen, tragfähige Beziehungen zu gestalten und die Komplexität von Beziehungen zu erfassen. Wünschenswert wäre es, vereinfachende Zuschreibungen wie „wir‘“ und „die anderen“ zu vermeiden. Dies bedeutet u. a. auch, dass nicht immer nur diejenigen, die aus anderen Kulturen kommen, einen Weg finden sollten, um gut mit dem eigenen „Fremdsein“ umzugehen. Vielmehr geht es darum, nicht in einer augenscheinlich toleranten Art und Weise die Integration und Anpassung an die „eigenen“ Vorstellungen vorauszusetzen und als selbstverständlich zu er‐ achten. Aus diesem Grund sollte das Denken in Unterschieden und Gegensätzen überwunden werden und stattdessen die Verbundenheit der Menschen aus verschiedenen Kulturen ins Zentrum des Lernens und des kulturellen Handelns gestellt werden. Resümee Durch das Forschungsprojekt Führung im virtuellen und interkulturellen Kon‐ text - Chancen und Herausforderungen für österreichische universitäre Sprachen‐ zentren konnte aufgezeigt werden, dass die Virtualität universitäre Sprachen‐ zentren multidimensional herausfordert. Die unterschiedlichen Auswirkungen Führung im virtuellen und interkulturellen Kontext - Chancen und Herausforderungen 89 <?page no="90"?> der virtuellen Kommunikation zeigten sich sowohl bei der Führungsarbeit als auch beim Dienstleistungsprodukt (Sprachvermittlung) sowie bei der Ausrich‐ tung und der Identität der Sprachenzentren. Die mit den Leiter: innen der universitären Sprachenzentren durchgeführten Interviews haben dabei ergeben, dass einige Anpassungen an die bestehenden Organisationsstrukturen vorgenommen sowie Koordinations- und Kommuni‐ kationsprozesse neu gestaltet werden müssten. Insbesondere die in der virtu‐ ellen Kommunikation stark reduzierte Körpersprache stellte eine große Barriere beim Aufbau von resonanzfähigen Beziehungen, und zwar vor allem bei der fremdsprachlichen Interaktion, dar. Die Beziehungsebene wird somit in der virtuellen Kommunikation und damit in der virtuellen Führung vernachlässigt, was wiederum zu Gefühlen der Einsamkeit und Isolation führen kann. Eine weitere wichtige Erkenntnis aus den Interviews betrifft das Dienstleis‐ tungsprodukt der Sprachenzentren: die Sprachvermittlung. Durch den in Zeiten der Pandemie ausgelösten Digitalisierungsschub wurden neue Unterrichts‐ konzepte erprobt. Dabei besteht die größte Herausforderung darin, virtuelle (Sprach-)Lernräume in Orte der lebendigen fremdsprachlichen Kommunika‐ tion und interkulturellen Interaktion zu verwandeln. Aufgrund der benötigten Technik kann die kommunikative, soziale und emotive Funktion der Sprache im virtuellen Raum nicht immer ausreichend erfüllt werden. Trotz alledem gibt es viele Möglichkeiten, wie beispielsweise den Einsatz von hybriden Lerngruppen sowie die Verknüpfung der virtuellen Klassenzimmer mit den persönlichen Räumen der Kursteilnehmer: innen, um diese Komponenten wieder in das Lernsetting zu integrieren. Darüber hinaus kann aus den Expert: inneninterviews abgeleitet werden, dass die Leitung der Sprachenzentren gefordert wäre, Überlegungen zur (Neu-)Aus‐ richtung des eigenen Instituts anzustellen. Einerseits sollten Sprachenzentren Orte der Sozialisation, der Identitätsentwicklung sowie des interkulturellen Interaktionsraums bleiben, an denen auch informelles Sprachenlernen durch die Einübung kultureller Praktiken und durch persönliche Beziehungen über Kulturen hinweg ermöglicht wird. Andererseits wäre es wünschenswert, wenn Sprachenzentren nicht nur ausschließlich über ihren Ort (und die Präsenz an diesem Ort) bestimmt und definiert werden würden. Konkret bedeutet dies vor allem, vermehrt mit kombinierten Angeboten, bestehend aus Präsenz- und Fernlehre, sowie analogen und digitalen Kommunikationsmöglichkeiten zu experimentieren und diese weiterzuentwickeln. Abschließend kann festgehalten werden, dass universitäre Sprachenzentren konstruktiv mit den geschilderten Veränderungen umgehen und Führungs‐ kräfte hinsichtlich der Erwartungen an die „digitale Präsenz“ beraten sowie 90 Serena Comoglio <?page no="91"?> durch spezifische Maßnahmen unterstützt werden sollten. Dabei geht es insbe‐ sondere darum, jene Schlüsselkompetenzen zu erlernen, die es ermöglichen, eine „echte“ Präsenz auch im virtuellen Raum herzustellen. Universitäre Spra‐ chenzentren bleiben also weiterhin wichtige Orte der Erfahrung und Soziali‐ sation, an denen sich vor dem Hintergrund der beschriebenen Transformati‐ onsprozesse digitale Lern-, Kommunikations- und Begegnungsformate und Präsenzzeiten im Rahmen der Führungsarbeit und Sprachvermittlung gegen‐ seitig ergänzen sollten. Literaturverzeichnis Albert, Georg (2020): Zur Bedeutung von Körpern und Räumen für die universitäre Präsenzlehre. In: Stanisavljevic, Marija/ Tremp, Peter (Hrsg.) 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Watzlawick, Paul/ Beavin, Janer H./ Jackson, Don D. ( 13 2017). Menschliche Kommunikation. Formen, Störungen. Paradoxien. Bern: Hogrefe. 94 Serena Comoglio <?page no="95"?> Anhang Interviewleitfaden für die Leiter: innen der universitären Sprachenzentren 1. Sie sind Sprachexpert: in bzw. Leiter: in eines Instituts, das als Kernbereich die fremdsprachliche Kommunikation und Interaktion hat. Was sind aus Ihrer Sicht die spezifischen Empfindlichkeiten (d. h. Schwächen, Stärken und Besonderheiten) der virtuellen Kommuni‐ kation? 2. Inwieweit ist es Ihrer Meinung nach möglich, die kommunikative Funk‐ tion der Sprache sowie auch ihre emotive und soziale Funktion in virtuellen (Sprach-)Lernräumen zu vermitteln? • Was ist Ihrer Erfahrung nach gut möglich? • Inwiefern gibt es Barrieren, Missverständnisse, Irritationen, wenn anstelle der Präsenz ein technisches Medium genutzt wird? 3. Welche Auswirkungen hatte der Wechsel in den virtuellen Raum in diesem Zusammenhang aus Ihrer Perspektive, der Perspektive einer Füh‐ rungskraft, nicht nur auf den Unterricht im Konkreten, sondern auch auf die Situation/ Position des Zentrums im Allgemeinen? 4. Wie hat sich die Veränderung in der täglichen Arbeit des Sprachen‐ zentrums (d. h. die Umstellung auf den Online-Sprachunterricht) auf Ihre Führungsarbeit ausgewirkt? Welche Veränderungen haben Sie wahrge‐ nommen? 5. Welche Veränderungen hat die Virtualität für Ihre Führungsarbeit hin‐ sichtlich der Kommunikation mit den Mitarbeiter: innen/ externen Lehrenden mit sich gebracht? • Haben Sie den Eindruck, dass sich Ihre Kommunikationswir‐ kung/ Resonanz in der virtuellen Interaktion mit Ihren Mitar‐ beiter: innen/ externen Lehrenden verändert hat? • Inwiefern ist es Ihnen als Zentrumsleiter: in gelungen, trotz räumlicher Trennung und mangelnder Face-to-face-Kommunikation mit dem Team gut im Austausch zu bleiben? • Wie konnten Sie das Wir-Gefühl sowie die Motivation und das Vertrauen der Teammitglieder aufrechterhalten? • Welche Chancen ergeben sich durch die virtuelle Kommunikation für das Sprachenzentrum und Ihre Führungsarbeit? • Worin genau bestehen Risiken? Führung im virtuellen und interkulturellen Kontext - Chancen und Herausforderungen 95 <?page no="96"?> 6. Was sind aus Ihrer Sicht die Herausforderungen in der virtuellen Kom‐ munikation und Interaktion mit Lehrenden mit unterschiedlichen kulturellen Hintergründen? • Mit welchen Problemen wird man aufgrund von kulturellen Un‐ terschieden im Team in der virtuellen Interaktion konfrontiert? • Denken Sie an die Zeit zurück, als die Zusammenarbeit nur virtuell möglich war. Können Sie sich an spezifische Situationen erinnern, in denen Missverständnisse in der Kommunikation und Inter‐ aktion mit Lehrenden mit verschiedenen kulturellen Hinter‐ gründen entstanden sind? Wie sind Sie damit umgegangen? • Welche Konsequenzen haben Sie daraus für Ihren Führungsstil ge‐ zogen? 7. Was macht für Sie eine gelingende Führung im virtuellen und inter‐ kulturellen Kontext an einem Sprachenzentrum aus? Welche Aspekte sind hier ausschlaggebend? • In welchen Bereichen sehen Sie für Ihr Zentrum in diesem Zusammen‐ hang noch Verbesserungsmöglichkeiten? • Welche Unterstützung hätten Sie sich in Bezug auf Ihre Führungstä‐ tigkeit auf Distanz gewünscht? 8. Möchten Sie noch etwas hinzufügen? Haben Sie weitere Kommentare? Danke, dass Sie sich die Zeit genommen haben, an diesem Interview teilzu‐ nehmen! 96 Serena Comoglio <?page no="97"?> Auswirkungen von Social Media auf den Sprachunterricht und das Sprachenlernen bei treffpunkt sprachen Beatrice Maierhofer Folgender Beitrag untersucht die mögliche Integration von Social Media in den Sprachunterricht und deren Einfluss auf das Sprachenlernen. Angesichts der allgegenwärtigen Präsenz sozialer Medien in unserem täglichen Leben und der verstärkten Digitalisierung im Bildungsbereich ist die Frage nach der Nutzung dieser Plattformen im Sprachunterricht von großer Relevanz. Die hier präsentierten Forschungsergebnisse basieren auf einer umfassenden Datenerhebung, die im Wintersemester 2020/ 21 unter Sprachenlernenden durchgeführt wurde. Neben den Lernenden, deren Verhalten mittels Umfrage ermittelt wurde, gaben auch Lehrende in Interviews bekannt, welche Social- Media-Plattformen und Kommunikationstools sie sowohl im privaten Bereich als auch im Unterrichtssetting nutzen. Die Studie konzentriert sich auf den Effekt von sozialen Medien auf die Entwicklung von Kompetenzen und Kenntnissen hinsichtlich der zu erlernenden Fremdsprache. Weiters wird aufgezeigt, welche Social Media als besonders effektiv für den Sprach‐ unterricht erachtet werden. Insgesamt zielte dieses Projekt darauf ab, die Potentiale und Möglichkeiten des Einsatzes von Social Media im Sprachun‐ terricht aufzuzeigen und einen Einblick in die positiven Auswirkungen auf das Sprachenlernen zu bieten. Die Ergebnisse können dazu beitragen, den Sprachunterricht innovativer zu gestalten und die Sprachkompetenzen der Lernenden effektiver zu fördern. Forschungshintergrund Social Media sind heutzutage fester Bestandteil unseres Alltags, fast die Hälfte der Weltbevölkerung ist in sozialen Netzwerken aktiv (vgl. Statista 2023). Mittlerweile gibt es eine Fülle von Plattformen und Kommunikationstools, die <?page no="98"?> im privaten Bereich genutzt und verstärkt auch in diversen Unterrichtssettings eingesetzt werden. Insbesondere in Zeiten von Online-Lehre und digitalen Bildungsinitiativen infolge der Coronavirus-Pandemie stellt sich die Frage, wie die Brücke der Nutzung solcher Plattformen und Kommunikationstools vom Privatleben hin in den Unterricht geschlagen werden kann. Vor allem hinsichtlich des Sprachenlehrens und -lernens kann die weltweite Vernetzung positive Effekte erzielen und der Einsatz von Social Media eine Bereicherung sein. Projektbeschreibung Das Projekt Auswirkungen von Social Media auf den Sprachunterricht und das Sprachenlernen bei treffpunkt sprachen zielte darauf ab, effektive Möglichkeiten zur Integration von Social Media in den Sprachunterricht zu identifizieren. Zunächst wurde der Status Quo am treffpunkt sprachen mittels Umfragen unter Kursteilnehmenden und Interviews mit Lehrbeauftragten erhoben. Die Auswahl der dafür berücksichtigten Social-Media-Plattformen orientiert sich am „Jugend-Internet-Monitor Österreich“ aus dem Jahr 2020 (s. Anhang; Sa‐ ferInternet.at 2023). Die Plattform SaferInternet.at präsentiert jährlich aktuelle Daten zur Social-Media-Nutzung von österreichischen Jugendlichen im Alter von elf bis 17 Jahren. Zwei Punkte waren für die Auswahl dieses Bezugssystems relevant: Einerseits handelt es sich dabei um die weitverbreitetsten Plattformen in Österreich, andererseits liegt das Alter der befragten Nutzer: innen nahe an dem der Studierenden. In einem ersten Schritt wurden Fragebögen für Lernende erstellt und aus‐ gewertet, um zu untersuchen, welche Plattformen und Kommunikationstools diese sowohl im privaten Bereich als auch im Sprachunterricht nutzen. Im Zu‐ sammenhang mit der Datenerhebung wurde analysiert, welche sozialen Medien sich am besten für die Erweiterung der Kompetenzen Leseverstehen, Hörver‐ stehen, schriftlicher und mündlicher Ausdruck eignen sowie welche Fortschritte in den Bereichen Aussprache, Wortschatzerwerb, Grammatikkenntnisse und interkultureller Austausch verzeichnet wurden. Die Umfrage schloss mit sta‐ tistischen Angaben zur jeweils interviewten Person. Die Befragung fand im Wintersemester 2020/ 21 statt, in dem die Lehre vorwiegend online abgehalten wurde. Ursprünglich wurde ein analoger Fragebogen (s. Anhang) konzipiert; aufgrund der Online-Lehre wurden die Ergebnisse jedoch in Form einer digi‐ talen Umfrage mittels LimeSurvey eingeholt. Es ist wahrscheinlich, dass durch diese Umsetzung mehr Lernende erreicht werden konnten, sodass fast 400 Personen ihre Gedanken zu Social Media im Sprachunterricht äußerten. 98 Beatrice Maierhofer <?page no="99"?> Im Sommersemester 2021 folgten Gespräche mit Lehrenden, in denen die Verwendung von Social Media im Sprachunterricht und die Einschätzung der Effektivität dieser Medien hinsichtlich des Sprachenlernens ermittelt wurden. Hierbei wurden die Teilnehmenden gebeten, die 14 untersuchten sozialen Medien hinsichtlich ihrer Eignung für den Sprachunterricht zu reihen. Um diese Aufgabenstellung zu erleichtern, wurde eine Übersicht der Plattformen angefertigt (s. Anhang) und den Interviewteilnehmer: innen vorab zur Verfü‐ gung gestellt. Wie die Lernenden wurden auch die Lehrenden nach ihrem Nutzungsverhalten von Social Media sowohl im privaten als auch im beruflichen Bereich befragt. Weiters wurde die Eignung der Plattformen für die Förderung verschiedener Kompetenzen untersucht. Alle Interviews wurden transkribiert und umfassend analysiert. Die Ergebnisse dieser Erhebungen ermöglichten, den Nutzen von Social Media für verschiedene Sprachkompetenzen und -kenntnisse zu bewerten. Zielsetzung des Projekts war es, mit der Auswertung der erhobenen Daten aus der Umfrage unter Lernenden und den Interviews mit Lehrenden aufzuzeigen, in welchen Bereichen der Sprachvermittlung der Einsatz von Social Media förderlich ist. Auswertung des Fragebogens Im Zeitraum von November 2020 bis Jänner 2021 wurde eine Online-Umfrage zur Untersuchung der Auswirkungen von Social Media auf den Sprachunterricht und das Sprachenlernen durchgeführt, an der sich 378 Lernende von treffpunkt sprachen beteiligten. Nutzungsverhalten Im Fokus der Untersuchung stand das Social-Media-Nutzungsverhalten der Lernenden. Mit einer regelmäßigen Nutzung von 88 % wurde WhatsApp als das am häufigsten genutzte Medium identifiziert, gefolgt von YouTube mit 71 % und Instagram mit 54 %. 30 % der Befragten gaben an, Facebook regelmäßig zu verwenden, während Snapchat von 22 % und Skype von 11 % genutzt wurde. Die restlichen neun Plattformen wurden von weniger als einem Zehntel der Befragten regelmäßig verwendet, wobei Twitch mit 2 % den niedrigsten Anteil aufweist. Auswirkungen von Social Media auf den Sprachunterricht und das Sprachenlernen 99 <?page no="100"?> 7 % 30 % 5 % 54 % 7 % 5 % 11 % 22 % 10 % 7 % 2 % 5 % 88 % 71 % 6 % 4 % 15 % 6 % 10 % 9 % 2 % 18 % 12 % 5 % 4 % 2 % 5 % 9 % 20 % 2 % 21 % 33 % 24 % 12 % 30 % 9 % 54 % 12 % 13 % 6 % 10 % 14 % 2 % 9 % 3 % 27 % 21 % 41 % 22 % 47 % 56 % 16 % 48 % 54 % 75 % 54 % 71 % 2 % 1 % 2 % 39 % 0 % 22 % 0 % 4 % 25 % 0 % 3 % 15 % 4 % 29 % 2 %0 % 0 % 2 % 3 % 1 % 2 % 2 % 2 % 3 % 1 % 2 % 3 % 3 % 3 % 3 %0 % 0 % 85 % Discord Facebook iMessage Instagram Pinterest Reddit Skype Snapchat Telegram TikTok Twitch Twitter WhatsApp YouTube Sonstige Diese Social Media nutze ich: Regelmäßig Oft Gelegentlich Nie Kenne ich nicht Keine Antwort Abbildung 1: Social-Media-Nutzungsverhalten der Sprachenlernenden Obwohl alle Befragten Facebook, Instagram, Skype, WhatsApp und YouTube kennen, spiegelt sich der Bekanntheitsgrad lediglich in der regelmäßigen Nutzung von WhatsApp (88 %) und YouTube (71 %) wider. Die Plattformen Facebook, Instagram und Skype, die allen Befragten bekannt sind, werden seltener verwendet. Etwa ein Drittel der Befragten nutzt Facebook regelmäßig, Instagram wird von etwa der Hälfte wiederholt genutzt und Skype wird von etwa einem Zehntel der Befragten regelmäßig verwendet. Die am wenigsten bekannten Kanäle sind Discord (39 %), Twitch (29 %), Reddit (25 %) und iMessage (22 %). Obwohl TikTok und Twitter fast allen Lernenden bekannt sind, werden diese Plattformen kaum verwendet: Etwa drei Viertel der Befragten nutzt TikTok nie, dasselbe gilt für etwa 70 % der Lernenden in Bezug auf Twitter. Hinsichtlich des Erlernens von neuen bzw. der Erweiterung bereits bekannter Fremdsprachenkenntnisse gaben 70 % der Befragten an, dass sie YouTube in diesem Bereich als unterstützend empfinden. Auf dem zweiten Platz steht Instagram mit 40 %, gefolgt von WhatsApp (28 %), Facebook (23 %) und Skype (20 %). 100 Beatrice Maierhofer <?page no="101"?> 100 4 % 23 % 2 % 40 % 7 % 5 % 20 % 5 % 2 % 8 % 3 % 8 % 28 % 70 % 11 % Discord Facebook iMessage Instagram Pinterest Reddit Skype Snapchat Telegram TikTok Twitch Twitter WhatsApp YouTube Sonstige Mit diesen Social Media habe ich eine neue Fremdsprache gelernt bzw. meine Fremdsprachenkenntnisse erweitert: Abbildung 2: Für den Spracherwerb genutzte Social Media Einschätzung der Eignung nach Plattform Die Befragten gaben an, dass verschiedene Social-Media-Plattformen sich für verschiedene Sprachkompetenzen eignen: • Facebook eignet sich für das Leseverstehen, die Erweiterung der Wort‐ schatzkenntnisse sowie den interkulturellen Austausch. • Instagram fördert das Lese- und Hörverstehen, den schriftlichen Ausdruck, die Erweiterung der Wortschatzkenntnisse sowie den interkulturellen Aus‐ tausch. • Mit Skype können das Hörverstehen, der mündliche Ausdruck, die Aus‐ sprache sowie der interkulturelle Austausch erweitert werden. • WhatsApp gilt in den Bereichen Leseverstehen, schriftlicher Ausdruck sowie interkultureller Austausch als geeignet. • YouTube eignet sich für alle Kompetenzbereiche, außer dem schriftlichen Ausdruck. Auswirkungen von Social Media auf den Sprachunterricht und das Sprachenlernen 101 <?page no="102"?> 101 6 % 44 % 15 % 44 % 15 % 14 % 10 % 8 % 11 % 6 % 2 % 21 % 38 % 27 % 4 % Diese Social Media eignen sich beim Sprachenlernen am besten für: Leseverstehen Abbildung 3: Eignung der Social Media für das Leseverstehen 17 % 14 % 1 % 26 % 1 % 2 % 42 % 8 % 3 % 15 % 14 % 3 % 19 % 78 % 4 % Diese Social Media eignen sich beim Sprachenlernen am besten für: Hörverstehen Abbildung 4: Eignung der Social Media für das Hörverstehen 102 Beatrice Maierhofer <?page no="103"?> 5 % 26 % 16 % 23 % 7 % 7 % 9 % 6 % 9 % 3 % 3 % 13 % 35 % 18 % 4 % Diese Social Media eignen sich beim Sprachenlernen am besten für: schriftlicher Ausdruck Abbildung 5: Eignung der Social Media für den schriftlichen Ausdruck 16 % 4 % 1 % 11 % 1 % 1 % 39 % 5 % 1 % 5 % 4 % 1 % 15 % 35 % 3 % Diese Social Media eignen sich beim Sprachenlernen am besten für: mündlicher Ausdruck Abbildung 6: Eignung der Social Media für den mündlichen Ausdruck Einschätzung der Eignung nach Kompetenzen Betrachtet man die Eignung der Plattformen für das Sprachenlernen aus der Perspektive der Kompetenzen, zeigt sich folgendes Bild: • Um das Leseverstehen zu fördern, eignen sich vor allem Facebook, Insta‐ gram, WhatsApp und YouTube. Auswirkungen von Social Media auf den Sprachunterricht und das Sprachenlernen 103 <?page no="104"?> • Für die Förderung des Hörverstehens wird YouTube von fast 80 % der Befragten als geeignete Plattform genannt, Skype von etwas über 40 %. • Der schriftliche Ausdruck kann vor allem durch WhatsApp erweitert werden. Auch Facebook und Instagram sind in diesem Bereich von großer Relevanz. • Für den mündlichen Ausdruck werden vor allem Skype und YouTube als geeignet empfunden. • YouTube und Skype werden ebenfalls für die Verbesserung der Aussprache empfohlen. • Zur Erweiterung der Grammatikkenntnisse wird vor allem YouTube als geeignet angesehen. • Wortschatzkenntnisse können durch YouTube, Instagram und Facebook erweitert werden. • Fast alle Social-Media-Plattformen eignen sich für einen interkulturellen Austausch, wobei primär Instagram, Facebook, YouTube und WhatsApp genannt werden. 12 % 4 % 0 % 10 % 1 % 0 % 33 % 3 % 1 % 4 % 4 % 1 % 8 % 39 % 4 % Diese Social Media eignen sich beim Sprachenlernen am besten für: Verbesserung der Aussprache Abbildung 7: Eignung der Social Media für die Verbesserung der Aussprache 104 Beatrice Maierhofer <?page no="105"?> 2 % 5 % 3 % 7 % 5 % 4 % 13 % 2 % 2 % 2 % 1 % 4 % 8 % 38 % 4 % Diese Social Media eignen sich beim Sprachenlernen am besten für: Erweiterung der Grammatikkenntnisse Abbildung 8: Eignung der Social Media für die Erweiterung der Grammatikkenntnisse 11 % 32 % 8 % 37 % 12 % 11 % 22 % 6 % 5 % 8 % 5 % 11 % 22 % 56 % 5 % Diese Social Media eignen sich beim Sprachenlernen am besten für: Erweiterung der Wortschatzkenntnisse Abbildung 9: Eignung der Social Media für die Erweiterung der Wortschatzkenntnisse Auswirkungen von Social Media auf den Sprachunterricht und das Sprachenlernen 105 <?page no="106"?> 18 % 43 % 13 % 46 % 12 % 12 % 32 % 16 % 9 % 13 % 9 % 17 % 35 % 42 % 4 % Diese Social Media eignen sich beim Sprachenlernen am besten für: interkultureller Austausch Abbildung 10: Eignung der Social Media für den interkulturellen Austausch Empfehlungen YouTube empfehlen fast drei Viertel der Lernenden ihren Kolleg: innen für das Sprachenlernen, Skype und Instagram werden jeweils von einem Viertel vorgeschlagen. Laut den Befragten eigne sich vor allem YouTube (65 %) für den Sprachunterricht, auch Skype (46 %) wird als nützlich angesehen. Überraschen‐ derweise stuft ein Fünftel der Befragten Discord als geeignetes Medium für den Sprachunterricht ein, obwohl es wenig genutzt wird (39 % kennen es nicht, 27 % nutzen es nie). Nur rund 20 % der Personen nutzen Discord gelegentlich, von 10 % wird es oft oder regelmäßig verwendet. 106 Beatrice Maierhofer <?page no="107"?> 10 % 11 % 2 % 25 % 4 % 4 % 25 % 2 % 1 % 4 % 3 % 6 % 17 % 73 % 10 % Discord Facebook iMessage Instagram Pinterest Reddit Skype Snapchat Telegram TikTok Twitch Twitter WhatsApp YouTube Sonstige Diese Social Media empfehle ich meinen Kolleg: innen fürs Sprachenlernen: Abbildung 11: Social-Media-Empfehlungen für das Sprachenlernen 20 % 8 % 2 % 9 % 1 % 2 % 46 % 1 % 3 % 3 % 3 % 3 % 20 % 65 % 5 % Discord Facebook iMessage Instagram Pinterest Reddit Skype Snapchat Telegram TikTok Twitch Twitter WhatsApp YouTube Sonstige Diese Social Media eignen sich für den Sprachunterricht: Abbildung 12: Eignung der Social Media für den Sprachunterricht Auswirkungen von Social Media auf den Sprachunterricht und das Sprachenlernen 107 <?page no="108"?> Statistische Daten Der Großteil, insgesamt über 60 % der Befragten, lernt eine romanische Sprache, wovon sogar 31 % auf Spanisch entfallen. Mehr als die Hälfte befindet sich in der Niveaustufe A1/ 1. Fast alle Lernenden (87 %) sind Studierende an der Universität Graz und sprechen Deutsch als Erstsprache. 79 % der Befragten kommen aus Österreich, 11 % aus Deutschland. Lernende im Alter von 18 bis 79 Jahren haben an der Online-Umfrage teilgenommen, wobei das Durchschnittsalter bei 25 Jahren lag. Etwa die Hälfte der Befragten war zum Zeitpunkt der Befragung zwischen 21 und 24 Jahre alt. 7 % 21 % 11 % 31 % 3 % 5 % 5 % 6 % 7 % 2 % Englisch Französisch Italienisch Spanisch Japanisch Koreanisch Kroatisch ÖGS Russisch Schwedisch Ich besuche einen Sprachkurs für _____. Abbildung 13: Befragte nach Sprachkurs 108 Beatrice Maierhofer <?page no="109"?> 58 % 17 % 13 % 8 % 2 % A1/ 1 A2/ 1 B1/ 1 B2/ 1 C1/ 1 Ich besuche einen Sprachkurs auf Niveau _____. Abbildung 14: Befragte nach Sprachkursniveau 88 % 4 % 3 % 1 % 3 % StudentIn an der Universität Graz StudentIn an einer anderen Bildungseinrichtung Bedienstete/ r an der Universität Graz Bedienstete/ r an einer anderen Bildungseinrichtung externe/ r TeilnehmerIn Ich bin _____. Student: in an einer anderen Bildungseinrichtung Bedienstete: r an der Universität Graz Student: in an der Universität Graz Bedienstete: r an einer anderen Bildungseinrichtung externe: r Teilnehmer: in Abbildung 15: Befragte nach Zugehörigkeit Auswirkungen von Social Media auf den Sprachunterricht und das Sprachenlernen 109 <?page no="110"?> 107 Abbildung 16: Befragte nach Erstsprache StudentIn an der Universität Graz StudentIn an einer anderen Bildungseinrichtung Bedienstete/ r an der Universität Graz Bedienstete/ r an einer anderen Bildungseinrichtung externe/ r TeilnehmerIn Meine Erstsprache ist _____. Albanisch (1 TN) BKS/ Bosnisch (1 TN) Chinesisch (1 TN) Deutsch (331 TN) Deutsch/ Albanisch (1 TN) Deutsch/ BKS (1 TN) Deutsch/ Bulgarisch (1 TN) Deutsch/ Kroatisch (1 TN) Deutsch/ Österreich (2 TN) Deutsch/ Portugiesisch (1 TN) Deutsch/ Russisch (1 TN) Deutsch/ Serbisch (1 TN) Deutsch/ Spanisch (1 TN) Englisch (4 TN) Englisch/ Deutsch (1 TN) Französisch (1 TN) Gebärdensprache (1 TN) Italienisch (2 TN) Kroatisch (3 TN) Madagassisch (1 TN) Mongolisch (1 TN) Polnisch (1 TN) Rumänisch (1 TN) Russisch (1 TN) Serbisch (1 TN) Slowenisch (5 TN) Tschechisch (1 TN) Student: in an einer anderen Bildungseinrichtung Bedienstete: r an der Universität Graz Student: in an der Universität Graz Bedienstete: r an einer anderen Bildungseinrichtung externe: r Teilnehmer: in Abbildung 15: Befragte nach Zugehörigkeit Abbildung 16: Befragte nach Erstsprache Ich komme aus _____. Bosnien und Herzegowina (4 TN) Bulgarien (1 TN) China (1 TN) Deutschland (44 TN) England (1 TN) Frankreich (1 TN) Italien (5 TN) Kosovo (1 TN) Kroatien (1 TN) Madagaskar (1 TN) Mongolei (1 TN) Österreich (298 TN) Polen (1 TN) Rumänien (1 TN) Russland (1 TN) Schottland (1 TN) Slowenien (4 TN) Tschechien (1 TN) Ukraine (1 TN) Ungarn (4 TN) USA (1 TN) Weißrussland (1 TN) Abbildung 17: Befragte nach Herkunftsland 110 Beatrice Maierhofer <?page no="111"?> Abbildung 18: Befragte nach Alter Ergebnisse der Interviews Im Zeitraum zwischen Mai und Juli 2021 wurden im Rahmen des Projekts Auswirkungen von Social Media auf den Sprachunterricht und das Sprachenlernen Interviews mit zehn Lehrenden von treffpunkt sprachen durchgeführt. Eignung von sozialen Medien für den Sprachunterricht Die erste Interviewfrage beschäftigte sich mit der Eignung der sozialen Medien für den Sprachunterricht. Die Lehrenden wurden gebeten, insgesamt 14 soziale Medien zu reihen und somit zu bestimmen, ob bzw. wie sehr sich diese für den Einsatz im Sprachunterricht eignen. Dabei kam es nicht darauf an, ob sie diese selbst im Unterricht verwenden, sondern nur darauf, als wie sinnvoll sie einen Einsatz derer im Sprachkurs erachten. Um dieser Bitte leichter nachkommen zu können, wurde ihnen im Vorhinein eine Übersicht der sozialen Medien in Form einer Kurzbeschreibung (s. Anhang) übermittelt. Die individuelle Reihung jeder einzelnen Lehrperson wurde in das Ergebnis mit einbezogen, wobei sich ein eindeutiges Bild ergibt. YouTube wird von allen Lehrenden auf den ersten oder zweiten Platz gereiht und ist somit die klare Auswirkungen von Social Media auf den Sprachunterricht und das Sprachenlernen 111 <?page no="112"?> 1 Die Punktezahl ergibt sich aus den individuellen Reihungen der befragten Personen. Je niedriger sie ist, umso geeigneter erscheint das soziale Medium für den Sprachunter‐ richt. Nummer eins (18 Punkte 1 ) bezüglich der Eignung für den Sprachunterricht. Skype folgt mit 28 Punkten auf Platz zwei und wird von acht Lehrenden auf Platz eins oder zwei gereiht. Etwas dahinter liegt WhatsApp mit 52 Punkten auf dem dritten Platz. Facebook (55 Punkte), Instagram (64 Punkte), Pinterest (64 Punkte) und Twitter (74 Punkte) folgen im Mittelfeld. Etwas abgeschlagen liegen Telegram (88 Punkte), Discord (95 Punkte), iMessage (95 Punkte), TikTok (99 Punkte), Reddit (100 Punkte) und Snapchat (101 Punkte). Den letzten Platz nimmt Twitch mit 117 Punkten ein, das von acht Lehrenden an die zwölfte Stelle oder höher gereiht wird. - Punkte Rang YouTube 18 1 Skype 28 2 WhatsApp 52 3 Facebook 55 4 Instagram 64 5 Pinterest 64 6 Twitter 74 7 Telegram 88 8 Discord 95 9 iMessage 95 10 TikTok 99 11 Reddit 100 12 Snapchat 101 13 Twitch 117 14 Tabelle 1: Auswertung der Social-Media-Reihung Es ist bemerkenswert, dass Skype von vier Lehrenden an die erste Stelle gereiht wird, während eine Lehrperson es an die vorletzte reiht. Einige Lehrende heben hervor, dass Skype im Rahmen des Distanzunterrichts während der Pandemie 112 Beatrice Maierhofer <?page no="113"?> häufig eingesetzt wurde und daher als authentische Möglichkeit der Begegnung angesehen wird. Ebenso interessant sind die Ergebnisse für Reddit und TikTok. Während neun von zehn Lehrenden diese Medien eher an das Ende ihrer Rangliste setzen, ist jeweils eine Person dabei, die sie signifikant höher bewertet. Eine Lehrperson entdeckte Reddit erst durch die Kurzbeschreibung und kann sich vorstellen, es im Sprachunterricht einzusetzen. Eine andere überlegte, TikTok-Videos im Unterricht zu verwenden, indem sie diese über das Medium YouTube zeigt. Besondere Aufmerksamkeit verdient auch das Ergebnis zu Discord. Eine Lehrperson platziert es an die zweite Stelle, während andere es niedriger bewerten. Die Lehrperson, die Discord hoch bewertet, hatte von einem Kollegen an der TU Graz davon gehört und war davon überzeugt, dass es sich für den Online-Unterricht eignet. Unterrichtserfahrungen mit Social Media Viele Lehrende geben im Interview an, den Großteil der Medien selbst nicht zu benutzen. Einige von ihnen kennen diese Tools gar nicht. Diese „unbekannten“ sozialen Medien wurden von allen letztgereiht, was die Ergebnisse von TikTok, Reddit, Snapchat und Twitch maßgeblich beeinflusst. Eine befragte Person gibt an, dass sie viele der angeführten Medien nicht als Mittel für den Sprachunter‐ richt gesehen hätte. Festgehalten werden muss an dieser Stelle auch, dass nicht bei allen Lehrenden ein Interesse für die Verwendung von sozialen Medien - weder im beruflichen noch im privaten Bereich - vorliegt. Zusammenfassend kann gesagt werden, dass die im Interview befragten Lehrpersonen nur wenige soziale Medien in ihrem Sprachunterricht verwenden. Eine Lehrperson habe Twitter bereits im Sprachunterricht verwendet, aber nicht direkt auf das soziale Medium zugegriffen, sondern aus Nachrichten zitiert, in welchen eine Twitter-Konversation abgedruckt war. Diese Lehrperson weist im Interview darauf hin, dass die Kommentare auf Facebook und Reddit manchmal sehr brutal sind, weshalb sie den direkten Zugriff auf die genannten sozialen Medien als nicht für den Unterricht geeignet betrachte. Jedoch könne sie sich den Einsatz von Twitch im Sprachunterricht vorstellen, wenn es eine virtuelle Welt gäbe, die für die Lernenden interessant sein könnte. Gruppen in Messenger-Diensten wie WhatsApp werden von den meisten Lehrpersonen begrüßt. Eine Lehrperson unterstreicht hierbei die Kommuni‐ kation der Lernenden untereinander und die Möglichkeit, Lerngruppen zu bilden. Der rasche und einfache Kontakt mit den Lernenden wird von einer Lehrperson besonders hervorgehoben. Diese Person habe WhatsApp auch Auswirkungen von Social Media auf den Sprachunterricht und das Sprachenlernen 113 <?page no="114"?> schon für Gruppenarbeiten verwendet. Eine weitere befragte Person hat die gesamte Kurskommunikation, wie z. B. Hausübungen, über WhatsApp geregelt und habe gute Erfahrungen damit gesammelt. iMessage hingegen schneidet in der Wertung relativ schlecht ab, vermutlich weil es nur auf Apple-Geräten nutzbar ist. Eine Lehrperson unterscheidet zwischen zwei Situationen, nämlich einem herkömmlichen Sprachkurs mit einer Lehrperson und einem autonomen Lern‐ setting. Im Sprachkurs sehe sie wenig Anwendungsmöglichkeiten für soziale Medien, es sei denn, es handle sich um einen Online-Kurs. Für die selbstständige Aneignung von sprachlichem Wissen begrüße sie jedoch die Verwendung dieser Medien. Vorteile sehe sie vor allem bei YouTube, Skype, Instagram und Pinterest, weil diese den Lernprozess visuell unterstützen können. Für eine andere Lehrperson steht die Frage nach dem Datenschutz im Mit‐ telpunkt. Der bewusste Umgang mit Daten stellt immer häufiger ein zentrales Thema bei der Nutzung sozialer Medien dar, weshalb ihm vor allem beim Einsatz in Unterrichtssettings große Beachtung zukommen sollte. Prinzipiell gilt, dass keine Person dazu verpflichtet werden sollte, bestimmte soziale Medien zu nutzen. Nicht alle Personen - das betrifft natürlich auch Lehrende - wollen persönliche Informationen über sich preisgeben. Die Wahrung der Privatsphäre sollte oberste Priorität haben. Des Weiteren wird in den Interviews betont, dass nur geprüfte Accounts als sichere Quellen verwendet werden sollten, beispielsweise von etablierten Institutionen, um die Gefahr von Fake News möglichst gering zu halten. Eine Lehrperson sieht den Vorteil der Verwendung sozialer Medien darin, „dass man einen authentischen Eindruck bekommt und viel aus dem Kontext verstehen kann“. Möglichkeiten, an kleine „Sprachhäppchen“ zu kommen, bieten beispielsweise Twitter oder Snapchat. Ich denke, wenn man gern in sozialen Netzwerken stöbert, kann das schon motivie‐ rend sein, da in die Sprache einzutauchen und vielleicht das ein oder andere Vokabel nachzuschauen, einfach nur, weil man das jetzt nicht so konkret lernt, sondern aus intrinsischer Motivation heraus. Ich denke, immer wenn man so eine authentische Sprachumgebung hat, ist das sicher gut. Und es ist auch sehr zugänglich, dafür muss ich nicht in das Land reisen oder so. Da sehe ich schon den Vorteil in diesen neuen, digitalen Medien. 114 Beatrice Maierhofer <?page no="115"?> 2 Am Beginn der Pandemie war Skype das einzig verwendbare Programm für die Online- Lehre. Verwendung von sozialen Medien im privaten und beruflichen Bereich Die meisten Lehrpersonen geben an, WhatsApp regelmäßig im privaten Bereich zu nutzen, während Facebook und YouTube ebenfalls häufig verwendet werden. Viele heben den Mehrwert einer vereinfachten Kommunikation via WhatsApp hervor. Eine Lehrperson gibt an, sich zur Verwendung „regelrecht gezwungen“ zu fühlen, da es so viele Gruppen gebe und man sonst nicht an die Informationen komme. Facebook und YouTube werden von neun Personen regelmäßig im privaten Bereich genutzt. Zahlreiche Lehrende geben an, dass YouTube bei ihnen das Fernsehen ersetze. Nur etwa die Hälfte der Befragten verwendet Instagram und Telegram. Pinterest wird von drei Lehrpersonen unregelmäßig genutzt. Jeweils eine Person nutzt iMessage, Skype und Twitter im privaten Bereich. Discord, Reddit, Snapchat, TikTok und Twitch finden keine Anwendung im Alltag der Befragten. Fast ausschließlich alle beschreiben sich als Konsument: innen der sozialen Medien, kaum jemand produziert eigene Inhalte. Im Interview wird auch der Zeitfaktor in Bezug auf die Nutzung von Social Media erwähnt und es wird festgehalten, dass die Nutzung derer viel Zeit in Anspruch nimmt. Einige Lehrende bezeichnen dies sogar als „Zeitverschwendung“. Alle Lehrpersonen nutzen YouTube in ihrem Sprachunterricht, vorwiegend zur Vermittlung von Kultur, indem sie Lieder, Serien oder Filmausschnitte zeigen. Ich verwende es (YouTube) normalerweise für zusätzliche Erklärungen oder Musik zum Beispiel. Und auch natürlich für die interkulturelle Kompetenz, weil du interes‐ sante Videos, zusätzliches Material über Kultur zeigen kannst. Mehr als die Hälfte verwendet Skype, wobei das - und das wird auch in den Interviews betont - an der Vorgabe der Universität Graz liegt, dieses Tool im Distanzunterricht 2 zu verwenden. Zwei Personen setzen WhatsApp in ihrem Sprachunterricht ein, jedoch nimmt nur eine davon aktiv an der Kommunikation mit der Kursgruppe teil. Die andere bietet den Kursteilnehmer: innen die Mög‐ lichkeit, sich via WhatsApp auszutauschen. Pinterest wird von einer Lehrkraft im Sprachunterricht eingesetzt. Eine befragte Person betont, dass Studierende die anderen Social Media als Möglichkeit für das Sprachlernen, beispielsweise durch Tandem-Übungen, nutzen und sie das unterstütze. Eine weitere Person erzählt, dass sie gerne Facebook in ihrem Sprachkurs einsetze und dass sie schon Auswirkungen von Social Media auf den Sprachunterricht und das Sprachenlernen 115 <?page no="116"?> einmal mit den Studierenden eine Gruppe zum Austausch gebildet habe, was jedoch am Interesse der Lernenden scheiterte. Kompetenzförderung mithilfe von sozialen Medien Mit YouTube können laut den Befragten vor allem das Hörverständnis und die interkulturelle Kompetenz gefördert werden. Neben dem Hörverständnis werden als positive Effekte sowohl das Hör-/ Sehverständnis als auch die Schu‐ lung der Aussprache genannt. Die interkulturelle Kompetenz wird vor allem durch das Zeigen authentischer Quellen unterstützt. Aber auch diverse Gram‐ matikthemen können durch Erklärvideos gefestigt werden. Die Erarbeitung von Wortschatz kann mithilfe von YouTube stattfinden, wenn man mit Videos zu einem bestimmten Thema arbeitet. Videos geben oft auch verschiedene Sprech- und Schreibimpulse. YouTube bietet also sehr vielfältige Möglichkeiten der Erweiterung von fremdsprachlichen Kompetenzen. Jedoch nehmen alle Lehrenden die Rolle von Konsument: innen ein; eine Person spricht davon, dass es sehr zeitaufwändig sei, ein passendes Video zu einem bestimmten Thema zu finden. (…) und es gibt ganz oft diese Grammatikerklärungen von diversen Personen, die in YouTube zu finden sind, aber sehr oft, wenn sie auf Französisch sind, sind sie zu schwer zu verstehen, auch wenn es vom Grammatikpunkt doch passen würde. Oder irgendwie so gebastelt. Also ich habe oft gesucht und ich habe ehrlich gesagt aufgehört. Und wenn sie auf Deutsch sind, dann gehen sie oft zu weit. Also es ist ein bisschen schwierig, genau das Passende, wo auch bei Übungen nicht das Zehnfache an Vokabeln dann zum Beispiel oder in der Erklärung mit den Beispielen vorkommt, zu finden. Also das finde ich bei Anfängern nicht so leicht. Auf Nachfrage könne sich nur eine interviewte Person vorstellen, auch selbst eigene Videos für die Lernenden zu produzieren. Die Möglichkeit, die Kursteil‐ nehmer: innen zur Produktion von Videos zu animieren, wurde von niemandem angesprochen. Auch WhatsApp-Gruppen eignen sich für die Kommunikation in der Fremd‐ sprache, wovon die Interviewteilnehmer: innen überzeugt sind. Damit werden rezeptive und produktive Fertigkeiten gefördert, vor allem in den Bereichen Lesen und Schreiben. Durch die Möglichkeit zu Audioaufnahmen werden aber auch die Kompetenzen Hören und Sprechen angesprochen. Die Lehrpersonen verfolgen unterschiedliche Ansätze in der Kommunikation: Einerseits wird den Lernenden empfohlen, eine Kursgruppe zu bilden. Dort findet oft peer learning statt und soziale Kompetenzen werden geschult. Eine Lehrperson richtet sogar 116 Beatrice Maierhofer <?page no="117"?> regelmäßig ein Buddy-System für ihren Kurs ein, das sich auf die Kommunika‐ tion via WhatsApp stützt. Andererseits gründen manche Lehrpersonen auch selbst WhatsApp-Gruppen, in denen sie an der Kommunikation teilnehmen und sprachenrelevante Informationen - die durchaus auch unterhaltsam sein können - informell mit den Lernenden teilen. Eine Lehrende hat sogar einen Tandemaustausch initiiert, in der sich die Lernenden mit Erstsprachigen, die gerade Deutsch lernen, in einem Messenger-Dienst austauschen. Facebook, das vom Großteil der Befragten im privaten Bereich verwendet wird, kann mit rezeptiven und produktiven Fertigkeitssteigerungen punkten. Sowohl das Textverständnis als auch die schriftliche Kompetenz werden damit trainiert. Auch der Wortschatz spiele in diesem sozialen Medium eine große Rolle für die Befragten, denn durch das Erleben einer „lebendigen“ Sprache - gezeichnet von Dialekten, Abkürzungen, Redewendungen und authentischen Phrasen (vs. künstlichen Lehrbuchinhalten) - kann die Sprachkompetenz sehr profitieren. Außer Acht gelassen werden darf natürlich auch nicht die Möglich‐ keit, Kontakte mit Menschen im zielsprachigen Land oder anderen Lernenden zu knüpfen. Was auch interessant wäre, aber ich weiß nicht, ob es für Anfänger geeignet wäre, dass man auch Kontakte knüpft. Es gibt ja sehr viele Muttersprachler und so weiter, dass man sich auch gegenseitig kennenlernt. Weil dafür haben wir ja Social Media. (…) Das ist glaube ich nicht so belastend, nicht „ich muss das machen“, es ist dann eher freiwillig. Ähnliches gilt für Instagram, das vor allem visuelle Lerntypen anspricht. Instagram-Beiträge oder Storys bieten anregende Sprech- und Schreibanlässe. Die Bilder bleiben besonders gut im Kopf und so eignen sie sich auch für die Erarbeitung und Festigung von Vokabular. Indem man bestimmten Seiten folgt, kommt man mit der Zielsprache in Kontakt, kann Beiträge ansehen, kommentieren und sich mit anderen darüber austauschen. Eine befragte Person streicht heraus, sie teile gern „lustige Sachen, weil es sehr schön ist, wenn du beginnst, beginnst, Sachen zu verstehen in anderen Sprachen“. Die Lehrpersonen nutzen Pinterest in erster Linie als persönliche Quelle, um Anregungen für ihren Sprachunterricht zu finden. So ließen sich vor allem bestimmte Grammatik-Themen gut mit Infografiken erarbeiten. Außerdem gibt es viele „coole Spiele“ und zusätzliche Übungen für den Sprachkurs. Eine Lehrperson hatte die Idee, die Lernenden selbst Pins für bestimmte Themen erstellen zu lassen. Auswirkungen von Social Media auf den Sprachunterricht und das Sprachenlernen 117 <?page no="118"?> 3 Diese Aussage betrifft erneut die Zeiten im Distanzunterricht. 4 Zoom ist zwar kein soziales Medium im eigentlichen Sinne, wird hier aber trotzdem angeführt, da eine Tandem-Gruppe auch mit anderen Medien (wie z. B. Skype oder Discord) erstellt werden kann. Skype wird vor allem als Interaktionsmedium gesehen, das den Unterricht möglich macht 3 . Vorrangig werden das Hörverständnis und die Aussprache geschult, wobei auch die Förderung der schriftlichen Kompetenz möglich wäre. Discord bietet sich ebenso als Interaktionsmedium an, die Möglichkeiten dort sind allerdings weitreichender als bei Skype. Da viele junge Menschen auch privat über Discord kommunizieren, hat es bereits den Status eines „Social-Network-Service“. Lernende können über diese Plattform Informationen austauschen, Tandems bilden, gemeinsam lernen etc. Eine Lehrperson vermutet eine erhöhte Motivation durch einen „relaxten Austausch abseits der gezwun‐ genen und starren Struktur des Unterrichts“. Twitter eigne sich laut den Befragten für eine Erweiterung der schriftli‐ chen Kompetenz in der Fremdsprache. TikTok bietet Hör- und Videoimpulse sowie die Möglichkeit, eigene Kurzvideos in der Fremdsprache oder über das Fremdsprachenlernen zu produzieren. Reddit fördere laut den Lehrenden die rezeptiven und produktiven Kompetenzen durch Interaktion. Auch die inter‐ kulturellen Kompetenzen können durch den Austausch mit anderen ausgebaut werden. Auffallend an den Antworten der Lehrenden ist, dass nur die wenigsten auf den produktiven Gebrauch von sozialen Medien eingehen. Das liegt vermutlich daran, dass sie selbst die Medien vorwiegend konsumieren und wenige Inhalte selbst produzieren. Jedoch kann gerade in diesem Bereich ein gewisser Mehr‐ wert für die Förderung bestimmter Sprachkompetenzen liegen. Good-Practice-Beispiele aus dem Sprachunterricht Eine Lehrperson hat eine Tandem-Gruppe mit 40 Teilnehmer: innen unter‐ schiedlichen Alters via Zoom 4 initiiert und erzählt, dass die Lernenden erst zwar skeptisch, aber dann begeistert waren: „Ein Tandem mit einer ganzen Gruppe, das war eine unglaubliche Sache, das war top! “ Die Lernenden konnten sich mit Personen aus der Zielsprache über eine Stunde lang in verschieden großen Gruppen austauschen. Das Treffen wurde sowohl in Österreich als auch im zielsprachigen Land vorbereitet, indem die Kursteilnehmer: innen Fragen formulierten, die beim Zusammentreffen gestellt werden konnten. Dass viele aus der Gruppe den Kontakt gehalten haben, zeugt von Erfolg des virtuellen Sprachtandems. 118 Beatrice Maierhofer <?page no="119"?> 5 Diese Form des Austauschs ist auch mit anderen Messenger-Diensten möglich. Eine andere Form des Tandems wurde via Line 5 , einen asiatischen Kurznach‐ richtendienst, durchgeführt. Die Lehrperson vermittelte die Kontakte und die Lernenden organisierten sich selbstständig. Einige Studierende führten ihre Tandem-Treffen auch über Discord durch. Ein weiteres Good-Practice-Beispiel wird mit WhatsApp genannt, über das in vielen Fällen die Kurskommunikation stattfindet. Die Lernenden schicken beispielsweise ihre Hausübung - handschriftlich und abfotografiert - an die Lehrperson, die diese mit Rotstift über das Tablet korrigiert und zurückschickt. Durch den einfacheren Zugang mit WhatsApp anstelle von E-Mails profitieren alle Beteiligten von dieser Maßnahme. Mit YouTube-Videos wurden mehrfach Good-Practice-Beispiele von den Lehrenden angeführt, die jedoch sprachenspezifisch sind und daher an dieser Stelle nicht weiter erläutert werden. Prinzipiell wird von Videos als Sprech- und Schreibanlass und kreativem Arbeiten mit Videos gesprochen. Chancen von sozialen Medien im Sprachunterricht bei treffpunkt sprachen Die Rückmeldungen zur Verwendung von sozialen Medien in zukünftigen Sprachkursen fielen ganz unterschiedlich aus, von „ich habe nicht das Bedürfnis, etwas Neues zu verwenden“ über „für mich ist es eine Überwindung, etwas Neues auszuprobieren“ bis hin zu „ich bin für alles offen und neugierig“. Einige Lehrende sehen soziale Medien als Zusatz zum herkömmlichen Sprachunterricht und nutzen diesen beispielsweise im Bereich der Haus‐ übungen: (…) ich finde die sozialen Medien gut als Zusatz. Als Hausaufgabe oder dass sie noch jeden Tag ein bisschen was - ein Wort oder einen Satz - zusätzlich lernen. Das kann ich mir gut vorstellen mit YouTube, Instagram, WhatsApp, Telegram. Lernenden können so Empfehlungen zu landestypischen sozialen Medien gegeben werden, die sie bei Bedarf privat verwenden können. Der Einsatz dieser Tools im Unterricht stellte für sie aber eine Ausnahme dar. Andere Lehrpersonen möchten in Zukunft selbst mehr mit sozialen Medien arbeiten und interaktive Plattformen für verschiedene Aktivitäten kennenlernen. Konkret werden Discord, Facebook, Kurznachrichtenprogramme, TikTok und Snapchat genannt. Eine Lehrperson könne sich sogar eine längerfristige Nutzung eines Auswirkungen von Social Media auf den Sprachunterricht und das Sprachenlernen 119 <?page no="120"?> sozialen Mediums, beispielsweise als Semesterprojekt, in ihrem Sprachkurs vorstellen. Unsicherheit besteht vor allem im Bereich des Datenschutzes und der Privat‐ sphäre. Auch die Sorge, ob die Lernenden den Einsatz von Social Media im Unterricht mittragen würden, steht im Raum: „Meine Sorge ist auch, ob die Teilnehmer das überhaupt mögen. Da stellt sich dann die Frage, inwieweit das sinnvoll ist, die Studierenden untereinander zu vernetzen“. Zeitlicher und organisatorischer Aufwand reihen sich dazu und verstärken die Skepsis einiger Lehrender im Hinblick auf den Einsatz dieser Online-Tools. Demgegenüber stellen sich die des Öfteren von Befragten betonten Ansätze „man sollte immer wieder etwas Neues versuchen“ und „man sollte die Lebenswelt der Lernenden mit einbeziehen“. Einige Lehrende haben eine Scheu davor, Neues im Sprachunterricht auszu‐ probieren. Dadurch entsteht die Notwendigkeit, Lehrende in diesem Bereich mit Wissen zu versorgen. Der Wunsch nach Austausch mit anderen Lehrenden wird kommuniziert; die Befragten wollen ihre Erfahrungen teilen und konkrete Bei‐ spiele vermittelt bekommen. In einer Fortbildung sollen (vor allem unbekannte) soziale Medien vorgestellt werden und auch die Möglichkeit zum Ausprobieren gegeben sein. Lehrende fordern klare Anleitungen, eine benutzerfreundliche Anwendung und eine Antwort auf die Frage „Wie kann ich es didaktisieren? “. Die Aussage „Auch wenn mir vieles schon bekannt ist, aber dennoch entdeckt man immer etwas Neues und etwas Tolles.“ bekräftigt den Wunsch nach neuem Wissen. Zusammenfassung Die befragten Lehrenden sehen sowohl Stärken als auch Schwächen im Ein‐ satz von sozialen Medien im Sprachunterricht. Einerseits vermuten sie einen erhöhten Zeitaufwand in der Unterrichtsvor- und -nachbereitung: „Ich glaube, dass die sozialen Medien eine zusätzliche Arbeit machen könnten“. Andererseits sehen sie auch die Chancen, die der Austausch in der Fremdsprache für das Sprachenlernen hat, was folgende Zitate aus den Interviews belegen: Wenn man auf einem gewissen sprachlichen Level schon kompetent ist, kann man sich durchaus an der Diskussion beteiligen. Und so verwendet man die Sprache und kann sie im real life auch anwenden. Also nicht nur am Übungszettel, sondern wenn mich was interessiert. Und ich möchte mich in dieser Sprache dazu äußern. Ich glaube, es ist dann sehr niederschwellig und man traut sich gleich einmal was. Je freiwilliger etwas ist, desto erfolgreicher ist es. 120 Beatrice Maierhofer <?page no="121"?> Und ich denke, es ist auch motivierend und interessant für die Studenten, einfach einen anderen Rahmen zu sehen. (…) Kontakt zum Land und zu den Menschen herstellen (…) Grosso modo glauben die meisten Lehrenden, dass sich soziale Medien im Un‐ terricht nicht lohnen, diese aber sehr wohl einen Mehrwert durch den Gebrauch im privaten Bereich bieten, indem „(…) du einen Kontakt mit der Fremdsprache hast in deiner Freizeit, nicht nur im Rahmen des Unterrichts“. Im Sinne des autonomen Lernens kann die Sprachkompetenz selbstständig erweitert werden: „Es kann auch (ein) privater Austausch sein. Egal, mit welchem Medium, wenn man miteinander kommuniziert“. Resümee Soziale Medien spielen eine wesentliche Rolle in unserem täglichen Leben, da sie zur Informationsbeschaffung und Kommunikation dienen. Diese beiden Aspekte sind auch integraler Bestandteil des Spracherwerbs, der in erster Linie darauf abzielt, effektive Kommunikation zu ermöglichen. Um dieses Ziel zu erreichen, ist der Zugang zu Informationen aus verschiedenen Quellen von entscheidender Bedeutung. Meist sind es die Lehrpersonen, die das sprachliche Wissen vermitteln, sei es ein: e Muttersprachler: in oder eine traditionell ausgebildete Lehrkraft, welche die Sprache studiert hat. Diese Lehrer: innen sind nicht nur in schulischen und universitären Umgebungen anzutreffen, sondern auch im Internet. Im Bereich des Sprachenlernens bieten zahlreiche Social-Media-Kanäle kostenlose Unterstützung an. Diese Ressourcen können vielfältig genutzt werden, sei es zur Auffrischung vorhandener Kenntnisse, zur Vertiefung aktueller Lerninhalte oder sogar zum Erlernen einer Sprache von Grund auf. Der digitale Zugang bietet dabei den Vorteil, dass die (meist kostenlosen) Lernmaterialien rund um die Uhr verfügbar sind. Es ist jedoch wichtig zu betonen, dass soziale Medien nicht alle Funktionen des herkömmlichen Sprachunterrichts ersetzen können, insbesondere nicht die Möglichkeit, Fragen zu stellen und direktes Feedback zu bekommen. Im Bereich der Kommunikation bieten digitale Plattformen einen einzigar‐ tigen Vorteil, den der Unterricht in Kursform oft nicht bieten kann: Sie öffnen Türen zu einer globalen Gemeinschaft. Lernende können ganz einfach mit Menschen auf der ganzen Welt kommunizieren, um ihre Sprachkenntnisse zu vertiefen. Darüber hinaus ermöglichen sie es den Lernenden, ihr Verständnis Auswirkungen von Social Media auf den Sprachunterricht und das Sprachenlernen 121 <?page no="122"?> für verschiedene Kulturen zu erweitern, indem sie mit verschiedenen Personen interagieren oder relevante Medien konsumieren. Obwohl es sicherlich möglich ist, eine Sprache allein über soziale Medien zu erlernen, ist dies wahrscheinlich nicht die effektivste Methode. Dennoch bieten diese Plattformen viele Vorteile, die im Rahmen des Spracherwerbs genutzt werden können. Statt soziale Medien direkt in den traditionellen Sprachunter‐ richt zu integrieren, sollten Lehrende die positiven Auswirkungen der Nutzung von Social Media in der Zielsprache hervorheben und Lernende ermutigen, diese Ressourcen zusätzlich zu nutzen. Wenn Lernende diese Medien bereits in ihrem Alltag verwenden, bietet es sich an, gleichzeitig in der Fremdsprache auf sie zurückzugreifen und so die Lernerfahrung zu bereichern. Literatur SaferInternet.at (2023): Jugend-Internet-Monitor 2020. https: / / www.saferinternet.at/ ser vices/ jugend-internet-monitor [09.09.2023]. Statista (2023): Statistiken zum Thema Soziale Netzwerke. https: / / de.statista.com/ theme n/ 1842/ soziale-netzwerke/ #topicOverview [09.09.2023]. 122 Beatrice Maierhofer <?page no="123"?> Anhang Jugend-Internet-Monitor Auswirkungen von Social Media auf den Sprachunterricht und das Sprachenlernen 123 <?page no="124"?> 6 Die Befragung wurde mittels LimeSurvey durchgeführt. Fragebogen für Lernende 6 124 Beatrice Maierhofer <?page no="125"?> Auswirkungen von Social Media auf den Sprachunterricht und das Sprachenlernen 125 <?page no="126"?> 126 Beatrice Maierhofer <?page no="127"?> Interviewfragen für Lehrende 1. Bitte reihen Sie die 14 sozialen Medien, die tabellarisch aufgelistet sind, nach ihrer Eignung für den Sprachunterricht und das Sprachenlernen. Welche eignen sich Ihrer Meinung nach besonders gut, welche nicht? 2. Welche sozialen Medien verwenden Sie privat? 3. Welche sozialen Medien verwenden Sie konkret in Ihrem Sprachunter‐ richt? 4. Mit welchen sozialen Medien festigen Sie welche Kompetenzen im Sprach‐ unterricht bzw. welche Kompetenzen können Ihrer Meinung nach mit welchen sozialen Medien gefördert werden? 5. Haben Sie Good-Practice-Beispiele, die Sie mit Ihren Kolleg: innen teilen möchten? 6. Welche sozialen Medien würden Sie in Zukunft in Ihrem Sprachunterricht verwenden? 7. In welchen Bereichen hinsichtlich der Verwendung sozialer Medien fühlen Sie sich sicher/ unsicher? In welchen Bereichen benötigen Sie noch weitere Informationen? Auswirkungen von Social Media auf den Sprachunterricht und das Sprachenlernen 127 <?page no="128"?> Übersicht Soziale Medien 128 Beatrice Maierhofer <?page no="129"?> Auswirkungen von Social Media auf den Sprachunterricht und das Sprachenlernen 129 <?page no="130"?> 130 Beatrice Maierhofer <?page no="131"?> Implementierung digitaler Tools in die universitäre PräsenzSprachenLehre H5P-Elemente und Aktivitäten der Lernplattform Moodle Teresa Eibl-Steiner Dieses Forschungsprojekt entstand aus der Idee, digitale Elemente in die universitäre PräsenzSprachenLehre zu integrieren, um jene digitalen Kompe‐ tenzen, die sowohl Lehrende als auch Lernende während der coronabedingten Fernlehre erworben hatten, weiterhin aktiv im Unterricht zu nutzen und somit einem Kompetenzabbau entgegenwirken zu können. Der vorliegende Beitrag widmet sich der Genese des Projekts, den einzelnen Teilen - das sind die Erstellung eines eigenen Moodle-Kurses und den darin mithilfe von digitalen Werkzeugen (H5P-Elemente und Moodle-Aktivitäten) entwickelten Unterrichtssequenzen und Übungen, die Verschriftlichung und Zusammen‐ führung der digital erstellten Übungen in einem Teacher Manual sowie die Va‐ lidierung zweier Tools und der dazu erstellten Übungen in zwei Sprachkursen am treffpunkt sprachen - und abschließend den Forschungsergebnissen, die daraus gewonnen werden konnten. Forschungshintergrund des Projekts Seit dem Beginn der Corona-Pandemie im März 2020 kam es zu grundlegenden Veränderungen in allen Bereichen der Bildungslandschaft - also im primären, sekundären sowie tertiären Bereich. An der Universität Graz musste die Prä‐ senzlehre abrupt und schnellstmöglich auf eine digitale Fernlehre umgestellt werden, um Bildungsprogramme weiterhin anbieten und distribuieren zu können. Infolgedessen mussten sich alle Akteur: innen digitale Kompetenzen - meist im Selbststudium - aneignen, um so weiterhin aktiv am Bildungs‐ austausch teilzunehmen. Von vielen wurde dies als Chance gesehen, die aktuelle Lehre und deren Lehrmethoden zu adaptieren, einige beobachteten <?page no="132"?> den Umschwung mit Skepsis, da aufgrund fehlender Mittel sowie mangelnder technischer und digitaler Kompetenzen die digitale Lehre viele Hürden mit sich brachte, sodass beide Seiten - Befürworter: innen und Gegner: innen der Digitalisierung der Bildungsangebote - anfangs verunsichert waren (vgl. Unger- Ullmann 2021, S. 1-2). Nach anfänglichen Schwierigkeiten meisterten aber sowohl Lehrende als auch Lernende diese Hürden und erweiterten nicht nur ihre fachlichen, sondern auch digitalen Kompetenzen. Im Rahmen dieses Projekts gilt es nun, jene digitalen Kompetenzen, die in den vergangenen Jahren erarbeitet und verbessert wurden, durch die Nutzung digi‐ taler Tools in der universitären PräsenzSprachenLehre beizubehalten und damit aufzuzeigen, dass die virtuellen und realen Lehrsowie Lernwelten miteinander verbunden werden können. Die universitäre PräsenzSprachenLehre soll nicht durch eine gänzlich digitale Lehre ersetzt, sondern - sofern dies möglich ist - durch digitale Elemente wertvoll angereichert und unterstützt werden, da insbesondere die Sprachenlehre vom aktiven sowie persönlichen Austausch zwischen Lehrenden und Lernenden lebt. Forschungsinhalt Umfrage mit Lehrenden am treffpunkt sprachen In der ersten Phase des Projekts galt es zu ermitteln, welche digitalen Lern‐ hilfen die Lehrpersonen am treffpunkt sprachen während der coronabedingten Online-Lehre benutzt hatten, um ihren Sprachunterricht mitzugestalten. Am häufigsten wurde die digitale Pinnwand Padlet (31,25 %) von den Lehrenden genutzt, gefolgt von der Online-Lernplattform Quizlet (25 %), dem Online- Kollaborationswerkzeug ZUMPad (18,75 %) sowie der spielebasierten Lern‐ plattform Kahoot (18,75 %). Von besonderem Interesse war in der Folge die Frage, in welcher Phase des Unterrichts diese Tools zum Einsatz kamen. Die Lehrenden konnten diesbezüg‐ lich Mehrfachantworten geben und die Umfrage zeigte, dass 50 % die externen Online-Tools synchron während der digitalen Fernlehre eingesetzt hatten. Häufig, zu 31,25 %, wurden die digitalen Tools auch asynchron, im Anschluss an die Unterrichtseinheit in Form von Hausaufgaben oder Festigungsübungen, verwendet. Einzig 12,5 % der Lehrenden nutzten die externen Online-Tools zur asynchronen Verwendung vor der Unterrichtseinheit. Die Umfrage ergab, dass die digitalen Werkzeuge vor allem für die Erarbei‐ tung des Wortschatzes und für das Trainieren schriftlicher Fertigkeiten genutzt wurden. Basierend auf den Mehrfachantworten wollten 43,75 % der Lehrenden mithilfe dieser Tools die schriftlichen Fertigkeiten der Lernenden verbessern. 132 Teresa Eibl-Steiner <?page no="133"?> Ebenso groß war die Erwartungshaltung gegenüber der Erweiterung des Wortschatzes (43,75 %). Ein Viertel, also 25 %, strebten eine Verbesserung des Leseverstehens an. Weitere Fertigkeiten, die optimiert werden sollten, waren: Landes- und Kulturkunde (18,75 %), Hörverstehen (12,5 %) und Mündliche Fer‐ tigkeiten (12,5 %). Abschließend wurden die Lehrenden dazu befragt, welche Tools sie für prak‐ tikabel hielten und welche auch in der PräsenzSprachenLehre eingesetzt werden könnten: Besonders nützlich seien in der Phase der digitalen Lehre Padlet, Ka‐ hoot und AnswerGarden gewesen. Basierend auf den Umfrageergebnissen sollten vor allem folgende digitale Lernhilfen in die universitäre PräsenzSprachenLehre integriert werden: • Kahoot, • ZUMPad, • Mindmaps, • LearningApps. Letzteres Tool sorgte bei den Lehrenden für Ambivalenz, da es zusammen mit Quizlet und Padlet als unbrauchbar für den Einsatz in der PräsenzSprachenLehre deklariert wurde. Hier soll jedoch angemerkt werden, dass vor allem Padlet vielfältige Einsatzmöglichkeiten in der universitären PräsenzSprachenLehre bietet. Die Autorin zeigt das Potential dieses digitalen Werkzeugs an diversen Beispielen im Teacher Manual (vgl. Eibl-Steiner 2023) auf. Anhand der Ergebnisse der Umfrage sollten schließlich diverse Tools aus‐ gewählt werden, um exemplarische Unterrichtsbeispiele und -sequenzen zu kreieren, die die Vorteile der Implementierung digitaler Tools in die universitäre PräsenzSprachenLehre demonstrieren. Aus datenschutzrechtlichen Gründen wurde die Lernplattform Moodle und die darin integrierten H5P-Elemente und Aktivitäten gewählt, da dieses Kursmanagementsystem an der Universität Graz ohnehin im Einsatz ist und jeder an der Universität abgehaltenen Lehrveran‐ staltung automatisch ein Moodle-Kurs zugeordnet ist. Um jedoch nicht nur dem Universitätspersonal Impulse durch die entwickelten Aktivitäten zur Verfügung zu stellen, sondern auch externen Interessierten, wurde jedem H5P-Element bzw. jeder Aktivität in Moodle ein externes sowie frei zugängliches digitales Werkzeug zugeordnet, mit dem eine solche Übung ebenso erstellt werden kann. Implementierung digitaler Tools in die universitäre PräsenzSprachenLehre 133 <?page no="134"?> 1 Implementierung digitaler Tools in die universitäre PräsenzSprachenLehre: https: / / moodle.uni-graz.at/ course/ view.php? id=105044 [22.08.2023, 16: 54] 2 All jene Interessierten, die über keinen Moodle-Zugang verfügen, können die Übungen in analoger Form im Handbuch Implementierung digitaler Tools in die universitäre PräsenzSprachenLehre - H5P-Elemente und Aktivitäten der Lernplattform Moodle (Eibl- Steiner 2023) konsultieren. Moodle-Kurs und Kreation von Unterrichtsaktivitäten Für das Forschungsprojekt wurde ein eigener Moodle-Kurs 1 angelegt, in dem es möglich war, unterschiedliche H5P-Elemente sowie Aktivitäten zu entdecken und auszuprobieren, um jene digitalen Lernhilfen auszuwählen, die für einen Einsatz in der universitären PräsenzSprachenLehre geeignet erscheinen. Nach Überprüfung der Adäquatheit der H5P-Elemente bzw. Aktivitäten wurden mithilfe ausgewählter Tools Unterrichtssequenzen und Übungen erstellt. Der Moodle-Kurs Implementierung digitaler Tools in die universitäre Präsenz‐ SprachenLehre ist frei zugänglich und kann von allen Interessierten, die über einen Moodle-Zugang verfügen, als Inspirationsquelle aufgerufen und durch‐ stöbert werden. 2 Der Kurs enthält sieben Bereiche, die in mehrere unterschied‐ liche Sprachkompetenzen unterteilt sind: • Sprechen - mündliche Kommunikation, • Hörverstehen, • Leseverstehen, • Schreiben - schriftliche Fertigkeiten, • Wortschatz, • Landes- und Kulturkunde, • Grammatik-Übungen. 134 Teresa Eibl-Steiner <?page no="135"?> 3 Vgl. Eibl-Steiner (2023): https: / / static.uni-graz.at/ fileadmin/ _files/ _administrative_site s/ _treffpunktsprachen/ PDF/ Fachdidaktik/ Handbuch_Implementierung_Digitaler_Too ls_Eibl-Steiner.pdf Abbildung 1: Ansicht Startseite Moodle-Kurs Implementierung digitaler Tools in die universitäre PräsenzSprachenLehre Innerhalb einer Kompetenz finden sich verschiedene Übungen wieder, die mithilfe der H5P-Elemente und Aktivitäten in Moodle von der Autorin kreiert wurden, um digitale Elemente in die PräsenzSprachenLehre zu implementieren. Dies ermöglicht, die PräsenzSprachenLehre einerseits methodisch vielfältiger zu gestalten, andererseits aber auch das digitale Know-how der Lernenden und Lehrenden zu aktivieren und aufrechtzuerhalten. Teacher Manual Neben der Möglichkeit, Unterrichtsbeispiele mit digitalen Tools in Moodle zu erstellen, wurden diese Übungen auch in Form eines Teacher Manuals ver‐ schriftlicht, das allen Interessierten als Printversion und digital 3 zur Verfügung steht. Im Teacher Manual wird einleitend eine Übersicht und Beschreibung der ausgewählten H5P-Elemente sowie Moodle-Aktivitäten und deren frei zugäng‐ lichen Äquivalente (vgl. Eibl-Steiner 2023, S. 5-8) gegeben. Sowohl die Alterna‐ tiven als auch die digitalen Tools von Moodle sind mit einem QR-Code versehen, sodass Interessierte einfach per Scan die Alternative oder das Übungsbeispiel selbst finden und direkt ausprobieren können. Implementierung digitaler Tools in die universitäre PräsenzSprachenLehre 135 <?page no="136"?> Glossar Padlet PDF-Annotation PDF Annotator Word Cloud Mentimeter - AnswerGarden Abbildung 2: Ausschnitt Moodle-Tools und deren frei zugänglichen Äquivalente mit QR- Code Im Handbuch ist zunächst ersichtlich, mit welchen digitalen Moodle-Werk‐ zeugen spezifische Sprachkompetenzen trainiert werden können (vgl. Abb. 3). 136 Teresa Eibl-Steiner <?page no="137"?> Abbildung 3: Ausschnitt der Sprachkompetenzen und korrelierenden Moodle-Tools Die Darstellung eines jeden kreierten Übungsbeispiels folgt demselben Schema: Zuerst wird der Name des H5P-Elements bzw. der Aktivität genannt und die kreierte Übung betitelt. Danach folgt eine tabellarische Darstellung essentieller Informationen wie der Niveaustufe, des Lernziels, geeigneter Lernphasen sowie der Sozialformen (vgl. Abb. 4). Abbildung 4: Darstellung Übungsbeispiel im Teacher Manual Implementierung digitaler Tools in die universitäre PräsenzSprachenLehre 137 <?page no="138"?> Anschließend folgt stets eine kurze Beschreibung der Aktivität, die mithilfe von Bildern veranschaulicht wird, sodass man ‒ ohne das Tool direkt auszuprobieren ‒ eine Vorstellung davon bekommt, was damit alles gemacht werden könnte (vgl. Abb. 5). Außerdem sind die Erläuterungen im Teacher Manual mit didaktischen Kommentaren versehen, die die Handhabung der Werkzeuge beschreiben sowie weitere Anschlussaktivitäten empfehlen. Beschreibung der Aktivität: Die Lernenden können mithilfe dieses H5P-Elements den Wortschatz zu einem bestimmten Thema erarbeiten, üben oder wiederholen. Auf einem Bild sind mit Plus-Zeichen die zu lernenden/ übenden Wörter markiert. In einer Partner- oder Gruppenübung sollen die Lernenden den Wortschatz neu erarbeiten, üben oder wiederholen. Abbildung 5: Ausschnitt Teacher Manual - Beschreibung H5P-Element Image Hotspots Das Ende einer jeden Aktivitätsbeschreibung im Handbuch stellt eine Tabelle dar, die einerseits den QR-Code und Link für das digitale Moodle-Tool, aber auch einen oder mehrere Links für die frei zugänglichen Äquivalente zur Verfügung stellt (vgl. Abb. 6). 138 Teresa Eibl-Steiner <?page no="139"?> Um das Tool auszuprobieren, QR-Code scannen oder auf den Link klicken! Moodle-Kurse -https: / / moodle.uni-graz.at/ mod/ h5pactivity/ view.php? id=1292782 Frei zugäng‐ liche Alterna‐ tiven https: / / learningapps.org/ createApp.php https: / / wordwall.net/ de/ about/ template/ labelled-diagram Abbildung 6: Zugang zum Tool bzw. zu Äquivalenten Erprobung digitaler Tools in Sprachkursen am treffpunkt sprachen Neben der Kreation von Unterrichtsaktivitäten und der Erstellung des Teacher Manuals wurden die entwickelten digitalen Übungen in der PräsenzSprachen‐ Lehre in zwei Sprachkursen am treffpunkt sprachen getestet und von den Teilnehmenden direktes Feedback eingeholt. Als Testgruppen stellten sich ein Englischkurs, Niveau B2.2, und ein Italienischkurs, Niveau A2.2, zur Verfügung. Im Englischkurs wurde die Moodle-Aktivität Etherpad Lite, ein digitales kollaboratives Texteditorprogramm, von elf Teilnehmenden getestet. 45 % der Befragten gaben an, dass Übungen, die mit einem digitalen Endgerät in der PräsenzSprachenLehre gemacht werden, lernfördernd seien. 45 % würden gerne öfters Übungen mit einem digitalen Endgerät im Sprachunterricht machen. 91 % der Teilnehmenden finden es äußerst praktisch, dass alle digitalen Übungen im Moodle-Kurs sichtbar sowie gespeichert und daher noch einmal durchführbar bzw. abrufbar sind. 82 % würden das digitale Angebot auch außerhalb des Kurses nutzen, um ihre Sprachkompetenzen zu verbessern. Die 14 Teilnehmenden des Italienischkurses erprobten das H5P-Element Image Hotspots, das ausgewählt wurde, um zu Beginn der Unterrichtseinheit den bereits behandelten Wortschatz in Partnerarbeit zu wiederholen. In dieser Gruppe waren 86 % davon überzeugt, dass Übungen, die mit einem digitalen Endgerät gemacht werden, lernfördernd seien. 64 % würden gerne öfters Übungen mit einem digitalen Endgerät im Sprachunterricht machen. Ebenso werden die Speicher- und Wiederabrufbarkeit der Online-Übungen von 93 % der Befragten gelobt. Implementierung digitaler Tools in die universitäre PräsenzSprachenLehre 139 <?page no="140"?> Die Erprobungen des H5P-Elements und der Aktivität waren somit erfolg‐ reich und die positive Resonanz der Teilnehmenden lässt darauf schließen, dass es sich lohnt, digitale Tools in die universitäre PräsenzSprachenLehre zu implementieren. Forschungsmethoden Die theoretischen Grundlagen zum Forschungsprojekt und zur Erstellung der Unterrichtssequenzen im Teacher Manual beruhen zum einen auf den „Gütekri‐ terien guten Unterrichts“ nach Hilbert Meyer, zum anderen auf unterschiedli‐ chen Ansätzen zum Lehren und Lernen mit digitalen Medien und Technologien. Die Merkmale guten Unterrichts nach Meyer sind die folgenden (vgl. Meyer 2013): • klare Strukturierung des Unterrichts, • hoher Anteil echter Lernzeit, • lernförderliches Klima, • inhaltliche Klarheit, • sinnstiftendes Kommunizieren, • Methodenvielfalt, • individuelles Fördern, • intelligentes Üben, • transparente Leistungserwartung, • vorbereitete Umgebung. Obwohl Meyers Merkmale eines guten Unterrichts aus der Schuldidaktik stammen, können sie ebenso gut Verwendung im tertiären Bildungsbereich finden. Darüber hinaus sind einige Merkmale in der universitären PräsenzSpra‐ chenLehre von besonderer Bedeutung, da sie charakteristisch für die Erwach‐ senenbildung sind, wie z.-B. der hohe Anteil echter Lernzeit. Als echte Lernzeit wird jener Zeitraum bezeichnet, in dem die Zeit von den Lernenden aktiv zum Lernen genutzt wird (vgl. Meyer 2013, S. 39). Bei universitären Sprachkursen findet diese aktive Lernzeit meist in den Unter‐ richtseinheiten der PräsenzSprachenLehre statt, da die Lernenden Sprachkurse neben ihren weiteren curricularen Lehrveranstaltungen oder neben einer Be‐ schäftigung besuchen und somit zu Hause oder in der Freizeit eher weniger Zeit zum Üben bleibt. Besonders in der Erwachsenenbildung ist das Wiederholen von Gelerntem von großer Bedeutung, um sprachliche Strukturen und den Wortschatz zu festigen. Um den Lernprozess zu erleichtern und die Motivation zu steigern bzw. das Interesse zu erhalten, sollte an bereits bekanntes Wissen 140 Teresa Eibl-Steiner <?page no="141"?> 4 1. Ausreichend und im richtigen Rhythmus üben. 2. Übungsaufgaben sind passgenau zum aktuellen Lernstand formuliert. 3. Übungskompetenz wird entwickelt und richtige Lernstrategien werden genutzt. 4. Lehrperson gibt Hilfestellungen beim Üben. (vgl. Meyer 2013, S.-104) angeknüpft werden. Das zu Lernende sollte dabei stets „gehirngerecht“ aufbe‐ reitet werden, da dies den Lernprozess ebenfalls vereinfacht (vgl. Böttger 2015, S.-46 ff.). Die folgenden Merkmale nach Hilbert Meyer erscheinen im Zusammenhang mit der Implementierung digitaler Tools in die universitäre PräsenzSprachen‐ Lehre essentiell, da sie die Vorteile eines solchen Einsatzes unterstreichen: • hoher Anteil an echter Lernzeit, • lernförderliches Klima, • sinnstiftendes Kommunizieren, • Methodenvielfalt, • individuelles Fördern, • intelligentes Üben. Mithilfe eigens aufbereiteter Übungen kann die echte Lernzeit in der Prä‐ senzSprachenLehre optimal genutzt werden, sodass ausgewählte Sprachkom‐ petenzen gezielt trainiert werden. Dies ermöglicht nicht nur individuelles Fördern (vgl. Meyer 2013, S. 86-97), sondern auch intelligentes Üben. Durch die Erstellung und den Einsatz digitaler Übungen können einzelne sprachliche Aspekte, wie z. B. Grammatik, Wortschatz oder die mündliche Kommunikation, von den Lernenden individuell bearbeitet werden. Außerdem bietet die Auto‐ korrektur der meisten digitalen Tools die Möglichkeit, dass sich die Lernenden gegenseitig korrigieren und dadurch einen zusätzlichen Lerneffekt haben, da sie die Lösungen in Partner- oder Gruppenarbeit besprechen. Die Lehrenden fungieren nicht länger als reine Wissensvermittler: innen, sondern vielmehr als Berater: innen und Lerncoaches. Das individuelle Fördern ist eng verbunden mit dem intelligenten Üben, das in unterschiedliche Phasen 4 differenziert werden kann. Es kann weiters in drei verschiedene Zweck-Stufen unterteilt werden: Automatisierung, Qua‐ litätssteigerung und Transfer. Über dem Üben, also der Anreicherung von Können, sollte nach Hilbert Meyer stets der folgende abgewandelte Merksatz stehen: „Nur richtiges Üben macht den Meister“ (Meyer 2013, S. 104). Daraus lässt sich schließen, dass nur wer richtig übt, seine Kompetenzen erweitern und optimieren kann. Demnach sollte die Qualität im Vordergrund stehen, wohingegen die Quantität für den Lernerfolg nicht entscheidend ist. Implementierung digitaler Tools in die universitäre PräsenzSprachenLehre 141 <?page no="142"?> Die Implementierung digitaler Tools in die universitäre PräsenzSprachen‐ Lehre sorgt zudem für Methodenpluralität, da nicht nur auf diverse Vermitt‐ lungsmethoden zurückgegriffen wird, sondern auch die Art der Vermittlung mittels digitaler Komponente für einen vielfältigen und spannenden Unterricht sorgt. Dies trägt zu einem lernförderlichen Klima bei, denn für den Großteil der heutigen Studierenden an der Universität ist es selbstverständlich, ein digitales Endgerät mit sich zu führen und mit diesem zu lernen bzw. zu arbeiten. Die Nutzung digitaler Medien ist im Alltag viel verbreiteter als im Bildungsbereich. Daher sollte diese Selbstverständlichkeit auch Eingang in die universitäre PräsenzSprachenLehre finden, da die lernförderlichen Potentiale digitaler Medien, wie z. B. multicodale und multimodale Lernangebote, genutzt werden sollten (vgl. Middendorf 2017, S. 14). Zudem betont Bardo Herzig, dass der Einsatz von Tablets oder Notebooks im Unterricht positive Auswirkungen auf die Motivation, Kooperationsfähigkeit, Medienkompetenz und kognitive Komplexität habe (vgl. Herzig 2017, S.-40). Durch den Einsatz gewisser Tools, wie z. B. der Aktivitäten Wordcloud oder Etherpad Lite und deren frei zugänglichen Äquivalenten Mentimeter, ZUMPad oder Etherpad, wird auch das sinnstiftende Kommunizieren praktiziert, das stets im Vordergrund des Sprachunterrichts stehen sollte. Eine Sprache wird erlernt, damit man in ihr und durch sie kommunizieren, etwas über sich selbst mitteilen und andere verstehen kann. Der Einsatz digitaler Tools in der universitären PräsenzSprachenLehre sollte diesem Credo folgen, denn das sinnstiftende Kom‐ munizieren bildet einen Prozess, in dem nach Hilbert Meyer die Lerner: innen im Austausch mit der Lehrperson „dem Lehr-Lern-Prozess und seinen Ergebnissen eine persönliche Bedeutung geben“ (Meyer 2013, S. 67). Dies verdeutlicht, dass die Sinnstiftung stets durch die Lernenden erfolgt, weshalb das zu Lernende mit Bedeutung verknüpft werden sollte, was durch Aktivierung und Anknüpfung an bereits vorhandenes Wissen geschehen kann. In der Erwachsenenbildung wird dies meist durch das persönliche Interesse und die intrinsische Motivation gestärkt und unterstützt. Eine solche Implementierung digitaler Tools in die universitäre Präsenz‐ SprachenLehre erreicht ihr vollständiges Potential in einem kollaborativen Lernsetting. Die erstellten Aktivitäten werden zumeist in Partner- oder Grup‐ penarbeit behandelt, nur einige wenige Aktivitäten wurden in der Sozialform der Einzelarbeit erstellt und dienen jenen Lernenden als zusätzliche Aufgaben, die andere Übungen bereits erledigt haben. Somit wird nicht nur die aktive Lern‐ zeit optimal genutzt, sondern dem Lernprozess wird insofern eine subjektive Bedeutung zuteil, als sich die Lernenden in Partner- oder Gruppenarbeit intensiv über die sprachlichen Inhalte des Kurses austauschen. Auf diese Weise folgt 142 Teresa Eibl-Steiner <?page no="143"?> der Einsatz digitaler Werkzeuge in der universitären PräsenzSprachenLehre auch immer dem kommunikativen Sprachlernansatz, denn es wird nicht nur mithilfe der Tools über gewisse Themen kommuniziert, sondern die Zielsprache wird auch immer zur metasprachlichen Kommunikation verwendet, wenn die Lernendengruppen die Übungen durchführen und ihre Ergebnisse selbst analysieren. Selbstgesteuertes und kollaboratives Lernen gewinnen durch den Einsatz digitaler Medien an Bedeutung und verändern auch den Umgang mit Wissen (vgl. Karajic 2019, S. 24 f.). Nicht nur der Einsatz digitaler Tools in der PräsenzSprachenLehre bringt Individualisierung und Flexibilisierung von Lernprozessen mit sich, sondern ebenso das lebenslange Lernen, das sich zum Ziel setzt, die eigenen Lernprozesse zu reflektieren, Verantwortung für das eigene Lernen zu übernehmen sowie die Lernsituationen durch Selbststeuerung aktiv mitzugestalten (vgl. Karajic 2019, S. 25). Dadurch verändert sich auch die Rolle von Lehrpersonen, die nicht länger als reine Wissensvermittler: innen vor einer Gruppe referieren. Andreas Kastner und Ilse Leidl-Krapfenbauer betonen, dass sich „Lehr- und Lernmethoden (…) hin zum explorativen und ko‐ operativen Lernen (bewegen), wo Lehrende die Rolle von Coaches übernehmen“ (Kastner/ Leidl-Krapfenbauer 2018, S. 307 f.). Die Rolle der Lehrenden wechselt im Unterrichtsgeschehen, was dazu führt, dass in einem kurzen Zeitraum unterschiedlichste Rollen eingenommen werden. Daraus resultiert, dass die Lehr-Lern-Arrangements in einem gemeinsamen Prozess von Lehrenden und Ler‐ nenden gestaltet werden (…). Die Lehrenden nehmen zudem eine vielfältige Rollenver‐ teilung ein: ‚Beobachter, Begleiter, Berater, Coach, Consultant, Dozent, Experte, Facili‐ tator, Koordinator, Leiter, Lernscout, Partner, Moderator, Organisator, Prozessanleiter, Prozessbegleiter, Querdenker, Supervisor und Trainer bzw. Cotrainer‘. (Karajic 2019, S.-26) Die Rollen der Lernenden ändern sich und fluktuieren jedoch auch durch die Nutzung der digitalen Werkzeuge in der PräsenzSprachenLehre. Sie gestalten den Unterricht aktiv mit und steuern ihn selbst. Wenn beispielsweise die Moodle-Aktivität Wordcloud oder deren frei zugänglichen Äquivalente wie Men‐ timeter oder AnswerGarden als Anfangsaktivität genutzt werden, um Vorwissen zu aktivieren und abzurufen oder Gedanken zu sammeln und zu sortieren, wird mit dem jeweiligen Ergebnis individuell weitergearbeitet. Auf diese Weise beeinflussen die Lernenden indirekt den Inhalt der Unterrichtssequenz und den Lehrenden eröffnet sich somit die Gelegenheit, auf Vorlieben und Wissensbe‐ stände der Lernenden einzugehen. Die Integration digitaler Lernhilfen findet auf zwei Ebenen statt - der fachdi‐ daktischen und der medienpädagogischen -, wobei im tertiären Bildungsbereich Implementierung digitaler Tools in die universitäre PräsenzSprachenLehre 143 <?page no="144"?> ein stärkerer Fokus auf der fachdidaktischen Ebene liegt. Es soll nicht zu einer Rivalität zwischen Digitalem, meist als neu und zukunftsgewandt postuliert, und Analogem, oft als eher alt und rückständig bezeichnet, kommen, sondern zu einer Symbiose beider Welten (vgl. Heinen 2017, S. 117 f.). Der Mehrwert digitaler Tools sollte vielmehr auch in der analogen Lernwelt genutzt werden. Nach Markus Schäfer zeigt sich dieser vor allem in (vgl. Schäfer 2020, S.-19): • zusätzlichen Impulsen durch lerner: innenaktive didaktische Ansätze, • einer großen Anzahl an Beteiligungsmöglichkeiten, • der Chance, Lernbarrieren abzubauen, • einer Effizienzsteigerung von Theorielernen, • einem größeren virtuellen Raum, wo eine kreative, kollaborative sowie kommunikative Lernumgebung entstehen kann, • einer Kosteneinsparung, • ressourcenschonendem Arbeiten. Die Integration digitaler Werkzeuge und Medien bereichert den Sprachunter‐ richt nicht nur mit Methodenpluralität, sondern lerner: innenaktive didaktische Ansätze erhalten dadurch zusätzliche Impulse, um den Lernprozess sowohl attraktiv als auch effektiv zu gestalten. Durch die Verwendung digitaler Tools werden zahlreiche Partizipationsmöglichkeiten geschaffen und alle Teilneh‐ menden können aktiv zum Unterrichtsprozess beisteuern. Dies ist vor allem für introvertiertere Lernende von Vorteil, da sie ihre Meinungen und Ideen digital teilen können. Auf diese Weise kann auch das Problem von Lernbarrieren leichter aufgegriffen und behandelt werden, zumal digitale Lernhilfen die Möglichkeit bieten, anonym am Unterricht teilzunehmen, und durch die Vielfalt der Modi und Aktivitäten unterschiedliche Lerntypen angesprochen und so zum Lernen motiviert werden. Wie bereits erwähnt, dient die Implementierung digitaler Tools in die uni‐ versitäre PräsenzSprachenLehre einem kollaborativen und kommunikativen Ansatz des Sprachenlernens und unterstützt diesen. Das Erstellen digitaler Übungen dient aber auch dem Umweltschutz, da die Übungen online zugänglich sind und daher keine unnötigen Kopien angefertigt werden müssen. Dies spart zudem auch Kosten für Druckerpapier und -patronen ein. Ein zusätzlicher Vorteil digitaler Übungen besteht darin, dass sie online gespeichert und von den Lernenden beliebig oft und zeitsowie ortsunabhängig abgerufen und durchgeführt werden können. Dieses Merkmal unterstützt wiederum den selbst‐ gesteuerten und zielorientierten Lernprozess. Neben der Erweiterung und Vertiefung sprachlicher Kompetenzen sollen mithilfe der Implementierung digitaler Tools in die universitäre PräsenzSprachen‐ 144 Teresa Eibl-Steiner <?page no="145"?> Lehre sowohl die digitalen Kompetenzen als auch die Medienkompetenzen der Lehrenden und Lernenden geschult und weiterentwickelt werden. Unter digitalen Kompetenzen, die mit digital literacy einhergehen, versteht man verschiedene „Kenntnisse und Fähigkeiten, die für die Nutzung von Informations- und Kommu‐ nikationstechnik sowie digitalen Medien erforderlich sind“ (Markus/ Wienrich/ Carolus 2023). Mithilfe dieser Kompetenzen sollen Aufgaben und Probleme gelöst, kommuniziert und Inhalte erstellt und geteilt werden - und zwar in digitaler Form. Digitale Kompetenzen umfassen unterschiedliche Teilbereiche, wie z. B. die Medienkompetenz, Kommunikation und Kollaboration, IT-Kompetenz, Digitales Lehren und Lernen und Informationskompetenz (vgl. Holdener/ Bellanger/ Mohr 2016, S.-65-74). Innerhalb der Medienkompetenz finden sich weitere Kompetenz‐ felder wieder, wie beispielsweise die kritische, ästhetische, ethische, gestalterische oder sachliche Kompetenz (vgl. Büsch 2017, S.-74). Der Einsatz digitaler Tools in der PräsenzSprachenLehre schult die allge‐ meinen Kommunikations- und Kollaborationsfähigkeiten, da spezielle Tools wie Etherpad zu einem kollaborativen Arbeiten und Lernen animieren. Die IT- Kompetenz beschreibt zum einen die korrekte Anwendung, zum anderen den richtigen Umgang mit digitalen Medien. Aus Sicht der Lehrenden bedeutet dies zunächst die Fähigkeit, passende digitale Werkzeuge für den Sprachunterricht auszuwählen und mithilfe dieser, digitale Übungen erstellen und distribuieren zu können. Aus Lernendenperspektive zeigt sich die IT-Kompetenz vor allem im sorgfältigen Umgang mit den Tools. Die digitale Lehr- und Lernkompetenz wird durch den Einsatz digitaler Tools in der PräsenzSprachenLehre in den klassischen analogen Unterricht integriert und automatisch von allen Akteur: innen durch eine regelmäßige Ver‐ wendung dieser weiterentwickelt. Übungen werden portionsweise auch digital angeboten und durchgeführt, um den Sprachunterricht attraktiv, zeitgemäß und methodisch vielfältig zu gestalten. Außerdem werden all jene digitalen Kompetenzen, die während der Corona-Pandemie von allen Beteiligten des Unterrichtsgeschehens erworben wurden, auf diese Art nicht vernachlässigt, sondern weiterhin genutzt und weiterentwickelt, um so einem Abbau digitaler Kompetenzen entgegenzuwirken. Zusätzlich leistet der Einsatz digitaler Tools nicht nur einen wesentlichen Beitrag zur Erweiterung der digitalen Kompetenzen, sondern wirkt auch dem sogenannten digital divide entgegen. Laut Bundeskanzleramt und Bundesministe‐ rium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft (2016) beschreibt der digital divide, die „digitale Kluft“, also „Unterschiede in der Möglichkeit der Nutzung von Informations- und Kommunikationstechnologien aufgrund von sozioökono‐ mischen Faktoren wie Einkommen, Herkunft, Bildung oder Wohnort“ (zit. nach Implementierung digitaler Tools in die universitäre PräsenzSprachenLehre 145 <?page no="146"?> Karajic 2019, S. 26). Um zu verhindern, dass nur ausgewählte gesellschaftliche Gruppen von der positiven Wirkung digitaler Medien profitieren, ist es wichtig, Bildungsangebote zu kreieren, die zeitgemäß sind und sowohl ältere Lernende fördern als auch fordern. Zurzeit findet eine digitale Revolution statt. Der Zugang zu Wissen ist jederzeit möglich und dieses somit stets abrufbar. Gleichzeitig verringert sich jedoch die Halbwertszeit von Wissen, da es schneller veraltet. Dies unterstreicht die Bedeutsamkeit des lebenslangen Lernens (vgl. Karajic 2019, S. 27). Der empirische und qualitative Teil des Forschungsprojekts der Autorin beschäftigte sich mit der Entwicklung und Kreation von Unterrichtssequenzen und -übungen auf der Kursplattform Moodle, wozu ein eigener Moodle-Kurs eingerichtet wurde. Dazu wurden zunächst die einzelnen H5P-Elemente und Aktivitäten gesichtet und jene ausgewählt, die sinnvoll für einen Einsatz in der PräsenzSprachenLehre erscheinen. Danach wurden verschiedene Unter‐ richtsaktivitäten und Szenarien entwickelt, mithilfe derer diverse Sprachkom‐ petenzen (mündliche und schriftliche Fertigkeiten, Wortschatz-, Grammatik- und Hörverstehenskompetenzen sowie das Wissen über Landes- und Kultur‐ kunde) exklusiv oder integrativ trainiert werden sollen. Des Weiteren kam es zur Erprobung zweier unterschiedlicher Tools in zwei Sprachkursen am treffpunkt sprachen, um die Praktikabilität dieser digitalen Lernhilfen in der PräsenzSprachenLehre zu testen. Dies wurde von den Lernenden mit einem durchwegs positiven Feedback beurteilt. Nach der Fertigstellung des Moodle- Kurses wurde dieser in einem Teacher Manual schriftlich festgehalten, damit die Potentiale digitaler Tools entweder direkt online im Moodle-Kurs auspro‐ biert und durchstöbert werden können oder in analoger Form als Handbuch einsehbar sind. Forschungsziele Moodle-Kurs und Teacher Manual Das große Ziel des Forschungsprojekts war die Erstellung des Moodle-Kurses und des dazugehörigen Teacher Manuals, das eine Sammlung aller Einsatzmög‐ lichkeiten der internen Moodle-Tools (H5P-Elemente und Aktivitäten) in der PräsenzSprachenLehre darstellt. Um dieses Ziel zu erreichen, mussten diverse Zwischenziele gesetzt und verfolgt werden. Zunächst galt es zu ermitteln, welche digitalen Moodle-Tools für die Imple‐ mentierung in die universitäre PräsenzSprachenLehre als geeignet erachtet werden und welche lediglich in der reinen Online-Lehre nützlich sind. Die Werkzeuge sind grundsätzlich eher dafür ausgelegt, sich im distance learning selbstständig Wissen anzueignen und diesen Lernprozess zu erleichtern und zu 146 Teresa Eibl-Steiner <?page no="147"?> unterstützen. Es sollten jene Tools selektiert werden, die im Sprachunterricht aktiv und kollaborativ verwendet werden können. Einige wenige bieten sich nicht für das kollaborative Lernen an, dennoch wurden sie ausgewählt und vorgestellt, wenn sie Potential für zusätzliche Übungen in Einzelarbeit oder in lernbegleitenden Prozessen aufwiesen. Nach erfolgreicher Auswahl jener digitalen Lernhilfen, die für den Einsatz in der PräsenzSprachenLehre geeignet erschienen, wurde das nächste Ziel verfolgt: Die Erstellung unterschiedlicher Unterrichtssequenzen, Übungen und Aktivitäten mithilfe der Tools, um deren sinnvollen Einsatz im Sprachunterricht zu beleuchten. Hier wurde das Ziel gesetzt, die sprachlichen Kompetenzen anhand des kommunikativen Sprachlehransatzes zu priorisieren, damit in der PräsenzSprachenLehre besonders die mündlichen und schriftlichen Fertigkeiten sowie das Hörverstehen trainiert werden. Bei Wortschatz- oder Grammatik‐ übungen können digitale Übungen analoge ersetzen, wohingegen beim Spre‐ chen, Schreiben und Hören die digitalen Übungen Impulse für eine echte Kommunikation in der analogen Welt liefern und diese somit triggern und unterstützen. Der Moodle-Kurs und das Handbuch dienen Lehrenden und Interessierten als Inspirationsquelle, um zu realisieren, welche Möglichkeiten durch den Einsatz digitaler Tools in der PräsenzSprachenLehre für den Sprachunterricht entstehen. Ziel ist es aufzuzeigen, welche Möglichkeiten die Nutzung von Moodle bietet. Es soll jedoch niemand dazu verleitet werden, ausschließlich auf digitale Tools umzusteigen; stattdessen sollten diese Schritt für Schritt in den Unterricht integriert werden. Um auch externen Interessierten die Möglichkeiten digitaler Lernhilfen aufzuzeigen, wurde jedem Moodle-Tool, sofern möglich, ein externes, frei zugängliches Werkzeug zugeordnet, mit dem die beispielhafte Übung ebenso gestaltet werden kann. Forschungsergebnisse Im Moodle-Kurs Implementierung digitaler Tools in die universitäre PräsenzSpra‐ chenLehre wurden insgesamt 43 Übungen für den Unterricht entwickelt, um einerseits aufzuzeigen, wie vielfältig die digitalen Tools in Moodle sind, anderer‐ seits um deren Verwendungsmöglichkeiten im Sprachunterricht zu untersuchen und darzulegen. In den Kompetenzbereichen, die für die Erstellung des Moodle- Kurses ausgewählt wurden, findet sich folgende Anzahl an eigenständigen Übungen wieder: • Sprechen - mündliche Kommunikation: elf Übungen, • Hörverstehen: fünf Übungen, Implementierung digitaler Tools in die universitäre PräsenzSprachenLehre 147 <?page no="148"?> • Leseverstehen: vier Übungen, • Schreiben - schriftliche Fertigkeiten: fünf Übungen, • Wortschatz: sieben Übungen, • Landes- und Kulturkunde: sechs Übungen, • Grammatik: fünf Übungen. Jede einzelne dieser Übungen wurde im Teacher Manual verschriftlicht, be‐ schrieben, erläutert sowie mit didaktischen Kommentaren versehen. Außerdem verfügt jede verschriftlichte Übung über einen QR-Code, der per Scan zur Übung in Moodle führt, um diese ebenso digital anzusehen und auszuprobieren. Der Einsatz digitaler Tools in der universitären PräsenzSprachenLehre be‐ weist somit vielfältige Nutzungsmöglichkeiten. Dadurch entsteht ein attraktiver sowie moderner Sprachunterricht, in dem Methodenpluralität zusätzlich durch den Einsatz digitaler Elemente gelebt wird, der zudem Kompetenzpluralität fördert. Die einzelnen Sprachkompetenzen werden niemals isoliert trainiert, sondern immer integrativ. Dazu werden digitale Kompetenzen simultan ge‐ schult sowie das gesamte Lernrepertoire der Lernenden, aber auch die IT- Kompetenzen der Lehrenden weiterentwickelt. Sowohl der Moodle-Kurs als auch das zugehörige Teacher Manual zeigen die unterschiedlichen Einsatzmöglichkeiten digitaler Tools in der PräsenzSpra‐ chenLehre auf. Sie sollen dazu anregen, sich mit diesen Tools näher auseinan‐ derzusetzen, um gegebenenfalls Übungen in den eigenen Sprachunterricht zu integrieren oder diese zu adaptieren und dem Einsatz digitaler Lernhilfen in der PräsenzSprachenLehre eine Chance zu geben. Der Erwerb und die Verbesserung aller Sprachkompetenzen kann durch die Implementierung digitaler Tools in die universitäre PräsenzSprachenLehre unterstützt werden. Dies wurde auch von den Proband: innen jener Sprachkurse rückgemeldet, in denen zwei digitale Tools ausprobiert wurden. Das Feedback beider Testgruppen fiel durchwegs positiv aus: In der ersten Testgruppe meinten 45 %, es sei für sie sehr fördernd, mit einem digitalen Endgerät Übungen im Sprachunterricht zu machen; in der zweiten Gruppe waren sogar 86 % dieser Meinung. Mehr als die Hälfte der Befragten beider Gruppen würden gerne öfters Übungen mit bzw. an ihrem digitalen Endgerät im Sprachunterricht machen. Und über 85 % der Teilnehmenden beider Gruppen befürworten die Speicher- und Wiederabrufbarkeit der digitalen Übungen, da dies die Möglichkeit bietet, Übungen auch außerhalb des Sprachkurses nochmals durchzuführen. Der Moodle-Kurs und die darin erstellten Übungen werden auch als OER (Open Educational Resources) zur Verfügung gestellt, sodass die Lehr- und Lernmaterialien ohne Lizenz frei zugänglich sind. 148 Teresa Eibl-Steiner <?page no="149"?> Resümee Abschließend lässt sich festhalten, dass der Einsatz digitaler Tools in die uni‐ versitäre PräsenzSprachenLehre mehr Vorteile und Möglichkeiten als Nachteile mit sich bringt. Die Lehrenden müssen anfangs mit etwas Vorbereitungszeit rechnen, um sich in diese Tools einzuarbeiten; ist dieser Prozess allerdings im Gange, profitieren sie bei erstmaliger Erstellung davon, die Übung wiederver‐ wenden sowie einfach adaptieren zu können. Statt Arbeitsblätter zu gestalten, werden H5P-Elemente und Aktivitäten genutzt, um dieselben Kompetenzen digital zu trainieren. Die Implementierung digitaler Werkzeuge in den Sprachunterricht verbessert die individuellen Sprachkompetenzen der Teilnehmenden. Die vielfältigen Ein‐ satzmöglichkeiten beeindrucken die Lernenden und tragen zu einem modernen Unterricht bei. Es zeugt von Mut, jene digitalen Elemente, die uns allgegenwärtig in unserem Alltag begleiten, mit in den Sprachunterricht zu nehmen und sie für das Sprachenlernen zu nutzen. Die klassische Lehre soll nicht nur mit digitalen Lernhilfen angereichert werden, sondern sie soll durch diese geformt und gestützt werden, sodass es zur Symbiose aus dem Besten beider Welten kommt. Der Moodle-Kurs und das Teacher Manual sollen dazu ermutigen, digitale Übungen gezielt in den Unterricht zu integrieren und mit den Lernenden auszuprobieren. Literatur Böttger, Barbara (2015): Wie lernen wir? Neurowissenschaftliche Erkenntnisse und ihre Konsequenzen für den Unterricht - Versuch einer Umsetzung. In: Hofer, Chris‐ tian/ Unger-Ullmann Daniela (Hrsg.) Sprachenlernen mit Erwachsenen. Graz: Leykam - Grazer Universitätsverlag, S.-45-60. Büsch, Andreas (2017): Digital Natives und Digital Immigrants. 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Seit den enormen Flüchtlingsbewegungen nach Österreich in den letzten Jahren wurde neben dem Erwerb von Sprachkenntnissen auch die Vermittlung von Werten häufig im Kontext des DaZ-Unterrichts betrachtet. Im fremd‐ sprachigen Deutschunterricht gibt es jedoch im hochschulischen Bildungs‐ bereich eine Leerstelle und auch im Hinblick auf die Zielsetzungen eines kulturreflexiven Deutschunterrichts besteht ein wesentlicher Unterschied: Während im erwachsenenpädagogischen DaZ-Unterricht die erfolgreiche Integration von Migrant: innen im Zentrum steht und vorwiegend kulturelle Werte und Normen anerkannt und übernommen werden sollten, wird im Rahmen des universitären DaF-Unterrichts auf die Förderung und den Erwerb von Diskursfähigkeit und -partizipation abgezielt. Im vorliegenden Beitrag wird in erster Linie die Frage diskutiert, inwieweit Werte in den DaF-Kursen von treffpunkt sprachen - Zentrum für Sprache, Plurilingualismus und Fachdidaktik bereits vermittelt werden und auf welche Weise diese Werte im fremdsprachigen Deutschunterricht thematisiert werden können. Ausgehend von einer Definition und einer Beschreibung des Wertbegriffs im historischen, sozialen und kulturellen Kontext werden auch Theorien und Modelle der Kultur- und Wertevermittlung näher beleuchtet. Des Weiteren wird einerseits auf die Ergebnisse der Fragebogenumfrage ein‐ gegangen, welche in insgesamt 13 DaF-Kursen zum oben genannten Thema durchgeführt wurde, um in Erfahrung zu bringen, welche Grundwerte für die Studierenden besonders relevant sind. Andererseits wird die Perspektive der <?page no="152"?> DaF-Lehrenden mit einbezogen, da im Zuge des Projekts leitfadengestützte Interviews mit sieben Vortragenden geführt wurden. Dadurch soll aufgezeigt werden, auf welche Weise die Vermittlung von Werten im kulturreflexiven DaF-Unterricht sowohl auf inhaltlicher als auch auf methodisch-didaktischer Ebene in der Praxis umsetzbar ist. Ergänzend wird die Auswertung durchge‐ führter Unterrichtsbeobachtungen herangezogen, um das Studierenden- und Lehrendenverhalten, deren Interaktionen und Einstellungen zu bewerten und um herauszufinden, welche der theoretischen Konzepte in die DaF-Kurse von treffpunkt sprachen Eingang finden sollten. Forschungshintergrund des Projekts Der folgende Abschnitt legt dar, wie Kultur- und Wertevermittlung zusammen‐ hängen und warum universitärer DaF-Unterricht ohne die Beschäftigung mit Werten nicht auskommt. Der aktuelle Forschungsstand zeigt auf, dass diverse Konzepte der Kultur- und Wertevermittlung im universitären DaF-Unterricht sowohl in der Wissenschaft als auch in der Praxis bisher geringe Beachtung erfahren haben, denn es lassen sich nur wenige fundierte Untersuchungen und Beiträge in der Fremdsprachendidaktik finden. Einen beträchtlichen Anteil an der Weiterentwicklung in diesem Forschungsbereich hatten jedoch die konzeptionellen Innovationen des kulturreflexiven Lernens von Altmayer (vgl. 2004), welche eine umfassende kulturwissenschaftliche Wende einleiteten. Im Anschluss wird nun der Begriff Werte definiert und es werden diverse Werte- und Kulturvermittlungsmodelle skizziert. Was sind Werte? Bis heute herrscht auf wissenschaftlicher Ebene noch keine Einigkeit darüber, wie Werte beschrieben werden können. Eine große Anzahl an Definitionen und Klärungsversuchen stammt aus verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen, wie z. B. der Philosophie, der Ethik, der Psychologie oder der Pädagogik. In diesem Zusammenhang betont Hillmann (vgl. 2003, S. 52), dass der moderne Wertbegriff mit seiner Vieldeutigkeit seine Ursprünge in der Nationalökonomie und Philosophie des 19. Jahrhunderts hat. Demnach wurde der Begriff zur Be‐ zeichnung von „ökonomischen Qualitäten von Wirtschaftsobjekten“ verwendet (vgl. Schlöder 1993, S. 41). Dies bedeutet konkret, dass all jene Objekte, die getauscht und gebraucht werden konnten, als Werte wahrgenommen und entsprechend ihrer ökonomischen Doppelfunktion als Gebrauchs- und Tausch‐ 152 Stefanie Faustmann <?page no="153"?> werte bezeichnet wurden. Demzufolge wurde zum einen der Wertbegriff dazu verwendet, um Objekte selbst zu bezeichnen, und zum anderen, um auf be‐ stimmte Eigenschaften von Objekten hinzuweisen (vgl. ebd.). Dies ermöglicht gemäß Vogt (vgl. 2014, S. 66) einen Vergleich von diversen Gegenständen, d. h. ökonomisch wertvollere Gegenstände können von weniger wertvollen differenziert werden. In diesem Kontext scheint die gegenständliche Bedeutung des Wertbegriffs von großer Relevanz zu sein, weil Werte als Güterwerte cha‐ rakterisiert wurden, wenn sie in Beziehung zu einem urteilenden Individuum standen (vgl. Schlöder 1993, S.-41 f.). Neben dem ökonomischen Verständnis des Wertbegriffs wurde in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts die Vorstellung des Objektiv-Guten als fragwürdig angesehen (vgl. Wiater 2011, S. 25). Hillmann (vgl. 2003, S. 52) verweist darauf, dass Werten Geltungsdifferenzen zugrunde lagen. Demzufolge hatten sie die Bedeutung von Möglichkeitsbedingungen, sodass zwischen Wahrem und Fal‐ schem, Gutem und Bösem oder Schönem und Hässlichem unterschieden werden konnte. Besonders vielschichtig wurde die Definition des Wertbegriffs, als sich im 19. Jahrhundert verschiedene philosophische Strömungen, wie z. B. die neukantianische Philosophie, herausbildeten (vgl. Schlöder 1993, S. 44). Aus philosophischer Sicht muss daher erwähnt werden, dass der Wertbegriff aus zwingenden Gründen den Begriff des Guten ersetzte, weil eine Pluralität von Sichtweisen auf das Gute zum Ausdruck gebracht werden konnte (vgl. Joas 2006, S. 5). Joas hält in seinen Untersuchungen fest, dass der Wertbegriff eine Subjektivierung beinhaltet: Der Begriff ˂Wert˃ tritt an die Stelle, an der in der philosophischen Tradition der Begriff des ˂Guten˃ stand. Während aber diesem Guten in der Tradition ein durch die vernünftige Betrachtung des Kosmos erschließbarer oder göttlich geoffenbarter Status zugesprochen werden konnte und es damit über ein Sein verfügte (…) - haftet dem Begriff des ˂Werts˃ unauslöschlich ein Bezug zum Subjekt des Wertens an. ( Joas 8 2019, S.-39) Joas zufolge gibt es also nicht ein völlig menschenunabhängiges Gutes, sodass jeder Mensch in nachvollziehbarer Weise eine Vorstellung über das Gute haben kann (vgl. ebd.). Zudem entstehen Werte in konkreten Handlungssituationen und gründen in Erfahrungen der Selbstbildung und Selbsttranszendenz (vgl. Joas 2006, S. 4). Folglich entwickeln sich Werte im Prozess der Selbstbildung in uns, denn das Selbst formt sich in sozialen Beziehungen zu anderen Menschen (vgl. ebd.), indem es sich mit den Wertvorstellungen und Einstellungen von Personen identifiziert (vgl. Pfeifer 2 2009, S. 34). Allerdings ist laut Joas (vgl. 2006, S. 4) dieser Wertbildungsprozess mit der Kindheit und dem Jugendalter eines Kultur- und Wertevermittlung im universitären DaF-Unterricht 153 <?page no="154"?> Menschen nicht abgeschlossen. Joas (vgl. ebd., S. 4 f.) nimmt an, dass ein Mensch auch im Erwachsenenalter sogenannte Transformationserfahrungen sammelt, indem er sich mit primär-sozialisatorisch erworbenen Werten auseinandersetzt und diese reflektiert. Demgemäß benötigen Werte ein wertendes Subjekt und werden vom Menschen kategorisiert und hierarchisiert (vgl. Staake 2018, S. 235). Weiters ist es von großer Relevanz, dass Werte nicht nur für das jeweilige Individuum, sondern vor allem auch für das soziale Leben essentiell sind. Eine zentrale Stellung nimmt der Wertbegriff u. a. in Parsons’ soziologischer Systemtheorie ein. Hierbei differenziert Parsons (vgl. 6 2003) drei Systeme der Handlungsorganisation: das soziale System, das kulturelle System und das persönliche System (vgl. Krobath 2009, S. 512). Auf der Ebene des persönlichen Systems spielen Wertorientierungen eine wichtige Rolle. Sie haben in Parsons’ Theorie (vgl. 6 2003) drei wesentliche Aspekte: (…) einen kognitiven Aspekt, der die Gültigkeit von Werten wie ‚wahr‘ und ‚falsch‘ betrifft; einen Aspekt der ‚Würdigung‘ oder ‚Wertschätzung‘ (appreciation mode), der die affektiv-positive oder negative Orientierung gegenüber einem Objekt betrifft (z. B. ästhetische Werte) und einen moralischen Aspekt, der die Konsequenzen von Handlungsfolgen betrifft. (Ebd., Hervorh. im Orig.) Daraus kann abgeleitet werden, dass das persönliche System mit dem sozialen System verbunden ist (vgl. ebd.). Diese Sichtweise von Werten als Vermittler zwischen Individuum und Gesellschaft ist für die Definition des Wertbegriffs in der modernen Soziologie wesentlich. Hillmann meint dazu, dass soziokultu‐ relle Werte als gesellschaftlich wandelbare Orientierungsstandards aufgefasst werden können, weil sie wichtige „Orientierungsleitlinien für menschliches Handeln und soziales Zusammenleben“ in einer Kultur darstellen (Hillmann 2003, S. 50). Sie sind daher eine Prämisse sozialer Ordnung, weil das soziale Zusammenleben von Menschen ohne Werte nicht möglich wäre und Menschen nicht nur individuelle, sondern auch kollektive Ziele benötigen, welche gemein‐ same Werte verlangen (vgl. Krobath 2009, S. 514), damit eine Gesellschaft konsti‐ tuiert werden kann. Folglich koordinieren Werte bestimmte Handlungsweisen von Mitgliedern einer Gesellschaft und sind „eine entscheidende Voraussetzung für gesellschaftliche Stabilität und gesellschaftliche Integration“ (ebd., S. 63). Aufgrund dessen bilden sie die allgemeine Legitimationsgrundlage soziokul‐ tureller Normen und Gesetze einer Gesellschaft (vgl. Hillmann 2003, S. 66). Werte können also auch allgemein anerkannte Regeln untermauern, die in einer bestimmten Situation ein konkretes Handeln erfordern (vgl. ebd., S. 67). Hofer- Robinson (vgl. 2018, S. 12) und Stojanov (vgl. 2018, S. 68) weisen darauf hin, dass die Nicht-Befolgung von Verhaltensnormierungen rechtliche Sanktionen 154 Stefanie Faustmann <?page no="155"?> 1 Wertgebundene Toleranz ist die Fähigkeit, Wertekonflikte auszuhalten, über Werte zu kommunizieren und trotz Differenzen von Überzeugungen kooperativ zu handeln und die eigene Meinung zu vertreten (vgl. Vogt 2014, S.-64). nach sich ziehen kann, weil von ihnen das Gemeinwohl als eine Bedingung für gelingendes Zusammenleben abhängt (vgl. Standop 2 2016, S.-27). Aufgrund des Pluralismus von Wertesystemen in einer Gesellschaft ist es außerdem nach Vogt (vgl. 2014, S. 64 f.) besonders wichtig, wertgebundene Toleranz 1 zu zeigen, sodass unterschiedliche individuelle und kollektive Wertvorstellungen zugelassen und akzeptiert werden. Unter Berücksichtigung der Untersuchungen von Fornoff (vgl. 2018) scheint es naheliegend, dass Kultur „als die Gesamtheit der materiellen Hervorbrin‐ gungen einer sozialen Gruppe (und damit auch als) eine Verkörperung von Werten“ (Fornoff 2018, S. 49) zu verstehen ist. Rickert bezieht sich in diesem Zusammenhang auf verschiedene gesellschaftliche Bereiche, wie z. B. Literatur, Kunst oder Religion (vgl. Rickert 1899, S. 22). Aus diesem Grund kann an‐ genommen werden, dass Menschen die Fähigkeit haben, bewusst zur Welt Stellung zu nehmen und ihr eine Bedeutung zuzuschreiben, sodass Kultur als Teilbereich der Wirklichkeit, der mittels bewusster Wertsetzungen bestimmt wird, verstanden wird: Der Begriff Kultur ist ein Wertbegriff. Die empirische Wirklichkeit ist für uns Kultur, weil und sofern wir sie mit Wertideen in Beziehung setzen, sie umfaßt (sic! ) diejenigen Bestandteile der Wirklichkeit, welche durch jene Beziehung für uns bedeutsam werden, und nur diese. (Weber 1968, S.-175 f.) Demnach wird davon ausgegangen, dass kein systematischer Wertehimmel mit freizulegenden, kulturellen Wertideen existiert, sondern ein Kampf zwischen den Kulturwerten (vgl. Standop 2 2016, S. 14). Kroeber und Kluckhohn unter‐ streichen in ihren Theorien, dass Kulturen immer aus einer bestimmten Anzahl von Kulturelementen bestehen und dass sich in ihrer spezifischen Synergie ein cultural pattern erkennen lässt (vgl. Fornoff 2018, S. 52; vgl. Altmayer 2004, S. 92). Dieses cultural pattern prägt als „Grundprinzip kultureller Organisation die Wahrnehmungs-, Denk- und Verhaltensmuster der in einer bestimmten Kultur sozialisierten Individuen“ (Fornoff 2018, S. 52). Folglich wird von Kroeber und Kluckhohn immer wieder hervorgehoben, dass cultural patterns „tief in den mentalen (und) emotional-affektiven Strukturen der Individuen verankert" (ebd.) sind, und dass deshalb auch affektiv aufgeladene Werte eine zentrale Funktion in Kulturen einnehmen. (vgl. ebd.) Laut Hofstede (vgl. 2 2001) bilden Werte nach außen hin einen nicht gleich sichtbaren Kern einer Kultur, weil dieser erst erschlossen werden muss. Es Kultur- und Wertevermittlung im universitären DaF-Unterricht 155 <?page no="156"?> hängt also davon ab, wie eine Person die Realität erlebt und bestimmte Alltags‐ situationen interpretiert und bewertet. Hinzu kommt, dass sich das Individuum beim Betrachten der Tiefenstruktur einer Kultur nicht von den persönlichen Erfahrungen lösen kann, deshalb werden alle vom Individuum übernommenen Werte stark von der kulturellen Umgebung beeinflusst. Nach Schlößler (vgl. 2011, S. 92) spielt hierbei auch die Sprache eine entscheidende Rolle, da Werte über die Sprache artikuliert werden: Der Einzelne handelt in einem Kulturraum, der geprägt ist von einer Vielzahl vorhan‐ dener Wertartikulationen, die insbesondere in Sprachen und kulturellen Praktiken zum Ausdruck kommen. In Auseinandersetzung mit diesem Repertoire formuliert der Mensch seine Werte. (Ebd.) Aus der Vielzahl individueller Deutungen entwickeln sich kulturelle Interpreta‐ tionen und in weiterer Folge kollektive Wertartikulationen. Schlößler (vgl. 2011, S. 93) bezieht sich auf den Prozess der Reartikulation von Werten, in dem Werte ständig wieder aufgegriffen, neu interpretiert sowie neu formuliert werden müssen, damit sie aus einem Kulturkreis nicht verschwinden. Modelle der Wertevermittlung im DaF-Unterricht In erster Linie werden Werte aller Art im Rahmen der familiären Sozialisation durch Erziehung an die nächste Generation weitergegeben (vgl. Stojanov 2018, S. 69). Im Zuge dessen laufen Wertebildungsprozesse meist in ungesteuerter Form ab (vgl. ebd., S. 69). Im Gegensatz dazu sollte es jedoch auch ein wesentli‐ ches Ziel sein, Wertebildungsprozesse in institutioneller Form, wie z. B. an Uni‐ versitäten, die als wichtige Orte des Wertetransfers gelten, anzuregen und einen wertorientierten Fremdsprachenunterricht zu professionalisieren. So ist es neben der Vermittlung von Sprachwissen und -kompetenzen auch eine zentrale Aufgabe von Sprachlehrenden im DaF-Unterricht, bestimmte Werthaltungen auf explizite Weise zu thematisieren (vgl. Obaro/ Wolfsgruber 2018, S. 57 f.). Dies sollte vorwiegend dabei helfen, dass die Sprachenlernenden dahingehend gefördert werden, am gesellschaftlichen, kulturellen und wirtschaftlichen Leben teilzuhaben, indem sie lernen, es aktiv mitzugestalten und Entscheidungen selbstständig zu treffen (vgl. ebd.). Weil sich bei Erwachsenen bereits „Denk-, Deutungs- und Wertungsmuster“ (Fornoff 2018, S. 84) verfestigt haben, wurde eine Vielzahl an Modellen bzw. Strategien und Methoden entwickelt, die diverse Prozesse der Wertebildung einleiten können. Im Folgenden werden nun drei Modelle der Wertevermittlung skizziert. 156 Stefanie Faustmann <?page no="157"?> Joas’ Ansätze eines Modells der Wertevermittlung Joas geht der Frage nach, wie Werte im institutionellen Rahmen vermittelt werden können. Er hebt in seinen Untersuchungen die Methode der Narrativität als Basis der Wertekommunikation hervor. Diese Methode spielt insofern eine Rolle, als sie für Joas eine Form der Kommunikation im Unterricht initiiert (vgl. Joas 2006, S. 7). Für den DaF-Unterricht bedeutet dies, dass die Sprachen‐ lernenden über ein gelingendes Gespräch nicht nur Informationen austauschen oder rational argumentieren, sondern auch Werte auf implizite Weise weiter‐ geben, indem sie über ihre persönlichen Erlebnisse und Erfahrungen erzählen (vgl. ebd.). So entstehen Erfahrungssituationen, in denen sowohl bei dem: der Erzähler: in als auch bei dem: der Zuhörer: in die emotionale Ebene erreicht wird. Darüber hinaus haben alle Sprachenlernenden die Möglichkeit, Deutungsange‐ boten zu begegnen und die sich im Gespräch herauskristallisierenden Werte zu reflektieren (vgl. Joas 8 2019, S. 207). Auf diese Weise wird die Artikulation von bestimmten Werten nachvollziehbar. Um Werte bewusst vermitteln zu können, bedarf es allerdings einer klaren, persönlichen Überzeugung von diesen. Neben den Sprachlehrenden können auch die Sprachenlernenden ein Vorbild sein, welches zum Handeln an den von ihnen verkörperten Werten motiviert. In einem wertorientierten DaF-Unterricht sollte daher den Sprachenlernenden gezielt Raum für den Austausch und den Erwerb neuer Perspektiven und Erfahrungen gegeben werden (vgl. Joas 2006, S.-8). Wertevermittlungsmodell nach Wiater Wiater (vgl. 2011, S. 69) entwickelte ein Modell, in dem es vor allem um das Weg‐ kommen von einer reinen Wertklärung geht. Die Lehrenden einer Fremdsprache dürfen den Sprachenlernenden ihre persönliche Meinung, Einstellungen oder Werte nicht aufzwingen, sondern sie sollten die Lernenden in die Lage versetzen, sich mit Hilfe des Sprachunterrichts frei und wohlüberlegt für gewisse Werte zu entscheiden, sodass sie sich aktiv am Leben beteiligen und nach Mitteln und Wegen suchen, Situationen im Alltag im Sinne ihrer persönlichen Interessen zu beeinflussen (vgl. ebd.). Gerade deshalb sollten auch die Sprachenlernenden ihr vernunftgeleitetes und zweckgerichtetes Denken und Handeln sowie auch ihre individuellen Werthaltungen hinterfragen: (Die Lernenden) brauchen (…) die Konfrontation ihrer Bewertungen und persönli‐ chen Wertsetzungen mit den transsubjektiven Verbindlichkeiten, die sich aus dem Anspruch jedes Menschen auf humane Selbstverwirklichung, aus dem Schutz der eigenen Lebensgrundlagen und aus den legitimen Freiheits-, Lebensgestaltungs- und Gleichheitsrechten Anderer ergeben. (Ebd.) Kultur- und Wertevermittlung im universitären DaF-Unterricht 157 <?page no="158"?> Für Wiater (vgl. ebd.) ist es demnach methodisch gesehen von großem Belang, die Sprachenlernenden mit ethisch relevanten Situationen bzw. Problematiken zu konfrontieren. Wiater (vgl. ebd.) schlägt somit vier Schritte zur Problemauf‐ bereitung vor: • Zu Beginn wird eine ethisch belangvolle Situation bzw. Problematik von Seiten des: der Sprachlehrenden im fremdsprachigen Deutschunterricht präsentiert. Danach haben sowohl der: die Sprachlehrende als auch die Spra‐ chenlernenden die Gelegenheit, ihre persönlichen Wertungen, d. h. Werte, Einstellungen, Wünsche usw., zum Ausdruck zu bringen. Im Anschluss werden diese in eine individuelle Rangordnung gebracht, sodass es möglich wird, persönliche Werthaltungen angesichts der vorgegebenen Situation bzw. Problematik zu klären (vgl. ebd.). • In einem weiteren Schritt soll Sachkundigkeit hergestellt werden. Durch das Recherchieren im Internet oder in Fachbüchern zur gegebenen Situa‐ tion bzw. Problematik erarbeiten sich die Sprachenlernenden das nötige Wissenschafts- und Handlungswissen, welches sie benötigen, um die vor‐ liegende Situation bzw. Problematik aus unterschiedlichen Perspektiven zu betrachten (vgl. ebd.). • Nach der Recherche im Internet oder in Fachbüchern sollen alle relevanten Wertaspekte der jeweiligen Situation bzw. Problematik zusammengetragen werden. In diesem Sinne tauschen sich die Studierenden über ihre „Ge‐ fühle, Bedürfnisse, Interessen und Überzeugungen angesichts der Situation, Begebenheit (oder) Problematik“ (ebd.) aus. In der Diskussion wird emp‐ fohlen, dass die Sprachenlernenden Pro- und Contra-Argumente zur mora‐ lischen Sichtweise der Situation bzw. Problematik einbringen. Erst dann verschaffen sie sich über die Werte des demokratischen Ethos Orientierung (vgl. ebd.). • Nachfolgend ist es sinnvoll, wenn die Sprachenlernenden diverse Wertvor‐ stellungen des demokratischen Ethos mit sich selbst in Beziehung bringen. Zum einen wird dadurch die Urteils- und Empathiefähigkeit erweitert, zum anderen kommen die Sprachenlernenden zu neuen Erkenntnissen und ziehen Konsequenzen für „das eigene Denken, Entscheiden und Handeln bei Berücksichtigung dieser Wertsetzungen“ (ebd., S.-70). Bei der Auseinandersetzung mit einer ethisch relevanten Situation bzw. Proble‐ matik sind eine zukünftige Berücksichtigung des neu erworbenen Argumenta‐ tionswegs und die systematische Erweiterung der Handlungsfähigkeit sowie der moralischen Mündigkeit der Sprachenlernenden besonders fundamental. Die Lehrenden einer Fremdsprache sollen deshalb die Bedingungen dafür schaffen, 158 Stefanie Faustmann <?page no="159"?> dass die Sprachenlernenden auch Werte des demokratischen Ethos in ihre Reflexion aufnehmen und diese als sinnbringend erachten (vgl. ebd.). Modell der Wertevermittlung nach Hall In Halls Modell der Wertevermittlung geht es darum, dass die Sprachenler‐ nenden bei der Entwicklung ihrer moralischen Urteilsfähigkeit und bei der An‐ eignung von Kenntnissen individueller und gesellschaftlicher Werte unterstützt werden (vgl. Hall 1979, S. 18). Zu diesem Zweck schlägt Hall fünf Unterrichts‐ strategien vor, welche verschiedene Methoden und Verfahren beinhalten: Die Bewusstwerdungsstrategie umfasst mehrere Methoden und Verfahren, welche „zu einer bewussten Wahrnehmung der eigenen Person und der anderen Personen“ (ebd., S. 22) führen. Einerseits sollen sich die Sprachenlernenden über ihre persönlichen Werte klar werden und andererseits bewusste Einblicke in ihre eigenen Vorlieben und Haltungen gewinnen, sodass sie z. B. ein einfühlendes Verständnis für die Meinung anderer Personen entwickeln (vgl. ebd., S. 24). In diesem Kontext deutet Hall auf Aktivitäten hin, welche eine bewusstmachende Wirkung haben, d. h. ein „kognitives Ungleichgewicht“ (ebd.) verursachen. Die Sprachenlernenden sollen beispielsweise Werte in eine Reihenfolge bringen und eine Begründung formulieren, warum sie bestimmte Werte mehr oder weniger bevorzugen. Mit dieser Aktivität lenken sie ihre Aufmerksamkeit auf die hinter ihren Wahlentscheidungen stehenden Wertvorstellungen und bekennen sich zu ihren eigenen Wertsetzungen (vgl. ebd., S. 24-26). Weiters ist es in der Regel wichtig, dass die Sprachlehrenden Aktivitäten auswählen, welche die Team-, Empathie- und Kommunikationsfähigkeit der Sprachenlernenden fördern. So werden als Unterrichtstechniken der Bewusstmachung und Wertklärung z. B. Projektarbeiten oder interaktive Spiele im Sprachunterricht durchgeführt. Zu einer weiteren Dimension der Bewusstmachung zählt laut Hall das Diskutieren (vgl. 1979, S. 27). Diskussionen im Sprachunterricht initiieren einen Meinungs‐ austausch unter den Sprachenlernenden zu einer bestimmten Thematik bzw. Problematik und haben das Ziel, kommunikative, diskursive Fähigkeiten zu er‐ weitern. Bei Diskussionen sollen die Lernenden einer Fremdsprache sowohl ihre eigenen Ansichten und Überzeugungen frei äußern wie auch ihre individuellen Wertvorstellungen ausdrücken, ihre eigenen Gefühle darlegen und Verständnis für andere Meinungen zeigen. Selbstverständlich führen Diskussionen oftmals zu kontroversen Standpunkten und können moralische Fragen aufwerfen oder sogar eine moralische Krise bei den Sprachenlernenden auslösen (vgl. ebd., S.-27-34). Die Gesprächsstrategie ist entscheidend, weil sie im Sprachunterricht die Erfahrung möglich macht, in einem dialogischen Format Standpunkte zu mo‐ Kultur- und Wertevermittlung im universitären DaF-Unterricht 159 <?page no="160"?> ralischen Fragen einzunehmen und diese zu verteidigen. Die Lernenden einer Fremdsprache werden in einer Aktivität mit einem konkreten, moralischen Problem konfrontiert, welches sie nur schwer durchblicken. Alle am Gespräch beteiligten Personen denken über die gegebene Problematik nach und bilden sich eine Meinung darüber. Der: die Sprachlehrende kann dann in der Gruppe unterschiedliche Fragen stellen: Durch Präzisierungsfragen werden die Spra‐ chenlernenden aufgefordert, ihre persönliche Meinung näher zu begründen. Wertbestimmende Fragen dienen dazu, dass sie lernen, Wertbegriffe näher zu erläutern. Wertabwägungsfragen helfen hingegen dabei, die Sprachenlernenden darauf aufmerksam zu machen, was richtig oder falsch ist. (vgl. ebd., S.-46 f.) Bei der Argumentationsstrategie werden Werte, ähnlich wie bei der Ge‐ sprächsstrategie, im Diskurs artikuliert und Fallprobleme im Sprachunterricht behandelt. Die Sprachenlernenden erweitern ihre Urteilskompetenzen, indem sie Werte kritisch hinterfragen und überprüfen. So gesehen ist „das Finden und Treffen von Entscheidungen (bezüglich ihrer Wertvorstellungen) ein intel‐ lektueller Vorgang“ (ebd., S. 47), welcher von grundlegender Bedeutung ist, wenn es darum geht, alternative Handlungsmöglichkeiten zu entdecken und die möglichen Folgen ihrer Auswahl zu erkennen. Nach Hall ist die Fähigkeit, selbstständige Entscheidungen zu treffen, eine wesentliche Voraussetzung des moralischen Reifeprozesses. (vgl. ebd., S.-47 f.) Die Begriffsbildungsstrategie fördert das Verständnis persönlicher und gesell‐ schaftlicher Wertbegriffe. Der: die Sprachlehrende kann die Sprachenlernenden dabei unterstützen, ein Gefühl für die Bedeutung und den Gebrauch von diversen Wertbegriffen, wie z.-B. Gerechtigkeit, Gleichheit oder Ehrlichkeit, zu entwickeln (vgl. ebd. 58 f.). Im Vergleich zur Bewusstwerdungsstrategie zielt die Begriffsbildungsstrategie nicht nur darauf ab, dass die Lernenden einer Fremdsprache ihre persönlichen Werte entwickeln, sondern auch, dass die Wert‐ setzungen anderer Personen verstanden werden. Sie haben die Möglichkeit, zu begreifen, welchen offiziellen Stellenwert bestimmte Werte in der Gesellschaft einnehmen. Der: die Sprachlehrende sollte sich auf jeden Fall das nötige Wissen über die in unserer Gesellschaft anerkannten Werte aneignen, denn er: sie hat die Aufgabe, ein Bild davon zu vermitteln (…), welche Werte die Menschen in unserer Gesellschaft für sich als verbindlich betrachten (…), und daß (sic! ) wir nicht den Versuch machen, sie davon zu überzeugen, daß (sic! ) diese Werte stets und unter allen Umständen gültig und gegen jegliche Revision oder Kritik immun sind. (Ebd., S.-59) Aufgrund der Tatsache, dass die Sprachlehrenden im Sprachunterricht Wert‐ begriffe nicht als Normen präsentieren sollten, betont Hall (vgl. 1979, S. 56- 160 Stefanie Faustmann <?page no="161"?> 62), dass Wertbegriffe im Grunde immer unterschiedliche Perspektiven und Interpretationsmöglichkeiten bieten. Durch die von Seiten des: der Sprachlehr‐ enden angeführten Beispiele oder hinführenden Fragen können sich ähnliche oder gegensätzliche Werte sowie auch Vorteile und Einschränkungen eines Wertbegriffs zeigen (vgl. ebd., S.-62). Die letzte Unterrichtsstrategie in Halls Modell stellt die Spielstrategie dar. Sie besteht aus Interaktionssowie Rollenspielen und strebt die moralische Erzie‐ hung der Sprachenlernenden an. Bei diesen Unterrichtsaktivitäten schlüpfen die Teilnehmenden in eine bestimmte Rolle. Sie handeln in einer bestimmten Situation und treffen dabei moralische Entscheidungen. Interaktions- und Rollenspiele sind stets lernendenzentriert. Sofern sich die Sprachenlernenden mit ihrer Rolle identifizieren, können sie die Gefühle von anderen wahrnehmen, die Beweggründe anderer Personen verstehen und neue Perspektiven erkennen. Es ist jedoch auch sehr wahrscheinlich, dass die Sprachenlernenden in ein moralisches Dilemma gebracht werden, weil sie sich z. B. beim Treffen von Entscheidungen zwischen zwei unterschiedlichen Werten hin- und hergerissen fühlen. In strukturierten Interaktions- und Rollenspielen, in denen die Spielsi‐ tuation vorgegeben wird, bemerken die Sprachenlernenden sehr schnell, dass die Anzahl der Handlungsalternativen beschränkt ist. In weniger strukturierten Interaktions- und Rollenspielen wird es wiederum den Sprachenlernenden er‐ möglicht, sich eigene Handlungsalternativen auszudenken und diese (szenisch) umzusetzen. Nach der Aufbereitung des Interaktionsbzw. Rollenspiels wird eine Reflexion über das Gedachte und Gefühlte während der Inszenierung angeregt. Schließlich fördern die Aktivitäten der letzten Unterrichtsstrategie die kreativen Fähigkeiten der Sprachenlernenden, aber auch die Kooperation untereinander und die Partizipation aller Teilnehmenden im Sprachunterricht (vgl. ebd., S.-85-94). Kulturvermittlung und diskursives Lernen im DaF-Unterricht Kulturelles Deutungslernen Mit der fortschreitenden Globalisierung wurden nicht nur Begrifflichkeiten, wie z. B. Nation oder kulturelle Identität, in Frage gestellt, sondern es hat sich auch das Verständnis von Kultur grundlegend verändert (vgl. Altmayer 2007, S. 6). Die Sprachenlernenden beziehen ihre Sinnbildung, so Altmayer (vgl. 2017, S. 6), nicht mehr ausschließlich von ihrem näheren Umfeld, sondern sie sind für weltweite Kultureinflüsse offener geworden. Daraus geht hervor, dass neue Kulturformen, welche kulturelle Gemeinsamkeiten und Differenzen Kultur- und Wertevermittlung im universitären DaF-Unterricht 161 <?page no="162"?> berücksichtigen, und transnationale, soziale Vernetzungen sowie hybride, kul‐ turelle Identitäten entstehen (vgl. ebd., S.-6-9). Aus diesen Überlegungen heraus plädieren Altmayer (vgl. ebd., S. 9) und Schiedermair (vgl. 2017, S. 140 f.) dafür, dass sich die Lehrenden einer Fremd‐ sprache von Konzepten der herkömmlichen Kulturstudien lösen. Darum ver‐ schob sich die Perspektivierung der landeskundlichen Themen im Sprachunter‐ richt: An die Stelle der herkömmlichen, landeskundlichen Gegenstände selbst haben sich die Prozesse der Deutung, des diskursiven Zuschreibens und Aushandelns von Bedeutungen geschoben, die wir diesen Gegenständen geben. (Altmayer 2017, S.-11) Dieses Zitat macht deutlich, dass es ein wesentliches Ziel des Sprachunterrichts ist, Bedeutungen, welche Menschen sich selbst und ihrem Handeln, ihrer Umgebung und ihren Mitmenschen zuschreiben, zu verstehen. Besonders rele‐ vant erscheint es, dass die Sprachenlernenden die Möglichkeit haben, selbst herauszufinden, wie diese Sinnzuschreibungen entstehen und in der Interaktion mit anderen ausgehandelt werden (vgl. ebd., S. 12). Dies geschieht nicht, indem das Lehren und Lernen von faktischem, kulturellem Wissen über ein fremdes Land in den Blick genommen wird (vgl. Altmayer 2006, S.-184), sondern indem die diskursiven Prozesse der Bedeutungszuschreibung und Bedeutungsaushandlung in der fremden Sprache sowie insbesondere die kulturellen Ressourcen in Form von Wissensordnungen und kulturellen Mustern, auf die dabei zurückgegriffen wird, (Gegenstände des kulturellen Lehrens und Lernens im Kontext des Fremdsprachen‐ unterrichts sind). (Altmayer 2013, S.-20) Im Rahmen des Sprachunterrichts sollten die Sprachenlernenden in erster Linie zum Verstehen fremdsprachiger Diskurse und zur Teilnahme an diesen befähigt werden (vgl. Altmayer 2006, S. 184), deshalb ist es ein vorrangiges Ziel, die Spra‐ chenlernenden mit dem nötigen, kulturbezogenen Wissen sowie auch mit den Kompetenzen auszustatten, die dabei helfen können, fremdsprachige Diskurse zu begreifen, um zu ihnen Stellung nehmen zu können. Eine Hauptaufgabe des fremdsprachigen Deutungslernens ist es also, den Erwerb und die Erweiterung von Deutungskompetenz und Diskursfähigkeit in der Fremdsprache zu fördern, um in weiterer Folge auch mit anderen global interagieren zu können (vgl. Altmayer 2013, S.-21). Zudem vertritt Altmayer die Auffassung, dass die Sprachenlernenden die Welt auf Basis von Mustern deuten, welche sie sich im Verlauf ihrer Sozialisa‐ tion angeeignet oder in Diskursen erlernt haben. Diese Muster können auch 162 Stefanie Faustmann <?page no="163"?> Gegenstand diskursiver Prozesse des Deutens werden und sollten von den Sprachenlernenden erprobt und reflektiert werden (vgl. Altmayer 2004, S. 151 f.). Wenn es sich bei diesen Mustern um überlieferte, im kulturellen Gedächtnis einer Gruppe gespeicherte und abrufbare Muster von einer gewissen Stabilität handelt, spricht man von kulturellen Deutungsmustern. (Sie sind der) Wissensvorrat für die diskursiven Wirklichkeitsdeutungen einer Gruppe. (Altmayer 2007, S.-13) Altmayer (vgl. 2004, S. 251) zeigt hier, dass die Muster für die diskursive Deutung der Wirklichkeit nicht neu erfunden werden müssen, weil sie im Grunde bereits im kollektiven Wissensbestand einer Gemeinschaft vorhanden sind und dort z. B. in Form von Texten gespeichert werden (vgl. ebd., S. 251 f.). Die Sprachenlernenden können sich ihres Vorrats an kulturellen Deutungsmustern bedienen, jedoch ist es ebenso möglich, nicht nur alte Muster wieder ins Gedächtnis zu rufen, sondern auch neue Muster einzuführen, sodass z. B. kultu‐ relle Deutungsmuster, welche in alltäglichen Kommunikationssituationen eher implizit verwendet werden, zum Gegenstand kontroverser Deutung gemacht werden können (vgl. ebd., S.-299 f.). Kulturelle Deutungsmuster (…) können im Rahmen kommunikativer Handlungen einen sehr unterschiedlichen Status haben. Grundsätzlich dienen sie dazu, eine den Kommunikationspartnern gemeinsame Basis zu schaffen, auf der die Kommunikation überhaupt erst stattfinden kann, sie bilden den als selbstverständlich geltenden Hin‐ tergrund der Kommunikation und werden in der Regel erst dann selbst thematisiert, wenn die durch sie geschaffene und als gemeinsam definierte Kommunikationsbasis entweder gar nicht wirklich gemeinsam ist oder wenn sie von mindestens einem Kommunikationspartner aufgekündigt wird. (Ebd., S.-299 f.) Altmayer (vgl. ebd., S. 299 f.) nimmt somit an, dass es in Alltagskommunika‐ tionen in der Fremdsprache auch zu wesentlichen Unterschieden zwischen den verfügbaren, kulturellen Deutungsmustern auf Seiten des: der Sender: in und des: der Empfänger: in kommen kann. Diese Differenzen führen im Zuge des Gesprächs zu kulturbedingten Missverständnissen. Altmayer (vgl. 2007, S. 15-18) versucht zu erklären, dass es keine Garantie dafür gibt, dass die Sprachenlernenden bei der Auseinandersetzung mit einem Thema oder einer Problematik die für das Verständnis notwendigen, kulturellen Deutungsmuster aktivieren, auch wenn grundsätzlich davon ausgegangen wird, dass die Be‐ stände von Deutungsmustern viele Gemeinsamkeiten aufweisen und sie auch über globale Deutungsmuster verfügen (vgl. ebd., S. 18). Ähnlich wie Altmayer meint auch Fornoff (vgl. 2017, S. 56), dass die Sprachenlernenden im Rahmen des Sprachunterrichts auf ihre kulturellen Deutungsressourcen zurückgreifen Kultur- und Wertevermittlung im universitären DaF-Unterricht 163 <?page no="164"?> sollten. Nicht unerwähnt lässt Fornoff (vgl. ebd.) die Tatsache, dass die im Sprachunterricht verwendeten Materialien und stattfindenden Diskussionen es ermöglichen sollten, bei den Sprachenlernenden eine Irritation auszulösen. Diese irritierende Erfahrung wird durch die Begrenztheit ihrer eigenen kultu‐ rellen Deutungsmuster herbeigeführt. Sie lässt u. a. neues Denken und Handeln zu (vgl. ebd.). Kulturthemen im DaF-Unterricht Altmayer (vgl. 2007, S. 12 f.) beleuchtet die Frage, wie die in deutschsprachigen Diskursen verwendeten kulturellen Deutungsmuster kategorisiert werden sollten, was hinsichtlich der Lernmaterialienentwicklung und Themenplanung im DaF-Unterricht besonders relevant ist. Dies ist insofern schwierig, als kulturelle Deutungsmuster nur über Diskurse, Texte oder kommunikative Handlungen fassbar werden (vgl. ebd., S. 13). Altmayer (vgl. ebd., S. 13) greift im Hinblick auf die Strukturierung kultureller Deutungsmuster das von Neuner (vgl. 1994) entwickelte Konzept auf, welches für die Curricula- und Themenpla‐ nung des fremdsprachigen Deutschunterrichts richtungsweisend ist. Neuner (vgl. 1994, S. 23) erstellte eine Liste mit 17 universellen Daseinserfahrungen. Diese Liste reicht von grundlegenden Existenzerfahrungen (z. B. Geburt und Tod) bis hin zu Norm- und Wertorientierungen (vgl. ebd.): • Geburt und Tod, • personale Identität (Ich/ Existenz/ personale Eigenschaften), • Leben in einer Familie (Verwandtschaftssysteme/ private Gemeinschaften/ Zugehörigkeit usw.), • Leben in einer größeren politischen Gemeinschaft (Sozialordnung/ Sozie‐ tätsorganisation), • Partnerbeziehungen (Freundschaft/ Liebe/ Beziehungen der Geschlechter), • Wohnen, • Umwelt (Umweltbezug und -relationen), • Arbeiten (Existenzsicherung), • Erholung und Kunst (Freizeit und Unterhaltung), • Versorgung und Konsum, • Verkehrsteilnahme und Mobilität (Erfahrung von Raum), • Kommunikation (Benutzung von Zeichensystemen/ Medien), • Gesundheitsfürsorge (Gesundsein - Kranksein/ Hygiene), • Erfahrung von Norm- und Wertesystemen (Ethik/ Religion/ Sinnsysteme), • Erfahrung von Geschichtlichkeit (Zeiterfahrung), • Erfahrung geistiger und psychischer Dimensionen (Selbstreflexion/ Emotio‐ nalität etc.). 164 Stefanie Faustmann <?page no="165"?> Diese Grundkategorien zeigen mögliche Inhalte in Bezug auf das interkulturelle Lernen im DaF-Unterricht auf, jedoch ist diese Liste für den kulturbezogenen, diskursiven DaF-Unterricht eher unsystematisch, sodass Altmayer (vgl. 2007, S.-13; vgl. 2013, S.-27) eine weitere Systematisierung vornimmt: • Kategoriale Muster sollen den Sprachenlernenden dabei helfen, sich und ihre Interaktionspartner: innen zu klassifizieren und einzuordnen. Durch kategoriale Muster verstehen sie, wer sie oder die anderen sind (vgl. Altmayer 2013, S.-27). • Topologische Muster dienen dazu, dass sich Personen im Raum orientieren können (vgl. ebd.). Für sie wird es nachvollziehbar, wo sie sich gerade räumlich befinden (vgl. ebd.). • Mithilfe von chronologischen Mustern kann Ordnung in der Zeit hergestellt werden (vgl. ebd.). Die Sprachenlernenden lernen, sich zeitlich zu orien‐ tieren und Zeitabläufe oder vergangene und gegenwärtige Ereignisse richtig einzuordnen (vgl. ebd.). • Durch axiologische Muster erkennen Personen, was gut oder schlecht bzw. richtig oder falsch ist (vgl. ebd.). „Kultur gibt uns demnach Orientierung in vier sehr grundlegenden Bereichen: Identität, Raum, Zeit und Werte“ (Altmayer 2007, S. 13). Aus diesen vier übergeordneten Kategorien lassen sich konkrete Kulturthemen für den DaF- Unterricht ableiten, welche Altmayer (vgl. ebd., S.-14) wie folgt formuliert: • Zum Oberthema Identität zählen Unterthemen, wie z. B. nationale Identi‐ täten, Stereotype, Geschlechteridentität (Mann und Frau) oder auch Gene‐ rationsidentität ( Jung und Alt). • Zu den Themen der Kategorie Raum gehören Unterthemen, wie z. B. Grenzen, Heimat oder Land vs. Stadt. • Als Unterthemen der Kategorie Zeit werden Themen, wie z. B. Pünktlichkeit, Arbeitszeit vs. Freizeit, Wochentage, Monate, Jahreszeiten, Kalender etc. vorgeschlagen. • Zur Kategorie Werte zählen die Unterthemen Menschenwürde, Gerechtig‐ keit, Solidarität, Freiheit, Zivilcourage, Individuum vs. Gesellschaft, Ge‐ sundheit, Schönheit, Reichtum, Disziplin oder Ehre, aber auch universelle, negative Werte wie Armut, Kriminalität, Gewalt oder Müll. Alle genannten Kulturthemen ermöglichen eine individuelle Reflexion, indem Sprachenlernende dazu veranlasst werden, ihre eigenen Deutungsmuster in‐ frage zu stellen und diese völlig umzustrukturieren. Infolgedessen identifizieren sie sich als Österreicher: innen, Europäer: innen, Weltbürger: innen, Mann oder Kultur- und Wertevermittlung im universitären DaF-Unterricht 165 <?page no="166"?> Frau etc. Sie sind in der Lage, sich und andere Menschen räumlich zuzuordnen, Zeitabläufe zu deuten oder auch Wertmaßstäbe zu bestimmen (vgl. ebd.). Kriterien eines kulturreflexiven DaF-Unterrichts Nicht nur Altmayer (vgl. 2004), sondern auch Standop (vgl. 2 2016, S. 106) ist der Meinung, dass sich die Sprachenlernenden aus ihrer subjektiven Wer‐ tehaltung heraus mit spezifischen, strittigen Kulturthemen und Fragen der Sinnsysteme auseinandersetzen und sich begründet dazu äußern sollten. Über eine Wertediskussion und -reflexion kann die subjektive Sichtweise über einen im DaF-Unterricht behandelten Gegenstand deutlich werden. So wird ein interaktionistisches Lernkonzept gefordert, in dem die DaF-Lernenden ihren individuellen Lernprozess aktiv mitbestimmen und konstruieren. Werte, wie Gleichberechtigung oder Toleranz, erscheinen im menschlichen Verhalten und Zusammenleben als sehr komplex, sodass die Herausarbeitung dieser Werte im DaF-Unterricht gefordert und z. B. durch Diskurse und die Vielfalt des Materialieneinsatzes (Bilder, Texte, Filme usw.) durchaus gewinnbringend an‐ geregt werden kann (vgl. ebd.). So können und sollen - angeregt durch authen‐ tische Materialien wie auch durch etwaige Erfahrungen moralischer Konflikte - anstehende Probleme gelöst werden. (vgl. Ciepielewska-Kayzmark/ Jentges/ Tammenga-Helmantel 2020, S. 60). Ein kulturreflexiver DaF-Unterricht hat somit die Aufgabe, die individuelle Urteilskraft der Sprachenlernenden heraus‐ zufordern und in der Beschäftigung mit den diversen Kulturthemen zu neuen, veränderten Einstellungen und Haltungen zu führen (vgl. Standop 2 2016, S. 109). Ein Meinungsstreit ist notwendig, um eigene und fremde Werthaltungen zu verstehen und zu unterschiedlichen Wertzuschreibungen bzw. -urteilen zu gelangen (vgl. ebd.). Zudem wird ersichtlich, dass ein kulturreflexiver DaF-Unterricht den An‐ spruch auf Persönlichkeitsbildung erhebt, d. h. auf den Aufbau einer auf Werte achtenden Persönlichkeit (vgl. ebd., S. 128). Die Sprachenlernenden sollten ihr Selbst- und Weltverständnis aktiv mitgestalten und an einer demokratischen Gesellschaft teilhaben können, sodass Standop ( 2 2016, S. 129) die Vermittlung folgender Fähigkeiten im kulturreflexiven DaF-Unterricht fordert: • die Fähigkeit zur Politik (Mitentscheiden, Mitdenken), • die Fähigkeit zur Wahrnehmung und Achtung anderer Denk- und Lebens‐ formen, • die Fähigkeit, Widerstand zu leisten, wenn in der Umgebung die tragenden gemeinsamen Werte verletzt werden, • die Fähigkeit, die eigenen Bedürfnisse einzuschränken, um z. B. die Natur zu schonen, 166 Stefanie Faustmann <?page no="167"?> • die Fähigkeit, für sich selbst und das eigene Glück einzustehen. Auch Fornoff (vgl. 2018) stimmt Standops (vgl. 2 2016) Überlegungen zu, welche Ansätze der Politischen Bildung erkennen lassen, dennoch haben politikbezo‐ gene Konzepte keinen Eingang in den Kontext von Deutsch als Fremdsprache gefunden. Fornoff (vgl. 2018, S. 62 f.) verweist auf unterschiedliche Gründe, wie z. B., dass die DaF-Lehrenden aufgrund ihrer Ausbildung fehlende Expertise in diesem Bereich aufweisen, sodass sich eine Umsetzung politik-didaktischer Konzepte bislang als schwierig herausstellte. Projektbeschreibung Das Projekt Kultur- und Wertevermittlung im universitären DaF-Unterricht schließt an den oben beschriebenen Forschungsstand an. Da sich in den ersten Ergebnissen zeigte, dass viele Konzepte und Modelle der Kultur- und Wertever‐ mittlung noch nicht oder erst unzureichend in die Praxis des DaF-Unterrichts implementiert worden sind, wurde entschieden, eine empirisch qualitative und quantitative Studie in einem Mixed-Method-Ansatz am treffpunkt sprachen - Zentrum für Sprache, Plurilingualismus und Fachdidaktik der Universität Graz von Mai 2021 bis April 2023 durchzuführen und einen wesentlichen Beitrag dazu zu leisten, die Implementierung ausgewählter Konzepte und Modelle der Kultur- und Wertevermittlung in die DaF-Kurse von treffpunkt sprachen zu unterstützen. Dabei galt es zu eruieren, auf welche Weise die DaF-Lehrenden den Studierenden bestmöglich dabei helfen können, Wertebildungsprozesse zu initiieren, und welche der ausgewählten Konzepte und Modelle der Kultur- und Wertevermittlung sich besonders gut oder weniger gut zur praktischen Umsetzung eignen. In dem gegebenen Kontext wurde sowohl die Perspektive der erfahrenen DaF-Lehrenden als auch jene der DaF-Lernenden mit unterschiedlichen Sprach‐ niveaus mit einbezogen. Die folgenden Forschungsfragen konnten im Rahmen des Projekts formuliert werden: • Forschungsfrage 1: Welche Bedürfnisse und Wünsche haben die DaF-Ler‐ nenden am treffpunkt sprachen im Hinblick auf die Kultur- und Wertever‐ mittlung in den DaF-Kursen der Universität Graz? • Forschungsfrage 2: Welches Know-how bringen die DaF-Lehrenden bezogen auf die Kultur- und Wertevermittlung im Rahmen der DaF-Kurse am treffpunkt sprachen bereits mit? Forschungsfrage 1 zielte darauf ab, aus der Perspektive der DaF-Lernenden zu erfahren, welche Grundwerte und Kulturthemen für sie besonders wichtig sind Kultur- und Wertevermittlung im universitären DaF-Unterricht 167 <?page no="168"?> und deshalb in den DaF-Kursen am treffpunkt sprachen thematisiert werden sollten. Zudem wurde auch die Frage geklärt, in welchem Kontext ihnen bereits Werte in den DaF-Kursen vermittelt wurden und auf welche Weise dies im Rahmen des Sprachunterrichts geschah. Ziel der Forschungsfrage 2 war es, die Unterrichtserfahrungen hinsichtlich der Kultur- und Wertevermittlung seitens der DaF-Lehrenden zusammenzutragen und anschließend zu erheben, ob der didaktisch-methodische Aufbau ihrer DaF-Kurse den wissenschaftlichen Theorien zu Konzepten der Kultur- und Wertevermittlung entspricht. Die folgende Graphik veranschaulicht nun die wichtigsten Schritte des Projektverlaufs, die zur Beantwortung der Forschungsfragen essentiell waren: 1. Projektidee 2. Fragebogenerstellung und Erstellung des Hospitationsbogens 3. Durchführung der Fragebogenumfrage und der Hospitationen 4. Auswertung der Fragebogenumfrage und der Hospitationen 5. Erstellung des Interviewleitfadens 6. Durchführung der leitfragengestützten Interviews 7. Auswertung der Interviews 8. Erstellung der Unterrichtsmaterialien zur Umsetzung von Kultur- und Wertevermittlungskonzepten und modellen und zur Förderung von Diskursfähigkeit im DaF-Unterricht Abbildung 1: Verlauf des Projekts Wie in Abbildung 1 gezeigt wird, wurde zuerst ein Fragebogen erstellt (s. Anhang 1). Dieser Fragebogen wurde an die Sprachenlernenden der Fremd‐ sprache Deutsch ausgegeben und in ausgewählten DaF-Kursen am treffpunkt sprachen verteilt. In einem weiteren Schritt wurde in Anlehnung an die Theo‐ rien und Modelle der Kultur- und Wertevermittlung ein Hospitationsbogen (s. Anhang 2) erstellt, der zum einen zur Beobachtung des Verhaltens der DaF- Lernenden als auch jenes der DaF-Lehrenden und deren Interaktionen einge‐ setzt wurde, und zum anderen zur Analyse und Bewertung der Einstellungen von DaF-Lehrenden und -Lernenden herangezogen wurde. Nach der Auswer‐ tung der Fragebogenumfrage und der Unterrichtsbeobachtungen wurden die Ergebnisse zur Erstellung der Leitfragen (s. Anhang 3) genutzt, sodass in 168 Stefanie Faustmann <?page no="169"?> einem weiteren Schritt die befragten DaF-Lehrenden in den Interviews ihre Sicht auf die Thematik darlegen konnten. Schließlich wurde nach der Aus‐ wertung der Interviews klar, welche Werte und Kulturthemen von Seiten der DaF-Lehrenden und -Lernenden wünschenswert für einen wertorientierten, kulturreflexiven DaF-Unterricht sind und welche didaktischen Methoden und Strategien idealerweise ausgewählt werden sollten, um das Bewusstsein im Hinblick auf Werte und Kultur zu stärken und diverse Kompetenzen zu erweitern bzw. bestimmte Fähigkeiten, wie z. B. Diskursfähigkeit, zu erlernen. Mithilfe der gesamten Ergebnisse, d.-h. in Bezugnahme auf die theoretischen Erkenntnisse, aber auch auf die Wünsche, Interessen sowie Bedürfnisse der DaF-Lernenden und die Praxiserfahrungen der DaF-Lehrenden, konnte die Autorin Unterrichtsmaterialien für die Sprachniveaus A1 bis C1 gestalten (vgl. Faustmann 2023). Forschungsmethoden und Durchführung des Projekts Wie bereits im letzten Abschnitt erwähnt, stand als Forschungsmethode ein Methodenmix zur Auswahl. Konkret bedeutete dies, dass der Fragebogen für die DaF-Lernenden statistisch-quantitativ und die Hospitationen und Interviews mit den DaF-Lehrenden qualitativ ausgewertet wurden. In den nachfolgenden Abschnitten wird einerseits auf die jeweils gewählte Forschungsmethode und andererseits auf die Durchführung der Untersuchungen eingegangen. Fragebogenumfrage mit DaF-Lernenden Der Fragebogen, welcher für die Umfrage mit den Lernenden der Fremd‐ sprache Deutsch konzipiert wurde, bestand aus insgesamt sechs Items, die auf die Forschungsfrage 1 Bezug nahmen. Da der Fragebogen statistischquantitativ ausgewertet werden sollte, bestanden fünf der sechs Items aus ge‐ schlossenen Fragen, wobei jeweils bei den Items 2, 3 und 4 Mehrfachantworten möglich waren. Auf der einen Seite wurden die Sprachenlernenden nach persönlichen Angaben gefragt und auf der anderen Seite nach inhaltlichen und methodischen Aspekten des DaF-Unterrichts am treffpunkt sprachen, d. h. nach den bereits gelernten Werten, kulturellen Themen und Interessens‐ schwerpunkten sowie auch nach den im DaF-Unterricht angewandten Me‐ thoden und Strategien. Bei den in Punkt 2 abgefragten Prinzipien und Werten handelte es sich um die Grundlagen der österreichischen Bundesverfassung, welche demokratische Werte beinhalten (vgl. Bundesministerium für Inneres 2013, S.-34 f.): Kultur- und Wertevermittlung im universitären DaF-Unterricht 169 <?page no="170"?> Menschenwürde Freiheit Rechts‐ staat Demo‐ kratie Republik Föderalismus Gewalten‐ teilung Selbstbestim‐ mung Verantwort‐ lichkeit Selbstdisziplin Gerech‐ tigkeit Aner‐ kennung Respekt Teilnahme Bildung Offenheit Gemeinwohl Einsatzbe‐ reitschaft Freiwilligkeit Vielfalt Eigenverant‐ wortlichkeit Leistung Sicherheit Konflikt‐ kultur Zivilcourage Tabelle 1: Grundwert, Prinzipien und Werte (ebd.) Die in Item 6 dargestellten Kulturthemen orientierten sich an den Empfehlungen und zielsprachigen curricularen Richtlinien des Companion Volume (vgl. Council of Europe 2020). Außerdem war es in Item 4 möglich, weitere Angaben zu machen, indem zwei offene Fragen, welche so wie in Item 5 auf das Gelernte Bezug nahmen (s. Anhang 1), beantwortet werden sollten. Alle Fragen mit of‐ fenem Charakter wurden mit Mayrings (vgl. 12 2015) qualitativer Inhaltsanalyse ausgewertet und bearbeitet. Mayring (vgl. ebd.) zufolge wurden daher Katego‐ rien gebildet und analysiert. Hierzu wurde eine induktive Kategorienbildung vorgenommen, weil dadurch eine realistische Darstellung des gesammelten Datenmaterials möglich war. Mithilfe dieser Vorgehensweise konnten drei Hauptkategorien und insgesamt 33 Subkategorien erhoben werden (s. Abb. 6-8): • Kategorie 1 (Demokratische Werte in den DaF-Kursen): Autonomie, Chan‐ cengleichheit und Gleichberechtigung, Familienleben, Freiwilliges Engage‐ ment, Eigenverantwortung, Interkulturelle Begegnung, Meinungsfreiheit, Solidarität, Toleranz und Akzeptanz von Vielfalt, Trennung von Religion und Staat sowie Umweltbewusstsein. • Kategorie 2 (Unterrichtssituationen): Arbeit in Kleingruppen, Arbeit im Plenum, Diskussionen, mündliche und interaktive Aktivitäten, schriftliche Aufgaben und Übungen, Projektarbeiten, Arbeit mit Videos sowie Videos und Arbeit mit Texten und Literatur. • Kategorie 3 (Kulturthemen): Ausbildung und Erziehung, Berufe und Ar‐ beitswelt, Diversität, Essen und Konsum, Familienleben, Feste und Bräuche, Literatur, Kunst und Musik, Nationalitäten und Stereotype, Österreichische Sprache, Politik und Gesellschaft, Reisen und Mobilität, Religion, Umwelt, Wohnen und Zusammenleben. Allerdings wurde anschließend eine Frequenzanalyse herangezogen, um quan‐ titative Ergebnisse zu erhalten (vgl. ebd., S. 13-15, s. Abb. 6-8). Darüber hinaus konnte bei der Befragung die Anonymität der DaF-Lernenden gewahrt werden, 170 Stefanie Faustmann <?page no="171"?> indem lediglich Angaben zu Alter, Geschlecht, Nationalität und Studium ge‐ macht wurden, jedoch keine Namen anzugeben waren. Letztendlich wurde der Fragebogen in deutscher und englischer Sprache im Wintersemester 2021/ 22 an 165 DaF-Lernende am treffpunkt sprachen ausgeteilt. Um den Umfang der Stichprobensammlung zu begrenzen, wurden nur die Lernenden der Fremdsprache Deutsch in den Blick genommen. Insgesamt wurden somit also zwölf DaF-Kurse am treffpunkt sprachen ausgewählt, um die Befragung durchzuführen. Die folgende Tabelle veranschaulicht die ausge‐ wählten DaF-Kurse: Sprache Niveau Kursart Deutsch Grundstufe 1 Niveau A1/ 1. Phase Semesterkurs Deutsch Grundstufe 1 Niveau A1/ 1. Phase Semesterkurs Deutsch Grundstufe 2 Niveau A1/ 2. Phase Intensivkurs Deutsch Grundstufe 3 Niveau A2/ 1. Phase Intensivkurs Deutsch Mittelstufe 1 Niveau B1/ 1. Phase Semesterkurs Deutsch Mittelstufe 1 Niveau B1/ 1. Phase Intensivkurs Deutsch Mittelstufe 3 Niveau B2/ 1. Phase Semesterkurs Deutsch Mittelstufe 3 Niveau B2/ 1. Phase Intensivkurs Deutsch Mittelstufe 4 Niveau B2/ 2. Phase Semesterkurs Deutsch Mittelstufe 4 Niveau B2/ 2. Phase Intensivkurs Deutsch - Sprachkompetenz ab Niveau B2 Semesterkurs Deutsch - Sprachkompetenz ab Niveau C1 Semesterkurs Tabelle 2: Kursauswahl der Fragebogenumfrage Kultur- und Wertevermittlung im universitären DaF-Unterricht 171 <?page no="172"?> Wie die Tabelle 2 zeigt, wurden sowohl DaF-Semesterkurse als auch DaF- Intensivkurse, welche während des Studienjahres lediglich im September und im Februar angeboten werden, ausgewählt. Es wurden also DaF-Kurse in Betracht gezogen, die nach dem Companion Volume (vgl. Council of Europe 2020) auf den Niveaustufen von A1 bis C1 absolviert werden können. Befragt wurden Ba‐ chelor- (43,7 %) und Masterstudierende (40,5 %), Doktorand: innen (11,4 %) sowie auch externe Interessent: innen (4,4 %), welche den Sprachanfänger: innen, den Fortgeschrittenen oder Expert: innen zugeordnet werden konnten. Außerdem wurde aus der Datenerhebung ersichtlich, dass 67,88 % der Befragten weiblich und 32,12 % männlich waren. 56,9 % der Studierenden bzw. externen Interes‐ sent: innen waren im Alter von 18 bis 25 Jahren, 25 % von 25 bis 30 Jahren, 10,4 % von 30 bis 35 Jahren, 5,6 % von 35 bis 40 Jahren und 2,1 % der Befragten waren über 40 Jahre alt. Die Zahlen legten auch offen, dass 74,39 % der Studierenden bzw. der externen Personen aus EU-Ländern, wie z. B. Italien (10,47 %) oder Spanien (8,72 %), stammten und 25,61 % aus Nicht-EU-Ländern, wie z. B. den USA (4,56 %) oder Mexiko (3,49 %), kamen. Abbildung 2: Nationalitäten der DaF-Lernenden Gemäß der Abbildung 2 ist die kulturelle, sprachliche Vielfalt ein wesentliches Charakteristikum der DaF-Kurse am treffpunkt sprachen, sodass die Förderung interkultureller, kommunikativer und mehrsprachiger Kompetenzen innerhalb des DaF-Unterrichts eine wichtige Rolle spielt. 172 Stefanie Faustmann <?page no="173"?> Interviews mit DaF-Lehrenden Im Zuge des Projekts wurden gleichermaßen Sprachenlernende und DaF- Lehrende befragt. Diese Vorgehensweise wurde gewählt, um die gegebene didaktische Problematik aus beiden Blickwinkeln zu betrachten und mittels der unterschiedlichen Sichtweisen zu einem Resultat hinsichtlich der Planung und Gestaltung eines wertorientierten DaF-Unterrichts zu gelangen. So wurden ergänzend zur Fragebogenumfrage auch Interviews mit den DaF- Lehrenden von treffpunkt sprachen im Sommersemester 2022 durchgeführt. Diese Datenerhebungsmethode war essentiell, um reichhaltigere und tiefgrün‐ digere Daten zu erhalten. Daher war es wichtig, die Befragten in den Gesprächen dazu zu bringen, ihre Erfahrungen, Meinungen, Überzeugungen und auch ihr Wissen in den Antworten darzulegen (vgl. Riemer 2016, S. 162). Für die Inter‐ views galt also das Prinzip der Offenheit (vgl. ebd.). So war es ein wesentliches Ziel der Interviewgestaltung seitens der Interviewerin, Raum für Erklärungen und Erzählungen zu geben. Nicht unerwähnt sollte dabei bleiben, dass bei den Interviews auch für den Untersuchungsgegenstand irrelevante Informationen gewonnen hätten werden können. Um dieses Risiko zu minimieren, wurden alle Interviews in einem semi-offenen Format durchgeführt. Dazu erstellte die Autorin einen Fragenkatalog (s. Abs. 3.3), welcher als ein wichtiges Instrument der Gesprächslenkung diente. Aufgrund der Entscheidung für ein etwas stärker vorstrukturiertes Interview wurde gewährleistet, dass die wesentlichen Aspekte des Untersuchungsgegenstands zur Sprache kamen. Diese wurden von Seiten der Interviewerin durch entsprechende Impulsfragen eingebracht. Wie offen die Leitfrageninterviews tatsächlich waren, hing im Grunde von der Fähigkeit der Interviewerin ab, den: die befragte: n DaF-Lehrende: n in ein Gespräch zu verwickeln, welches ihn: sie zu tiefgründigen Aussagen ermunterte. Die DaF- Lehrenden wurden u. a. zur Rolle als DaF-Lehrende: r in einem wertorientierten und kulturreflexiven DaF-Unterricht befragt, zum Stellenwert von Kultur- und Wertevermittlung im DaF-Unterricht und zur Themen-, Materialien- und Me‐ thodenauswahl hinsichtlich des Forschungsproblems. Des Weiteren gaben die befragten Personen Einblicke in die Gestaltung eines wertorientierten, kultur‐ reflexiven DaF-Unterrichts. Sie schilderten sehr ausführlich, durch welche Ak‐ tivitäten bestimmte Kompetenzen und Fähigkeiten im DaF-Unterricht erworben und erweitert werden. Sie äußerten sich zu etwaigen Herausforderungen und gaben Ratschläge, wie sie diese bewältigen würden. Die Interviews, welche rund eineinhalb Stunden dauerten, wurden mit einem Aufnahmegerät aufgezeichnet und als Audiodatei gespeichert. Die Transkripte der Interviews wurden anonymisiert, d. h. personenbezogene Daten wurden mit einem Code versehen und dann gespeichert, um Rückschlüsse auf schutz‐ Kultur- und Wertevermittlung im universitären DaF-Unterricht 173 <?page no="174"?> würdige Daten zu verhindern. Demnach wurden alle sieben befragten DaF- Lehrenden als Interviewpartner: in (IP) 1, 2, 3, 4, 5, 6 oder 7 bezeichnet (s. Projektergebnisse), um den Nachvollzug der Identität der interviewten Personen auszuschließen. Die wissenschaftliche Datenauswertung erfolgte durch die Projektleiterin, welche sich dabei an Kuckartz (vgl. 2018) hielt und die qualitative Datenanalysesoftware MAXQDA nutzte. Sechs von sieben Interviews fanden nicht in Präsenz, sondern im Online- Setting, d. h. im virtuellen Raum, statt. Alle sieben Interviewpartner: innen sind am treffpunkt sprachen angestellt. Zwei der befragten Personen sind bereits seit mehr als 20 Jahren im Dienst stehend, vier Personen arbeiten mehr als zehn Jahre an einer Hochschule und ein: e Gesprächspartner: in ist weniger als zehn Jahre am Zentrum für Sprache, Plurilingualismus und Fachdidaktik tätig. Sechs von sieben Proband: innen haben bereits Unterrichtserfahrungen in DaF-Kursen mit allen Niveaustufen (von A1 bis C1) gesammelt. Dennoch werden nicht alle Niveaustufen regelmäßig unterrichtet, d. h. zwei Interviewpartner: innen unterrichten hauptsächlich A2-Kurse und eine weitere Lektorin vorwiegend C1, während weitere vier Lektor: innen B1- oder B2-Unterricht geben. Basierend auf den verschiedenen Unterrichtserfahrungen der befragten DaF-Lehrenden wurden diverse Standpunkte, aber auch Wünsche hinsichtlich eines wertorien‐ tierten und kulturreflexiven DaF-Unterrichts formuliert. Hospitationen in DaF-Kursen Als weiteres methodisches Verfahren eigneten sich zur Vertiefung des Unter‐ suchungsgegenstands und zur Erforschung weiterer Aspekte Hospitationen in DaF-Kursen. Beobachtet werden konnten das äußerlich wahrnehmbare Ver‐ halten der DaF-Lehrenden und -Lernenden sowie auch deren Interaktionen im DaF-Unterricht. Die Beobachtungen richteten sich daher vor allem auf nonver‐ bale Handlungen, wie z. B. Gestik und Mimik, jedoch wurden auch sprachliche Äußerungen mit einbezogen, welche aufgrund der begleitenden aktionalen Handlungen von großer Relevanz waren. Da die Autorin davon ausging, dass bestimmte Ansichten, wie sie in den schriftlichen und mündlichen Befragungen kundgetan wurden, und tatsächliches Verhalten, wie es im DaF-Unterricht beobachtet wurde, in einigen Fällen divergieren könnten, war in dieser Studie die Kombination von Befragungen und Beobachtungen von großem Interesse. Am Rande sei auch erwähnt, dass alle Unterrichtsbeobachtungen zu einem gewissen Anteil auf dem Vorwissen der Beobachtenden basierten. Demzufolge waren die Hospitationen in den DaF-Kursen im Vergleich zu den anderen Daten‐ 174 Stefanie Faustmann <?page no="175"?> erhebungsmethoden von Selektion und Klassifizierung geprägt (vgl. Schramm/ Schwab 2016, S.-141). Alle Unterrichtsbeobachtungen, welche im Wintersemester 2021 im Ausmaß von 16 Unterrichtseinheiten durchgeführt wurden, fußten auf der Grundlage von im Vorfeld festgelegten Beobachtungsschwerpunkten (s. Anhang 2). Zu diesem Zweck wurde ein Beobachtungsbogen (s. Anhang 2) in einem geschlos‐ senen und offenen Format eingesetzt, welcher an die Theorien der Kultur- und Wertevermittlung angelehnt wurde. Die Fragen auf dem Beobachtungsbogen forderten an vielen Stellen eine hohe Interpretationsleistung von Seiten der Beobachtenden und sahen hauptsächlich offene Antworten vor. Schließlich wurden acht DaF-Kurse von treffpunkt sprachen ausgewählt: Sprache Niveau Kursart Deutsch Grundstufe 2 Niveau A1/ 2. Phase Intensivkurs Deutsch Grundstufe 3 Niveau A2/ 1. Phase Intensivkurs Deutsch Mittelstufe 1 Niveau B1/ 1. Phase Intensivkurs Deutsch Mittelstufe 3 Niveau B2/ 1. Phase Semesterkurs Deutsch Mittelstufe 4 Niveau B2/ 2. Phase Semesterkurs Deutsch Mittelstufe 4 Niveau B2/ 2. Phase Intensivkurs Deutsch - Sprachkompetenz ab Niveau B2 Semesterkurs Deutsch - Sprachkompetenz ab Niveau C1 Semesterkurs Tabelle 3: Kursauswahl der Hospitationen Projektergebnisse Im vorliegenden Abschnitt sollen die Projektergebnisse dargestellt werden. Zu‐ erst werden die Ergebnisse der Fragebogenumfrage und im Anschluss jene der Interviews präsentiert. Gegebenenfalls werden etwaige auffällige Unterschiede zwischen den Studierenden- und Lehrendenbefragungen hervorgehoben. Zum Schluss soll auch Bezug auf die Hospitationen genommen werden. Das Haupt‐ Kultur- und Wertevermittlung im universitären DaF-Unterricht 175 <?page no="176"?> ziel ist jedoch, zu bewerten, inwieweit die jeweiligen Konzepte und Modelle der Kultur- und Wertevermittlung in den DaF-Kursen von treffpunkt sprachen zum Einsatz gekommen sind. Dies trägt dazu bei, weitere Verbesserungsvorschläge für einen wertorientierten und kulturreflexiven DaF-Unterricht ausfindig zu machen und didaktische Aspekte zum Einsatz der Methoden und Strategien im Sprachunterricht festzumachen. Auswertung der Befragung mit DaF-Lernenden An dieser Stelle werden lediglich die wichtigsten Ergebnisse der Befragung mit DaF-Lernenden präsentiert und kommentiert, welche mithilfe von Gra‐ phiken veranschaulicht werden. Die Ergebnisse der Studierendenbefragung weisen darauf hin, dass nicht nur die Vermittlung von Sprachkompetenzen, sondern auch von Werten beim Sprachenlernen sehr zentral ist, sodass die DaF- Lehrenden dem Lehren und Lernen von Werten in Zukunft mehr Beachtung schenken sollten. Dabei handelt es sich vor allem um demokratische Werte, welche im DaF-Unterricht kommuniziert werden sollten, was das folgende Säulendiagramm zeigt (s. Abb. 3): Auswertung der Befragung mit DaF-Lernenden An dieser Stelle werden lediglich die wichtigsten Ergebnisse der Befragung mit DaF-Lernenden präsentiert und kommentiert, welche mithilfe von Graphiken veranschaulicht werden. Die Ergebnisse der Studierendenbefragung weisen darauf hin, dass nicht nur die Vermittlung von Sprachkompetenzen, sondern auch von Werten beim Sprachenlernen sehr zentral sind, sodass die DaF-Lehrenden dem Lehren und Lernen von Werten in Zukunft mehr Beachtung schenken sollten. Dabei handelt es sich vor allem um demokratische Werte, welche im DaF-Unterricht kommuniziert werden sollten, was das folgende Säulendiagramm zeigt (s. Abb. 3): Abbildung 3: Relevanz von Werten Demzufolge stellt das Diagramm dar, dass für 75,6 % der befragten DaF-Lernenden der Wert Toleranz und Akzeptanz von Vielfalt von hoher Relevanz ist. 73,2 % der Befragten gaben an, dass sie das friedliche Zusammenleben für besonders signifikant halten, 71,3 % die Gleichberechtigung aller Mitmenschen , 64 % die Soziale Gerechtigkeit und 62,2 % das Umweltbewusstsein . Dies sind vor allem Werte, welche zu den rechtsstaatlichen und republikanischen Prinzipien gehören und auf die Stärkung des Gemeinwohls in einer Demokratie 0 % 10 % 20 % 30 % 40 % 50 % 60 % 70 % 80 % Relevanz von Werten für DaF-Lernende 1 = von hoher Relevanz 2 = von Relevanz 3 = weder noch 4 = von keiner Relevanz keine Angaben Abbildung 3: Relevanz von Werten 176 Stefanie Faustmann <?page no="177"?> Demzufolge stellt das Diagramm dar, dass für 75,6 % der befragten DaF- Lernenden der Wert Toleranz und Akzeptanz von Vielfalt von hoher Relevanz ist. 73,2 % der Befragten gaben an, dass sie das friedliche Zusammenleben für besonders signifikant halten, 71,3 % die Gleichberechtigung aller Mitmenschen, 64 % die Soziale Gerechtigkeit und 62,2 % das Umweltbewusstsein. Dies sind vor allem Werte, welche zu den rechtsstaatlichen und republikanischen Prin‐ zipien gehören und auf die Stärkung des Gemeinwohls in einer Demokratie abzielen. Erstaunlich ist, dass nur 29,9 % der Befragten die Partizipation in allen Lebensbereichen für besonders wichtig halten. Überraschend war dieses Ergebnis deshalb, weil Partizipation ein wichtiger Schlüssel zu Demokratie und Bildung ist. Laut Altmayer (vgl. 2004) und Fornoff (vgl. 2018) sollten jedoch auch die DaF-Lehrenden die Partizipation der Sprachenlernenden im DaF-Unterricht durch vielfältige Konzepte gezielt fördern, die es ihnen ermög‐ lichen, Mitsprache, Mitbestimmung und Mitgestaltung in den DaF-Kursen zu erleben, damit sie im alltäglichen Leben dazu bereit sind, an verschiedenen Entscheidungen teilzuhaben und ihre eigenen Ideen, Wünsche, und Bedürf‐ nisse wahrzunehmen bzw. zu äußern. Dies bedeutet u.-a. auch eine Stärkung ihrer Demokratiefähigkeit. Die nächste Fragestellung betraf den Kontext, in dem die Sprachenlernenden bereits Werte vermittelt bekommen haben: fördern, die es ihnen ermöglichen, Mitsprache , Mitbestimmung und Mitgestaltung in den DaF-Kursen zu erleben, damit sie im alltäglichen Leben dazu bereit sind, an verschiedenen Entscheidungen teilzuhaben und ihre eigenen Ideen, Wünsche, und Bedürfnisse wahrzunehmen bzw. zu äußern. Dies bedeutet u. a. auch eine Stärkung ihrer Demokratiefähigkeit. Die nächste Fragestellung betraf den Kontext, in dem die Sprachenlernenden bereits Werte vermittelt bekommen haben: Abbildung 4: Erfahrungen mit Wertevermittlung Dabei sticht hervor, dass 40,6 % der befragten DaF-Lernenden der Meinung sind, Werte innerhalb der Familie vermittelt bekommen zu haben. Grundlegend für die Wertevermittlung sind aber auch pädagogische Einrichtungen. Primär sind es laut den DaF-Lernenden Schulen (23 %), Universitäten (19,4 %) und Kindergärten (10,3 %), welche dazu beitragen, zu bestimmten Werten und zu einer Urteilsfähigkeit hinzuführen. Gering, aber doch vorhanden, sind jene Anmerkungen von DaF-Lernenden, die bei der Klassifizierung unter Sonstiges (6,7 %) eingeordnet wurden. Unter Sonstiges fielen den Studierendenangaben zufolge enge Bezugspersonen, wie z. B. Freunde oder Arbeitskolleg: innen, politische Parteien und Reden von berühmten Persönlichkeiten oder auch unterschiedliche digitale Medien, Filme, Bücher und Podcasts. Interessant ist, dass unter Sonstiges der Besuch im Museum oder in der Kirche sowie 0 % 5 % 10 % 15 % 20 % 25 % 30 % 35 % 40 % 45 % Familie Kindergarten Schule Universität Sonstiges 40,60 % 10,30 % 23,00 % 19,40 % 6,70 % Erfahrungen mit Wertevermittlung Abbildung 4: Erfahrungen mit Wertevermittlung Dabei sticht hervor, dass 40,6 % der befragten DaF-Lernenden der Meinung sind, Werte innerhalb der Familie vermittelt bekommen zu haben. Grundle‐ gend für die Wertevermittlung sind aber auch pädagogische Einrichtungen. Kultur- und Wertevermittlung im universitären DaF-Unterricht 177 <?page no="178"?> Primär sind es laut den DaF-Lernenden Schulen (23 %), Universitäten (19,4 %) und Kindergärten (10,3 %), welche dazu beitragen, zu bestimmten Werten und zu einer Urteilsfähigkeit hinzuführen. Gering, aber doch vorhanden, sind jene Anmerkungen von DaF-Lernenden, die bei der Klassifizierung unter Sonstiges (6,7 %) eingeordnet wurden. Unter Sonstiges fielen den Studierendenangaben zufolge enge Bezugspersonen, wie z. B. Freunde oder Arbeitskolleg: innen, politische Parteien und Reden von berühmten Persön‐ lichkeiten oder auch unterschiedliche digitale Medien, Filme, Bücher und Podcasts. Interessant ist, dass unter Sonstiges der Besuch im Museum oder in der Kirche sowie auch das Ausüben von Freizeitaktivitäten in Sportvereinen genannt wurden. Dies bedeutet, dass Wertebildungsprozesse in sehr unterschiedlichen Settings stattfinden können. Werte können sich also in der Auseinandersetzung des Individuums mit seiner Umgebung herausbilden. Hierbei kommt der Familie, den diversen Institutionen sowie dem Werteklima einer Gesellschaft eine große Bedeutung zu. So geschieht Wertevermittlung über Vorbilder, da sich Einstellungen und Werthaltungen einer Person in ihrem Verhalten und Handeln zeigen und vorgelebt werden. Nicht nur Kinder, sondern auch Erwachsene lernen Werte über alltägliche Beobachtungen und Erfahrungen kennen, sodass sie in der Folge erworben und verinnerlicht bzw. bereits vorhandene Werte ge‐ festigt und verändert werden können. Die Verwendung von erfahrungsbasierten Lernarrangements erscheint somit essentiell. Die folgende Fragestellung richtete den Fokus auf die DaF-Kurse am treff‐ punkt sprachen. Da alle befragten Sprachenlernenden zum Zeitpunkt der Um‐ frage einen DaF-Intensivkurs oder einen DaF-Semesterkurs besuchten, wurde gefragt, ob die Personen das Gefühl haben, dass Werte- und Kulturvermittlung im universitären Kontext überhaupt stattfindet. Das Ergebnis dieser Frage kann als sehr erfreulich beschrieben werden, denn 72,1 % der befragten DaF- Lernenden gaben an, sowohl Werte als auch Kultur im Sprachunterricht ver‐ mittelt bekommen zu haben: 178 Stefanie Faustmann <?page no="179"?> 163 befragten Sprachenlernenden zum Zeitpunkt der Umfrage einen DaF-Intensivkurs oder einen DaF- Semesterkurs besuchten, wurde gefragt, ob die Personen das Gefühl haben, dass Werte- und Kulturvermittlung im universitären Kontext überhaupt stattfindet. Das Ergebnis dieser Frage kann als sehr erfreulich beschrieben werden, denn 72,1 % der befragten DaF-Lernenden gaben an, sowohl Werte als auch Kultur im Sprachunterricht vermittelt bekommen zu haben: Abbildung 5: Wertevermittlung im Rahmen der DaF-Kurse Weitere Studierendenangaben an dieser Stelle legten nahe, welche Werte ihnen hauptsächlich vermittelt wurden. Die folgende Graphik (s. Abb. 6) verdeutlicht die weiteren Ergebnisse: Abbildung 6: Bisher erworbene demokratische Werte in den DaF-Kursen 0 % 10 % 20 % 30 % 40 % 50 % 60 % 70 % 80 % ja nein keine Angaben 72,10 % 22,10 % 5,80 % Werte- und Kulturvermittlung im Rahmen der DaF-Kurse 27,30 % 8,50 % 19,40 % 2,40 % 1,20 % 0,60 % 4,80 % 4,80 % 6,70 % 0,60 % 3,60 % 20,00 % 0 % 5 % 10 % 15 % 20 % 25 % 30 % Demokratische Werte in den DaF-Kursen keine Angaben Meinungsfreiheit Toleranz und Akzeptanz von Vielfalt Eigenverantwortung Autonomie Freiwilliges Engagement Chancengleichheit & Gleichberechtigung Familienleben Umweltbewusstsein Trennung von Religion und Staat Solidarität Interkulturelle Begegnung Abbildung 5: Wertevermittlung im Rahmen der DaF-Kurse Weitere Studierendenangaben an dieser Stelle legten nahe, welche Werte ihnen hauptsächlich vermittelt wurden. Die folgende Graphik (s. Abb. 6) verdeutlicht die weiteren Ergebnisse: 163 Die folgende Fragestellung richtete den Fokus auf die DaF-Kurse am treffpunkt sprachen . Da alle befragten Sprachenlernenden zum Zeitpunkt der Umfrage einen DaF-Intensivkurs oder einen DaF- Semesterkurs besuchten, wurde gefragt, ob die Personen das Gefühl haben, dass Werte- und Kulturvermittlung im universitären Kontext überhaupt stattfindet. Das Ergebnis dieser Frage kann als sehr erfreulich beschrieben werden, denn 72,1 % der befragten DaF-Lernenden gaben an, sowohl Werte als auch Kultur im Sprachunterricht vermittelt bekommen zu haben: Abbildung 5: Wertevermittlung im Rahmen der DaF-Kurse Weitere Studierendenangaben an dieser Stelle legten nahe, welche Werte ihnen hauptsächlich vermittelt wurden. Die folgende Graphik (s. Abb. 6) verdeutlicht die weiteren Ergebnisse: Abbildung 6: Bisher erworbene demokratische Werte in den DaF-Kursen 0 % 10 % 20 % 30 % 40 % 50 % 60 % 70 % 80 % ja nein keine Angaben 72,10 % 22,10 % 5,80 % Werte- und Kulturvermittlung im Rahmen der DaF-Kurse 27,30 % 8,50 % 19,40 % 2,40 % 1,20 % 0,60 % 4,80 % 4,80 % 6,70 % 0,60 % 3,60 % 20,00 % 0 % 5 % 10 % 15 % 20 % 25 % 30 % Demokratische Werte in den DaF-Kursen keine Angaben Meinungsfreiheit Toleranz und Akzeptanz von Vielfalt Eigenverantwortung Autonomie Freiwilliges Engagement Chancengleichheit & Gleichberechtigung Familienleben Umweltbewusstsein Trennung von Religion und Staat Solidarität Interkulturelle Begegnung Abbildung 6: Bisher erworbene demokratische Werte in den DaF-Kursen Zunächst waren 20 % der Befragten der Ansicht, dass Interkulturelle Begeg‐ nungen thematisiert wurden. Demnach wurde der DaF-Unterricht so aufbe‐ reitet, dass Begegnungen mit der Vielfalt der Kulturen ermöglicht wurden Kultur- und Wertevermittlung im universitären DaF-Unterricht 179 <?page no="180"?> bzw. die DaF-Kurse zu einem Ort der Begegnung von unterschiedlichen Lebens‐ welten und des Dialogs gemacht wurden. Die Lehrenden sollten sich also zum Ziel setzen, mehr Verständnis füreinander zu wecken und eine Basis für ein friedliches Miteinander trotz verschiedener kultureller Herkunft zu schaffen. Darauf folgte mit 19,4 % die Toleranz und Akzeptanz von Vielfalt. Dies spiegelt wider, dass ein konstruktiver Umgang mit Vielfalt als eine wichtige Kompetenz in einer zunehmend von Komplexität und Differenziertheit geprägten modernen Gesellschaft erscheint, sodass die Förderung von Respekt, gegenseitiger Ach‐ tung und Wertschätzung von Verschiedenheit als zentrale Ziele zu verstehen sind. Des Weiteren stellte sich die Autorin die Frage, auf welche Weise diese Werte (s. Abb. 6) überhaupt im DaF-Unterricht vermittelt wurden. So wurden die Sprachenlernenden gefragt, in welchen Unterrichtssituationen Werte explizit kommuniziert wurden. Immerhin äußerten sich 62,4 % der Teilnehmenden im Hinblick auf die Struktur und den Aufbau des DaF-Unterrichts, 37,6 % der beteiligten Personen haben diesbezüglich keine Angaben getätigt. Dennoch wird durch das folgende Balkendiagramm (s. Abb. 7) deutlich, in welcher Form Werte zum Thema gemacht wurden: 37,60 % 12,10 % 4,80 % 5,50 % 16,40 % 2,40 % 14,50 % 6,10 % 0,60 % 0 % 5 % 10 % 15 % 20 % 25 % 30 % 35 % 40 % keine Angaben Diskussionen im Unterricht Arbeit mit Videos & Filmen Arbeit mit Texten & Literatur Mündliche, interaktive Aktivitäten Schriftliche Aufgaben und Übungen Aktivitäten im Plenum Aktivitäten in Kleingruppen Projektarbeit Unterrichtssituationen Abbildung 7: Unterrichtssituationen Mithilfe dieser Graphik lässt sich nachvollziehen, dass es sich vor allem um didaktische Aspekte und Methoden handelt, welche auf einen kommunikativen, 180 Stefanie Faustmann <?page no="181"?> interaktiven sowie auch lernendenzentrierten DaF-Unterricht abzielen. Dieses Ergebnis ist positiv, da in methodisch-didaktischer Hinsicht sowohl der Erwerb von Sprachkompetenzen als auch die Förderung von Partizipation und Koope‐ ration durch den Einsatz von offenen, kooperativen Lernformen ermöglicht werden. Es werden Lernräume geschaffen, um nicht in Einzelarbeit, sondern gemeinsam im Diskurs Werte und etwaige Machtverhältnisse wahrzunehmen bzw. diese zu analysieren. Laut den DaF-Lernenden konnte dies z. B. durch mündliche, interaktive Aktivitäten (16,4 %) oder Diskussionen (12,1 %) im DaF- Unterricht geschehen. Der Umfrage zufolge gab es auch Vorzüge hinsichtlich der Auswahl einzelner Sozialformen. In diesem Zusammenhang werden Aktivitäten im Plenum (14,5 %) und Aktivitäten in Kleingruppen (6,1 %) erwähnt. Entschei‐ dend ist, dass die Auswahl einer bestimmten Sozialform die gewünschte Aktivität initiiert. So können z. B. Aktivitäten im Plenum die Selbstständigkeit der Studierenden fördern und Gelegenheiten anbieten, sich einzubringen, sodass Anregungen von anderen aufgenommen und Möglichkeiten zur Refle‐ xion angeboten werden. Bei Aktivitäten in Kleingruppen wird wiederum das Miteinander gefördert, weil die Studierenden über einen längeren Zeitraum gemeinsam arbeiten. Deshalb sollten auch die Aufgabenstellungen so formu‐ liert werden, dass alle DaF-Lernenden sich ihren Möglichkeiten entsprechend einbringen können. Zudem enthält das Balkendiagramm (s. Abb. 7) wichtige Hinweise darauf, welche Materialien im DaF-Unterricht zur Vermittlung von Werten eingesetzt wurden. Zum einen wurde zu diesem Zweck mit Texten und Literatur (5,5 %) gearbeitet, zum anderen mit Videos und Filmen (4,8 %). Folglich kann festgehalten werden, dass die Auswahl und der Einsatz von kontextualisierten, authentischen und vielseitigen Materialien, wie z.-B. Text-, Bildbzw. Filmmaterial, bevorzugt werden sollten. Überdies wurde augenscheinlich, dass nur 0,6 % der DaF-Lernenden behaupteten, Werte in einem projektorientierten Unterricht vermittelt bekommen zu haben, d. h. in einem Unterrichtsverfahren, welches auf die Arbeit in Projekten ausgerichtet ist. Charakteristisch ist hierbei, dass die Orientierung des Lernens an einem Problem stattfindet und die Studierenden Projektinitiativen ergreifen müssen. Um nicht nur den methodisch-didaktischen Aspekten auf den Grund zu gehen, sondern auch um herauszufinden, welche thematischen Schwerpunkte zur Kultur- und Wertevermittlung im DaF-Unterricht gesetzt wurden, wurde auch nach den Themen gefragt, die in den DaF-Kursen bisher behandelt wurden. Das folgende Balkendiagramm dient hier als Überblick (s. Abb. 8): Kultur- und Wertevermittlung im universitären DaF-Unterricht 181 <?page no="182"?> 37,60 % 12,10 % 4,80 % 5,50 % 16,40 % 2,40 % 14,50 % 6,10 % 0,60 % 0 % 5 % 10 % 15 % 20 % 25 % 30 % 35 % 40 % keine Angaben Diskussionen im Unterricht Arbeit mit Videos & Filmen Arbeit mit Texten & Literatur Mündliche, interaktive Aktivitäten Schriftliche Aufgaben und Übungen Aktivitäten im Plenum Aktivitäten in Kleingruppen Projektarbeit Unterrichtssituationen Abbildung 8: Themen in den DaF-Kursen Es fällt auf, dass die Auswahl der Themen von Seiten der DaF-Lehrenden sehr vielseitig war, denn die genannten Unterrichtsinhalte reichten von kulturellen Aspekten, wie Feste und Bräuche (17 %) und Nationalitäten und Stereotype (4,2 %), über soziale Bereiche, wie Politik und Gesellschaft (14,5 %) und Wohnen und Zusammenleben (3 %), bis hin zu aktuell viel diskutierten Thematiken, wie Umwelt (3 %) und Diversität (3,6 %). Abschließend wurde nach den weiteren Wünschen und Interessen der DaF- Lernenden hinsichtlich der Themenwahl in einem wertorientierten, kulturre‐ flexiven DaF-Unterricht am treffpunkt sprachen gefragt, was das folgende Säulendiagramm (s. Abb. 9) veranschaulicht: 182 Stefanie Faustmann <?page no="183"?> 167 Abbildung 9: Interessen der DaF-Lernenden An dieser Stelle wurde erkennbar, dass die Lernenden gerne mehr über die österreichische Sprache (53 %), die Universität als Ausbildungsstätte (51,2 %), die Umwelt (50,6 %), die kulturellen Identitäten und Stereotype (48,8 %) sowie den österreichischen Arbeitsmarkt (47 %) erfahren würden, weil sie diese Themen als besonders relevant eingestuft haben. Offensichtlich wurden jedoch Themen, welche die Erziehung bzw. Ausbildung in Kindergarten (6,7 %), Schule (12,8 %) und Lehre (17,1 %), das österreichische Gesundheitssystem, wie z. B. Hygiene (17,7 %) oder Vorsorge (18,9 %) und die Versorgung und den Konsum (19,5 %) betreffen, von den DaF-Lernenden weniger bevorzugt. Generell ist es also zentral, die Inhalte für den wertorientierten, kulturreflexiven DaF-Unterricht so zu wählen, dass sie in Abstimmung mit den Sprachenlernenden selektiert werden und für die DaF- Lernenden persönlich signifikant sind. Dies bedeutet auch, dass die ausgewählten Themen Betroffenheit bei den Sprachenlernenden auslösen sollten, weil eine rein kognitive Auseinandersetzung mit einer Thematik 0 % 10 % 20 % 30 % 40 % 50 % 60 % Interessen der DaF-Lernenden 1 = von hoher Relevanz 2 = von Relevanz 3 = weder noch 4 = von keiner Relevanz keine Angaben Abbildung 9: Interessen der DaF-Lernenden An dieser Stelle wurde erkennbar, dass die Lernenden gerne mehr über die österreichische Sprache (53 %), die Universität als Ausbildungsstätte (51,2 %), die Umwelt (50,6 %), die kulturellen Identitäten und Stereotype (48,8 %) sowie den österreichischen Arbeitsmarkt (47 %) erfahren würden, weil sie diese Themen als besonders relevant eingestuft haben. Offensichtlich wurden jedoch Themen, welche die Erziehung bzw. Ausbildung in Kindergarten (6,7 %), Schule (12,8 %) und Lehre (17,1 %), das österreichische Gesundheitssystem, wie z. B. Hygiene (17,7 %) oder Vorsorge (18,9 %), und die Versorgung und den Konsum (19,5 %) betreffen, von den DaF-Lernenden weniger bevorzugt. Kultur- und Wertevermittlung im universitären DaF-Unterricht 183 <?page no="184"?> Generell ist es also zentral, die Inhalte für den wertorientierten, kultur‐ reflexiven DaF-Unterricht so zu wählen, dass sie in Abstimmung mit den Sprachenlernenden selektiert werden und für die DaF-Lernenden persönlich signifikant sind. Dies bedeutet auch, dass die ausgewählten Themen Betrof‐ fenheit bei den Sprachenlernenden auslösen sollten, weil eine rein kognitive Auseinandersetzung mit einer Thematik wenig sinnvoll wäre. Sobald die DaF-Lernenden emotional involviert sind, können sie auch dazu veranlasst werden, sich aktiv mit dem gegebenen Thema zu beschäftigen. Es zeigt sich, dass Wertorientierung im DaF-Unterricht erst dann erfolgreich sein kann, wenn sich den handelnden Individuen durch die Beschäftigung mit dem Thema ein Wert erschließt und dieser von ihnen reflektiert wird, sodass sie sich ein eigenes, moralisches Urteil bilden können. Überdies zeigen die Ergebnisse, dass durch die Themen immer ein Realitätsbezug möglich werden sollte, d. h. aktuelle Themen, wie z. B. Krieg, Energie- und Umweltkrise, Migration, Gleichberechtigung usw., geben Anregungen für Diskussionen über Werte und erhalten deshalb einen hohen Stellenwert, weil die Studie‐ renden einerseits eventuelle Handlungsfolgen erkennen, andererseits auch ein gesellschaftskritisches Bewusstsein bilden können. Auch hier wird die subjektive Bedeutung des Unterrichtsgegenstands durch den Vorgang des Wertens aktiviert, indem die DaF-Lernenden z. B. zur Meinungsäußerung motiviert werden oder sich aktiv an moralischen Entscheidungsfindungen beteiligen. (vgl. Standop 2 2016, S.-121-125) DaF-Lehrende zu Konzepten der Kultur- und Wertevermittlung in DaF-Kursen Die sieben Interviews gaben den Vortragenden von treffpunkt sprachen die Möglichkeit, ihre Erfahrungen und Expertise rund um die Vermittlung von Werten und Kultur im fremdsprachigen Deutschunterricht zu teilen. Da Werte- und Kulturvermittlung im DaF-Unterricht zu den großen Herausforderungen unserer Zeit gehört, wurden zunächst alle Proband: innen dazu befragt, welche Rolle ihrer Ansicht nach Werte in ihrem Leben bzw. in unserer Gesellschaft spielen. Die Meinungen im Hinblick auf diese Frage gingen etwas auseinander. Drei der Gesprächspartner: innen gaben an, dass Werte eine große Rolle in der Gesellschaft spielen. Von einem: einer Interviewpartner: in werden Werte als wichtiger Teil der Kultur angesehen. Eine weitere Person äußerte sich darüber, dass Werte in der Erziehung wichtig sind, weil sie Orientierung und Halt geben. Jemand anderes meinte außerdem, dass persönliche Werte Entscheidungen 184 Stefanie Faustmann <?page no="185"?> stark beeinflussen. Im Folgenden werden die Stellungnahmen der befragten Personen veranschaulicht: Ich glaube, dass es egal ist, wo man lebt. Ohne Werte funktioniert keine Gesellschaft. Werte sind für mich so etwas, was man überhaupt nicht greifen kann, aber ohne Werte funktioniert die Gesellschaft einfach nicht. Werte sind meiner Meinung nach immer da. Man könnte meinen, dass sie unterbewusst in der Gesellschaft vorhanden sind. Ich glaube, dass man es gerade in der Corona-Zeit besonders intensiv erlebt, wie wichtig bestimmte Werte sind. Jede: r hält momentan andere Dinge für wichtig, sodass diese auch zu seinen: ihren persönlichen Werten gehören. (IP 2) Werte spielen eine ganz, ganz große Rolle in der Gesellschaft. Ich habe das Gefühl, dass vor allem durch Corona oder durch die verstärkte Digitalisierung Werte noch wich‐ tiger geworden sind. Diese Phänomene haben noch mehr Anonymität im Unterricht gebracht. (IP 3) Werte sind für mich ein Grundstock bzw. ein wichtiges Element dafür, dass man in einer Gesellschaft gut zusammenleben kann, deshalb ist es wichtig, Werte zu respektieren. Werte sind für mich auch ganz stark mit Kultur verbunden. Kulturen haben gewisse Werte, daher kann es auch zum Culture Clash kommen, wenn Kul‐ turen aufeinandertreffen. (So) könnten Probleme aufgrund von bestimmten Werten entstehen. (…) Werte (spiegeln) im Großen und Ganzen die Kultur wider, d. h. die Identität einer Kultur. (IP 5) Ich denke mir (…), dass es von der Persönlichkeit abhängt, wie viel Wert man eigentlich auf die Vermittlung von Werten legt und bei mir hat das schon von Kindheit an eine sehr große Rolle gespielt. Das beginnt natürlich dann mit der Erziehung von Seiten der Eltern. (IP 1) Werte sind oft nicht bewusst im Fokus, aber sie sind im Grunde die Grundlage für Entscheidungen. Also wenn ich eine Entscheidung treffe, dann spielen Werte eine zentrale Rolle oder auch wenn ich etwas plane oder bewerte, dann sind diese Werte einfach da. Oft passiert das unbewusst und es ist nicht klar, dass die Entscheidung oder die Planung so passiert - aufgrund der Werte, die dem zugrunde liegen. (IP 4) Entsprechend dieser Meinungen nehmen Werte auch im DaF-Unterricht für alle Interviewpartner: innen einen hohen Stellenwert ein. Werte werden von den DaF-Lehrenden vor allem als Teil des kulturreflexiven Unterrichts wahrge‐ nommen. Da im hochschulischen DaF-Bereich stets Personen aus verschiedenen Kulturen und Herkunftsländern aufeinandertreffen, gilt es daher auf Werte einzugehen, die Teil der österreichischen bzw. deutschen Kultur sind und die Kultur- und Wertevermittlung im universitären DaF-Unterricht 185 <?page no="186"?> über die Auseinandersetzung mit der deutschen Sprache deutlich werden, was die folgenden Interviewauszüge zeigen: Was den DaF-Bereich anbelangt, wo verschiedenste Kulturen im Rahmen des Unter‐ richts aufeinanderstoßen, (ist die Vermittlung von Werten essentiell). Denn es ist eine Grundkompetenz, über andere Kulturen Bescheid zu wissen oder Andersartigkeit auch extrem positiv zu erleben, (deshalb sollte) das auch entsprechend (vermittelt werden.) Das, denke ich, ist ganz, ganz wichtig. (IP 1) (Werte und Kultur sind) ein wichtiges Thema. Es gibt so viele Dinge, die man nicht merkt. Dass das Essen anders ist oder dass die Leute anders angezogen sind, (erkennt) man sofort, aber es gibt so viele Dinge, die man nicht sofort bemerkt, (…) deshalb gibt es so oft kulturelle ‚Hoppalas‘. Studierende kommen dann zu mir und fragen nach, was sie in einer bestimmten Situation falsch gemacht haben und warum sich eine bestimmte Person so verhalten hat. Das ist wesentlich, um ganz konkret Werte zu vermitteln, die bei uns, also in Österreich, wichtig sind. (IP 2) Die internationale Zusammensetzung im DaF-Unterricht ist par excellence, um einen wertorientierten Unterricht durchzuführen, weil unterschiedliche Kulturen aufein‐ anderprallen, aber auch Menschen zusammenkommen, die mit unterschiedlichen Wertvorstellungen aufgewachsen sind. (IP 3) Bezüglich der Wertevermittlung (im DaF-Unterricht) ist es mir wichtig, aufzuzeigen, welche Werte in unserer Kultur präsent sind, insbesondere weil in einem DaF-Kurs sehr viele unterschiedliche Kulturen zusammenkommen. Durch das Aufzeigen von bestimmten Werten in unserer Kultur wird auch gleichzeitig (ihre Bedeutung) (…) erklärt. (IP 5) Es wurde auch hervorgehoben, dass die Auseinandersetzung mit Werten rele‐ vant ist, um sich als DaF-Lehrende für die Arbeit gegen Rassismus zu engagieren. So können Rassismen klar benannt und sichtbar gemacht und ein Beitrag gegen Diskriminierung und Intoleranz geleistet werden, aber auch zur Stärkung des demokratischen Systems: (Es geht darum), Studierenden (zu) zeigen, was für sie beim zwischenmenschlichen Miteinander ein wichtiger Wert ist. (…) Ich versuche (deswegen), dass Studierende nachdenken, wenn sie rassistische Aussagen treffen oder wenn sie Antiziganismus zeigen, wenn Leute z. B. aus Ungarn oder Rumänien kommen. Ich merke sofort, wenn bestimmte Aussagen nicht okay sind, und dann versuche ich (…) bestimmte Denkprozesse anzuregen. Ich möchte ihnen zeigen, dass sie es schätzen können, in einer Demokratie zu leben, und dass auch diese Form der Demokratie schnell 186 Stefanie Faustmann <?page no="187"?> brüchig werden kann, sodass sie kippen kann und man wieder in autoritäre Strukturen zurückkehren könnte. (IP 3) Eine: r der DaF-Lehrenden betrachtet die Umsetzung eines wertorientierten, kulturreflexiven DaF-Unterrichts vor allem jetzt, wo alle gemeinsam durch diese schwierige Zeit diverser globaler Krisen gehen, als entscheidend. Laut der befragten Person waren es gerade bestimmte Werte, welche in diese Krisen geführt haben, sodass DaF-Lernende dazu ermuntert werden sollten, Werte kritisch zu hinterfragen und zu diskutieren: (Gerade jetzt muss man) viele Dinge neu diskutieren, weil man gesehen hat, dass bestimmte Werte in diesen Abgrund (…) geführt haben und führen. Es ist also notwendig, dass man sich neu ausrichtet, um diese Werthaltungen noch einmal zu prüfen (und zu sehen), ob sie es zukünftigen Generationen ermöglichen, gut zu leben. Das halte ich schon für sehr sinnvoll. Wenn ich eine Unterrichtseinheit oder eine Stunde plane, soll (daher) am Ende eine Erkenntnis stehen, eine Diskussion entstehen (oder) eine Reflexion angeregt werden. (IP 4) Geht es jedoch um die Frage nach einer bewussten Wertevermittlung im DaF-Unterricht, gingen die Meinungen stark auseinander. Auf der einen Seite wurde klar, dass Werte im DaF-Unterricht über die gewählte Thematik explizit gemacht werden können. Auf der anderen Seite kam zum Vorschein, dass drei der Interviewpartner: innen eine bewusste Vorgehensweise anzweifeln. Sie waren der Überzeugung, dass in einem wertorientierten, kulturreflexiven Unterricht immer eine unbewusste Komponente mitschwingt, da nicht nur die Studierenden, sondern mit Sicherheit auch die Lehrenden der Fremdsprache Deutsch auf eine implizite Weise Werte im Rahmen des Unterrichts vermitteln bzw. ihre persönlichen Werthaltungen in die DaF-Kurse mitbringen: Ich denke, dass Werte von den Eltern oder von der Schule oder von der Universität vermittelt werden, aber ich finde, dass man es nicht konkret benennen kann und sagen kann, dass man Werteunterricht bewusst in der Praxis (umsetzt). Ich glaube (deshalb), dass Wertevermittlung unterschwellig im Unterricht mitläuft, denn ohne eine gewisse Wertevermittlung gäbe es wahrscheinlich keinen DaF-Unterricht. (IP 2) Also ich glaube, dass (es) nicht so funktioniert, dass eine Lehrperson genau das Ziel vorgibt oder dass sie sagt, dass ihr Unterricht darauf abzielt, damit (die Studierenden) z. B. umweltbewusster handeln. Ich glaube, dass so etwas nicht geht. Es kann aber sehr indirekt passieren, obwohl das Ziel im Hinterkopf präsent ist, d. h. es sollte schon klar sein, was man erreichen möchte, aber dass man es nicht vorgibt. (IP 4) Kultur- und Wertevermittlung im universitären DaF-Unterricht 187 <?page no="188"?> (Ich) mache mit Sicherheit bestimmte Dinge bewusst, aber ich gehe auch davon aus, dass ich sehr vieles auch unbewusst mache. Also, ich vermittle z. B. bewusst, wenn wir im DaF-Unterricht über das Thema Tischkultur sprechen oder wenn wir darüber sprechen, wie wir uns in einer bestimmten Situation im Alltag in unserer Gesellschaft verhalten. Unterbewusst vermittle ich Werte sicherlich dadurch, wie ich mich verhalte, da es entscheidend ist, wie ich Leute begrüße oder ihnen begegne. Das ist sicher eine unbewusste Komponente, die mitschwingt, da ich auch meine Kultur und meine Werte auslebe und (im Unterricht durch meine Persönlichkeit) repräsentiere (…). (IP 5) Bezüglich der Unterrichtsgestaltung wurden in den sieben Interviews die folgenden Aspekte erläutert: • Auswahl der Themen und Materialien, • Auswahl der Methoden und Strategien bei der Bearbeitung der Themen und Materialien, • Methoden und Strategien, welche zur Bewusstheitsbildung beitragen, • Förderung von Kompetenzen und bestimmten Fähigkeiten, • Einsatz von vielfältigen Sozialformen, • Partizipation von DaF-Lernenden im Unterricht, • Herausforderungen im wertorientierten DaF-Unterricht, • Unterrichtsempfehlungen für DaF-Lehrende. Unter Beachtung all dieser Aspekte ist es denkbar, einen wertorientierten, kulturreflexiven DaF-Unterricht zu planen und durchzuführen. Alle DaF-Leh‐ renden erzählten über ihre bisher gesammelten Unterrichtserfahrungen und begründeten ihre Auswahl, was die gewählten Themen, Materialien oder die methodisch-didaktische Herangehensweise anbelangt. Sie nannten ein paar Beispiele und erzählten, was sie z. B. empfehlen würden, um bestimmte Kompetenzen oder Fähigkeiten im DaF-Unterricht zu fördern. Sie schlugen auch Aktivitäten vor, mithilfe derer sich die Studierenden ihrer individuellen Werte bewusst werden und Werthaltungen reflektieren bzw. prüfen können. Hierbei wurde auch darüber gesprochen, auf welche Weise die Teilhabe aller Sprachenlernenden im DaF-Unterricht ermöglicht werden kann. Außerdem wurden wichtige Hinweise zum Einsatz von vielfältigen Sozialformen gegeben. In den nächsten Absätzen werden die jeweiligen Aspekte, die für die Ge‐ staltung eines wertorientierten, kulturreflexiven DaF-Unterrichts von Belang sind, anschaulich gemacht. Unabhängig davon, ob die Gesprächspartner: innen selbst explizit auf die genannten Themen eingehen oder Werte hauptsächlich vorgelebt werden, glauben alle, dass die Thematisierung von Kultur- und Alltagsthemen wichtig wäre: 188 Stefanie Faustmann <?page no="189"?> Es gibt z. B. auch das Thema Soziale Netzwerke (…). Das ist ein sehr dankbares Thema. Dabei kann ich sehr gut auf die Nutzung von sozialen Medien eingehen, auf Social Media, wie z. B. Facebook, Instagram, Twitter usw., wo entsprechende Meinungen anonymisiert kundgetan werden, ohne reflektiert zu sein, und auch diese Problematik wird z.-B. im Rahmen dieses Themas immer wieder angesprochen. (IP 1) (Wir) besprechen gemeinsam, wie unterschiedlich dieses Distanzgefühl in den ver‐ schiedenen Kulturen ist. Dann greife ich auch klassische Klischees und Stereotype mit diversen Bildern über jede Kultur und Sprache auf. Wir sprechen darüber, welche Klischees (die Studierenden) über die Österreicher: innen haben. Ich stelle aber auch klar, wie wir in Österreich über das jeweilige Heimatland der Studierenden denken. (…) Wir reden (auch) über Weihnachten, über Bräuche bei uns in Österreich (oder) über Bräuche in anderen Ländern. (IP 2) Im A2-Kurs bespreche ich dennoch Themen, welche für das Alltagsleben wichtig sind. Die Studierenden sollen wissen, wie sie sich in einer bestimmten Situation verhalten sollen. (IP 5) Bei sechs der DaF-Lehrenden bestand der Wunsch nach Aktualität, sodass sie für eine explizite Thematisierung von Werten globale Themen bevorzugten. Dies spiegelte sich durch die folgenden Aussagen wider: (Die) Pandemie ist ein dankbares Thema. Ich selbst arbeite sehr gerne mit Fragen, die ich zur Diskussion stelle. Zuerst wird z. B. ein Bild eingeblendet. (…) Also dieses Bild zeigt den Beginn der Pandemie: ein Bild mit dem Toilettenpapier, Einkaufswagen usw. Einige hatten im Kopf, dass wir zu wenig Toilettenpapier hatten, weil einige Personen zu viel eingekauft hatten. Das löste die Frage aus, wie es im Jahr 2020 war. Und dann konnten wir sukzessive darauf eingehen, wie sich unsere Gesellschaft durch das Corona-Virus verändert hat oder mit welchen ungeahnten Herausforderungen man sich derzeit konfrontiert sieht. (IP 1) (Ich bespreche) das Thema „Umwelt und Klimaschutz“ immer wieder gerne. Da fühlen sich auch die Studierenden angesprochen (und) sie diskutieren mit. Plastik, Erderwärmung, Essen, die vegane Lebensweise, fast fashion usw. sind besonders spannende Themenbereiche. (IP 2) Über Umwelt spreche ich ganz gerne aus unterschiedlichen Aspekten. Es sind auch immer wieder Studierende aus der Fachrichtung Nachhaltige Entwicklung im Kurs dabei. Sie machen sehr gerne Referate. (…) Sie machen Präsentationen über unterschiedliche Themen und sie haben auch das Anliegen, dass sie zeigen, was sie gerade machen, und was es in Graz schon gibt bzw. was noch fehlt. (Mit diesem Thema) habe ich gute Erfahrungen gemacht. (IP 4) Kultur- und Wertevermittlung im universitären DaF-Unterricht 189 <?page no="190"?> Vier von sieben DaF-Lehrenden erwähnten außerdem, dass sie im DaF-Un‐ terricht darauf abzielen würden, ausgehend von einem materiellen Wert auf immaterielle Werte hinzuweisen, was vor allem in den höheren Niveaustufen möglich erscheint: Ich behandle z. B. in meinem Kurs Sprachkompetenz C1 das Thema Luxus. (…) Ich arbeite sehr stark mit Bildimpulsen, indem ich z. B. dem Internet entnommene Luxusartikel zeige. Dort gibt es z. B. eine bestimmte Armbanduhr, also bestimmte Markenwaren (…), handgemachte, handgefertigte Schuhe. Ich lasse (die Studierenden) dann die Bilder beschreiben. Wir überlegen uns, was auf den Bildern dargestellt wird und denken darüber nach, ob ein Eigenheim oder ein Swimmingpool schon als Luxus empfunden wird oder nicht. Man sieht deutlich große Unterschiede hinsichtlich der Zielsetzungen und Wünsche unserer Studierenden (…). Und dann ist es auch interessant, wenn ich die Studierenden frage, wie es mit der Selbstverständlichkeit aussieht, dass wir Leitungswasser trinken können, also dass wir im Grunde versorgt sind und bezüglich der Nahrung keine Probleme haben. Ich führe sie auf diese Aspekte hin, um ihnen zu verdeutlichen, dass es ja eigentlich genau dieser Luxus ist, den wir leben. (IP 1) Weiters sind vier Interviewpartner: innen der Meinung, dass sie im DaF-Unter‐ richt gezielt demokratische Werte und Menschenrechte zum Thema machen. In diesem Zusammenhang meinten sie, dass ein demokratieförderliches Setting entscheidend ist: (Das) sind demokratische Werte, die ich zu vermitteln versuche. (Dazu zählt z. B.) diese Freiheit, die man z. B. in Österreich hat. Man kann den Beruf frei auswählen oder man kann auch (als Mann) bei den Kindern zuhause bleiben. (IP 7) Werte gehören (auch) zu den Menschenrechten. Es zählen Pressefreiheit und Mei‐ nungsfreiheit dazu. (…) Hier (ist) die Menschenrechtskonvention, also das Genfer Abkommen (aus dem) Jahr 1949 (zu nennen). (IP 6) Vier der Befragten sagten zudem, dass sie gerne mit tabuisierten Themen arbeiten. Als Beispiele für einen tabuisierten Themenkomplex wurde die Thematik des Todes, der Sexualität oder der psychischen Krankheiten genannt. Hinzu kommt, dass die DaF-Lehrenden bei der Themenauswahl auf die Interessen und Bedürf‐ nisse der Studierenden achten, sodass Themen, wie z. B. Studieren im Ausland, Studienabbruch oder die ÖH (Österreichische Hochschülerschaft), relevant sind: Bei der Themenwahl habe ich mich verändert. (…) Mittlerweile ist es so, dass wir ein Thema oder eine Problematik bzw. eine Situation besprechen und gemeinsam schauen, wie in anderen Ländern damit umgegangen wird. Ich zwinge Studierende nicht, von ihrem Herkunftsland auszugehen, denn manche haben eine transnationale 190 Stefanie Faustmann <?page no="191"?> Herkunft bzw. Bildungslaufbahn. (…) Wir haben z. B. auch den Umgang mit psychi‐ schen Erkrankungen besprochen. (…) Ich habe erklärt, dass oft Kunstwerke von Menschen mit psychischen Erkrankungen entstehen. Zu dem Thema bekam ich ganz tolle Hausübungen. (IP 3) Studienvertretung ist ein (spezielles) Thema (für Studierende). Das Erstaunen ist am Anfang immer sehr groß, weil sie den ÖH-Beitrag bezahlen müssen, und sie fragen sich, wofür sie diesen einbezahlen müssen. (Die DaF-Lernenden) entdecken dann Möglichkeiten, die sie zuvor gar nicht gesehen haben. Sie sehen, wofür die ÖH zuständig ist und erkennen, was sie für Studierende tut. (IP 4) Zwei von sieben DaF-Lehrenden richten ihre Aufmerksamkeit sogar auf die Thematisierung von historisch-kritischen Themen. Diese Vorgehensweise wurde sehr differenziert begründet. Sie sprachen davon, sich im DaF-Unterricht mit historischen Begriffen (u.-a. Diktatur, Nationalsozialismus) und Konzepten (u.-a. Herrschaft, Macht) zu beschäftigen. Betont wurde dabei, dass es nicht um eine An‐ häufung von historischem Fachwissen gehen sollte oder um das Auswendiglernen von Begriffsdefinitionen, sondern um ein Nachdenken über die unterschiedlichen Bedeutungen der Begriffe und Herrschaftsstrukturen sowie ihre Nutzung zur Strukturierung von individuellen Gedankengängen. Die Auseinandersetzung mit historisch-kritischen Themen trägt laut den Aussagen der Vortragenden zum besseren Verstehen von Gegenwartsphänomenen und zukünftigen Herausforde‐ rungen bei. So scheint es essentiell, dass auch im DaF-Unterricht, Schlüsse aus der Geschichte gezogen und auf die Meinungspluralität geachtet wird: Die Studierenden mögen geschichtliche Themen. Ich habe mit meiner C1-Gruppe sehr viel über den Zweiten Weltkrieg und über Adolf Hitler gesprochen. Sie wollen alles darüber wissen. (…) Ich glaube schon, dass man dieses Thema besprechen kann, wenn ihre Nationalität nicht angegriffen wird. Das Thema gehört zu unserer Geschichte und daher auch zu unserer Kultur. (Ich habe) das Thema Diktatur besprochen und (ich finde, dass) österreichische Geschichte im Allgemeinen (immer aufgegriffen werden sollte). (…) Ausgehend von geschichtlichen Ereignissen können Bezüge zur Aktualität hergestellt werden. Die Studierenden befinden sich in Österreich und die meisten wollen auch wissen, was damals passiert ist (und heute passiert). (Meiner Meinung nach) muss aber mit dem Thema des Zweiten Weltkriegs neutral (umgegangen werden) und mit ein bisschen Abstand kann man es immer besprechen. (IP 5) Aus den diversen Standpunkten hinsichtlich der Themenwahl wurde ersicht‐ lich, dass prinzipiell eine große Vielfalt an Ober- und Unterthemen für den DaF-Unterricht in unterschiedlichen Kontexten verwendet wird. Außerdem empfahlen die befragten DaF-Lehrenden, die genannten Themenkomplexe in Kultur- und Wertevermittlung im universitären DaF-Unterricht 191 <?page no="192"?> den Syllabus aufzunehmen. Die folgende Tabelle (4) veranschaulicht beispielhaft die in der Analyse dargelegten Ergebnisse, sodass die vorgeschlagenen Ober- und Unterthemen dargestellt werden: Auswahl der Themen Oberthemen Unterthemen Materielle Werte Luxus, Markenkleidung, Werbung usw. Immaterielle Werte Ehrlichkeit, Verlässlichkeit, Wertschät‐ zung, Authentizität, Höflichkeit, Freund‐ lichkeit, Hilfsbereitschaft usw. Demokratische Werte und Menschen‐ rechte Schutz der Menschenwürde, persönliche Freiheit, Toleranz und Akzeptanz von Vielfalt, soziale Gerechtigkeit, Solidarität, Recht auf Leben, Sicherheit, Religions-, Meinungs-, Pressefreiheit usw. Alltagsthemen Sich-Begrüßen, Familie, Freundschaften, Essen und typische Speisen, Wohnen und Zusammenleben, Einkaufen, Arbeits‐ welt und Berufe, persönliche Konflikte und persönliche Grenzen, Gesundheit, Vorsorge und Hygiene, Ausbildung und Bildung usw. Kulturthemen Vorurteile und Stereotype, Feste und Bräuche (z.-B. Weihnachten, Ostern), Ma‐ lerei, Musik, Zeitgefühl und Multitasking usw. Aktuelle, globale Themen Pandemie, Impfen, Krieg und Gewalt, Migration und Flucht, Armut, Frieden, Terrorismus, Umwelt und Klimakrise, Fridays-for-Future-Demos, politische The‐ menkomplexe (z. B. Wahlen in Österreich) usw. Tabuisierte, kontroverse Themen Körperliche Behinderung, Psychische Er‐ krankungen, Blutabnahme bei Homosexu‐ ellen, Sexuelle Neigungen (LGBTQIA +), Gefängnisstrafen, Tod usw. Historisch-kritische Themen Zweiter Weltkrieg, Zwangsmigrationen, Judentum, Antisemitismus, Euthanasie‐ programm, Diktatur, Kommunismus, DDR, Berliner Mauer usw. Tabelle 4: Themenauswahl für den wertorientierten, kulturreflexiven DaF-Unterricht 192 Stefanie Faustmann <?page no="193"?> Neben der Themenauswahl ist auch der Einsatz verschiedenster Materialien im DaF-Unterricht von großer Wichtigkeit. Die DaF-Lehrenden waren sich einig, dass auf die multiperspektivische Darstellung der jeweils gewählten Thematik geachtet werden sollte, denn nur so kann ein Gegenstand aus mehreren, mindes‐ tens zwei unterschiedlichen Standpunkten dargestellt werden. Demnach geht es im Wesentlichen darum, viele Sichtweisen kennenzulernen und zu untersuchen. Alle befragten Personen betonten in diesem Kontext, Zeitungsartikel, Berichte und Reportagen oder auch Sachtexte und literarische Texte (z. B. Prosatexte oder Gedichte) im DaF-Unterricht einzusetzen und diese kritisch zu kommentieren: Oder man sagt zu den Studierenden, dass man sich Österreich durch die Brille von Omar Khir Alanam ansieht. (…) Alles, was in seinen Texten (und Büchern) vorkommt, kann (im DaF-Unterricht) besprochen werden. Auch alle Werte, die er anspricht, können zum Thema gemacht werden und vor allem auch Werte seiner Kultur. (IP 2) Ich bin ein Fan von authentischem Material. Ich schaue, ob es in Magazinen oder Zeitungen passendes Material gibt. Sei es einmal ein Artikel über einen Banküberfall oder (über das Verhalten im Straßenverkehr, um zu klären), was man darf oder nicht darf. (IP 7) Man braucht Inputs (durch Sachtexte), die das Denken anregen oder sogar etwas provokant sind. (Ich) bespreche auch das Thema Homosexualität im Tierreich. (…) Die (Materialien müssen so gewählt sein), dass überhaupt ein Redebedürfnis entsteht. So passiert dann ein reger Erfahrungs- und Meinungsaustausch. Sie erzählen, was sie darüber (…) gelesen haben. (IP 3) Literatur ist sinnvoll, weil die Themen oft aktuelle Situationen in einem Land darstellen. Tagesaktuelle Zeitungen sind oft auch provokativ gestaltet, sodass man sie als Anlass für ein Gespräch heranziehen kann. Oft werden in Zeitungsartikeln Meinungen von einzelnen Personen oder Gremien ausgedrückt. Im Unterricht kann man dann diese Meinungen hinterfragen. (IP 5) Ich habe einen Text, wo drei junge Wissenschaftler: innen vorstellen, wie sie etwas ausprobieren. Sie probieren z. B. aus, wie es ist, Würmer unter die Haut zu setzen, um zu (sehen), wie sich der Wurm entwickelt und wie man dann auch entsprechend handeln könnte, oder die Wissenschaftler: innen gehen in extreme Weltregionen, um zu erfahren, wie das auf ihren Körper wirkt. Man fragt (die Studierenden) dann, ob es solche gefährlichen Situationen auch in ihrem Studium gibt oder wie weit sie auch gehen würden, um etwas zu erforschen. (IP 4) Im Übrigen wird von Seiten der DaF-Lehrenden versucht, Texte nach be‐ stimmten Kriterien auszuwählen. Diese Kriterien sind unterrichts-, lehrenden-, Kultur- und Wertevermittlung im universitären DaF-Unterricht 193 <?page no="194"?> studierenden- und textbezogen sowie auch ästhetisch: Einerseits spielen hierbei die zeitlichen Möglichkeiten eine entscheidende Voraussetzung, andererseits ist es auch der: die Vortragende, der: die den Lernzielen entsprechend einen Text auswählen sollte. Deshalb sollten alle Lernfaktoren, die von der Zielgruppe abhängen, mit einbezogen werden. Die Vorlieben, Interessen und Vorkenntnisse der Gruppe werden dabei mitbedacht. Weiters sollten diese Texte sprachlich gut gewählt sein und nicht über dem Sprachniveau der Zielgruppe liegen, weil sich dies laut Aussagen der DaF-Lehrenden negativ auf die Lesemotivation und den Lesegenuss auswirken könnte. Beliebt sind gegenwärtige Autor: innen, welche sprachlich leichter zu verstehen sind als Klassiker, welche für die Studierenden schon anspruchsvoller sind. Sechs der Gesprächspartner: innen nutzen verstärkt (Kurz-)Filme für den DaF-Unterricht. Den Vortragenden zufolge bietet der Filmeinsatz gerade für einen wertorientierten, kulturreflexiven Sprachunterricht viele Chancen. Die Freude am Film kann beim Erarbeiten des Themas genutzt werden. Mit der Verwendung des Films knüpfen die DaF-Lehrenden an die Lebenswelt der Studierenden an, für die Videoclips oder Filme fest zu ihrem Lebensalltag gehören. Fremde Kulturen können auf diese Weise laut den Befragten erlebt werden, sodass Studierende z. B. andere Lebensentwürfe und (transkulturelle) Biographien im Unterricht kennenlernen können. Einen weiteren Vorteil sehen die Vortragenden darin, dass oft Emotionen, wie Freude, Trauer oder Wut, ge‐ weckt werden und sich die Studierenden intensiver mit dem jeweils gewählten Inhalt auseinandersetzen können. So gibt es unzählige (Kurz-)Filme, die sich zur Behandlung unterschiedlichster Themen eignen: Ich kenne einen spezifischen Film. (…) In (diesem) Film sieht man, wie ein amerika‐ nischer Geschäftsmann auf einen deutschen Geschäftsmann trifft. Beide haben im Umgang miteinander Probleme, weil sie z. B. unterschiedliche Einstellungen zur Zeit, zur Ansprache, zur körperlichen Distanz, zur Lässigkeit oder Hierarchie usw. haben. Es werden diese Unterschiede (…) besprochen. (…) Auch von Seiten der Studierenden kommt viel zu diesem Thema. Sie stellen viele Fragen, die Österreich betreffen. Sie fragen z. B., warum man Grüß Gott sagt und Guten Tag nicht so üblich ist. Hier sieht man wieder den Einfluss des Katholischen. (IP 2) Ich zeige (in meinem C1-Kurs) auch gerne Karambolagen, die von ARTE produziert werden. ARTE thematisiert sehr oft den Kulturvergleich zwischen Deutschland und Frankreich. So kommen auch unsere Eigenheiten und Gepflogenheiten stark hervor. (IP 6) Es kann aber auch eine Fernsehmeldung von einem Nachrichtensender sein. Man sollte (…) die mediale Brandbreite ausschöpfen, auch wenn es viel Arbeit ist. Jedes 194 Stefanie Faustmann <?page no="195"?> Thema eignet sich auch nicht für meine Zielgruppe, aber wenn es für die Gruppe passt und wenn es für mich als Lehrende passt, dann mache ich das Thema im Unterricht. (…) Einen Film, den ich immer wieder mache, ist der Schwarzfahrer. Das ist ein Kurzfilm, der ca. elf Minuten dauert. (…) Es geht um das Thema Vorurteile und Rassismus. Es ist wirklich ein spannender Kurzfilm (und ich) mache ihn gerne im Unterricht. (IP 7) Fünf Personen nannten das Potential von Bildern im DaF-Unterricht - seien es Fotographien, Gemälde, Karikaturen, Wimmelbilder oder Diagramme. Die Verwendung von provozierenden Bildern im Unterricht wurde aus diversen Gründen bevorzugt: Neben der kognitiven Ebene bieten die unterschiedlichen Bilder auch die Möglichkeit, die emotionale Ebene zu erreichen und die Em‐ pathiefähigkeit der Studierenden zu fördern. Bilder ermöglichen den DaF-Ler‐ nenden, das Dargestellte zu beschreiben, erste Assoziationen zum Unterrichts‐ gegenstand zu sammeln, Verknüpfungen herzustellen, Hypothesen anzustellen oder Gedanken und Meinungen wiederzugeben: Das heißt, dass ich (zum gegebenen) Thema nicht immer Text(ausschnitte) wähle, sondern ich gebe die Fragen (…) vor und moderiere im Unterricht. Wir sitzen im virtuellen Raum oder im Klassenraum und das Bild wird an die Wand gebeamt. Ich frage, was sie sehen, und sie sollen das Bild kurz beschreiben. Sie (äußern sich darüber), was das Bild ausdrückt und in welchem Zusammenhang dieses Bild eigentlich steht. (…) Ausgehend vom Bild gehe ich dann auf das Thema ein. (IP 1) Ich stelle (den Studierenden) die Frage, warum sie mit bestimmten Leuten aus einer Nation zusammenleben möchten und warum eher nicht. (Wir stehen) im Kreis und ich lege Bilder mit Leuten auf den Boden, die nicht der Norm entsprechen, oder besser gesagt, nicht so aussehen wie viele andere Personen, die z. B. eine andere Hautfarbe haben. (…) Die Studierenden sollen dann überlegen, wer ihnen sympathisch oder weniger sympathisch ist. (…) Dann kann man darüber diskutieren. (IP 2) Man kann auch die Bilder (zu einem) Artikel verwenden und man kann sich überlegen, wie das Bild den Text unterstreicht. Man kann sich fragen, ob das Bild polarisierend oder dramatisierend wirkt. Man bemerkt auch, was ein Bild mit einem macht und welche Emotionen ein Bild auslöst. (IP 5) Weitere Materialien, die zusätzlich zu den Lehrwerken und Skripten vorge‐ schlagen wurden, sind Werbebroschüren, Graphic Novels, Hörbeiträge (z. B. Podcasts), Lieder, Todesanzeigen oder Artefakte. Die folgenden Interviewaus‐ züge verdeutlichen die Meinungen dazu: Kultur- und Wertevermittlung im universitären DaF-Unterricht 195 <?page no="196"?> (Ich didaktisiere gerne) Lieder. Das funktioniert schon auf B1. Man kann z. B. einen österreichischen Künstler besprechen und (dazu verschiedene Lieder anhören). Wir haben vor kurzem Falco und Mozart miteinander verglichen. (IP 6) Ich mache ganz viele Lernangebote zum Rezipieren. Studierende sollen (die Möglich‐ keit haben), ganz viele unterschiedliche Hörbeiträge an(zu)hören. (…) Wenn ich einen Radiobeitrag finde, in dem es um Werte geht, verwende ich ihn. Anhand der Hörbeiträge (…) ist dann ein Meinungsaustausch bzw. eine Diskussion im Unterricht möglich. (IP 3) Mir gefällt (…) das Universitätsradio sehr gut. Die (Hör-)Beiträge sind kurz (und) sie behandeln ein akademisches Thema. Sie sind (auch) aktuell, deshalb nutze ich diese Beiträge (…). (IP 4) Wir lesen auch Todesanzeigen, weil (sie einerseits) unterschiedliche Textsorten kennenlernen sollen und andererseits (auf die Gewohnheit hingewiesen wird), dass Österreicher: innen gerne Todesanzeigen lese(n). (Außerdem kann) natürlich über das Tabu-Them(a) Tod gesprochen werden. (IP 7) In Bezug auf die Methoden und Strategien gaben alle Gesprächspartner: innen an, dass sie bei der Unterrichtsplanung viel Wert auf Methodenvielfalt legen. Es fällt auf, dass die DaF-Lehrenden stets darum bemüht sind, das eigene Methodenre‐ pertoire zu erweitern, weil dies die Basis für einen abwechslungsreichen DaF- Unterricht ist. Denn mittels unterschiedlicher, geeigneter Methoden können die geplanten Thematiken und die damit verbundenen Werte im DaF-Unterricht effektiv vermittelt werden. Deshalb scheint es für die befragten Personen empfehlenswert, sich Gedanken darüber zu machen, welche Methoden und Strategien zur jeweiligen Gruppe passen, um sich als DaF-Lehrende für die Bewusstseinsbildung zu engagieren und ein besseres Verständnis von gewissen Werten, wie z. B. Solidarität, Gleichheit oder Frieden, aufzubauen, aber auch einen interkulturellen Dialog zu fördern. Alle Interviewpartner: innen erzählten, dass es ihnen in den Gesprächen im Unterricht sehr gut gelang, Wertedis‐ kussionen und -reflexionen anzuregen. Die Studierenden sind daher im DaF- Unterricht des Öfteren aufgefordert worden, eigene und andere Standpunkte und Haltungen zu hinterfragen, aber auch Pro- und Contra-Argumente zu entwickeln: (Meiner Erfahrung nach kann es sehr gut gelingen, wenn) die Studierenden zu einem Thema Pro- und Contra-Argumente entwickeln. (Generell ist der) Argumen‐ tationsaufbau im Deutschen ein zentrales Ziel des Unterrichts. Manchmal gebe ich das Thema vor oder ich teile die Studierenden (…) (so ein, dass sie entweder Pro- oder Contra-Argumente sammeln und so zum Thema Stellung beziehen). Das kann 196 Stefanie Faustmann <?page no="197"?> eine Erleichterung sein, weil sich Studierende nicht mit der persönlichen Haltung auseinandersetzen müssen. Sie sollen sich (nur) überlegen, was dafür oder dagegen spricht. (IP 4) Das Argumentieren-Lernen ist natürlich auch wichtig. Es ist (relevant), wie (die Sprachenlernenden) ihre Meinungen ausdrück(en). (Sie sollen) sich fragen, wie (sie) ihre Meinung mit einem Beispiel untermauern und nicht nur ein Totschlagargument (nennen). Es ist also wichtig, wie man argumentiert und seine Meinung (in Diskus‐ sionen) ausdrückt. (IP 2) Aus den Zitaten geht auch hervor, dass es den Studierenden hilft, wenn Sprachmittel für die Diskussion zur Verfügung gestellt werden oder zuerst in Kleingruppen und dann erst im Plenum diskutiert wird. So ähnlich wie im Präsenzunterricht betonten die Sprachlehrenden auch im Online-Setting mehrmals Meinungsumfragen mit den Sprachenlernenden gemacht zu haben: Im Online-Unterricht (bieten sich) die entsprechenden Umfragen an, sei es von Skype for Business oder Big Blue Button. (…) (Hierbei) kann man seine Stimme abgeben, seine Meinung kundtun und das eignet sich z. B. hervorragend, um Stimmungsbilder abzurufen. Diese Umfragen sind das Um und Auf. (IP 1) Hier sei auch darauf hingewiesen, dass fünf der DaF-Lehrenden die Ansicht vertreten, nach Präsentationen von Teilnehmer: innen oder Expert: innen im DaF- Kurs über die Inhalte der Vorträge zu diskutieren. Dabei haben alle Teilneh‐ menden im Unterricht die Gelegenheit, ihre Meinungen und Erfahrungen zur vorgegebenen Thematik mitzuteilen. Den Sprachlehrenden zufolge ist es dabei besonders wichtig, im Rahmen dieses Meinungs- und Erfahrungsaustauschs sowohl die Sachebene im Auge zu behalten als auch die emotionale Ebene der Studierenden zu erreichen: Ich habe einmal Expert: innen eingeladen, die über den Umgang mit Behinderung gesprochen haben. Es gab einen Vortrag, der (im DaF-Kurs) gehalten wurde. Für viele war es unglaublich schlimm, weil sie zum ersten Mal gehört haben, dass es im Nationalsozialismus ein (Euthanasie-)Programm gegeben hat, (…) wo Menschen mit Behinderung getötet worden sind. (Nach dem Vortrag) wurde gemeinsam über die historischen Geschehnisse diskutiert und reflektiert. Eine Studentin schrieb sogar bei der Semesterabschlussreflexion, dass diese Stunde sie schockiert hat. (IP 3) Darüber hinaus zeigten sich die Befragten gegenüber dem Einsatz von drama‐ pädagogischen Methoden im DaF-Unterricht sehr offen, weil sie die emotionale Kompetenz der Studierenden gezielt fördern: Kultur- und Wertevermittlung im universitären DaF-Unterricht 197 <?page no="198"?> (Es gibt) z. B. Spiele, wo man den Studierenden etwas hinten auf den Rücken klebt und ihnen (eine bestimmte Rolle) zuteilt. (…) Wenn jemand denjenigen hat, der unsympathisch ist, soll er sich so verhalten. Er weiß aber nicht, welche Rolle er hat. Im Anschluss an die Aktivität wird dann in der Gruppe darüber diskutiert, wie sie die Situation empfunden haben. (IP 2) Rollenspiele mache ich sehr gerne. Ich bereite Rollenspiele so vor, dass immer eine Rolle von zwei Leuten eingenommen werden könnte, d. h., dass jemand immer eine Person hinter sich hat, die bei Wortschatzproblemen oder Ähnlichem einspringen könnte. Die Person kann dem anderen dann helfen oder man sagt von sich aus, dass eine andere Person übernehmen soll. (Es ist wichtig), dieses Back-up zu haben. Rollenspiele sollten nämlich keinen Stress verursachen und aus Erfahrung weiß ich, dass die meisten bei diesem Spiel aufblühen. (Außerdem) erkennt man genau in solchen Situationen, welche Talente die Studierenden mitbringen. (IP 3) Mit Empathiefähigkeit ist das Einfühlen in andere Personen gemeint. Im Fremdspra‐ chenunterricht kann man das sehr gut mit Rollenspielen üben. Man versetzt sich in andere Personen hinein. Man kann z. B. zum Thema Migration ein Interview führen lassen und ein: e Student: in versetzt sich in einen Migranten bzw. eine Migrantin hinein. Dadurch kann Empathie entstehen. Man nimmt an, dass die Lernenden neue Perspektiven erkennen und dass man sich leichter in andere Personen hineinversetzen kann. So fragt man sich, ob in diesem Zusammenhang auch Handlungskompetenzen gefördert werden. (IP 6) Indem sich die DaF-Lernenden also in die jeweilige Rollenfigur hineinversetzen, können sie deren Gefühle, Haltungen und Handlungsintentionen besser ver‐ stehen und nachempfinden. Deshalb erleben sie im Rollenspiel, welche Folgen ihr Verhalten bzw. Handeln im alltäglichen Leben haben könnte. Um die Sprachenlernenden bei der Umsetzung von Rollenspielen zu unterstützen, scheint es sinnvoll zu sein, sprachliche Hilfestellungen zur Verfügung zu stellen, sodass sprachliche Anforderungen im DaF-Unterricht zunehmend selbstständig bewältigt werden können. Neben Diskussionen, Meinungsumfragen und Rollenspielen wurde von Seiten der Befragten erwähnt, auch Exkursionen zu machen oder ihre Studie‐ renden an einem Poetry Slam teilnehmen zu lassen. Zwei der DaF-Lehrenden berufen sich wiederum auf die Arbeit mit Fallstudien: Ich wähle auch sehr gerne ein YouTube-Video des deutschen Automobilclubs aus. Dieses Video heißt Die Gaffer. In diesem Video geht es um einen Autounfall. Junge Leute kommen zu diesem Autounfall und posten einiges: den Feuerwehrmann, die Rettung, das Unfallauto usw. Das ist in meinen Augen ein Hardcore-Video, weil ein 198 Stefanie Faustmann <?page no="199"?> Jugendlicher ständig seiner Mutter Fotos schickt. Seine Mutter meldet sich aber nicht. (…) Dann ruft er sie an, stehend auf dieser Autobahn unmittelbar neben dem Auto, das kaputt gegangen ist, und dann sieht man als Einblendung das Handy seiner Mutter dort liegen. Man sieht den Anruf und er realisiert, dass die Mutter nicht mehr abnehmen kann, weil sie das Unfallopfer ist. (Die Studierenden) müssen sich zunächst mit der Situation konfrontiert sehen. (…) Sie sehen sich das Video an und beantworten unterschiedliche Fragen, wie z. B. welche Lebensweise durch das Handy beeinflusst wird, ob sich unsere Wertvorstellungen durch das Handy verschoben bzw. verändert haben oder welche Einflüsse sich auf soziale Beziehungen feststellen lassen. (IP 1) Ich verwende immer wieder gerne Fallstudien, wo sich Menschen ungewöhnlich oder komisch verhalten. Wir überlegen gemeinsam, was die Ursachen dafür sein könnten. (…) Diese Fallstudien zeigen, wie unterschiedlich wir eigentlich sind und wie leicht Missverständnisse entstehen können. (So wird auch den Studierenden klar), dass Kommunikation und Zusammenleben immer von Missverständnissen geprägt sind. Man kann aber nie sagen, dass es nur eine Lösung (…) oder nur eine Erklärung gibt. (Ich frage) Studierende z. B. oft direkt, wie sie das Problem sehen und wie sie dazu stehen. (Was ich auf keinen Fall möchte, ist,) dass ich ständig von meiner Sicht als Lehrerin sage, was richtig oder falsch ist. Gerade wenn es um die Werte unseres Zusammenlebens geht, ist dies sehr schwer und (meines Erachtens) zu moralisierend. (IP 2) Was durch diese Zitate nachvollziehbar wird, ist der Gedanke, Fallstudien zur Förderung der Problemlösekompetenz von Studierenden einzusetzen. Die Problemlösekompetenz gilt als eine wichtige Fähigkeit, um Problemsituationen zu begreifen und zu lösen, in denen die Lösung nicht unmittelbar auf der Hand liegt. Die DaF-Lehrenden sind der Ansicht, dass die Studierenden eine hohe Bereitschaft haben sollten, sich mit derartigen Fallstudien auseinanderzusetzen, um das eigene Potential als reflektierende: r Bürger: in voll auszuschöpfen. Deshalb sind u.-a. Problemsituationen aus dem realen Leben sehr beliebt. Wie in den oben angeführten Zitaten beschrieben wurde, plädierten die Befragten für eine Förderung und Erweiterung unterschiedlicher Kompetenzen und Fähigkeiten im DaF-Unterricht. Diese betrafen nicht nur den sprachlichen, kommunikativen Bereich, was die folgende Auflistung deutlich macht: • Argumentationsförderung, • Autonomieförderung, • Diskursfähigkeit, • Entscheidungsfähigkeit, • Empathiefähigkeit, • Kommunikationsfähigkeit, Kultur- und Wertevermittlung im universitären DaF-Unterricht 199 <?page no="200"?> • Kooperations- und Teamfähigkeit, • Problemlösefähigkeit. An dieser Stelle wurde auch der Einsatz verschiedenster Sozialformen empfohlen. Dazu gehören gemäß den Gesprächspartner: innen Einzel-, Partner: innen- und Kleingruppenarbeit sowie auch Plenums- und Frontal‐ unterricht. Vom autonomen Sprachenlernen wurde in den Gesprächen nur dann gesprochen, wenn die Autonomie der Studierenden gefördert werden sollte. Konkret für das Sprachenlernen heißt das, zu lernen, wie man die be‐ reits vorhandenen Sprachkenntnisse und -lernerfahrungen möglichst effektiv nutzen kann. So wurden als didaktische Methode Stationenbetriebe, bei denen Teilaspekte eines Unterrichtsthemas an mehreren Stationen erarbeitet werden und die Studierenden in Gruppen zusammenarbeiten können, als besonders sinnvoll erachtet: Was ich auch gerne mache, sind Stationenbetriebe. Das ist eine alternative Methode, die sich sehr gut (dafür) eignet, um bestimmte Themen(aspekte) zu behandeln. (…) Die Studierenden können sowohl allein als auch in Gruppen arbeiten. Ich habe z. B. einen Stationenbetrieb zum Thema LGBTQA+ in Gruppen durchgeführt. Es ging grundsätzlich um den Austausch mit anderen, deshalb war die Arbeit in Kleingruppen ideal. Ich ging dann im Raum herum und habe die Studierenden beim Erarbeiten des Themas unterstützt. (IP 5) Umso wichtiger scheint es zu sein, einen wertorientierten, kulturreflexiven DaF- Unterricht partizipativ zu gestalten, d. h. eine von Partizipation geprägte Unter‐ richtskultur verlangt mehr als nur eine punktuell ermöglichte Mitgestaltung. Vielmehr braucht es nach den Interviewpartner: innen ein bewusst demokrati‐ sches, reflektiertes Miteinander. Dies lässt auch den Anspruch entstehen, dass Demokratie im direkten Umfeld vernünftig erlebt wird. Notwendig ist also ein wertschätzender, achtender Umgang miteinander im DaF-Unterricht. Auf dieser Grundlage ist es möglich, spezifische Bedürfnisse und Wünsche der Stu‐ dierenden zu berücksichtigen, sodass nicht nur von den DaF-Lehrenden allein, sondern auch in Zusammenarbeit mit den Studierenden Entscheidungen zur Auswahl von Themen, Materialien oder Methoden getroffen werden können. Aus den Gesprächen mit den DaF-Lehrenden wurde darüber hinaus die Be‐ deutung hinsichtlich einer wertschätzenden Feedbackkultur im Rahmen eines partizipativen DaF-Unterrichts deutlich. Hierfür ist es wichtig, dass von Seiten der DaF-Lehrenden und -Lernenden eindeutige Rückmeldungen, z. B. über Evaluierungen, gegeben werden. Letztlich zeigen die Interviews, was Sprachlehrende in Bezug auf die Kultur- und Wertevermittlung im Kontext des universitären DaF-Unterrichts als beson‐ 200 Stefanie Faustmann <?page no="201"?> dere Schwierigkeiten ansehen. Anhand der folgenden Tabelle (5) werden zum einen die Herausforderungen der Gestaltung eines wertorientierten, kulturre‐ flexiven DaF-Unterrichts präsentiert, zum anderen Unterrichtsempfehlungen konkretisiert, welche von den befragten Personen abgeleitet wurden und zur Bewältigung von Problemen im Unterricht genutzt werden, sodass diese den zukünftigen DaF-Unterricht bereichern können: Herausforderungen und Unterrichtsempfehlungen Es ist herausfordernd … Die DaF-Lehrenden sollten … … die emotionale Ebene der Studierenden zu erreichen. … dramapädagogische Methoden nutzen. … Rollenspiele durchzuführen, ohne dass sich jemand dabei unwohl fühlt und Angst hat, sein Gesicht zu verlieren. … den Wortschatz vorentlasten und ein freiwilliges Vortragen der Rollenspiele er‐ möglichen. … Studierende aus dem Äquilibrium zu bringen. … die Themen, Materialien und Methoden so auswählen, dass sie motivieren, scho‐ ckieren oder sogar moralisch verwerflich sind. … eine harmonische, angstfreie Atmo‐ sphäre während der Diskussionen zu schaffen. … Studierende keine Meinungen, Hal‐ tungen oder Einstellungen aufzwingen und ihnen Wege zur Mitsprache im Unter‐ richt aufzeigen. … kontroverse Themen von öffentlichem Interesse ohne persönliche Angriffe zu diskutieren. … den Studierenden klar machen, dass es wichtig ist, eigene Standpunkte zu erläu‐ tern, aber auch andere, neue Perspektiven zu akzeptieren und zu reflektieren. … Konflikte bei Diskussionen zu ent‐ schärfen, bevor sie eskalieren. … sich Strategien zur Gewaltprävention oder sogar eines Mediators bzw. einer Mediatorin aneignen. … sich über persönliche Erlebnisse und Er‐ fahrungen im Unterricht auszutauschen, wenn der Wortschatz eingeschränkt ist. … Redemittel zu den jeweiligen Themen zur Verfügung stellen. … diesem anspruchsvollen Publikum ge‐ recht zu werden. … sich regelmäßig Rückmeldungen von Seiten der Studierenden einholen und eine wertschätzende Feedbackkultur auf‐ bauen. Tabelle 5: Herausforderungen und Empfehlungen im Kontext eines wertorientierten, kulturreflexiven DaF-Unterrichts Kultur- und Wertevermittlung im universitären DaF-Unterricht 201 <?page no="202"?> Neben den Herausforderungen und den Empfehlungen zum Umgang mit einem wertorientierten, kulturreflexiven Sprachunterricht wünschen sich die Ge‐ sprächspartner: innen jedoch auch einen gemeinsamen Austausch zum Thema, eventuell im Rahmen des Fort- und Weiterbildungsangebots, und Unterrichts‐ materialien für verschiedene Niveaustufen, welche sie mit dem Ziel einsetzen können, Kultur und Werte auf explizite Weise zu vermitteln. Hospitationen im universitären DaF-Unterricht Im folgenden Teil werden zentrale Ergebnisse der Hospitationen ausgewertet und kommentiert. Der Fokus der ersten Fragestellung liegt auf den Einstel‐ lungen der Lehrenden und Studierenden in den 16 beobachteten Unterrichts‐ einheiten: Hospitationen im universitären DaF-Unterricht Im folgenden Teil werden zentrale Ergebnisse der Hospitationen ausgewertet und kommentiert. Der Fokus der ersten Fragestellung liegt auf den Einstellungen der Lehrenden und Studierenden in den 16 beobachteten Unterrichtseinheiten: Abbildung 10: Lehrendeneinstellungen Im Laufe des Wintersemesters 2021 hat die Autorin die Erfahrung gemacht, dass die DaF-Lehrenden dazu tendieren, sehr authentisch und offen zu sein und die Aufmerksamkeit auf die Wünsche und Bedürfnisse der Sprachenlernenden zu richten. Verbal äußerte sich dies z. B. dadurch, dass sich die Dozent: innen im Dialog mit den Studierenden sehr höflich ausdrückten. Sie klärten Unklarheiten, beantworteten Fragen klar und deutlich und waren beim Erklären sehr geduldig. Bezüglich gemachter Fehler zeigten sich die DaF- Lehrenden sehr verständnisvoll und wertschätzend, was lernförderlich war und eine angstfreie Atmosphäre schaffte, sodass die Kursteilnehmenden motiviert waren, weiter zu üben bzw. zu lernen. Im Kontext des Lehrens und Lernens waren die Sprachlehrenden auch dazu fähig, Empathie zu zeigen. Sie nahmen die Befindlichkeit und Intentionalität der Studierenden in den Interaktionen und Kommunikationssituationen im Unterricht wahr und leiteten daraus Erkenntnisse ab, um das eigene Verhalten darauf abstimmen zu können. So wurde z. B. im A2-Kurs ein Meinungsaustausch zum Thema Wohnen und Zusammenleben initiiert. Die Studierenden hatten die Möglichkeit, ihre Standpunkte bezogen auf die Thematik und ihre Wertvorstellungen darzulegen, indem sie über verschiedene Aspekte abstimmten. Dabei wurde klar, dass es auf der einen Seite notwendig ist, die unterschiedlichen Meinungen der Studierenden zu akzeptieren, und es auf der anderen Seite wichtig ist, den Sprachenlernenden keine persönliche Meinung aufzuzwingen, nur weil die Sprachlehrenden glauben, das für sie persönlich Richtige zu wissen. Deshalb ist es von Relevanz, sich in diversen Lernsettings um Toleranz gegenüber den Studierenden zu bemühen und sie nicht mit einer 0 % 10 % 20 % 30 % 40 % 50 % 60 % 70 % 80 % 90 % 100 % Lehrendeneinstellungen trifft völlig zu trifft zu weder noch trifft nicht zu trifft gar nicht zu Abbildung 10: Lehrendeneinstellungen Im Laufe des Wintersemesters 2021 hat die Autorin die Erfahrung gemacht, dass die DaF-Lehrenden dazu tendieren, sehr authentisch und offen zu sein und die Aufmerksamkeit auf die Wünsche und Bedürfnisse der Sprachenlernenden zu richten. Verbal äußerte sich dies z. B. dadurch, dass sich die DaF-Lektor: innen im Dialog mit den Studierenden sehr höflich ausdrückten. Sie klärten Unklarheiten, beantworteten Fragen ausführlich und waren beim Erklären sehr geduldig. Be‐ züglich gemachter Fehler zeigten sich die DaF-Lehrenden sehr verständnisvoll und wertschätzend, was lernförderlich war und eine angstfreie Atmosphäre schaffte, sodass die Kursteilnehmenden motiviert waren, weiter zu üben bzw. zu lernen. Im Kontext des Lehrens und Lernens waren die Sprachlehrenden auch dazu fähig, Empathie zu zeigen. Sie nahmen die Befindlichkeit und 202 Stefanie Faustmann <?page no="203"?> Intentionalität der Studierenden in den Interaktionen und Kommunikationssi‐ tuationen im Unterricht wahr und leiteten daraus Erkenntnisse ab, um das eigene Verhalten darauf abstimmen zu können. So wurde z. B. im A2-Kurs ein Meinungsaustausch zum Thema Wohnen und Zusammenleben initiiert. Die Studierenden hatten die Möglichkeit, ihre Standpunkte, bezogen auf die Thematik und ihre Wertvorstellungen, darzulegen, indem sie über verschiedene Aspekte abstimmten. Dabei wurde klar, dass es auf der einen Seite notwendig ist, die unterschiedlichen Meinungen der Studierenden zu akzeptieren, und es auf der anderen Seite wichtig ist, den Sprachenlernenden keine persönliche Meinung aufzuzwingen, nur weil die Sprachlehrenden glauben, das für sie persönlich Richtige zu wissen. Deshalb ist es von Relevanz, sich in diversen Lernsettings um Toleranz gegenüber den Studierenden zu bemühen und sie nicht mit einer erwünschten Meinung zu überfordern. Diesbezüglich waren die DaF-Lehrenden in den Hospitationsbesuchen ein Vorbild. Sie respektierten die unterschiedlichen Persönlichkeiten in den Sprachkursen, diskriminierten niemanden und waren bereit, Solidarität im DaF-Unterricht zu fördern. Genauso wie die DaF-Lehrenden scheinen die DaF-Lernenden nicht weniger höflich, tolerant und offen zu sein: Genauso wie die DaF-Lehrenden scheinen die DaF-Lernenden nicht weniger höflich, tolerant und offen zu sein: Abbildung 11: Studierendeneinstellungen Im Hinblick auf die Auswertung scheint die Tendenz größer zu sein, sich mit den Vortragenden zu identifizieren und Einstellungen zu übernehmen, die sie von ihren Sprachlehrenden vorgelebt bekommen. Dies galt z. B., wenn von Seiten der DaF-Lehrenden Höflichkeit vermittelt wurde, indem die Studierenden höfliche Umgangsformen in den Gesprächen im Unterricht benutzten und in den Dialogen einbauen sollten. In den diversen Unterrichtsaktivitäten war es zentral, dass die Studierenden, die sich aus Personen verschiedener Herkunft und kultureller Prägung zusammensetzten, lernten, zusammenzuarbeiten und voneinander zu lernen. Sie waren bereit, sich in Kleingruppen- oder Plenumsdiskussionen gegenseitig zuzuhören und den demokratischen Konsens nicht aufzukündigen, d. h. kein Feindbild von anders Denkenden aufzubauen. Im Gegenteil - sie lernten, respektvoll miteinander umzugehen. In den 0 % 10 % 20 % 30 % 40 % 50 % 60 % 70 % 80 % 90 % Studierendeneinstellungen trifft völlig zu trifft zu weder noch trifft nicht zu trifft gar nicht zu Abbildung 11: Studierendeneinstellungen Im Hinblick auf die Auswertung scheint die Tendenz größer zu sein, sich mit den Vortragenden zu identifizieren und Einstellungen zu übernehmen, die sie von ihren Sprachlehrenden vorgelebt bekommen. Dies galt z. B., wenn von Seiten Kultur- und Wertevermittlung im universitären DaF-Unterricht 203 <?page no="204"?> der DaF-Lehrenden Höflichkeit vermittelt wurde, indem die Studierenden höfliche Umgangsformen in den Gesprächen im Unterricht benutzten und in den Dialogen einbauen sollten. In den diversen Unterrichtsaktivitäten war es zentral, dass die Studierenden, die sich aus Personen verschiedener Herkunft und kultureller Prägung zusammensetzten, lernten, zusammenzuarbeiten und voneinander zu lernen. Sie waren bereit, sich in Kleingruppen- oder Plenums‐ diskussionen gegenseitig zuzuhören und den demokratischen Konsens nicht aufzukündigen, d. h. kein Feindbild von anders Denkenden aufzubauen. Im Ge‐ genteil - sie lernten, respektvoll miteinander umzugehen. In den Beobachtungs‐ situationen wurde die Erfahrung gemacht, dass nicht nur die Sprachlehrenden, sondern auch die Studierenden Verantwortungsbewusstsein zeigten. Die DaF- Lernenden strebten danach, den Lernzielen nachzukommen und Verantwortung für die Konsequenzen des eigenen Handelns im jeweiligen Lernprozess zu tragen. Mit großem Interesse arbeiteten sie mit ihren Kolleg: innen zu zweit oder zu dritt zusammen. Hierbei verhielten sie sich besonders aktiv. Sie waren moti‐ viert, sich in der Gruppe gewinnbringend zu verständigen und mit den anderen konstruktiv zusammenzuarbeiten. Es schien ihnen wichtig gewesen zu sein, die gemeinsamen Ziele bestmöglich zu erreichen. Zudem kam zum Vorschein, dass kooperative und kollaborative Arbeitsformen für die Autonomieförderung von Sprachenlernenden sinnvoll sind. Dann ist es z. B. leichter, Ideen oder Fakten zu sammeln, gemeinsam zu wiederholen oder ein Thema zu reflektieren und zu diskutieren. Weitere Aspekte, die beobachtet wurden, waren das Lehrenden- und Stu‐ dierendenverhalten und die Interaktionen zwischen dem: der DaF-Lehrenden und den Sprachenlernenden. Es sollte u. a. geklärt werden, inwieweit ein Klima der Annahme in den DaF-Kursen vorherrscht, welche Interaktionsformen bzw. Kooperationsstrukturen erkennbar sind und auf welche Weise den Studie‐ renden Raum zum Austausch gegeben wird, d. h. konkret, wie Werte im DaF- Unterricht kommuniziert werden. Explizit wurden Wertvorstellungen in drei von acht DaF-Kursen weitergegeben, wenn z. B. Erfahrungen oder Erlebnisse geschildert wurden, das Thema persönlich signifikant war oder Wertbegriffe, wie Freiheit, Offenheit oder Loyalität, durch Beispiele klar definiert wurden. Demnach erzählten die Hochschullehrenden z. B., welchen Umgang sie mit sozialen Netzwerken pflegen, welche Erfahrungen sie mit Krankheiten haben, welche Wünsche und Bedürfnisse sie im Hinblick auf das Zusammenleben in der Familie oder in der Gesellschaft hegen, welche Vorstellungen sie von Arbeit und Freizeit haben, welche Bedeutung Humor in Freundschaften hat oder welche Gefühle sie während der Lockdowns hatten. Diese Geschichten waren sehr wirkungsvoll, da sie alltagsnah waren und die Lehrenden ein Stück 204 Stefanie Faustmann <?page no="205"?> von sich preisgaben. In diesem Sinne schafften es die Vortragenden durch ihre Erzählungen, die emotionale Ebene der Studierenden zu erreichen und emotional-soziale Kompetenzen zu fördern. Generell kann gesagt werden, dass ein lernförderliches Klima vorherrschte. Die DaF-Lehrenden in den Kursen neigten dazu, dialogische Gespräche (ab A1) und Diskussionen (ab B1) im Unterricht zu führen. Durchaus zielführend war die besondere Weise, wie die DaF-Lehrenden dafür sorgten, Gespräche oder Diskussionen aufrechtzuerhalten. Sie stellten provozierende Fragen oder warfen rhetorische ein. Mithilfe dieser Art, Fragen zu stellen, konnten die DaF- Lernenden zum Nachdenken angeregt werden. Dabei schien es von Relevanz zu sein, mittels Fragen eine direkte Interaktion mit den Studierenden aufzubauen. Außerdem konnte ein Blick über den Tellerrand die Sichtweise der Studierenden erweitern, sodass die DaF-Lehrenden, z. B. auch mündlich, auf Weisheiten aus anderen Ländern Bezug nahmen. Diese Redewendungen und Sprichwörter förderten nicht nur kritisches Denken, sondern regten auch zum Schmunzeln an. Laut Beobachtungen setzten die DaF-Lektor: innen zudem ein bewusst provozie‐ rendes Statement, indem sie beispielsweise das Gegenteil von dem behaupteten, was allgemein akzeptiert wurde, oder dem Best Case Scenario ein Worst Case Scenario gegenüberstellten. Diese Vorgehensweise wurde allerdings vorwiegend in den B2bzw. C1-Kursen beobachtet. Innerhalb der mündlichen Gespräche in Kleingruppen oder im Plenum wurde augenscheinlich, dass der intensive Austausch unter den Kolleg: innen ein wichtiges Element im DaF-Unterricht war und dass Studierende von Seiten der Vortragenden zum Argumentieren und Handeln motiviert wurden. Jedoch hing es stets vom Sprachniveau der Studierenden ab, wie tiefgründig die Gespräche waren. Wie bereits oben erwähnt, beteiligten sich vor allem die Studierenden in den DaF-Kursen höherer Sprachniveaus (ab B1) sehr rege an den Diskussionen. Sie benutzten die erarbeiteten Sprachmittel, um ihre Gedanken, Ideen oder Meinungen einzubringen, Pro- und Contra-Argumente darzulegen, andere Perspektiven in Frage zu stellen, Probleme aufzuzeigen oder Beispiele zu nennen. Diese Beobachtungen zeigten das große Potential der Studierenden zum eigenständigen Denken, Beurteilen und Handeln. Im Unterschied zu den Stu‐ dierenden in den B1-, B2- und C1-Kursen verhielten sich die Sprachenlernenden in den A1- und A2-Kursen ruhig und diszipliniert. In diesem Zusammenhang ist anzunehmen, dass es ihnen aufgrund der geringen Sprachkenntnisse noch nicht möglich war, aktiv an Diskussionen teilzunehmen, jedoch zeigten sie großes Interesse an den zu behandelnden Themen, wie z. B. Körper und Gesundheit oder Wohnen und Zusammenleben. Gemeinsam setzten sie einfache Dialoge und Aktivitäten um, in denen sie in bestimmte Rollen schlüpften. Kultur- und Wertevermittlung im universitären DaF-Unterricht 205 <?page no="206"?> Des Weiteren wurde auch in den Interviews nach der Konfliktbewältigung im Sprachunterricht gefragt. An dieser Stelle wurde evident, dass alle DaF- Lehrenden die Fähigkeit besaßen, Konflikte möglichst frühzeitig zu deeskalieren und auf konstruktive Art und Weise mit Konfliktsituationen umzugehen. In den beobachteten Unterrichtssituationen wurde die Grenze zu einer destruk‐ tiven Konfliktlösung nicht überschritten, sodass es in der Aushandlung unter‐ schiedlicher Positionen zu keinen Beleidigungen oder Abwertungen kam. Die Studierenden tauschten sich so aus, dass sie verschiedene Meinungen, Inter‐ essen und Werthaltungen diskutierten. Dies führte dazu, dass z. B. Konflikte aufgrund von unterschiedlichen Vorlieben eine Art Motor für Veränderungen auf persönlicher Ebene bildeten. Sie waren notwendig, um sich als Individuen bzw. als Gemeinschaft weiterzuentwickeln. Die wichtigste Voraussetzung für die positive Wirkung von Konflikten war eine friedliche Konfliktlösung. Dies bedeutete schließlich, sich für die Bedürfnisse anderer ebenso wie für die eigenen Interessen einzusetzen und unterschiedliche Perspektiven als eine Mög‐ lichkeit der Veränderung zu nutzen. Demzufolge sollten im Sprachunterricht Optionen oder Alternativen nicht ausgeschlossen, sondern die Möglichkeiten der Problemlösestrategien erweitert werden, um möglichst alle Meinungen zu berücksichtigen. Aus diesem Grund ist es zudem wichtig, sowohl die mündli‐ chen sowie Urteils- und Handlungskompetenzen der Sprachenlernenden zu fördern als auch die Problemlöse- und Reflexionsfähigkeiten. Im Zentrum der Fragestellungen (2), (3) und (4) standen die Wertevermitt‐ lungsmodelle, welche im ersten Teil dieses Beitrags vorgestellt wurden. Es war wichtig zu eruieren, inwieweit die Wertevermittlungsmodelle von Joas, Wiater und Hall mit den beobachteten Unterrichtssituationen übereinstimmten. Die Ergebnisse waren zufriedenstellend, denn die Beobachterin kam zu der Erkenntnis, dass sich die Ansätze und Modelle der Wertevermittlung in den DaF-Unterricht integrieren lassen. In allen DaF-Kursen schien die Methode der Narrativität tief verankert zu sein. Dies wurde z. B. evident, als die Studierenden sich mit den eigenen und fremden Erlebnissen hinsichtlich des Nationalfeiertags beschäftigten. Einerseits wurden diese beschrieben und gedeutet, andererseits beinhaltete dies auch die Förderung der Fähigkeit, diverse Erfahrungen zu verarbeiten und für die Deutungen anderer offen zu sein. Ferner stelle sich heraus, dass sich das Modell von Wiater ab der Mittelstufe in den DaF-Kursen sehr gut eignet. Das Modell an sich war den DaF-Lehrenden noch nicht bekannt, doch sie neigten ab Niveau B1 dazu, mit Fallproblemen im Unterricht zu arbeiten. Anhand eines Videos, in dem auf das Problem der Filterwahl hingewiesen worden war, wurde z. B. darüber diskutiert, was Algorithmen sind, inwiefern sie unseren Alltag erleichtern bzw. erschweren und 206 Stefanie Faustmann <?page no="207"?> ob sie tatsächlich immer mehr die Kontrolle über uns und unsere Einstellungen bzw. Entscheidungen übernehmen. Im B2-Kurs wiederum wurde z. B. über den Umgang mit Stress gesprochen, indem positive und negative Stressfaktoren aufgezeigt und Stressbewältigungsstrategien erarbeitet wurden. In beiden Un‐ terrichtssituationen wurde jedoch offensichtlich, dass Recherchemöglichkeiten in Sachbüchern oder im Internet nicht eingeplant waren. Diese sollten im zukünftigen DaF-Unterricht mitberücksichtigt werden, weil die Suche nach In‐ formationen eine grundlegende Kompetenz zur Erlangung von Wissen darstellt. Umso wichtiger ist es, dass die Studierenden lernen, klar zu definieren, welche Informationen sie suchen und wie sie die Relevanz der von ihnen gefundenen Informationen bewerten und nutzen. In Bezug auf das Modell von Hall wurden unterschiedliche Strategien zur Wertevermittlung bewusst oder unbewusst angewandt. Hierbei kristallisierten sich Differenzen zwischen den Anfänger: innen- und Fortgeschrittenenkursen heraus. Im Anfänger: innenunterricht bevorzugten es DaF-Lehrende, die Spiel- und Gesprächsstrategie einzusetzen. Hier handelt es sich z. B. um Aktivierungs- und Bewegungsspiele, die das Miteinander, angemessene Kommunikation und das friedliche Zusammenleben trainieren sollen. So wurden sie als bewusste Pause oder spielerische Wortschatzübungen angewendet. Bei Rollenspielen wurden sehr gerne kurze, realitätsnahe Dialoge, wie z. B. beim Essen am Tisch oder beim Arztbesuch, umgesetzt. In den Fortgeschrittenenkursen hin‐ gegen nutzten die DaF-Lehrenden eher die Begriffsbildungs-, Bewusstwerdungs-, Bewusstmachungs- und Argumentationsstrategie. Im A2-Kurs tauschten sich die DaF-Lernenden z. B. über die Werte Dankbarkeit und Höflichkeit zum Thema ‚Restaurantbesuch‘ aus oder warfen Argumente in Bezug auf das Thema ‚Leben in der Stadt vs. am Land‘ ein, sodass Pro- und Contra-Argumente klar gegenübergestellt wurden und sich die Studierenden ihrer persönlichen Vorlieben bewusst wurden. Im C1-Kurs wurden Wertbegriffe, wie z. B. Authen‐ tizität, Fairness, Loyalität oder Souveränität, mithilfe von Synonymen und Antonymen erarbeitet. So konnte die Formulierungsfähigkeit erweitert, aber den Studierenden auch Raum zur Wertediskussion und -reflexion gegeben werden. Zu guter Letzt wurde eruiert, welche Aspekte des kulturreflexiven Lehrens und Lernens nach Altmayer (vgl. 2004) im DaF-Unterricht erkennbar sind und inwieweit Diskursfähigkeit und Deutungskompetenz gefördert werden können. Die Beobachtungen gaben zu erkennen, dass eine komparatistische Vorgehensweise, d. h. ein Ländervergleich, und die Darstellung von kulturellen Gemeinsamkeiten und Differenzen dem Deutungslernen laut Altmayer (vgl. 2004) vorgezogen wurden, da die soziale, kulturelle und sprachliche Vielfalt zu Kultur- und Wertevermittlung im universitären DaF-Unterricht 207 <?page no="208"?> einer steigenden Heterogenität von Lebensentwürfen führt. Dies spiegelt sich auch in den DaF-Kursen wider und lenkt den Blick auf (inter-)kulturelle Bildung. Dadurch wurden die DaF-Lernenden dazu befähigt, mit den vielfältigen Lebens‐ entwürfen und Biographien respektvoll umzugehen. Dabei sollten sie erkennen, dass die eigene Lebensgeschichte das individuelle Denken und Handeln prägt. Des Weiteren wurden sie in die Lage versetzt, kulturelle Gemeinsamkeiten und Verschiedenheiten wahrzunehmen, zu analysieren und ihre Bedeutung zu beschreiben sowie auch eine wertschätzende Grundhaltung einzunehmen, ohne kulturelle Zuschreibungen vorzunehmen, österreichische Klischees zu identifi‐ zieren und darauf zu reagieren, rassistische Aussagen oder Handlungsweisen zu hinterfragen und sich dagegen aufzulehnen und sich Meinungen zu bilden. Im C1-Kurs entschied sich der: die DaF-Lehrende für eine andere Vorge‐ hensweise. Hier wurden chronologische Deutungsmuster der Studierenden aktiviert und hinterfragt sowie auch eines der vorgeschlagenen Unterthemen von Altmayer (vgl. 2004) ausgewählt: Arbeitszeit vs. Freizeit. Die DaF-Lernenden mussten sich die Frage stellen, wann es sich bei den präsentierten Tätigkeiten um Arbeit bzw. Freizeit handelte. Sie trafen zu zweit eine Entscheidung, welche sie in der anschließenden Diskussion zu begründen versuchten. So dachten die Sprachenlernenden z. B. gemeinsam darüber nach, ob ein Pfarrer, der nach einer Taufe einen Kaffee mit der Familie trinkt, oder ob ein Mann, wenn er ein Loch in die Erde gräbt und es wieder zuschüttet, arbeitet. Zusammenfassend kann gesagt werden, dass die Integration von Altmayers’ Theorien in die Praxis möglich ist und durchaus zielführend in den fremdsprachigen Deutschunterricht einge‐ bettet werden kann. Resümee Im Rahmen des Projekts Kultur- und Wertevermittlung im universitären DaF- Unterricht bei treffpunkt sprachen konnte durch eine umfangreiche Analyse festgestellt werden, wie die DaF-Lehrenden in ihren Kursen mit der Vermitt‐ lung von Werten und Kultur umgehen sollten. Es wurde gezeigt, dass eine Professionalisierung im DaF-Unterricht notwendig ist, um auf explizite Weise Wertebildungsprozesse anzuregen bzw. Wertediskussionen und -kommunika‐ tionen zu initiieren. Im ersten Teil wurden Schwerpunkte auf die Darstellung konkreter Theorien, Modelle und Methoden der Kultur- und Wertevermittlung gesetzt. In Bezug darauf wurde zum einen gezeigt, dass Werte und Kultur in enger Beziehung stehen, weil alle Arten von Werten, die von Individuen übernommen werden, stark von der kulturellen Umgebung beeinflusst sind, sodass auch die Sprache 208 Stefanie Faustmann <?page no="209"?> eine relevante Funktion hat. Die dargestellten Konzepte machten zum anderen deutlich, dass ein rein komparatistisches Vorgehen in den fremdsprachigen Kulturstudien als problematisch gilt, da es ein Kultur-Inseldenken reproduziert. Die Entwicklung von zeitgemäßen Konzepten ließ erkennen, dass kulturelle Deutungsmuster von den Sprachenlernenden kritisch hinterfragt und reflektiert werden sollten. Diese reflexive Haltung verstärkt den Aufbau eines Bewusst‐ seins über die individuell geprägte Wahrnehmung kultureller Werte. Die Ergebnisse der empirischen Untersuchungen ergänzen die im ersten Teil vorgestellten Ansätze und Modelle und geben wichtige Impulse dafür, wie ein wertorientierter, kulturreflexiver DaF-Unterricht im universitären Kon‐ text in die DaF-Kurse integriert werden kann. Die nachstehend aufgelisteten methodisch-didaktischen Prinzipien eines wertorientierten, kulturreflexiven DaF-Unterrichts zeigten sich im Rahmen der Untersuchungen, welche als theoretisches Gerüst herangezogen werden können und den DaF-Lehrenden als Basis für Entscheidungen der Unterrichtsplanung und -durchführung dienen: • Affektgebundenheit: Eine kognitive Beschäftigung mit einer Thematik ist dann sinnvoll, wenn sie bei den Sprachenlernenden emotionale Betroffen‐ heit auslöst. • Authentizität: Einsatz kontextualisierter, authentischer, vielfältiger Materia‐ lien, wie z. B. Zeitungsartikel, literarische Texte, Bilder, Hörbeiträge oder multimodale Medien. • Differenzierung: Förderung aller DaF-Lernenden durch das Angebot diffe‐ renzierter Lernangebote; Gelegenheiten zur Selbsttätigkeit und Verantwor‐ tungsübernahme schaffen. • Handlungsorientierung: Die DaF-Lernenden sollen ihre Handlungskompe‐ tenz erweitern, indem sie andere verstehen, sich verständlich machen, die Bedeutung von Wörtern aushandeln, argumentieren lernen, Stellung zu einem Thema beziehen und Meinungen ausdrücken bzw. auf andere Standpunkte eingehen. • Interaktionsförderung: Durch Übungen und Aufgaben im DaF-Unterricht werden die Studierenden dazu angeregt, miteinander zu kommunizieren und zu handeln, z.-B. in Partner: innen- oder Gruppenarbeiten. • Kompetenzorientierung: Die DaF-Lernenden reflektieren ihren Lernprozess und suchen nach erfolgsversprechenden Lernwegen zur Wissens- und Erfahrungserweiterung und -überprüfung; Erweiterung unterschiedlicher Kompetenzen und individueller Deutungsmuster. • Kontextualisierung: Sprache und Kultur sind miteinander verschränkt, sie können aber nicht ohne die Bezugnahme auf die gesellschaftliche Wirklich‐ keit gelernt werden. Kultur- und Wertevermittlung im universitären DaF-Unterricht 209 <?page no="210"?> • Lernendenorientierung: Berücksichtigung der Interessen und Bedürfnisse der Sprachenlernenden; Begleitung der individuellen Lernprozesse und Auswahl der Themen in Abstimmung mit den Studierenden. • Multiperspektivität: multiperspektivische Darstellung des zu behandelnden Themas durch eine adäquate Materialienauswahl und den Einsatz verschie‐ dener Methoden und Strategien bei der Bearbeitung der Thematik. • Partizipation: Die DaF-Lernenden können aktiv am Unterricht teilnehmen, ihre Vorkenntnisse einbringen, Fragen stellen und das Unterrichtsge‐ schehen mitgestalten. • Realitätsbezogenheit: Identifizierung mit den Themen mittels realitätsnaher Darstellung. Die DaF-Lernenden sollen Aufgaben bewältigen, die einen Bezug zu ihrer eigenen Lebenswelt haben und die auf sprachliches Handeln in alltäglichen Situationen vorbereiten. • Vertiefung: An den Unterrichtsthemen soll das Exemplarische klar er‐ kennbar werden. Dabei wurden die folgenden Lernformen präferiert: • Lernen am Vorbild: Orientierung an Bezugspersonen, berühmten Persön‐ lichkeiten, DaF-Lehrenden etc. • Erfahrungsbasiertes Lernen: Gestaltung einer aktivierenden und handlungs‐ orientierten Lernumgebung; Einbeziehung der Erfahrungen von DaF-Ler‐ nenden. • Globales Lernen: Komplexe Themen und Krisen der Gesellschaft (z. B. Klimakrise) in ihrer globalen Dimension verstehen und gemeinsam ein neues Verständnis von gesellschaftlicher Verantwortung und Partizipation entwickeln. • Interaktives, kommunikatives Lernen: Förderung der Zusammenarbeit und der Kommunikation im DaF-Unterricht durch den Einsatz von interaktiven Lernaktivitäten, wie z.-B. Diskussionen und Rollenspielen. • Kompetenzorientiertes Lernen: Einsatz und Weiterentwicklung von Kennt‐ nissen, Fertigkeiten und Fähigkeiten, welche für das Erzielen der Lerner‐ gebnisse essentiell sind. • Kooperatives Lernen: In vielfältigen Kooperationen neue Perspektiven im Kontext einer kulturell heterogenen Welt entwickeln. • Kulturreflexives Lernen: Vorherrschende Deutungsmuster hinterfragen. • Problemorientiertes Lernen: Einsatz von Fallanalysen im DaF-Unterricht. • Machtkritisches, reflexives Lernen: Machtkritische Perspektiven wahr‐ nehmen und reflektieren. 210 Stefanie Faustmann <?page no="211"?> Diese Lernformen können für das Erlangen von Erkenntnissen und zur Erwei‐ terung des eigenen Wissensstands eingesetzt werden. Dennoch bieten sie vor allem die Möglichkeit, Wertebildungsprozesse im DaF-Unterricht zu initiieren, sodass sie als besonders effektiv betrachtet werden. Sie fördern den Austausch miteinander und die Interaktion zwischen DaF-Lehrenden und -Lernenden. Sie gewährleisten die Erweiterung des Wissens mittels differenzierter Lernmög‐ lichkeiten und ermöglichen den Einsatz offener Unterrichtskonzepte. Abschließend kann gesagt werden, dass hinsichtlich der Kultur- und Werte‐ vermittlung im DaF-Unterricht Fortschritte gemacht wurden und dass jedoch nach wie vor Verbesserungspotential besteht. Gemäß den Untersuchungen zeigten sich alle DaF-Lehrenden offen gegenüber Veränderungen in diesem Bereich. Den engagierten Vortragenden von treffpunkt sprachen bedarf es jedoch an Fort- und Weiterbildungsmöglichkeiten, um die neuesten Ansätze, Methoden und Modelle der Kultur- und Wertevermittlung kennenzulernen und einen wertorientierten, kulturreflexiven DaF-Unterricht gezielt zu planen bzw. durch‐ zuführen. Erst wenn sie über ein fundiertes Fachwissen verfügen, sind sie in der Lage, dieses Wissen auf explizite Weise in die Praxis zu übertragen. Von mehr Informationen, aber auch von der Erstellung adäquater Unterrichtsmaterialien für die Vermittlung von Werten und Kultur im fremdsprachigen Unterricht können die DaF-Lehrenden profitieren, indem ihre Kompetenzen in diesem Bereich ausgebaut werden. Insbesondere sollten zu diesem Zweck Didaktisie‐ rungen vorgenommen werden, die durch verschiedene Herangehensweisen Merkmale eines wertorientierten, kulturreflexiven DaF-Unterrichts aufzeigen. Die Materialiensammlung, welche als wichtige Inspirationsquelle für den DaF- Unterricht der Universität Graz dient, den Aufbau von Diskursfähigkeit ge‐ zielt fördert und Diskussionen rund um aktuelle, gesellschaftliche Ereignisse eröffnet, aber auch den Sprachlehrenden am treffpunkt sprachen wichtige Hinweise bezüglich der Themen-, Materialien- und Methodenauswahl gibt, um die Weiterentwicklung kategorialer, topologischer, chronologischer oder axiologischer Deutungsmuster der Studierenden zu unterstützen, wurde im Wintersemester des Studienjahres 2022/ 23 entwickelt und im Februar 2023 publiziert (vgl. Faustmann 2023, S, 7 f.). Alle angeführten Aktivitäten wie auch die ausgewählten Themen, Materialien und Methoden wurden auf Basis der oben vorgestellten Forschungsergebnisse gestaltet (vgl. Faustmann 2023, S. 8). Die entstandenen Unterrichtsmaterialien stehen unter dem folgenden Link zur Verfügung: https: / / static.uni-graz.at/ fileadmin/ Treffpunktsprachen/ Fachdidakt ik/ Apps_Handbuecher_Leitfaeden_Unterrichtsmaterialien/ Handbuch_Forschu ngsprojekt_Faustmann_Layout_Druck.pdf [18.02.2023]. Kultur- und Wertevermittlung im universitären DaF-Unterricht 211 <?page no="212"?> Literatur Altmayer, Claus (2004): Kultur als Hypertext. Zu Theorie und Praxis der Kulturwissenschaft im Fach Deutsch als Fremdsprache. München: Iudicium. Altmayer, Claus (2006): Landeskunde als Kulturwissenschaft. Ein Forschungsprogramm. In: Jahrbuch Deutsch als Fremdsprache. 32, S.-181-199. Altmayer, Claus (2007): Von der Landeskunde zur Kulturwissenschaft - Innovation oder Modetrend? In: Germanistische Mitteilungen. 65, S.-7-21. Altmayer, Claus (2013): Die DACH-Landeskunde im Spiegel aktueller kulturwissen‐ schaftlicher Ansätze. In: Demmig, Silvia/ Hägi, Sara/ Schweiger, Hannes (Hrsg.) DACH- Landeskunde. Theorie - Geschichte - Praxis. München: Iudicium. Altmayer, Claus (2017): Landeskunde im Globalisierungskontext: Wozu noch Kultur im DaF-Unterricht? In: Haase, Peter/ Höller, Michaela (Hrsg.) Kulturelles Lernen im DaF/ DaZ-Unterricht. Paradigmenwechsel in der Landeskunde. Göttingen: Universitätsverlag Göttingen (Materialien Deutsch als Fremdsprache 96), S.-3-22. Bundesministerium für Inneres (2013): Zusammenleben in Österreich. https: / / www.bmei a.gv.at/ fileadmin/ user_upload/ Zentrale/ Integration/ Zusammenleben/ Zusammenlebe n_in_Oesterreich_Deutsch-Englisch.pdf [06.11.2022]. Ciepielewska-Kayzmarek, Luiza/ Jentges, Sabine/ Tammenga-Helmantel, Marjon (2020): Landeskunde im Kontext. Die Umsetzung von theoretischen Landeskundeansätzen in DaF-Lehrwerken. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht. Council of Europe (2020): Common European Framework of Reference for Languages: Learning, Teaching, Assessment. https: / / rm.coe.int/ common-european-framework-o f-reference-for-languages-learning-teaching/ 16809ea0d4 [12.12.2022]. Faustmann, Stefanie (2023): Kultur- und Wertevermittlung im universitären DaF-Un‐ terricht. Aktivitäten und Anregungen für den Sprachunterricht mit Studierenden. https: / / static.uni-graz.at/ fileadmin/ Treffpunktsprachen/ Fachdidaktik/ Apps_Handbu echer_Leitfaeden_Unterrichtsmaterialien/ Handbuch_Forschungsprojekt_Faustmann _Layout_Druck.pdf [18.02.2023]. Fornoff, Roger (2017): Diskursfähigkeit und/ oder Wertevermittlung. Konvergenzen und Divergenzen in den Kulturstudien DaF und DaZ. In: Di Venanzio, Laura/ Lammers, Ina/ Roll, Heike (Hrsg.) DaZu und DaFür - Neue Perspektiven für das Fach Deutsch als Zweit- und Fremdsprache zwischen Flüchtlingsintegration und weltweitem Bedarf. 43.-Jahrestagung des Fachverbandes Deutsch als Fremd- und Zweitsprache an der Universität Duisburg-Essen 2016. Göttingen: Universitätsverlag Göttingen (Materialien Deutsch als Fremd- und Zweitsprache 98), S.-53-66. Fornoff, Roger (2018): Migration, Demokratie, Werte. Politisch-kulturelle Bildung im Kontext von Deutsch als Zweitsprache. Göttingen: Universitätsverlag (Materialien Deutsch als Fremd- und Zweitsprache 100). 212 Stefanie Faustmann <?page no="213"?> Hall, Robert T. (1979): Unterricht über Werte. Lernhilfen und Unterrichtsmodelle. Mün‐ chen/ Wien/ Baltimore: Urban und Schwarzenberg. Hillmann, Karl-Heinz (2003): Wertewandel: Ursachen, Tendenzen, Folgen. Würzburg: Carolus. Hofer-Robinson, Michael (2018): Wozu Werte? Zum neuen Aspekt im österreichischen Integrationsdiskurs. In: ÖDaF-Mitteilungen. 34 (1), S.-10-20. Hofstede, Geert ( 2 2001): Lokales Denken, Globales Handeln. Interkulturelle Zusammenar‐ beit und globales Management. München: Beck. Joas, Hans (2006): Wie entstehen Werte? Wertebildung und Wertevermittlung in plura‐ listischen Gesellschaften. In: https: / / fsf.de/ data/ hefte/ pdf/ Veranstaltungen/ tv_impuls / 2006_Ethik/ Vortrag_Joas_authorisiert_061017.pdf [26.05.2021]. Joas, Hans ( 8 2019): Die Entstehung der Werte. Frankfurt am Main: Surkamp Verlag. Krobath, Hermann T. (2009): Werte. Ein Streifzug durch Philosophie und Wissenschaft. Würzburg: Königshausen & Neumann. Kuckartz, Udo ( 4 2018): Qualitative Inhaltsanalyse. Methoden, Praxis, Computerunterstüt‐ zung. Weinheim/ München: Beltz Juventa. Mayring, Philipp (2015): Qualitative Inhaltsanalyse: Grundlagen und Techniken. Wein‐ heim: Beltz. Neuner, Gerhard (1994): Fremde Welt und eigene Erfahrung - zum Wandel der Kon‐ zepte von Landeskunde für den fremdsprachlichen Deutschunterricht. In: Neuner, Gerhard/ Asche, Monika (Hrsg.) Fremde Welt und eigene Wahrnehmung. Konzepte von Landeskunde im fremdsprachlichen Deutschunterricht. Eine Tagungsdokumentation. Kassel: Universität Gesamthochschule Kassel, S.-14-39. Obaro, Nima/ Wolfsgruber, Tabea (2018): Wertevermittlung? Nein danke! Kritische Bil‐ dungsarbeit als gegenhegemoniale Praxis. In: ÖDaF-Mitteilungen. 34 (1), S.-52-63. Parsons, Talcott ( 6 2003): Das System moderner Gesellschaften. Weinheim/ München: Ju‐ venta. Peifer, Volker ( 2 2009): Didaktik des Ethikunterrichts. Bausteine einer integrativen Werte‐ vermittlung. Stuttgart: W. Kohlhammer. Rickert, Heinrich (1899): Kulturwissenschaft und Naturwissenschaft. Ein Vortrag. Tü‐ bingen: J.C.B. Mohr Verlag. Riemer, Claudia (2016): Befragung. In: Caspari, Daniela/ Klippel, Friederike/ Legutke, Michael/ Schramm, Karen (Hrsg.) Forschungsmethoden in der Fremdsprachendidaktik. Tübingen: Narr, S.-155-172. Schiedermair, Simone (2019): Kulturwissenschaftliche Konzepte der Kulturvermittlung - Erinnerungsorte, Symbolische Kompetenz, Diskursive Landeskunde, Linguistic Landscapes. In: IDT 2017. Hauptvorträge. 1. Berlin: Erich Schmidt Verlag, S.-140-148. Kultur- und Wertevermittlung im universitären DaF-Unterricht 213 <?page no="214"?> Schlöder, Bernd (1993): Soziale Werte und Werthaltungen. Eine sozialpsychologische Untersuchung des Konzepts sozialer Werte und des Wertwandels. Opladen: Leske und Budrich. Schößler, Sabine (2011): Der Neopragmatismus von Hans Joas. Handeln, Glaube und Erfahrung. Berlin: LIT Verlag Dr. W. Hopf. Schramm, Karen/ Schwab, Götz (2016): Beobachtung. In: Caspari, Daniela/ Klippel, Frie‐ derike/ Legutke, Michael/ Schramm, Karen (Hrsg.) Forschungsmethoden in der Fremd‐ sprachendidaktik. Tübingen: Narr, S.-141-154. Staake, Marco (2018): Werte und Normen. Baden-Baden: Nomos. Standop, Jutta (2005): Werte-Erziehung. Einführung in die wichtigsten Konzepte der Werteerziehung. 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Im Folgenden finden Sie nun einige Fragen, die sich auf Ihre Erfahrungen mit Werten und Kulturthemen beziehen. Die erhobenen Daten werden zum Zwecke der wissenschaftlichen Auswertung verwendet und anonym behandelt. Bewertungsskala von 1 bis 4: Legende: 1 = ++ (von hoher Relevanz) 2 = + (von Relevanz) 3 = ∼ (weder noch) 4 =---(von keiner Relevanz). 1. Angaben zur Person: Alter: - - - Geschlecht: - □□□ weiblich männlich divers -Nationalität: - - Studium: □□□□ Bachelor Master Doktor Sonstiges: - - 2. Welche Grundwerte sind für Sie persönlich wichtig? Es können mehrere Antworten angekreuzt werden. Prinzipien des Zusammenlebens: Meinungsfreiheit □ 1--- □ 2--- □ 3--- □ 4 Rechtsstaatlichkeit □ 1--- □ 2--- □ 3--- □ 4 Demokratie □ 1--- □ 2--- □ 3--- □ 4 Gewaltfreiheit □ 1--- □ 2--- □ 3--- □ 4 Soziale Sicherheit □ 1--- □ 2--- □ 3--- □ 4 Kultur- und Wertevermittlung im universitären DaF-Unterricht 215 <?page no="216"?> Vielfalt des Zusammenlebens: Trennung von Religion und Staat □ 1--- □ 2--- □ 3--- □ 4 Autonomie □ 1--- □ 2--- □ 3--- □ 4 Soziale Gerechtigkeit □ 1--- □ 2--- □ 3--- □ 4 Gleichberechtigung aller Mitmenschen □ 1--- □ 2--- □ 3--- □ 4 Toleranz und Akzeptanz von Vielfalt □ 1--- □ 2--- □ 3--- □ 4 Partizipation in allen Lebensbereichen □ 1--- □ 2--- □ 3--- □ 4 Interkulturelle Begegnung □ 1--- □ 2--- □ 3--- □ 4 Weltoffenheit □ 1--- □ 2--- □ 3--- □ 4 Solidarität □ 1--- □ 2--- □ 3--- □ 4 Freiwilliges Engagement □ 1--- □ 2--- □ 3--- □ 4 Friedliches Zusammenleben □ 1--- □ 2--- □ 3--- □ 4 Eigenverantwortung □ 1--- □ 2--- □ 3--- □ 4 Leistung □ 1--- □ 2--- □ 3--- □ 4 Familienleben □ 1--- □ 2--- □ 3--- □ 4 Umweltbewusstsein □ 1--- □ 2--- □ 3--- □ 4 3. In welchem Kontext sind Ihnen bereits Werte vermittelt worden? □ Familie □ Kindergarten □ Schule □ Universität □ Sonstiges: 216 Stefanie Faustmann <?page no="217"?> 4. Findet Ihrer Meinung nach Werte- und Kulturvermittlung im univer‐ sitären Deutschunterricht statt? Kreuzen Sie an. □ Ja □ Nein Offene Fragen: Wenn ja, welche Werte wurden Ihnen vermittelt? Bitte beschreiben Sie in Stichworten. ----- In welchen Unterrichtssituationen wurden Ihnen diese Werte vermit‐ telt? Bitte beschreiben Sie in Stichworten. ----- 5. Durch welche Themen werden Ihrer Ansicht nach Werte vermittelt? Bitte beschreiben Sie in Stichworten. ----- Kultur- und Wertevermittlung im universitären DaF-Unterricht 217 <?page no="218"?> 6. Über welche Themen würden Sie im universitären Deutschunter‐ richt gerne mehr erfahren? Es können mehrere Antworten angekreuzt werden. Österreichische Geschichte □ 1--- □ 2--- □ 3--- □ 4 Geographie Österreichs □ 1--- □ 2--- □ 3--- □ 4 Politik und Gesellschaft □ 1--- □ 2--- □ 3--- □ 4 Österreichische Sprache □ 1--- □ 2--- □ 3--- □ 4 Ausbildung und Erziehung: - Kindergarten □ 1--- □ 2--- □ 3--- □ 4 Schule □ 1--- □ 2--- □ 3--- □ 4 Lehre □ 1--- □ 2--- □ 3--- □ 4 Universität □ 1--- □ 2--- □ 3--- □ 4 Arbeitswelt und Wirtschaft: - Arbeitsmarkt □ 1--- □ 2--- □ 3--- □ 4 Gleichberechtigung am Arbeitsplatz □ 1--- □ 2--- □ 3--- □ 4 Wirtschaftliche Faktoren (Import/ Ex‐ port/ Tourismus) □ 1--- □ 2--- □ 3--- □ 4 Österreichisches Gesundheits‐ system: - Hygiene □ 1--- □ 2--- □ 3--- □ 4 Vorsorge □ 1--- □ 2--- □ 3--- □ 4 Notfälle □ 1--- □ 2--- □ 3--- □ 4 Wohnen und Regeln des Zusammenle‐ bens □ 1--- □ 2--- □ 3--- □ 4 Familie und Beziehungen □ 1--- □ 2--- □ 3--- □ 4 Verkehr und Mobilität □ 1--- □ 2--- □ 3--- □ 4 Versorgung und Konsum □ 1--- □ 2--- □ 3--- □ 4 Literatur und Kunst □ 1--- □ 2--- □ 3--- □ 4 Freizeit und Unterhaltung □ 1--- □ 2--- □ 3--- □ 4 218 Stefanie Faustmann <?page no="219"?> Feste und Bräuche □ 1--- □ 2--- □ 3--- □ 4 Kulturelle Identität und Stereotype □ 1--- □ 2--- □ 3--- □ 4 Umwelt □ 1--- □ 2--- □ 3--- □ 4 Vielen Dank für Ihre Teilnahme! Kultur- und Wertevermittlung im universitären DaF-Unterricht 219 <?page no="220"?> Anhang 2 Hospitationsprotokoll Datum/ Zeit: Kurs: Anzahl der Studierenden: Unterrichtsthema: - trifft völlig zu - trifft gar nicht zu Anmerkungen Einstellungen des: der Lehrenden: Der: die DaF-Lehrende ist … - - authentisch ○ ○ ○ ○ ○ - aufmerksam ○ ○ ○ ○ ○ - ermutigend ○ ○ ○ ○ ○ - empathisch ○ ○ ○ ○ ○ - hilfsbereit ○ ○ ○ ○ ○ - höflich ○ ○ ○ ○ ○ - geduldig ○ ○ ○ ○ ○ - lernendenzentriert ○ ○ ○ ○ ○ - loyal ○ ○ ○ ○ ○ - lobend ○ ○ ○ ○ ○ - partnerschaftlich ○ ○ ○ ○ ○ - tolerant ○ ○ ○ ○ ○ - überwältigend ○ ○ ○ ○ ○ - verständnisvoll ○ ○ ○ ○ ○ - vorbildhaft ○ ○ ○ ○ ○ - wertschätzend ○ ○ ○ ○ ○ - 220 Stefanie Faustmann <?page no="221"?> Lehrendenverhalten: Der: die DaF-Lehrende … - - kommuniziert Werte verbal und explizit. ○ ○ ○ ○ ○ - kommuniziert Werte im‐ plizit. ○ ○ ○ ○ ○ - äußert persönliche Wün‐ sche. ○ ○ ○ ○ ○ - legt eigene Gefühle und Meinungen bewusst dar. ○ ○ ○ ○ ○ - gibt seine eigenen Werte überzeugend und nachvoll‐ ziehbar weiter. ○ ○ ○ ○ ○ - erzählt über eigene Erfah‐ rungen und Erlebnisse. ○ ○ ○ ○ ○ - erreicht die emotionale Ebene der Studierenden. ○ ○ ○ ○ ○ - bringt Kommunikation in Gang. ○ ○ ○ ○ ○ - führt ein gelingendes, dia‐ logisches Gespräch mit den Studierenden. ○ ○ ○ ○ ○ - gibt den Studierenden Raum zum Austausch. ○ ○ ○ ○ ○ - geht auf Bedürfnisse der Studierenden ein. ○ ○ ○ ○ ○ - erkennt andere Werthal‐ tungen der Studierenden an. ○ ○ ○ ○ ○ - berücksichtigt die Argu‐ mentationen der Studie‐ renden. ○ ○ ○ ○ ○ - regt zum Nachdenken an. ○ ○ ○ ○ ○ - motiviert zum Handeln. ○ ○ ○ ○ ○ - Kultur- und Wertevermittlung im universitären DaF-Unterricht 221 <?page no="222"?> Einstellungen der Studierenden: Die Studierenden sind … - - aktiv ○ ○ ○ ○ ○ - aufmerksam ○ ○ ○ ○ ○ - diszipliniert ○ ○ ○ ○ ○ - empathisch ○ ○ ○ ○ ○ - hilfsbereit ○ ○ ○ ○ ○ - höflich ○ ○ ○ ○ ○ - interessiert ○ ○ ○ ○ ○ - loyal ○ ○ ○ ○ ○ - kollegial ○ ○ ○ ○ ○ - kommunikativ ○ ○ ○ ○ ○ - kooperativ ○ ○ ○ ○ ○ - motiviert ○ ○ ○ ○ ○ - offen ○ ○ ○ ○ ○ - selbstbestimmt ○ ○ ○ ○ ○ - teamfähig ○ ○ ○ ○ ○ - tolerant ○ ○ ○ ○ ○ - verantwortungsbewusst ○ ○ ○ ○ ○ - zuhörend ○ ○ ○ ○ ○ - Studierendenverhalten: Die Studierenden … - - kommunizieren persön‐ liche Wertvorstellungen. ○ ○ ○ ○ ○ - bringen ihre Wünsche zum Ausdruck. ○ ○ ○ ○ ○ - drücken ihre Bedürfnisse aus. ○ ○ ○ ○ ○ - erarbeiten interessiert ein Thema. ○ ○ ○ ○ ○ - 222 Stefanie Faustmann <?page no="223"?> diskutieren über ein Thema. ○ ○ ○ ○ ○ äußern ihre Meinung über ein Thema/ eine Situation oder ein Problem. ○ ○ ○ ○ ○ - bringen Argumente/ Ge‐ genargumente ein. ○ ○ ○ ○ ○ - stellen andere Haltungen in Frage. ○ ○ ○ ○ ○ - treffen eigenständig Ent‐ scheidungen. ○ ○ ○ ○ ○ - handeln selbstbestimmt. ○ ○ ○ ○ ○ - berücksichtigen Verhal‐ tensbzw. Kommunikati‐ onsregeln. ○ ○ ○ ○ ○ - 1. Interaktion zwischen dem: der Lehrenden und den Studierenden: • Wie ist die Interaktion zwischen dem: der Lehrenden und den Studierenden? (Herrscht Wertschätzung/ Abwertung vor? Herrscht ein Klima der An‐ nahme/ Ablehnung vor? usw.) • Inwieweit gibt es überhaupt Interaktion im Unterricht? (Gibt es Kooperati‐ onsstrukturen, Interaktionsformen etc.) Wie interagieren die Sprachenler‐ nenden? • Wie werden Probleme/ Konflikte im Unterricht bewältigt? • Welche Kompetenzen und Fähigkeiten werden durch Interaktionen im Unterricht gefördert? (Kommunikations-, Urteils-, Handlungskompetenz, Empathie-, Problemlösefähigkeit usw.) 2. Inwieweit stimmt das Wertevermittlungsmodell von Joas mit den beobach‐ teten Unterrichtssituationen überein? Kultur- und Wertevermittlung im universitären DaF-Unterricht 223 <?page no="224"?> 3. Inwieweit stimmt das Wertevermittlungsmodell von Wiater mit den beob‐ achteten Unterrichtssituationen überein? 4. Inwieweit stimmt das Wertevermittlungsmodell von Hall mit den beobach‐ teten Unterrichtssituationen überein? 5. Welche Aspekte des kulturreflexiven Lernens nach Altmayer sind im Unterricht erkennbar? Inwieweit werden Diskursfähigkeit und Deutungs‐ kompetenz gefördert? 224 Stefanie Faustmann <?page no="225"?> Anhang 3 Interviewleitfaden Informationen: Datum: Ort: Dauer: Einstiegsfragen: 1. Werte- und Kulturvermittlung bzw. -bildung gehören zu den großen Herausforderungen unserer Zeit. Ich würde Ihnen heute gerne zu Ihren Erfahrungen mit Werte- und Kulturvermittlung im DaF-Unterricht ein paar Fragen stellen. a. Welche Funktion haben Werte Ihrer Ansicht nach in Ihrem Leben bzw. in unserer Gesellschaft? (Eisbrecherfrage) b. Welche Rolle nehmen Sie Ihrer Meinung nach als DaF-Lehrende in einem wertorientierten und kulturreflexiven DaF-Unterricht ein? c. Halten Sie es für sinnvoll, Werte im DaF-Unterricht bewusst zu vermitteln? Überleiterfrage: 1. Können Sie mir erzählen, wie Sie einen wertorientierten und kulturrefle‐ xiven DaF-Unterricht gestalten würden? Wissensfragen zur Unterrichtsgestaltung: 3. Welche Themen und Materialien wählen Sie für einen wertorientierten, kulturreflexiven Unterricht aus? 4. Inwieweit wählen Sie Themen und Materialien in Abstimmung mit den Sprachenlernenden aus? 5. Welche methodisch-didaktische Herangehensweise bevorzugen Sie bei der Bearbeitung der Themen und Materialien im DaF-Unterricht? Erzählen Sie und begründen Sie kurz Ihre Auswahl. Kultur- und Wertevermittlung im universitären DaF-Unterricht 225 <?page no="226"?> 6. Kennen Sie Aktivitäten, welche den Ausbau von Urteils-, Diskurs- oder Em‐ pathiefähigkeit sowie Handlungskompetenzen der Studierenden fördern? Erzählen Sie, was Sie empfehlen würden. 7. Kennen Sie Strategien, wodurch sich Studierende ihrer individuellen Werte bewusst werden, mit denen Studierende eigene Werthaltungen reflektieren und mit denen eigene Wertvorstellungen überprüft bzw. erweitert werden können? Nachfrage: Wenn ja, welche Aktivitäten schlagen Sie dafür vor? 8. Welche Sozialformen setzen Sie in Ihrem DaF-Unterricht ein, um die Teil‐ habe aller Lernenden zu ermöglichen? Können Sie mir ein paar Beispiele nennen? 226 Stefanie Faustmann <?page no="227"?> Intergenerationelles Sprachenlernen Herausforderungen und Chancen in intergenerationellen Sprachkursen Sarah Bindar Der Wandel der Bevölkerungsstruktur und die damit einhergehenden indivi‐ duellen und gesellschaftlichen Herausforderungen beeinflussen die Bildungs‐ praxis im Erwachsenenbildungssektor durch die zunehmende Bedeutung von Weiterbildungen und die Veränderungen der Zielgruppen, was sich auch in der universitären Lehre erkennen lässt. Laut Statistik der Universität Graz (o. J.) waren im Wintersemester 2022/ 23 fast 30.000 Studierende an der Karl-Franzens-Universität Graz aktiv, wovon 17 % als internationale Studierende galten. All diese Lernenden zeichnen sich durch einen hohen Level an Heterogenität aus, was neben der Vorerfahrung, der Motivation, dem Bildungsweg, dem Sprachlevel, der Muttersprache sowie der Kultur auch das Alter betrifft. Diese Thematik der Heterogenität wurde zum An‐ lass genommen, um die Bereiche der Alters- und Generationsunterschiede zwischen den Lernenden genauer zu betrachten. Im Hinblick auf das Kon‐ zept des intergenerationellen Lernens wurde der Einsatz von altersübergrei‐ fenden Lehr- und Lernmethoden untersucht, um den Level an Interaktion und Austausch zwischen Studierenden unterschiedlicher Altersgruppen in universitären Kursen zu erforschen. Das diesem Artikel zugrundeliegende Forschungsprojekt zielte darauf ab, anhand von Interviews zu erfahren, wie generationenübergreifendes Lernen am treffpunkt sprachen ‒ Zentrum für Sprache, Plurilingualismus und Fachdidaktik stattfindet. Während des Projektzeitraums zwischen Wintersemester 2020/ 21 und Sommersemester 2023 wurden insgesamt 21 Lehrpersonen aus dem Bereich Sprachenlehre am treffpunkt sprachen zum Thema der Intergenerationalität in Fremdspra‐ chenkursen befragt. Im Rahmen dieser Expert: inneninterviews wurden Infor‐ mationen bezüglich Altersheterogenität in den Sprachkursgruppen und der <?page no="228"?> Umsetzung von altersübergreifenden Lehr- und Lernmethoden gesammelt. Das Augenmerk der Analyse wird dabei besonders auf den Einsatz der drei Hauptformen des intergenerationellen Lernens - das Miteinander-, Vonein‐ ander- und Übereinander-Lernen - gerichtet, um in weiterer Folge Beispiele und Umsetzungsmöglichkeiten in der Bildungspraxis geben zu können. Die Fragen nach den Chancen und Herausforderungen der intergenerationellen Lehrpraxis geben einen guten Einblick in die intergenerationelle Lehre, auch in Zeiten der durch die Covid-19-Pandemie bedingten Online-Lehre. Abschließend werden zentrale Erkenntnisse aus Theorie und Praxis der intergenerationellen Sprachenlehre zusammengeführt. Times Are Changing and So Are Our Learners Die steigende Lebenserwartung und die rückläufigen Geburtenzahlen in Europa führen zu einem demographischen Wandel, der sich pauschal durch den Anstieg der Zugehörigen der mittleren und älteren Generation und einer zahlentechni‐ schen Inferiorität der jüngeren Generation im Laufe der nächsten 30 bis 50 Jahre beschreiben lässt. In diesem Zusammenhang ergeben sich verschiedenste indivi‐ duelle und gesellschaftliche Herausforderungen, insbesondere hinsichtlich des Umgangs mit dem Prozess des Alterns, der kulturell geprägten Altersbilder und der bildungspolitischen Konzepte des lebenslangen oder lebensbegleitenden sowie des intergenerationellen Lernens. Durch die Entwicklung neuer Perspek‐ tiven des Alter(n)s soll ein erhöhtes Bewusstsein für Heterogenität und Diver‐ sität in der Gesellschaft geschaffen werden. Im Bildungsbereich wird zugleich der Gedanke des lebenslangen bzw. lebensbegleitenden Lernens hervorgehoben, der bereits im 17. Jahrhundert von Johann Amos Comenius gefasst wurde, um die Wichtigkeit des Lernens für jeden Menschen in jedem Lebensalter in den Mittelpunkt zu rücken. Gegenwärtig birgt die Verlängerung der aktiven Zeit in der späteren Berufs- oder Nachberufsphase, auch bekannt als „drittes Lebensalter“, neue Möglichkeiten für die Bildungspraxis. Besonders im Weiter‐ bildungssektor werden vermehrt institutionalisierte Angebote konzipiert, um Menschen in allen Lebenslagen zu ermöglichen, individuellen Entwicklungs- und Bildungsprozessen nachzugehen (vgl. Franz 2014, S. 13 ff.; vgl. Brünner et al. 2016, S.-8; vgl. Hülsen-Esch 2015, S.-7 ff.; vgl. Schäfer 2017, S.-VI; 19 ff.). Bildung wird in der modernen Gesellschaft, unabhängig vom Lebensalter, als Investition und Ressource gesehen. In Bezug auf die Weiterbildung im Erwachsenenalter variieren die Motivationshintergründe, abhängig von der Lebensphase, Persönlichkeit und Perspektive der Lernenden. Dazu gehören die 228 Sarah Bindar <?page no="229"?> 1 Etymologisch stammt der Begriff Generation von den griechischen Wörtern „genos“ und „genesthai“ ab und bedeutetet „ins Dasein gelangen“. In diesem Zusammenhang wird klar, dass die Geburt eines Kindes die Entstehung einer neuen Generation bedingt (vgl. Lüscher/ Liegle 2003, S.-36). Verbesserung von beruflichen Chancen, der Berufswechsel, ein neues Studium, persönliche Interessen, wie z. B. das Erlernen von Fremdsprachen, oder die Ausübung eines Hobbys. Lernen und Bildung im Kontext des lebenslangen Lernens gewinnen immer mehr an Bedeutung (vgl. Brünner et al. 2016, S. 8; vgl. Schäfer 2017, S.-VI). Aus diesem Grund werden in der Erwachsenenbildung Rahmenbedingungen geschaffen, um Lernprozesse zu initiieren, in denen Individuen unterschiedli‐ chen Alters gemeinsam lernen. Da sich Lernen durch Dynamik und Prozess‐ haftigkeit auszeichnet, ist die Auseinandersetzung der Lernenden mit sich selbst, der Lehrperson, der Kursgruppe und der Umwelt essentiell. Damit dies gelingt, darf kein beziehungsloses Nebeneinander-Lernen stattfinden. Der gegenseitige Austausch und die Interaktion im Kurs sollten ein Gemeinschafts‐ gefühl erzeugen und gleichzeitig durch dieses „Miteinander“ den Lernprozess vorantreiben (vgl. Antz et al. 2009a, S.-7; vgl. Schäfer 2017, S.-26). What’s Age Got to Do With It? Wenn man umgangssprachlich vom Alter spricht, wird das Interesse in erster Linie auf die chronologischen Lebensjahre eines Menschen gerichtet. Die Unterscheidung hinsichtlich des Alters kann jedoch auch anhand anderer Cha‐ rakteristika getroffen werden. Neben dem biologischen Alter, das sich auf den medizinisch fundierten Zustand des Körpers bezieht, unterscheidet man auch zwischen dem individuellen und kulturellen Verständnis des Alters (vgl. Schäfer 2015, S. 22 f.). Trotz der Vielfalt an Altersdefinitionen wird im gesellschaft‐ lichen Kontext häufig das kalendarische Alter herangezogen, um Personen sogenannten Generationen 1 zuzuordnen. Das Geburtsjahr bietet somit die Basis der Generationszugehörigkeiten, wobei sich Generationen im Gegensatz zu Alterskohorten durch besondere Kennzeichen und Gemeinsamkeiten innerhalb der zugehörigen Personengruppen hervorbeben, die je nach Definition des Generationenbegriffs variieren (vgl. Franz 2014, S. 46 f.; vgl. Lüscher/ Liegle 2003, S.-36). Um einen differenzierten Blick auf die Generationenverhältnisse zu erlangen, wird in der Soziologie und der Erziehungswissenschaft zwischen dem historischsoziologischen, pädagogischen und genealogischen Generationenbegriff unter‐ schieden. Die Zugehörigkeit zu gesellschaftlichen Gruppierungen, basierend auf Intergenerationelles Sprachenlernen 229 <?page no="230"?> dem historisch-soziologischen Generationenbegriff, wird aufgrund von Parallelen in Bezug auf Erfahrungen, Werte und Lebensstile sowie politische, kulturelle oder soziale Gemeinsamkeiten bestimmt. Beispiele für diese Art von Grup‐ pierungen sind die „Nachkriegsgeneration“ (auch „Baby Boomer“ genannt), die „Generation X“, die „Generation Y“ (auch als „Millennials“ bezeichnet), die „Generation Z“ und die neueste „Generation Alpha“. Der pädagogische Generationenbegriff kennzeichnet sich durch die Entstehung von Lernverbin‐ dungen, indem Altersgruppen und Generationen intentional in Lernarrange‐ ments zusammengeführt werden. In der Bildungsarbeit kommt daher meist der pädagogische Generationenbegriff zur Anwendung. Die genetische Abfolge und biologische Verwandtschaft von Familienmitgliedern wird durch den genealogi‐ schen oder familialen Generationenbegriff beschrieben und definiert, ob man der Generation der Großeltern, Eltern, Kinder oder Enkeln angehört. Während jeder Mensch einer genealogischen Generation innerhalb der eigenen Abstammungs‐ linie angehört, ergeben sich ebenfalls zusätzliche Zuordnungen zu anderen gesellschaftlichen Einheiten. Durch die Differenzierung in unterschiedliche Generationenarten besitzen Individuen multiple Generationenzugehörigkeiten, da sie je nach Generationenbegriff gleichzeitig mehreren gesellschaftlichen Gruppierungen zugeordnet sind (vgl. Antz et al. 2009b, S. 15 f.; vgl. Franz 2014, S.-46; vgl. Szydlik/ Künemund 2009, S.-9 ff.). Diese komplexen und vielfältigen Unterscheidungen zwischen Generatio‐ nenbegriffen werden häufig vereinfachend dargestellt, weshalb im Allgemeinen auf eine pauschale und altersorientierte Aufschlüsselung mit drei groben Teil‐ bereichen zurückgegriffen wird. In dieser stark verallgemeinernden Darstellung wird zwischen der älteren, der mittleren und der jüngeren Generation diffe‐ renziert (vgl. Antz et al. 2009b, S. 15). Bei dieser groben Aufschlüsselung darf die jeweilige Gruppierung aber keinesfalls als homogene Gruppe gesehen werden. Innerhalb der verschiedenen Altersgruppen herrscht Heterogenität, da Menschen ihre Lebensphasen sehr individuell und unterschiedlich gestalten. Bezugnehmend auf das Alter ist es außerdem wichtig, die subjektive Sichtweise für die Zuordnung der Attribute „jung“ und „alt“ zu erkennen, da diese keiner statischen Definition unterliegen, sondern auf die Perspektive des Individuums zurückzuführen sind. Außerdem sind die Bedeutungen der unterschiedlichen Lebensphasen an den jeweiligen gesellschaftlichen und kulturellen Kontext gebunden und können daher auch verschieden ausfallen (vgl. Franz 2014, S.-17 f.). Im Hinblick auf die Bildungsarbeit im Sektor der Erwachsenenbildung sind die Verbindung zwischen verschiedenen Generationskonzepten und die Zu‐ gehörigkeiten verschiedener Generationen besonders spannend. Durch den 230 Sarah Bindar <?page no="231"?> pädagogischen Generationenbegriff werden im Bildungskontext Möglichkeiten geschaffen, Menschen unterschiedlicher Generationen zusammenzubringen, um in weiterer Folge generationsübergreifende Wechselwirkungen zu gene‐ rieren und Gemeinsamkeiten zu finden. Somit können intergenerationelle Lern‐ arrangements geschaffen werden, die den Austausch zwischen verschiedenen Generationen in den Mittelpunkt rücken (vgl. Franz 2014, S. 47; vgl. Szydlik/ Künemund 2009, S.-9 ff.). Intergenerationalität in der Erwachsenenbildung Laut Definition bezeichnet Intergenerationalität „den Bereich ‚zwischen‘ ver‐ schiedenen Generationen und verweist damit auf die Beziehung verschiedener Generationen zueinander“ (Franz 2014, S. 25). Diese Beziehung und Zusam‐ menarbeit zwischen unterschiedlichen Generationen sind schon lange ein wichtiger Bestandteil von Bildungsprozessen, da die frühe Form des intergene‐ rationellen Lernens eng mit gesellschaftlichen Tradierungsprozessen verknüpft war. Dementsprechend wurde traditionellerweise angesammeltes Wissen von einer Generation an die nachfolgende weitergegeben. Nach der Verknüpfung mit eigenen Lernerfahrungen und dem Aneignen von zusätzlichen Kenntnissen wurde das erweiterte Wissen wiederum an die nächste Generation weiterge‐ geben. Dabei handelt es sich um Lernprozesse in einer Generationenfolge, in der ältere und erfahrenere Generationen die Träger von Wissensbeständen darstellen. Bis Anfang des 20. Jahrhunderts wurde angenommen, dass das Expert: innenwissen aufgrund der längeren Lebenszeit bei den älteren Genera‐ tionen liege. Dementsprechend gab dieses „Expertentum qua Seniorität“ die einseitige Richtung des Erfahrungs- und Wissenstransfers vor (vgl. ebd., S. 25 f.). Bedingt durch rasante Modernisierungsprozesse sowie die Pluralisierung von Wissen birgt die heutige dynamische Gesellschaft das Potential, Erfahrungen und Wissen sowohl innerhalb als auch zwischen unterschiedlichen Genera‐ tionen auszutauschen. Intergenerationelle Lernprozesse sind somit an keine Richtung mehr gebunden und können von allen Lernenden gleichermaßen genutzt werden, um miteinander und voneinander zu lernen. Im Hinblick auf die intergenerationelle Bildungsarbeit in der Erwachsenenbildung ist das Alter auch nicht mehr ausschlaggebend, wenn es um das Bedürfnis nach Auto‐ nomie, Selbstverwirklichung und Selbsterfahrung geht, da Bildungsangebote für Personen in allen Lebensphasen bestehen. Intergenerationelle Lernprozesse bieten daher die Möglichkeit, Erfahrungsdifferenzen aufzugreifen, sodass alle Altersgruppen ihr Expert: innenwissen einbringen und ihr Potential individuell verwirklichen können (vgl. ebd., S.-19-22; 26). Intergenerationelles Sprachenlernen 231 <?page no="232"?> Um Intergenerationalität in der Lehre als Ressource zu nutzen, werden altersübergreifende Lernprozesse eingesetzt, um Lernen zwischen den Gene‐ rationen anzuregen. In der Intergenerationellen Lehre wird daher zwischen drei Konzepten unterschieden: das Miteinander-, das Voneinander- und das Übereinander-Lernen (vgl. Antz et al. 2009b, S.-17; vgl. Franz 2014, S.-50). Formen des intergenerationellen Lernens In der Erwachsenenbildung gibt es mehrere Wege, intergenerationelles Lernen zu initiieren. Intergenerationelle Lehr- und Lernprozesse umfassen viele Mög‐ lichkeiten, Menschen unterschiedlicher Generationen in der Bildungspraxis in einen Austausch zu bringen, um mit-, von- und übereinander zu lernen. Eine erste Differenzierung der intergenerationellen Methoden wird mithilfe der „expliziten“ oder „impliziten“ Lernformen getroffen. Explizites intergeneratio‐ nelles Lernen findet im Zuge von intergenerationellen Projekten oder anderen intergenerationellen Angeboten statt, in denen altersheterogene Zielgruppen adressiert werden und Intergenerationalität explizit didaktisch aufbereitet wird. In altersheterogenen Lernarrangements, in denen das Zusammentreffen von verschiedenen Generationen zufällig passiert und nicht forciert wird, findet implizites intergenerationelles Lernen statt (vgl. Franz 2014, S.-42 f.). In Kursen der Erwachsenenbildung, speziell in Sprachkursen, verbindet altersheterogene Kursteilnehmer: innen das gemeinsame Interesse an einer speziellen Thematik. In diesem Kontext kommen generationsübergreifende Lehr- und Lernprozesse zum Einsatz, um den thematischen Kursinhalt wie das Erlernen von Sprachkompetenzen mit dem Austausch von intergenerationellen Perspektiven zu verknüpfen. Dazu spielt neben dem Einsatz der drei Haupt‐ formen des intergenerationellen Lernens auch die Sozialform (Verwendung von Gruppen-, Partner: innen- oder Einzelreflexionsarbeit) eine wichtige Rolle. Dadurch können intergenerationelle Perspektiven sichtbar gemacht und in weiterer Folge diskutiert und reflektiert werden (vgl. Antz et al. 2009b, S. 16; vgl. Franz 2014, S.-53). Miteinander-Lernen Beim Miteinander-Lernen arbeiten Kursteilnehmer: innen unterschiedlicher Ge‐ nerationen gemeinsam an neuen Lerninhalten. Es handelt sich um einen ge‐ meinsamen und partizipativen Lernprozess, in dem das Wissen gemeinsam erarbeitet oder von außen eingebracht wird. Als Beispiele für das Bearbeiten generationsverbindender Themen gelten Projektarbeiten oder das Lösen von Gruppenaufgaben wie Rallyes oder Rätsel. Die Lehrperson nimmt in diesem 232 Sarah Bindar <?page no="233"?> Zusammenhang eine unterstützende Rolle ein (vgl. Antz et al. 2009b, S. 17; vgl. Franz 2014, S.-50; 56). Je nach Generationenbegriff gibt es auch unterschiedliche Ausprägungen des Miteinander-Lernens. Beim pädagogischen Miteinander-Lernen treffen Genera‐ tionen mit unterschiedlichem Erfahrungswissen aufeinander, welches in die gemeinsame Erarbeitung eines neuen Lerngebiets eingebracht werden kann (vgl. Franz 2014, S. 66). Die gemeinsame Beschäftigung mehrerer Generationen mit einer neuen Thematik unter Einfluss der jeweiligen generationsspezifischen Prägungen wird als historisch-soziologisches Miteinander-Lernen bezeichnet. Diese Lernform bietet eine große Perspektivenvielfalt, die in Kursen in Grup‐ penarbeiten zur Reflexion genutzt werden kann (vgl. ebd., S.-74 f.). Beim Miteinander-Lernen muss die Lehrperson darauf achten, Generationen in den Dialog zu bringen, um das Miteinander-Lernen nicht in ein einseitiges Nebeneinander-Lernen zu verwandeln. Die gezielte Thematisierung der Per‐ spektivenvielfalt und Heterogenität der Kursgruppe kann durch den Austausch und die Diskussion verschiedener generationsspezifischer Perspektiven bereits zu einer intergenerationellen Lernerfahrung beitragen (vgl. ebd., S.-66). Voneinander-Lernen Beim Voneinander-Lernen treffen mindestens zwei (genealogische, pädagogische oder historisch-soziologische) Generationen aufeinander, wobei das Fachwissen bei einer Generation liegt. Dementsprechend gibt eine Altersgruppe Erfah‐ rungen und Wissen zu einem Themengebiet an andere Generationen weiter wie etwa bei Mentoring-Programmen (vgl. Antz et al. 2009b, S. 17; vgl. Franz 2014, S.-50). In der Bildungsarbeit findet pädagogisches Voneinander-Lernen immer dann statt, wenn altersheterogene Gruppen in den Austausch treten und eine Gene‐ ration ihre unterschiedlichen Erfahrungen und Wissensbestände an andere Gruppen weitergibt. Der intergenerationelle Wissenstransfer kann auch auf historisch-soziologischer oder genealogischer Ebene geschehen. Die erste Form zielt auf die Weitergabe von Kenntnissen und Fähigkeiten von einer Generation an die nächste ab, wobei der gesellschaftliche Kontext der ursprünglichen Lernerfahrung (politische Bedingungen, Werte etc.) dieser Kohorte reflektiert wird. Beim genealogischen Voneinander-Lernen werden familiäre Praktiken durchdacht, wie beispielsweise Spracherfahrungen in der Familie (vgl. Franz 2014, S.-53; 63; 77). Intergenerationelles Sprachenlernen 233 <?page no="234"?> Übereinander-Lernen Das Ziel dieses Lernkonzepts ist die Aneignung von Wissen über die Lebenswelt und die historisch-biographischen Perspektiven von Personen anderer Genera‐ tionen in der Kursgruppe. In diesem Lernprozess liegt das Wissen bei allen Ge‐ nerationen und die Weitergabe von historischen Erfahrungen (Zeitzeug: innen) oder persönlichen Erlebnissen aus den aktuellen Lebenssituationen wird ange‐ strebt (vgl. Antz et al. 2009b, S. 17; vgl. Franz 2014, S. 50). Das pädagogische Übereinander-Lernen beschreibt die Weitergabe von generationsspezifischen Erfahrungen, wie z. B. historische Hintergründe oder Lebensumstände. Bei dieser Lernform stehen die Biographie einer Generation und die sozialgeschicht‐ lichen Rahmenbedingungen im Mittelpunkt. Der Lernprozess kann durch den fachlichen Austausch, aber auch durch private Pausengespräche in Gang gesetzt werden (vgl. Franz 2014, S.-68 f.). Diese Lernformen bieten eine gute Orientierungshilfe, besonders wenn es um die Planung der didaktischen Gestaltung intergenerationeller Lehre geht. All diese Lernprozesse ermöglichen es, Lernerfahrungen zu sammeln sowie Erkenntnisse und Wissen im altersübergreifenden Kontext auszutauschen. Auch wenn in der Theorie klare Unterscheidungen der intergenerationellen Lernmöglichkeiten definiert werden, werden diese in der Bildungspraxis oft kombiniert oder gehen ineinander über (vgl. Antz et al. 2009b, S. 17; vgl. Franz 2014, S.-79 f.). Intergenerational Challenges Die Begleitung von Lernprozessen in altersheterogenen Gruppen kann eine große Herausforderung für Lehrende darstellen. Die Lehrpersonen sehen sich mit einem hohen Level an Heterogenität konfrontiert, da sich neben dem Alter der Teilnehmer: innen auch ihre biographisch-historischen Hintergründe, Vor‐ stellungen über Lernprozesse und Vorlieben für Lernmethoden unterscheiden. Obwohl diese Unterschiede die Bildungsarbeit durchaus bereichern können, stellen sie auch eine Herausforderung für die Kursleitung dar. Die Arbeit mit altersheterogenen Gruppen erfordert daher neben Reflexionsfähigkeit auch Durchhaltevermögen und Ausdauer (vgl. Antz et al. 2009b, S. 28; 41 ff.; vgl. Franz 2014, S.-40 f.). Außerdem soll das breite Lernangebot die unterschiedlichen Potentiale der Kursteilnehmer: innen bestmöglich fördern, was gleichzeitig eine weitere Hürde für Lehrpersonen darstellt. Im Hinblick auf die Individualisierung werden die Heterogenität der Generationsgruppen sowie die individuellen Bedürfnisse, Ziele und Interessen der Lernenden berücksichtigt. Neben Alter, Geschlecht, 234 Sarah Bindar <?page no="235"?> Lernerfahrung und Bildungsweg können sich die Teilnehmer: innen auch an‐ hand anderer Merkmale wie Herkunftsland, Kultur und Muttersprache unter‐ scheiden. Somit kann neben der Intergenerationalität auch die Interkulturalität in den Kursgruppen eine Rolle spielen. Dementsprechend liegt die Herausforde‐ rung in der Verbindung intergenerationeller Lernprozesse mit interkulturellen Erfahrungen, damit altersheterogene Personen aus unterschiedlichen Kultur‐ kreisen bestmöglich miteinander lernen können (vgl. Franz 2014, S.-27; 31 f.). Eine weitere Herausforderung in der Bildungspraxis ist das Ablegen von altersbedingten oder beruflichen Hierarchien in der Lernendengruppe. Der Aus‐ tausch zwischen verschiedenen Generationen bildet die Grundlage intergene‐ rationeller Lernprozesse und daher ist es wichtig, dass sich die Teilnehmer: innen auf Augenhöhe begegnen und alle gleichermaßen in den Kurs einbezogen werden (vgl. Antz et al. 2009b, S.-35; vgl. Franz 2014, S.-27). Weiters kann die Zusammensetzung von altersheterogenen Lernenden in Kursen zu Konfliktsituationen führen. Die Differenz zwischen Generatio‐ nenperspektiven kann beispielsweise problematisch werden, wenn in lang bestehenden, vorwiegend altershomogenen Kursgruppen neue Personen un‐ terschiedlicher Altersgruppen hinzustoßen. In diesem Beispiel werden neue Personen häufig als Störfaktor wahrgenommen. Dieser konfliktbeladenen Si‐ tuation kann mithilfe dreier pädagogischer Handlungsmaßnahmen entgegen‐ gewirkt werden: Thematisieren von Intergenerationalität, um Teilnehmenden die Chance zu geben, eine andere Generationenperspektive einzunehmen; die didaktische Bearbeitung des Themas Intergenerationalität mit dem Fokus auf unterschiedliche und gemeinsame Interessen der Lernenden; das direkte Ansprechen der Konfliktsituation mit einer gemeinsamen Lösungssuche, die alle Beteiligten zufriedenstellen sollte (vgl. Franz 2014, S.-31 f.). Obwohl die große Bandbreite an intergenerationellen Lernprozessen und diesbezüglichen Orientierungen prinzipiell einen Vorteil für die generations‐ übergreifende Bildungsarbeit generiert, stellt die Auswahl und Zusammenstel‐ lung der richtigen Lernformen sowie das Anpassen und Konkretisieren für die eigene Praxis eine Herausforderung dar. Prinzipiell benötigt die Verwendung intergenerationeller Methoden zusätzlich eine heterogenitätssensible pädago‐ gische Haltung, um die Reflexion von Generationsperspektiven anzuleiten. Diese Reflexionsphase verwandelt das Lernen in altersheterogenen Gruppen in einen intergenerationellen Lernprozess. Natürlich besteht auch die Möglich‐ keit, Intergenerationalität im Kurs explizit zum Thema zu machen. In diesem Zusammenhang wird von Expert: innen angeraten, Lehrpersonal für die Arbeit mit altersheterogenen Kursgruppen zu schulen, um sie für die didaktische Arbeit Intergenerationelles Sprachenlernen 235 <?page no="236"?> mit unterschiedlichen Generationen zu sensibilisieren (vgl. Antz et al. 2009b, S.-28; 41; 45; vgl. Franz 2014, S.-33 f.; 40 f.). Der Ausbruch der Covid-19-Pandemie im Jahr 2020 stellte die Lehrenden und Lernenden zusätzlich vor eine außergewöhnliche Herausforderung, da die Präsenzlehre zu Beginn des Sommersemesters umgehend auf Online-Lehre um‐ gestellt werden musste. Dies bedeutete, dass die Sprachkursleiter: innen nahezu unvorbereitet ihre Lehre im virtuellen Raum abhalten mussten (vgl. Seidl 2021, S. 168). Eine Befragung der Lehrenden und Lernenden der Universität Graz im Sommersemester 2020 und im Wintersemester 2020/ 21 legte offen, dass in dieser Zeit innerhalb der Universität Graz verschiedenste digitale Tools wie Moodle, uniMEET/ Big Blue Button und Skype for Business verwendet wurden. Dabei stellten besonders zu Beginn der Fernlehre die kurzfristige Umstellung, der Bereich der IT-Infrastruktur, die Auseinandersetzung mit neuen digitalen Tools und die didaktische Umsetzung der Online-Lehre die Lektor: innen vor große Herausforderungen. Die Ergebnisse der Befragung des Wintersemesters 2020/ 21 zeigten jedoch schon einen positiven Trend hinsichtlich der digitalen Lehre, da viele Lehrende bereits von Verbesserungen des Angebots und persönlich erlebten Kompetenzzuwächsen im Umgang mit online Tools berichteten (vgl. Dorfer et al. 2021, S. 4 ff.). Trotzdem darf auch die emotionale Komponente in diesem Kontext nicht vergessen werden, denn in dieser Phase äußerster Belastung verlangten der dauerhafte und persönlich erlebte Stress sowie die große Verunsicherung, Ungewissheit und Sorge im Lehr-Lern-Kontext den Lehrenden sehr viel ab (vgl. Seidl 2021, S.-170). Im Hinblick auf zukünftige Lehre wünschte sich die Hälfte der befragten Lehrenden (50,1 %) an der Universität Graz wieder Präsenzlehre, wobei eine Mischung mit einem geringen Anteil Online-Lehre als optimal empfunden wurde (vgl. Dorfer et al. 2021, S. 11). Das Ergebnis einer Studie der FH Campus 02 Oberösterreich aus dem Sommersemester 2020 zum Thema Online-Lehre bestärkt dieses Fazit, da auch dort die physische Anwesenheit und Kontaktzeiten an der Hochschule zur Aufrechterhaltung des persönlichen Kontakts und des Gemeinschaftsgefühls als sehr wichtig empfunden wurden. Außerdem wurde die interaktive Gestaltung der Online-Lehre mithilfe von digitalen Tools und Methoden wie dem Austausch in Breakout Rooms von den Studierenden sehr geschätzt, weshalb Blended-Learning-Konzepte in Zukunft eine Bereicherung für die Erwachsenenbildungspraxis darstellen könnten (vgl. Archan/ Meier 2021, S.-8-14). 236 Sarah Bindar <?page no="237"?> Take a Chance on Intergenerational Learning Die Heterogenität der Teilnehmer: innen in Kursen der Erwachsenenbildung sowie die damit verbundenen unterschiedlichen Altersgruppen, Generationen, Persönlichkeiten, (Lern-)Erfahrungen und Perspektiven stellen Lehrende zwar auf verschiedene Art und Weise vor Herausforderungen, bereichern die Lehr‐ praxis jedoch gleichzeitig enorm. Denn diese unterschiedlichen Erfahrungs‐ werte stellen die Basis für intergenerationelle Lernprozesse dar. Die Lernenden bekommen die Chance, sich mit Kursteilnehmer: innen anderer Altersgruppen auszutauschen und verschiedene Perspektiven kennenzulernen. Um den Aus‐ tausch vielfältiger Erfahrungen zwischen Generationen zu ermöglichen, werden immer wieder neue intergenerationelle Lernmöglichkeiten erarbeitet. Die Viel‐ falt an möglichen altersübergreifenden Lernprozessen hilft den Lehrenden, die Diversität der Teilnehmenden sichtbar zu machen und einen Austausch von Er‐ fahrungen, Perspektiven und Wissen im altersheterogenen Kontext anzuregen. Dieser intergenerationelle Wissenstransfer ist nicht nur auf individueller Ebene, sondern auch für gesellschaftliche Entwicklungsprozesse von großer Bedeu‐ tung, da durch den Anstieg intergenerationeller Angebote neue Formen des gemeinsamen Lebens gefunden werden und somit das gegenseitige Verständnis erhöht wird. Dadurch erweisen sich Lernprozesse zwischen Generationen als Chance für mehr Offenheit und Akzeptanz und gleichzeitig werden Vorurteile und Stereotype abgebaut (vgl. Antz et al. 2009b, S. 28; 41; 45; vgl. Franz 2014, S.-27; 104). Die meisten Formen des intergenerationellen Lernens ermöglichen es den Kursbesucher: innen, sich aktiv, interaktiv, biographisch und reflexiv in den al‐ tersübergreifenden Bildungsprozess einzubringen. Diese Art des partizipativen und kommunikativen Lernens stärkt die Motivation der Teilnehmer: innen und steigert die Bereitschaft, sich auf neue Lerninhalte und Erfahrungen einzulassen. Aus didaktischer Sicht sind Diskussionen und Reflexionen des gesellschaftli‐ chen Wandels sowie der veränderten Altersbilder und Lebensphasen auch gute Möglichkeiten, um eine Grundlage für einen wertschätzenden und reflektierten Umgang mit unterschiedlichen Altersgruppen zu schaffen (vgl. Antz et al. 2009b, S.-35; vgl. Franz 2014, S.-19). Wissenschaftliche Studien zeigen, dass ein Miteinander der Generationen sowohl von jüngeren als auch von älteren Personen als wünschenswert erachtet wird. Im Jahr 2006 wurde von Schneekloth nachgewiesen, dass die Generation der „Älteren“ und ihre Leistungen von Jugendlichen wertschätzend betrachtet werden. Außerdem wünschen sich laut einer Studie von Tippelt et al. (2009) äl‐ tere Lernende Kontakt zu jüngeren Menschen in Bildungsangeboten. Da sich die Ausgangslage und die Rahmenbedingungen bezüglich des Kontakts zwischen Intergenerationelles Sprachenlernen 237 <?page no="238"?> unterschiedlichen Generationen geändert haben, steigt die Wichtigkeit der intergenerationellen Bildung auch in gesamtgesellschaftlicher Sicht, da Lernen als sozialer Prozess von und zwischen Generationen angeleitet und begleitet wird (vgl. Franz 2014, S. 24 f.). In Bezug auf die Gruppenzusammensetzung spielt auch die emotionale Komponente besonders in der Fremdsprachenlehre eine wesentliche Rolle. Es wird angeraten, im Lehrveranstaltungskontext einen stu‐ dierendenzentrierten Ansatz zu verfolgen und gegenseitigen Respekt und Ver‐ trauen zwischen Lehrenden und Lernenden sowie zwischen Kommiliton: innen zu fördern, um für eine kollegiale Basis und für regen persönlichen Austausch in der Sprachenlehre zu sorgen. Laut Studierenden der Universität Graz konnte dies in der Online-Lehre nicht mehr im selben Ausmaß gewährleistet werden, wobei aber der soziale Austausch bis zu einem gewissen Grad durch den Einsatz von Breakout Rooms und Gruppenarbeiten ermöglicht wurde. Diese virtuelle Methode stellte sich für viele Studierende als Chance und wertvolle Ressource für die Zusammenarbeit und den sozialen Kontakt während der herausfordernden Covid-19-Pandemie heraus (vgl. Seidl 2021, S.-172 ff.). Das Projekt Intergenerationelles Sprachenlernen ‒ Wie Generationen in Fremdsprachenkursen von- und miteinander lernen Dieses Forschungsprojekt zielte darauf ab, mittels Interviews zu erfahren, wie generationsübergreifendes Lernen am treffpunkt sprachen - Zentrum für Sprache, Plurilingualismus und Fachdidaktik stattfindet. Das Lehr- und Forschungszentrum treffpunkt sprachen wurde 2001 als Sprachenzentrum der Universität Graz gegründet. In den letzten zwei Jahrzehnten hat sich dieses zu einem fakultätsübergreifenden Zentrum für Sprache, Plurilingualismus und Fachdidaktik entwickelt, das neben einem Sprachkursangebot von 26 Sprachen auch die Durchführung von Forschungsprojekten in den Bereichen der re‐ gionalen und globalen Mehrsprachigkeit, Sprachdokumentation, Fachdidaktik sowie der Sprachlehr- und -lernforschung fördert, um einen wichtigen Beitrag für den Erhalt von qualitativ hochwertiger Lehre zu leisten (vgl. treffpunkt sprachen I, online). Dieses Forschungsprojekt ist ein großartiges Beispiel für die Symbiose der Bereiche Lehre und Forschung, da der universitäre Sprachlehr‐ kontext im Mittelpunkt des Forschungsinteresses steht, um in weiterer Folge die methodisch-didaktischen Anforderungen der Sprachenlehre an der Universität Graz zu optimieren. 238 Sarah Bindar <?page no="239"?> Projektziele und Projektzeitraum treffpunkt sprachen verbindet schon seit 2001 Lernbegeisterte unterschiedlichen Alters, um ihrem Wunsch nachzugehen, eine neue Sprache zu erlernen oder ihre vorhandenen Sprachkenntnisse zu vertiefen. Das breitgefächerte Sprachenan‐ gebot sowie die Öffnung des Lehrangebots für nicht-universitäre Lernende und externe Interessierte führt zu einem hohen Level an Heterogenität in den Sprachkursgruppen (vgl. treffpunkt sprachen II, online). Im Fokus dieser Forschungsarbeit stehen die Altersheterogenität in Fremdsprachenkursen am treffpunkt sprachen sowie die damit verbundenen generationsübergreifenden Lernprozesse in der Sprachenlehre. Im Zuge des Forschungsprojekts wurden im Zeitraum zwischen Winterse‐ mester 2020/ 21 und Sommersemester 2023 insgesamt 32 leitfadengestützte Interviews mit Lehrenden und Lernenden verschiedenster Fremdsprachen am treffpunkt sprachen durchgeführt. Das Projekt startete in einer Phase, in der auf‐ grund der Covid-19-Pandemie teilweise keine Präsenzlehre stattfinden konnte, weshalb universitätsweit auf Online-Lehre umgestellt wurde. Aus diesem Grund fanden auch viele Interviews über das universitätsinterne Videokonferenztool uniMEET statt. Um die methodischen und didaktischen Überlegungen sowie den qualifizierten Blick von Lehrpersonen in den Mittelpunkt der Forschung zu rücken, wurden für den vorliegenden Beitrag die Antworten der 21 Lehrenden zur Analyse herangezogen. Ziel dieses Projekts war es, herauszufinden, welche Rolle Intergenerationa‐ lität im Sprachunterricht spielt und inwiefern der soziale und gesellschaftliche Faktor der Generation in die Sprachunterrichtsgestaltung eingebunden wird. Ein zusätzlicher wichtiger Teil der Forschung war die Frage nach der methodi‐ schen und didaktischen Gestaltung von generationsübergreifendem Unterricht. Außerdem sollten Herausforderungen und Chancen im intergenerationellen Sprachunterricht sowohl für Lehrende als auch für Lernende eruiert werden. Folgende Fragestellungen wurden im Laufe dieser Forschungsarbeit behandelt: • Wie spiegelt sich Altersheterogenität in den Sprachkursen am treffpunkt sprachen wider? • Wie werden die sozialen und gesellschaftlichen Faktoren Generation und Intergenerationalität in den Sprachunterricht eingebracht? • Wie wirkt sich die Online-Lehre auf den intergenerationellen Sprachunter‐ richt aus? • Welche generationenübergreifenden Unterrichtsmethoden werden am treffpunkt sprachen angewandt? Intergenerationelles Sprachenlernen 239 <?page no="240"?> • Welche Herausforderungen und Chancen ergeben sich in intergeneratio‐ nellen Sprachkursen? Basierend auf den Ergebnissen dieses Forschungsprojekts soll in weiterer Folge eine Sammlung an gezielten methodischen und didaktischen Empfehlungen für die intergenerationelle Sprachenlehre im universitären Kontext entstehen, um optimale Lehr- und Lernvoraussetzungen für die altersheterogenen Lernen‐ dengruppen zu schaffen und Sprachunterricht für alle Altersgruppen abwechs‐ lungsreich und effektiv zu gestalten. Methodik Um mehr über die Intergenerationalität in Sprachkursen am treffpunkt sprachen zu erfahren, wurde ein Erhebungsverfahren der qualitativen Sozialforschung angewandt. Mithilfe von problemzentrierten Interviews konnte dezidiert der spezifischen Fragestellung nach den Chancen und Herausforderungen in inter‐ generationellen Sprachkursen nachgegangen werden. Bei den 21 Lehrendenin‐ terviews am treffpunkt sprachen wurde ein standardisierter Leitfaden (siehe Anhang) verwendet, um die Vergleichbarkeit der Antworten zu ermöglichen. Die offenen und halboffenen Fragen des Interviewleitfadens leiteten die Inter‐ viewten zwar auf bestimmte Fragestellungen hin, ermöglichten aber freie Re‐ aktionen ohne Vorgabe von Antworten (vgl. Mayring 2002, S. 66-72). Demnach legten die Befragten ihre subjektiven Perspektiven, professionellen Einschät‐ zungen und individuellen Erfahrungen hinsichtlich der Lehre in Sprachkursen mit intergenerationellen Lernenden offen. Die Konzeption des Interviewleitfadens für Lehrende erfolgte durch eine Gliederung in drei Hauptbereiche, welche sich auf die Beantwortung der Forschungsfragen beziehen. Die Einstiegsfragen zielen darauf ab, die Thematik der Intergenerationalität in Sprachkursen einzuführen und gleichzeitig die Reflexion der heterogenen Zusammensetzung der Lernendengruppe im eigenen Kurs anzuregen. Der Hauptteil beschäftigt sich mit dem Aufbau des Sprachun‐ terrichts und dem Einsatz intergenerationeller Methodik sowie den Chancen und Herausforderungen, die sich sowohl für Lehrende als auch für Lernende durch diese Mischung der Altersgruppen in Sprachkursen ergeben. Weiters wird auch die Auswirkung der Umstellung von Präsenz-Lehre zu Online- Lehre in intergenerationellen Sprachkursen erfragt. Der Schlussteil bietet die Möglichkeit, letzte Verständnisfragen zu klären und letzte Gedanken in Bezug auf Intergenerationalität in der Sprachenlehre preiszugeben. Die Abfrage von wichtigen soziodemographischen Daten wie Geschlecht, Alter, Arbeitsplatz, Sprachkursleitung und Lehrerfahrung erfolgte direkt am Anfang der Befragung. 240 Sarah Bindar <?page no="241"?> Die Interviews dauerten zwischen 16 und 43 Minuten, wobei die durch‐ schnittliche Interviewdauer bei 28: 50 Minuten lag. In dieser Zeit berichteten Lehrende über ihre Sprachenlehre in der Erwachsenenbildung wie auch am treffpunkt sprachen. Um eine detaillierte Einsicht in die Thematik der alters‐ übergreifenden Sprachenlehre zu bekommen und die Ergebnisse vergleichen zu können, wurden die aufgenommenen Interviews transkribiert und mittels einer qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring (2002, S. 114) analysiert. Die Qualita‐ tive Inhaltsanalyse nach Mayring bietet die optimale Struktur, um die Interviews systematisch zu analysieren und die wichtigsten Aspekte zur Beantwortung der Forschungsfragen anhand eines Kategoriensystems herauszufiltern. Das quali‐ tativ gewonnene Datenmaterial der Interviews wurde anhand der Datenanaly‐ sesoftware MAXQDA speziellen Kategorien zugeordnet, um die Thematisierung von Alter und Altersunterschieden in Sprachkursen, die Chancen und Heraus‐ forderungen sowie den Einsatz von generationsübergreifenden Lehrmethoden aufzuschlüsseln. Die Hauptkategorien wurden deduktiv gewonnen, da viele der oben genannten Faktoren bezüglich altersheterogener Lernendengruppen der Literatur entnommen werden konnten. Im Laufe der Forschungsarbeit wurden diese mit induktiv gewonnenen Erkenntnissen modifiziert, wodurch weitere Kategorien während des Codierungsprozesses des Interviewmaterials entnommen werden konnten (vgl. Mayring 2002, S. 114-121). Nachdem die Aussagen der Expert: innen codiert und Kategorien zugeordnet worden waren, konnten die gewonnenen Erkenntnisse ausgewertet und interpretiert werden, um die Forschungsfragen zu beantworten. Um Beispiele aus der intergenerati‐ onellen Bildungspraxis anführen zu können, wurden teilweise Zitate aus den Interviews entnommen. Stichprobe Das vielfältige Lehrangebot am treffpunkt sprachen beinhaltet Sprach- und Spe‐ zialkurse, die von einem Sprachlehrteam von 59 Universitätslektor: innen reali‐ siert werden. Insgesamt nahm mehr als ein Drittel der Universitätslektor: innen (35,6 %) an der Befragung mittels Leitfadeninterview teil (n = 21). Durch die Teilnahme von Lehrenden unterschiedlicher Sprachkurse wurde ein Einblick in die Lehre von zwölf Fremdsprachen gegeben. Somit wird beinahe die Hälfte (46,2 %) des Sprachkursangebots am treffpunkt sprachen abgedeckt. Die teilnehmenden Lehrpersonen sind mehrheitlich weiblich (85,7 %), was ge‐ nerell den erhöhten weiblichen Anteil in Bezug auf das Geschlechterverhältnis der Trainer: innen in der Erwachsenenbildung widerspiegelt. Der Prozentsatz der männlichen Teilnehmer beläuft sich damit auf 14,3 %: Intergenerationelles Sprachenlernen 241 <?page no="242"?> 208 Fremdsprachen gegeben. Somit wird beinahe die Hälfte (46,2 %) des Sprachkursangebots am treffpunkt sprachen abgedeckt, was einen guten Überblick über die Vielfalt der universitären Sprachenlehre verschafft. Die teilnehmenden Lehrpersonen sind mehrheitlich weiblich (85,7 %), was generell den erhöhten weiblichen Anteil in Bezug auf das Geschlechterverhältnis der Trainer: innen in der Erwachsenenbildung widerspiegelt. Der Prozentsatz der männlichen Teilnehmer beläuft sich damit auf 14,3 %: Die Variationsbreite in Bezug auf das Alter der Teilnehmer: innen zum Zeitpunkt der Befragung (age range) verteilt sich zwischen 28 und 59 Jahren (siehe Abbildung). Der Altersdurchschnitt der befragten Sprachlehrenden beträgt 43,7 Jahre. 14% 86% Männlich Weiblich Abbildung 1: Genderspezifische Aufteilung der Lehrenden im Forschungsprojekt Die Variationsbreite in Bezug auf das Alter der Teilnehmer: innen zum Zeitpunkt der Befragung (age range) verteilt sich zwischen 28 und 59 Jahren (siehe Abbildung). Der Altersdurchschnitt der befragten Sprachlehrenden beträgt 43,7 Jahre. 0 10 20 30 40 50 60 70 Alter in Jahren Abbildung 2: Altersspektrum der befragten Lehrpersonen Einen weiteren spannenden Einblick bietet die Variable der Lehrerfahrung. Zum Interviewzeitpunkt weisen die Lehrenden zwischen 1,5 Jahren und 30 Jahren Lehrerfahrung auf (experience range min: 1,5; max: 30). Bei 21 Lehrpersonen ergab sich dadurch ein durchschnittlicher Erfahrungswert von 17 Jahren. Abbildung 3 zeigt die genaue Aufschlüsselung der Lehrerfahrung in Jahren. 242 Sarah Bindar <?page no="243"?> 05 10 15 20 25 30 35 Lehrerfahrung Abbildung 3: Spannbreite der Lehrerfahrung der Sprachkursleiter: innen Erfahrungen der Sprachlehrenden mit intergenerationellen Gruppen In diesem Teil werden die zentralen Ergebnisse der geführten Interviews dar‐ gestellt. Die Präsentation der Ergebnisse wird aufgrund der Forschungsfragen in fünf Teile untergliedert. Zu Beginn der Befragung wurden die Lehrenden ge‐ beten, einen Einblick in die Altersheterogenität der Lernenden in ihren Sprach‐ kursen zu geben. Die allgemeine Altersspanne der Sprachkursteilnehmer: innen am treffpunkt sprachen wird von den Lehrpersonen auf 18 bis 85 Jahre geschätzt. Der Großteil der Sprachkursleiter: innen (17 Lehrende) gab an, dass ihre Kurse am treffpunkt sprachen vermehrt von Studierenden zwischen 18 und 30 Jahren besucht werden, wobei aber auch angemerkt wird, dass durchschnittlich pro Kurs zwei bis drei Teilnehmer: innen anderen Altersgruppen (über 30 Jahre) angehören. Am häufigsten wird die Altersgruppe zwischen 21 und 26 Jahren genannt, die als „vom Alter her als relativ homogen“ (Interview 14, 00: 26- 00: 30) beschrieben wird. Eine Lehrende fügt zur Beschreibung der jüngeren Sprachkursgruppe aber noch ergänzend hinzu: „Sie sind zwar heterogen vor allem auch hinsichtlich des Alters, aber sie alle sind Studierende“ (Interview 15, 00: 32-00: 49), um nicht den Eindruck zu vermitteln, dass es sich generell um eine homogene Lernendengruppe handelt. Während einige Interviewteilnehmer: innen nicht speziell auf den Altersun‐ terschied zwischen den Lernenden eingehen, schlüsselt eine Trainerin genau auf, dass es innerhalb der Sprachkurse zu einem Altersunterschied von 20 Jahren oder mehr kommen kann. Die verhältnismäßig wenigen „betagteren Studierenden“ weisen laut Lehrmeinung aber nur einen Anteil von unter 10 % (Interviews 5; 20) auf. Aufgrund dieser geringen Rate behauptet eine Lehrperson sogar, dass es sich bei Kursen am treffpunkt sprachen um „die homogenste Intergenerationelles Sprachenlernen 243 <?page no="244"?> Gruppe“ handelt, die er oder sie im Leben je gesehen hat (Interview 19, 02: 26- 02: 35). Eine weitere Lehrperson teilt diesen Gedanken und fügt hinzu, dass es sich bei den Fremdsprachenlernenden am treffpunkt sprachen um eine sehr privilegierte universitätsnahe Personengruppe handelt. 80 % der Befragten erkennen neben dem Alter und der Generation weitere Heterogenitätsfaktoren, die ihrer Meinung nach teilweise einen noch größeren Einfluss auf das Erlernen einer Fremdsprache haben können. Die „sehr große Heterogenität“ in den Sprachkursen (Interview 4, 00: 25-00: 38) zeigt sich vor allem durch die Nennung 20 weiterer Merkmale, die laut Sprachlehrenden als Unterscheidungsmerkmale in ihren Gruppen gefunden werden können: Herkunftsland, Muttersprache (L1), Kultur, Vorerfahrung, Sprachniveaus, Be‐ rufstätigkeit, temporäre Limitierung, gesundheitliche Einschränkungen wie körperliche Beeinträchtigungen, intrinsische oder extrinsische Motivation, Lernfähigkeit, Lerntempo, Lernstil und Lerntechnik, Leistungsbereitschaft und Engagement, Genauigkeit, erhöhter Hilfsbedarf, Persönlichkeit, Interessen, in‐ dividuelle Haltungen und Ziele. Der Workshop What’s Age Got to Do With It? , der am 26. Mai 2023 zwischen 14.00 und 18.00 Uhr an der Universität Graz stattfand, wurde auf Basis dieser Forschung konzipiert, um mit Sprachlehrenden weiter zur Thematik der Alters‐ heterogenität in Sprachkursen zu arbeiten. Im Rahmen einer Übung zu Hetero‐ genität wurden ebenfalls Merkmale herausgearbeitet (siehe Anhang), mit denen sich Sprachtrainer: innen konfrontiert sehen und die in der Lehre berücksichtigt werden sollen. Folgende Heterogenitätskategorien konnten von den Lehrenden ergänzend zu den oben genannten in der Praxis beobachtet werden: Geschlecht, Ethnizität, Bildungsweg, Werte und Einstellungen, ökonomische Faktoren und Milieu (vgl. Bindar 2023, S.-1 f.). Im Rahmen der Interviews werden Motivation, Vorerfahrung, Persönlichkeit und Zeit als häufigste Heterogenitätskategorien genannt. Der Faktor Zeit wird im Rahmen der Befragungen oft mit „älteren“ Lernenden in Verbindung gebracht, wobei die Kombination mit Berufstätigkeit eine große Rolle in der In‐ terpretation spielt. Viele Lehrende sind sich einig, dass „ältere“ Lernende die Zeit als kostbarer ansehen und genau wissen, dass sie die Zeit für einen Sprachkurs wertvoll nutzen wollen. Jedoch sehen einige Lehrende auch, dass es für berufstä‐ tige Sprachkursteilnehmer: innen nicht leicht ist, die Zeit von beruflichen sowie privaten Verpflichtungen für einen Sprachkurs „abzuspecken“ (Interview 3, 01: 14-01: 31). Dementsprechend wird diesen „älteren“ berufstätigen Lernenden auch viel Motivation und Tatendrang zugewiesen: „(…) trotzdem sitzen sie im Kurs und sie möchten möglichst viel aus dem Kurs herausholen.“ (Interview 3, 01: 31-01: 37) Die Chance, mehr Zeit in das Sprachenlernen zu investieren, 244 Sarah Bindar <?page no="245"?> wird Lernenden in fortgeschrittenerem Alter zugeschrieben. Einige Lehrende nehmen an, dass nach dem Ausstieg aus dem Berufsleben mehr Zeit für einen Sprachkurs aufgebracht werden kann: „(…) sie haben mehr Zeit und sie sind sehr motiviert, da sie endlich in der Pension etwas zu tun haben“ und erfüllen sich damit häufig auch einen Wunsch oder Traum (Interview 11, 03: 46-03: 58; 01: 46-01: 52). Das am häufigsten erwähnte Unterscheidungsmerkmal der Sprachkursteil‐ nehmer: innen ist die Motivation, wobei die Differenzierung zwischen intrinsi‐ scher und extrinsischer Motivation essentiell ist. Auch wenn alle Lernenden laut Sprachtrainer: innen das gemeinsame Ziel haben, eine Sprache zu erlernen oder ein bestimmtes Sprachniveau zu erreichen, gibt es Unterschiede bezüglich des Beweggrundes und des Levels an Freiwilligkeit. Besonders auffällig ist die Kombination extrinsischer Motivation mit dem Studentenstatus, der häufig mit jüngeren Kursteilnehmer: innen in Verbindung gebracht wird. Eine Vielzahl von Lehrenden erklärt, dass viele Studierende Sprachkurse am treffpunkt sprachen besuchen, um universitären Ansprüchen gerecht zu werden, wie beispielsweise das Sammeln von ECTS, die Erfüllung von Voraussetzungen bestimmter Studi‐ enrichtungen, das Erreichen eines Sprachniveaus für ein oder im Zuge eines Auslandssemesters. Eine Lehrperson merkt aber auch an, dass Bedienstete der Universität Graz oft einen Sprachkurs besuchen, um einen Teil ihrer Ziel- und Leistungsvereinbarung zu erfüllen und somit ebenfalls aus extrinsischer Motivation handeln (Interview 9). Als intrinsische Motivationsmerkmale werden persönliches Interesse, das Er‐ füllen eines Traums, das Auffrischen einer Sprache, Reisen, Liebe und Verwandt‐ schaft aufgezählt. Diese Elemente leiten bereits auf einen weiteren Kernfaktor der Heterogenität in Sprachkursen hin, nämlich die Zusammensetzung unter‐ schiedlicher Persönlichkeitstypen im Kursraum. Zwölf Sprachtrainer: innen nennen Persönlichkeit und Charakterzüge als wichtige Unterscheidungsmerk‐ male der Lernenden in einer Kursgruppe, die in weiterer Folge einen großen Einfluss auf die Gruppendynamik und die Lernatmosphäre haben. Die Mischung „unterschiedlicher Typen“ im Kurs bezieht sich auch auf ein breites Spektrum an Merkmalen wie Fähigkeiten und Fertigkeiten, Einstellungen und Meinungen, Interessen und Präferenzen sowie sozialen Kompetenzen. Der am zweithäufigsten genannte Faktor in Bezug auf Heterogenität ist die Vorerfahrung. Mehr als die Hälfte der Interviewten betiteln Vorwissen als eines der wichtigsten Unterscheidungsmerkmale zwischen Lernenden, spe‐ ziell in Verbindung mit der Zielsprache oder einer verwandten Sprache. Laut Expert: innen kann dies den Erwerb der Sprache begünstigen, da viele Verknüp‐ fungen hergestellt und gewisse „Transfer Skills“ eingesetzt werden können Intergenerationelles Sprachenlernen 245 <?page no="246"?> (Interview 4, 08: 04-08: 08). Ebenso spielt die Sprachlernerfahrung eine große Rolle, zumal gewisse Lernstrukturen vorgegeben sind und die Lernenden auf einen erweiterten „Wissenspool“ zurückgreifen können (Interview 18, 27: 14). Einige Lehrende betonen die Wichtigkeit des Einbringens anderer Erfahrungs‐ werte wie Vorwissen über die entsprechenden Kulturen oder Länderkunde. Auch kulturelle Aspekte in Verbindung mit unterschiedlichen Herkunftslän‐ dern und Muttersprachen werden in Bezug auf Heterogenität im Klassenraum genannt. Eine Lehrperson erklärt die Herausforderungen ihres Sprachunter‐ richts folgendermaßen: Also meine großen Herausforderungen sind eher die unterschiedlichen Lernkulturen und Herkunftsländer. Diese damit verbundenen Anforderungen unter einen Hut zu bringen, stellt mich teilweise schon vor größere Hürden. Die Heterogenität in Bezug auf die Altersunterschiede stellt für mich jedoch gar kein Problem dar. (Interview 1; 18: 44-19: 00) Weitere häufige Nennungen in Bezug auf Heterogenität sind andere indivi‐ duelle Unterschiede, wie beispielsweise Lernstil, Lernfähigkeit, Lerntempo, Bedürfnisse und Interessen. Eine Lehrperson gibt an, diese Heterogenität im Sprachkurs anzusprechen, um die Thematik in den Köpfen der Lernenden ins Bewusstsein zu rufen und um auch klarzustellen, dass sich deshalb einige „leichter tun“ als andere (Interview 5; 05: 39-05: 56). Auch wenn Motivation, Vor‐ wissen und persönliche Voraussetzungen teils ganz unterschiedlich ausfallen, macht eine Lehrperson deutlich, dass das Bewusstwerden eines gemeinsamen Ziels in der Lernendengruppe ein gutes Klassenklima und Zusammengehörig‐ keitsgefühl fördert: Meiner Erfahrung nach ist eines der wichtigsten Ziele im Unterricht, ein Gemein‐ schaftsgefühl unter den Lernenden zu erzeugen. Wer sich in der Gruppe wohlfühlt, ist meist auch viel motivierter. Die Teilnehmer: innen kommen auch viel lieber zum Kurs - auch deshalb, weil dieser einen Fixpunkt im wöchentlichen Alltag darstellt. Und sollte einmal jemand einen ‚Durchhänger‘ haben, wird er oder sie nicht selten von der restlichen Gruppe mitgetragen. Unser Motto lautet dabei: Zusammen können wir Probleme leichter lösen, niemand ist auf sich selbst gestellt und wir alle wollen unser gemeinsames Ziel erreichen! (Interview 3, 28: 04-28: 37) Auch wenn sich die meisten Lernenden am treffpunkt sprachen schätzungsweise in ihren Zwanzigern befinden, ist es wichtig, diese Altersgruppe nicht als homogen anzusehen. Die Antworten der Interviews zeigen, dass sich die meisten Lehrenden einer gewissen Heterogenität in ihren Kursgruppen bewusst sind, wobei Alter aber nur eines von vielen Merkmalen darstellt. Die Hetero‐ 246 Sarah Bindar <?page no="247"?> genitätsfaktoren aus der Fachliteratur decken sich mit den Erfahrungen aus der Praxis, wobei die Lehrenden noch mehr Unterschiede auflisten. Genauso wie in der Literatur wird auch in den Befragungen am treffpunkt sprachen die interkulturelle Komponente als zusätzliche Herausforderung in heterogenen Kursgruppen genannt. Obwohl teilweise Verbindungen zwischen gewissen Lebensphasen und Motivationen oder Zeitressourcen existieren, wird jedoch in der Theorie angeraten, die Angehörigen der „jungen“, „mittleren“ oder „älteren“ Generationen nicht zu pauschalisieren. Daher ist es wichtig, Heterogenität ins Bewusstsein der Lehrenden und Lernenden zu rufen und sensibel auf explizite oder implizite Unterschiede der Sprachkursteilnehmer: innen zu reagieren. Im Allgemeinen sind sich Expert: innen in Theorie und Praxis einig, wenn es um das Stärken des Gemeinschaftsgefühls geht. Immerhin weisen Personen unterschiedlicher Generationen ebenfalls viele Gemeinsamkeiten auf, wie das gemeinsame Ziel der Sprachkompetenzerweiterung in den Kursen am treffpunkt sprachen. Altersheterogenität und Verhaltensunterschiede in den Sprachkursen In weiterer Folge wurde ein besonderes Augenmerk auf die Verhaltensunter‐ schiede der Lernenden aufgrund ihrer Altersheterogenität gelegt. Die Frage nach der Mischung der Altersgruppen in den Sprachkursen und nach den Ver‐ haltensunterschieden der Lernenden offenbart eine große Vielfalt an Ansichten. Während der Befragung wurde klar, dass neun Lehrende zwar Altersunter‐ schiede in den Kursgruppen erkennen, aber keine Verhaltensunterschiede zwi‐ schen den jüngeren und den älteren Kursteilnehmer: innen feststellen können. Als Beispiel für „keine Verhaltensunterschiede aufgrund des Alters“ sei stell‐ vertretend der Fall eines 60-jährigen Mannes erwähnt, der am Intensivkurs teilnimmt „ganz gleich, als wäre er 20“ (Interview 16, 09: 00-09: 03). In diesem Fall wird zwar explizit darauf hingewiesen, dass keine Verhaltensunterschiede zwi‐ schen jüngeren und älteren Teilnehmer: innen in diesem Sprachkurs erkennbar sind, was gleichzeitig aber andeutet, dass generell Verhaltensunterschiede aufgrund des Alters existieren. Keine Mischung von Altersgruppen wird nur in wenigen Fällen angegeben. Anfangsstatements wie „ich habe nie eine gemischte Gruppe gehabt“ wurden im Laufe des Interviews und nach genauerem Reflektieren revidiert und in „nur ein oder zwei (ältere Lernende) pro Semester“ umgewandelt, wobei trotzdem keine Unterschiede bemerkt wurden (Interview 10, 04: 56-05: 00; 05: 45-05: 55). Vereinzelte Lehrpersonen betrachten ihren Sprachkurs nicht als generations‐ übergreifend, da die Anzahl der älteren Personen in den Kursgruppen ihres Erachtens zu gering ist. Dementsprechend wird argumentiert, dass das Merkmal Intergenerationelles Sprachenlernen 247 <?page no="248"?> „generationsübergreifend“ erst gegeben ist, wenn die Hälfte der Lernenden einer anderen Altersgruppe angehört (Interview 8, 11: 57-12: 09). Eine weitere Lehrperson verbalisiert, dass sich „gemischte intergenerationelle Geschichten“ im eigenen Sprachkurs nicht ergeben (Interview 18, 26: 49-26: 53). Anmerkungen wie „keine Unterschiede“, „nur mehr oder weniger Junge“, „kaum Ältere in meinen Kursen“, „homogene Gruppe“, „macht nicht viel aus“ zeigen, dass einige Lehrpersonen den Level an Heterogenität in ihren Sprachkursgruppen nicht bewusst wahrnehmen. Auch wenn die Lernenden altersmäßig nicht stark voneinander abweichen, zeigt der erste Teil der Analyse, dass viele andere Heterogenitätsmerkmale auf die Sprachenlernenden zutreffen können. Die Sprachkursgruppe wird zum Teil als „homogen“ bezeichnet, was zeigt, dass teilweise nicht nur altersbedingte Unterschiede, sondern auch weitere Heterogenitätsfaktoren unreflektiert bleiben. Wiederum andere Lehrpersonen geben an, sich zuvor noch nie Gedanken über diese Thematik der Verhaltensunterschiede gemacht zu haben. Bei der Vorbereitung auf das Interview realisierten aber einige, dass das Verhalten der Lernenden unterschiedlich sein kann, auch wenn kein großer Altersunter‐ schied innerhalb der Kursgruppe erkennbar ist. Daher argumentierten manche Lehrpersonen, dass es sich bei Verhaltensunterschieden in den Sprachkursen nicht um Unterschiede zwischen den Altersgruppen handelt, sondern um die verschiedenen persönlichen Präferenzen zu bestimmten Themen. Dazu passend meinte eine Lehrperson: „Alter spielt überhaupt keine Rolle.“ (Interview 19, 03: 52-03: 55) Oder, um dies in den Worten einer anderen Lehrperson in Bezug auf Verhaltensunterschiede in der Mitarbeit darzustellen: „(…) es gibt motivierte ältere Leute, es gibt motivierte jüngere Leute. Es gibt faule ältere Leute, es gibt faule jüngere Leute. Aber was immer gleich ist: Es melden sich hauptsächlich die ‚Streber‘ und diese können aus jeder Alterskohorte stammen.“ (Interview 5, 05: 01-05: 15) Um die Frage nach generationsspezifischen Verhaltensweisen im Sprachun‐ terricht noch weiter aufzuschlüsseln, wurde nach speziellen Erfahrungswerten und Einschätzungen gefragt. Dabei wurde eruiert, ob Lehrende im Sprachkurs explizite Unterschiede der Teilnehmer: innen anhand des Alters oder der Gene‐ ration erkennen können. Zunächst nannten einige Lehrpersonen Bereiche, auf die sie im Sprachunterricht achten, da sich diese von Generation zu Generation unterscheiden: kulturelle Bezüge und zeitgenössische Referenzen, Sprachvaria‐ tionen und Jugendsprache, Modeerscheinungen, Lehrmethoden und Lernstile. Einige Lehrende erwähnen diesbezüglich, dass ihnen auffällt, dass sich ältere Lernende mehr mit dem kulturellen Geschehen auseinandersetzen und dass sie darauf Wert legen, Interessensgebiete weiter zu vertiefen. Zwei Lehrende geben 248 Sarah Bindar <?page no="249"?> auch an, dass sie mit älteren Lernenden die Erfahrung gemacht haben, dass bereits mehr allgemeines Vorwissen vorhanden war. Die Wahrnehmung des Verhaltens älterer Lernender wird von den Sprach‐ trainer: innen in den Interviews wie folgt beschrieben: Ältere Sprachkursteil‐ nehmer: innen wirken zielorientierter, fokussierter, ambitioniert, ehrgeizig, pünktlicher, genauer, motivierter, bemühter im Vergleich zu ihren jüngeren Kommiliton: innen. Laut Expert: innen wissen ältere Lernende, was sie wollen, und haben „mehr Biss beim Lernen“ (Interview 3, 01: 14). Den Interviews zufolge scheinen diese Altersgruppen mehr mitzudenken, mehr nachzufragen, aber auch mehr und genauere Erklärungen einzufordern. Diese meist positiven Eigenschaften können sich in weiterer Folge auch auf die Gruppendynamik im Sprachkurs auswirken, denn sie „sind oft viel, viel motivierter mitzumachen und nicht selten reißen sie dann die Jüngeren auch mit.“ (Interview 1, 09: 37- 09: 42) Dieser erhöhte Motivationslevel lässt die Lehrpersonen auch vermuten, dass viele Lernerfolg als wichtig empfinden. Ein Großteil der Sprachlehrenden denkt, dass ältere Lernende aufgrund ihrer Lebenserfahrung selbstbewusster und aktiver sind, während ein paar wenige das Gefühl haben, dass diese Altersgruppen im Sprachkurs eher ruhiger und passiver sind, aus Angst Fehler zu machen und sich zu blamieren. Bezüglich Lernverhalten werden Zusammenhänge mit „veralteten Lern‐ stilen“ wie Übersetzen und Nachschlagen im Wörterbuch sowie Lernschwierig‐ keiten aufgrund geringer Anknüpfungspunkte und verlangsamtes Lerntempo genannt. Eine Lehrende beschreibt dies folgendermaßen: „Die ältere Generation, die auch meine Generation ist, ist oftmals ein bisschen langsamer beim Lernen. Dafür ist sie - so habe ich das oft feststellen können - genauer. Außerdem ist die ältere Generation meist sehr motiviert.“ (Interview 11, 01: 21-01: 46) Eine andere Lehrperson argumentiert, dass die älteren Lernenden einen hohen Motivationslevel, viel Disziplin und Eigeninitiative besitzen, Mitarbeit zeigen und Hausaufgaben erledigen, und damit kompensieren sie oft ihr langsames Lerntempo (Interview 4, 03: 03-03: 14). Jüngere werden oft als aufnahmefähiger beschrieben, aber es fehlt ihnen laut mehreren Lehrpersonen die Disziplin und das Durchhaltevermögen. Obwohl mehrere Lehrende in Bezug auf Lerntempo und Lernfähigkeit an‐ geben, die Geschwindigkeit für ältere Lernende etwas zu reduzieren und ver‐ mehrte Wiederholungen einzubauen, gibt es auch in diesen Fällen Ausnahmen. Eine Lehrperson erklärt: Das trifft in meinem konkreten Fall nicht zu, da meine ältere Kursteilnehmerin viel Sprachlernerfahrung mitbringt. Sie hat dadurch sogar einen Vorteil. Ich denke, es Intergenerationelles Sprachenlernen 249 <?page no="250"?> kommt mehr auf die Biographie an bzw. wie viele Erfahrungen und Fertigkeiten man beim Lernen hat und nicht so sehr auf das Alter. (Interview 14, 13: 47-14: 25) Weitere Eigenschaften, die älteren Lernenden zugeordnet werden, sind Pünkt‐ lichkeit, Spaß und Gemeinschaftssinn, wobei Pünktlichkeit in mehreren Inter‐ views betont wird. Lehrende vermuten, dass die Anwesenheit im Sprachkurs den älteren Lernenden wichtiger ist, da sie auch diejenigen sind, die den Leh‐ renden bei Abwesenheit eher eine Nachricht zukommen lassen. Weiters dürfen der Spaß- und der Gemeinschaftsfaktor für ältere Lernende in Sprachkursen nicht fehlen: Die ältere Generation will natürlich auch Spaß dabei haben und in einer Gruppe lernen. Für viele ältere Personen ist es wieder eine sehr ‚erfrischende‘ Erfahrung, gemeinsam zu lernen, da gerade betagtere Menschen es oft schon vergessen haben, wie bereichernd eine gemeinsame Aufgabe bzw. ein gemeinsames Vorhaben sein kann. (Interview 14, 03: 27-03: 34) Eine weitere Lehrperson beschreibt eine Situation aus der Praxis, in der sie bemerkte, wie wichtig der soziale Aspekt in der Sprachenlehre ist: Ich denke, es ist sehr wichtig, allen eine ‚Bühne‘ zu geben. Ich habe damit die Erfahrung gemacht, dass alle Teilnehmer: innen - egal ob alt oder jung - gerne mitmachen. Es kann gut sein, dass manche Lernende in ihrem Privatleben sonst eher einsam sind. Hier sind sie dann Teil einer Gruppe. (Interview 3, 37: 19-37: 25) Jüngeren Sprachkursteilnehmer: innen hingegen werden andere Eigenschaften zugeschrieben. Sie werden häufig als locker, flexibel, offen und technikaffin gesehen. Der jüngeren Generation wird ebenfalls „eine gewisse Nonchalance“ zugewiesen, die in bestimmten Bereichen auch als sehr zuträglich empfunden wird (Interview 6, 03: 31-03: 41). Beispielsweise wird dadurch erwähnt, dass sie keine große Sprachbarriere besitzen und einfach losreden, ohne viel nach‐ zudenken; Lernen passiert bei ihnen nebenbei und der Spaßfaktor am Erlernen einer Sprache rückt in den Vordergrund. Diese Aktivität der jüngeren Lernenden wird von einer Lehrperson näher beschrieben: „Jüngere sind auch schneller, sie melden sich auch öfter. Das führt vermehrt dazu, dass neue und aktuelle Themen in den Unterricht eingebracht werden.“ (Interview 21, 01: 12-01: 33) Besonders die Technik wird häufig mit der jüngeren Generation in Verbin‐ dung gebracht. Einige Lehrende argumentieren, dass diese „Handy-Generation“ bereits mit neuen Medien aufgewachsen ist und daher eher in technologischen Neuerungen bewandert ist (Interview 18, 02: 44). Laut einer Lehrperson spiegelt sich dies auch in ihrer Ausrüstung für den Sprachkurs wider, denn in den Unterricht nehmen sie „irgendeinen Reader, irgendeinen Laptop, ein Tablet, 250 Sarah Bindar <?page no="251"?> irgendetwas anderes mit - maximal einen Stift.“ (Interview 5, 08: 00-08: 12) Einigen Lehrpersonen ist es aber auch wichtig, diese häufig auftretenden Eigenschaften nicht für eine gesamte Altersgruppe zu verallgemeinern: „Aber es gibt auch jüngere Personen, die teilweise Schwierigkeiten im technischen Bereich haben. Zu behaupten, jung ist gleich erkenntnisreich im Umgang mit neuen Techniken, ist vielleicht zu vorschnell.“ (Interview 2, 15: 32-15: 51) Während der Gespräche weisen viele Lehrpersonen immer wieder darauf hin, dass es sehr schwer ist, diese Eigenschaften jüngerer oder älterer Lernender zu generalisieren. Ihnen ist es wichtig, dass diese Beispiele trotz allem als individuelle Unterschiede gesehen werden. Dazu meint eine Lehrperson: (…) ich denke, dass die Persönlichkeitsunterschiede entscheidender sind als das tatsächliche Alter. Das heißt, es gibt ältere Menschen, die offen, aufgeschlossen, innovativ sind und kreativ sind. Dies sind jetzt keine Eigenschaften, die man primär der älteren Generation zuschreiben würde. Gleichzeitig gibt es auch viele junge Menschen, die sehr traditionell sind. (Interview 2, 01: 28-01: 48) Die meisten Fremdsprachentrainer: innen konnten einen geringen Level an Altersheterogenität in ihren Sprachkursgruppen erkennen, wobei in einigen Fällen keine Verhaltensunterschiede aufgrund des Alters festzustellen waren. Mehrere Lehrende teilten mit, dass ihnen die Interviewfragen einen Denkanstoß zur Thematik der Altersheterogenität in der Sprachkursgruppe gegeben haben. Generell bedarf die Arbeit mit altersheterogenen Gruppen einer Reflexion der Generationenperspektiven, was sich in manchen Interviews als herausfordernd erwies. Damit die Heterogenität der Kursgruppen zukünftig leichter reflektiert werden kann, wird auch in der Fachliteratur empfohlen, Lehrpersonen für das Arbeiten mit (alters)heterogenen Gruppen zu sensibilisieren. Bezugnehmend auf die Verhaltensunterschiede werden der „älteren Genera‐ tion“ großteils positive Charakteristiken hinsichtlich ihrer Arbeitshaltung zuge‐ wiesen, während „jüngere Lernende“ eher mit positiven Persönlichkeitsmerk‐ malen beschrieben werden, die sich auf den Umgang mit der Lernumgebung beziehen. Vielen Lehrenden war es wichtig, von Stereotypen abzusehen und vorurteilsfrei in den Sprachunterricht zu gehen. Obwohl die Bemerkung „alle Lernenden sind bei mir gleich“ (Interviews 20; 11) eine positive Kernaussage darstellt, um den Fokus auf Inklusion zu werfen und Altersdiskriminierung vorzubeugen, darf trotzdem nicht auf die Verschiedenheit der Bedürfnisse der Lernenden sowie deren Rahmenbedingungen vergessen werden. Diese können teilweise eng mit dem chronologischen oder biologischen Alter zusammen‐ hängen. Eine Lehrperson stellte sich selbst die Frage, ob die eigene Vorurteils‐ freiheit damit zu tun hat, dass sie die Altersheterogenität in den Kursen nicht Intergenerationelles Sprachenlernen 251 <?page no="252"?> bewusst wahrnimmt, und lässt im Zuge des Interviews an ihrem Reflexionspro‐ zess teilhaben, indem sie auf das Wahrnehmen der Altersunterschiede im Kurs hinweist: „(…) dann habe ich mich gefragt: Bin ich wirklich vorurteilsfrei? Sehe ich den Altersunterschied etwa nicht? - Aber doch: Die Altersunterschiede sind mir sehr wohl bewusst! “ (Interview 2, 2: 00-2: 30) Die Schlussfolgerung zeigt, dass die Altersunterschiede der Lernenden wahrgenommen werden, aber ohne anzunehmen, dass alle Teilnehmer: innen in dieser Altersgruppe gleich sein müssen. Dementsprechend sollen die Lernenden in altersheterogenen Gruppen als Individuen betrachtet werden. Generationen und Alter im Sprachunterricht Der nächste Forschungsschwerpunkt liegt auf der Auseinandersetzung mit den sozialen und gesellschaftlichen Faktoren Generation und Intergenerationalität in den Sprachkursen. Dazu wurde hinterfragt, ob Alter oder Generation in Sprachkursen am treffpunkt sprachen thematisiert werden. Auf diese Frage antworteten sieben Lehrende mit einem klaren „Nein“, was bedeutet, dass weder Alter noch Generation im Sprachunterricht als Thema auftreten. Die genannten Begründungen lauten: Zeitmangel, zu geringer Sprachlevel oder allgemein kein Bedarf. Eine Lehrende merkt an, dass die Altersthematik oft als unangenehm empfunden wird. Dahinter steht der Gedanke, dass niemand in Verlegenheit gebracht werden soll, indem das chronologische Alter hervorgehoben wird: „(…) ich glaube, ich will den Älteren nicht bewusst machen, dass sie älter sind.“ (Interview 3, 04: 40-04: 45) Eine weitere Lehrperson begründet die fehlende Thematisierung mit einem inklusiven Gedanken, dass alle Teilnehmer: innen gleich behandelt werden, egal wie alt sie sind. Und da im Unterricht alle als gleich betrachtet werden, wird Alter gar nicht thematisiert (Interview 8). Im Vergleich dazu geben elf Sprachkursleiter: innen (52 %) an, dass die Al‐ tersthematik zwar nicht explizit im Unterricht angesprochen wird, aber dann doch implizit im Zuge des Sprachenlernens vorkommt. In Sprachkursen mit niedrigeren Niveaus erwähnen die Lernenden bei der Verwendung von Vorstel‐ lungsphrasen und beim Üben der Zahlen häufig ihr Alter. In Kursen mit höheren Sprachniveaus wird im Rahmen von grammatikalischen Übungen oft über die Vergangenheit oder die Zukunft gesprochen. Auch bei bestimmten Themen wie Beruf, Familie, Kindheit, Reisen, Kultur und Technologie wird das Alter anhand von Vorwissen und dem Austausch von Lebenserfahrung implizit zum Thema. Das explizite Hervorheben der Altersthematik geschieht eher im Hinblick auf den Stellenwert von Alter und Generationen im kulturellen Vergleich, um einen Unterschied zur österreichischen Kultur aufzuzeigen. Außerdem erwähnen fünf weitere Sprachenlehrer: innen Alter und Generation in Verbindung mit dem 252 Sarah Bindar <?page no="253"?> Generationswandel, dem Rückblick in die Vergangenheit und der Fragestellung: „Wie fühlt man sich im Alter? “. Das direkte Ansprechen von Alter und Generation bzw. Generationsunter‐ schieden kann laut einer Lehrperson Unsicherheiten aus dem Weg räumen und somit einen positiven Effekt auf die Lernendengruppe haben. Besonders wenn es darum geht, wie Lehrende und Lernende im Kursraum angesprochen werden wollen, spielt die Altersdifferenz eine Rolle. Die Verwendung von Höflichkeitsformen und Respektsfloskeln sowie das „Siezen“ oder „Duzen“ der Sprachkursteilnehmer: innen sind Themen, die eng mit Alter und Generation zusammenhängen. 13 Lehrpersonen (62 %) geben an, innerhalb des Sprachkurses die Anrede der Lehrpersonen sowie der Kursteilnehmer: innen zu thematisieren. Je nach Sprache, Kultur und persönlichen Vorlieben schlagen Sprachkurs‐ leiter: innen das „Du“ oder „Sie“ für die gesamte Gruppe vor. Interviewteil‐ nehmer: innen zufolge stellt sich das „Duzen“ bei großen Altersunterschieden anfangs als „Einstiegshürde“ heraus (Interview 13), besonders wenn noch weitere Aspekte, wie z. B. Hierarchien (zwischen Professor: innen, Lektor: innen und Lernenden), ins Spiel kommen. Die Mehrheit der Lehrenden bevorzugt die Verwendung der „Du“-Form im Sprachkurs, da dies laut Interviews zu einem positiven Gruppengefühl führt. Ein weiterer wichtiger Faktor sind das Kennenlernen und das Finden von Gemeinsamkeiten, damit die Lernenden bemerken, dass das Alter keine große Rolle spielt, denn „(s)ie haben aber trotzdem irgendwie eine gleiche Leidenschaft, ein gleiches Interesse, einen gleichen Geschmack, ein gleiches Hobby etc. (…) - Dann geht’s (das Duzen) leichter.“ (Interview 3, 25: 15-26: 24) Eine andere Lehrende erzählt, dass sie Altersheterogenität zu Beginn der Sprachkursreihe oft humorvoll anspricht, um den Lernenden bewusst zu machen, dass diese Altersunterschiede den Unterricht durch die Erwähnung unterschiedlicher Erfahrungswerte bereichern (Interview 9). Inwiefern Lernende in weiterer Folge auch Elemente ihrer Generation ein‐ bringen können, hängt laut Expert: innenmeinung neben dem Kurstyp und der Teilnehmer: innenzahl auch vom Sprachlevel der Lernenden ab. Die Reaktionen der Lehrenden auf diese Interviewfrage fallen durchwegs positiv aus, denn 86 % können Beispiele aus ihrer Sprachlehrpraxis nennen, in denen alters- oder generationsspezifische Elemente in Form von Lebenserfahrung, Zeitzeugenbe‐ richten, persönlichen Erzählungen, Inputs, Einstellungen, Meinungen, Gedan‐ kenaustausch, Hilfestellungen und Tipps eingebracht wurden. Die meisten Lehrenden sind sich einig: „Ich würde sagen, zu jedem Thema können sie (die altersheterogenen Lernenden) irgendetwas beisteuern.“ (Interview 10, 07: 17- 07: 22) Da sich die Sprachenlehre in den meisten Fällen auf den kommunikativen Intergenerationelles Sprachenlernen 253 <?page no="254"?> Ansatz stützt, steht der sprachliche Austausch im Mittelpunkt. Eine Lehrende beschreibt ihren Sprachunterricht und allgemein den Unterricht am treffpunkt sprachen als kommunikativ, denn „(…) es wird erzählt, erklärt, besprochen und über alle Themen des Lebens philosophiert.“ (Interview 12, 07: 36-07: 54) Dieser kommunikative Ansatz in der Sprachenlehre begünstigt in weiterer Folge auch den Austausch zwischen den Generationen. Beim Austausch verschiedener Generationen spielt zusätzlich die soziale Interaktion eine wichtige Rolle, womit ein gewisses Zusammengehörigkeits‐ gefühl gefördert wird. Manche Lehrende geben an, dass dieser generations‐ übergreifende Austausch automatisch geschieht, ohne explizit von den Sprach‐ trainer: innen forciert zu werden. Dies bedeutet, dass der intergenerationelle Austausch zufällig passiert und als ergänzender persönlicher Lerneffekt be‐ trachtet werden kann. Andere Sprachkursleiter: innen geben an, beim altershete‐ rogenen Austausch durch verschiedene Methoden bewusst das Entstehen eines „Community-Gefühls“ zu fördern (Interview 7). Besonders Partner: innenarbeit, Gruppenarbeit und Gruppenprojekte werden in diesem Kontext sehr häufig erwähnt. Neben Diskussionen, Spielen, Dialogen und Rollenspielen kommen auch Präsentationen als Austauschmöglichkeiten vor. Die Methodik in Bezug auf die Mischung der Gruppen fällt unter den Lehrpersonen je nach Ziel und Arbeitsauftrag unterschiedlich aus. Manchmal dürfen die Lernenden frei wählen und ihre „Grüppchen“ selbst zusammensuchen (Interview 7), in anderen Fällen folgt eine zufällige Zuordnung durch eine von der Lehrperson gewählte Methode: Durchzählen, Arbeit mit dem: der Sitznachbar: in, „Find a new partner“, Paarsuche (mit zwei gleichen Süßigkeiten oder Kärtchen). Diese Methoden funktionieren am besten im Präsenzunterricht. Im Online-Unterricht erfolgt die Zuteilung in sogenannte Breakout Rooms häufig automatisch und zufällig. In manchen Fällen unterteilen Lehrende die Sprachkursteilnehmer: innen auch anhand verschiedenster Voraussetzungen wie Altersunterschiede (jüngere und ältere Lernende gemeinsam), Niveau der Lernenden (gleicher Sprachlevel oder stärkere und schwächere Lernende), nach Gemeinsamkeiten, Interessensge‐ bieten oder Berufserfahrung. Einige Lehrpersonen geben an, zu „homogene“ Gruppen meist vermeiden zu wollen. Bei bestimmten lebensnahen Themen kann aber auch gerade diese homogene Zusammensetzung verwendet werden. Eine Lehrperson betont, dass man als Trainer: in viel „Fingerspitzengefühl“ benötigt, um zu entscheiden, wann homogene oder heterogene Gruppen dem Lernprozess eher zuträglich sind (Interview 4). Dieses Feingefühl wird auch in heiklen Problemsituationen benötigt, wenn die Kombination zweier oder mehrerer Lernender nicht funktioniert. Ein Lehrender klärt auf, dass dann bewusst eine neue Einteilung getroffen werden muss. Teilweise muss genauer 254 Sarah Bindar <?page no="255"?> auf die Mischung aus kulturellen Faktoren, Sprache, Alter und Persönlichkeit geachtet werden. Zwei Lehrende erzählen in diesem Zusammenhang auch von besonderen Fällen, in denen sich das Verhalten von Lernenden als Her‐ ausforderung für die Zusammenarbeit in der Gruppe herausstellte. In beiden Beispielen wollten die jeweiligen Teilnehmer: innen nicht an Gruppen- oder Partner: innenaktivitäten teilnehmen, weshalb in diesen Fällen kein Austausch stattfinden konnte. Daraufhin wurden individuelle Möglichkeiten gesucht, um die Sprachproduktion auf eine etwas abgeänderte Art und Weise zu üben. Im Grunde wird der Austausch zwischen altersheterogenen Lernenden von den meisten Lehrpersonen als sehr bereichernd empfunden. Als Ziel des inter‐ generationellen Austauschs nennt eine Lehrende, dass alle Lernenden ihre „(…) Wünsche, Bedürfnisse, und einfach ihre Erfahrungen einbringen können, das ist für mich einfach das Wichtigste.“ (Interview 2, 08: 02-08: 13) Die Befragten haben den Eindruck, dass die Lernenden gerne miteinander kommunizieren und neben dem Spracherwerb auch die soziale Komponente eine wichtige Rolle spielt: „(…) ich schaue immer, dass sich alle wohlfühlen, dass alle zum Sprechen kommen, denn das ist schließlich auch ein wesentliches Ziel im Unterricht.“ (Interview 15, 20: 36-21: 18) Im Gegensatz dazu geben drei Lehrpersonen (14 %) an, dass kein generati‐ onsübergreifender Austausch in ihren Kursen möglich ist. Als Grund wird erneut keine oder zu wenig Altersheterogenität im Sprachkurs genannt. Eine Lehrperson konkludiert am Ende des Interviews, dass der Austausch eventuell doch vorkommen könnte, aber immer das Erledigen der Arbeitsaufträge im Vordergrund stehe und nicht die persönlichen Aspekte oder Generationsunter‐ schiede. Obwohl die Themen Alter und Generation in den meisten Fällen nicht explizit und direkt von den Lehrenden in Fremdsprachenkursen angesprochen werden, wurde im Laufe der Interviews klar, dass sie immer wieder implizit durch Verbindungen mit anderen Teilbereichen wie Familie, Lebenserfahrungen oder Höflichkeitsformen vorkommen. Nur wenige Lehrende geben an, die Altersthe‐ matik bei großen Altersdifferenzen im Kursraum anzusprechen. Dies dient aber als Eisbrecher, wodurch die Lernenden auch ihre Hemmungen im Umgang mit Altersdifferenzen ablegen können. In der Theorie wird empfohlen, Alter genauso wie alle anderen Heterogenitätsmerkmale sensibel zu behandeln, aber nicht zu ignorieren. Durch die kommunikative Ausrichtung der meisten Sprach‐ kurse können Kursteilnehmer: innen immer wieder persönliche Erzählungen, Meinungen und andere Elemente ihrer Generation in den Sprachunterricht ein‐ bringen. Durch die Kommunikation in unterschiedlichen Sozialformen findet in den meisten Fällen implizit intergenerationelles Lernen am treffpunkt sprachen Intergenerationelles Sprachenlernen 255 <?page no="256"?> statt. Theoretischen Hintergründen und Beispielen aus der Praxis zufolge wirkt sich der Austausch zwischen den Generationen positiv auf das Lernklima und das Zusammengehörigkeitsgefühl aus, während sich die Lernenden zugleich auch auf sprachlicher Ebene weiterentwickeln. Intergenerationelle Methoden Im Rahmen der Frage nach der Verwendung von generationsübergreifenden Unterrichtsmethoden am treffpunkt sprachen werden die drei bekanntesten Lernformen aufgeschlüsselt: das Miteinander-, Voneinander- und Übereinander- Lernen. Beim Erfragen des Einsatzes dieser Methoden im Sprachunterricht wird deutlich, dass 20 Lehrpersonen (95 %) das Miteinander-Lernen, 18 Befragte (86 %) das Voneinander-Lernen und 15 Trainer: innen (71 %) das Übereinander- Lernen in ihrem Sprachunterricht zum Einsatz bringen (siehe Abbildung 4). In weiteren drei Fällen wird zwar angegeben, dass die Methode des Übereinander- Lernens nicht zur Anwendung kommt, doch im Verlauf der Gespräche werden Lernprozesse beschrieben, die das Übereinander-Lernen implizieren. 0 5 10 15 20 25 Miteinander-Lernen Voneinander-Lernen Übereinander-Lernen Miteinander-Lernen Voneinander-Lernen Übereinander-Lernen Abbildung 4: Aufschlüsselung der Verwendung von intergenerationellen Methoden in der Sprachlehre am treffpunkt sprachen Zu Beginn der Interviews waren einige Lehrpersonen der Meinung, dass keinerlei intergenerationelle Lehr- und Lernmethoden in ihrem Unterricht angewandt werden. Im Laufe des Gesprächs über intergenerationellen Sprach‐ unterricht wurde vielen Lehrenden aber bewusst, dass sie durch ihre gewählte Methodik bereits altersübergreifend tätig waren. Während der Interviews wurde klar, dass sich viele didaktische Überlegungen gut im intergeneration‐ ellen Sprachkurs realisieren lassen, und diese neben den sprachlichen Fähig‐ 256 Sarah Bindar <?page no="257"?> keiten auch soziale Kompetenzen und den Austausch zwischen Generationen fördern. Die folgenden drei Abschnitte bieten eine genaue Erläuterung zur Verwen‐ dung der Lernformen und eine zusätzliche Tabelle mit praxisnahen Methoden, die den Interviews mit den Sprachlehrenden entnommen wurden. Diese Auf‐ listung inkludiert Beispiele von Expert: innen, die in der Erwachsenenbildung eingesetzt werden könnten, um intergenerationelle Sprachlernprozesse zu för‐ dern. Die Methodensammlung wird in drei Hauptbereiche - Miteinander-, Voneinander- und Übereinander-Lernen - gegliedert. Die weißen Felder zeigen Beispiele aus den Expert: inneninterviews. Die grau hinterlegten Felder zeigen Ergänzungen, die im Zuge des Workshops What’s Age Got to Do With It? (siehe Anhang) mit Lehrpersonen von treffpunkt sprachen erarbeitet wurden (vgl. Bindar 2023, S.-1 f.). Miteinander-Lernen Die am häufigsten verwendete intergenerationelle Methode am treffpunkt sprachen ist das Miteinander-Lernen. Eine Vielzahl von Lehrenden argumentiert, dass dies in den Sprachkursen ständig stattfinde: „Das Miteinander-Lernen ist der zentralste Aspekt, denn sobald man zum Beispiel eine Gruppenarbeit macht, lernen die Teilnehmer: innen miteinander.“ (Interview 9, 10: 59-11: 14) Arbeitsaufträge, die das Miteinander-Lernen forcieren, werden in Paaren, Klein‐ gruppen, Großgruppen oder im Plenum erledigt. Diese Methode zeichnet sich dadurch aus, dass die Lernenden die Aufgabenstellung gemeinsam erledigen (siehe Tabelle 1). Eine Lehrperson hebt im Rahmen des Interviews die Verbun‐ denheit der Lernendengruppe durch diese Lernform besonders hervor: „Sie sind eine Einheit. Sie müssen die Prüfung zusammen machen und sie müssen die Aufgaben zusammen erledigen.“ (Interview 12, 12: 49-13: 05) Dieses Miteinander-Lernen kann sowohl im Kursraum als auch außerhalb des Kursraums stattfinden. Die Lehrenden assoziieren folgende Tätigkeiten mit dem Miteinander-Lernen: gemeinsames Erarbeiten von Themengebieten, gemeinsames Erledigen von Übungen, gemeinsam etwas Neues erlernen, Pro‐ jektarbeiten zusammen gestalten, gemeinsame Lösungen finden sowie das Miteinander-Kommunizieren und Dialoge vorsprechen. Weitere Ideen zur Um‐ setzungsmöglichkeit in der Praxis beinhaltet die folgende Tabelle 1: Intergenerationelles Sprachenlernen 257 <?page no="258"?> Name Einsatz Sozialform Bildgeschichte Gemeinsames Schreiben einer Bildgeschichte; Besprechung altersheterogener Perspektiven Partner: innenar‐ beit Brainstor‐ ming Gemeinsames Ideen-Sammeln an der Tafel oder online über „Answer Garden“; danach Besprechung im Plenum Einzel- oder Partner: innenar‐ beit Dialoge Gemeinsames Erstellen eines Dialogs, Rollen zuteilen, lernen und vorsprechen oder vor‐ spielen Partner: innenar‐ beit Escape Game Kleingruppen versuchen gemeinsam, den Weg aus einem virtuellen, zugesperrten Raum zu finden Kleingruppen Exkursionen Gemeinsame Ausflüge, um die Zielsprache einsetzen zu können: zum Beispiel Einkaufen am Bauernmarkt, Essen bestellen in einem Café oder Restaurant; lebensnahe und interge‐ nerationelle Anwendung der Zielsprache Großgruppenar‐ beit Frontalunter‐ richt Input der Sprachtrainer: innen in Form von Frontalunterricht unter Berücksichtigung der Altersheterogenität (Anpassung der Beispiele, Referenzen und Fragestellungen) Im Plenum Gesprächsim‐ pulse Gesprächsimpulse (Bilder, Fragen, State‐ ments) zu einem Thema - die Lernenden tau‐ schen sich miteinander aus Partner: innenar‐ beit oder Gruppen‐ arbeit Gruppenar‐ beit ohne Ex‐ pert: innen Gemeinsames Erarbeiten von Themenge‐ bieten ohne Expert: innenwissen in der Gruppe Kleingruppen Lern‐ partner: innen Lernpartnerschaften/ -tandems, gemeinsames Lernen Paare/ Klein‐ gruppen Lernvideos Gemeinsames Erstellen von Lernvideos: Planen, Filmen, gemeinsames Screening in der Gruppe Kleingruppe und im Plenum Lückentext Lösen von Arbeitsaufträgen und Üben be‐ stimmter Stoffinhalte; Kontrolle im Team oder im Plenum Einzelarbeit oder Partner: innenar‐ beit Murder Mys‐ tery Gemeinsames Lösen eines fiktiven Kri‐ minal-/ Mordfalls Kleingruppen Quiz Gruppen-Quiz mittels Fragebögen oder on‐ line über „Kahoot“; danach Besprechung im Plenum Einzel- oder Partner: innenar‐ beit 258 Sarah Bindar <?page no="259"?> Spielentwick‐ lung Die Lernenden entwickeln gemeinsam ein Spiel, das präsentiert und gemeinsam gespielt werden soll Partner: innenar‐ beit oder Klein‐ gruppen Stadt, Land, Fluss Die Kategorien des Spiels können für ver‐ schiedenste Zwecke abgeändert werden; so können verschiedene Kategorien spielerisch wiederholt werden Einzel- oder Partner: innenar‐ beit Think-Pair- Share Bestimmte Aufgabenstellungen werden zuerst allein, dann zu zweit und in weiterer Folge in Gruppen besprochen Einzel-, Partner: innen- und Gruppenar‐ beit Text Writing Gemeinsames Verfassen eines Textes - Zeile für Zeile, jede: r einen Satz oder Absatz Partner: innenar‐ beit oder Gruppen‐ arbeit Übungsbei‐ spiele/ Arbeitsblätter Gemeinsames Erledigen von leistungsdif‐ ferenzierten Aufgaben/ Arbeitsblättern; Kon‐ trolle im Plenum Einzelarbeit oder Partner: innenar‐ beit Übungsbuffet Unterschiedliche Arten von Übungen (Ar‐ beitsblätter, Übungsbeispiele in ansteigenden Schwierigkeitsstufen) zu einer gleichen The‐ matik; um miteinander zu lernen, aber die individuellen Lernbedürfnisse der Teil‐ nehmer: innen zu fördern (individuelle Diffe‐ renzierung) Einzelarbeit oder Partner: innenar‐ beit Vokabel lernen Gemeinsames Vokabellernen: Listen oder Kar‐ teikarten schreiben, Vokabel abfragen, Esels‐ brücken Partner: innenar‐ beit oder Klein‐ gruppen Vorlesen - Neue Texte gemeinsam erarbeiten und ge‐ meinsames Vorlesen. Sätze werden vorge‐ lesen, Text wird besprochen, „Follow-up Exer‐ cises“ in Kleingruppen folgen Im Plenum Tabelle 1: Methodensammlung Miteinander-Lernen Voneinander-Lernen Beim Voneinander-Lernen handelt es sich um die intergenerationelle Lernform, die laut Analyse der Interviews am treffpunkt sprachen am zweithäufigsten zum Einsatz kommt. Diese Methode benötigt jeweils eine Person mit Expert: in‐ nenwissen, wobei auf die Lebenserfahrungen und das Vorwissen aufgrund des beruflichen und schulischen Werdegangs der Lernenden zurückgegriffen werden kann (siehe Tabelle 2). Jegliche Art von Expertise - egal ob bezüglich landeskundlicher Themen, sprachlicher Vorkenntnisse, Wortschatz, Technik oder neuer Medien - kann beim Voneinander-Lernen von Vorteil sein. In den Intergenerationelles Sprachenlernen 259 <?page no="260"?> Interviews werden auch noch die Herangehensweisen an das Sprachenlernen, die Zielorientierung, die Struktur, Lernstrategien, Sprachniveaus sowie die persönlichen Erfahrungen als Möglichkeiten aufgelistet, um voneinander zu lernen. In diesem Kontext betont eine Lehrende, sie finde „(…) diese Mischung von Altersgruppen super, weil man einfach merkt, dass Personen einen anderen Input haben.“ (Interview 9, 15: 56-16: 14) Das Voneinander-Lernen hängt in der Ausführung stark vom Sprachniveau der Lernenden ab, da dies bei niedrigeren Sprachniveaus eine größere Heraus‐ forderung darstellt. Die Gespräche zeigen, dass die Lernenden versuchen, ge‐ genseitig auf ihre Bedürfnisse einzugehen und Rücksicht zu nehmen. Bei dieser Methode erwähnen Sprachlehrende häufig die unterschiedlichen Leistungsni‐ veaus und folglich die mögliche Zusammensetzung von Gruppen: Schwächere Lernende erhalten die Möglichkeit, von Leistungsstärkeren zu lernen, und die stärkeren Lerner: innen profitieren von den eigenständig formulierten Er‐ klärungen. Als Beispiele aus der Praxis werden unter anderem Situationen aus der Online-Lehre beschrieben. In einer Sprachkursgruppe wurde direkt nach dem Umstieg auf den Online-Lehrmodus Hilfestellung von einigen Studie‐ renden angeboten, die ihr technisches Know-how an die anderen Lernenden weitergeben wollten, um den Umstieg auf Online-Lehre auf bestem Wege zu ermöglichen. Eine weitere mögliche Umsetzung des Voneinander-Lernens bietet die Präsentationstechnik. Bei der Durchführung als Gruppe wird zuerst miteinander eine neue Thematik erarbeitet, die in weiterer Folge an andere Lernende weitergegeben wird. Die Sprachkursteilnehmer: innen beginnen in der Erarbeitungsphase mit dem Miteinander-Lernen und gehen in der Präsentati‐ onsphase in das Voneinander-Lernen über. „Ich lasse oft Referate ausarbeiten, bei denen die Teilnehmer: innen miteinander arbeiten müssen. Ich bin überzeugt davon, dass es in diesem Setting zahlreiche Möglichkeiten gibt, in denen die Teilnehmer: innen ihr persönliches Wissen weitergeben“, meint eine Lehrende während des Interviews (Interview 1, 08: 24-08: 37). Die vollständige Sammlung an Einsatzformen findet sich in Tabelle 2: 260 Sarah Bindar <?page no="261"?> Name Einsatz Sozialform Expert: innen-Dis‐ kussionen Bei diesen Diskussionen bringen die Ler‐ nenden fundiertes Wissen in einem spezi‐ ellen Bereich in die Diskussion ein - die anderen Lernenden können dadurch neues Wissen generieren. Kleingruppen oder Groß‐ gruppen Expert: innen-Ge‐ spräche Lernende sprechen über bestimmte Themen - pro Thema gibt es eine: n Ex‐ pert: in, der: die Input geben kann und somit auch das Gespräch leitet. Kleingruppen oder Groß‐ gruppen Grammatik-Er‐ klärungen Es gibt eine Expert: innengruppe, die ein Grammatik-Kapitel gut beherrscht. Diese Gruppe gibt Erklärungen an die restli‐ chen Lernenden weiter und übt mit Hilfe von Beispielen. Diese Methode bietet un‐ terschiedliche Zugangsweisen und Erklä‐ rungen und ist besonders gut einsetzbar für Grammatik. Partner: innenar‐ beit oder Klein‐ gruppen Interview Interviewfragen erstellen, Fragen stellen und beantworten; danach Rollentausch Partner: innenar‐ beit Kommunika‐ tion/ Interaktion Aktives Zuhören üben, Nacherzählen; dient der Wortschatzerweiterung und dem persönlichen Kennenlernen. Partner: innenar‐ beit Native Speaker Der Austausch mit Muttersprachler: innen, die viel Input geben können; Erweiterung des Wortschatzes Partner: innenar‐ beit Pecha Kucha Präsentationsform mit Bildern, japanische Vortragsform mit ca. 20 PowerPoint-Fo‐ lien, die nach 20 Sekunden automatisch wechseln Einzelarbeit/ auch in Gruppenarbeit möglich Peer Feedback Gegenseitiges Feedback geben - in münd‐ licher oder schriftlicher Form möglich Partner: innenar‐ beit Präsentationen Einzel- oder Gruppenpräsentationen zu bestimmten (selbstgewählten oder im Kurs vorgegebenen) Themen Einzelarbeit/ auch in Gruppenarbeit möglich Pyramidendiskus‐ sion Die Teilnehmer: innen bereiten allein Diskussionsargumente zu bestimmten Themen vor; danach diskutieren sie zu zweit, dann zu viert. Die Anzahl der Dis‐ kussionsteilnehmer: innen steigert sich auf bis zu acht Personen und lehnt sich an den Aufbau einer Pyramide an - daher der Name. Einzelarbeit, dann Partner: innenar‐ beit, dann Klein‐ gruppen Intergenerationelles Sprachenlernen 261 <?page no="262"?> Rollenspiel- Diskussion -Podiumsdiskus‐ sion Die Lernenden nehmen eine bestimmte Rolle ein (nach Berufsgruppen: Firmen‐ chef, Studentin; oder Altersgruppen: Kinder, Jugendliche, Berufstätige, Se‐ nior: innen) und vertreten diese Sicht‐ weise während der Diskussion; in al‐ tersheterogenen Gruppen könnten schon bestimmte Berufsgruppen vertreten sein (Standpunkt/ Meinung vertreten). Kleingruppen oder Groß‐ gruppen Speeddating Gegenseitiges Präsentieren von Expert: in‐ nenwissen in kurzer Zeit; dann Wechsel zur nächsten Person Partner: innenar‐ beit Teamteaching Mehrere Lernende als Expert: innen‐ gruppe; Lehrende und Lernende als Co-Lehrende Gruppenarbeit Themen-/ Projekt‐ vorstellung Einblick in bestimmte Thematik geben; Ex‐ pert: innenwissen im Plenum weitergeben Im Plenum Vorlesen der Bildge‐ schichten Die Lernenden hören die Bildgeschichten der anderen Lernenden und erhalten somit einen Überblick zu anderen Zugangs‐ weisen und Interpretationen zu einem Thema. Partner: innenar‐ beit, Kleingrup‐ penarbeit oder im Plenum Tabelle 2: Methodensammlung Voneinander-Lernen Übereinander Lernen Beim Übereinander-Lernen wird der Austausch auf persönlicher Ebene in den Fokus gerückt. Dabei bieten altersheterogene Kursgruppen eine große Bandbreite an persönlichen Erfahrungen, wodurch oft die Neugierde der Sprachkursteilnehmer: innen geweckt wird. Eine Lehrperson merkt an, dass jüngere Lernende am beruflichen Werdegang der älteren Teilnehmer: innen interessiert sind, während ältere Lernende gleichzeitig großes Interesse an der Lebenswelt der jüngeren Generation zeigen. Eine weitere Lehrperson startet die Sprachkurseinheiten mit persönlichen Fragen, um zu Beginn die Individuen in den Mittelpunkt zu stellen. Diese Chance wird laut Befragung auch gerne von Lernenden genutzt, was deutlich den persönlichen Bezug der Sprachenlehre zeigt und auch die Gemeinschaft stärkt. Insgesamt sind 18 Sprachkursleiter: innen auf die Thematik des Übereinander- Lernens eingegangen, wobei zehn Personen die Verwendung der Lernform explizit angesprochen haben. In acht Fällen wurden während des Interviews implizit Situationen oder Beispiele aus dem Sprachkurs erwähnt, in denen die Teilnehmer: innen übereinander lernen. Manche Sprachkurstrainer: innen über‐ 262 Sarah Bindar <?page no="263"?> lassen die Möglichkeit des Übereinander-Lernens den Kursteilnehmer: innen selbst, indem sie sagen, dass Lernende freiwillig persönliche Informationen einbauen können, ohne dass dies von der Lehrperson gefördert wird. Eine wei‐ tere Sprachlehrende erklärt, dass für persönlichen Austausch nicht genügend Zeit vorhanden sei, und je niedriger das Sprachniveau, desto schwieriger sei es, sich in der Zielsprache auszutauschen und übereinander zu lernen. Da einige Bereiche des Übereinander-Lernens aufgrund des Zeitmangels oder eines geringen Sprachlevels nicht abgedeckt werden, erläutern einige Lehrende, dass dieser Lernprozess informell durch Gespräche in den Pausen oder nach dem Unterricht geschieht. Besonders im Zeitraum der Online-Lehre erkannten die Sprachtrainer: innen, dass es schwieriger war, übereinander zu lernen, da beiläu‐ fige Interaktionen zwischen Lernenden, wie beispielsweise Pausengespräche, nicht möglich waren. Beim Übereinander-Lernen wird häufiger das Alter im Zusammenhang mit Erfahrung angesprochen. Lehrpersonen zufolge werden neben der Lebenser‐ fahrung auch viele andere Aspekte ausgetauscht, beispielsweise persönliche Präferenzen wie Hobbys, Reisen, Vorlieben und Abneigungen oder Einblicke in die unterschiedlichen Studienrichtungen oder Berufe (siehe Tabelle 3). In diesem Zusammenhang wird die Mischung der Generationen auch als „Pluspunkt“ bezeichnet (Interview 15). „Je unterschiedlicher die Leute, desto interessanter“ und desto mehr kann man lernen - so wird in einem Interview argumentiert (Interview 6, 12: 06-12: 27). Weiters wird angesprochen, dass die Mischung unterschiedlicher Altersgruppen zum Out of the Box-Denken anregt, da durch den Austausch erst das Generationenbewusstsein geprägt wird. Außerdem wird hinzugefügt, dass am treffpunkt sprachen besonders die in‐ terkulturelle Perspektive nicht vergessen werden darf. In Kursen am treffpunkt sprachen begegnen sich Lernende aus verschiedenen Ländern und Kulturen, was bedeutet, dass die meisten Lernenden einen anderen Hintergrund haben und sich erst kennenlernen müssen, um Gemeinsamkeiten zu finden. Durch das Kennenlernen im Sprachkurs, den Austausch und das in diesem Kontext stattfindende Übereinander-Lernen wird auch bewusst die Entstehung einer Community gefördert. Aber auch dieses Zusammenfinden zu einer Community ist wiederum stark von der Persönlichkeit der einzelnen Teilnehmer: innen abhängig: „Es gibt auf jeden Fall Potential für gegenseitiges Lernen. Es hängt aber sehr stark von den Teilnehmer: innen selbst ab, ob sie dieses Potential wahrnehmen oder nicht.“ (Interview 4, 05: 19-05: 31) Teilweise erzählen die Be‐ fragten von Fällen, in denen sich einzelne Personen von der Gruppe abgegrenzt haben und auch nichts von sich selbst preisgeben wollten. Dies stellt aber die Ausnahme dar, denn „im Großen und Ganzen funktioniert die Zusammenarbeit Intergenerationelles Sprachenlernen 263 <?page no="264"?> unterschiedlicher Altersgruppen und Persönlichkeiten recht gut.“ (Interview 7, 10: 36-11: 09) In einigen Fällen ergeben sich aus Lerngruppen sogar langjährige Freundschaften. Name Einsatz Sozialform Briefe schreiben Die Lernenden schreiben sich gegenseitig Briefe und lernen sich so besser kennen. Die Lernenden könnten auch Briefe an externe Personen schreiben (Kooperation mit einer Altersresidenz), um verschie‐ dene Sichtweisen kennenzulernen. Einzelarbeit oder Partner: innenar‐ beit Diskussionen: per‐ sönliche Stellung‐ nahme Bei Gruppendiskussionen werden die per‐ sönlichen Meinungen und Einstellungen der Lernenden preisgegeben. Kleingruppen oder Groß‐ gruppen Fragen stellen Die Lernenden stellen sich gegenseitig Fragen zum Gegenüber (Übung der Frage‐ stellung und Interesse an der Persönlich‐ keit des Gegenübers). Partner: innenar‐ beit oder Klein‐ gruppen Freie Präsentation Selbst gewähltes Thema und persönlicher Bezug „Warum hast du dieses Thema gewählt? “ Einzelarbeit und Gruppenarbeit Generationenge‐ spräche Die Lernenden geben sich gegenseitig einen Einblick in das Leben ihrer Ge‐ neration und wie sie bestimmte Be‐ reiche wahrnehmen bzw. wahrgenommen haben. Partner: innenar‐ beit oder Klein‐ gruppen Gesprächsimpulse Gesprächsimpulse zu bestimmten Themen, die das Privatleben der Ler‐ nenden betreffen (Hobbys, Vorlieben/ Ab‐ neigungen, Familie, Freunde); die Ler‐ nenden üben das Sprechen in der Zielsprache und geben einen Einblick in ihr Privatleben. Partner: innenar‐ beit oder Grup‐ penarbeit Grammatik mit persönlichem Bezug Grammatik-Übungssätze mit Namen der Teilnehmer: innen, eigene Sätze kreieren Einzelarbeit oder Partner: innenar‐ beit Informationsaus‐ tausch Lernende berichten aus ihrer subjek‐ tiven Perspektive/ Erfahrung; betrifft per‐ sönliche Beobachtungen und kulturelle Länderperspektiven Partner: innenar‐ beit Kleingruppen Kennenlern-Spiele „Two Truths and a Lie”, „Alle kommen in den Kreis, die …“, „Find somebody who …“ In der Groß‐ gruppe 264 Sarah Bindar <?page no="265"?> Milling Around Activities Bei sogenannten „Milling Around Ac‐ tivities“ bewegen sich die Lernenden leise durch den Raum, um eine: n neue: n Partner: in/ Gruppe zu finden und sich zu einem Thema auszutauschen. Partner: innenar‐ beit oder Klein‐ gruppen Moodle Forum Erfahrungen zu bestimmten Themenbe‐ reichen mit allen schriftlich teilen; Forum‐ seintrag erstellen Einzelarbeit Partner: innen-Ge‐ spräche Gesprächsimpulse durch Bilder/ Fotos, Bildkarten, Schlüsselbund, „Was ist in deiner Tasche? “, „Online-Wohnungsfüh‐ rungen“ Partner: innenar‐ beit oder Grup‐ penarbeit Vorstellungs‐ karten Die Lernenden schreiben Aussagen über sich selbst auf ein Kärtchen. Die Kärt‐ chen werden dann vermischt und die Lernenden müssen herausfinden, welches Kärtchen zu wem gehört. In der Groß‐ gruppe Vorstellungsrunde Zum Kennenlernen der Gruppe stellen sich alle Teilnehmer: innen vor. Die Ler‐ nenden bewegen sich im Kursraum und stellen sich vor. In der Groß‐ gruppe, Partner: innenar‐ beit Tabelle 3: Methodensammlung Übereinander-Lernen Manche Methoden können je nach Schwerpunkt sowohl für das Miteinander- Lernen als auch für das Voneinander-Lernen oder das Übereinander-Lernen ein‐ gesetzt werden. Dabei kommt es auf das Lernziel, den Fokus und die gewünschte Sozialform an. Die Interviews zeigen deutlich, dass Kommunikation bei den meisten Sprachkursen als wichtigstes Element gesehen wird, weshalb häufig Methoden verwendet werden, die Kommunikation und Interaktion fördern. Obwohl zu Beginn von vielen Lehrenden betont wird, dass meist nur ein Mitein‐ ander- und Voneinander-Lernen auftritt, wurden im Laufe des Interviews sehr viele Beispiele genannt, bei denen Sprachkursteilnehmer: innen übereinander lernen. Dementsprechend kommen alle drei Lernformen regelmäßig in der Sprachlehr- und -lernpraxis am treffpunkt sprachen vor. Außerdem weisen die Lehrenden darauf hin, dass Methodenvielfalt, Diversität der Aufgaben und Abwechslungsreichtum eine essentielle Rolle spielen: Hörübungen, Lesen von Texten sowie Sprech- und Schreibübungen - wobei meist versucht wird, alle vier (rezeptiven und produktiven) Sprachfertigkeiten in den Sprachunterricht einzubringen. Einige Lehrpersonen sind auch sehr froh über die Verwendung eines methodisch gut aufgebauten Sprachbuchs, das abwechslungsreich und kompetenzorientiert gestaltet ist. Intergenerationelles Sprachenlernen 265 <?page no="266"?> Herausforderungen in der intergenerationellen Lehre Die Frage nach den Herausforderungen der intergenerationellen Sprachenlehre eröffnet eine Sammlung unterschiedlicher Hürden im altersübergreifenden Erwachsenenbildungsbereich. Die Antworten wurden in 13 Kategorien unter‐ teilt, die hier nach Häufigkeit ihrer Nennungen aufgelistet werden: Vielfalt an individuellen Bedürfnissen (21), zusätzliche Hilfestellungen (18), Lehr- und Lernstile (15), Lerntempo (14), Online-Lehre und Technik (13), strukturelle Gegebenheiten wie Zeit und Leistungsanforderungen (12), Differenzierung der Unterrichtsmaterialien und der Stoffgebiete (12), Persönlichkeit der Ler‐ nenden (10), Konfliktsituationen (8), kulturelle Unterschiede (7), Sprachniveau- Unterschiede (6), Zeitmanagement der Lernenden (5) und Kursgruppen-Zu‐ sammensetzung (3). Insgesamt antworten drei Interviewpartner: innen, dass keine Herausforderungen durch Intergenerationalität in ihren Sprachkursen entstehen. Die am häufigsten genannten „individuellen Bedürfnisse der Lernenden“ umfassen in weiterer Folge einige Aspekte, die sich für Vortragende als herausfordernd entpuppten: unterschiedliche Fähigkeiten, Voraussetzungen und Ansprüche der Lernenden, Lernkapazität, Lernziele, Aufmerksamkeit, Hausaufgaben, Balance des Arbeitsaufwands, individuelle Schwerpunkte, Wie‐ derholungen, Level an Aktivität im Unterricht, Fristen und Abgabetermine. Diese Kategorie steht auch in enger Verbindung mit den darauffolgenden Herausforderungen, genauer gesagt den zusätzlichen Hilfestellungen, Lehr- und Lernstilen sowie dem Lerntempo, die sich auch auf individueller Ebene unterscheiden. Als weitere Herausforderung der intergenerationellen Sprachenlehre wird die Differenzierung genannt, die laut Lehrenden auf unterschiedliche Art und Weise erfolgt: von unterschiedlichen Erklärungszugängen, Mischungen der Unterrichtsmethoden, leistungsdifferenzierten Übungsbeispielen (ansteigende Schwierigkeitslevels, Übungsbuffet siehe Tabelle 1), Anzahl der Übungsbeispiele (Quantität, Zusatzübungen auf Moodle), Wortschatz bis hin zu verschiedenen Interessensgebieten und Erfahrungswerten (Berücksichtigung des beruflichen Hintergrunds). Je nach Level der Heterogenität stellt sich für Sprachlehrende im Unterricht die Frage: „Muss ich da jetzt nachjustieren, muss ich da jetzt etwas an‐ ders machen? “ (Interview 2, 16: 34-15: 03) Im Zusammenhang mit dem Alter der Lernenden fällt auf, dass ältere Sprachkursteilnehmer: innen verhältnismäßig häufiger zusätzliche Hilfestellungen in Anspruch nehmen, wie etwa zusätz‐ liche Erklärungen, vertiefende Fragen, vermehrte Übungsphasen oder weiteren sprachlichen Austausch. Einerseits wird diese Gegebenheit von Lehrpersonen teilweise mit dem verringerten Lerntempo begründet, da ältere Lernende neu 266 Sarah Bindar <?page no="267"?> Gelerntes oft nicht mehr so schnell aufnehmen können (Interviews 12; 13; 15; 18; 21). Andererseits fällt mehreren Sprachtrainer: innen auf, dass ältere Lernende nicht aufgrund von Verständnisfragen häufiger nachfragen, sondern weil es ihnen wichtig ist, das Gelernte richtig zu festigen. Im Gegensatz dazu fragen jüngere Teilnehmer: innen oft nicht nach, weil sie die Einstellung haben, dass es „schon passen wird“ (Interview 7). Natürlich können die unterschiedlichen Leistungsniveaus, besonders wenn sie innerhalb einer Sprachkursgruppe stark variieren, eine große Hürde für Lehrpersonen darstellen. Erfahrungswerte der Sprachtrainer: innen zeigen: je größer der Unterschied, desto schwieriger wird es, in diesen Gruppen zu unterrichten (Interview 13). Weiters werden Strategien genannt, um leistungs‐ schwächeren Lernenden ebenfalls Erfolgserlebnisse beim Sprachenlernen zu ermöglichen: Mitarbeit steigern durch Vorlesen, einfachere Fragen stellen, Satzanfänge vorgeben und während des Antwortens mit Tipps unterstützen. Genau wie beim Lerntempo gilt es laut Befragten, einen Mittelweg für das Leistungsniveau zu finden, um dann in weiterer Folge zu differenzieren, um Schwächen abzubauen und Stärken zu fördern. Zeitliche Rahmenbedingungen und zügige Leistungssteigerung werden als strukturelle Herausforderungen genannt. Am treffpunkt sprachen kann man in kurzer Zeit ein hohes Sprachniveau erreichen. Besonders in Sprachen, in denen Lernende keinerlei Vorwissen oder Anknüpfungspunkte haben, stellt dieses hohe Tempo manchmal eine große Hürde für Kursteilnehmer: innen dar. In diesen Sprachkursen wurde beobachtet, dass die Abbruchsrate von älteren Lernenden höher ist als die von ihren jüngeren Kommiliton: innen. Es wurde auch angemerkt, dass mehr Zeit den Erwerb und die Festigung der Schriftzeichen und Laute deutlich erleichtern würde (Interview 13). Die Zu‐ sammensetzung verschiedener Persönlichkeiten und Altersgruppen sowie die Anzahl der Lernenden in einer Kursgruppe werden zwar als Herausforderung beschrieben, eröffnen gleichzeitig laut Expert: innen aber auch die Chance, mit einer größeren Anzahl von Lernenden in Kontakt zu treten. Die befragten Sprachkursleiter: innen erzählten von acht Konfliktsituationen. In drei Fällen wollten die älteren Lernenden nicht mit den anderen Kursteil‐ nehmer: innen zusammenarbeiten, was eher auf ihre Persönlichkeit als auf den Altersunterschied zurückzuführen war. Es wurde der Lösungsweg heran‐ gezogen, dass diese Lernenden stattdessen Arbeitsaufträge in Einzelarbeit erle‐ digen. Andere schwierige Situationen ergaben sich durch die Gruppenbildung und die lange Gesprächsdauer einzelner Lernender. Die Zuteilung der Gruppen durch die Lehrperson, die Einschränkung der Gesprächsdauer pro Person und die Angabe von Sprechstunden zeigen drei effektive Lösungsvorschläge. Intergenerationelles Sprachenlernen 267 <?page no="268"?> Größere Konflikte zwischen jüngeren und älteren Sprachkursteilnehmer: innen sind bei keiner der 21 befragten Lehrpersonen eingetreten. Auf der Liste der weiteren Herausforderungen erscheinen außerdem Technik und Online-Lehre. Der Umstieg auf Online-Lehre stellte laut Interviews so‐ wohl Lehrende als auch Lernende vor neue Herausforderungen. Bezüglich des Online-Unterrichts hatten die Lehrenden den Eindruck, dass der Umstieg auf virtuelle Lehre für die älteren Generationen tendenziell schwieriger war. Durch Hilfsangebote von anderen Kursteilnehmer: innen, Familienmitgliedern oder Lehrpersonen konnte diese Hürde aber in den meisten Fällen schnell überwunden werden. Außerdem stellte die Online-Lehre auch die Sprach‐ trainer: innen methodisch vor neue Herausforderungen. Die Sprachvermittlung mithilfe von Videokonferenztools mit Paar- und Gruppenarbeiten in Breakout Rooms war eine große Neuerung. Eine Lehrperson nannte auch das von der Universität empfohlene Programm Skype4Business als Herausforderung. „Kleine technische Hoppalas“ sind laut Lehrenden während der Online-Unter‐ richtssequenzen immer wieder vorgekommen und stehen nicht mit bestimmten Altersgruppen in Verbindung (Interview 14). In diesem Zusammenhang ergibt sich die grundsätzliche Frage nach den Auswirkungen der Online-Lehre auf den intergenerationellen Sprachunterricht. Viele Lehrende geben an, dass in Bezug auf die ältere Generation nicht unbedingt die Technik die Problematik bei den Online-Kursen darstellte. In dieser Zeit wurde bewusst, dass neben dem Erlernen einer neuen Sprache das Kontakte-Knüpfen und der Austausch miteinander eine wichtige Rolle für die Lernenden spielen. Durch die verringerte Interaktion zwischen den Lernenden im Zuge der Online-Kurse waren laut Sprachtrainer: innen die Sprachkurse für ältere Personen teilweise nicht mehr so interessant. Trotzdem kann nicht verallgemeinernd gesagt werden, dass ältere Personen aufgrund der Online- Lehre in dieser Zeit weniger Sprachkurse besucht hätten. Bei den Interviews wird hinsichtlich der Online-Lehre ein Altersspektrum angegeben, welches von 18-Jährigen bis zu den über 80-Jährigen reicht. Besonders bei technischen Komplikationen wie Verbindungsproblemen wurde von einigen Lehrenden angemerkt, dass die älteren Lernenden mo‐ tivierter blieben und abwarteten, während die jüngeren Teilnehmer: innen schneller aufgegeben hätten. Außerdem hatten mehrere Lehrende das Gefühl, dass ältere Lernende mehr Wert auf das Gruppengefühl und die Dynamik legten, wodurch auch vermehrt Fragen an die anderen Teilnehmenden gestellt wurden. So konnten sich die Lernenden in der Online-Welt etwas besser verknüpfen (Interview 3). 268 Sarah Bindar <?page no="269"?> Zum Online-Unterricht an sich äußern sich die meisten Lehrenden sehr kritisch. Obwohl die Abhaltung der Lehre über Videokonferenztools ermöglicht wurde, fehlte den meisten Lehrpersonen ein essentieller Teilbereich der Lehre: die persönliche Interaktion. Durch das Wegfallen des sozialen Kontakts und die Reduktion der Kommunikation zwischen den Lernenden auf rein formellem Wissensaustausch bemerkten viele Lehrende eine Verschlechterung der psy‐ chischen Verfassung der Lernenden. Obwohl Gespräche in Kleingruppen in sogenannten Breakout Rooms als Übung des Sprachgebrauchs realisiert wurden, führte dies nicht zum gleichen Austausch, der in Präsenz möglich gewesen wäre. Da sich die Teilnehmer: innen teils nicht persönlich kannten und die Kamera häufig nicht eingeschaltet wurde, waren die Lernenden oft sehr gehemmt, wenn es um den persönlichen Austausch, die Nutzung der Zielsprache und das Fragenstellen ging. Außerdem fehlte online der informelle Austausch während der Pausen. Obwohl die Online-Kurse sicherlich den Vorteil mit sich brachten, dass die Teilnahme von zuhause aus möglich war, teilen einige Lehrpersonen mit, dass durch die Arbeit im Homeoffice viele Leute auch schon „übersättigt“ waren, wenn es um das Sitzen vorm Computer ging (Lehrende 11). Als positiver Aspekt der Online-Lehre wurde aber die gegenseitige Hilfestellung im Bereich der neuen Medien und der Technik erwähnt. Die Lernenden nahmen während der Online-Lehre vermehrt Rücksicht aufeinander und versuchten immer schnelle und passende Lösungsmöglichkeiten für alle Altersgruppen zu finden. Im Vergleich zu den positiven Aspekten der Online-Lehre wurden im Zuge des Interviews doppelt so viele negative Effekte von den Lehrpersonen genannt: weniger Zusammengehörigkeitsgefühl, weniger Interaktion und Austausch, kein „Tratschen“, Probleme mit der Einschätzung des Zeitmanagements (wie lange brauchen die Lernenden für gewisse Aufgaben), Fehlen des persönlichen Bezugs, kein richtiges Kennenlernen der Teilnehmer: innen (oft nur Name und Stimme bekannt) oder Socializing, verringertes Lerntempo, technische Störungen, passive Anwesenheit und unpersönlicher Unterricht. Durch die Verlängerung der Online-Lehre fiel einigen Lehrpersonen auf, dass die Kom‐ munikation der Lernendengruppen, die sich in Präsenz kennen gelernt hatten und erst dann auf das Online-Kursformat umgestiegen sind, besser funktioniert hat, da bereits eine Vertrauensbasis aufgebaut werden konnte. Eine Lehrperson teilte im Interview rückblickend auf die Pandemie mit: „Lernen hat eine soziale Dimension, und wenn die fehlt, dann geht uns etwas ab. Ich denke auch, dass diese Gespräche weniger intensiv sind.“ (Interview 2, 21: 55-22: 14) Im Allgemeinen erklärte eine weitere Lehrperson, dass Sprache von der Interaktion, der Lebendigkeit und dem direkten Austausch lebt (Interview 15). Dazu passend Intergenerationelles Sprachenlernen 269 <?page no="270"?> reflektierte eine weitere Lehrperson ihre eigene Rolle im Umstieg von der Präsenzzur Online-Lehre: „(…) ich war eine Theaterschauspielerin, jetzt bin ich eine Radiosprecherin geworden.“ (Interview 17, 16: 33-16: 39) Zusammenfassend verschaffen die Antworten der Sprachkursleiter: innen einen guten Überblick über die Herausforderungen in der altersheterogenen Sprachenlehre. Im Vergleich mit der Theorie zu dieser Thematik stellt sich heraus, dass dieselben Bereiche als Haupt-Herausforderungen genannt wurden: Heterogenität der Lernenden und Vielfalt an individuellen Bedürfnissen; Dif‐ ferenzierung, zusätzliche Hilfestellungen und Potentiale fördern; Interkultura‐ lität; die Umstellung von Präsenzauf Online-Lehre während der Covid-19-Pan‐ demie. Pandemiebedingt wurden zusätzlich der rasche Umstieg, technische Probleme und fehlender sozialer Kontakt im Lehr- und Lernprozess sowohl in der Theorie als auch in der Praxis als sehr herausfordernd beschrieben, wobei mithilfe zusätzlicher Online-Tools und -Methoden versucht wurde, das Beste aus der Situation zu machen und den Lernenden trotzdem einen hochwertigen und kommunikativen Online-Sprachkurs zu ermöglichen. In der Präsenzlehre fordern des Weiteren die Mischung verschiedener Niveaus, verschiedener Altersgruppen und Generationen sowie verschiedener Kulturen die Lehrenden stark heraus. Gleichzeitig wird in den Interviews aber auch erwähnt, dass man in solchen heterogenen Kursgruppen sehr viel lerne. Trotz aller Herausforderungen wird in der intergenerationellen Sprachenlehre das Ziel verfolgt „(…) irgendeinen Weg zu finden, sodass sich die Teilnehmer(: innen) dann wohl fühlen, aber trotzdem zum Sprechen kommen.“ (Interview 15, 18: 45- 18: 53) Chancen des intergenerationellen Unterrichts Ein weiterer Forschungsbereich konzentriert sich auf die Auswirkungen der Intergenerationalität in Sprachkursen und mögliche Chancen, die sich aus der Mischung von Altersgruppen ergeben können. In zwei Interviews wird ange‐ geben, dass keine Auswirkungen aufgrund der Mischung von Altersgruppen in den Sprachkursen erkennbar bzw. denkbar sind (siehe Abbildung 5). Es wird argumentiert, dass jemand eine Sprache lernt, wenn er: sie das möchte, egal in welchem Umfeld (Interview 15). 24 % der Sprachlehrenden können sich vorstellen, dass sich Heterogenität ne‐ gativ auf die Lernenden einer Fremdsprache auswirken könnte (siehe Abbildung 5). Im Hinblick auf die negativen Effekte der Altersheterogenität werden ver‐ ringertes Sprachlerntempo, das Fehlen von gemeinsamen Interessensgebieten und ein gesteigerter Drang nach Aufmerksamkeit seitens einzelner Lernender angegeben. 270 Sarah Bindar <?page no="271"?> 0 5 10 15 20 25 keine Auswirkungen negative Auswirkungen positive Auswirkungen Anzahl der Lehrenden Abbildung 5: (Mögliche) Auswirkungen der Intergenerationalität auf das Erlernen einer Fremdsprache Der Großteil der Lehrenden, genauer gesagt 95 % der Befragten, kann sich u. a. vorstellen, dass sich die Mischung von Generationen in Sprachkursen positiv auf die Lernenden auswirkt (siehe Abbildung 5). Folgende Merkmale werden als positive Effekte der altersheterogenen Sprachenlehre genannt: Ge‐ meinschaftsgefühl, keine Einsamkeit, persönliche Bereicherung, Steigerung der Sozialkompetenz, Stärkung des Selbstbewusstseins der Lernenden, Erfahrungs‐ austausch und Tipps, gegenseitige Unterstützung, Gespräche über gemeinsame Interessensgebiete, gemeinsame Weiterbildungsziele, die Herangehensweise an das Sprachenlernen, Offenheit, Bewusstwerden der menschlichen Vielfalt und die Erweiterung des eigenen Horizonts. Die Zusammenarbeit zwischen jüngeren und älteren Generationen wird von Lehrenden auch als „erfrischend“ bezeichnet (Interviews 14; 17) und kann für alle Beteiligten „sehr befruchtend sein“ (Interview 5). In einem Interview wird betont, dass durch die Mischung der unterschiedlichen Individuen die Sprachkursgruppe einfach „bunter“ ist (Inter‐ view 18). Es werden zusätzlich Fälle aus der Praxis beschrieben, in denen ältere Lernende einen positiven Einfluss auf das Gruppenklima und die Dynamik im Sprachkurs hatten. Auch online wurde diese Tendenz bemerkt, da in virtuellen Kursräumen ältere Teilnehmer: innen häufig das erste Zeichen setzten und die Kamera einschalteten (Vorbildwirkung), was in weiterer Folge andere Lernende dazu bewegte, während des Sprachkurses die Bildübertragung eingeschaltet zu lassen. Abschließend erzählen Lehrende von dem Feedback älterer Sprachkursteil‐ nehmer: innen, die ihnen rückmeldeten, dass die Zusammenarbeit mit jüngeren „eine gewisse Frische“ gebe und dass sowohl die Mischung der Altersgruppen Intergenerationelles Sprachenlernen 271 <?page no="272"?> als auch das „Uni-Luft-Schnuppern“ viel Motivation verleihe (Interview 5). In diesem Zusammenhang erzählen mehrere Lehrpersonen von positiven Rück‐ meldungen nach dem Sprachkurs, dass die Zusammenarbeit zwischen älteren und jüngeren Generationen sehr gut funktioniert hat und die Teilnehmer: innen viel voneinander lernen konnten. Im Interview betont eine Lehrperson die Monotonie und Reizlosigkeit von altershomogenen Sprachkursgruppen, in denen alle ähnliche Hintergründe und Erfahrungen haben sowie den Urlaub und die Freizeit auf ähnliche Art und Weise verbringen. Erst die Mischung der Altersgruppen macht den Austausch untereinander spannend. Eine Lehrperson ist sich der Herausforderungen der Altersheterogenität bewusst und kommentiert die eigene Rolle in dieser intergenerationellen Sprachlernsituation so: „Sonst finde ich diese Mischung von Altersgruppen super, weil man einfach merkt, dass Personen einen anderen Hintergrund haben. Also die Älteren lernen von den Jüngeren, Jüngere von den Älteren und ich finde mich irgendwo in der Mitte.“ (Interview 9, 16: 00-16: 14) Die oben genannten Beispiele der positiven Effekte spiegeln sich auch in den Antworten bezüglich der Chancen der Altersheterogenität in der Sprachenlehre wider. Lediglich eine Lehrperson hat nicht den Eindruck, dass sich Chancen aus der Mischung von Altersgruppen im Sprachunterricht ergeben könnten. Die meisten Nennungen der Chancen betreffen die persönliche Bereicherung der Lernenden, die Erweiterung von Wissen und der Sozialkompetenz sowie Spaß am gemeinsamen Sprachenlernen. Im Zusammenhang mit persönlicher Bereicherung werden die meisten Beispiele genannt, wie etwa persönlicher und direkter Kontakt mit Menschen unterschiedlichen Alters, neue Erfahrungen sammeln und neue Einblicke in andere Lebenssituationen erhalten, Steigerung der Problemlösungskompetenz, die Auseinandersetzung mit Klischees und der Abbau von Altersstereotypen, der Einblick in die Sichtweise und Meinungen anderer, das Verständnis unterschiedlicher Hintergründe und Einflüsse, gegen‐ seitiger Input und Rücksichtnahme. Der Austausch zwischen altersheterogenen Lernenden wird auch als „weltöffnend“ beschrieben, da ein Zugang zu anderen Altersgruppen und anderen Erfahrungen geboten wird (Interview 2). Durch die vielen positiven Beschreibungen gegenseitiger Bereicherung werden die Sprachkurse als Beispiel sozialer Integration von altersheterogenen Lernenden angegeben. Dementsprechend hilft die Auseinandersetzung mit Altershetero‐ genität den Lernenden, sensibler zu denken und offener auf andere zuzugehen (Interview 6). Das Aneignen neuen Wissens und die Weitergabe von Erkenntnissen und Vorwissen an andere Lernende werden als weitere große Pluspunkte der intergenerationellen Sprachenlehre betrachtet. Das Teilen von Wissen und 272 Sarah Bindar <?page no="273"?> Inputs bezüglich der Sprache, der Landeskunde, der kulturellen Unterschiede und persönlichen Eindrücke und Bezüge werden in den Interviews ebenso als Vorteile der altersheterogenen Sprachkursgruppe beschrieben. Auch der Einblick in andere Sichtweisen und Perspektiven sowie das Aneignen unter‐ schiedlicher Tools und Skills werden als Chance für die Lernenden gesehen. Im Zusammenhang mit der intergenerationellen Wissensaneignung werden eben‐ falls die Lernformen des Miteinander-, Voneinander- und Übereinander-Lernens als vorteilhafte Aspekte der Altersheterogenität in Sprachkursen genannt. Die Mischung von Individuen verschiedenster Altersgruppen sowie die För‐ derung des Gemeinschaftssinns durch Zusammenarbeit und Austausch von Per‐ spektiven und Erfahrungen in den Sprachkursen werden von den Lehrpersonen in der Bildungsforschung und Lehrpraxis als große Bereicherung empfunden. In der Sprachlehr- und -lernforschung wird Heterogenität und Diversität sowie die Steigerung sozialer Kompetenzen durch die Interaktion in altersheterogenen Kursgruppen als wichtige Chance für die Sprachkursteilnehmer: innen gesehen. Außerdem wird anhand eines Beispiels aus der Praxis aufgezeigt, dass sich die erhöhte Motivation und der Fleiß von älteren Lernenden positiv auf die gesamte Atmosphäre im Sprachkurs auswirkt und andere Lernende „mitreißt“ (Interview 14). Eine Lehrperson bezeichnet den Umgang mit Intergenerationalität weiters als wichtige Kompetenz, besonders in Anbetracht des gesellschaftlichen Wan‐ dels. In den nächsten Jahrzehnten wird die Mischung der Altersgruppen weiter ansteigen, was bedeutet, dass der Umgang mit altersheterogenen Gruppen auf der Tagesordnung stehen wird. Eine Lehrende blickt in die Zukunft und formuliert ihren Wunsch: Ich wünsche mir, dass sich beim Sprachenlernen unterschiedliche Generationen weiter treffen und im Austausch sind, in den Austausch gehen und im Austausch bleiben. Ich würde mir auch wünschen, dass Universitäten und Schulen Orte der Bil‐ dung bleiben und dass sie nicht zu diesen Ausbildungsmaschinen werden. (Interview 2, 22: 57-23: 21) Conclusio: We Are All in This Together Der demographische Wandel des 21. Jahrhunderts stellt die Gesellschaft vor Herausforderungen, deren Lösung nur durch die Zusammenarbeit der Genera‐ tionen gelingen kann. Das Konzept des lebenslangen Lernens beschreibt die Bildung in allen Lebensphasen und bedingt - durch die damit einhergehende Erweiterung des Fort- und Weiterbildungssektors - den Zugang einer großen Bandbreite von Altersgruppen im universitären Bildungskontext. Daher bilden sich im Erwachsenenbildungsbereich vermehrt Kursgruppen, in denen eine Intergenerationelles Sprachenlernen 273 <?page no="274"?> Vielfalt von Lernenden unterschiedlicher Altersgruppen und Generationen aufeinandertrifft, um sich weiterzubilden und gemeinsam Neues zu erlernen. Im Zuge dieses Forschungsprojekts zum Thema Intergenerationalität in der Sprachenlehre wurden 21 Expert: innen-Interviews mit Fremdsprachenleh‐ renden durchgeführt, um einen Einblick in die Altersheterogenität sowie die generationsübergreifende Lehrpraxis am treffpunkt sprachen zu erlangen. Im Allgemeinen zeigen die Forschungsergebnisse bezugnehmend auf die Mischung der Altersgruppen der Sprachkursteilnehmer: innen, dass Lernende zwischen 18 und 85 Jahren in Fremdsprachenkursen am treffpunkt sprachen aufeinander‐ treffen, um gemeinsam ihre Sprachkenntnisse zu erweitern. Obwohl das biolo‐ gische Alter der meisten Lernenden zwischen 20 und 30 Jahren liegt und nur ein kleiner Teil andere Altersgruppen und Generationen vertritt, herrscht ein hoher Level an Heterogenität: Herkunftsland, Kultur, Persönlichkeit, Vorerfahrungen, Berufstätigkeit, Motivation, Lernfähigkeit, Lerntempo, Ziele und Alter sind nur einige der vielen Heterogenitätsfaktoren in der Sprachenlehre am treffpunkt sprachen. Diese unterschiedlichen Merkmale der Lernenden weisen auf einen hohen Level an Diversität und Heterogenität hin, welcher in der Sprachlehr- und -lernforschung sowie in der Bildungspraxis sowohl als Herausforderung als auch als Chance definiert wurde. Einerseits zeigen die Forschungsergebnisse, dass die Zusammensetzung der Lernenden durch ihre unterschiedlichen Vor‐ erfahrungen und persönlichen Bedürfnisse von den Lehrpersonen als sehr herausfordernd betrachtet wird, da diese Vielfalt das Differenzieren von Un‐ terrichtsmaterialien und Hilfestellungen sowie das Fördern der individuellen Potentiale in Sprachkursen voraussetzt. Andererseits bietet diese (alters)hetero‐ gene Mischung von unterschiedlichen Individuen aber auch eine große Chance für die Sprachkursteilnehmer: innen, da der Austausch von Perspektiven, Erfah‐ rungen und persönlichen Aspekten zwischen Lernenden gefördert wird. In der generationsübergreifenden Bildungsarbeit wird somit durch den Ein‐ satz intergenerationeller Lehr- und Lernmethoden (Miteinander-, Voneinander- und Übereinander-Lernen) für einen Dialog zwischen den Generationen gesorgt. Entsprechend der Sprachlehrexpert: innen am treffpunkt sprachen ermöglichen vor allem implizite generationsübergreifende Lernprozesse in Kombination mit dem kommunikativen Ansatz in der Sprachenlehre sowie dem hohen Stellenwert der produktiven Sprachanwendung die Erweiterung sprachlicher und sozialer Kompetenzen. Die Altersheterogenität bietet viel Potential, neue Perspektiven kennenzulernen und gegenseitig vom Vorwissen sowie den persönlichen Erfahrungen der Sprachkursteilnehmer: innen im differenzierten Sprachkursgeschehen zu profitieren. Außerdem wird durch das gemeinsame 274 Sarah Bindar <?page no="275"?> Ziel des Erlernens einer Fremdsprache das Zusammengehörigkeitsgefühl der vorwiegend heterogenen Gruppe gefördert. Abschließend lässt sich sagen, dass die Heterogenität und Diversität der Lernenden in Fremdsprachenkursen von großer Bedeutung sind, da diese Unterschiede in weiterer Folge als Ressource für die Sprachenlehre verwendet werden können. Besonders in volatilen Zeiten ist es wichtig, intergeneratio‐ nelle Methoden zu verwenden, um den Austausch zwischen den heterogenen Sprachkursteilnehmer: innen zu fördern und die Aufmerksamkeit auf die Zu‐ sammenführung der Lernenden und das Stärken eines Gemeinschaftsgefühls zu richten. Eine verstärkte Sensibilisierung bezüglich Altersheterogenität in den Sprachkursen spielt dabei auch eine große Rolle, wodurch Hemmungen zwischen Altersgruppen und Generationsstereotype abgebaut werden. Denn schlussendlich sind sich die Sprachlehrenden am treffpunkt sprachen einig, dass die Mischung der Altersgruppen und Generationen in Fremdsprachenkursen eine positive Auswirkung auf das Erlernen einer Sprache hat. And This Is Not the End Gegen Ende der Interviews wurden die Fremdsprachenlehrenden zu ihren Wünschen bezüglich intergenerationeller Lehre befragt. Viele Lehrende wün‐ schen sich mehr Altersheterogenität in ihren Sprachkursen, um intergeneratio‐ nelle Lernprozesse effektiver gestalten zu können. Neben mehr Zeit, kleineren Gruppengrößen, mehr Barrierefreiheit, Präsenzunterricht und Austauschmög‐ lichkeiten mit anderen Lehrpersonen wird auch methodische und didaktische Hilfestellung seitens der Universität erwähnt. Das Zentrum für Weiterbildung der Universität Graz hat 2016 (Ludescher/ Waxenegger/ Simon) bereits einen Leitfaden für intergenerationelles Lernen veröffentlicht, um die Bedeutung von Intergenerationalität in der Erwachsenenbildung hervorzuheben und theo‐ retische Grundlagen sowie praktische Umsetzungsvorschläge für intergene‐ rationelle Bildungsarbeit zu erläutern. Eine Spezialisierung im Bereich der Fremdsprachendidaktik und eine Sammlung intergenerationeller Sprachlern‐ methoden könnte Lehrenden als hilfreiche Ergänzung in der Sprachenlehre dienen. Dementsprechend soll basierend auf den Ergebnissen dieses Forschungspro‐ jekts in weiterer Folge eine Sammlung von gezielten methodischen und didakti‐ schen Empfehlungen für die intergenerationelle Sprachenlehre im universitären Kontext entstehen, um den Lehrenden zu helfen, optimale Lernvoraussetzungen für die altersheterogenen Lernendengruppen zu schaffen und Sprachunterricht für alle Altersgruppen abwechslungsreich und effektiv zu gestalten. Somit Intergenerationelles Sprachenlernen 275 <?page no="276"?> soll den Lehrenden zukünftig ein intergenerationelles Methodenrepertoire bereitgestellt werden, um sie bei der intergenerationellen Bildungsarbeit zu unterstützen. In diesem Forschungsbeitrag wurde der Fokus auf die Sprachlehrenden und die Herausforderungen und Chancen gelegt, denen sie im Kontext der inter‐ generationellen Lehre begegnen. Natürlich ist die Perspektive der Lernenden im intergenerationellen Sprachlernkontext auch von enormer Bedeutung. Die Lernenden treffen in altersheterogenen Sprachkursen ebenso auf Herausforde‐ rungen und Chancen, die sich auf ihren individuellen Sprachlernfortschritt auswirken. Aus diesem Grund wurden zusätzlich Interviews mit Sprachkurs‐ teilnehmer: innen am treffpunkt sprachen geführt. In Zukunft soll ein Vergleich zwischen den Meinungen von Lehrenden und Lernenden bezüglich intergene‐ rationeller Fremdsprachenlehre am treffpunkt sprachen folgen. Literatur Antz, Eva-Maria/ Tolksdorf, Markus/ Frieters, Norbert/ Scheunpflug, Annette/ Franz, Julia (2009a): Generationen lernen gemeinsam. Theorie und Praxis intergenerationeller Bil‐ dung. Bielefeld: Bertelsmann. Antz, Eva-Maria/ Frieters, Norbert/ Scheunpflug, Anette/ Franz, Julia (2009b): Genera‐ tionen lernen gemeinsam: Methoden für die intergenerationelle Bildungsarbeit. Bielefeld: Bertelsmann. Archan, Dagmar/ Meier, Andrea (2021): Protektive Ressourcen in volatilen Zeiten - wie Bildungsinstitutionen die Resilienz von Studierenden und Lehrenden unterstützen können. In: Schutti-Pfeil, Gisela/ Darilion, Antonia/ Ehrenstorfer, Barbara (Hrsg.) Resilienz und Resilienzfaktoren in der Hochschullehre - Anpassungsleistungen der Hochschuldidaktik in volatilen Zeiten. Linz: FH Oberösterreich, S.-6-20. Bindar, Sarah (2023): Intergenerationelle Methoden. Handout für den Workshop „What’s Age Got to Do With It? ” treffpunkt sprachen: unveröffentlichtes Handout. Brünner, Anita/ Hechl, Elisabeth/ Simon, Gertrud/ Stöckl, Claudia (2016): Intergeneratio‐ nelles Lernen: Begriffe und Begründungen. In: Ludescher, Marcus/ Waxenegger, Andrea/ Simon, Gertrud (Hrsg.) Intergenerationelles Lernen. Ein Leitfaden für die wissenschaftliche Weiterbildung in der nachberuflichen Lebensphase. Graz: Universität Graz, S.-8-12. Dorfer, Alexandra/ Scheer, Lisa/ Köck, Verena/ Leitner, Johanna (2021): Online-Lehre im Sommersemester 2020 und Wintersemester 2020/ 21 - Bericht über die begleitenden Studierenden- und Lehrendenbefragungen. Graz: Universität Graz. Franz, Julia (2014): Intergenerationelle Bildung. Lernsituationen gestalten und Angebote entwickeln. Bielefeld: Bertelsmann. 276 Sarah Bindar <?page no="277"?> Hülsen-Esch, Andrea (Hrsg.) (2015): Alter(n) neu denken: Konzepte für eine neue Alter(n)skultur. Bielefeld: transcript. Ludescher, Marcus/ Waxenegger, Andrea/ Simon, Gertrud (2016): Intergenerationelles Lernen. Ein Leitfaden für die wissenschaftliche Weiterbildung in der nachberuflichen Lebensphase. Graz: Universität Graz. Lüscher, Kurt/ Liegle, Ludwig (Hrsg.) (2003): Generationenbeziehungen in Familie und Gesellschaft. Konstanz: UVK Verlagsgesellschaft mbH. Mayring, Philipp (2002): Einführung in die qualitative Sozialforschung: Eine Anleitung zu qualitativem Denken. Weinheim/ Basel: Beltz. Schäfer, Daniel (2015): Was ist Alter(n)? In: Hülsen-Esch, Andrea (Hrsg.) Alter(n) neu denken: Konzepte für eine neue Alter(n)skultur. Bielefeld: transcript, S.-17-40. Schäfer, Erich (2017): Lebenslanges Lernen. Erkenntnisse und Mythen über das Lernen im Erwachsenenalter. Berlin: Springer. Seidl, Eva (2021): Resilienzerleben von Studierenden in der translationsorientierten online-Sprachlehre. In: Schutti-Pfeil, Gisela/ Darilion, Antonia/ Ehrenstorfer, Barbara (Hrsg.) Resilienz und Resilienzfaktoren in der Hochschullehre - Anpassungsleistungen der Hochschuldidaktik in volatilen Zeiten. Linz: FH Oberösterreich, S.-168-177. Szydlik, Marc/ Künemund, Harald (2009): Generationen aus Sicht der Soziologie. In: Künemund, Harald/ Szydlik Marc (Hrsg.) Generationen. Multidisziplinäre Perspektiven. Wiesbaden: Verlag für Sozialwissenschaften, S.-7-21. treffpunkt sprachen I (o.-J.): Gründungsgeschichte. https: / / treffpunktsprachen.uni-graz.at / de/ treffpunkt-sprachen/ gruendungsgeschichte/ [24.09.2023]. treffpunkt sprachen II (o. J.): Ziele. https: / / treffpunktsprachen.uni-graz.at/ de/ treffpunkt-s prachen/ ziele/ [24.09.2023]. Universität Graz (o.-J.): Die Universität Graz in Zahlen. https: / / www.uni-graz.at/ de/ dieuniversitaet-graz-in-zahlen/ [11.10.2023]. Intergenerationelles Sprachenlernen 277 <?page no="278"?> Anhang Forschungsprojekt: Intergenerationelles Sprachenlernen Interviewleitfaden für Lehrende Soziodemographische Daten: • Geschlecht • Alter • Arbeitsplatz: Wo unterrichten Sie? • Erfahrung: Wie lange unterrichten Sie bereits? Einstiegsfragen: Sie unterrichten Sprachkurse mit heterogenen Gruppen. Inwiefern unter‐ scheiden sich Ihre Lernenden bezüglich ihres Alters und ihrer Generationen? Können Sie im Sprachkurs Verhaltensunterschiede der Teilnehmer: innen an‐ hand des Alters oder der Generation erkennen? • Wenn ja, welche? • Wenn nein, warum nicht? Hauptteil: 1.1 Werden Alter und Generation oder Altersunterschiede/ Generationsunter‐ schiede in Ihrem Sprachunterricht thematisiert? • Wenn ja, wie? 1.2 Inwiefern können altersheterogene Lernende Elemente ihrer Generation in den Sprachunterricht einbringen? Gibt es Unterschiede zwischen den Altersgruppen? 1.3 Wird in Ihrem Sprachkurs ein Austausch zwischen den Generationen gefördert? • Wenn ja, wie? 2. Dieses Forschungsprojekt beschäftigt sich mit generationsübergreifendem Lernen, also dem Phänomen, dass verschiedenste Generationen miteinander, voneinander und/ oder übereinander lernen. 278 Sarah Bindar <?page no="279"?> Werden diese generationsübergreifenden Lernformen in Ihrem Unterricht ver‐ wendet? • Wenn ja, welche und wie oft? • Welche Methoden wenden Sie konkret an, damit altersheterogene Lernende miteinander, voneinander oder übereinander lernen können? Gibt es Unterschiede in Ihren verschiedenen Kursen? • Wenn nein, warum ist dies nicht der Fall? Woran könnte es liegen? 3.1 Welche Auswirkungen hat die Mischung verschiedener Altersgruppen auf das Erlernen einer Fremdsprache Ihrer Meinung nach? • Inwiefern hat die Umstellung auf Online-Lehre intergenerationelle Sprach‐ kurse beeinflusst? 3.2 Wenn Sie an Ihre altersheterogene Lernendengruppe denken, welche Her‐ ausforderungen ergeben sich durch die Altersunterschiede? • Wie/ Warum kommt es zu diesen Herausforderungen? • Wie wird mit diesen Herausforderungen umgegangen? • Was würden Sie sich wünschen, damit generationsübergreifender Sprach‐ unterricht optimal stattfinden kann? 3.3 Welche Chancen ergeben sich durch die Intergenerationalität in den Sprach‐ kursen? Schlussteil: Gibt es noch etwas, das Sie zum Thema generationenübergreifendes Lernen sagen möchten? Haben Sie noch Fragen/ Anliegen? Intergenerationelles Sprachenlernen 279 <?page no="280"?> Wie unterscheiden sich Lernende? Geschlecht Alter Vorwissen Bildungsweg ökonomische Faktoren Motivation: extrinsisch und intrinsisch Persönlichkeit: extrovertiert oder introvertiert Herkunft Ethnizität Werte und Haltungen Einstellungen Muttersprache Sprachlevel Sprach(lern)erfahrung Lernstrategien LerngewohnheitenLernumgebung Lerntyp Zeitmanagement Vorlieben Interessen Vorerfahrungen persönliche Ziele Sinnfrage: Warum diese Sprache? Warum muss ich diesen Inhalt lernen? Wofür brauche ich das? Weitere Faktoren: körperliche Einschränkungen (Thema: Barrierefreiheit) • Informationsaustausch: Was bringen die Lernenden mit? zum Beispiel: Lernstrategien, Zeitmanagement, Ressourcen, Lernmittel, Lerngruppen bilden • • Teamteaching als Methode, um voneinander zu lernen: o Lernende in Gruppen mit einem: einer Expert: in o Lernende im Austausch mit Kolleg: innen (mit Vorerfahrung zu diesem Thema) o Lernende in Gruppenarbeiten: Unterricht zu einem Thema (mit Spiel und Übung) o Lehrende und Lernende als Co-Lehrende o Lehrende lernen voneinander (in Hospitationen) o Austausch mit anderen Lehrenden (unterschiedlicher Sprachen) wird gewünscht ▪ Austausch zu bestimmten Themen ▪ Methodik in kleine Bereiche aufgeteilt: z. B. Spiele für den Einstieg, 5-Minuten- Übungen, Zeitüberbrückung, Differenzierungsmöglichkeiten in der Lehre • Interview: Interviewfragen erstellen und beantworten • Peer Feedback o mündlich oder schriftlich (für Lernende und Lehrende möglich) o gegenseitiges Durchlesen und Tipps geben bei schriftlichen Abgaben o Regeln für gute Feedback-Kultur besprechen • Expert: innen-Gespräche: zum Beispiel zum Thema Berufe • Präsentationen • Kommunikation/ Interaktion: o Einander aktiv zuhören o Wortschatz erweitern • Auf sozialer Ebene/ Persönlichkeitsentwicklung: Offenheit, Ambiguitätstoleranz, Diversität 280 Sarah Bindar <?page no="281"?> 239 • Kennenlernspiele: o „Two Truths and a Lie”, „Alle kommen in den Kreis, die …“ o Reihen bilden; „Find somebody who… “; Selbst-Vorstellung • Informationsaustausch: Lernende berichten aus ihrer subjektiven Perspektive/ Erfahrung o Themen aus unterschiedlichen Länderperspektiven (z. B. 1. Lockdown) o Erfahrungen, Meinungen, persönliche Perspektiven und Einstellungen o Persönliche Beobachtungen und Beschreibungen • Partner: innen-Gespräch: Austausch zu einem Thema mit Gesprächsimpulsen o Bildimpulse (Bildkarten); Lieblingsessen, -farbe, -film, -serie, -land … o Was ist auf meinem Schlüsselbund? Was ist in deiner Tasche? o @ Online-Führung durch die Wohnung; +/ — Debatten • Freie Präsentationen: selbst gewählte Themen, „Warum dieses Thema gewählt? “ • Interviews und Fragebögen • Themen/ Lernthemen aus persönlicher Perspektive: Subjektivität steht im Vordergrund • Moodle Forum: Erfahrungen mit der Arbeitswelt für alle sichtbar; Feedback, wenn neugierig • Grammatik mit persönlichen Sätzen o Mit Namen der Teilnehmer: innen o Mit persönlichem Input/ Situationen aus dem Alltag • Projekt: „Kulinarische Reise um die Welt“ o Rezepte (aus dem Heimatland) sammeln; Coming soon: Feste / Feiern • Input der Lehrperson durch Methodenvielfalt: Videos, Ausstellungen, gemeinsame Aktivitäten • Gemeinsame Ziele & Motivation für den Besuch des Sprachkurses • Gemeinsames Problemlösen & Lerngruppen bilden: „Geteiltes Leid ist halbes Leid“ • Methoden für das Miteinander-Lernen: o Stationenbetrieb o Grammatik-Übungen o Role Play/ Dialoge (Aussprache üben): Alltagssituationen, Interaktion o Partner: innen- Aufgaben wie z. B. Think-Pair-Share o Gemeinsames Verfassen eines Textes o Gemeinsames Erledigen der Hausübungen o Gemeinsames Vokabel-Lernen (Abfragen, Karteikarten, Eselsbrücken) o Gruppenarbeiten ohne Expert: innen (gemeinsames Erarbeiten von Wissen) o Spiele: ▪ „Scattergories“ = „Stadt, Land, Fluss“ ▪ Murder Mystery ▪ Escape Room Game ▪ Taboo ▪ Activity ▪ Kahoots Intergenerationelles Sprachenlernen 281 <?page no="283"?> Übung macht den Meister? Fremdsprachenlernerfahrung und Mehrsprachigkeit als Lernstrategie Sarah Jud In den letzten Jahrzehnten hat sich der Kontext des Fremdsprachenlernens erheblich verändert. Durch die erhöhte Mobilität, die Globalisierung und die fortschreitenden Technologien sind Menschen auf der ganzen Welt mitein‐ ander vernetzt und häufig von mehreren Sprachen umgeben. Neben Englisch werden oft bereits im schulischen Kontext noch weitere zwei bis drei Fremd‐ sprachen gelernt, was dazu führt, dass Sprachenlernende im universitären Kontext bereits über ein breites individuelles Sprachenrepertoire verfügen können und somit zu multiplen Sprachenlernenden werden. Didaktische Ansätze, welche auf sprachreflexiven und sprachvergleichenden Methoden basieren, werden unter dem Begriff Mehrsprachigkeitsdidaktik zusammenge‐ fasst - dabei werden Lernende dazu animiert, bewusst und aktiv auf ihre bereits vorhandenen Sprachkenntnisse zurückzugreifen und Verbindungen bzw. Parallelen zwischen sprachlichen Konzepten herauszuarbeiten, um den Lernprozess effektiver gestalten zu können und einen nachhaltigen Lerner‐ folg zu begünstigen. Ziel des vorliegenden Beitrags ist es, das Konzept des Multiplen Sprachenlernens und der damit verbundenen Mehrsprachigkeitsdi‐ daktik vorzustellen sowie in einer anschließenden Befragung zu erheben, ob Lernende ihre Fremdsprachenlernerfahrung und Mehrsprachigkeit als Ressource ansehen und bewusst als Lernstrategie zum erfolgreichen Lernen einer weiteren Fremdsprache einsetzen. Anhand der Ergebnisse soll festge‐ stellt werden, ob und inwiefern am treffpunkt sprachen - Zentrum für Sprache, Plurilingualismus und Fachdidaktik angebotene Sprachkurse von mehrsprachigkeitsdidaktischen Elementen profitieren könnten. <?page no="284"?> Forschungsinhalt In der Fremdsprachenlernforschung galt lange die theoretische Annahme, dass Lernende ihre Sprachen getrennt speichern, prozessieren sowie abrufen und sogenannte Interferenzen, also Vermischungen verschiedener Sprachen, auf eine unzureichende Trennung der gelernten Sprachen im mentalen Lexikon zurückgeführt werden können (vgl. Gibson/ Hufeisen 2003, S. 13). Dies hatte zur Folge, dass einzelne Sprachen sowohl unterrichtlich als auch im Kopf der Lernenden bis in die späten 1970er-Jahre möglichst getrennt gehalten wurden (vgl. Hufeisen 2020, S.-75 f.) Der Fokus der Fachdidaktikforschung lag seit den 1940er-Jahren sowohl auf dem Spracherwerb als auch auf den damit in Verbindung stehenden Spracherwerbsprozessen, was dazu führte, dass verschiedene Hypothesen zur Interpretation sprachlicher Äußerungen vorgestellt wurden: die Kontrastive Hypothese, die Identitätshypothese und die Interlanguage-Hypothese. All diese Hypothesen gehen jedoch grundsätzlich von nur zwei Sprachen in der Lernen‐ denverarbeitung aus und implizieren, dass diese Prozesse und Mechanismen unverändert auch für alle weiteren Sprachen, die jemand lernt, gelten (vgl. Gibson/ Hufeisen 2003, S. 14). Erst ab den späten 1980er- und frühen 1990er- Jahren begann man, Mehrsprachigkeit keineswegs nur als negativ zu betrachten, sondern deren Vorteile herauszuarbeiten (vgl. Hufeisen 2020, S. 76). Seit Anfang der 1990er-Jahre konnte in mehreren Studien (darunter neurologische Scantests, Laborstudien mit Reiz-Reaktionstests, Sprachleistungstests und Interviewstu‐ dien) nachgewiesen werden, dass jede weitere Sprache, die jemand lernt, mit ihren spezifischen Faktoren das gesamte Bedingungsgefüge für das Lernen von Sprachen auf dynamische Art verändert (…) (und,) dass aus der Interaktion zwischen den Sprachen im Kopf der Lernenden kei‐ neswegs immer nur Interferenzen entstehen, sondern dass hier ein großes Potenzial für die positive Ausnutzung der schon vorhandenen Kenntnisse besteht. (Gibson/ Hufeisen 2003, S.-14) Diese Erkenntnisse führten zur Entwicklung der Drittsprachenbzw. Ter‐ tiärsprachenforschung, deren Bezeichnungen inzwischen teilweise vom Terminus Mehrsprachigkeitsforschung abgelöst wurden. Im Rahmen der Mehrsprachigkeitsforschung entstanden einige Modelle zum Multiplen Spra‐ chenlernen, die auf vorhandene Spracherwerbsmodelle und Erkenntnisse der Bilingualismusforschung zurückgreifen, sowie die Besonderheiten des Erler‐ nens der L2 (erste Fremdsprache) und der Lx (zweite Fremdsprache) hervor‐ heben und deren Unterschiede zueinander akzentuieren. Beim Erlernen der L2 werden unbekannte Laute erstmals dekodiert und dann produziert; somit 284 Sarah Jud <?page no="285"?> gilt dieser Prozess als Grundlage für multiples Sprachenlernen. Durch die Aneignung einer Lx entwickeln Lernende eine Fremdsprachenlernkompetenz, die weiteres Fremdsprachenlernen erleichtert und in zahlreichen Modellen zum multiplen Sprachenlernen eine zentrale Rolle spielt (vgl. Hufeisen/ Riemer 2010, S.-747). Im Allgemeinen gibt es fünf bekannte Modelle zum multiplen Sprachen‐ lernen: das Dynamic Model of Multilingualism, das Rollen-Funktions-Modell, das Ecological Model of Multilinguality, das Foreign Language Acquisition Model sowie das Faktorenmodell. Diese erforschen qualitative und quantitative Unter‐ schiede zwischen dem Erlernen einer L2 sowie dem Erlernen einer Lx (jede weitere Fremdsprache) (vgl. Hufeisen 2003a, S. 8). Eines der bekanntesten Mo‐ delle zum multiplen Sprachenlernen ist das Faktorenmodell von Britta Hufeisen. Durch dessen Fokus auf das Fremdsprachenlernen, welches im gesteuerten Unterricht durch die Inputvermittlung der Lehrperson angeregt wird, ist dieses Modell für die vorliegende empirische Untersuchung besonders relevant. Forschungsmethoden Das Faktorenmodell von Britta Hufeisen bildet multiples Sprachenlernen chronologisch und in Stufen ab und besagt, dass zwischen dem Lernen einer L2 und Lx nicht nur ein quantitativer Unterschied, sondern vor allem ein qualitativer Unterschied besteht (vgl. Hufeisen 2010, S. 201). Mit nur der L1 im individuellen Sprachenrepertoire ist die erstmalige Konfrontation mit einer L2 demnach eine völlig andere, als wenn dem bereits mehrsprachigen Repertoire eine weitere Sprache hinzugefügt wird. Hufeisen (ebd.) begründet dies folgendermaßen: Sprachlernerfahrungen sind vorhanden, eventuell ein expliziertes und anwendbares Wissen darüber, wie an den neuen Sprachlernprozess erfolgsversprechend herange‐ gangen werden kann, eine vermutlich größere Gelassenheit gegenüber dem (…) Neuen und Fremden. Diese Punkte nennt Hufeisen Fremdsprachenlernspezifische Faktoren, die sich zwar mit dem Lernen der L2 entwickeln, aber erst mit dem Lernen einer Lx wirksam werden können und demnach den wesentlichen Unterschied zwischen dem Lernen einer L2 und einer Lx ausmachen (vgl. Hufeisen 2010, S. 201). Neben den fremdsprachenlernspezifischen Faktoren bildet das mehrstufige Faktorenmodell neurophysiologische, lernerexterne, kognitive sowie emotionale Faktorenkomplexe ab, die für das gesteuerte Sprachenlernen von Bedeutung sind (vgl. Gibson/ Hufeisen 2003, S.-15). Übung macht den Meister? 285 <?page no="286"?> Betrachtet man das Bedingungsgefüge für das Lernen einer L2, wird dieses von neurophysiologischen Faktoren (generelle Spracherwerbsfähigkeit, Alter etc.), lernerexternen Faktoren (Lernumwelt, Art und Umfang des Inputs etc.), emotionalen Faktoren (Motivation, Angst, individuelle Lebenserfahrungen etc.), kognitiven Faktoren (Sprachbewusstsein, Lernstrategien, metalinguis‐ tisches Bewusstsein etc.) sowie vom linguistischen Faktor der erworbenen Erstsprache geprägt (vgl. Gibson/ Hufeisen 2003, S.-17). Traditionelle Sprach‐ erwerbsmodelle enden an dieser Stelle, da sie davon ausgehen, dass sich dieses Bedingungsgefüge mit dem Lernen einer weiteren Fremdsprache nicht verändert und die Voraussetzungen für das Lernen jeder Lx die gleichen sind. Ersichtlich wird dies in Sprachkursen, die eine Lx als L2 vermitteln. Hier liegt laut Gibson und Hufeisen (vgl. ebd.) allerdings das große Potential der Mehrsprachigkeitsdidaktik, da die Lernenden bereits erfahrene und kompe‐ tente Fremdsprachenlernende sind - sie kennen das Gefühl, in der neuen Sprache nicht gleich alles zu verstehen oder ausdrücken zu können, haben bereits (wenn auch vielleicht vorerst nur unbewusst) bestimmte Lernstrate‐ gien entwickelt und inzwischen zwei Sprachen im Repertoire, „die mit der neu hinzukommenden Sprache interagieren“ (ebd.), und somit auch mehr Transferbasen zur Verfügung. Ab dem Zeitpunkt, an dem sich das institutio‐ nelle Fremdsprachenlernen zum ersten Mal wiederholt, kommt das Bündel der fremdsprachenlernspezifischen Faktoren ins Spiel und kann sowohl positive als auch negative Auswirkungen haben. Erfahrungen mit dem Lernen der L2 können, wenn sie sich als erfolgreich erwiesen haben, auf das Erlernen der Lx übertragen oder aber auch vermieden werden, wenn sie als ungeeignet empfunden werden. Außerdem können Vergleiche zwischen den Sprachen und/ oder Lernprozessen helfen, um auf bereits bekannte Systeme oder Muster zurückzugreifen und dort anzuknüpfen sowie Lernstrategien bei typischen Fremdsprachenaufgaben gezielter einzusetzen (vgl. Hufeisen 2010, S.-203). Diese Aussagen bezüglich der fremdsprachenlernspezifischen Faktoren gelten erweitert und verfeinert auch für das Erlernen aller weiteren Fremd‐ sprachen. Lernende können demnach über bereits ausgeprägte Fremdspra‐ chenlernerfahrungen verfügen, da sie oft mit zwei, drei oder mehr Erst- und Fremdsprachen in ihrem individuellen Sprachenrepertoire an das weitere Fremdsprachenlernen herangehen. Die vorhandene Mehrsprachigkeit ist zu diesem Zeitpunkt in den Köpfen der Lernenden bereits vorhanden, weshalb es nach Hufeisen schlichtweg als Ressourcenverschwendung gelte, diese nicht zu nutzen (vgl. ebd., S. 204 f.). Diese Synergien zu aktivieren und für den Unterricht zu verwenden sowie durch spezielle didaktische Elemente einen 286 Sarah Jud <?page no="287"?> lernendenorientierteren Unterricht zu gestalten, macht sich die Mehrspra‐ chigkeitsdidaktik zur Aufgabe. Die Mehrsprachigkeitsdidaktik geht grundsätzlich von der Annahme aus, dass Folgefremdsprachen, das heißt die zweite und jede weitere Fremdsprache, anders unterrichtet werden sollten als erste Fremdsprachen, „damit das bereits entwickelte Potenzial aus mutter- und erstfremdsprachlichem Unterricht aus‐ genutzt werden kann“ (Hufeisen 2003a, S. 7) - man könnte dabei auch von „sprachenübergreifendem Lernen“ (Behr 2010, S. 109) sprechen. Sind sich die zu lernenden Sprachen sehr ähnlich, kann sich dieses Potential stark auf sprach‐ liche Aspekte beziehen, während bei eher verschiedenen Sprachen vielmehr lernstrategische und kognitive Faktoren zum Tragen kommen. Die Aufgabe der Lehrenden ist es dabei nicht, die Sprachen selbst, sondern das Lernpotential, das beim Lernen dieser vorherigen Fremdsprachen von den Lernenden entwi‐ ckelt wurde (vgl. Hufeisen 2003a, S. 9), zu aktivieren. Um diesen Lernprozess zu erzielen, sollten mehrsprachigkeitsdidaktische Elemente in den Unterricht eingebaut werden. Behr (vgl. 2010, S. 109) nennt folgende Zielperspektiven, die mit Hilfe von Übungen zur Förderung sprachenübergreifenden Lernens verfolgt werden: • Sensibilisierung für den Vergleich von Kulturen sowie Sprachen, • Vermittlung von Analysestrategien unter Rücksichtnahme der Mutter‐ sprache und der bereits erlernten Fremdsprachen, • Bewusstmachung eigener Lernpotentiale und -strategien, • Verinnerlichung von Transferroutinen, • Festigung sprachlicher Kenntnisse, • Förderung des interkulturellen Lernens, • Anregung der Reflexion über den eigenen Lernprozess. Beim Vergleich der herkömmlichen Sprachendidaktik mit der Mehrsprachig‐ keitsdidaktik können drei Aspekte herausgearbeitet werden, welche in der Mehrsprachigkeitsdidaktik bewusst und erweitert eingesetzt werden. Zum einen findet eine wesentlich stärkere Zuwendung zum kognitiven Lernen statt, welches auf die Entfaltung von Sprachbewusstheit abzielt. Dies kann unter anderem durch Sprachvergleiche gelingen, bei denen die jeweilige L1 und die bisher gelernten Fremdsprachen eine besondere Rolle spielen, und bei denen die Basis für die Entwicklung der Sprachbewusstheit gelegt wird (vgl. Lyp-Bielecka 2017, S. 181). Den Lernenden soll dabei bewusst gemacht werden, dass sie bereits am Anfang eines Kurses imstande sind, einfache Texte bzw. kurze Sätze zu verstehen, wenn sie an die Vorkenntnisse aus ihrer Übung macht den Meister? 287 <?page no="288"?> Erstsprache oder anderen bereits gelernten Fremdsprachen anknüpfen und diese aktivieren (ebd., S.-183). Neben der Sprachbewusstheit wird in der Mehrsprachigkeitsdidaktik auch eine Sprachlernbewusstheit entwickelt - dies geschieht vor allem durch die Bewusstmachung, Einübung und Erweiterung von individuellen Lerntechniken und Lernstrategien (vgl. Lyp-Bielecka 2017, S. 181). Hinweise und Tipps zu effektiven Lernstrategien oder zur Organisation des Lernens sind hierbei die bekanntesten Werkzeuge (ebd., S. 188). Um zu erreichen, dass diese Tipps und Hinweise auch von den Lernenden angenommen und verinnerlicht werden, muss allerdings sichergestellt werden, dass im Rahmen des Unterrichts Mög‐ lichkeiten geschaffen werden, diese Strategien und Techniken bewusst anzu‐ wenden. Im Nachhinein kann eine erfolgreiche Reflexion stattfinden, da sich „die Lernenden (…) auf die gerade gemachte Erfahrung beziehen (können). Indem sich Lernstrategien auf persönlichen Einsichten und Erfahrungen der Lernenden stützen, dürften sie zu einem nachhaltigeren Lerneffekt führen“ (Pilypaityte und Vicente 2014, S.-56). Ein weiterer Aspekt, der vor allem im universitären Kontext und in der Erwachsenenbildung von besonderer Bedeutung ist, ist die Inhaltssowie Text‐ orientierung des Unterrichts. Unter Inhaltsorientierung lässt sich der Einbezug von altersgemäßen Inhalten und der eigenen Welt der Lernenden verstehen, während der Einbezug neuer, zeitgemäßer Textsorten, wie beispielsweise E- Mails, Blogeinträge etc., als Textorientierung zu verstehen ist (vgl. Lyp-Bie‐ lecka 2017, S. 181). Inhalts- und Textorientierung sind stets eng miteinander verknüpft - die neue Fremdsprache soll beispielsweise im Rahmen der Arbeit mit aktuellen, zeitgemäßen, den Interessen der Lernenden entsprechenden Lesetexten erkundet werden. Lernende sollen so dank der Aktivierung ihres Vorwissens zur selbstständigen Arbeit animiert werden. Mit Hilfe von Texten mit vielen Internationalismen oder Lehnwörtern kann so gezeigt werden, dass die Lernenden bereits früh in der Lage sind, Texte in der neuen Fremdsprache entschlüsseln zu können (ebd., S.-188 f.). All diese Kompetenzen werden durch unterschiedlichste, in den Unter‐ richt implementierte, mehrsprachigkeitsdidaktische Elemente gefördert - Lernende werden beispielsweise dazu animiert, einen neu erlernten Wort‐ schatz mit Ausdrücken in anderen ihnen bekannten Sprachen zu verglei‐ chen oder besonders auf Internationalismen zu achten. Im Fokus liegt dabei immer die Entwicklung und Festigung der Sprachbewusstheit, der Sprach‐ lernbewusstheit sowie individueller Lernstrategien, die auch im Rahmen des späteren multiplen Sprachenlernens angewandt werden können und damit 288 Sarah Jud <?page no="289"?> genauso zum Repertoire eines erfolgreichen Sprachenlernenden gehören wie einzelsprachliche Kenntnisse selbst. Forschungsziele Um Lernstrategien im Kontext des multiplen Sprachenlernens verorten zu können, ist eine Auseinandersetzung mit deren Bezugspunkten zur Sprachbe‐ wusstheit und Sprachlernbewusstheit der Lernenden nötig. Wie zuvor erörtert wurde, zeichnet sich das Lehren und Lernen von Dritt‐ sprachen bzw. jeder weiteren Fremdsprache durch die „Nutzung von interlin‐ gualen und lernprozessbezogenen Transfermöglichkeiten“ (Horvatić/ Petravić 2014, S. 107) aus, durch welche „die bereits vorhandenen Sprachkompetenzen und -lernerfahrungen aufgegriffen und erweitert werden“ (ebd.). Werden nun während dieses Prozesses die Sprachbewusstheit und Sprachlernbewusstheit gefördert, kann dies zu einer Ökonomisierung und Steigerung der Effektivität des Unterrichts und somit auch zu Motivationssteigerungen bei den Lernenden führen. Weiters wird auf diese Weise die Autonomie der Lernenden gefördert, was eine gute Voraussetzung für das - unter Umständen selbstständige - Lernen weiterer Sprachen im Laufe der Sprachbiographie eines Individuums darstellt (ebd.). Im Sinne des multiplen Sprachenlernens entspricht Sprachbewusstheit dem metalinguistischen Bewusstsein, welches bereits im Rahmen des Faktorenmo‐ dells nach Hufeisen kurz aufgegriffen wurde. Nach Hufeisen (2003b, S. 104) bedeutet metalinguistisches Bewusstsein entwickelt zu haben, „über den Bau von Sprache Bescheid zu wissen, darüber reflektieren und sprechen zu können und die eigene Sprache entsprechend diesen Überlegungen analysieren und kreativ verändern zu können“. Dieses Bewusstsein entwickelt sich mit jeder neuen Sprache in der Sprachlernfolge weiter, weshalb die Relevanz des meta‐ linguistischen Bewusstseins für das Lernen einer dritten Fremdsprache höher eingeschätzt werden kann als für das Lernen einer zweiten Fremdsprache (vgl. Horvatić/ Petravić 2014, S. 108). Das ist auch der Grund, warum metalinguisti‐ sches Bewusstsein im Kontext des multiplen Sprachenlernens „für den gezielten Einsatz von Fremdsprachenlernstrategien eingesetzt“ (Hufeisen 2003b, S. 104) werden kann. Während zur Entwicklung der Sprachbewusstheit das sprachliche Vorwissen der Lernenden aufgriffen wird, setzt die Entwicklung der Sprachlernbewusst‐ heit bei den Lern- und Unterrichtserfahrungen der Lernenden an, welche die Bewusstheit über den eigenen Fremdsprachenlernprozess und das eigene Lernverhalten mit einschließen. Einen zentralen Bestandteil dieser Sprachlern‐ Übung macht den Meister? 289 <?page no="290"?> bewusstheit bilden Lernstrategien (vgl. Horvatić/ Petravić 2014, S. 108). Hufeisen (vgl. 2010, S. 203) zählt Lernstrategien zum Bündel der fremdsprachenlernspe‐ zifischen Faktoren, das erst mit dem Beginn des Drittsprachenlernprozesses relevant wird, da sich das Repertoire an Fremdsprachenlernstrategien mit jeder weiteren Fremdsprache erhöht und sie dabei umso häufiger und zielgerichteter eingesetzt werden (vgl. Hufeisen 2003b, S.-105). In der Mehrsprachigkeitsforschung wird davon ausgegangen, dass Sprach‐ bewusstheit und Sprachlernbewusstheit eng miteinander verknüpft sind und demnach auch Lernstrategien Teil dieses Bindungsgefüges sind. Horvatić und Petravić (vgl. 2014, S.-109) meinen dazu: So setzt die Förderung der Sprachbewusstheit die Anwendung von entsprechenden Lernverfahren voraus, die zugleich die Entwicklung der Sprachlernbewusstheit unterstützen können; die Entfaltung der Sprachlernbewusstheit erfolgt wiederum auf der Folie der (sprachbewusstheitsfördernden) Auseinandersetzung mit dem sprachlichen Material. Dies macht deutlich, dass die Lernstrategien (…) als eine Teilkomponente der Sprachlernbewusstheit im engen Zusammenhang mit der Sprachbewusstheit stehen. Dieser Zusammenhang kann folgendermaßen aus multiplen Perspektiven inter‐ essant für die empirische Forschung sein. Zum einen kann untersucht werden, inwiefern sich die Sprachbewusstheit der Lernenden auf die Entwicklung und den Einsatz von Lernstrategien auswirkt, und zum anderen, inwiefern die Sprachbewusstheit der Lernenden durch die Anwendung von geeigneten Lernstrategien erweitert werden kann (vgl. Horvatić/ Petravić 2014, S. 109). Im Rahmen der vorliegenden Untersuchung wird die erste dieser beiden Dimen‐ sionen näher beleuchtet. Definitionsversuche Trotz der langjähren Beschäftigung der Fremdsprachenlehr- und -lernforschung mit Lernstrategien herrscht bisher kein Konsens über definitorische und klas‐ sifikatorische Fragen. Vergleicht man unterschiedliche Definitionsvorschläge, lassen sich zwei grundsätzliche Konzeptualisierungen erkennen: Zum einen werden Lernstrategien als „mentale Operationen zur zielgerichteten Planung, Ausführung und Überprüfung von Lernprozessen und -schritten“ (Horvatić/ Pet‐ ravić 2014, S. 110) definiert, zum anderen als „konkrete Handlungen, die bei der Bewältigung von Lernprozessen (…) ausgeführt werden und deren erfolgreiche Umsetzung an der Erreichung des erwünschten Lernziels ablesbar ist“ (ebd., S. 110 f.). Mißler (vgl. 1999, S. 122) sieht Lernstrategien in ihrer 290 Sarah Jud <?page no="291"?> Forschungsarbeit als „multidimensionales Konstrukt“, welches sich aus kogni‐ tiven, metakognitiven, affektiven sowie sozialen Aspekten zusammensetzt. Lernstrategien werden teilweise bewusst, teilweise unbewusst eingesetzt, wobei sich Lernende aus ihrem individuellen Repertoire an Lernstrategien diejenige(n) aussuchen, welche sie für die Erreichung eines bestimmten Ziels für angemessen halten. Lernstrategien gelten prinzipiell als lern- und lehrbar, wobei der: die Lehrende eine unterstützende Rolle einnimmt und durch die Vermittlung von Lernstrategien die Autonomie und kommunikative Kompetenz der Lernenden fördert (ebd.). Im vorliegenden Beitrag soll die Frage beantwortet werden, welche Lernstra‐ tegien bewusst von Sprachenlernenden eingesetzt werden und ob diesbezüglich Unterschiede zwischen erfahrenen und eher unerfahrenen Fremdsprachenlern‐ enden bestehen. Das Strategy Inventory for Language Learning ist ein dahin‐ gehendes Erhebungsinstrument, welches bereits für viele Studien eingesetzt wurde und auch für die vorliegende Untersuchung von großer Bedeutung ist. Strategy Inventory for Language Learning (SILL) Das Strategy Inventory for Language Learning, im Weiteren kurz SILL genannt, ist ein Instrument zur empirischen Erhebung von Lernstrategien, das zwischen 1986 und 1990 von Rebecca Oxford entwickelt wurde (vgl. Mißler 1999, S. 211) und in Form eines standardisierten Fragebogens die „Häufigkeit des Einsatzes von bestimmten Lernstrategien“ (ebd.) erfasst. Mit Hilfe des SILL ist bisher nicht nur eine ganze Reihe empirischer Untersuchungen durchgeführt worden (vgl. Mißler 1999), in seiner ursprünglichen oder revidierten Form nimmt das SILL auch nach wie vor Einfluss auf die Fremdsprachenforschung (Horvatić/ Petravić 2014, S.-112 f.). Das SILL ist in mehreren Versionen mit unterschiedlich vielen Frage-Items sowie in mehreren Übersetzungen verfügbar (vgl. Mißler 1999, S. 211). In der vorliegenden Untersuchung ist die verkürzte und sprachlich vereinfachte Version in deutscher Übersetzung als Basis herangezogen worden. Allen Items sind sechs Strategietypen zugeordnet: Gedächtnisstrategien, kognitive Strate‐ gien, Kompensationsstrategien, metakognitive Strategien, affektive Strategien und soziale Strategien. Auf einer 5-Punkte-Likert-Skala sollen Teilnehmende angeben, wie zutreffend nachfolgende Aussagen für sie persönlich sind (ebd., S.-212). Übung macht den Meister? 291 <?page no="292"?> Forschungsergebnisse Die vorliegende Befragung soll Aufschluss darüber geben, ob Sprachenlernende ihre persönlichen Erfahrungen beim Fremdsprachenlernen und ihr Vorwissen in anderen Sprachen (inklusive ihrer Erstsprache) als Strategie bzw. als Ressource ansehen und beim Erwerb einer weiteren Fremdsprache aktiv einsetzen. Auf den Ergebnissen aufbauend sollen mögliche didaktische Auswirkungen sowie Emp‐ fehlungen für einen mehrsprachigkeitsdidaktischen, lerner: innenorientierten Unterricht im Rahmen der Sprachkurse am treffpunkt sprachen abgeleitet werden. Forschungsdesign Der Fragebogen gliedert sich in insgesamt drei Teile. Im ersten Teil werden demographische Daten erhoben: Geschlecht, Alter sowie Studienrichtung. Da die Autorin davon ausgeht, dass vor allem Studierende der Geisteswissen‐ schaften bzw. Sprachenstudierende über eine bereits fundierte Sprach- und Sprachlernbewusstheit verfügen, könnte eine dahingehende Differenzierung bei der Interpretation der Ergebnisse nötig sein. Darüber hinaus wird erfragt, wie viele Sprachen die Teilnehmenden bereits gelernt haben und zu welchen Sprachfamilien diese Fremdsprachen gehören. Wie bereits zuvor diskutiert wurde, bieten sich sprachliche Vergleiche vor allem für sich ähnelnde Spra‐ chen an - auch die erfragten Lernstrategien zielen hauptsächlich auf den Vergleich sprachlicher Strukturen ab, weshalb eine Zuordnung der gelernten Fremdsprachen zu ihrer jeweiligen Sprachfamilie für die Interpretation der Ergebnisse eine wichtige Rolle spielen wird. Außerdem werden die Teilneh‐ menden hier gebeten, nur jene Sprachen anzugeben, die sie für zumindest drei Monate im Rahmen eines gesteuerten Unterrichts durch Inputvermittlung einer Lehrperson gelernt haben. Diese Einschränkung ist notwendig, um Erfahrungen und Strategien auszublenden, die die Teilnehmenden möglicher‐ weise im Rahmen eines Selbststudiums gemacht bzw. angewandt haben, da der Fokus in der vorliegenden Studie auf Sprachenunterricht, wie jenem bei treffpunkt sprachen, liegen soll. Der dritte Teil des Fragebogens, der zugleich Kern der Befragung ist, gliedert sich in zwei größere Abschnitte. Während zu Beginn auf die Erfragung bishe‐ riger Erfahrungen der Teilnehmenden beim Fremdsprachenlernen abgezielt wird, werden im zweiten Abschnitt vor allem die verwendeten Lernstrategien beim Fremdsprachenlernen erhoben. Hierbei ist in Anlehnung an einen von Bet‐ tina Mißler entworfenen Fragebogen ein Evaluierungstool konzipiert worden (vgl. Mißler 1999, S. 207 ff.), das das Prinzip der sprachenübergreifenden und 292 Sarah Jud <?page no="293"?> sprachreflexiven Arbeit mit Transfermöglichkeiten und Kompensationsstrate‐ gien in Zusammenhang bringt. Da davon ausgegangen werden kann, dass sich Sprachenlernende im Rahmen der angewandten Kompensationsstrategien vor allem ihrer bisherigen Sprachkenntnisse in allen gelernten Fremdsprachen bedienen, erscheint dieser Faktor für die vorliegende Untersuchung und mög‐ liche Implikationen für die mehrsprachigkeitsdidaktische Praxis besonders interessant. Derselbe Ansatz ist auch beim Auswählen gewisser Items aus dem SILL verfolgt worden, welche den zweiten Abschnitt des Fragebogens bilden. Anders als bei Mißlers Befragung ist in dem vorliegenden Beitrag eine 4-Punkte- Likert-Skala verwendet worden, um die Tendenz zur Mitte bewusst vermeiden zu können. Der Fragebogen ist über eine Mailingliste an alle aktiven Teilnehmenden an Sprachkursen am treffpunkt sprachen ausgesandt worden, um ein speziell für dieses Zentrum repräsentatives Ergebnis zu erhalten. Insgesamt haben 100 Teilnehmende den Fragebogen vollständig beantwortet. Ergebnisse Insgesamt haben 100 Personen an der Umfrage teilgenommen, wobei weibliche Personen mit 81 % die eindeutige Mehrheit bilden. Mehr als 90 Teilnehmende sind wie erwartet zwischen 18 und 30 Jahre alt, lediglich neun Teilnehmende sind älter als 30 Jahre. Der Großteil der Teilnehmenden, 65 Personen, hat ein lau‐ fendes oder abgeschlossenes geisteswissenschaftliches Studium vorzuweisen, 25 % der Teilnehmenden ein naturwissenschaftliches Studium und 12,5 % ein sozialwissenschaftliches Studium. Zehn Personen sind im Bereich Umwelt-, Regional- und Bildungswissenschaften angesiedelt, sieben weitere in anderen, nicht näher definierten Bereichen. Einen für die vorliegende Untersuchung besonders interessanten Aspekt stellt die Frage nach der Anzahl der bisher gelernten Fremdsprachen und deren Zuordnung zu Sprachfamilien dar. Von den 100 Teilnehmenden gaben 15 Personen an, zwei Fremdsprachen, 34 Personen drei Fremdsprachen, 29 Personen vier Fremdsprachen, elf Personen fünf Fremdsprachen und ebenfalls elf Personen mehr als fünf Fremdsprachen gelernt zu haben. Die Vorreiter unter den gelernten Sprachen stellen wie erwartet die germanischen sowie romanischen Sprachen dar - sie sind jeweils von 91 Personen gelernt worden. Auch slawische Sprachen erfreuen sich mit 32 Lernenden großer Beliebtheit, während die iranische und semitische Sprachfamilie mit nur sechs bzw. drei Lernenden das Schlusslicht bildet. Ein relativ großer Teil, vertreten durch Übung macht den Meister? 293 <?page no="294"?> 44 Lernende, betrifft andere Sprachfamilien, darunter sind die beliebtesten Sprachen Japanisch und Koreanisch. Die von den Teilnehmenden angegebenen Sprachen können bei der Auswer‐ tung einzelner Frage-Items herangezogen werden, um Aufschluss über mögliche markante Antworten zu geben. Im Anschluss werden ausgewählte Daten, welche mit dem Prinzip der sprachenübergreifenden und sprachreflexiven Arbeit und mit Transfermöglichkeiten zusammenhängen, graphisch dargestellt und interpretiert - eine Darstellung aller Ergebnisse würde den Rahmen des vorliegenden Beitrags sprengen. Auf die Aussage, bisher gelernte Sprachen würden beim Lernen einer neuen Fremdsprache im Weg stehen, reagierten nur sieben von 100 Teilnehmenden zustimmend. Auffällig hierbei ist, dass diese sieben Personen angaben, vor allem Sprachen aus der romanischen bzw. slawischen Sprachfamilie gelernt zu haben. Zwei dieser Personen gaben beispielsweise bekannt, jeweils drei Fremdsprachen gelernt zu haben, nämlich Französisch, Italienisch und Spanisch. Da sich bei Sprachen aus der gleichen Sprachfamilie natürlich nicht nur Transfermöglich‐ keiten ergeben, sondern auch die Wahrscheinlichkeit für Interferenzen sehr hoch ist, ist es naheliegend, dass einige der Befragten die zuvor gelernten Sprachen als Hindernis sehen - hier könnte es als eine Aufgabe des: der Lehrenden angesehen werden, auf das hohe Transferpotential hinzuweisen und aktive Transfers zu begünstigen. 0 10 20 30 40 50 60 starke Ablehnung Ablehnung Zustimmung starke Ablehnung Ablehnung Zustimmung Antwort 45 48 7 Die bisher gelernten Sprachen stehen beim Lernen einer neuen Sprache im Weg. Abbildung 1: Die bisher gelernten Sprachen stehen beim Lernen einer neuen Sprache im Weg 294 Sarah Jud <?page no="295"?> Ein ähnliches Bild ergibt sich bei der Aussage Ein Vergleich der neuen Sprache mit den bislang gelernten Sprachen oder meiner Muttersprache ist hilfreich. Hier gaben nur fünf Personen an, dieser Aussage (stark) ablehnend gegenüberzustehen. Alle fünf dieser Befragten haben germanische und romanische Sprachen in ihrem persönlichen Sprachenrepertoire, wobei auch hier das Potential für In‐ terferenzen von den betroffenen Teilnehmenden offensichtlich höher eingestuft wird als jenes für Transfers. Auch der Behauptung Die von mir früher erlernten Fremdsprachen helfen mir, eine neue Fremdsprache zu lernen stehen fast alle Befragten zustimmend gegen‐ über. Lediglich vier Befragte geben an, die früher erlernten Fremdsprachen würden ihnen nicht dabei helfen, eine neue Fremdsprache zu erlernen. Signifi‐ kant ist hierbei, dass diese vier Teilnehmenden zu den eher unerfahreneren Fremdsprachenlernenden gehören. Sieht man sich nämlich nur die Antworten derjenigen Lernenden an, welche zumindest fünf Fremdsprachen gelernt haben, stimmt jede: r Einzelne der Aussage Die von mir früher erlernten Fremdsprachen helfen mir, eine neue Fremdsprache zu lernen zu. Jene vier unerfahrenen Teil‐ nehmenden, welche dieser Aussage ablehnend gegenüberstehen, haben beim vorangehenden Frage-Item allerdings allesamt angegeben, dass sie Vergleiche mit zuvor gelernten Fremdsprachen als hilfreich erachten würden. Diese Un‐ stimmigkeit könnte aufgrund der fehlenden Erfahrung als Fremdsprachenler‐ nende: r auf eine ungenügend ausgeprägte Sprach- und Sprachlernbewusstheit zurückgeführt werden, welche erst mit dem Lernen weiterer Fremdsprachen weiterentwickelt werden kann. 0 10 20 30 40 50 60 Ablehnung Zustimmung starke Zustimmung Ablehnung Zustimmung starke Zustimmung Antwort 4 45 51 Die von mir früher erlernten Fremdsprachen helfen mir, eine neue Fremdsprache zu lernen. Abbildung 2: Die von mir früher erlernten Fremdsprachen helfen mir, eine neue Fremd‐ sprache zu lernen Übung macht den Meister? 295 <?page no="296"?> Ein Frage-Item, bei dem die Meinungen aller Befragten etwas auseinander‐ gehen, stellt die Aussage Meine Muttersprache hilft mir dabei, eine Fremd‐ sprache zu lernen dar. Fast ein Viertel aller Befragten verneinten diese. Analysiert man die restlichen Antworten dieser Teilnehmenden, kann festge‐ stellt werden, dass 14 von ihnen auch die Aussage Ich tue mir dabei leicht, die Grammatik der Fremdsprache zu lernen, weil ich die Grammatik meiner Muttersprache beherrsche verneinten. Wie wichtig die Grammatikkompetenz in der Muttersprache für das erfolgreiche Fremdsprachenlernen ist, zumal man dabei auf bereits bekannte Muster und Systeme zurückgreifen kann, konnte bereits in einem abgeschlossenen Projekt bei treffpunkt sprachen nachgewiesen werden (vgl. Leitner 2021). Aus den Antworten der Befragten kann an dieser Stelle dementsprechend entweder schlussgefolgert werden, dass die Teilnehmenden ihre eigene Grammatikkompetenz in der Mutter‐ sprache als nicht sehr hoch einstufen, oder aber auch, dass sie sich bei der Bewertung dieser Aussage vorwiegend auf wortschatzaffine Aspekte anstatt auf grammatikalische bezogen haben. 0 10 20 30 40 50 60 starke Ablehnung Ablehnung Zustimmung starke Zustimmung starke Ablehnung Ablehnung Zustimmung starke Zustimmung Antwort 3 20 52 25 Meine Muttersprache hilft mir dabei, eine Fremdsprache zu lernen. Abbildung 3: Meine Muttersprache hilft mir dabei, eine Fremdsprache zu lernen Vergleicht man bei diesem Frage-Item nun erfahrenere Fremdsprachenlernende mit eher unerfahreneren, kann festgestellt werden, dass Teilnehmende, die zu‐ mindest fünf Fremdsprachen gelernt haben, ihre L1 eher als Ressource ansehen als jene Lernende, die lediglich zwei Fremdsprachen beherrschen. Während 86 % der erfahrenen Lernenden der Aussage Meine Muttersprache hilft mir dabei, eine Fremdsprache zu lernen positiv gegenüberstehen, sind es bei den unerfahreneren lediglich 67 %. 296 Sarah Jud <?page no="297"?> Meine Muttersprache hilft mir dabei, eine Fremdsprache zu lernen Zwei Fremdsprachen starke Zustimmung Zustimmung Ablehnung Mind. fünf Fremdsprachen starke Zustimmung Zustimmung Ablehnung 34 % 33 % 33 % Abbildung 4: Meine Muttersprache hilft mir dabei, eine Fremdsprache zu lernen (zwei Fremdsprachen) 32 % 54 % 14 % Abbildung 5: Meine Muttersprache hilft mir dabei, eine Fremdsprache zu lernen (mind. fünf Fremdsprachen) Eine weitere Aussage, zu der sich sowohl unerfahrenere als auch erfahrene Sprachenlernende sehr positiv äußerten, ist Ich stelle Verbindungen zwischen meinen fremd- oder muttersprachlichen Kenntnissen und neuen Dingen in der Fremdsprache her. Während nur zehn Personen angaben, diese Aussage treffe gewöhnlich nicht auf sie zu, stimmten 45 Personen dieser Aussage meistens und 45 Personen sogar immer zu. Diese Daten zeigen, dass Fremdsprachenlernende sehr wohl auf bereits vorhandene Sprachkenntnisse zurückgreifen, und dass demnach angenommen werden kann, dass sie auf mehrsprachigkeitsdidaktische Elemente im Rahmen des Unterrichts positiv reagieren würden. Übung macht den Meister? 297 <?page no="298"?> 0 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50 Trifft gewöhnlich nicht auf mich zu Trifft meistens auf mich zu Trifft immer oder fast immer auf mich zu Trifft gewöhnlich nicht auf mich zu Trifft meistens auf mich zu Trifft immer oder fast immer auf mich zu Antwort 10 45 45 Ich stelle Verbindungen zwischen meinen fremd- oder muttersprachlichen Kenntnissen und neuen Dingen in der Fremdsprache her. Abbildung 6: Ich stelle Verbindungen zwischen meinen fremd- oder muttersprachlichen Kenntnissen und neuen Dingen in der Fremdsprache her Da vor allem sprachvergleichende Strategien wichtig für den vorliegenden Beitrag sind, ist folgender Aspekt ebenso erwähnenswert: Auf die Aussage Ich vergleiche Grammatik-Strukturen der neuen Fremdsprache mit mir bekannten Grammatik-Strukturen in anderen Fremdsprachen oder meiner Muttersprache re‐ agierten 80 Personen zustimmend, 20 Personen gaben jedoch an, diese Aussage treffe nie oder fast nie bzw. gewöhnlich nicht auf sie zu. Fast die Hälfte dieser 20 Personen lehnte auch die Aussage Ich tue mir dabei leicht, die Grammatik der Fremdsprache zu lernen, weil ich die Grammatik meiner Muttersprache beherrsche ab und ist der Meinung, ihre Muttersprache würde ihnen beim Fremdsprachenlernen nicht helfen. Dies betont wiederum die Wichtigkeit der Grammatikkompetenz in der Muttersprache als Voraussetzung für erfolgreiches Fremdsprachenlernen. Vergleicht man die entsprechenden Ergebnisse der unerfahreneren und erfahreneren Fremdsprachenlernenden, kann festgestellt werden, dass nur 20 % aller Befragten, die zwei Fremdsprachen gelernt haben, immer oder fast immer Grammatikstrukturen der neuen Fremdsprache mit ihnen bekannten Gramma‐ tikstrukturen in anderen Fremdsprachen oder deren Muttersprache vergleichen, während 64 % all jener Befragten, die mindestens fünf Fremdsprachen in ihrem Sprachenrepertoire haben, immer oder fast immer auf diese vergleichende Strategie zurückgreifen. Dies bestätigt die anfängliche theoretische Annahme, dass Sprach- und Sprachlernbewusstheit mit zunehmender Fremdsprachenlern‐ erfahrung weiterentwickelt und ausgebaut wird. 298 Sarah Jud <?page no="299"?> Ich vergleiche Grammatik-Strukturen der neuen Fremdsprache mit mir bekannten Grammatik-Strukturen in anderen Fremdsprachen oder meiner Muttersprache. 20 % 40 % 40 % Zwei Fremdsprachen Trifft immer oder fast immer auf mich zu Trifft meistens auf mich zu Trifft gewöhnlich nicht auf mich zu Trifft nie oder fast nie auf mich zu Abbildung 7: Ich vergleiche Grammatik- Strukturen der neuen Fremdsprache mit mir bekannten Grammatik-Strukturen in anderen Fremdsprachen oder meiner Mut‐ tersprache (zwei Fremdsprachen) 64 % 27 % 4 % 5 % Mind. fünf Fremdsprachen Trifft immer oder fast immer auf mich zu Trifft meistens auf mich zu Trifft gewöhnlich nicht auf mich zu Trifft nie oder fast nie auf mich zu Abbildung 8: Ich vergleiche Grammatik- Strukturen der neuen Fremdsprache mit mir bekannten Grammatik-Strukturen in anderen Fremdsprachen oder meiner Mut‐ tersprache (mind. fünf Fremdsprachen) Über eine hohe Sprach- und Sprachlernbewusstheit zu verfügen, bedeutet, wie bereits erwähnt, „über den Bau von Sprache Bescheid zu wissen, darüber reflektieren und sprechen zu können“ (Hufeisen 2003b, S. 104). Dieses meta‐ linguistische Bewusstsein fördert Sprachvergleiche und befähigt sowohl Spra‐ chenlernende als auch Sprachlehrende gemeinsam über Gemeinsamkeiten und Unterschiede einzelner Sprachen zu diskutieren. Fast 80 % der Befragten gaben an, solche Sprachvergleiche und Diskussionen als interessant und hilfreich zu empfinden. Von den 19 Teilnehmenden, die dieser Aussage eher ablehnend gegenüberstehen, gaben neun Personen an, mehrere romanische Sprachen gelernt zu haben. Dies könnte durch die bereits beschriebene Angst vor Interfe‐ renzen erklärt werden. Bei ebendiesem Phänomen läge es in der Verantwortung der Sprachlehrenden, auf das gleichzeitig bestehende Potential für Transfers hinzuweisen. Übung macht den Meister? 299 <?page no="300"?> 0 10 20 30 40 50 60 Trifft nie oder fast nie auf mich zu Trifft gewöhnlich nicht auf mich zu Trifft meistens auf mich zu Trifft immer oder fast immer auf mich zu Trifft nie oder fast nie auf mich zu Trifft gewöhnlich nicht auf mich zu Trifft meistens auf mich zu Trifft immer oder fast immer auf mich zu Antwort 2 17 32 49 Ich finde es interessant und hilfreich, Sprachen miteinander zu vergleichen und mit Kolleg: innen oder Lehrenden darüber zu diskutieren. Abbildung 9: Ich finde es interessant und hilfreich, Sprachen miteinander zu vergleichen und mit Kolleg: innen oder Lehrenden darüber zu diskutieren Bereits Mißler (vgl. 1999) konnte feststellen, dass Fremdsprachenlernstrategien mit jeder weiteren gelernten Fremdsprache bewusster und gezielter eingesetzt werden. Lernende, die demnach ihre fünfte Fremdsprache lernen, setzen Strategien aktiver und systematischer ein als Lernende, die ihre erst zweite Fremdsprache lernen. Ob und inwiefern Lernende Lernstrategien einsetzen, könnte mithilfe von Interviews oder auch Think-Aloud-Protokollen erhoben werden, allerdings konnte im Rahmen der vorliegenden Untersuchung festge‐ stellt werden, dass 93 der 100 Teilnehmenden der Meinung sind, ihr Repertoire an Strategien, die sie zum Fremdsprachenlernen aktiv einsetzen können, wachse mit jeder neuen Fremdsprache. Lediglich sieben Personen stehen dieser Aus‐ sage ablehnend gegenüber - wobei hier wiederum ein Großteil zu den eher unerfahreneren Sprachenlernenden gehört. Mit Hilfe eines Interviews könnte im Rahmen einer Weiterführung des Projekts erhoben werden, welche Gründe es für deren ablehnende Haltung gibt, oder ob ein fehlendes Verständnis von Lernstrategien zu Grunde liegt. Resümee und Ausblick Ziel des vorliegenden Beitrags war es, das Konzept des Multiplen Sprachenler‐ nens und der damit verbundenen Mehrsprachigkeitsdidaktik vorzustellen sowie in einer anschließenden Befragung zu erheben, ob Lernende ihre Fremdspra‐ chenlernerfahrung und Mehrsprachigkeit als Ressource ansehen und bewusst als Lernstrategie zum erfolgreichen Lernen einer weiteren Fremdsprache ein‐ 300 Sarah Jud <?page no="301"?> setzen. Die im vorigen Abschnitt präsentierten Ergebnisse zeigen, dass der Großteil der Teilnehmenden sprachreflexiven und sprachvergleichenden Ak‐ tivitäten sehr positiv gegenübersteht, was wiederum eine vielversprechende Grundlage für den Einsatz mehrsprachigkeitsdidaktischer Elemente im Rahmen des Fremdsprachunterrichts darstellt. Da die vorliegende Befragung vor allem Teilnehmende der am treffpunkt spra‐ chen angebotenen Fremdsprachenkurse als Zielgruppe hatte, kann festgehalten werden, dass der Fremdsprachenunterricht am treffpunkt sprachen besonders von den Vorteilen der Mehrsprachigkeitsdidaktik profitieren könnte. Um dies umsetzen zu können, sollten Lernende im Rahmen des Fremdsprachenunter‐ richts mit Methoden der Mehrsprachigkeitsdidaktik vertraut gemacht werden sowie Übungen und Aktivitäten kennenlernen, bei denen sie konkret auf zuvor gelernte Sprachen bzw. auf zuvor angewandte und bewährte Lernstrategien zurückgreifen können. Dies setzt natürlich voraus, dass auch Lehrende bei treffpunkt sprachen über das Konzept und die Methoden der Mehrsprachig‐ keit Bescheid wissen und mehrsprachigkeitsdidaktischen Elementen positiv gegenüberstehen. Ein Lehrender meint hierzu als Reaktion auf die vorliegende Untersuchung: Ich hatte 6 Jahre in der Schule Latein und allein schon das Suchen von Übersetzungs‐ strategien (Wo ist das Verb? Gibt’s ein Subjekt/ Objekt dazu? ) und die schon recht komplexe Grammatik sind ein sehr brauchbares Tool für alle anderen (lebenden und toten) Fremdsprachen (…). Weiters erklärt er Parallelen zwischen einzelnen Sprachen und wie sie den Lernenden im Laufe ihrer Sprachlernbiographie helfen können: Und auf jeden Fall erleichtern bereits gelernte Erscheinungen das Erlernen weiterer Fremdsprachen. (…) Auf den ersten Blick sieht diese Konstruktion (Konjunktiv im Persischen) sehr ungewöhnlich aus. Ich hatte davor aber schon Rumänisch gelernt, wo das exakt gleich funktioniert, also hat mir das im Persischen keine (sic! ) Kopfzer‐ brechen bereitet. Danach habe ich gelernt, dass es auch (in anderen Sprachen) ganz gleich funktioniert. So gibt es Parallelen in der Grammatik quer über die Unterfamilien der Sprachfamilie hinweg. Stößt man bei betroffenen Lehrenden also auf positive Resonanz, können Elemente und Methoden der Mehrsprachigkeitsdidaktik durchaus in den Unter‐ richt implementiert werden, um das Potential der Mehrsprachigkeit und sich ergebende Synergien zu nutzen. Im Rahmen zukünftiger Forschungsprojekte wäre es denkbar, die in der vorliegenden Untersuchung erhobenen positiven Einstellungen zu überprüfen und zu verifizieren, indem gezielt mehrsprachig‐ Übung macht den Meister? 301 <?page no="302"?> keitsdidaktische Elemente für ausgewählte Kurse entwickelt und eingesetzt werden. Im Anschluss daran könnte eine Analyse der Lernendenwahrneh‐ mung stattfinden und daraus Rückschlüsse gezogen werden, ob und inwiefern mehrsprachigkeitsdidaktische Ansätze den Lernprozess beeinflussen und einen nachhaltigen Lernerfolg unterstützen. Im deutschsprachigen Kontext bieten sich hierfür vor allem Sprachkurse für Niederländisch oder Schwedisch an, da sowohl das Deutsche als Muttersprache der meisten Teilnehmenden als auch das Englische als häufige erste Fremdsprache zahlreiche Transferbasen bieten. Literatur Behr, Ursula (2010): Zur Typologie von Übungen zum sprachenübergreifenden Lernen in der Sekundarstufe I. In: Doyé, Peter/ Meißner, Franz-Joseph (Hrsg.) Lernerautonomie durch Interkomprehension: Projekte und Perspektiven. Tübingen: Narr, S.-107-116. Gibson, Martha/ Hufeisen, Britta (2003): Zur Interdependenz emotionaler und kognitiver Faktoren im Rahmen eines Modells zur Beschreibung sukzessiven multiplen Spra‐ chenlernens. In: Bulletin Suisse de Linguistique Appliquée. 78 (1), S.-13-33. Horvatić Čajko, Irena/ Petravić, Ana (2014): Lernstrategien und -techniken im Kontext des Tertiärsprachenunterrichts. In: Zagreber Germanistische Beiträge. 23 (1), S.-105- 129. 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Vor allem im Bereich Zweit‐ sprachendidaktik ist dies ein wichtiger Aspekt, den es zu beachten gilt, wenn grammatikalische Phänomene erklärt, geübt und angewendet werden. Bei Personen, die eine Zweitsprache erlernen, welche große strukturelle Unterschiede zur jeweiligen Erstsprache aufweist, kommt es zu Unklarheiten, Interferenzen und Missverständnissen. Ziel dieses Forschungsprojekts ist es, DaF-Lehrpersonen auf Unterschiede der Erstsprachen ihrer Lerner: innen und der zu erlernenden Zweitsprache Deutsch aufmerksam zu machen, um die Grammatikvermittlung im Unterricht effektiver zu gestalten. Dieses Projekt konzentriert sich dabei auf grammatische Aspekte der Sprachen Arabisch, Persisch, Türkisch und Ukrainisch. Im ersten Teil des Projekts sind typische Merkmale, Unterschiede und Gemeinsamkeiten der Grammatiken der Sprachen systematisch aufgearbeitet. Der zweite Teil widmet sich der Auswertung und Analyse qualitativer Interviews mit Lehrpersonen der jewei‐ ligen Sprachen, um Theorie und Praxis zu verbinden. Das Projekt konzentriert sich dabei auf die Niveaustufen A1-A2 (nach GER) und behandelt Nomen (Genus, Numerus, Casus und (In)definitheit), Verben (Tempora) und Syntax von Deklarativ- und Interrogativsätzen. <?page no="306"?> Forschungshintergrund Typische, häufige und sich wiederholende Fehler in Zweitsprachen haben zu einem großen Teil ihren Ursprung in der Erstsprache der Sprecher: innen. Als Lehrperson, die in der Zweitsprachvermittlung tätig ist, ist es daher nicht nur ein Vorteil, ein Basiswissen über die Erstsprachen von Studierenden zu haben, sondern es ist vielmehr ein Muss, Übertragungsfehler erkennen und in einem weiteren Schritt darauf reagieren zu können. Vor allem im DaF-Unterricht in Österreich haben die Teilnehmer: innen innerhalb eines Kurses häufig viele verschiedene Erstsprachen, was für Lehrpersonen eine Schwierigkeit darstellen kann, da in der Ausbildung zum: zur DaF/ DaZ-Trainer: in zwar die Sprache Deutsch genauestens erläutert wird, die Erstsprachen von Lernenden jedoch kaum und nur sehr knapp behandelt werden (vgl. Krifka et al. 2014, S.-4 f.). Mit diesem Beitrag soll das Bewusstsein gestärkt werden, dass nicht alle Sprachen dieselben grammatischen Strukturen wie das Deutsche haben, dass Sprachen auf grammatischer Ebene unterschiedlich funktionieren und sich stark unterscheiden können. Für eine DaF-Lehrkraft ist es von Bedeutung zu wissen, dass nicht in jeder Sprache ein Dativ oder Akkusativ Verwendung findet oder zwischen Maskulinum, Femininum und Neutrum unterschieden wird. In der Grammatikvermittlung ist es daher von Vorteil, wenn Lehrkräfte zumindest ein Basiswissen über die Erstsprachen von Lernenden besitzen und somit im Unterricht ein Orientierungsplan vorhanden ist, der besagt, welches gramma‐ tikalische Vorwissen die Lernenden in den Unterricht mitbringen und welche Konzepte völlig unbekannt sind (vgl. ebd., S. 4 f.). Dieses Projekt setzt sich daher zum Ziel, DaF-Lehrkräften den Zugang zu den Erstsprachen von Lernenden zu erleichtern und einen Überblick über die grundlegenden Grammatikstrukturen zu schaffen. Forschungsinhalt, Methoden und Ziel Die Auswahl der Sprachen, welche in diesem Projekt beschrieben sind (Ara‐ bisch, Persisch, Türkisch und Ukrainisch), basiert auf einer Umfrage, die im Jahr 2022 an DaF-Institutionen in Graz und Graz Umgebung durchgeführt wurde. Dabei wurde erhoben, welche die häufigsten Erstsprachen der Teilnehmer: innen in A1- und A2-Deutschkursen an diesen Sprachschulen sind. Die am häufigsten genannten L1 wurden daraufhin für die Analyse dieses Beitrags ausgewählt. Der erste Teilabschnitt des Projekts beschreibt ausgewählte Inhalte der Grammatiksysteme der Sprachen Deutsch, Arabisch, Persisch, Türkisch und Ukrainisch. Im Speziellen wird auf Genus, Numerus, Casus und (In)definitheit von Nomen eingegangen. Zudem werden Tempora und Syntax der einzelnen 306 Antonia Gösweiner <?page no="307"?> Sprachsysteme behandelt. Diese Analyse fokussiert sich auf die Niveaustufen A1-A2 (nach GER) und basiert auf existierenden Grammatiken und Literatur‐ recherchen zu den einzelnen Sprachen. Ziel ist es, DaF-Lehrpersonen zunächst einen genaueren Einblick in die Grammatiksysteme der Erstsprachen der Lerner: innen zu geben, um bei der Grammatikvermittlung im Unterricht effek‐ tiver arbeiten zu können. Existiert beispielsweise in der Erstsprache das Konzept Genus, so muss die Lehrperson in der Vermittlung des deutschen Systems nicht näher auf das Genus im Allgemeinen eingehen, sondern kann sofort mit der Erklärung des Genussystems im Deutschen beginnen. Kennen die Teilnehmer: innen dieses Konzept jedoch noch nicht aus der eigenen L1 oder anderen erlernten L2, so muss die Lehrperson das zugrundeliegende Konzept Genus genauer erläutern. Als Hilfe für DaF-Lehrende wurden systematisch Leitfäden der untersuchten Sprachen erstellt, um das Vorwissen von Lerner: innen einschätzen zu lernen und verstehen zu können. Auf diese Weise sollen DaF-Lehrpersonen unterstützt werden, die Erstsprachen von Lernenden kennenzulernen und diese besser zu verstehen. Mit Sprachbeispielen wird versucht, Grammatikkonzepte zu verdeutlichen und zu erklären. Aufbauend auf der Literaturrecherche wurden qualitative Interviews mit Lehrenden der Sprachen Arabisch, Persisch, Türkisch und Ukrainisch geführt, um Aufschluss über aktuelle Probleme und Fragestellungen in der Praxis geben sowie Theorie und Praxis verbinden zu können. Weiterführend wurden Daten aus den qualitativen Interviews mit Lehrpersonen, die in der Erwachsenenbil‐ dung und/ oder im DaF-Bereich tätig sind, gesammelt. Alle teilnehmenden Inter‐ viewpartner: innen sind entweder Erstsprachler: innen in der Unterrichtssprache oder haben ein hohes Sprachniveau (C1) in der Sprache, die sie vermitteln. Die Interviews sollen einen Einblick in die Praxis der Zweitsprachvermittlung geben und die Analyse mit praxisnahen Einblicken verstärken. Zu jeder Sprache wurde ein teilstrukturiertes Interview mit einer Lehrperson geführt, das aufgenommen und im Anschluss transkribiert und analysiert wurde. Analyse Derzeit gibt es, variierend je nach Zählung, weltweit rund 7.000 Sprachen. Damit ein Überblick und Kategorisierungen möglich sind, werden Sprachen in Sprachfamilien unterteilt. Die Grundidee ist, dass Sprachen innerhalb einer Sprachfamilie „verwandt“ sind und sich in verschiedensten morphologischen und lexikalischen Merkmalen, wie Syntax, Flexion, Konjugation etc., ähneln bzw. unterscheiden (vgl. McWhorter 2019, S. 2). Innerhalb dieser Familien Erstsprachspezifische Grammatikvermittlung im DaF-Unterricht 307 <?page no="308"?> kommt es wiederum zur Unterteilung in Subkategorien. Eine der größten Sprachfamilien ist die indoeuropäische oder auch indogermanische Sprachfa‐ milie. Diese ist vor allem innerhalb Europas dominant (vgl. ebd., S. 7). Die Sprachen Deutsch, Persisch und Ukrainisch gehören zur indoeuropäischen Sprachfamilie. Deutsch gehört zur Untergruppe der germanischen Sprachen, Persisch zu den indoiranischen Sprachen und Ukrainisch zum Zweig der slawischen Sprachen (vgl. Kracht 2011, S. 8). In großen Teilen von Asien ist die altaische Sprachfamilie dominant. In diese Sprachfamilie wird auch das Türkische eingeordnet. Im Norden von Afrika ist hingegen die afroasiatische Sprachfamilie vorherrschend, welcher Arabisch zugeordnet ist (vgl. ebd., S.-9). Die sogenannten Verwandtschaftsbeziehungen innerhalb einer Sprachfa‐ milie lassen sich vor allem auf der lexikalischen Ebene gut veranschaulichen. Ähnliche Lexeme auf der phonetisch-phonologischen Ebene können Auskunft darüber geben, ob Sprachen in derselben Sprachfamilie verankert sind. Dies wird im Folgenden am Beispiel des Wortes für „Bruder“ in den verschiedenen Sprachen verdeutlicht. Das deutsche Wort „Bruder“ lautet im Persischen „ba‐ rādar“ und im Englischen „brother“ (vgl. ebd., S. 11). Im Arabischen, welches nicht zur indogermanischen Sprachfamilie gehört, lautet das Wort für Bruder hingegen „‘aḵun“, welches keine Ähnlichkeiten auf der lautlichen Ebene zu den Wörtern aus der indogermanischen Sprachfamilie aufweist. Im Türkischen, welches wiederum zu einer anderen Sprachfamilie gehört, lautet das Wort für Bruder „kardeş“ (vgl. Glosbe 2023). Hier noch einmal die Entsprechungen für „Bruder“ zur Übersicht: • Indogermanische Sprachfamilie: Deutsch (Bruder), Persisch (barādar), Ukrainisch (braty), • Altaische Sprachfamilie: Türkisch (kardeş), • Afroasiatische Sprachfamilie: Arabisch (‘akun). Nomen Nomen referieren auf Objekte, Gegenstände, Personen und abstrakte Einheiten. Im Zweitsprachenunterricht stehen vor allem Nomen am Beginn des Lern‐ prozesses (Niveau A1-A2) im Fokus. Der folgende Abschnitt der Analyse vergleicht und konzentriert sich auf grammatische Phänomene, welche am Nomen markiert werden bzw. eng mit der Kategorie Nomen verknüpft sind. Zu den grundlegenden Grammatikkategorien im Deutschen gehören Genus, Numerus, Casus, Definitheit und Indefinitheit. Diese werden jeweils anhand des deutschen Systems kurz erklärt und durch Beispiele veranschaulicht. Anschlie‐ 308 Antonia Gösweiner <?page no="309"?> ßend wird jedes Grammatikphänomen in allen vier Sprachen einzeln analysiert und beschrieben. Jedes Grammatikphänomen wird zu der deutschen Variante in Relation gesetzt. Außerdem werden Gemeinsamkeiten und Unterschiede herausgearbeitet. Genus Der Begriff Genus definiert das grammatische Geschlecht eines Nomens. Diese Unterscheidung ist nicht in allen Sprachen der Welt zu finden. Im Deutschen werden beispielsweise drei Genera unterschieden, im Arabischen zwei und im Türkischen wird beispielsweise kein grammatisches Geschlecht am Nomen markiert (vgl. Oleschko 2010, S. 1). Das Konzept Genus ist im Deutschen zum Großteil (bis auf Ausnahmen wie „die Frau“ - „der Mann“) keine logisch erklär‐ bare Zuordnung. Es gibt keinen offensichtlichen Grund, warum das Nomen „Sonne“ im Deutschen feminin und im Italienischen maskulin ist (vgl. ebd., S. 2). Ein besonders schwieriger Faktor beim Erlernen der deutschen Sprache ist daher die Genuszuweisung der Nomen. Das deutsche System unterscheidet drei Genera: Maskulinum, Femininum und Neutrum (vgl. Fehringer 2020, S. 2). Das Erlernen dieser Unterscheidung stellt bei Lernenden insofern ein Problem dar, als das Erkennen, zu welcher Gruppe ein Nomen gehört, nicht immer eindeutig ist und es zudem Ausnahmeregeln gibt. Sprechen Deutschlernende eine Sprache mit Genussystem, so entstehen häufig Übertragungsfehler, da die Lernenden das Genus eines Wortes in ihrer Erstsprache fälschlicherweise auf die Zweitsprache übertragen. Beim Deutschlernen wird daher empfohlen, zu jedem Nomen das zugehörige Genus von Beginn an auswendig zu lernen (vgl. Miell/ Schenke 2020, S. 9). Der Genusunterschied im Deutschen wird durch den jeweiligen alleinstehenden Artikel vor dem Nomen ausgedrückt (vgl. Fehringer 2020, S.-2). Femininum Masku‐ linum Neutrum die Entschei‐ dung der Baum das Brot Tabelle 1: Genus Deutsch Singular (vgl. Fehringer 2020, S.-2) Numerus Eine verbreitete Variante, den Numerus in den Sprachen der Welt zu kodieren, ist die Unterscheidung zwischen Singular und Plural. In ebendiesen Sprachen bedeutet das Konzept Plural „mehr als eins“ und der Singular drückt das Erstsprachspezifische Grammatikvermittlung im DaF-Unterricht 309 <?page no="310"?> Konzept „genau eins“ aus. Es gibt jedoch auch Sprachen, welche nicht nur zwischen Singular und Plural unterscheiden, sondern eine weitere Unter‐ scheidung von Numerus kodieren. Diese zusätzliche Markierung wird Dual genannt. Der Dual drückt das Konzept „genau zwei“ aus und der Plural in solchen Sprachen das Konzept „mehr als zwei“ (vgl. Kracht 2011, S. 72). Im deutschen Grammatiksystem wird zwischen Singular- und Pluralmarkierung unterschieden. Die Markierung des Plurals am Nomen kann durch verschie‐ denste Suffixe ausgedrückt werden und die Artikel werden im Plural, im Vergleich zum Singular, verändert. Diese Markierung variiert wiederum je nach Casus. Die Pluralformen sind im Deutschen sehr unregelmäßig und es gibt wenige klare Regeln zur Vorhersage, welche Pluralform angewendet werden soll. Daher sind die Pluralformen im Deutschen für Lernende generell schwierig und können zu Problemen führen: Unterscheidet sich die Markie‐ rung des Plurals von der jeweiligen der Erstsprache der Lernenden, so kann die Markierung im Deutschen von Übertragungsfehlern geprägt sein (vgl. Miell/ Schenke 2020, S.-9). Casus Im Deutschen gibt es vier unterschiedliche Casusmarkierungen: den Nominativ, den Genitiv, den Dativ und den Akkusativ. Für Personen mit Deutsch als Erstsprache ist diese Unterscheidung eine sehr natürliche und die Markierung erfolgt (ab einem gewissen Alter) automatisch. Diese Art, den Casus zu mar‐ kieren, ist jedoch nicht die einzig mögliche Variante: Sprachen können, wie das Deutsche, eine Nominativ-Akkusativ-Markierung (NOM-AKK) aufweisen, es gibt jedoch ebenso die Möglichkeit, den Casus mit einem sogenannten Ergativ- Absolutiv-System zu markieren, welches sich in der grundlegenden Markierung und Denkweise über semantische Rollen stark von einem Nominativ-Akkusativ- System unterscheidet (vgl. Fehringer 2020, S. 14). Zusätzlich gibt es die Mög‐ lichkeit, dass Sprachen kein Casussystem haben, um die semantischen Rollen zu kodieren. Sprachen, wie z. B. das Chinesische, verwenden weder ein Nomi‐ nativ-Akkusativ-System noch ein Ergativ-Absolutiv-System. Im Chinesischen wird der Casus lediglich durch die Wortstellung markiert und definiert (vgl. Kracht 2011, S. 49). Dies ist ein sehr wichtiger Aspekt, der als DaF-Lehrkraft berücksichtigt werden muss, wenn Lernenden das deutsche Casussystem erklärt wird, um so das Verständnis für die Casusmarkierung und das zugrunde liegende Konzept vermitteln zu können. Ein weiterer Unterschied in den Sprachen der Welt ist, dass die Casusmar‐ kierung an unterschiedlichen Stellen am Wort auftreten kann. Im Deutschen wird der Casus vor allem durch Artikel vor dem Nomen ausgedrückt. Nur 310 Antonia Gösweiner <?page no="311"?> wenige Markierungen findet man tatsächlich am Nomen selbst (beispielsweise im Dativ, Plural das Suffix -n am Nomen) (vgl. Durrell 2011, S. 26). Dieser Aspekt der Art der Markierung im Deutschen unterscheidet sich stark von anderen Sprachen, in denen der Casus häufig als Suffix am Nomen realisiert werden kann. Die Sprachen, die in diesem Artikel besprochen und analysiert werden, verwenden alle eine Art des Nominativ-Akkusativ-Systems, weshalb hier nicht weiter auf die anderen Möglichkeiten der Casusmarkierung (Ergativ-Absolutiv und Wortstellung) eingegangen wird. Es ist jedoch zu berücksichtigen, dass die Sprachen Arabisch, Persisch, Türkisch und Ukrainisch die Grundstruktur eines NOM-AKK-Systems aufweisen, die genaue Markierung und Realisierung sich aber stark vom Deutschen unterscheidet. Die analysierten Sprachen ver‐ wenden ein NOM-AKK-System in unterschiedlich ausgeprägten Varianten, mit diversen Markierungen und Anwendungsbereichen. Im Deutschen werden vier Casusmarkierungen unterschieden, welche je nach Genus unterschiedlich realisiert sind. Der Nominativ wird dabei für das Subjekt von transitiven und intransitiven Sätzen verwendet (vgl. Fehringer 2020, S. 14). Das direkte Objekt in transitiven Sätzen wird mit dem Akkusativ markiert, das indirekte Objekt mit dem Dativ. Der Genitiv wird hingegen für Possessionen verwendet (vgl. ebd., S. 15 f.). Die Casusmarkierung im Deutschen ist vor allem am definiten und indefiniten Artikel erkennbar und nur in wenigen Fällen wird am Nomen der Casus markiert. Die Casusmarkierung ist zudem abhängig von Genus und Numerus (vgl. ebd., S.-17). (In)definitheit In vielen Sprachen der Welt kann ein Nomen definit oder indefinit sein und als solches markiert werden. Diese Form von Definitheit kann durch Artikel, Präfixe, Suffixe o. Ä. ausgedrückt werden (vgl. Lyons 1999, S. 1). Ein Nomen kann mit einem Definitheitsmarker markiert werden, wenn der: die Gesprächspartner: in ein Objekt eindeutig identifiziert, wenn das Objekt dem: der Gesprächspartner: in bekannt bzw. familiär ist oder wenn das Objekt einzigartig im Diskursuniversum ist (vgl. ebd., S.-2). Das deutsche Grammatiksystem markiert sowohl Definitheit als auch Inde‐ finitheit mit Artikeln. Wenn ein Nomen bekannt, familiär oder einzigartig ist, kann der bestimmte Artikel verwendet werden; wenn keiner dieser Parameter gegeben ist, wird im Regelfall der unbestimmte Artikel verwendet. Die Artikel kongruieren dabei in Genus und Casus (vgl. Fehringer 2020, S.-27). Erstsprachspezifische Grammatikvermittlung im DaF-Unterricht 311 <?page no="312"?> (a) Eindeutig identifi‐ zierbar (b) Objekt bekannt/ fami‐ liär (c) Objekt einzigartig - Kannst du mir bitte den Hammer geben, welcher auf dem Tisch da drüben liegt? - Der Nachbar hat mir einen Kuchen geba‐ cken. - Die Sonne scheint heute nicht. (? ) Eine Sonne scheint heute nicht. Tabelle 2: (In)definitheit Tempora Der vorliegende Beitrag beschränkt sich auf die Niveaustufen A1-A2; daher wird im folgenden Abschnitt nicht auf alle Tempusformen jeder einzelnen Sprache eingegangen. Fokussiert wird vor allem auf die Unterscheidung in Ge‐ genwärtiges, Vergangenes und Zukünftiges. Das Deutsche kennt und markiert verschiedene Zeitformen: Präsens, Perfekt, Präteritum, Futur (I, II) und Plus‐ quamperfekt. Tempora werden im Deutschen am Verb markiert und verwendet, um auszudrücken, in welchem zeitlichen Rahmen eine Handlung passiert. Dabei markiert beispielsweise das Präsens, dass eine Handlung jetzt gerade ausgeführt wird („Ich esse jetzt gerade.“) oder dass eine Handlung regelmäßig ausgeführt wird („Ich esse jeden Tag.“). Das Präsens kann auch für geplante, zukünftige Handlungen verwendet werden („Ich esse morgen Spaghetti.“) (vgl. Miell/ Schenke 2020, S. 81). Im Gegensatz zum Präsens werden das Perfekt und das Präteritum verwendet, um vergangene, abgeschlossene Handlungen auszudrücken. Das Perfekt findet dabei vor allem in der gesprochenen Sprache Verwendung und das Präteritum vorwiegend in der Schriftsprache (vgl. ebd., S. 87). Um sich auf Zukünftiges zu beziehen, wird im Deutschen das Futur verwendet (vgl. ebd., S.-109). Als neutrale und unspezifizierte Form des Verbs wird im Deutschen eine eigenständige Infinitivform angegeben. Diese endet bei regelmäßigen und daher beim Großteil der Verben auf das Suffix -en. Jede Verbform wird konjugiert und die Personenmarkierung am Verb wird durch ein obligatorisches Personalpro‐ nomen sowie Verbsuffixe ausgedrückt (vgl. ebd., S.-82). Syntax Die Satzstellung kann in den verschiedensten Sprachen stark variieren. Für diese Analyse steht vor allem die Stellung des Verbs, des Subjekts und des Objekts im Fokus. In einem Deklarativsatz im Deutschen ist die unmarkierte Form Subjekt-Verb-Objekt. Obligatorisch ist dabei vor allem die Position des 312 Antonia Gösweiner <?page no="313"?> Verbs an zweiter Stelle. In Interrogativsätzen ohne Fragewörter verändert sich die Position des Verbs und es wird an die erste Stelle gesetzt (vgl. ebd., S.-157). Ein Kopulaverb (im Deutschen „zu sein“) ist nicht in allen Sprachen der Welt obligatorisch. Sätze, wie beispielsweise „Er Lehrer“, sind im Deutschen unvollständig und benötigen somit das Kopulaverb „sein“. In Sprachen ohne Kopulaverben wäre dieses Beispiel jedoch ein vollständiger und korrekter Satz. Das Vorhandensein dieser Kopulaverben in den Erstsprachen von Lernenden spielt häufig eine signifikante Rolle im Zweitspracherwerb des Deutschen und trägt dazu bei, dass Sätze korrekt gebildet werden (vgl. Tracy/ Truckenbrodt 2014, S.-460). Allgemeine Hinweise zur Verwendung der Leitfäden In den folgenden Leitfäden werden Sprachbeispiele angeführt, um die einzelnen Grammatikthemen in den jeweiligen Sprachen zu erklären und zu verdeutli‐ chen. Die Beispiele bestehen dabei aus drei Zeilen. Die erste Zeile stellt das Sprachbeispiel in lateinischer Umschrift dar, die zweite Zeile die Glossierung des Wortes, der Phrase oder des Satzes und die dritte Zeile die deutsche Über‐ setzung. In den Beispielen werden die gängigen Abkürzungen verwendet, um grammatische Phänomene zu beschreiben. Das englische Wort und die jeweilige Abkürzung erklären somit die Struktur und Bedeutung der beschriebenen Sprache. Die Abkürzungen in der Glossierung orientieren sich an den gängigen Konventionen und sind im Anhang aufgelistet und beschrieben. Die Reihenfolge der Leitfäden lautet: Arabisch, Persisch, Türkisch, Ukrainisch. Alle Leitfäden untersuchen dieselben Grammatikthemen. Jeder Leitfaden beginnt mit einer kurzen Zusammenfassung der wichtigsten Grammatikthemen, welche im Anschluss genauer erörtert werden. Jedes Gram‐ matikphänomen wird mit Sprachbeispielen verdeutlicht, damit DaF-Lehrper‐ sonen schnell und auf einfache Art und Weise einen Vergleich zwischen den Sprachen ziehen können. Das Verständnis und Basiswissen für das deutsche Sprachsystem werden vorausgesetzt, weshalb es für das Deutsche keinen eigenen Leitfaden gibt. Die Sprachsysteme werden jedoch ausreichend mit dem deutschen System in Beziehung gesetzt, um Unterschiede und Gemeinsamkeiten der Sprachen zu verstehen. Erstsprachspezifische Grammatikvermittlung im DaF-Unterricht 313 <?page no="314"?> Leitfaden Arabisch Sprachfamilie Sprachtypologie Schrift Genera afroasiatische Sprachfamilie flektierende Sprache arabisches Alphabet (Konsonantenschrift) feminin-maskulin Numerus Singular-Dual-Plural Casusformen Nominativ, Genitiv, Akkusativ (In)definitheit definites Präfix (al-) Infinitiv keine eigenständige Infinitivform Syntax - Deklarativsatz: Verb-Subjekt-Objekt Interrogativsatz: Verb-Subjekt-Objekt Genus Das Arabische besitzt, wie das Deutsche, eine Unterscheidung der Nomen in Genera. Der Unterschied zum Deutschen ist, dass das Arabische lediglich zwei Genera aufweist: das Maskulinum und das Femininum. Das Arabische kennt kein Neutrum, welches im Deutschen vorkommt, und Personen mit der Erstsprache Arabisch ist dieses Konzept von neutralen Nomen meist unbekannt. Im Arabischen ist die maskuline Form des Nomens die unmarkierte Form des Wortes. Die feminine Form trägt in den Regelfällen eine zusätzliche Markierung zur maskulinen Form (vgl. Abu-Chacra 2007, S. 46). Im Arabischen wird der Un‐ terschied des grammatischen Geschlechts nicht, wie im Deutschen, durch einen Artikel vor dem Nomen ausgedrückt, sondern als Suffix am Nomen markiert. Regelmäßige maskuline Nomen enden mit dem Suffix -un und regelmäßige feminine Nomen hingegen enden auf das Suffix -atun (vgl. ebd.). (a) Femininum Maskulinum (b) Femininum Maskulinum - tālib-atun tālib-un - wālid-atun wālid-un - student-F student-M - parent-F parent-M - Studentin Student - Mutter Vater Tabelle 3: Genus Arabisch Singular (Abu-Chacra 2007, S.-46) 314 Antonia Gösweiner <?page no="315"?> Das Konzept Genus ist Personen mit der Erstsprache Arabisch bekannt, jedoch ist die Art und Weise der Markierung eine deutlich andere als zur deutschen Sprache. Im Arabischen wird das Genus durch Suffixe markiert. Außerdem gibt es im Arabischen kein Neutrum. Das Genus von Nomen kann sich zudem stark zwischen den zwei Sprachen unterscheiden (vgl. ebd.): Ist ein Nomen im Deutschen maskulin, so gibt es keine Garantie, dass dies im Arabischen vergleichbar oder ident ist. Handelt es sich um eine Übereinstimmung des grammatischen Genus mit dem biologischen Geschlecht, wie das bei den Wör‐ tern „Mutter, Vater, Studentin etc.“ der Fall ist, so sind Übertragungen korrekt und angebracht, jedoch bei einem Großteil weiterer Nomen nicht. Interferenzen (Übertragungsfehler) sind daher vor allem bei der Markierung des Genus zu erwarten. Hinzu kommt, dass es im Deutschen wenig zufriedenstellende Regeln und Anhaltspunkte gibt, die eine korrekte Genuszuweisung garantieren können. Lernende greifen daher auf die eigene Erstsprache zurück, wenn sie eine Entscheidung zur Kategorisierung der Nomen im Deutschen treffen müssen (vgl. Krifka et al. 2014, S.-212). Numerus Im Gegensatz zum Deutschen kennt das arabische Grammatiksystem drei Arten von Numerus: den Singular, den Dual und den Plural. Das Verständnis des Konzepts von Singular und Plural ist daher im Regelfall kein Problem für Lernende mit der Erstsprache Arabisch. Die Singularformen sind, wie im Deutschen, die unmarkierten und neutralen Formen der Nomen und werden für einzelne Objekte, Konzepte, Personen etc. verwendet. Die Singularformen und Suffixe sind für maskuline und feminine Nomen ident. Die Nominativendung im Singular lautet -un, im Genitiv -in und im Akkusativ -an (vgl. Abu-Chacra 2007, S. 31). Der Dual wird im Arabischen verwendet, wenn das Konzept „genau zwei“ ausgedrückt werden soll. Beim Dual im Arabischen werden zwei unterschiedliche Arten von Markern unterschieden: Im Regelfall wird der Dual im Nominativ durch das Suffix -āni ausgedrückt und im Genitiv und im Akkusativ durch das Suffix -ayni markiert. Die Suffixe des Duals sind für maskuline und feminine Nomen ident (vgl. ebd., S. 70). Bei den Pluralmarkierungen hingegen hat das Genus der Nomen eine tragende Rolle und die Marker unterscheiden sich je nach grammatischem Geschlecht. Der regelmäßige Plural für feminine Nomen wird mit dem Suffix -ātun im Nominativ und mit dem Suffix -ātin im Genitiv und im Akkusativ ausgedrückt (vgl. ebd., S. 73). Der regelmäßige Plural für maskuline Nomen wird mit dem Suffix -ūna im Nominativ und mit dem Suffix -īna im Genitiv und Akkusativ markiert (vgl. ebd., S.-72). Erstsprachspezifische Grammatikvermittlung im DaF-Unterricht 315 <?page no="316"?> Singular Dual Plural Femininum - bint-un bint-āni ban-ātun girl-NOM.SG girl-NOM.DL girl-NOM.PL.F ein Mädchen zwei Mädchen viele Mädchen Masku‐ linum - muʿallam-un muʿallam-āni muʿallam-ūna teacher-NOM.SG teacher-NOM.DL teacher-NOM.PL.M ein Lehrer zwei Lehrer viele Lehrer Tabelle 4: Numerus Nominativ Arabisch (vgl. Glosbe 2023) Der offensichtlichste Unterschied zwischen den zwei Sprachsystemen ist, dass es im Arabischen eine eigene Markierung für genau zwei Einheiten gibt, den Dual. Diese Art von Numerus kann man am ehesten mit der deutschen Konstruktion „ein Paar“ vergleichen (ein Paar Schuhe, ein Paar Socken etc.), wobei im Arabischen der Dual für jegliche Art von Paaren verwendet wird und nicht auf bestimmte Nomen, wie im Deutschen, beschränkt ist. Außerdem wird im Arabischen zwischen den Zahlen elf bis 99 der Singular verwendet. Daher würde man im Arabischen sagen „30 Bub werden vermisst“ und nicht „30 Buben werden vermisst“ (vgl. Abu-Chacra 2007, S.-261). Casus Das Arabische verwendet für die Casusmarkierung ein Nominativ-Akkusativ- System; es weist jedoch keinen Dativ auf. Für direkte und indirekte Objekte wird der Akkusativ verwendet, jedoch gibt es keine eigenständige Markierung für den Dativ. Die drei Fälle des Arabischen sind daher der Nominativ, der Genitiv und der Akkusativ (vgl. Balcik 2012, S. 24). Da der Dativ im Arabischen nicht mit einem eigenen Marker gekennzeichnet wird, fällt Personen mit Arabisch als Erstsprache die Unterscheidung des Dativs und des Akkusativs und deren Anwendungsbereiche im Deutschen sehr schwer (vgl. Krifka et al. 2014, S. 152). Als DaF-Lehrkraft kann daher nicht davon ausgegangen werden, dass die Lernenden den Dativ und den Akkusativ ohne genauere Erklärung korrekt anwenden bzw. unterscheiden können. Die typische Wen-Wem-Unterscheidung und die dazugehörige Erklärung, welche für Personen mit der Erstsprache Deutsch angewendet wird und teilweise gut funktioniert, können Deutschler‐ nende mit der Erstsprache Arabisch nicht verstehen. Im Unterricht müssen klare Regeln und Beispiele für die Verwendung von Dativ und Akkusativ bereitgestellt 316 Antonia Gösweiner <?page no="317"?> werden, damit diese Konzepte korrekt verstanden und angewendet werden können (vgl. ebd.). Im Arabischen wird der Casus durch ein Suffix am Nomen markiert und nicht, wie im Deutschen, durch einen Artikel vor dem Nomen. Das Arabische unterscheidet die Genera Maskulinum und Femininum; dieser Unterschied spielt in der Casusmarkierung jedoch keine Rolle. Die Casussuffixe sind für maskuline und feminine Nomen ident. Für definite Nomen wird im Arabischen das Suffix -u für den Nominativ, das Suffix -i für den Genitiv und das Suffix -a für den Akkusativ verwendet und an die Nomen angehängt. Für indefinite Nomen verändert sich die Markierung. Bei indefiniten Nomen wird das Suffix -un im Nominativ, das Suffix -in für den Genitiv und das Suffix -an für den Akkusativ verwendet (vgl. Balcik 2012, S.-25). Folgende Tabelle zeigt die Casusmarkierungen für den Nominativ, Genitiv und Akkusativ im Arabischen mit den jeweiligen Casussuffixen und der defi‐ niten bzw. indefiniten Markierung des Nomens. - Nominativ Genitiv Akkusativ definit ar-rağul-u ar-rağul-i ar-rağul-a - DEF-man-NOM DEF-man-GEN DEF-man-AKK - der Mann des Mannes den Mann indefinit rağul-un rağul-in rağul-an - man-NOM man-GEN man-AKK - ein Mann eines Mannes einen Mann Tabelle 5: (In)definite Casusmarkierung Singular Arabisch (vgl. Glosbe 2023) (Abu- Chacra 2007, S.-18) Die Markierung wie auch die Anwendung der Casusformen unterscheiden sich zwischen dem Deutschen und dem Arabischen. Im Arabischen steht der Agens eines Satzes oder einer Aussage im Nominativ und ist häufig vergleichbar mit der Verwendung im Deutschen (vgl. Abu-Chacra 2007, S. 31). Der Genitiv wird im Arabischen, ähnlich wie im Deutschen, für Besitz verwendet. Jedoch verlangen manche Präpositionen im Arabischen den Genitiv, welche im Deut‐ schen mit einem anderen Casus kombiniert werden müssen. Die folgenden Präpositionen verlangen u.-a. im Arabischen den Genitiv (vgl. ebd., S.-53). Erstsprachspezifische Grammatikvermittlung im DaF-Unterricht 317 <?page no="318"?> min ʾilā ʿan fī maʿa hattā mundu li bi von bis, zu über in, bei mit bis, zu seit für mit, in Tabelle 6: Präpositionen Genitiv Arabisch (Abu-Chacra 2007, S.-53) Der Akkusativ wird auch im Arabischen für direkte Objekte verwendet. Im Arabischen gibt es für das deutsche Wort „haben“ kein identes Verb, jedoch gibt es Konstruktionen, welche einen Besitz ausdrücken können. Diese Konstruk‐ tionen verwenden nicht automatisch einen Akkusativ nach dem Verb „haben“, wie es im Deutschen der Fall ist (vgl. ebd., S. 56). Außerdem gibt es wiederum bestimmte Präpositionen, welche im Arabischen den Akkusativ verlangen. Im Folgenden sind die häufigsten Präpositionen aufgezählt, die im Deutschen den Dativ verlangen würden: ʿamāma bayna tahta fawqa warāʾa vor (räumlich) zwischen unter über hinter Tabelle 7: Präpositionen Akkusativ Arabisch (Abu-Chacra 2007, S.-55) Weiters gibt es noch viele andere bestimmte Verwendungsformen des Akku‐ sativs im Arabischen, welche den Rahmen dieser Arbeit sprengen und auch beim Erlernen von Deutsch nicht zwingend zu Problemen führen würden, da diese Konstruktionen im Deutschen völlig anders aufgebaut und daher nicht vergleichbar sind. (In)definitheit Das Arabische unterscheidet sich von der deutschen (In)definitheitsmarkierung in mehreren grundlegenden Aspekten. Das Deutsche hat einen bestimmten, definiten Artikel und einen unbestimmten, indefiniten Artikel. Das Arabische hingegen hat einen definiten Artikel, jedoch keinen indefiniten Artikel zur Verfügung, um diese Art der Bestimmtheit auszudrücken. Die indefinite Mar‐ kierung eines Nomens ist die zugrunde liegende Form im Arabischen, während im Deutschen das Nomen ohne jeglichen Artikel die neutrale Form wäre, welche so im Arabischen nicht vorhanden ist (vgl. Abu-Chacra 2007, S.-31). Ein weiterer Unterschied zum Deutschen ist, dass der definite Artikel im Arabischen durch ein Präfix, das Präfix al-, am Nomen selbst ausgedrückt wird und nicht separat oder eigenständig stehen kann, wie dies im Deutschen bei den Artikeln der Fall ist. Dieser Definitheitsmarker alwird sowohl für maskuline als 318 Antonia Gösweiner <?page no="319"?> auch für feminine Nomen verwendet und nicht an Casus oder Genus angepasst. Zusätzlich zur Markierung alverliert ein Wort den letzten Laut am Ende des Wortes, wenn ein Nomen definit ausgedrückt wird. Das bedeutet, wenn das arabische Wort für Haus „baytun“ (i.e. ein Haus) definit markiert wird, wird das Präfix alvorangestellt und das Wort verliert den Laut / n/ am Ende des Wortes und wird somit zu „albaytu“ (i.e. das Haus) (vgl. ebd.). - Nominativ Genitiv Akkusativ Inde‐ finit - bayt-un bayt-in bayt-an house-NOM.SG house-GEN.SG house-AKK.SG ein Haus eines Hauses ein Haus Definit - al-bayt-u al-bayt-i al-bayt-a DEF-house-NOM.SG DEF-house-GEN.SG DEF-house-AKK.SG das Haus des Hauses das Haus Tabelle 8: (In)definitheit Arabisch (Abu-Chacra 2007, S.-31) Der definite Artikel kann und wird im Arabischen häufiger gebraucht als im Deutschen. Der Grund dafür ist, dass der definite Artikel im Arabischen auch oft für generische Ausdrücke verwendet werden kann (vgl. ebd., S. 32). Dieser Unterschied könnte bei Personen mit der Erstsprache Arabisch zu einer Überverwendung der Artikel im Deutschen führen. Der folgende Satz wäre im Arabischen korrekt, im Deutschen würde man jedoch den definiten Artikel im Plural bei allgemeinen Aussagen über die Welt weglassen. al-kilābu hayawān-ātun. DEF-dogs animal-PL ? die Hunde sind Tiere. Hunde sind Tiere. Tabelle 9: Generische Ausdrücke Arabisch (Abu-Chacra 2007, S.-32) Tempora Zwischen arabischen und deutschen Verben gibt es sehr grundlegende Unter‐ schiede. Das Arabische kennt beispielsweise keinen Infinitiv. Als sogenannte Basisform wird die 3. Person Singular maskulin Perfekt angegeben und es Erstsprachspezifische Grammatikvermittlung im DaF-Unterricht 319 <?page no="320"?> gibt daher keine Form, welche neutral und nicht für eine bestimmte Person markiert ist (vgl. Balcik 2012, S. 41). Weiters markiert das Arabische bei ge‐ nauer Betrachtung keine Tempora im eigentlichen Sinne, sondern Aspekte. Ob eine Handlung jetzt gerade ausgeführt wird oder bereits in der Vergangenheit ausgeführt worden ist, wird daher nicht markiert (vgl. Abu-Chacra 2007, S. 78). Das arabische System markiert jedoch, ob eine Handlung abgeschlossen (per‐ fektiv) oder nicht abgeschlossen (imperfektiv) ist. Diese Markierungen finden am Verb als Affixe statt und werden vermeintlich als Tempora analysiert (vgl. ebd., S.-43). Verben werden - im Arabischen sowie im Deutschen - nach Numerus und Person konjugiert. Die Bildung der Verbformen im Arabischen ist sehr komplex und basiert auf einem sogenannten Wurzelsystem, welches mit dem deutschen System kaum vergleichbar ist. Das deutsche System ist im Präsens tatsächlich unkomplizierter und einfacher zu erlernen (vgl. ebd., S.-79) (Tabelle 11 veranschaulicht die Verbformbildung im Arabischen.). Ein wichtiger Unter‐ schied dabei ist, dass bei den arabischen Personalpronomen und Verbformen, vergleichbar mit den Nomen, zwischen Singular, Dual und Plural unterschieden wird. Es gibt daher eine eigene Verbform für „ich“, eine Form für „wir zwei/ wir beide“ und eine Form für „wir“ (= mehr als zwei Personen). Dasselbe gilt für die zweite und die dritte Person Singular und Plural (vgl. ebd., S. 87). Die Personalpronomen müssen - anders als im Deutschen - jedoch nicht immer zusätzlich zur Verbform verwendet werden, da die Verbendung bereits Genus und Numerus enthält (vgl. ebd., S. 79). Dieses Phänomen lässt sich auch in vielen romanischen Sprachen beobachten und ist daher Lehrenden bereits bekannt. Für die Grammatikvermittlung ist es von Bedeutung, dass Lehrende speziell auf die Konstruktion eingehen und betonen, dass im Deutschen das Personalpronomen obligatorisch ist, und nicht davon ausgehen, dass dies in allen Sprachen gleichermaßen vorzufinden ist. - 1. Person 2. Person (f.) 2. Person (m.) 3. Person (f.) 3. Person (m.) Singular anā anti anta hiya huwa Dual nahnu antumā antumā humā humā Plural nahnu antunna antum hunna hum Tabelle 10: Personalpronomen Arabisch (Abu-Chacra 2007, S.-87) Eine weitere Unterscheidung zur deutschen Grammatik ist, dass die Personal‐ pronomen, mit Ausnahme der ersten Person, alle und somit auch die Verbformen 320 Antonia Gösweiner <?page no="321"?> nach Genus differenziert werden. Im Deutschen wird nur die dritte Person Singular (i.e. „er“, „sie“, „es“) nach Genus unterschieden. Im Arabischen werden alle Personen, bis auf die erste Person Singular und Plural, nach Genus variiert (vgl. ebd., S. 87). Die deutsche, höfliche Form der Anrede „Sie“ ist im Arabischen nicht vorhanden, wird jedoch durch alternative Anredeformen ersetzt (vgl. Krifka et al. 2014, S.-150). - 1. Person 2. Person (f.) 2. Person (m.) 3. Person (f.) 3. Person (m.) Sin‐ gular ak-tubu tak-tub-īna tak-tubu tak-tubu yak-tubu - ich schreibe du schreibst du schreibst sie schreibt er schreibt Dual nak-tubu tak-tub-āni tak-tub-āni tak-tub-āni yak-tub-āni - wir zwei schreiben ihr zwei schreibt ihr zwei schreibt sie zwei schreiben sie zwei schreiben Plural nak-tubu tak-tubn-a tak-tub-ūna yak-tubn-a yak-tub-ūna - wir schreiben ihr schreibt ihr schreibt sie schreiben sie schreiben Tabelle 11: Verbformen imperfektiv Arabisch (Balcik 2012, S.-43) Syntax Im Arabischen gibt es zwei verschiedene Arten von Sätzen. Zum einen gibt es Nominalsätze, zum anderen Verbalsätze. Die Bildung jeder dieser zwei Satzarten unterscheidet sich im Arabischen deutlich voneinander sowie generell vom deutschen System (vgl. Balcik 2012, S.-34). Ein Nominalsatz besteht aus einem Subjekt und einem weiteren Argument. Das Subjekt besteht entweder aus einem Nomen, einem Demonstrativpronomen oder einem Personalpronomen. Das weitere Argument kann aus den verschie‐ densten Wortarten (Nomen, Adjektiv etc.) bestehen, jedoch darf das Argument kein Verb sein. Ein arabischer Nominalsatz wird nämlich typischerweise ohne das Kopulaverb „sein“ gebildet, da es dies in derselben Form wie im Deutschen nicht gibt (vgl. Abu-Chacra 2007, S. 32). Da im Deutschen jeder vollständige Satz ein Verb beinhalten muss, ist dieser Unterschied zum Arabischen ein sehr wichtiger Aspekt für DaF-Lehrpersonen bei der Grammatikvermittlung. Die Verwendung der deutschen Kopula-Konstruktion mit dem Verb „sein“ muss den Lernenden daher bewusst gemacht werden, bevor sie beginnen, Sätze eigenständig zu bilden. Erstsprachspezifische Grammatikvermittlung im DaF-Unterricht 321 <?page no="322"?> (a) al-qittū marīdun (b) anā tālibun (c) al-waladu hunāka - DEF-cat ill - 1SG student - DEF-boy there - wörtlich: Die Katze krank. - wörtlich: Ich Stu‐ dent. - wörtlich: Der Bub hier. - Die Katze ist krank. - Ich bin Student. - Der Bub ist hier. Tabelle 12: Nominalsätze Arabisch (Abu-Chacra 2007, S.-32) Ein arabischer Verbalsatz beinhaltet hingegen ein Verb als Prädikat. Dabei steht bei neutraler Satzstellung, ohne Betonung auf ein bestimmtes Satzglied, das Verb an erster Stelle im Satz, unmittelbar danach steht das Subjekt und an letzter Stelle das Objekt. Wenn das Subjekt betont werden soll, kann dieses an erster Stelle platziert werden. Wie im Deutschen gilt bei Verbalsätzen im Arabischen, dass das Subjekt in einem aktiven Satz im Nominativ steht und das (direkte) Objekt mit dem Akkusativ markiert wird (vgl. ebd., S.-33). Wenn das Subjekt oder Objekt ein Personalpronomen ist, gibt es im Arabi‐ schen die Möglichkeit, dieses wegzulassen. Das ist insofern realisierbar, als das Verb obligatorisch für Genus, Numerus und Person markiert wird. Ein arabi‐ scher Verbalsatz kann daher aus nur einem Verb bestehen und als vollständiger, grammatikalisch korrekter Satz gelten (vgl. ebd.). (a) ‘akala kalb-un hubz-an (b) arağa tālib-un (c) nimta - eat.PRF dog- NOM bread- AKK - go out.PRF student- NOM - sleep.2SG.M.PRF - Verb Subjekt Objekt - Verb Subjekt - Verb - Der Hund aß das Brot. - Ein Student ging aus. - Du hast ge‐ schlafen. Tabelle 13: Verbalsätze Arabisch (Abu-Chacra 2007, S.-33, Balcik 2012, S.-68) Bei Interrogativsätzen gibt es im Arabischen keine Veränderung der Wortstel‐ lung. Das Verb steht daher meist am Beginn des Satzes, auch wenn die Frage ein Fragewort oder einen Fragepartikel enthält (vgl. Abu-Chacra 2007, S.-169). 322 Antonia Gösweiner <?page no="323"?> (a) hal ‘anta tājir-un (b) hal nimta - QUEST 2.SG.M merchant-NOM - QUEST sleep.2SG.M.PRF - Bist du ein Händler? - Hast du geschlafen? Tabelle 14: Interrogativsatz Arabisch (Abu-Chacra 2007, S.-169) Persisch Sprachfamilie Sprachtypologie Schrift Genera indogermanische Sprachfamilie flektierende Sprache arabisches Alphabet (+ Zusatzzeichen) - Numerus Singular-Plural Casusformen Nominativ, Akkusativ (In)definitheit indefiniter Artikel (yek) und indefinites Suffix (-i) Infinitiv -an Syntax Deklarativsatz: Subjekt-Objekt-Verb Interrogativsatz: Subjekt-Objekt-Verb Genus Im persischen Sprachsystem gibt es kein Genus. Weder einen Artikel, welcher das grammatische Geschlecht anzeigt, noch Affixe, welche ein bestimmtes Genus anzeigen würden. Es existieren jedoch einige Wörter, die aufgrund des biologischen Geschlechts ausschließlich für maskuline Personen/ Tiere be‐ ziehungsweise ausschließlich für feminine Personen/ Tiere verwendet werden. Dieses Phänomen gibt es auch in der deutschen Sprache, z. B. das Wort „Hengst“ vs. „Stute“ oder „Sohn“ vs. „Tochter“. Eine reine grammatische Markierung oder Unterscheidung von Genus tritt jedoch im Persischen nicht auf (vgl. Yousef/ Torabi 2018, S. 25). Auch bei den Personalpronomen wird nicht zwischen „er“, „sie“ oder „es“ unterschieden (vgl. ebd., S.-55). Numerus Im Persischen unterscheidet man zwischen Singular und Plural. Das Persische markiert keinen Dual. Es gibt im Persischen mehrere verschiedene Pluralendungen. Die zwei häufigsten Pluralsuffixe sind -hā und -ān. Zusätzlich findet man auch noch arabische Pluralendungen im persischen System (vgl. ebd., S.-26 und 30). Erstsprachspezifische Grammatikvermittlung im DaF-Unterricht 323 <?page no="324"?> Das Suffix -hā kann generell für alle Nomen verwendet werden (vgl. ebd., S. 26). Das Pluralsuffix, welches vor allem in der Schriftsprache und daher seltener vorkommt, ist das Suffix -ān. Dieses Pluralsuffix hat bestimmte Restrik‐ tionen und kann unter anderem nur für belebte Personen/ Objekte und für in Paaren auftretende Objekte (beispielsweise Lippen, Hände, Augenbrauen etc.) angewendet werden (vgl. ebd., S.-27). Folgendes Beispiel zeigt die Pluralformen für „Mann“ mit den zwei unter‐ schiedlichen Möglichkeiten des Persischen: (a) Singular Plural (-hā ) (b) Singular Plural (-ān) - mard mard-hā - mard mard-ān - man-SG man-PL - man-SG man-PL - der Mann die Männer - der Mann die Männer Tabelle 15: Numerus Persisch Suffix -hā, -ān (Yousef/ Torabi 2020, S.-20 und 27) Aufgrund des komplexen Systems ist es für DaF-Lernende sehr schwierig, die korrekten Pluralendungen im Deutschen zu erlernen. Ein Unterschied zwischen dem Persischen und dem Deutschen liegt darin, dass es im Deutschen keine Unterscheidung zwischen belebten und unbelebten Objekten gibt, was im Persischen nicht nur bei der Pluralendung von Bedeutung ist (vgl. ebd., S.-27). Zusätzlich lassen sich zwei weitere, große Unterschiede bei der Verwendung des Plurals im Persischen im Vergleich zum Deutschen feststellen. Erstens wird im Persischen nach Zahlwörtern immer der Singular verwendet. Daher würde man sagen „Ich habe drei Kind.“ und nicht „Ich habe drei Kinder.“ (vgl. ebd., S. 123). Zweitens wird der Plural nicht für allgemeine Aussagen verwendet, wie das im Deutschen der Fall ist. Im Deutschen würde man für die allgemeine Aussage „Hunde trinken Wasser“ den Plural verwenden, im Persischen würde man jedoch den Singular verwenden: „Hund trinken Wasser“ (vgl. ebd., S.-34). Casus Das Casussystem des Persischen zeigt Züge eines Nominativ-Akkusativ-Sys‐ tems, jedoch unterscheidet es sich stark vom deutschen System. Die Casus‐ formen werden nämlich nicht durch Endungen am Nomen ausgedrückt oder etwa durch Artikel, sondern durch Präpositionen und Postpositionen oder durch bestimmte Konstruktionen, welche Besitz, Zusammengehörigkeit etc. ausdrücken (vgl. ebd., S.-358). 324 Antonia Gösweiner <?page no="325"?> Der Nominativ im Persischen ist in allen Fällen unmarkiert. Zusätzlich gibt es eine spezielle Konstruktion (Ezāfe-Konstruktion), welche jedoch in sehr vielen verschiedenen Kontexten verwendet werden kann und nicht nur als Genitivmarker zu interpretieren ist. Mit dieser Konstruktion sind Aussagen wie „Das Buch des Mannes“ möglich, welche mit einem Genitiv im Deutschen übersetzt werden können (vgl. ebd., S. 48). Der Dativ im Persischen wird durch Präpositionen nach dem Nomen indiziert, es gibt aber wiederum keine eindeutige Dativmarkierung am Nomen (vgl. ebd., S. 360). Zuletzt kann eine Art Akkusativ ausgedrückt werden, wenn das direkte Objekt eines Satzes definit ist (siehe (In)definitheit) (vgl. ebd., S. 80). Das persische System ist nur schwer mit dem deutschen Casussystem vergleichbar, da es zahlreiche und deutliche Unterschiede in der Markierung gibt. (In)definitheit Ein persisches Nomen in seiner „absolutiven Form“ (i.e. unmarkiert) kann als definit oder indefinit interpretiert werden. Der Kontext gibt häufig Hinweise, ob die Nominalphrase als definit oder indefinit zu verstehen ist. Losgelöst vom Kontext sind jedoch beide Interpretationen (indefinit oder definit) möglich (vgl. Yousef/ Torabi 2020, S. 66). Es gibt eine Tendenz, generische Aussagen ohne spezifischen Marker und ein Nomen, welches mit einem Adjektiv modifiziert ist, als eher definit zu interpretieren (vgl. ebd., S.-68). Wenn ein Nomen mit dem Suffix -i markiert wird, ist dieses Nomen eindeutig indefinit zu verstehen. Indefinitheit kann ebenso mit dem Zahlwort yek (= eins) vor dem Nomen ausgedrückt werden. Ein Nomen kann auch eine doppelte Indefinitheitsmarkierung tragen und somit können sowohl das Suffix -i als auch das Zahlwort yek in Kombination am selben Nomen vorkommen (vgl. ebd.). Zusätzlich zu der indefiniten Markierung besitzt das Persische die Möglich‐ keit, direkte Objekte definit zu markieren. Der direkte definite Objektmarker (DDO) rā steht selbstständig hinter dem Nomen und drückt somit die Definitheit des Objekts aus. Der Marker kann nur direkte Objekte definit markieren, nicht jedoch Subjekte oder indirekte Objekte (vgl. ebd., S.-80). Absolute Form Indefinite Form (yek) Indefinite Form (-i) Definite Form (rā) ketāb yek ketāb ketāb-i ketāb rā book INDEF book book-INDEF book DDO das/ ein Buch ein Buch ein Buch das Buch Tabelle 16: (In)definitheit Persisch (Yousef/ Torabi 2020, S.-69) Erstsprachspezifische Grammatikvermittlung im DaF-Unterricht 325 <?page no="326"?> Tempora Es gibt zwei unterschiedliche Verbstämme im Persischen: einen für Gegenwär‐ tiges und einen für Vergangenes. Für die Konjugation des Verbs werden Prä- und Suffixe verwendet. Die Pronominalsuffixe bleiben dabei im Präsens und in der Vergangenheit, bis auf die dritte Person Singular, ident. Der Infinitiv im Persischen endet auf -an, und da das Persische kein Genus aufweist, gibt es jeweils nur ein Personalpronomen - auch in der dritten Person Singular. Bei den Verbformen wird zwischen Singular und Plural unterschieden, je nach Numerus des Subjekts (vgl. ebd., S.-130). Im Vergleich zum Deutschen gibt es somit nur einen wichtigen Unterschied: Die Endungen der Verben im Persischen verändern sich nicht, sondern der Stamm des jeweiligen Verbs verändert sich je nach Tempus (vgl. ebd.). Das Verständnis über die Bildung der regelmäßigen deutschen Verbformen sollte Personen mit der Erstsprache Persisch daher keine großen Schwierigkeiten bereiten. - 1. Person 2. Person 3. Person Singular man to u/ ān Plural mā shomā ishān/ ānhā Tabelle 17: Personalpronomen Persisch (Yousef/ Torabi 2020, S.-130) Ein potentieller Übertragungsfehler vom Persischen ins Deutsche könnte bei der höflichen Anrede „Sie“ entstehen. Im Unterschied zum Deutschen wird im Persi‐ schen nämlich nicht die dritte Person Plural verwendet, um Personen respektvoll anzusprechen, sondern die zweite Person Plural („ihr“) (vgl. Yousef/ Torabi 2018, S.-62). - 1. Person 2. Person 3. Person Singular mi-dān-am mi-dān-i mi-dān-ad - ich weiß du weißt sie/ er/ es weiß Plural mi-dān-im mi-dān-id mi-dān-and - wir wissen ihr wisst sie wissen Tabelle 18: Verbformen Präsens Persisch (vgl. Yousef/ Torabi 2018, S.-225) 326 Antonia Gösweiner <?page no="327"?> Syntax Am Beginn eines persischen Deklarativsatzes steht im Normalfall das Subjekt, gefolgt vom Objekt und am Ende des Satzes steht das konjugierte Verb. Diese Subjekt-Objekt-Verb-Stellung ist die unmarkierte Form im Persischen. Anders als im Deutschen steht daher das Verb an letzter Stelle im Satz. Da in der deutschen Satzstellung das Verb und die Stellung des Verbs eine große Rolle spielen, ist es vor allem am Beginn des Lernprozesses und in den niedrigeren Niveaustufen wichtig, als Lehrperson auf diesen Unterschied aufmerksam zu machen und gegebenenfalls hervorzuheben, dass sich die Syntax im Persischen von der jeweiligen Erstsprache der Lernenden unterscheidet. Die Satzstellung im Persischen kann jedoch - vor allem in der Umgangssprache - variieren und je nach Kontext verändert werden (ähnlich wie im Deutschen). Dadurch, dass das Verb im Persischen nach Person und Numerus konjugiert wird, kann ein persischer Satz aus nur einem Verb bestehen und einen grammatikalisch vollständigen und korrekten Satz darstellen (vgl. ebd., S.-265). (a) Parvin be madrese miravad (b) shenidi? - Parvin to school go.3SG.PRES - hear.2SG.PAST - Subjekt Objekt Verb - Verb - Parvin geht in die Schule. - Hast du das gehört? Tabelle 19: Satzstellung Persisch (Yousef/ Torabi 2018, S.-227 und 265) Die Satzstellung in Interrogativsätzen bleibt im Persischen dieselbe wie in Deklarativsätzen. Das Subjekt befindet sich an erster Stelle, das Objekt an zweiter und das Verb am Ende des Satzes. Wiederum könnte hier ein möglicher Übertragungsfehler aus der Erstsprache entstehen, da in deutschen Interroga‐ tivsätzen das Verb an die erste Stelle gesetzt werden muss. Häufig ist dies für Lernende beim Sprechen eine Herausforderung, wenn sich die Satzstellung in der Erstsprache und der Zielsprache unterscheidet. Auch bei Interrogativsätzen kann im Persischen ein vollständiger Satz aus ausschließlich einem Verb be‐ stehen (siehe Tabelle 19/ b). Dies ist wiederum ein bedeutender Unterschied zum deutschen System (vgl. ebd., S.-267). Erstsprachspezifische Grammatikvermittlung im DaF-Unterricht 327 <?page no="328"?> Türkisch Sprachfamilie Sprachtypologie Schrift Genera altaische Sprachfamilie agglutinierende Sprache lateinisches Alphabet (+ Zusatzzeichen) - Numerus Singular-Plural Casusformen Nominativ, Genitiv, Dativ, Akkusativ, Lokativ, Ablativ (In)definitheit indefiniter Artikel (bir) Infinitiv -mek, -mak Syntax Deklarativsatz: Subjekt-Objekt-Verb Interrogativsatz: Subjekt-Objekt-Verb (+ Fragepartikel) - Genus Im Türkischen gibt es keine Genusunterscheidung. Nomen werden daher nicht unterteilt in maskulin, feminin oder neutral. Es gibt Wörter, die ein biologisches Geschlecht tragen und somit nur für bestimmte Personen („Sohn“ - „Tochter“) oder auch Tiere („Hengst“ - „Stute“) verwendet werden, jedoch existiert kein grammatisches Geschlecht (vgl. Karakurt 2006, S.-3). Numerus Im Türkischen wird das Suffix -lar bzw. -ler verwendet, um die Pluralformen auszudrücken. Das Türkische kennt keinen Dual, sondern unterscheidet ledig‐ lich zwischen Singular und Plural. Das Pluralsuffix -lar bzw. -ler (abhängig vom jeweiligen Wort) wird an die Singularform des Nomens angehängt (vgl. Göksel/ Kerslake 2005, S.-65). - Singular Plural - Singular Plural (a) çocuk çocuk-lar (b) köpek köpek-ler - child.SG child-PL - dog.SG dog-PL - das Kind die Kinder - der Hund die Hunde Tabelle 20: Numerus Türkisch (Göksel/ Kerslake 2005, S.-65) 328 Antonia Gösweiner <?page no="329"?> Ein bedeutender Unterschied bei der Verwendung des Plurals im Türkischen liegt im Vergleich zum Deutschen darin, dass die Pluralmarkierung nicht gesetzt wird, wenn bereits eine Zahl verwendet wird, um die Pluralität auszudrücken. Beispielsweise würde man im Deutschen „fünf Hunde“ und nicht „fünf Hund“ sagen. Doch genau das ist im Türkischen der Fall: Nach Zahlwörtern wird die Singularform verwendet (vgl. ebd., S.-148). Casus Das Türkische weist insgesamt sechs verschiedene Casusformen auf. Das türkische System kennt alle Fälle, welche auch im Deutschen vorzufinden sind (Nominativ, Genitiv, Dativ, Akkusativ), jedoch gibt es eine zusätzliche Casusmarkierung für den Lokativ und den Ablativ (vgl. Karakurt 2006, S. 8). Im Vergleich zum Deutschen ist der Nominativ dabei die Grundform des Nomens und der Genitiv wird verwendet, um Besitz auszudrücken. Der Dativ steht bei indirekten Objekten, welche die Richtung und den Ort eines Ziels anzeigen. Der Akkusativ findet, wie im Deutschen, für direkte Objekte seine Verwendung. Der Lokativ wird benutzt, um Ortsangaben zu machen, und der Ablativ, um Richtungen von einem bestimmten Ort ausgehend anzugeben (vgl. Krifka et al. 2014, S.-124). Nominativ Genitiv Dativ Akkusativ Lokativ Ablativ okul okul-un okul-a okul-u okul-da okul-dan school school-GEN school-DAT school-AKK school-LOK school-ABL die Schule der Schule der Schule die Schule in der Schule von der Schule weg Tabelle 21: Casus Singular Türkisch (Karakurt 2006, S.-8) Die Casusmarkierung erfolgt im Türkischen durch Suffixe. Grundsätzlich lässt sich feststellen, dass das Türkische eine agglutinierende Sprache ist und somit viele grammatische Phänomene durch Affixe ausgedrückt werden, wodurch sehr komplexe Wörter entstehen können. Im Unterschied zum Deutschen gibt es lange Wörter, bei denen Affixe mit bestimmten Bedeutungen zum Wortstamm hinzugefügt werden. Für bestimmte Konstruktionen, Phrasen und Sätze sind im Deutschen daher mehrere Wörter nötig, welche im Türkischen durch ein einziges Wort ausgedrückt werden können (vgl. ebd.). Möchte man die Phrase „in meinen Büchern“ im Türkischen ausdrücken, so wäre diese Phrase das hochkomplexe Wort „kitap-lar-im-da“. Die Verwendung der deutschen Artikel Erstsprachspezifische Grammatikvermittlung im DaF-Unterricht 329 <?page no="330"?> und die Übereinstimmung können daher zu Beginn des Deutschlernens zu Problemen führen, da in agglutinierenden Sprachen ein Affix eine bestimmte Bedeutung trägt und nicht, wie in flektierenden Sprachen, mehrere Bedeu‐ tungen tragen kann (vgl. ebd., S.-123 ff.). (In)definitheit Ähnlich wie im Deutschen gibt es im Türkischen (mit eingeschränkter Verwen‐ dung) einen indefiniten Artikel, man findet jedoch keinen definiten Artikel vor. Der indefinite Artikel wird mit dem Zahlwort bir (= eins) gebildet. Das reine Nomen ohne Markierung kann definit oder neutral verstanden werden (vgl. Göksel/ Kerslake 2005, S.-325). Neutrale Form Indefinite Form (bir) arkadaş bir arkadaş friend INDEF friend (der) Freund ein Freund Tabelle 22: (In)definitheit Türkisch (Göksel/ Kerslake 2005, S.-325) Tempora Im Türkischen unterscheidet man zwischen Gegenwärtigem, Vergangenem und Zukünftigem. Zudem werden Aspekt und Modus an den Verben markiert. Dabei wird eruiert, ob es sich um eine fiktive Aussage, ein Erlebnis, die Wahrheit etc. handelt. Die Verbendungen werden, vergleichbar mit dem Deutschen, als Suffixe an den Verbstamm angehängt (vgl. Krifka et al. 2014, S.-128.). - Singular Plural 1. Person ben biz 2. Person sen siz 3. Person o onlar Tabelle 23: Personalpronomen Türkisch (Göksel/ Kerslake 2005, S.-230) 330 Antonia Gösweiner <?page no="331"?> Singular Plural 1. Person geli-yorum geli-yoruz - ich komme wir kommen 2. Person geli-yorsun geli-yorsunuz - du kommst ihr kommt 3. Person geli-yor geli-yorlar - er/ sie/ es kommt sie kommen Tabelle 24: Verbformen Präsens Türkisch (Karakurt 2006, S.-8) Syntax Die Satzstellung im Türkischen ist in Deklarativ- und Interrogativsätzen ident: Das Subjekt steht an erster Stelle, gefolgt vom Objekt und an letzter Stelle steht das Verb (vgl. Karakurt 2006, S. 6). Bei Interrogativsätzen wird am Ende des Satzes ein Fragepartikel hinzugefügt, um diesen als solchen zu markieren. Der Fragepartikel im Türkischen lautet mu; die Intonation ist mit den entspre‐ chenden Deklarativsätzen ident (vgl. Krifka et al. 2014, S.-126). Ähnlich wie im Arabischen und Persischen kann im Türkischen ein vollstän‐ diger Satz aus nur einem Verb bestehen und eine sinnvolle Einheit bilden (vgl. ebd.). (a) Ayşe kitab okuyor (b) Ayşe kitab okuyor mu - Ayşe book read - Ayşe book read - - Sub‐ jekt Ob‐ jekt Verb - Sub‐ jekt Ob‐ jekt Verb Fragepartikel - Ayşe liest ein Buch. - Liest Ayşe ein Buch? Tabelle 25: Syntax Türkisch Deklarativ- und Interrogativsatz (Karakurt 2006, S.-6) Erstsprachspezifische Grammatikvermittlung im DaF-Unterricht 331 <?page no="332"?> Ukrainisch Sprachfamilie Sprachtypo‐ logie Schrift Genera indogermanische Sprachfamilie flektierende Sprache kyrillisches Alphabet feminin-maskulin-neutral Numerus Singular-Plural Casusformen Nominativ, Genitiv, Dativ, Akkusativ, Instrumental, Vokativ, Lokativ (In)definitheit Wortstellung (Subjekt 1. Stelle = definit; Subjekt letzte Stelle = indefinit) Infinitiv -ty Syntax Deklarativsatz: Verbzweitstellung - Genus Im Ukrainischen werden, wie im Deutschen, Nomen in maskulin, feminin und neutral untergliedert. Feminine Nomen enden dabei vorwiegend auf -a. Neutrale Nomen enden meist auf -o oder -e und maskuline Nomen enden im Regelfall auf einen Konsonanten (vgl. Bekh/ Dingley 2003, S. 17). Die Einteilung im Ukrainischen ist zwar deutlicher und einfacher erkennbar als bei deutschen Nomen, dennoch gibt es auch im Ukrainischen zu den genannten Regeln einige Ausnahmen und Sonderfälle. Personen mit der Erstsprache Ukrainisch ist das Prinzip des Genus bekannt und vor allem kennen sie alle drei Genera, welche auch im Deutschen vorkommen. Das Wissen um diese Unterteilung ist beim Erlernen der deutschen Sprache sowohl von Vorteil als auch von Nachteil. Obwohl Personen mit der Erstsprache Ukrainisch die Zuteilung zu Genera schneller verstehen, kommt es bei ihnen eher zu Übertragungsfehlern als bei Personen, die beispielsweise Persisch als L1 erlernt haben. Die deutschen und ukrainischen Genuszuweisungen unterscheiden sich nämlich häufig. „Das Bein“ ist im Deutschen neutral, im Ukrainischen jedoch feminin. Durch diese unterschiedlichen Zuweisungen kommt es öfters zu Übertragungsfehlern aus der Erstsprache, da auf die Erstsprache zurückgegriffen wird, wenn das Genus eines Wortes im Deutschen unbekannt ist (vgl. ebd., S.-18). Folgende Tabelle zeigt die Genuszuordnung im Ukrainischen und die jewei‐ ligen Endungen, welche im Ukrainischen das Genus bestimmen können. 332 Antonia Gösweiner <?page no="333"?> Femininum Maskulinum Neutrum noha stil vikno leg.F table.M window.N das Bein der Tisch das Fenster Tabelle 26: Genus Ukrainisch (vgl. Pugh/ Press 1999, S.-48 ff.) Numerus Das ukrainische System unterscheidet zwei Numeri: Singular und Plural. Der Plural wird im Ukrainischen durch ein Suffix am Nomen ausgedrückt und ist abhängig von Genus, Casus und der jeweiligen Singularendung. Neutrale Nomen enden im Plural entweder auf -a oder auf -я (ya). Maskuline und feminine Nomen können, je nach Singularendung, im Plural entweder auf -и (y), -i oder -ї (yi) enden (vgl. ebd., S.-28 f.). - Femininum Neutrum Maskulinum Singular noha Vikno stil - leg.SG window.SG table.SG - das Bein das Fenster der Tisch Plural nohy Vikna stoly - leg.PL window.PL table.PL - die Beine die Fenster die Tische Tabelle 27: Numerus Nominativ Ukrainisch (vgl. Bekh/ Dingley 2003, S.-29) Casus Das Ukrainische verwendet sieben unterschiedliche Casusformen (Nominativ, Genitiv, Dativ, Akkusativ, Instrumental, Lokativ und Vokativ), um Nomen zu de‐ klinieren. Jede Casusform ist abhängig von Genus, Numerus und (in bestimmten Fällen) von der Belebtheit des Objekts. Das bedeutet, belebte Nomen (z. B. Katze) und unbelebte Nomen (z. B. Tisch) können teilweise unterschiedliche Markierungen haben. Festzuhalten ist, dass Sprecher: innen mit Ukrainisch als Erstsprache das Prinzip des Casus kennen und diese Formen auch nach dem Genus variieren. Dies ist ein großer Vorteil Personen gegenüber, welche in der eigenen Erstsprache kein oder ein nur sehr eingeschränktes Casussystem haben. Erstsprachspezifische Grammatikvermittlung im DaF-Unterricht 333 <?page no="334"?> Die konkrete Anwendung der Casusformen im Ukrainischen unterscheidet sich jedoch stark vom Deutschen (vgl. Pugh/ Press 1999, S.-64 ff.). - NOM GEN DAT AKK INSTR LOK VOK Femi‐ ninum mašyn-a mašyn-y mašyn-i mašyn-u mašyn-oju mašyn-i mašyn-o - das/ ein Auto des/ eines Autos dem/ einem‐ Auto das/ ein Auto mit/ durch das Auto - - Masku‐ linum brat brat-a brat-u brat-a brat-om brat-ovi brat-e - der/ ein Bruder des/ eines Bruders dem/ einem Bruder den/ einen Bruder mit/ durch den Bruder - - Neu‐ trum sel-o sel-a sel-u sel-o sel-om sel-ovi sel-e - das/ ein Dorf des/ eines Dorfes dem/ einem Dorf das/ ein Dorf mit/ durch das Dorf - - Tabelle 28: Casus Singular Ukrainisch (vgl. Reuther/ Dubichynskyj 2011, S.-8 f.) (In)definitheit Das ukrainische Sprachsystem verwendet keine Artikel oder Suffixe zur Spezi‐ fizierung, ob ein Nomen definit oder indefinit interpretiert wird. Jedoch kann die Stellung des Subjekts im Satz Einfluss darauf haben, ob das Subjekt als definit (bekannte Information) oder indefinit (unbekannte Information) im Diskurs verstanden wird. Steht das Subjekt an erster Stelle im Satz, wird das Subjekt häufig als definit interpretiert, steht das Subjekt an letzter Stelle des Satzes, wird es als indefinit verstanden (vgl. Pugh/ Press 1999, S.-93). Tempora Das Ukrainische unterscheidet Zeitformen, die abhängig von Genus, Person und Numerus sind. Die Infinitivendung im Ukrainischen lautet -ти (-ty). Zu‐ sätzlich zur Markierung von Tempora wird an ukrainischen Verben der Aspekt markiert. Der perfektive Aspekt wird für vollendete Handlungen verwendet und der imperfektive Aspekt für unvollendete. Die meisten ukrainischen Verben sind Teil eines Aspektpaares. Dabei ist ein Verb perfektiv markiert und ein Verb imperfektiv. Vergleichbar im Deutschen wäre dieses Phänomen mit den Verben „etwas schreiben“ und „etwas fertig schreiben“. Die zwei Verben eines 334 Antonia Gösweiner <?page no="335"?> Aspektpaares unterscheiden sich im Ukrainischen meistens durch Affixe (vgl. Reuther/ Dubichynskyj 2011, S.-10). Verben werden nach Person, Numerus und Tempora konjugiert. Im Ukraini‐ schen gibt es zwei Konjugationsgruppen für Verben: die e-Konjugation und die y-Konjugation (vgl. ebd., S.-11). - 1. Person 2. Person 3. Person (f.) 3. Person (m.) Singular ja ti vona vin Plural my vy vony vony Tabelle 29: Personalpronomen Ukrainisch (Reuther/ Dubichynskyj 2011, S.-11) Folgende Tabelle zeigt die Verbformen im Präsens der e-Konjugation im Ukrai‐ nischen. Es gibt einen Verbstamm und die Verbendungen werden als Suffixe am Verb markiert. Die ukrainische Konjugation der Verben ist daher in diesem Sinne vergleichbar mit dem deutschen System. Trennbare Verben gibt es im Ukrainischen jedoch nicht (vgl. ebd.). - 1. Person 2. Person 3. Person Singular spivaj-u spivaj-eš spivaj-e - ich singe du singst er/ sie/ es singt Plural spivaj-emo spivaj-ete spivaj-ut‘ - wir singen ihr singt sie singen Tabelle 30: Verbformen Präsens Ukrainisch e- Konjugation (vgl. Reuther/ Dubichynskyj 2011, S.-11) Syntax Die Satzstellung im Ukrainischen ist im Gegensatz zum Deutschen relativ frei. Das Subjekt und das Objekt können dabei am Beginn oder am Ende eines Satzes stehen. Das Verb steht jedoch an zweiter Stelle. Um ein Subjekt oder ein Objekt zu betonen, wird es im Ukrainischen an die letzte Stelle des Satzes gestellt. In Interrogativsätzen bleibt die Satzstellung gleich wie in Deklarativsätzen und die Intonation bestimmt, ob es sich um eine Frage oder um eine Aussage handelt (vgl. Pugh/ Press 1999, S.-93). Erstsprachspezifische Grammatikvermittlung im DaF-Unterricht 335 <?page no="336"?> (a) Petro pobachyv vovk-a (b) vovk-a pobachyv Petro - Petro see.3SG.PAST wolf-AKK - wolf- AKK see.3SG.PAST - - Sub‐ jekt Verb Objekt - Objekt Verb Subjekt - Petro sah den Wolf. - Petro sah den Wolf. Tabelle 31: Satzstellung Ukrainisch (Pugh/ Press 1999, S.-93) Interviews Der zweite Teil dieses Beitrags versucht, die Grammatiktheorie mit der Lehr‐ praxis zu verbinden. Dazu wurden insgesamt vier qualitative Interviews (online oder in persona) mit Lehrpersonen der Sprachen Arabisch, Persisch, Türkisch und Ukrainisch durchgeführt. Alle Lehrpersonen (L1-L4) sind in der Erwach‐ senenbildung an der Universität Graz tätig und haben entweder Deutsch als Erstsprache oder mindestens ein C1-Sprachniveau in Deutsch. Da vor allem Personen mit der Erstsprache Deutsch am Sprachunterricht teilnehmen, wird Deutsch auch als Vermittlungssprache im Unterricht eingesetzt. Somit können die Lehrpersonen positive und negative Übertragungen der Lernenden gut nachvollziehen. Ziel der Interviews ist es, einen Einblick in die Praxis der Zweitsprachvermittlung zu geben sowie die Theorie und Sinnhaftigkeit der erstsprachenspezifischen Grammatikvermittlung anhand des Beispiels Deutsch als Erstsprache zu verdeutlichen. Alle mithilfe eines Interviewleitfadens (siehe Anhang) strukturierten Interviews wurden mit einem Aufnahmegerät aufge‐ zeichnet und im Anschluss transkribiert und analysiert. Ergebnisse Negative Übertragungen Im Rahmen der Interviews gaben alle Lehrpersonen an, bei ihren Lernenden positive sowie negative Übertragungen aus der Erstsprache Deutsch in die Fremdsprache zu beobachten (L1-L4). „Es gibt viele Übertragungsfehler, die die Morphologie, die Deklination angehen“ (L4). Im Laufe der Interviews zeigte sich, dass Übertragungsfehler jedoch eindeutiger und einfacher zu erkennen sind als positive Übertragungen, da negative Übertragungen Fehler verursachen und somit sofort identifizierbar sind (L1-4). Bei positiven Übertragungen ist nicht immer eindeutig feststellbar, ob es sich tatsächlich um eine positive Übertragung handelt oder die grammatische Struktur „nur“ gelernt und richtig 336 Antonia Gösweiner <?page no="337"?> angewendet wurde. In allen vier Fremdsprachen (Arabisch, Persisch, Türkisch und Ukrainisch) wurde von den Lehrenden bestätigt, dass die häufigsten Übertragungsfehler vor allem beim Casussystem zu beobachten sind und bei der Anwendung von Casusformen die meisten Fehler entstehen, welche auf die Erstsprache der Lernenden zurückzuführen sind: „(…) das wäre zum Beispiel ein beliebter Fehler (…), welchen Fall wir wählen“ (L1). Obwohl es im Deutschen und im Arabischen Casusformen gibt (im Deutschen Nominativ, Genitiv, Dativ und Akkusativ und im Arabischen Nominativ, Genitiv, Akkusativ), bedeutet das nicht, dass das Casussystem im Arabischen für Per‐ sonen mit der Erstsprache Deutsch keine Schwierigkeiten bereitet oder dieses einfacher zu erlernen wäre (vgl. L1). Ganz im Gegenteil: Es stellt ein großes Problem für Lernende dar, wenn eine Konstruktion in der Zielsprache einen anderen Casus verlangt als dieselbe Konstruktion in der Erstsprache. „Ganz eindeutig ist es bei den Fällen, bei den Verben, die einen anderen Fall regieren, da werden sofort Fehler gemacht“ (L3). Besonders in diesen Situationen kommt es sehr häufig zu negativen Übertragungen aus der Erstsprache, da es selbstver‐ ständlich erscheint, in der Fremdsprache denselben Casus zu verwenden wie in der Erstsprache. Für die Konstruktion „er war groß“ würde man beispielsweise im Arabischen - wie Lehrperson 1 im Interview schildert - einen Akkusativ verwenden. Für Lernende mit der Erstsprache Deutsch wäre dieser Akkusativ nicht logisch und würde nicht automatisch angenommen werden, da diese Kon‐ struktion im Deutschen keinen Akkusativ verlangt. Im Umkehrschluss ist es für Personen mit Arabisch als Erstsprache und Deutsch als Zielsprache nicht nach‐ vollziehbar, dass hier im Deutschen kein Akkusativ verwendet wird. Eine DaF- Lehrperson kann daher nicht annehmen, dass es die Akkusativkonstruktion im Arabischen gibt und Lernende dadurch den Akkusativ automatisch korrekt in allen Situationen im Deutschen anwenden. Das Ukrainische verwendet für die Konstruktion „ich bin 23 Jahre alt“ vergleichsweise eine Dativkonstruktion „mir sind 23 Jahre“ (L4), das türkische Verb für „fragen“ benötigt ebenso ein Dativobjekt und kein Akkusativobjekt, wie es der Fall im Deutschen wäre (L3). Es zeigt sich, dass die Existenz eines grammatischen Phänomens in einer Sprache daher keine positive Übertragung aus der Erstsprache garantiert; es bedeutet nicht, dass Lernende diese Grammatikstrukturen automatisch korrekt verwenden. Wenn die grammatische Konstruktion in beiden Sprachen existiert und ident verwendet wird, kann man eine positive Übertragung annehmen, jedoch nicht voraussetzen (L1-L4). Existiert in einer Sprache beispielsweise die Unterscheidung zwischen Dativ und Akkusativ, bedeutet das nicht, dass die Sprache dieselben Verwendungen, Regeln und Anwendungen für die zwei Casusformen hat, wie das im Deutschen Erstsprachspezifische Grammatikvermittlung im DaF-Unterricht 337 <?page no="338"?> der Fall ist. Basierend auf den eigenen Erfahrungen der Autorin erklären manche Lehrende im DaF-Unterricht den Unterschied zwischen Dativ und Akkusativ mit der Frage „Wem oder Was? “ (für den Dativ) und „Wen oder Was? “ (für den Akkusativ). Diese Form von Erklärung ist vor allem für den DaF-Unterricht ungeeignet. Die Wörter „wem“ und „wen“ können Personen mit einer anderen L1 als Deutsch aufgrund der phonetischen Unterschiede unterscheiden, jedoch auf keinen Fall durch ihre Bedeutung. Fragt man DaF-Lernende, was der Unterschied zwischen „wem“ und „wen“ ist, wissen sie in den meisten Fällen, dass ein Wort dem Dativ zugeschrieben wird und das andere dem Akkusativ, sie verstehen aber nicht, warum „Wem liebe ich? “ falsch ist und „Wen liebe ich? “ korrekt. Die verwendeten Wörter haben eine grammatische Bedeutung und keine lexikalische. Außerdem sind die Wörter in viele andere Sprachen und somit auch Erstsprachen der Lernenden nicht übersetzbar, da es keinen entsprechenden Unterschied gibt. Alternative, sinnvolle und nachvollziehbare Erklärungsansätze sind daher für die DaF-Lehre von großer Bedeutung. Gibt es diesen Unterschied auch in einer L1, so ist zumindest das System bekannt und man versteht die grundsätzliche Idee hinter der Unterscheidung. Gibt es jedoch beispielsweise kein vergleichbares Casussystem in der Erstsprache von Lernenden, so ist jenes des Deutschen neu und das zugrunde liegende Prinzip für Lernende nicht verständlich. Dies lässt sich gut anhand des Persischen verdeutlichen. Es gibt keine Unterscheidung zwischen Dativ und Akkusativ und auch keine Artikel. Lernenden zu erklären, dass es im Deutschen eine unterschiedliche Markierung geben muss, wenn Agens, Patiens oder Rezipient markiert werden, greift erstens tief in linguistische Theorien ein und setzt (oft nicht vorhandenes) Wissen über Sprachstrukturen im Allgemeinen voraus. Ein Grund für die vielen Fehler und Unklarheiten beim Thema Casussystem ist einerseits die Komplexität des Systems im Deutschen, andererseits aber auch die Grammatikvermittlung im DaF-Unterricht. Lehrende beziehen das Vorwissen und die Strukturen der Erstsprachen von Lernenden nicht in die Vermittlung mit ein, da sie selbst (in den meisten Fällen) kein Wissen über die Erstsprachen der Lernenden haben. DaF-Lehrpersonen werden in diesem Bereich nicht ausreichend ausgebildet, Unterrichtsmaterialien und Lehrmaterialien zu diesem Thema fehlen und in der Praxis mangelt es den Lehrpersonen in den Kursen oftmals auch an Zeit und Ressourcen, um auf alle Erstsprachen eingehen zu können. Nicht nur beim Casussystem beschreiben die interviewten Lehrpersonen negative Übertragungen, sondern auch bei der Verwendung des Plurals und Singulars: „(…) was dann auch noch manchmal problematisch ist (…), ist das mit der Pluralbildung“ (L2). Alle beschriebenen Sprachen in diesem Beitrag 338 Antonia Gösweiner <?page no="339"?> weisen eine Unterscheidung zwischen Singular und Plural auf (das Arabische zusätzlich auch noch im Dual). Das bedeutet, das grundlegende Konzept und der Unterschied zwischen Einzahl und Mehrzahl ist den Lernenden bekannt. Jedoch gibt es auch hier Übertragungsfehler aus der Erstsprache Deutsch ins Arabische und ins Persische. Im Arabischen wird beispielsweise „(…) bei gezählten Nomen ab der Zahl elf der Singular verwendet und nicht mehr der Plural“ (L1). Daher würde man im Arabischen sagen „ich habe zwölf Haus“ und nicht „ich habe zwölf Häuser“ (L1). Personen mit der Erstsprache Deutsch scheint diese Konstruktion unnatürlich zu sein und kann aus der Erstsprache Deutsch nicht abgeleitet werden, daher entstehen bei diesen Verwendungsarten des Singulars im Arabischen Fehler (vgl. L1). Im Umkehrschluss bedeutet das aber auch, dass Personen mit Arabisch als L1 (wahrscheinlich) bei derartigen Konstruktionen im Deutschen den Singular verwenden, wenn dies im DaF- Unterricht nicht explizit erklärt wird. Einen ähnlichen Übertragungsfehler gibt es beim Erlernen des Persischen für Personen mit Deutsch als L1. Im Persischen wird bei allgemeinen Aussagen wie „sie mag Hunde, er hat Schmerzen …“ der Singular verwendet. Daher wären die korrekten Konstruktionen im Persischen „sie mag Hund, er hat Schmerz …“ (L2). Diese unterschiedlichen Arten können Lernende von Sprachen im Vorhinein nicht wissen, nicht annehmen oder sich selbst logisch erarbeiten. Es bedarf Lehrpersonen, die sich der Unterschiede der jeweiligen Sprachen bewusst sind und diese in ihre Grammatikvermittlung und Grammatikübungen mit einbeziehen. Problematisch ist es, wenn Lernende selbst keine grundlegenden Gramma‐ tikkenntnisse in ihrer eigenen Erstsprache aufweisen. Nicht selten fällt es Lerner: innen schwer, die Grammatik der eigenen Erstsprache zu erklären oder nachzuvollziehen, sofern man keine Ausbildung in diesem Bereich hat. Auch im Deutschen sind sich Lernende mit der Erstsprache Deutsch oft nicht im Klaren, wann welcher Fall verwendet wird und wie das Casussystem generell funktioniert. Die korrekte Anwendung erfolgt natürlich ohne Probleme in der eigenen L1, das Verständnis und die Hintergründe fehlen hingegen. „Es ist den Leuten oft die deutsche Grammatik fremd, da sie Deutsch als Muttersprache haben und die Grammatikstrukturen nie gelernt haben“ (L2). Insbesondere ist es im Arabischen ein Problem, dass das Hocharabische viele Grammatikphäno‐ mene aufweist, die in den tatsächlich gesprochenen Dialekten jedoch nicht vorkommen, den Sprecher: innen oft auch nicht bewusst sind und daher nicht so, wie in der Literatur beschrieben, verwendet werden (vgl. L1). Erstsprachspezifische Grammatikvermittlung im DaF-Unterricht 339 <?page no="340"?> Positive Übertragungen Positive Übertragungen sind, wie bereits erwähnt, für Lehrpersonen schwerer zu erkennen, da in diesen Fällen grammatische Konstruktionen korrekt ver‐ wendet werden und die Ursache dafür nicht in jedem Fall die Erstsprache der Lernenden sein muss. Die interviewten Lehrpersonen beschreiben jedoch einen großen Verständnisvorteil für Grammatikphänomene, welche in der Erst- und Zielsprache der Lernenden vorhanden sind. Es ist eine große Hilfe für Lernende, wenn beide Sprachen - die Erstsprache Deutsch und beispielsweise die Zielsprache Ukrainisch - grundsätzlich ein Casussystem aufweisen, da dadurch das Verständnis für den Grundgedanken und das Konzept gegeben ist. Gibt es in der Erstsprache eines: einer Lernenden kein vergleichbares Casus‐ system wie in der Zielsprache, so ist der Prozess des Verstehens bis hin zur korrekten Verwendung ein längerer und schwierigerer (vgl. Interview L4). In den Fällen, in denen das Casussystem der Erst- und der Zielsprache gleich funktioniert, kommt es zu positiven Übertragungen. Die korrekte Casusform wird automatisch in der Zielsprache verwendet, weil sie auch in der Erstsprache benutzt wird und daher als einzig logische Variante in Frage kommt: „Das wird dann ja automatisch richtig gemacht“ (L3). Problematisch wird es, wenn das Casussystem in bestimmten Fällen unterschiedlich funktioniert (siehe Negative Übertragungen). Die grundsätzliche Unterscheidung von Nomen, Verben und Adjektiven gibt es in allen erwähnten Sprachen (dies ist nicht in allen Sprachen der Welt der Fall). Die Wortarten werden daher von den meisten Lernenden korrekt verwendet, da es aufgrund ihrer deutlichen Unterscheidung nicht zu Verwechslungen oder einem Nichtverstehen kommt. Ein Nomen würde beispielsweise im Arabischen von einer Person mit Deutsch als Erstsprache nicht als Verb verwendet werden, da die Unterscheidung in der Erstsprache Deutsch so eindeutig ist (vgl. L3 und L4). Gibt es eine Form für den Infinitiv in der Erstsprache, so ist das Verständnis für die Funktion des Infinitivs auch in der Zielsprache gegeben. Wenn die Satzstellung in der Erstsprache und in der Zielsprache ident ist, kommt es wiederum zu einer positiven Übertragung, da die Struktur der Erstsprache übernommen wird (L1 und L2). Positive Übertragungen finden daher häufig im Zweitspracherwerb statt und tragen erheblich zur korrekten Verwendung grammatischer Strukturen bei - unabhängig davon, ob es der Lehrperson oder den Lernenden bewusst ist oder nicht. 340 Antonia Gösweiner <?page no="341"?> Einblick in die Praxis Umgang mit Fehlern Bei negativen Transfers aus der Erstsprache in die Zielsprache entstehen Fehler. Die Fehlerquelle ist für die interviewten Lehrpersonen in den meisten Fällen klar nachvollziehbar, da die Lehrpersonen die Erstsprache der Lernenden teilen bzw. ein sehr hohes Niveau in der Erstsprache der Lernenden erreicht haben (vgl. L1-L4): „Woher der Fehler kommt, ist normalerweise schnell klar und lässt sich dann auch schnell aus der Welt schaffen“ (L1). Die Lehrpersonen er‐ kennen Übertragungsfehler ihrer Lernenden und können somit adäquat darauf reagieren. Verwendet beispielsweise eine Person den Akkusativ in Kombination mit dem Verb „folgen“ auf Türkisch, so ist für die Lehrperson sofort klar, warum dieser Fehler entstanden ist und wie sie ihre Lehrstrategie(n) anpassen muss, damit dieser Fehler nicht mehr vorkommt (L3). Alle interviewten Personen sehen eine Wichtigkeit darin, die Fehler ihrer Lernenden zu verstehen - einerseits für die Sprachkompetenzentwicklung der Lernenden - andererseits auch für die Weiterentwicklung und Verbesserung der eigenen Lehrkompetenz (L1-L4). Die auftretenden Fehler von Lernenden können genutzt werden, um die Grammatikvermittlung zu verbessern. Kommt ein Fehler des Öfteren vor, kann eine Lehrperson in Zukunft schon bei der Erklärung einer Grammatik‐ struktur auf eine häufige Fehlerquelle aufmerksam machen, einen Unterschied zwischen zwei Sprachen bereits bei der Vermittlung explizit hervorheben oder spezielle Übungen entwickeln, um mögliche zukünftige Fehler im Vorhinein zu vermeiden. Dadurch verbessert sich die Grammatikvermittlung einer Lehr‐ person, Fehlerquellen werden explizit aufgezeigt und die Sprachkompetenz von Lernenden wird gesteigert (vgl. L1-L2). Diese Art mit Fehlern umzugehen, ist im DaF-Unterricht oft nicht möglich, da die Lehrpersonen geringe oder keine Kenntnisse über die Erstsprachen der Lernenden haben und negative Übertragungen aus der Erstsprache der Lernenden nicht erkennen können. Kommt ein Übertragungsfehler im DaF- Unterricht vor, so wird er nicht als solcher, sondern als „normaler“ Fehler von der Lehrperson wahrgenommen. Die Fehlerquelle kann den Lernenden nicht aufgezeigt werden und dadurch ist es wahrscheinlicher, dass der Fehler auch in Zukunft wieder vorkommt. Für einen gewissenhaften Umgang mit Grammatikfehlern im DaF-Unterricht ist es notwendig, Lehrpersonen in Bezug auf Unterschiede und Gemeinsamkeiten von Sprachen zu schulen, um zu gewährleisten, dass Lernende ihre eigenen Fehler verstehen und nachvollziehen können. Erstsprachspezifische Grammatikvermittlung im DaF-Unterricht 341 <?page no="342"?> Vermittlungsstrategien und Umgang mit der Erstsprache der Lernenden Alle interviewten Lehrpersonen gaben an, dass sie in ihrem Sprachunterricht auf die Gemeinsamkeiten und Unterschiede der deutschen Grammatik und der Grammatik der Zielsprache eingehen (vgl. L1-L4). Dabei wird das Grammatik‐ thema der jeweiligen Zielsprache erklärt und auf Unterschiede zum deutschen System explizit hingewiesen. Bei Gemeinsamkeiten wird bei der Vermittlung ebenfalls darauf aufmerksam gemacht, dass die Grammatik im Deutschen ähnlich funktioniert bzw. die Konstruktionen des Deutschen auch in die Ziel‐ sprache übertragbar sind. Die neu erlernte Grammatik wird meist mit konkreten Aufgaben geübt, der Fokus durch Übungen auf die Unterschiede gelenkt und Lernende werden somit für die Unterschiede der Sprachen sensibilisiert (vgl. L1 und L4). Durch diese Art der Grammatikvermittlung ist es für Lernende möglich, Parallelen zwischen zwei Sprachsystemen zu ziehen und ein neues Grammatik‐ system anzunehmen bzw. zu akzeptieren. Häufig erkennen die Lehrpersonen in ihrem Unterricht eine Motivationssteigerung, wenn auf Gemeinsamkeiten zwischen zwei Sprachen eingegangen wird und sich somit ein generell besseres Verständnis für das System der Zielsprache entwickeln lässt (vgl. L3): „(…) ich meine, dass es einen Effekt hat und die Motivation steigert“ (L4), „Die Gemeinsamkeiten motivieren besonders“ (L4). Durch die Hervorhebung von Gemeinsamkeiten und Unterschieden zwischen der Erst- und Zielsprache be‐ ginnen Lernende, die eigene Erstsprache zu reflektieren, und werden sich der Funktion und Form von Grammatiksystemen eher bewusst. Die Lehrpersonen erkennen bei den Lernenden bessere Leistungen, weniger Fehler und mehr Achtsamkeit bei der Bearbeitung von Grammatikthemen, wenn im Vorhinein explizit erklärt wird, dass diese spezielle Grammatik Unterschiede zur deutschen Grammatik aufweist (L1-L4). Zu beachten ist jedoch, dass der Vergleich der Sprachsysteme nicht überhandnimmt. Der Vergleich von Sprachunterschieden ist nur dann sinnvoll, wenn konkrete Unterschiede festzustellen sind und diese mögliche Fehlerquellen darstellen. Nicht jede kleine Gemeinsamkeit von zwei Sprachen ist im Sprachunterricht erwähnenswert. Es ist Aufgabe der Lehrkräfte, eine Balance zwischen sprachvergleichendem Unterricht und erstsprachenu‐ nabhängigen Erklärungen zu finden (vgl. L1-L4). Schlussfolgerungen für die DaF-Lehre In DaF-Kursen können viele unterschiedliche Erstsprachen vorkommen. Zu den häufigsten Erstsprachen in Deutschkursen in Österreich zählen Arabisch, 342 Antonia Gösweiner <?page no="343"?> Persisch, Türkisch und Ukrainisch. Hält eine Lehrperson einen Deutschkurs mit beispielsweise ausschließlich Ukrainer: innen und weist selbst Ukrainisch- Kenntnisse auf, so kann sie die Übertragungsfehler der Lernenden erkennen, sie darauf aufmerksam machen und diese mögliche Fehlerquelle in den Unterricht und die Vermittlung der Grammatik mit einfließen lassen. Dies ist jedoch nur selten der Fall. Generell haben die Lernenden in einem Deutschkurs teilweise unterschiedliche Erstsprachen und unterschiedliche (erlernte) Zweitsprachen. So kommt es vor, dass einige Lernende Arabisch sprechen, einige können eventuell Persisch, andere können wiederum (auf unterschiedlichen Niveaus) Englisch. Je nach Lehrperson kann diese entweder eine der Erstsprachen der Lernenden selbst sprechen oder auch nicht. Keinesfalls kann jede einzelne DaF- Lehrkraft in Österreich Arabisch, Persisch, Türkisch und Ukrainisch auf einem hohen Niveau sprechen. Völlig unvorstellbar wäre auch, dass eine Lehrkraft alle Erstsprachen ihrer Lernenden erlernt. Genau dieser Sachverhalt stellt jedoch ein Problem bei der Grammatikvermittlung im DaF-Unterricht dar. Durch die Vielfältigkeit und Heterogenität in den Kursen werden die Erstsprachen der Lernenden oft regelrecht verbannt und es darf nur noch Deutsch gesprochen werden, damit alle Lernenden die Möglichkeit haben, die Lehrkraft zu verstehen bzw. das zu verstehen, was andere Teilnehmer: innen sagen. Dies führt jedoch häufig dazu, dass Lernende viele Inhalte des Kurses, andere Lerner: innen sowie die Grammatik nicht verstehen und deshalb die Sprache langsamer erlernen. Wie bereits im Artikel dargestellt, können Erstsprachen des Öfteren zu Feh‐ lern in der Zweitsprache führen. Sie stellen somit einen wichtigen Faktor für das Grammatikverständnis in der Zielsprache sowie für die Weiterentwicklung der Sprachkompetenz dar. Es ist weder förderlich noch zielgerichtet, die Erstspra‐ chen der Lernenden im Unterricht auszuschließen. Das Ziel von DaF-Lehrenden sollte sein, die Grammatikvermittlung zu verbessern, indem sie sich so viel Wissen wie möglich über die L1 der Lernenden aneignen. Im Zuge der DaF/ DaZ- Ausbildung wäre es daher wünschenswert, zukünftigen DaF/ DaZ-Lehrenden Einblicke in „andere“ Sprachsysteme und Grammatiken zu geben und häufige Erstsprachen von DaF/ DaZ-Lernenden in die Ausbildung aufzunehmen, damit Übertragungsfehler von Lehrpersonen erkannt und behoben werden können. Lehrende könnten auf diese Weise positive Übertragungen aus den Erstsprachen der Lernenden fördern. Es besteht kein Zweifel daran, dass diese Aspekte in die DaF/ DaZ-Ausbildung aufgenommen werden müssen. Im Rahmen der Ausbildung sollten Lehrende darin geschult werden, über die Ursachen bzw. Fehlerquellen Bescheid zu wissen, diese zu erkennen und sie den Lernenden auf sprachenvergleichende Weise zu erklären. Die Grammatikvermittlung im DaF-Unterricht muss an Erstsprachspezifische Grammatikvermittlung im DaF-Unterricht 343 <?page no="344"?> das Vorwissen der Lernenden angepasst werden, welches aus deren L1 oder bereits erlernten L2 resultiert. Die Erstsprache ist einer der wichtigsten Grund‐ bausteine beim Zweitspracherwerb. Damit im DaF-Unterricht vor allem auf Unterschiede und Gemeinsamkeiten von Sprachen so gut wie möglich einge‐ gangen werden kann, sollten für Lehrende entsprechende Unterrichtsmateria‐ lien, Informationen und Ressourcen entwickelt und bereitgestellt werden. Literatur Abu-Chacra, Faruk (2007): Arabic: An Essential Grammar. New York: Taylor & Francis. Balcik, Ines (2012): Grammatik kurz & bündig: Arabisch. Stuttgart: Pons. Bekh, Olena/ Dingley, James (2003): Teach Yourself: Ukrainian. London: Hodder & Stoughton. Durrell, Martin (2011): Hammer’s German Grammar and Usage. London: Hodder Educa‐ tion. Fehringer, Carol (2020): German Grammar in Context. New York: Routledge. Fietz, Kathrin (2007): Praktisches Lehrbuch Arabisch: Der Standardkurs für Selbstlerner. Berlin/ München: Langenscheidt. Glosbe (2023): Glosbe Wörterbuch. https: / / de.glosbe.com/ [02.07.2023]. 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Seit wann unterrichten Sie Sprache X und wo? Gibt es in Sprache X eine Genusunterscheidung? • Wenn ja, welche Genera gibt es in Sprache X? • Wie erkennt man in Sprache X, welches Genus ein Nomen hat? • Welche Unterscheidungen zum deutschen Genussystem lassen sich fest‐ stellen? Gibt es in Sprache X eine Numerusunterscheidung? • Wenn ja, welche Unterscheidungen gibt es in Sprache X? • Welche Regeln gibt es für die (Dualisund) Pluralbildung in Sprache X? • Gibt es Unterschiede in der Verwendung im Vergleich zum Deutschen? Gibt es in Sprache X eine definite Markierung am Nomen? • Wenn ja, wie sieht diese Markierung in Sprache X aus? • Welche Unterschiede lassen sich im Vergleich zum Deutschen feststellen? Gibt es in Sprache X eine indefinite Markierung am Nomen? • Wenn ja, wie sieht diese Markierung in Sprache X aus? Gibt es in Sprache X Casusformen? • Wenn ja, wie viele unterschiedliche Casus gibt es in Sprache X? • Wie werden die Casusformen in Sprache X gebildet? Erstsprachspezifische Grammatikvermittlung im DaF-Unterricht 345 <?page no="346"?> • Wann wird welcher Casus in Sprache X verwendet ? • Gibt es Unterschiede in der Verwendung, Bildung etc. im Vergleich zum Deutschen? Gibt es in Sprache X Tempora ? • Wenn ja, gibt es die Unterscheidung zwischen Vergangenem, Gegenwär‐ tigem und Zukünftigem? Werden Verben in Sprache X konjugiert? • Wenn ja, wie sieht die Konjugation aus? • Gibt es Unterschiede zur Bildung im Deutschen? Wie ist in Sprache X die unmarkierte Satzstellung in einem Deklarativsatz, in einem Interrogativsatz und in einem Imperativsatz? Interviewleitfaden mündliches Interview Erkennen Sie in Ihrem Sprachunterricht bei Ihren Lernenden Übertragungs‐ fehler aus der Erstsprache Deutsch oder der Zweitsprache Englisch? • Wenn ja, welche? Erkennen Sie bei Ihren Lernenden positive Übertragungen aus der Erstsprache Deutsch oder der Zweitsprache Englisch? • Wenn ja, welche? Fällt es Ihnen in Ihrem Sprachunterricht manchmal schwer, (häufige) Fehler von Lernenden nachzuvollziehen? Versuchen Sie die Ursachen von bestimmten Fehlern zu verstehen? Gehen Sie auf die Gemeinsamkeiten und Unterschiede in der Grammatik von Sprache X und dem Deutschen in Ihrem Unterricht ein? • Wenn ja, wie sieht die Vermittlung aus? Welche Strategien wenden Sie im Unterricht dazu konkret an? • Wenn nein, warum nicht? • Gibt es spezielle Gründe dafür? Würden Sie es für sinnvoll erachten, in Ihrem Unterricht (stärker) auf Un‐ terschiede und Gemeinsamkeiten zwischen Sprache X und dem Deutschen einzugehen? 346 Antonia Gösweiner <?page no="347"?> • Wenn ja, warum? • Wenn nein, warum nicht? Vielen Dank für Ihre Hilfe und Teilnahme! Antonia Gösweiner, BA Abkürzungsverzeichnis 1 Erste Person INS Instrumental 2 Zweite Person LOK Lokativ 3 Dritte Person M Maskulin ABL Ablativ N Neutral AKK Akkusativ NOM Nominativ DAT Dativ PAST Vergangenheit DEF Definit PRES Gegenwart DL Dual PL Plural F Feminin PRF Perfektiver Aspekt GEN Genitiv QUEST Fragepartikel IMPRF Imperfektiver Aspekt SG Singular INDEF Indefinit VOK Vokativ Tabelle 32: Abkürzungsverzeichnis Erstsprachspezifische Grammatikvermittlung im DaF-Unterricht 347 <?page no="349"?> ‘Mid-Country’ Crisis: Adult Immigrants’ Trajectory to Third Language Proficiency Yael Rosenmann Home is where I understand and where I am understood. (Karl Jaspers) Over the last few decades, the issue of adult Third Language Acquisition (TLA) has become increasingly relevant due to the unprecedented growth of waves of voluntary and involuntary immigration. Already in 2017, the United Nations Department of Economic and Social Affairs (DESA) estimated that there were between 257.7 and 281 million immigrants worldwide (cf. United Nations 2020; cf. Kloubert/ Hoggan 2021, p. 29). In the same year, Gallup International estimated that more than 700 million people around the world expressed their desire to migrate (cf. Esipova/ Ray/ Pugliese 2018). Upon arrival at their destination, both young and adult immigrants face several daunting challenges, most notably learning the host language and finding employment and accommodation. Initially, all immigrants are fully motivated to embark on their TLA journey. However, when adults reach a basic working L3 proficiency (levels A2-B1), their motivation tends to plummet. Both financial burdens and rigid adherence to limiting beliefs on cultural identity prevent their progression to a higher level of L3. Consequently, they abandon their studies despite the considerable practical economic and social benefits of proficiency. This scenario highlights the intrinsic link between learning the host language and core beliefs. This paper argues that acknowledging the high economic as well as mental, emotional, and social costs could lead to a re-evaluation of fundamental assumptions. For some, the recognition of these obstructive barriers turns this low point into a turning point and triggers the renewal of the TLA to improve their “immigrant earnings” and their dire situation. Setting this goal promotes the acquisition of “native-like” skills (C1-C2), improves overall well-being, and fosters a deeper sense of belonging and pride. In a reciprocal <?page no="350"?> manner, L3 status is then elevated in the immigrant language hierarchy. This shift allows adults to strike a delicate balance between valuing their cultural heritage (Cu1) and embracing the opportunities of their future. As countries become more ethnically diverse, understanding how to effectively support immigrants’ language skills is of paramount importance. By addressing the challenges and barriers faced by migrants, educators and curriculum devel‐ opers can create a sustainable framework of strategies to support language acquisition and integration. In doing so, they can pave the way for social cohesion and economic growth in their countries. Introduction In the twenty-first century, the fabric of the world's population is changing at a rapid pace as it witnesses wave after wave of unprecedented adult migration, driven primarily by political, religious, and financial hardships. Unless they are destined to arrive in a country where they are fluent in the language, they are compelled to quickly become fluent in the new language (L3). This, years after previously acquiring at least native (L1) and non-native (L2) languages in school. The rapidly increasing influx of diverse population, which is destined to grow, is faced with the immediate necessity to master the local language. Arriving at their desired destination, which in this paper is Austria, these 1,587,251 immigrants (or 17.1 % of the total population) (geography and population, see Figure 1) embark on acquiring the German language. The majority of them are between the ages of 40 and 64 (34.4 %) and between the ages of 20 and 39 (33.5 %) (cf. Previdelli 2022). Most of whom find only a short moment of bliss. Afterwards, contrary to their expectations, their cherished goal of living peacefully in a German-speaking country is fading into the horizon under the complex strains of reality. The same can be said of the approximately 11.82 million adults that immigrated to Germany (cf. Davies 2023). Thus, in the German-speaking world, both Austria—the 16th richest country in the world (cf. WorldData.info 2022) and the 11th happiest country in 2023 (cf. Hunter 2023)—and Germany—the wealthiest country in Europe (cf. Ike 2023) and the 16th happiest country in 2023 (cf. Hunter 2023), with their approximately 13 million immigrants as of January 1, 2022—are a great case study for adult TLA. 350 Yael Rosenmann <?page no="351"?> Figure 1: Proportion of foreigners in the Austrian population from 2012 to 2022 (Statistik Austria 2022) Although some adult immigrants acquired several languages prior to their immigration, this paper refers to the language of the host country as their tertiary language (L3). Learning a non-native language is challenging for anyone, let alone for adult immigrants who struggle to acquire third culture competence (Cu3) at the same time. Fluency is essential for navigating the maze of life, such as dealing with government agencies, securing housing as well as employment, and communicating effectively with locals. Conversely, limited proficiency can create a fragmented and toxic environment that fosters preju‐ dice, social exclusion, and discrimination. Nevertheless, many adult immigrants lose motivation in the second stage of their immigration as they face the harsh reality of their new lives. Reaching a low level of proficiency (A2-B1), they tend to abandon their studies and retreat to a “comfort zone”, reinforcing their language barriers. The high economic and social, psychological, mental, and emotional impli‐ cations involved in preserving their heritage (Cu1) can be a catalyst for changing their mindsets and overcoming cultural identity-based demotivation. Thus, the renewal of their studies aimed at “native-like” competence learned through formal or informal methods is promoted. Analysis of the above can provide valuable insights into migrants’ motivations for third language acquisition and ‘Mid-Country’ Crisis: Adult Immigrants’ Trajectory to Third Language Proficiency 351 <?page no="352"?> future integration. Therefore, it is crucial to identify and address one of the most important factors hindering long-term motivation and success in studies (Ipatova 2019), namely the psychological barriers. Addressing issues related to economic and social integration can be mutually beneficial for both migrants and the receiving society. First and Second Stages of the Adult Immigrant Trajectory At their first significant encounter with the host language, new immigrants—for example, the 312,745 who arrived in Germany, and the 20,314 who arrived in Austria in 2021 (Statista 2023)—are enthusiastic and fully committed to acculturation. In fact, they tend to progress rather quickly through the beginner and lower intermediate levels of the language (A1-A2). Those who are lucky enough to find a workplace enjoy the fact that “the average nominal net income of immigrants is more than twice as high as in their countries of origin” (Scheidler 2014). Moreover, they often demonstrate more favorable health profiles in terms of mortality rates, chronic conditions, and mental health compared to the native-born population (cf. Maskileyson/ Birgier 2022). This can be due to the selective migration factor. However, in the mid stage of immigration, as the level of study becomes more time-consuming and requires greater effort (B1-B2), motivation decreases. As a result, although they are still highly committed, they make less satisfactory progress, which in turn leads to a variety of negative emotions such as shame, embarrassment, and self-doubt. Their need for self-sufficiency, however, exac‐ erbates their often-conflicted inner psychological tensions. This stems from the conflict between maintaining past ties to the country of origin and addressing the pressing financial situation by improving their TLA. At this stage, they typically take a short-term solution, i.e., cling to their roots, find an available job, and abandon their further studies. Of the three, the phenomenon of dropping out of studies without adequate L3 skills often makes negative headlines in their host countries. A case in point is Austria, where figures show that more than a quarter of the total population (25.4 %) has a migration background (see Figure-2). 352 Yael Rosenmann <?page no="353"?> 293 take a short-term solution, i.e., cling to their roots, find an available job, and abandon their further studies. Of the three, the phenomenon of dropping out of studies without adequate L3 skills often makes negative headlines in their host countries. A case in point is Austria, where figures show that more than a quarter of the total population (25.4 %) has a migration background (see Figure 2). Figure 2: Austrian population with migration background 2010-2020 according to migration generation (Statistik Austria 2021, p. 23) In Germany, according to an article titled “The changing face of the country” in Der Spiegel , one in five people has a migration background (cf. Bartsch et al. 2018). The German newspaper Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung , for example, announced that “more than half of (the) migrants fail the official German test” Migration background in % Second generation First generation Figure 2: Austrian population with migration background 2010-2020 according to migration generation (Statistik Austria 2021, p.-23) In Germany, according to an article titled “The changing face of the country” in Der Spiegel, one in five people has a migration background (cf. Bartsch et al. 2018). The German newspaper Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, for example, announced that “more than half of (the) migrants fail the official German test” ( Jones 2018). In fact, only 48.7 % of the 289,751 refugees and migrants who took the final German test in 2017 reached the lower language proficiency level of B1 (cf. Jones 2018). Similarly, a study published in Germany in 2019 found that no less than 2.9 million people with a migrant background (just under four percent of the total population) who learned German as a foreign language could not “read or write German properly” (The Local Germany 2019). Once the decision to abandon their studies and preserve their past cultural heritage (Cu1) is made, they turn their attention to the pressing matter of financial commitment. Ironically, it seems that their inadequate language skills still determine their employability. Unfortunately, women are in a more disadvantaged status, with greater difficulties in accessing the labor market and with lower earnings (cf. Boyd/ Cao 2009, p. 70), (see the gender gap in employment in Figures 3 and 4). ‘Mid-Country’ Crisis: Adult Immigrants’ Trajectory to Third Language Proficiency 353 <?page no="354"?> 294 Ironically, it seems that their inadequate language skills still determine their employability. Unfortunately, women are in a more disadvantaged status, with greater difficulties in accessing the labor market and with lower earnings (cf. Boyd/ Cao 2009, p.70), (see the gender gap in employment in Figures 3 and 4). F Figure 4: Unemployment rate in Austria in 2019 and 2020 (Statistik Austria 2021, p. 65) To avoid unemployment, which affects immigrants more severely than the native-born workers (see Figure 4), many are “funneled into particular jobs based solely on the immediate needs of society and ignoring the long-term effects of these employment decisions” (Kloubert/ Hoggan 2021, p. 33). As part of their “culture shock,” they are often expected to accept demeaning employment, mostly beneath qualifications, where 90% 80% 70% 60% 50% 40% 30% 20% 10% 0% 78% 71% 72% 60% Without migration With migration background background Women Men Austrians Non-Austrians In total 2019 2020 15.30 % 8.40% Figure 3: Gender employment rate and migration background 2020 (Statistik Austria 2021, p.-59) lower earnings (cf. Boyd/ Cao 2009, p.70), (see the gender gap in employment in Figures 3 and 4). Figure 3: Gender employment rate and migration background 2020 (Statistik Austria 2021, p. 59 ) Figure 4: Unemployment rate in Austria in 2019 and 2020 (Statistik Austria 2021, p. 65) To avoid unemployment, which affects immigrants more severely than the native-born workers (see Figure 4), many are “funneled into particular jobs based solely on the immediate needs of society and ignoring the term effects of these employment decisions” (Kloubert/ Hoggan 2021, p. 33). As part of their “culture 90% 80% 70% 60% 50% 40% 30% 20% 10% 0% 78% 71% 72% 60% Without migration With migration background background Women Men Austrians Non-Austrians In total 2019 2020 15.30 % 8.40% Figure-4: Unemployment rate in Austria in 2019 and 2020 (Statistik Austria 2021, p.-65) 354 Yael Rosenmann <?page no="355"?> To avoid unemployment, which affects immigrants more severely than the native-born workers (see Figure 4), many are “funneled into particular jobs based solely on the immediate needs of society and ignoring the long-term effects of these employment decisions” (Kloubert/ Hoggan 2021, p. 33). As part of their “culture shock,” they are often expected to accept demeaning employment, mostly beneath qualifications, where there are labor shortages, low wages, and poor working conditions, for which they tend to be overqualified (cf. ibid., pp. 33 ff.). In fact, under these circumstances, they are forced to take any given work, ignoring their previous aspirations (cf. ibid.). Considering that both Austria and Germany are economically developed countries in need of an influx of highly skilled and motivated workers, this is a lose-lose situation, for both immigrants and the labor market (cf. ibid., p. 33). Some will also experience stigmatizing, racism, and discrimination (cf. Berry/ Phinney/ Sam/ Vedder 2006, cit. from Baysuet al. 2016, p. 1360) from native-born colleagues, or people in general. Consequently, they suffer an extreme inner turmoil, “a ripple negative effect on self-esteem and their own capacities (Kloubert/ Hoggan 2021, p. 34, cf. Ipatova 2019) as well as on community belonging” (Salami et.al 2019, p. 31, Orton 2012, p. 19). Twofold Shame The immigration experience can trigger a myriad of emotions that are either supportive or destructive (cf. Galmiche 2021). At this stage of their life’s transi‐ tion, as they navigate through the obstacles of uncharted territory, a significant number of adult immigrants feel the impact of both shame and embarrassment. This is not only due to the uprooting of their lives and leaving loved ones behind, but also due to the inability to fulfill the immigrant dream. Mourning the loss of many aspects of their past and trying to cope with family separation, adult immigrants are faced with the pressure of adapting to their new country, a rather emotionally overwhelming circumstance. Psychological barriers are usually associated with self-dissatisfaction, worry, internal anxiety, and low selfesteem (Ipatova 2019). The realization that they could have achieved more than the minimum threshold of TLA to facilitate their daily struggles for employment, social life, and cultural competency produces a rather strong sense of shame. This elusive emotion has been called “the Cinderella of unpleasant emotions” by Rycroft (cf. Galmiche 2018, p. 101). Shame researcher Brené Brown describes this emotion as a self-centered, self-conscious emotion that corrodes “the very part of us that believes we are capable of change” (ibid., p. 102). Instead of feeling that they made a mistake, people are reduced to feeling that they are “a mistake” ‘Mid-Country’ Crisis: Adult Immigrants’ Trajectory to Third Language Proficiency 355 <?page no="356"?> (cf. ibid., p. 117). In her blog, Brown (2013) defines it as an “intensely painful feeling or experience of believing that we are flawed and therefore unworthy of (…) belonging.” Among language skills, speaking the target language has been reported to be the most likely to cause shame (cf. Galmiche 2021). Shame, like embarrassment, is the enemy of learning (Newkirk 2017) and the enemy of growth in general by triggering distorted self-reflection, self-evaluation, and undermining cognitive abilities (cf. Galmiche 2018, p. 102). They overshadow various positive and negative emotions and create diminished, inadequate, or defective self-images (cf. ibid). Feelings of incompetence, both in finding suitable employment and in acquiring the host language, are intertwined with suffering alienation from locals and induce reluctance to use and improve L3. Psychological Issues and Quality of Life “To learn a language, you have to be willing to abase yourself ” (Schwartz 2022). Being an immigrant requires a greater degree of humility and resilience to overcome the economic, social, and psychological challenges of adapting to a new environment. In a relatively short period of time, immigrants are forced, willingly or unwillingly, to undergo a process of “various transformations at the intra-and interpersonal levels” (Baeza-Rivera et al. 2022, p. 2). All these as they emotionally adjust to a foreign social context (cf. ibid.) and lack “knowledge of (…) norms and complex and opaque bureaucratic structures” (Kloubert/ Hoggan 2021, p. 34). The inability to communicate fluently in the host language with its cultural cues can limit the ability to express oneself effectively and authentically for fear of misunderstanding and misinterpretation. When opportunities for immigrants to be heard and to express their opinions are constrained, they may perceive themselves as being silenced or rendered invisible. The metaphorical loss of voice is a particularly frustrating experience, to the extent that it may result in avoidance of speech altogether or even social isolation. These factors can reinforce marginalization, exclusion, and worthlessness. In addition, immigrants are “required to yield to the reality of their new lives and to agree to taking those lives forward in ways that may not have been their choice” (Gallagher 2018). Financial hardship often pushes them to try to make ends meet then and there, even at the cost of “restricting themselves to the low-wage sector” (Kloubert/ Hoggan 2021, p. 36) without considering the longterm consequences. Overworked, underemployed, and underpaid they fall short of their own expectations and often reach the point of losing self-esteem and confidence in their abilities (cf. ibid., p. 34). They increasingly experience and endure shame, self-blame, and “inferiority” (ibid., p. 35). They thus suffer a heavy 356 Yael Rosenmann <?page no="357"?> emotional toll of anger, distress, depression, loneliness, and sadness (cf. Baeza- Rivera et al. 2022, p. 3). More often than not, the accumulation of stressors can be linked to an increase in mental health problems (Flynn/ Betancourt/ Ormseth 2011; Baeza-Rivera 2015; Ortiz et al. 2016; Baeza-Rivera/ Betancourt/ Salinas- Oñate/ Ortiz 2019; and Fleming 2017). Paradoxically, the initial health advantage immigrants experience upon arrival in the more developed countries often deteriorates over time, despite the relative improvements in socio-economic status (cf. Maskileyson/ Birgier 2022). This situation leads to a general decline in well-being (cf. Ding/ Hargraves 2009, p. 446; cf. Ryan/ Deci 2000, p. 68) and even threatens the very idea of self-worth. Recognizing the impact of these predicaments serves as a pivotal moment to activate the instinctive mechanism of self-preservation, to re-evaluate their dire situation, and to find ways to address these challenges. Their solution, however, is far from being satisfactory. Retreat to the ‘Comfort Zone’ Out of balance and desperate to gain better control of the situation, many turn to their human safety net. In their vulnerable state, they take time off to recuperate and confine themselves to their native socio-cultural heritage baggage, thus creating a physical and mental place to fulfill their emotional needs. By adhering to their own ethnic and linguistic groups, they isolate themselves from the larger host community. In this safer environment, they can escape from “the locked-in sensation of being shut out—from other people, with their enviable, easy fluency” (Schwartz 2022). While this approach may provide a sense of ease and familiarity, it also reinforces language and cultural barriers, hinders integration, and limits opportunities for social and economic mobility. This often-scorned zone serves not only as a place to which people long to turn to, but also, more importantly, as a space to “reflect and make sense of things” (Schmutte/ Harte 2019) and recharge (cf. Barszcz 2022). Once their negative feelings of distress, depression, loneliness, sadness, shame, and embarrassment become less daunting, they regain a sense of belonging, “safety” (cf. ibid.), and self-worth. Perhaps, more significantly, they find this welcoming and accommodating haven has a positive impact on their overall well-being and mental health (cf. Liebkind 2001, p.-392). Attempting to regain equilibrium in life while fearing the loss of this precious newfound refuge can trigger the build-up of an invisible, protective, and isolating wall. Strictly speaking, overwhelmed by the complex and multifaceted emotions people face, their innate tendency is to cling to their beliefs and protect themselves in the constructed physical and psychological shelter. These core ‘Mid-Country’ Crisis: Adult Immigrants’ Trajectory to Third Language Proficiency 357 <?page no="358"?> beliefs are the central, deepest assumptions one holds about oneself and the world, and they cannot be shaken. Here, however, they tend to function as a double-edged sword. On the one hand, they serve as a tool of self-preservation, while on the other, they reinforce the stumbling blocks to L3 achievement. Con‐ trary to the host society and their own initial expectations, they draw strength from the familiar and comfortable and gradually build their own “parallel lives” on the social and economic margins, undermining the option of integration and social equality (cf. Orton 2012). Consequently, they end their troubled relationship with the host language by limiting themselves to the bare minimum of proficiency neccessary to meet their basic needs. This clearly indicates a correlation between their desire to preserve their cultural heritage identity and their intrinsic motivation to learn the L3. Those with strong emotional ties to their homeland may even reject the host culture (Cu3) altogether. They will consciously be willing to pay the economic price of “immigrant earnings” in order to maintain their past cultural ties, preserve their heritage, and recreate their old familiar reality to some extent. Lacking the ability to adapt to local life, they prefer to live in an area with a high concentration of people from their country of origin, which gives them a false sense of security without exposing them to new learning opportunities (cf. Schmutte/ Harte 2019). By building an impenetrable “home away from home,” they turn their comfort zone into a kind of a “ghetto,” in terms of us, the minority, versus them. The decision for total segregation or marginalization minimizes relations and interactions with locals. This approach encourages prejudice, stereotypes, and anti-social behavior on their part, and anti-immigrant attitudes on the part of the host population (see prediction model: stages of L3 acquisition - B). Ergo, the dream of new life opportunities vanishes. They unwittingly create a Tamieh, a word coined by the Alsatian author André Weckmann in his 2003 novel TamieHeimat. The unique term is actually the German word for homeland “Heimat” spelled backwards. Tamieh means everything that is the opposite of home, thus emphasizing the tension between the desire to belong and the experience of being an uprooted outsider. It thus highlights the complex relationship that immigrants develop with the concept of home and belonging. 358 Yael Rosenmann <?page no="359"?> Prediction Model: Stages of L3 Acquisition - A ‘Mid-Country’ Crisis - From ‘Honeymoon’ to ‘Comfort Zone’ - Adult immigrants’ trajectory to third language proficiency ‘Honeymoon’ Positive Feelings Highly Motivated Lower-Intermediate Levels (A2-B1-B2) Lower Levels (A1-A2) Relatively Motivated for ‘Textbook German’ Financial Restraints Emotional Disquiet Psychological Barriers Amotivated Quit Studies ‘Mid-Country’ Crisis Retreat to ‘Comfort Zone’ Achieving Initial Goal: L3 for Survival Needs Favorable Health Profiles ‘Mid-Country’ Crisis: Adult Immigrants’ Trajectory to Third Language Proficiency 359 <?page no="360"?> Prediction Model: Stages of L3 Acquisition - B ‘Mid-Country’ Crisis - Isolation in a Bubble Adult immigrants’ trajectory to third language proficiency ‘Mid-Country’ Crisis Retreat to ‘Comfort Zone’ Confine to the Bubble of “Heritage Baggage” (Native Social-Cultural) Safe, Belong and Recharge Keep L3 and Contact with Locals to Minimum Negative Feelings Alleviated Positive Impact on Well-Being “Tamieh” Physical and Psychological Shelter “Parallel Lives” - Prejudice and Anti-social “Immigrant Earnings” Ambivalent About a Change ‘Immune to change’ Not Considering a Change Receptive to Change Mental-Economic-Physical Hardships Third Stage of the Adult Immigrant Trajectory As a major stressor, the need to obtain adequate, long-term, well-paid employ‐ ment to ensure a decent standard of living, beyond mere survival, gradually becomes of high importance and triggers the understanding of their dependence on improving L3 competence. Recognizing the advantages and benefits their new countries offer, such as the excellent health care together with moderate cost of living (both in Austria and Germany), and, above all, the knowledge that their move to the new country is irreversible, they feel the pressure to get out 360 Yael Rosenmann <?page no="361"?> of limbo. The focus therefore shifts from what they might lose to what they might gain by improving their host language skills, i.e., obtaining higher paid and more skilled jobs and reducing the pay gap between “immigrant earnings” and native salaries (Bleakley/ Chin 2004). They are prepared to overcome their apprehensions, to acquire the necessary L3 language qualifications, and finally to free themselves from their sense of failure. This time, however, they are advancing their German competence in their own autonomous and self-directed way (cf. Merriam 2001, p.-7). Reaching this point in the lengthy process of acceptance and compliance that adult immigrants go through typically takes about ten to fifteen years, although not all will complete it. The desire to progress and improve one’s life leads to the elicitation of the core set of beliefs. This stage is followed by a re-evaluation and recognition of the high economic as well as social, mental, and psychological price associated with maintaining said self-limiting beliefs. Removing the psychological hurdle marks the beginning of the disengagement from the identity-based demotivating mindset. The renewal of studies aimed at mastering an L3, with openness and endorsement for new social and cultural norms (cf. Shepelenko 2017, pp. 117 ff.), is the next significant step. Finally, since “immigrants with very good language skills earn roughly 20 percent more than those who do not speak German well” (Scheidler 2014, see Figure 5), they will gain a sense of accomplishment and increase their chances for better economicsocial integration and life satisfaction (cf. Liebkind 2001, p.-392) in general. 300 Third Stage of the Adult Immigrant Trajectory As a major stressor, the need to obtain adequate, long-term, well-paid employment to ensure a decent standard of living, beyond mere survival, gradually becomes of high importance and triggers the understanding of their dependence on improving L3 competence. Recognizing the advantages and benefits their new countries offer, such as the excellent health care together with moderate cost of living (both in Austria and Germany), and, above all, the knowledge that their move to the new country is irreversible, they feel the pressure to get out of limbo. The focus therefore shifts from what they might lose to what they might gain by improving their host language skills, i.e., obtaining higher paid and more skilled jobs and reducing the pay gap between “immigrant earnings” and native salaries (Bleakley/ Chin 2004). They are prepared to overcome their apprehensions, to acquire the necessary L3 language qualifications, and finally to free themselves from their sense of failure. This time, however, they are advancing their German competence in their own autonomous and self-directed way (cf. Merriam 2001, p. 7). Reaching this point in the lengthy process of acceptance and compliance that adult immigrants go through typically takes about ten to fifteen years, although not all will complete it. The desire to progress and improve one’s life leads to the elicitation of the core set of beliefs. This stage is followed by a reevaluation and recognition of the high economic as well as social, mental, and psychological price associated with maintaining said self-limiting beliefs. Removing the psychological hurdle marks the beginning of the disengagement from the identity-based demotivating mindset. The renewal of studies aimed at mastering an L3, with openness and endorsement for new social and cultural norms (cf. Shepelenko 2017, pp. 117ff.), is the next significant step. Finally, since “immigrants with very good language skills earn roughly 20 percent more than those who do not speak German well” (Scheidler 2014, see Figure 5), they will gain a sense of accomplishment and increase their chances for better economic-social integration and life satisfaction (cf. Liebkind 2001, p. 392) in general. Austrians (Statistik Austria 2021, p. 67) 30,000 27,867 24,186 22,312 22,389 18,364 5,000 Austrians (in €) Non-Austrians (in €) 19,143 Figure 5: Annual net income (median) of individuals employed for the whole year 2004, 2009, and 2014 for Austrians and non-Austrians (Statistik Austria 2021, p.-67) ‘Mid-Country’ Crisis: Adult Immigrants’ Trajectory to Third Language Proficiency 361 <?page no="362"?> From Low Point to Turning Point: Taking Control As the famous saying goes, “Great things never come from comfort zones,” the same could be said of the adult immigrants who recognize that “(…) in order to learn, an individual needs to move from the comfort zone to the learning zone where growth and learning takes place” (Kouvela/ Hernandez- Martinez/ Croft 2018). And so, after a period of recovery, which normally lasts from a few months to a few years, some immigrants explore ways to improve their inadequate level of L3. At this point, it is important to note that adult immigrants who abandoned their TLA can be divided into three main categories. There are those who are ‘immune to change,’ namely, have no motivation whatsoever to improve their TLA and leave their bubble; others who are ambivalent about the situation and have a low level of motivation to enhance their L3; and those who are looking forward to meaningful progress. Even for those in the third group, the resumption of studies after the hiatus is done half-heartedly for a while until the balance is finally tipped. This time, however, the migrants who have made up their minds and followed through with their decision are doing so with gusto. Most goal-driven adult immigrants realize that the formal, conservative methods of classroom learning that had served them to achieve lower levels of proficiency are no longer appropriate. Traditional learning approaches aim to establish a common denominator and do not take into account the diverse experiences and motivations of the learners (cf. Benson/ Reinders 2016, p. 3). A good example of this problem are the so-called specifically designed “integration courses” in Germany, which were introduced by the Zuwanderungsgesetz (Immigration Law 2004). Research has shown that these courses “do not address the urgent and practical needs” of immigrants’ new lives. Moreover, they “seldom acknowledge the experiences, expectations, and patterns of interpre‐ tation from their lifeworld” and force them to “invest time and energy” in “educational requirements” that do not meet their goals (Kloubert/ Hoggan 2021, p. 31). Therefore, there is a growing demand to replace outdated methods with more tailored practices that move away from rigid discipline, costly accreditation, standardized curriculum, and group-centered teaching (cf. Senior 2012, pp.-38 ff.). Rather than formal one-size-fits-all methods, individuals seek alternative approaches to progress at their own pace. This allows them to engage with L3 according to their personal strengths and interests. By moving away from the conservative perspective, learners can overcome the limitations imposed by a standardized curriculum and strict teaching methods. They can ultimately achieve higher levels of language proficiency in a more flexible and engaging 362 Yael Rosenmann <?page no="363"?> way by replacing the official German courses with a unique, unorthodox mix of random lessons with a private tutor, sporadic official courses, and self-taught modern apps and websites. This mostly uninstructed manner may seem unwise at first glance. Yet, thinking about the way one acquires one’s mother tongue supports and reinforces the notion that educational institutions are neither the only nor the natural place for language learning. With considerable personal commitment and Herculean effort, these autonomous and self-directed learners take the initiative, aiming at fulfilling their needs (cf. Knowles 1975, p. 18) in “the school of life.” Language Learning the Natural Way: Language Immersion Armed with “motivation, resolution and dedication” (Andrew 2012, p. 107), they adopt “the world is my classroom” approach. Given that, as mentioned earlier, educational institutions are definitely not the natural nor the only place to learn a new language (cf. Sandlin/ Schultz/ Burdick 2010, cit. from Benson/ Reinders 2016, pp. 10 f), one can encounter and take in TLA at every turn. The contrast between these two “classroom” practices is immediately amplified. No longer confined to a classroom, they have the time and freedom to absorb the language in their own learning style. This allows them to address their specific needs and requirements, which orthodox language teachers usually cannot provide. Especially those who teach their L1, “assume that all learners have the same backgrounds and learning needs” (Guo 2015, cit. from Kloubert/ Hoggan 2021, p. 30). Encouraging L3 learners to find their own materials and methods to learn a language allows them to not only take charge of their studies but also evaluate their performance and track their individual learning progress (cf. Tanır 2020, p.-132). They thus become much more attentive to their surroundings and adopt a strategy similar to that of children acquiring their native language (L1). Like them, they absorb the language in a natural way, incorporating learning activities into their daily lives. Using their senses as facilitators, they extract the relevant parts of the speech stream and absorb information and vocabulary. They also learn the acceptable combinations of sounds, words, speech patterns, and sentences, usually with little or no explicit instruction (cf. Beyza/ Asli 2022). With the right approach and mindset, they seek creative ways to replace textbooks with their own appropriate strategies and advance their studies with numerous non-formal learning opportunities. The visual learner, for example, focuses on reading websites, menus, lyrics, and advertisements. The creative auditory learner enriches the “library of sounds” (Doidge 2007, p. 48) by ‘Mid-Country’ Crisis: Adult Immigrants’ Trajectory to Third Language Proficiency 363 <?page no="364"?> replacing the well-rehearsed, clear, slow voice of the teacher with overhearing local conversations, talking one-on-one conversations with native speakers, and replaying songs and announcements heard in public places. The kinesthetic person absorbs his or her knowledge by strolling through a variety of settings in the new environment. Knowing that the more exposure to the language, the faster it will be picked up, they make all these encounters purposeful and goal oriented. In conclusion, language learning is a complex and multifaceted process with no single approach or method that works for all. It is therefore essential for the educators, as well as for curriculum developers and administrators, to promote an effective range of learning strategies and materials that can address the diverse needs of a wide range of learners and hopefully shorten and improve the learning process. In addition, researchers claim that individuals who are interested in devel‐ oping their own language learning strategies have high levels of sustained motivation and their performance is positively impacted (cf. Tanir 2020, p. 132). After all, motivation is believed to be “one of the key factors to learning” (Farhady/ Delshad 2007, p. 218). It is “the reason underlying behavior” (Guay et al. 2010, p. 712) in general, as well as one of the most important factors affecting the process and the success of acquisition inside and outside the classroom (cf. Oroujlou/ Vahedi 2011, cit. from Tanır 2020, p. 142). Some acquire a “well-rounded communicative proficiency due to their efforts to use and learn the language (also) beyond the walls of the classroom” (Benson/ Reinders 2016, pp. 2 ff.). Others produce an accented confusing mixed level of the language. They combine advanced and rich vocabulary (partly through loan words and phrases from their L1 or L2) with conspicuous grammatical errors (cf. Hartshorne/ Tenenbaum/ Pinker 2018, p.-263). Mental Shift Immigration is a tremendous life milestone that triggers an ever-changing emotional roller coaster with many inevitable, significant adjustments. When the dream of immigration seems lackluster, and the psychological hurdle to TLA leads to a dire financial, social, and mental situation, the circumstances gain an objective picture, and the desire to map out a better future develops. However, not all immigrants are capable of overcoming the psychological turmoil that pre‐ vents them from improving their mental, social, and financial well-being. Seeing that people tend to “hold their beliefs to be true and these beliefs then guide how they interpret their experiences and how they behave” (cf. Wenden 1998, cit. from Mercer/ Ryan/ Williams 2012, p. 78) brings to mind the effect of the deeply 364 Yael Rosenmann <?page no="365"?> rooted core beliefs. Psychological barriers are the most powerful impediments to long-term motivation and the pursuit of success, usually associated with “selfdissatisfaction, worries, internal anxiety, (and) low self-esteem” (Ipatova 2019, pp. 331 ff., cit. from Akhmetova et al. 2020). The extent to which people maintain or revise their core assumptions is highly dependent on the internal dynamics of the fixed or growth mindset. People who live according to the fixed mindset loyally adhere to their commitments to preserve these beliefs and worldviews. They believe that identity, cultural heritage (Cu1), and abilities are set in stone and cannot be altered. As “conscientious objector(s)” (Piller 2019), they value their so-called “immunity to change” (Kegan/ Lahey 2009). At this stage, these individuals develop a greater loyalty to their inherited ties and a justification for their strong resistance to change. They surround themselves with an invisible wall of isolation and protection, their main drawback on the path to integration, and content themselves with low L3 competence. At the same time, others are more open to challenges and long-term goals and see resilience as “essential for great accomplishment” (Dweck 2020). In an article titled “The importance of adopting a growth mindset in your teaching”, the University of Massachusetts (2021) further argues that conscious and unconscious abilities such as “brains and talent are just the starting point” that can be developed and improved through dedication and hard work. Reflecting on the long-term consequences can lead to a dynamic mental shift, which softens their initial clinging to what learners now see as limiting beliefs rather than fundamental truths. Adults whose mindset is receptive to change can be liberated from their psychological resistance. Once this setback is removed, these immigrants regain a sense of purpose and develop the drive to continue learning German in the hope of a better future. More importantly, research has found that “the longer the length of residence in the host country, the fewer the difficulties in adapting to sociocultural structures and functioning,” consecutively leading to “lower rates of acculturative stress and fewer mental health symptoms” (Baeza-Rivera et al. 2022, p. 4). In addition, their deflated selfesteem rises, and they experience both personal and professional growth (cf. Tucci/ Eisnecker/ Brücker 2014, p.-1157) (see Figures 6 a-d). ‘Mid-Country’ Crisis: Adult Immigrants’ Trajectory to Third Language Proficiency 365 <?page no="366"?> totally native 48.3% rather native 37.8% rather less native 9.4% not at all native 2.1% totally native 53.8% rather native 35.1% rather less native 9.4% not at all native 1.8% totally native 37.1% rather native 47.4% rather less native 14.2% not at all native 1.2% totally native 26.3% rather native 40.7% rather less native 27% not at all native 6.1% Figure 6a: Immigrants: Do you feel at home in Austria (under five years)? Figure 6b: Immigrants: Do you feel at home in Austria ( after 5-15 years)? Figure 6d: Immigrants: Do you feel at home in Austria (immigrants with longer migration history in total 2021)? Figure 6c Immigrants: Do you feel at home in Austria (over 15 years)? Figures 6 a-d: Do immigrants feel at home in Austria? (Statistik Austria 2021, p.-97) Aim and Study Design In order to better understand and determine how to promote L3 (German) proficiency among a significant portion of immigrants beyond the lowerintermediate level, the author of this article conducted a qualitative study. A dual data collection method was employed: A questionnaire (see Appendix A), which aimed to reveal a distinct intrinsic motivation and developed approach to L3 acquisition, and an interview (see Appendix B). After completing the questionnaire, participants were interviewed individually to address the four 366 Yael Rosenmann <?page no="367"?> sub-research questions (SRQs), which correlated with three different stages as follows: Short-term: SRQ 1: The first question aims to explore the participants’ level of motivation in the early stages. How motivated were they while studying at the lower (A1-A2) and lower intermediate (B1) levels? Mid-term: SRQ 2: This question focuses on the psychological process that participants go through as they approach advanced German (B2). It seeks to understand the reasons for their taking a breather as well as for the official and unofficial resumption of TLA. Long-term: SRQ 3: The third question is designed to determine the extent to which psychological, socio-cultural, or financial hardship triggers the renewal of TLA to a higher level (B2-C2). SRQ 4: The closing question aims to learn about the long-term socio-cultural aspects of integration. These four SRQs were divided into sections aimed at assessing attitudes and intrinsic motivation for the first stage, SRQ 1, the lower and lowerintermediate levels of German proficiency (Q 1- Q 6); the second stage, SRQ 2, intermediate levels (Q 7-Q 13); and the third stage, SRQ 3, higher-intermediate and high levels (Q 14- Q 18), as well as SRQ 4, the socio-cultural aspect (Q 19). Legend: A - This statement never or rarely applies to me, B - This statement sometimes applies to me, C - This statement applies to me about half the time, D - This statement often applies to me, E - This statement almost always or always applies to me. Based on Maunder et al. (2012), qualitative methodology allows immigrant voices to come to the forefront. Thus, the in-depth semistructured interviews were conducted to highlight the freely expressed opinions of interviewees in their own words. Given the choice to be interviewed either in English or German, all but one chose the former. By answering these subresearch questions for each phase, the study aims to provide a comprehensive understanding of the motivational obstacles, and facilitators, that influence participants’ decisions to abandon and to resume their studies beyond the lower- ‘Mid-Country’ Crisis: Adult Immigrants’ Trajectory to Third Language Proficiency 367 <?page no="368"?> intermediate level. The study also reflects on their attitudes towards the host culture (Cu3) and integration. The accumulated data was then used to shed light on the way to develop effective language learning programs and policies that better support the L3 requirements of the immigrant population. Methods The 23 participants selected are a rather heterogeneous group. They varied not only in their L2 competence, the number of languages they spoke (3-8, see Figure-7), the degree of exposure to L3, the level of German proficiency (B1- C2)—among them a German teacher for adult immigrants—but also in their cultural background and length of residence in Austria (14.7 years on average, see Figure-8). Their ages ranged from 22 to 65 years, with an average age of 44.1 years, which was of the utmost importance for the research, as “most people with a migrant background in Austria are between 40 and 64 years old (34.4 percent), closely followed by the 20-to 39-year-olds (33.5 percent)” (cf. Previdelli 2022). Between them, they spoke fifteen languages as their respective L1s. Fourteen of them (60.87%) were female and nine (39.13 %) were male. They originated from three continents and 16 countries and regions: Azerbaijan, Brazil, Hungary, Israel, Italy, Iran, Iran (Kurdistan), Kazakhstan, Macedonia, People’s Republic of China, Poland, Russia, Serbia, Slovakia, Spain, Ukraine, and Zambia. In addition, 11 of them (47.82 %) had a German or Austrian partner. In terms of education, most were highly educated; one (4.34 %) was an undergraduate, four (17.39 %) had a BA degree, two (8.69 %) were Dipl. Ing., eight (34.78 %) had an MA degree (one in German), and the remaining seven (30.43 %) had a PhD (see Figure-9). All had their significant exposure to tertiary language only in adulthood (age 22 and older). None were selected on the basis of Warren’s theoretical sampling strategy, which suggests that “the interviewer seeks out respondents who seem likely to epitomize the analytic criteria in which (the researcher) is interested” (Warren 2001, p. 87). In sum, they underwent different immigration occurrences, albeit they spoke with a relatively unified voice about their shared experiences. 368 Yael Rosenmann <?page no="369"?> 306 which suggests that “the interviewer seeks out respondents who seem likely to epitomize the analytic criteria in which (the researcher) is interested” (Warren 2001, p. 87). In sum, they underwent different immigration occurrences, albeit they spoke with a relatively unified voice about their shared experiences. Figure 7: Number of lang Figure 8: Length of stay in Austria Figure 9: Education level of participants 2 2 1 11 7 three languages: 11 four languages: 7 five languages: 1 seven languages: 2 eight languages: 2 14.7 5 4 10 5 6-10 11-20 20-30 average years years years length of stay Figure-7: Number of languages spoken by participants 306 Slovakia, Spain, Ukraine, and Zambia. In addition, 11 of them (47.82 %) had a German or Austrian partner. In terms of education, most were highly educated; one (4.34 %) was an undergraduate, four (17.39 %) had a BA degree, two (8.69 %) were Dipl. Ing., eight (34.78 %) had an MA degree (one in German), and the remaining seven (30.43 %) had a PhD (see Figure 9). All had their significant exposure to tertiary language only in adulthood (age 22 and older). None were selected on the basis of Warren’s theoretical sampling strategy, which suggests that “the interviewer seeks out respondents who seem likely to epitomize the analytic criteria in which (the researcher) is interested” (Warren 2001, p. 87). In sum, they underwent different immigration occurrences, albeit they spoke with a relatively unified voice about their shared experiences. Figure 7: Number of languages spoken by participant s 2 2 1 11 7 three languages: 11 four languages: 7 five languages: 1 seven languages: 2 eight languages: 2 16 14 12 10 8 14.7 6 4 2 5 4 4 10 0 2-5 6-10 11-20 20-30 average years years years years length of stay Figure-8: Length of stay in Austria 306 Slovakia, Spain, Ukraine, and Zambia. In addition, 11 of them (47.82 %) had a German or Austrian partner. In terms of education, most were highly educated; one (4.34 %) was an undergraduate, four (17.39 %) had a BA degree, two (8.69 %) were Dipl. Ing., eight (34.78 %) had an MA degree (one in German), and the remaining seven (30.43 %) had a PhD (see Figure 9). All had their significant exposure to tertiary language only in adulthood (age 22 and older). None were selected on the basis of Warren’s theoretical sampling strategy, which suggests that “the interviewer seeks out respondents who seem likely to epitomize the analytic criteria in which (the researcher) is interested” (Warren 2001, p. 87). In sum, they underwent different immigration occurrences, albeit they spoke with a relatively unified voice about their shared experiences. Figure 7: Number of languages spoken by participant s 2 2 1 11 7 three languages: 11 four languages: 7 five languages: 1 seven languages: 2 eight languages: 2 Figure-9: Education level of participants After being informed about the subject of the study, participants were given the questionnaire with sufficient time to complete it. The form consisted of eleven short background questions, followed by a series of 19 close-ended questions related to the four research SRQs mentioned above. The main data collection tool was the semi-structured interviews, which were conducted according to a predefined set of 18 guiding open-ended questions and statements for discussion. The interviews lasted an average of 30 minutes, took place in a face-to-face setting at a time and place convenient to the participants, and were, with the consent of the interviewees, audio-recorded. Shortly afterwards, the interviews ‘Mid-Country’ Crisis: Adult Immigrants’ Trajectory to Third Language Proficiency 369 <?page no="370"?> were transcribed with common phrases underlined, and analyzed according to the SRQs. They were designed to give voice to the participants’ personal perspectives. More importantly, the interviews allowed them to elaborate on the theme addressed in the questionnaire, namely the dynamics of their attitudes towards the language of their new country. Results The primary objective of this study was to gain a comprehensive understanding of the process that stimulates adult immigrants around the world to resume learning the host language beyond limited proficiency after a short or a pro‐ longed hiatus. Integrative motivation was a major factor influencing the attitude of immigrants towards L3 acquisition and was identified as deeply connected to their core set of beliefs. Given the multifaceted nature of motivation, this study assessed four of its principal elements: the importance of TLA, the rate of completion at each level, openness to the host culture (Cu3), and the reasons for studying or not, including personal instrumental and overall gains. SRQ 1: Short-term The issue of motivation at lower (A1-A2) and lower-intermediate (B1) levels was addressed by questions 1-6 of the questionnaire. While attempting to acclimatize, most (18) participants agreed on the impor‐ tance of the lower levels (A1-A2) of German (Q1, 78.26 %). Both men and women alike felt obliged to learn the basic levels of the host language as quickly and efficiently as possible, thus demonstrating that age and gender are not predictors of the ultimate L3 performance potential of immigrants from a wide range of backgrounds. Logan explained the reasoning behind his decision in terms of feeling limited and “not whole.” He wanted to express himself just as he was used to doing in other languages. While attending the beginners’ courses, nearly all the interviewees were highly motivated (Q3, 18, 78.26 %) and studied these levels (Q2) rather quickly and seriously (78.26 %). Enjoying this short ‘honeymoon period,’ which typically does not last more than a couple of months, the excited students, with virtually no prior knowledge of the language, are delighted to be able to utter basic sentences in simple daily interactions. Armed with a positive mindset, they feel rather euphoric and see their new environment in a romantic light. They perceive L3 as a means of communication for matters of immediate needs, hence hold great expectations for their future. Moreover, new studies underline the fascinating plasticity of the adult brain during the 370 Yael Rosenmann <?page no="371"?> initial stage of foreign language learning, even after a short semantic training (Steber/ Rossi 2021). Pier compared this strong drive to communicate to oxygen, while Simon called this fundamental human need for social interaction the key to being understood. He likened it to “medicine for all your bad feelings and problems.” Unfortunately, this euphoric feeling does not set the tone for the following phases. At the lower-intermediate level (B1), when learners typically gain confidence in producing simple texts on personal and familiar topics, the responses were less definitive. Although the majority agreed on the importance of reaching this level (Q4) for achieving a sufficient command of the host language, they (Q19, 82.6 %) indicated that, at that stage, they studied not as quickly and less seriously (Q5, 14, 60.89 %) and with slightly lower motivation (Q6, 16, 69.56 %). Zuzanna, who already speaks seven languages, stated that she still hasn’t found the beauty of the language, and Oana likened speaking German to having sand in her mouth, indicating their struggle with the language. Similarly, Aza described her level of German as “fine for daily communication” with some mistakes, while Lara expressed her frustration at not being able to communicate her thoughts effectively. Figure-10: Motivation of participants throughout TLA levels communicate her thoughts effectively. Figure-11: German level of the participants It should be noted that out of the 23 participants, only a minority of six individuals (26.08 %) pursued formal TLA, while the majority of 17 (73.91 %) opted for informal learning methods (see Figure 11). These results could be ‘Mid-Country’ Crisis: Adult Immigrants’ Trajectory to Third Language Proficiency 371 <?page no="372"?> attributed to the feeling of detachment, as expressed by Enrique, and not being a part of the local culture. SRQ 2: Mid-term The psychological process they underwent on the brink of advanced German was illustrated to some extent by the answers to questions 7-13 of the ques‐ tionnaire. In contrast to the almost unanimous tone heard in relation to the elementary levels (A1-A2), it became less homogeneous as the participants progressed to the intermediate levels. Most of the participants acknowledged the tremendous advantages of further studies (Q4, 19, 82.6 %) and felt the need for a higher level of German in their professional or social life (Q7, Q9, 13-15, 56.52 %-65.21 %). Some even felt unsure whether the level they had already acquired was sufficient for the job market, but they nonetheless decided to abandon their studies. This critical act of turning their back on furthering their knowelge of the language reveals the emotional anxiety and inner turmoil they experience. The responses of 18 participants (78.26 %) to Q10 showed that they understood the need to continue studying once they found employment; however, it was unclear whether they would actually resume their studies. The primary task of immigrants is meeting survival needs and finding a job in the host country. Once this initial goal is achieved, based on the elementary language skills they have acquired, the drive to continue L3 studies decreases. Having achieved their initial goal, they find no reason to continue TLA. Deci and Ryan defined extrinsic motivation as doing an action that “leads to a separable outcome” (2000, p. 55), i.e., the reward is extrinsic to the activity (Deci/ Vallerand/ Pelletier/ Ryan 1991, pp. 328 ff.; Lucas et al. 2010, pp. 6 f.). When a learning task is no longer valued and is not seen as an integral part of one’s life, one loses one’s motivation, i.e., suffers from “amotivation” (Ryan/ Deci 2000, pp. 71 f.). Failing to see the connection between behavior (advanced learning task) and outcome (cf. ibid., pp.-70 ff.) learners give up their studies and retreat to the ‘comfort zone’ (see prediction model: stages of L3 acquisition - A). The situation could be irreversible unless they recognize the importance of the host language (Q10). To reignite intrinsic motivation, one should set new meaningful goals, such as enhancing communication abilities at work, expanding social circles, as well as better understanding the local culture (Cu3). Eventually, as Q12 demonstrates, the new task ahead becomes obvious. Most interviewees (19, 82.6 %) recognized the urgency to renew their studies, took the initiative, either formally or informally (Q13), and were rewarded by meeting their economic, social, and cultural objectives. 372 Yael Rosenmann <?page no="373"?> SRQ 3: Long-term The trigger for renewing TLA was addressed in questions 14-18. When one thinks about New Year’s resolutions or looks at people who need to make immediate, fundamental changes, it becomes clear that ingrained behaviors and beliefs are extremely difficult to change. As a result, the following questions come to mind: What brings adult immigrants to the point of self-generated doubt about their deeply held beliefs? Why do they feel the need to overcome this stagnant barrier? And finally, what are the main reasons for reconsidering their core beliefs, adopting a new perspective, and gaining the self-determined drive to resume German studies? The key to this decisive step and new burst of motivation becomes clear in their responses to both the questionnaire and the interview. Yearning to be a part of their new country of choice and to improve their financial, mental, and socio-cultural situation, they seek ways to fulfill the immigrant dream. The shift occurs with the understanding that their ‘heritage baggage,’ their inherent beliefs, literally limits them. Brownlee, Boulton-Lewis, and Purdie differentiated between core and peripheral beliefs. Whereas the first are embedded, fundamental, and unlikely to change, the latter are “derived from the core beliefs and are more easily reflected upon and change” (Brownlee/ Boulton-Lewis/ Purdie 2002, p.-1). Since their identity is intertwined with these peripheral beliefs, the transformation in mindset changes the way they perceive themselves. As Mahatma Gandhi said, “Man is but the product of his thoughts. What he thinks, he becomes.” “Rebooting the mind,” as Pier called this significant development, inspires a new focus and purpose and serves as a powerful motivator (cf. Hagger 2020, p.-104). It is at this stage that they first become aware of the tyranny of English, their lingua franca (L2) and their mother tongue (L1), and begin to view them as a double-edged sword. The older we get, “the more our (L1 and L2) (…) dominate the linguistic map space,” (Doidge 2007, p. 47) and new languages struggle to challenge their status. Nevertheless, L3 gained importance in the eyes of the participants who wished to increase their income and employment prospects (Q16, 18, 78.26 %), their social life (Q17, 18, 78.26%), and the likelihood of integration (Q18, 17, 73.91 %). As Irena summed it up nicely, “With the minimum, you get the minimum; ” hence, instead of seeing limitations, they see possibilities. Feeling liberated from past ties and the dominance of L1 and L2, they resume their studies, formally or informally, with a higher level of motivation (Q15, 19, 82.6 %) compared to the lower-intermediate levels (Q14, 17, 73.91 %) (see Figure 10). Gaining a sense of purpose helps them maintain the momentum. In rich and metaphorical language, most participants claimed that in order to achieve the immigrant dream, one must roll up one’s sleeves, get off ‘Mid-Country’ Crisis: Adult Immigrants’ Trajectory to Third Language Proficiency 373 <?page no="374"?> one’s high horse, or “take off one’s heels to go the distance” (Kazakh phrase, Olga). Alongside the improvement of their language competence, L3 becomes an integral, joyful part of their lives. The hard work pays off and provides the key to “unlocking the door to full integration” (Giuseppe). Moreover, their lifechanging commitment increases their vitality (cf. Nix/ Ryan/ Manly/ Deci 1999, p. 266), well-being (cf. Sheldon/ Elliot 1999, pp. 483 ff.), mental happiness (cf. Tucci/ Eisnecker/ Brücker 2014; Ryan/ Deci 2001, pp. 150 ff.), and quality of life (see prediction model: stages of L3 acquisition - C). As a result, they do not perceive themselves as immigrants and see their present and future in Austria (82 % of participants). No longer foreigners, some form their unique local identity (Branimir), while others create a hybrid one. This idea of striking roots was captured so beautifully in Orna Ben-Ami’s sculpture “Roots” (1999). Such is LXS, who is “half Chinese and half Austrian” but “belongs” in both countries. The second generation adapts more easily, as the beautiful deduction of LXS’s daughter (6) demonstrates: “Mommy, both you and daddy are Chinese, what about me? ” and then answers her own question: “I’m from Kärnten” (a southern region of Austria). SRQ4: The cultural aspect (Q19) Question 19 was designed to determine the extent to which participants’ openness to the host culture influenced both their decision to continue studying German beyond the lower intermediate level and their motivation to do so thereafter. In addition, it sheds light on the interrelationships between language proficiency and cultural competence and the importance of developing both simultaneously. Mastering the two enables effective communication while bridging foreign and potentially conflicting social etiquette, customs, and traditions. A major obstacle faced by adult immigrants is the intersection or clash of cultures, i.e., the inherited one (Cu1), the second one acquired through the lingua franca (Cu2), and the host culture (Cu3). All the more so when there is a cultural distance (cf. Raza/ Singh/ Dutt 2001, p. 300), namely great differences in perceptions and norms. Those who are tolerant towards cultural differences are able to bridge rich and diverse cultures and positively impact their host country’s harmonious social fabric. Children who attend educational institutions where the local culture is part of the curriculum learn both language and culture from day one. Schools play a crucial role in instilling cultural competence and intercultural understanding in young minds. Adults, on the other hand, tend to acquire basic language skills (A1-A2) without being exposed to the cultural aspects of the host country. Upon leaving the protected walls of the L3 classroom, 374 Yael Rosenmann <?page no="375"?> they face many misunderstandings and prejudices. Confused, they realize that their lack of basic knowledge of the local culture is at the root of these problems. They try to compensate for this disadvantage by accumulating and absorbing these habits and values without proper guidance. It should be noted that young pupils usually have only one culture and language (Cu1, L1) and that attending school exposes them to a second (Cu2 and L2), while adults are confronted with at least their third culture and language. The findings of this study may contribute to developing language learning programs that incorporate the highly important cultural aspects to facilitate overall integration. The responses to the last statement of the questionnaire, “Nowadays I like the German language and Austrian culture much more” (Q19), demonstrated that the majority of the participants (19, 82.6 %) developed a positive attitude toward the local way of life. This significant shift illustrates the process they went through: from culture shock to finding foreign social behaviors and norms somewhat intriguing to tolerating and appreciating their unique characteristics. Step by step, the breaking down of barriers paves the way for cultural acceptance and respect for the values and beliefs of the host country. This, in turn, reduces friction between foreigners and locals and widens the gap between immigrants and their native culture (Cu1). In a nutshell, learning a language is not only about mastering syntax, semantics, phonology, morphology, and grammar, but also about appreciating L3 culture and the cultural references embedded in it. Embracing this integral part becomes a facilitator of linguistic competence and a motivator for full L3 acquisition, serving as a powerful gateway to successful integration. Discussion “According to the United Nations Department of Economic and Social Affairs, as of 2017, 257.7 million people worldwide” were living in a country other than their country of origin (Kloubert/ Hoggan 2021, p.-29). The process of integrating into a new country typically involves distinct short-, medium-, and long-term stages as one transitions from outsider to insider. Each stage is identified by a different attitude toward L3 and a distinct goal. “To pursue a goal, a person needs a ‘why’-oriented approach that focuses on motivation, reasons, and rationale” (Hagger 2020, p. 99). The first stage is often characterized by excitement and a sense of adventure. During this “honeymoon period,” the primary motivator, the initial ‘why’ for acquiring L3, is financial, namely finding employment. The middle stage is a downhill adjustment period, which slows down their momentum. Since their new reality is far removed from their immigrant dream, many may ‘Mid-Country’ Crisis: Adult Immigrants’ Trajectory to Third Language Proficiency 375 <?page no="376"?> retreat into their ‘comfort zone,’ limiting their exposure to new experiences and interactions. The main reason for not pursuing their TLA is a mental one: the fear of distancing themselves from their heritage and losing their cultural identity. For some, this is the end of the journey, whilst for others it is a turning point. Having identified the core set of beliefs as self-limiting stumbling blocks, they move on to the long-term phase, equipped with a new ‘why’. No longer willing to pay the cost of maintaining these beliefs, they justify resuming their studies with lasting personal, social, psychological, and professional reasons. In the long-term phase, this rationale becomes more pronounced with their newly adopted attitude and behavior. Devoting more time, effort, and money to support these goals, they benefit from a wide range of opportunities and develop concrete changes in their lifestyle. They may find that their learning strategies evolve over time while inte‐ grating new effective personal and social encounters. Furthermore, socializing and forming beneficial brand-new relationships and professional networks encourage their personal growth and reinforce their decision to improve their L3. At the same time, it is vital to recognize the diversity of the immigrant background since there is no single “immigrant” identity or experience. Identifying the motivations of adult immigrants to study TLA and facilitate their integration into their host country is of global importance. Language Hierarchy Shift and Its Reward The findings of this study suggest that higher motivation to study L3 is related to several factors, including social-financial ones. Moreover, remembering the reasons for immigrating contributes to a significant inner transformation and perspective on key issues in life, thus promoting a new respect for the country that welcomed them and the people “who opened their country to me” (Lara). Feeling gratitude for the financial opportunities that immigration provides (Olga, Pier, Giuseppe, Simon, Irena, Enrique, and Brigitta), as well as a genuine sense of privilege (Beddington 2023) in their place of residence, reignite not only the desire to master the language, to “contribute” and “give back to the host society with open hands” (Simon), but also sparks a sense of love. Since “a change in beliefs results in a change in behavior” (Orbell/ Zahid/ Henderson 2020, p. 53), this intense, intimate personal experience leads to long-term motivation to improving the language, thus creating a never-ending cycle of progress toward fluency. The increase in self-confidence, self-esteem, and general life satisfaction elevates the status of L3 to second or perhaps even first place in the hierarchy of the immigrant’s arsenal of spoken languages. Most people are unable to pinpoint the exact moment that the transition took place and residence 376 Yael Rosenmann <?page no="377"?> in the new country became a favorable reality. Enrique, for example, remembers his third-year shift, but no one remembers it as clearly as Zuzanna, who two years ago, asked her Austrian partner for a very special Christmas gift: To speak German at home on a regular basis. In short, the language, initially considered a mere tool for basic survival, turns out to be highly relevant for achieving important personal goals (financial, socio-cultural, and emotional). Weighing the pros and cons of the innate desire to preserve past heritage against the amelioration of their present economic, emotional, and social hard‐ ships, the balance tips in favor of the latter. Once relieved of the burden of the past, they no longer compare the familiar features of their former life with their present one, and their attitude towards L3 becomes one of appreciation and enjoyment (cf. Dewaele/ MacIntyre 2014, cit. from Dewaele/ Alfawzan 2018, p. 40) (“adapt and accept” Simon). As a result, practicing the pronunciation of new sounds to the point of aching facial muscles and immersing oneself in the idiosyncrasies of the language gain meaning and a sense of fulfillment. They experience the joy of finding their own voice, expressing themselves in a variety of situations, conversing with people from different walks of life, and no longer being excluded. Maintaining their commitment to L3, adult immigrants turn a blind eye to the language elements they are less comfortable with and celebrate their favorite ones. Moreover, their growing love for the language and the excitement of their increasing success stimulate the eagerness to expand their knowledge with the beauty of precision (EAD), nuance, rhythm, sentence structure, and so on. Acknowleding the German-Austrian cultural references in the language, they feel enriched by its values and implement them out of appreciation and respect. Ludwig Wittgenstein, the esteemed philosopher, proclaimed, “Die Grenzen meiner Sprache bedeuten die Grenzen meiner Welt.” A free translation of this statement would be, “The limits of my language are the limits of my understanding, percepting and expressing my world.” This underscores the intrinsic connection between language and views, as words and structures restrict and shape reality. However, introducing additional languages inherently expands the horizons, especially since “no two languages are ever so similar that they represent the same social reality” (cf. Sapir 1929, cit. from Guessabi 2019). Embracing linguistic diversity transcends the limitations imposed by a single one and opens up a richer range of expression. Since each language has distinct characteristics, it enables its speakers to convey their ideas in a unique way that may not exist in other languages. Therefore, exposure to new languages provides access to a wider range of perspectives and cultural and intellectual landscapes. Over the course of typically ten to fifteen years, adult immigrants will not only be able to follow the thread of a conversation but also recall correct patterns ‘Mid-Country’ Crisis: Adult Immigrants’ Trajectory to Third Language Proficiency 377 <?page no="378"?> of vocabulary and grammar from memory (cf. Steber/ Rossi 2021), put them in context, and respond while voicing feelings and opinions—all in a timely manner. The reward for this is a sense of inclusion in the host society and “feeling at ease with oneself and one’s surroundings” (cf. Miller 2003, cit. from May 2011, p. 368). The philosopher Karl Jaspers once said, “Home is where I understand and where I am understood.” For some immigrants, home is the physical place where one was actually born; for others, it is where one currently resides and feels comfortable. As LXS put it, “the more I stay, the more I love it here. I found my new home” (see Figures 6 a-d). Feeling connected to their new environment “decreases loneliness, improves self-worth, and fosters a feeling of emotional attachment to other people” (cf. Krause 2011, cit. from Salami et al. 2019, p. 29). Since “migrants who have social contacts with non-migrants are happier than those who interact only with other migrants” (Tucci/ Eisnecker/ Brücker 2014), they experience greater life satisfaction. Gradually, most of them develop strong and long-lasting interpersonal relationships as well as meaningful friendships, which positively influence their level of proficiency (cf. Meng/ Gregory 2005, pp. 12 f.). This theory is clearly supported by the responses of 11 interviewees (47.82%) who have native-speaking partners. Enjoying social interactions, close emotional and supportive ties with interethnic people in their geographic environment (Nora, Roshy) (Orton 2012, p. 16) facilitate a strong community-based bond (cf. Berry 2005, pp.-697 ff.; cf. Schwartz/ Unger/ Zamboanga/ Szapocznik 2010, pp.-239 ff.) and an affiliation with local society (Brigitta, Anna). At this stage, adult immigrants wish to distance themselves from the common image of foreigners and outsiders (Lara, Aza, and Branimir) who “never belong anywhere” (Nina) and “live within a bubble” (Enrique). They are tired of being extremely reliant on others, especially when confronting authorities, and resisting the belittling sensation of dependence while dealing with official bureaucratic procedures (Pier), medical emergencies (Roshy and Suzanna), education institution (Nina) and other. The urge to be in control and independent as well as avoid frustrating occurrences in the maze of obstacles is a powerful drive to improving their German (A. E., Pier, Oana, Roshy, Brigitta, and Zuzanna). With each encounter, attitudes are re-evaluated, and the blocking walls of prejudice are broken down brick by brick. This promotes the growing desire to develop multifaceted eloquence in the language covering every aspect of life: From formal to informal everyday conversation, as well as social interaction, slang, and dialect, to body language. Not just textbook German, but rather an enhanced authentic and rich command of each layer of the language (LXS, Aza, and A. E.) together with cultural norms (Cu3), and deeply embedded aspects of the social, political, and economic life (Kloubert/ Hoggan 2021, p.-29). 378 Yael Rosenmann <?page no="379"?> Reaching a “native-like” level of proficiency, one hits a plateau while still missing the fine nuances of the language. This “linguistic handicap” leads to the occasional misinterpretation and confronts immigrants with their linguistic imperfection. Getting used to being and remaining engaged without fully understanding the subtleties (E. A., Enrique) or without fully expressing oneself becomes a daily occurrence of exploring one’s limits (cf. Schmutte/ Harte 2019). Aza likened the situation to “wearing shoes that are a size too small—you can walk in them, but it’s not easy.” To avoid frustration, it is vital to focus on positive progress of acquisition rather than to seek perfection. Therefore, “you stop being afraid of misunderstandings and mistakes and refer to them as steppingstones for advanced fluency” (Nina). Just as shame can “corrode the part of us that believes we are capable of change” (Brown 2013), it can also motivate us to “do better and avoid being misunderstood, disappointed, and undervalued” (EAD). Mastering L3 is also associated with higher levels of satisfaction accompanied by lower levels of anxiety (cf. Dewaele/ MacIntyre 2014, cit. from Dewaele/ Alfawzan 2018, p. 40). As the tension dissipates, one appreciates the opportunity to grow involved in further advancing L3. In return, one is rewarded with better relationships not only with others, but also with oneself. Through this transition, the immigrants experience myriads of positive outcomes and emotions such as “interest, enjoyment, (…) life satisfaction, (…) vitality” (Hagger 2020, p. 126) and “freeing sensation” (Schwartz 2022). Moreover, they enjoy the broadening of their horizons and take pride in their progress. As Ludwig Wittgenstein said, learning a new language is not merely “a way to say the same things differently but a way to be different—not a truncation of the self but an expansion of it” (ibid.). They grow to become lifelong bridgebuilders between their two main cultures. The combined world of unique bifocals wearers, with feet in both homeland and host world, is enriched by cross-cultural understanding. Therefore, TLA can be defined as a study of thought, behavior, culture, and history of local society in what Nina described as “an osmosis process into your brain.” Ultimately, the successful integration of adult immigrants depends heavily on their perseverance and willingness to make great efforts. On their trajectory, they may face obstacles, such as language barriers, cultural differences, and discrimination. This challenging journey requires resilience, determination, and adaptability. With these qualities, they can achieve their goals and learn to adopt new customs, values, and social norms. In doing so, they are able to accomplish the integration process and thrive in their adopted community while investing in their personal and professional development. As they gain a deeper understanding and appreciation of their new home and build meaningful social connections, they also ‘Mid-Country’ Crisis: Adult Immigrants’ Trajectory to Third Language Proficiency 379 <?page no="380"?> “report higher life satisfaction than their counterparts in their country of origin” (Maskileyson/ Birgier 2022). This further step of their journey is characterized by a sense of comfort and familiarity, as one enjoys being an integral part of the community. Nevertheless, it is essential to point out that not all adult immigrants have the ability nor the stamina to keep moving through the three stages of the ‘mid-country’ process (see prediction models A, B, and C). Just as immigrants are unique individuals in their own right, so is their style, pace, and measure of success. In sum, while the process of integrating into a new country is demanding, embracing new experiences enables immigrants to build fulfilling lives and contribute to the rich cultural diversity of their adopted community. Prediction Model: Stages of L3 Acquisition - C ‘Mid-Country’ Crisis - From Isolation to Connection - Adult immigrants’ trajectory to third language proficiency ‘Mid-Country’ crisis Retreat to ‘Comfort Zone’ Paying High Price: Mental-Economic-Physical Hardships The Shift: Recognizing “Heritage Baggage” as Limiting Beliefs Stepping out of ‘Comfort-Zone’ into ‘Learning Zone’ ‘Native-Like’ Level and Cu3 Competence Economic and Social Rewards Increase Overall Well-Being Personal and Professional Growth Bridge-Builders Growth and Limitations 380 Yael Rosenmann <?page no="381"?> Concluding Remarks The findings of the current study highlight the consistent and profound corre‐ lation between linguistic-cultural acquisition and integration. As international migration continues to surge rapidly, creating a more tolerant global society becomes increasingly important. The dynamic process of adapting to a new country is complex and multifaceted, encompassing various dimensions, such as acquiring the local language, accessing suitable employment, and adjusting to an unfamiliar culture. Fulfilling the immigrant dream is an ongoing process that requires commitment and effort, in which learning L3 is the first step on the long ebbs and flows of accepting foreign frameworks. It involves growing pains with significant and meaningful psychological, social, and economic consequences for immigrants and host countries alike. Achieving successful integration is quite a challenge, but at the same time beneficial for all parties involved. After all, despite the differences, what unites people is far greater than what divides them; therefore, one should embrace the commonalities. The authorities play a crucial role in addressing potential barriers by providing support, resources, and policies to facilitate mutual understanding and promote a tolerant society. Combating discrimination, xenophobia, and social exclusion ensures an inclusive environment that embraces cultural diversity and enables economic growth. As such, it enriches the public exchange of ideas, perspectives, and experiences and fosters a vibrant society. In the words of President John F. Kennedy, “Life is a journey of growing, changing, and coming to terms with who we are, and loving ourselves for it.” Bibliography Akhmetova, A. Zh. / Dalbergenova, Lyazzat / Menlibekova, Gulbakhyt / Dujsenbina, Assem / Tleuberdina, Gulden (2020): Method to Overcome Psychological Barriers in Students Learning the German Language. https: / / www.redalyc.org/ journal/ 279/ 27 964362011/ html/ [26.01.2024]. Andrew, Patricia (2012): The Social Construction of Age: Adult Foreign Language Learners. 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I acquired a language level which, at the time, was adequate enough for the labor market A B C D E ‘Mid-Country’ Crisis: Adult Immigrants’ Trajectory to Third Language Proficiency 389 <?page no="390"?> 8. I saw no point in studying a higher level of German (C1-C2) and therefore I stopped A B C D E 9. I didn’t feel the need for a higher level of German in my work or social life A B C D E 10. I thought that once I find a job, I don’t have to keep studying German A B C D E 11. During my study break I enjoyed not studying German A B C D E 12. With time, I felt the need to start studying German again A B C D E 13. Nowadays, I feel the need to study ad‐ vanced German, formally or informally A B C D E 14. My motivation while studying German to an advanced level, formally or informally, is rather high A B C D E 15. It is important for me to be proficient in German A B C D E 16. Studying a high level (C1-C2) of German is important for my work prospects A B C D E 17. Studying a high level (C1-C2) of German is important for my social life A B C D E 18. Studying a high level (C1-C2) of German is important for my integration into Austria A B C D E 19. Nowadays, I like the German language and Austrian culture much more A B C D E Thank you for taking the time to answer the questions in this questionnaire. With your permission, I would like to use your answers in a published paper. Please choose your preference: Name (fake name/ your initials/ your actual name) ____________________ 390 Yael Rosenmann <?page no="391"?> Appendix B Recorded interview (15-40 min.): ---Please state your name/ initials _______ 1. How would you describe your nationality? What does it mean for you to be __________? 2. What does it mean for you to be an immigrant? 3. What does it mean for you to live in Austria? How do you feel in Austria? 4. What are, in your opinion, the pros and cons of studying German? 5. Do you agree that low German proficiency reduces job opportunities? Namely, that it has economic or other disadvantages? Have you experi‐ enced it yourself ? 6. Do you agree that some psychological barriers/ resistance hindered your progress in German? 7. Has your view of studying German changed after you stopped studying and why? 8. Would you say that your mindset shifted considerably before the renewal of your studies? 9. What made you change your mind/ why did you go back to studying German: Can you give me three reasons for doing it … my goal is … 10. Was overcoming the psychological barriers and embracing the psychoemotional change crucial for your renewed studies and positive learning outcome? 11. On a scale of 1-10, how important was it for you to go back to study? Why? 12. What will success in studying German help you achieve? 13. Does the idea of integration into Austria motivate you in your German studies? 14. Do you agree that • improving your German fluency changes the way you perceive your‐ self. • in improving your German after a certain level, you had to change? If so, how? • improving your German is a continued commitment/ integral part of your life? • at first, your aim was to learn the bare minimum of German in order to find a job and live in Austria? Is it still your aim? Or do you need advanced German for a better career? • you pay/ paid an economic price by not being proficient in German? And therefore … ‘Mid-Country’ Crisis: Adult Immigrants’ Trajectory to Third Language Proficiency 391 <?page no="392"?> a. Did you move to Austria due to having Austrian citizenship? b. Did you want to obtain Austrian citizenship upon arrival to Austria? c. Have you obtained Austrian citizenship in the meantime, or would you like to obtain it? d. *I see that you wrote in question … that you … Can you elaborate on this a bit? 392 Yael Rosenmann <?page no="393"?> Autor: innen Sarah Bindar ist Projektleiterin im Bereich der forschenden Fachdidaktik am treffpunkt sprachen − Zentrum für Sprache, Plurilingualismus und Fachdidaktik der Universität Graz. Ihre Forschung konzentriert sich auf Intergenerationalität in der Sprachenlehre sowie intergenerationelle Methodik und Didaktik, um zu analysieren, wie Sprachenlernende unterschiedlicher Ge‐ nerationen in Fremdsprachenkursen von- und miteinander lernen. Sie studierte Englisch und Bildnerische Erziehung an der Pädagogischen Hochschule sowie Anglistik und Amerikanistik mit dem Schwerpunkt der Kulturwissenschaften an der Universität Graz. Neben der Lehre im Bereich der Sekundarstufe I ist sie als studentische Mitarbeiterin am Zentrum für Interdisziplinäre Alterns- und Care-Forschung (CIRAC) und am Institut für Amerikanistik tätig. Serena Comoglio ist seit 2014 als Lektorin am Institut für Theoretische und Angewandte Translationswissenschaft an der Universität Graz tätig. Sie studierte Translationswissenschaft in Turin/ Italien sowie an der Universität Graz und absolvierte einen zusätzlichen Master of Science im Bereich Wirt‐ schaftspsychologie an der Middlesex University London/ KMU Akademie & Management AG. Ihre Forschung konzentriert sich auf die Führung im vir‐ tuellen und interkulturellen Kontext. Der Schwerpunkt liegt dabei auf der Situation an universitären Sprachenzentren in Österreich. Weiters ist sie freibe‐ rufliche Übersetzerin und Dolmetscherin mit den Sprachen Italienisch, Deutsch und Englisch sowie Projektleiterin für Sprachenprojekte am Österreichischen Sprachen-Kompetenz-Zentrum (ÖSZ) in Graz. Am ÖSZ begleitet sie mehrere Projekte zu methodisch-didaktischen Entwicklungen im Bereich kompetenzori‐ entierter Fremdsprachenunterricht in Englisch und den romanischen Sprachen. Teresa Eibl-Steiner ist wissenschaftliche Mitarbeiterin des Forschungsbe‐ reichs Fachdidaktik am treffpunkt sprachen - Zentrum für Sprache, Plurilingua‐ lismus und Fachdidaktik der Universität Graz. Ihre Forschung konzentriert sich auf die Implementierung digitaler Tools in die universitäre PräsenzSprachen‐ Lehre. Sie studierte Germanistik und Anglistik/ Amerikanistik an der Universität Graz und der University of Bristol. Darüber hinaus absolvierte Teresa Eibl- Steiner Fortbildungen im Bereich Deutsch als Fremd-/ Zweitsprache sowie der Alphabetisierung erwachsener Migrant: innen. Neben ihrer Forschungstätigkeit ist sie als DaZ-Trainerin in der Erwachsenenbildung tätig. <?page no="394"?> Stefanie Faustmann ist wissenschaftliche Mitarbeiterin und Projektlei‐ terin von treffpunkt sprachen - Zentrum für Sprache, Plurilingualismus und Fachdidaktik der Universität Graz. Sie absolvierte das Bachelorstudium der Romanistik und das Lehramtsstudium für die Unterrichtsfächer Italienisch und Geschichte, Sozialkunde und Politische Bildung an der Universität Graz. Des Weiteren schloss sie den Universitätslehrgang für Deutsch als Fremd- und Zweitsprache an der Universität Graz und Weiterbildungen im Bereich der Erwachsenenpädagogik ab. Seit 2021 ist sie als Lehrbeauftragte im allgemeinen Pflichtschulbereich und als Projektleiterin im Bereich der Fachdidaktik bei treff‐ punkt sprachen tätig. Zu ihren Forschungsinteressen gehören literatur- und kulturdidaktische Themen, Medien- und Filmdidaktik sowie Fragestellungen zu Inter-/ Transkulturalität, Wertebildung und Global Citizenship Education im DaF-Unterricht. Antonia Gösweiner ist Sprachwissenschaftlerin und DaF/ DaZ-Trainerin. Sie studierte Linguistik an der Universität Graz und fokussiert sich nun im Rahmen ihres Forschungsprojekts am treffpunkt sprachen ‒ Zentrum für Sprache, Plurilingualismus und Fachdidaktik auf Grammatikphänomene in unterschiedlichsten Sprachen der Welt. Um den Bogen zwischen Theorie und Praxis zu spannen, konzentriert sie sich in ihrer Forschung vor allem auf den positiven und negativen Einfluss von linguistischen Unterschieden auf den DaF/ DaZ-Unterricht. Zu ihren Forschungsinteressen gehören der Erst- und Zweitspracherwerb, Mimik und Gestik im Spracherwerb sowie der Bereich der Psycholinguistik. Christian Hofer ist Senior Lecturer am treffpunkt sprachen-− Zentrum für Sprache, Plurilingualismus und Fachdidaktik. Er studierte Italienisch und Erzie‐ hungswissenschaften sowie Lehramt mit den Unterrichtsfächern Italienisch und Psychologie/ Philosophie an der Universität Graz und promovierte im Bereich der Erwachsenenbildung mit fachdidaktischem Schwerpunkt. Seine Aufgaben‐ bereiche als Senior Lecturer liegen in der Italienischlehre, in der Sprachendi‐ daktik sowie in der Aus- und Weiterbildung von (angehenden) Sprachlehrenden. Er unterrichtete mehrere Jahre an einem Gymnasium und ist seit 2004 zuständig für das Coaching und die fachliche Begleitung der Sprachlehrenden am treff‐ punkt sprachen. Zudem lehrte er im Gebiet der Philosophiedidaktik. Im Bereich der Berufsberatung ist Christian Hofer als Unternehmensberater e. a. Coaching, als Humanenergetiker und als Erwachsenenbildner tätig. Sarah Jud ist wissenschaftliche Mitarbeiterin des Forschungsbereichs Fach‐ didaktik am treffpunkt sprachen ‒ Zentrum für Sprache, Plurilingualismus und Fachdidaktik. Ihre Forschung konzentriert sich auf multiples Sprachenlernen und Mehrsprachigkeitsdidaktik. Sie studierte Transkulturelle Kommunikation 394 Autor: innen <?page no="395"?> und Übersetzen an der Universität Graz und absolvierte Weiterbildungen in Deutsch als Fremdsprache. Im Rahmen ihrer Forschungstätigkeit überprüft sie aktuelle theoretische Annahmen und Diskussionen zu mehrsprachigkeitsdi‐ daktischen Ansätzen und entwickelt mehrsprachigkeitsdidaktische Elemente für den universitären Sprachunterricht. Ihre Forschungsinteressen umfassen Mehrsprachigkeit, multiples Sprachenlernen, Lernstrategien sowie mehrspra‐ chigkeitsdidaktische Ansätze. Beatrice Maierhofer ist Lehrerin für Spanisch, Geschichte und Politische Bildung an der HLW FSB Weiz. Sie studierte an der Universität Graz, wo sie ihre Diplomarbeit im Bereich der spanischen Fachdidaktik verfasste, sowie der Universidad de Valladolid (Spanien). Erste Praxiserfahrungen sammelte sie als Sprachassistentin in Lugo (Spanien) und in ihrem Unterrichtspraktikum am BG/ BRG Gleisdorf. Am Österreichischen Sprachen-Kompetenz-Zentrum leitete sie im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Forschung Projekte im Sprachlehr- und -lernbereich. Derzeit engagiert sie sich durch ihre regelmäßige Teilnahme am Standard Setting des BMBWF in der Qualitätssicherung der standardisierten Reifeprüfung in Spanisch. Zusätzlich lehrt sie auf dem Gebiet der Fremdsprachendidaktik am Institut für Romanistik der Universität Graz. Yael Rosenmann studierte Englisch und Literatur an der Universität Ams‐ terdam und Hebräisch an der Universität Tel-Aviv. Sie absolvierte Weiterbil‐ dungen in Hebräisch als Fremdsprache (biblische und moderne Sprache) und in der Erwachsenenbildung. Im Bereich der Bibelwissenschaften ist Yael Rosen‐ mann in den Niederlanden, Israel, Deutschland, Großbritannien, den USA und Österreich tätig. Neben ihrer Forschungsarbeit unterrichtete sie Hebräisch am treffpunkt sprachen - Zentrum für Sprache, Plurilingualismus und Fachdidaktik der Universität Graz. Daniela Unger-Ullmann ist seit 2007 Leiterin von treffpunkt sprachen − Zentrum für Sprache, Plurilingualismus und Fachdidaktik der Universität Graz. Ihre Forschung konzentriert sich auf die Bereiche Bildungs- und Lehrmanage‐ ment, Personal- und Organisationsentwicklung sowie Sprachlehr- und -lern‐ forschung. Sie studierte Lehramt mit den Unterrichtsfächern Deutsch und Latein an der Universität Graz und absolvierte Weiterbildungen in Deutsch als Fremdsprache und Medienkunde. Ihr Doktoratsstudium am Institut für Germanistik schloss sie mit einer Dissertation in Älterer Deutscher Literatur ab. Von 1999 bis 2003 war sie als Universitätslektorin für deutsche Sprache und Literatur an der Schlesischen Universität in Opava/ Tschechische Republik tätig. In ihrer Funktion als Leiterin von treffpunkt sprachen − Zentrum für Sprache, Plurilingualismus und Fachdidaktik zeichnet sie für die universitäre Autor: innen 395 <?page no="396"?> Verankerung und Absicherung sowie für die strategische Weiterentwicklung von Lehre und Forschung verantwortlich. Von 2010 bis 2015 übernahm sie im Auftrag des Rektorats der Universität Graz die Leitung des Konfuzius- Instituts und setzte sich insbesondere mit kulturellen und literarischen Themen auseinander. 396 Autor: innen <?page no="397"?> FORSCHENDE FACHDIDAKTIK herausgegeben von Daniela Unger-Ullmann und Christian Hofer Forschende Fachdidaktik I: Projektergebnisse 1. Auflage 2015, 266 Seiten, €[D] 49,99 ISBN 978-3-7720-8561-1, eISBN 978-3-7720-5561-4 Der vorliegende Band bietet einen wissenschaftlich fundierten und verständlichen Überblick über die methodisch-didaktischen Forschungsaspekte in der universitären Sprachenlehre. Ziel dieser Forschungen ist es, die Qualitätssicherung im hochschuldidaktischen Umfeld zu gewährleisten. Am Beispiel des treffpunkt sprachen - Zentrum für Sprache, Plurilingualismus und Fachdidaktik der Universität Graz werden verschiedene Forschungsschwerpunkte vorgestellt und deren Ergebnisse in den wissenschaftlichen Diskurs integriert. Der Band enthält neben handlungsorientierten Forschungsansätzen auch Fragebögen, Tests, Interviews und dokumentarische Analysen aus konkreten Lehr- und Unterrichtsprozessen. Lehrenden und Entscheidungsträger: innen wird hiermit ein wertvoller Leitfaden für die Ausrichtung des Fremdsprachenunterrichts an die Hand gegeben. Forschende Fachdidaktik II: Sprachenlernen im wissenschaftlichen Diskurs 1. Auflage 2019, 261 Seiten, €[D] 64,00 ISBN 978-3-8233-8348-2, eISBN 978-3-8233-9348-1 In der vorliegenden Publikation Forschende Fachdidaktik II werden Forschungs- und Projektergebnisse der Abteilung Fachdidaktik des treffpunkt sprachen - Zentrum für Sprache, Plurilingualismus und Fachdidaktik der Universität Graz präsentiert. Projektleiter: innen und Forscher: innen sind vornehmlich Sprachlehrende, welche ihr Praxiswissen in einen forschenden Kontext stellen. Diesbezügliche Forschungscharakteristika sind die Forschung der Betroffenen, Erörterungen von Frage- und Problemstellungen aus der Unterrichtspraxis sowie die Integration der Forschungsergebnisse in das Unterrichtsgeschehen. Forschende Fachdidaktik III: Prozessveränderungen in der universitären Sprachenlehre 1. Auflage 2021, 395 Seiten, €[D] 78,00 ISBN 978-3-8233-8531-8, eISBN 978-3-8233-9531-7 Die Autor: innen dieses Sammelbands zur hochschulischen Sprachenlehre haben es sich zur Aufgabe gemacht, mit innovativen und kreativen Forschungskonzepten Sprachlehrende bei der Erweiterung ihrer Lehrkompetenzen zu unterstützen sowie Lernenden dabei zu helfen, die Chance zur Aneignung von linguistischem Wissen, kulturellen Werten und sprachlichen Kompetenzen zu nutzen. Mit ihren methodisch-didaktischen Empfehlungen ermöglichen sie Lehrenden und Lernenden nachhaltiges Denken und Handeln in sprachenspezifischen Belangen. Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG \ Dischingerweg 5 \ 72070 Tübingen \ Germany Tel. +49 (0)7071 97 97 0 \ info@narr.de \ www.narr.de <?page no="398"?> ISBN 978-3-381-12471-8 In diesem Band greifen Forschende, die zum Teil selbst langjährig in der universitären Sprachenlehre tätig sind, relevante Forschungsthemen aus dem Sprachunterricht auf und bearbeiten diese im Rahmen fachdidaktischer Forschungsprojekte. Die beschriebenen Projektergebnisse werden nachhaltig in die Sprachenlehre integriert, um Qualitätsentwicklung zu gewährleisten, Kompetenzerweiterung der Lehrenden zu fördern und aktuelle bildungswissenschaftliche Themen, die aus gesellschaftlichen Transformationsprozessen resultieren, in den praxisrelevanten Kontext zu übertragen. Diesem ganzheitlich integrativen Forschungspostulat folgen vorliegende fachdidaktische Forschungsergebnisse nicht nur, sondern verdeutlichen darüber hinaus Konsequenzen für die fachdidaktische Bildungskultur, die sich etwa aus der Corona-Krise oder aus veränderten Zielgruppen universitärer Sprachkurse ergeben haben.
