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Digitalität in Englischunterricht und Lehrkräftebildung

Mixed-Methods-Studie zu digitalitätsbezogenen Vorstellungen angehender Englischlehrkräfte

0923
2024
978-3-3811-2922-5
978-3-3811-2921-8
Gunter Narr Verlag 
Can Küplücehttps://orcid.org/0000-0002-9558-9609
10.24053/9783381129225

Von Diskussionen zum (Un-)Sinn von iPad-Klassen bis zum Hype um generative KI weckt kaum ein Thema so großes Interesse in Schule und Lehrkräftebildung wie die Digitalität. Was meint Digitalität aber genau? Und warum ist der Bereich auch jenseits technischer Fragen so zentral für Lehrkräftebildung und Unterricht? Küplüce bearbeitet diese Fragen mit einer systematischen Begriffsklärung und fachlichen Verortung von Digitalität in der Fremdsprachendidaktik. Darüber hinaus werden mit den Perspektivlinien Entgrenzung, Automatisierung und Adaptivität Beispiele gegeben, wie sich das Thema konkret auf den Unterricht auswirken kann. Schließlich analysiert die Studie das zentrale Konstrukt digitalitätsbezogener Vorstellungen empirisch und gibt Hinweise, wie diese die Interpretation und Bewertung von Digitalität beeinflussen und sogar Auswirkungen auf Motivation und Unterrichtshandeln haben könnten.

<?page no="0"?> Giessener Beiträge zur Fremdsprachendidaktik Can Küplüce Digitalität in Englischunterricht und Lehrkräftebildung Mixed-Methods-Studie zu digitalitätsbezogenen Vorstellungen angehender Englischlehrkräfte <?page no="1"?> Digitalität in Englischunterricht und Lehrkräftebildung <?page no="2"?> G I E S S E N E R B E I T R ÄG E Z U R F R E M D S P R A C H E N D I DA K T I K Herausgegeben von Jürgen Kurtz, Michael Legutke, Hélène Martinez, Dietmar Rösler und Ivo Steininger. Begründet von Lothar Bredella, Herbert Christ und Hans-Eberhard Piepho <?page no="3"?> Can Küplüce Digitalität in Englischunterricht und Lehrkräftebildung Mixed-Methods-Studie zu digitalitätsbezogenen Vorstellungen angehender Englischlehrkräfte <?page no="4"?> Anhang online verfügbar unter https: / / files.narr.digital/ 9783381129218/ Zusatzmaterial.pdf DOI: https: / / doi.org/ 10.24053/ 9783381129225 © 2024 · Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5 · D-72070 Tübingen Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Alle Informationen in diesem Buch wurden mit großer Sorgfalt erstellt. Fehler können dennoch nicht völlig ausgeschlossen werden. Weder Verlag noch Autor: innen oder Herausgeber: innen übernehmen deshalb eine Gewährleistung für die Korrektheit des Inhaltes und haften nicht für fehlerhafte Angaben und deren Folgen. Diese Publikation enthält gegebenenfalls Links zu externen Inhalten Dritter, auf die weder Verlag noch Autor: innen oder Herausgeber: innen Einfluss haben. Für die Inhalte der verlinkten Seiten sind stets die jeweiligen Anbieter oder Betreibenden der Seiten verantwortlich. Internet: www.narr.de eMail: info@narr.de Elanders Waiblingen GmbH ISSN 0175-7776 ISBN 978-3-381-12921-8 (Print) ISBN 978-3-381-12922-5 (ePDF) ISBN 978-3-381-12923-2 (ePub) Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http: / / dnb.dnb.de abrufbar. <?page no="5"?> Danksagung Über die Arbeit an den Forschungsprojekten DiAL: OGe und DigiGO und die Anbindung an die Fachdidaktik Englisch wie auch an die AG Schulforschung der Ruhr-Universität hatte ich das große Glück, mit zahlreichen talentierten Wissenschaftler*innen in Kontakt zu kommen. Die Interdisziplinarität und Kollegialität hat dabei nicht nur meine Zeit in Bochum, sondern vor allem auch diese Dissertationsschrift geprägt. Ich möchte die Gelegenheit nutzen, um einigen Personen, die mich begleitet haben, besonders zu danken. Mein erster Dank gilt Markus und Gabi, die während der Betreuung jederzeit den rich‐ tigen Grad an Anleitung und Vertrauen gefunden haben. So konnte ich in der Dissertation schon früh meinen eigenen Weg gehen, meinen eigenen Zugang finden und, ja, vielleicht auch das eine oder andere Mal meine eigenen Fehler machen. Trotz dieser Freiheit habe ich mich im Forschungsdschungel nie verloren gefühlt und konnte auf eure Erfahrung und Kompetenz zählen, sollte ich mich mal wieder zu sehr in ein viel zu spezifisches Detail verbissen haben. Ich danke euch sehr, dass ihr in den letzten Jahren meine Arbeit so gut begleitet habt. Im selben Atemzug möchte ich außerdem den zahlreichen Dozierenden an der Ruhr-Uni‐ versität danken, die ich über die Jahre meines Studiums sehr schätzen gelernt habe. Ganz besonders möchte ich dabei Angelika Thiele hervorheben, die es wie keine zweite Person geschafft hat, mein Interesse an der Didaktik zu wecken. Ich hoffe, dass ich irgendwann Lehre gebe, die auch nur halb so inspirierend ist, wie es deine war. Die Zeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Ruhr-Universität war aber vor allem von meinen direkten Kolleg*innen geprägt. Hier möchte ich zuerst meinen Dank an die anderen Promovierenden der Englischdidaktik aussprechen, Sina, Alex, Sebastian und Nils, die alle meine Höhen und Tiefen gefasst über sich haben ergehen lassen. Das muss die Ref-Erfahrung sein. Nicht nur in der Englischdidaktik, auch in der AG Schulforschung habe ich mich schnell zuhause gefühlt. Stellvertretend möchte ich hier vor allem Denise und Grit hervorheben, die meine Arbeit in den letzten Jahren fachlich und menschlich enorm bereichert haben. Auch danke ich dir, Philipp, dass du die endlosen Interpretationsstunden für DigiGO zu einer Erfahrung gemacht hast, die ich nicht missen möchte. Für DiAL: OGe möchte ich außerdem Joana und Carla erwähnen, die nicht nur die Organisation des Verbundprojekts ermöglicht haben, sondern auch jede verspätete (und oft auch noch falsch ausgefüllte) Abrechnung mit einer Engelsgeduld entgegengenommen und korrigiert haben. Ohne euch würde ich wahrscheinlich immer noch an den Anträgen sitzen. Ich möchte an dieser Stelle außerdem den Studierenden und Expert*innen danken, die mit großer Bereitschaft an der Studie teilgenommen haben. Dieses Engagement ist gerade zu der Zeit der Lockdowns und angesichts der zahlreichen Einschränkungen während der Erhebung nicht selbstverständlich gewesen und ich bin entsprechend überaus dankbar für die gute Kooperation. Es haben noch viele weitere Wissenschaftler*innen meine Arbeit direkt bereichert. Dazu zählen die Personen, die mit (fast immer) konstruktivem Feedback meine Forschung auf <?page no="6"?> den zahlreichen Konferenzen und Kolloquien kommentiert haben, andere Promovierende der Fremdsprachendidaktik, mit denen ich Freude und Leid der Promotion teilen durfte, und die Gutachter*innen, die meine ersten wissenschaftlichen Veröffentlichungen begleitet haben. Nie war mir so klar wie jetzt, dass Wissenschaft ein in erster Linie kollaborativer Prozess ist. Auch wenn ich längst nicht alle Personen aufzählen kann, die auf diese oder ähnliche Weise meine Arbeit begleitet haben, möchte ich mich außerdem namentlich bei den Personen bedanken, die in den letzten Monaten Auszüge meiner Arbeit gelesen und in mühevoller Einzelarbeit kommentiert haben. Ohne eure vielen (VIELEN) Anmerkungen wäre diese Arbeit nur halb so gut. Vielen Dank Simon, Leonie F., Leonie M., Nadine, Basti und Cosima. Ein paar von euch haben aber nicht nur die Überarbeitungsphase, sondern den ganzen Prozess begleitet. Leonie M., dir danke ich ganz besonders, dass du als wissenschaftliche Hilfskraft die Arbeit von der ersten Idee bis zur finalen Abgabe tatkräftig unterstützt hast. Von den Transkripten über die Codierungen bis zu den Diskussionen bin ich dir für jeden einzelnen deiner vielfältigen Beiträge enorm dankbar. Ein ganz ausdrücklicher Dank gebührt an dieser Stelle auch dir, Basti. Ohne deine unzähligen und wertvollen Impulse und die endlosen Sessions vor und/ oder nach der Arbeit würde ich wahrscheinlich noch in diesem Moment fluchend vor der Epistemic Network App sitzen. Danke, dass du mir immer und immer wieder geholfen hast, Einsen und Nullen voneinander zu unterscheiden. Neben dem professionellen Kontext dürfen meine Familie und meine weiteren Freunde natürlich nicht fehlen, die die Arbeit vielleicht nicht fachlich beeinflusst, aber mit ihrer emotionalen Unterstützung überhaupt erst ermöglicht haben. Danke, dass ihr mich daran erinnert habt, auch zwischendurch von diesem Schreibtisch aufzustehen. Zu guter Letzt bleibt nur noch der Person zu danken, die beides tut. Die meine Arbeit fachlich bereichert hat und mich unermüdlich unterstützt. Liebe Cosima, vielen Dank für jedes Gespräch, jede wortlose Umarmung, für alle kleinen Dinge im Alltag und alle großen Momente. Ohne dich wäre ich nicht, wer ich bin - weder wissenschaftlich noch persönlich. Was auch immer die nächsten Jahre bringen, mit dir zusammen begegne ich ihnen gerne. 6 Danksagung <?page no="7"?> „Could I interest you in everything - all of the time? ” - Bo Burnham (Welcome to the Internet) - <?page no="9"?> 13 1 15 1.1 17 1.2 20 2 25 2.1 26 2.2 29 2.2.1 37 2.2.2 40 2.3 42 2.3.1 43 2.3.2 51 2.4 53 3 55 3.1 56 3.2 61 3.3 65 3.4 73 4 75 4.1 75 4.1.1 80 4.1.2 82 4.2 90 4.3 92 Inhalt Liste der Abkürzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einleitung und Gliederung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kontext der Studie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gliederung der Darstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Digitalisierung, Digitalität und digitale Transformation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Digitalisierung, Medienpädagogik und Mediendidaktik . . . . . . . . . . . . . . . Die Kultur der Digitalität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die digitale Transformation als fortlaufender Prozess des Lernens und Lehrens in der Kultur Digitalität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zwischenfazit I: Die Beziehung von Kultur der Digitalität, Digitalisierung und digitaler Transformation . . . . . . . . . . . . . . . . . . Digitalisierung und Digitalität im fremdsprachendidaktischen Diskurs . Digitalisierung und Digitalität im fremdsprachendidaktischen Diskurs: Verortung, Anknüpfungspunkte und Auswirkungen . . . . CALL, Digitalisierung und Digitalität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Implikationen aus der Verortung von Digitalität im fremdsprachendidaktischen Diskurs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Perspektivlinien: Zur Relevanz der Digitalität für (Englisch-)Unterricht und Lehrkräfte Entgrenzung (Beispiel Virtual Exchange) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Adaptivität (Beispiel Multimodal Learning Analytics) . . . . . . . . . . . . . . . . Automatisierung (Beispiel Künstliche Intelligenz) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zwischenfazit II: Perspektivlinien und die Ebene der Transformation . . . Die Rolle der Lehrkraft und Lehrkräftebildung unter Bedingungen der Digitalität . . . Bildungspolitische Vorgaben zur Lehrkräftebildung unter Bedingungen der Digitalität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bildungspolitische Anforderungen an Lehrkräfte und Lehrkräftebildung: Wissen, Kompetenzen und Haltungen? . . . . . . Digitalitätsbezogene Kompetenzmodelle für Lehrkräfte . . . . . . . . . Verortung der universitären (Englisch-)Lehrkräftebildung im Bereich Digitalität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Struktur der universitären (Englisch-)Lehrkräftebildung in Nordrhein-Westfalen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . <?page no="10"?> 5 95 5.1 95 5.1.1 97 5.1.2 100 5.1.3 102 5.1.4 106 5.1.5 108 5.2 110 5.3 113 6 119 7 121 7.1 121 7.2 123 7.3 125 7.3.1 126 7.3.2 128 7.4 130 7.4.1 130 7.4.2 133 7.5 136 7.6 138 8 141 8.1 142 8.1.1 144 8.1.2 147 8.1.3 147 8.2 149 8.2.1 150 8.2.2 153 Erläuterung des Forschungskonstrukts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Von beliefs und Vorstellungen: „messy constructs“ der teacher cognition . Definitionen und Eigenschaften von beliefs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beliefs oder Vorstellungen? Gemeinsamkeiten und ein möglicher Unterschied . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verwandte Begriffe: Überzeugungen, Concept Image, Einstellungen und Emotionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abgrenzung zu subjektiven Theorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zwischenfazit III: Schaubild und Arbeitsdefinition Vorstellungen . Die Spezifik von Vorstellungen von Digitalität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Covid-19, Emergency Remote Teaching und Vorstellungen angehender Lehrkräfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Forschungsinteresse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Forschungsdesign . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mixed-Methods als empirisches Forschungsdesign . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mixed-Methods als Forschungsparadigma . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Exkurs: Vorstudie als Annäherung an die Instrumente und das Erhebungsdesign . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Elevator pitches der Vorstudie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Interviews der Vorstudie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Datenerhebung und Instrumente (Hauptstudie) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Teilnehmende und der organisatorische Rahmen der Haupterhebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die verwendeten Instrumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Auswirkungen der pandemiebedingten Einschränkungen auf die Erhebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verortung des Forschenden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Qualitative Inhaltsanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die methodologischen Grundlagen der QIA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stärken und Limitationen der QIA vor dem Hintergrund des Forschungsdesigns . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die QIA in der Fremdsprachenforschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Basismethoden der QIA nach Kuckartz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die inhaltlich strukturierende QIA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Transkriptionsregeln, Anonymisierung und Aufbereitung des Materials für den Codierprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Themenbezogene, deduktive Kategorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 Inhalt <?page no="11"?> 8.2.3 156 8.2.4 159 8.3 159 8.3.1 160 8.3.2 165 8.3.3 169 8.3.4 172 8.3.5 178 8.4 179 8.5 181 8.5.1 183 8.5.2 184 8.5.3 188 8.6 192 8.6.1 193 8.6.2 198 8.6.3 204 8.6.4 209 8.6.5 212 8.7 215 8.8 217 9 219 9.1 220 9.2 223 9.2.1 225 9.2.2 228 9.3 232 9.3.1 233 9.3.2 235 9.3.3 236 9.3.4 240 9.4 243 9.5 246 Ergänzende, induktive Kategorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Addendum: Intercoder-reliability, Berechnung des Kappa-Werts und qualitative Forschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beschreibung und Diskussion der Ergebnisse der inhaltlich strukturierenden QIA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Betrachtung von OK5: „Potenziale digital-gestützter Lehre“ . . . . . Betrachtung von OK6: „Herausforderungen digital-gestützter Lehre“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Betrachtung von OK8: „Beschreibungen einer kompetenten Lehrkraft“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Betrachtung von OK10 und OK11: „Beschreibungen der Zukunft“ Besonders dichte Passagen (BdP): Ergänzung zu dem Codiersystem Zwischenfazit IV (ISQIA): Zwischen Hype und Überforderung . . . . . . . . Typenbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die typenbildende QIA als Anschluss an die ISQIA . . . . . . . . . . . . . Bestimmung des Merkmalsraums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bestimmung und Beschreibung der Typik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vertiefende Einzelfallbeschreibung der Typen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Betrachtung von K1_i11: „Fortschritt durch technologische Entwicklung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Betrachtung von K2_i15: „Schule & Lernen neu denken“ . . . . . . . . Betrachtung von K2_i9: „Tablet statt Schulbuch“ . . . . . . . . . . . . . . . Betrachtung von K1_i7: „Neue Kultur, alte Schule? “ . . . . . . . . . . . . Zusammenfassung der Typik digitalitätsbezogener Vorstellungen Zwischenfazit V: Diskussion der Gesamtergebnisse der QIA mit Bezug zu (typischen) Vorstellungen angehender Lehrkräfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Limitationen der durchgeführten QIA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Epistemic Network Analysis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Theoretische Rahmung und Anwendungsbereiche der ENA . . . . . . . . . . . Die ENA im Rahmen des Mixed-Methods-Designs der Studie . . . . . . . . . . Zusätzliche Codierungen für die ENA: SAMR-T revisited . . . . . . . (Re-)Codierung des Materials und formatting für die Epistemic Network App . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beschreibung der Netzwerke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (Mathematische) Grundlagen für die Genese der Netzwerke . . . . . Gesamtnetzwerk aller Studierenden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kohortenvergleich Online- und Hybridsemester . . . . . . . . . . . . . . . Exkurs: Vergleich von Studierenden und Expert*innen . . . . . . . . . Diskussion der Ergebnisse der ENA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Limitationen der durchgeführten ENA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Inhalt 11 <?page no="12"?> 10 249 10.1 249 10.1.1 250 10.1.2 253 10.1.3 255 10.1.4 256 10.2 259 10.2.1 262 10.2.2 264 10.3 268 10.3.1 268 10.3.2 269 11 271 11.1 271 11.2 273 12 277 305 307 Synthese und Diskussion der Gesamtergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zur Synthese der qualitativen und quantitativen Ergebnisse . . . . . . . . . . Netzwerkvergleich der qualitativ bestimmten Typen . . . . . . . . . . . Verdichtung der Ergebnisse zu einer Gesamtinterpretation . . . . . . Rekurs RQ 1 und RQ 1.1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rekurs RQ 2 und RQ 2.1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Implikationen der Ergebnisse und Kontextualisierung im Fachdiskurs . . Kontextualisierung der Ergebnisse im fremdsprachendidaktischen Diskurs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kontextualisierung der Ergebnisse für die (universitäre) Lehrkräftebildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Limitationen und Transferierbarkeit der Studienergebnisse . . . . . . . . . . . Zwischen bewährten Methoden und methodologischer Innovation Transferierbarkeit der Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fazit und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Reichweite der Digitalität vorstellbar machen: (k)eine Frage von Pandemie und Technologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ausblick: Ein Verständnis für die digitale Realität von (Lehrkräfte-)Bildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abbildungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tabellenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 Inhalt <?page no="13"?> Liste der Abkürzungen 4K Kreativität, kritisches Denken, Kollaboration und Kommunikation BdP Besonders dichte Passagen BIP Blended intensive programme BMBF Bundesministerium für Bildung und Forschung CALL Computer assisted language learning DFG Deutsche Forschungsgemeinschaft DiAL: OGe Digitalisierung in der Ausbildung von Lehramtsstudierenden: Orientierung und Gestaltung ermöglichen DigCompEdu European framework for the digital competence of educators DPACK Digitality-related pedagogical and content knowledge EFT Epistemic frame theory ENA Epistemic network analysis ERT Emergency remote teaching ICALL Intelligent computer assisted language learning ICC Intercultural communicative competence ICILS International computer and information literacy ICR Intercoder-reliability ISQIA Inhaltlich strukturierende qualitative Inhaltsanalyse KI Künstliche Intelligenz KMK Kultusministerkonferenz LA Learning analytics LABG Lehrerausbildungsgesetz NRW LVZ Lehramtszugangsverordnung MALL Mobile assisted language learning MLA Multimodal learning analytics MOOC Massive open online courses MSB Ministerium für Schule und Bildung MT Machine translation NMT Neural machine translation <?page no="14"?> OECD Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (Organisation for Economic Co-operation and Development) OER Open educational resources QIA Qualitative Inhaltsanalyse RBMT Rule-based method of machine translation RQ Research question SMT Statistical machine translation SPSS Sammeln, Prüfen, Sortieren, Subsumieren TPACK Technological pedagogical and content knowledge VE Virtual exchange 14 Liste der Abkürzungen <?page no="15"?> 1 Die jeweiligen Argumentationslinien laufen dabei nicht getrennt voneinander, sondern beziehen sich aufeinander und beeinflussen sich gegenseitig. Die genannten Argumente gelten also nicht ausschließlich für eine einzelne, disziplinäre Perspektive. 1 Einleitung und Gliederung Die Relevanz von Digitalisierung und Digitalität für Englischunterricht und Lehrkräftebil‐ dung wird von unterschiedlichen Akteur*innen, etwa aus der Fach- und der allgemeinen Didaktik, den Bildungswissenschaften und der Bildungspolitik, unter Bezug auf mehrere Schwerpunkte begründet. So betonen Diskurse im Bereich der Fremdsprachendidaktik seit Jahrzehnten (siehe z. B. bereits Ritter, 1996; Rüschoff, 1993) die Relevanz der Digitalisierung für den Fremdsprachenunterricht. Insgesamt wird für fremdsprachliche Unterrichtsfächer in aktuelleren Arbeiten etwa auf Potenziale der Individualisierung (Strasser, 2021, S. 85), der effektiveren Vermittlung fremdsprachlicher Kompetenzen (Surkamp, 2017, S. 245-246) und auch auf die Auswirkungen der Digitalisierung auf das Selbstverständnis der Diszi‐ plin (siehe z. B. Grünewald, 2019; Schildhauer & Bündgens-Kosten, 2021) verwiesen. Im Bereich der allgemeinen Didaktik deklarierte Klafki bereits in den frühen 90er Jahren Digitalisierung, im Sinne neuer „Steuerungs-, Informations- und Kommunikationsmedien“, als epochales Schlüsselproblem (1991, S. 59-60). Bildungswissenschaftliche Arbeiten nennen als Gründe für die Bedeutsamkeit der Digitalisierung etwa die kollaborativen, kommunikativen und multimodalen Affordanzen digitaler Technologien (Albrecht et al., 2020, S. 19-20), während bildungspolitische Positionspapiere sich auf die Entwicklung digitaler Kompetenzen als zwingende Voraussetzung für einen erfolgreichen Bildungsbzw. Berufsweg (KMK, 2017, S. 4) oder auf die Flexibilisierung von Bildungswegen und die Notwendigkeit technologischer Innovation beziehen (KMK, 2021, S. 4). 1 Die Aussage, dass die Digitalisierung als bedeutsame Entwicklung für die in der vorliegenden Untersuchung fokussierten Disziplinen und Perspektiven aus Fachdidaktik, Bildungswissenschaft und -politik gilt, scheint also auf den ersten Blick fast trivial. Komplexer gestaltet sich hingegen die Frage, welche Konsequenzen sich aus den postulierten Potenzialen und den verbun‐ denen didaktischen, bildungswissenschaftlichen und -politischen Zielsetzungen für die Lehrkräftebildung im Allgemeinen und für die Englischlehrkräftebildung im Besonderen ableiten lassen. Es scheint zumindest so weit Einigkeit zu bestehen, als dass Lehrkräfte und in Konsequenz die Lehrkräftebildung für den „digitalen Wandel“ (Petko et al., 2018, S. 161) eine entscheidende Rolle übernehmen sollen (vgl. Sailer et al., 2021; Waffner, 2020). Die Antwort darauf, wie genau diese Rolle aussieht und wie Lehrkräfte darauf vorbereitet werden sollen, wird hingegen innerhalb, aber auch außerhalb fachdidaktischer Diskurse vielschichtig ausgehandelt. Für alle Disziplinen gilt dabei, dass aufgrund der postulierten Potenziale der Digitalisie‐ rung, aber auch vor dem Hintergrund zahlreicher identifizierter Herausforderungen (Blin & Munro, 2008; Fütterer et al., 2021; Huwer et al., 2019; Otto, 2017), hohe Anforderungen an die (universitäre) Lehrkräftebildung gestellt werden. Diese soll (Englisch-)Lehrkräfte u. a. zu digitalen Kompetenzen befähigen (Capparozza & Irle, 2020), die Nutzung digi‐ taler Technologien für lernerzentrierte, kollaborative Lernszenarien schulen (EVALUATE <?page no="16"?> 2 Davon ausgenommen ist der Bezug auf Quellen, die explizit den Begriff ‚digitalisierungsbezogen‘ nutzen; an diesen Stellen wird der Begriff übernommen. Group, 2019) und eine offene Haltung bzw. Einstellung gegenüber Digitalisierung fördern (Sauro & Chappelle, 2017; Wang et al., 2018). Die Herausforderung für die universitäre Lehrkräftebildung ergibt sich allerdings nicht allein aus den hohen Ansprüchen, sondern vor allem auch aus der Entwicklung des Digitalisierungsverständnisses selbst und der dadurch hohen Fluktuation an geforderten Kompetenzen, Inhalten und Methoden von und für Lehrkräfte(n). So bleibt der Begriff Digitalisierung trotz oder gerade aufgrund seiner Omnipräsenz mehrdeutig und unklar (Brinda et al., 2019; Dander, 2020). Ein Beispiel für diese Mehrdeutigkeit sind bereits die Ausführungen bis zu diesem Punkt. So ließe sich durchaus kritisieren, dass sich die genannten Potenziale der Digitalisierung vor allem auf technisch-mediale und optimierende Perspektiven bezogen haben. Vor diesem Hintergrund sollen Lehrkräfte beispielsweise in die Lage versetzt werden, digitale Medien lernförderlich einzusetzen (Schädlich, 2019, S. 207) und die Selbstständigkeit der Schüler*innen im Umgang mit digitalen Medien zu fördern (Rösler, 2010, S. 286). Zentral für die jüngere Entwicklung im Diskurs um Digitalisierung in den für die Untersuchung relevanten Disziplinen ist aber, wie im Folgenden diskutiert wird, die zunehmende Abkehr von einem (rein) medialen Digitalisierungsverständnis hin zu einem ganzheitlichen, (lern-)kulturellen Verständnis von Digitalität (Stalder, 2019). Bei einem Themenbereich wie dem der Digitalisierung und Digitalität, der die für die (Englisch-)Lehrkräftebildung relevanten Disziplinen auf so vielfältige Art beeinflusst (Küster, 2019, S. 130), und den damit verbundenen über viele Jahre andauernden Diskurs‐ linien kommt erschwerend hinzu, dass die eben benannte Begriffsverschiebung weder linear noch einheitlich geschieht (Brinda et al., 2019, S. 26; Dander, 2020). So muss bei der Beantwortung der Frage nach der Relevanz für Englischunterricht und Lehrkräftebildung beachtet werden, dass verschiedene Verständnisse von Digitalisierung und Digitalität, dem Digitalen oder Post-Digitalen nebeneinanderstehen und in ihren Interpretationen unterschiedliche Perspektiven vorstellbar machen. Ziel der vorliegenden Untersuchung ist es zu beleuchten, wie vielschichtig der Diskurs um Digitalisierung und Digitalität in Fachdidaktik und Bildungswissenschaft bearbeitet wird und wie komplex die daraus resultierenden Begriffsverständnisse sind. Darüber hinaus wird außerdem empirisch nachgezeichnet, wie sich die begriffliche Unschärfe in den Vorstellungen von Studierenden des Master of Education widerspiegelt und in einer Beziehung mit der Bewertung digitaler Technologien in unterrichtlichen Kontexten steht. Vorstellungen (siehe Kapitel 5) bilden auch, aber nicht ausschließlich aufgrund der außergewöhnlichen Ausgangssituation der Studie den Fokus der Erhebungen. So ergeben sich im Verlauf der Untersuchung Hinweise darauf, dass Vorstellungen die Interpretation und Bewertung von Digitalisierung und Digitalität beeinflussen und sogar Auswirkungen auf Motivation und Unterrichtshandeln haben könnten. Die Arbeit diskutiert und systema‐ tisiert speziell das Konstrukt der digitalitätsbezogenen Vorstellungen und grenzt sich dabei in Anlehnung an Huwer et al. (2019) und unter Verwendung des Konzepts der Kultur der Digitalität von der Nutzung des Begriffs digitalisierungsbezogen ab. 2 Es wird darüber hinaus aus Fachperspektive nachgezeichnet, dass der eigentlich für die Pandemie ausgerufene 16 1 Einleitung und Gliederung <?page no="17"?> 3 Siehe auch den gleichnamigen mehrtägigen Workshop der Qualitätsoffensive Lehrer*innenbil‐ dung (QLB), https: / / www.qualitaetsoffensive-lehrerbildung.de/ lehrerbildung/ de/ programm/ beglei tung/ workshop-lehrkraeftebildung-na-bedingten-digital-turn-06-2021/ workshop-lehrkraeftebildun g-na-bedingten-digital-turn-06-2021_node.html. 4 Die Angaben beschreiben den Zeitraum von den ersten weitreichenden Einschränkungen des öffentlichen Lebens bis zum weitestgehenden Aufheben der Maßnahmen zur Einschränkung der Covid-19-Pandemie in Deutschland. Für eine ausführliche Chronik siehe Bundesministerium für Gesundheit (2023). Digital Turn der Lehrkräftebildung 3 nur dann vollzogen wird, wenn die auf diese Art wirkmächtigen digitalitätsbezogenen Vorstellungen transformiert werden. Erst vor dem Hintergrund dieser Überlegungen zum Verständnis von Digitalisierung, Digitalität und digitalitätsbezogenen Vorstellungen wird deutlich, wieso die eingangs getroffene Aussage, dass Digitalisierung eine bedeutsame Entwicklung für Fremdspra‐ chenunterricht und Lehrkräftebildung sei, nicht trivial ist. Nicht, weil die grundsätzliche Bedeutsamkeit der Digitalisierung in Frage gestellt wird, sondern weil sowohl Begriffs‐ interpretation als auch Konsequenzen des Konzepts - auch innerhalb der einzelnen Fachdidaktiken - höchst variabel sind. Wenn Lehrkräftebildung also ihren Beitrag zur Ausbildung von Lehrkräften zu digitalen Agents of Change (Pantić et al., 2022; Gerlach & Fasching-Varner, 2020; Viebrock, 2018) leisten soll, gilt es zunächst genau zu erarbeiten, warum Digitalisierung - auch neben einem technisch-medialen Optimierungsgedanken - für (Englisch-)Unterricht und Lehrkräftebildung so bedeutsam ist. Diese Frage schließlich erhält eine besondere Brisanz vor dem Hintergrund der Covid-19-Pandemie. So sehr in der gesamten Arbeit argumentiert wird, dass die Schärfung der Begriffe Digitalisierung und Digitalität in der Lehrkräftebildung und die Bearbeitung digitalitätsbe‐ zogener Vorstellungen gerade post-Covid eine zentrale Rolle für die Lehrkräftebildung unter Bedingungen der Digitalität spielen, so sehr ist die Genese der Studie in der Pandemie zu begründen. Da die Betrachtung der krisenhaften Erhebungssituation darüber hinaus einen guten Ausgangspunkt für das Verständnis der Anlage und der Relevanz des Studiendesigns bietet, soll vor der eigentlichen Gliederung der Arbeit kurz ihrer Genese in Zeiten der pandemiebedingten Online- und Hybridlehre Rechnung getragen werden. 1.1 Kontext der Studie (#5) Ich muss ehrlich gesagt sagen […], das ist alles wirklich irgendwie an mir vorbeigegangen. ähm (.) und höchstens kriege ich immer nur mit, dass es so ein leicht depressiver Sumpf wird, wo man eben einfach nur noch versinkt […] Spaß macht das wirklich nicht mehr. Also da ist mir nichts wirklich in Erinnerung geblieben. (K2_i11_111121_F1, Pos. 10) Dieses ernüchternde Resümee zieht eine der in der Studie interviewten Englischstudier‐ enden in Bezug auf die Erfahrungen aus Studium und Schulpraktika während der Pandemie. So drastisch auch die Formulierung, scheint der grundlegende Tenor vor dem Hintergrund der zahllosen dokumentierten Herausforderungen der Lehre (in Schulen und in Universi‐ täten) zur Zeit der pandemiebedingten Einschränkungen, insbesondere von 03/ 2020 bis 02/ 2023, 4 wenig überraschend. Wenn an dieser Stelle allerdings betont wird, dass auch die 1.1 Kontext der Studie 17 <?page no="18"?> vorliegende Studie in dieser krisenhaften Zeit (Reintjes et al., 2021) entstanden ist, geschieht das nicht etwa, um auf die zusätzlichen Herausforderungen bei ihrer Durchführung hinzu‐ weisen. Ganz im Gegenteil, und auch in ausdrücklicher Abgrenzung zu dem einleitenden Zitat, ist zu betonen, dass die außergewöhnliche Erhebungssituation die Studie - trotz aller Widrigkeiten in Konzeption und Datensammlung - enorm bereichert hat. So wäre das Fazit, dass „nichts wirklich in Erinnerung geblieben“ sei, für die Zeit der Pandemie schon allein deswegen fatal, da aus Sicht der Lehrkräftebildung einzigartige Erkenntnisse generiert werden konnten, die auch oder gerade post-Covid ihre Relevanz entfalten. Um zu verstehen, wie ausgerechnet diese auch in der Arbeit selbst als einzigartig beschriebene Situation wertvolle Erkenntnisse für einen spezifisch anderen Kontext (also die Zeit post-Covid) liefern kann, ist es besonders hilfreich, kurz die Ausgangslage der Studie zu skizzieren. Digitalitätsbezogene (Englisch-)Lehrkräftebildung und Onlinelehre: Chance in der Krise? Als Teil des BMBF-geförderten Verbundsprojekts DiAL: OGe (Digitalisierung in der Aus‐ bildung von Lehramtsstudierenden: Orientierung und Gestaltung ermöglichen) stand der Kontext der digitalitätsbezogenen universitären Lehrkräftebildung für die Studie bereits früh fest. Dass bereits zu Beginn des Projekts im März 2020 ein Großteil der universitären Lehre ausschließlich digital bzw. online stattfinden musste, schien somit vor dem Hinter‐ grund des Forschungsinteresses ein Glücksfall. Gleichzeitig ließ sich in den Umständen ein Spannungsverhältnis beobachten, was auch den Fokus auf digitalitätsbezogene Vor‐ stellungen zusätzlich begründet. So wurde, auch in der eigenen Lehre im Bereich der Englischdidaktik, schnell der grundlegende Unterschied zwischen einer digitalisierten oder digitalen Lehre in einem weiten Verständnis und dem während der Pandemie bestehenden Emergency Remote Teaching (ERT) (Hodges et al., 2020) deutlich. Dabei scheint es gerade zu Beginn der Pandemie problematisch, durchgeführte Lehre als digitale Lehre im weiteren Sinne zu bezeichnen, war sie doch durch unbzw. kaum geplante Umsetzung und organi‐ satorische Probleme gekennzeichnet. Dies ermöglichte kaum das eigentlich notwendige „Reimagining“ (ebd.) für digitale Lehre (Code et al., 2020). Gleichzeitig war es für die Studierenden durch das ERT zwar scheinbar offensichtlich, dass das Thema Digitalisierung äußerst bedeutsam sei, viel weniger eindeutig erschien allerdings, wieso. Mehr noch, die Begründung für die Bedeutsamkeit der Digitalisierung wurde von den Studierenden in den eigenen Seminaren nicht etwa in den zuvor genannten Diskursen gesehen, sondern in den Erfahrungen der Covid-19-Pandemie. Damit wurde ein disconnect zwischen dem grundlegenden Unterschied zwischen digitaler Lehre und ERT auf der einen und der Wahrnehmung der Studierenden auf der anderen Seite deutlich: Für die Studierenden schien während der Covid-19-Pandemie das Verständnis von digitalisierter (/ digitaler) Lehre und ERT zu verschmelzen. Trotz der Lehre im digitalen Raum während Corona ist ERT aber vor dem Hintergrund des Notfallcharakters, der die pädagogisch-didaktische Durchdringung der Lehre einschränkte, gerade nicht die Form von Digitalisierung, die den Diskurs seit Jahrzehnten bestimmt. Diese Art der Lehre ist darüber hinaus noch viel weniger die Form von Digitalität, die den Diskursen seit Stalders Ausführungen zur Kultur der Digitalität, aber vermutlich auch in den kommenden Jahren, ihre enorme Dynamik verleiht. 18 1 Einleitung und Gliederung <?page no="19"?> Diese Diskrepanz noch verstärkend, erschienen (und erscheinen) mit dem Fokus auf digitale Lehre während Corona, verstanden hier als die Lehre im digitalen Raum bzw. Onlinelehre, vielfältig wissenschaftliche Beiträge, die den Digitalisierungsschub während der Corona-Pandemie betonten (vgl. z. B. Kerres, 2020a; König & Greffin, 2021; Reintjes et al., 2021). Dass es einen (technisch-medialen) Digitalisierungsschub gab, soll dabei nicht abgestritten werden. Vor dem Hintergrund der Überlegungen zur Uneindeutigkeit des Begriffs, und insbesondere vor dem Hintergrund der Verschärfung durch den disconnect zwischen der Vermischung digitaler Lehre und ERT in der Wahrnehmung der Studierenden, kann die Aussage allerdings herausfordernde Implikationen nach sich ziehen. So entstand ein, zumindest aus Perspektive der Lehrkräftebildung im Fach Englisch, problematisches Spannungsverhältnis: Zum einen schien Digitalisierung eine trotz aller Bemühungen zuvor unerreichte und direkt erlebbare Signifikanz für das Lehren und Lernen erhalten zu haben. Gleichzeitig beschränkte sich diese Erlebbarkeit durch das ERT auf eine spezifische Form digitalen Lernens und Lehrens. Dieser Unterschied wurde zugleich durch fehlende andere Erfahrungen der Studierenden und Beschreibungen der Pandemie als digital turn in Teilen des bildungspolitischen und auch fachdidaktischen Diskurses (z. B. BMBF, 2021; Lütge & Merse, 2021) verdrängt. Mit anderen Worten: die Vorstellung von digitaler Lehre beschränkte sich für Studierende auf ERT und damit auf ein Verständnis von Digitalisierung als die (erzwungene) Substitution analoger Strukturen im digitalen Raum (vgl. Puentedura, 2006). Eine Begriffsinterpretation, die der zuvor skizzierten Begriffsverschiebung auf das ganzheitliche, soziokulturelle Konzept der Digitalität, das zunehmend in den Fokus der fachdidaktischen und bildungspolitischen Perspektiven rückt (siehe auch Kapitel 2.3), geradezu diametral entgegensteht. Vor dem Hintergrund der beiden bis hierhin ausgeführten Stränge, den theoretisch-kon‐ zeptionellen Überlegungen zum Begriff und der Betrachtung des komplexen Diskurses auf der einen Seite und den Beobachtungen der Entwicklungen zu ERT und digitaler Lehre im Bereich der Englischdidaktik auf der anderen Seite, entstand schließlich der Fokus der Untersuchung auf digitalitätsbezogene Vorstellungen. In Anbetracht der Frage, ob die Beobachtung auch empirisch nachgezeichnet und die komplexen Beziehungen zwischen Erfahrungen, Vorstellungen und Digitalität dargestellt werden können, drängten sich zwei Schwerpunkte auf, deren Relevanz im Verlauf der Arbeit weiter ausformuliert und -differenziert wird: 1. Welche Vorstellung haben angehende Englischlehrkräfte von Digitalisierung und Digitalität? 2. In welcher Beziehung stehen diese Vorstellungen zu den pandemiebedingten Erfah‐ rungen? So früh sich allerdings vor dem Hintergrund des angeschnittenen Diskurses und der Beobachtungen zu Beginn der Pandemie ein generelles Forschungsinteresse formulierte, so komplex gestaltete sich schließlich die Ausarbeitung in genaue Forschungsfragen und deren empirische Bearbeitung. Neben forschungspragmatischen Gründen, die sich vor allem auch durch die Pandemiebedingungen selbst ergaben, lag das auch an den Begriffen Digitalisierung bzw. Digitalität und dem Konstrukt Vorstellungen. So wird sich zeigen, dass nicht nur Digitalisierung, sondern auch das Konstrukt Vorstellungen inter- und intra‐ 1.1 Kontext der Studie 19 <?page no="20"?> disziplinär zahlreiche Ausprägungen und Ausformulierungen vereint, die eine empirische Bearbeitung herausfordernd gestalten. Dass darüber hinaus mit der Fremdsprachendidaktik und der Bildungswissenschaft zwei disziplinäre Perspektiven eingenommen werden, ist vor dem Hintergrund des „Querschnittsthemas“ (MSB, 2022, S. 4) Digitalisierung gut begründbar, verkompliziert das Vorgehen aber zusätzlich. Das gilt insbesondere, da trotz möglicher Permeabilität (Schmenk, 2019, S. 28-29) fachliche Besonderheiten berücksichtigt werden sollten. Aus dieser Anlage ergibt sich somit bereits hier ein zusätzliches Ziel der Untersuchung, das sich im Vergleich zur Bearbeitung des Forschungsinteresses auf einer zweiten Ebene verorten lässt: 1. In erster Linie gilt es einen theoretisch-konzeptionellen Rahmen zu Digitalisierung bzw. Digitalität und dem Konstrukt Vorstellungen zu erarbeiten, um darauf aufbauend ein passendes empirisches Forschungsdesign für das Forschungsinteresse zu konzi‐ pieren, durchzuführen, dessen Ergebnisse zu analysieren und schließlich für die digitalitätsbezogene (Englisch-)Lehrkräftebildung nutzbar zu machen. 2. Außerdem soll deutlich werden, dass nicht trotz, sondern gerade aufgrund der Pan‐ demie einzigartige Erkenntnisse generiert werden konnten, die nicht nur in, sondern gerade post-Covid Relevanz für die digitalitätsbezogene (Englisch-)Lehrkräftebildung beanspruchen können. Dabei gilt es insbesondere auch den Mehrwert des multi‐ perspektivischen wie auch mehr-methodischen Zugangs zu digitalitätsbezogenen Vorstellungen für die Englischdidaktik zu verdeutlichen. Zur Bearbeitung dieser beiden grundlegenden Ebenen wie auch zu ihrer in den folgenden Kapiteln beschriebenen Ausformulierung, Kontextualisierung und Spezifizierung ist die Untersuchung in insgesamt 11 Kapitel eingeteilt. Eine Kurzbeschreibung der Kapitel inklusive ihrer Position und Ziele im bzw. für den Forschungsprozess erfolgt im nächsten Abschnitt, bevor Kapitel 2 die theoretische Rahmung beginnt. Diese Struktur dient insge‐ samt dem Ziel, die essenzielle Rolle des Konzepts der Digitalität für (Englisch-)Unterricht und Lehrkräftebildung auszuarbeiten und zu kontextualisieren, um schließlich die Rolle digitalitätsbezogener Vorstellungen für die Transformation der Lehrkräftebildung unter Bedingungen der Digitalität in der Fremdsprachenbzw. Englischdidaktik und in ausge‐ wählten bildungswissenschaftlichen Positionen zu verorten. 1.2 Gliederung der Darstellung In einem Mixed-Methods-Design behandelt die vorliegende Untersuchung in 11 Kapiteln Fragen zu digitalitätsbezogenen Vorstellungen, deren Beziehung zur Covid-19-Pandemie und ihrer Relevanz für die (Englisch-)Lehrkräftebildung unter Bedingungen der Digitalität. Der theoretische Teil leistet dabei die Begriffsklärung zu Digitalisierung, Digitalität, dem Konstrukt Vorstellungen wie auch einiger verwandter Begriffe. Dort werden außerdem dis‐ ziplinäre Perspektiven (Fremdsprachenbzw. Englischdidaktik und Bildungswissenschaft) geschärft und synthetisiert. Der empirische Teil beginnt mit der Genese der Forschungs‐ fragen und der Erläuterung des gewählten Mixed-Methods-Designs. Anschließend wird zu‐ nächst der qualitative und schließlich der quantitative Zugang inklusive der Ergebnisse aus 20 1 Einleitung und Gliederung <?page no="21"?> beiden Zugängen vorgestellt, um abschließend beide Zugänge miteinander zu kombinieren und in ihrer Synthese zu diskutieren. Die Darstellung endet nach einem Fazit mit einem kurzen Ausblick zu offenen Anknüpfungspunkten und insbesondere denjenigen Fragen, die sich im Anschluss an die Forschungsergebnisse stellen. Zur besseren Übersicht werden alle Kapitel im Folgenden kurz hinsichtlich ihrer Rolle und Position im Forschungsprozess zusammengefasst. Kapitel 2 leitet den theoretischen Teil der Untersuchung ein und nimmt dafür die begrifflichen Überlegungen der Einleitung auf. Zu diesem Zweck wird der in der Einleitung angeschnittene begriffliche Wandel zur Digitalität historisch hergeleitet und in fremd‐ sprachendidaktischen und bildungswissenschaftlichen Diskursen verortet. Besonderes Augenmerk gilt dabei dem Konzept der Kultur der Digitalität, das den theoretischen Rahmen und das Begriffsverständnis der gesamten Arbeit prägt. Zudem erfolgt eine Positionierung im fachlichen Diskurs der Englischdidaktik und eine kritische Abgrenzung von technisch-medialen Positionen der Betrachtung von Digitalisierung und Digitalität. Nachdem der theoretisch-konzeptionelle Rahmen des Begriffs gesetzt wurde, gibt Ka‐ pitel 3 mit der Ausarbeitung von Perspektivlinien konkrete Beispiele für die Implikationen der theoretischen Konzeptionalisierung. Unter den drei gewählten Perspektivlinien Ent‐ grenzung, Adaptivität und Automatisierung werden einige Fragen eruiert, die Digitalität in ihren technologischen, vor allem aber (lern-)kulturellen Entwicklungen an (Englisch-)Un‐ terricht und Lehrkräftebildung stellt. Ziel ist es, den Rahmen bzw. die Reichweite digitali‐ tätsbezogener Fragen darzustellen und die abstrakteren begrifflichen Ausführungen des vorangehenden Kapitels in den Fachkontext zu übersetzen. Mit dem Übergang in das 4. Kapitel verschiebt sich der Fokus von allgemeinen Ausfüh‐ rungen zu Digitalisierung und Digitalität zur Betrachtung der (Englisch-)Lehrkräftebildung und der Rolle der Lehrkraft unter Bedingungen der Digitalität. Dazu werden zunächst, ergänzend zu den Perspektiven aus Kapitel 2 und 3, bildungspolitische Erwartungen und Forderungen an Unterricht unter Bedingungen der Digitalität dargestellt. In einer Parallele zu den vorigen Kapiteln wird auch hier der zunehmende Fokus der Perspektive Digitalität anstelle eines technisch-medialen Verständnisses von Digitalisierung nachgezeichnet. Aus den bildungspolitischen Beschreibungen und in Synthese mit den zuvor dargestellten fachlichen Perspektiven werden schließlich die Anforderungen an (Englisch-)Lehrkräfte und in Konsequenz an die universitäre Lehrkräftebildung eruiert. Dabei wird deutlich, dass in den vergangenen Jahren neben Wissen und spezifischen fachlichen und technischen Kompetenzen zunehmend auch eine bestimmte Form von Haltung (Mindset, Überzeugung, belief, Vorstellung) als Erfordernis der Lehrkräftebildung postuliert wird. Dass gleichzeitig nur unzureichend spezifiziert wird, was genau diese Begriffe beinhalten (und wie die Haltung bzw. ihre begriffliche Ausdifferenzierung vermittelt werden soll), schafft die Überleitung zur weiteren Begriffsdiskussion im fünften Kapitel. Kapitel 5 weist zu Kapitel 2 dahingehend Parallelen auf, dass mit Vorstellungen ein weiterer Begriff in den Mittelpunkt rückt, der aufgrund des uneinheitlichen Diskurses einer inhaltlichen Ausdifferenzierung bedarf. Durch einen kurzen historischen Abriss des akademischen Diskurses zu Lehrkräftebildung und teacher cognition wird dabei deutlich, dass die begriffliche Ausdifferenzierung eine Vielzahl von unterschiedlichen Ausprägungen hervorbringt. Darüber hinaus ist zu bemängeln, dass kein einheitliches Verständnis dazu 1.2 Gliederung der Darstellung 21 <?page no="22"?> besteht, wie die Begriffe miteinander in Beziehung stehen. Ausgehend von diesem Desiderat wird eine ausführliche Systematisierung der Begriffe beliefs, Vorstellungen und subjektive Theorien für den Bereich der (Englisch-)Lehrkräftebildung vorgenommen. Hier werden insbesondere Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen Vorstellungen, auf denen im Folgenden der Fokus der Untersuchung liegt, und beliefs thematisiert, die gerade im internationalen Diskurs den Bereich der Lehrkräftebildung prägen (Pajares, 1992; Phipps, 2010). Zugleich wird, auch vor dem Hintergrund der Erhebungssituation, argumentiert, dass der Begriff Vorstellungen wegen seiner variableren zeitlichen Dimension Begriffen wie Haltung, Überzeugung oder belief vorzuziehen ist. Ausgehend von den Überlegungen zu begrifflicher Abgrenzung und entsprechenden Voraussetzungen der empirischen Erhebung kann so über die Ausarbeitung des theoretischen und begrifflichen Rahmens der Übergang zu Fragen des Studiendesigns erfolgen. Abgeleitet aus den vorigen Kapiteln werden im 6. Kapitel zunächst die Forschungs‐ fragen ausformuliert, die den empirischen Teil der Arbeit bestimmen. Die Forschungsfragen fassen nicht nur die bis dahin dargelegten Überlegungen zusammen, sie bieten auch den Ausgangspunkt für die qualitativ-explorative Erfassung des Forschungsfelds, die im im Laufe der empirischen Bearbeitung zur Ergänzung und Ausdifferenzierung der grundlegenden Forschungsfragen führt. Passend zur komplexen Rahmung durch die begrifflichen Überlegungen zu Digita‐ lisierung und Digitalität wie auch zum Forschungskonstrukt Vorstellungen mit seiner herausfordernden empirischen Zugänglichkeit argumentiert Kapitel 7 in der Beschrei‐ bung des Forschungsdesigns für einen mehr-methodischen und multiparadigmatischen Zugang. In dem Kapitel wird dafür nicht nur der methodische Zugang als sequenzielles Mehr-Methoden-Design im Rahmen des Vertiefungsmodells (Döring & Bortz, 2016, S.-27- 28) erläutert, sondern spezifisch auch auf forschungsparadigmatische und epistemologische Fragen eingegangen. Das Augenmerk liegt dabei auf der Verortung im Mixed-Methods-Pa‐ radigma des philosophischen Pragmatismus. Vor dem Hintergrund dieser Ausführungen wird schließlich argumentiert, wieso (und vor allem unter welchen Bedingungen) im Sinne des Mixed-Methods-Designs Ansätze des sozialen Konstruktivismus in Inhaltsana‐ lyse und Typenbildung in eine Beziehung mit Ansätzen des kritischen Rationalismus im quantitativen Teil gesetzt werden können. Das Kapitel endet mit dem Fazit, dass qualitative und quantitative Methoden so wenig vermischt werden, wie sie getrennt nebeneinanderstehen sollten, sondern eine begründete Synthese der Zugänge wie auch ihrer Ergebnisse angestrebt werden muss. Nachdem Kapitel 6 und 7 Studiendesign und paradigmatische Verortung dargestellt haben, beginnt im 8. Kapitel der empirische Teil der Untersuchung. Bevor auf Ergebnisse der qualitativen Inhaltsanalyse (QIA) eingegangen wird, wird die Methode zunächst gene‐ rell und schließlich im spezifischen Kontext der vorliegenden Arbeit verortet. Ziel dabei ist es, eine explizite Begründung ihrer Affordanzen für den Kontext der Studie darzustellen. Bei der Betrachtung ihrer methodologischen Grundlagen wird die QIA zugleich in ihre fachdidaktische und bildungswissenschaftliche Forschungstradition eingeordnet. Nach der Grundlegung beginnt schließlich in 8.2 der allgemeine Ergebnisteil, der zunächst die Er‐ gebnisse der inhaltlich strukturierenden QIA (ISQIA) vorstellt und in einem komprimierten Zwischenfazit diskutiert. Darauf folgt in 8.3 die typenbildende QIA, die zunächst metho‐ 22 1 Einleitung und Gliederung <?page no="23"?> disch erörtert wird, bevor, wie auch bei der ISQIA, die Ergebnisse beschrieben und in einem zweiten Zwischenfazit bündig zusammengefasst werden. Vor dem Übergang zur Epistemic Network Analysis (ENA) werden die Ergebnisse der Typenbildung gemeinsam mit denen der ISQIA ausführlich diskutiert unter besonderer Berücksichtigungder Auffälligkeiten bezüglich des engen Vorstellungshorizontes, der begrifflichen Unschärfe und der stark heterogenen Ausprägung dieser Auffälligkeiten in den erarbeiteten Typen. Diese ermögli‐ chen eine intern homogene, aber extern heterogene Systematisierung der Feststellungen der vorherigen QIA. Zum Abschluss von Kapitel 8 werden die aus der QIA entstehenden offenen Fragen zusammengefasst. Kapitel 9 widmet sich vollständig der ENA und dem quantitativen Zugang zum Material. Wie auch beim qualitativen Zugang werden vor den eigentlichen Ergebnissen generelle methodologische Grundlagen erarbeitet, bevor diese dann auf den spezifischen Kontext der vorliegenden Studie bezogen werden. An dieser Stelle werden außerdem die Stärken der ENA in Kombination mit der QIA verdeutlicht, die den erheblichen Mehraufwand des Mehr-Methoden-Designs rechtfertigen. Ausführlich ist die methodologische Fundierung außerdem, da sich - anders als bei der QIA - die ENA als eine im Vergleich neue Methode kaum bis gar nicht in Traditionen der empirischen Fremdsprachenforschung verorten lässt. Dieser Umstand lässt sich als erhebliches Potenzial deuten, nicht nur einen inhaltlichen, sondern auch einen forschungsmethodologischen Beitrag leisten zu können. In ihren spezifischen Stärken, so die Argumentation weiter, bestehen in der ENA Potenziale gerade für komplexe Situationen wie die des Englischunterrichts und gerade auch als Ergänzung der bereits so sehr etablierten qualitativen Zugänge zu fremdsprachendidaktischen For‐ schungsfragen. Nach der ausführlichen theoretischen Erarbeitung folgen anschließend die Ergebnisse der ENA. Diese fokussieren sich auf insgesamt drei Netzwerke, die die Verbindung zwischen den Covid-19-bedingten Erfahrungen und der Bewertung digitaler Technologien verdeutlichen. Dabei wird nicht nur gezeigt, wie die Verbindung insgesamt empirisch darstellbar ist, sondern auch, dass sich signifikante Unterschiede zwischen Online- und Hybridsemester ergeben. Die Ergebnisse werden schließlich in einem Exkurs zu einem Vergleich zwischen Studierenden- und Expert*innennetzwerken kontextualisiert. Zum Abschluss von Kapitel 9 werden die Ergebnisse der ENA insgesamt diskutiert und auf die qualitativen Ergebnisse des vorigen Kapitels bezogen. Das eröffnet die Möglichkeit der systematischen Synthese aus qualitativem und quantitativem Zugang im Anschluss. Kapitel 10 bedient den expliziten Qualitätsanspruch an Mixed-Methods-Studien, dass in diesen die genutzten methodischen Zugänge nicht nebeneinanderstehen sollten, sondern explizit auch aufeinander bezogen werden müssen. Diese Bezugnahme erfolgt an dieser Stelle nicht nur durch die theoretische und begriffsgeleitete Diskussion, sondern auch empirisch. Dafür werden die qualitativ gebildeten Typen in ihren Assoziationsstrukturen miteinander verglichen. Dadurch lässt sich quantitativ darstellen, wie sich die qualitativ gebildeten Typen (z. T.) signifikant in ihren Bewertungsmustern unterscheiden. Die Interpretation dieser Synthese der Methoden bildet den weiteren Kern des Kapitels, dessen zweiter Teil die Gesamtdiskussion der Ergebnisse, ihrer Limitationen wie auch ihrer Transferierbarkeit in andere Kontexte bietet. Als Abschluss der Untersuchung liefert Kapitel 11 Fazit und Ausblick der theoretischen und empirischen Diskussionen. Dabei wird zunächst festgehalten, welchen Beitrag die 1.2 Gliederung der Darstellung 23 <?page no="24"?> Studie zur (Englisch-)Lehrkräftebildung unter Bedingungen der Digitalität wie auch zu digitalitätsbezogenen Diskursen des Englischunterrichts leisten kann. Neben der begriff‐ lichen Systematisierung und Schärfung des zentralen wie auch omnipräsenten Begriffs Digitalisierung, der Nutzbarmachung pandemiebedingter Erfahrungen und Empfehlungen zu notwendigen Bemühungen der (Englisch-)Lehrkräftebildung werden zuletzt die noch offenen Fragen dargestellt, insbesondere solche, die sich aus den Ergebnissen der Studie selbst ergeben. Dabei wird argumentiert, dass zahlreiche Anschlussmöglichkeiten bestehen, die in qualitativ-explorativen bis hin zu quantitativen Interventionsstudiendesigns erar‐ beitet werden können. Diese können Vorstellungen und Überzeugungen von in-service-Lehr‐ kräften, aber auch die Auswirkungen technologischer Disruptionen, insbesondere der generativen Künstlichen Intelligenz, betreffen. Kurzum, die Dissertation endet mit mögli‐ chen Anknüpfungspunkten, theoretische und empirische Forschung zu Englischunterricht und Lehrkräftebildung unter Bedingungen der Digitalität weiterzutreiben. 24 1 Einleitung und Gliederung <?page no="25"?> 2 Digitalisierung, Digitalität und digitale Transformation Es ist eine zentrale These der vorliegenden Arbeit, dass die digitale Transformation und das damit verbundene Lernen und Lehren unter Bedingungen der Digitalität eines der wichtigsten Themen aktueller und zukünftiger Lehrkräftebildung, wie auch Fachdidaktik und Unterrichtsentwicklung insgesamt sind. Eine solch weitreichende These lässt sich erst dann rechtfertigen, wenn die zahlreichen Implikationen der Digitalität aus den ver‐ schiedenen Perspektiven der Englischdidaktik und ihrer Bezugsdisziplinen aufgeschlüsselt werden. Die dementsprechende medienpädagogische und -didaktische Perspektivierung wird in Kapitel 2.1 vorgenommen. In Kapitel 2.2 wird die erarbeitete Perspektive mit dem kulturwissenschaftlichen Konzept der Kultur der Digitalität (Stalder, 2019) kontrastiert. Anschließend wird unter Berücksichtigung aller Perspektiven das Phänomen der digitalen Transformation diskutiert, was einen technischen, medialen und kulturellen Wandel im Lehren und Lernen beschreibt. Schließlich wird das erarbeitete Begriffsverständnis in 2.3 in den Bereich der Fremdsprachendidaktik eingeordnet und für das Fach Englisch geschärft. Ziel des Kapitels ist es, ein grundlegendes Begriffsverständnis zu erarbeiten, welches im gesamten Verlauf der Arbeit genutzt werden kann. Außerdem soll bereits hier für die verschiedenen Ebenen sensibilisiert werden, auf denen Digitalisierung und Digitalität mit Englischunterricht und Lehrkräftebildung interagieren. Die aus der Interaktion resultie‐ renden Fragen und die inhaltliche Differenzierung der Begriffe sind schließlich Kernpunkt der Perspektivlinien in Kapitel-3. Digitalisierung und Digitalität: Omnipräsenz und Unbestimmtheit Für die allgemeine Kritik an Digitalisierungsprozessen im deutschen Bildungssystem lassen sich zahlreiche Beispiele finden. Wie in der ICILS (International Computer and Information Literacy Study) 2018 empirisch nachgezeichnet, lassen sich beispielsweise das Fortbildungsangebot für Lehrpersonen und auch die technischen Rahmenbedingungen an deutschen Schulen bemängeln (Eickelmann et al., 2019). Dieser Missstand sah sich jüngst in den pandemiebedingten Schulschließungen bestätigt und wurde ausführlich dokumentiert (u. a. in Eickelmann & Drossel, 2020; Fütterer et al., 2021; Reintjes et al., 2021). Im weiteren Verlauf dieses Kapitels soll entsprechend nicht auf die Kritik an Digitalisierungsprozessen, sondern auf die Begriffe Digitalisierung und Digitalität selbst fokussiert werden. Diese Priorisierung erfolgt aus zwei Gründen. Zum einen sind Missstände zur (technischen) Digitalisierung bereits detailliert dokumentiert und diskutiert. Zum anderen ist der Begriff Digitalisierung so inkonsistent, wie er omnipräsent ist. Eine Diskussion von Digitalisierung und Digitalität in Englischunterricht und universitärer Lehrkräftebildung setzt also zuerst eine begriffliche Klärung und Einordnung voraus. Ein wesentlicher Aspekt, der die Begriffsbestimmung von Digitalisierung und Digitalität erschwert und zugleich unbedingt erforderlich macht, ist die trotz der Unbestimmtheit bestehende Diskursmacht des Begriffs Digitalisierung (Dander, 2020, S. 23). Dabei sorgt der digitale Wandel in seiner Unübersichtlichkeit und Komplexität oft zu polarisierenden Beiträgen, die aber nur vereinfachte Teilbereiche abdecken (Petko et al., 2018, S. 158). <?page no="26"?> 5 Hier lässt sich Krommers (2018) Kritik unterstreichen, dass diese Aussage bestenfalls trivial ist und schlimmstenfalls ein vereinfachtes Bild von Technik im Sinne eines Werkzeuges propagiert. (Zu Letzterem siehe auch die Diskussion zur Kultur der Digitalität im nächsten Kapitel.) 6 Erste mediendidaktische Überlegungen treten bereits mit Comenius im Jahr 1658 auf, Heimann systematisiert diese Überlegungen allerdings zum ersten Mal in der Disziplin in 1962 (Herzig, 2022, S.-842). 7 Für eine Zusammenfassung der gängigsten Strömungen in der Medienpädagogik siehe Schiefner-Rohs (2013) sowie die Beiträge in Teil I aus Sander et al. (2022). Dies sorgt zu irreführenden Aussagen wie ‚Pädagogik vor Technik‘ 5 und überhöhten Erwartungen an Technologie im Sinne des „Mythos digitalen Potenzials“ (Braun et al., 2021, S. 4). Eine multiperspektivische Annäherung an die Begriffe Digitalisierung und Digitalität eröffnet hingegen den Raum für eine fundiertere Einschätzung zu Relevanz, Fragen und „Möglichkeitenräume[n]“ (Stalder, 2021, S. 4), die sich für die in der Arbeit im Mittelpunkt stehenden Bereiche Lehrkräftebildung und Englischunterricht ergeben. 2.1 Digitalisierung, Medienpädagogik und Mediendidaktik Es ist auch im Rahmen einer fachdidaktischen Arbeit naheliegend, wenn auch nicht gänz‐ lich unproblematisch, sich dem Begriff der Digitalisierung zunächst aus einer medienpäda‐ gogischen bzw. -didaktischen Perspektive zu nähern. Bereits seit den frühen 1960er Jahren tauchen hier mit Heimann systematische Verortungen von Medien in pädagogischen bzw. didaktischen Modellen auf (Herzig, 2022, S. 842). 6 Medien umfassen dabei im Verständnis der Medienpädagogik sowohl Buch und Bild (ebd.) als auch digitale Medien, vom Video bis hin zur Künstlichen Intelligenz (KI) und der Datafizierung (Hugger, 2022, S. 68; De Witt, 2022, S. 626). Diese Bandbreite liegt auch an tendenziell offenen Definitionen des Medienbegriffs in der Medienpädagogik: Medien in diesem Sinne sind die Produkte des Menschen, die Gegenstände, die er geschaffen hat. Diese Gegenstände sind sowohl materieller Natur, wie technische Geräte, als auch immaterieller Natur, wie Sprache, Schrift und Abbildung. […] Medien sind einerseits das Reservoir menschlicher Kultur und andererseits Werkzeuge, diese Kultur zu schaffen und zu verändern. (Schorb, 2022, S.-44-45) Ein Medium kann dementsprechend ein spezifisches Gerät für den Unterricht sein, wie beispielsweise ein Tablet oder interaktives Whiteboard, ist aber dennoch nicht auf das Materielle bzw. Gegenständliche beschränkt. Trotz dieser Begriffsoffenheit fokussiert die Medienpädagogik im Bereich des Unterrichts historisch betrachtet vor allem das Medium in materieller Natur. Das trifft insbesondere auf die bewahrungspädagogische Position zu, die seit den 1920er Jahren ihre Aufgabe darin sieht, Kinder und Jugendliche vor dem schädlichen Einfluss (neuer) Medien zu schützen (Schiefner-Rohs, 2013, S. 140). Die Bezeichnung neu ist dabei relativ und reicht vom Kino in den 1920ern bis zu heutigen Diskussionen zu Internet und Computerspielen (ebd.). Aber auch andere Strömungen 7 legen einen starken Fokus auf materielle Medien und Medien als Werkzeug: 26 2 Digitalisierung, Digitalität und digitale Transformation <?page no="27"?> 8 Einschränkend muss hier erwähnt werden, dass in Teilen der Disziplin auch ein wesentlich umfassenderes Bild von und des Umgangs mit Medien beschrieben wird (vgl. auch Diskussionen zu Medienkompetenz vs. Medienbildung) in Schiefner-Rohs (2013, S.-144). Inhalte der Medienpädagogik waren andererseits [abgesehen von der bewahrungspädagogischen Position, Anmerkung C. K.] funktional die Veranschaulichung des Unterrichtsstoffes durch auditive und visuelle Medien. In der Weiterentwicklung der rechnergestützten programmierten Unterweisung wird heute der Unterricht über Lernsoftware gestaltet, die […] Verbindungen zu einer handlungsorientierten Medienpädagogik aufweist. (Schorb, 2022, S.-42) Auch wenn die Strömungen verschiedene Zielsetzungen besitzen (Bewahrung, Emanzipa‐ tion, Handlungsorientierung, Optimierung) bleibt die Denkfigur ähnlich: ein Medium (ob Buch oder KI) wird für ein Ziel als Werkzeug genutzt (bzw. in der Bewahrungsposition ausgeschlossen). Diese Betrachtung drückt sich schließlich auch in der Beschreibung von Medienkompetenz aus, die die zielgerichtete Anwendung und das souveräne Handeln mit Medien beschreibt (ebd., S. 45). Verbindet man diese Herangehensweise mit Digitalisierung (von Unterricht) rückt historisch aus der medienpädagogischen Perspektive also der vermeintlich souveräne Umgang mit digitalen Medien und seine zielgerichtete Anwendung in den Mittelpunkt. 8 Diese grundlegende Denkfigur gilt umso mehr für den Bereich der Mediendidaktik. Digitalisierung und Mediendidaktik Die Mediendidaktik als Teil der Medienpädagogik fokussiert sich darauf, wie ein Medium eingesetzt werden kann, um ein (Lern-)Ziel zu erreichen: Die Mediendidaktik thematisiert das Lehren und Lernen mit Medien und die Gestaltung von mediengestützten Lernangeboten in verschiedenen Bildungskontexten. Dies umfasst analoge Medien, wie Texte und Bücher, genauso wie digitale Medien, zum Beispiel Lernsoftware, die auf einem Datenträger oder über das Internet bereitgestellt werden. (Kerres, 2022b, S.-106) Vermehrtes Interesse gilt dem Feld vor allem seit den 1970er Jahren, die die Mediendidaktik im Rahmen der „bildungstechnologischen Welle“ (ebd.) stark prägen. Ähnlich wie in der Fremdsprachendidaktik (siehe Kapitel 2.3) und dem Bereich Computer Assisted Language Learning (CALL) (siehe Kapitel 2.3.2) ging mit dieser Welle eine Konzentration auf ein vermeintlich neues Medium einher (in diesem Fall, auf den Computer), mit dem hohe Erwartungen bezüglich der Potenziale für Lernprozesse verbunden wurden (ebd.). Auch wenn sich diese Erwartungen, beispielsweise für den Automatisierungsprozess, zunächst als überhöht darstellten, wiederholten sich ähnliche Diskurse im Bereich des E-Learning in den 90ern und werden noch heute über die Integration digitaler Medien in den Unterricht geführt (Schiefner-Rohs, 2013, S.-141). Mit den Jahren haben sich mediendidaktische Konzepte zur Integration, beispielsweise des Computers, weiterentwickelt und folgen kognitionspsychologischen Erkenntnissen in einem konstruktivistischen Ansatz von Lernen, der die eigenständige Konstruktions‐ leistung in der Auseinandersetzung mit dem Lerngegenstand betont (Kerres, 2022b, S. 107-108). Ungeachtet dieser Veränderung bleibt das Medium, in Übereinstimmung mit Definition und der gerade beschriebenen Denkfigur der Medienpädagogik, Werkzeug 2.1 Digitalisierung, Medienpädagogik und Mediendidaktik 27 <?page no="28"?> für ein Lernziel. „Mit der Regulierung des Lernprozesses durch den Computer wird eine Optimierung des Lehrprozesses angestrebt“ (ebd.). Das Interesse dieser Perspektive der Mediendidaktik ist also weniger das digitale Medium oder die Digitalisierung an sich, sondern die Frage nach den Potenzialen für bestehende (fachliche oder überfachliche) Lernziele. Ein Fokus, der in bildungspolitischen wie auch fremdsprachendidaktischen Diskursen über den Mehrwert der Digitalisierung zu finden ist (siehe z. B. Bär, 2019, S. 13; KMK, 2017, S.-48; Würffel, 2019, S.-294). Ausgehend von diesem Fokus auf Mehrwert scheint eine gewisse Ernüchterung be‐ züglich digitaler Medien kaum verwunderlich, zeigen Metaanalysen schließlich, dass ge‐ wünschte Effekte der Effizienzsteigerung im Lernen alles andere als selbstverständlich sind (siehe z. B. Bernard et al., 2018; Delgado et al., 2018). Die ausbleibenden Effekte liegen nach Sicht der Mediendidaktik allerdings nicht am Medium selbst, sondern an den didaktischen Konzepten, die mit den Medien zusammen genutzt werden. Bei der vermeintlich richtigen didaktischen Nutzung werden digitalen Medien zahlreiche Potenziale attestiert, die das Lernen schneller, individueller und effektiver machen sollen (Kerres, 2018, S.-87-137). In ihrer Fragestellung nach den didaktischen Konzepten für die effektive Nutzung (digitaler) Medien sieht sich die Mediendidaktik auch in ihrem Selbstverständnis als eine Perspektive auf mediale Fragen, die neben der Medienpädagogik auch noch mit weiteren erziehungswissenschaftlichen und bildungstheoretischen Feldern verbunden ist (Kerres, 2022b, S. 113). Insofern ist auch aus mediendidaktischer Perspektive das Medium nicht ausschließlich Werkzeug für effektiveres Lernen, es besteht jedoch ein klarer Fokus auf diese Perspektive. Der kurze Einblick in die Medienpädagogik und -didaktik zeigt insgesamt, dass sich dem Thema Digitalisierung, insbesondere historisch gesehen, vor allem aus der Perspektive medialer Veränderung und dessen Nutzung für Lernziele genähert wurde. Während diese Perspektive historisch gesehen hilfreich war und es in Teilen auch weiterhin bleibt, zeigt sich, dass sie unter Bedingungen der Digitalität unzureichend ist: Die Entwicklung der ‚klassischen‘ Medien vom Schulbuch über Radio und Fernsehen bis zum Video hat die Institution Schule in didaktischer wie auch in erzieherischer Weise immer wieder herausgefordert und zu Weiterentwicklungen in der Gestaltung von Lehr- und Lernsituationen geführt. Allerdings wurden dabei die institutionellen Strukturen nicht grundsätzlich in Frage gestellt. (Herzig, 2022, S.-842) Der Medienpädagoge Herzig stellt in dem Zitat selbst fest, dass die Digitalität eine andere Dimension von Fragen an Unterricht aufwirft, als es klassischen Medien getan hätten: Digitalität stellt die Struktur der Bildungsinstitutionen selbst in Frage. Um aber erläutern zu können, wieso Digitalität in dieser Hinsicht anders sein könnte als bisherige mediale Entwicklungen - und wieso die bis zu diesem Punkt betrachtete Denkfigur des Werkzeugs nicht ausreicht - ist es notwendig, sich dem Begriff Digitalisierung aus einer zweiten Perspektive zu nähern. 28 2 Digitalisierung, Digitalität und digitale Transformation <?page no="29"?> 2.2 Die Kultur der Digitalität Wie in dem einleitenden Satz zur Medienpädagogik und auch mit dem Zitat von Herzig angesprochen, ist eine Annäherung an das Phänomen der Digitalität einzig aus der Perspektive der Medienpädagogik bzw. -didaktik nicht unproblematisch. Der Ansatz der Kultur der Digitalität macht diese Problematik aus einer kulturwissenschaftlichen Perspektive deutlich und unterstreicht gleichzeitig die enorme Relevanz von Digitalität für den (Englisch-)Unterricht. Bevor aber die Kultur der Digitalität besprochen werden kann, muss der Begriff Digi‐ talität und seine Beziehung zum Begriff Digitalisierung ausdifferenziert werden. Wie im vorigen Kapitel angeschnitten, stellt ein Zugang zum Konzept der Digitalisierung aus me‐ dienpädagogischer Perspektive die Auswirkungen digitaler Medien und ihre Verwendung für pädagogische Zwecke und Ziele in den Vordergrund. Damit handelt es sich bereits um eine Interpretation bzw. eine bestimmte Perspektive auf Digitalisierung, die in ihrer ursprünglichen Begriffsdefinition sehr viel enger zu fassen ist: So meint Digitalisierung in ihrer technisch-informatischen Auslegung die „Umwandlung und Verarbeitung analoger Signale in digitale Signale und Abspeicherung in digitalen Systemen“ (Irion & Knoblauch, 2021, S.-124). Digitalität, eine Begriffsschöpfung aus der Kombination von „Digital“ und „Realität“ (Stalder, 2016, hier zitiert in: Huwer et al., 2019, S. 360), ist Ausdruck einer weiteren Perspektive auf Digitalisierung. Eine Perspektive, die „gesellschaftliche Änderungen, die sich im Anschluss an die Digitalisierung ergeben“ (ebd., Hervorhebung C. K.), betrachtet. Aus dieser Perspektive könnte man den Begriff Digitalisierung mit dem englischen Be‐ griff digitisation gleichsetzen, also einem technischen Prozess der Signalumwandlung. Mit anderen Worten: Digitalisierung meint beispielsweise die Umwandlung eines Buchs in ein PDF-Dokument, Digitalität die Auswirkungen des unmittelbar verfügbaren und unendlich replizierbaren und teilbaren Wissens und diesbezügliche Wechselwirkungen mit gesellschaftlichen Prozessen. Die beiden Begriffe werden in den für diese Arbeit genutzten Diskursen, insbesondere der Didaktik des Englischen, der Bildungswissenschaft und Medienpädagogik, nicht ein‐ heitlich genutzt. Das wird schon daran deutlich, dass im Abschnitt zur Medienpädagogik der Begriff Digitalisierung verwendet wurde, die Medienpädagogik aber nicht vorder‐ gründig Aspekte der technischen Signalumwandlung bearbeitet. Nichtsdestotrotz ist die Unterscheidung für den weiteren Verlauf der Arbeit und das Verständnis der Kultur der Digitalität wichtig, da sie auch begrifflich betont, dass Digitalität in Bildungskontexten nicht vornehmlich ein technischer Prozess ist. Mit der Unterscheidung zwischen Digitalisierung und Digitalität ist bereits klar, dass die Kultur der Digitalität nicht eine Kultur der Tablets oder eine Kultur der interaktiven Whi‐ teboards meint, sondern eine Kultur, die in ihren grundlegenden Strukturen und Praktiken von den konstitutiven Eigenschaften des Digitalen geprägt ist. Wieso diese kulturwissen‐ schaftliche Perspektivierung von Digitalisierung für den (Englisch-)Unterricht so relevant ist, wird im Folgenden durch die von Stalder erarbeiteten Eigenschaften der Digitalität (Referenzialität, Gemeinschaftlichkeit, Algorithmizität) verdeutlicht. Anschließend wird die Perspektive Stalders mit der Teilperspektive der (Medien-)Pädagogik und -didaktik 2.2 Die Kultur der Digitalität 29 <?page no="30"?> 9 Die Arbeit beschränkt sich im Folgenden vornehmlich auf den Bereich, den Stalder selbst mit Informationsflut 2.0 betitelt. Zwar wird die Ansicht Stalders geteilt, dass Referentialität bereits vor der Digitalisierung ein kulturelles Merkmal darstellte, für aktuelle und zukünftige Schul- und Unterrichtskontexte scheint im Sinne der Perspektivlinien aber eine Einschränkung auf die zuvor „nie dagewesene“ (Stalder, 2019, S.-105) Informationsflut 2.0 vertretbar. synthetisiert, um die abstrakte, kulturwissenschaftliche Makroperspektive mit explizit bildungs- und unterrichtsbezogenen Fragen zu verknüpfen. Der Zugang zum Begriff Digitalität, verstanden als die Frage nach den soziokulturellen Auswirkungen der Digitalisierung und den Eigenschaften einer digitalisierten Gesellschaft, lässt sich vielfältig gestalten. Der Vorteil des Zugangs über die Kultur der Digitalität ist, dass Stalder diejenigen Eigenheiten definiert, „die trotz der verwirrenden Vielfalt an Bestrebungen, Konflikten und Widersprüchen dieser kulturellen Umwelt als Ganze ihre spezifische Gestalt verleihen“ (Stalder, 2019, S. 95). Damit lässt dieser Zugang eine Bestimmung des konstitutiv Neuen der Digitalität zu und ermöglicht gleichzeitig eine Inte‐ gration und die Einschätzung der zahlreichen anderen Bemühungen über die Beschreibung des Digitalen, des Digitalisierten oder digital Transformierten im Bildungsbereich (u. a. Albrecht et al., 2020, S. 24-25; Kerres, 2020b, S. 10; im Bereich der Englischdidaktik schon Ritter, 1996; Rüschoff & Wolff, 1999). Die Offenheit bezüglich der Integration weiterer Perspektiven ermöglicht nicht zuletzt auch die Entwicklung der Perspektivlinien für Digitalität und Bildungsprozesse im folgenden Kapitel, die einige der genannten Positionen aufnehmen und für (Englisch-)Unterricht explizieren. Referentialität 9 Konstitutiv für die Kultur der Digitalität sind nach Stalder die drei Eigenschaften Referen‐ tialität, Gemeinschaftlichkeit und Algorithmizität. Die Eigenschaften bauen aufeinander auf und machen Digitalität gemeinsam beschreibbar. Die erste Eigenschaft, Referentialität, meint zunächst die Nutzung bestehenden kulturellen Materials für die eigene Produktion (Stalder, 2019, S. 13). Beispiele dafür sind u. a. Remix, Remake, Mashup (ebd., S. 97) oder das im Digitalen seit den späten 2000ern allgegenwärtige Phänomen der Memes (Knobel & Lankshear, 2007, S. 202-203). Die Nutzung und Neuinterpretation von kulturellem Material bestanden natürlich weit vor technologischen Entwicklungen wie dem Computer oder dem Internet. Referentialität als soziale Verhandlung und Wandlung von Bedeutung veränderte sich mit der Entwicklung digitaler Technologien jedoch radikal. Mit den sich im Laufe der 90er Jahre exponentiell entwickelnden technischen Möglichkeiten zur Speicherung und Wiedergabe digitaler Dateien, wurde die Gesellschaft mit einer zuvor unerreichten Infor‐ mationsflut konfrontiert (Stalder, 2019, S. 105). Einhergehend mit der Informationsflut und dem Wegfall einstmaliger „Informations-Gatekeeper“, wie Bibliotheken, Massenmedien oder Archiven, die zuvor Informationen gefiltert und sortiert hatten, entstand die „große Unordnung“, die Stalder als ein kulturelles Phänomen beschreibt (ebd., S. 114). Für das Individuum heißt das, dass dieses die Verantwortlichkeit für das Ordnen von Informationen bzw. Daten übernehmen muss: Filtern und Bedeutungszuweisung ist an sich nichts Neues. Neu ist, dass beide nicht mehr primär durch Spezialisten in Redaktionen, Museen oder Archiven ausgeführt werden, sondern zur 30 2 Digitalisierung, Digitalität und digitale Transformation <?page no="31"?> 10 Seit 2023 bekannt als „X“. Alltagsanforderung für große Teile der Bevölkerung geworden sind, unabhängig davon, ob diese über die materiellen und kulturellen Ressourcen verfügen, die nötig sind, um diese Aufgabe zu bewältigen. (Ebd., S.-118) Was hier von Stalder als Aufgabe des Filterns und der Bedeutungszuweisung beschrieben wird, lässt sich im Bildungskontext als Teil von digital literacy oder critical digital literacy (Steiniger, 2020, S. 74-75) als data literacy (European Commission, 2021) oder im deutschen Diskurs unter dem umbrella term (kritische) Medienkompetenz (Kerres, 2020b, S. 18; Petko et al., 2018, S. 163) verstehen. Kurzum, die Lernenden sollen dazu befähigt werden, auch ohne institutionelle Gatekeeper Informationen verstehen, einordnen und bewerten zu können (siehe auch Kapitel-4.1.1 und 4.1.2). Konkret lässt sich die Bedeutung von Referentialität für das Verständnis von Digitalität wie folgt erklären: Während sich die Flut an Informationen vornehmlich durch die technische Entwicklung ergibt, erklärt sich die Wandelbarkeit und Kurzlebigkeit der Informationen durch Referentialität selbst. Mit der ständigen Aufnahme und Bearbeitung (Referentialität) einer Flut von Informationen (technische Entwicklung) ergibt sich eine ständige Notwendigkeit der Reaffirmation bestehender Sinnzusammenhänge, ihrer Pro‐ duktion und Reproduktion (Stalder 2019, S. 128), was die Informationsflut schließlich nur weiter verstärkt. Schließlich, und für den Bildungsbereich besonders relevant, ist in der Digitalität vornehmlich das Individuum für die Herstellung und Reaffirmation von Sinn‐ zusammenhängen verantwortlich, nicht wie zuvor noch Institutionen oder Expert*innen. Ein praktisches Beispiel für das abstrakte Konzept der Referentialität im Digitalen lässt sich in social-media-Plattformen finden. Setzt man als Nutzer*in beispielsweise einen tweet, also eine Kurznachricht auf Twitter 10 , ab, muss dieser tweet für seine anhaltende Sichtbarkeit ständig von anderen Nutzer*innen aufgenommen, kommentiert und verändert werden. Interagieren andere Nutzer*innen nicht mit dem kulturellen Material, in diesem Fall also dem tweet, wird dieser schon nach kürzester Zeit in den metaphorischen Tiefen der digitalen Archive verschwinden. Ähnliches gilt auch für alles weitere kulturelle Material, wie im Aspekt der Algorithmizität noch deutlich werden wird. Zuvor baut aber Gemeinschaftlichkeit direkt auf die Ausführungen zu Referentialität auf. Gemeinschaftlichkeit Gemeinschaftlichkeit als konstitutiver Bestandteil von Digitalität scheint zunächst verwun‐ derlich. Dass Menschen sich vergemeinschaften ist schließlich, so auch Stalder, nichts Besonderes (2019, S. 129). Relevant für die Digitalität ist, auf welche Art und Weise Menschen Gemeinschaften, bzw. gemeinschaftliche Formationen (siehe ebd., S. 131-132) bilden. Ähnlich wie bei dem Wegfall institutioneller Informations-Gatekeeper ist auch hier ein Rückgang der Rolle von zivilgesellschaftlichen Institutionen zu beobachten (ebd., S. 129). An ihre Stelle treten in der Digitalität selbstgenerierte Ordnungen. Ein naheliegendes Beispiel für eine selbstgenerierte Ordnung ist die Wissenschaft in ihren spezifischen scientific communities (ebd., S. 151-152). Innerhalb der spezifischen Diskurse entscheidet die Subgemeinschaft der einzelnen Forscher*innen selbst, welche 2.2 Die Kultur der Digitalität 31 <?page no="32"?> 11 Es ist einschränkend zu erwähnen, dass die Zahlen nicht direkt von Reddit selbst kommen und es daher schwierig einzuschätzen ist, wie akkurat diese sind. Für das Argument Stalders und damit das Beispiel ist hier aber weniger die genaue Zahl als die generelle Dimension relevant. Selbst, wenn nur einhunderttausend subreddits existieren würden, würde es die (nahezu unmögliche) Aufgabe des Individuums der Zuschreibung in gemeinschaftliche Formationen hervorheben. Arbeiten wie viel Deutungshoheit im Diskurs erhalten, basierend auf einem eigens erar‐ beiteten und dynamischen Kriterienkatalog (ebd.). Zusammen mit der Referentialität, also in diesem Fall welche Arbeiten wie oft genutzt und weiterbearbeitet werden, ergibt sich dadurch, was in der jeweiligen Disziplin zu einem bestimmten Zeitpunkt als Konsens gilt. Diese grundsätzliche Idee ist, trotz ihrer Weiterentwicklungen in peer-review Verfahren, h-index und impact factor, ebenfalls nicht neu. Das Spezifikum der Kultur der Digitalität in ihrer Gemeinschaftlichkeit ergibt sich erst wie folgt: Selbstgenerierte Referenz- und Handlungsräume sind tief in den Alltag vorgedrungen. Der Grund dafür ist, dass sich eine immer größere Zahl von Fragen nicht mehr allgemeinverbindlich beantworten lässt […], während die enorme Ausweitung des Kulturellen in immer zahlreicheren Aspekten des Lebens explizite Entscheidungen erfordert. Die Reaktion auf dieses Dilemma ist die radikale Subjektivierung, die sich allerdings nicht auf der Ebene des Einzelnen, sondern auf jener der neuen gemeinschaftlichen Formationen vollzieht. (Ebd., S.-155) Während in früheren gemeinschaftlichen Formationen religiöse oder politische Institu‐ tionen für große Bevölkerungsgruppen und weitreichende Themengebiete Deutungshoheit beanspruchen konnten, entsteht Deutungshoheit in der Kultur der Digitalität in spezifi‐ schen sub-communities, die in hohem Maße auf einen bestimmten Aspekt des Lebens ausgerichtet sind. Kehrt man zurück zu dem bereits erwähnten social media Beispiel, lässt sich das mit dem stark subjekt-abhängigen Begriff der bubble (auch filter bubble oder echo chamber, Bagnoli et al., 2022, S. 125) zeigen. Hierbei werden durch sogenannte recommendation systems „intellectually closed circles“ (ebd.) gebildet, in denen Menschen mit ähnlichen Meinungen und/ oder Interessen Informationen austauschen. Die bubble eines Individuums besteht also aus zahlreichen kleinen gemeinschaftlichen Formationen, zu denen sich das Subjekt jeweils in Beziehung setzt. Für alle diese gemeinschaftlichen Formationen muss das Subjekt ebenfalls entscheiden, inwiefern und in welcher Reichweite diesen Formationen Deutungshoheit zugesprochen wird und inwiefern das Subjekt selbst in den jeweiligen Gemeinschaften aktiv wird. Eindrucksvolles Beispiel dafür: Auf der social media Plattform Reddit bestanden (Stand Mai 2021) ca. 2,8 Millionen subreddits (the‐ menorientierte Gemeinschaften innerhalb von Reddit) (Lin, 2021) bzw. gemeinschaftliche Formationen, für die sich das Subjekt entscheiden kann. Aktuell (Stand Mai 2022) wird die Zahl der subreddits auf ca. 3,4 Millionen geschätzt (Yakub, 2023). 11 Für das Subjekt in der Kultur der Digitalität besteht Gemeinschaftlichkeit also aus zahlreichen einzelnen, gemeinschaftlichen Formationen, in die sich das Individuum ein‐ schreiben, und mit denen es interagieren muss, dessen Deutungshoheit (und Reichweite der Deutungshoheit) das Individuum aber auch bewerten muss. Vor diesem Hintergrund wird die Bedeutung der bereits erwähnten data literacy besonders deutlich. Es darf, gerade aus Perspektive fremdsprachlicher Unterrichtsfächer, aber auch nicht vernachlässigt werden, wie diese Einschreibung in zahllose gemeinschaftliche Formationen das Subjekt selbst 32 2 Digitalisierung, Digitalität und digitale Transformation <?page no="33"?> prägt. Ein Umstand, dem im Diskurs der Englischdidaktik zu Inter- und Transkulturalität z. T. Rechnung getragen wird (Freitag, 2010, S. 125-126), der aber trotzdem vor dem Hintergrund der Kernkompetenz intercultural communicative competence (ICC) weiterer Diskussion bedarf (genauer siehe Kapitel 3.1). Unabhängig von dem Bildungsanspruch spezifischer Fachdidaktiken stellt dieses Merkmal der Digitalität außerdem eine grundle‐ gende pädagogische Frage danach, wie an eine Lebenswelt von Schüler*innen angeknüpft und auf sie eingegangen werden kann. Das Konstrukt der Lebenswelt ist in diesem Verständnis hochgradig divers und komplex, vor allem aber individuell. Der Anspruch auf einen Lebensweltbezug im Unterricht müsste also akkurater als Bezug zu zahlreichen individuellen Lebenswelten beschrieben werden, mit allen Herausforderungen, die dieses Ziel im Klassenverband hervorruft. Aus den beiden bisherigen Eigenschaften Referentialität und Gemeinschaftlichkeit wurde deutlich, wie technische Prozesse in Verbindung zu soziokulturellen Entwicklungen das Subjekt vor Herausforderungen stellen und gleichzeitig dessen Lebenswelt sowie das Teilen und Bewerten von Wissen prägen. Bevor die Perspektive der Kultur der Digitalität mit den bisherigen Ausführungen zur Medienpädagogik und -didaktik kontrastiert werden kann, fehlt die Diskussion der letzten konstitutiven Eigenschaft von Digitalität, die nahtlos an die beiden bisherigen Eigenschaften anschließt und auf diesen aufbaut. Algorithmizität Während die beiden bisherigen Eigenschaften von Digitalität kulturelle Prozesse be‐ schreiben, die durch technische Entwicklungen verstärkt werden, lässt sich argumentieren, dass es in der Algorithmizität genau andersherum funktioniert. In ihr steht eine technische Entwicklung an erster Stelle, die kulturelle Prozesse verstärkt und die Kultur der Digitalität überhaupt möglich macht. Gerade auch deswegen wird spätestens hier klar, wie Digitalität technische und (sozio-)kulturelle Prozesse untrennbar vereint und auch, wie im Laufe der Arbeit immer wieder betont werden wird, wieso das Verständnis von Digitalisierung als vornehmlich technischer Prozess für (Englisch-)Lehrkräftebildung und Unterricht ungenügend ist. Mit der Referentialität wurde deutlich, wie in einer Kultur der Digitalität eine fast endlose Masse an kulturellen Produkten in Form von Daten entsteht. In der Eigenschaft der Gemeinschaftlichkeit argumentiert Stalder weiter, dass aus dieser Masse nur in zahlreichen gemeinschaftlichen Formationen Bedeutung gewonnen werden kann. Gleichzeitig zeigt das Beispiel von Reddit mit 3,4 Millionen gemeinschaftlichen Formationen, dass die Vergemeinschaftung (und damit Bedeutungszuschreibung) in der Kultur der Digitalität das Individuum vor eine scheinbar unlösbare Aufgabe stellt. Wie kann sich ein Indivi‐ duum in einer derart unübersichtlichen Masse an gemeinschaftlichen Formationen - oder neudeutsch communities - erfolgreich mit anderen Menschen vergemeinschaften? Und vielleicht noch bedeutsamer: Wie stellt ein Individuum Sinnzusammenhänge zwischen den communities her? Anders ausgedrückt: Wenn Stalders Annahmen zu Referentialität und Gemeinschaftlichkeit greifen, wie soll dann eine Gesellschaft in der Kultur der Digitalität überhaupt funktionieren? Algorithmen sollen, so Stalder, die technologische Entwicklung sein, die die Kultur der Digitalität ermöglicht. Aus Platzgründen kann nicht die gesamte Entwicklung von 2.2 Die Kultur der Digitalität 33 <?page no="34"?> 12 Für eine genaue technische Erläuterung von (selbstlernenden) Algorithmen siehe z. B. Pouyanfar et al., 2019; Alzubi et al., 2018. Algorithmen wiedergegeben werden (siehe dafür Stalder, 2019, S. 165-182). Stattdessen wird nur eine Beschreibung von Algorithmen selbst skizziert, um anschließend, da dies für den Englischunterricht besonders relevant scheint, auf ihre Auswirkung bezüglich der Genese und Kommunikation von Wissen einzugehen. „Ein Algorithmus ist eine Handlungsanleitung, wie mittels einer endlichen Anzahl von Schritten ein bestehender Input in einen angestrebten Output überführt werden kann: Mit Hilfe von Algorithmen werden vordefinierte Probleme gelöst“ (ebd., S.-167). Die abstrakte Beschreibung, die Stalder zu Beginn seiner Abhandlung selbst gibt, steht im Kontrast zu der Omnipräsenz und Vielfalt, in der Algorithmen die Lebenswelt in der Kultur der Digitalität beeinflussen. Von der Ikea-Anleitung, die in einer fest gegebenen Anzahl an Schritten aus einzelnen Teilen ein Möbelstück entstehen lässt, bis zu deep learning software, die versucht menschliches Denken zu simulieren (ebd., 169-179). Für den Kontext dieses Kapitels und dieser Arbeit sind dabei vor allem moderne, sogenannte selbstlernende Algorithmen relevant (ebd.). Ein einfaches Beispiel für deren Nutzung findet sich in Suchmaschinen wie Google. Aber auch social media Plattformen wie Reddit, Twitter, Facebook, Instagram oder TikTok nutzen solche selbstlernenden Algorithmen. Sie bestimmen, welche Inhalte die Nutzer*innen wann und in welcher Reihenfolge erhalten. Diese Entscheidung basiert, so der Rückbezug zu Stalders Zitat, auf festgelegten Schritten. Anders als bei einer Ikea-Anleitung werden diese Schritte allerdings dynamisch durch das Nutzungsverhalten immer wieder neu bestimmt. Dabei lernt der Algorithmus basierend auf den Daten der Nutzer*innen, also beispielsweise deren Klicks, Verweildauer und Interaktionen, welche Informationen für die Nutzer*innen vermeintlich relevant sind und schreibt darauf basierend selbstständig die Regeln um, nach denen auf einen Input (zum Beispiel durch einen Suchbegriff) ein Output (bestimmte posts oder Webseiten) gezeigt werden. Trotz der starken Vereinfachung 12 dieser Beschreibung selbstlernender Algorithmen, mag sie sich zunächst wie die Erläuterung eines abstrakten, technischen Sachverhaltes an‐ hören. Tatsächlich aber verbergen sich hinter dieser Beschreibung Fragen, die den Kern von (unterrichtlichen) Bildungsprozessen betreffen. Neben den in den Begriffsklärungen von Referentialität und Gemeinschaftlichkeit bereits genannten digitalitätsbezogenen Kompe‐ tenzen oder literacies stellt sich die Frage danach, wie wissen generiert, gefunden, geteilt und bewertet wird: „Unter Bedingungen der Digitalität ähnelt die Struktur des Wissens nicht mehr einer wohlgeordneten Bibliothek, sondern eher einem Amazon-Warenlager […]. Die Ordnung im Amazon-Lager ist nur noch für den Algorithmus sichtbar, nicht mehr für den Menschen“ (Krommer, 2021, S. 66). Mit dem plakativen Beispiel des Warenlagers beschreibt Krommer, wie in der Digitalität Wissensstrukturen entstanden sind, in denen der Mensch ohne Algorithmen keinerlei Überblick hätte. Wie zu der Zeit der Oralität nur das als Wissen galt, was man „im Gedächtnis trägt“ (ebd., S. 61), und in der Typografie Wissen in Texten strukturiert wurde, steht in der Digitalität die Nutzung der ordnenden Funktion des Algorithmus. Ist der neue Maßstab des Wissens damit, was man mit Hilfe der Algorithmen finden (und bewerten) kann? Ohne diese Frage an dieser Stelle beantworten zu können zeigt das Beispiel des Warenlagers, dass die Algorithmizität Struktur und Reichweite von 34 2 Digitalisierung, Digitalität und digitale Transformation <?page no="35"?> 13 Es ließe sich beispielsweise Fragen, wieso in Bildungsinstitutionen hauptsächlich Wissen der Oralität und Typografie geprüft werden, in denen scheinbar selbstverständlich nur individuelles Wissen und nur dasjenige Wissen „das man im Gedächtnis trägt“ Verwendung finden darf (Krommer, 2021, S. 68). Wissen verändert und damit auch auf der Makro-Ebene Relevanz für Bildungsinstitutionen entfaltet. 13 Es bleibt zu betonen, dass Arbeiten zu spezifischen Tools, spezifischen digitalitätsbezo‐ genen Kompetenzen oder Unterrichtsszenarien auch unter Anbetracht der Perspektive der Kultur der Digitalität selbstverständlich nicht uninteressant oder weniger relevant für fachdidaktische und bildungswissenschaftliche Arbeiten werden. Die Ausführungen zur Digitalität sollen lediglich zeigen, dass zusätzlich eine Makroperspektive auf das Lernen unter Bedingungen der Digitalität, also dem „big picture der gesellschaftlichen Transformationsprozesse“ (Albrecht et al., 2020, S: -25-26), zu berücksichtigen ist. Zusammenfassend sollten durch die detaillierte Auseinandersetzung mit der Kultur der Digitalität drei für den weiteren Verlauf der Arbeit unverzichtbare Punkte zum Verständnis von Digitalität in unterrichtlichen Kontexten hervorgehoben werden. Diese Punkte ergänzen die zuvor gegebene medienpädagogische und -didaktische Perspektive. 1. Da in der Digitalität technische und gesellschaftlich-kulturelle Prozesse eng mitein‐ ander verbunden sind, ist ein alleiniger Fokus auf digitale Medien und/ oder Tech‐ nologien als Werkzeuge zwangsläufig unzureichend für ein Verständnis von Lehr-/ Lernprozessen unter den Bedingungen der Digitalität. 2. Da die Digitalität auch ein gesellschaftlich-kulturelles Phänomen ist, ist eine binäre Trennung von digitalisiertem Lernen und analogem Lernen abzulehnen. 3. Die Kultur der Digitalität gibt eine zusätzliche Perspektive im medienpädagogischen und -didaktischen Diskurs, die auf der Makro-Ebene erklären kann, wie Digitalität Bildungsinstitutionen (und damit auch Lehrkräftebildung und Unterricht) maßgeblich prägt. Kultur der Digitalität und Medienpädagogik Wie zuvor dargestellt, können aus den Ausführungen zur Referentialität, Gemeinschaftlich‐ keit und Algorithmizität Konsequenzen für Bildungsinstitutionen und (Englisch-)Unter‐ richt abgeleitet werden. Da Stalders Ausführungen im Kern aber kulturwissenschaftlicher Natur sind, funktioniert dies nur in Kombination mit (medien-)pädagogischen und didak‐ tischen Perspektiven. Der weitere Verlauf des Kapitels widmet sich der Zusammenfüh‐ rung der medienpädagogischen, -didaktischen und kulturwissenschaftlichen Perspektiven. Schließlich wird nach einem Zwischenfazit die bisherige Diskussion für den fremdspra‐ chendidaktischen und englischdidaktischen Diskurs spezifiziert. Wie in Abschnitt 2.1 ausgeführt, fokussiert die Medienpädagogik im Diskurs zu Digita‐ lisierung und Digitalität (historisch betrachtet) oft Fragen der Anwendung neuer Medien in Bildungskontexten. Digitalisierung wäre dann die Integration von assoziierten Medien wie Tablets und interaktiven Whiteboards und ihre pädagogische und didaktische Nutzbarma‐ chung. Vor diesem Hintergrund ist die Diskussion um Digitalisierung nicht neu und wurde in den 1920ern in ähnlicher Form über die technischen Errungenschaften des Films und des Radios und in den 1970ern über die ersten Computer geführt (Schiefner-Rohs, 2013, 2.2 Die Kultur der Digitalität 35 <?page no="36"?> S. 141). Reihen sich also perspektivische Entwicklungen wie die im Bereich generativer KI-Systeme in diese Struktur ein? Führt man zukünftig ähnliche Diskussionen um einen didaktischen „Mehrwert“ (Bär, 2019, S. 12) und den pädagogischen Sinn und Unsinn eines KI-basierten Schreibtools gegenüber dem Schulheft? Die Auseinandersetzung mit der Kultur der Digitalität zeigt, dass solche Diskurse vielleicht nicht falsch oder unnötig, zumindest jedoch unzureichend sind. Mehr noch, die Kultur der Digitalität zeigt, wieso sie unzureichend sind. Kernmerkmal der Kultur der Digitalität sind nicht mediale Veränderungen, sondern eine Gesellschaft, die in ihren grundlegenden Praktiken der Wissensgenerierung und -vermitt‐ lung, der Bedeutungszuschreibung und des Teilens von Wissen durch den „Möglichkeits‐ raum“ (Stalder, 2021, S. 4-5) Digitalität geprägt ist. Um bei dem Beispiel KI zu bleiben: es gehört sicherlich zu der Aufgabe der Fach- und Mediendidaktik die Potenziale von KI für das Sprachenlernen zu eruieren (Strasser, 2021, S. 85). Gleichzeitig ist KI aber auch ein Ausdruck spezifischer Eigenschaften der Digitalität, insbesondere der Datafizierung und Automati‐ sierung (siehe Kapitel 3.2 und 3.3), die durch ihre prägende Wirkung auf Gesellschaft und Wissensvermittlung eine grundlegende unterrichtsstrukturelle und schulkulturelle Positionierung erfordern. Einfach ausgedrückt: eine medienbezogene „Mehrwert-Logik“ (Krommer, 2020) reicht nicht aus, um Digitalität im (Englisch-)Unterricht zu begegnen. Stattdessen bedarf es zusätzlich zu den historisch vorherrschenden medienpädagogischen Fragen nach Auswirkungen einzelner Medien auch ein „Neudenken“ von Schule (Albrecht et al., 2020, S. 25). Es braucht einen Paradigmenwechsel und ein Verschieben des „vertrauten Referenzrahmens“ (ebd.) für das fachliche und überfachliche Lernen. Es braucht den Übergang von der Buchkultur zu einer Kultur der Digitalität. Tiefgreifende Mediatisierung und Digitalität Bis zu diesem Punkt wurde vor allem ein defizitorientierter Blick auf die Medienpädagogik eingenommen, also die Frage beantwortet, wieso historisch vorherrschende Perspektiven der Medienpädagogik und -didaktik unzureichend für den fachdidaktischen Umgang mit Digitalität sind. Das heißt allerdings nicht, dass es in den letzten Jahren nicht auch zuneh‐ mend Perspektiven in der Medienpädagogik gab, die stärker mit der Kultur der Digitalität vereinbar sind. Bevor im nächsten Kapitel zum Begriff der digitalen Transformation über‐ gegangen wird, wird eine dieser Perspektiven, die „tiefgreifende Mediatisierung“ (Koppel & Wolf, 2021), aufgegriffen und in die Beschreibung der Beziehung von Medienpädagogik und Digitalität eingeordnet. Der Begriff der „tiefgreifenden Mediatisierung“ betont, ähnlich dem Verständnis des „offenen Digitalisierungsbegriffs“ (Herzig, 2022, S. 844), die sich durch die Digitalisierung ergebenden gesellschaftlichen Auswirkungen und deren Bedeutung für Bildungsinstitu‐ tionen. In fünf Eigenschaften (Differenzierung, Konnektivität, Omnipräsenz, Innovations‐ geschwindigkeit, und Datafizierung) (Koppel & Wolf, 2021, S.-185-186) werden die Bedin‐ gungen des Lehrens und Lernens in der Digitalität bestimmt, die unabhängig von einem spezifischen Medium sind. Gerade im Begriff der Datafizierung (Kapitel-3.2) wird mit dem Fokus auf die Konsequenzen der Algorithmizität (ebd., S. 186) eine zumindest oberflächliche Nähe zu Stalders Bestimmung der Kultur der Digitalität (Referentialität, Gemeinschaftlich‐ keit, Algorithmizität) deutlich. Trotzdem bleibt, auch im offenen Digitalisierungsbegriff - 36 2 Digitalisierung, Digitalität und digitale Transformation <?page no="37"?> 14 Einzelne Ausschnitte des Kapitels 2.2.1 wurden bereits veröffentlicht (Küplüce & Ritter, 2022). Dieses Kapitel nutzt eine überarbeitete und aktualisierte Version dieser Ausschnitte. und auch bei dem Konzept tiefgreifender Mediatisierung - das digitale Medium im Mittel‐ punkt. Die Denkrichtung bleibt also, anders als bei Stalder, dass vor allem digitale Medien Einfluss auf Gesellschaft nehmen. Stalder hingegen nimmt stärker in den Mittelpunkt, dass die Gesellschaft digitale Technologien hervorbringt, die Ausdruck gesellschaftlicher Veränderungen sind: Auch weil Referentialität und dezentrale Vergemeinschaftung gesell‐ schaftliche Bedeutung gewonnen haben, wurden digitale Technologien entwickelt, die genau diese Eigenschaften befördern. Die entwickelten Technologien verstärken in dem Fall den bereits bestehenden gesellschaftlichen Prozess. Trotz dieses Unterschieds zeigt das Verständnis tiefgreifender Mediatisierung, dass beispielsweise die bewahrungspädagogische Tradition in ihrer Forderung nach analogem Lernen auch aus einer modernen medienpädagogischen Perspektive für Digitalität unan‐ gemessen ist. In der Omnipräsenz, Konnektivität und Datafizierung der tiefgreifenden Mediatisierung kann und sollte vielleicht ein einzelnes digitales Medium, nicht aber Digitalität als solche aus dem Klassenraum verbannt werden. Stattdessen braucht es, so die Schlussfolgerung aus der tiefgreifenden Mediatisierung, einer erweiterten digitalen Grundbildung. Diese Grundbildung wiederum erfordert eine „didaktische Ausarbeitung entsprechend komplexer Lehr-Lern-Arrangements“ (ebd., S. 195). Konsequenz der tief‐ greifenden Mediatisierung ist also, dass auch die medienpädagogische bzw. -didaktische Frage an Digitalisierung nicht (nur) ist, wie digitale Medien für bestimmte Ziele nutzbar gemacht werden können. Stattdessen stellt sich die Frage, wie Lehr-Lern-Arrangements als solche verändert werden müssen. Auch wenn die Kultur der Digitalität sicherlich die weitreichendere Perspektive bleibt, zeigt der kurze Ausschnitt des Konzepts tiefgreifender Mediatisierung also, dass auch in der Medianpädagogik Fragen der „Makroperspektive“ (Albrecht et al., 2020, S.-25) im Kontext der Digitalität verhandelt werden. Nachdem mit der Kultur der Digitalität argumentiert wurde, dass die historische medi‐ enpädagogische und -didaktische Reaktion der Eingliederung (oder des Ausschließens) von Medien in den Unterricht unter Bedingungen der Digitalität unzureichend ist, gilt es nun alternative Entwicklungen aufzuzeigen. Wie kann (Englisch-)Unterricht unter Bedingungen von Digitalität aussehen? Während in Kapitel 4.1 konkrete bildungspolitische Vorgaben diskutiert werden, soll im Folgenden mit dem Begriff der digitalen Transformation eine bildungswissenschaftliche Perspektive eingenommen werden. Anschließend werden in einem begrifflichen Zwischenfazit in 2.2.2 die bisherigen Ergebnisse zusammengefasst und in einem Diagramm veranschaulicht. UnterKapitel 2.3 widmet sich zum Abschluss der Einordnung des bis dahin vorwiegend bildungs- und kulturwissenschaftlich sowie medienpädagogisch geführten Diskurses in die Fremdsprachendidaktik. 2.2.1 Die digitale Transformation als fortlaufender Prozess des Lernens und Lehrens in der Kultur Digitalität 14 Ähnlich wie bei den Begriffen Digitalisierung und Digitalität gibt es auch für das Konzept der digitalen Transformation verschiedene Definitionen (Dander, 2020; Lütge & Merse, 2021, 2.2 Die Kultur der Digitalität 37 <?page no="38"?> S. 13; Petko et al., 2018, S. 161). In einer Lesart kann der Begriff als Versuch gesehen werden, den Fokus auf das oft technisch behaftete Verständnis von Digitalisierung aufzuweichen und gesellschaftlich-kulturelle Implikationen zu beleuchten (Lütge & Merse, 2021, S. 13). In diesem Verständnis ähnelt die Verwendung des Begriffs digitale Transformation dem Unterschied, der bereits bei Digitalisierung und Digitalität angesprochen wurde. Ähnlich ist auch die Abgrenzung von Denkfiguren der Effizienzsteigerung: Digitale Transformation verbessert/ erleichtert/ motiviert nicht nur, sondern sie transformiert und erschließt neue Dimensionen schulischer Bildung (Albrecht et al., 2020, S.-25-26). Auch in dieser Hinsicht bezieht sich das Konzept digitaler Transformation also auf die Perspektive der Kultur der Digitalität. Es betont das „bigger picture on digital education“ (Lütge & Merse, 2021, S. 14) und die damit verbundene Einsicht der Allgegenwärtigkeit der Einflüsse von Digitalität (ebd.). Tatsächlich kann und sollte nach Kapitel 2.2 die Verwendung des Begriffs digitale Transformation und sein implizierter Prozesscharakter irritieren. Dort ist mehrmals betont worden, dass Digitalität ein aktueller Zustand ist und nicht ein fernes Fluchtziel, das in einer unbestimmten Zukunft erreicht wird oder werden sollte. Wieso ist direkt im Anschluss nun doch von Entwicklungen, einem Transformationsprozess die Rede? Widerspricht das nicht der Idee der Digitalität? Es gibt zwei grundlegende Punkte, die dieser Irritation entgegenwirken können und deren Diskussion das spezifische Begriffsverständnis für den weiteren Verlauf der Arbeit abschließt. Der erste Punkt betrifft die Unterscheidung zwischen allgemeinen, soziokultu‐ rellen Bedingungen (der Digitalität) und Entwicklungen, die spezifisch für das (deutsche) Schulsystem und für Englischunterricht sind. Der zweite Punkt betrifft den Transfer der abstrakten, kulturwissenschaftlichen Ausführungen in den (medien)pädagogischen und -didaktischen Diskurs. Dieses Kapitel widmet sich der Betrachtung der beiden Punkte und der Ausdifferenzierung des Begriffs digitale Transformation. Zunächst muss die Frage geklärt werden, wieso Digitalität, dem Verständnis von Stalder folgend, als aktuelles, soziokulturelles Phänomen beschrieben wird und innerhalb dieser Arbeit gleichzeitig für den Kontext des Englischunterrichts als ein Entwicklungsprozess im Sinne digitaler Transformation diskutiert wird. Grundlegend ist hierbei der Unterschied einer passiven Beeinflussung von Phänomenen wie der Referentialität und Algorithmizität und der aktiv-reflexiven Auseinandersetzung mit jenen Phänomenen zu betonen. Kurz: Dass die Digitalität Lebenswelt der Lernenden (und Lehrenden) prägt, sorgt nicht automa‐ tisch dafür, dass Lehr-/ Lernprozesse, -methoden und -inhalte aktiv darauf ausgerichtet sind. Dabei lässt sich in den letzten Jahren auf schulpolitischer Ebene eine zunehmende Sensibilisierung für das Lernen unter den Bedingungen der Digitalität (in Abgrenzung zum digitalisierten Lernen) feststellen; wie in Kapitel 4.1 noch diskutiert wird, hat die KMK in ihrer letzten Aktualisierung der Digitalstrategie (2021) explizit das Konzept der Digitalität in ihre Forderungen aufgenommen. Es wäre jedoch ein Fehlschluss, daraus abzuleiten, dass dieses Verständnis automatisch in unterrichtlicher Praxis umgesetzt, oder von allen Beteiligten des Lehr-/ Lernprozesses geteilt wird. Indiz dafür sind neben den bereits erwähnten internationalen Vergleichsstudien nicht zuletzt auch die digitalitätsbezogenen Vorstellungen, die im Rahmen der Studie dieser Arbeit beobachtbar werden (siehe Kapitel 8 und 9). 38 2 Digitalisierung, Digitalität und digitale Transformation <?page no="39"?> 15 So wird das SAMR-Modell teilweise von Seiten der Schulentwicklung NRW beworben: https: / / www.schulentwicklung.nrw.de/ cms/ upload/ Faecher_Seiten/ Sport/ digi/ M4_SAMR_Didakt-Mehrwe rt-digitaler-Medien_2021-01-18.pdf. Auch für andere Bundesländer lassen sich Verweise auf das SAMR-Modell finden. Vor dem Hintergrund dieser Überlegungen beschreibt digitale Transformation (im Ver‐ ständnis der vorliegenden Arbeit) diejenigen Prozesse, die aufbauend auf eine infrastruk‐ turelle Digitalisierung, (Englisch-)Unterricht in eine aktiv-reflexive Auseinandersetzung mit der Kultur der Digitalität bringen. Mit anderen Worten: Digitale Transformation ist der (fortwährende) Prozess, in dem (schulisches) Lernen zu einer proaktiven Auseinan‐ dersetzung mit dem Zustand der Bedingungen der Digitalität umgewandelt wird. Es ist damit zugleich auch der Versuch, theoretische Überlegungen zur Digitalität in mögliche Anwendungsbereiche zu überführen. Ein Beispiel für einen derartigen Versuch ist eine Modifikation des trotz aller berech‐ tigten Kritik (u. a. Albrecht et al., 2020, S. 29; Muuß-Meerholz, 2020) im Diskurs präsenten SAMR-Modells 15 (Puentedura, 2006). Das Modell und seine Modifikation sollen zum bes‐ seren Verständnis des Begriffs der Transformationen kurz erläutert werden. In seiner ursprünglichen Version visualisiert das Modell vier Ebenen Substitution, Augmentation, Modification und Redefinition. Mit diesen Ebenen wird ein Rahmen für die Nutzung digitaler Inhalte und Technologien im Unterricht geschaffen, der von der einfachen Substitution einer Technologie, beispielsweise der Nutzung eines Tablets statt des Schulheftes für die gleiche fill in the gaps Aufgabe, bis zur Neudefinition reicht, also der Erstellung und Realisierung von Lehr-/ Lernszenarien, die erst durch digitale Technologien ermöglicht werden. Auch wenn das Modell einen weiten Rahmen zur Nutzung digitaler Technologie eröffnet, werden die Bedingungen der Digitalität, wie sie in Kapitel 2.2 beschrieben wurden, noch nicht berücksichtigt. Dieser Umstand lässt sich mit der erwähnten Kritik an dem Modell verdeutlichen: Puentedura (2006) beschreibt vier Ebenen, die sich alle auf den Einsatz digitaler Medien beschränken. Zwar werden diese innerhalb des Modells in ihren Nutzungsmöglichkeiten unterschiedlich ausdifferenziert, die Wechselwirkung zwischen technischer Entwicklung und gesellschaftlich-kulturellen Veränderungsprozessen bleibt aber unberücksichtigt. Dabei beeinflusst gerade diese Wechselwirkung auch Methoden, In‐ halte und Ziele des Englischunterrichts und damit auch fremdsprachenbezogener Bildung. In diese Lücke zwischen einem Modell für digitalisiertes Lernen und dem schulischen Lernen in einer Kultur der Digitalität lässt sich das Konzept digitaler Transformation setzen. Es geht darum, technologische Entwicklungen wie im Bereich social media, nicht nur zu berücksichtigen, indem man innovativ Instagram, Tik Tok und Co. in den Unterricht integriert, sondern auch sprachliche Veränderungen in Online-Kommunikation zu thema‐ tisieren, spezifische Diskursdynamiken in social media zu problematisieren, ihre Genese in der Algorithmizität (Stalder, 2019, S. 13) zu verstehen und Schüler*innen zur Mündigkeit in veränderten kommunikativen Kontexten zu befähigen. 2.2 Die Kultur der Digitalität 39 <?page no="40"?> Abbildung 1: SAMR (Puentedura, 2006) zu SAMR-T (eigene Modifikation und Darstellung) Die in der Modifikation ergänzte fünfte Ebene der Transformation beinhaltet die aktive Auseinandersetzung mit Digitalität und ihren Einflüssen auf Lernziele und -formate sowie der fachlichen und pädagogischen Arbeit. In ihr wird auch zum ersten Mal nicht das (digitale) Medium als erster bzw. einziger Bezugspunkt gesehen. Die Ebene beschreibt den fortwährenden Transformationsprozess schulischen Lernens in einer Kultur der Digitalität. Auch die angepasste Form des SAMR-Modells (SAMR-T) kann sicherlich etwa wegen seiner „rückwärtsgewandten Mehrwertlogik“ (Krommer, 2020) kritisiert werden (zur ge‐ naueren Diskussion des SAMR-T Modells siehe auch Kapitel 9.2.1). Als bildliche Darstellung zum besseren Verständnis des Begriffs der digitalen Transformation erscheint es in diesem Rahmen dennoch als eine geeignete Visualisierung. Die Ebene der Transformation wird in Kapitel-3 mit den beispielhaften Perspektivlinien gefüllt. 2.2.2 Zwischenfazit I: Die Beziehung von Kultur der Digitalität, Digitalisierung und digitaler Transformation Ziel des Kapitels war es, sich dem Diskurs zu Digitalisierung und Digitalität aus mehreren Orientierung bietenden Perspektiven zu nähern und diese für die weiteren Kapitel fruchtbar zu machen. Der Blick auf die Medienpädagogik und -didaktik hat ein Verständnis von Di‐ gitalisierung als medialem Veränderungsprozess und ihrer pädagogischen und didaktischen Bearbeitung und Nutzbarmachung betont. Mit der kulturwissenschaftlichen Perspektive auf die Kultur der Digitalität wurde argumentiert, dass dieser technikorientierte Zugang unzureichend ist, um die gesamte Relevanz des Phänomens der Digitalität für Bildungsin‐ stitutionen abzubilden. Mit Verweis auf bildungspolitische und auch medienpädagogische bzw. -didaktische Impulse wurde herausgearbeitet, dass (Englisch-)Lehrkräftebildung und Unterricht zunehmend (auch) die Perspektive der Kultur der Digitalität in den Blick nehmen 40 2 Digitalisierung, Digitalität und digitale Transformation <?page no="41"?> sollten. Damit beginnt der fortwährende Prozess digitaler Transformation, der über die mediale Digitalisierung hinaus auch pädagogische und strukturelle Umwandlungsprozesse in fachspezifischen Inhalten und Methoden, Prüfungsformen, Unterrichtsstrukturen und zahllosen weiteren Bereichen (siehe Kapitel 3) anstößt. Der bisher gewählte Zugang über die Medienpädagogik, -didaktik und die Kulturwissenschaft lässt sich in seinem Verhältnis zu Bildungsinstitutionen und Fachunterricht in folgendem Diagramm verdeutlichen: Abbildung 2: Perspektiven auf Digitalität und Schule, eigene Darstellung Das Diagramm zeigt den Unterschied zwischen einer Digitalisierung bzw. Mediatisierung von Schule und Unterricht (der unterste Pfeil) und Schule bzw. Unterricht in der Kultur der Digitalität (die beiden oberen Pfeile). Der untere Bereich stellt historisch die medienpäda‐ gogische bzw. mediendidaktische Bearbeitung von Digitalisierung dar. In einem linearen Prozess eröffnet Digitalisierung (vermeintlich) neue (mediale) Möglichkeiten. Dies führt zu einer medialen Veränderung von Lehr-/ Lernprozessen, die dann mit Bezug auf ihre fachdidaktische Nutzbarmachung untersucht und diskutiert werden. Sobald neue mediale Möglichkeiten entstehen, wird der Prozess wiederholt. Die so verstandene Digitalisierung und Mediatisierung mag in den Bildungsinstitutionen ein langsamer Prozess sein (Lindern, 2021), in seinem Grundverständnis ist der Prozess aber abschließbar. Ein vereinfachtes Bei‐ spiel: Anstelle eines Schulhefts ermöglicht die so verstandene Digitalisierung die Nutzung von Tablets. Deren Potenziale (und Grenzen) für den Unterricht werden von den Didaktiken und der Bildungswissenschaft untersucht und in fachspezifischen Kontexten in der Praxis ausgelotet. Wird dem neuen Medium Potenzial für bestehende Lernziele zugesprochen (und im besten Fall wirklich erst dann), wird das Medium in den Regelbetrieb integriert. In dem hypothetischen Beispiel wären Tablets irgendwann an allen sinnvollen (lernförderlichen) Stellen integriert, alle Lehrkräfte in der Verwendung für ihre jeweiligen Fächer ausgebildet und eventuell notwendige zusätzliche Kompetenzen curricular verankert (beispielsweise durch ein neues Medienkonzept). Damit wäre der Prozess - bis zum nächsten, neuen Medium - abgeschlossen. 2.2 Die Kultur der Digitalität 41 <?page no="42"?> Der maßgebliche Unterschied zur digitalen Transformation ist, dass diese eine fortlau‐ fende Wechselwirkung zwischen Bildungsinstitutionen und der auszuhandelnden Kultur der Digitalität beschreibt. Zusätzlich zu technisch-medialen Aspekten stellt die Kultur der Digitalität in ihren Grundeigenschaften (Referentialität, Gemeinschaftlichkeit, Algorithmi‐ zität) Anforderungen an Schule und Fachunterricht. Im Verständnis digitaler Transforma‐ tion bearbeiten Bildungsinstitutionen diese Fragen in verschiedenen disziplinären und interdisziplinären Bereichen (hier Perspektivlinien, siehe Kapitel 3). Durch diese Bearbei‐ tung beeinflussen Schulen gleichzeitig auch die Kultur der Digitalität. Transformation ist also der „große Gedanke“ des fortlaufenden Wandels für eine Zukunft, die wir noch nicht kennen (vgl. Muuß-Merholz, 2022). So wie gesellschaftliche Transformationsprozesse kein Endziel haben, ist auch die digitale Transformation des (Englisch-)Unterrichts nicht an ein festes Endziel gebunden bzw. steht dieses Ziel nicht fest (ebd.). Das liegt nicht zuletzt an den Eigenschaften der Digitalität selbst: Die Digitalität ist geprägt von anderen Vorstellungen [als die Buchkultur, Anmerkung C. K.]: Nicht-Linearität; assoziativen Verknüpfungen; Parallelität und Gleichzeitigkeit; Feedback, das Ursache und Wirkung verschmelzen lässt; ein Ding kann an mehreren Orten gleichzeitig sein; jede Position ist immer kontext- und zeitabhängig etc. Das sind zunächst einfach andere kulturelle Erfahrungen, die der Möglichkeitsraum der Digitalität alltäglich werden lässt, die eine andere Selbst- und Welterfahrung nach sich ziehen. (Stalder, 2021, S.-4-5) Historisch betrachtet ist der medienpädagogische und -didaktische Weg, Digitalisierung zu bearbeiten, geprägt von der Buchkultur und der damit zusammenhängenden Vorstel‐ lung der Linearität (ebd.): Ein Medium entwickelt sich, ein Medium wird bearbeitet, ein Medium wird (ggf.) integriert. Die digitale Transformation ist die Reaktion auf die Digitalisierung aus einer Kultur der Digitalität heraus. Das mag zunächst unübersichtlich und überwältigend erscheinen, eröffnet vor allem aber auch neue Möglichkeitsräume (ebd.), Unterrichtsprozesse (neu) zu denken. Einige dieser neuen Räume werden in den Perspektivlinien (Kapitel 3) exploriert. Zuvor gilt es allerdings die bisherigen Annähe‐ rungen an Digitalisierung und Digitalität mit einer dezidiert fremdsprachendidaktischen Perspektive zu ergänzen und das Begriffsverständnis im Rahmen der Untersuchung damit zu vervollständigen. 2.3 Digitalisierung und Digitalität im fremdsprachendidaktischen Diskurs Die Themen Digitalisierung und (die Auswirkungen der) Digitalität sind seit Jahrzehnten Bestandteil der fremdsprachendidaktischen Diskurse. Dabei zeigt sich (auch) in den Fach‐ didaktiken kein einheitliches Begriffsverständnis. Nichtsdestotrotz können Bestandteile eines weiten Verständnisses von digitaler Transformation und Digitalität fest in fremd‐ sprachendidaktischen Positionen verankert werden. Verbindungen lassen sich sowohl zu Kompetenzzielen (wie ICC und Digital Literacy) als auch zu Forderungen an Unterricht und Lehrkräfteprofessionalisierung herstellen (siehe Kapitel 4.1). Außerdem werden die Begrifflichkeiten Digitalisierung und Digitalität selbst im fremdsprachendidaktischen Dis‐ kurs intensiv diskutiert (siehe z. B. Strasser, 2023, S. 123) und nicht zuletzt in jüngsten 42 2 Digitalisierung, Digitalität und digitale Transformation <?page no="43"?> Veröffentlichungen auch explizit das Konzept der Kultur der Digitalität verhandelt (Mus‐ troph, 2023). Zusätzlich zum deutschen fremdsprachendidaktischen Diskurs kann und sollte darüber hinaus der Bereich CALL beachtet werden - insbesondere auch in seinen jüngsten Entwicklungen (Stichwort Intelligent Computer Assisted Language Learning ICALL) -, der eine umfangreiche internationale Forschungstradition im Themenbereich vereint. Es ist hier zu berücksichtigen, dass es sich bei Fremdsprachendidaktik und CALL um zwei verwandte, aber dennoch distinkte Bereiche handelt, insbesondere auch bezüglich der Diskursteilnehmenden und damit den scientific communities, die CALL und deutsche Fremdsprachendidaktik vertreten. Aus diesem Grund wird im Folgenden beiden Bereichen ein eigener Abschnitt gewidmet, bevor ein gemeinsames Fazit zur Verortung der in 2.1 und 2.2 erörterten Konzepte im fremdsprachendidaktischen Diskurs gezogen wird. Es ist gleichwohl zu betonen, dass Diskurse in CALL und der (deutschen) Fremdsprachendidaktik nicht gänzlich getrennt voneinander stattfinden. Stattdessen wirkt sich der Diskurs um CALL immer wieder auch auf deutsche fremdsprachendidaktische Debatten aus, wie Veröffentlichungen zu CALL in deutschen Diskursen zeigen (u. a. Rösler, 2016; Bünd‐ gens-Kosten-& Lohe, 2021). 2.3.1 Digitalisierung und Digitalität im fremdsprachendidaktischen Diskurs: Verortung, Anknüpfungspunkte und Auswirkungen Eine genaue Verortung der Begriffe Digitalisierung und Digitalität in der Englischdidaktik bzw. in fremdsprachendidaktischen Diskursen ist ein komplexes Unterfangen. Mit der seit mehr als drei Jahrzehnten andauernden intensiven Diskussion geht einher, dass kein einheitliches Verständnis des Begriffs darstellbar ist und der Diskurs um Digitalisierung und Digitalität immer gleich eine Vielzahl von Unterdiskursen beinhaltet: Wenn wir heute darüber sprechen, wie Englischunterricht in einer digitalisierten Gesellschaft aussehen könnte, dann beziehen wir uns damit auf viele verschiedene Diskurse. Diskurse über die Rolle von Fremdsprachen in der Gesellschaft. Diskurse über die Ziele des Fremdsprachenun‐ terrichts. Diskurse über die Verwendung von Medien im Sprachunterricht. Alle diese Diskurse wandeln sich - aber keiner davon ist neu. (Schildhauer & Bündgens-Kosten, 2021, S.-9) Auch wenn sich das Zitat eigentlich auf den Englischunterricht bezieht, betonen die Autor*innen die Verwobenheit von Prozessen im Englischunterricht mit Fragen nach der Rolle von Fremdsprachen im Allgemeinen. So lässt sich argumentieren, dass der auch in der vorliegenden Untersuchung im Vordergrund stehende Englischunterricht nicht losgelöst von allgemeineren fremdsprachendidaktischen Diskursen verhandelt werden kann. Das Kapitel versucht das Spannungsverhältnis zwischen transdisziplinärer Anlage (Schmenk, 2019, S. 24) und fachspezifischen Anforderungen in mehreren Schritten zu bearbeiten. Dabei werden die allgemeinen fremdsprachendidaktischen Diskurse betrachtet und gleichzeitig Besonderheiten des Englischunterrichts ausgewiesen. Aufgrund der hier beschriebenen Verwobenheit zahlreicher Diskurse nähert sich das Kapitel sukzessive einer Verortung an. Zunächst wird das im vorigen Kapitel erarbeitete Verständnis der digitalen Transformation und Digitalität auf der einen und das der Digitalisierung und Mediatisierung auf der 2.3 Digitalisierung und Digitalität im fremdsprachendidaktischen Diskurs 43 <?page no="44"?> anderen Seite in fremdsprachendidaktischen Diskursen betrachtet. Insbesondere soll dabei verdeutlicht werden, ob und inwieweit beide Perspektiven auch in fremdsprachendidakti‐ schen Positionierungen zu finden sind. Ebenso gilt es im Folgenden zu zeigen, wie die disziplinären Perspektiven mit ihrer extensiven themenbezogenen Forschungstradition auch die bisherige Diskussion zu Digitalisierung und Digitalität bereichern können. Die Annäherung an diese Phänomene kann wie im vorigen Kapitel auch aus fremdspra‐ chendidaktischer Perspektive zunächst über die Medien und Medienkompetenz erfolgen. Da sich die Forschung zu Bestandteilen von Medienkompetenz in der Fremdsprachen‐ didaktik eng auf die Mediendidaktik bzw. -pädagogik bezieht (Surkamp, 2017, S. 245), wird die Erweiterung von kommunikativen und interkulturellen Kompetenzen durch die Verwendung von Medien in den Mittelpunkt gestellt (ebd., S. 245-246). Medienkompe‐ tenz (in dem zuvor diskutierten Verständnis, siehe Kapitel 2.1) soll vermittelt werden, damit Schüler*innen mit Medien ihre fremdsprachendidaktischen Kompetenzen erweitern können. Damit werden auch digitale Medien zu Werkzeugen für die Optimierung beste‐ hender Ziele. Aus dieser Perspektive könnte ein fremdsprachendidaktisches Forschungs‐ interesse also beispielsweise darin bestehen zu untersuchen, wie Sprachlernapps genutzt werden können, um das verfügbare Vokabular der Lernenden zu erhöhen. Allerdings beschränkt sich die Fremdsprachendidaktik nicht auf Fragen der Mediatisierung und der Nutzbarmachung von Medien für Unterrichtsziele. Wie Marx (2019) treffend feststellt, war die Frage nach der Rolle der Digitalisierung im Fremdsprachenunterricht bereits in den 1990er Jahren nicht bloß eine Frage nach der Veränderung eines Mediums. Stattdessen treten bereits vor der Jahrtausendwende im Diskurs um Digitalisierung Fragen nach passenden Lernumgebungen und nach Strukturen von unterrichtlichen Prozessen sowie der Wunsch nach stärkerer Integration von Interkul‐ turalität auf (z. B. Kern, 1995). Unter Bezug auf internationale Forschende im Bereich der Fremdsprachenlehre wie den gerade genannten Richard Kern, aber auch Steven Thorne und deutsche Fremdsprachendidaktiker*innen wie Bernd Rüschoff, zeigt Marx damit auf, dass der Themenkomplex um Digitalisierung auch in der Fremdsprachendidaktik nicht allein die technische/ mediale Perspektive der Digitalisierung behandelt, sondern bereits seit über 30 Jahren - in Teilen - als lern- und unterrichtskulturelle Veränderung gedacht wird (ebd., S.-162). Es ließe sich dabei argumentieren, dass sich die Breite der Fragen, die sich zum Beispiel durch machine translation (MT) an das Selbstverständnis der Fremdsprachenlehre als akademische Disziplin und Unterrichtsfach ergeben (Grünewald, 2019), bis heute stark verändert hat. Das gilt nicht nur wie von Grünewald beschrieben in den zweiten und dritten Fremdsprachen, sondern auch konkret im Englischunterricht (Klippel, 2019, S. 104). Nichts‐ destotrotz zeigt sich, wenn man bei dem im vorigen Kapitel modifizierten SAMR(T)-Modell bleibt, dass eine reine Augmentation bestehender Lernprozesse durch digitale Medien auch in den 90ern nicht alleiniges Ziel und Diskursschwerpunkt der Fremdsprachendidaktik war. Stattdessen stehen zu dieser Zeit auch die Potenziale der Digitalisierung für neue Formen des Lehrens und Lernens von Sprachen im Mittelpunkt. So identifizieren Rüschoff und Wolff bereits 1999 das Potenzial digitaler Medien für Multimodalität, Individualisierung und die zeitliche und örtliche Unabhängigkeit von Lernprozessen (hier zitiert in: Würffel, 2019, S.-292). 44 2 Digitalisierung, Digitalität und digitale Transformation <?page no="45"?> 16 Damit sei nicht gesagt, dass solche Fragen nicht bereits auch früher gestellt wurden (z. B. War‐ schauer & Healey, 1998), sondern lediglich, dass diese Aspekte verstärkt im Fokus der Diskurse stehen. Auch heute, über 20 Jahre später, stellen einige Fremdsprachendidaktiker*innen ver‐ mehrt Fragen, die über das Potenzial zum Erreichen klassischer fremdsprachendidaktischer Ziele wie Diskursfähigkeit (Legutke, 2010, S. 71) hinausgehen. 16 Diese betreffen den Kern des Selbstverständnisses von Fremdsprachenunterricht und der Disziplin im Allgemeinen und stellen dessen grundlegende Zielsetzungen in Frage: Lohnt sich aus Sicht der Schülerinnen und Schüler der hohe Aufwand, der mit dem Fremdspra‐ chenunterricht in der Schule verbunden ist, für den mitunter geringen Nutzen (bzw. Erfolg), wenn gleichzeitig durch die rasante Entwicklung der KI digitale Hilfsmittel eine basale Kommunikati‐ onsfähigkeit in Fremdsprachen sicherstellen? (Grünewald, 2019, S.-85) Aber nicht nur werden die für die fremdsprachlichen Disziplinen fundamentalen Auswir‐ kungen der Digitalisierung durch ihre technischen Entwicklungen benannt. Auch die aus der Digitalität hervorgehende kulturelle Veränderung und ihre Wechselwirkungen mit dem Lehren und Lernen von Fremdsprachen werden berücksichtigt: Aus dem Gesagten ergibt sich aus meiner Sicht, dass Lehrende und Studierende die Dimension des digitalen Wandels nicht als rein technischen oder äußerlichen Kommunikationswandel oder medientechnisch-didaktischen Umbruch betrachten lernen sollten, sondern als tiefgreifenden gesellschaftlich-kulturellen Wandel, der eine große Anzahl an Kulturtechniken, wissenschaftli‐ chen Arbeits- und Denkweisen und auch unsere Vorstellung von Sprachlichkeit fundamental transformieren wird. (Fandrych, 2019, S.-66) Interessant ist hier auch, wie die Verwobenheit von Digitalität und Kommunikation bzw. Sprachlichkeit mitgedacht und damit die inhärente Verbindung zwischen Digitalität und (fremd-)sprachlichen Disziplinen betont wird. Für die Verortung des im vorigen Kapitel erarbeiteten Begriffsverständnisses von Digitalisierung und Digitalität ergeben sich bis hierher zwei Erkenntnisse. Zum einen ist das Verständnis von Digitalisierung als nicht rein linearer Prozess medialer Veränderung historisch in der Fremdsprachendidaktik verankert und gleichzeitig in aktuellen Diskursen höchst relevant. Zum anderen zeigt sich (erneut), dass, wie bei Fandrych, der „digitale Wandel“ einen kulturellen, gesellschaftlichen und paradigmatischen Wandel beinhaltet, wie er auch für das Begriffsverständnis der digitalen Transformation konstitutiv ist (siehe auch z.-B. Küster, 2019; Lütge & Merse, 2021). Wenn nun die didaktische Nutzbarmachung von medialer Veränderung und gesellschaft‐ lich-kulturelle Wechselwirkungen der Bedingungen der Digitalität historisch verankerte Diskursthemen sind, stellt sich daraus unweigerlich die Frage, welche theoretischen und methodischen Konsequenzen aus fachdidaktischer Perspektive aus diesem Umstand für digitalitätsbezogenen Englischunterricht abgeleitet werden können. Darauf aufbauend lassen sich im anschließenden Kapitel, zusammen mit Positionen aus der Bildungswissen‐ schaft und weiteren angrenzenden Disziplinen, die in der Einleitung bereits erwähnten Perspektivlinien entwickeln. 2.3 Digitalisierung und Digitalität im fremdsprachendidaktischen Diskurs 45 <?page no="46"?> Konzeptionell lassen sich aus fremdsprachendidaktischer Perspektive auch digitalitäts‐ bezogene Lehr-/ Lernangebote zunächst an den Leitlinien des modernen Fremdsprachen‐ unterrichts ausrichten. Dazu gehört der soziale Konstruktivismus als Lernparadigma, eine interkulturelle, kommunikative und inklusive Ausrichtung sowie eine Kompetenz- und Aufgabenorientierung (Burwitz-Melzer, 2019, S. 35). Hinzu kommen fachspezifische Über‐ legungen wie die zu Englisch als lingua franca (Seidlhofer, 2011) in einer globalisierten Welt. Allerdings werden diese Grundlagen nicht nur für den Fremdsprachenunterricht in der Digitalität gefordert. Es lässt sich argumentieren, Digitalität ermögliche erst die Umsetzung eines genuin kommunikativen, interkulturellen und inklusiven Fremdsprachenunterrichts (Schmenk, 2019). Schließlich wird die komplexe ICC in der Unterrichtspraxis im Rahmen des Lehrbuchunterrichts oft zur „Fähigkeit, unterschiedliche Sprachfunktionen ausüben zu können: sich entschuldigen oder nach dem Weg fragen“ (Legutke, 2010, S. 73). Komplexe tasks werden zu „bloßem Üben“ (Hallet, 2016, S. 93) und Authentizität beschränkt sich auf ein vermeintlich lebensweltliches Kapitel im Lehrbuch (vgl. Gerlach, 2020, S. 18). Genau hier bietet die fremdsprachendidaktische Bearbeitung der Bedingungen der Digi‐ talität vielfältige Ansätze, diesem Bruch zwischen Anspruch und Praxis zu begegnen und komplexe, interkulturelle, authentische und kommunikative Aufgaben im Sinne der Aufgabenorientierung zu integrieren, beispielsweise im Rahmen von Virtual Exchanges (VE) (genauer Kapitel-3.1.1). Neben der Umsetzung bekannter Ziele wird in (Englisch-)Lehrkräftebildung und Un‐ terricht in der Digitalität aber vor allem auch die Integration der Förderung neuer Kompetenzen gefordert. Dazu gehören beispielsweise digital literacy (auch critical literacy) und intercultural citizenship (O’Dowd, 2020, S. 483-484). Wenn dabei von digital literacy als neuer Kompetenz gesprochen wird, bezieht sich das ‚neu‘ nicht auf ein bestimmtes Datum. Tatsächlich finden sich im Rahmen des multiliteracies approach bereits vor über 20 Jahren Publikationen zu dem Konzept (Steiniger, 2020, S.-74-75). ‚Neu‘ meint hier zwei Eigenschaften: Die Kompetenz bzw. das Ziel erhält seine Relevanz vornehmlich durch die Bedingungen der Digitalität und die inhaltliche Auslegung des Konzepts ist, im Verbund mit Digitalität selbst, dynamisch. Aus diesem Grund gibt es auch für digital literacy nicht die eine fremdsprachendidaktische Definition. Schmidt und Strasser (2018) identifizieren stattdessen einige grundlegende Eigenschaften, die den Diskurs bestimmen. Dazu gehören die Fähigkeit zur Navigation, Kommunikation und Herausforderungsbewältigung im vir‐ tuellen Raum mit dem Ziel, digitale Texte (im weitesten Sinne) zu verstehen und produktiv mit ihnen umgehen zu können (ebd., S. 214). Selbst in einem weiten Verständnis des Begriffs Text als „strukturierte, nicht zufällige Anordnung von Symbolen“ (Helfferich, 2014, S. 559) ließe sich argumentieren, dass sich die von Schmidt und Strasser benannten Bestandteile von digital literacy damit vor allem auf eine mediendidaktische Perspektive von (digitaler) Medienkompetenz beziehen. Steiniger (2020, S. 74-75) bietet hier ein noch offeneres Verständnis des Begriffs: „digital literacy can be seen as an umbrella term for skills and knowledge bases related to using information technology.“ Wichtig ist dabei, dass die Nutzung von Technologie gleichzeitig in ihrer Interaktion mit soziokulturellen Prozessen betrachtet wird (ebd.). Verbunden mit dem Verständnis von Schmidt und Strasser heißt digital literacy aus der fachdidakti‐ schen Perspektive also nicht nur im digitalen Raum kommunizieren zu können, sondern 46 2 Digitalisierung, Digitalität und digitale Transformation <?page no="47"?> 17 Um den Einwand vorwegzunehmen, dass Kommunikation immer selektiv sei, auch zum Beispiel durch Expertise, Wohnort oder gesellschaftliche Machtstrukturen (vgl. socio-cultural perspective on language learning, Bonnet, 2018, S. 64): Das hier angesprochene Kernproblem bezieht sich vor allem auf die Intransparenz der Algorithmizität. Es ist für die einzelnen Nutzer*innen fast unmöglich, genau nachzuvollziehen, wieso ihnen beispielsweise basierend auf ihrem Nutzungsverhalten das eine Video auf YouTube prominent auf der Startseite angezeigt wird, andere Videos zu vielleicht ähnlichen Themen jedoch nicht. beispielsweise die Auswirkungen der Selektivität der Kommunikationsbeteiligten auf gesellschaftliche oder kulturelle Prozesse einordnen zu können. Stark vereinfacht: Wenn in sozialen Netzwerken ein gesellschaftliches Problem scheinbar kontrovers diskutiert wird, sollte gleichzeitig reflektiert werden können, wer aufgrund der algorithmischen Selektion des news feed aus der Diskussion ausgeschlossen wird. 17 Dieser kritischen Reflexivität wird im fremdsprachendidaktischen Diskurs manchmal durch den Zusatz critical digital literacy Rechnung getragen. Damit soll neben dem Nutzen von Potenzialen auch auf die Relevanz der Identifikation von Risiken von Kommunikation im digitalen Raum hingewiesen werden (Viebrock, 2019, S. 275). Darüber hinaus beinhaltet critical digital literacy auch die Berücksichtigung ethischer Aspekte zur Nutzung digitaler Ressourcen, beispielsweise ein Verständnis von digital traces, also den Spuren, die unweigerlich im digitalen Raum hinterlassen werden, und damit verbundenen Fragen nach data security (Steiniger, 2020, S.-74-75). Der von Steiniger genutzte Begriff des umbrella terms zeigt bereits, dass (critical) digital literacy als Konzept einige weitere Kompetenzformulierungen in sich vereint. Dazu gehören in anderen Kontexten auch zum Beispiel information and data literacy (European Commission, 2021; siehe auch Kapitel 4.1.2), computer literacy (Ware, 2017, S. 275) oder video game literacy (Steiniger, 2020, S. 79). Da sich diese Kompetenzen in weiten Teilen mit den hier beschriebenen Inhalten der critical digital literacy überschneiden, werden sie im weiteren Verlauf der Arbeit nicht weiter einzeln aufgeführt, sondern als Teil des umbrella terms mit impliziert. Es ließe sich vielleicht kritisieren, dass beispielsweise computer literacy als grundle‐ gendes Verständnis der Funktionsweisen und Begrifflichkeiten von Computern gar nicht Teil fremdsprachendidaktischer Ziele sein sollte und eher in der Informatik anzusiedeln sei. Ohne an dieser Stelle genauer die Diskussion über fachliche Grenzen in der Digitalität auf‐ reißen zu wollen (siehe dafür Kapitel 3.1), ändert diese Kritik nichts an der grundlegenden Relevanz, die digital literacy für den in der vorliegenden Studie im Vordergrund stehenden Englischunterricht hat: Konstitutiven Inhaltsbereichen des Fachs - das Analysieren und Interpretieren von Texten und die Kommunikation in der englischen Sprache (Klippel, 2019, S. 104) - wird in der Digitalität eine neue Dimension von Komplexität hinzugefügt. Da digitale Technologien selbst mit der (interkulturellen) Kommunikation sowie der Erstel‐ lung, Analyse und Interpretation von Texten wechselwirken, kann der Englischunterricht ohne die Integration von critical digital literacy als Zielkompetenz seine konstitutiven Lernbereiche nicht hinreichend bearbeiten. Also erfordert die fachdidaktische Begleitung von fremdsprachlichen Lehr-/ Lernprozessen die Diskussion der Definition (siehe auch 2.3 Digitalisierung und Digitalität im fremdsprachendidaktischen Diskurs 47 <?page no="48"?> 18 Diese Beobachtung ergibt sich - ganz im Sinne der digitalen Transformation als fortwährender Prozess - auch für andere emerging competencies wie der AI literacy (siehe Kapitel-3.3.1). Würffel, 2019, S. 298) und Förderung von neuen bzw. transformierten Kompetenzen in der Digitalität, wie es der Ansatz der critical digital literacy versucht. 18 Mit Blick auf das Ziel der Verortung von verschiedenen Perspektiven auf Digitalisierung in fremdsprachendidaktischen Diskursen lässt sich bereits festhalten, dass hier in der Art der Diskussion von bestehenden wie auch neuen Kompetenzzielen - zumindest in Teilen - das Lernen unter Bedingungen der Digitalität berücksichtigt wird. Bestehende Kompetenzziele sollen nicht nur mit Bezug auf eine technisch-mediale Anwendung er‐ weitert oder bestehende Ziele durch technische Optimierungsmöglichkeiten effizienter erreicht werden. Stattdessen sollen sich die Wechselwirkungen zwischen Technologie, Kultur und Sozialität in transformierten Kompetenzformulierungen widerspiegeln. Mit anderen Worten: Kompetenzen sind nicht ausschließlich auf den Ebenen der Augmentation und Modification verortet, sondern erreichen - zumindest in diesem Ausschnitt des fremdsprachendidaktischen Diskurses - die Ebene der Transformation. Vielleicht aber sogar wichtiger als ein Wissen um die Kompetenzen, deren Förderung erst unter Bedingungen der Digitalität notwendig wurde, sind im Diskurs die Verhandlungen zu den Auswirkungen der digitalen Transformation auf bestehende (Kompetenz-)Ziele des Englischunterrichts. Ein plakatives Beispiel dafür ist das Anzweifeln der Legitimität der funktionalen kommunikativen Kompetenz als Unterrichtsziel in Zeiten maschineller Übersetzung (Grünewald, 2019, S. 80). Aber auch die Legitimation scheinbar basaler Kompetenzen wie das Textverständnis werden durch die digitale Transformation erneut im Diskurs aufgegriffen (Lütge & Merse, 2021, S. 15-16). Dazu gehören auch Fragen danach, welche neuen interaktiven Formen der virtuelle Raum für Texte bietet, wie sich aber Digitalität auch auf die Erarbeitung von Texten auswirken kann (Stichwort personalised language textbook, Lungu et al., 2018). Jeden weiteren Teildiskurs, jede weitere einzelne Kompetenz, die von den Bedingungen der Digitalität berührt wird, detailliert nachzuzeichnen, würde den Rahmen dieses kurzen Überblicks bei weitem sprengen. Es soll an dieser Stelle lediglich verdeutlicht werden, dass sich die im vorigen Kapitel erarbeiteten Perspektiven auf Digitalisierung und Digitalität auch im fremdsprachendidaktischen Diskurs nachzeichnen lassen. Außerdem haben die Beispiele gezeigt, wie sich fachübergreifende Begriffe im Bereich der Digitalität fachspezi‐ fisch ausdifferenzieren lassen. Es bleibt zu betonen, dass sich aus der frühen Identifikation neuer Möglichkeitsräume in der Digitalität (z. B. Ritter & Rüschoff, 2000) und der heutigen Weite der Diskurse nicht au‐ tomatisch ergibt, dass die Debatten (und vor allem die Konsequenzen aus den Diskursen) zu Digitalisierung und Digitalität einheitlich oder konsistent wären. Beispielhaft lässt sich dies an der auch 2023 noch relevanten Kritik der „Pseudodigitalisierung“ digitalitätsbezogener Lernangebote im Fremdsprachenunterricht festmachen (Marx, 2019, S. 162). Der Begriff kritisiert die oberflächliche Integration digitalitätsbezogener Angebote in den Unterricht und die einfache Umbenennung tradierter Formate ohne tatsächliche Innovation (ebd.). Würffel (2019, S. 298-299) geht sogar so weit zu postulieren, dass aber genau diese Form der Pseudodigitalisierung als Fortführung bereits bestehender Methoden die letzten 20 Jahre 48 2 Digitalisierung, Digitalität und digitale Transformation <?page no="49"?> 19 Diese auf den ersten Blick vielleicht triviale Schlussfolgerung wird, wie die Ausführungen in Kapitel 8-10 zeigen werden, noch im Rahmen der empirischen Studie und der Diskussion um den Einfluss der Covid-19-Pandemie eine zentrale Rolle spielen. dominiere. Auch wenn seit 2019, nicht zuletzt durch die Covid-19-Pandemie, die Diskurse in Bildungspolitik und Schulpraxis eine zusätzliche Dynamik erhalten haben (ausführlich dazu Kapitel 4.1.1 und 4.2), stellt sich bei der erstaunlichen Konsistenz der Defizite im Umgang mit Digitalisierung und Digitalität bei der gleichzeitigen frühen Identifikation der Potenziale und der Bestimmung von Konsequenzen für die Disziplin die Frage, wieso der Prozess der Umsetzung der doch scheinbar omnipräsenten Digitalität als langwierig, wenn nicht sogar stillstehend zu bezeichnen ist. Gründe für (fehlende) Transformationsprozesse lassen sich mit Blick auf verschiedene fachliche und thematische Perspektiven untersuchen. Im Rahmen der Untersuchung werden dabei sowohl Bildungspolitik (u.-a. Kapitel-4.1) als auch die (Englisch-)Lehrkräfte‐ bildung (u. a. Kapitel 4.2) berücksichtigt. An dieser Stelle sollen im Sinne der begrifflichen Einordnung in den fremdsprachendidaktischen Diskurs aber ausschließlich einige fachdi‐ daktische Argumente nachgezeichnet werden. In der Fremdsprachendidaktik wird als ein Grund für die oft fehlende Berücksichtigung der Bedingungen der Digitalität in der Lehr-/ Lernpraxis ein medialer und wirtschaftlicher hype um digitale Tools für digitales Fremdsprachenlernen genannt (Schmidt, 2016, S. 201). Diese Tools erweisen sich bei genauerer didaktischer Analyse jedoch als höchst unbefriedigend (ebd.). Solche Tools oder apps wie beispielsweise Duolingo beschränken sich häufig auf geschlossene drill and practice Übungsformate, die bereits in frühesten Versionen von CALL kritisiert wurden (ebd., S. 203-204). Der Fokus auf ein vocabulary drilling (Lungu et al., 2018) solcher Formate erwecke vielleicht oberflächlich den Eindruck, so die Kritik weiter, dass Digitalität Einzug in das Fremdsprachenlernen gehalten habe, erinnere bei näherem Hinsehen aber eher an einen Rückschritt zur „grammar-translation method“ (Richards & Rodgers, 2010, S. 5-7). Damit ist nicht gesagt, dass Sprachlernapps nicht auch weitreichendere Konsequenzen für den institutionellen Fremdsprachenunterricht haben können (Rösler, 2020, S. 4). Oft suggerieren die beschriebenen drill und practice apps jedoch lediglich im Sinne der bereits erwähnten „Pseudodigitalisierung“ einen digitalen Transformationsprozess, wo bestenfalls eine Substitution, wenn nicht sogar ein didaktischer Rückschritt zu verbuchen ist. Erschwerend hinzu kommt dabei, dass, selbst wenn Sprachlernapps wie Duolingo als didaktisch rückschrittig entlarvt werden, diese Erkenntnis im schlimmsten Fall zu einer Ernüchterung gegenüber dem Medium führen könnte, die den Zugang zu anderen, innovativeren Anwendungen verschließt: Wieso sollte man sich weiter mit Digitalisierung beschäftigen, wenn man doch die Erfahrung gemacht hat, dass sie bestenfalls substituiert? 19 Ein aus didaktischer Perspektive weiteres interessantes Phänomen, das die Inkonsistenz des Diskurses um Digitalisierung und Digitalität erklären kann, schien in Teilen schon in der kurzen Diskussion zu veränderten und neuen Kompetenzen durch: Die schiere Anzahl an Veränderungen von Inhalten und Zielbeschreibungen, die sich für die und aus den Diskurse(n) in der Fremdsprachendidaktik ergeben. Da sich die Bedingungen der Digita‐ lität auf alle konstitutiven Bereiche des Fremdsprachenunterrichts auswirken - Sprache, Kommunikation, Kultur und Literatur bzw. Textbearbeitung (im weitesten Sinne) (Lütge & 2.3 Digitalisierung und Digitalität im fremdsprachendidaktischen Diskurs 49 <?page no="50"?> Merse, 2021, S. 15-16) -, müssten sich auch alle diese Bereiche (neu) positionieren. Mit anderen Worten: Die digitale Transformation erfordert gleichzeitig eine Transformation der fremdsprachendidaktischen Disziplinen in ihren konstitutiven Themenfeldern. Aus dieser Perspektive ist es nicht verwunderlich - vielleicht sogar notwendig -, dass trotz Jahrzehnten des Diskurses kein Abschluss der Diskussion in Sicht ist. Außerdem kommt hinzu, dass die besprochenen Veränderungen von alten und neuen Kompetenzen komplex in ihrer Umsetzung und Integration sind. Das ergibt sich allein aus dem Umstand, dass „[t]he kinds of things that are easy to teach are nowadays also easy to digitise and automate“ (OECD, 2020, S. 3). Um ein sicherlich stark verkürztes, aber dennoch anschauliches Beispiel zu geben: Es scheint intuitiv leichter, Übersetzungsklausuren mit vorher eindeutig bestimmten richtigen und falschen Lösungen zu stellen, als implizite gender und racial biases in rekurrenten neuronalen Netzwerken in maschinellen Übersetzungen (Schmalz, 2019, S. 198-199) zu verstehen, zu erkennen und im Unterricht zu problematisieren. Nur ist Ersteres leicht automatisierbar und damit als Evaluationswerkzeug für den Lernerfolg fraglich, während Letzteres mehr und mehr zu reflektierter Kommunikation in der Digita‐ lität erforderlich sein wird. Hierbei noch unberücksichtigt ist außerdem, wie sich aus der Natur der Sache, der Dynamik des Digitalen ergibt, dass sich Sprache, Kommunikation, Kultur und Literatur in hohem Tempo weiterentwickeln. Ein letzter, aber keineswegs weniger relevanter Grund für die Zähigkeit der Diskussion um die digitale Transformation ist die Adaption fachdidaktischer Erkenntnisse und Posi‐ tionen von Lehrenden in der fachspezifischen Unterrichtspraxis. Da die naheliegenden Probleme der mangelhaften Infrastruktur an anderer Stelle ausführlich dokumentiert sind (u. a. Eickelmann et al., 2019; Fütterer et al., 2021), geht es hier um eine im Diskurs weniger präsente Herausforderung der didaktischen Umsetzung: Mir scheint, dass aktuell in praxisnahen Zeitschriften und auch in Fortbildungen das Ziel verfolgt wird, auf diese Weise möglichst niederschwellige Angebote zu machen, um auch nicht medienaffine Lehrende zum Einsatz digitaler Medien anzuregen. Das erscheint durchaus sinnvoll - es kann aber auch das Gegenteil bewirken, weil die Lehrenden dann zu Recht fragen, wieso überhaupt ein Medienwandel stattfinden muss […]. (Würffel, 2019, S.-294) Würffel macht hier auf ein Spannungsverhältnis aufmerksam, das bei dem Versuch der praktischen Adaption in den Unterricht fast unweigerlich aufzutreten scheint. Wie im vorigen Abschnitt betont, beziehen sich die Bedingungen der Digitalität auf komplexe Sachverhalte. Gleichzeitig scheint es aber notwendig, einen möglichst einfachen Einstieg in digitale Veränderungsprozesse zu gewähren. Das Problem ist nur, dass dieser einfachste Einstieg auf der Ebene der Substitution liegen würde. Diese Ebene ist aber, wie bereits bei der Problematik von drill und practice apps ausgeführt, bestenfalls überflüssig und schlimmstenfalls hinderlich. So könnten Lehrkräfte, die auf dieser Ebene einsteigen, fast zwangsläufig zu dem Schluss kommen, dass Digitalisierung und Digitalität als solche eine geringe Relevanz für ihre praktische Unterrichtstätigkeit haben. Entsprechend sollte weniger an der Einfachheit der Anwendung als an der Erfahrbarkeit der maßgeblichen Veränderungen angesetzt werden (siehe auch Kapitel-3 und Kapitel-10). Abschließend ist zu erwähnen, dass der Diskurs um die Perspektiven auf Digitalisierung und die verschiedenen Fremdsprachen sehr wahrscheinlich auch weiterhin intensiv und 50 2 Digitalisierung, Digitalität und digitale Transformation <?page no="51"?> 20 Nicht-linear meint hier, dass, anders als bei der mediendidaktischen Perspektive auf Digitalisierung, kein bestimmtes Ziel und kein Abschluss des Diskurses ersichtlich sind. Stattdessen finden zahlreiche Diskurse nebeneinander und untereinander statt, verlaufen sich, entstehen scheinbar aus dem Nichts und drehen sich zum Teil auch im Kreis. dynamisch fortgeführt werden wird. Nicht zuletzt durch die Covid-19-Pandemie ergab sich auch in der Fremdsprachendidaktik ein erneutes verstärktes Interesse an der Thematik, wie jüngste Publikationen, Sammelbände und auch einzelne Artikel verdeutlichen (Lütge & Merse, 2021; Schildhauer & Bündgens-Kosten, 2021; Kerres, 2020a; Drackert et al., 2022). Die hier vorgenommene Verortung kann also nur als Momentaufnahme gelten, die in einem fortlaufenden Prozess zu aktualisieren sein wird. Ein Versuch, mögliche Perspektivlinien des zukünftigen Diskurses aufzuzeigen und zugleich fachspezifisch zu konkretisieren, wird in Kapitel 3 vorgenommen. Es wäre zum Beispiel zu erwarten, dass mit den Bereichen des machine learning und der KI in den kommenden Jahren die Datafizierung eine verstärkte Rolle spielen wird (Strasser, 2021, S. 99). Diesen Perspektiven ist jedoch erst nach der vollständigen begrifflichen Klärung nachzugehen. Nach diesem aufgrund der Reichweite der Thematik notwendigerweise auf Ausschnitte beschränkten Überblick über den Diskurs lässt sich die Beziehung der Fremdsprachendi‐ daktik zu mediendidaktischen und -pädagogischen sowie kulturwissenschaftlichen Per‐ spektiven auf Digitalisierung und Digitalität wie folgt zusammenfassen: 1. Der Diskurs um Digitalisierung und Digitalität ist bereits seit mehr als dreißig Jahren sowohl mit Bezug zur Mediendidaktik als auch vor dem Hintergrund transforma‐ tiver fachlicher Entwicklung Bestandteil fremdsprachendidaktischer Auseinanderset‐ zungen. 2. Der Diskurs beschreibt eine dynamische und unabgeschlossene, oft nicht-lineare 20 Entwicklung, die sich auf verschiedene konstitutive Bereiche der Fremdsprachendi‐ daktik - Sprache, Kommunikation, Kultur und Literatur - auswirkt. 3. Der Diskurs um Digitalisierung und Digitalität in der Fremdsprachendidaktik ist vielschichtig und oft überfachlich. Darüber hinaus findet er nur teilweise Beachtung in der Praxis, was neben der mangelnden Infrastruktur nicht zuletzt auch an den Eigenschaften der Digitalität selbst liegt. 2.3.2 CALL, Digitalisierung und Digitalität Der Bereich des Computer Assisted Language Learning (CALL) bedarf bei der Betrachtung der Fremdsprachendidaktik im Allgemeinen und des Englischunterrichts im Speziellen besonderer Aufmerksamkeit. Zwar lässt sich der CALL-Diskurs, wie eingangs in Kapitel 2.3 beschrieben, nicht mit den (deutschen) fremdsprachendidaktischen Diskursen gleichsetzen, trotzdem besteht eine enge Verbindung zwischen den Bereichen. Das liegt zum einen an der evidenten inhaltlichen Passung, aber auch an der stellenweise bestehenden Verwobenheit CALL-bezogener Überlegungen und fremdsprachendidaktischer Ausführungen. Dazu ge‐ hören die bereits genannten Veröffentlichungen von Rösler (2016) und Bündgens-Kosten & Lohe (2021), aber auch die vorliegende Untersuchung, deren Überlegungen unter anderem auch von eigenen Veröffentlichungen im Bereich CALL geprägt wurden (Werner & 2.3 Digitalisierung und Digitalität im fremdsprachendidaktischen Diskurs 51 <?page no="52"?> 21 Aktuelle Überblicke zu CALL als Disziplin bestehen bereits, zuletzt z.-B. von Gillespie (2020). Küplüce, 2021). Wenn in diesem Unterkapitel also ein kurzer Überblick über CALL gegeben wird, handelt es sich nicht umeine neue Disziplin, sondern um einen spezifischen Teilbereich der bisherigen Ausführungen. Dabei steht weniger die Vollständigkeit bei der Nennung aller Diskursteilnehmenden und Diskursrichtungen im Fokus, sondern die verschiedenen Perspektiven auf Digitalisierung, die sich auch hier nachzeichnen lassen. 21 Es lässt sich durchaus argumentieren, dass der Bereich CALL vor allem eine technische Optimierung des Sprachenlernens anstrebt, wie der Überblick von Gillespie (2020, S.-131- 136) zeigt. Nichtsdestotrotz lässt sich auch im Bereich des CALL zeigen, dass ein zunehmend offeneres und weites Begriffsverständnis von Digitalität verhandelt wird. Insgesamt hat CALL in der Forschung zum Lehren und Lernen von (Fremd-)Sprachen eine lange Tradition. Schon in den frühen 70er Jahren wurden Computer genutzt, um das Lernen in den Bereichen Grammatik und Vokabeln zu unterstützen (Otto, 2017, S. 12). Während diese frühen Formen von CALL als drill-and-practice-Unterstützung (ebd., S. 13) noch wenig mit digitaler Transformation in ihrem zuvor beschriebenen Verständnis zu tun gehabt haben mögen, entwickelten sich mit der voranschreitenden Technologie auch zunehmend erweiterte Anwendungsbereiche für CALL. So entstanden durch und mit erweiterten technologischen Möglichkeiten auch neue theoretische Grundlagen und Bezüge von CALL. Während die Anfänge von einem fast ausschließlichen Fokus auf die Effizienzsteigerung einfacher Vokabel- und Grammatikaufgaben geprägt waren, also chocolate covered drill and practice (Schmidt, 2016), wurden mit der Jahrtausendwende auch in CALL zunehmend sozial-konstruktivistische Ansätze dominierend (Otto, 2017, S. 19). Mit dieser Perspektive des Lernens in sozialer Interaktion öffnete sich CALL für weitere Forschungsbereiche und Medien. Neben dem Unterbereich des MALL (Mobile Assisted Language Learning), der sich der Verfügbarkeit von Laptops, Smartphones und Tablets als Erweiterungen des Lernorts widmet, rückt auch der Aspekt sozialen und interkulturellen Austausches weiter in den Mittelpunkt. Ein Beispiel dafür sind die frühe Adaption von Schüler*innen-Austauschen im virtuellen Raum und deren Begleitforschung, die bereits seit den frühen 90er Jahren praktiziert wurde (O’Dowd, 2018, S. 5). Unter den Bezeichnungen E-Tandem und VE galt diesem Bereich auch während der Jahrtausendwende erhöhte Aufmerksamkeit, die bis heute anhält (siehe Kapitel 3.1). So ist der Einzug des ortsunabhängigen, interkulturellen, synchronen Austauschs in das Lehren und Lernen von Fremdsprachen eine Perspektive, die im Rahmen der in 3.1 noch genauer beschriebenen Entgrenzung auch heute noch für die digitale Transformation relevant ist. Allerdings ist auch dieser Anwendungsbereich nur ein Bestandteil von zahlreichen Dis‐ kursen zu Digitalisierung und Digitalität, die im Rahmen von CALL geführt werden können. Neben dem Bereich der Online-Kollaboration wirken sich die neuesten Entwicklungen im Bereich Intelligent Computer Assisted Language Learning (ICALL) auch auf für die digitale Transformation relevante Bereiche aus. Während dieser sich auf learner data und adaptive, intelligente Software beziehende Bereich von CALL noch vergleichsweise jung ist, lässt sich nicht zuletzt durch den Themenfokus der Jahrestagung von EUROCALL erwarten, dass in den nächsten Jahren verstärkt Forschungsarbeiten in diesem Bereich durchgeführt und 52 2 Digitalisierung, Digitalität und digitale Transformation <?page no="53"?> veröffentlicht werden. Es bleibt abzuwarten, inwieweit neben der erhofften Effizienzstei‐ gerung, Adaptivität und Inklusivität solcher Technologien auch kritische Fragen bearbeitet werden, wie sie in den Kapiteln zu den Perspektivlinien eingeführt werden. Die Gefahr positivistischer Positionen, die leicht datafizierbare und damit messbare Kompetenzen wie z. B. den Wortschatz auf Kosten von komplexeren Kompetenzen wie die Fähigkeit zur ästhetisch-pragmatischen und kultursensiblen Kommunikation überfokussieren, lässt sich auch hier nicht von der Hand weisen. Gleichzeitig zeigt sich, dass, wie bei dem social turn (Block, 2003) in der Jahrtausendwende, technologische Entwicklungen auch mit didaktischen, lerntheoretischen und in diesem Fall auch epistemologischen Annahmen wechselwirken. CALL ist immer auch ein Bereich, der Internationalität und Technologisierung in der Frage nach digitaler Transformation in Fremdsprachenlehr-/ lernprozessen repräsentiert. Hier wird also nicht der Anspruch erhoben, den gesamten Bereich von CALL historisch und systematisch darzustellen. Diesem Anspruch begegnen andere Arbeiten wie die von Gillespie (2020) umfassend. Es bleibt aber festzuhalten, dass auch im Bereich CALL die in Kapitel 2.1 und 2.2 beschriebenen Perspektiven auf Digitalisierung und Digitalität nachgezeichnet werden können. 2.4 Implikationen aus der Verortung von Digitalität im fremdsprachendidaktischen Diskurs Die zahlreichen verschiedenen Betrachtungsweisen der Digitalisierung und Digitalität, von streng technisch über mediendidaktisch bis zu soziokulturell, sind in fremdsprachendidak‐ tischen Disziplinen und in CALL kein neues Phänomen. Sie sind weder durch einen spezifi‐ schen technologischen Durchbruch noch durch die von 2020 bis 2022 andauernde Pandemie mit all ihren Auswirkungen auf Lehrkräftebildung und Unterricht wie das ERT (Code et al., 2020) entstanden. Stattdessen stehen die Perspektiven mit ihren entsprechenden Fokussen in einer seit Jahrzehnten bestehenden Forschungstradition, die dynamisch, wenig einheitlich und kontrovers über verschiedenste Diskursperspektiven geführt wird. Diese Erkenntnis wird erklärbar, wenn neben technischen und mediendidaktischen Perspektiven die Digitalität auch als gesellschaftlich-kulturelles Phänomen ernstgenommen wird. Auch wenn mit der medienpädagogischen, didaktischen und kulturwissenschaftlichen Perspektive deutlich wurde, dass weder Digitalisierung noch Digitalität als gänzlich neues Phänomen zu verstehen sind, heißt das nicht, die gegenwärtige Debatte um Digitalität in schulischer Bildung sei der sprichwörtliche alte Wein in neuen Schläuchen. Technologische Entwicklungen und ihre Auswirkungen auf Kultur, Gesellschaft und Bildungsverständnis sind nicht allein der Auslöser für fremdsprachendidaktische Debatten um das fachliche Selbstverständnis und Ziele und Methoden des Fachs. Sie können aber Motor für solche Diskurse sein und, um auf Stalder (2019) zu rekurrieren, diese massiv beschleunigen. Erneut kann hier ein Beispiel die Überlegung verdeutlichen: Die Integration von Online-Kolla‐ boration zur Überwindung von Klassengrenzen und dem Ermöglichen interkultureller Erfahrungen besteht für den Fremdsprachenunterricht spätestens seit den frühen 1990er Jahren (vgl. O’Dowd, 2018, S. 5). Die Covid-19-Pandemie und die damit verbundene explosionsartige Weiterentwicklung und Verfügbarkeit von video-conferencing-Software 2.4 Implikationen aus der Verortung von Digitalität im fremdsprachendidaktischen Diskurs 53 <?page no="54"?> sorgt aber neben der zunehmenden Popularität von Open Educational Ressources (OER), bereits länger bekannten Massive Open Online Courses (MOOC) und unzähligen Sprachlern- und Korrekturapps dafür, „dass die Dominanz des Lernorts Klassenzimmer verloren ginge“ (Rösler, 2020, S. 119). Technische Entwicklungen und nicht zuletzt die Pandemie geben den bis zu diesem Punkt genannten Diskursen sowohl einen quantitativen (wie viele Bereiche, wie viele Lernende sind betroffen) als auch einen qualitativen (welche Art der Veränderung ist denkbar, wie weitreichend ist die Veränderung) Schub. Digitalisierung und digitale Transformation im weiteren Verlauf der Arbeit An diesem Punkt wurden die fachspezifischen Perspektiven auf die Begriffe der Digitali‐ sierung, Digitalität und digitalen Transformation theoretisch ausgearbeitet (Kapitel 2.1 und 2.2) und schlaglichtartig in den Bereich der Fremdsprachendidaktik von CALL eingeordnet (Kapitel 2.3). Aus der gegebenen Spezifizierung und Einordnung ergibt sich für den weiteren Verlauf der Untersuchung, dass mit dem Begriff der Digitalisierung vor allem infrastrukturelle, technische und mediale Bemühungen gemeint sind. Der Begriff der Digitalität wird eng an Stalders Verständnis der Kultur der Digitalität angelehnt. Die digitale Transformation schließlich meint den nicht nur technischen oder didaktischen Prozess, sondern den grundlegenden lern- und schulkulturellen, strukturellen Wandlungsprozess, der im Anschluss an die Digitalisierung möglich wird und unter Bedingungen der Digitalität nötig scheint. Der Fokus liegt im Folgenden schwerpunktmäßig auf den Bedingungen der Digitalität und auf der digitalen Transformation von (Englisch-)Unterricht und Lehrkräf‐ tebildung. Während in der Verortung beispielhaft inhaltliche Aspekte miteinbezogen wurden, sind die erarbeiteten Begriffe nun systematisch anhand von Beispielen zu verdeutlichen und für den Englischunterricht zu konkretisieren. Zum einen werden dadurch die Fragen ersichtlich, die die digitale Transformation konkret an den Unterricht und das Fach stellt. Zum anderen beziehen sich die bisherigen Ausführungen vor allem auf die Vergangenheit und Gegenwart. Es liegt aber in der Natur der Dynamik der Digitalität, es liegt in dem Verständnis der digitalen Transformation selbst, dass sie ihre Wirkung auf das Lehren und Lernen von Fremdsprachen auch in einer noch unbestimmten Zukunft entfalten. Außerdem sind die in den folgenden Kapiteln diskutierten Perspektivlinien ein zentraler Bestandteil der Analyse und Diskussion der empirischen Studie. Aus diesen Gründen wird im Folgenden die digitale Transformation inhaltlich gefüllt und perspektivisch wei‐ tergedacht, um davon ausgehend auf bildungspolitische Forderungen und den Bereich der (Englisch-)Lehrkräftebildung unter den Bedingungen der Digitalität eingehen zu können. 54 2 Digitalisierung, Digitalität und digitale Transformation <?page no="55"?> 3 Perspektivlinien: Zur Relevanz der Digitalität für (Englisch-)Unterricht und Lehrkräfte Nachdem in Kapitel 2 Zusammenhänge und Unterschiede zwischen Digitalisierung, Kultur der Digitalität und digitaler Transformation verdeutlicht wurden, geht es in Kapitel 3 um die beispielhafte Ausgestaltung der Transformation: Wenn die Betrachtung der Kultur der Digitalität zeigt, dass es nicht nur eine technische (mediale) Digitalisierung braucht, sondern eine Transformation von Unterricht, was kann das konkret heißen? In drei Perspektivlinien sollen Beispiele dafür gegeben werden, welche Fragen Digitalität an das Fach stellt und welche Bereiche der Transformation denkbar sind. Trotz des Namens Perspektivlinien ist es dabei nicht vornehmlich das Ziel, Vorhersagen oder gar normative Vorgaben für die Entwicklung von Unterricht zu treffen. Abgesehen davon, dass dieses Kapitel bei der Dynamik der Digitalität nur einzelne Ausschnitte beleuchten kann, geht es mehr darum Fragen, Diskussionen und Visionen anzustoßen als Vorgaben zu geben. Die Perspektivlinien sind somit als Beispiele des Möglichkeitsraums Digitalität (Stalder, 2021, S. 4) zu verstehen. Basierend auf aktuellen Diskursen in der Fremdsprachendidaktik, der Erziehungswissenschaft und weiteren Disziplinen rundum Digitalität und (Englisch-)Lehrkräftebildung werden drei Bereiche vorgestellt, die häufig als relevant dargestellt werden und deren Relevanz sich (aus jeweils unterschiedlichen Gründen) perspektivisch noch steigern könnte. Gemeinsam ist allen drei Perspektivlinien, dass sie Ausdruck der Kultur der Digitalität sind und dass sie von (Englisch)Unterricht und Lehrkräften Positionierung und Umgang - eine Transformation - einfordern. Sie nehmen ihren Ursprung in den Eigenschaften der Kultur der Digitalität und verbinden technische Entwicklungen mit unterrichtspraktischen Fragen. In jedem Unterkapitel wird zunächst die Perspektivlinie erläutert und anschließend ein praktisches Beispiel gegeben. Die Unterkapitel enden jeweils mit einem kurzen Zwischenfazit, welches die jeweilige Perspektivlinie mit den aus ihr resultierenden Fragen zusammenfasst. Kapitel 3.1 umfasst das Thema Entgrenzung in einem zeitlich-räumlichen, aber auch national-kulturellem Sinne. Das Beispiel Virtual Exchange (VE) zeigt, wie Grenzen des Lern‐ ortes Schule in der Digitalität aufgeweicht und überwunden werden können. Kapitel 3.2 beleuchtet die mit der Datafizierung möglich werdende Adaptivität. Dabei werden mit dem Beispiel Learning Analytics (LA) nicht nur die Potenziale für individualisiertes Lernen betrachtet, sondern auch Fragen der Vermessung von Lernprozessen und Nebeneffekte der Datafizierung diskutiert. Kapitel 3.3 untersucht schließlich den Bereich Automatisierung. Dabei wird sowohl die Frage nach der Rolle der Lehrkraft, mit dem Beispiel von KI und machine translation (MT), vor allem aber auch die Frage nach notwendigen fachlichen und überfachlichen Inhalten und Kompetenzen vorgestellt. Das Zwischenfazit in Kapitel 3.4 bezieht die Perspektivlinien abschließend auf den Begriff der digitalen Transformation und dessen weitere Bedeutung für die vorliegende Untersuchung. <?page no="56"?> 3.1 Entgrenzung (Beispiel Virtual Exchange) Der Begriff Entgrenzung findet sowohl in (fremdsprachen-)didaktischen Beiträgen als auch in bildungspolitischen Impulspapieren Verwendung und passt darüber hinaus zu der von Stalder beschriebenen „großen Unordnung“ in der Digitalität, die in Folge des Wegfalls von gate keepern und den bestehenden Datenfluten entsteht (2019, S. 114). Es ist daher ein naheliegender erster Schritt für die Beschreibung von Perspektivlinien, das Konzept der Entgrenzung genauer zu betrachten und in seinen potenziellen Entwicklungen zu diskutieren. Bei der Untersuchung wird allerdings schnell deutlich, dass mit Entgrenzung verschiedenste Dinge gemeint sein können. Albrecht et al. lehnen den Begriff beispielsweise eng an Stalders Kultur der Digitalität an: „Unter den Vorzeichen der Digitalität bestimmt eine Dynamik der Potenzierung, Entgrenzung und drastisch gesteigerten Referenzialität den Takt - wohlbemerkt bei instantaner Verfügbarkeit dieser stetig wachsenden, amorphen Menge an Daten und Informationen“ (2020, S. 27). In diesem Fall meint Entgrenzung eine durch die Digitalität entstehende Herausforderung: Informationen und Wissen sind ungeordnet und potenziell grenzenlos, Lernende müssen sich in der Unordnung und Datenflut zurechtfinden. Spezifisch im fremdsprachendidaktischen Diskurs meint der Begriff häufig die zeit‐ lich-räumliche Entgrenzung und wird oft in Verbindung zum mobilen Lernen gedacht. Ein Potenzial der Digitalität, das in der Praxis oft jedoch nicht erreicht wird, wie Surkamp (2017, S. 56) beschreibt: „Die mit dem mobilen Lernen in Verbindung gebrachte Erwartung der personalen, zeitlichen und räumlichen Entgrenzung wird aber in der Praxis nicht ein‐ gelöst“. Entgrenzung kann außerdem im Kontext der Globalisierung als die Aufweichung (nationaler) Grenzen verstanden werden, mit der Arbeits- und Lernumgebungen diverser und internationaler werden (OECD, 2020, S.-55). Nicht zuletzt gilt Entgrenzung in der Digitalität auch für fachliche Grenzen. Hier stehen vor allem Fragen der Reichweite und Grenzen von Fachlichkeit und Interdisziplinarität im Vordergrund. Dieser Diskurs wird von bildungspolitischer Seite, zuletzt durch die KMK, befeuert: Neben neuen fachlich orientierten Formaten können Fachgrenzen zugunsten von übergeordneten ganzheitlichen Fragestellungen aufgebrochen werden. In diesem Zusammenhang ist zu überlegen, wie die rasante Veränderung der Wissensbestände einzelner Disziplinen und die allgegenwärtige Verfügbarkeit von Wissen als grundlegendes Merkmal unserer Gegenwart einzubeziehen ist. (2021, S.-13) Auch hier ist die Kultur der Digitalität als grundlegende Beschreibung der Gegenwart der Auslöser der Entgrenzung. Dies lässt sich anhand eines Beispiels für „ganzheitliche Frage‐ stellungen“ verdeutlichen. Die Kommunikation in Englisch lässt sich als eine ursprüngliche Kernkompetenz des Englischunterrichts ausweisen (Ministerium für Schule und Bildung des Landes Nordrhein-Westfalen, 2023, S. 15). Kommunikation in der Digitalität bedeutet jedoch auch Kommunikation mit maschineller Übersetzung und in durch Algorithmen geprägten Kommunikationsräumen. Um die entsprechenden Auswirkungen auf Kommu‐ nikation und Sprache selbst zu verstehen, ist in der Digitalität auch Expertise notwendig, die ursprünglich als informatisch und mathematisch galt (siehe auch Kapitel 3.3.1). Auch wenn Fachdidaktiken sich in ihrem Selbstverständnis auf Bezugsdisziplinen stützen, im Bereich 56 3 Perspektivlinien: Zur Relevanz der Digitalität für (Englisch-)Unterricht und Lehrkräfte <?page no="57"?> 22 Zur Diskussion von Lernzielen und digitalitätsbezogenen Kompetenzen siehe Kapitel-4.1.2. 23 Teile des Absatzes zu den Potenzialen von VE basieren auf Küplüce et al. (2022). der Englischdidaktik beispielsweise auf die Linguistik, erweitert Digitalität mögliche Bezüge und Anknüpfungspunkte enorm. Das liegt nicht zuletzt auch an veränderten Lernzielen, die im Rahmen der Digitalität durch Dinge wie Automatisierung möglich, aber durch die Entgrenzung auch notwendig werden können. 22 Die bildungspolitische Forderung nach größerer Offenheit zwischen Fächergrenzen wird in fremdsprachendidaktischen Disziplinen, gerade für den Bereich der Forschung, teilweise noch verschärft: „Ausgehend von der Beobachtung, dass Sprachenlernen und -lehren heute unter besonderen Bedingungen stattfindet - gekennzeichnet durch die drei Begriffe globalization, technologization und mobility -, so die DFG, erfordere seine Erforschung auch neue Zugänge und insbesondere Transdisziplinarität“ (Schmenk, 2019, S. 29). Hier wird also nicht nur die Zusammenarbeit zwischen Disziplinen gefordert, sondern die Öffnung von Fächergrenzen „bis zur Verwischung“ (ebd.). Auch die vorliegende Arbeit reiht sich in das Verständnis von Entgrenzung in einer interbzw. transdisziplinären Perspektive ein. So stehen (mit Ausnahme von Kapitel 2.2 und 10.2.1) in der gesamten Arbeit fremdsprachendidaktische Quellen neben bildungs‐ wissenschaftlichen, aber auch mathematischen, informatischen, computerlinguistischen, soziologischen und kulturwissenschaftlichen Bezügen. Dies geschieht bewusst und in der Überzeugung, nur so Digitalität (auch in ihrer spezifischen Bedeutung für den Englischun‐ terricht) gerecht werden zu können. Trotz aller Inter- und Transdisziplinarität lässt sich nicht ignorieren, dass fachliche Strukturen, gerade auch im deutschen Bildungswesen, nach wie vor eine wichtige Rolle spielen. Entgrenzung heißt in dieser Arbeit also nicht, dass es in der Kultur der Digitalität keine distinkten Disziplinen mehr geben würde. In Überlegungen zu Perspektivlinien scheint es aber unerlässlich, die Möglichkeit in Betracht zu ziehen, dass und wie sich fachliche Grenzen aufweichen, auflösen oder neu orientieren könnten. Die vielfältigen Deutungsmöglichkeiten von Entgrenzung in der Digitalität verkom‐ plizieren die Auswahl eines einzelnen Beispiels im folgenden Abschnitt. Wie auch bei den anderen beiden Perspektivlinien ist das gewählte Beispiel als eines von zahlreichen möglichen zu sehen und soll als solches kurz begründet werden. Die Auswahl von VE als Beispiel für die Perspektivlinie Entgrenzung erfolgt aus zwei Gründen: Zum einen deckt VE, wie in Kapitel 3.1.1 verdeutlicht wird, gleich mehrere der genannten Begriffsbestandteile ab. Es gibt in VE eine Entgrenzung von Zeit und Raum, aber auch nationalen und disziplinären Grenzen. Gleichzeitig handelt es sich bei VE um ein Lehr-Lernformat, das mit ersten Versuchen im Jahr 1991 zwar nicht neu ist (O’Dowd, 2018, S. 5), perspektivisch aber, gerade im europäischen Kontext, eine wachsende Relevanz genießen könnte. Virtual Exchange 23 VE, auch als telecollaboration oder online intercultural exchange bezeichnet (O’Dowd, 2017, S. 207) ist ein kollaborativer Ansatz, bei dem Lernende mit anderen Lernenden aus geographisch und/ oder kulturell unterschiedlichen Bereichen arbeiten (Garcés & O’Dowd, 2020, S. 2). Der Austausch ist dabei Teil eines Kursprogrammes, das von professionellen 3.1 Entgrenzung (Beispiel Virtual Exchange) 57 <?page no="58"?> Pädagog*innen begleitet wird (Rienties et al., 2020, S. 2) und teilweise oder vollständig im virtuellen Raum stattfindet (O’Dowd, 2018, S.-15). Ausführungen zur Durchführung und zu didaktischen Modellen des VE sind bereits an anderer Stelle veröffentlicht (siehe Küplüce et al., 2022), weswegen der Fokus in diesem Kapitel auf der Passung von VE als Teil der Perspektivlinie Entgrenzung liegt. Ziel dabei ist es, sowohl die mögliche, perspektivische Relevanz von VE darzulegen als auch zu erläutern, welche Fragen VE im Rahmen der digitalen Transformation an (Englisch-)Unterricht stellen kann. Trotz seiner Relevanz als Beispiel einer Perspektivlinie ist VE kein neues Phänomen. Erste Ansätze von VE wurden bereits in den frühen 1990er Jahren ausgearbeitet. Zwar unterschied sich diese Form des Austausches in der Ausführung noch etwas - so bestand technisch bedingt eine stärkere Abhängigkeit von asynchronen Austauschformaten (siehe z. B. Tella, 1991) - dennoch lässt sich auch hier schon die grundlegende Idee einer Entgrenzung des Lernraums beobachten. Weitere Studien unter dem Namen telecollabora‐ tion folgten wenige Jahre später, beispielsweise von Eck et al. (1995) und Warschauer (1995). Trotz dieser Pionierarbeit ist das Interesse an VE vor allem in den letzten Jahren, insbesondere seit ca. 2015 erstarkt. Die Gründe dafür lassen sich in zwei verschiedenen Bereichen finden. Gerade innerhalb der EU lässt sich mit der Paris Declaration und der einhergehenden Forderung zur Stärkung interkultureller Kompetenz (Müller-Hartmann & Schocker-von Ditfurth, 2007) für die Relevanz von VE argumentieren (Garcès & O’Dowd 2020, S.-3). Durch die im Vergleich zum physischen Austausch höhere Zugänglichkeit von VE (ebd.) verspricht VE dabei die Möglichkeit interkultureller Lernerfahrungen für eine weit höhere Zahl an Lernenden. Auch wenn ein VE nicht mit einem physischen Austausch gleichzusetzen ist, zeigen empirische Untersuchungen dabei, dass VE sich als Maßnahme zur Förderung von interkultureller Kompetenz gut eignet (u. a. EVALUATE Group, 2019; Üzüm et al., 2020). Vor dem Hintergrund des Ziels der EU, die interkulturelle Kompetenz ihrer Bürger*innen im Rahmen von global citizenship (O’Dowd, 2020, S. 477) zu stärken und dem Potenzial, das VE zugeschrieben wird, wird deutlich, wieso VE gerade im europäischen Raum mehr und mehr (auch finanzielle) Aufmerksamkeit erhält. Dabei fördert die EU VE zum einen durch direkte finanzielle Unterstützung, aber auch durch die Aufnahme des Konzepts in das ERASMUS+ Programm (O’Dowd, 2018, S. 19). Hiermit öffnet sich nicht zuletzt die Möglichkeit, VE und physische Austausche in blended intensive programmes (BIP) (O’Dowd, 2022, S. 5) zu kombinieren und interkulturelle und nationale Kooperation im schulischen und universitären Bereich zu stärken. Auf der Ebene der Interkulturalität ist VE also durch die Aufweichung nationaler und kultureller Grenzen Beispiel für die Perspektivlinie Entgrenzung. Man könnte diesen Bereich auch unter Konnektivität (Koppel & Wolf, 2021, S. 185-186) fassen, also der zunehmenden Vernetzung und Erweiterung des sozialen Interaktionsraums. In diesem Verständnis ließen sich auch andere Beispiele nennen, insbesondere social media. VE hat aber mehr als den bloßen Kontakt zu und die Interaktion mit anderen Personen zum Ziel: es soll ein „level of critical engagement“ (EVALUATE Group, 2019, S. 39) geschaffen werden, das über eine oberflächliche illusion of commonality (Ware & Kramsch, 2005, 58 3 Perspektivlinien: Zur Relevanz der Digitalität für (Englisch-)Unterricht und Lehrkräfte <?page no="59"?> 24 Bei der illusion of commonality werden nach Ware & Kramsch (2005) vermeintliche Gemeinsamkeiten wahrgenommen, der Austausch über kultursensible Themen aber umgangen. 25 Gemeint ist das Technological Pedagogical and Content Knowledge (TPACK) Modell (u. a. Koehler, 2012), siehe auch Kapitel-4.1.2. S. 200) 24 hinausgeht. VE fördert interkulturelle Kompetenz gerade dadurch, dass (wenn) eine „negotiation of cultural meaning“ stattfindet, die wiederum keinesfalls als Automatismus im Kontakt mit anderen Personen entsteht (ebd.). Fasst man den Bereich VE und interkulturelle Kompetenz zusammen, zeigt sich, dass Entgrenzung hier nicht heißt, dass (nationale und kulturelle) Grenzen sich durch Digitalität zwingend oder automatisch auflösen. Stattdessen zeigt das Beispiel VE, wie die Begrenzung der Lerngruppe auf das eigene Klassenzimmer in der Digitalität zugunsten internationaler und interkultureller Lernerfahrungen aufgeweicht werden kann. Somit nähert sich der Englischunterricht auch seiner Aufgabe als kultureller Aushandlungs- und Begegnungs‐ raum (Freitag, 2010, S.-126) an. Neben der bis hierhin fokussierten interkulturellen Kompetenz als Grund für die zuneh‐ mende und perspektivische Relevanz von VE ist noch ein zweiter Bereich zu erwähnen, der VE in Kombination mit Interkulturalität als Beispiel für Entgrenzung auszeichnet: Therefore, a growing number of scholars advocate VEs as an ideal environment for FL [foreign language, Anmerkung C. K.] competence and the development of technopedagogical skills (TPACK) 25 within formal institutional contexts […]. (Rienties et al., 2020, S.-4) VE wird, gerade in der Ausbildung von Fremdsprachenlehrkräften, das Potenzial zugespro‐ chen, auch digitalitätsbezogene Kompetenzen zu fördern (ebd., S. 5; Garcès & O’Dowd, 2020, S. 5; EVALUATE Group, 2019, S. 43-45). Auch wenn eine ausführliche Diskussion von TPACK und digitalitätsbezogenen Kompetenzen von Lehrkräften noch in Kapitel 4.1.2 folgt, soll an dieser Stelle kurz auf diese Ergebnisse eingegangen werden, um die Relevanz von VE als Beispiel für die Perspektivlinie Entgrenzung zu unterstreichen. VE bietet die Gelegenheit, die Komplexitäten von Lehre unter Bedingungen der Digitalität zu erleben und zu reflektieren. Die Herausforderungen umfassen im VE technische Probleme (EVALUATE Group, 2019, S. 47), aber vor allem auch die interkulturelle Kommunikation und Kollaboration (O’Dowd, 2020, S. 481). Lehrende und Lernende erleben im VE also nicht nur ein digitalisiertes Lernen, sondern ein holistisches Bild von Lernen unter Bedingungen der Digitalität, mit allen Herausforderungen, aber auch Potenzialen, die damit einhergehen. Kann VE technische Hürden überwinden, strukturelle Engstellen lösen (Garcès & O’Dowd, 2020, S. 14) und durch didaktische Planung und Intervention die illusion of commonality zugunsten interkultureller Reflexion verhindern, ist es wenig verwunderlich, dass VE positive Auswirkungen auf digitalitätsbezogene Kompetenzen zugesprochen werden, die über tool usage hinausgehen. Gerade die Reflexion interkultureller, aber auch technischer, struktureller und didaktischer Hürden fügt sich dabei gut in auch für Englischlehrkräfte essenzielle Kompetenzen ein (Loranc et al., 2021, S.-2). Die Relevanz von VE für (Englisch-)Unterricht und Lehrkräftebildung lässt sich also durch die Verbindung aus der Förderung von interkulturellen, sprachlichen als auch digitalitätsbezogenen Kompetenzen begründen. Neben der Frage nach Kompetenzen ist für das vorliegende Kapitel jedoch genauso wichtig, inwiefern VE Ausdruck und Umgang 3.1 Entgrenzung (Beispiel Virtual Exchange) 59 <?page no="60"?> 26 Die Darstellung soll nicht implizieren, dass die von der OECD vertretene Ansicht zu den Notwen‐ digkeiten schulischer Bildung bindend oder auch nur Konsens wäre. Im Fall der Globalisierung und Internationalisierung im Sinne einer global competence scheint die Ansicht aber zumindest mit Vorgaben der KMK und länderspezifischer Curricula vereinbar. mit der Perspektivlinie Entgrenzung ist. Technologische Entwicklungen, insbesondere die breite Verfügbarkeit von Soft- und Hardware für die synchrone Kollaboration von Gruppen, vereinfachen entgrenzte Lernszenarien wie VE. Ganz im Sinne der Digitalität ist Entgrenzung aber auch Ausdruck eines gesellschaftlich-kulturellen Wandels, in dem zunehmend internationale und interkulturelle Kooperation und Kollaboration nicht nur möglich, sondern alltäglich werden. Dieser Trend ist dabei in seinem grundlegenden Bestehen nicht neu, wird aber zunehmend Voraussetzung zur Teilnahme an Arbeits- und Lebenswelt: At work, at home and in the community, people will need a broad comprehension of how others live, in different cultures and traditions, and how others think, be they scientists, mathematicians, social scientists or artists. The ability to read and understand diversity and to recognise core liberal values of our societies, such as tolerance and empathy, may also help respond to extremism and radicalisation. (OECD, 2020, S.-5) 26 In diesem Verständnis erhält VE sein Potenzial nicht nur durch die Effektivität von Kompetenzvermittlung und die Passung der geförderten Kompetenzen zu politischen Programmatiken, sondern auch durch seine Passung zur Perspektivlinie Entgrenzung. Zur Verdeutlichung dieses Zusammenhangs lässt sich nochmals auf das Beispiel der sozialen Medien verweisen. Es ist hier auf einer technischen Ebene mittlerweile völlig selbstverständlich, dass Nutzer*innen unabhängig von Zeit und Entfernung mit Menschen fast überall auf der Welt interagieren können: Ein*e Nutzer*in kann, unabhängig von der Uhrzeit, aus Deutschland einen post verfassen und problemlos Antworten aus den verschiedensten Regionen der Welt erhalten. Dabei handelt es sich meist aber nicht um eine aktive Auseinandersetzung mit interkultureller Kommunikation, sondern, gerade in kulturell homogenisierten Räumen wie Reddit und Twitter, genau um die illusion of communality, die Ware und Kramsch (2005, S. 200) beschreiben. Dieses Problem besteht für VE genauso wie für soziale Medien. Da VE aber per Definition von professionellen Pä‐ dagog*innen begleitet wird, besteht hier die Möglichkeit, das erklärte Ziel aktiver Reflexion interkultureller Gemeinsamkeiten und Differenzen anzustoßen (O’Dowd, 2020, S. 481). VE fördert also nicht nur Kompetenzen, die in einer durch Entgrenzung geprägten Perspektive mehr und mehr Relevanz enthalten, sondern gibt die Möglichkeit im (Englisch-)Unterricht die passive Beeinflussung durch die vermeintliche Homogenisierung von Kultur in der Digitalität aktiv zu reflektieren und die für Digitalität prägende social negotiation of meaning (Kerres, 2022a, S.-3) um eine interkulturelle Ebene zu ergänzen. Trotz der bis hierhin vor allem im Vordergrund stehenden Potenziale stellen Entgren‐ zung im Allgemeinen als auch VE im speziellen keinen Automatismus oder auch nur Konsens da. Bei VE werfen die Ressourcenintensität und schwierige empirische Validierung der Potenziale Fragen auf. Auf einer allgemeineren Ebene ließe sich diskutieren, wie Entgrenzung (man denke besonders an die Covid-19-Pandemie) auch einen Kontrollverlust bewirken kann, der sich auf Prüfungen, aber auch Dinge wie Arbeitszeiten und -räume 60 3 Perspektivlinien: Zur Relevanz der Digitalität für (Englisch-)Unterricht und Lehrkräfte <?page no="61"?> auswirken kann. Beispielhafte Fragen für den Englischunterricht betreffen damit zusam‐ menfassend: • Wie fest ist der Lernort in institutionellen Bildungseinrichtungen und wie fest muss dieser ggf. auch sein? (Welche Berechtigung hat der Präsenzunterricht im Klassenver‐ band? ) • Wie lassen sich flexiblere Lernräume und -momente ermöglichen, ohne das grundle‐ gende Funktionen des Unterrichts (über das fachliche und überfachliche Lernen hinaus) eingeschränkt werden? • Welche (fremdsprachlichen) Kompetenzen brauchen Lehrkräfte und Schüler*innen in Lernszenarien, die durch flexible (zeitliche/ örtliche/ kulturelle/ fachliche) Grenzen geprägt sind? • Welche Grenzen bleiben (entweder aufgrund der Funktionen des Unterrichts oder aus didaktisch-pädagogischen Überlegungen) weiterhin wünschenswert? 3.2 Adaptivität (Beispiel Multimodal Learning Analytics) Adaptivität und die in 3.3 folgende Perspektivlinie Automatisierung teilen einen gemein‐ samen Ursprung in dem Phänomen der Datafizierung. Mit dem Ausdruck Datafizierung ist gemeint, dass Personen in der Digitalität kontinuierlich Daten generieren (Breiter & Hepp, 2018, S. 27), die gespeichert werden und u. a. von algorithmischen Systemen ausgewertet und beispielsweise für persönliche (Kauf-)Empfehlungen genutzt werden können (Krüger, 2021, S. IX). Die Datafizierung ist dabei tief in die Lebenswelt eingedrungen und überwindet den virtuellen Raum: Daten entstehen mit jedem Klick im Internet, mit jedem neuen Onlinekauf und mittlerweile selbst mit jedem Schritt, den der Mensch in der realen wie virtuellen Welt geht. Denn durch den einfachen Internetzugang, das dauerhafte Mitführen von mobilen Endgeräten sowie die wachsende Infra‐ struktur von digital verbundenen physischen Gegenständen und virtuellen Produkten unterliegt die Gesellschaft zum zweiten Mal in diesem jungen Jahrhundert einem medialen Wandel, nämlich der Datafizierung der Welt. (ebd., S.-2) Datafizierung ist außerdem untrennbar mit der von Stalder beschriebenen Algorithmizität verbunden, die die entstehenden Daten ordnet und überhaupt erst Orientierung ermöglicht. In den Perspektivlinien geht es aber nicht um eine Wiederholung oder Ausdifferenzie‐ rung der Eigenschaften der Digitalität, sondern um die Frage, welche Perspektiven in der Digitalität besonders stark mit dem (Englisch-)Unterricht wechselwirken (können). Und dabei eröffnet die Datafizierung (mindestens) zwei distinkte Bereiche, die sich in den Perspektivlinien Adaptivität und Automatisierung ausdrücken. Aus diesem Grund werden im Folgenden in Adaptivität und Automatisierung zwei einzelne Perspektivlinien beschrieben, statt beide Perspektivlinien als Datafizierung zusammenzufassen. Das heißt nicht, dass die beiden Perspektivlinien nicht eng verbunden wären, vielleicht enger noch als die Verbindung zur Perspektive der Entgrenzung. Allerdings soll bei den jeweiligen Beispielen - LA für Adaptivität und KI und MT für Automatisierung - gezeigt werden, dass die Bereiche jeweils unterschiedliche Fragen an fachliche Bildung stellen. Zunächst 3.2 Adaptivität (Beispiel Multimodal Learning Analytics) 61 <?page no="62"?> 27 Kursorisch lässt sich allerdings auch in Deutschland ein gesteigertes Interesse beobachten, was sich beispielsweise durch das Einrichten von Professuren zu Educational Data Science, aber auch durch die Nennung in bildungspolitischen Positionspapieren (KMK 2021, S.-5-6) ausdrückt. 28 Für weitere Anwendungsszenarien und einen allgemeinen Überblick siehe auch Lang et al. (2017). werden in 3.2 mit LA Anwendungskontexte, Risiken und Fragen der Nutzung von Big Data im unterrichtlichen Kontext (Barkmin et al., 2020, S. 106) diskutiert. Anschließend werden in 3.3 einige Hinweise zur technischen Funktionsweise datenbasierter Systeme ergänzt und am Beispiel MT insbesondere auch Fragen fachspezifischer Zielsetzungen in der Digitalität verhandelt. (Multimodal) Learning Analytics Eine Forschungsrichtung, die sich mit der Nutzbarmachung generierter Daten für Bil‐ dungskontexte beschäftigt, lässt sich unter dem Überbegriff Learning Analytics (LA) zusammenfassen. Eine der ersten und am meisten rezipierten Definitionen zu LA stammt aus der 1st International Conference on Learning Analytics in 2012: „Learning Analytics sind das Messen, Sammeln, Analysieren und Auswerten von Daten über Lernende und ihren Kontext mit dem Ziel, das Lernen und die Lernumgebung zu verstehen und zu optimieren“ (hier zitiert nach der Übersetzung aus Ifenthaler & Drachsler, 2020, S. 517). Neben der Nutzung der entstehenden Datenmengen ist bei der Definition vor allem der Fokus auf den Lernenden, das Lernen und die Lernumgebung wichtig, da sich die Disziplin damit von der bereits zuvor bestehenden, wirtschaftlichen Verwendung nutzergenerierter Daten abgrenzt (ebd., S. 516). Stand 2020 wird LA vor allem in Großbritannien, Australien, den USA und den Niederlanden genutzt, während die Verwendung nutzer*innengenerierter Daten in Deutschland in Bildungsinstitutionen (noch) weniger Beachtung findet (ebd.). 27 Im Rahmen der Perspektivlinie stellt sich zunächst die Frage, wieso LA im Rahmen der Digitalität für den (Englisch-)Unterricht relevant sein sollte. Dafür werden kurz die zugeschriebenen Potenziale skizziert, um anschließend Kritik und Grenzen zu beleuchten. Schließlich wird die Perspektivlinie mit resultierenden Fragen an den Unterricht zusam‐ mengefasst. LA wird, auch in der Fremdsprachendidaktik, enormes Potenzial zugesprochen: „Eines der zukünftig potenziell bedeutsamsten, gerade in seiner frühen Entstehung befindlichen Forschungsgebiete im Kontext des computergestützten Lernens ist der Bereich der Learning Analytics“ (Schmidt, 2016, S. 205). Grund dafür ist die Hoffnung, mit Hilfe der genauen Analyse von Nutzer*innenbzw. Lernendendaten adaptive und individualisierte Lernauf‐ gaben zu ermöglichen (Rösler, 2020, S. 7; Würffel, 2019, S. 296). Anwendungsbereiche umfassen außerdem die Förderung spezifischer fachlicher Kompetenzen wie writing skills (Foltz & Rosenstein, 2017) oder die Förderung selbstregulierten Lernens (Winne, 2017). Mögliche Anwendungsszenarien betreffen auf einer allgemeineren Ebene aber auch bei‐ spielsweise „Frühwarnsysteme“ für at risk students (Ifenthaler & Drachsler, 2020, S. 526) oder personalisierte Studienverläufe (ebd., 527-528). 28 Ausgehend von diesen Potenzialen und Anwendungsbereichen beschreibt der Präsident der International Data Mining Society, Mykola Pechenizkiy, LA als Teil von Data Science gar als Revolution für den Bildungsbereich: 62 3 Perspektivlinien: Zur Relevanz der Digitalität für (Englisch-)Unterricht und Lehrkräfte <?page no="63"?> 29 Einschränkend muss hier erwähnt werden, dass der Diskurs zur Vermessung von Bildung auch in der Fremdsprachendidaktik bereits spätestens seit PISA intensiv diskutiert wird. LA bieten hier jedoch eine neue Phase und Dimension der Kontroverse. Data science impacts many aspects of our life. It has been transforming industries, healthcare, as well as other sciences. Education is not an exception. On the contrary, an explosion of available data has revolutionized how much education research is done. An emerging area of educational data science is bringing together researchers and practitioners from many fields with an aim to better understand and improve learning processes through data-driven insights. Learning analytics is one of the new young disciplines in the area. (Lang et al., 2017, S.-9) Neben dem Einblick in das Selbstverständnis der Disziplin zeigt das Zitat auch erneut die Verwobenheit von LA mit Datafizierung. Ohne Datafizierung keine Data Science und ent‐ sprechend auch keine LA. Außerdem spiegelt das Zitat die bisherige Betrachtungsweise mit dem Schwerpunkt auf (Optimierungs-)Potenziale durch die Nutzung von LA wider. Lernen soll adaptiver und individualisierter werden, Kompetenzvermittlung dadurch effektiver. Die Relevanz als Perspektivlinienbeispiel entfaltet sich aber insbesondere bei einer kont‐ roverseren Betrachtung von LA und dessen möglichen, unerwünschten Nebeneffekten: „Der Ausbau der Vermessung von Bildung ist kein Konsens! “ legen Braun et al. in ihrem Positionspapier zur Weiterentwicklung der KMK-Strategie als zentrale These fest (2021, S. 1). Damit fassen die Medienpädagog*innen ihre Kritik des verstärkten Interesses der KMK an der Nutzung von Lernendendaten in unterrichtlichen Kontexten zusammen. So heißt es weiter: Eine solche Darstellung ‚evidenzbasierter Bildungssteuerung‘ verkennt jedoch die tatsächliche wissenschaftliche Umstrittenheit dieser wachsenden, v. a. quantitativen Vermessung von ‚Bildungsprozessen‘, etwa, weil hiermit zahlreiche, empirisch inzwischen umfassend erforschte Folgen und Nebenwirkungen einhergehen, die die Idee von Bildung nicht nur verengen, sondern Bildungsprozessen auch nachhaltig schaden können (ebd., S.-4, Hervorhebung im Original). Interessant an der Kritik ist, dass nicht der Zweifel an dem möglichen Optimierungspoten‐ zial von LA im Vordergrund steht, sondern die mit der Datennutzung einhergehenden Auswirkungen auf Bildungsprozesse und den Bildungsbegriff selbst. Lernerfolg wird, so die Befürchtung, auf definierbare und vor allem operationalisierbare und prüfbare Kompetenzen beschränkt (ebd.). Mit anderen Worten, wird Lernen zu etwas, das durch Klicks, Verweildauer und eye tracking gemessen werden kann? Oder noch drastischer formuliert: Wird alles, was sich nicht gut (automatisiert) messen und operationalisieren lässt, aus den Zielen des Englischunterrichts verdrängt? 29 Auch wenn hier die Diskussion nicht in ihrer Breite wiedergegeben werden kann (siehe für einen Überblick die Beiträge in Lang et al., 2017; Slade & Prinsloo, 2013 und Siemens, 2013) muss an dieser Stelle erwähnt werden, dass Fragen der Vermessung, wenn nicht von Bildungs-, so zumindest von Lernerfolg auch in der LA-Community Beachtung finden. In der Überlegung, dass Lernerfolg nicht zwangsläufig vollständig vermessbar ist, beschreiben Slade & Prinsloo in den „principle of learning analytics“ (2013, S. 1519- 1521), dass Lernerfolg als komplexes und multidimensionales Phänomen zu verstehen ist. Auch wird mehrfach betont, dass Messungen und Daten allein - ungeachtet der Menge 3.2 Adaptivität (Beispiel Multimodal Learning Analytics) 63 <?page no="64"?> und Genauigkeit - ohne Verankerung in wissenschaftlicher Theorie und entsprechender Interpretation ungenügend bleiben (siehe z. B. Knight & Buckingham Shum, 2017, S. 17-18). Das entkräftet zwar nicht die Kritik an möglicherweise unzulässiger Operationalisierung und Vermessung von Lernerfolg, zeigt aber ein gewisses Problembewusstsein, zumindest in Teilen der Disziplin. Gleichzeitig zeigen Entwicklungen wie im Bereich Multimodal Learning Analytics (MLA), dass auf das Problem der Messbarkeit von Lernerfolg auch mit genaueren (= umfangrei‐ cheren) Messungen reagiert wird: „With the rise of data‐driven techniques to discover insights and generate predictions from the learning process such as learning analytics, the need for 360° data about learners has grown consistently“ (Di Mitri et al., 2018, S. 338). MLA versucht über die Kombination multipler Datenströme, beispielsweise durch einen Computer und zusätzliche wearable trackers, die körperliche Reaktionen messen und aufzeichnen (ebd., S.-339), ein vollständigeres Bild der Lernsituation zu erhalten. So sollen komplexe Lernszenarien möglichst genau in Datenströmen erfasst und analysiert werden können. Unabhängig davon, ob durch MLA komplexere Lernvorgänge erfasst werden können oder nicht, bleibt die Kernkritik von Braun et al. (2021) also intakt: Kann und soll Bildungserfolg anhand möglichst genau operationalisierter und erfasster Datenströme gemessen werden? Welche Nebeneffekte kann diese Erfassung haben? Im Rahmen der Perspektivlinie soll weder für noch gegen die Integration von (M)LA in den (Englisch-)Unterricht argumentiert werden. Die kurze Zusammenfassung der Ziele, möglichen Potenziale und der Kritik soll lediglich zeigen, wie vielfältig die Fragen sein können, die sich aus der Perspektivlinie Adaptivität für den Unterricht ergeben: • Kann/ soll Lernerfolg im Fach Englisch (ausschließlich) als etwas Operationalisierbares und Messbares definiert werden? • Wie balanciert man das Potenzial der Adaptivität im Unterricht mit datenrechtlichen und ethischen Fragen? • Welches Recht haben Lernende auf einen nicht vermessenen, unüberwachten Lern‐ raum, und welche Rolle spielt dieser für den Lernerfolg? • Wie geht Schule mit entstehenden Daten verantwortungsvoll um - und wie ermöglicht Schule den Lernenden selbstwirksam über die Nutzung ihrer Daten zu entscheiden/ ent‐ scheiden zu können? • Wie wird Lehrenden der verantwortungsvolle Umgang, aber auch die sinnvolle Interpretation von Lerner*innendaten ermöglicht? Unabhängig von der genauen Beantwortung der Fragen zeigt die Perspektivlinie und das Beispiel (M)LA, dass die Bedingungen der Digitalität verlangen, sich bezüglich epistemo‐ logischer Fragen der Messbarkeit von Bildung und praktischen Fragen der Möglichkeiten und Nebeneffekte von Adaptivität durch Datafizierung zu positionieren. Wie auch bei den anderen Perspektivlinien stellt sich damit die Frage an das Material der vorliegenden Studie, inwieweit sich eine solche Verortung schon jetzt finden lässt. 64 3 Perspektivlinien: Zur Relevanz der Digitalität für (Englisch-)Unterricht und Lehrkräfte <?page no="65"?> 3.3 Automatisierung (Beispiel Künstliche Intelligenz) Da Automatisierung und Adaptivität in den im Folgenden genutzten Beispielen maßgeb‐ lich von Datafizierung abhängen, sind die beiden Perspektiven untrennbar miteinander verbunden. Mit der Bearbeitung von Automatisierung als eigenständiger Perspektivlinie werden zwei Ziele verfolgt: Aus einer fachdidaktischen Perspektive steht die Auseinan‐ dersetzung mit Kompetenzen und Zielen des Englischunterrichts vor dem Hintergrund maschineller Übersetzung (machine translation, MT) im Mittelpunkt. Aus Sicht der Bil‐ dungswissenschaft, insbesondere der Professionsforschung, werden die Frage nach päd‐ agogischen Antinomien (Helsper, 2016) und die Rolle der Lehrkraft näher betrachtet. Die Beschäftigung mit Automatisierung erfolgt also aus spezifischen Perspektiven, die zwei Bereiche abdecken: Automatisierung, die ursprüngliche Kompetenzziele des Englischun‐ terrichts betrifft, und Automatisierung, die grundlegende Handlungsfelder der Lehrkraft betrifft (bspw. Diagnostik und Korrekturen). Zur Bearbeitung der genannten Perspektiven ist zunächst der technische Hintergrund zu Datafizierung um den Bereich maschinelles Lernen zu ergänzen, das Grundlage von Anwendungen wie Schreibassistenztools, aber auch MT ist. Aus diesem Verständnis heraus werden dann Parallelen zum vorigen Kapitel gezogen, bevor schließlich MT als Beispiel für Auswirkungen der Digitalität auf Fachlichkeit und Lehrtätigkeit diskutiert werden. Kapitel 3.3 endet wie die beiden anderen Perspektivlinien mit einigen zusammen‐ fassenden Fragen, die durch Automatisierung an (Englisch-)Unterricht und Lehrkräfte gestellt werden. 3.4 fasst dann die drei Perspektivlinien in ihrer Beziehung zu digitaler Transformation und in ihrer Relevanz für (Englisch-)Unterricht und Lehrkräftebildung zusammen. Künstliche Intelligenz, maschinelles Lernen und maschinelle Übersetzung Wie in Kapitel 2 für den Bereich Digitalisierung und Digitalität bereits ausgeführt, gilt es auch für die Themen KI und maschinelles Lernen aufgrund ihrer Omnipräsenz, insbeson‐ dere im öffentlich-medialen Diskurs, zunächst die Begriffe zu klären. Dies ergibt sich schon allein aus dem Umstand, dass es, ganz wie auch bei Digitalisierung und Digitalität, keine einheitliche Definition dazu gibt, was Künstliche Intelligenz genau bedeutet (Wang, 2019, S. 1). Gründe dafür liefert neben dem „Buzzwordcharakter“ (Strasser, 2021, S. 85) des Begriffs die Interdisziplinarität der Arbeit zu KI, in der Anthropolog*innen neben Biolog*innen, Neuro- und Computerwissenschaftler*innen, Linguist*innen und Philosoph*innen zusam‐ menarbeiten (Luckin et al., 2016, S.-14). KI kann, in der einen oder anderen Form, schon heute konkreter Bestandteil nicht nur von Alltag, sondern auch von Unterricht sein (Strasser, 2021, S. 85). Da das Thema komplex ist, widmet sich das Kapitel besonders dem Teilbereich maschinelles Lernen, da dieser Datafizierung und Automatisierung sowie KI und maschinelle Übersetzung vereint und - ganz im Sinne der Digitalität - die Verbindung zwischen technologischen Entwicklungen und ihrer Wechselwirkung mit gesellschaftlich-kulturellen, aber auch fachlichen Auswirkungen unterstreicht. Dabei ist der Anspruch, wie eingangs zu den Perspektivlinien betont, keinesfalls die Vollständigkeit der Diskussion auf einer technischen Ebene. Stattdessen sollen einige 3.3 Automatisierung (Beispiel Künstliche Intelligenz) 65 <?page no="66"?> wenige Grundlagen etabliert werden, von denen sich fachdidaktische Konsequenzen und Fragen ableiten lassen. Künstliche Intelligenz und maschinelles Lernen Grundsätzlich lässt sich mit Strasser (2021, S. 86-88) annehmen, dass KI, gerade im (Eng‐ lisch-)Unterricht, eine Sammlung verschiedener Technologien bzw. Technologieklassen wie maschinelles Lernen und deep learning beschreibt. Auch Strassers Nutzung der Defini‐ tion von AI von Luckin et al. für den Bereich des Lernens von (Fremd-)Sprachen erscheint gewinnbringend: [AI can be defined] as computer systems that have been designed to interact with the world through capabilities […] and intelligent behaviours (for example, assessing the available information and then taking the most sensible action to achieve a stated goal) that we would think of as essentially human. (Luckin et al., 2016, S.-14) Damit ist nicht gesagt, dass diese Definition vollständig oder auch nur unstrittig wäre. Allerdings: „there is no correct working definition of AI, as each of them has theoretical and practical values, so is not wrong“ (Wang, 2019, S. 29, Hervorhebung im Original). Die Definition von Luckin et al. hat in diesem Sinne einen praktischen Wert, da sich ihre Bestandteile auf das ausgewählte Beispiel der Perspektivelinie anwenden lassen: Was ist an MT intelligent behaviour? Kann man die Funktionsweise moderner MT als essentially human ansehen? Und vor allem, welche fachdidaktischen Implikationen ergeben sich aus den Fragen und in welche Richtung könnten diese sich perspektivisch entwickeln? Maschinelles Lernen und Maschinelle Übersetzung Zur Beantwortung der genannten Fragen ist es notwendig, ein Grundverständnis der Funktionsweise moderner MT zu skizzieren. Damit wird außerdem die Auswahl von MT für den Bereich Automatisierung legitimiert, die als Spitze eines metaphorischen Eisbergs an Entwicklungen im Bereich maschinellen Lernens hervorzuheben ist. Für den Kontext der Perspektivlinie sind im Bereich MT drei Entwicklungsschritte relevant, die dabei helfen, den Zusammenhang zwischen KI, maschinellem Lernen und MT - sowie seinen fachdidaktischen Implikationen - zu erläutern. Auch wenn Bemühungen um MT spätestens seit dem Zweiten Weltkrieg bestehen (Bowker & Ciro, 2019, S. 53-54), beginnt der für die vorliegende Untersuchung relevante Teil der Entwicklung mit dem Übergang der rule-based method of machine translation (RBMT) zur statistical machine translation (SMT). Vor dem Übergang zur SMT nutzte die RBMT sogenannte indirect transfer systems, die auf linguistischen Regeln basierten, um Übersetzungen zu generieren (ebd., S. 40). Statt also direkt Wort für Wort zu übersetzen, waren die Systeme bereits in der Lage, die Bedeutung der Aussage zu transferieren. Dafür arbeiten diese Übersetzer in drei Schritten: In der Analyse werden die Bestandteile der initialen Aussage sowie ihre Beziehung zueinander untersucht. Im anschließenden Transfer wird die Aussage in das Gefüge der neuen Sprache eingefügt und schließlich in der Synthese an die Logik der neuen Sprache angepasst. So wird beispielsweise das spanische el cocho rojo in der Analyse als Nomen erkannt, das durch ein Adjektiv beschrieben wird, im Transfer in 66 3 Perspektivlinien: Zur Relevanz der Digitalität für (Englisch-)Unterricht und Lehrkräfte <?page no="67"?> 30 Für die Übersetzung in diesem Beispiel wurden DeepL und Google Translate verwendet (Stand 17.12.2023). 31 Convolutional networks sind künstliche neuronale Netzwerke, die beispielsweise auch in der Bilder‐ kennung genutzt werden (Schmalz, 2019, S.-198-199). Für eine Übersicht der technisch-mathemati‐ schen Funktionsweise siehe z. B. Gu et al. (2018); Schmidhuber (2015). Für eine übersichtliche und zugängliche Erklärung siehe auch die Videoessays von 3Blue1Brown (2018). the car red übertragen und in der Synthese an die englische Struktur the red car angepasst (ebd., S.-41). Die große Herausforderung für RBMT liegt darin, dass alle notwendigen Regeln manuell programmiert werden müssen (Vinall & Hellmich, 2022, S. 13), was bei den zahlreichen Kombinationsmöglichkeiten von Sprachübersetzungen einen fast unüberwindbaren Auf‐ wand darstellt. Erschwerend kommt hinzu, dass RBMT Probleme mit einer grundlegenden Eigenschaft von Sprache hat: Ambiguität. So ist es in dem Beispielsatz „The post was delivered“ (Bowker & Ciro, 2019, S. 40) fast unmöglich für RBMT zu ermitteln, ob ein Brief oder ein Gartenpfahl geliefert wurde, was einen nicht unwesentlichen Unterschied in der Übersetzung macht. So werden schließlich immer wieder Übersetzungen geliefert, die zwar grammatisch nicht falsch sind, semantisch aber keinen Sinn ergeben und bestenfalls der Belustigung dienen. Um diesen Problemen entgegenzuwirken - und hier schließt sich der Bogen zu Datafizie‐ rung -, versucht SMT sich die „Datenflut“ (Stalder, 2019, S. 128) in der Digitalität zu Nutze zu machen. Wie der Name verrät, werden hier linguistische Regelsätze gegen probabilistische statistische Modelle und Algorithmen ausgetauscht (Vinall & Hellmich, 2022, S. 13). Dass MT in den letzten Jahren einen enormen Entwicklungssprung gemacht hat und mittlerweile sogar von einem Großteil professioneller Übersetzer*innen genutzt wird (Loock, 2020, S. 150), liegt also in hohem Maße an der bereits im vorigen Kapitel angeschnittenen Datafizierung. Durch den Wechsel der Methodik konnten extreme Fortschritte beim Umgang mit Kontext und Ambiguität erzielt werden. Gleichzeitig birgt die Abhängigkeit von großen Datensätzen für MT aber auch Herausforderungen. So gibt SMT den bias, der in den Ausgangsdaten besteht, ungefiltert an Nutzer*innen weiter, die eine Übersetzung anfragen. Betrachtet man den englischen Satz The nurse told the doctor that the patient is sick, ist im Originalsatz kein Gender für nurse, doctor oder patient festgelegt. Da sich SMT an probabilistischen Modellen vergangener Übersetzungen orientiert, wird der Satz im Deutschen trotzdem (immer) mit ‚Die Krankenschwester hat dem Arzt mitgeteilt, dass der Patient krank ist‘ 30 übersetzt. Weil historisch gesehen im Arztberuf öfter männliche und als Pflegekräfte öfter weibliche Personen tätig waren, gibt SMT also eine Übersetzung, die bestenfalls ungenau ist und schlimmstenfalls schädliche Stereotype verstärkt. Zusätzlich zur Problematik von gender oder auch ethnical bias bedeutet die Abhängigkeit von Datensätzen, dass Übersetzungen für weniger verbreitete Sprachen als Englisch in ihrer Qualität stark abnehmen (Bowker & Ciro, 2019, S. 44), was sich wiederum auf die Sprachnutzung selbst auswirkt. Auch wenn moderne MT nach wie vor von Datensätzen abhängig sind, lässt sich mit der neural machine translation (NMT) ein weiterer Entwicklungsschritt für MT festhalten. NMT nutzt dafür seit 2017 convolutional neural networks  31 (Schmalz, 2019, S. 198-199), die es den Übersetzungsprogrammen ermöglichen, jedes Wort in Abhängigkeit zu allen anderen 3.3 Automatisierung (Beispiel Künstliche Intelligenz) 67 <?page no="68"?> Wörtern im Satz zu sehen (ebd.). Darüber hinaus kann NMT über deep learning-Prozesse der neuronalen Netzwerke selbstständig sprachrelevante Regeln konstruieren bzw. sich merken und ist nicht weiter von linguistischer Programmierung abhängig. Das sorgt schließlich für weniger Fehler in Syntax und Wortreihenfolge (ebd.) und es entstehen Übersetzungen, die selbst von professionellen Übersetzer*innen nur schwer von mensch‐ licher Übersetzung unterschieden werden können (Loock, 2020, S.-150). Auch wenn sich MT durch NMT mittlerweile auf einem beeindruckenden, in Teilen schon professionellen Niveau befindet, heißt das nicht, dass Programme wie DeepL und Google Translate ohne Einschränkungen zur Kommunikation genutzt werden können. Die verbleibenden (oder neu entstandenen) Herausforderungen von (N)MT sowie die fachlichen Implikationen werden im Folgenden weiter aufgeschlüsselt, bevor ein Fazit für die Perspektivlinie Automatisierung im Speziellen und der Perspektivlinien im Allgemeinen gezogen wird. Implikationen von (N)MT für den Englischunterricht On a professional level, this increased use raises concerns about the relevance of language education: what role does or should language education serve? On a theoretical level, the very prospect of using technology to manipulate language brings into question the nature of language itself. (Vinall & Hellmich, 2022, S.-4) Vinall und Hellmich beschreiben zwei weitreichende Fragen, die MT und ihre zu Grunde liegenden Technologien an den Englischunterricht stellen. Gerade bei Praktiker*innen steht dabei oft besonders die erste Frage nach der Relevanz ihres Fachs im Vordergrund. Diese Dringlichkeit scheint insgesamt im fremdsprachlichen Unterricht, wo basale Kommunika‐ tionsfähigkeit in der Praxis oft eines der Hauptziele darstellt (Grünewald, 2019, S. 80), nicht unbegründet. Übernimmt MT zukünftig also eine der Hauptfunktionen schulischen Fremdsprachenunterrichts? Lohnt es sich, im Regelunterricht noch eine (gerade eine zweite oder dritte) Fremdsprache zu lernen? Gerade auch um diese Fragen zu diskutieren, wurde im vorigen Abschnitt Wert darauf gelegt, die Funktionsweise von MT zu erläutern. Ziel war es auch, MT zu „demystifizieren“ (Loock, 2020, S. 159, eigene Übersetzung) und zu problematisieren, um hier voreilige Schlussfolgerungen für den Unterricht zu vermeiden. Auch wenn es mittlerweile auf den ersten Blick so aussehen mag, ist MT nicht der Babelfisch, der dank perfekter Mediation alle Beschäftigung mit Fremdsprachen redundant macht. MT führt systematisch zu Fehlern (ebd.), die nicht durch unzureichende Programmierung oder zu geringe Datenmengen, sondern durch die grundlegende Funktionsweise maschinellen Lernens zu erklären sind: MT ist nur so gut wie seine Datensätze, und die Abhängigkeit von Datensätzen ist, aufgrund der Dynamik in Kommunikationsverhalten und Sprachwandel, aus den zuvor beschriebenen Gründen problematisch. Diese Feststellung kann und muss im Übrigen in ähnlicher Form auch für die seit Ende 2022 noch stärker als MT im Mittelpunkt stehenden generativen KI-Tools wie ChatGPT und Co. getroffen werden. Für die Fachdidaktik heißt die Feststellung in beiden Fällen, dass Englischunterricht (wie auch der Unterricht anderer Fremdsprachen) perspektivisch nicht ersetzt wird, sich aber in seiner Ausrichtung verändern könnte. So kann sich Englischunterricht mit fortge‐ 68 3 Perspektivlinien: Zur Relevanz der Digitalität für (Englisch-)Unterricht und Lehrkräfte <?page no="69"?> 32 Dieser Fokus von Fremdsprachenlehre wurde bereits (spätestens) seit dem Fokus auf kommunika‐ tiven Fremdsprachenunterricht (z. B. Hymes, 1972) kritisiert, die Verfügbarkeit von MT zeigt lediglich plakativ die Absurdität der Leistungs- und Kompetenzbewertung in dieser Form auf. schrittenen Lerner*innen selbstbewusst auf die Förderung von ICC, der kultursensiblen Mediation (in ernstgenommener Abgrenzung zu Übersetzung) und literarischen sowie pragmatisch-ästhetischen Kompetenzen berufen. Gerade aber für den von Grünewald angesprochenen Bereich von Lerner*innen, die höchstwahrscheinlich nicht das Niveau maschineller Übersetzung und Textproduktion erreichen, geschweige denn diese analy‐ sieren und bewerten können, scheint eine Ko-Existenz von MT und KI mit dem Lernen gerade zweiter oder dritter Fremdsprachen schwieriger zu rechtfertigen. Diese Feststellung betrifft aber nur bestimmte Zielsetzungen im Fremdsprachenunterricht, nicht die Lehre von Fremdsprachen generell: Sind Wort-für-Wort-Vokabeltests oder Klausuren zu rechtfertigen, in denen Rechtschreib- und Grammatikfehler als Proxy für Sprachkompetenz genutzt werden? In einer Welt, in der genau diese Fähigkeiten automatisiert werden können, wahrscheinlich nicht. 32 Was wäre also perspektivisch die Alternative für (Englisch-)Unterricht im Zeitalter der Digitalität, der Automatisierung und des maschinellen Lernens? Wie wirkt sich maschinelle Übersetzung auf Unterricht aus, insbesondere im Bereich A1/ A2? Ohne diese Fragen an dieser Stelle final beantworten zu können, lässt sich der Titel der bereits mehrfach zitierten Arbeit von Loock (2020) nutzen: No more rage against the machine. Auch wenn sich Loock auf Student*innen und professionelle Übersetzer*innen bezieht, deren Kompetenzniveau sich stark von den gerade diskutierten Gruppen unterscheidet, ist die grundlegende Idee hinter dem Titel auch für schulischen Unterricht, auch für Sprachanfänger*innen fruchtbar: Die Frage, die MT und generative KI stellen, ist keine Frage der Rechtfertigung. Lehrkräfte und Didaktiker*innen sollten sich entsprechend weniger Sorgen darum machen, ob Fremdsprachen als Fächer ersetzt werden, und sich stattdessen darauf konzentrieren, wie beispielsweise MT Englischunterricht weiterentwickeln kann. In gewisser Hinsicht kann der Umgang mit MT und die damit verbundene machine translation literacy (Bowker & Ciro, 2019, S. 33) die Relevanz fremdsprachlicher Bildung sogar noch erhöhen. Dafür gilt es aber, MT aktiv zu nutzen und, ganz im Sinne der Kultur der Digitalität, in ihren Auswirkungen auf Sprache und Kommunikation zu reflektieren. Dies kann bei Sprachanfänger*innen im Sinne einer einfachen Augmentation zu besserem Zugang zu authentischem Sprachmaterial und höherer Inklusivität bei Mehrsprachigkeit führen, bei fortgeschrittenen Sprachlernenden im Sinne einer Redefinition zu völlig neuen Aufgaben beispielsweise durch die Integration von post-editing (ebd., S. 25-27) führen und schließlich durch die Möglichkeit der multi‐ lingualen, synchronen human-machine-collaboration (Urlaub & Dessein, 2022, S. 44-45) Unterricht auch im Sinne der Digitalität transformieren. Bevor der Bereich Automatisierung allgemein aus Sicht der (Englisch-)Lehrkräftebildung betrachtet wird, lassen sich somit speziell für MT aus fachdidaktischer Perspektive bereits die folgenden Punkte festhalten: • MT besitzt seit der Entwicklung von SMT und insbesondere NMT ein enormes Leistungsniveau, dessen Grenzen sich dynamisch verschieben und das sich, gerade aus der Außenperspektive, nur schwierig abschätzen lässt. 3.3 Automatisierung (Beispiel Künstliche Intelligenz) 69 <?page no="70"?> • Es ergeben sich einige relevante grundlegende Limitationen in der Nutzung von MT. Auf sprachlicher Ebene ist beispielsweise der Wandel zu controlled languages (Cronin, 2013, S. 4) und die damit verbundene instrumentalistische Sicht auf Sprache zu problematisieren. Auch ist die Notwendigkeit von machine translation literacy zu beachten, um möglicherweise problematische Übersetzungen von MT erkennen, beurteilen und für die eigene Sprachentwicklung nutzen zu können. • MT ist nur dann eine Bedrohung für institutionellen Fremdsprachenunterricht (Grü‐ newald, 2019, S. 80), wenn er sich in Rechtschreibkontrolle und basaler Kommuni‐ kationsfähigkeit erschöpft. Stattdessen kann MT, wie auch maschinelles Lernen im Allgemeinen, produktiv genutzt werden, um bestehende Ziele wie die kultursensible Mediation effektiver zu erreichen, vor allem aber um neue Kompetenzbereiche zu explorieren und zu integrieren. Ergänzend ist zu betonen, dass die Ausführungen zu MT, vielleicht noch mehr als bei den anderen beiden Perspektivlinien, lediglich eine Momentaufnahme und nur einen Ausschnitt möglicher Entwicklungen bieten können (was sich zuletzt auch durch die jüngeren Entwicklungen im Bereich generativer KI bestätigt): Will man sich aktuell zum Thema maschinelle Übersetzung schlau machen, muss man penibel das Erstellungsdatum der Informationsquelle berücksichtigen. Aussagen, die vor weniger als zwei Jahren richtig waren, sind mit Einführung der NMT ab Ende 2016 bereits überholt, und die Entwicklungsgeschwindigkeit scheint nicht abzunehmen. (Schmalz, 2019, S.-207) Schmalzʼ Aussage heißt nicht, dass alle Argumente in wenigen Jahren überholt sein müssen, da es auch im Bereich MT einige konsistente Herausforderungen und Diskussionen gibt. Seine Beobachtung unterstreicht aber die die Perspektivlinien einleitende Aussage, dass diese keine Vollständigkeit beanspruchen und beanspruchen können. Ziel ist es, nur eine grundlegende Vorstellung möglicher Entwicklungen zu skizzieren und für die mannigfaltigen Momente zu sensibilisieren, in denen Digitalität mit den fachlichen Zielen und Inhaltsbereichen interagiert (und weiterhin interagieren wird). Das Zitat gilt auch nicht nur für MT selbst, sondern vor allem insgesamt für die Bereiche maschinelles Lernen und KI, welche moderne MT ausmachen. Anstelle von MT hätten auch zahlreiche andere Entwicklungen als Beispiel für die Perspektivlinie dienen können, die eine ähnlich dynamische Entwicklung aufweisen. Dazu zählen u. a. automated feedback systems (Deeva et al., 2021), automated essay scoring (Ramesh & Sanampudi, 2022), intelligent tutoring systems (Nkambou et al., 2010) sowie automated writing assistance (Dale & Viethen, 2021). Unabhängig von der spezifischen Anwendung und den jeweils dynamischen Entwick‐ lungen bleibt die Kernidee der Perspektivlinie Automatisierung allerdings intakt; ein ursprünglicher Kompetenzbereich des Fachs (entweder der Lehrenden und/ oder der Ler‐ nenden) wird automatisiert und gleichzeitig erweitert. Anstatt darin eine Bedrohung für das Fach zu sehen, beleuchtet die Perspektivlinie, wie die Entwicklung für die eigene (Sprach-)Bildung und -lehre genutzt, ihre gesellschaftlich-kulturellen Wechselwirkungen im Sinne der Digitalität reflektiert und ihr didaktisches Potenzial für den konkreten Unterricht aufbereitet werden können. Das gilt bei der Automatisierung für perspektivische 70 3 Perspektivlinien: Zur Relevanz der Digitalität für (Englisch-)Unterricht und Lehrkräfte <?page no="71"?> Entwicklungen, aber auch ganz konkret bereits in der Gegenwart. So stellt Cronin für MT schon 2013 fest: Translation is living through a period of revolutionary upheaval. The effects of digital technology and the internet on translation are continuous, widespread and profound. Students, scholars, and, indeed, anyone interested in the future of human cultures and languages, would be well advised to watch carefully what is happening to translation in a digital age. (S.-2) Die automatisierte Lehrkraft? Die im vorigen Abschnitt formulierte Forderung, Automatisierung nicht als Bedrohung zu sehen, sondern für die Entwicklung des eigenen Unterrichts zu nutzen, könnte, gerade vor dem Hintergrund pädagogischer Antinomien (Helsper, 2016), in denen sich Lehrkräfte bewegen müssen, als unzulässig vereinfachend kritisiert werden. Insbesondere lassen sich für den Bereich Automatisierung die Praxisantinomie (‚Wie soll in der chaotischen Praxis Zeit für grundlegende Reflexionen eines fachlichen Selbstverständnisses gefunden werden? ‘) und die Ungewissheitsantinomie (‚Wie bereitet man Schüler*innen jetzt auf Bereiche wie MT vor, wenn sich nicht gut abschätzen lässt, wie sich der Bereich entwi‐ ckelt? ‘) hervorheben (ebd., S. 111-112). Abwehrhaltungen und die bereits in Kapitel 2 diskutierten bewahrungspädagogischen Tendenzen sind damit nicht nur verständlich, sie können auch notwendig erscheinen, weil gerade bei Sprachanfänger*innen die übermäßige Nutzung von MT Sprachlernprozesse beeinträchtigen kann (Knowles, 2022, S. 197-198). Allerdings führen solche Verbote nicht zu geringerer Nutzung von MT (ebd., S. 196-197) und verkomplizieren stattdessen die Begründungsantinomie (Helsper, 2016, S. 111-112), weil Schüler*innen - genau wie ggf. auch Eltern und weitere stakeholder - nicht verstehen, wieso sie über Jahre eine doch scheinbar so leicht automatisierbare Kompetenz wie die (funktionale) Kommunikation in der englischen Sprache erlernen sollten (Urlaub & Dessein, 2022, S. 53). Stellt der Bereich Automatisierung Lehrkräfte damit aber vor Antinomien, die sie unmöglich bearbeiten können? Es liegt in der Definition von Antinomien, dass sie sich nicht vollständig auflösen lassen (Albrecht et al., 2020, S. 16-17). Im Bereich Automatisierung lassen sich Antinomien aller‐ dings durch die aktive Nutzung von human-machine-collaboration zumindest bearbeiten. So kann die Nutzung von automated feedback systems und intelligent tutoring systems in der Praxis Zeit schaffen, fachliche und fachdidaktische Ziele zu reflektieren. Die Arbeit mit Systemen, die maschinelles Lernen nutzen, kann Fragen zu Anforderungen an ihre Nutzung aufwerfen, anhand derer zukünftig relevante Kompetenzen diskutiert werden können (beispielsweise die Notwendigkeit von machine translation literacy, AI literacy und, allgemeiner, der data literacy, die sich aus dem Verständnis der Funktionsweise von MT ergeben). Und schließlich kann die human-machine-collaboration von Schüler*innen und MT zeigen, wie sich maschinelles Lernen und eigene kommunikative Kompetenzen kombinieren lassen, um komplexe linguistische Probleme zu lösen, beispielsweise das Bearbeiten von Aufgaben mit post-editing (Loock, 2020, S. 159), in denen maschinelle und menschliche Übersetzung kombiniert wird, um ein möglichst hohes Qualitätsniveau zu erreichen. Es bleibt zu betonen, dass Automatisierung als Phänomen, das grundlegende Reflexionen zu fachlichen Zielen, Methoden und Inhalten sowie der Arbeit der Lehrkraft insgesamt 3.3 Automatisierung (Beispiel Künstliche Intelligenz) 71 <?page no="72"?> anregt, keinesfalls ausschließlich in fremdsprachlichen Fächern zu finden ist. Ganz im Gegenteil kann der Blick über fachliche Grenzen Inspirationen für den eigenen Bereich geben. Man betrachte als Beispiel Entwicklungen im Mathematikunterricht mit der flä‐ chendeckenden Verfügbarkeit von Taschenrechnern (Urlaub & Dessein, 2022, S. 46-47). Durch den Blick über die Fachgrenze lässt sich erkennen, dass der Taschenrechner nicht zur Irrelevanz des Mathematikunterrichts beigetragen hat, sondern komplexere Problem‐ lösekompetenzen statt einfacher mathematischer Operationen förderte (Ellington, 2003; Hembree & Dessart, 1986). Genauso lässt sich argumentieren, dass die Perspektive von MT für Fremdsprachenlehre nicht deren Irrelevanz hervorbringt, sondern der Fokus auf human-machine-collaboration die Bearbeitung komplexer kultureller, linguistischer und kommunikativer Aufgaben fördern könnte. Das heißt auch, dass perspektivisch mehr Automatisierung nicht weniger (Relevanz der) Lehrkraft bedeutet (zur ausführlichen Diskussion der Rolle der Lehrkraft in der Digitalität siehe Kapitel 4). Zwar ist anzunehmen, dass spezifische Aufgabenbereiche automatisiert werden, wie Teile von Korrekturarbeit, Teile der Diagnostik und von Feedback. Zugleich kommen aber neue Aufgabenbereiche hinzu, wie u. a. die Förderung von machine trans‐ lation literacy und data literacy. Nicht zuletzt kommt den Lehrkräften auch ein Teil der Verantwortung zu, Automatisierung als Teil von digitaler Transformation zu verstehen und zu nutzen: Transformativ wird die Perspektivlinie Automatisierung nämlich erst dann, wenn Reflexionen zu fachlichen Zielen, Inhalten und Grenzen angestoßen werden, wenn Aufgaben- und Prüfungsformate überdacht und die Kollaboration von lernenden Maschinen und menschlichen Lernenden in Betracht gezogen werden (vgl. z. B. ADAPT-ap‐ proach, Knowles, 2022). Unabhängig von der genauen weiteren Entwicklung des Bereichs Automatisierung und den fachlichen Reaktionen darauf lässt sich zusammenfassend also festhalten, dass die Perspektivlinie einige weitere generelle Fragen an das Fach stellt: • Wie verändern sich notwendige fachliche und überfachliche Kompetenzen für (Eng‐ lisch-)Lehrkräfte und Schüler*innen? • Wie verhält sich die Undurchsichtigkeit maschinellen Lernens zum Bestreben der Autonomiebildung? • Wie verändern sich die Aufgaben von (Englisch-)Lehrkräften, wenn zunehmend ursprüngliche Kernfunktionen automatisiert werden, und wie wirkt sich das auf die Inhalte und Methoden ihrer Ausbildung aus? Neben fachlichen und schulischen Fragen ist es für die beschriebenen (möglichen) Entwick‐ lungen im Bereich Automatisierung, wie auch bei den Perspektivlinien Entgrenzung und Adaptivität, nicht zuletzt auch nötig, das „systemic level“ (Urlaub & Dessein, 2022, S. 51) institutioneller und bildungspolitischer Entscheidungen und Zielsetzungen zu betrachten. Denn erst aus diesem Zusammenspiel zwischen technisch-kulturellen Entwicklungen und bildungspolitischen Reaktionen wie auch ihrer kritischen fachlichen Einordnung können Schlüsse für die universitäre Lehrkräftebildung unter Bedingungen der Digitalität gezogen werden. Bevor aber im folgenden Kapitel auf die bildungspolitischen Vorgaben zur Bildung in der digitalen Welt eingegangen wird, werden die drei Perspektivlinien zum Abschluss kurz zusammengefasst, um Parallelen und Unterscheidungsmerkmale zu unterstreichen und den Überblick über die Ebene der Transformation zu erleichtern. 72 3 Perspektivlinien: Zur Relevanz der Digitalität für (Englisch-)Unterricht und Lehrkräfte <?page no="73"?> 33 Vgl. die Begriffsgebung der Qualitätsoffensive Lehrerbildung (QLB), https: / / www.qualitaetsoffens ive-lehrerbildung.de/ lehrerbildung/ de/ programm/ begleitung/ workshop-lehrkraeftebildung-na-bed ingten-digital-turn-06-2021/ workshop-lehrkraeftebildung-na-bedingten-digital-turn-06-2021_node .html. 3.4 Zwischenfazit II: Perspektivlinien und die Ebene der Transformation Ziel in den Ausführungen zur Digitalisierung und Kultur der Digitalität war es zu zeigen, dass eine medienspezifische Antwort auf Digitalisierung in einer Kultur der Digitalität den Begriff unzulässig verengt. Es wurde argumentiert, dass die Kultur der Digitalität zusätzlich zu einem technisch-medialen Wandel und dem Umgang mit diesem eine umfassendere Positionierung der Fremdsprachendidaktik und auch des Englischunterrichts verlangt. Kapitel 3 begründet diese Forderung mit Beispielen, mit deren Hilfe Perspektiven und Fragen aufgezeigt werden, die transformative Prozesse anregen könnten. Mit Entgrenzung, Adaptivität und Automatisierung wurden drei Perspektiven Des (Englisch-)Unterrichts in der digitalen Welt eröffnet, die zeigen sollen, wie sich die Transformation von Bildungs‐ prozessen ausgestalten könnte - und was diese Transformation nötig erscheinen lässt. Neben dem theoretischen Rahmen für das Verständnis von Bildung unter Bedingungen der Digitalität hat das Verständnis von Transformation außerdem direkte Implikationen für die Betrachtung des (vermeintlichen) digital turn  33 in Schule und Lehrkräftebildung während der Covid-19-Pandemie. Es ist Grundlage für die Modifikation des SAMR-Modells (siehe Kapitel 2.1.2 und 9.2.1) und für Teile der Auswertung der empirischen Studie (siehe Kapitel 8-10). Das in Kapitel 2 und 3 erarbeitete Begriffsverständnis von Digitalisierung, Kultur der Digitalität und Transformation ist deshalb die Basis für eine der grundlegenden Argumentationsstrukturen dieser Arbeit: Die Kultur der Digitalität zeigt, dass eine me‐ dienspezifische Antwort des Englischunterrichts auf Digitalisierung unzureichend für Bildungsprozesse in einer digitalen Welt ist. Stattdessen stellt Digitalität transformative Fragen an das Fach, die eine umfangreiche Positionierung aller Beteiligten - insbesondere auch der in dieser Arbeit im Vordergrund stehenden Lehrkräftebildung - einfordern. Diese Argumentationsstruktur steht dabei nicht im luftleeren Raum, sondern wurde durch die Integration kulturwissenschaftlicher, schulpädagogischer, bildungswissenschaft‐ licher und vor allem fachdidaktischer Perspektiven auf das Lernen unter Bedingungen der Digitalität (in den Beispielen Entgrenzung, Adaptivität und Automatisierung) erarbeitet. Bevor der Bogen zu der im Vordergrund (auch der empirischen Studie) stehenden (Englisch-)Lehrkräftebildung und entsprechender digitalitätsbezogener Kompetenzen (und Haltungen) gezogen wird, schließt Kapitel 4 die theoretischen Grundlagen zum (Eng‐ lisch-)Unterricht in der digitalen Welt mit einer bildungspolitischen Perspektive ab. Ziel dabei ist es, die dynamischen Entwicklungen, insbesondere vor dem Hintergrund der Covid-19-Pandemie, abzubilden und systematisch auf das bisherige Verständnis von Digi‐ talität zu beziehen: Inwiefern spiegeln sich in bildungspolitischen Zielen und Vorgaben die bisherigen Ausführungen und Annahmen zu Digitalität wider? Welche Kritik lässt sich anbringen und welche Konsequenzen hat der Diskurs für die (Englisch-)Lehrkräftebildung? 3.4 Zwischenfazit II: Perspektivlinien und die Ebene der Transformation 73 <?page no="75"?> 34 Das Kapitel behandelt ausschließlich jüngere Entwicklungen mit Bezug zur Digitalität. Für historische Einordnungen bildungspolitischer Vorgaben siehe z. B. Anweiler et al. (1992); Fuchs & Reuter (2000). 4 Die Rolle der Lehrkraft und Lehrkräftebildung unter Bedingungen der Digitalität Nachdem die beiden vorigen Kapitel den Begriff der Digitalität und seine Verbindung zu Bildungsinstitutionen und Unterrichtsprozessen erarbeitet haben, betrachtet Kapitel 4 die Anforderungen an und die Rollen von (Englisch-)Lehrkräften. Dazu werden zunächst bildungspolitische Erwartungen an den digitalen Wandel in Schulen erarbeitet (Kapitel 4.1) und vor dem Hintergrund der in Kapitel 2-3 systematisierten, fachlichen Perspektiven diskutiert. Anschließend werden in Kapitel 4.1.1 die aus den Erwartungen abgeleiteten digitalitätsbezogenen Ansprüche an (Englisch-)Lehrkräfte - und damit auch die Lehrkräf‐ tebildung - diskutiert. Diese werden in einem Zwischenfazit kurz mit den bereits erarbei‐ teten Perspektiven abgeglichen. Zusammenfassend wird unter Bezug auf den zugrunde liegenden Kompetenzmodellen in 4.1.2 gezeigt, wie sich die Ansprüche an Lehrkräfte und Lehrkräftebildung auf die unterschiedlichen Perspektiven auf Digitalisierung und Digitalität zurückführen lassen: Ein um die Kultur der Digitalität erweitertes Verständnis von digitaler Transformation erfordert neben technischen und didaktischen Kompetenzen auch eine spezifische Haltung bzw. Vorstellungen der eigenen Rolle unter Bedingungen der Digitalität. Ausgehend von dieser Zusammenfassung wird die Positionierung der ersten Phase der Lehrkräftebildung innerhalb der wissenschaftlichen und bildungspolitischen Ansprüche an die digitale Transformation von Schule und Unterricht betrachtet. Dazu wird zunächst genauer auf das Konzept der Haltungen bzw. seiner verwandten Begriffe, zu denen auch Vorstellungen zählen, als ein Kernziel universitärer Lehrkräftebildung eingegangen. Schließlich wird mit Blick auf die Struktur der universitären Lehrkräftebildung in NRW die kritische Frage formuliert, inwieweit Studierende mit den Aspekten der Digitalität ausreichend in Kontakt kommen können, um entsprechende Haltungen bzw. Vorstellungen auszubilden. Somit wird auch der Übergang zum Forschungskonstrukt Vorstellungen in Kapitel-5 geschaffen. Ziel von Kapitel 4 ist es neben der Verdeutlichung der Ansprüche verschiedener Bildungsakteure*innen an die Lehrkräftebildung auch die Verbindung zwischen den bis hierhin erörterten Perspektiven auf Digitalität und die Gestaltung von Lehrkräftebildung zu etablieren, um davon ausgehend das Forschungskonstrukt und -interesse zu begründen. 4.1 Bildungspolitische Vorgaben zur Lehrkräftebildung unter Bedingungen der Digitalität 34 Wie in den Kapiteln 2 und 3 angedeutet, lassen sich bei der Entwicklung bildungspolitischer Forderungen zum Lehren und Lernen unter Bedingungen der Digitalität ebenfalls die <?page no="76"?> verschiedenen in Kapitel 2 vorgestellten Perspektiven nachzeichnen. Die Forderungen und Grundannahmen der Bildungspolitik drücken sich unter anderem in den Konzept-, Impuls- und Strategiepapieren aus, die den Schwerpunkt für 4.1 bilden. Dabei wird über ausge‐ wählte Papiere, insbesondere „Bildung in der digitalen Welt“ (Kultusministerkonferenz [KMK], 2017 und 2021 sowie die Ergänzung der Ständigen Wissenschaftlichen Kommission der Kultusministerkonferenz [SWK]) und das kürzlich erschienene Impulspapier II NRW (2022) gezeigt, wie auch auf einer bildungspolitischen Ebene die Perspektive der Kultur der Digitalität medienpädagogische und -didaktische Impulse ergänzt. Sobald dieser Rahmen etabliert wurde, werden in 4.1.1 vor dem Hintergrund der Begriffsdiskussion und den bildungspolitischen Forderungen die Rolle der Englischlehrkraft im Besonderen und ihre digitalitätsbezogene (universitäre) (Aus-)Bildung fokussiert. Strategie der Kultusministerkonferenz zur ‚Bildung in der digitalen Welt‘ (2017) In ihren Ausführungen im Strategiepapier 2017 macht die KMK ihre Perspektive auf Digitalisierung und Digitalität gleich zu Beginn deutlich: Die Digitalisierung unserer Welt wird hier im weiteren Sinne verstanden als Prozess, in dem digitale Medien und digitale Werkzeuge zunehmend an die Stelle analoger Verfahren treten und diese nicht nur ablösen, sondern neue Perspektiven in allen gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und wissenschaftlichen Bereichen erschließen, aber auch neue Fragestellungen z. B. zum Schutz der Privatsphäre mit sich bringen. (KMK, 2017, S.-8) Im Verständnis der in Kapitel 2 und 3 erarbeiteten Perspektiven steht mit der Betonung digi‐ taler Werkzeuge im Kontrast zu analogen Werkzeugen eine technische (Signalumwandlung von analog auf digital) und mediendidaktische (digitale Medien als Werkzeuge) Perspektive im Vordergrund. Trotz dieser selbstgegebenen Perspektive auf Digitalisierung findet sich in der Präambel zudem ein Bezug zu einem grundsätzlichen Wandel bei der Verbreitung von Wissen und den resultierenden gesellschaftlichen Folgen (ebd. S. 10). Die Erprobung und Erforschung dieses Bereiches der Digitalisierung wird den Universitäten zugeschrieben (ebd.) (siehe auch Kapitel 4.2). Allerdings scheint der Bezug im weiteren Verlauf des Papiers zugunsten der technisch-medialen Perspektive in den Hintergrund zu treten. Deutlich wird dies bereits an dem expliziten Verweis auf den Entschluss von 2012 „Medienbildung in der Schule“, welcher für die KMK (2017) weiterhin seine Gültigkeit besitze und (lediglich) „präzisiert“ und „erweitert“ werden müsse (S. 11). Diese Orientierung passt zu der in Kapitel 2 gegebenen Einschätzung, nach der die Medienpädagogik bzw. -didaktik und der mediale Fokus (historisch) als schulische Antwort auf Digitalisierung im Vordergrund steht. Der durch den Verweis entstehende Eindruck bestätigt sich in der Zielvorstellung, die die KMK bis 2021 formuliert. Um Eigenständigkeit und Individualisierung durch digitale Lernumgebungen zu stärken, sollen Infrastruktur ausgebaut und entsprechende Qualifikationen von Lehrpersonen gestärkt werden (ebd., S., 11-12). Auch wird eine lineare Zielvorstellung der Digitalisierung formuliert, die 2021 abgeschlossen werden könne. Die Denkfigur prägt auch die Anforderungen, die an Lehrkräfte gestellt werden, indem der (kritisch reflektierte) Einsatz digitaler Medien zum Vermitteln fachlicher Kompetenzen in den Mittelpunkt rückt (ebd., S.-28). Auch die bereits in Kapitel-2 diskutierte und kritisierte Mehrwert-Logik findet Eingang in die Strategie, in dem der Mehrwert der Digitalisierung 76 4 Die Rolle der Lehrkraft und Lehrkräftebildung unter Bedingungen der Digitalität <?page no="77"?> (im Vergleich zu analogem Lernen) in Bezug auf Flexibilisierung und Reichweite von Lernangeboten betont wird (ebd., S.-48). Insgesamt nimmt die KMK in der Strategie von 2017 hauptsächlich eine technische und mediendidaktische Perspektive auf Digitalisierung und die damit verbundenen Chancen und Herausforderungen ein. Es wird vor allem gefordert, Infrastruktur zu schaffen und Schüler*innen zum kompetenten Umgang mit digitalen Medien zu befähigen. Lehrkräfte sollen entsprechend in der Lage sein, digitale Medien zu nutzen, um ihre fachlichen Bildungsziele effektiver und individualisierter vermitteln zu können. Die Perspektive der Digitalität, also der Frage nach den gesellschaftlichen Auswirkungen der Digitalisierung und dem Lernen unter Bedingungen der Digitalität ist nur ansatzweise zu finden. Dieser Trend setzt sich zunächst bis 2021 durch. SWK-Ergänzung zur Bildung in der Digitalen Welt (2021) 2021 legt die SWK eine Ergänzung zu der 2017 erschienenen ‚Bildung in der Digitalen Welt‘ vor. Innerhalb der vier Jahre seien die Ziele des Ausbaus digitaler Infrastruktur und Integration digitaler Medien nicht vollständig erreicht worden, es gäbe in diesen Bereichen weiterhin Defizite (SWK, 2021, S. 5). Trotz der festgestellten Defizite erscheint die Strategie in der Ergänzung grundsätzlich ähnlich zu der Erklärung von 2017. So bleiben die „Leitfragen für den digitalen Wandel“ (ebd., S. 6) weiterhin auf einer technisch-medialen Perspektive der Nutzbarmachung stehen: Wie können digitale Technologien Kompetenz‐ erwerb fördern? Wie können digitale Werkzeuge zur lernwirksamen Diagnostik genutzt werden? Wie kann digitale Technologie evidenzbasiert integriert werden? (vgl. ebd.). Die bisherige fehlende Wirkung des digitalen Wandels wird vor allem der mangelnden didaktischen Aufbereitung digitaler Medien zugesprochen (ebd., S. 13 und S. 24). Insgesamt bestätigt sich dadurch hier der Eindruck aus der Erklärung aus 2017, dass Digitalisierung vor allem als medialer Wandel betrachtet wird und entsprechend durch die vermeintlich richtige Integration der neuen Medien bewältigt werden könne. Dass es alles andere als eindeutig ist, wie diese richtige Integration digitaler Medien aussieht, zeigt die Kritik an der Ergänzung, beispielsweise aus der Medienpädagogik (Braun et al., 2021). So wird der SWK in einem Positionspapier zahlreicher Medienpä‐ dagog*innen die unzulässige Verkürzung von Medienbildung auf anwendungsbezogene Skills vorgeworfen (ebd., S. 1). Auch würden digitale Medien in der Ergänzung nicht hinreichend auf ihre Risiken reflektiert und der Einfluss kommerzieller Anbieter auf Bildungsprozesse ignoriert, so die Kritik weiter (ebd.). Nach den Ausführungen in Kapiteln 2 und 3 ist für diese Arbeit die Kritik einer einseitigen Betrachtung von Digitalisierung aber noch schwerwiegender. Trotz der selbst festgestellten bleibenden Defizite verharrt die SWK in einer linearen, medienspezifischen Betrachtungsweise von Digitalisierung. Eine Betrachtung, die vielleicht nicht unwichtig, zumindest aber unvollständig ist. Die Fokussierung auf den Umgang mit digitalen Medien als Verständnis von digitaler Kompetenz ist insbesondere auch für die Lehrkräftebildung hervorzuheben. Die SWK attestiert sowohl angehenden Lehrkräften als auch Lehrkräften im Schuldienst mangelnde digitale Kompetenzen und verweist dabei auf fehlenden Fertigkeiten, digitale Technologien didaktisch sinnvoll in den Unterricht zu integrieren (2021, S. 17-18). Dementsprechend sei es verstärkt Aufgabe der Lehrkräftebildung, Lehrkräfte zum kompetenten Umgang mit 4.1 Bildungspolitische Vorgaben zur Lehrkräftebildung unter Bedingungen der Digitalität 77 <?page no="78"?> 35 Zur Diskussion der Begriffsdefinition und des Verhältnisses von Einstellungen (und Überzeugungen) und Vorstellungen siehe Kapitel-5. 36 Das heißt nicht, dass (der Einsatz) digitale(r) Medien nicht auch weiterhin Kernthema der Strategie bleibt. Die Phänomene Digitalisierung und Digitalität erschöpfen sich hier aber nicht mehr in Fragen digitaler Medien und deren Anwendung für bestehende Unterrichtsprozesse und -ziele. digitalen Medien zu befähigen. Der direkte Bezug zu TPACK (Mishra & Koehler, 2006, zur Diskussion siehe Kapitel 4.1.2) der SWK zeigt zumindest ein Bewusstsein, dass kompetenter Umgang mit digitaler Technologie nicht bloß technisches Wissen erfordert. Trotzdem wird an dieser Stelle noch keine Perspektive auf Digitalisierung jenseits der Effizienzsteigerung von Unterricht durch digitale Technologien eröffnet. Trotz dieser Kritik an der Ergänzung der SWK enthält diese zumindest eine Entwicklung, die auch für die vorliegende Arbeit von großer Relevanz ist: Die stärkere Betonung von „digitalisierungsbezogenen Einstellungen 35 “ (SWK, 2021, S. 7). Unabhängig von der genauen Perspektive darauf, wie Digitalisierung sich auf Bildungsinstitutionen auswirkt, stellt die SWK damit eine wichtige Forderung an die Lehrkräftebildung. Die Professionalisierung von Lehrer*innen bestehe nicht nur aus Kompetenzen, sondern auch aus digitalisierungs‐ bezogenen Einstellungen und Überzeugungen (ebd., S. 17). Auch wenn hier noch unklar bleibt, wie genau diese aussehen und wie sie gebildet werden, wird damit ein Anspruch an die Lehrkräftebildung ersichtlich, der in der Strategie von 2017 noch weitestgehend fehlt. Wieso dieser Anspruch so wichtig ist, wird in Kapitel 4.2, aber auch in der aktuelleren KMK-Strategie von 2021 deutlich. Lehren und Lernen in der Digitalen Welt (KMK, 2021) Im Vergleich zur Strategie von 2017 wird im Jahr 2021 eine Erweiterung der Perspektiven auf Digitalisierung deutlich, die fast analog zu der Beschreibung in Kapitel-2 zu verstehen ist: Sie [die Ergänzung 2021, Anmerkung C. K.] perspektiviert den Weg vom „Lehren und Lernen mit digitalen Medien und Werkzeugen” hin zum Lernen und Lehren in einer sich stetig verän‐ dernden digitalen Realität, die als Kultur der Digitalität insbesondere in kulturellen, sozialen und beruflichen Handlungsweisen deutlich wird und wiederum Digitalisierungsprozesse auslöst. Die Ergänzung vertieft die in der KMK-Strategie formulierten Ansätze unter Berücksichtigung des kulturellen Wandels zur Weiterentwicklung des schulischen und beruflichen Bildungswesens in Deutschland und davon ausgehend auch das Handlungsfeld „Aus-, Fort- und Weiterbildung von Erziehenden und Lehrenden“. (KMK, 2021, S.-3) Unter explizitem Bezug auf die in Kapitel 2 vorgestellten, von Stalder erarbeiteten Grundlagen zur Kultur der Digitalität nimmt die KMK im Jahr 2021 eine erweiterte Perspektive auf Digitalisierung und Digitalität ein. Auch verkündet die KMK in dem Zitat den Abgang von der Reduzierung der Digitalisierung auf digitale Medien und Werkzeuge. 36 Die neue Perspektivierung von Digitalisierung und Digitalität zieht sich durch den gesamten Text, welcher sich deutlich von der Version 2017 unterscheidet. Für diese Arbeit besonders relevant, ergeben sich aus dem erweiterten Verständnis von Digitalität auch auf bildungspolitischer Ebene veränderte Ansprüche an Lehrkräfte und Lehrkräftebildung. Diese werden neben den Verweis auf spezifische Bereiche wie den 78 4 Die Rolle der Lehrkraft und Lehrkräftebildung unter Bedingungen der Digitalität <?page no="79"?> 37 Zur Kritik der 4K (auch 21st century skills) siehe z.-B. Bettinger (2021). der LA, die bereits in den Perspektivlinien diskutiert wurden, durch eine generelle For‐ derung nach der „räumliche[n] und inhaltliche[n]“ Öffnung des Klassenzimmers (2021, S. 10) notwendig. Der Fokus liegt nun insgesamt neben dem bereits 2017 thematisierten individualisiertem Lernen auf projektbezogenem, kommunikativem und kollaborativem Lernen - auch jenseits der Grenzen des Klassenzimmers (ebd.). Damit verbunden sollen sich die bestehende Prüfungskulturen verändern und näher an die 4K 37 (Kreativität, kritisches Denken, Kollaboration und Kommunikation) rücken. Darüber hinaus soll mit der Verände‐ rung des Verständnisses von Wissen eine (noch) stärkere Integration handlungsbezogenen Wissens in Prüfungsformate etabliert werden (ebd., S. 13). Nicht zuletzt spricht die KMK insbesondere bei Prüfungsformaten davon fachliche Grenzen „aufzubrechen“ (ebd.) und zugunsten ganzheitlicher Fragestellungen zu ersetzen. Schule solle sich zusammenfassend vor dem Hintergrund der Kultur der Digitalität inhaltlich, in ihrer Kompetenzausrichtung, strukturell und auch organisatorisch entwickeln (ebd., S.-17-18). Diese umfangreiche und vielschichtige Forderung an Schulen findet schließlich auch Eingang in das kürzlich erschienene Impulspapier II des Ministeriums für Schule und Bildung (MSB) des Landes NRW (2022). Das Impulspapier baut eng auf die aktualisierte Strategie der KMK auf. Dementsprechend wird auch hier eine ähnliche, erweiterte Perspek‐ tivierung von Digitalisierung und Digitalität beschrieben: Die Gestaltung von Unterricht und schulischen Lernprozessen geht dabei weit über den (gele‐ gentlichen) Einbezug von digitalen Endgeräten in den Unterricht hinaus. Sie umfasst vielmehr die kontinuierliche Erweiterung des didaktischen Repertoires der Nutzung digitaler Medien und Werkzeuge, die entsprechende Weiterentwicklung der Lernkultur, deren sukzessive Einbindung in Formate der Leistungsüberprüfung sowie deren Berücksichtigung bei einer zukunftsgerichteten Weiterentwicklung der Fach- und Lerninhalte. (MSB, 2022, S.-8) In Übereinstimmung der Ausführungen der KMK, tritt neben digitalen Technologien und Werkzeugen eine veränderte Lernkultur in den Vordergrund. Die „sich ständig erwei‐ ternden Möglichkeiten“ (ebd.) der Bedingungen der Digitalität werden im Sinne digitaler Transformation als (fortlaufender) Prozess verstanden, die neben dem medialen Wandel auch Veränderungen in Unterrichts- und Prüfungskultur sowie den Inhalten und Zielen schulischer Bildung beinhalten. Besonderheit des Impulspapiers ist, dass abschließend „zentrale Entwicklungsbereiche“ (ebd., S. 13) erörtert werden, die auf den Ebenen Schulent‐ wicklung, Persönlichkeitsentwicklung, Unterrichtsentwicklung und Professionalisierung von Lehrkräften einen Überblick über die notwendigen Bereiche digitaler Transformation geben sollen. Insbesondere der letzte Bereich wird in 4.1.1 noch ausführlicher diskutiert. Anders als bei der KMK (2021) bezieht sich das Impulspapier von 2022 nicht direkt auf die Kultur der Digitalität. Nichtsdestoweniger wird aus den beschriebenen Entwick‐ lungsbereichen (siehe auch 4.2) deutlich, dass auch das Land NRW zunehmend eine kulturwissenschaftlich erweiterte Perspektive auf Digitalisierung in den Blick nimmt. Die Notwendigkeit dieser Entwicklung kann mit der perspektivischen Erweiterung von Digi‐ talisierung und Digitalität begründet werden, die in Kapitel 2 und 3 ausführlich erläutert wurde. Insgesamt stehen Schulen wie auch andere Bildungsinstitutionen demnach sowohl 4.1 Bildungspolitische Vorgaben zur Lehrkräftebildung unter Bedingungen der Digitalität 79 <?page no="80"?> aus einer kulturwissenschaftlichen und didaktischen als auch aus einer bildungspolitischen Perspektive in einer grundlegenden Transformation. Während die Notwendigkeit und die Bestandteile dieser Transformation in den bishe‐ rigen Ausführungen in den Kapiteln 2 und 3 erläutert wurden, gilt es nun, die eng damit verbundene Rolle der Lehrkraft und dementsprechend der Lehrkräftebildung zu explizieren. Aus dem Verständnis der Rolle der Lehrkraft unter Bedingungen der Digitalität kann sodann das Forschungskonstrukt Vorstellungen in Kapitel 5 und schließlich der Aufbau der empirischen Studie in den Kapiteln 6 und 7 erläutert werden. 4.1.1 Bildungspolitische Anforderungen an Lehrkräfte und Lehrkräftebildung: Wissen, Kompetenzen und Haltungen? Die KMK sieht in der Professionalisierung von Lehrkräften einen der bedeutsamsten Faktoren für die digitale Transformation (2021, S. 26). Dementsprechend groß sind die Anforderungen, die an Lehrkräfte und damit auch an die Lehrkräftebildung gestellt werden. Während sich die Forderungen der KMK von 2017 und der SWK 2021 noch vornehmlich auf digitalisierten Unterricht und einen medialen Wandel bezogen haben wird die KMK 2021 mit der erweiterten Perspektive auf Digitalität auch in ihren Forderungen umfangreicher. Zusätzlich zu den Kompetenzen im Umgang mit digitalen Medien, wird im Anschluss an eine veränderte Lernkultur auch eine Veränderung der Rolle der Lehrkraft erwartet. So wird gefordert, „eine Lehr- und Lernkultur zu entwickeln, die selbstgesteuertes Lernen fördert und in der die Lehrkräfte Lernprozesse vermehrt flankierend begleiten, offene Lösungswege und eine Handlungsorientierung anbieten sowie kollaborativ-vernetzt erstellte digitale Produkte der Lernenden einfordern“ (KMK, 2021, S. 21). Die Figur der Lehrkraft als Lernbegleiter*in mag nicht neu sein (siehe u. a. Bönsch, 1994; Gudjons, 2006) wird hier aber direkt mit den Bedingungen der Digitalität verknüpft und unter dieser Begründung eingefordert. Durch die Verbindung zur Digitalität kommt außerdem hinzu, dass Aufgaben und Rollen der Lehrkräfte als dynamisch betrachtet werden, sodass lediglich ein Orientierungsrahmen gegeben werden könne, der fortlaufender Anpassung bedürfe. Bestehend aus den Bereichen Unterrichten, Beraten, Erziehen, Lernen und Leisten fördern sowie Schule entwickeln, wird der Rahmen für NRW in der Veröffentlichung „Lehrkräfte in der digitalisierten Welt“ der Medienberatung NRW (Eickelmann, 2020) ausdifferenziert. Betrachtet man die Ausdifferenzierung genauer, wird auch hier ein Ver‐ ständnis von Digitalisierung und Digitalität deutlich, welches medienpädagogische, aber auch kulturwissenschaftliche Perspektiven beinhaltet. So sollen Lehrkräfte beispielhaft im Bereich „Unterrichten“ (Eickelmann, 2020, S. 17) kompetent im Umgang mit digitalen Medien sein, zugleich aber auch veränderte Lernkulturen bedienen und gesellschaftliche Transformationsprozesse berücksichtigen können (ebd.). Die Veränderung der Lernkultur wird dabei genau wie im Zitat der KMK durch kollaborativ-vernetztes Lernen, aber auch Individualisierung und Selbstbestimmung gekennzeichnet (ebd.). Ergänzend zu der Medienberatung findet sich für NRW das bereits erwähnte Impulspa‐ pier II des MSB. Im Sinne des Fokus auf die Rollen der Lehrkraft ist es hilfreich, den vierten Bereich „Veränderte Rollen und kontinuierliche Professionalisierung von Lehrkräften“ (S. 11-12) genauer zu betrachten. Das MSB gibt sechs „zentrale Leitideen“ (ebd.) an, die 80 4 Die Rolle der Lehrkraft und Lehrkräftebildung unter Bedingungen der Digitalität <?page no="81"?> 38 Das MSB gibt an dieser Stelle keine genauere Ausführung, wie die Begriffe definiert werden. Unter Betrachtung der Analyse aus Kapitel 5 lassen sie sich allerdings nah an Vorstellungen und beliefs platzieren. Es ließe sich ggf. allerdings argumentieren, dass Vorstellungen assoziativer sind und Haltungen einen stärkeren Ausdruck von Professionalisierung implizieren. die kontinuierliche Entwicklung der Lehrer*innenprofessionalisierung prägen sollen: Er‐ weiterte Haltungen und Mindsets, zukunftsfähiges Rollenverständnis, kontinuierliche Fort- und Weiterbildung, aktive Beteiligung und Verantwortungsübernahme, (Mit-)Gestaltung von digitalisierungsbezogenen Innovationen und die Entwicklung und Realisierung neuer Arbeitsformen (ebd.). Es lässt sich argumentieren, dass dabei die beiden ersten Bereiche den Grundstein für die Realisierung der anderen vier legen. Nur eine Lehrkraft mit der entsprechenden Haltung bzw. dem entsprechenden Mindset und einem zukunftsfähigen Rollenverständnis - so die Annahme - wird in kontinuierliche Fortbildung investieren, Verantwortung bei der Schulentwicklung übernehmen, digitale Innovationen gestalten und neue Arbeitsformen realisieren. Woraus besteht aber diese Haltung? Ohne zu sehr Diskussionen aus Kapitel 5 vorwegnehmen zu wollen, lässt sich an diesem Punkt zumindest sagen, dass die Frage nach der vermeintlich richtigen Haltung aus den Fragen nach dem Verständnis von Digitalisierung und Digitalität und der eigenen Verortung im digitalen Transformationsprozess bestehen. 38 Ein (vereinfachtes) Beispiel zur Veranschaulichung: Sieht eine Lehrkraft Digitalisierung und Digitalität in dem in Kapitel 2 beschriebenen Sinne, ergibt sich daraus ein fortwährender Transformationsprozess. Daraus folgt dann die Anforderung einer kontinuierlichen Fort- und Weiterbildung. Da dies gerade im Lehrberuf nur unter großen zusätzlichen Mühen zu erfüllen ist, braucht es dafür das Mindset, dass Digitalität kein Phänomen ist, welches sich aus dem Unterricht ausschließen lassen könne (oder sogar solle). Dieses ergibt sich, und hier schließt sich der Kreis, erst aus einer Vorstellung von Digitalität als grundlegender Transformation von Prozessen der Genese, des Teilens und der Bewertung von Wissen. Denn in dieser Vorstellung von Digitalität ist Transformation dann für Bildungsinstitutionen nicht nur ein (eventuell) Mehrwert-bringender, sondern ein für die Wissensvermittlung notwendiger Prozess. Haltungen und Mindsets sind im Impulspapier, wie es in Kapitel 5 Vorstellungen und beliefs auch sind, die Bedingung der Möglichkeit für das Lehren unter Bedingungen der Digitalität. Erschöpft sich das Verständnis von Digitalisierung als medialer Wandel zur Effizienzsteigerung, scheint eine kontinuierliche Fort- und Weiterbildung, die Schaffung neuer Arbeitsformen und die aktive Beteiligung an digitalen Innovationsprozessen un‐ wahrscheinlich. Mehr noch, sie erscheint unnötig (vgl. Würffel, 2019). Wenn in Kapitel 2, 3 und 4.1 also deutlich wurde, wieso für eine erweiterte Perspektivierung von Digitalisierung als Digitalität argumentiert werden kann, zeigt sich an diesem Punkt, wieso diese Perspek‐ tivierung für Lehrkräfte und damit die Lehrkräftebildung erforderlich ist. Umso mehr, da gerade die Rahmenpapiere der KMK (2021) und des MSB (2022) zeigen, wie vielfältig die Anforderungen an Lehrkräfte als Agents of Change (Gerlach & Fasching-Varner, 2020; Viebrock, 2018) sind. 4.1 Bildungspolitische Vorgaben zur Lehrkräftebildung unter Bedingungen der Digitalität 81 <?page no="82"?> Digitalitätsbezogene Forderungen an (Englisch-)Lehrkräfte aus Fachdidaktik und Bildungswissenschaft Insgesamt besteht, fasst man das Kapitel zusammen, die Forderung an Lehrkräfte kom‐ petent digitale Medien zu integrieren, Lernkultur zu transformieren, individualisiert zu fördern und zu beraten und nicht zuletzt eine aktive Aufgabe in einer kollaborativen Schulentwicklung zu spielen. Damit spiegeln bildungspolitische Rahmenpapiere digitali‐ tätsbezogene Forderungen wider, die auch in der Fremdsprachendidaktik und Bildungswis‐ senschaft an (Englisch-)Lehrer*innen gestellt werden (u. a. Fandrych, 2019; Gryl et al., 2020; Sauro & Chapelle, 2017; Waffner, 2020). Um nicht die Ausführungen aus Kapitel 2.2 zu wiederholen, soll der Diskurs hier nicht nochmals in seinen Einzelheiten wiedergegeben werden. Grob lassen sich die Forderungen aber ähnlich wie im bildungspolitischen Bereich auf verschiedene Felder aufteilen. Die (Englisch-)Lehrkraft soll: 1. Digitale Technologien didaktisch aufbereitet für den Unterricht nutzen können (Cap‐ parozza & Irle, 2020; Müller-Hartmann & O’Dowd, 2019; Thyssen et al., 2020). 2. Lernende für die Bearbeitung von „Zukunftsaufgaben“ vorbereiten und „digitale Kompetenzen“ bei Lernenden Fördern (Beißwenger et al., 2020; Koppel & Wolf, 2021; Legutke, 2018). 3. Offene digitalitätsbezogene Vorstellungen (Haltungen, Mindsets, Überzeugungen, be‐ liefs, …) entwickeln, die sich z. B. in einem dynamischen Rollenverständnis, Unsicher‐ heitstoleranz und Veränderungs- und Fortbildungsbereitschaft ausdrücken (Fütterer et al., 2021; Knüsel Schäfer, 2020; Mehlhorn, 2019). Die bildungspolitischen Forderungen an Lehrkräfte und damit in Konsequenz auch der Lehrkräftebildung lassen sich somit mit fachspezifischen Vorstellungen von der Ausbildung von Englischlehrkräften unter Bedingungen der Digitalität übereinbringen. Festhalten lässt sich, dass sowohl medien- und digitalitätsbezogene Kompetenzen als auch digitalitätsbezo‐ gene Vorstellungen (Haltungen, Mindsets, Überzeugungen, beliefs, …) als notwendig erachtet werden. Diese Einteilung, die sowohl in den bildungspolitischen Positionspapieren als auch den fachdidaktischen Positionierungen zu finden ist, wird nicht zuletzt auch in den Systematisierungen in digitalitätsbezogenen Kompetenzmodellen ersichtlich, auf die sich die Bereiche gemeinsam beziehen. Da die Arbeit sich im weiteren Verlauf auf digitalitäts‐ bezogene Vorstellungen (und weniger explizit auf Kompetenzen) bezieht, werden an dieser Stelle nicht alle der zahlreichen digitalitätsbezogenen Kompetenzmodelle für Lehrkräfte ausgeführt. Es ist aber auch mit dem Bezug zu Vorstellungen hilfreich, zentrale Modelle (DigCompEdu, TPACK, DPACK) zu skizzieren, da hier das Verhältnis von Vorstellungen und Kompetenzen deutlich gemacht werden kann. Auch lässt sich mit Hilfe der Positionierung der universitären Lehrkräftebildung innerhalb jener Modelle der Fokus der vorliegenden Arbeit auf Vorstellungen begründen. 4.1.2 Digitalitätsbezogene Kompetenzmodelle für Lehrkräfte Bevor spezifisch auf die Aufgabe und Verortung der universitären (Englisch-)Lehrkräfte‐ bildung eingegangen wird, werden einige allgemeine digitale Kompetenzmodelle skizziert. In ihnen werden die Rollen von und Anforderungen an Lehrkräfte unter Bedingungen 82 4 Die Rolle der Lehrkraft und Lehrkräftebildung unter Bedingungen der Digitalität <?page no="83"?> der Digitalität systematisch zusammengefasst. So können auch bei der Vielzahl der bereits zuvor genannten Perspektiven auf Digitalität, gemeinsame, grundlegende Positionen aus‐ gemacht werden. Anschließend kann die universitäre (Englisch-)Lehrkräftebildung - und schließlich auch die Studie der vorliegenden Arbeit - in diesen grundlegenden Positionen verankert werden. DigCompEdu Das von der Europäischen Union veröffentlichte Modell European Framework for the Digital Competence of Educators (DigCompEdu) (Redecker, 2017) bezieht sich, wie der Name verrät, (nur) auf die Kompetenzen von Lehrenden. Da sich die KMK (2021, S. 23-24) allerdings direkt auf das Modell beruft, soll es zumindest kurz skizziert werden, bevor auf das für diese Arbeit zentralere TPACK-Modell und Digitality-related pedagogic and content knowledge (DPACK)-Modell (Huwer et al., 2019) eingegangen wird. DigCompEdu ist die für Lehrende abgewandelte Version des Digital Competence Frame‐ work for Citizens (DigComp), welches kürzlich als DigComp 2.2 aktualisiert wurde (Vuori‐ kari et al., 2022). In dem Modell werden digitalitätsbezogene Kompetenzen von Lehrkräften - ähnlich wie bei der KMK - in sechs verschiedene Bereiche, (Professional Engagement, Digital Ressources, Teaching and Learning, Assessment, Empowering Learners und Facilitating Learners‘ Digital Competence) eingeteilt (Redecker, 2017, S. 8). Wie beispielsweise auch im Impulspapier II des MSB werden also sowohl die Professionalisierung der Lehrkraft wie auch Unterrichtsprozesse selbst berücksichtigt. Anders als im Impulspapier II und auch bei der Erklärung der KMK (2021) bezieht sich DigCompEdu allerdings sehr viel stärker auf die funktionale Nutzung digitaler Medien als Werkzeug für pädagogische und didaktische Ziele. So sollen beispielsweise im Bereich Professional Engagement digitale Technologien für berufliche Kommunikation genutzt werden können (ebd., S. 16). Der Bereich Teaching and Learning bezieht sich vollständig auf das Nutzen digitaler Medien, um Unterricht zu „verbessern“ und zu „erweitern“ (ebd., S. 20, eigene Übersetzung). DigCompEdu nimmt damit die mediendidaktische Perspektive der Nutzbarmachung digitaler Medien für päd‐ agogisch-didaktischer Ziele ein. Die kulturwissenschaftliche Perspektive der Digitalität wird insbesondere in den Ausführungen der KMK (2021) hingegen durch die Modelle TPACK bzw. DPACK (Huwer et al., 2019) vertreten. DigCompEdu ist aufgrund der einseitigen Perspektivierung der Digitalisierung als Mediennutzung für die weitere Diskussion um digitalitätsbezogene Vorstellungen auf den ersten Blick weniger relevant als TPACK und dessen Weiterentwicklung DPACK. Das Modell sollte dennoch auch im Rahmen dieser Arbeit nicht ignoriert werden, da es die bil‐ dungspolitische Zielsetzung verdeutlicht, dass digitalitätsbezogene Kompetenzen sowohl die berufliche Zusammenarbeit und Weiterbildung von Lehrkräften als auch Unterricht und Lernziele bestimmen (sollten). Darüber hinaus können und sollten auch aus der in dieser Arbeit eingenommenen Perspektive der Kultur der Digitalität typisch mediendidaktische Fragen ihre Berechtigung haben. Die perspektivische Erweiterung von Digitalisierung und Digitalität in der Strategie der KMK (2021) lässt sich allerdings weniger mit DigCompEdu als mehr mit dem Übergang von TPACK zu DPACK erklären. 4.1 Bildungspolitische Vorgaben zur Lehrkräftebildung unter Bedingungen der Digitalität 83 <?page no="84"?> Technological, pedagogical and content knowledge (TPACK) Da das von der KMK zitierte DPACK-Modell direkt auf TPACK aufbaut, ist es zunächst notwendig, letzteres in seinen Grundzügen zu erläutern. TPACK selbst ist wiederum eine Erweiterung des grundlegenden Didaktik-Modells von Shulman (1987). Shulman gibt zwei Wissensbereiche an, die die Lehrkraft benötige, um ihre Lehraufgaben zu erfüllen; das inhaltliche (fachliche) Wissen und das pädagogische (didaktische) Wissen (ebd.) Aus den beiden Wissensbereichen ergibt sich eine Schnittmenge, das Pädagogisch-Inhaltliche Wissen (im TPACK-Modell pedagogical content knowledge, PCK). So soll beispielsweise eine Lehrkraft für das Fach Englisch nicht nur inhaltliches Wissen über postcolonial literature besitzen, sondern auch das Wissen, wie dieses didaktisch aufbereitet und zielge‐ recht an Schüler*innen vermittelt werden kann. Diese grundlegende Überlegung wird im TPACK-Modell um die Ebene Technologisches Wissen (technological knowledge, TK) ergänzt. Aus der Ergänzung ergeben sich auch neue Schnittmengen mit den anderen Wissensbereichen, die in folgendem Diagramm dargestellt werden: Technological Knowledge (TK) Pedagogical Knowledge (PK Content Knowledge (CK) Technological Pedagocical Content Knowledge (TPACK) Contexts Pedagogical Content Knowledge (PCK) Technological Content Knowledge (TCK) Technological Pedagogical Knowledge (TPK) Abbildung 3: Das TPACK-Modell (in Anlehnung an Koehler, 2012) Koehler und Mishra selbst beschreiben die beigefügte Ebene des TK als „[k]nowledge about certain ways of thinking about and working with technology, tools and resources“ (2009, S. 64). Lehrkräfte sollen also das Wissen besitzen, mit (digitalen) Technologien umzugehen und mit ihnen zu arbeiten. Wichtiger jedoch als die Ebene des TK selbst sind, wie schon bei Shulman, die Schnittstellen, die sich in den verschiedenen Wissensbereichen ergeben. Kern des und namengebend für das Modell ist dabei die Schnittstelle zwischen inhaltlichem, pädagogischem und technischem Wissen: technological, pedagogical (and) content knowledge, TPACK. Anders als bei den anderen Bereichen und Überschneidungen betont Koehler bei TPACK dass dieses sich nicht (nur) auf Wissen bezieht. Stattdessen ist es definiert als: 84 4 Die Rolle der Lehrkraft und Lehrkräftebildung unter Bedingungen der Digitalität <?page no="85"?> Underlying truly meaningful and deeply skilled teaching with technology, TPACK is different from knowledge of all three concepts individually. Instead, TPACK is the basis of effective teaching with technology, requiring an understanding of the representation of concepts using technologies; pedagogical techniques that use technologies in constructive ways to teach content […]. (Ebd., S.-66) Eine Lehrkraft, die TPACK besitzt, könne beispielsweise Technologien nutzen, um ihren Unterricht effektiver zu machen, schwierige Konzepte technisch mediiert vermitteln und mit Hilfe von Technik an Vorwissen anknüpfen und Wissen ausbauen. Ähnlich wie bei DigCompEdu wird hier also ein starker Fokus auf (digitale) Technologien als Werkzeug zur effektiveren Erreichung didaktischer Ziele deutlich. Das Modell lässt sich dementsprechend auch nahtlos in der Mediendidaktik einbetten (Kerres, 2022b, S. 112). Über die Jahre wurde das TPACK-Modell in zahlreichen theoretischen (Beißwenger et al., 2020; Thyssen et al., 2020; Voogt et al., 2013) als auch empirischen (Rienties et al., 2020; Sailer et al., 2021; Zhang et al., 2019), digitalitätsbezogenen Arbeiten verwendet. Außerdem lässt sich ein direkter Zusammenhang von beliefs und TPACK nachweisen (Cheng & Xie, 2018; Hsu et al., 2017, genauer siehe Kapitel-5). Trotz dieser umfassenden Resonanz des Modells, die sich nicht zuletzt auch in der Aufnahme in die KMK-Strategie (2021) zeigt, lässt sich das Modell aus Perspektive der vorliegenden Arbeit jedoch auch kritisieren. Durch den starken Fokus auf eine medien‐ didaktische Perspektive in der Denkfigur ‚Medien als Werkzeug für X‘ lässt sich dem Modell ganz wie auch schon bei DigCompEdu eine einseitige Darstellung der Relevanz von Digitalität für Bildungsprozesse unterstellen. Diese Kritik wird in der Weiterentwicklung zum DPACK-Modell verdeutlicht, welches das TPACK-Modell um die Ebene der (Kultur der) Digitalität erweitert. Digitality-related pedagogical and content knowledge (DPACK) Ausgehend von den Eigenschaften der (Kultur der) Digitalität kritisieren Huwer et al. (2019) den Bereich Technologisches Wissen (TK) in TPACK als verkürzt: Technologisches Wissen allein wird den Anforderungen, welche die digitalen Transformations‐ prozesse der jüngeren Vergangenheit und der nahen Zukunft mit sich bringen, nicht gerecht. Eine mit digitalen Komponenten verknüpfte Problemlösung und verantwortungsvolle Entscheidungs‐ findung im Alltag geht über rein technisches Wissen hinaus und muss sowohl Probleme und Risiken technischer Lösungen berücksichtigen als auch die Entwicklungen, die durch die Nutzung und Nutzbarkeit von Kommunikationssystemen in sozialen und kulturellen Lebensbereichen ausgelöst werden. (Ebd., S.-359) Die Autor*innen verfolgen damit eine ähnliche Argumentationslinie wie in Kapitel 2 skizziert. Technisches Wissen ist eine notwendige, aber keine hinreichende Bedingung für das Lehren und Lernen unter Bedingungen der Digitalität. Mit anderen Worten: digitali‐ tätsbezogenes Wissen beinhaltet zusätzlich zu technologischem Wissen das Verständnis der Wechselwirkung zwischen technologischen und soziokulturellen Entwicklungen vor dem Hintergrund von Referentialität, Gemeinschaftlichkeit und Algorithmizität (ebd., S. 360). Durch die Erweiterung von TK zu DK verändert sich das Modell wie folgt: 4.1 Bildungspolitische Vorgaben zur Lehrkräftebildung unter Bedingungen der Digitalität 85 <?page no="86"?> 39 Gemeint sind soziale Ungleichheiten, die sich durch den (fehlenden) Zugang zu Technologien verstärken, und die Frage, wie man dieser Herausforderung begegnen kann (vgl. z. B. Kutscher, 2019). Das Phänomen wurde, gerade auch in Deutschland, durch die Auswirkungen der Covid-19-Pandemie noch verstärkt (Eickelmann & Drossel, 2020) und erfährt entsprechend zu Recht die explizite Erwähnung in PDK. Digitalityrelated knowldge (DK) CK PCK PK DPACK PDK DCK Digitality-related Pedagocical Content Knowledge (DPACK) Abbildung 4: Das DPACK-Modell (in Anlehnung an Huwer et al., 2019, S.-361) Während PK, PCK und CK unverändert bleiben, ändert sich der obere Kreis in seiner Definition. Huwer et al. (2019) definieren DK als das „Digitalitätswissen zum Umgang mit Technologien. Dieses beinhaltet alle Aspekte des ursprünglichen technological know‐ ledge […] erweitert um Aspekte der Digitalität, die über rein technisches Wissen hinaus‐ gehen“ (ebd., S. 361). Als allgemeines Beispiel für DK wird das Wissen um das Erstellen und Veröffentlichen von Erklärvideos genannt. Bezieht man dies auf eine beispielhafte Englischlehrkraft, so müsste diese nicht nur technisch in der Lage sein, einen Film zu drehen und hochzuladen, sondern auch um die spezifischen Kommunikations- und Distributionsformen in und von Erklärvideos wissen und diese beachten. Sollte das Video also beispielsweise per Mail oder auf Youtube geteilt werden? Bei letzterem müssten die spezifischen Merkmale dieser Videos bekannt sein (z. B. in Bezug auf thumbnails, also den Vorschaubildern). Auch müsste in dem Fall beachtet werden, welche sprachlichen Erwartungen mit dem Nutzen von stark Englisch geprägten Webseiten wie Youtube an das Video gestellt werden und wie sich diese von der Bereitstellung auf schulischen Webseiten unterscheiden. Mit der Erweiterung von DK erweitern sich auch PDK und DCK. PDK beinhaltet neben den auch bei TPK relevanten Fragen didaktischer Nutzbarmachung von Technologien soziale Fragen, insbesondere des digital divide  39 (ebd.). DCK als Schnittmenge zwischen digitalitätsbezogenem und fachlichem Wissen muss für den jeweils spezifischen Fachbe‐ reich der Lehrkraft ausdifferenziert werden. Im Bereich der (Fremd-)Sprachen ließe sich zum Beispiel das Wissen über die Auswirkungen von maschineller Übersetzung und KI 86 4 Die Rolle der Lehrkraft und Lehrkräftebildung unter Bedingungen der Digitalität <?page no="87"?> auf Sprache und Sprachnutzung aufführen (siehe auch Kapitel 3). Vergleicht man dies mit TCK definiert als „[a]n understanding of the manner in which technology and content influence and constrain one another“ (Koehler, 2012), wird deutlich, wie DCK die Frage ‚Wie verändert sich die Art einen Inhalt zu vermitteln‘ um die Frage ‚Wie verändert sich der Inhalt, den man vermittelt? ‘ erweitert. Im Beispiel der Englischlehrkraft: Nicht nur die Art Englisch zu vermitteln ändert sich, sondern auch Sprache und Sprachnutzung selbst verändern sich durch die Bedingungen der Digitalität. Herzstück des Modells ist wie bei TPACK die Überschneidung aller Wissensbereiche, hier als DPACK bezeichnet. Im Vergleich zu TPACK erweitert das Modell, dass von Koehler fokussierte Wissen über das „effective teaching with technology“ (2012) um die Reflexion der Auswirkungen der Digitalität auf inhaltliche und didaktische Aufbereitung und Aus‐ wahl von Lerninhalten. Nimmt man alle Bereiche zusammen und wendet sie beispielhaft auf eine Englischlehrkraft an, könnte DPACK also wie folgt aussehen: Die Lehrkraft weiß um die datengestützte Funktionsweise von (N)MT und erkennt davon ausgehend Reichweite und Grenzen der Übersetzungskapazitäten. Sie reflektiert den Einfluss von MT auf Sprachgebrauch, insbesondere mit Blick auf ethnical and gender bias und legt diese als Grundlagen für eine task (Ellis, 2000) fest. Sie leitet Schüler*innen dazu an, kollaborativ gendersensible Nachbearbeitungen von maschinell übersetzen Texten durchzuführen und mögliche Einflüsse auf kultursensible Kommunikation zu problematisieren. Zusätzlich zu der Erweiterung von TK auf DK ist für das DPACK-Modell auch die Integration der „Analysekompetenzaspekte“ (Huwer et al., 2019, S. 362) zentral. Die digitalitätsbezogene Analysekompetenz wird den Autoren nach durch die Dynamik der Entwicklung in der Digitalität erforderlich. Ähnlich wie bei den Perspektivlinien in Kapitel 3 beschrieben, wird betont, dass das Modell nur eine Orientierung, nicht aber eine Handlungsanweisung geben kann: An dieser Stelle greifen zentrale Aspekte digitalitätsbezogener Analysekompetenz: Das professio‐ nelle Wissen muss stets mit aktuellen Problemstellungen verknüpft werden, so müssen digitale Werkzeuge bezogen auf ihr Potential für Themen des MINT-Unterricht analysiert werden, unterrichtsmethodische Überlegungen zur Brauchbarkeit bestimmter Kommunikations-Tools angestellt, die Rolle der Digitalität für die curriculare Auswahl von Unterrichtsinhalten reflektiert und Unterrichtssituationen analysiert werden. (Ebd.) Die Anforderungen an die Analysekompetenz und die von der Lehrkraft zu beantwortenden Fragen, die daraus resultieren (siehe ebd., S. 362-363) lassen sich zusammenfassend mit dem Frankfurt-Dreieck (Brinda et al., 2019) darstellen. Das Frankfurt-Dreieck bietet darüber hinaus eine gute Verbindung zwischen den in diesem Kapitel vorgestellten Kompetenzmo‐ dellen und den im Rahmen der Arbeit durchgehend diskutierten Perspektiven auf und Vorstellungen von Digitalisierung und Digitalität. In dem Dreieck wird die Dagstuhl-Er‐ klärung der Gesellschaft für Informatik (2016) aufgenommen und es werden die dort gegebenen drei zentralen Fragen (Wie funktioniert das? Wie wirkt das? Wie nutze Ich das? ) (ebd., S.-3) ausdifferenziert. Dadurch entsteht die folgende Darstellung: 4.1 Bildungspolitische Vorgaben zur Lehrkräftebildung unter Bedingungen der Digitalität 87 <?page no="88"?> 40 Die Fragen ließen sich fast genauso auch für Bereiche wie der generativen KI übernehmen, was den Punkt von Huwer et al. (2019) unterstreicht, dass die Perspektiven nicht von einer spezifischen Technologie abhängig sind. technologische & mediale Strukturen & Funktionen gesellschaftliche & kulturelle Wechselwirkungen Interaktion Nutzung - Handlung - Subjektivierung Analyse - Reflexion - Gestaltung Analyse - Reflexion - Gestaltung Analyse - Reflexion - Gestaltung Betrachtungsgegenstand Abbildung 5: Das Frankfurt-Dreieck (Brinda et al., 2019, S.-27) Der hier im Zentrum stehende Betrachtungsgegenstand (bei den Analyseaspekten in DPACK die aktuelle Problemstellung) soll im Frankfurt-Dreieck aus drei verschiedenen Perspektiven („technologische & mediale Strukturen & Funktionen“, „gesellschaftliche & kulturelle Wechselwirkungen“, sowie die Perspektive „Interaktion in Nutzung, Handlung und Subjektivierung“) betrachtet werden. Je nach eingenommener Perspektive ergeben sich dabei - wie bei DPACK - verschiedene Fragen, die sich der betrachtenden Person (in dem Fall der Lehrkraft) stellen. Während sich Huwer et al. (2019) auf MINT-Lehrkräfte beziehen, lässt sich das Ganze genauso im Bereich der Fremdsprachendidaktik durchdeklinieren. Bleibt man bei dem Beispiel maschineller Übersetzung, ergeben sich je nach Perspektive folgende mögliche Fragen, die eine Englischlehrkraft basierend auf Analyse und Reflexion in ihrer Gestaltung berücksichtigen müsste: 40 Technologisch & Mediale Strukturen & Funktionen: • Wie funktioniert NMT und SMT (auch im Vergleich zu RBMT)? • Welche inhärenten Grenzen und Risiken ergeben sich aus der technologischen Struktur (Stichwort: Datafizierung)? • Welche Stärken besitzt NMT als selbstlernendes Modell? 88 4 Die Rolle der Lehrkraft und Lehrkräftebildung unter Bedingungen der Digitalität <?page no="89"?> Gesellschaftliche & Kulturelle Wechselwirkungen: • Inwiefern werden Sprachen und Personengruppen durch den Fokus auf Online prä‐ sente Sprachen wie Englisch weiter marginalisiert? (siehe auch Kapitel-3.3.1) • Welche neuen Anforderungen ergeben sich durch die Funktionsweise maschineller Übersetzung für Lernende (beispielsweise data bzw. AI literacy, Long & Magerko, 2020) Interaktion: Nutzung - Handlung - Subjektivierung • Wie können Lernende wann und warum MT nutzen? • Wie lassen sich Mitgestaltungsmöglichkeiten bei MT erarbeiten? (beispielsweise beim post-editing) • Inwiefern beeinflusst die Nutzung von MT auch die eigene Sprachbiographie der Lernenden? (Fokus auf Sprache als Werkzeug zur Informationsvermittlung, siehe auch Cronin, 2013, S.-4) Im Sinne des Frankfurt-Dreiecks sollen alle drei Perspektiven (und damit auch die verbun‐ denen Fragen an den Betrachtungsgegenstand) „systematisch und wiederholend“ (Brinda et al., 2019, S. 27) eingenommen werden. Zweifellos stellt das Frankfurt-Dreieck damit hohe Ansprüche an Lehrer*innen und ihr DPACK. Der Vorteil liegt aber darin, dass das Frankfurt-Dreieck die im DPACK-Modell angesprochene Dynamik der Digitalität durch die Analysekompetenz abdeckt. Da das Frankfurt-Dreieck sich flexibel auf unterschiedlichste Betrachtungsgegenstände anwenden kann, lässt es sich bei möglichen Entwicklungen weiterhin gebrauchen. Zwar ändern sich die konkreten Fragen, sollte beispielsweise nicht mehr MT im Vordergrund der Betrachtung stehen, jedoch nicht die Perspektiven. Diese Perspektiven wiederum beinhalten explizit sowohl technisch-mediale als auch gesellschaft‐ lich-kulturelle Fragen. Der kurze Exkurs zum Frankfurt-Dreieck sollte verdeutlichen, dass das Verständnis des DPACK-Modells eng mit dem Verständnis von Digitalisierung und Digitalität verbunden ist. Analog zur Beschreibung in Kapitel 2 gibt es also auch in den digitalitätsbezogenen Kompetenzmodellen, auf die sich die Bildungspolitik bezieht, mediendidaktische und technische Perspektiven auf Digitalisierung (v. a. DigCompEdu, TPACK) als auch medi‐ enpädagogische und kulturwissenschaftliche Perspektiven auf Digitalität (v. a. DPACK, Frankfurt-Dreieck). Die Betrachtung der Analysekompetenzaspekte in DPACK unter Be‐ achtung des Frankfurt-Dreieck zeigt außerdem, dass zu DPACK auch eine Vorstellung (oder ein belief, siehe Kapitel 5) zu Digitalität gehört. Aus einer rein mediendidaktischen Perspektive der Nutzbarmachung digitaler Werkzeuge werden kaum alle Perspektiven des Frankfurt-Dreieck eingenommen und die für die Analysekompetenzaspekte relevanten Fragen gestellt, geschweige denn beantwortet werden können. Beispielhaft ausgedrückt: Eine Lehrkraft, die in MT nur ein Werkzeug zur Vermittlung von Schreibkompetenz sieht, kann keine Analysekompetenz im Sinne des DPACK zugeschrieben werden. Das heißt, die Frage nach digitalitätsbezogenen Kompetenzen ist zunächst (auch) eine Frage davon, wie die Vorstellung von (der belief zu) Digitalisierung und Digitalität ist. Zusammenfassend zeigt der Bezug auf die digitalitätsbezogenen Kompetenzmodelle für die sich im weiteren Verlauf hauptsächlich auf Vorstellungen beziehende Arbeit zwei Punkte: 4.1 Bildungspolitische Vorgaben zur Lehrkräftebildung unter Bedingungen der Digitalität 89 <?page no="90"?> 41 Man beachte neben den für die Hochschulen individuellen Strategien zur Forschung und Lehre auch die starke Förderung von digitalitätsbezogenen Projekten im Bildungsbereich (siehe z. B. ht tps: / / www.bmbf.de/ bmbf/ shareddocs/ bekanntmachungen/ de/ 2017/ 09/ 1420_bekanntmachung.html) die sich nicht zuletzt auch in zahlreichen Projekten im Bereich der Qualitätsoffensive Lehrerbildung ausdrücken (https: / / www.qualitaetsoffensive-lehrerbildung.de). Siehe außerdem KMK (2017, S.-50). 1. Über die Kompetenzmodelle lässt sich die bereits in Kapitel 2 beschriebene perspek‐ tivische Erweiterung von Digitalität in bildungspolitischen Forderungen an (Eng‐ lisch-)Lehrkräfte nachzeichnen. 2. Der notwendige Kompetenzerwerb hängt auch von der Perspektive auf Digitalität (der Vorstellung von/ des beliefs zu Digitalität) ab. Um DPACK vollumfänglich erwerben zu können, sind entsprechende Perspektiven auf Digitalität von großer Relevanz. Nachdem nun die bildungspolitischen Anforderungen an (Englisch-)Lehrkräfte erarbeitet und mit Bezug zu den digitalitätsbezogenen Kompetenzmodellen und den Perspektiven auf Digitalisierung und Digitalität zusammengefasst wurden, bleibt es nur noch die universitäre Lehrkräftebildung in ihren Zielen und Strukturen zu verorten, bevor in Kapitel 5 genauer auf das Forschungskonstrukt Vorstellungen der empirischen Studie eingegangen werden kann. 4.2 Verortung der universitären (Englisch-)Lehrkräftebildung im Bereich Digitalität Vor dem Hintergrund der Fragen zu Lehrkräftebildung unter Bedingungen der Digitalität ist die genaue Verortung universitärer (Englisch-)Lehrkräftebildung keine triviale Aufgabe. Das gilt umso mehr, weil der ohnehin andauernde Diskurs um das Verhältnis von Theorie und Praxis (Cramer, 2014, S. 345) unter Bedingungen der Digitalität neue und erneute Relevanz erhält. Da die Diskussion zu dem Verhältnis von Theorie und Praxis in der Lehrkräftebildung bereits an anderer Stelle geführt wurde (siehe Küplüce, 2023), soll hier aber hauptsächlich auf die Anforderungen an und die Aufgaben innerhalb der ersten Phase der Lehrkräftebildung eingegangen werden. Als Anknüpfungspunkt an die vorigen Kapitel können zunächst die bildungspolitischen Forderungen an die erste Phase zitiert werden: Den Hochschulen kommt in diesem Zusammenhang [dem digitalen Wandel, Anmerkung C. K.] eine doppelte Funktion zu. Einerseits sind sie die Orte, in denen die technologischen Innovationen erforscht und entwickelt werden, die den digitalen Wandel umsetzen. Andererseits wird dieses Wissen um digitale Prozesse und deren Konsequenzen an Hochschulen auch vermittelt. […] Vor diesem Hintergrund sind die Hochschulen Orte zur Entwicklung, Erprobung und Anwendung von Formen und Methoden der digitalen Lehre sowie zur Erforschung der individuellen und gesellschaftlichen Folgen der Digitalisierung. (KMK, 2017, S.-10) Die von der KMK beschriebene „doppelte Funktion“ (ebd.) ist für Hochschulen bezogen auf die Lehrkräftebildung nicht nur Herausforderung. Forschung und Lehre können (und sollen) 41 im Bereich Digitalität eng miteinander verknüpft werden. So kann im besten Fall Forschung zu Digitalität und Bildung in die Lehrveranstaltungen integriert werden, wie es 90 4 Die Rolle der Lehrkraft und Lehrkräftebildung unter Bedingungen der Digitalität <?page no="91"?> auch bei dem DiAL: OGe-Projekt angestrebt wird. Welches Ziel soll die enge Verknüpfung von Forschung und Lehre aber in der digitalitätsbezogenen Lehrkräftebildung der ersten Phase verfolgen? Im aktuellen Modell der dreiphasigen Lehrkräftebildung (Studium, Vorbereitungs‐ dienst/ Referendariat und Fortbildungen) fällt die Aufgabe digitalitätsbezogener Kompe‐ tenzvermittlung auch den Hochschulen zu. Diese sollen bereits in der ersten Phase der Lehrkräftebildung digitale „Basiskompetenzen“ (Thyssen et al., 2020, S. 80-81) anlegen, auf die im weiteren Verlauf der (Aus)Bildung aufgebaut werden kann. Die digitalitätsbezogenen Kompetenzen lassen sich in zwei Erwerbsformen einteilen: eine systematisch-lineare, in der die Hochschulen die Grundlagen für soziale, methodische, fachliche und digitale Kom‐ petenzen legen, die schließlich im weiteren Bildungsverlauf ausgebaut werden. Außerdem eine agile, die Befähigung zum Umgang mit Herausforderungen, die nicht abschätzbar sind (Albrecht et al., 2020, S.-34). Aus Sicht der Bildungswissenschaft und den Fachdidaktiken werden zusätzlich zu Kompetenzen noch die Rollenfindung (Gerlach & Fasching-Varner, 2020, S. 226), die Einstellungen und Überzeugungen (Petko et al., 2018, S. 168-169) sowie „Haltungen“ (Cap‐ parozza & Irle, 2020, S. 104) berücksichtigt. Helsper (2016, S. 104) spricht allgemein von einem „reflexiven, wissenschaftsbasierten Habitus“ aus dem heraus die Praxiszwänge im weiteren Verlauf der professionellen Karriere reflektiert werden sollen. Gerade im Bereich Digitalisierung und Digitalität scheint die Forderung Helspers gut mit der von der KMK benannten doppelten Funktion zu Synergien führen zu können: Angehende Lehrkräfte mögen nicht im gleichen Sinne wie in den anderen Phasen die schulische Praxis erleben können (Dewey, 1992; Neuweg, 2011), die wissenschaftliche Praxis sollte - betrachtet man die oben genannten Förderlinien und Projektausschreibungen (insbesondere der anwendungsbezogenen BMBF-Projekte) - jedoch vielfach direkt verfügbar sein. Die Her‐ ausbildung eines wissenschaftlich-reflexiven Habitus entwickelt außerdem Synergien mit Bezug zu den von Albrecht et al. (2020) ausgemachten agilen Kompetenzen, die im Bereich der Digitalität erforderlich sind. So mag ein spezifisches digitales Tool, das Studierende in der Hochschule kennen lernen veraltet sein, bevor sie es selbst in der Lehre nutzen. Die wissenschaftliche Reflexion lässt sich aber auch auf andere Tools transferieren. Vor dem Hintergrund des wissenschaftsbasierten, reflexiven Habitus und den agilen Kompetenzen wird die Bemühung um eine enge Verzahnung von Wissenschaft und Lehrkräftebildung trotz aller Herausforderungen, die sich daraus mit dem Blick auf die Kollaboration mit anderen Phasen ergeben können, gut verständlich. Wie aber dieser wissenschaftsbasierte, reflexive Habitus zu Digitalität aussehen kann, ist nur uneindeutig zu beantworten. In den vorausgegangenen Kapiteln ist immer wieder betont worden, dass es nicht die wissenschaftliche Perspektive auf Digitalisierung und Digitalität gibt. Wie auch bei anderen Phänomenen kommt es also darauf an, die für den eigenen Standort jeweils relevanten Perspektiven zu eruieren und Synergien zwischen den Perspektiven zu schaffen. Wie Kapitel 2 gezeigt hat, reicht es dabei mit Bezug zu Digitalität nicht aus den Studierenden ihre jeweiligen fachlichen Perspektiven zu vermitteln. Neben der begrifflichen Diskussion hat sich dieser Punkt außerdem in den Kompetenzmodellen des vorangegangenen Abschnitts gezeigt, die mit DPACK und dem Frankfurt-Dreieck fachlich-informatische, aber auch 4.2 Verortung der universitären (Englisch-)Lehrkräftebildung im Bereich Digitalität 91 <?page no="92"?> 42 Zur Diskussion von Unterschieden zwischen Bundesländern siehe z. B. Bellenberg (2002); Radhoff & Ruberg (2020); für einen Übersichtsbeitrag für NRW siehe z.-B. Lohmann et al. (2011). mediendidaktische und -pädagogische sowie sozial- und kulturwissenschaftliche Perspek‐ tiven mit der der Fachdidaktik vereint haben. So wird es, um einen wissenschaftlich-refle‐ xiven Habitus bilden zu können, zunächst Aufgabe von Hochschulen sein, Perspektiven angehender (Englisch-)Lehrkräfte auf Digitalisierung zu Digitalität zu erweitern. Eine Vorstellung zu vermitteln, die Digitalität als multidimensionales Konstrukt versteht und dadurch disziplinäre und interdisziplinäre Perspektiven integriert. Nur auf diesem Wege kann die Grundlage zum Erwerb der Analysekompetenz im DPACK oder den Betrach‐ tungsperspektiven im Frankfurt-Dreieck erarbeitet werden. In Anbetracht der Kritik an der öffentlich-medialen Debatte zu Digitalisierung (Kerres, 2020b, S. 1; Mihajlović, 2021) und des langsamen schulpraktischen Wandels - auch des Englischunterrichts - (Kerres, 2022a; Krommer, 2021; Würffel, 2019) ist diese Perspektiverweiterung nicht trivial. Wie in der Betrachtung der Kultur der Digitalität (Kapitel 2), der Ausformulierung ausgewählter Perspektivlinien (Kapitel 3) und den bildungspolitischen wie auch fachdidaktischen An‐ sprüchen an Lehrkräfte (Kapitel 4) aber deutlich wurde, ist es eine für die Hochschulen unerlässliche Aufgabe für den Beitrag zur digitalen Transformation. Mit dieser Betrachtung reiht sich die vorliegende Untersuchung in eine in der Fremd‐ sprachendidaktik geläufige Position ein, die hohe Erwartungen an angehende Lehrkräfte und damit die Lehrkräftebildung stellt (z.-B. Legutke, 2018; Schmelter 2018; Capparozza-& Irle, 2020; Gerlach & Fasching-Varner, 2020). Ein Weg, angehende (Englisch-)Lehrkräfte in den Hochschulen auf diesen hohen Anspruch vorzubereiten, ist die bereits erwähnte Anbahnung einer positiven Haltung bzw. entsprechender Vorstellungen oder beliefs (Blö‐ meke et al., 2008; Manderfeld, 2020) zu Digitalität. Dabei stellt sich zuallererst jedoch die Frage, inwiefern die Bildung entsprechender Haltungen bzw. Vorstellungen strukturell in der Ausbildung von (Englisch-)Lehrkräften verankert ist. 4.3 Struktur der universitären (Englisch-)Lehrkräftebildung in Nordrhein-Westfalen Nachdem zuvor die zahlreichen Anforderungen und Erwartungen an (Englisch-)Lehrkräfte betrachtet wurden, fokussiert der Rest von Kapitel 4 - mit einem kritischen Blick auf die Struktur der universitären Lehrkräftebildung in NRW - die Frage, welche Rolle diese einnehmen kann. Dabei geht es weniger darum, die Strukturen der Lehrkräftebildung in NRW im Detail vorzustellen, mit weiteren Bundesländern zu vergleichen oder im Vergleich zu bewerten. 42 Stattdessen fokussiert die Betrachtung der Struktur universitärer Lehrkräftebildung in NRW die Frage, wo und wie Studierende mit dem Bereich Digitalität in Kontakt kommen (können) und auf die entsprechenden Anforderungen vorbereitet werden (sollen). Auch wenn es aufgrund des Föderalismus sinnvoll ist, sich auf die Länderspezifik der in dieser Arbeit teilnehmenden Lehramtsstudierenden zu konzentrieren, lässt sich zunächst für die Lehrkräftebildung in Deutschland insgesamt festhalten, dass diese im internationalen Vergleich einen eher großen Zeitraum einnimmt. So fasst die OECD 92 4 Die Rolle der Lehrkraft und Lehrkräftebildung unter Bedingungen der Digitalität <?page no="93"?> 43 Diese Einteilung gilt für das Lehramt an Gymnasien und Gesamtschulen, die den Fokus der Arbeit an der Ruhr-Universität Bochum und auch der vorliegenden Studie ausmachen. Für das Lehramt an Haupt-, Real- und Gesamtschulen gelten ähnliche Bestandteile in veränderten Anteilen, das Grundschullehramt, Berufsschullehramt und die Ausbildung für sonderpädagogische Förderung weichen jedoch etwas von dieser Aufteilung ab (siehe Land NRW, 2009, § 2-§ 6). Deutschland mit Staaten wie Österreich, Kolumbien und Finnland als Gruppe, deren (pre-service) Lehrkräftebildung mit > 4,3 Jahren wie auch einer „competitive examination“ zum Studieneintritt vergleichsweise langwierig ist (2013, S. 97). Natürlich lässt sich aus der angestrebten Ausbildungszeit allein noch wenig über Lehr-/ Lernerfahrungen unter Bedingungen der Digitalität entnehmen. Das gilt neben den bis hierhin beschriebenen Mehrdeutigkeiten und Herausforderungen auch deswegen, weil sich der Diskurs der letzten Jahre in genau diesem Bereich stark auf den Bereich einer funktionalen Medienkompetenz fokussiert hat (zusammenfassend siehe Trapp, 2019, S.-121-129). Abgesehen von der angestrebten Ausbildungslänge lassen sich allerdings nur schwer einheitliche Aussagen über die Struktur der universitären Lehrkräftebildung tätigen. Gemeinsamkeiten ergeben sich aber zumindest über die rechtlichen Grundlagen für die Lehrkräftebildung in NRW. Generell wird die Ausbildung von Lehrkräften über das Lehrerausbildungsgesetz NRW (LABG) geregelt. Auch hier finden sich allerdings nur wenige Punkte, die einheitlich rechtlich verankert sind. Dazu zählen die verpflichtenden Praxisphasen mit einem Eignungs- und Orientierungspraktikum (25 Tage), einem außer‐ schulischem Berufsfeldpraktikum (vier Wochen) und dem Praxissemester (mindestens 5 Monate) (MSB, 2012). Außerdem sind grundlegende Ziele und verpflichtende Bestandteile wie bspw. auch der Medienpädagogik (vgl. Landesregierung NRW, 2021) in das LABG integriert. Für die universitäre Lehrkräftebildung und damit auch für die vorliegende Arbeit am wichtigsten ist jedoch, dass das LABG regelt, dass der Studienanteil der Lehrkräftebildung in der Verantwortung der Hochschulen liegt (MSB, 2009, S. 1). Inwiefern Studierende Berührungspunkte zum Lehren und Lernen unter Bedingungen der Digitalität haben liegt, also maßgeblich in der Hand der jeweiligen Universitäten. Dabei müssen diese wiederum einige rechtliche Vorgaben beachten, maßgeblich verankert in der Lehramtszu‐ gangsverordnung LVZ (Ministerium des Innern NRW, 2009). Hier finden sich neben der vorgesehenen Aufteilung der Studienanteile (etwa der Fachwissenschaft und -didaktik für zwei Fächer, der Bildungswissenschaft und den Praxisanteilen) 43 auch die sogenannten „übergreifenden Kompetenzen“ (ebd.), die Studierende erlenen sollen. Für diese Arbeit im Zentrum stehend sind dabei die „Kompetenzen zum fachspezifischen Umgang mit Informations- und Kommunikationstechniken sowie pädagogische Medienkompetenz“ (ebd.). An der Stelle der Verordnung werden die Bestandteile dieser Kompetenzen nicht weiter aufgeschlüsselt, mit Blick auf die vorgestellten bildungspolitischen Positionspapiere in NRW (siehe Kapitel 4.1.1) lässt sich allerdings argumentieren, dass diese mittlerweile eine umfassendere Perspektive auf Digitalität umschließen als den bloßen Gebrauch digitaler Medien zur effizienten Unterrichtsgestaltung. Nichtsdestotrotz lässt die Formulierung in diesem Bereich einen Ausgestaltungsspielraum der einzelnen Universitäten. Hier zeigen Vergleichsstudien zumindest für den bildungswissenschaftlichen Bereich, dass sowohl Studienangebot als auch Nutzung des Angebots stark variieren können (Kunter et al., 2016), was verallgemeinernde Aussagen für NRW erschwert. 4.3 Struktur der universitären (Englisch-)Lehrkräftebildung in Nordrhein-Westfalen 93 <?page no="94"?> 44 Siehe z. B. die Formulierungen des Landes mit Bezug zur stärkeren Integration der Medienpädagogik https: / / www.land.nrw/ pressemitteilung/ neue-rechtsvorschriften-fuer-die-lehrerausbildung. Da es nach bestem Wissen des Autors darüber hinaus (noch) keine vergleichenden Arbeiten für NRW gibt, die die digitalitätsbezogenen Studienanteile für fremdsprachliche Lehramtsfächer analysieren, wird in der vorliegenden Arbeit eine zusätzliche Beschreibung zu der Spezifik des M. Ed. Englisch an der Ruhr-Universität Bochum vorgenommen (siehe Kapitel 7.4.1). Darüber hinaus ergibt sich aus diesem Umstand, dass die Transferierbarkeit der Ergebnisse vor dem Hintergrund der möglichen Uneinheitlichkeit der Studienerfah‐ rungen in den Limitationen reflektiert werden muss. Insgesamt kann für die Struktur der universitären Lehrkräftebildung in NRW vermerkt werden, dass eine im internationalen Vergleich lange universitäre Ausbildungsphase besteht, was zu mindestens theoretisch den Raum für vielfältige Berührungspunkte mit der Erfahrung und vor allem Reflexion des Lernens und Lehrens unter Bedingungen der Digitalität öffnet. Gleichzeitig ist der universitäre Anteil höchst partikulär und war - wie auch bei den anderen bereits diskutierten Bereichen - in den letzten Jahrzehnten geprägt von dem Fokus auf einen werkzeugorientierten Medienbegriff. 44 Zunächst soll diese Feststellung heterogener Studienerfahrungen für angehende Lehrpersonen gar nicht normativ bewertet werden. Dennoch stellt sich vor dem Hintergrund der Diskussionen in den Kapiteln 2-4 die Frage, inwiefern Studierende - ungeachtet des vergleichsweise langen Studiums - ausreichende Möglichkeiten erhalten, Digitalität zu erfahren und mit Bezug zu ihrer zukünftigen Rolle zu reflektieren. Warum diese Frage wiederum eine hohe Brisanz für die Thematik der digitalen Transformation der Lehrkräftebildung insgesamt hat, zeigt ein genauerer Blick in das Forschungskonstrukt für die vorliegende Arbeit: digitalitätsbezogene beliefs bzw. Vorstellungen. Nachdem Vorstellungen und verwandte Begriffe bis hierhin also implizit eine Rolle spielten, nähert sich das nächste Kapitel systematisch den Fragen, was der Begriff beinhaltet, wieso er zentral für den Bereich Digitalität sein könnte und wie sich aus der theoretischen Rahmung ergibt, dass gerade dieses Konstrukt den Fokus der empirischen Untersuchung vorgibt. 94 4 Die Rolle der Lehrkraft und Lehrkräftebildung unter Bedingungen der Digitalität <?page no="95"?> 5 Erläuterung des Forschungskonstrukts Es ist ein wiederkehrendes Motiv dieser Arbeit, dass in dem Bereich der Fremdsprachen‐ didaktik bereits bekannte Themen und Konstrukte unter Bedingungen der Digitalität erweiterte und zum Teil auch neue Bedeutung erhalten. So verhält es sich auch bei dem Konstrukt Vorstellungen und dessen Bezugskonstrukten, welche ein zentrales Moment des empirischen Teils der vorliegenden Arbeit ausmachen. Bevor aber darauf eingegangen werden kann, wieso das Konstrukt in der digitalen Transformation und insbesondere in der durch Distanz- und Hybridlehre geprägten Zeit der Covid-19-Pandemie so bedeutungsvoll ist, gilt es ein grundlegendes Begriffsverständnis zu schaffen. Dazu wird zunächst ein kurzer historischer Überblick zur Entwicklung des Forschungsinteresses an der Introspektion von Lehrkräften im Rahmen des Fokus auf teacher cognition (Clark & Peterson, 1986, S. 287) gegeben, zu denen auch Vorstellungen und beliefs gehören. Im gleichen Zug soll auch die allgemeine Relevanz der Konstrukte für die Forschung im Feld der Lehrkräftebildung skizziert werden. Im Vordergrund des Kapitels steht es, die große Zahl an verwandten Begriffen und Synonymen im Bereich von Vorstellungen zu ordnen und voneinander abzugrenzen bzw. zu relationieren. In einem Zwischenfazit werden anschließend die mit Blick auf die bishe‐ rige Analyse am häufigsten verwendeten Begriffe Vorstellungen, beliefs, Überzeugungen, subjektive Theorien, concept image, Einstellungen und Emotionen verortet. Schließlich wird die Entscheidung für den im Folgenden verwendeten Begriff Vorstellungen, insbesondere in Abgrenzung zu subjektiven Theorien, begründet. Zudem wird eine Arbeitsdefinition abgeleitet, auf die im weiteren Verlauf der Arbeit zurückgegriffen wird. Im darauffolgenden UnterKapitel 5.2 wird schließlich die besondere Relevanz der Konstrukte Vorstellungen und beliefs für die digitalitätsbezogene (Englisch-)Lehrkräftebildung erläutert und diese vor dem Hintergrund der außergewöhnlichen Erhebungssituation in den verschiedenen Phasen der Covid-19-Pandemie diskutiert. 5.1 Von beliefs und Vorstellungen: „messy constructs“ der teacher cognition 1992 hält der Sozialpsychologe Pajares unter Rückgriff auf Bandura und Dewey fest, dass beliefs schon in den „earliest philosophical contemplations“ (S. 307) als essenziell für das Verhalten von Personen erachtet wurden. Für den Bereich der Lehrkräftebildung gewinnt das Konstrukt jedoch erst in den 1970er Jahren an Relevanz. Wie Clark & Peterson schon Mitte der 1980er Jahre feststellen, lässt sich als ein Grund dafür die Fokusverschiebung auf die Introspektion von Lehrer*innen durch den wachsenden Einfluss des Konstruktivismus und der kognitiven Psychologie Mitte der 70er Jahre bestimmen: <?page no="96"?> 45 Herausforderungen bezüglich der empirischen Erfassung der Konstrukte werden in Kapitel 7 diskutiert. Prior to 1975, the dominant research paradigm was the process-product approach to the study of teaching effectiveness. Process-product researchers have been concerned primarily with the relationship between teachers’ classroom behavior, students’ classroom behavior, and student achievement. In contrast, the domain of research on teachers’ thought processes constitutes a paradigmatic approach to research on teaching which has only recently emerged. (1986, S. 257-261, hier zitiert in Phipps, 2010, S.-15) Phipps argumentiert, auf diesen Paradigmenwechsel bezogen, 25 Jahre später und mit Blick auf die Ausbildung von Sprachlehrkräften, dass die Erkenntnis, dass das Verhalten von Lehrkräften maßgeblich von internen, kognitiven und emotional-motivationalen Faktoren geprägt ist, den Weg für die Forschung zu teacher cognition, also „the study of what teachers know, think and believe“ (2010, S.-15) ebnete. Die Abkehr von der reinen Beobachtung des Verhaltens zur Untersuchung der Einflussfaktoren für das Handeln von Lehrkräften folgt damit der allgemeinen Abkehr vom behavioristischen Paradigma im Zuge der „kognitiven Wende“ (Kallenbach, 1996, S. 17). Im Rahmen der nun im Fokus stehenden internen Prozesse rücken neben Motivation und Emotion auch Kognitionen wie Wissensaktivierung, -konstruktion und -modifikation, und Wissensrepräsentation in den Blick (ebd.). Beliefs sind bis heute ein zentrales Konstrukt im Bereich von teacher cognition und werden dort in unterschiedlichen Zusammenhängen betrachtet. Dazu zählen u. a. die Untersuchung von fachspezifischen beliefs, die Genese und Veränderung von beliefs und der Einfluss von beliefs auf das Verhalten von Lehrkräften (Li, 2020, S. 5). In diesem Verständnis lässt sich teacher cognition als Oberbegriff für Forschung zu internen Prozessen von Lehrkräften fassen, zu denen auch (aber nicht ausschließlich) beliefs (und auch Vorstellungen) zählen. Auch wenn beliefs seit dem Paradigmenwechsel zur Untersuchung interner Prozesse bei Lehrer*innen eine zentrale Rolle einnehmen, heißt das nicht, dass in diesem Zeitraum ausschließlich oder auch nur vorwiegend beliefs im Zentrum des Interesses psychologischer und/ oder didaktischer Disziplinen standen. Und dies, obwohl dem Konzept der beliefs bereits in den 1990er Jahren enorme Relevanz für das Verhalten von Lehrer*innen zuge‐ sprochen wurde: More recently, Pintrich (1990) suggested that beliefs ultimately will prove the most valuable psychological construct to teacher education. Nevertheless, the implicit interest and fascination that educators and researchers have in beliefs have not become explicit, either in educational practice or in research endeavors […]. (Pajares, 1992, S.-308) Ein Grund für dieses scheinbare Spannungsverhältnis zwischen zugeschriebener Relevanz und der, zumindest 1990, noch kaum vorhandenen empirischen Forschung lässt sich in der begrifflichen Ambivalenz finden, mit der sich Arbeiten zu dem Thema, wie auch die Vorliegende, noch heute auseinandersetzen müssen. 45 Es ist kein Zufall, dass der gerade 96 5 Erläuterung des Forschungskonstrukts <?page no="97"?> von Pajares zitierte Artikel „Teachers’ Beliefs and Educational Research“ den Untertitel „Cleaning Up a Messy Construct“ trägt: […] defining beliefs is at best a game of player’s choice. They travel in disguise and often under alias-attitudes, values, judgments, axioms, opinions, ideology, perceptions, conceptions, concep‐ tual systems, preconceptions, dispositions, implicit theories, explicit theories, personal theories, internal mental processes, action strategies, rules of practice, practical principles, perspectives, repertories of understanding, and social strategy […]. (Ebd., S.-309) Zugegeben, einige der von Pajares 1992 genannten Begriffe haben über dreißig Jahre später, insbesondere im Rahmen eines spezifischen Bereichs wie der Fremdsprachendidaktik, eine abweichende Differenzierung erfahren oder ihre Relevanz im Diskurs eingebüßt. Nichtsdestotrotz sind auch in aktuelleren Arbeiten noch zahlreiche Begriffe und Begriffs‐ definitionen im Rahmen von beliefs und auch Vorstellungen zu finden (Knüsel Schäfer, 2020, S. 41-42; Manderfeld, 2020, S. 16; Voss et al., 2011, S. 236). Diese Heterogenität bei der Verwendung von Begriffen über Disziplinen und Forschungsschwerpunkte hinweg lässt auch Reusser und Pauli, über zwanzig Jahre nach Panjares Feststellung resümieren, dass bis heute Konsens darüber fehlt, was beliefs sind und ob und wie sie sich von Konstrukten wie Haltungen und Einstellungen, aber auch subjektiven Theorien abgrenzen lassen (2014, S.-642). Die vorliegende Arbeit nutzt den Begriff Vorstellungen, der sich im Folgenden eng an dem Konzept beliefs orientiert, jedoch nicht synonym verwendet wird. Um für die vorliegende Arbeit aus der Fülle von Begriffen und Definitionen eine nutzbare Arbeitsdefinition herauszukristallisieren und dabei den Unterschied zwischen beliefs und Vorstellungen zu erörtern, müssen allerdings zunächst verschiedene Definitionen und Eigenschaften von beliefs vorgestellt werden. Erst aus der Darlegung dieser grundlegenden Eigenschaften von beliefs, lässt sich anschließend in einem weiteren Unterkapitel das Konzept Vorstellungen relationieren und kontrastieren. Dabei wird deutlich, dass die beiden Begriffe zwar in einer engen Beziehung zueinanderstehen, je nach Lesart aber auch einen entscheidenden Unterschied aufweisen können. Aufbauend auf diesem Kontrast, können die beiden Begriffe schließlich auch mit einigen der von Pajares (1992) sowie Reusser und Pauli (2014) erwähnten synonymen oder ähnlich verwendeten Begriffen in Beziehung gesetzt werden. Insbesondere wird sich dabei von dem im fremdsprachendidaktischen Diskurs präsenten Konstrukt der subjektiven Theorien abgegrenzt. Nachdem die Beziehung der verschiedenen Begriffe zueinander verdeutlicht wurde, kann sodann eine vorläufige Arbeitsdefinition präsentiert werden. 5.1.1 Definitionen und Eigenschaften von beliefs Trotz der zahlreichen Synonyme und abweichenden Bedeutungszuschreibungen für den Begriff beliefs lassen sich 30 Jahre nach Pajares Versuch, den Begriff zu schärfen, einige Gemeinsamkeiten in den entstandenen Definitionen und Beschreibungen feststellen. Diese gilt es zu sortieren und in Bezug zu setzen, bevor die, wie im weiteren Verlauf gezeigt werden soll, enge Verbindung zu dem Konstrukt Vorstellungen verdeutlicht wird. 5.1 Von beliefs und Vorstellungen: „messy constructs“ der teacher cognition 97 <?page no="98"?> Ausgangspunkt für eine Arbeitsdefinition von beliefs ist die Arbeit von Pajares, der in seinem Versuch der Begriffsklärung bereits Definitionen zahlreicher Autor*innen in einem Werk versammelte. Unter Verweis auf Abelson (1979), der in seiner Arbeit „Differences between belief systems and knowledge systems“ unter anderem versuchte, elementare Bestandteile von beliefs aufzuschlüsseln, bietet Pajares zunächst die folgende Definition an: „Abelson (1979) defined beliefs in terms of people manipulating knowledge for a particular purpose or under a necessary circumstance“ (Pajares, 1992, S. 313). In diesem Verständnis sind beliefs also nicht mit knowledge bzw. Wissen gleichzusetzen, sondern beeinflussen Wissen unter bestimmten Umständen. Mit Brown und Cooney (1982) ergänzt Pajares, „beliefs are dispositions to action and major determinants of behavior“ (ebd.), während Harvey (1986, hier zitiert in Pajares, 1992, S. 313) sogar so weit geht, beliefs als „individual’s representation of reality“ zu beschreiben (ebd.). Demnach wären beliefs also mentale Konstrukte, die Wissen beeinflussen (Abelson), das Verhalten anregen und bestimmen (Brown & Cooney) und sogar die Repräsentation der Realität beeinflussen können (Harvey). Auch außerhalb der Arbeit von Pajares lassen sich zahlreiche Definitionen zu beliefs finden, die ihren jeweils eigenen Fokus legen. Schoenfeld beispielsweise beschreibt beliefs ebenfalls als mentale Strukturen, hebt dabei aber subjektive Erfahrungen hervor, die bei der Entstehung von beliefs eine Rolle spielen sollen (1998, S. 19). Manderfeld, um eine Arbeit aus dem aktuellen Diskurs zu nennen, hingegen ordnet beliefs bei Einstellungen und Emotionen als Verbundenheit mit einer Idee oder einem Objekt ein (2020, S.-20). Diesen Definitionen von beliefs ist gemein, dass sie beliefs als mentale Konstrukte konzeptualisieren, die in Verbindung zu Wissen stehen und dieses, wie auch das Ver‐ halten, beeinflussen können. Das Verständnis von beliefs als mentale Konstrukte, die in Zusammenhang mit Wissen, Handeln und Affekten stehen, erklärt das Zitat Pintrichs aus dem vorigen Kapitel, beliefs seien das „most valuable psychological construct to teacher education“ (S.-308), und begründet die Relevanz des Konstrukts für den Bereich der Lehrkräftebildung. Bislang ergibt sich aus den zitierten Erläuterungen jedoch noch keine systematische Struktur, die helfen würde, das „messy construct“ beliefs genauer zu verorten. Einen weiteren Versuch die Bestandteile von beliefs systematisch aufzuschlüsseln unter‐ nimmt Milton Rokeach, der bei beliefs zwischen drei Komponenten unterscheidet: […] a cognitive component, because it represents a person’s knowledge, held with varying degrees of certitude, about what is true or false, good or bad, desirable or undesirable; an affective component, because under suitable conditions the belief is capable of arousing affect of varying intensity centering around the object of belief […]; and a behavioral component, because the belief, being a response predisposition of varying threshold, must lead to some action when it is suitably activated. (1975, S.-113-114, Hervorhebungen im Original) Auch wenn alle drei von Rokeach genannten Komponenten in der einen oder anderen der bisherigen Definitionen auftauchten, treten hier bereits erste Widersprüche auf. In seiner Aufteilung wären beliefs eine Kombination von Wissen, zusammen mit einer affektiven und behavioralen Komponente. Bei Abelson heißt es jedoch noch, dass beliefs Wissen beeinflussen (und damit nicht selbst, auch nur zum Teil, aus Wissen bestehen können). 98 5 Erläuterung des Forschungskonstrukts <?page no="99"?> Tatsächlich führt die Frage nach der Unterscheidung zwischen Wissen und beliefs in einen mindestens zwei Dekaden andauernden Streit darüber, wo genau diese Unterscheidung liegt und ob eine Unterscheidung überhaupt möglich sei (Phipps, 2010, S. 16-17). Statt an dieser Stelle aber in aller Ausführlichkeit Fragen sicherlich lohnender, aber thematisch zu weit führender philosophisch-epistemologischer Natur zu bedienen, wird der pragma‐ tischen Natur Phipps Aussage gefolgt, dass dieser Konflikt vielleicht unlösbar, letztendlich aber auch nicht essenziell sei (ebd.). Für die Zwecke dieser Arbeit wichtiger als die Unterscheidung, ob beliefs nun Teil von Wissen sind oder Wissen lediglich beeinflussen, ist eine Differenz, die Manderfeld (2020) mit Blick auf die Arbeit von Op’t Eynde et al. (2002) verdeutlicht: Beliefs können als individuell (gültige) Konstrukte gesehen werden, während Wissen eine soziale bzw. intersubjektive Komponente enthält (S. 17). Wichtig dabei ist, dass beliefs in dieser Unter‐ scheidung keiner externen Evaluation bedürfen (ebd., S. 18). Eine Person kann demnach (unbewusst) individuell ein belief zu einem Sachverhalt oder Thema bilden, während Wissen extern validiert wird, beispielsweise durch Expert*innen oder im Diskurs. Dieser Umstand wird bei der Entstehung von beliefs, gerade für die Lehrkräftebildung noch seine Relevanz zeigen (siehe auch Kapitel-5.2). Einen weiteren Versuch das komplexe Konstrukt aufzuschlüsseln, unternimmt der bereits erwähnte Bildungswissenschaftler Schoenfeld in seiner Arbeit „Towards a theory of teaching in context“ (1998). Neben seiner Einordnung von beliefs als mental constructs, also codifizierten Erfahrungen und Ansichten (ebd., S. 19), listet er für die Lehr-/ Lernkontext relevante Typen von beliefs auf. Er unterscheidet dabei zwischen: • beliefs about the nature of subject matter (in general and with regard to the specific topics being taught); • beliefs about the nature of the learning process (both cognitive and affective); • beliefs about the nature of the teaching process and the roles of various kinds of instruction; • beliefs about particular students and classes of students. (Ebd., S.-20) Diese Einteilung nach Typen von beliefs ist für die vorliegende Arbeit besonders wertvoll. So lässt sich das übergreifende Thema der Digitalität und digitalen Transformation allen vier Punkten zuordnen. Digitalität kann als übergreifendes und fachspezifisches Thema verstanden werden, ist mit unterschiedlichen beliefs zu ihrem Einfluss auf den Lehr-/ Lernprozesse versehen und eruiert nicht zuletzt auch immer wieder beliefs über generationale Unterscheidungen zwischen Lehrer*innen und Schüler*innen. Ein Beispiel ist der äußerst hartnäckige, aber umstrittene Mythos der digital natives (Petko et al., 2018, S.-162). Neben den bis hierhin genannten Definitionen, lassen sich in der Forschungsliteratur der letzten 45 Jahre noch zahlreiche weitere Definitionen und Klassifikationen von beliefs finden. Dazu zählt die ebenfalls von Schoenfeld getroffene Unterscheidung zwischen attribute beliefs (beliefs, die einer Person zugesprochen werden) und professed beliefs (beliefs, die Personen in Selbstauskunft nennen) (Schoenfeld, 1998, S. 19), der Fokus auf value beliefs (der Wert, der einer Aktivität zugesprochen wird) im Rahmen der Expectancy-Value Theory (Wigfield, 2000,-S. 68) und Abelsons Unterscheidung zwischen „[e]xistential presumption, 5.1 Von beliefs und Vorstellungen: „messy constructs“ der teacher cognition 99 <?page no="100"?> 46 Für eine ausführliche Zusammenfassung der Forschungsliteratur bis 1992 siehe auch Pajares (1992, S. 324-326), für weitere, aktuelle Zusammenfassungen von Konstrukten rundum beliefs siehe z. B. Manderfeld (2020), Knüsel Schäfer (2020) oder Weck (2020). alternativity, affective and evaluative loading, and episodic structure“ (Abelson, 1979, hier zitiert in: Pajares, 1992, S. 309), die die Intensität und Veränderbarkeit von beliefs bestimmen soll. Die Aufzählung ließe sich fast endlos fortführen. 46 Für ein vollständiges Begriffsver‐ ständnis im Rahmen dieser Untersuchung und zur Entwicklung einer Arbeitsdefinition ist es aufgrund der eingangs erwähnten Unschärfe bei der Verwendung von Konstrukten wie beliefs, zwischen verschiedenen Disziplinen, Perioden und auch Autor*innen gewinnbrin‐ gender, an dieser Stelle die Beziehung zu und Abgrenzung von verwandten Begriffen zu verdeutlichen. Aus diesem Grund wird im Folgenden mit einem Vergleich von beliefs und Vorstellungen begonnen. Davor sollen jedoch als Zwischenfazit einige für den Kontext dieser Arbeit unverzichtbare Eigenschaften von beliefs festgehalten werden: Beliefs-… • … sind interne, mentale Konstrukte und unterscheiden sich von Wissen dahingehend, dass sie keiner externen Validierung bedürfen (von Op’t Eynde et al., 2002), • … können Wahrnehmung und Verhalten beeinflussen (Harvey, 1986; Brown & Cooney, 1982), • … haben eine kognitive, affektive und behaviorale Komponente (Rokeach, 1975), • … können sich auf verschiedene Bereiche des Lehr-/ Lernkontexts beziehen, dazu zählen einzelne Themen, der Lernprozess, der Lehrprozess und die Lernenden (Schoenfeld, 1998), und • … variieren in ihrer Intensität und Veränderbarkeit (Abelson, 1979; aber auch Cheng & Xie, 2018; Pajares, 1992; Pappamihiel et al., 2017). 5.1.2 Beliefs oder Vorstellungen? Gemeinsamkeiten und ein möglicher Unterschied Es ist zunächst unerlässlich ein genaues Verständnis von Vorstellungen zu erarbeiten, um deren Verhältnis zum Konstrukt beliefs im Kontext der vorliegenden Arbeit zu verstehen. Denn mehr noch als bei den danach folgenden Vergleichen, gestaltet sich die Beziehung zwischen beliefs und dem in der vorliegenden Studie verwendeten Konstrukt Vorstellungen als ambivalent. So lässt sich zeigen, dass Vorstellungen und beliefs im Diskurs häufig eng miteinander verbunden sind, was die Bestimmung der Beziehung zueinander (synonym? subsumierend? ) schwierig gestaltet. Tatsächlich scheinen Vor‐ stellungen oft die gleichen Eigenschaften wie beliefs zugesprochen zu werden, was eine Abgrenzung weiter verkompliziert. Erschwerend hinzu kommt, dass Vorstellungen teils als conceptions und teils als beliefs übersetzt werden (Reusser & Pauli, 2014, S.-647-648). Trotz dieses engen Verhältnisses und den großen definitorischen Überschneidungen kann es sich allerdings lohnen, die Begriffe nicht einfach als Synonyme zu betrachten. Bei der Kontrastierung lässt sich tatsächlich argumentieren, dass sich ein möglicher 100 5 Erläuterung des Forschungskonstrukts <?page no="101"?> Unterschied in den Konzepten betonen lässt, der auch für Methodik und das Forschungs‐ interesse dieser Studie eine Rolle spielt. Der Begriff Vorstellungen mag im Rahmen einer Arbeit im Bereich der Fremdsprachendi‐ daktik ggf. insgesamt überraschen. Ursprünglich wird das Konstrukt in naturwissenschaft‐ lichen Didaktiken, insbesondere der Didaktik der Mathematik genutzt, während im Bereich der Fremdsprachendidaktik scheinbar vor allem der Begriff subjektive Theorien genutzt wird (siehe auch Kapitel 5.1.4). Das führt dazu, dass hier nicht zwangsläufig ein eindeutiges Verständnis davon besteht, was Vorstellungen sind, oder dass sie überhaupt als eigens zu definierendes Forschungskonstrukt behandelt werden sollten. Beispielhaft lässt sich dieser Umstand an folgendem Zitat illustrieren: Caspari stellt fest, dass die eigenen Lernerfahrungen der Lehrkräfte ihre Vorstellungen von Fremdsprachenlernen und Fremdsprachenunterricht direkt beeinflussen, indem sie ihre Erfah‐ rungen an ihre Schüler weitergeben möchten. Am Beispiel der Komponente „Auffassungen von Fremdsprache(n)“, die stark durch die eigenen Lernerfahrungen geprägt ist, zeigt sie, wie diese Komponente indirekten Einfluss auf den Unterricht nimmt. (Weck, 2020, S. 41, Hervorhebung C.-K.) In diesem Zitat scheinen Vorstellungen und Auffassungen synonym verwendet zu werden, keiner der Begriffe wird aber genauer erläutert. Stattdessen bezieht sich die Arbeit im Ganzen stärker auf das Konstrukt subjektive Theorien, die wiederum aber nicht mit Vorstellungen synonym verwendet zu werden scheinen. In anderer Literatur wird sich zwar auf den Begriff subjektive Theorien, jedoch gar nicht auf den Begriff Vorstellungen bezogen (z. B. de Florio-Hansen et al., 1998; Kallenbach, 1996; Schmenk, 2015). Es scheint mit anderen Worten zeitweise herausfordernd, den Begriff Vorstellungen - und damit auch den der beliefs - zu verorten, während der Begriff subjektive Theorien, der jedoch nicht als Synonym zu sehen ist, speziell in fremdsprachendidaktischen Arbeiten häufiger Verwendung findet. Gleichzeitig lässt sich jedoch zeigen, wie sich beide Konzepte - insbesondere aber Vorstellungen - von dem Konzept subjektiver Theorien abgrenzen lassen, bzw. abgegrenzt werden sollten. Vor der notwendigen Abgrenzung zu subjektiven Theorien, muss aber die Beziehung von beliefs und Vorstellungen verdeutlicht werden. Woraus bestehen also nun Vorstellungen und wie ist das Konstrukt mit beliefs zu relationieren? Manderfeld beschreibt in ihrer Dissertation zu Vorstellungen in der Mathematikdidaktik das Konstrukt unter Bezug auf Sfard (1991) als „Cluster interner Repräsentationen und Assoziationen“ (Manderfeld, 2020, S. 26). Diese Beschreibung scheint sich zunächst gut in die vorherigen Ausführungen zu beliefs zu fügen, was auch das enge Verhältnis der beiden Begriffe zueinander erklärt. So gibt es unterschiedliche (und sich zum Teil widersprechende) Beschreibungen des Verhältnisses zwischen beliefs und Vorstellungen (vgl. z. B. Manderfeld, 2020, S. 20; Op’t Eynde et al., 2002, S.-27; Törner, 2002, S.-75). Unter Bezug auf Knüsel Schäfer (2020) lässt sich für die vorliegende Arbeit trotz der beschriebenen Unklarheiten eine relevante Unterscheidung zwischen beliefs und Vor‐ stellungen festhalten. Denn die Betrachtung von Vorstellungen als Assoziationscluster enthält - trotz der Überschneidungen mit beliefs - noch nicht notwendigerweise den zeitlichen Aspekt eines langfristig verfestigten und stabilen mentalen Konstrukts, der 5.1 Von beliefs und Vorstellungen: „messy constructs“ der teacher cognition 101 <?page no="102"?> weiter oben für beliefs diskutiert wurde. Dies verdeutlicht wiederum ein weiteres Problem, was sich aus der heterogenen Definition der „messy constructs“ ergibt: Ab wann lässt sich von verfestigten, subjektiven, mentalen Strukturen sprechen? Wenn sich ein Unterschied zwischen beliefs und Vorstellungen ergibt, so scheint dieser Unterschied damit bis hierhin vor allem die Frage nach Strukturiertheit und zeitlichen Stabilität der mentalen Konstrukte zu betreffen. Diese Überlegung passt wiederum gut zu den Ausführungen von Knüsel Schäfer, die bei Überzeugungen und beliefs von „andauernden individuellen Vorstellungen“ (2020, S. 42-43, Hervorhebung C. K. ) spricht. Mit anderen Worten: Vorstellungen sind, wie auch beliefs, interne Repräsentationen und Assozia‐ tionen, die durch ein Konzept evoziert werden. Im Konstrukt Vorstellungen ist aber noch nicht im gleichen Maße die zeitliche Stabilität und damit verbundene Strukturierung angelegt. Vor dem Hintergrund dieser Überlegungen lässt sich für eine mögliche Differenzierung zwischen den Begriffen plädieren, die am Forschungsinteresse festgemacht wird: werden über viele Jahre verfestigte und stabile, oder zeitlich sensiblere mentale Strukturen un‐ tersucht? Diese Differenzierung ist wiederum wichtig, weil die zeitliche Dimension für methodische Fragen einer Studie eine Rolle spielen kann (siehe auch Kapitel 5.3 und 7.5). Um einen möglichen Unterschied in der zeitlichen Dimension zu betonen, wird in der vorliegenden Studie der Begriff Vorstellungen verwendet. Damit wird sich zugleich von der Behauptung abgegrenzt, über viele Jahre verfestigte und ausdifferenzierte, subjektive Strukturen zu erheben, wie es bei beliefs und insbesondere auch bei subjektiven Theorien (siehe Kapitel 5.1.4) oft impliziert wird. Mit anderen Worten: Vorstellungen werden für die vorliegende Arbeit zwar in ihren grundlegenden Eigenschaften als Synonym zu beliefs betrachtet, betonen aber eine zeitlich sensiblere und weniger verfestigte mentale Struktur. In diesem Verständnis würden sich Vorstellungen also über die Jahre erst zu beliefs verfestigen. Wie bei allen anderen Begriffen lässt sich auch dieses Verständnis von Vorstellungen nicht gänzlich eindeutig in dem heterogenen Diskurs rundum teacher cognition verankern. Entsprechend gilt es die Begriffe weiter auszudifferenzieren, um anschließend eine inhalt‐ lich begründete und für das Forschungsvorhaben passende Arbeitsdefinition präsentieren zu können. 5.1.3 Verwandte Begriffe: Überzeugungen, Concept Image, Einstellungen und Emotionen Um die verschiedenen verwandten oder synonymen Begriffe für die vorliegende Untersuchung fruchtbar zu machen, werden diese in jeweils eigenen Abschnitten vorgestellt. Anschließend wird für jeden Begriff erläutert, inwiefern die Betrachtung ein genaueres Verständnis zur Einordnung von beliefs bzw. Vorstellungen ermöglicht. Diese Einordnung wird dann in 5.1.5 vervollständigt und zusammengefasst. Anhand des so gewonnenen Verständnisses der Beziehung zwischen den Konstrukten kann schließlich eine Arbeitsdefinition für Vorstellungen im Rahmen der vorliegenden Studie präsentiert werden. 102 5 Erläuterung des Forschungskonstrukts <?page no="103"?> Überzeugungen Im deutschsprachigen Raum gab es bis vor einigen Jahren eine uneinheitliche Überset‐ zung für beliefs, was die Unklarheit des Begriffs noch verstärkte (Reusser & Pauli, 2014, S. 643). Seit den frühen 2000er Jahren setzt sich jedoch zunehmend der Begriff Überzeu‐ gungen durch, insbesondere im Rahmen der empirischen Lehrkräftebildung (ebd.). Eine Betrachtung der zugeschriebenen Eigenschaften und Wirkungen von Überzeugungen zeigt außerdem, dass der Begriff Überzeugungen aus diesem Bereich große Überschneidungen mit dem gerade zusammengefassten Verständnis von beliefs aufweist: Überzeugungen sind affektiv aufgeladene, mentale Konstrukte, die sowohl Wahrnehmung als auch Verhalten verändern können. (Oser & Blömeke, 2012, S. 415-416; Reusser & Pauli, 2014, S. 643). Aus diesem Umstand und dem weitgehenden Konsens in der empirischen Lehrkräftebildung ergibt sich für die vorliegende Arbeit, dass beliefs und Überzeugungen als synonym be‐ trachtet werden können. Der Begriff beliefs betont allerdings die Genese des Konstrukts im internationalen Diskurs der 1970er Jahre. Relevant wird die Inklusion von Überzeugungen an dieser Stelle vor allem dadurch, dass die Übersetzung die Brücke von beliefs zum deutschsprachigen Diskurs zur Professionalisierung von Lehrkräften schlägt. Hier werden Überzeugungen als maßgeblicher Bestandteil der professionellen Kompetenz ausgewiesen (ebd.). Concept image und concept definition In der stärker kognitiven Ausprägung lassen sich beliefs und Vorstellungen auch mit einem weiteren, ursprünglich aus der Mathematikdidaktik stammenden, Konzept des concept images kombinieren. Tall & Vinner definieren dieses als kognitive Struktur, die mit einem Konzept - im Fall dieser Arbeit Digitalität oder digitale Transformation - verbunden ist (1981, S. 152). Das Konstrukt, so die Mathematiker weiter, enthält alle mentalen Bilder und Eigenschaften, die dem Konzept zugesprochen werden. Es wird über Jahre aufgebaut und verändert sich mit der Zeit durch neue Eindrücke (ebd.). Die Beschreibung von beliefs als mentale Struktur findet sich bereits bei Schoenfeld (1998, S. 19). Tall und Vinner versuchen genauer zu erläutern, woraus diese Struktur besteht. Bei näherer Betrachtung der Ausführungen wird das concept image um eine sogenannte concept definition ergänzt, die eine Reihe von Worten beschreibt, die das jeweilige Konzept spezifiziert (ebd., S. 151). Manderfeld (2020, S. 13) greift den Begriff schließlich auf und schlussfolgert: „Eine ‚Concept Definition‘ wird daher als im Indivi‐ duum verankert dargestellt und ist durch Subjektivität gekennzeichnet. Die Definition ist eine persönliche Rekonstruktion des mathematischen Konzepts“. Wie Vorstellungen und beliefs sind concept image und concept definition also individuell-subjektive, mentale Konstrukte eines Konzeptes wie der Mathematik, aber auch Konstrukten wie der Digitalität und digitalen Transformation. Genauer lässt sich Inhalt und das Verhältnis von concept image und concept definition in dem von Rösken und Rolka (2007) erstellten Diagramm darstellen: 5.1 Von beliefs und Vorstellungen: „messy constructs“ der teacher cognition 103 <?page no="104"?> Abbildung 6: Veranschaulichung des Concept Image und der Concept Definition (Rösken & Rolka, 2007, S.-184) Laut Rösken und Rolka (2007) ist das concept image aus verschiedenen mentalen Bildern, Eindrücken und Erfahrungen zusammensetzt, die in einer kognitiven Struktur vereint werden. Hieraus ergibt sich die persönliche concept definition der Person. Anders als in diesem Diagramm für ein spezifisches mathematisches Konzept dargestellt, muss im Rahmen der vorliegenden Arbeit einschränkend betont werden, dass eine formal concept definition für Digitalität nicht gegeben werden kann. Das heißt wiederum nicht, dass Digi‐ talität als Begriff arbiträr ist und nicht in seinen Eigenschaften akkurat beschrieben werden kann. Jedoch geschieht dies vielmehr im Rahmen der Zuschreibung von Eigenschaften als einer spezifischen Definition. Der Blick auf die Ausführungen zu concept images ermöglicht eine genauere Beschrei‐ bung der Struktur der Begriffe als mentales Konstrukt. Diese bestehen demnach in ihrer kognitiven Komponente aus mentalen Bildern, Erfahrungen, Eindrücken und zugeschrie‐ benen Eigenschaften eines Konzepts, die sich in einer übergeordneten mentalen Struktur, dem concept image bündeln. Wie aber lassen sich die affektiven Bestandteile genauer bestimmen? Wie bereits bei der vorgeschlagenen Synthese zwischen Manderfelds und Rokeachs Auffassung zu beliefs erwähnt, lässt sich argumentieren, dass sie zu einem variierenden Erregungszustand in Bezug zu dem Objekt des beliefs führen können (Rokeach, 1975, S. 113- 114). Der aus Affekten bestehende Erregungszustand wiederrum würde, nach Manderfeld, durch Einstellungen und Emotionen ausgelöst (2020, S. 20). Um die affektive Komponente zu verstehen, sollten diese beiden Begriffe also genauer betrachtet werden. 104 5 Erläuterung des Forschungskonstrukts <?page no="105"?> Einstellungen & Emotionen Einstellungen oder attitudes, sind ein Konstrukt, welches ursprünglich aus der Sozialpsy‐ chologie stammt und dort im Jahr 1918 zum ersten Mal auftaucht (Venus, 2017, S. 34-36). 1935 gibt der Psychologe Allport schließlich eine Definition, die bis heute vielfach rezipiert wird: „An attitude is a mental and neural state of readiness, organized through experience, exerting a directive and dynamic influence upon the individual’s response to all objects and situations with which it is related“ (1935, S. 810). Es mag an dieser sehr weiten Definition liegen, dass attitudes und beliefs teilweise austauschbar verwendet werden: The purpose of this article is to report the results of a study in which the authors investigated the beliefs of preservice teachers […] preservice teachers’ perspectives on language, and beliefs about their preparedness […] In this study, preservice teacher participants viewed digital stories created by DLLs in grades K-12 to see what kind of effect, if any, these stories had on their attitudes. (Pappamihiel et al., 2017, S.-1, Hervorhebung C. K.) In dieser Studie zu den beliefs von Lehramtsanwärter*innen werden in einem Abschnitt sogar gleich drei verschiedene Begriffe für beliefs genannt. Dass im weiteren Verlauf der Studie keine Unterscheidung zwischen den beiden Begriffen beliefs und attitudes getroffen wird, sondern die beiden sofort gleichzeitig in einem Kapitel „Teacher attitudes and beliefs“ (ebd.) diskutiert werden, zeigt ähnlich wie bereits beim Begriff Vorstellungen, wie schwierig die begriffliche Abgrenzung sein kann. In dem bisher beschriebenen Verständnis von beliefs wird jedoch deutlich, dass attitudes nicht synonym zu beliefs betrachtet werden können, sondern lediglich einen Teil der affektiven Komponente von beliefs ausmachen. Da die zitierte, gängige Definition von attitudes als mentaler Zustand dem Verständnis von beliefs dem bereits mit Rokeach zitierten Verständnisses der affektiven Komponente nichts hinzufügt, wird, soll stattdessen der Begriff der Emotion betrachtet werden. Eine für den Zusammenhang zu Vorstellungen und beliefs besonders aufschlussreiche Beschreibung gibt erneut ein Mathematikdidaktiker, Gerald Goldin: „[Emotions are] rapidly changing states of feeling, mild to very intense, that are usually local or embedded in context“ (2002, S. 61). Damit lässt sich zwischen schnell veränderlichen, lokal-kontextua‐ lisierten mentalen Zuständen (Emotion) und vergleichsweise stabilen und strukturierten mentalen Zuständen (beliefs) unterscheiden. Diese Beschreibung ähnelt Rokeachs Beschrei‐ bung des Affekts, spezifiziert aber gleichzeitig, dass dieser Affekt schnell veränderlich und lokal kontextualisiert ist, also nur in spezifischen Kontexten auftritt. Diese, zugegeben stark verkürzte, Betrachtung von Emotionen ermöglicht also zwei zusätzliche Aussagen zum Verständnis der Konstrukte im Rahmen dieser Arbeit. Zum einen lässt sich argumentieren, dass die affektive Komponente, anders als die kognitive Komponente, auch aus schnell wechselnden, lokal-spezifischen Erregungszuständen besteht. Gleichzeitig wird aus dieser Beschreibung deutlich, dass für die Betrachtung eines umfassenden Konstrukts wie der digitalen Transformation die kognitiven Komponenten von Vorstellungen und beliefs besonders interessant scheinen, da bei affektiven Komponenten die Gefahr bestünde, sich in ständig wandelnden Einzelkontexten zu verlieren, ohne übergreifende Strukturen bei den zu untersuchenden Personen bestimmen zu können. Das heißt gleichzeitig nicht, dass affektive Komponenten keine Relevanz für die anderen Konstrukte hätten, da sie, wie mit 5.1 Von beliefs und Vorstellungen: „messy constructs“ der teacher cognition 105 <?page no="106"?> Rokeach angeführt, einen Teil der starken Handlungsauswirkungen von beliefs erklären können. Bevor in einem Zwischenfazit eine Arbeitsdefinition von beliefs bzw. Vorstellungen, inklusive seiner Bestanteile gegeben werden kann, sollen diese noch mit einem zunächst letzten Konstrukt in Beziehung gesetzt werden. Dieser Schritt folgt, um sich zu der fremd‐ sprachendidaktischen Tradition der Forschung zu subjektiven Theorien zu positionieren und gleichzeitig das bis hierhin erarbeitete Verständnis von Vorstellungen zu festigen. 5.1.4 Abgrenzung zu subjektiven Theorien Ähnlich wie bei den vorherigen Konstrukten entstand das verstärkte Interesse zur Erfor‐ schung von subjektiven Theorien im Zuge der Abkehr vom Behaviorismus hin zu stärker kognitiv orientierten Forschungsansätzen, die kognitive Strukturen und interne Prozesse der Lehrenden in den Fokus nehmen (Kallenbach, 1996, S. 17). Im Kern der Betrachtung von subjektiven Theorien steht die Annahme, dass Lehrende in ihrem Handeln nicht nur auf Theoriewissen, sondern (vor allem) auf ihr Erfahrungswissen zurückgreifen (z. B. de Florio-Hansen et al., 1998; Schmenk, 2015; Weck, 2020; Woods, 1996). Wenn Lehrkräfte sich mehr von subjektiven Theorien als von Theoriewissen leiten lassen und das Theoriewissen immer vor dem Hintergrund der subjektiven Theorien bewertet wird, scheint es evident, wieso dem Begriff solche Aufmerksamkeit zu teil werden sollte: Wenn in der Theorie gelehrt wird, dass Digitalität massive Auswirkungen auf Lehrinhalte, Lehrmethoden und Prüfungskultur haben sollte, die subjektive Theorie der Lehrkraft zu Digitalität sich aber auf Digitalisierung im Sinne beispielsweise einer iPad-Klasse für vermeintlich motivierendes drill and practice beschränkt, würde die Lehrkraft Digitalität verwerfen und Digitalisierung in ihr Handeln integrieren. Woraus bestehen subjektive Theorien aber, dass ihnen eine solche Wirkmächtigkeit zugesprochen wird? In dem eigens dafür eingerichteten „Forschungsprogramm Subjektive Theorien“ de‐ finieren die Autoren diese als „Kognitionen der Selbst- und Weltsicht, als komplexes Aggregat mit (zumindest impliziter) Argumentationsstruktur, das auch die zu objektiven (wissenschaftlichen) Theorien parallelen Funktionen der Erklärung, Prognose, Technologie erfüllt“ (Groeben et al., 1988, S. 19). Ähnlich wie Vorstellungen und beliefs sind sie also (subjektive), kognitive Konstrukte. Gleichzeitig, wie im zweiten Bestandteil des Begriffs bereits deutlich wird, nehmen subjektive Theorien auch die Funktion der Erklärung und Prognose ein, was den vorherigen Konstrukten in der bisher diskutierten Literatur so nicht zugeschrieben wurde. Auch die in fremdsprachendidaktischen Diskursen vielfach rezipierte Arbeit Kallenbachs betont die Funktionen der (subjektiven) Theorie als erklärend, ordnend und prognostizierend (1996, S. 34). Sie differenziert damit bewusst zwischen einer subjektiven Theorie und einer subjektiven Wissensansammlung. In der Betonung des Begriffsbestandteils Theorie und seiner Funktionen wird auch der größte Unterschied zwischen den bisher besprochenen Konstrukten und subjektiven Theorien deutlich. Während Vorstellungen und beliefs sich, neben möglichen affektiven Komponenten, vor allem auf den subjektiven Wissensaspekt beziehen, beschreibt das Konzept subjektive Theorie den Schritt von der subjektiven Ansammlung von Wissen hin zu einer subjektiven, vollwertigen Theorie (Groeben et al., 1988, S. 19). In dieser Lesart ist 106 5 Erläuterung des Forschungskonstrukts <?page no="107"?> 47 Rahmen meint hier den Rahmen bezüglich der Studienteilnehmer*innen. Studierende aus unter‐ schiedlichen Kursen, in unterschiedlichen Phasen ihres Studiums und mit stark unterschiedlichen Praxiserfahrungen wurden, mit der einzigen Voraussetzung, dass Sie den Master of Education Englisch Studieren, für die Studie berücksichtigt. auch eine direkte Übersetzung von beliefs als subjektive Theorien, wie sie bspw. Weck (2020, S. 187-188) vornimmt, im Rahmen der vorliegenden Arbeit abzulehnen. Beliefs können, je nach genauer Interpretation, als Bestandteil von subjektiven Theorien gesehen werden, bleiben aber ein eigenständiges Forschungskonstrukt. Bevor als Zwischenfazit eine Arbeitsdefinition gegeben wird, bleibt nach dieser Beschrei‐ bung noch zu beantworten, wieso im Rahmen dieser Arbeit nicht das Konstrukt subjektive Theorien genutzt wird. Schließlich ist dieses in der Fremdsprachendidaktik etabliert und, so ließe sich zumindest aus Sicht der Forschung zu subjektiven Theorien argumentieren, umfassen subjektive Theorien noch mehr, als es die Betrachtung der Vorstellungen oder beliefs. Mit Blick auf das Forschungsinteresse ergeben sich jedoch sowohl Argumente gegen die Nutzung subjektiver Theorien als auch für die Betrachtung von Vorstellungen. Aus der Komplexität von subjektiven Theorien ergibt sich, dass diese meist qualitativ rekonstruiert werden müssen. Diese Rekonstruktion erfolgt darüber hinaus für jeden Fall individuell und in enger Zusammenarbeit mit dem jeweiligen Individuum (Reusser & Pauli, S.-647). Daraus folgt, dass sich Studien zu subjektiven Theorien meist auf kleine, einstellige Fallzahlen beschränken müssen, die eine derart detaillierte Rekonstruktion zulassen (siehe z. B. Mertes, 2020; Weck, 2020). Eine kleine Fallzahl ist, gerade im rekonstruktiven Bereich, nicht per se negativ anzusehen, doch erlaubt der extreme Fokus auf einige wenige Fälle und stabile Konstrukte nicht den gleichen Überblick über eine sich unvorhersehbar wandelnde Situation zu einer spezifischen Zeit, wie es die vorliegende Arbeit anstrebt. Im Rahmen der Studie wurde durch die dynamischen äußeren Umstände der Covid-19-Pandemie und den weitreichenden Erhebungszeitraum sowie -rahmen 47 eine Vielzahl unterschiedlicher, aber gleichermaßen relevanter Einzelerfahrungen erwartet. Durch die Einzigartigkeit und zuvor unbekannte Dimension digitaler Lehr-/ Lernerfahrungen, so die Annahme, sind eventuelle Einflüsse der pandemiebedingten Semester außerdem nicht in stärker strukturierte subjek‐ tive Theorien übergegangen, wie es beispielsweise bei subjektiven Theorien zu Lernprozessen von in-service-Lehrkräften der Fall wäre. Das Argument, mit dem Vorstellungen von beliefs unterschieden wurden, gilt für die Abgrenzung von subjektiven Theorien also umso mehr. Forschungspragmatisch bietet der Fokus auf Vorstellungen darüber hinaus, in einer zum Erhebungszeitpunkt schlecht vorhersehbaren weiteren Entwicklung, einen größeren Frei‐ raum bei der Erhebung und Auswertung. So sind bei der Untersuchung von Vorstellungen (und z. T. auch bei beliefs) in dem in dieser Arbeit entwickelten Verständnis, anders als bei Subjektiven Theorien, sowohl weitere qualitative Methoden als sogar quantitative Methoden vorstellbar (Knüsel-Schäfer, 2020, S. 42; außerdem Cheng & Xie, 2018; Hsu et al., 2017; Reusser & Pauli, S. 647). Vielleicht lässt sich durch die größere methodische Vielfalt bei auch erklären, dass diese Konstrukte, oft anders als subjektive Theorien, in ihren Bestandteilen besonders auch in internationalen Forschungsdiskursen gut Anschlussfähig sind (Knüsel-Schäfer, 2020, S.-42; Reusser & Pauli, 2014, S.-643). Somit lässt sich zusammenfassend festhalten, dass es zwischen subjektiven Theorien und den anderen Konstrukten keinen vermeintlich richtigeren, besseren oder genaueren 5.1 Von beliefs und Vorstellungen: „messy constructs“ der teacher cognition 107 <?page no="108"?> Begriff gibt, sich Vorstellungen aber spezifisch für das Forschungsinteresse und vor allem die dynamische Erhebungssituation eignen, einen größeren methodischen Spielraum gewähren und weitere internationale Anschlussfähigkeit ermöglichen. Konstrukte wie subjektive Theorien sollten hingegen vor allem für Studien vorbehalten sein, die sich einer über viele Jahre entstandenen und stabilen Struktur nähern, wie beispielsweise subjektive Theorien zur Funktion von Grammatik (Schmenk, 2015), wo subjektive Theorien über die Jahre der eigenen Schulzeit oder Jahrzehnten im Lehramt entstanden sein können. 5.1.5 Zwischenfazit III: Schaubild und Arbeitsdefinition Vorstellungen Um aus dem facettenreichen Diskurs zu Vorstellungen und verwandten Begriffen, Syn‐ onymen, Ober- und Unterkategorien ein für den Anspruch der Arbeit ausreichend dif‐ ferenziertes und vollständiges Begriffsverständnis herauszukristallisieren, wird sich in drei Schritten einer Arbeitsdefinition angenähert. Zunächst wird in einem Schaubild die Beziehung aller bisher erarbeiteten Begriffe dargestellt. Dabei wird die Dimension der zeitlichen Veränderbarkeit betont. Anschließend wird eine allgemeine Arbeitsdefinition zu Vorstellungen im Verständnis der vorliegenden Arbeit gegeben, die schließlich in 5.2 für digitalitätsbezogene Vorstellungen erweitert und spezifiziert wird. Die Abbildung zeigt eine Verortung der bis hierhin diskutierten Begriffe aus der Perspektive der (Englisch-)Lehrkräftebildung. Es ist als neutrale Rahmung der einzelnen Begriffe zu verstehen, der Aufbau soll nicht vermitteln, dass Begriffe relevanter oder weniger relevant für Forschungsvorhaben sind. Stattdessen kann nur im Rahmen eines spezifischen Forschungsprojekts für ein bestimmtes Konstrukt argumentiert werden, wie in der Abgrenzung von subjektiven Theorien für das vorliegende Forschungsvorhaben skizziert. Es ist außerdem zu beachten, dass das Schaubild aufgrund der Vielzahl der Diskurse keine allgemeine Gültigkeit beanspruchen kann. Es ist stattdessen, aufbauend auf die Grundlagen der Sozialpsychologie und mit Bestandteilen aus Fachdidaktik, Bildungs‐ wissenschaft und Soziologie angereichert, spezifisch für den Bereich der Lehrkräftebildung konzipiert. Alle Begriffe innerhalb des Schaubilds werden anhand von zwei Achsen eingeordnet und zueinander in Beziehung gesetzt. Die transparenten Achsenlinien verdeutlichen, dass mit der Unterscheidung zwischen affektiv und kognitiv als auch auf der Ebene der zeitlichen Veränderbarkeit keine distinkten, oder gar binäre Unterscheidungen gemeint sind. So zeigt sich bspw. für den in dieser Arbeit im Kern stehenden Begriff Vorstellungen, dass ein leicht kognitiver Fokus gelegt wird, aber trotzdem eher affektiv verortete Begriffe wie Emotion und Einstellung Bestandteil des Konstrukts sind. Insgesamt wird verdeutlicht, dass das Konstrukt subjektive Theorien zu einem eher verfestigtem Begriffsverständnis tendiert, während Vorstellungen zeitlich flexibler eingeordnet werden. Außerdem zeigt das Schaubild, dass sich Emotionen, Einstellungen und das concept image unter Vorstellungen und beliefs subsumieren lassen. 108 5 Erläuterung des Forschungskonstrukts <?page no="109"?> 48 Es ließe sich bspw. weiterhin diskutieren, wie Vorstellungen und beliefs zum Gesamtkonzept teacher cognition stehen oder ob noch weitere verwandte Konstrukte in Beziehung gesetzt werden sollten. Abbildung 7: Beziehung von Vorstellungen zu verwandten Konstrukten im Rahmen dieser Arbeit, eigene Darstellung Anders als beim concept image, das definitionsgemäß (ausschließlich) aus Eindrücken, zugeschriebenen Eigenschaften, Erfahrungen und mentalen Bildern zu einem Objekt oder Konzept besteht (Rösken & Rolka, 2007, S. 184) ist die Beschreibung von Vorstellungen und beliefs, je nach Forschungstradition, weder vollständig noch eindeutig. 48 In den letzten drei Unterkapiteln wurde jedoch versucht, die hier getroffene Auswahl an Begriffen und ihre Relationierung ausführlich zu begründen. Zwar hätten noch zahlreiche weitere Diskurse und Begriffe Eingang in diese Begründung und letztendlich in das Schaubild erhalten können, stattdessen soll an dieser Stelle aber der schon in 5.1.1 erwähnte, von Phipps vorgeschlagene pragmatische Weg gewählt werden. Statt das Begriffsverständnis also weiter zu verkomplizieren, wird in 5.2 gezeigt, dass das bis hierhin erarbeitete Verständnis im Rahmen des Forschungsinteresses gut geeignet ist, digitalitätsbezogene Vorstellungen zu identifizieren, ihre Rolle zu beschreiben und ihre Untersuchung zu rechtfertigen. Auf Basis der dargestellten Überlegungen lautet die Arbeitsdefinition von Vorstellungen wie folgt: Vorstellungen sind subjektive, mentale Konstrukte, die sowohl kognitive Bestandteile als auch affektive Bestandteile vereinen. Sie sind als Ansammlung subjektiven Wissens zu sehen, wel‐ ches keiner externen Validation bedarf und unterschiedlich stark vorstrukturiert sein kann. Vorstellungen variieren in ihrer Stabilität, sind grundsätzlich jedoch noch wandelbar. Sie können Informationsaufnahme und Handeln beeinflussen und sich auf spezifische Objekte wie auch abstrakte Konzepte beziehen. 5.1 Von beliefs und Vorstellungen: „messy constructs“ der teacher cognition 109 <?page no="110"?> 49 Zur scheinbaren Widersprüchlichkeit und Inkonsistenz von beliefs siehe auch Schoenfeld (1998). 5.2 Die Spezifik von Vorstellungen von Digitalität Zusätzlich zu den bis zu diesem Punkt beschriebenen Eigenschaften von Vorstellungen muss für die Spezifik digitalitätsbezogener Vorstellungen nochmals eine bereits getroffene Unterscheidung betont werden. In 5.1.1 wurde mit Schoenfeld beschrieben, dass sich beliefs (und damit auch Vorstellungen) auf unterschiedliche Bereiche des Lehr-/ Lernprozesses beziehen können, beispielsweise auf den Lernprozess selbst oder auf ein spezifisches Thema oder Themenbereich (1998, S. 20). Versucht man Digitalität nun innerhalb des Lehr-/ Lernprozesses zu verorten, steht man jedoch unweigerlich vor einer Mehrdeutigkeit. Digitalität könnte als spezifisches Thema verstanden werden, welches inhaltlich in einem Fach behandelt wird. Gleichzeitig kann Digitalität Einfluss auf den Lehrprozess und den Lernprozess, wie auch auf Schüler*innen und Lehrer*innen nehmen. Digitalität steht also auf einer Art Meta-Ebene zu den Konstrukten, die sich auf Aspekte rundum den Lehr-Lernprozess bezieht. Digitalität ist Inhalt, Methode und Lebenswelt zugleich. Damit digitalitätsbezogene Vorstellungen sinnvoll zugeordnet werden können, ist es also erforderlich eine Unterscheidung innerhalb von digitalitätsbezogenen Vorstellungen zu treffen: Der eine Bereich digitalitätsbezogener Vorstellungen betrifft Vorstellungen darüber, was Digitalität ist, also Vorstellungen „about the nature of the subject matter“ (ebd.). Mit Törner ließe sich diese Art des Konstrukts mit den global beliefs vergleichen (2002, S. 86). Daran lässt sich ein zweiter Bereich anschließen; Vorstellungen darüber, welche Reichweite und welchen Einfluss Digitalität in Bezug zum Lehr-/ Lernprozess (innerhalb eines Fachs oder einer Fächergruppe) hat. Die beiden Bereiche scheinen in dem Fall unweigerlich verbunden. Wenn eine Vorstellung von Digitalität besteht, die sich in technischer Digitali‐ sierung erschöpft, wird höchstwahrscheinlich auch der Einfluss, dem Digitalität auf ein Fach zugeschrieben wird, begrenzt sein. Gleichzeitig müssen Vorstellungen von der (Natur der) Digitalität sich nicht immer auch auf Überlegungen zum fachlichen Einfluss erstrecken. In einigen Fällen kann es sogar sein, wie im empirischen Teil noch deutlich werden wird, dass sich Vorstellungen von Digitalität und der Einfluss, dem Digitalität auf das Fach zugeschrieben wird, widersprechen. 49 Berücksichtigt man diese Unterscheidung, lässt sich die im vorigen Kapitel gegebene Definition von Vorstellungen für den Bereich Digitalität leicht anpassen und spezifizieren: Digitalitätsbezogene Vorstellungen sind subjektive, mentale Konstrukte, die sowohl kognitive Be‐ standteile als auch affektive Bestandteile vereinen. Sie sind als Ansammlung subjektiven Wissens zu sehen, welches keiner externen Validation bedarf und unterschiedlich stark vorstrukturiert sein kann. Digitalitätsbezogene Vorstellungen variieren in ihrer Stabilität, sind grundsätzlich jedoch noch wandelbar. Sie können Informationsaufnahme und Handeln beeinflussen und sich sowohl auf die Natur des Konzepts Digitalität als auch zu dessen Auswirkungen auf Lehr-/ Lernprozesse (innerhalb eines Fachbereichs) beziehen. Nachdem nun eine Arbeitsdefinition sowohl für Vorstellungen im Allgemeinen als auch für digitalitätsbezogene Vorstellungen im Besonderen erarbeitet wurde, kann (erneut) auf die maßgebliche Rolle digitalitätsbezogener Vorstellungen vor dem Hintergrund der (Kultur 110 5 Erläuterung des Forschungskonstrukts <?page no="111"?> 50 Was nicht heißt, dass die technische Situation bereits zufriedenstellend wäre, insbesondere in Bezug zu starken Ungleichheiten zwischen einzelnen Schulen und Personen, dem digital divide (siehe z.-B. bei Code et al., 2020; Eickelmann et al., 2021). 51 Einschränkend ist bei den im folgenden aufgelisteten Studien zu betonen, dass diese nicht unbedingt die gleiche Konstruktdefinition wie die vorliegende Arbeit nutzen, was die Übertragbarkeit der Ergebnisse beeinflussen könnte. Es lässt sich aber argumentieren, dass die in den Studien gegebenen Definitionen aber zu mindestens mit den grundlegenden Bestandteilen der Arbeitsdefinition über‐ einstimmen. der) Digitalität eingegangen werden. Die konstitutive Rolle von Vorstellungen lässt sich dabei sowohl theoretisch verorten als auch mit Ergebnissen empirischen Studien aus der digitalitätsbezogenen Lehrkräftebildung unterlegen. Die digitale Transformation, verstanden als medial-verstärkter, aber grundsätzlich ge‐ sellschaftlich-kultureller Paradigmenwechsel hin zur (Kultur der) Digitalität hängt von zahlreichen Faktoren ab. Zunächst besteht die Ebene der Infrastruktur und Verwaltung. Auch wenn sich die digitale Transformation nicht in Digitalisierung erschöpft, lässt sich ohne Digitalisierung auch keine digitale Transformation vollziehen. Digitalisierung ist also eine notwendige (wenn auch nicht hinreichende) Bedingung. Wird ein gewisser Grad an Digitalisierung als Grundvoraussetzung für digitale Transformation angenommen, der zumindest technisch erreicht ist (Marx, 2019, S. 164) 50 , stellt sich anschließend die Frage des Umgangs mit dem in der Digitalisierung entstehenden Möglichkeitsraum. Im Folgenden wird wie bei Marx angenommen, dass ein Mindestmaß technischer Infrastruktur vorhanden ist und die Möglichkeit eines digitalisierten Englischunterrichts besteht. Welchen Einfluss haben Vorstellungen und beliefs dann, wenn es um den Umgang mit und die Sicht auf den technischen Digitalisierungsprozess geht? Die Relevanz von Vorstellungen für den Umgang mit technischer Digitalisierung und das Verständnis von Digitalität besteht im Kern aus zwei Argumenten: 1. Vorstellungen (beliefs) können sich auf die Akzeptanz von Technologieintegration auswirken. 2. Vorstellungen (beliefs) zur Natur und Reichweite von Digitalität können den Wert beeinflussen, der Technologieintegration zugeschrieben wird und die Art und Weise, wie und zu welchem Zweck diese genutzt werden beeinflussen. Punkt eins umfasst die grundlegende Akzeptanz und resultierende Nutzung digitaler Möglichkeiten. Empirische Studien zur Verbindung von Vorstellungen bzw. beliefs  51 und Technologieeinsatz in institutionellen Lehr-/ Lernsettings fokussieren sich häufig auf value beliefs, also dem Wert, dem der Technologie zugesprochen wird und TPACK (Cheng & Xie, 2018, S. 98). Grundlegend ist die Annahme, dass Lehrkräfte, die dem Technologieein‐ satz einen höheren Wert zuschreiben konkrete Technologien signifikant häufiger nutzen und auch einen höheren TPACK-Wert aufweisen. Dieser intuitiv plausiblen Annahme - Lehrkräfte die Technologie wertschätzen, nutzen diese öfter und fühlen sich kompetenter im Umgang mit Technologie - wird dabei ein derart großer Wert zugesprochen, dass sich für die Beeinflussung von value beliefs als „primary goal for technology and interven‐ tion programs“ (ebd., S. 111) ausgesprochen wird. Das liegt auch daran, dass sich der angenommene Zusammenhang statistisch wiederholt nachweisen ließ. In der Studie von 5.2 Die Spezifik von Vorstellungen von Digitalität 111 <?page no="112"?> 52 Intervention meint hier die Einflussname auf Lehrkräfte durch dedizierte technologische Fortbil‐ dungen, technology professional development. Cheng und Xie, die 109 in-service teachers zu ihren value beliefs befragten, fand sich ein statistisch signifikanter Zusammenhang zwischen value beliefs und TPACK (ebd., S. 107). Anders als bei weiteren quantitativen Studien zu value beliefs und TPACK (Chuang & Ho, 2011), konnte hier sogar ein signifikanter Zusammenhang in Interventions- 52 wie auch in nicht Interventionssettings nachgewiesen werden, was die Bedeutung der Befunde für Lehrer*innenaus- und -weiterbildungskontexte unterstreicht (ebd., S. 111). Auch Hsu, Tsai, Chang und Liang (2017, S. 135) betonen in ihrer Studie zu TPACK und beliefs im Bereich digital games den Zusammenhang von value beliefs und Einsatz digitaler Technologien. Hier wird dieser Zusammenhang vor allem mit dem Einfluss von beliefs auf Motivation und Selbstvertrauen erklärt (ebd.). Dieser Einfluss lässt sich auch theoretisch, im Rahmen der expectancy-value theory, verorten: One long-standing perspective on motivation is expectancy-value theory. Theorists in this tradition argue that individuals’ choice, persistence, and performance can be explained by their beliefs about how well they will do on the activity and the extent to which they value the activity (Wigfield & Eccles, 2000, S.-68). Wie sich Individuen entscheiden, wie hartnäckig und mit welcher Leistung sie einer Aktivität nachgehen hängt im Verständnis der expectancy-value theory maßgeblich davon ab, welcher Wert der Aktivität, in diesem Fall Technologieintegration, zugeschrieben wird. Schreibt eine Lehrkraft der Technologieintegration einen hohen Wert zu, wäre die Lehrkraft dieser Theorie nach dazu motiviert, hartnäckig Technologieintegration zu fördern. So intuitiv die Verbindung zwischen zugeschriebenem Wert und Motivation erscheint, so komplex wird diese Erkenntnis vor dem Hintergrund digitaler Transformation. In den gerade beschriebenen Studien wurde explizit von value beliefs gesprochen, die zusammen mit ability beliefs (ebd., S. 72), gemessen an TPACK, also der eigenen Fähigkeit Technologie pädagogisch und inhaltlich sinnvoll zu integrieren, die Motivation zur Integration von Technologie bestimmen. Dadurch bleiben zwei essenzielle, miteinander verbundene Fragen offen: Wie ist die Verbindung von Technologieeinsatz und digitaler Transformation und worauf genau bezieht sich der der Technologie zugeschriebene Wert? Vorstellungen vom Wert von Technologieintegration und Vorstellungen von Natur und Einfluss der Digitalität hängen untrennbar zusammen, wie folgendes, vereinfachtes Bei‐ spiel illustriert: Angenommen, eine Lehrkraft trägt die Vorstellung, dass Digitalität sich rein auf den technischen Prozess der Digitalisierung beschränkt. Der Wert, den Technologiein‐ tegration für die Person hat lässt sich damit lediglich daran bemessen, ob die Integration der Lehrkraft dazu dient, bestehende Ziele zu optimieren: Lassen sich beispielsweise durch intelligent tutoring systems (ITS) effektiver Vokabeln lernen als mit Karteikarten. Ist die Antwort ja (und fühlt die Lehrkraft sich in der Lage, ITS einzusetzen) so würde sie ITS in ihren Unterricht integrieren wollen. Dieses Beispiel bietet für die digitale Transformation aber ein praktisches Problem, was in dem in Kapitel 2.2.1 gegebenem Zitat von Würffel (2019, S. 294) zum Ausdruck gebracht wurde: Vor dem Hintergrund des Optimierungsgedankens wird versucht, Lehrkräften 112 5 Erläuterung des Forschungskonstrukts <?page no="113"?> niedrigschwellige technologische Angebote zu machen. Diese müssen dann gegenüber bewährten Verfahren gleichzeitig einen ausreichend großen Mehrwert - also eine Effizienz‐ steigerung - beweisen, woran niedrigschwellige Technologien (man denke beispielsweise an Kahoot, Padlet oder Duolingo) schließlich scheitern. Trägt eine Lehrkraft hingegen Vorstellungen von Digitalität als gesellschaftlich-kulturellen und bildungspolitischen Para‐ digmenwechsel, und sieht die Digitalisierung von Lehr-Lernprozessen als Chance zur digitalen Transformation, ergibt sich auch der Wert dieser nicht bloß aus Optimierungs‐ potenzialen. Der Wert entsteht mit anderen Worten nicht in einem Vergleich zwischen vermeintlich neuen und alten Medien, in der Effizienzsteigerung bekannter Ziele, sondern in der Betrachtung von Technologieintegration zur Begleitung und Gestaltung des Lernens unter Bedingungen der Digitalität. Es lässt sich also argumentieren, dass Vorstellungen von Digitalisierung als Digitalität Technologieintegration fördern könnte, weil Technologien sich damit nicht bloß an der Optimierungsfrage messen lassen müssen. Eine erweiterte Integration von Technologie schließlich eröffnet, wie bereits angemerkt, die technische Grundlage für transformative Lehr-/ Lernpraktiken. Ein zusätzliches Argument für die Betrachtung von Vorstellungen im Rahmen dieser Arbeit ist, dass digitalitätsbezogene Vorstellungen die Bedingung der Möglichkeit für die digitale Transformation darstellen. Um gesellschaftlich-kulturelle, bildungsbezogene und fachliche Einflüsse berücksichtigen zu können, braucht es als Grundlage Vorstellungen, dass Digitalität einen weitreichenden Einfluss nimmt und solch maßgebliche Veränderungen ermöglicht wie auch einfordert. Dass Digitalität sich nicht in technischen Optimierungs‐ prozessen erschöpft. Dass nicht nur relevant ist ob, sondern auch wie und warum Tech‐ nologieintegration erfolgt. Dass die Frage nach Technologieintegration eben nicht nur mit Optimierungsmöglichkeiten beantwortet werden kann (siehe auch die Diskussion in Kapitel-4.1.1 und 4.1.2). Unter der Prämisse, dass die Bedingungen der Digitalität in dem in Kapitel 2 und 3 erarbeiteten Verständnis im Englischunterricht berücksichtigt werden müssen und, dass Vorstellungen Handlung und Wahrnehmung von Lehrkräften - auch in Bezug auf Digitali‐ sierungsprozesse - beeinflussen (Kapitel 5.1 und 5.2), folgt also, dass digitalitätsbezogene Vorstellungen eine essenzielle Rolle für die fachdidaktische Forschung zu Digitalität und (Englisch-)Lehrkräftebildung einnehmen. 5.3 Covid-19, Emergency Remote Teaching und Vorstellungen angehender Lehrkräfte Neben den im vorigen Kapitel beschriebenen Gründen für die Betrachtung digitalitäts‐ bezogener Vorstellungen ergibt sich für die Studie, trotz aller Planung unerwartet, ein weiteres, nicht zu vernachlässigendes Argument: die Erhebungssituation. Die Semester für die Datenerhebung der Studie, das Wintersemester 2020-2021, das Sommersemester 2021 und das Wintersemester 2021-2022 waren von der Covid-19-Pandemie und den damit einhergehenden Einschränkungen für den Lehrbetrieb gezeichnet (Bundesministerium für Gesundheit, 2023). Tatsächlich sollte erst, anders als bei der Planung des Studiendesigns vorhersehbar, das Sommersemester 2022 (weitestgehend) zu einem Präsenzformat über‐ 5.3 Covid-19, Emergency Remote Teaching und Vorstellungen angehender Lehrkräfte 113 <?page no="114"?> 53 Für eine genauere Beschreibung zu den Umständen der Datenerhebung siehe Kapitel-7.5. 54 Maximum heißt hier nicht, dass alle Studierenden und Lehrenden vollumfänglich mit Soft- und Hardware ausgestattet gewesen wären. Maximal bezieht sich darauf, dass in den Distanzsemestern sämtliche Lehrveranstaltungen digital-mediiert stattfanden. Sei es synchron über Videochat oder asynchron über Aufzeichnungen und Lernplattformen. gehen (Ruhr-Universität Bochum, 2022). Insgesamt waren damit fünf Semester maßgeblich durch Einschränkungen in der Präsenzlehre betroffen (ebd.). Dieser Umstand beeinflusste nicht bloß die Datenerhebung 53 selbst, sondern auch das Studiendesign und, wie im Folgenden veranschaulicht werden soll, die Wahl für das zu betrachtende Konstrukt digitalitätsbezogener Vorstellungen. Um zu verstehen, wieso die Lehrsituationen unter Bedingungen der Pandemie trotz, oder vielleicht sogar gerade wegen, der Einschränkungen ein essenzielles Argument für die genauere Betrachtung digitalitätsbezogener Vorstellungen bietet, wird zunächst beleuchtet, welche Einschränkungen bestanden und wie sie die Lehre beeinflussten. Anschließend muss nochmal auf die Genese und Veränderbarkeit von Vorstellungen und den Vergleich zu beliefs rekurriert werden. Wie genau Universitäten auf die dynamische Entwicklung der Pandemie reagierten, ist von Institut zu Institut und insbesondere von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich (Bundesministerium für Gesundheit, 2023). Aus diesem Grund ist es schwierig allgemein‐ gültige Aussagen zu treffen, die national oder gar international Gültigkeit beanspruchen könnten. Nichtsdestotrotz lässt sich ein allgemeiner Trend beschreiben, der, in unterschied‐ licher Intensität, in den meisten (Hoch-)Schulen stattgefunden hat. Der für diese Arbeit essenzielle Trend ist die Digitalisierung der Lehre im Sinne von Hybrid- oder Distanzlehre über Videochatplattformen und Lernmanagementsysteme. Dabei ist zu beachten, dass es sich in diesen Szenarien insbesondere in den ersten Semestern keineswegs um Distanzlehre handelte, wie sie beispielsweise an Fernuniversitäten üblich ist. Stattdessen mussten viele Universitäten, unter ihnen auch die Ruhr-Universität Bochum, an der die Erhebung stattfand, gezwungener Weise auf emergency remote teaching (ERT) (Code et al., 2020, S. 419; Hodges et al., 2020, S. 7) umstellen. ERT zeichnet sich dadurch aus, dass die Entscheidung für Distanzlehre kein langfristig geplanter und vorbereiteter Schritt ist, sondern im Sinne einer emergency kurzfristig durchgeführt werden muss. Damit verbunden sind technische wie didaktische Probleme bei Planung und Durchführung einzelner Veranstaltungssitzungen, Missverständnisse und organisatorische Schwierigkeiten (König & Griffin, 2021, S. 43; Werner & Küplüce, 2022, S. 298). Studierende (wie auch Lehrende) in den durch die Maßnahmen in Folge der Corona-Pandemie betroffenen Semestern haben also ein zuvor ungeahntes Maß technischer Digitalisierung von Lehre erfahren, nur um gleichzeitig mit zahlreichen technischen, didaktischen und organisatorischen Problemen konfrontiert zu werden. Es ließe sich sogar argumentieren, dass die pandemiebedingten Semester das aktuelle maximum technischer Digitalisierung (nicht Digitalität! ) darstellen, da zeitweise die gesamte Lehre, Prüfungen und Verwaltungsakte ausschließlich im digitalen Raum stattfanden. 54 Während die Verbindung zwischen diesem Umstand und den Auswirkungen auf or‐ ganisatorische Aspekte der Datenerhebung evident zu sein scheint, erfordert der Zusam‐ menhang zwischen ERT und digitalitätsbezogenen Vorstellungen Erläuterung. Warum ist 114 5 Erläuterung des Forschungskonstrukts <?page no="115"?> der äußere Umstand des ERT ein Argument für Forschungskonstrukt und -design dieser Arbeit? ERT ist per Definition ein Schritt, der die Distanzlehre nicht nach pädagogischer Abwägung und technischer Qualitätssicherung begeht, sondern kurzfristig und gezwungen durch äußere Umstände. Aus diesem Verständnis ergibt sich, dass gerade die ersten Distanz- oder Onlinesemester durch technische und organisatorische Probleme, aber auch didaktische und persönliche Herausforderungen gekennzeichnet waren, die etablierte Strukturen wegbrechen ließen, ohne, dass sofort neue Strukturen nutzbar waren (Code et al., 2020, S.426). Während diese Umbrüche langfristig vielleicht Reflexionen zu Lern- und Lehrstrukturen anstoßen könnten (Reintjes et al., 2021, S. 10) war die Zeit der Lehre unter Pandemiebedingungen zunächst durch massiven Handlungsdruck und Unsicherheit geprägt (ebd., S.-7). Für angehende Lehrkräfte und sämtliche Teilnehmende der vorliegenden Studie heißt das, dass sie die maximale technische Digitalisierung erlebten, jedoch die Umsetzung einer digitalen Transformation im Sinne des Lernens in einer Kultur der Digitalität durch ERT erschwert wurde. Wie in den Kapiteln 2-4 dargelegt, braucht die digitale Transformation langfristige Investitionen in infrastrukturelle und organisationale Grundlagen, sowie vor allem neue Lehr-/ Lern- und Prüfungskulturen. Das passt, so die Annahme, nicht mit der kurzfristigen und unerwarteten, äußerlich bedingten Veränderung des ERT zusammen. Das heißt nicht, dass sich durch ERT nicht langfristig grundlegende Veränderungsprozesse ergeben könnten. Initial aber scheint eine durch Handlungsdruck und Unsicherheit ange‐ strebte Substitution analoger Strukturen im Digitalen wahrscheinlicher. Angehende Lehrkräfte an den eigentlichen Präsenzuniversitäten befanden sich in der Covid-19-Pandemie aber nicht nur (zeitweise) in der einzigartigen Situation, digitale universitäre Lehre über längere Zeit zu erleben. Zusätzlich erlebten viele Studierende ein digitales, hybrides oder zumindest stark durch die Pandemie geprägtes Praxissemester. Bei einer Regelstudienzeit von vier Semestern im Master of Education (MSB, 2024) ist anzunehmen, dass einige Studierende gar ihren gesamten Master of Education mit Distanz- oder hybrider Lehre abgeschlossen haben. Aus dieser Situation ergibt sich, unter den Annahmen die universitäre Lehrkräftebil‐ dung spiele eine zentrale Rolle für die digitalitätsbezogene Ausbildung von Lehrkräften (Petko et al., 2018) und beliefs (und damit auch Vorstellungen) können sich im Rahmen universitärer Ausbildung verändern (Blömeke et al., 2008, S. 317), dass gerade in der Zeit der Datenerhebung, gerade bei angehenden Lehrkräften reichhaltiges Datenmaterial zu digitalitätsbezogenen Vorstellungen erhoben werden kann. Schließlich sollte unter diesen Prämissen angenommen werden, dass genau an diesem Punkt digitalitätsbezogene Vorstel‐ lungen gebildet und bearbeitet werden. Ob und vor allem wie genau die pandemiebedingten Distanzsemester tatsächlich Einfluss auf Vorstellungen nehmen ist dabei an dieser Stelle noch offen (siehe dafür Kapitel-9.3.3 und 9.4). Die Ausführungen in diesem Unterkapitel sollten vor allem darstellen, dass der Erhe‐ bungszeitrum der Studie für viele beteiligte von institutionellen Lehr-/ Lernprozessen eine Zeit maßgeblicher technischer Digitalisierung war. Betrachtet man das Phänomen ERT aber genauer zeigt sich auch, dass dadurch nicht automatisch ein digital turn (Bundesministe‐ rium für Bildung und Forschung, 2021) zu erwarten ist. Spezifisch für die vorliegende Arbeit und für die Beforschung digitalitätsbezogener Vorstellungen angehender (Englisch-)Lehr‐ 5.3 Covid-19, Emergency Remote Teaching und Vorstellungen angehender Lehrkräfte 115 <?page no="116"?> 55 Manderfeld nutzt hier den Begriff beliefs. Aus den vorherigen Ausführungen ergibt sich aber, dass es bei diesen neuen Erfahrungen präziser wäre von Vorstellungen zu sprechen, da über ihre mittelbis langfristige Stabilität an der Stelle noch keine Aussagen getroffen werden können. kräfte ergibt sich durch den einzigartigen Umstand bei Studierenden, nach fünf Semestern maximaler Digitalisierung bei minimaler Digitalität, dass ergänzende Erkenntnisse über Eigenschaften und Entwicklung digitalitätsbezogener Vorstellungen erwartbar sind. Ein ähnliches Argument wie das für Studierende ließe sich auch für in-service-Lehrkräfte aufbauen. Tatsächlich haben die pandemiebedingten Einschränkungen und die damit einhergehende Distanz- und Hybridlehre im Bereich Schulunterricht reges Interesse in der Forschung zu Lehrkräftebildung hervorgerufen (u. a. Eickelmann & Drossel, 2020; Fütterer et al., 2021; Kerres, 2020a; König & Griffin, 2021; Reintjes et al., 2021). Trotzdem lassen sich neben forschungspragmatischen Überlegungen auch inhaltliche Gründe für den expliziten Fokus auf Vorstellungen von Master of Education Studierenden beschreiben. So sind zwar auch bei angehenden Lehrkräften grundlegende beliefs zu Schule und Unterricht schon mit Eintritt ins Studium verankert (Phipps, 2010, S. 17-18). Jedoch gibt es Anzeichen dafür, dass sich spezifischere Vorstellungen beispielsweise zu Didaktik, erst im Studium entwickeln (Manderfeld, 2020, S. 41) 55 . Grund dafür ist, dass zwar Schule und Unterricht bekannt sind, sich aber mit Didaktik als Disziplin zum ersten Mal im Studium systematisch auseinander‐ gesetzt wird (ebd.). Aus der letzten ICILS Studie pre-Covid (Eickelmann et al., 2019) gibt es Hinweise, dass digitalisiertes Lernen in Form der digitalen Semester an Schulen vor der Pandemie kaum eine Rolle spielte. Demnach müsste für Studierende die Beschäftigung mit digitalisiertem Lernen im Sinne der gerade beschriebenen maximalen Digitalisierung, genau wie die Beschäftigung mit Didaktik, neu sein. Daraus lässt sich schlussfolgern, dass Vorstellungen von der didaktischen Auseinandersetzung mit Digitalisierung durch die pandemiebedingten Semester, bzw. die maximal digitalisierte Lehre geprägt sein könnten. Mit anderen Worten: Wenn eine globale Disruption des Bildungssystems, die für Studierende ihre erste Auseinandersetzung mit einem Themenbereich darstellt und für einige der Studierenden den gesamten Master of Education anhielt betrachtet wird, scheint ein Einfluss auf digitalitätsbezogene Vorstellungen wahrscheinlich. Dass für die eigene Studie der Begriff Vorstellungen verwendet wird, ist damit nicht zuletzt auch in dem gegebenen Fokus auf angehende (Englisch-)Lehrkräfte begründet. So können Studierenden zwar schon beliefs zu Schule und Unterricht im Allgemeinen zugeschrieben werden (Manderfeld, 2020, S. 36-37), es lässt sich aber argumentieren, dass eine wissenschaftliche, fachdidaktische Auseinandersetzung mit Lehr-/ Lernprozessen unter Bedingungen der Digitalität erst im Studium stattfindet. Das heißt auch, dass entsprechende mentale Strukturen ggf. weniger stark gefestigt sind als generelle beliefs zu Schule und Unterricht, was den Begriff Vorstellungen präziser erscheinen lässt. Das Argument für die Relevanz der Betrachtung digitalitätsbezogener Vorstellungen angehender Lehrkräfte vor dem Hintergrund der digitalen Transformation lässt sich mit dem gesagten durch die pandemiebedingten Semester zusammenfassend also wie folgt ergänzen: Die für die Studierenden erste genuin didaktische Auseinandersetzung mit digitalen Lehr-/ Lernkontexten fand in der Pandemie unter Bedingungen maximaler Digitalisierung bei minimaler Digitalität statt. ERT hat Lehre in einer Kultur der Digita‐ 116 5 Erläuterung des Forschungskonstrukts <?page no="117"?> lität (zunächst) erschwert und digitale Lehre auf die Substitution analoger Strukturen beschränkt. Ob und wie diese Erfahrungen für die allgemeinen Vorstellungen von Digitalität der Studierenden eine Rolle spielen, kann die Frequenz, aber vor allem die Art und Weise des Einsatzes digitaler Technologien bei der perspektivischen eigenen Lehre der Studierenden beeinflussen. Es lässt sich dabei annehmen, dass Studierende noch stärker als in-service teachers von den einzigartigen Umständen zu der Zeit der Datenerhebung beeinflusst wurden und werden. 5.3 Covid-19, Emergency Remote Teaching und Vorstellungen angehender Lehrkräfte 117 <?page no="119"?> 6 Forschungsinteresse In Kapitel 5 wurde erörtert, wie Vorstellungen trotz des herausfordernden theoretischen und empirischen Zugangs von großem Interesse für die Lehrkräftebildung sind. Die Relevanz von Vorstellungen in Bezug auf das Thema Digitalität wurde dabei besonders hervorgehoben, da Vorstellungen nicht nur die Akzeptanz und Art der Nutzung digitaler Technologien (mit-)bestimmen, sondern auch die Bedingung der Möglichkeit digitaler Transformation darstellen. So kann digitale Transformation nicht ohne die Mitwirkung der Lehrkräfte stattfinden, gleichzeitig ist die Mitwirkung der Lehrkräfte ohne entsprechende digitalitätsbezogene Vorstellungen unwahrscheinlich. Da die digitale Transformation defi‐ niert wurde als fortwährender Prozess zu einer Schule unter Bedingungen der (Kultur der) Digitalität - und diese Kultur der Digitalität sowohl in fremdsprachendidaktischen, kultur-, und sozialwissenschaftlichen und nicht zuletzt bildungswissenschaftlichen und -politischen Ausführungen angestrebt wird (Kapitel-2-4) - sind also gerade digitalitätsbe‐ zogene Vorstellungen von besonderem Interesse für die (Englisch-)Lehrkräftebildung. Aber auch die „historische“ (Kerres, 2020a, S. 693, eigene Übersetzung) Rahmung der Covid-19-Pandemie drückt sich im Forschungsinteresse aus. Durch die im vorigen Kapitel diskutierten Erfahrungen maximaler Digitalisierung bei minimaler Digitalität ist eine außergewöhnliche und den Ausführungen aus Kapitel 2-4 nach z. T. auch veren‐ gende Prägung der so relevanten Vorstellungen zu erwarten, die im Forschungsinteresse berücksichtigt wird. Damit ergibt sich insgesamt aus den Kapiteln 2-5 die folgende erste Forschungsfrage: RQ 1: Welche Vorstellungen vom Englischunterricht unter Bedingungen der Digitalität haben M. Ed. Studierende in der Covid-19-Pandemie? Mit dieser ersten Forschungsfrage sollen die digitalitätsbezogenen Vorstellungen von ange‐ henden Lehrkräften vor dem Hintergrund der Covid-19-Pandemie (re)-evaluiert werden. Dadurch wird ein genauerer Einblick in das Verständnis von Digitalisierung und Digitalität der angehenden Lehrkräfte angestrebt: Was zeichnet für sie Digitalisierung und Digitalität aus? Welche Entwicklung ist für sie durch und mit diese(n) Begriffe(n) denkbar? Aufgrund der außergewöhnlichen Erhebungssituation soll ein spezifischer Fokus neben dem Was auch auf dem Wieso liegen. Ziel ist es also nicht nur digitalitätsbezogene Vorstellungen angehender Lehrkräfte zu verdeutlichen, sondern auch die Verbindung zwischen den Vorstellungen und den pandemiebedingten Erfahrungen zu eruieren. Damit sollen Narrative des digital turn in der Lehrkräftebildung durch Covid-19 thematisiert und problematisiert werden, aber auch die Rolle des Umgangs der (universitären) Lehrkräfte‐ bildung mit Digitalisierung und Digitalität reflektiert werden. Somit lautet die zweite Forschungsfrage: RQ 2: Welchen Stellenwert haben digitale Technologien im Englischunterricht für Studierende und in welcher Beziehung steht dies zu ihren pandemiebedingten Lernerfahrungen? Der Fokus auf digitale Technologien ergibt sich zum einen aus den Diskussionen um Mehr‐ wert der Digitalisierung wie auch den Überlegungen zu value-beliefs (Kapitel 5) und zum <?page no="120"?> anderen aus der Schnittstelle zwischen Digitalisierung und Digitalität. Über den Umgang mit digitaler Technologie lässt sich dabei - so die Annahme - eine Tendenz zu Verständ‐ nissen von technisch-medialer Digitalisierung oder soziokultureller Digitalität vermuten. Diese Vermutung spiegelt sich schließlich auch in der Erweiterung des SAMR(-T)-Modells (siehe Kapitel 2.2.1 und 9.2.1) wieder. Nicht zuletzt ist das Konzept der Kultur der Digitalität außerdem nicht als Gegenpol zu digitalen Technologien zu sehen. Im Gegenteil sind auch für die Kultur der Digitalität digitale Technologien konstitutiv. Die Frage ist also weniger, ob angehende Lehrkräfte auf digitale Technologien oder soziokulturelle Auswirkungen fokussieren, sondern ob für sie neben dem medialen Wandel auch ein soziokultureller und lehr-lernkultureller Wandel denkbar ist. Neben diesen übergreifenden Interessen werden in den Kapiteln zu den spezifischen Methoden noch Nebenfragen aufgegriffen, die sich - wie in qualitativen Studien üblich - erst während des und aus dem Forschungsprozess selbst ergeben bzw. ausdifferenziert haben (siehe auch Kapitel 8). Diese dienen dazu das Forschungsinteresse zu spezifizieren und dem qualitativen Forschungsprozess in seiner iterativen Ausführung gerecht zu werden. Aus Auffälligen Kontrasten innerhalb der ISQIA ergab sich hier für RQ 1 die Ergänzung: RQ 1.1: Lassen sich den befragten Personen spezifische Typen, das heißt intern homogene und extern heterogene Ausprägungen, von digitalitätsbezogenen Vorstellungen zuschreiben? Auch für RQ 2 ergab sich eine Spezifizierung, die aus der Verbindung der Bewertungen von digitalen Technologien und den Beschreibungen von Erfahrungen aus Onlinebzw. Hybridlehre entstanden ist: RQ 2.1: Gibt es signifikante Unterschiede in den Kohorten K1 und K2 bezüglich der Beziehung pandemiebedingter Erfahrungen und der Bewertung von digitalen Technologien? Gründe für und Prozess der Spezifizierungen werden an der jeweiligen Stelle des For‐ schungsprozesses (Kapitel 8.4 für RQ 1.1 und Kapitel 8.3.2 für RQ 2.1) detailliert beschrieben. 120 6 Forschungsinteresse <?page no="121"?> 56 Zur Diskussion des Expert*innenstatus siehe Kapitel-9.3.4. 7 Forschungsdesign Aus der inhaltlichen Beschreibung der Perspektiven auf Digitalisierung und Digitalität und der Diskussion um das Konstrukt Vorstellungen ergeben sich einige Herausforde‐ rungen (aber auch Chancen) für das Forschungsdesign. Nachdem in Kapitel 6 durch die Forschungsfragen das Forschungsinteresse expliziert wurde, gibt Kapitel 7 zunächst einen Überblick über das Forschungsdesign, welches sich im Sinne einer Mixed-Methods-Studie (Döring & Bortz, 2016, S. 26) aus mehreren methodologischen Perspektiven an das Forschungskonstrukt digitalitätsbezogener Vorstellungen annähert. Anschließend wird ge‐ nauer auf den Prozess der Datenakquise und der verwendeten Instrumente, sowie die damit verbundene Vorstudie eingegangen. Kapitel 7 endet mit der Verortung des Forschenden im Forschungsprozess. In den Kapiteln 8-9 werden die methodischen Grundlagen und das Erkenntnisinteresse der beiden Forschungsmethoden (qualitative Inhaltsanalyse, QIA; Epistemic Network Analysis, ENA) sowie der zu erwartende Erkenntnisgewinn dargestellt. Kapitel 10 schließt den empirischen Teil durch eine Diskussion der Ergebnisse insgesamt ab, bevor sich Kapitel 11 mit den Implikationen und einem Ausblick auf offene Fragen und mögliche Anschlussarbeiten beschäftigt. 7.1 Mixed-Methods als empirisches Forschungsdesign Die Studie baut auf eine Vorstudie aus dem Wintersemester 2020/ 2021 auf und integriert im Sinne eines sequenziellen Mehrmethoden-Designs (Döring & Bortz, 2016, S. 184-185) qua‐ litativ-codierende, hermeneutisch-interpretative und quantitative Elemente. Abbildung 8 zeigt einen Überblick über das Studiendesign. Dafür wird eine sich über zwei Semester erstreckende Interviewstudie mit 32 Master of Education Englisch Studierenden und 2 Expert*innen 56 zunächst mit Hilfe der inhaltlich strukturierenden QIA (ISQIA, Kuckartz, 2018, S. 97) vorstrukturiert. Anschließend werden mit Hilfe der typenbildenden QIA und vertiefenden Einzelfallinterpretationen verschiedene prävalente Ausprägungstypen der digitalitätsbezogenen Vorstellungen thematisiert. Schließlich werden mit Hilfe der ENA (Shaffer, 2017; Shaffer et al., 2016) dynamische Netzwerkmodelle konstruiert, die die sta‐ tistischen Verbindungen zwischen Kategorien von Codes und Kohorten von Studierenden darstellbar machen. Diese Netzwerkmodelle wiederum fließen in die Interpretation der QIA ein und bilden darüber hinaus die Grundlage für den zweiten Bereich des o. g. For‐ schungsinteresses. Ziel ist es, Vorstellungen der befragten Studierenden (und Expert*innen) sowohl im Sinne assoziativer, kognitiver Strukturen (mit Hilfe einer ENA) als auch in ihren typischen Ausprägungen (mit Hilfe einer QIA) sichtbar zu machen. Darüber hinaus wird mit Hilfe der ENA die Verbindung zwischen der Bewertung digitaler Technologien und den Erfahrungen der Covid-19-Pandemie visualisiert. <?page no="122"?> Abbildung 8: Überblick über das Studiendesign, eigene Darstellung Bevor genauer auf Datenakquise, Forschungsinstrumente und die einzelnen Methoden eingegangen wird, gilt es einige Grundlagen zu der Wahl einer Mixed-Methods-Studie zu erläutern. Unter den zahlreichen Varianten von Mixed-Methods-Studiendesigns (siehe z. B. Teddlie & Tashakkori, 2009) wurde sich für die Nutzung des sequenziellen, Mehr-Me‐ thoden-Designs im Sinne eines Vertiefungsmodells (Döring & Bortz, 2016, S. 27-28) entschieden. Das heißt, dass für das Forschungsinteresse innerhalb einer Studie nachein‐ ander qualitative und quantitative Forschungsmethoden genutzt werden, die jeweils direkt aufeinander bezogen werden (ebd.). Im Sinne des Vertiefungsmodells (ebd.) folgt nach der qualitativen Auswertung der Ergebnisse mit Hilfe der zwei Varianten der QIA eine quantitative Darstellung der Verbindungen zwischen den codierten Konzepten (mit Hilfe einer ENA), deren Ergebnisse wiederum in die Interpretation der Typenbildung einfließen. Die Wahl des Mixed-Methods-Designs lässt sich mit Hilfe des Forschungskonstrukts Vorstellungen, aber auch mit der Vorstrukturierung durch die ISQIA (siehe Kapitel 8) begründen. In Kapitel 5 wurde verdeutlicht, wie vielschichtig die Bestandteile von Vorstel‐ lungen in ihren kognitiven und affektiven Anteilen sein können. Ähnlich wie bei subjektiven Theorien zeichnen sich Vorstellungen und beliefs außerdem dadurch aus, dass sie nicht vollständig von den befragten Personen explizierbar sind: Understanding beliefs, Rokeach cautioned, requires making inferences about individuals’ under‐ lying states, inferences fraught with difficulty because individuals are often unable or unwilling, for many reasons, to accurately represent their beliefs. For this reason, beliefs cannot be directly observed or measured but must be inferred from what people say […]. (Panjares, 1992, S.-334) Vorstellungen können nach dem in Kapitel 5 erarbeiteten Verständnis nicht beobachtet werden, sondern müssen über Aussagen interpretiert werden. Damit ergibt sich für das Forschungsdesign, dass zumindest teilweise qualitativ-hermeneutische Methoden für die Beantwortung der Forschungsfragen angemessen sind. Gleichzeitig ergibt sich aus dem 122 7 Forschungsdesign <?page no="123"?> Verständnis des concept image, dass assoziative Netzwerke zusätzlichen Aufschluss über die Beschaffenheit von Vorstellungen geben können. Um diese Netzwerke zu visualisieren, eignet sich die ENA besonders gut (Zhang et al., S. 3438). Da die ENA quantitativ-statistisch arbeitet (siehe Kapitel 9), müssen für die Annäherung an Vorstellungen im Rahmen dieser Arbeit qualitative und quantitative Forschungsparadigmen synthetisiert und fruchtbar gemacht werden. Diese Kombination von qualitativen und quantitativen Forschungsme‐ thoden stellt ein Mixed-Methods-Studiendesign dar. Auch die initiale Codierungsarbeit mit der ISQIA spricht für ein Mixed-Methods-Design. Das qualitativ-codierende Verfahren der QIA eignet sich in seinen Stärken bei der Bear‐ beitung und Strukturierung großer (qualitativer) Datenmengen besonders gut als initiale Analysearbeit für die Kombination aus anschließender typenbildender QIA (Kuckartz, 2018, S. 143) und ENA. Außerdem ist im Forschungsprozess der QIA fest etabliert, dass auf die initiale Codierung komplexe quantitative und qualitative Verfahren folgen (können) (ebd., S.-100). Der Mehraufwand des Mixed-Methods-Designs lässt sich also durch das Verständnis des Forschungskonstrukts Vorstellungen aber auch durch die Passung zur Methodik rechtfer‐ tigen. Zusätzlich wird bei der ausführlicheren Beschäftigung mit den einzelnen Methoden deutlich werden, wie die Methoden aufeinander aufbauen und jeweils zusätzlichen Er‐ kenntnisgewinn für das Forschungsinteresse versprechen. Bevor die Eckpunkte der Studie beschrieben werden, ist kurz zu erläutern, wie Mixed-Method-Studien die methodologischen Unterschiede und vor allem die unterschied‐ lichen Paradigmen qualitativer und quantitativer Forschung verbinden können. Zwar gelten Hierarchisierungen von qualitativen und quantitativen Forschungsmethoden als „überholt“ (Döring & Bortz, 2016, S. 178), die Debatte über die (Un-)Vereinbarkeit der Paradigmen ist jedoch nicht abgeschlossen (ebd., S. 73). Aus diesem Grund erfordert die Durchführung einer Mixed-Methods-Studie eine Verortung im forschungsmethodolo‐ gischen Diskurs. Die Verortung skizziert darüber hinaus eine epistemologische Einordnung der vorliegenden Arbeit. 7.2 Mixed-Methods als Forschungsparadigma Auch wenn in den jeweiligen Kapiteln für die Methoden noch auf die spezifischen epistemologischen und wissenschaftstheoretischen Grundannahmen der QIA und ENA eingegangen wird, ist es bereits an dieser Stelle sinnvoll, kurz das der Studie zugrunde liegende Forschungsparadigma zu explizieren. Grundsätzlich wird in der Fremdsprachen‐ didaktik der Paradigmenstreit zwischen qualitativer und quantitativer Forschung meist als „unproduktiv“ abgelehnt und ein pragmatischer Zugang bevorzugt (Bonnet, 2012, S. 286). Trotzdem muss bei einem Mixed-Methods-Design die Frage beantwortet werden, wie die beiden Paradigmen sinnvoll aufeinander bezogen werden können. Diese Bezugnahme kann wiederum innerhalb von Mixed-Methods-Studien vielfältig gestaltet werden (vgl. Döring & Börtz, 2016, S. 73). Für die fremdsprachendidaktische Forschung schlägt Bonnet (2012, S. 286) vor, dass die Kombination qualitativer und sogar qualitativ-rekonstruktiver Methoden mit quantitativen Verfahren „die Nachteile beider Ansätze überwinden kann“. Demnach würde die Kombination aus den Methoden in dieser Studie sowohl den Überblick 7.2 Mixed-Methods als Forschungsparadigma 123 <?page no="124"?> 57 Hierbei handelt es sich um eine starke Vereinfachung der epistemologischen Grundlagen des Pragmatismus. Zur Vertiefung siehe z.-B. Bacon (2012); Garrison (1995) oder Kraut (1990). über die assoziativen Strukturen und kognitiven Verbindungen aller befragten Personen geben können (ISQIA, ENA) und trotzdem gleichzeitig die Beschaffenheit der Vorstellungen einzelner befragter interpretativ offenlegen und anschließend typisieren können (typen‐ bildende QIA). Auch wenn diese Betrachtung für die vorliegende Studie vielversprechend klingt, muss die Aussage Bonnets mit einigen Ergänzungen versehen werden. Bonnets Betrachtung der Kombination von qualitativen und quantitativen Methoden kann zunächst sowohl vor dem Hintergrund der „Komplementaritäts-These“ (Döring & Börtz, 2016, S. 74) als auch des „Dialektischen Standpunkts“ (ebd.) verstanden werden. Die Komplementaritäts-These besagt, dass qualitatives und quantitatives Paradigma grundsätzlich verschieden seien und sich zwar ergänzen, aber nie vermischt werden dürfen (ebd.). In diesem Verständnis müsste eine Mixed-Methods-Studie eine vollständige, in sich abgeschlossene quantitative und qualitative Studie aufweisen. Dieses Design ist für die vorliegende Studie durch die Nutzung der ENA als explizite Kombination qualitativer und quantitativer Forschung (siehe auch Kapitel 9) abzulehnen. Die von Bonnet vorgeschlagene Nutzung qualitativer und quantitativer Methoden lässt sich im Sinne des dialektischen Standpunkts aber auch in der expliziten aufeinander Bezugnahme der qualitativen und quantitativen Elemente verstehen, was auch die Integration der ENA ermöglicht. Unabhängig vom genauen Standpunkt spricht sich Bonnet in fremdsprachendidakti‐ scher Forschung für eine pragmatische Nutzung von Methoden aus (2012, S. 286). Die Entscheidung für qualitative und/ oder quantitative Methoden erfolgt demnach weniger durch die eigene Positionierung in einem „unproduktiven“ (ebd.) Paradigmenstreit, sondern durch die Passung und dem erwarteten Erkenntnisgewinn für das Forschungsinteresse. Dieser Ansatz ist jedoch keineswegs als anything goes oder willkürliche Methodenwahl zu verstehen, sondern fest in der erkenntnistheoretisch-philosophischen Tradition des Pragmatismus (siehe z. B. Hickman & Alexander, 1998) verankert. Der Pragmatismus argumentiert dafür, dass Erkenntnisgewinn weder rein empiristisch-positivistisch noch rationalistisch entsteht, sondern „im Zusammenhang mit zielgerichtetem Handeln in der Lebenswelt“ (Döring & Bortz, 2016, S. 74) erfolgt. Aus dieser Annahme folgt, dass der Prag‐ matismus eine vermittelnde Position zwischen quantitativem und qualitativem Paradigma einnehmen kann: Wirklichkeit besteht weder in objektiven, sozialen Gesetzmäßigkeiten noch ausschließlich in subjektiven Konstruktionen, sondern in einem Transaktionalen Mensch-Umwelt-Verhältnis 57 (ebd., S. 75). Dem Paradigmenstreit wird also begegnet, indem beiden wissenssoziologischen Grundannahmen eine Berechtigung und ein Anteil an menschlicher Wissensgenerierung gewährt wird. Konkret heißt das für die vorliegende Arbeit, dass neben qualitativen Methoden auch quantitative Methoden genutzt werden können, insofern sie einen erweiterten Erkenntnis‐ gewinn versprechen. Aus Sicht des Pragmatismus ist die Kombination grundlegend mög‐ lich, muss aber für den konkreten Forschungsgegenstand und das Design nachvollziehbar begründet werden. Im Rahmen dieser Arbeit erfolgt diese Begründung jeweils in den einzelnen Methodenkapiteln. Wichtig ist zu betonen, dass eine solche Kombination nicht 124 7 Forschungsdesign <?page no="125"?> mit einer Missachtung der jeweiligen erkenntnistheoretischen Grundlagen qualitativer und quantitativer Methoden einhergehen darf. Stattdessen wird sich in den Begründungen der jeweiligen Kapitel durch die explizite Auseinandersetzung mit den forschungsparadigma‐ tischen Grundlagen argumentiert, wie diese beibehalten und trotzdem aufeinander bezogen werden können. Neben den spezifischen Gütekriterien für die einzelnen Methoden bzw. Paradigmen, gibt es für Mixed-Methods-Studien noch weitere Gütekriterien, die solche Designs von einem Nebeneinander mehrerer Studien abheben. Dabei ist zwischen zwei Aspekten zu unterscheiden: 1. Die mixed methods design quality betrachtet die Begründung für und Verknüpfung von den verschiedenen Methoden. Es muss in jedem Schritt deutlich werden, wieso durch die Hinzunahme einer weiteren Methode zusätzlicher Erkenntnisgewinn zu erwarten ist (ebd., S. 113.). Dafür wird in dieser Arbeit ein eigener Abschnitt in den jeweiligen Methodenkapiteln eingeräumt. 2. Mixed methods interpretative rigor beschreibt die Verdichtung der Einzelergebnisse zu einer stimmigen Gesamtinterpretation (ebd.). Die Gesamtinterpretation erfolgt in der vorliegenden Arbeit in Kapitel-10. Werden die Gütekriterien und epistemologischen Grundannahmen von Mixed-Me‐ thods-Studien berücksichtigt, kann Bonnet (2012) aber auch Aguado (2016), Klippel (2016) und Surkamp (2017) zugestimmt werden, dass Mixed-Methods-Studien, insbesondere für fremdsprachendidaktische Forschung, einen vielversprechenden Ansatz darstellen. Darüber hinaus bieten sie in der Kombination aus methodischer Strenge und Verknüpfung mehrerer Forschungsperspektiven gute Voraussetzungen, um das komplexe „messy const‐ ruct“ (Pajares, 1992) der Vorstellungen zu ergründen. Nachdem nun das Forschungsinteresse und die Grundlagen des Mixed-Methods For‐ schungsdesigns beschrieben wurden, wird in den nachfolgenden Kapiteln ausgeführt, wie die einzelnen Bestandteile und Methoden aufgebaut werden. Dabei wird, neben der internen methodischen Konsistenz, auch die Passung zu den methodologischen Grundlagen von Mixed-Methods-Studien und damit der Verbindung zwischen den Methoden dargestellt. Bevor aber auf die methodischen Grundlagen der QIA eingegangen werden kann, müssen für das Verständnis der Studie die Erhebungsbedingungen, die Teilnehmenden und die Instrumente beschrieben und reflektiert werden. Da die Hauptstudie neben dem Einfluss aus den in Kapitel 2-5 beschriebenen Diskursen auch aus den Erkenntnissen einer Vorstudie profitieren konnte, wird diese zuvor in einem kurzen Exkurs skizziert. Dabei wird der Fokus weniger auf inhaltliche Ergebnisse als vor allem auf den Einfluss der Vorauf die Hauptstudie gelegt. 7.3 Exkurs: Vorstudie als Annäherung an die Instrumente und das Erhebungsdesign Vor der Hauptstudie, deren Erhebung vom 31.05.2021 bis zum 25.11.2021 durchgeführt wurde, fand vom 03.11.2020 - 09.02.2021 eine Vorstudie statt, an der insgesamt 8 Master 7.3 Exkurs: Vorstudie als Annäherung an die Instrumente und das Erhebungsdesign 125 <?page no="126"?> 58 Zählt man die Studierenden der zweiten Erhebung der elevator pitches mit, erhöht sich diese Zahl auf 16 Studierende. Allerdings waren diese nicht ursprünglich als Teil der Vorstudie geplant, sondern wurden aus der Hauptstudie gestrichen. 59 Elevator pitches bezeichnen ca. 30 bis 60-sekündige Kurzvorträge, in denen die vortragende Person versucht die Zuhörenden von einem Konzept, einer Idee oder Vorgehensweise zu überzeugen. Das Format ist vor allem in technischen und/ oder wirtschaftlichen Bereichen üblich (siehe z. B. Margherita & Verrill, 2021). 60 Für die verwendeten Transkriptionsregeln siehe Kapitel-8.2.1. of Education Studierende des Fachs Englisch der Ruhr-Universität Bochum teilnahmen. 58 Für die Vorstudie wurden 6 Interviews geführt und 8 elevator pitches  59 aufgezeichnet. Die Vorstudie ist gesondert von der Hauptstudie zu betrachten, da die Daten nicht direkt in die weitere Analyse im Rahmen der QIA und ENA eingeflossen sind. Stattdessen wurde die Vorstudie vor dem Hintergrund spezifischer Interessen für die Vorbereitung der Haupterhebung durchgeführt. Folgende Punkte sollten dabei durch die Durchführung der Vorstudie eruiert werden: • Wie wirkt sich der virtuelle Raum auf die Interviewsituation aus? • Lässt sich über video conferencing Tools eine ausreichend hohe Qualität für die anschließende Transkription und Auswertung der Interviews sicherstellen? • Beinhaltet der Leitfaden genügend erzählgenerierende Impulse (Nohl, 2017, S. 3-4) für das Forschungsinteresse? • Wie wirkt sich die Rollenverteilung (Dozierender und Studierende) auf die Interview‐ situation aus? • Erlaubt das Format der elevator pitches zusätzliche Einblicke mit Bezug zu Vorstellungen, die über die Interviewdaten hinausgehen? Die Vorstudie wurde damit sowohl mit Blick auf die Prüfung der Instrumente als auch der Erhebungssituation der Hauptuntersuchung vorangeschoben. Da die Vorstudie in erster Linie der Vorbereitung der Hauptuntersuchung diente, werden an dieser Stelle nicht alle Ergebnisse wiedergegeben. Allerdings ist es für das Verständnis der lessons learnt der Vorstudie und ihres Einflusses auf die weiteren Erhebungen sinnvoll, die Studie in ihren Grundzügen zu umreißen. Dafür werden zunächst Erhebung und Auswertung skizziert, bevor die o.-g. Fragen mit Bezug zur Hauptuntersuchung beantwortet werden. 7.3.1 Elevator pitches der Vorstudie Die ersten elevator pitches wurden im November 2020, also zum Beginn der Online-Semi‐ nare im Wintersemester 2020/ 2021 geführt. Es handelte sich um das zweite Semester, wel‐ ches aufgrund der pandemiebedingten Einschränkungen ausschließlich online stattfand. Wie die Seminare, fanden auch die elevator pitches mittels der Videokonferenzplattform Zoom statt. Die pitches wurden lokal aufgezeichnet und mit der Transkriptionssoftware F4 transkribiert. 60 Die Audio- und Videodateien wurden nach schriftlicher Einwilligung (siehe Anhang) der Studierenden zum Abgleich zwischen Transkription und Audio bzw. Video‐ datei auf einer externen, passwortgeschützten Festplatte gespeichert. Das Gleiche vorgehen wurde für die elevator pitches im Sommersemester 2021 im Anschluss an die Vorstudie 126 7 Forschungsdesign <?page no="127"?> wiederholt. Allerdings waren die Aufnahmen der elevator pitches des Sommersemesters 2021 ursprünglich als Teil der Hauptstudie geplant (siehe Kapitel-7.4). Inhaltlich hatten die Vortragenden in beiden Erhebungen der elevator pitches den Auftrag, innerhalb von 60 Sekunden die für sie wichtigsten Inhalte und Handlungs‐ empfehlungen der ICILS-Studie (International Computer and Information Literacy Study) (Eickelmann et al., 2019) zusammenzutragen und mit einer Handlungsaufforderung zu verbinden. Die ICILS-Studie war bereits in den beiden Wochen zuvor ausführlich bearbeitet worden. Ursprüngliches Ziel elevator pitches war es, durch die zeitlich enge Begrenzung Priorisierungen der Studierenden mit Bezug zu Digitalität zu forcieren. Dadurch wurde sich insbesondere auch Einblick auf die assoziativen Strukturen erhofft. Auch wenn das Verfahren für Vorstellungen im Laufe der Annäherung an das Forschungskonstrukt für die Hauptstudie als ungeeignet verworfen wurde, ließ sich durch die insgesamt 16 elevator pitches zumindest das Forschungsinteresse konkretisieren. Um inhaltliche Schwerpunkte der Vortragenden sichtbar zu machen, wurden mit Hilfe des Codierprogramms MaxQDA 2020 alle Transkripte thematisch codiert und unter Einbezug einer weiteren forschenden Person kommunikativ validiert. Da es sich bei der Auswertung noch nicht um eine QIA handelte, wurde an dieser Stelle noch kein Test auf intercoder-reliability (ICR) (Kuckartz, 2018, S. 204) durchgeführt. Abbildung 9 bietet einen Überblick über die Verteilung der codierten Segmente der elevator pitches. Aus der Codierung wurde deutlich, dass die Studierenden neben den in der ICILS-Studie selbst präsenten Themen (hier: Unterschiede digitales Niveau, Infrastruktur und Unter‐ stützungsbedarf Lehrer*innen & Schüler*innen) mehrfach pandemiebezogene Aussagen trafen und mit digitaler Entwicklung in Verbindung setzten. Auffällig war vor allem, dass digitale Entwicklung aus Sicht der Vortragenden als notwendige Antwort auf das pandemiebedingte Distanzlernen bezeichnet wurde und Digitalisierung aus diesem Grund voranzutreiben sei. Diese wiederholte Fokussierung der Studierenden bestärkte das For‐ schungsinteresse an der Beziehung zwischen dem Stellenwert, den die befragten Personen digitalen Technologien zuschreiben und pandemiebedingten Erfahrungen. Schließlich ist, wie die Diskussion zu Digitalisierung und Digitalität in Kapitel-2 gezeigt hat, der Distanz‐ unterricht nur eine spezifische Möglichkeit des Einsatzes digitaler Technologien, die aber durch die Erfahrungen der Pandemie gleichzeitig sehr in den Fokus gerückt zu sein schien. Dementsprechend bestätigte sich das geplante Vorgehen in der Analyse der Hauptstudie, welches mit Einbezug der ENA einen verstärkten Fokus auch auf die Beziehung von Rolle und Nutzen digitaler Technologien und pandemiebedingten Erfahrungen legen sollte. Auch wenn die elevator pitches auf diesem Wege indirekt die Hauptstudie beeinflussen, wurden nach dem Sommersemester 2021 keine weiteren elevator pitches mehr aufge‐ nommen bzw. durchgeführt. Grund dafür war neben Überlegungen zur Passung zum Forschungskonstrukt Vorstellungen vor allem, dass die Betrachtung der elevator pitches im Vergleich zu der Auswertung der Interviews keine erkennbaren zusätzlichen Einsichten für das Forschungsinteresse ermöglichten. Damit konnte der notwendige Mehrwert zusätzli‐ cher Datenerhebung (Legutke & Schramm, 2016, S. 111) und das Prinzip der Datensparsam‐ keit (Art. 5 der Datenschutz-Grundverordnung DSGVO) nicht mehr mit der Durchführung und Aufnahme weiterer elevator pitches vereinbart werden. Aus diesem Grund wurde 7.3 Exkurs: Vorstudie als Annäherung an die Instrumente und das Erhebungsdesign 127 <?page no="128"?> Abbildung 9: Thematische Strukturierung der 16 elevator pitches schließlich eine Triangulation (Knorr & Scramm, 2016, S. 90) in der Haupterhebung im Bereich der Methodik, nicht mehr aber im Bereich der Datenerhebung angestrebt. 7.3.2 Interviews der Vorstudie Anders als bei den elevator pitches, die ursprünglich z. T. auch Teil der Datengrundlage der Hauptstudie sein sollten, handelte es sich bei der Interviewerhebung im Wintersemester 2020/ 2021 im Rahmen der Vorstudie explizit um einen Testlauf für die Haupterhebung. Die sechs Interviews wurden im Zeitraum vom 02.02.2021 - 08.02.2021 mit M. Ed. Studierenden des Seminars „Englischunterricht neu denken“ des Wintersemesters 2020/ 2021 geführt. Wie bei den elevator pitches wurden die Interviews online über die video conferencing Plattform Zoom durchgeführt. Da im Vergleich zu den Audiospuren aus den Videografien kein 128 7 Forschungsdesign <?page no="129"?> 61 Für die Hauptstudie wurden hingegen ausschließlich Studierende berücksichtigt, die keine Lehrver‐ anstaltung bei dem Forschenden belegt hatten oder belegen würden. 62 Es ist zu beachten, dass es nicht die qualitativen Gütekriterien festgelegt werden können, und es sich stattdessen um einen vielschichtigen und undurchsichtigen Diskurs handelt (vgl. Döring & Bortz, S. 106-108). Wenn in dieser Arbeit qualitative Gütekriterien beschrieben werden, handelt es sich um diejenigen Kriterien, die wiederholt in der Didaktik, Bildungswissenschaft und Sozialwissenschaft Verwendung finden (siehe u. a. Caspari et al., 2016; Dörnyei, 2007; Kuckartz, 2018; Przyborski & Wohlrab-Sahr, 2008). deutlicher Mehrwert für das Forschungsinteresse erwartet wurde, wurden ausschließlich die Audiospuren lokal gespeichert und zur Verwahrung auf einer passwortgeschützten, externen Festplatte gesichert. Die Audiodateien wurden anschließend zwecks Dokumen‐ tation vollständig mit der Software F4 transkribiert und anonymisiert. Auch wenn die Teilnahme an den Interviews nicht mit den Anforderungen und der Bewertung der Kursleistung verbunden war und freiwillig erfolgte, ist aufgrund der speziellen Beziehung des Forschenden als Dozierender der befragten Personen eine starke Verzerrung der Antworten durch soziale Erwünschtheit zu erwarten gewesen (Kuckartz, 2018, S. 18-19; Manderfeld, 2020, S. 50). Dieser Effekt machte sich in den Interviews dadurch bemerkbar, dass Studierende unabhängig von der gestellten Frage immer wieder auf positive Aspekte des Seminars eingingen. Da es jedoch nicht geplant war, die Interviews inhaltlich in die Hauptstudie einfließen zu lassen, war dieser Umstand für die Nutzung der Interviews kein Ausschlusskriterium. 61 So konnten trotzdem einige forschungspraktische Punkte zur Überarbeitung des Designs festhalten werden. Mit Blick auf die am Anfang des Kapitels gestellten Fragen wurde aus einer organisatorischen Perspektive deutlich, dass trotz kleinerer Verbindungsstörungen über die Plattform, Audiospuren von ausreichender Qualität für eine genaue Transkription erhoben werden konnten. Während der virtuelle Raum ggf. in der Präsenz von Themen eine Rolle spielte, schien die Kommunikation im virtuellen Raum den Erzählfluss nicht grundlegend zu mindern. Durch die zusätzliche Gewöhnung an das Online-Format im Laufe der Semester, war für den Anfang der Haupterhebung ein sogar noch geringerer Einfluss des video conferencing auf die Interviews zu erwarten. Als wichtigste Erkenntnis ist aber die grundlegende Überarbeitung des Leitfadens zu betonen. Denn auch wenn der genutzte Leitfaden für das Wintersemester 2020/ 2021 insgesamt bereits ausreichend Erzählimpulse zu generieren schien, erwies der Fokus auf ein spezifisches Seminar im ersten Teil des Leitfadens für den Gesprächseinstieg als ungeeignet. Die Antworten entsprachen bei dem ersten Impuls eher denen eines schriftlichen Feedbacks (ähnlich den an der Ruhr-Universität Bochum häufig genutzten Evasys-Fragebögen), als das Studierende wirklich in den „Zugzwang des Erzählens“ (Nohl, 2017, S. 25) gerieten, der für den interpretativen Zugang besonders wertvoll sein kann. Abschnitt 1 wurde daher basierend auf dieser Erkenntnis grundlegend überarbeitet und der Frageimpuls geöffnet (siehe Kapitel-7.4.2). Im Rahmen der Gütekriterien qualitativer Forschung 62 bleibt zu betonen, dass sich die Durchführung der Vorstudie zwar auf den Leitfaden, die Auswahl der Teilnehmenden und die Konkretisierung des Forschungsinteresses auswirkte, jedoch keine inhaltlichen Vorannahmen aus den Ergebnissen formuliert wurden. So kann trotz der Vorstudie die für 7.3 Exkurs: Vorstudie als Annäherung an die Instrumente und das Erhebungsdesign 129 <?page no="130"?> qualitative Zugänge notwendige Offenheit (Caspari, 2016, S. 18; Helfferich, 2011, S. 182) bewahrt werden. 7.4 Datenerhebung und Instrumente (Hauptstudie) Nachdem nun der Einfluss der Vorstudie auf die Hauptstudie skizziert wurde, lässt sich über die Beschreibung der Datenerhebung Eingang in den Ablauf der Hauptstudie finden. Dem Prozess der Datenerhebung wird dabei in der vorliegenden Arbeit wegen des (auch) qualitativen Forschungsdesigns und aufgrund der außergewöhnlichen Bedingungen in den verschiedenen Phasen der Pandemie besonders genau Rechnung getragen. Damit soll dem gerade für die qualitative Forschung unverzichtbarem Anspruch an Transparenz und Voll‐ ständigkeit (Flick, 2014, S. 420) bei der Forschungsdokumentation nachgekommen werden. Mit dem Ziel von „intersubjektiver Nachvollziehbarkeit“ (Helfferich, 2011, S. 155-156) beim Vorgehen in der Erhebung werden mehrere Aspekte in jeweiligen Unterkapiteln bearbeitet: Als erstes werden Teilnehmende, Ablauf von und Besonderheiten bei der Erhebung für die Hauptstudie diskutiert. Neben der Beschreibung der interviewten Personen, wird hier vor allem auch auf die Unterschiede zwischen den beiden Erhebungsräumen (Sommersemester 2021 und Wintersemester 2021/ 2022) eingegangen. Anschließend werden die Entwicklung und Nutzung des Interviewleitfadens diskutiert. Gerade das Spannungsverhältnis zwischen Offenheit und Strukturierung (Helfferich, 2014, S. 561) bei leitfadengestützten Interviews für qualitative Forschungsinteressen soll hier reflektiert werden. Kapitel 7.5 erweitert die Dokumentation der Erhebung mit einer Reflexion des Einflusses der Covid-19-Pandemie auf die Daten. Hier wird noch mal die besondere Interviewsituation im virtuellen Raum sowie die veränderte Gesamtsituation zwischen den Kohorten thematisiert. Vor dem Übergang zur QIA schließen in Kapitel 7.6 die Selbstverortung des Forschenden und die Problematisierung möglicher Einflüsse des Forschenden auf die Erhebung die Betrachtung der Datenakquise ab. 7.4.1 Teilnehmende und der organisatorische Rahmen der Haupterhebung In Kapitel 4.3 war festgestellt worden, dass die Universitäten - bei allen rechtlichen Vorgaben - auch ein Maß an Autonomie für die Ausgestaltung der vorgegebenen Anteile des Lehramtsstudiums besitzen. Entsprechend sollen an dieser Stelle kurz die Spezifika des Master of Education Studiengangs an der Ruhr-Universität Bochum skizziert werden, in dem alle Teilnehmenden der Studie eingeschrieben waren. Zunächst ist zu betonen, dass sich das Lehramtsstudium an der Ruhr-Universität Bochum dadurch kennzeichnet, dass Studierende in der Regel zunächst einen Bachelor of Arts abschließen oder einen äquivalenten Studiengang nachweisen müssen (Ruhr-Universität Bochum, 2023). Die Studierenden durchlaufen somit erst einen Bachelor of Arts „mit Lehramtsoption“ (ebd.), der neben dem Fachstudium in einer lehramtsgeeigneten Fächerkombination aus dem sogenannten „Optionalbereich“ (ebd.) besteht. Hier muss das Profil Lehramt gewählt werden, was neben bildungswissenschaftlichen Veranstaltungen auch Module wie Deutsch für Schülerinnen und Schüler mit Zuwanderungshintergrund umfasst. Fachdidaktische 130 7 Forschungsdesign <?page no="131"?> 63 Studierende, die sich aktuell im Praxissemester befanden (und damit in der Begleitveranstaltung) mussten aufgrund der schwierigen Erreichbarkeit aus der Studie ausgeschlossen werden. 64 Diese Kondition wurde an der Stelle allerdings nur über die jeweiligen Seminare überprüft. Es kann also vorkommen, dass Studierende aus dem ersten und dem zweiten M. Ed. Semester beide in die Einführungsphase gezählt wurden, weil beide Studierende noch denselben Kurs besuchten. 65 Das heißt nicht, dass dieser bias in den einzelnen Interviews nicht zum Tragen gekommen sein kann. Der bias in Interview und Interpretation wird in Kapitel 8.8 diskutiert. Hier geht es ausschließlich darum eine (innerhalb der eigenen Vorgaben) möglichst heterogene Stichprobe zu erhalten. Veranstaltungen finden hingegen in der Regel erst im Master of Education statt, was die Zahl der möglichen fachdidaktischen Module einschränkt. Das Lehramtsfach Englisch an der Ruhr-Universität Bochum besteht neben einem fachwissenschaftlichen Modul und einem Modul Fremdsprachenausbildung aus zwei fach‐ didaktischen Modulen (Englisches Seminar, 2020). Die fachdidaktischen Module gliedern sich in vier Veranstaltungen auf, die im Studienverlauf aufeinander aufbauen: Zwei Einfüh‐ rungsveranstaltungen, eine Begleitveranstaltung zum Praxissemester und schließlich ein Vertiefungsseminar, in dem auf die Erfahrungen aus dem Praxissemester aufgebaut wird. Zur Zeit der Erhebung gliederten sich die Einführungsseminare in zwei Überblicksseminare zu Textbzw. Sprachdidaktik auf, in der Grundlagen aus der Fremdsprachendidaktik und ihren Bezugsdisziplinen wie der Literaturwissenschaft, Linguistik und Second Lang‐ uage Acquisition vermittelt, sowie das Praxissemester vorbereitet wurden. Während das Begleitseminar sich auf die Begleitung, Nachbereitung und Reflexion des Praxissemesters fokussiert, legt das Vertiefungsseminar in der Regel einen thematischen Schwerpunkt. Die Teilnehmenden für die Studie wurden aus drei der vier fachdidaktischen Veranstaltungen - und damit aus verschiedenen Phasen des Master of Education - akquiriert. 63 Für die Akquise wurde die Studie über verschiedene Dozierende in allen Veranstaltungen bekanntgegeben. Studierende konnten sich freiwillig für die Teilnahme melden. Die Namen aller freiwilligen Studierenden wurden dann anonymisiert an den Forschenden weiterge‐ geben. Anschließend wurden über einen research randomiser jeweils 16 Teilnehmende im Sommersemester 2021 und 16 Teilnehmende im Wintersemester 2021/ 2022 ausgewählt. Es wurden dabei ausschließlich Teilnehmende gewählt, die keine Lehrveranstaltung bei dem Forschenden besuchten oder besucht hatten, um das in der Vorstudie beschriebene Risiko der sozialen Erwünschtheit zu minimieren. Außerdem wurde darauf geachtet, dass sich die ausgewählten Studierenden in verschiedenen Phasen des Studiums befanden und alle Phasen des Studiums in der Stichprobe gleichermaßen repräsentiert waren. 64 Da einige Studierende des Master of Education dem Forschenden bekannt waren, wurde über die zufällige Zusammensetzung versucht, einem unbewussten bias nach Sympathie oder erwarteten Antworten entgegenzuwirken. 65 Konnte oder wollte einer der Studierenden nicht mehr an der Studie teilnehmen, wurde die nächste Person der des research randomisers generierten Listen angefragt. Die Teilnehmenden wurden anschließend schriftlich benach‐ richtigt und individuelle Termine für die Interviews vereinbart. Mit diesem Vorgehen konnten in der Zeit vom 31.05.2021-25.11.2021 weitere 32 Inter‐ views geführt werden. Zusammen mit den Studierenden der Vorstudie und den elevator pitches nahmen insgesamt 48 Studierende an der Studie Teil, wobei für die Analyse der Hauptstudie aus den in Kapitel 7.3.1 und 7.3.2 beschriebenen Gründen nur die 32 Studie‐ 7.4 Datenerhebung und Instrumente (Hauptstudie) 131 <?page no="132"?> renden des Sommersemesters 2021 und des Wintersemesters 2021/ 2022 berücksichtigt wurden. Zusätzlich dazu wurden zwei Expert*inneninterviews geführt, die zur Kontrolle des Leitfadens wie auch zur Kontrastierung der Ergebnisse dienen sollten. Insgesamt wurden also 34 bzw. 50 Teilnehmende in Vor- und Hauptstudie berücksichtigt. Das Vorgehen bei der Datenerhebung ist Abbildung-10 zusammengefasst. Abbildung 10: Überblick über den Ablauf der Datenerhebung, eigene Darstellung Die Abbildung zeigt, dass Vor- und Hauptstudie zwar separat voneinander zu betrachten sind, die Vorstudie, wie in Kapitel 7.3.1 beschrieben, über den Einfluss auf Forschungs‐ interesse und den Leitfaden (siehe Kapitel 7.4.2) aber als Teil des Forschungsprozesses aufgeführt werden muss. Das Sommersemester 2021 und das Wintersemester 2021/ 2022 sind, trotz der z. T. auch gemeinsamen Auswertung, durch die sich unterscheidende Erhebungssituation auch als einzelne Kohorten zu berücksichtigen. So wird in der Grafik durch den Zusatz Onlinebzw. Hybridsemester betont, dass die Erhebungssituationen aufgrund der dynamischen Entwicklung des Pandemiegeschehens nicht identisch waren (zur Diskussion siehe Kapitel 9.4). Die anschließende Datenaufbereitung beinhaltet sowohl die Transkription der Interviews als auch die Anonymisierung und sichere Verwahrung. Außerdem umfasst die Datenverarbeitung das Einpflegen der Interviews in die für die QIA genutzte Software MaxQDA. Für die ENA war darüber hinaus eine weitere Überarbeitung der Daten notwendig, die in dem dazugehörigen Kapitel noch ausführlich beschrieben wird. Typischerweise weisen qualitative Studie eher kleinere Teilnehmer*innenzahlen auf (Dörnyei, 2007, S. 37-38). Für die vergleichsweise hohe Anzahl an Teilnehmer*innen wurde sich aber aus gleich mehreren Gründen entschieden: • Die QIA entfaltet ihre Stärken insbesondere bei der Bearbeitung großer Datenmengen (Mayring & Fenzl, 2014, S.-545; Kuckartz, 2018, S.-223). • Die statistische Auswertung in der ENA (Kapitel 9) profitiert von einer möglichst großen Anzahl an Teilnehmenden und codierten Elementen. 132 7 Forschungsdesign <?page no="133"?> Darüber hinaus erlaubte die pandemiebedingte virtuelle Durchführung der Interviews und die damit einhergehende Flexibilität hinreichend Spielraum hinsichtlich der „Machbarkeit“ (Grum & Legutke, 2016, S. 85) einer umfangreicheren Stichprobe. Anders als bei der Frage zur fortlaufenden Verwendung der elevator pitches war in diesem Fall also ein Mehrwert durch weitere Datenerhebung zu erwarten. Gleichzeitig ließ sich das Vorgehen durch die besonderen Umstände forschungspragmatisch rechtfertigen, die Machbarkeit war also gegeben. Die spezifische Zahl von jeweils 16 Interviews in Sommersemester 2021 und Wintersemester 2021/ 2022 stellt hier den Kompromiss zwischen der Möglichkeit statistischer Tests und der in qualitativen Designs üblichen Zeitintensität - nicht nur der Erhebung, sondern vor allem der Auswertung von Interviewmaterial - dar. Die Anbahnung und Durchführung der Interviews waren wie folgt organisiert. Nachdem die Teilnehmenden über das Vorgehen informiert wurden und das schriftliche Einver‐ ständnis sichergestellt wurde (siehe Anhang), wurden allen Teilnehmenden mehrere Ter‐ mine angeboten. Die Termine waren dabei so geplant, dass an den einzelnen Tagen jeweils mehrere Interviews erhoben werden konnten, jedoch nicht mehr als drei. Damit sollte den einzelnen Interviews genügend Zeit eingeräumt werden und gleichzeitig die angestrebte Interviewzahl erreicht werden. Aufgrund terminlicher Überschneidungen wurden insge‐ samt 7 der 34 Interviews von einer der Arbeit vertrauten wissenschaftlichen Hilfskraft durchgeführt. Diese Interviews wurden nach der Erhebung gemeinsam diskutiert und auf Auffälligkeiten untersucht. Anschließend wurden die Interviews gesondert markiert (zur Diskussion siehe Kapitel-8.7 und 8.8). Um den Anforderungen an den Datenschutz gerecht zu werden und gleichzeitig keine wesentlichen Merkmale zu verlieren (Kuckartz, 2018, S. 171), wurden alle Interviews mit Hilfe eines Anonymisierungsschlüssels vollständig anonymisiert. Der Anonymisie‐ rungsschlüssel wurde dabei getrennt von den Interviewdateien aufbewahrt, sodass die Anonymisierung ausschließlich von dem Forschenden selbst entschlüsselt werden kann. 7.4.2 Die verwendeten Instrumente Da die Prompts für die elevator pitches in der Hauptstudie nicht mehr verwendet wurden, wird sich an dieser Stelle vor allem auf die Leitfäden für die Interviews fokussiert. Die in der QIA (MaxQDA) und ENA (Epistemic Network App) verwendete Software wird in den entsprechenden Methodenkapiteln thematisiert. Wie bereits zuvor kurz angemerkt, war die größte Herausforderung bei der Planung der Interviews das Spannungsverhältnis, das sich aus der Untersuchung themenspezifischer Vorstellungen ergibt. Es ist in qualitativen Forschungsdesigns üblich, Vorstellungen, aber z. B. auch beliefs bzw. Überzeugungen über narrative Interviews (Küsters, 2014) sichtbar zu machen (Knüsel Schäfer, 2020; Nohl, 2017). Gleichzeitig sind für das Forschungsinteresse besonders spezifische, digitalitätsbezogene Vorstellungen relevant. Das Interview muss also ein Mindestmaß an Strukturierung besitzen und gleichzeitig offen genug sein, dass über die Analyse der Antworten Vorstellungen sichtbar gemacht werden können. Aufgrund der thematischen Spezifizierung der Vorstellungen wurde sich gegen narrative Interviews und für leitfadengestützte, halbstrukturierte Interviews entschieden. 7.4 Datenerhebung und Instrumente (Hauptstudie) 133 <?page no="134"?> Das teilstrukturierte (auch: teilstandardisierte) Interview mit Hilfe eines Leitfadens wird in verschiedenen Mixed-Methods-designs (Döring & Bortz, 2016, S. 178-179) wie auch qualitativen Studien verwendet (Helfferich, 2014, S. 558; Knüsel Schäfer, 2020, S. 85-86). Leitfadengestützte Interviews werden verwendet, wenn „maximale Offenheit gewährleistet sein soll, und wenn andererseits von den Interviewenden Themen eingeführt werden sollen und so in den offenen Erzählraum strukturierend eingegriffen werden soll“ (Helfferich, 2011, S. 179). Da durch die Strukturierung immer auch in die für qualitative Analysen notwendige Offenheit des Erzählflusses (ebd., S. 156) eingegriffen wird, muss jegliche Strukturierung im Forschungsinteresse begründet sein. Diese Begründung leitet sich daraus ab, dass digitalitätsbezogene Vorstellungen - wie in Kapitel 5 argumentiert - zwar mit global beliefs (Törner, 2002, S. 86) verglichen werden könnten, mit Bezug auf das Lehren und Lernen (im Fach Englisch) aber in der vorliegenden Arbeit stark themenbezogen sind. Aus diesem Grund ließe ein gänzlich offenes, narratives Interview nicht in der gleichen Dichte Antworten erwarten, die für das Forschungsinteresse von Relevanz sind. Um die Offenheit als Grundkriterium qualitativer Interviews auch trotz der mit dem Leitfaden einhergehenden Strukturierung der Interviews so weit wie möglich zu bewahren, wurde sich für den SPSS (Sammeln, Prüfen, Sortieren, Subsumieren) Ansatz der Leitfragen‐ genese nach Helferrich (2011, S. 182) entschieden. Über diesen Ansatz wird ein flexibler Grad an Strukturierung gewonnen (ebd., S. 45), ohne, dass Antwortmöglichkeiten zu sehr vorgegeben werden müssen. In vier aufeinanderfolgenden Schritten wird hierbei ein Katalog aus erzählgenerierenden Impulsen, optionalen Nachfragen und Anmerkungen zur Gesprächsaufrechterhaltung generiert (ebd., S.-182-189): 1. „Sammeln“: Alle möglicherweise relevanten Frageimpulse werden ungefiltert zusam‐ mengetragen. Dabei sollen explizit wesentlich mehr Fragen generiert werden, als am Ende Eingang in den Leitfaden erhalten. So entstanden im ersten Schritt 55 Fragen. 2. „Prüfen“: Im zweiten Schritt werden alle ungeeigneten Fragen eliminiert. Das betrifft Faktenfragen, Fragen, die Ausdruck impliziter Erwartungen sind, Fragen, die nicht von der befragten Person beantwortbar sind oder geschlossene Fragen. 3. „Sortieren“: Die verbleibenden Fragen werden nach zeitlicher Dimension, Forschungs‐ interesse oder inhaltlichen Aspekten in 1-4 Gruppen eingeteilt. 4. „Subsumieren“: Für jede Gruppe wird ein möglichst einfacher Erzählimpuls erstellt, unter dem die gruppierten Aspekte subsumiert werden können. Unter diesem Vorgehen wurde der Leitfaden generiert, der bereits für die Vorstudie verwendet wurde (siehe Anhang). Durch die spezifische tabellarische Form nach dem SPSS-Prinzip, lässt sich der Leitfaden von weitestgehend offen (lediglich die Erzählimpulse der ersten Spalte) bis zu stark strukturiert (konkretisierende Impulse in Spalte 2 und 3, Steuerungsimpulse in Spalte 4) nutzen. Der Leitfaden beginnt mit allgemeinen Impulsen zu den Erfahrungen der pandemie‐ bedingten Semester. Es wurde erwartet, dass sich dieser Themenbereich als Einstieg eignet, da er kein fachliches Vorwissen voraussetzt und sich alle Studierenden zur Zeit der Befragung noch in der angefragten Situation befanden. Erst im Anschluss an dieses einleitende Segment wurde mit dem Fokus auf die eigene Lehrtätigkeit (Abschnitt 2) und auf Fremdsprachenlehre (Abschnitt 3) der Themenbereich enger vorgegeben. Abschnitt 134 7 Forschungsdesign <?page no="135"?> 4 öffnete mit Blick auf die Zukunft den Rahmen der möglichen Antworten wieder. Die thematische Auswahl - eigene Erfahrungen, eigene (hypothetische) Lehre, die Rolle von Digitalität für Fremdsprachen und die erwartete Zukunft des eigenen Berufs - informierte sich neben den Erkenntnissen der Vorstudie vor allem aus den in Kapitel 2-5 dargestellten Zusammenhängen zu Vorstellungen und Digitalität. So wurde beispielsweise für den Bereich Vorstellungen beachtet, den verschiedenen erarbeiteten Bestandteilen mit Impulsen zu Assoziationen aber auch erzählgenerierenden Impulsen gerecht zu werden. Im Bereich Digitalität waren die Impulse und Begriffe möglichst offen gestaltet, damit Studierende den omnipräsenten und mehrdeutigen Begriff selbstständig ausfüllen konnten bzw. mussten. So enthielten die Impulse die Begriffe digital bzw. digital-gestützt anstelle von online, Distanz, medial oder toolbezogen. Nach der Hälfte der Interviews durchlief der Leitfaden aufgrund der veränderten pandemischen Situation eine weitere Iteration. Da es sich bei dem Sommersemester 2021 um ein Hybridstatt eines Onlinesemesters handelte und damit sowohl Distanzals auch Präsenzveranstaltungen stattfanden, mussten einige Begrifflichkeiten angepasst werden. Relevant ist hier vor allem die der Übergang von „digitale Semester“ zu „digital-gestützte Semester“. Durch die ohnehin bestehenden Ambivalenzen bei den Begrifflichkeiten um Digitalisierung und Digitalität ließe sich hier ein leichter Einfluss auf die Antworten erwarten (zur Reflexion siehe Kapitel-8.8). Abbildung 11: Iterationen des Leitfadens, eigene Darstellung Eine letzte Iteration betrifft den Leitfaden für die Expert*inneninterviews. Da diese auch der Selbstkontrolle des Leitfadens dienten wurde der Leitfaden für die Expert*inneninterviews so ähnlich zu den anderen Leitfänden gehalten wie möglich. Der Hauptunterschied liegt bei Abschnitt 2 und der „hypothetischen Lehrstunde“ (siehe Anhang). Da beide Expert*innen zum Zeitpunkt der Befragung digital-gestützte Lehre anboten, wurde anstelle 7.4 Datenerhebung und Instrumente (Hauptstudie) 135 <?page no="136"?> von hypothetischer Lehre nach der tatsächlichen Planungsarbeit gefragt. Dadurch wurde sich außerdem ein für Expert*inneninterviews typischer „Einblick in Erfahrungswissen“ (Helfferich, 2014, S.-559) erhofft (zur Diskussion siehe Kapitel-9.3.4). In allen Iterationen wurde der Leitfaden vor der Verwendung zunächst an den Güte- und Qualitätskriterien für leitfadengestützte Interviews (Helfferich 2011 und 2014) gemessen. Dazu zählt die bereits diskutierte Offenheit in allen Teilen des Leitfadens, aber auch die Übersichtlichkeit und Handhabbarkeit sowie der natürliche Argumentationsfluss. Während Offenheit, Übersichtlichkeit und Handhabbarkeit gemeinsam mit dem Fokus auf wenige, erzählgenerierende Impulse durch das SPSS-Prinzip angestrebt wurden, lässt sich die Einhaltung eines natürlichen Argumentationsflusses nur inhaltlich begründen. Es lässt sich dabei argumentieren, dass die Themen in den Leitfäden drei natürlichen Progressionspfaden folgen: Abbildung 12: Progressionslinien der Leitfäden, eigene Darstellung Durch die Orientierung an den drei Progressionslinien wurde ein natürlicher Gesprächs- und Argumentationsfluss erwartet. Dieser zeigt sich in den Interviews durch die zahlrei‐ chen erzählenden Abschnitte wie auch durch die Bezugnahme der befragten Personen auf zuvor gegebene Antworten (siehe Kapitel 8.2 und 8.3), die einzelnen Elemente scheinen also auch für die befragten Personen logisch miteinander verbunden gewesen zu sein. Nachdem nun der allgemeine, wissenschaftstheoretische Hintergrund der Studie, die or‐ ganisatorische Rahmung sowie auf die verwendeten Instrumente eingegangen wurde, soll der Einfluss der pandemiebedingten Einschränkungen auf die Erhebung expliziert werden. Anschließend wird der Fokus in Kapitel 7.6 noch auf die Verortung des Forschenden selbst im Erhebungsprozess gelegt. 7.5 Auswirkungen der pandemiebedingten Einschränkungen auf die Erhebung Da die Auswirkungen der Pandemie nicht nur das Forschungsinteresse, sondern die gesamte Erhebung beeinflusst haben, wird dafür ein eigenes Kapitel eingeräumt. Ziel ist es, die Interviewsituationen zu kontextualisieren und deren kommunikative Situierung zwecks intersubjektiver Nachvollziehbarkeit transparent zu machen. Gerade das Verständnis der Kommunikationssituation ist auch für die Interpretation der in Kapitel 8 folgenden QIA essenziell (Burwitz-Melzer & Steiniger, 2016, S. 258). Zwar gibt es (Stand 10/ 2023) erste Veröffentlichungen, die die veränderte Erhebungssituation während der Pandemie bei fremdsprachendidaktischer Forschung reflektieren (z.-B. Abendroth-Timmer & Schneider, 136 7 Forschungsdesign <?page no="137"?> 2021), die dynamische und virtuelle Erhebungssituation ist im Allgemeinen jedoch noch nicht so stark in der qualitativen Fremdsprachen- und Sozialforschung verankert wie die persönliche oder telefonische Durchführung von Interviews. Gerade diese Neuartigkeit des Kontexts der Erhebung macht die Reflexion umso wichtiger. Eine mögliche Einschränkung, die bei der Erhebung der vorliegenden Arbeit ins Auge fällt, ist die inszenierte, digital mediierte Gesprächssituation. Es handelte sich bei den ein‐ zelnen Interviews um Gespräche, die nicht in „natürlichen Settings“ (Helfferich, 2011, S. 12) stattfanden. Daraus resultiert die Frage, inwieweit überhaupt die für qualitative Interviews notwendige Offenheit des Gesprächs sichergestellt werden kann. Mit Blick auf dieses Kri‐ terium lässt sich herausstellen, dass eine Eigenschaft, die unabhängig von der spezifischen Ausgestaltung bei der wissenschaftlichen Durchführung von Interviews berücksichtigt werden sollte, die „Normalität des Interviews als Kommunikationstyp“ (Weck, 2020, S. 191) ist. Das heißt, dass die typische Gesprächssituation in Interviews und seine vordefinierten Rollen den Befragten üblicherweise bekannt sind. Beiden Gesprächspartner*innen ist also bewusst, dass es sich eben nicht um ein „natürliches Setting“ (Helfferich, 2011, S. 12) handelt, sondern bestimmte Erwartungen an das Gespräch gestellt werden. So gibt es eine fragende und eine antwortende Person und es besteht ein Erkenntnisinteresse. Trotz aller Offenheit qualitativer Interviews ist diese Kommunikationssituation allen Interviews - virtuell und in Person - inhärent. In diesem Sinne scheint es weniger ein Einwand gegen das Forschungsdesign als ein notwendiges Merkmal von Interviewstudien zu sein, dass, anders als z. B. bei Ethnografien, das Material nicht aus einem weitestgehend unbeeinflussten Gespräch entsteht. Daraus folgt, dass auch ohne den virtuellen Raum eine künstliche Gesprächssituation entstanden wäre. Zumindest für diesen Aspekt ergibt sich aus der Nutzung von video conferencing also kein offensichtlicher Unterschied. Ein weiterer möglicher Störeinfluss ist, dass das Format der Erhebung durch den digitalen Raum Antworten der befragten Personen vorstrukturiert haben könnte. Es ist na‐ heliegend, dass die befragten Personen häufiger inhaltlich auf Aspekte der Distanzlehre und des video conferencing eingehen könnten, da auch das Interview in Distanz und über video conferencing stattfand. Ob und inwiefern sich das auf die (Interpretation der) Ergebnisse auswirkt, wird deswegen gesondert in den Ergebnissen der QIA diskutiert. Unabhängig davon lässt sich aber auch gegen diese Darstellung als Einschränkung argumentieren. So ergaben sich, neben Limitationen, die mit den pandemiebedingten Einschränkungen einher gehen, auch Potenziale der Erhebungssituation, die bereits in Kapitel 5.3 beschrieben wurden. Für die befragten Personen bestand außerdem ein unmittelbarer Bezug zu den Inhalten des Interviews und sie hatten - gerade auch aufgrund der besonderen Situation zur Zeit der Erhebung - einzigartige Einblicke in die Bereiche des Forschungsinteresses. Wäre mit der Erhebung gewartet worden, bis persönliche Interviews möglich gewesen wären, wäre die Erhebung selbst vielleicht unmittelbar gewesen, die besprochenen Themen aber nur noch mittelbar zugänglich. Mit anderen Worten: die Erhebungssituation passt, trotz möglicher Einschränkungen, genau in dieser Form auf das spezifische Forschungsinteresse. Das heißt nicht, dass mögliche Einschränkungen nicht berücksichtigt werden müssten, aber, dass das gewählte Vorgehen zu dem Zeitpunkt die bestmöglichen Ergebnisse für das Forschungsinteresse versprach. 7.5 Auswirkungen der pandemiebedingten Einschränkungen auf die Erhebung 137 <?page no="138"?> Eine letzte potenzielle Anmerkung zu den pandemiebedingten Einflüssen auf das For‐ schungsdesign betrifft die unterschiedlichen Erhebungssituationen insbesondere zwischen der ersten und zweiten Phase der Haupterhebung (Sommersemester 2021 und Winter‐ semester 2021/ 2022). Hier ließe sich kritisch anmerken, inwiefern die Antworten sich aufgrund des hybriden Semesters von den Antworten des Distanzsemesters unterscheiden müssten und ob überhaupt ein Vergleich zwischen den Interviews möglich ist. Dieser An‐ merkung lässt mit Hilfe der Methodenwahl in der Studie begegnen. So besteht eine explizite Stärke der ENA darin, verschiedene Kohorten zu vergleichen (siehe Kapitel 9). Es lassen sich also sowohl Aussagen über die Interviews insgesamt als auch in ihren Unterschieden zwischen Distanz- und Hybridsemester treffen. Durch das gewählte Forschungsdesign lässt sich also argumentieren, dass die vermeintliche Einschränkung eine Stärke der Studie darstellt, die einen erweiterten Erkenntnisgewinn gegenüber einer, in Bezug auf diese Eigenschaft, einheitlichen Erhebungssituation verspricht. Trotz der hier vorgestellten möglichen Einschränkungen lässt sich also, auch ohne den forschungspragmatischen Hinweis auf die Notwendigkeit des Ausweichens auf den virtuellen Raum weiter zu bemühen, behaupten, dass sich das Erheben der Interviews über video conferencing Plattformen inhaltlich und methodisch rechtfertigen lässt. Darüber hinaus wurden Anstrengungen unternommen, die Gütekriterien (qualitativer) Forschung möglichst umfangreich zu erfüllen. Das betrifft für die vorliegende Studie neben metho‐ denspezifischen Kriterien wie ICR (vgl. Kapitel 8.2) die konsequente Dokumentation des Forschungsprozesses wie auch die Offenheit im Umgang mit Material und Ergebnissen, Flexibilität und die Reflexion der eigenen Rolle und Einflüsse wie auch der Entstehung des Materials (u. a. Caspari, 2016, S. 16-18; Helfferich 2011, S. 155-156 und 180; Kuckartz, 2018, S. 202). Neben dem aktuellen Kapitel werden der Dokumentation, Offenheit und Reflexion auch mit der Verortung des Forschenden im folgenden Kapitel, sowie in den Anlagen im Anhang (siehe Anhang) Rechnung getragen. Bei all diesen Bemühungen ist das Ziel nicht mögliche Einflüsse auf die Erhebung zu beseitigen, sondern ihre Rolle für das Forschungsinteresse zu explizieren, offen zu legen und für die eigene Erkenntnis zu nutzen. Vor diesem Hintergrund ist davon auszugehen, dass nicht nur trotz, sondern gerade auch wegen der außergewöhnlichen Erhebungssituation ein Erkenntnisgewinn durch die Studie zu erwarten ist. 7.6 Verortung des Forschenden Abschließend soll die Rolle des Forschenden selbst im Forschungsprozess kontextualisiert werden. Insbesondere soll in dem Kapitel dem Anspruch an reflektierte Subjektivität (Steinke, 1999) nachgekommen werden. Da, anders als bei quantitativen Verfahren, der Forschende bewusst als Person verstanden wird, die den Forschungsprozess beeinflusst (Kardoff, 1995, S. 14), muss die Rolle des Forschenden mit Bezug zur Studie beschrieben werden. Der Versuch einer Selbstverortung kann auf mehreren Ebenen geschehen. In diesem Rahmen soll vor allem auf die eigenen (Vor-)Erfahrungen und das Verhältnis zwischen Forschendem und befragten Personen eingegangen werden. Da das Promotionsprojekt im März 2020, kurz vor Beginn der ersten Schul- und Universitätsschließungen (Bundesminis‐ 138 7 Forschungsdesign <?page no="139"?> terium für Gesundheit, 2023) begann, können die pandemiebedingten Einschränkungen als ähnlich prägend für das Projekt verstanden werden, wie für die Studienerfahrungen der Studierenden. So waren neben dem auch durch das Projekt DiAL: OGe bestehendem Interesse an Digitalisierung und Digitalität die Auswirkungen der Pandemie auf Bildungs‐ institutionen von Anfang an omnipräsent. Aus diesem Umstand ergibt sich auch, dass einige der Aussagen der Studierenden, beispielsweise über die Belastung ständigen video conferencings, in ähnlicher Form auch den Forschenden selbst betrafen. Die ähnliche Ausgangssituation und die geringe Differenz im Alter zwischen den befragten Personen und dem Forschenden könnte auch die Antworten, insbesondere im ersten Teil des Leitfadens, beeinflusst haben. So schienen Fragen zu den Erfahrungen während der pandemiebedingten Semester gelegentlich darin zu resultieren, dass die befragten Personen vor allem ihrem persönlichen Frust mit der Gesamtsituation Ausdruck verliehen. Auch wenn alle befragten Personen über die Rollen des Forschenden als Promovierenden und Dozierenden der Ruhr-Universität Bochum aufgeklärt wurden, schien es in diesen Momenten eine geringe Rollendistanz für die Studierenden zu geben. Dieser Umstand kann die Interviewsituation jedoch auch positiv beeinflusst haben, da, wie auch mit dem Verzicht auf die Befragung von Studierenden aus eigenen Seminaren, explizit das Gefühl einer offiziellen Prüfungssituation vermieden wurde. So könnte die in dieser Hinsicht bestehenden Nähe zwischen den befragten Personen und dem Forschenden sogar als hilfreich dafür gesehen werden, die so herausfordernde soziale Erwünschtheit (Manderfeld, 2020, S.-50) zu verringern. Trotz dieses möglichen Vorteils gilt es zu prüfen, ob das Gütekriterium der confirmability (vgl. Lincoln & Guba, 1985) weiterhin beansprucht werden kann. Confirmability beschreibt das Ziel, dass Studienergebnisse nicht durch „Vorurteile, Interessen, Perspektiven“ des Forschenden vorbestimmt sein dürfen (siehe auch Döring & Bortz, 2016, S. 109-110). Es lässt sich argumentieren, dass sich das Kriterium damit eng an dem bereits diskutierten Krite‐ rium der Offenheit orientiert. Für die vorliegende Arbeit stellt sich unter Berücksichtigung der Rolle des Forschenden demnach die Frage, ob der Leitfaden offen genug war, sodass die befragten Personen nicht in bestimmte Antworten gedrängt wurden und ob bei der Auswertung Intersubjektivität sichergestellt wurde. Das Kriterium der Intersubjektivität wird noch ausführlich in Kapitel 8 behandelt. Die Offenheit des Fragebogens lässt sich aber bereits hier, durch die Dokumentation des Leitfadens (siehe Anhang), den stark divergierenden Antworten auf die Frageimpulse (siehe Kapitel 8.3), dem SPSS-Prinzip der Leitfadengenese sowie der Kontrolle durch die Expert*inneninterviews begegnen. So können Offenheit und intersubjektive Nachvollziehbarkeit (und damit auch confirmability) für den qualitativen Teil der Studie beansprucht werden. Ein letzter Punkt, der auf mit Blick auf die Verortung des Forschenden berücksichtigt werden muss, betrifft forschungsethische Aspekte. Bei der Befragung von Studierenden besteht als Dozierender besonders die Gefahr, dass Machtverhältnisse (unfreiwillig) ausge‐ spielt werden könnten. Nicht nur kann das die gegebenen Antworten beeinflussen, sondern auch die Freiwilligkeit der Teilnahme in Frage stellen. Um sicher zu gehen, dass keine Teilnehmenden aus einem Verpflichtungsgefühl an der Studie teilnahmen, wurde deswegen strikt darauf geachtet, dass keine der befragten Personen von dem Forschenden geprüft bzw. benotet wurde oder im weiteren Verlauf des Studiums noch geprüft oder benotet werden 7.6 Verortung des Forschenden 139 <?page no="140"?> würde. Außerdem wurden nur Studierende berücksichtigt, deren Einwilligung aktiv und schriftlich erfolgte. Über die anonymisierten Listen war es dem Forschenden außerdem nicht möglich einzusehen, welche Studierenden auf die Teilnahme verzichteten. Insgesamt sollte durch die verschiedenen Maßnahmen sichergestellt werden, dass unerwünschte Einflüsse aus den Rollen des Forschenden und der Erhebungssituation minimiert bzw. offengelegt werden. Damit geht auch einher, dass mögliche Einflüsse aus der Verortung des Forschenden gerade nicht ausgeschlossen werden können und sollen, sondern in diesem Kapitel so wie in den Limitationen (Kapitel 8.8, 9.5 und 10.3) reflektiert werden. 140 7 Forschungsdesign <?page no="141"?> 8 Qualitative Inhaltsanalyse Mit dem Übergang zum achten Kapitel dieser Arbeit beginnt auch die Auswertung der in den vorigen Kapiteln beschriebenen Daten. Sowohl die beiden Formen der qualitativen Inhaltsanalyse in Kapitel 8 - ISQIA (8.2) und typenbildende QIA (8.3) - als auch die ENA (Kapitel 9) sind dabei mit Bezug zu den ausgewählten, deduktiven Kategorien und Analyseeinheiten, den Vergleichen wie auch schließlich der Interpretation der Ergebnisse stark von dem zuvor erarbeiteten Verständnis von Digitalität und des Konstrukts Vorstel‐ lungen geprägt. Bevor aber in 8.2 auf die spezifischen Eigenschaften der QIA dieser Arbeit eingegangen werden kann, werden in 8.1 die allgemeinen methodologischen Grundlagen diskutiert. Dabei geht es nicht nur um eine Beschreibung der geschichtlichen und diszipli‐ nären Verortung der Methode, sondern vor allem auch um die Einordnung der Methode als Bestandteil von Mixed-Methods-Studien. Kapitel 8.1 schließt mit einer eigenen Positionierung zur QIA im Kontext von Fremd‐ sprachenforschung allgemein und im Kontext von Mixed-Methods-Studien im Speziellen ab. 8.2 beschreibt kurz den Ablauf der ISQIA nach Kuckartz (2018), bevor Ziel und Positionierung innerhalb des Studiendesigns verdeutlicht werden. Anschließend wird der für das Verfahren konstitutive Codierprozess in seinen zwei grundlegenden Schritten (de‐ duktive Grobcodierung, deduktiv-induktive Feincodierung) dargelegt. Dabei wird auch das spezifische Vorgehen für die vorliegende Studie, inklusive beispielhaften Codedefinitionen und Qualitätskriterien wie der intercoder-reliability (ICR) transparent gemacht. Es folgt eine kurze Beschreibung und Diskussion der Ergebnisse aus der ISQIA in Kapitel-8.3. Der dritte Teil des Kapitels beginnt mit einer Erläuterung der typenbildenden QIA im Kontext qualitativer Sozialforschung in 8.5. Dazu wird gleichzeitig beschrieben, inwiefern sich die typenbildende QIA als Methode eignet, die auf die ISQIA aufbaut. Es folgen in den weiteren Unterkapiteln die (Haupt-)Schritte der Typenbildung, von der Festlegung des „Merkmalsraums“ (Kuckartz, 2020, S. 800) (Kapitel 8.5.2) bis zur Bestimmung und Beschreibung der eigentlichen Typik (Kapitel 8.5.3). In Kapitel 8.6 folgt die detaillierte Darstellung jeweils eines Beispielfalles, der als Prototyp für je einen der zuvor bestimmten Typen zu verstehen ist. Kapitel 8.7 beendet den qualitativ-codierenden Teil der Arbeit (bis zur Gesamtdiskussion der Ergebnisse in Kapitel-10) mit einem Zwischenfazit. Hier werden die bisherigen Ergeb‐ nisse vor dem Hintergrund des Forschungskonstrukts digitalitätsbezogener Vorstellungen reflektiert. Darüber hinaus werden mögliche Anschlüsse für die in Kapitel 9 folgende ENA erörtert. Die Diskussion und Beantwortung der in Kapitel 6 vorgestellten Forschungsfragen findet im Sinne des Forschungsdesigns erst im Anschluss an die ENA in den Kapiteln 10.1.3 und 10.1.4 statt. Allerdings gibt das Zwischenfazit in Kapitel 8.4 bereits hinweise, inwiefern sich aus den Ergebnissen der ISQIA eine Spezifizierung und Ergänzung des Forschungsinteresses ergibt. <?page no="142"?> 8.1 Die methodologischen Grundlagen der QIA Einer der, zumindest im deutschsprachigen Raum, bekanntesten Vertreter der QIA, Philipp Mayring, beschreibt diese als Verfahren qualitativ orientierter Textanalyse […], das mit dem technischen Know-how der quan‐ titativen Inhaltsanalyse (Quantitative Content Analysis) große Materialmengen bewältigen kann, dabei aber im ersten Schritt qualitativ-interpretativ bleibt und so auch latente Sinngehalte erfassen kann. Das Vorgehen ist dabei streng regelgeleitet und damit stark intersubjektiv überprüfbar, wobei die inhaltsanalytischen Regeln auf psychologischer und linguistischer Theorie alltäglichen Textverständnisses basieren. (Mayring & Fenzl, 2014, S.-543) Mayring, aber auch andere prominente Vertreter wie Kuckartz (2018) oder Schreier (2012), verstehen die QIA also als genuin qualitative Methode, die zugleich Stärken quantitativer Verfahren (z. B. im Umgang mit großen Datenmengen) bewahren soll. Diese Haltung ist der Genese der QIA zuzuschreiben, die als Weiterentwicklung der Inhaltsanalyse nach Weber aus den 1910er Jahren entstanden ist (Kuckartz, 2018, S. 13-14). In seiner ursprünglichen Form dachte Weber die Inhaltsanalyse als quantitatives Verfahren, für das Worte und Themen in Zeitungsartikeln gezählt und verglichen werden sollten (ebd., vgl. auch Siebeck, 1911, S.-91). Verbreitete Anwendung fand die ursprüngliche Form der Inhaltsanalyse aber erst in den 1940er Jahren, in denen vor allem die Analyse von kriegsbezogenen Radioberichten auf großes Interesse in Soziologie und Kommunikationswissenschaft stieß (Kuckartz, 2018, S. 14-15). Zur gleichen Zeit mit dem verstärkten Interesse fand auch eine genauere methodologische Ausdifferenzierung statt, deren Entwicklung sich mit Begriffen wie sampling unit und ICR auch heute noch in inhaltsanalytischen Arbeiten niederschlägt (ebd.). Trotz dieser methodologischen Fortschritte in den 1940er Jahren, war die Inhaltsanalyse zu dieser Zeit noch fest als quantitatives Verfahren verankert und auf manifeste Sinngehalte ausgelegt: „Content analysis is a research technique for the objective, systematic and quantitative description of the manifest content of communication“ (Berelson, 1952, S. 18, hier zitiert in Mayring, 2010). Der latente Sinngehalt von Aussagen konnte (und sollte) in der ursprünglichen Inhaltsanalyse, unabhängig von ihrer jeweiligen Spezifizierung, keine Beachtung finden. Wenig später geriet die damit einhergehende Verengung auf den manifesten Sinngehalt von Aussagen jedoch auch in die Kritik, prominent z. B. durch Kracauer (1952). Es wird Kracauer außerdem zugeschrieben zum ersten Mal explizit den Begriff der qualitative content analysis eingeführt zu haben, womit er auch als Wegbereiter für die Entwicklung der Inhaltsanalyse als qualitatives Verfahren gelten kann (Kuckartz, 2018, S.-15). Was aber ist das „Qualitative“ an der Qualitativen Inhaltsanalyse? Kuckartz schreibt hierzu mit Bezug zu Klafkis (2001) Verständnis der Hermeneutik: Eine solche qualitative Form der Inhaltsanalyse [die von Kracauer vorgeschlagene, Anmerkung C. K.] sollte auch die latente Bedeutung thematisieren, nicht im Sinne von objektiver Bedeutung, von wahrscheinlichen und unwahrscheinlichen Lesarten, sondern als latente Bedeutung, auf die man sich intersubjektiv verständigen kann. Hiermit ist die generelle Frage nach dem Verstehen 142 8 Qualitative Inhaltsanalyse <?page no="143"?> 66 Bezogen auf die zahlreichen (Qualifikations-)Arbeiten, z. T. auch unter dem Mixed-Methods Para‐ digma, die die QIA nach Mayring nutzen (vgl. z. B. Gläser-Zikuda, 2013; Klaß & Gläser-Zikuda, 2018, für die Verwendung in der Fremdsprachendidaktik siehe auch Burwitz-Melzer & Steiniger, 2016) von Texten gestellt, für die sich eine Betrachtung der Hermeneutik als der klassischen Theorie der Interpretation empfiehlt. (Kuckartz, 2018, S.-15) Tatsächlich beschreibt nicht nur Kuckartz, sondern auch Mayring (u. a. 2015) die Herme‐ neutik zusammen mit dem interpretativen Paradigma als konstitutive Eigenschaft der QIA. Neben Klafki gibt es außerdem zahlreiche weitere Bezugspunkte für die Hermeneutik, verstanden als „Sinnerkundung menschlicher Existenz und Handlungen allgemein“ (Volk‐ mann, 2016, S. 230). Dazu gehört Gadamer, die Chicagoer Schule und der symbolische Interaktionismus (ebd., S. 234), aber auch Dilthey und Schleiermacher (Kuckartz, 2018, S. 16-17). Auch wenn die Hermeneutik keinen einheitlichen Ansatz beschreibt und zahl‐ reiche Ausprägungen aufweist, versucht Kuckartz (2018, S. 18-19) fünf „Handlungsregeln“ abzuleiten, durch die die Hermeneutik das Vorgehen einer QIA in jeder Ausdifferenzierung prägt: 1. Das eigene Vorverständnis ist darzulegen und zu reflektieren. 2. Der Text (das Interview) muss (auch) als Ganzes betrachtet werden. 3. Die hermeneutische Differenz muss (kritisch) bewusst gemachen werden. 4. Es sollte bereits beim ersten Durchlauf darauf geachtet werden, welche Themen für das Forschungsinteresse relevant sein könnten. 5. Es muss zwischen einer Logik der Anwendung (in dieser Arbeit der deduktive Part) und Logik der Entdeckung (der hier induktive Part) differenziert werden. Mit der Orientierung an der Hermeneutik und dem interpretativen Paradigma setzt sich die QIA damit zum Ziel, „mit der unter dem Eindruck des herrschenden behavioristischen Paradigmas selbst gesetzten Beschränkung auf den manifesten Inhalt Schluss [zu] ma‐ chen“ (Kracauer, 1952, hier zitiert in Kuckartz, 2018, S. 21). Das mit dieser Zielsetzung einhergehende Selbstverständnis der QIA ist für die vorliegende Untersuchung durch das beschriebene Verständnis von Vorstellungen essenziell. Wie in Kapitel 5 verdeutlicht wurde, sind diese nicht allein durch die Analyse von manifestem Sinngehalt darstellbar, was die (rein) quantitative Inhaltsanalyse für das Forschungsinteresse ausschließt. Gleichwohl wird die Ansicht von Kuckartz und Mayring geteilt, dass unter der Befolgung der gerade vorgestellten Handlungsregeln systematische Methodenstrenge und ein interpretativer Ansatz kombiniert werden können, was die inhaltsanalytische Vorgehensweise für die vorliegende Studie so attraktiv macht. Obwohl Kracauer sich bereits 1952 an die qualitative Form der Inhaltsanalyse annäherte, veröffentlichte Philipp Mayring (1983) erst 30 Jahre später das erste explizite Methoden‐ lehrbuch für die QIA. Dieses Methodenbuch wird mit seiner nunmehr 13. Auflage (2022) noch heute aktualisiert. Ungeachtet dieser Aktualität und nach wie vor großen Relevanz 66 der QIA nach Mayring verwendet die vorliegende Studie explizit die QIA nach Kuckartz und grenzt sich damit teilweise von Mayring ab. Auch wenn es große Überschneidungen zwischen den beiden Differenzierungen der QIA gibt, geschieht diese Positionierung aus zwei gleichwertig wichtigen Gründen. Zum einen fokussiert Kuckartz sich in seinem 8.1 Die methodologischen Grundlagen der QIA 143 <?page no="144"?> 67 So sind über 2200 einzigartige Codierungen manuell am Material vorgenommen worden. Selbstverständnis stärker noch als Mayring auf die qualitativ-hermeneutische Analyse nach der Codierung (2018, S. 6). Zwar spielt auch die Codierung und Auszählung der Co‐ dierungen eine Rolle für diese Arbeit, für quantifizierende Anteile ist in dem angestrebten Mixed-Methods-Ansatz mit der ENA aber eine eigene Methode vorgesehen. Das Ziel der QIA in der vorliegenden Arbeit ist es also vor allem die qualitative Interpretation unterstützen, was sich gerade in der Typenbildung ausdrückt. Als weiterer Grund lässt sich die von Kuckartz stark in den Vordergrund gesetzte Softwareunterstützung nennen, für die in seinem Lehrbuch ein eigenes Kapitel eingeräumt wird. Gerade bei einer höheren Anzahl von Codierungen, ist die gezielte Softwareunter‐ stützung aus einer forschungspragmatischen Perspektive unverzichtbar. 67 Zwar beschreibt auch Mayring in den neueren Auflagen seiner Lehrbücher die Durchführung mit Hilfe inhaltsanalytischer Software, jedoch nicht im gleichen Maße wie Kuckartz. Unabhängig von der Spezifizierung der Inhaltsanalyse nach Kuckartz, Mayring, Schreier oder weiteren Forschenden der Psychologie, Pädagogik und Sozialwissenschaft, verbinden die Varianten der QIA einige Stärken, die sie für die vorliegende Studie besonders gut nutzbar macht. Bevor auf einige Besonderheiten der Analyse nach Kuckartz eingegangen wird, sollen deswegen allgemeine Stärken (und Limitationen) der QIA vor dem Hintergrund des eigenen Forschungsdesigns genauer ausdifferenziert werden. 8.1.1 Stärken und Limitationen der QIA vor dem Hintergrund des Forschungsdesigns Aus dem bis hierhin Beschriebenem ergibt sich bereits, dass sich die QIA als eine über Jahrzehnte ausdifferenzierte, methodisch-kontrollierte Vorgehensweise auszeichnet. So sind seit den Anfängen der quantitativen Inhaltsanalyse mit Weber zahlreiche empirische und methodische Arbeiten entstanden, die Methode und Methodologie weiterentwickelten. Darüber hinaus wird die QIA auch heute noch häufig in verschiedenen Disziplinen verwendet, darunter die Sozialwissenschaft (Mayring & Frenzl, 2019, S. 633), explizit aber auch die Fremdsprachen- und Unterrichtsforschung (Burwitz-Melzer & Steiniger, 2016, S.-260; Aguado, 2013, S.-119). Für die vorliegende Arbeit ist es außerdem von großer Bedeutung, dass die Stärke der QIA in der Auswertung komplexer Untersuchungsfelder bei der Systematisierung und dem Auffinden von Mustern, aber auch bei der Unterstützung der Interpretation liegt (Burwitz-Melzer & Steiniger, 2016, S. 258). Wie in Kapitel 5.3 beschrieben, wurde durch die außergewöhnliche Erhebungssituation und die Dynamik des Pandemiegeschehens erwartet, eine Vielzahl von einzigartigen Erfahrungen der angehenden Lehrkräfte erheben zu können. Gleichzeitig steckt insbesondere im zweiten Forschungsinteresse auch die Annahme, dass die Bearbeitung der Erfahrungen durch die Studierenden eine Systematik zeigt. Es ist also Ziel der Studie, Einzelerfahrungen zu beschreiben sowie auch deren intersubjektive Ebene. Die QIA erlaubt dabei die dichte Beschreibung des Subjektiven einzelner Fälle, bei gleichzeitiger Erarbeitung der intersubjektiven Systematik hinter den Erfahrungen. Anders als beispielsweise in der Objektiven Hermeneutik (Reichertz, 1986) 144 8 Qualitative Inhaltsanalyse <?page no="145"?> oder Dokumentarischen Methode (Bohnsack et al., 2018; Nohl, 2017) liegen im Aufbau der QIA darüber hinaus explizit auch Anschlusspunkte für quantifizierende Elemente. Diese Eigenschaft ist für das angestrebte Mixed-Methods Design der Arbeit unverzichtbar. Eine weitere Stärke der QIA, die besonders für die vorliegende Arbeit nutzbar gemacht werden kann, ist die Möglichkeit (und das Erfordernis) größtmöglicher Transparenz im gesamten Forschungsprozess. Das zeigt sich neben der Dokumentation und Offenlegung des Codierschemas inklusive einiger Codedefinitionen (siehe Anhang) auch in der Kontrolle durch Gütekriterien der Codierung wie die ICR, die für den gesamten Codierprozess berechnet wurde (siehe Kapitel 8.2). Gerade bei der Kombination einer etablierten For‐ schungsmethode (QIA) mit einem nach bestem Wissen des Autors neuen Ansatz in der Fremdsprachenforschung (ENA), hilft diese Transparenz bereits vom ersten Schritt an das Vorgehen überprüfbar bzw. für den qualitativen Teil nachvollziehbar zu gestalten. Zuletzt ist vor dem Hintergrund der in Kapitel 7.2 ausgeführten Selbstverordnung im wissenschaftstheoretischen Paradigma des philosophischen Pragmatismus die große Flexibilität der QIA (Kuckartz, 2018, S. 7) erneut hervorzuheben. Da nämlich über diese Verortung die Inkommensurabilitätsthese bzw. der puristische Standpunkt (Döring & Bortz, 2016, S. 73) abgelehnt werden, müssen qualitative und quantitative Methoden explizit auf‐ einander bezogen werden. Auch gehört es zu den bereits beschriebenen Qualitätskriterien von Mixed-Methods-Studien, dass die jeweils einzelnen Interpretationen der Ergebnisse der beiden Methoden zu einer schlüssigen Gesamtinterpretation verdichtet werden. Diese explizite Bezugnahme aufeinander und Gesamtinterpretation wäre bei anderen qualitativen Methoden, die sich streng im Sozialkonstruktivismus oder symbolischen Interaktionismus (Mead, 1973/ 1934) (wie z. B. die Dokumentarische Methode) verorten wesentlich schwie‐ riger erkenntnistheoretisch zu rechtfertigen. Trotz der beschriebenen Stärken, die die QIA, gerade für das vorliegende Studiendesign auszeichnen, sind für das Verständnis der Grenzen der Studie auch kurz einige Limitationen zu nennen. Durch die Anlage der QIA als qualitativ-codierendes Verfahren ist der Methode eine Informationsreduktion immanent bzw. beschreibt diese ein Ziel des Forschungsproz‐ esses. Schließlich gewinnt die QIA vor allem durch die Informationsreduktion die Mög‐ lichkeit große Datenmengen forschungspragmatisch auszuwerten. Auch ist die größere Flexibilität der Methode zum Teil auf diese Reduktion zurückzuführen. Allerdings ist durch die Informationsreduktion bei der Analyse zu erwarten, dass ein sequenzanalytisches, rekonstruktives Verfahren wie die Objektive Hermeneutik noch dichtere Beschreibungen einzelner Interviewpassagen produzieren könnte. An dieser Stelle muss also das größere Maß an Systematisierung und Transparenz sowie die größere Anzahl an berücksichtigten Fällen mit einer in Teilen weniger dichten Beschreibung von Einzelpassagen abgewogen werden. Da in der vorliegenden Arbeit allerdings nicht nur mit der ISQIA, sondern auch mit der typenbildenden QIA gearbeitet wird, werden auch in dem codierenden Verfahren einzelne Fälle und Aussagen intensiv bearbeitet. Ein weiterer Kritikpunkt, der von Vertreter*innen qualitativer Forschungsmethoden an die QIA herangetragen wird, ist, dass es sich bei ihr nicht um genuin qualitative Forschungsmethode handle (siehe z. B. Flick, 2002; Reichertz, 2007). Diese Kritik ist jedoch abzulehnen, da sie aus der Annahme stammt, die QIA würde nach der initialen Codierung nur noch das Verhältnis der codierten Abschnitte, nicht aber den Text als ganzen 8.1 Die methodologischen Grundlagen der QIA 145 <?page no="146"?> verstehen. Zwar ist dieser Gedanke aufgrund der Funktion der Informationsreduktion der QIA nachvollziehbar, zeichnet aber ein unvollständiges Bild der methodischen Arbeit in der QIA. So besagt eine der weiter oben zitierten Handlungsregeln für die hermeneutische Orientierung der QIA, dass der Text bzw. das Interview immer auch als Ganzes betrachtet werden muss. Nun ließe sich einwenden, dass es - gewollt oder nicht - unvermeidbar im Prozess eines qualitativ-codierenden Verfahrens sei, den Text als Ganzes auszublenden. Dieser Einwand besitzt aber nur zum Teil Gültigkeit. Zwar stimmt es, dass in einigen Momenten die Informationsreduktion und der Vergleich von Elementen aus verschiedenen Interviews Vorzug vor der ganzheitlichen Betrachtung des Textes erhält, allerdings wird sowohl bei der Erstellung der Kategorien als auch bei der Typenbildung und vor allem bei der Interpretation der Ergebnisse immer wieder auf die vollständigen Interviews rekurriert. Aus diesem Grund lässt sich argumentieren, dass die QIA über den hermeneutischen Zugang beanspruchen kann als genuin qualitative Methode zu gelten. Aus dem Einwand lässt sich für die vorliegende Arbeit dennoch festhalten, dass auf den hermeneutischen Ansatz bei der Umsetzung verstärkt geachtet werden muss, soll der Kritik eines nur oberflächlich qualitativen Vorgehens begegnet werden. Ein letzter Einwand, der an dieser Stelle Erwähnung finden muss, wird von Ramsenthaler (2013, S. 39) unter Bezug auf Lincoln & Guba (2011) Schwandt (2011) und Huber (1989) wie folgt zusammengefasst: Häufig wird in der Qualitativen Inhaltsanalyse die Stärke einer Kategorie anhand der Anzahl der Paraphrasen beschrieben (Mayring 2007). Diese fälschliche Gleichsetzung von Quantität mit Bedeutsamkeit oder Wichtigkeit reduziert die Bedeutung und das Erleben des Einzelfalls zugunsten eines Interpretationsmodells, in dem die Masse der Aussagen bestimmt, was ein Ergebnis ist. Die Darstellung quantifizierender Elemente in der Inhaltsanalyse wird auch von Kuckartz (2018) selbst kontrovers diskutiert. Allerdings unterscheidet er in seinen Aussagen zwi‐ schen den einzelnen Varianten der QIA, weswegen diese Diskussion in den jeweiligen Kapiteln zur inhaltlich strukturierenden bzw. typenbildenden QIA aufgegriffen wird. Auf einer allgemeineren Ebene scheint in dem Zitat ein ähnlicher Einwand dargelegt zu werden, wie in der Kritik von Flick und Reichertz zuvor: kann die QIA beanspruchen qualitativ vorzugehen, dann aber scheinbar mit dem „Gesetz der großen Zahl“ (Gnedenko & Rossberg, 1970; Tschuprow, 1923) argumentieren. Der Kritik ist insoweit zuzustimmen, dass innerhalb der QIA keine Aussagen dahingehend erfolgen sollten, dass eine bestimmte Kategorie wich‐ tiger oder wertvoller für das Forschungsinteresse sei, allein weil sie häufiger im Material auftaucht. Es ist also konkret darauf zu achten, dass quantifizierende Angaben nie ohne eine Kontextualisierung im Gesamtmaterial gemacht werden. Darüber hinaus betont die Kritik für die vorliegende Arbeit, dass bei jeder quantifizierenden Angabe der Mehrwert für das Erkenntnisinteresse deutlich werden muss. Auch gilt es die quantifizierenden Elemente vor dem Hintergrund der bis hierhin festgelegten epistemologischen Grundlagen einzuordnen. Sind diese Voraussetzungen gegeben, kann es auch im inhaltsanalytischen Teil der Studie gewinnbringend sein deskriptiv-quantifizierende Informationen offenzulegen. 146 8 Qualitative Inhaltsanalyse <?page no="147"?> 68 Auch wenn Bonnet an dieser Stelle den Haltungsbegriff nicht ausführlich definiert, scheint er zu‐ mindest große Überschneidungen mit den erarbeiteten Bestandteilen von Vorstellungen vorzuweisen. 69 Im internationalen Kontext werden oft die Begriffe text analysis oder (qualitative) content analysis verwendet (vgl. z. B. Stamann et al., 2016), die sich zwar leicht von dem hier verwendeten Verfahren nach Kuckartz unterscheiden können, die erarbeiteten Grundlagen aber weitestgehend teilen. 8.1.2 Die QIA in der Fremdsprachenforschung Auch aufgrund der in 8.1.1 beschriebenen Stärken, ist die QIA als etablierte Methode in der Fremdsprachenforschung verbreitet anzufinden (Aguado, 2013, S. 129; Burwitz-Melzer & Steiniger, 2016, S. 258-260). Für die Fremdsprachenforschung werden dabei, ähnlich wie bei Kuckartz, die qualitativ-hermeneutischen Anteile der QIA betont, da das Kom‐ munikationsmodell in Methode und Disziplin gleichermaßen eine große Rolle für das Forschungsinteresse spielt (Burwitz-Melzer & Steiniger, 2016, S. 256-257). Von Interesse ist also nicht nur der manifeste Sinngehalt, sondern auch Fragen der kommunikativen Absicht, Beziehungsinteraktionen und Wirkungsabsicht (ebd.). Diese latenten Sinngehalte können, wie in Kapitel 8.1 beschrieben, in der qualitativen, nicht aber in der quantitativen Inhaltsanalyse berücksichtigt werden. Ihre weite Verbreitung in der Fremdsprachenforschung verdankt die QIA zudem auch der generellen Tendenz zu qualitativ-empirischen Forschungsarbeit in dem Fachbereich (Surkamp, 2017, S. 197-198). Qualitative Methoden, wie unter anderem auch die Dokumen‐ tarische Methode, werden in der Fremdsprachenforschung z. B. für die Untersuchung von Akteursperspektive und institutionellen Effekten (ebd., S. 58) aber auch, ähnlich wie in der vorliegenden Arbeit, für die Betrachtung von Haltungen  68 und Einstellungen verwendet (Bonnet, 2012, S. 287). Während die etablierte Verwendung der QIA in der Fremdsprachen‐ forschung - im nationalen wie auch internationalen (z. B. Garcés & O’Dowd, 2020, S. 6) Kontext 69 - die Legitimierung ihrer Verwendung erleichtert, ergibt sich für die vorliegende Arbeit zugleich der Anspruch methodischer Innovation. So soll das methodische Vorgehen Erkenntnisse der bisherigen Verwendung der QIA in der Fremdsprachenforschung zwar berücksichtigen, nicht aber einfach das Vorgehen (mit anderem Datenmaterial) replizieren. Auch deswegen wird die QIA in dem Mixed-Methods-Design mit der ENA verknüpft. So wird durch die Kombination von etablierten und innovativen Methoden angestrebt, die Verortung und Einordnung in Traditionen der Fremdsprachenforschung zu ermöglichen und parallel den methodischen Diskurs in der Fremdsprachendidaktik voranzutreiben. Neben der Verbindung der QIA mit der quantitativen ENA sollen außerdem mehrere „Basismethoden“ (Kuckartz, 2018, S. 48) der QIA innerhalb der Studie kombiniert werden. Wie bereits angemerkt ist das Ziel dabei, Informationsreduktion und Strukturierung durch die Systematisierung der Typenbildung zu ergänzen. Eindrucksvolle Beispiele für die Kombination mehrerer Basisformen der QIA wurden in anderen Fachdidaktiken (u. a. Manderfeld, 2020) bereits vorgelegt. 8.1.3 Die Basismethoden der QIA nach Kuckartz In Kapitel 8.1 wurde verdeutlicht, wie sich die QIA nach Mayring und die nach Kuckartz auf einer allgemeinen Ebene unterscheiden und warum sich vor dem Hintergrund des For‐ 8.1 Die methodologischen Grundlagen der QIA 147 <?page no="148"?> 70 Neben der inhaltlich strukturierenden und typenbildenden QIA beschreibt Kuckartz (2018, S. 123- 140) die evaluative QIA, die durch eine Klassifizierung und Bewertung von Inhalten charakterisiert wird. schungsdesigns für die QIA nach Kuckartz entschieden wurde. Wichtig für das Verständnis der Inhaltsanalyse sind aber auch die spezifischen Varianten innerhalb der Ausführungen von Kuckartz, da mit der inhaltlich strukturierenden und typenbildende QIA zwei der drei von Kuckartz beschriebenen Basismethoden verwendet werden. 70 Gleichwohl heißt dies nicht, dass die drei Varianten voneinander getrennt zu betrachten wären. Gemeinsam sind ihnen die fünf „Kernpunkte der QIA“ (Kuckartz, 2018, S.-26): • Kategorienbasierte Vorgehensweise und Zentralität von Kategorien • Systematisches Vorgehen mit klar festgelegten Regeln für die einzelnen Schritte • Klassifizierung und Kategorisierung der gesamten Daten • Die von der Hermeneutik inspirierte Reflexion über die Daten • Die Anerkennung von Gütekriterien, das Anstreben der Übereinstimmung von Codier‐ enden Alle drei Varianten beschreiben qualitativ-codierende, regelbasierte und intersubjektiv nachvollziehbare Analyseverfahren. Über diese gemeinsame Basis hinaus verbindet die Varianten außerdem, dass sie je nach Forschungsinteresse miteinander kombinierbar und aufeinander aufbaubar sind. Wie in der vorliegenden Arbeit also die ISQIA die Basis für eine darauf aufbauende Typenbildung bietet, wäre es unter einer anderen Fragestellung genauso denkbar, an die ISQIA mit einer evaluativen, also bewertenden QIA anzuschließen. Neben diesen Kombinationen lassen sich für alle drei Varianten jedoch auch Studiendesigns finden, die nur eine der Varianten verwenden (ebd., S.-97, 123 und 143). Da es für das Forschungsinteresse nicht zielführend wäre die beobachtbaren Vorstel‐ lungen in ihrer Stärke der Ausprägung zu bewerten, wird in den nachfolgenden Ausfüh‐ rungen nicht weiter auf die evaluative QIA nach Kuckartz eingegangen. Stattdessen liegt der Fokus im weiteren Verlauf auf der Strukturierung und Informationsreduktion (Kapitel-8.2 und 8.3) und der darauf aufbauenden Systematisierung (Kapitel-8.5 und 8.6). Der Fokus auf diese beiden Formen der QIA lässt sich direkt aus dem Mixed-Methods-De‐ sign ableiten. Die ISQIA bietet einen soliden Ansatz qualitative Daten zu ordnen. Sie gibt einen umfassenden Überblick über das Material und mögliche erste Schwerpunkte. An diese Vorarbeit setzt dann die typenbildende QIA an und ermöglicht den vertieften Einblick in einzelne Interviews und das Aufdecken möglicher Systematiken in Form der Typik. Auch die ENA kann von der Vorarbeit durch die ISQIA profitieren, da sie als Grundlage ein abgewandeltes (und binäres) Codierschema nutzt, welches sich in Teilen mit dem Codierschema der QIA überschneidet. Die ISQIA gibt also einen ersten Einblick in das Material und leistet zugleich die Vorarbeit für die weiterführenden komplexen qualitativen und quantitativen Analysen und Visualisierungen (Kuckartz, 2018, S.-100). 148 8 Qualitative Inhaltsanalyse <?page no="149"?> 8.2 Die inhaltlich strukturierende QIA Die ISQIA ist die wahrscheinlich häufigste Form der QIA in der Fremdsprachenforschung (Burwirtz-Melzer & Steiniger, 2016, S. 265), was an ihrem Potenzial zur Einordnung der in der Fremdsprachenforschung häufig komplexen Untersuchungsfelder (ebd., S. 258) liegen mag. Aber auch außerhalb der Fremdsprachenforschung hat sich die Methode in „zahlreichen Forschungsprojekten bewährt“ (Kuckartz, 2018, S. 97). Darüber hinaus findet sie nicht zuletzt auch in kürzlich erschienenen Dissertationen aus den Fachdidaktiken Verwendung (z.-B. Manderfeld, 2020; van Ackern, 2021). Wie im vorigen Kapitel beschrieben, kann die ISQIA sowohl als einzelne Methode, als auch in Kombination mit weiteren Verfahren der Inhaltsanalyse oder sogar Methoden au‐ ßerhalb der Inhaltsanalyse verwendet werden. Betrachtet man das in Kapitel 7 aufgezeigte Forschungsdesign der vorliegenden Studie, wird klar, dass dieses Kapitel eine besondere Position im Gesamtprozess einnimmt. So erfüllt die ISQIA zwei gleichwertige Funktionen im Forschungsprozess, die damit zugleich auch die beiden Schwerpunkte für das Kapitel 8.2 und 8.3 bestimmen. Sie ist Vorarbeit für die komplexen qualitativen und quantitativen Analysen, ist aber gleichzeitig auch als eigenständige erste Analyse des empirischen Materials zu verstehen. Anstelle einer reinen Beschreibung ihrer strukturierenden Funktion für die aufbauenden Methoden wird im Folgenden also immer auch die Rolle der Methode für das Erkenntnisinteresse beleuchtet. Dabei wird sich, unter einigen Anpassungen, an dem Ablaufmodell der ISQIA orientiert: Forschungs -frage 7) Einfache und komplexe Analysen, Visualisierungen 6) Codieren des kompletten Materials mit dem ausdifferenzierten Kategoriensystem 5) Induktives Bestimmen von Subkategorien am Material 1) Initiierende Textarbeit; Markieren wichtiger Textstellen, Schreiben von Memos 2) Entwickeln von thematischen Hauptkategorien 3) Codieren des gesamten Materials mit den Hauptkategorien 4) Zusammenstellen aller mit der gleichen Hauptkategorie codierten Textstellen Abbildung 13: Ablauf der ISQIA (Kuckartz, 2018, S.-100) Auffällig an der Darstellung ist, dass es sich nicht um ein streng sequenzielles vorgehen handelt, sondern selbstreferentielle Bezugnahmen beinhaltet. Spätere Auswertungsschritte können also frühere Auswertungsschritte beeinflussen. Die Darstellung eines Zirkels bzw. einer Spirale ist an den „Hermeneutischen Zirkel“ (Ast, 1808; vgl. auch Gadamer, 1986; Heidegger, 1927/ 2001) angelehnt. Damit folgt Kuckartz den von ihm selbst aufgestellten fünf Kernpunkten der Orientierung an hermeneutischen Vorgehensweisen bei der QIA. 8.2 Die inhaltlich strukturierende QIA 149 <?page no="150"?> 71 In der vorliegenden Arbeit drückt sich dies vor allem in der Abweichung von Schritt 7 aus. Die Begründung für die Integration weiterer Methoden findet sich neben der Beschreibung im Forschungsdesign in den jeweils eigenen Methodenkapiteln zur Typenbildung und ENA. Gleichwohl mit dieser Anlehnung der Anspruch der QIA als genuin qualitatives Vorgehen gewahrt werden kann, ist die Gefahr eines Zirkelschlusses bzw. einer self-fulfilling prophecy (Volkmann, 2016, S. 232) zu beachten. Besonders bei einem rein deduktiven Vorgehen besteht so die Gefahr in dem Material das zu finden, was man durch die Kategorien vorlegt und durch das Gefundene die zuvor festgelegten Kategorien zu bestätigen. Neben den bereits vorgestellten Gütekriterien bezüglich der intersubjektiven Nachvollziehbarkeit und Transparenz wird im vorliegenden Vorhaben deswegen konsequent auf ein deduktiv-in‐ duktives Verfahren gesetzt. Trotz des regelgeleiteten Vorgehens in der QIA müssen nicht zwangsläufig alle Schritte in genau der beschriebenen Form angewendet werden (vgl. auch Kuckartz, 2018, S. 7). Stattdessen wird das vorgeschlagene Vorgehen auf das Forschungsinteresse angepasst. 71 Darüber hinaus werden zwecks besserer Lesbarkeit der Arbeit nicht alle sieben Schritte in gleichem Maße in diesem Kapitel beschrieben. Um trotzdem die notwendige Transparenz zu wahren, werden Teile des Codebuchs im Anhang der Arbeit zur Verfügung gestellt. Für die Schritte 2) - 6) werden das grundsätzliche Vorgehen, Auffälligkeiten und die wichtigsten Kategorien dargestellt. Schritt 7) wird in der vorliegenden Arbeit nicht als Teil der ISQIA bearbeitet, sondern in den zwei weiteren Methoden. Zwar lassen sich nach Kuckartz einfache und komplexe Analysen und Visualisierungen auch innerhalb der ISQIA verwirklichen, allerdings nicht in derselben Tiefe und Aussagekraft wie in den gewählten Anschlussmethoden (zur Diskussion siehe Kapitel-8.5.2 und 9.1). Aus dieser Strukturierung ergibt sich, dass sich die Betrachtung der ISQIA vor allem auf die Genese und Diskussion der deduktiven Kategorien (Kapitel 8.2.2), der induktiven Kategorien (Kapitel 8.2.3) und auf die Anwendung des Kategoriensystems (Kapitel 8.3) bezieht. Die Betrachtung endet mit einem kurzen Rekurs auf das Forschungsinteresse und einer Überleitung zu den Anschlussmöglichkeiten für die typenbildende QIA in Kapitel 8.4. 8.2.1 Transkriptionsregeln, Anonymisierung und Aufbereitung des Materials für den Codierprozess Der Codierprozess, verstanden als Einordnung des Materials in Kategorien, ist als zentrales Moment der QIA zu verstehen (Burwitz-Melzer & Steiniger, 2016, S. 256 und 265; Kuckartz, 2018, S. 49). Bevor aber die deduktive Kategorienbildung in den eigentlichen Codierprozess einsteigt, wird das qualitative Material für eine entsprechende Codierung vorbereitet. Bei der Beschreibung des Forschungsdesigns wurde bereits darauf hingewiesen, dass alle Interviews transkribiert und anonymisiert wurden. Dabei kann sich die Art der Transkrip‐ tion - je nach befolgten Transkriptionsregeln - aber stark voneinander unterscheiden. Bei der Wahl des genauen Transkriptionssystems lassen sich zwei Ziele berücksichtigen, die sich allerdings diametral entgegenstehen (Kuckartz, 2018, S. 166-169): Je komplexer das Transkriptionssystem, umso geringer der Informationsverlust im Vergleich zu der Audiodatei. Aber auch: je komplexer das Transkriptionssystem, umso schwieriger die 150 8 Qualitative Inhaltsanalyse <?page no="151"?> Transkription und Auswertung des Textes und auch die Zusammenarbeit in Teams. Daraus resultiert die Frage, „welche Verluste man für akzeptabel hält“ (ebd.). Kuckartz selbst gibt in seinem Handbuch zwei Systeme an. Ein System, dass er selbst für Forschungsprojekte entwickelt hat und eins von Jefferson (1984), welches besonders im englischsprachigen Raum weit verbreitet ist (Kuckartz, 2018, S. 167). Betrachtet man die beiden von Kuckartz vorgeschlagenen Systeme genauer, wird deutlich, dass sich die beiden Vorschläge in jeweils eine von zwei etablierten Typen von Transkriptionssystemen einordnen lassen (Dresing & Pehl, 2020, S. 843). Kuckartz eigenes System scheint dabei in die Kategorie der „orthografischen Transkription als semantische Transkription“ zu fallen (ebd.). Das heißt, dass zum Zweck der Einfachheit der Transkripte vor allem das „Was“ des Gesagten transkribiert wird. Das System nach Jefferson hingegen fokussiert über die Beachtung von beispielsweise Tonhöhe und Sprechgeschwindigkeit stärker das „Wie“ des Gesagten (ebd.). Es ist damit genauer, aber auch aufwendiger. Für die vorliegende Studie wurde sich für Kuckartz‘ (2018, S. 167-168) Transkriptions‐ regeln als Basis für die Transkription der Interviews entschieden. Die zehn Hauptregeln werden im Folgenden tabellarisch dargestellt und - wo angemessen und anwendbar - durch ein Beispiel aus den Interviews ergänzt: 1 Es wird wörtlich transkribiert, also nicht lautsprachlich oder zusammenfassend. Vorhandene Dialekte werden nicht mit transkribiert, sondern möglichst genau in Hochdeutsch übersetzt. - 2 Sprache und Interpunktion werden leicht geglättet, das heißt an das Schriftdeutsch angenähert. Die Satzform, bestimmte und unbestimmte Artikel etc. werden auch dann beibehalten, wenn sie Fehler enthalten. Ähm, aber was ich gut finde, ist, die Schule die hatten dann immer einen Wörterbuch dabei (K1_i15_300621_F2, Pos.-12) 3 Deutliche, längere Pausen werden durch in Klammern ge‐ setzte Auslassungspunkte (…) markiert. Entsprechend der Länge der Pause in Sekunden werden ein, zwei oder drei Punkte gesetzt, bei längeren Pausen wird eine Zahl entspre‐ chend der Dauer in Sekunden angegeben. Ähm, (5) jetzt einfach ähm (…) ja vielleicht (.) ja auf das Lernen nicht unbedingt […] (K1_i5_010621_F1, Pos. 4) - 4 Besonders betonte Begriffe werden durch Unterstrei‐ chungen gekennzeichnet. Im Idealfall hat jeder Schüler, jede Schülerin ein iPad oder ein Pad jeder Art oder (..) Zu‐ gang zu, zu digitalen Medien. (K1_i11_280621_F1, Pos. 31) 5 Sehr lautes Sprechen wird durch Schreiben in Großschrift kenntlich gemacht. - 6 Zustimmende bzw. bestätigende Lautäußerungen der Inter‐ viewer (mhm, aha etc.) werden nicht mit transkribiert, sofern sie den Redefluss der befragten Person nicht unterbrechen. - 7 Einwürfe der jeweils anderen Person werden in Klammern gesetzt. (I: Genau) (..) Ja, also ähm vor allem erinnere ich mich an die asynchronen Vorlesungen (K2_i13_111121_F1, Pos. 8) 8.2 Die inhaltlich strukturierende QIA 151 <?page no="152"?> 8 Lautäußerungen der befragten Person, die die Aussage un‐ terstützen oder verdeutlichen (etwa Lachen oder Seufzen), werden in Klammern notiert. Also viel Freiheit ist auch manchmal nicht so schön (lacht) also vielleicht ein gewisser Leit‐ faden ist gar nicht so schlecht. (K2_i14, 181121_F1, Pos. 30) 9 Absätze der interviewenden Person werden durch ein „I: “, die der befragten Person(en) durch ein eindeutiges Kürzel, z.-B. „B4: “, gekennzeichnet. B: Ähm, jetzt, wie es aufge‐ baut wurde oder eher nur meine eigenen Empfindungen #00: 00: 31-5# -I: Ihre eigenen Emp‐ findungen #00: 00: 32-9# (K2_i11_111121_F1, Pos. 4-5) 10 Jeder Sprechbeitrag wird als eigener Absatz transkribiert. Sprecherwechsel wird durch zweimaliges Drücken der Enter-Taste, also einer Leerzeile zwischen den Sprechern deutlich gemacht, um so die Lesbarkeit zu erhöhen. - Tabelle 1: Transkriptionsregeln nach Kuckartz (2018, S.-167-168) Die Entscheidung fiel - neben dem naheliegenden Argument, dass auch die QIA nach Kuckartz verwendet wird - aus mehreren Gründen. Zum einen erfolgt in der Studie keine streng sequenzanalytische Analyse einzelner Aussagen wie zum Beispiel in der Objektiven Hermeneutik oder Dokumentarischen Methode, bei der in der Transkription ein noch größerer Wert auf das Wie des Gesagten gelegt wird (vgl. z. B. Bohnsack, 2014). Stattdessen wird ein stärkerer Fokus auf den intersubjektiv nachvollziehbaren Vergleich verschiedener Kategorien und Fälle gelegt. Dafür wurden weite Teile der Interviews im Team transkribiert und codiert. Es wird im Rahmen der gewählten Methodik also als vertretbar erachtet, den Informationsverlust durch die fehlende Transkription beispielsweise der Dialektfärbung hinzunehmen und dadurch die Transkription zu vereinfachen und zu beschleunigen, aber vor allem auch die Zusammenarbeit zuverlässiger zu gestalten. Da darüber hinaus die Audiodaten für den Forschungsprozess weiterhin zur Verfügung standen, ließen sich eventuell fehlende Informationen durch die Transkription stehts mit den Ursprungsdateien abgleichen. Die einzige Abweichung zu Kuckartz Transkriptionsregeln liegt in der Bezeichnung der befragten Person in der Transkription, die statt eines eindeutigen Kürzels immer mit „B: “ markiert wurde. Die Begründung liegt darin, dass durch die Verwendung der MaxQDA-Software und des Anonymisierungsschlüssels auch ohne Verwendung eines eindeutigen Kürzels jede Aussage dem jeweiligen Interview zugeordnet werden konnte. Für die Anonymisierung wurde mit Hilfe eines separat aufbewahrten Anonymisierungs‐ schlüssels jede identifizierende Bezeichnung im Interview durch die Zuordnung in eine Gruppe (Wintersemester 2020/ 2021, Sommersemester 2021 oder Expert*inneninterview), der Nummerierung innerhalb der Gruppe basierend auf der Reihenfolge der Aufnahme 152 8 Qualitative Inhaltsanalyse <?page no="153"?> 72 Einzige Ausnahme bilden K1_i9 und K1_i10, die ursprünglich einen Monat früher aufgenommen werden sollten und deswegen trotz der späteren tatsächlichen Aufnahme vor K1_i11-K1_i15 aufge‐ führt sind. 73 Das jeweilige Aufnahmedatum wird zum Zweck besserer Lesbarkeit in Erwähnungen der Interviews im weiteren Fließtext nicht aufgeführt. (1-16 bzw. 1-2) und das jeweilige Datum der Aufnahme abgekürzt. 72 Aus (Kürzel Vor‐ name.Nachname, Seminarzugehörigkeit, Datum) wurde so zum Beispiel (Gruppenzugehö‐ rigkeit K, Nummer i, Datum) bzw. (K1_i1_31052021). Da einige wenige Interviews auch von einer weiteren forschenden Person geführt wurden wurden die Bezeichnungen außerdem um das Kürzel F1, bzw. F2 (Forscher*in 1, bzw. Forscher*in 2) ergänzt, wobei F1 den Autoren selbst bezeichnet. Die vollständige Bezeichnung für ein anonymisiertes Interview ist also beispielsweise (K1_i1_31052021_F1) 73 . Neben der Anonymisierung der Bezeichnungen der Interviews wurden in den Transkripten alle Klarnamen und eventuell identifizierenden Passagen anonymisiert. So wurden beispielsweise namentlich erwähnte Dozierende oder Studierende durch die Setzung von (DOZIERENDE) oder (STUDIERENDE) unkenntlich gemacht. Nach der Transkription und Anonymisierung des Materials nach den bis hierhin beschriebenen Grundlagen, müssen die Transkripte für den Codierprozess nur noch aus der verwendeten Transkriptionssoftware (in diesem Fall F4) in eine geeignete QDA-Software (Kuckartz, 2018, S. 163) (in diesem Fall MaxQDA Version 2020, bzw. 2022) importiert werden. MaxQDA selbst ist eine kostenpflichtige QDA-Software, die Forschende bei der Strukturierung der Materialien und Codierungen unterstützt. Größter Vorteil ist die im Vergleich zu analogem Codieren höhere Übersichtlichkeit und der leichte Wechsel zwischen einzelnen Fällen und Abschnitten. Für diese Arbeit besonders relevant, erleichtert die Verwendung von QDA-Software auch die Zusammenarbeit zwischen Forschenden, da die jeweiligen Versionen leicht ausgetauscht und aktualisiert werden können. Nachdem die anonymisierten, transkribierten Materialien in die QDA-Software einge‐ speist sind, lässt sich mit dem eigentlichen Codierprozess beginnen. Wie die meisten deduktiv-induktiven Ansätze der ISQIA (ebd., S. 95-96) folgt auch die vorliegende Studie dabei der Reihenfolge zunächst themenbezogene, deduktive Kategorien zu bilden und zu codieren und diese anschließend induktiv zu ergänzen. 8.2.2 Themenbezogene, deduktive Kategorien Das deduktive Vorgehen mag unter dem Hempel-Oppenheim-Schema (basierend auf Hempel & Oppenheim, 1948) am besten als das Ableiten einer Hypothese aus nomolo‐ gischen Aussagen bekannt sein (vgl. auch Döring & Bortz, 2016, S. 48). Im Rahmen der Inhaltsanalyse meint es allerdings die Kategorienbildung vor der Betrachtung des Materials. Die deduktive Kategorienbildung ist damit das Gegenstück zur induktiven Kategorienbildung, bei der Kategorien im Nachhinein aus dem Material gebildet werden. Dem üblichen Verlauf der deduktiv-induktiven ISQIA folgend beschreibt die deduktive Kategorienbildung auch in der vorliegenden Studie (nach der initialen Textarbeit) den ersten größeren Analyseschritt. 8.2 Die inhaltlich strukturierende QIA 153 <?page no="154"?> Die deduktiven, thematischen Hauptkategorien stammen zum einen aus der theore‐ tischen Systematisierung zu Vorstellungen und Digitalität und zum anderen aus dem Forschungsinteresse selbst: „Für die Hauptthemen gilt, dass sie häufig mehr oder weniger direkt aus der Forschungsfrage abgeleitet werden können und sie bereits bei der Erhebung von Daten leitend waren“ (Kuckartz, 2018, S. 101). Das Vorgehen lässt sich in einem leicht vereinfachten Beispiel aus der Studie darstellen. Aus dem Forschungsinteresse ergibt sich, dass die (universitären) Lehr-/ Lernerfahrungen der Studierenden in den pan‐ demiebedingten Distanz- oder Hybridsemestern im Fokus für die weitere Auswertung stehen: Um zu eruieren, welche Beziehung die pandemiebedingten Erfahrungen für die Bewertung digitaler Technologien haben könnten, muss zunächst erhoben werden, welche Erfahrungen überhaupt gemacht wurden. Gemeinsam mit den Überlegungen zum SPSS-Vorgehen der Leitfadenerstellung und der Überarbeitung nach der Pilotstudie wurde so der erste Frageimpuls „Beschreiben Sie ganz allgemein Ihre bisherigen Erfahrungen aus den digital-gestützten Semestern während der Pandemie“ erstellt. Aus diesem Impuls ergibt sich wiederum die erste deduktive Oberkategorie (OK1) „Erfahrungen aus den digital-gestützten Semestern“ mit ihrer dazugehörigen Codedefinition „Alle Abschnitte, bei denen die befragte Person aus ihren Erfahrungen während der Semester WiSe 19/ 20 bis einschließlich WiSe 21/ 22 berichtet. Dabei ist es egal, ob es sich um ein Distanz- oder Hybridsemester handelt.“ (Siehe Anhang). Die Kategorien mit den dazugehörigen Codedefinitionen sind nach diesem Vorgehen bewusst grob gehalten. Die größte Kritik am deduktiven Vorgehen, die auch bei der Typen‐ bildung noch eine Rolle spielen wird, ist, dass durch die Vorstrukturierung des Materials durch die Kategorien möglicher induktiver Erkenntnisgewinn oder neue Kategorien (und auch Typen) verbaut werden (Schart, 2016, S. 273). Um diesem Einwand zu entgehen, wird die Rolle der deduktiven Kategorien auf eine grobe Vorstrukturierung beschränkt, die dem thematischen Verlauf des Leitfadens folgt. Damit spiegelt sich in dem Kategoriensystem das gleiche Vorgehen wie im Leitfaden: so wenig Vorstrukturierung wie möglich, so viel wie (für das Forschungsinteresse) nötig. Aus dieser Zielsetzung ergibt sich, dass die Anzahl der so gebildeten Oberkategorien mit maximal 10-20 überschaubar bleiben sollte (Kuckartz, 2018, S. 97). Analog zu OK1 wurden für die vorliegende Studie also lediglich 10 weitere Oberkategorien gebildet, sodass die deduktive Kategorienbildung mit insgesamt 11 Oberkategorien abgeschlossen wurde. Im Anschluss an die deduktive Kategorienbildung, lässt sich ein erster Codierprozess des Materials vornehmen. Dafür wurden, nachdem mit einem Testinterview die Funktion des deduktiven Kategoriensystems überprüft wurde, alle 34 Interviews der Hauptuntersuchung codiert. Außerdem wurden bereits hier Auffälligkeiten in weiteren Memos notiert und potenziell zentrale Abschnitte für das Forschungsinteresse gesondert markiert (vgl. auch Kapitel 8.3.5). Die so entstandene Einteilung der Interviews in thematische Oberkategorien lässt sich in der folgenden Abbildung darstellen: 154 8 Qualitative Inhaltsanalyse <?page no="155"?> Abbildung 14: Übersicht der Oberkategorien nach der Codierung des gesamten Materials mit deduk‐ tiven Kategorien Die Abbildung ermöglicht eine erste, grobe Einschätzung der prävalenten Themen des Interviews und ihrem Anteil am Gesamtmaterial. Da an dieser Stelle (noch) keine quan‐ titative Auswertung im Vordergrund steht, sollte den entstandenen Anteilen allerdings nicht zu viel Gewicht für die Auswertung des Materials zugesprochen werden. Trotzdem zeigen sich bereits einige Tendenzen, die auch für die induktive Auswertung im weiteren Verlauf interessant sein können. Betrachtet man OK1, zeigt sich, dass der erste Impuls seine Funktion als Einleitung in das Interview scheinbar erfüllt. Wie in der Genese des Leitfadens beschrieben, wurde der Fokus nach den Erkenntnissen der Vorstudie in der ersten Frage 8.2 Die inhaltlich strukturierende QIA 155 <?page no="156"?> bewusst offengehalten, um den befragten Personen den Einstieg in das Interview zu erleichtern. Ziel war es, dass alle Personen, ungeachtet ihrer Kompetenzen oder ihres fachlichen oder didaktischen Wissens, etwas zu dem Thema berichten konnten. Einzige Voraussetzung war in dem Fall, dass sie während der pandemiebedingten, digital-gestützten Semester studiert haben, was durch Auswahl der Teilnehmenden garantiert war. Das erklärt, dass unter OK1 die meisten Sinnabschnitte codiert wurden (jede*r konnte etwas dazu sagen) und legitimiert gleichzeitig ihren Einsatz als einleitenden Impuls. Mit Blick auf die in der Abbildung angegebenen Verteilungen ist anzumerken, dass die Größe der Oberkategorien nach dem deduktiven Codieren nicht notwendigerweise mit der Relevanz der einzelnen Kategorien für den weiteren Auswertungsprozess gleichzusetzen ist. Bei einigen Kategorien decken sich zwar die Häufigkeiten nach dem deduktiven Codierprozess mit der Relevanz für die weiteren Arbeitsschritte, wie etwa bei OK10 „Be‐ schreibungen Zukunft des Lehrberufs“ oder OK5 „Potenziale digital-gestützter Unterricht“, gleichzeitig kommen aber zum Beispiel OK3 „Planungsschritte eigener, digital-gestützter Lehre und OK11 „Beschreibungen Fremdsprachenunterricht der Zukunft“ nur in relativ wenigen Sinnabschnitten vor. Dennoch, wie sich in der induktiven Auswertung und dem weiteren Verlauf der Inhaltsanalyse zeigen wird, beinhalten eben jene Sinnabschnitte einige der am dichtesten zu codierenden und interpretierenden Passagen der gesamten Interviews. Abbildung 14 sollte an dieser Stelle dementsprechend nur als grobe thematische Übersicht der Interviewinhalte verstanden werden. Es ist bei der Abbildung, wie auch bei weiteren Darstellungen, außerdem zu beachten, dass die Nummerierung der OK (und Subkategorien) nicht genau dem zeitlichen Ablauf der Interviews folgt. So ist OK1 „Erfahrungen aus den digital-gestützten Semestern“ zwar auch die erste Impulsfrage, z. B. OK2 „Erfahrungen zu digital-gestützter Lehre in der Schule“ und OK9 „Covid-19 und pandemiebezogene Aussagen“ setzen sich hingegen aus verschiedenen Abschnitten der Interviews zusammen. Auch bei der Ergebnisvorstellung werden die Ergebnisse thematisch gebündelt, nicht aber unbedingt streng in der zeitlichen Abfolge des Interviews wiedergegeben. Da anders als bei den Einzelfallbeschreibungen (Kapitel 8.6.1- 8.6.4), vor allem eine thematisch-vergleichende Darstellung im Vordergrund steht, lassen sich die Ergebnisse auf diese Weise besser auf das Forschungsinteresse beziehen. 8.2.3 Ergänzende, induktive Kategorien Die induktive Kategorisierung baut direkt auf die im vorherigen Arbeitsschritt erstellten deduktiven Kategorien auf. So werden die jeweiligen Oberkategorien vergleichend über alle Interviews zusammengestellt, um anschließend weiter ausdifferenziert zu werden. Dieser vierte Arbeitsschritt nach Kuckartz Spirale zur ISQIA ermöglicht es, direkt am Material das bestehende System zu verfeinern. Ein plastisches Beispiel für diesen Prozess lässt sich in der vorliegenden Studie mit OK5 „Potenziale digital-gestützter Unterricht“ geben. So ist die naheliegende anschließende Frage an die Oberkategorie, welche Potenziale angehende Lehrkräfte nennen. Die Frage kann wiederum nur mit dem Material selbst, in‐ duktiv, beantwortet werden. Konkret wurden dafür alle in OK5 eingeteilten Sinnabschnitte der 34 Interviews (inklusive der zwei Expert*inneninterviews) auf einzelne genannte Potenziale untersucht. So entstanden beispielsweise Subkategorien wie „Flexibilität des 156 8 Qualitative Inhaltsanalyse <?page no="157"?> Lernprozesses“ oder „Individualisierung und Inklusion“. Analog lässt sich eine solche Erweiterung auch für Herausforderungen oder Planungsschritte erstellen. Gleichwohl heißt eine induktive Erweiterung nicht, dass diese völlig unabhängig von eigenen Vorannahmen und auch vom Forschungsinteresse wäre. Betrachtet man beispiels‐ weise OK10 „Beschreibungen zur Zukunft des Lehrberufs“, ließe sich streng induktiv für jede Beschreibung eine Kategorie öffnen. Das wäre jedoch weder dem Forschungsinteresse dienlich, noch würde es der reduktiv-strukturierenden Funktion der ISQIA gerecht. Dem‐ entsprechend sind induktive Kategorien immer als Aushandlungsprozess zwischen mög‐ lichst genauer Widergabe des empirischen Materials und der notwendigen Strukturierung durch den Forschenden zu verstehen. Beachtet man jetzt noch das Forschungsinteresse und die Vorannahmen des Forschenden, entsteht in OK10 beispielsweise die Subkategorie „Veränderung der genutzten Medien“ in seiner Definition: Alle Codes, in denen die befragte Person von einer Veränderung der genutzten Medien im Vergleich zu der aktuell an Schulen wahrgenommenen Situation ausgeht. Der Fokus liegt dabei auf dem Medium selbst und nicht auf der Wirkung des Mediums bzw. der erzielten Wirkung durch den Wechsel des Mediums. (siehe Anhang) Hier wurde also die genaue Information (welches Medium wird durch welches Medium ersetzt? ) mit Bezug auf das Forschungsinteresse zu einer Subkategorie systematisiert, bei der der Fokus darauf liegt, dass ein medialer Wechsel thematisiert wird. Hinter dieser Entscheidung verbirgt sich schließlich auch die Annahme, die sich aus dem ersten deduktiven Codierprozess ergeben hatte, dass ein starker Fokus auf Digitalisierung als medialer Umwandlungsprozess gelegt wird. Unter diesem Gesichtspunkt ist der Kern des Informationsgehalts für das Erkenntnisinteresse nicht, ob bspw. der Hefter für ein iPad oder Computer gewechselt wird, sondern, dass die*der Studierende in dem Moment auf den medialen Wechsel als Teil ihrer*seiner Antwort fokussiert (anstatt z. B. über veränderte Kooperations- oder Lernformate zu sprechen). Die Beschreibung der induktiven Kategorienbildung ist damit gleichzeitig ein gutes Beispiel, wie in der Inhaltsanalyse hermeneutische Momente zur Geltung kommen. Die Subkategorien entstehen nicht in einem streng deterministischen, sequenziellen Vorgehen, sondern in einer iterativen Auseinandersetzung, die zwischen Einzelcodierung, Gesamtin‐ terview, Gesamtmaterial und Interesse und Annahmen des Forschenden wechselt. Kuckartz markiert diesen Umstand in seiner Spirale zum Ablauf der ISQIA bildlich durch die Verbindung von Arbeitsschritt 5 und 6 mit der Forschungsfrage, aber auch der Verbindung von Arbeitsschritt 4 und 6 miteinander. Der ständige Wechsel zwischen Einzelzitat und Gesamtbild, wie auch der wiederholte Rekurs auf das eigene Forschungsinteresse, machen die Bildung des induktiven Kate‐ goriensystems zu einem der intensivsten Arbeitsschritte der QIA. Gleichzeitig erlaubt der beschriebene Aushandlungsprozess im besten Fall eine auf das Forschungsinteresse abgepasste Strukturierung des Materials, die Vergleichbarkeit zwischen den Interviews schafft, die eigene Subjektivität berücksichtigt und dennoch auf die konkreten einzelnen Textabschnitte des Materials zurückgeführt werden kann. Aus dem bis hierhin Gesagten bezüglich der hermeneutischen Grundlage der QIA ergibt sich, dass auch der induktive Codierprozess nicht in einem einzelnen Durchlauf 8.2 Die inhaltlich strukturierende QIA 157 <?page no="158"?> 74 Um den zufallsbereinigten Wert generieren zu können, wurde dabei am Anfang des Prozesses die Länge der einzelnen Sinnabschnitte gemeinsam festgelegt. Der Wert bezieht sich also nur darauf, ob die gleichen Kategorien codiert wurden, nicht, ob diese auch exakt die gleiche Länge besaßen (vgl. auch Kuckartz, 2018, S.-215-216). abgeschlossen wird. Nachdem also in Arbeitsschritt 5 für alle zentralen Oberkategorien Subkategorien gebildet wurden, wurde das so entstandene deduktiv-induktive Codier‐ system zunächst mit Hilfe von 20 % des Gesamtmaterials getestet. Dieser Anteil des Gesamtmaterials wurde gleichzeitig von einer weiteren forschenden Person codiert und anschließend mit den Codierungen des Autors verglichen. Dafür wurde die Berechnung der zufallsbereinigten 74 ICR genutzt. Der so entstehende Wert nach Kappa (K) zeigt an, wie hoch die Wahrscheinlichkeit dafür liegt, dass zwei Codierende mit dem gleichen Material und Codiersystem auch die gleichen Codierungen vornehmen. Ein Kappa Wert von K = 0,6 würde beispielsweise bedeuten, dass die beiden codierenden in 60-% der Fälle die gleichen Codierungen vornehmen. Die Berechnung des (zufallsbereinigten) Kappa Wertes lässt ich dabei wie folgt darstellen: K = po − pe 1 − pe wobei po die Anzahl an übereinstimmenden Codierungen beschreibt und pe die Wahr‐ scheinlichkeit, zufällig die gleiche Codierung getroffen zu haben. Die Zufälligkeit ergibt sich dabei durch die Anzahl der Kategorien, so wäre der Wert pe beispielsweise bei 10 Kategorien 0,1 (= 10-%) (vgl. auch Kuckartz, 2018, S.-207). Der so berechnete, zufallsbereinigte Wert der ICR betrug im Testdurchlauf K = 0,63. Nach Kuckartz gelten Kappa-Werte von > 0,6 als gut und > 0,8 als sehr gut (ebd., S. 208). Dennoch wurde davon ausgegangen, dass sich der Wert durch einen zusätzlichen Arbeitsschritt erhöhen lassen könnte. Aus diesem Grund wurde mit Hilfe des konsensuellen Codierens (ebd., S. 211) eines Interviews sowie der anschließenden Überarbeitung des gesamten Codiersystems versucht, die ICR zu erhöhen. Dafür wurde von den zwei Forschenden dasselbe Interview codiert und jede einzelne Codierung kommunikativ ausgehandelt. Das Vorgehen verdeutlichte welche Codedefinitionen besonderes uneindeutig waren und welche Bereiche des Kategoriensystems hingegen gut zuzuordnen sind. Entsprechend unscharfe Definitionen wurden notiert und im Anschluss an das konsensuelle Codieren überarbeitet. Auf diese Weise wurde u. a. die bereits erwähnte OK10 „Beschreibungen zur Zukunft des Lehrberufs“ in ihren Subkategorien ausdifferenziert, durch detailliertere Co‐ dedefinitionen ergänzt sowie mit z. T. anderen Ankerbeispielen versehen (siehe Anhang). Mit dem so überarbeiteten deduktiv-induktivem Kategoriensystem wurde dann erneut 20 % des Materials von zwei Forschenden parallel codiert und verglichen. Durch die Überarbeitung konnte dabei der Wert der ICR deutlich erhöht werden und betrug K = 0,81. Erst im Anschluss an diese Berechnung wurde das gesamte Material erneut codiert. 8.3 beschreibt die Ergebnisse dieser finalen Codierung inklusive erster Vergleiche, Auffälligkeiten und Rückbezüge auf das Forschungsinteresse. 158 8 Qualitative Inhaltsanalyse <?page no="159"?> 75 Die 918 (+1280) Codierungen verstehen sich inklusive der beiden Expert*inneninterviews. Für die weitere Diskussion der IS-QIA und der Typenbildung werden aber lediglich die 854 Codierungen der beiden Studierendenkohorten verwendet. Für die Diskussion der Expert*inneninterviews siehe Kapitel-9.3.4. 8.2.4 Addendum: Intercoder-reliability, Berechnung des Kappa-Werts und qualitative Forschung Auch wenn die Berechnung einer ICR in Arbeiten mit Verwendung der QIA fast schon zum standardmäßigen Vorgehen zu gehören scheint, lässt sich die Bestimmung von Grenzwerten und Berechnung eines zufallsbereinigten Koeffizienten vor dem Hintergrund der zuvor noch zurückgewiesenen Kritik an der QIA selbst kritisieren. Wie bereits bei der Antwort auf den Vorwurf, die QIA würde nach dem Gesetz der großen Zahlen agieren, lässt sich aber auch dieser Kritik durch eine Kontextualisierung der gegebenen Werte begegnen. Zunächst ist dabei zu betonen, dass ein sehr guter Kappa-Wert nicht mit einem sehr guten Codiersystem gleichzusetzen ist. Auch ist zu berücksichtigen, dass die Berechnung eines solchen Wertes nicht suggerieren sollte, man versuche ein möglichst objektives Codiersystem zu erstellen. Allerdings zeigt sich bereits in der Festlegung der Grenzwerte von Kuckartz mit > 0,6 als gut und > 0,8 als sehr gut, dass mit der ICR an dieser Stelle keine objektiven Codierungen notwendig sind. Aber auch wenn Werte von > 0,99 für qualitative Arbeiten unerreichbar oder vielleicht sogar unnötig sind, zeigt die Berech‐ nung unter solchen Grenzwerten, dass die Codierungen nicht willkürlich oder zufällig, sondern intersubjektiv nachvollziehbar sind. Das heißt nicht, dass mehrere Forschenden bei allen Codierungen übereinstimmen, aber dass die einzelnen Codierungen zumindest nachvollziehbar sind. Schließlich ist auch nur so zu erläutern, wie über das konsensuelle Codieren der Kappa-Wert gesteigert werden konnte. Die jeweils eigene Sichtweise auf eine Codierung wird dargelegt und ein gemeinsames Verständnis ausgehandelt. In diesem Sinne beschreibt der in der vorliegende Studie erreichte Wert von K = 0,81 nicht, dass das Codiersystem zu 81 % objektiv sei. Der Prozess der Überarbeitung und Berechnung zeigt aber, dass bei der hermeneutischen Aushandlung der Kategorien nicht nur die einzelnen Codierungen, die Gesamtinterviews, das Forschungsinteresse und die Annahmen des Forschenden berücksichtigt wurden, sondern darüber hinaus auch eine zweite (sub‐ jektive) Perspektive in den Aushandlungsprozess integriert wurde. Die intersubjektive Übereinstimmung kann in der Perspektive als Erweiterung des hermeneutischen Zirkels verstanden werden, die schließlich auch eine Einordnung der ICR in eine qualitative Forschungsmethode ermöglicht. 8.3 Beschreibung und Diskussion der Ergebnisse der inhaltlich strukturierenden QIA Wie in der Beschreibung der Spirale der ISQIA bereits angemerkt, werden bei der Ergebnis‐ vorstellung nicht alle Oberkategorien mit ihren jeweiligen Subkategorien gleichermaßen betrachtet. So wurden für die ISQIA insgesamt 918 75 einzelne Codierungen durchgeführt (weitere 1280 sind speziell für die ENA erstellt worden, siehe Kapitel 9.2.2), die sich auf die elf visualisierten Oberkategorien aufteilen. Da eine solche Gesamtdarstellung im Fließtext 8.3 Beschreibung und Diskussion der Ergebnisse der inhaltlich strukturierenden QIA 159 <?page no="160"?> zu unübersichtlich und wenig zielführend wäre, wird diese den Empfehlungen Kuckartz folgend (2018, S. 222) auf das Codebuch im Anhang ausgelagert. Stattdessen werden in diesem Kapitel diejenigen Oberkategorien in ihren Subkategorien aufgeschlüsselt, die von besonderer Relevanz für die weiteren Analyseschritte wie auch für das ausgeschriebene Forschungsinteresse der digitalitätsbezogenen Vorstellungen sind. Die für das Forschungs‐ interesse im Anschluss an die deduktive Kategorisierung vielversprechendsten Oberkate‐ gorien (OK5, OK6, OK8, OK10 und OK11) wurden in insgesamt 36 deduktiv-induktive Kategorien ausdifferenziert. Neben den so entstehenden deduktiv-induktiven Kategorien fallen 61 Codierungen auf die gesonderte Markierung besonders dichter Passagen, die in 8.3.5 vorgestellt werden. Ziel des Vorgehens ist es, einen genauen Überblick über die für das Forschungsinteresse prägnantesten Inhalte der Interviewstudie zu geben und den Weg für die aufbauende Typenbildung und ENA zu ebnen. 8.3.1 Betrachtung von OK5: „Potenziale digital-gestützter Lehre“ OK5 und OK6 „Potenziale bzw. Herausforderungen digital-gestützter Lehre“ beschreiben zwei Kategorien, die nur weitgehend, aber nicht ausschließlich an einem thematischen Bereich des Leitfadens angelegt sind. Stattdessen gibt es mehrere Impulse im Leitfaden in den Abschnitten 2 (digitale Eindrücke und Kompetenzen) und 3 (Fremdsprachenunterricht und digitale Transformation), aus denen die Codierungen stammen. Die Zugehörigkeit zu der Kategorie wird dabei über die folgende allgemeine Definition bestimmt: Alle Codes, bei denen die befragte Person Potenziale digital-gestützten Unterrichts (oder von Digitalisierungsprozessen im Allgemeinen) (für Lehr-/ Lernprozesse) nennt. Dabei kommt es zunächst nur darauf an, dass die berichtende Person die Aussage als Potenzial wahrnimmt. Besonders wichtig bei der Definition ist, dass hier nur diejenigen Antworten berücksichtigt wurden, die als Antwort auf einen Impuls aus Abschnitt 2 bzw. 3 erfolgten. Hier geht es also um Antworten, die gegeben werden, wenn Studierende bewusst über Potenziale bzw. Herausforderungen digital-gestützten Unterrichts nachdenken (sollten). In der Positionie‐ rung nach dem Abschnitt zu den eigenen Erfahrungen wird hier also ein Perspektivwechsel erforderlich, der die befragte Person von der Rolle des Lernenden in die Rolle des Lehrenden versetzt. Ziel dabei ist es Antworten zu eruieren, die die befragte Person dazu bewegen didaktische Gesichtspunkte einzubeziehen. Ein Beispiel für ein Zitat aus OK5 ist unter diesen Voraussetzungen: Ähm, und methodisch natürlich, auch wenn man ähm ja einen größeres Men=Methodenensemble quasi bedienen kann im digitalen Raum. Dann bietet das auch neue Möglichkeiten, die vielleicht auch motivierender sind, anregender sind und somit dann möglicherweise zu besseren Lernergebnissen führen können, also auf jeder Ebene. (K1_i9_F1, Pos. 20) Die befragte Person antwortet hier auf einen Impuls zu möglichen Potenzialen im Lehr-/ Lernkontext. Auch wenn die Verbindung an der Stelle noch oberflächlich bleibt, wird versucht, das genannte Potenzial didaktisch Einzuordnen (besseres Lernergebnis durch höhere Motivation). 160 8 Qualitative Inhaltsanalyse <?page no="161"?> 76 Genau genommen beschreibt der Neuheitseffekt (auch novelty effect, von Restorff effect) die erhöhte Aufmerksamkeit und Erinnerungsleistung bei neuen Stimuli (siehe auch Lynch & Srull, 1982). Das Vorgehen ist analog für OK6 „Herausforderungen digital-gestützter Lehre“ über‐ nommen worden. Sowohl in OK5 als auch OK6 sind die Subkategorien bei der induktiven Kategorienbildung in „Allgemein“ und „Fachspezifisch Fremdsprachenunterricht“ einge‐ ordnet worden. Betrachtet man zunächst die genannten allgemeinen Potenziale, lassen sie sich in folgende Subkategorien anordnen: 9 19 7 4 8 77 0 5 10 15 20 Individualisierung und Inklusion Flexibilität Lernprozess Zusammenarbeit SuS Berufsvorbereitung Förderung Medienkompetenz Motivationsförderung Administratives Abbildung 15: Übersicht der Subkategorien 5.1.1-5.1.7 „Potenziale digital-gestützter Lehre (allge‐ mein)“ Auffällig bei der Betrachtung der Subkategorien ist die generell geringe Anzahl an Ant‐ worten. Mit 61 Codierungen zu Potenzialen auf 34 Interviews scheint dies vor dem Hintergrund des bildungspolitischen und auch didaktischen Diskurses über die zahlreichen Potenziale der Digitalisierung (KMK, 2017 und 2021; SWK, 2021, zur Kritik siehe z. B. Braun et al., 2021) überraschend und es wäre zu erwarten gewesen, dass die diesbezüglichen Impulse ausführlicher beantwortet werden. Allerdings ist zu beachten, dass hier lediglich die allgemeinen Potenziale, nicht die spezifischen Potenziale im Bereich der Fremdsprachen abgebildet sind (siehe dafür weiter unten). Außerdem verbergen sich in den Interviews weitere genannte Potenziale, die nicht auf spezifische Impulse folgen und hauptsächlich bei der Betrachtung einer spezifischen digitalen Technologie genannt wurden. Trotzdem scheinen Impulse bezüglich der Potenziale für die befragten Personen schwierig zu beant‐ worten zu sein. Es wird zwar davon ausgegangen, dass es sie gibt, sie können oft jedoch nicht genauer differenziert werden. Das lässt sich unter anderem in der starken Präsenz der Kategorie „Motivationsförderung“ zeigen, in der oft mit dem Neuheitseffekt 76 , der größeren Abwechslung oder der vermeintlich größeren Lebensweltnähe argumentiert wird: 8.3 Beschreibung und Diskussion der Ergebnisse der inhaltlich strukturierenden QIA 161 <?page no="162"?> 77 Das heißt, die weder damit zu tun haben, dass das Medium digitale Signale empfängt, noch mit dem in der Kultur der Digitalität beschriebenen, spezifischen Möglichkeitsraum. Ja, also allgemein, dass man ebenso ein bisschen vielleicht auch näher an, an den Lebensraum der Schülerinnen und Schüler kommt. Also die wachsen ja nun mal jetzt wirklich komplett digital auf […]. (K1_i8_F1, Pos. 10) (siehe auch z.-B. K1_i6_F2, Pos 26; K2_i2_F1, Pos. 20) Gleich zwei Inhalte dieses Zitates sind für die Subkategorie der allgemeinen Potenziale bezeichnend. Zunächst fällt auf, dass das Digitale mit einer größeren Lebensweltnähe gleichgesetzt wird, was implizit zur höheren Motivation führen soll. Dabei erinnert die Formulierung im zweiten Satz, wie auch an anderen Stellen, (z. B. K1_i11_F1, Pos. 12; K1_15_F2, Pos.10) an das problematische Konzept der „digital natives“ (Prensky, 2006, S. 25, zur Kritik siehe Kirschner & De Bruyckere, 2017), bei dem jungen Personen eine intuitive Affinität zum Digitalen zugesprochen wird. Die Lebensweltnähe wird also generell dem Digitalen zugeschrieben, ohne eine Begründung was aus dem Digitalen oder wie mit dem Digitalen eine Lebensweltnähe erzeugt wird. Darüber hinaus ist das vermeintliche Potenzial nicht spezifisch für das Digitale und könnte genauso über den Anschluss an Hobbies, Freunde, Familie o. Ä. erzeugt werden. Nicht zuletzt wird der Zusammenhang zwischen Lebensweltnähe und Motivationen hier wie auch an allen anderen Stellen, bei denen Digitalität mit Lebensweltnähe gleichgesetzt wird, nicht weiter erläutert. Insgesamt scheint die starke Präsenz der Kategorie Motivationsförderung damit er‐ klärbar zu sein, dass hier auf einer sehr oberflächlichen Ebene der Nutzung digitaler Technologien über die Lebensweltnähe per se eine Motivationssteigerung zugesprochen wird und dieses Potenzial damit (aus Sicht der befragten Personen) nicht genauer begründet werden muss. Weitere Codierungen der Subkategorie speisen sich aus der Zuschreibung von Motivationsförderung durch den Neuheitseffekt digitaler Technologien: Ansonsten finde ich das meistens ähm (..) sehr aufmerksamkeitserregend. Also es ist was anderes, abwechslungsreich und das ist wirklich so, dass die Aufmerksamkeit gut darauf gelenkt wird, wenn man das= wenn man Medien jetzt digital einsetzt. (K1_i1_F13, Pos. 18) Parallel zu der vermeintlich größeren Lebensweltnähe des Digitalen, ist das hier genannte Potenzial ebenfalls nicht spezifisch für Digitalität oder ein digitales Medium. Tatsächlich könnte der hier beschriebene Neuheitseffekt genauso durch ein anderes Medium, eine neue Lehrkraft, eine andere Methode oder sogar neue Inhalte erzielt werden. Auch wenn hier nicht eine spezifische Subkategorie, die darüber hinaus nur in knapp der Hälfte der Interviews überhaupt codiert werden konnte, überfokussiert werden soll, zeigen sich in den beiden Beispielen Tendenzen, die auch bei anderen Kategorien er‐ kennbar werden: Digitalen Medien werden Potenziale zugesprochen, die weder didaktisch begründet werden noch streng genommen etwas mit dem Digitalen 77 zu tun haben. Trotz dieser Tendenz lassen sich in den weniger stark vertretenden Subkategorien auch Codierungen finden, die auf Spezifika der Digitalität bzw. digitaler Medien eingehen. So finden sich im Bereich „Flexibilität im Lernprozess“ und im Bereich „Individualisierung und Inklusion“ Äußerungen, die sich spezifischer auf digitale Technologien (insbesondere Videochat-Plattformen) beziehen bzw. durch diese erst ermöglicht werden: 162 8 Qualitative Inhaltsanalyse <?page no="163"?> […] aber jetzt stelle ich gerade fest, dass ist ja eigentlich auch ein Vorteil, wenn die Schülerinnen und Schüler im digitalen Raum auch andere Inhalte sehen, die trotzdem begreifen und dadurch halt nochmal außerhalb des schulischen Kontextes lernen können […]. (K1_i14_F1, Pos. 30) Auch wenn die hier benannten „Lernprozesse“ ohne digitale Technologien oder Eigen‐ schaften der Digitalität (zum Beispiel in Form von Hausaufgaben) außerhalb der Schule stattfinden können, wird hier ein erstes Verständnis davon deutlich, wie Lernprozesse unter Bedingungen der Digitalität auch außerhalb der formalen Schulbildung stattfinden können (siehe auch Küplüce, 2023): eine örtlich-zeitliche Unabhängigkeit von Schule durch bspw. Erklärvideos oder Video-Sprachtandems. Trotz dieser Ausnahmen, in denen die genannten Potenziale des Digitalen auch spezi‐ fisch für das Digitale sind, wird die generelle Tendenz einer oberflächlichen und unspezi‐ fischen Zuordnung umso deutlicher, wenn man ergänzend zu den allgemein genannten (wahrgenommenen) Potenzialen fachspezifische Antworten betrachtet. Sowohl in der Anzahl der Codierungen (61 allgemein zu 38 fachspezifisch) vor allem aber auch in der Ausdifferenzierung der Antworten (7 Subkategorien bei allgemeinen Potenzialen, lediglich 3 bei fachspezifischen Potenzialen) ist die Kategorie „Fachspezifische Potenziale“ weniger stark ausgeprägt. Insgesamt verteilen sich die Antworten auf die Möglichkeit authentischen Inputs (20 Codierungen), das Schaffen authentischer, kommunikativer Situationen (8 Co‐ dierungen) und die Förderung fremdsprachenspezifischer Kompetenzen (10 Codierungen). Bei näherer Betrachtung lassen sich in diesen drei Subkategorien zwei zu den allge‐ meinen Potenzialen ergänzende Beobachtungen festhalten. So findet sich eine Kontinuität der Tendenz der allgemeinen Kategorie, dass Potenziale über die höhere Motivation durch vermeintlichen Lebensweltbezug zugeschrieben werden: […] also man kriegt so viel authentisches Material aus dem Internet und aus diesen Medien, dass ist auf jeden Fall (.) wichtig, weil damit die Schüler halt am besten lernen können und dann auch diesen Lebensweltbezug haben, wenn es etwas ist, was Sie auch im Alltag beschäftigt. (K1_i12_F1, Pos. 18) Diese Zuschreibung von Authentizität ist wie oben verbunden mit der Attribuierung der Schüler*innen als digital natives. Die Schüler*innen bewegen sich und leben (oft auch in expliziter Abgrenzung zu den Lehrkräften, vgl. insb. K1_i11_F1) demnach online. Die Zuschreibung ist unter Anbetracht der letzten JIM-Studien (mpfs, 2019/ 2020/ 2021) nicht falsch, scheint aber vor dem Hintergrund der Ausführungen zur Digitalität stark auf Mediennutzungsverhalten verengt. Wenn also davon ausgegangen wird, dass die Lebenswelt der Schüler*innen digital sei, scheint das in den beschriebenen Interviews vor allem zu meinen, dass die Schüler*innen häufig digitale Medien nutzen, und nicht, dass sie (wie die Lehrkräfte auch) unter Bedingungen der Digitalität leben. Die zweite Ergänzung, die sich aus den genannten fachspezifischen Potenzialen vor‐ nehmen lässt, ist, dass sich im Bereich „Authentische Kommunikative Situationen“ zumin‐ dest teilweise eine Verknüpfung von fachdidaktischen Konzepten und Eigenschaften der Digitalität finden lässt: […] [d]ass man da wirklich Kontakt herstellt, äh und das äh kann man ja heute sehr, sehr leicht äh und tatsächlich sogar über Zoom. Über Video könnte man auch faktisch mit äh also Menschen einbeziehen, äh ähm die vielleicht von ihren Erfahrungen berichten, ähm in dem Land, wo die Sprache 8.3 Beschreibung und Diskussion der Ergebnisse der inhaltlich strukturierenden QIA 163 <?page no="164"?> gesprochen wird oder so weiter oder von ihrem Alltag. Also das finde ich, glaube ich ähm, ja für den Fremdsprachunterricht sehr wichtig. Ich finde immer wichtig, dass man weiß, warum man das lernt. Also, wie kann ich das benutzen, wenn ich wirklich mit dem Menschen spreche, ähm ja. (K2_i10_F2, Pos. 11) Die befragte Person berichtet hier von der (Online-)Interaktion mit Menschen aus englisch‐ sprachigen Ländern und dem potenziellen Effekt, den dieses Vorgehen auf den Sprachen‐ lernenden haben kann. Damit wird ein genuines Merkmal digitaler Technologien (orts‐ unabhängiger Zugang zu anderen Menschen) und der Digitalität (Entgrenzung, siehe auch Kapitel 3.1) und gleichzeitig ein etabliertes Vorgehen für den Fremdsprachenunterricht (von Sprachtandems bis VE, siehe auch Kapitel 3.1.1) verknüpft. Zwar bezieht sich im Anschluss ein Teil der Begründung für das Potenzial dieses Vorgehens erneut auf motivationale Aspekte „Ich finde immer wichtig, dass man weiß, warum man das lernt“, allerdings wird zumindest ein grundlegendes Verständnis dafür deutlich, dass in diesem Austausch eine besondere Form von kommunikativer Situation ermöglicht wird: „wenn ich wirklich mit dem Menschen spreche“. Und auch, dass in dem Fall scheinbar andere sprachliche Fähigkeiten benötigt werden „Also, wie kann ich das [dann] benutzen“. Obwohl an dieser Stelle keine explizite Zuordnung zu fachdidaktischen Konzepten erfolgt (nach denen allerdings auch nicht explizit gefragt wurde), lässt sich die Aussage zumindest nachträglich zu Konzepten der Funktionalität im task-based learning (Hallet, 2016, S. 99-100), den kommunikativen Praktiken im digitalisierten Fremdsprachenunterricht (Fandrych, 2019, S. 60), oder auch allgemeiner den Beschreibungen der kommunikativen Kompetenz (z. B. Legutke, 2010, S.-71-73) einordnen. Rekontextualisiert man die gegebenen Beispiele wieder in die Gesamtauswertung von OK5, zeigt sich, dass die starke Präsenz der Kategorie „Motivationsförderung“ durch mehrere dem Digitalen zugeschriebenen Effekten zustande kommt, die sich alle auf die (Erwartung von) gesteigerter Motivation zurückführen lassen. Darunter gehört die vermeintliche Lebensweltnähe, der Neuheitseffekt und die Authentizität von Sprachinput. Würde man OK5 nicht in allgemeine und fachspezifische Potenziale aufteilen, wäre der Fokus auf die Kategorie der Motivationsförderung sogar noch größer, da sich auch die fachspezifischen Codierungen zu „Authentischer Sprachinput“ und „Kommunikative Situa‐ tionen schaffen“ z. T. auf erwartete Motivationssteigerung zurückführen lassen. Insgesamt ist der Fokus also gerade im fachspezifischen Bereich eher eng, bezieht sich oft auf Aspekte, die nicht konstitutiv für Digitalität (oder auch nur digitale Medien) sind und nur in geringen Maßen mit fachdidaktischen Konzepten verknüpft werden. Zwar gibt es, wie in dem zuletzt gegebenen Zitat, Ausnahmen, der generelle Trend sollte für die Betrachtung der weiteren Kategorien aber festgehalten werden. Der enge Rahmen gibt darüber hinaus einen ersten Einblick darin, wie die befragten Personen Fragen zu digital-gestütztem Unterricht interpretieren. Hierbei lassen sich unter‐ schiede von einer streng medialen Interpretation (‚Unterricht mit iPad‘) bis Onlineunter‐ richt (‚im digitalen Raum‘) feststellen. Wie auch in den weiteren Kategorien anschaulich wird, lässt sich hier ein erster Hinweis auf die begriffliche Unschärfe feststellen, die die Kommunikation über digital-gestützten (digitalen, digitalisierten, digital-angereicherten) Unterricht begleitet. Aus dem Gesagten resultiert nun die Frage, ob und wie sich die fest‐ gehaltenen Auffälligkeiten in den weiteren Interviewbereichen fortsetzen bzw. ergänzen 164 8 Qualitative Inhaltsanalyse <?page no="165"?> 78 Die Inklusion der Kategorien erfolgte vor allem aus dem Anspruch, dem, zunächst explorativem, Vorhaben entsprechend, das gesamte Material zu codieren. Anders als bei anderen Kategorien mit wenig Nennungen ließen sich die beiden Subkategorien in diesem Fall außerdem nicht subsumieren. lassen. Handelt es sich also um vereinzelte Beobachtungen oder um wiederholende Muster der Interpretation und Eigenschaftszuschreibung von Digitalisierung und Digitalität? 8.3.2 Betrachtung von OK6: „Herausforderungen digital-gestützter Lehre“ Die ersten Eindrücke aus OK5 lassen sich mit einem kurzen Einblick in OK6 „Herausfor‐ derungen digital-gestützter Lehre“ komplementieren. Dabei geht es nicht darum, einfach die entstandene Kategorisierung zu beschreiben, sondern vor allem auch auf Parallelen und (Dis-)Kontinuitäten zwischen den verschiedenen Interviewabschnitten und Interviews aufmerksam zu machen. In diesem Sinne lässt sich in der Kategorisierung der genannten Herausforderungen digital-gestützten Unterrichts in der Verteilung eine hohe Überschnei‐ dung mit der Ausprägung der Potenziale feststellen. Wie auch in OK5 können deutlich mehr allgemeine Codierungen (48) als fachspezifische Codierungen (16) vorgenommen werden. Die Verteilung der allgemeinen Codierungen zeigt sich dabei wie folgt: 23 11 11 17 4 0 5 10 15 20 Fehlende soziale Kontakte Überforderung Technische Ausstattung Zugang zu SuS Screentime Entgrenzung Arbeitszeit Abbildung 16: Übersicht der Subkategorien 6.1.1-6.1.6 „Herausforderungen digital-gestützter Lehre (allgemein)“ Ähnlich wie bei den Potenzialen fokussieren sich die codierten Herausforderungen auf einige wenige Kategorien. Dabei ließe sich argumentieren, dass für „Entgrenzung Arbeits‐ zeit“, „Screen time“ und „Fehlende soziale Kontakte“ nicht genug Nennungen für die Bildung einer Kategorie vorhanden sind 78 und die eigentliche Zahl der Subkategorien sogar noch geringer sein müsste. Ein inhaltlicher Einblick in die Kategorien zeigt, dass Nennungen zur technischen Ausstattung sich mit den diskutierten Herausforderungen der Digitalisierung von Schulen 8.3 Beschreibung und Diskussion der Ergebnisse der inhaltlich strukturierenden QIA 165 <?page no="166"?> 79 Man beachte, dass die Beispiele hier sogar aus dem gleichen Interview gezogen werden können (vgl. zur Diskussion auch Kapitel-8.4 und Kapitel-8.7). decken. Hier wird nach wie vor eine stark ungleiche und insgesamt unzureichende Ausstattung attestiert (siehe z.-B. Eickelmann et al., 2019; Fütterer et al., 2021). Die beiden anderen präsenten Subkategorien, „Zugang zu SuS“ und „Überforderung/ feh‐ lende Kompetenz (der Lehrkraft)“ lassen sich am besten mit einem Blick in die einzelnen Codierungen erklären. Für beide Kategorien ist dabei wieder eine spezifische Interpretation des Frageimpulses bzw. die Interpretation von digital und digital-gestützt auf Seiten der befragten Personen entscheidend. Da die dahingehende Interpretation nicht durch eine Vorstrukturierung des Forschenden bestimmt werden sollte, sind beide Codedefinitionen bezüglich des Digitalitätsverständnisses offen. So wird z. B. die Kategorie „Zugang/ Kon‐ trolle zu/ über SuS“ definiert als: „Aussagen, die sich auf Herausforderungen durch einen fehlenden Zugang zu und/ oder eine (wahrgenommene) fehlende Kontrolle von SuS durch Elemente der Digitalität, digitale Technologien oder den Unterricht im digitalen Raum beziehen.“ Genau hiermit erklärt sich auch die (im Vergleich zu den anderen Subkategorien von OK6) häufige Nennung. Die befragten Personen interpretieren Impulse zu möglichen Herausforderungen teilweise als Folge des Onlineunterrichts, zum Teil aber auch mit der Integration digitaler Technologien, wie in diesem Beispiel: […] wenn ich mit, ähm, digitalen Medien im Unterricht arbeite und mit Tablets und allem, die mit Internet ausgestattet sind, ist es immer so die Sache, wie kontrolliere ich was gerade in dem Moment bei den Schüler*innen auf dem Tablet läuft. Was passiert gerade im Unterricht, machen die wirklich, was sie sollen. (K1_i7_F1, Pos. 28) Die befragte Person geht hier direkt auf den Einsatz digitaler Medien (Tablets) in einer Un‐ terrichtssituation ein. Die internetfähigen Endgeräte können dabei für sie zum Störfaktor werden, da sie so nicht kontrollieren könne, ob die Schüler*innen auch dem Unterricht folgen. Damit wird das Medium als Störquelle bestimmt, welches Impulse in den Unterricht einbringt, die nicht von der Lehrkraft selbst kontrolliert (und beurteilt) werden. Neben den Implikationen für das Selbst- und Unterrichtsverständnis (die vor allem in der Typenbildung diskutiert werden) zeigt sich hier ein Kontrast zu Codierungen, in denen der Impuls zu Herausforderungen digitalisierten Unterrichts expliziert als Onlineunterricht interpretiert wird: Und da ist es halt im Schulkontext einfach die Sache, dass ich besser sehen kann, arbeiten die, was wird gemacht und wie kommen die klar. Ich kriege Rückmeldung, ich sehe die Gesichter. Ich sehe, verstehen die gerade, was ich denen erzähle und wenndie Sache an der Schule ist, die Kamera bleibt aus, dann sehe ich nicht, ob ichob die verstehen, was ich denen erzähle. (K1_i7_F1, Pos. 16) 79 Auch in dieser Antwort wird die fehlende Kontrolle über bzw. der Zugang zu Schüler*innen thematisiert, allerdings wird sich dabei auf Onlineunterricht via video conferencing (Lawson et al., 2010) bezogen; „die Kamera bleibt aus“. Die Codierungen aus Zugang/ Kontrolle von/ zu SuS speisen sich also streng genommen aus verschiedenen Kontexten. Das gleiche Phänomen ist auch für die Subkategorie „Fehlende Kompetenz/ Überforde‐ rung (der Lehrkraft)“ zu beobachten, in denen die Frageimpulse ebenfalls teilweise als 166 8 Qualitative Inhaltsanalyse <?page no="167"?> Online- und teilweise als Präsenzunterricht mit digitalen Medien interpretiert werden. Damit zeigt sich eine Parallele zur vorherigen Kategorie, die sich auch noch in weiteren Oberkategorien fortführen wird. Außerdem lässt sich hier ein weiterer Hinweis darauf finden, was für die befragten Personen konstitutive Eigenschaften von Digitalisierung und Digitalität sind. Wie bei der Genese des Fragebogens angemerkt, wurden die Impulse bewusst so gestaltet, dass die befragten Personen selbst interpretieren mussten, welche Unterrichtsform mit digital bzw. digital-gestützt gemeint ist; Onlineunterricht, Unterricht mit digitalen Medien oder Unterricht unter Bedingungen der Digitalität. OK5 und 6 zeigen, dass diese Interpretation bei verschiedenen Personen für die gleichen Themenfelder unterschiedlich ausgestaltet wird. Daraus folgt für die Auswertung aller Antworten (gerade auch für den quantitativen Teil), dass die jeweils zu Grunde liegende Interpretation von Digitalisierung und Digitalität der befragten Personen beachtet werden muss. Wenn also bei der Analyse die Aussage getroffen wird, dass beispielsweise Aussagen zu fehlenden Kompetenzen (der Lehrkraft) 17-mal codiert wurden, ist genauso relevant die Frage danach, ob sich die fehlende Kompetenz auf ein digitales Medium, den Onlineunterricht oder auf spezifische Lernformen der Digitalität bezieht. Bis zu diesem Punkt wurden vor allem die Parallelen zwischen OK5 und OK6 betrachtet. Die genauere Ausführung zu OK6 ist aber auch deswegen für die Analyse relevant, weil sich in ihr zum ersten Mal ein Unterschied zwischen Gruppen von Interviews zeigt. Genauer gesagt lässt sich beim Vergleich der beiden Kohorten (K1, Onlinesemester; K2, Hybrid-Se‐ mester) eine auffällige Verteilung der benannten Herausforderungen feststellen. Stellt man die beiden Kohorten in einer Kreuztabelle der codierten Abschnitte zu (allgemeinen) Herausforderungen gegenüber, ergibt sich das folgende Bild: - K1 K2 Entgrenzung Arbeitszeit 6,3 % 6,3 % Screentime 6,3 % 12,5 % Zugang/ Kontralle zu/ über SuS 18,8 % 25,0 % Technische Ausstattung 37,5 % 18,8 % Überforderung 62,5 % 18,8 % Fehlende soziale Kontakte 18,8 % 6,3 % - - - # n = Interviews 16 (50-%) 16 (50-%) Tabelle 2: Kreuztabelle K1 × K2 „Herausforderungen digital-gestützter Lehre (allgemein) Schon bei der Codierung zur technischen Ausstattung, vor allem aber bei den Codierungen zur Überforderung bzw. fehlenden Kompetenz der Lehrkraft lässt sich ein großer Unter‐ schied in der Anzahl an Codierungen zwischen den Kohorten feststellen. Zwar sind aufgrund der insgesamt geringen Menge an Codierungen keine statistischen Aussagen möglich (und für den aktuellen Analyseschritt auch nicht notwendigerweise gewinnbrin‐ 8.3 Beschreibung und Diskussion der Ergebnisse der inhaltlich strukturierenden QIA 167 <?page no="168"?> 80 Zumindest alle Veranstaltungen am Englischen Seminar der Ruhr-Universität Bochum wurden zu dem Zeitpunkt online durchgeführt. 81 Zu beachten ist hier, dass Studierende aus K2 strenggenommen Erfahrungen in Hybrid- und (zuvor) auch in Onlinesemestern gemacht haben. K1 haben hingegen nur Erfahrungen in Onlinesemester gemacht. gend), der Befund ist in seiner Kontextualisierung trotzdem interessant. Die beiden Kohorten sind nicht nach Alter, Geschlecht, belegten Kursen oder Studienerfahrungen eingeteilt, sondern ausschließlich nach dem Semester der Befragung. In K1 befinden sich ausschließlich Interviews, die im Sommersemester 2021 durchgeführt wurden, dem dritten Semester mit pandemiebedingten Einschränkungen und dem zweiten, dass an der Ruhr-Universität Bochum (fast) ausschließlich in Onlinelehre durchgeführt wurde. 80 In K2, also den Interviews aus dem Wintersemester 2021/ 2022, wurde hingegen hybride Lehre, also eine Kombination aus Präsenz- und Distanzveranstaltungen durchgeführt. Die auffällig häufige Codierung im Bereich Überforderung (der Lehrkraft) könnte damit auf die unterschiedlichen Erfahrungen der Studierenden aus den jeweiligen Erhebungszeiträumen zurückzuführen sein. Nicht zu unterschätzen ist außerdem, wie während des Erhebungs‐ zeitraums von K1 auch Schulen noch regelmäßig in eingeschränkten Präsenzbetrieb arbeiten mussten (KMK, 2022). Eindrücke, die sich bei den Studierenden auch in Aussagen der Interviews widerspiegeln: […] ich habe auch gehört, dass einige Schüler nur Blätter zugeschickt bekommen jede Woche und gar nicht mehr wissen, was sie da tun und was sie da abgeben. […] [d]as hoffe ich nicht, dass das die Zukunft ist. Ich weiß natürlich auch nicht, ob das, jetzt, ne, ich kann mir auch vorstellen, viele ältere Lehrkräfte sind auch überfordert mit der Situation und so weiter. (K1_i12_F1, Pos. 26) Es findet sich so in der genaueren Betrachtung von OK6 im Bereich der ISQIA ein Beispiel dafür, wie die Vorarbeit das bestehende Forschungsinteresse für die weiteren Analyseschritte spezifiziert. Während allein mit der ISQIA noch keine quantitativen Aussagen zu Unterschieden zwischen den beiden Kohorten getroffen werden können, wird an dieser Stelle die Aufmerksamkeit auf zumindest mögliche Unterschiede gelenkt. Diese Unterschiede können mit Hilfe der ENA quantitativ ausgewertet werden. Daraus resultiert eine Spezifizierung des Forschungsinteresses für RQ 2: „Was ist für Studierende der Stellenwert digitaler Technologien im Englischunterricht und in welcher Beziehung steht dies zu den pandemiebedingten Lernerfahrungen? “ Interessant scheint nach Betrachtung von OK6 nämlich nicht nur, ob die pandemiebedingten Erfahrungen in einer Beziehung mit der Bewertung digitaler Technologien stehen, sondern auch, ob es dabei signifikante Unterschiede zwischen den Befragungszeiträumen gibt. Bewerten die Studierenden also vor dem Hintergrund der Erfahrungen des Onlinesemesters digitale Technologien anders als Studierende während des Hybridsemesters? Somit ergibt sich (auch) aus der Betrachtung von OK6 die Spezifikation des Forschungsinteresses: RQ 2.1: Gibt es signifikante Unterschiede in den Kohorten K1 und K2 bezüglich der Beziehung pandemiebedingter Erfahrungen und der Bewertung von digitalen Technologien? 81 Betrachtet man zum Abschluss für OK6 noch die fachspezifischen Codierungen, also Her‐ ausforderungen, die sich speziell auf den Bereich des Fremdsprachenunterrichts beziehen, 168 8 Qualitative Inhaltsanalyse <?page no="169"?> lässt sich ein fast exakt paralleles Bild zu OK5 zeichnen. Mit lediglich 16 fachspezifischen (zu 48 allgemeinen) Herausforderungen, die sich auf lediglich 3 Subkategorien (zu 6 Sub‐ kategorien bei allgemeinen Herausforderungen) beziehen, sind auch hier fachspezifische Aussagen seltener und weniger stark ausdifferenziert. Ein Umstand, der sich durch die weiteren Oberkategorien zieht und deswegen im Anschluss der Beschreibung einzelner Kategorien diskutiert wird. 8.3.3 Betrachtung von OK8: „Beschreibungen einer kompetenten Lehrkraft“ Die Betrachtung von OK8 an dieser Stelle erfolgt vor allem, weil sich in ihr die bereits in der Genese des Leitfadens angemerkte Progression des Interviews widerspiegelt. Von den einleitenden Fragen zu eigenen Lernerfahrungen und dem anschließenden Wechsel auf erste Überlegungen zur eigenen Lehrtätigkeit sollen in diesem Bereich des Interviews Abstrahierungen der Studierenden von der Planung einer Einzelstunde zur generellen Handlungsfeldern des Lehrberufs evoziert werden. Die Fragerichtung fokussiert also anhand der in Kapitel 7.4.2 vorgestellten Progressionslinien nicht eine zum Zeitpunkt der Befragung aktuelle und persönliche Situation, sondern den professionellen Kontext. Mit OK10 und OK11 werden anschließend zwei Kategorien betrachtet, die den Fokus darüber hinaus auf die Zukunft und die Spekulation schieben. Die in OK8 codierten Antworten speisen sich hauptsächlich aus dem Impuls des Leitfadens „Was macht für Sie eine kompetente/ erfolgreiche Lehrkraft im digital-gestützten Unterricht aus? “ aus dem Ende von Abschnitt zwei (siehe Anhang). Wie auch bei OK5 und OK6 ist die allgemeine Codedefinition - insbesondere mit Bezug zum Verständnis von Digitalisierung und Digitalität - offengehalten: Alle Aussagen der berichtenden Person zu Eigenschaften/ Kompetenzen/ Fähigkeiten einer (in der Wahrnehmung der befragten Person) kompetenten/ erfolgreichen Lehrkraft im digital-gestützten Unterricht (oder bei Digitalisierungsprozessen wie auch Bedingungen der Digitalität im Allge‐ meinen). Aussagen können die Beschreibung einer tatsächlichen oder einer fiktiven „perfekten“ Lehrkraft beinhalten. (Codedefinition OK8, siehe Anhang) Wie in den vorherigen Oberkategorien wird nicht bereits in der Definition normativ vorge‐ geben, was unter Digitalisierung und Digitalität und was unter kompetent oder erfolgreich zu verstehen ist. Gemäß des Forschungsinteresses liegt im Fokus der Betrachtung die Vorstellung der befragten Person selbst, die so viel wie nötig, aber so wenig wie möglich vorstrukturiert wird. Die so entstehenden Antworten werden dann erst anschließend mit bildungspolitischen und fachdidaktischen Setzungen kontrastiert. Als ein Ankerbeispiel für die Kategorie lässt sich unter den gegebenen Voraussetzungen das folgende Zitat anführen: Ähm (.), ja. Zum einen die eigene Medienkompetenz, ähm, aber ich glaube auch, dass es allgemein und auch im digitalen Kontext immer wichtig ist, dass man authentisch ist. Wenn man was nicht weiß oder unsicher ist, dass man […] sich das eingesteht und sagt, hey, das= da muss ich noch dran arbeiten, auch den Schülern gegenüber. (K1_i3_F1, Pos. 20) 8.3 Beschreibung und Diskussion der Ergebnisse der inhaltlich strukturierenden QIA 169 <?page no="170"?> In dem Ankerbeispiel beschreibt die befragte Person wünschenswerte Eigenschaften für eine Lehrperson (Medienkompetenz und Authentizität), die explizit mit Digitalisierung und Digitalität in Verbindung gebracht werden („im digitalen Kontext immer wichtig“). Wie das digitale interpretiert wird (in diesem Fall als Onlineunterricht) ist für die Zuordnung an dieser Stelle noch nicht entscheidend. Die so entstehenden Codierungen konnten mit Hilfe des deduktiv-induktiven Systems schließlich in die folgenden Subkategorien aufgeteilt werden: 15 10 5 28 8 0 10 20 30 Motivationsarbeit Umgang mit Technik Unterrichtsvorbereitung Didaktische Kompetenzen Offenheit & Fehlertoleranz Abbildung 17: Übersicht der Subkategorien 8.1-8.5 „Beschreibungen einer kompetenten Lehrkraft“ Die Auflistung der Subkategorien von OK8 ist vor dem Hintergrund der allgemeinen Beschreibung und Diskussion der ISQIA aus zwei Gründen besonders relevant. Wie bei den bereits vorgestellten Kategorien geht es darum, auch hier Kontinuität und Differenz der verschiedenen Interviewbereiche hervorzuheben. Bei näherer Betrachtung geben die hier genannten Subkategorien für Ersteres und Letzteres Hinweise. Augenscheinliche Parallelen zu den vorherigen Kategorien ergeben sich einmal durch die Subkategorie „Motivationsarbeit“ (vgl. Subkategorie „Motivationsförderung“, OK5) und durch die Sub‐ kategorie „Sicherer Umgang mit Technik“ (vgl. Subkategorie „Technische Ausstattung“, OK6). Tatsächlich zeigen sich damit zwei Schwerpunkte, die über mehrere Kategorien und Interviewabschnitte konsistent bleiben - motivational-emotionale Aspekte und tech‐ nisch-mediale Fragen. Allerdings sind die beiden Subkategorien hier anders und auch spezifischer besetzt als in den zuvor beleuchteten Kategorien. Betrachtet man die Subkate‐ gorie „Sicherer Umgang mit Technik“, finden sich Aussagen wie: Also, ganz vereinfacht gesagt (..) müsste (.) es reibungslos laufen. Wir kennen ja das Beispiel, ich weiß jetzt nicht, wie das bei Ihnen der Fall war, ähm wir hatten jetzt bei mir an der Schule beispielsweise einen Raum mit Overheadprojektor PC. Der Aufwand, bis das Gerät anlief war so erheblich, dass es schon fast zur Lachnummer wurde. (K1_i11_F1, Pos. 16) In dem Zitat wird eine Interpretation des Impulses digital-gestützt als „Unterricht mit digitalen Medien“ deutlich, bei der vor allem im Vordergrund steht, dass diese nicht selbst zum Störfaktor werden. Die kompetente Lehrkraft sorgt in dieser Ansicht dafür, dass 170 8 Qualitative Inhaltsanalyse <?page no="171"?> Unterricht (auch) mit digitalen Medien reibungslos funktionieren kann. Es wird außerdem deutlich, dass eine Verknüpfung zu den eigenen Erfahrungen aus praktischen Anteilen des Studiums bzw. einer Nebentätigkeit gezogen werden („wir hatten jetzt bei mir an der Schule“), die hier, wie auch in weiteren Interviews mit einer defizitären, negativen Erfahrung verbunden sind (siehe auch K1_i15_F2, Pos. 8; K2_i3_F2, Pos. 10; K2_i10_F2, Pos. 9). Die Präsenz des Themas Unterrichtsstörungen im weitesten Sinne deckt sich mit allgemeinen Befunden zur subjektiven Relevanz des Themas gerade für Lehrkräfte mit wenig praktischer Erfahrung (Kumschick et al., 2021, S. 142). Dass die Studierenden aus der Richtung möglicher Störungen (und deren Vermeidung) denken, lässt sich, wie in dem Beispiel, darüber hinaus aber auch mit der Verknüpfung zu spezifischen Erfahrungen während der pandemiebedingten Semester erläutern. In der zweiten scheinbaren Parallele zwischen OK8 und OK5 verbirgt sich bei genauer Betrachtung der einzelnen Codierungen gar eine komplette Umkehr der Beziehung von Digitalisierung und motivationalen Aspekten. Während bei OK5 motivational-emotionale Aspekte noch am häufigsten als Potenzial der Digitalisierung (bzw. digitaler Medien) herausgestellt wurden, geht es in OK8 meist um die Aufrechterhaltung von Motivation trotz digitaler Aspekte: Man muss trotzdem noch seinen Schülern signalisieren, denke ich, dass man immer noch Spaß hat an Unterrichten. Das man immer noch Spaß hat und motiviert ist, denen etwas beizubringen. Weil, weil gerade auch als Lehrer ist man ja man= das ist eine komplette neue Situation, die kannte kein Mensch. (K2_i14_F1, Pos. 12) Auffällig ist, dass trotz des diesbezüglich gleichen Impulses digital bzw. digital-gestützt der Impuls nicht als Unterricht mit digitalen Medien, sondern als Onlineunterricht interpretiert wird. Dieser Onlineunterricht wird im Vergleich zum Präsenzunterricht defizitär: Man muss „trotzdem“ signalisieren, dass man „immer noch“ (=trotz des Onlineunterrichts) Spaß hat. Bemerkenswert ist die unterschiedliche Interpretation des Impulses digital bzw. digital-gestützt vor allem auch deswegen, weil sich unterschiedliche Interpretationen nicht nur zwischen verschiedenen Interviews, sondern oft auch innerhalb eines Interviews finden lassen (zur vollständigen Auflistung siehe Anhang). In den Parallelen und Unterschieden zwischen OK8 und OK5-6 wird deutlich, wie Impulse zur Digitalisierung und Digitalität unterschiedlich interpretiert und abhängig von der Interpretation auch unterschiedlich bewertet werden. Dadurch ergeben sich im Kategoriensystem scheinbar widersprüchliche Verteilungen, in denen beispielsweise einmal dank Digitalisierung und einmal trotz Digitalisierung motivational-emotionale Aspekte gefördert werden bzw. stärker gefördert werden müssen. Die inkonsistente Inter‐ pretation der Impulse lässt sich dabei bereits als Erkenntnis zu den digitalitätsbezogenen Vorstellungen festhalten und zeigt sich parallel zu der generellen begrifflichen Inkonsistenz im Diskurs, die bereits in Kapitel 2 für Digitalisierung und Digitalität ausgewiesen wurde. Auch die drei anderen Subkategorien lassen sich in einem ähnlichen Muster erschließen. So muss eine für die befragten Personen kompetente bzw. erfolgreiche Lehrkraft eine Fehlertoleranz und Offenheit mitbringen, auch weil der Impuls als Onlineunterricht interpretiert wird und den Erfahrungen nach der Onlineunterricht mit Herausforderungen und Problemen einhergeht: 8.3 Beschreibung und Diskussion der Ergebnisse der inhaltlich strukturierenden QIA 171 <?page no="172"?> […] ähm je nach dem, wie es zuhause aussieht ist es vielleicht auch nicht so angenehm zu lernen oder gar nicht möglich wirklich zu lernen, ähm dass darauf auch glaube ich ein bisschen Rücksicht genommen wird und dass man jetzt nicht erwartet, dass Schülerinnen und Schüler so konzentriert 45 Minuten vor dem Bildschirm sitzen können. (K1_i4_F1, Pos. 18, siehe auch z. B. K1_i8_F1, Pos. 12; K1_i10_F1, Pos. 16; K2_i5_F1, Pos. 20) Wie im vorherigen Zitat interpretiert die befragte Person den Impuls digital-gestützt in einer spezifischen Form, die sich nicht nur auf Onlineunterricht allgemein, sondern das schulische ERT während der Lockdowns bezieht. Die Schüler*innen sitzen für den Unterricht also zuhause und haben ggf. nicht die Voraussetzungen, um konzentriert dem Onlineunterricht folgen zu können. Ein Umstand, der ggf. auch mit dem Zeitpunkt der Erhe‐ bung zu erklären ist, da im Juni 2021 in Deutschland teils noch stark restriktive Maßnahmen vorgenommen wurden, um die Ausbreitung von Covid-19 einzuschränken (Bundesminis‐ terium für Gesundheit, 2023). Der hier nur punktuell darstellbare Zusammenhang der pandemiebedingten Erfahrungen und der Interpretation von digitalitätsbezogenen Fragen wird in Kapitel 9.3 systematisch betrachtet. An dieser Stelle ist lediglich erneut festzuhalten, dass die Impulse zu digital und digital-gestützt nicht einheitlich interpretiert wurden. Ob und wie sich dadurch Rückschlüsse auf digitalitätsbezogene Vorstellungen ergeben, wird vor allem in den vertiefenden Interpretationen der Typenbildung zu beantworten sein. Um den Überblick und ersten Einblick in das Material zu vervollständigen, werden aller‐ dings zunächst zwei letzte Oberkategorien vorgestellt. OK10 und OK11 bilden dabei den Fluchtpunkt aller drei Progressionslinien des Leitfadens ab. Sie befinden sich thematisch im zukünftigen (nicht aktuellen) professionellen (nicht persönlichen) und im spekulativsten Bereich der Frageimpulse. Hier ergibt sich also die maximale Öffnung der Impulse, bei der die größte Reichweite an Antworten erwartet wurde. 8.3.4 Betrachtung von OK10 und OK11: „Beschreibungen der Zukunft“ OK10 „Beschreibungen zur Zukunft des Lehrberufs“ und OK11 „Beschreibungen Fremd‐ sprachenunterricht der Zukunft“ ähneln sich dahingehend, dass beide Oberkategorien eine unbestimmte und von der befragten Person selbst auszugestaltende Zukunft betreffen. Ähnlich wie bei OK5 und OK6 wurde die Auswertung in einen allgemeinen Teil, der von OK10 abgedeckt wird, und einen fach- und unterrichtsspezifischen Bereich, der in OK11 thematisiert wird, unterteilt. Wie schon bei den anderen Oberkategorien wird zunächst der allgemeine Teil thematisiert, bevor in die Fachspezifik hineingezoomt wird. Beide thematischen Oberkategorien beziehen sich auf Teil 4 des Leitfadens „Perspektiven digital-gestützten (Fremdsprachen-)Lernens“, wobei in OK10 vor allem die Antworten des einleitenden Hauptimpulses für Teil 4 codiert wurden, also Antworten, die auf den Impuls „Wie stellen Sie sich die (digitale) Zukunft ihres Unterrichts und ihres Berufes vor? “ folgen. In dem Impuls ergibt sich eine Überlappung mit OK11, da teilweise schon hier fachspezifi‐ sche unterrichtliche Antworten erfolgten. Diese Antworten werden entsprechend bei der nächsten Kategorie vorgestellt. Es ließe sich spekulieren, dass es an der angesprochenen Offenheit des Impulses liegt, dass OK10 und OK11 zwei der Kategorien mit den meisten Subkategorien und codierten 172 8 Qualitative Inhaltsanalyse <?page no="173"?> Elementen sind. So wurden allein für OK10 insgesamt 96 Codierungen durchgeführt, die sich auf die folgenden 7 Subkategorien aufteilen: 34 10 18 14 78 5 0 10 20 30 40 Mehr Kooperation im Kollegium Veränderung der Lehramtsausbildung Lehrformate in Distanz oder Hybrid Freiheit der Unterrichtsgestaltung Individualisierung und Inklusion Effektiveres Arbeiten durch Technologie Veränderung der Medien Abbildung 18: Übersicht der Subkategorien 10.1-10.7 „Beschreibungen zur Zukunft des Lehrberufs“ Es überrascht an dieser Stelle nur noch wenig, dass auch OK10 einige Parallelen zu den anderen Interviewbereichen aufweist. Auf den ersten Blick springt bei der Betrachtung der Subkategorien die starke Präsenz von Antworten ins Auge, die sich auf eine mediale Veränderung beziehen. Wichtig für die Subkategorie ist dabei, dass es nicht nur darum geht, dass Medien benannt werden, sondern dass die mediale Veränderung den expliziten Kern der Antwort ausmacht. Das spiegelt sich in der Codedefinition wider: Alle Aussagen, in denen die befragte Person von einer Veränderung der genutzten Medien im Vergleich zu der aktuell an Schulen wahrgenommenen Situation ausgeht. Der Fokus liegt dabei auf dem Medium selbst und nicht auf der Wirkung oder Rolle des Mediums bzw. der erzielten Wirkung durch den Wechsel des Mediums. (Siehe Anhang) In die Subkategorie fallen also keine Antworten, bei denen zwar ein digitales Medium erwähnt wird, die im Kern aber beispielsweise auf das hybride Lernen oder die Kooperation im Kollegium mit Hilfe eines Mediums abzielen, da sich die Subkategorie ansonsten inflationär vergrößern würde. Der Unterschied zwischen dem Benennen eines Mediums und der medialen Veränderung als Kern der Aussage lässt sich in einem Ankerbeispiel der Subkategorie verdeutlichen. […] also ich gehe halt grundsätzlich davon aus, dass ähm gerade so Einsatz von iPads etcetera an der Tagesordnung stehen werden. Also ich gehe halt davon aus, dass gerade so Sachen wie ich sag jetzt mal einfach die Tafel wegfällt. Overheadprojektoren wegfällt. (K1_i11_F1, Pos. 24) Das Ankerbeispiel wurde auch deswegen gewählt, da es dem engen Verständnis von Digitalisierung als medialer Wandel fast in Reinform entspricht. Es ließe sich sogar 8.3 Beschreibung und Diskussion der Ergebnisse der inhaltlich strukturierenden QIA 173 <?page no="174"?> argumentieren, dass hier lediglich eine Signalumwandlung thematisiert wird, in der ein analoges Medium (die Tafel) durch ein digitales Medium (das iPad) ersetzt wird. Vor dem Hintergrund der Codedefinition und des Ankerbeispiels ergibt sich aus der starken Präsenz der Kategorie ein nicht zu ignorierender Hinweis auf die Perspektiven von Digitalisierung und Digitalität im Bereich Schule. Der häufigste Bezugspunkt der Antworten liegt auf einer technisch-medialen Ebene; es wird ein Digitalisierungsprozess beschrieben, der sich in einem Wandel von analogen zu digitalen Medien ausdrückt. Wie bei den anderen vorgestellten Kategorien, dürfen jedoch auch bei OK10 die Häufigkeiten einer bestimmten Kategorie nicht überinterpretiert werden. Zwar kann die Verteilung in OK10 einen Hinweis darauf geben, dass die befragten Personen vornehmlich eine mediale Perspektive auf Digitalisierung und Digitalität annehmen, die Verteilung ließe sich an dieser Stelle aber auch noch anders erklären. So könnte es sein, dass die codierten Aussagen an einer anderen Stelle der Interviews mit weiteren Aspekten von Digitalisierung und Digitalität verknüpft werden, oder dass zwar auch ein mediales Ver‐ ständnis fokussiert wird, zusätzlich aber auch Aussagen zur Zukunft getroffen werden, die lehr-/ lernkulturelle Veränderungen betreffen. Die Dekontextualisierung der Interviews in einzelne Codierungen muss hier also auch kritisch reflektiert und im Sinne des qualitativen Ansatzes immer auch mit einer Rekontextualisierung verbunden werden (vgl. auch die Diskussion zum hermeneutischen Ansatz der QIA). Nichtsdestotrotz ergibt sich zumindest ein Hinweis darauf, dass die befragten Personen in diesem Interviewabschnitt auffällig häufig eine technisch-mediale Perspektive auf Digitalisierung einnehmen. Ob sich dahinter eine Systematik verbirgt, wird auch in der Typenbildung entschlüsselt. Die starke Präsenz der Subkategorie zu medialen Veränderungen sollte darüber hinaus nicht dafür sorgen, die wesentlich offeneren Subkategorien zu ignorieren. Gerade die Kategorien „Freiheit bei der Unterrichtsgestaltung“ und „Mehr Kooperation im Kollegium“ bieten stark kontrastierende Schwerpunkte, die nach der Erläuterung der medialen Per‐ spektive überraschen können. Zwar werden auch in diesen Kategorien z. T. mediale Bezüge hergestellt, die aber im Beispiel von Subkategorie 10.7 mögliche Kollaboration und nicht das Medium selbst in den Mittelpunkt stellen: […] und man sich auch mehr austauschen kann, auch neue Ideen bekommt, äh wenn es da weitere digitale Plattform gäbe auch zu Unterrichtsvorbereitung. (K2_i10_F2, Pos. 17) Der Kern der Veränderung trifft hier also nicht, dass es digitale Plattformen gibt, sondern welchen Möglichkeitsraum die Plattform eröffnet (der Austausch und das Generieren von Ideen). Zwar ist bemerkenswert, dass Aussagen wesentlich häufiger einer bloßen Nennung medialer Veränderungen entsprechen, trotzdem warnt ein Blick in die anderen Subkategorien vor einer voreiligen Generalisierung. Ordnet man OK10 mit Bezug zu Parallelen und ggf. Kontrasten zu den bisher vorge‐ stellten Oberkategorien ein, ergibt sich dennoch, dass man hier den deutlichsten Hinweis auf den generellen technisch-medialen Fokus der befragten Personen erheben kann, der bereits in den vorherigen Kategorien bemerkbar wurde. Anders als beispielsweise in OK8, wird der Frageimpuls an dieser Stelle aber weitestgehend nicht auf reinen Onlineunterricht bezogen. Stattdessen steht ein Präsenzunterricht im Vordergrund, in dem Elemente der Digitalisierung und Digitalität integriert werden. Eine mögliche Erklärung dafür lässt 174 8 Qualitative Inhaltsanalyse <?page no="175"?> sich in einer generellen Ablehnung gegenüber Distanzunterricht nennen, die in anderen Bereichen der Interviews auch explizit gemacht wird: Hm (bejahend) ähm (…) also zum einen, das ist so eine mit Blick auf die Corona-Pandemie nicht mehr selbstverständlich, aber im Klassenraum, also alle zusammen, das wäre mir schon wichtig. (K2_i16_F1, Pos. 20; siehe auch z.-B. K2_i1_F1, Pos. 20; K1_i12_F1, Pos. 24) In dem Fall wäre die Interpretation der Impulse als Distanzunterricht, also mit den Bedingungen der pandemiebedingten Einschränkungen verbunden, die in der Betrachtung der spekulativen Zukunft nicht mehr vorhanden sind. Dementsprechend wird von der Norm des Präsenzunterrichts ausgegangen. Diese Erklärung trägt allerdings nur teilweise, da z. T. auch widersprüchliche Aussagen getroffen werden. Für die weitere Betrachtung kann nichtsdestotrotz eine doppelte Inkonsistenz bei der Interpretation von Impulsen zu Digitalisierung und Digitalität festgehalten werden: Gleiche Begriffe werden innerhalb und zwischen Interviews unterschiedlich interpretiert. Allerdings ist diese Inkonsistenz nicht für alle Interviewteile gleich, da Abschnitte wie in OK10 weitestgehend konsistent interpretiert und ausgefüllt werden. Zusätzlich zu den bis hierhin angesprochenen Punkten zeigen sich mit der Betrachtung einer spekulativen Zukunft einige für die Interviews gänzlich neuen Themen, die sich vor allem in den Subkategorien „Freiheit bei der Unterrichtsgestaltung“ und „Veränderung der Lehramtsbildung“ zeigen. Zwar sind diese Kategorien in ihrer Häufigkeit weniger stark vertreten, es zeigen sich aber zum ersten Mal auch Aspekte, die auf die diskutierten Perspektivlinien des (Englisch-)Unterrichts unter Bedingungen der Digitalität eingehen und damit einen starken Kontrast zur rein medialen Signalumwandlung bilden: Ja, dass sich quasi die äh ja Rolle der Lehrperson quasi auch in der Hinsicht ändert, dass äh ja, wie ich gerade schon gesagt habe, glaube wahrscheinlich so alle Sachen, die wahrscheinlich von einer Maschine übernommen werden können, wahrscheinlich von der Schuleäh von der Maschine übernommen werden. Also sowas wie automatisiertes Feedback […]. (K2_i15_F1, Pos. 20). Die befragte Person öffnet ihre Antwort mit der Rolle der Lehrperson, die den Fokus ihrer Ausführungen bildet. Diese verändert sich durch Aspekte der Digitalität (Automatisierung, vgl. Kapitel 3.3), die allerdings nicht auf ein spezifisches Medium zurückzuführen sind. Im weiteren Verlauf der Antwort wird darüber hinaus mit „Kreativität“ und „soziale[n] Kom‐ petenzen“ ausgeführt, inwiefern sich die Rolle ändert. Nicht in ihren medialen Endgeräten, sondern in den Aufgaben für und Anforderungen an die Lehrkraft. Wie sich in der ENA zeigen wird, ist der Bezug auf den Bereich der Automatisierung ein Einzelfall. Dennoch zeigt die Betrachtung der Auszüge des Materials, dass in der Dekontextualisierung der quanti‐ tativ-kategorialen Darstellung nur Tendenzen, nicht aber die spezifischen Vorstellungen einzelner Personen dargestellt werden. Ein letzter, allgemeinerer Aspekt, der besonders innerhalb der Subkategorien 10.1 („Ver‐ änderung der genutzten Medien“) und 10.5 („Lehrformate in Distanz oder Hybrid“) (aber auch in OK11) zu erkennen ist, ist eine artifizielle Differenzierung zwischen digital und analog, die von den Studierenden eröffnet wird. Diese Differenzierung lässt sich zwar nicht in einer spezifischen Kategorie festhalten, zeigt sich aber wiederholt in Einzelausführungen wie der folgenden: 8.3 Beschreibung und Diskussion der Ergebnisse der inhaltlich strukturierenden QIA 175 <?page no="176"?> […] [Ä]hm, Ich würde trotzdem meine Lehre ähm nicht nur digital ausrichten. Also es wird immer noch Bücher geben und immer noch wird mit der Hand geschrieben, muss nicht unbedingt immer, aber ähm ich finde gerade jüngeren Klassen, ähm da muss nicht immer alles digital äh stattfinden […]. (K2_i5_F1, Pos. 36) In der Aussage wird eine Trennung zwischen digital und nicht digital (hier vertreten durch das Buch, also ein vermeintlich analoges Medium) eröffnet. Neben den bewahrungs‐ pädagogischen Tendenzen („jüngere Klassen“ vor zu viel digitalen Medien schützen), die bereits zu Beginn dieser Arbeit in Kapitel 2.1 dargestellt wurden, gibt das Zitat auch einen generellen Hinweis zur Betrachtungsweise von Digitalisierung und Digitalität der befragten Person. Unabhängig davon, dass der Grad von Digitalisierung und Digitalität in diesem Fall an dem Einsatz von digitalen Medien festgemacht wird, zeigt eine Trennung von digital und nicht digital ein Verständnis, dass nicht mit der Kultur der Digitalität kompatibel ist. Wie in den Ausführungen zur Kultur der Digitalität verdeutlicht, kann Unterricht mit digitalen oder analogen Medien, nicht aber an sich ohne Einflüsse der Digitalität betrachtet werden. Wie sich mit Bezug auf Heimann (vgl. Reich, 1981, S. 61-64) ausdrücken lässt: Die Errungenschaft der Digitalität für den Unterrichtsprozess ist, dass die Frage des digitalen Mediums von einer Handlungsentscheidung zu einer Rahmenbedingung wird. Wenn Digitalität aber Rahmenbedingung unterrichtlichen Handels ist, kann diese nicht wie eine Methode oder ein Medium ausgeschlossen werden. Aus dem Gesagten ergibt sich insgesamt, dass die Betrachtung der Zukunftsszenarien in OK10 und OK11 besonders aufschlussreich für die Bestimmung von Vorstellungen von Digitalisierung und Digitalität der befragten Personen zu sein scheint. Bei der Betrachtung einzelner Passagen wird darüber hinaus deutlich, wie kontrastiv die einzelnen Vorstellungen sein können. Daraus ist für die Typenbildung und Einzelfallinterpretation festzuhalten, dass gerade auch diesen Bereichen der Interviews besonders Rechnung getragen werden sollte. Zuvor wird aber abschließend die letzte Oberkategorie (OK11) zusammengefasst. Wie auch in allen anderen Bereichen der Interviews, in denen zwischen allgemeinen und fachspezifischen Aussagen unterschieden wird, zeigt sich auch in OK11, der Ide‐ alvorstellung des Fremdsprachenunterrichts der Zukunft, dass weniger fachspezifische Codierungen vorgenommen werden konnten und sich diese Codierungen auf weniger Subkategorien aufteilen. Mit insgesamt 69 codierten Segmenten, die sich auf nur vier Subkategorien aufteilen, zeichnet sich ein ähnliches Verhältnis von fachspezifisch zu überfachlich ab, wie beispielsweise auch bei OK5 und OK6. Dennoch ist dieses Ergebnis überraschend, da der Impuls, aus dem sich OK11 hauptsächlich speist, als maximal offen konzipiert wurde: „Stellen Sie sich vor, Sie haben irgendwann in der Zukunft unendlich viel Ressourcen (zeitlich & monetär) und können Ihre Fremdsprachenlehre genau so gestalten, wie Sie wollen: Wie würde das aussehen? “ (siehe Anhang). In dem Impuls wurde weder der Zeitrahmen (irgendwann in der Zukunft) vorgegeben, noch wurde spezifiziert, dass die Antwort sich auf Digitalisierung oder Aspekte der Digitalität beziehen muss. Auch wurde der Rahmen der Lehre nicht als Unterricht vorgegeben, sodass theoretisch auch Kontexte außerhalb des schulischen Regelunterrichts denkbar gewesen wären. Ziel des Impulses war es, den potenziellen Möglichkeitsraum der Antworten maximal zu öffnen, um festzuhalten, wie weit die befragten Personen diesen ausfüllen. Betrachtet man die lediglich vier Subkategorien (Authentizität, Fokus auf Medien, „klassischer“ Unterricht und 176 8 Qualitative Inhaltsanalyse <?page no="177"?> (virtueller) Austausch) scheint dieser Raum nur teilweise genutzt worden zu sein. Während Gründe dafür in dem Zwischenfazit (Kapitel 8.4) aber auch den Limitationen (Kapitel 8.8) diskutiert werden, werden an dieser Stelle zunächst die einzelnen Subkategorien näher beleuchtet. Sowohl der Fokus auf Authentizität und Lebensweltbezug als auch auf die eingesetzten Medien deckt sich mit den Feststellungen der anderen Bereiche der Interviews. Auffällig ist hier, dass die gegebenen Antworten den eröffneten Möglichkeitsraum, der im Impuls ohne die üblichen systemischen und ressourcentechnischen Einschränkungen angelegt war, zum Teil explizit zu konterkarieren scheinen: Sie meinten ja uneingeschränkte Ressourcen, ne? (Genau, (lacht) uneingeschränkte Ressourcen) Genau. Das wäre auf jeden Fall (.) schön. Ich hätte natürlich auch immer ganz viel Material dabei, ganz tolle Fineliner und Stifte. (K1_i12_F1, Pos. 32) Nicht nur beschränkt sich die beispielhafte betreffende Antwort zu der Idealvorstellung zukünftigen Unterrichts auf sehr spezifische Medien („Fineliner und Stifte“), die benannten Medien scheinen auch unabhängig von einem Gedankenexperiment nicht unter die übli‐ chen ressourcenbezogenen Einschränkungen zu fallen. Zwar werden im weiteren Verlauf der Antwort auch Medien benannt, deren unzureichende Verfügbarkeit (im Gegensatz zu Finelinern) auch empirisch zu attestieren ist („Computer und iPads“), insgesamt bleibt die Antwort bei der an diesem Punkt bereits bekannten technisch-medialen Ebene. Für das erste Forschungsinteresse bezüglich digitalitätsbezogener Vorstellungen reiht sich OK11 in die Liste der Kategorien ein, in denen die Subkategorien intern konsistent sind (bspw. Fokus auf mediale Veränderung) sich zwischen anderen Subkategorien derselben thematischen Oberkategorie aber unterscheiden. In Fall von OK11 bildet die Kategorie zu (virtuellen) Austauschen (Subkategorie 10.4) den Kontrast zu den medial gehaltenen Antworten. Mit 23 Codierungen ist die Subkategorie 10.4 die präsenteste Subkategorie von OK11. Dieses Ergebnis ist vor dem Hintergrund der bis zu diesem Punkt starken Dominanz von technisch-medial definierten Subkategorien überraschend. Allerdings verbergen sich hinter der Subkategorie verschiedene Ausprägungen, die die Codedefinition vereint. Alle Codierungen, in denen die befragte Person (virtuellen) Austausch in den Fokus für idealen Fremdsprachenunterricht rückt. Der Austausch kann dabei im Sinne des video conferencing o. Ä stehen, aber auch im Rahmen einer Klassenfahrt/ eines Ausfluges in ein Land mit der Zielsprache als Amtssprache beschrieben werden. (Siehe Anhang) In der Subkategorie befinden sich also auch Aussagen, in denen die ressourcentechnischen Freiheiten des Impulses als Anlass für (Urlaubs-)Reisen genommen werden (siehe z. B. K1_i2_F1, Pos. 26). Trotzdem ist die Präsenz von codierten Elementen, die sich explizit auf didaktisch-aufbereitete Bearbeitung von Elementen der Digitalität (z. B. in Form von VEs) beziehen, auffällig. Dabei ließe sich argumentieren, dass die als Entgrenzung gefasste Perspektivlinie am ehesten mit bereits etablierten Verfahren in Schulen und insbesondere im Fremdsprachenunterricht verbunden ist. Inwieweit sich hinter der Subkategorie also mehr als der Bezug auf bereits etablierte Verfahren in Form von Schüleraustauschen oder 8.3 Beschreibung und Diskussion der Ergebnisse der inhaltlich strukturierenden QIA 177 <?page no="178"?> einer moderneren Version von Brieffreundschaften steht, muss somit in den jeweiligen Einzelfallbeschreibungen eruiert werden. Insgesamt lässt sich für OK11 und auch OK10 festhalten, dass der Rahmen der gegebenen Antworten von einem engen technisch-medialen Fokus bis zu Aspekten der Digitalität zu ziehen ist, die bereits in Kapitel 3 unter den Perspektivlinien betrachtet wurden. Gleichwohl lässt sich insgesamt ein Trend festhalten, nachdem die Antworten, die technisch-mediale Veränderungen der Digitalisierung in den Vordergrund stellen, eine insgesamt wesentlich stärkere Präsenz haben. Auch bleibt die Tendenz konstant, dass mehr auf überfachliche als auf fachspezifische Aspekte eingegangen wird und auch, dass die Impulse zu Digitali‐ sierung und Digitalität heterogen interpretiert werden. Der Vergleich von Einzelaussagen und ihrem Verhältnis zur Gesamtverteilung der Interviews beleuchtet einige mögliche Gründe für diese Tendenzen, wie auch bei den anderen Oberkategorien bedarf es für das Herausstellen einer Systematik allerdings auch für OK11 noch der komplexeren Analysen. 8.3.5 Besonders dichte Passagen (BdP): Ergänzung zu dem Codiersystem Vor dem Zwischenfazit und dem Übergang zur typenbildenden QIA bleibt es noch einen letzten Aspekt der ISQIA hervorzuheben. Anders als die bisherige Differenzierung nach deduktiven Oberkategorien und induktiven Subkategorien bezieht sich der Aspekt nicht direkt auf die Vorgehensweise nach Kuckartz. Stattdessen wurde die Markierung (nicht Codierung! ) von BdP explizit vor dem Hintergrund von Überlegungen zum Gesamtstudi‐ endesign durchgeführt. BdP unterscheiden sich von den Codierungen dahingehend, dass für die Markierung keine spezifische Codedefinition vorgenommen wurde und einzelne Markierungen auch mehrere Themenfelder beinhalten können. Dementsprechend sind die Markierungen nicht Teil der berechneten ICR. Stattdessen wurde die Markierung nur davon abhängig gemacht, ob sich von der betreffenden Aussage besondere Erkenntnisse für die vertiefende Einzelfallinterpretation erwartet wurde. Entweder, weil in der Aussage in besonderer Deutlichkeit Thematiken hervorgebracht wurden, oder weil in der Aussage einer Vielzahl von Problematiken miteinander verbunden wurden. Dieser Ansatz würde bei Kuckartz vor allem in Teil 1 der Spirale zum Ablauf der ISQIA fallen „Initiierende Textarbeit, Markieren wichtiger Stellen“. Da die BdP allerdings auch für die weiteren Analysemethoden genutzt werden sollten, wurden in der vorliegenden Arbeit BdP durch alle Ablaufschritte der ISQIA markiert. Der gewählte Begriff „dichte Passage“ ist angelehnt an das Konzept der „Dichten Beschreibung“ (Geertz, 1983) das beispielsweise in der Ethnologie genutzt wird, um Beschreibungen zu charakterisieren, in denen gesellschaftlich-kulturell geprägte, subjektive Sinnstrukturen behandelt werden. In dieser Arbeit steht BdP vor allem für eine Markierung von Stellen, die ggf. besonderer weiterer Interpretation bedürfen und deren Analyse sich nicht auf die ISQIA beschränken soll. Die entsprechenden Passagen werden in der vertiefenden Einzelfallinterpretation ge‐ sondert ausgewiesen und ihr Bezug zum Forschungsinteresse deutlich gemacht. An dieser Stelle sind die BdP vor allem eine Erinnerung daran, dass die verschiedenen Methoden nicht streng getrennt voneinander betrachtet werden sollten und stattdessen zum Teil aufeinander aufbauen oder auch Rückbezüge zueinander ermöglichen. 178 8 Qualitative Inhaltsanalyse <?page no="179"?> 8.4 Zwischenfazit IV (ISQIA): Zwischen Hype und Überforderung Zwar sind an dieser Stelle nicht alle Oberkategorien vorgestellt worden, aufgrund der anfangs angesprochenen besseren Übersichtlichkeit lassen sich die verbleibenden Oberka‐ tegorien (mit Ausnahme von OK1 und OK9, die in der ENA eine besondere Rolle spielen) allerdings auf den Anhang auslagern, da sie für das Forschungsinteresse als weniger zentral zu erachten sind. Anstatt also weitere Ober- und Subkategorien aufzulisten, lässt sich nun zusammenfassen, welche ersten Erkenntnisse die ISQIA für die Forschungsfragen enthält, inwiefern die Forschungsfragen weiter spezifiziert bzw. ergänzt werden konnten und nicht zuletzt, welche offenen Fragen sich am Ende der Betrachtung dieses ersten Analyseschritts stellen. Mit Blick auf das erste Forschungsinteresse zu den digitalitätsbezogenen Vorstellungen der Studierenden lassen sich in der Betrachtung der ISQIA einige Auffälligkeiten festhalten, die in den weiteren Analyseschritten genauer zu untersuchen sein werden. Insgesamt können als erstes Ergebnis und für die weitere Betrachtung vier Dinge benannt werden: 1. Es zeigt sich eine inkonsistente Interpretation der Impulse digital, digital-gestützt, Di‐ gitalisierung und Digitalität. Insbesondere wird dabei zwischen der Interpretation als ERT, Onlineunterricht und Präsenzunterricht (mit digitalen Medien) unterschieden. Diese Interpretationen unterscheiden sich zwischen den einzelnen Interviews, auffäl‐ liger Weise aber auch häufig innerhalb ein und desselben Interviews (siehe Anhang). 2. Es fällt die starke Fokussierung auf technisch-mediale Fragen auf. Diese ist am deut‐ lichsten am Anfang der Interviews (eigene Erfahrungen und eigene Planungsschritte), bleibt bei einigen Interviews aber über alle Bereiche des Leitfadens hinweg bestehen. 3. In einigen Interviews wird eine explizite Differenz zwischen digital und analog gebildet. Die Differenz kann sich auf Medien beziehen (digitale Medien und analoge Medien), aber auch genereller auf den Unterricht. Auffällig dabei ist, dass analog mit klassisch oder normal verbunden wird, digital hingegen mit Assoziationen von neu oder modern verknüpft wird (zur Problematisierung siehe z.-B. Braun et al., 2021) 4. Gerade bei den Ausführungen zu Potenzialen und Herausforderungen digitalen bzw. digital-gestützten Unterrichts wird deutlich, dass sehr viel häufiger und sehr viel mehr fachunabhängige Nennungen erfolgen. Diese Feststellung ist insbesondere vor dem Hintergrund prägnant, dass fast alle Studierenden die Beziehung zwischen Fremdsprachenunterricht und Digitalisierung und Digitalität als wichtig und positiv beschreiben (siehe Anhang). Damit stellt sich unweigerlich die Frage, ob hier fehlendes Wissen Auslöser sein könnte oder z. B. generelle Narrative des Mythos des digitalen Potenzials (ebd.) wiedergegeben werden (siehe auch die Diskussion in Kapitel-8.7) Die vier so benannten Bereiche sind z. T. aus unterschiedlichen Gründen auffällig. Während der Fokus auf technisch-mediale Fragen sowohl durch Häufigkeit der Aussagen als auch Intensität der jeweiligen Einzelaussagen deutlich wird, fällt Punkt vier vor allem durch den starken Kontrast zwischen Zuschreibung (wichtig, positiv) und Ausformulierung der Berührungspunkte (wenig, selten) auf. Punkt eins und drei sind hingegen vor allem deshalb auffällig, weil sie sich direkt an die Diskussionen zu Digitalisierung und Digitalität anknüpfen lassen und Punkt drei mit einer Perspektive der Kultur der Digitalität gänzlich 8.4 Zwischenfazit IV (ISQIA): Zwischen Hype und Überforderung 179 <?page no="180"?> 82 Mit Ausnahme von Punkt eins. Hier zeigt sich, dass die Interpretation der Impulse nicht nur zwischen, sondern auch innerhalb der einzelnen Interviews inkonsistent ist. inkompatibel ist. Es konnte bei den vier Punkten außerdem gezeigt werden, dass die betref‐ fenden Tendenzen über verschiedene Abschnitte des Interviews weitestgehend konsistent bleiben, es aber zwischen Interviews z. T. deutlich kontrastive Momente gibt. 82 Wenn für die weitere Betrachtung Vorstellungen von Digitalisierung und Digitalität festgehalten werden, die einen eher technisch-medialen Fokus legen, die eher überfachlich statt fachspezifisch ausdifferenziert sind und die eine Gegenüberstellung von digital und analog eröffnen, heißt das also nicht, dass alle Interviews in gleichem Maße dahingehend tendieren. Insofern ist es auch eine Aufgabe für die Typenbildung, die verschiedenen Kontraste innerhalb der Tendenzen genauer herauszuarbeiten und mögliche Systematiken festzustellen und festzuhalten. Insgesamt zeigt sich, dass die in dem Leitfaden angelegte progressive Öffnung der Impulse nur teilweise von den befragten Studierenden ausgefüllt wurde. Während das Fineliner-Zitat hierfür ein plakatives Einzelbeispiel ist, zeigt die insgesamt gleichbleibend starke Präsenz technisch-medialer Antworten die Tendenz zu einer engen Perspektive auf Digitalisierung und Digitalität. Hier könnte die vertiefende Einzelfallanalyse ergänzende Erkenntnisse für die Gründe des teilweise überraschend konstanten technisch-medialen Fokus ermöglichen. Nicht zuletzt deswegen zeigt die ISQIA, dass für das erste Forschungsin‐ teresse der letzte Interviewteil zu Beschreibungen der Zukunft besonders gewinnbringend für die weitere Analyse sein könnte. Zugleich können alle anderen Teile auch mit Blick auf das zweite Forschungsinteresse zur Beziehung der Pandemieerfahrungen und der Bewertung digitaler Technologien nicht ignoriert werden. Versucht man an diesem Punkt ein komprimiertes Zwischenfazit zu den inhaltlichen Punkten der ISQIA zu ziehen, muss festgehalten werden, dass insgesamt eine Tendenz zu einer sehr positiven Bewertung von Aspekten der Digitalisierung festzustellen ist, diese Aspekte sich aber vor allem auf technisch-mediale Veränderungen beziehen. Studierende haben Probleme, die insgesamt positive Wahrnehmung (gerade im fachspezifischen Be‐ reich) zu konkretisieren. Darüber hinaus wird eine kontextabhängige Veränderung dieser positiven Wahrnehmung deutlich, wenn spezifisch von Distanzbzw. Onlineunterricht ausgegangen wird. Neben diesen ersten Erkenntnissen lassen sich außerdem zwei Spezifi‐ zierungen der Forschungsfragen festhalten, die sich aus der ISQIA ergeben haben. Die erste Spezifizierung der Forschungsinteressen wurde bereits erwähnt und bezieht sich auf die festgestellten Unterschiede in Abhängigkeit von dem Zeitpunkt der Befragung. Damit wird Forschungsinteresse RQ 2 durch RQ 2.1 ergänzt, welches sich spezifisch auf die Unterschiede zwischen Digital- und Hybridsemester bezieht: RQ 2.1: Gibt es signifikante Unterschiede in den Kohorten K1 und K2 bezüglich der Beziehung pandemiebedingter Erfahrungen und der Bewertung von digitalen Technologien? Das Herausarbeiten und Visualisieren von Unterschieden zwischen Gruppen von befragten Personen ist eine besondere Stärke der ENA. Dementsprechend lässt sich RQ 2.1 gut im Anschluss an RQ 2.0 in Kapitel 9.3.3 bearbeiten. Zusätzlich zu dieser bereits erwähnten Spezifizierung ergibt sich durch die festgestellte Konsistenz einiger beschriebenen Ten‐ 180 8 Qualitative Inhaltsanalyse <?page no="181"?> denzen innerhalb der Interviews bei gleichzeitigem Kontrast zwischen den Interviews eine Ergänzung für RQ 1, die direkt in die Typenbildung überleitet. So lässt sich zusätzlich zu der Frage nach den allgemeinen digitalitätsbezogenen Vorstellungen der Studierenden ergänzend fragen: RQ 1.1: Lassen sich den befragten Personen spezifische Typen, das heißt intern homogene und extern heterogene Ausprägungen, von digitalitätsbezogenen Vorstellungen zuschreiben? Die ISQIA hat gezeigt, dass die allgemeine Beschreibung der digitalitätsbezogenen Vorstel‐ lungen angehender Lehrkräfte die Gefahr birgt, generalisierende Aussagen zu treffen, die sich bei der spezifischen Kontextualisierung in Einzelfällen nicht bestätigen müssen. Dementsprechend wird im weiteren Verlauf unterschieden zwischen generellen Tendenzen zu den digitalitätsbezogenen Vorstellungen (RQ 1) und den zu unterteilenden spezifischen Ausprägungen. RQ 1.1 fragt durch den Fokus auf Typenbildung, ob diese spezifischen Ausprägungen dabei einer Systematik folgen, die durch die ISQIA allein nicht feststellbar ist. Betrachtet man am Ende der Ausführungen für die ISQIA erneut die vorgestellte Ablaufspirale Kuckartz fällt auf, dass Schritte 1-6 ausführlich bearbeitet wurden, Schritt 7 „Einfache und komplexe Analysen, Visualisierungen“ aber nur teilweise behandelt wurde. Zwar wurden einige Visualisierungen und einfache Analyseschritte angeschnitten, kom‐ plexere Analysen wie Zusammenhangsanalysen zwischen Oberkategorien (Kuckartz, 2018, S. 119) stehen aber (noch) aus. In der vorliegenden Arbeit werden die komplexen Analysen bewusst auf aufbauende Methoden ausgelagert. Damit ist aber in den entsprechenden Methoden der Typenbildung und ENA zu zeigen, wieso durch dieses Auslagern und dem damit verbundenen Mehraufwand zusätzlicher Erkenntnisgewinn zu erwarten ist. Berücksichtigt man das Auslagern einiger komplexerer Analyseschritte in die anderen Methoden, sind an diesem Punkt alle relevanten Schritte der ISQIA bearbeitet. Der Rest von Kapitel 8 widmet sich dementsprechend der Typenbildung, bevor Kapitel 9 in die ENA einsteigt und schließlich in Kapitel 10 eine Diskussion der Gesamtergebnisse mit Rückbezug zu den Forschungsfragen, wie auch den Diskussionen um Digitalisierung und Digitalität, Lehrkräftebildung und Fremdsprachendidaktik anschließt. 8.5 Typenbildung Wie auch die Inhaltsanalyse hat das Bilden von Typen eine lange Tradition, die innerhalb der Sozialwissenschaft bereits auf wissenschaftliche Arbeiten aus mehr als einhundert Jahren zurückblicken kann (Kuckartz, 2020, S. 796). Insgesamt ist das Bilden von Typen in seinen unterschiedlichen methodischen Ausführungen unabhängig von der spezifischen wissenschaftlichen Disziplin als zentrales Anliegen qualitativer Forschung zu verstehen (Kelle & Kluge, 2010, S. 10; Kuckartz, 2018, S. 143). Die Typenbildung schlägt die Brücke von Einzelfall zur Verallgemeinerung und besitzt den Anspruch, nicht nur singuläre, sondern fallübergreifende Aussagen zu liefern (Schart, 2016, S. 270). Ziel der Typenbildung ist es also, Strukturen innerhalb des Materials herauszuarbeiten (ebd., S. 269), also die bereits mehrfach in der ISQIA angesprochene Systematik der Antworten. Dieses Grundziel bleibt 8.5 Typenbildung 181 <?page no="182"?> trotz der bestehenden Unterschiede zwischen den einzelnen typenbildenden Methoden in allen Verfahren erhalten (ebd., S.-270). Gerade für eine qualitative Betrachtung der Typenbildung lässt sich festhalten, dass die Genese des „Typusbegriffs“ stark von Max Webers Begriff des „Idealtyps“ (1904/ 1988) geprägt wurde (Kelle & Kluge, 2010, S. 83). Demnach ist ein (Ideal-)Typ ein Phänomen zwischen Empirie und Theorie, welches die real bestehenden Merkmale der zu beschrei‐ benden Fälle übersteigert, um zu einem „Modell sozialer Wirklichkeit“ zu kommen (ebd.). Zwar nutzt die vorliegende Arbeit ein allgemeineres Verständnis des Begriffs Typ, Webers Grundlage kann aber hilfreiche Hinweise für das Verständnis von Typen geben. Weitere Einflüsse auf den Typenbegriff (in der Sozialforschung) lassen sich aus den Arbeiten von Schütz (1974) und der „Marientalstudie“ ( Jahoda et al., 1933/ 1982) erkennen (vgl. auch Kelle & Kluge, 2010; Kluge, 1999; Kuckartz, 2018). Das spezifische Verständnis von Typenbildung der vorliegenden Arbeit bezieht sich allerdings auf die Ausführungen von Kuckartz selbst, der diese wie folgt definiert: Aufgrund von Ähnlichkeiten in ausgewählten Merkmalsausprägungen werden Elemente zu Typen (Gruppen, Clustern) zusammengefasst. Ein Typ zeichnet sich dabei durch die gleiche Kombination von Merkmalsausprägungen aus. Die Elemente desselben Typs sollen einander möglichst ähnlich sein, die verschiedenen Typen hingegen sollen möglichst unähnlich und heterogen sein. (2018, S.-146) Wenn im weiteren Verlauf also von Typen bzw. typischen Ausprägungen gesprochen wird, meint das eine Gruppierung von Personen basierend auf vorher bestimmten Ausprä‐ gungen von Eigenschaften. Würde man dieses Verständnis auf die zuvor bearbeitete ISQIA beziehen, könnte sich so z. B. herausstellen, dass es einen Typ (eine Gruppierung) von Stu‐ dierenden gibt, der/ die Digitalisierung als medialen Wandel betrachtet und sich damit von anderen Typen hinsichtlich dieser Ausprägung unterscheidet. Für den Forschungsprozess der Arbeit heißt das, dass in diesem Arbeitsschritt nicht nur Inhalt und allgemeine Tendenz der digitalitätsbezogenen Vorstellungen der befragten Personen, sondern deren Systematik im Verhältnis zueinander hervorgehoben werden soll. Damit wird sich ein genaueres Verständnis der digitalitätsbezogenen Vorstellungen erhofft. Darüber hinaus sollen die einzelnen Typen aber auch bezüglich der möglichen Beziehung des Typs mit der Bewertung digitaler Technologien untersucht werden. Die Frage ist also nicht nur ‚Gibt es typische Ausprägungen? ‘, sondern auch, ‚Welche Relevanz könnten verschiedene Ausprägungen für die allgemeinere Frage nach Digitalisierung und Digitalität in der Lehrkräftebildung haben? ‘ Während die erste Frage direkt in Kapitel 8 beantwortet werden kann, bezeichnet der zweite Punkt eine allgemeinere Frage, die sich im Anschluss an die Gesamtstudie ergibt. Damit wird diese Diskussion erst in Kapitel-10 geführt. Zur Herausarbeitung der Typik orientiert sich die Arbeit an den allgemeinen Schritten der Typenbildung in der QIA nach Kuckartz. Gründe dafür und deren Ablauf werden im nächsten Kapitel erläutert. Anschließend folgen in Kapitel 8.5.2 und 8.5.3 die jeweils einzelnen Schritte der Typenbildung. Nach den Einzelfallbeschreibungen in 8.6 schließt Kapitel 8.7 den qualitativ inhaltsanalytischen Teil der Arbeit mit einem weiteren Zwischen‐ fazit zu den typischen digitalitätsbezogenen Vorstellungen angehender Englischlehrkräfte ab. 182 8 Qualitative Inhaltsanalyse <?page no="183"?> 8.5.1 Die typenbildende QIA als Anschluss an die ISQIA Es ist nicht unüblich, der typenbildenden QIA zunächst eine ISQIA voranzustellen (Ku‐ ckartz, 2018, S. 143). Dafür lassen sich gleich mehrere Gründe anführen. Zum einen ist die typenbildende QIA methodisch deutlich komplexer als die anderen beiden Varianten der QIA nach Kuckartz (ebd.), weswegen es hilfreich sein kann, bereits auf eine Vorstrukturie‐ rung (und Codierung) zurückgreifen zu können. Wie in der vorliegenden Arbeit kann sich der Mehrwert einer Typenbildung aber auch erst aus der Vorarbeit herausstellen. So wurde in RQ 1 vor der ISQIA nicht der festen These gefolgt, es gäbe verschiedene typische Aus‐ prägungen der digitalitätsbezogenen Vorstellungen. Erst in der Betrachtung des Materials wurde durch das Feststellen der Konsistenz von Aussagen innerhalb von Interviews und den Kontrasten zwischen Interviews deutlich, dass der Bereich von einer systematischeren Untersuchung profitieren könnte. Genau diese regelgeleitete, systematische Betrachtung bietet die typenbildende QIA. (Kuckartz, 2020, S. 801). Die methodische Strenge ist vor dem Hintergrund des oft alltagsmäßigen „Common-Sense-Verfahren[s]“ (ebd., S.-798), das mit der Typenbildung assoziiert wird, besonders ausschlaggebend. So besteht auch für diesen Forschungsschritt der Anspruch, Gütekriterien qualitativer Forschung und der QIA generell einzuhalten, die bereits in den vorigen Kapiteln ausgewiesen wurden. Im Kern basiert die Typenbildung in der QIA auf der systematischen Fallkontrastierung (Kuckartz, 2018, S. 146) und fokussiert die Ordnung der Fälle (in diesem Fall der einzelnen Interviews) zueinander. Dabei können die einzelnen Typen - je nach Erkenntnisinteresse und Studiendesign - auf verschiedene Art und Weise gebildet werden. Da sich das Interesse an einer Typenbildung erst aus dem Material heraus, also induktiv ergeben hat, verfolgt die vorliegende Arbeit das Ziel, natürliche, „polythethische“ (Kuckartz, 2020, S. 803) Typen zu bilden. Es werden also Typen gebildet, die innerhalb des Typs möglichst homogen und anderen Typen gegenüber möglichst heterogen sind. Die Bestimmung erfolgt dabei aus dem Material heraus und nicht durch bereits zuvor herangetragene Kategorien (wie bei‐ spielsweise Geschlecht, sozioökonomischer Status o. Ä.). Daraus ergibt sich auch, dass die einzelnen Fälle innerhalb der Typen keine perfekte Deckungsgleichheit haben, zueinander nur besonders ähnlich sind (Kuckartz, 2018, S. 150-151). Vorteil des induktiven Vorgehens ist es, dass dabei der Kritik entgangen wird, bei der Typenbildung würden keinerlei neue Typen entdeckt, sondern nur Vorannahmen reproduziert (Schart, 2016, S. 273). Diese Kritik richtet sich vornehmlich gegen (rein) deduktive Verfahren der Typenbildung und erinnert damit an die Kritik, die auch rein deduktiven Codierverfahren entgegengebracht wird. Wie bei der ISQIA, gibt Kuckartz einige grundlegende Schritte der typenbildenden QIA an. Zwar unterscheiden sich Typenbildungen auch innerhalb der QIA in den Spezifika der Ausarbeitung der einzelnen Schritte, eine Basis sollte aber, so Kuckartz, in jeder entsprechenden Forschungsarbeit vorhanden sein (2020, S. 800-801). Kuckartz gibt hier vier Phasen der Typenbildung an (ebd., S. 801), die auch die vorliegende Arbeit (mit leichten Modifikationen) befolgt: 1. Definition des Merkmalsraums 2. Konstruktion der Typologie, Gruppierung der einzelnen Fälle 3. Beschreibung der einzelnen Typen 4. Zuordnung der einzelnen Fälle zu Typen 8.5 Typenbildung 183 <?page no="184"?> Die Phasen geben gleichzeitig auch die Struktur der restlichen Kapitel zur QIA vor. Kapitel 8.5.2 betrachtet die Genese und Erläuterung des Merkmalsraums, 8.5.3 diskutiert die Bestimmung und Beschreibung der Typik und schließlich die Zuordnung aller 32 Studierendeninterviews. Die von Kuckartz gegebene Strukturierung ist allerdings für die vorliegende Arbeit (nur) als Orientierung zu verstehen und nicht als strikte Schablone. Entsprechend weicht die Analyse in einzelnen Bereichen von dem beschriebenen Vorgehen Kuckartz ab, wenn dies mit Blick auf Forschungsinteresse und -design begründbar ist. So beschreibt Kuckartz zwar den Anschluss quantitativer Verfahren an die QIA, die Verwendung der ENA ist allerdings ein neuer, spezifischer Fall, der ggf. eine Anpassung der Vorgaben erforderlich macht. Die so entstehenden Abweichungen werden an den jeweiligen Stellen ausgewiesen und begründet. Insgesamt entsteht durch das Vorgehen am Ende von Kapitel 8 eine Typik, die sowohl Forschungsinteresse 1.1 beantwortet als auch RQ 1 bereichert und im Sinne des Mixed-Me‐ thods-Designs vielversprechende Anschlussmöglichkeiten für die ENA öffnet. 8.5.2 Bestimmung des Merkmalsraums Der Begriff Merkmalsraum erinnert bei der vorliegenden Arbeit an den bereits diskutierten Möglichkeitsraum der Kultur der Digitalität. Tatsächlich ergibt sich zumindest insoweit eine Ähnlichkeit, dass auch der Merkmalsraum eben jenen Raum beschreibt, in dem sich die einzelnen Fälle und Typen bewegen (können). Anders als bei Stalder entsteht der Raum aber nicht im Anschluss an technologische Entwicklungen, sondern aus den verschiedenen Eigenschaften, in denen sich die einzelnen Fälle und Gruppierungen voneinander unter‐ scheiden. Die zu unterscheidenden Merkmale bilden also einen „n-dimensionalen Raum“ (Kuckartz, 2020, S. 801) in dem sich die Fälle verorten lassen. Das direkteste Beispiel ist ein zweidimensionaler Raum, bei dem die Typen in zwei Eigenschaften voneinander unterschieden werden können. Würde man sich beispielsweise für die Körperstatur einer neuen Tierart interessieren, könnte der Merkmalsraum durch die Dimensionen rund/ kantig und klein/ groß bestimmt werden. Daraus ergäben sich vier Typen der Tierart (rund und klein, rund und groß, kantig und klein und kantig und groß). Da für die vorliegende Arbeit allerdings kein rein deduktives Vorgehen angestrebt wird, lassen sich die Merkmale, die die Anzahl der Dimensionen des Raums bestimmen, nicht einfach vorher festsetzen. Es wäre für das Forschungsinteresse wenig zielführend, den Merkmalsraum beispielsweise durch Alter, Fächerkombination und Semesterzahl zu bestimmen. Die induktive oder deduktiv-induktive Bestimmung des Merkmalsraums ist aufwendiger, mit Bezug auf die digitalitätsbezogenen Vorstellungen der befragten Personen aber auch aussichtsreicher. Glücklicherweise kann die Bestimmung des Merkmalsraums für die vorliegende Arbeit (zumindest teilweise) auf die bereits bestehende Vorarbeit der ISQIA zurückgreifen. Wie in Kapitel 8.3 zu der ISQIA beschrieben, bestand eine konstante Auffälligkeit bei der Betrachtung der induktiv ausdifferenzierten Oberkategorien darin, dass ein technisch-me‐ dialer Fokus der Antworten über fast alle Kategorien hinweg am deutlichsten vertreten wurde. Gleichzeitig dazu fielen die (deutlich geringeren) starken Abweichungen von diesem Fokus auf. So ließen sich gerade bei Fragen im Bereich der spekulativen Zukunft teils drastische Unterschiede zwischen den Antworten feststellen, die von dem Fineliner-Zitat 184 8 Qualitative Inhaltsanalyse <?page no="185"?> bis zur Reflexion von Entgrenzung und Automatisierung reichten. Somit lässt sich aus der Vorarbeit der ISQIA die erste Dimension ableiten, die für den Merkmalsraum beachtet werden sollte: Wie weit - von technisch-medial bis (lern-)kulturell - werden die Begriffe Digitalisierung und Digitalität ausgefüllt? Oder einfacher ausgedrückt: wie eng oder weit werden die Impulse zu Digitalisierung und Digitalität aufgegriffen und beantwortet? Die so entstehende erste Ebene des Merkmalsraums ist somit auch stark von den theoretischen Überlegungen zu Digitalität geprägt, womit argumentiert werden könnte, dass es sich nicht um eine rein induktive Kategorie handelt. Es wäre aber auch in qualitativen Verfahren verfehlt zu behaupten, Kategorien bzw. Dimensionen könnten (oder sollten) rein induktiv, also ohne Theorie und Vorannahmen entwickelt werden. Außerdem ist das enge Anknüpfen an Theorie und Forschungsfrage wichtig für die Passung der entstehenden Typik zum Erkenntnisinteresse (Kuckartz, 2018, S.-154). Auch die zweite Dimension des gewählten Merkmalsraums ist von dem Forschungsin‐ teresse bzw. den Forschungsinteressen RQ 1 und RQ 1.1 informiert. Dementsprechend soll sich auch diese Dimension auf Überlegungen darauf beziehen, wie sich digitalitätsbe‐ zogenen Vorstellungen unterscheiden könnten. Allerdings weicht hier der Forschungspro‐ zess etwas von der von Kuckartz beschriebenen Vorgehensweise ab. Anstatt erst den Merkmalsraum festzulegen und die einzelnen Fallporträts dann basierend auf diesen Merkmalsausprägungen zu erstellen, wurden zunächst probehalber Fallporträts erstellt, die dann selbst (zusätzlich zu Vorcodierungen und -informationen der ISQIA) für die Bestim‐ mung der zweiten Dimension des Merkmalsraums verwendet wurden. Der große Nachteil dieses Vorgehens bestand darin, dass einige Fallporträts, sowie auch der erste Versuch der Einordnung von Interviews nach der finalen Bestimmung der zweiten Dimension grund‐ legend überarbeitet werden mussten. Dafür wurde allerdings eine zweite Dimension des Merkmalsraums gewonnen, die dem empirischen Material noch passgenauer zugeordnet werden konnte. Tatsächlich entsprach diese Dimension dann auch nicht der ursprünglichen, die nach der Vorarbeit der ISQIA ausgewählt worden war. Konkret wurde unter Einbezug der Fallporträts aus der Dimension „Progressiv/ (Struktur-)Konservativ“ die an Piaget (1976) angelehnte Merkmalsdimension „Assimilation/ Akkommodation in/ von Praktiken“. Der für die Typenbildung verwendete Merkmalsraum lässt sich grafisch wie folgt darstellen: 8.5 Typenbildung 185 <?page no="186"?> 83 Hierbei handelt es sich um eine vereinfachte Darstellung insgesamt komplexer Konstrukte. Für vertiefende Ausführungen zu der Begriffsentwicklung siehe Baldwin (1906) und Piaget (1976). Für einen Übersicht über den aktuellen Diskurs siehe Hanfstingl et al. (2022). Assimilation in bestehende Praktiken (Lern-)Kulturelles Begriffsverständnis Akkommodation von Praktiken Mediales Begriffsverständnis Mediale Assimilation Mediale Akkommodation Lernkulturelle Akkommodation Lernkulturelle Assimilation Abbildung 19: Merkmalsraum der Typenbildung digitalitätsbezogener Vorstellungen Zum Verständnis des Merkmalsraums und seiner Ausprägungen ist es hilfreich, den Unterschied zwischen der initial angedachten zweiten Dimension (Progressiv/ Struktur‐ konservativ) und der final verwendeten Dimension (Assimilation/ Akkommodation) zu erläutern, wobei auch direkt die Verbindung zu Piagets „epistemologischen Zyklen“ (1976, S. 13) verdeutlicht werden kann. Die erste Idee für die zweite Dimension orientierte sich an den Auffälligkeiten bei der historischen Betrachtung des medienpädagogischen Diskurses. Dort war festgehalten worden, wie jeder technischen Entwicklung auch mit bewahrungs‐ pädagogischen Tendenzen begegnet wurde. Eine Feststellung, die sich zunächst auch mit Beobachtungen aus den Interviews zu decken schien. Im ersten Versuch der Zuordnung wurde aber schnell klar, dass sich die Interviews in der Dimension nicht trennscharf zuordnen ließen. Auch schien die binäre Unterteilung in progressiv oder strukturkonser‐ vativ nach Betrachtung der Fallporträts zu generalisierend und vereinfachend. Die Begriffe Assimilation und Akkommodation legen hingegen einen spezifischeren Fokus, der am besten unter Rekurs auf das Lernmodell Piagets verdeutlicht werden kann. Piagets Ausführungen zu Assimilation und Akkommodation werden auch heute, noch fast 50 Jahre nach ihrer initialen Prägung häufig und in verschiedenen psychologischen Disziplinen verwendet (Hanfstingl et al., 2022). Ein Grund für die verbreitete Verwendung der Konstrukte ist deren Flexibilität, die bis zu einer Mehrdeutigkeit reichen kann (ebd.). In ihrem ursprünglichen Verständnis beschreiben die Begriffe zwei Grundprozesse epis‐ temologischer Zyklen (Piaget, 1974, S. 13-14). Piaget beschreibt mit diesen Zyklen den Prozess, in dem neue Informationen in ein System aufgenommen werden. Vereinfacht ausgedrückt 83 bezeichnet Assimilation dabei den Prozess, in dem neue Informationen in 186 8 Qualitative Inhaltsanalyse <?page no="187"?> ein System eingefügt werden, ohne dass sich die Strukturen des Systems grundlegend verändern (Reinking et al., 2000, S. 111). Bei der Akkommodation hingegen müssen die kognitiven Strukturen verändert werden, um die neuen Informationen einfügen zu können (ebd.). Ursprünglich bezieht Piaget die Begriffe auf die kognitive Entwicklung von Individuen, sie werden mittlerweile allerdings in den unterschiedlichsten Zusam‐ menhängen genutzt (Hanfstingl et al., 2022, S. 321-323), u. a. auch bei der Betrachtung von Technologieintegration in institutionelle Lehr-/ Lernkontexte (Reinking et al., 2000). Warum sind die beiden Begriffe aber ausgerechnet für die zweite Dimension des Merk‐ malsraums so hilfreich? Die Verwendung von Assimilation und Akkommodation hält gegenüber der initialen Idee zwei Vorteile für die Typenbildung im Kontext dieser Arbeit bereit. Zum einen lassen sich die Begriffe dafür nutzen, unterschiedliche Ansätze der Integration von Veränderungen (etwa durch technologische Entwicklungen) in unterrichtliche Kontexte zu beschreiben (Reinking et al., 2000, S. 110). Vielleicht noch wichtiger aber ist der Verweis auf das Konzept der Äquilibration, welches bei Piaget für den Aufbau von Strukturen des Verstehens essenziell ist. Nach Piaget sind kognitive Entwicklungsprozesse vor allem ein Aushand‐ lungsprozess zwischen der Assimilation neuer Informationen und der Akkommodation bekannter Strukturen (1974, S. 13). Dabei ist Äquilibration der Prozess (ebd., S. 7), bei denen mentale Strukturen verändert werden, nachdem eine Assimilation neuer Informationen in die ursprünglichen Strukturen sich nicht mehr als möglich erweist. Diese Beschreibung fügt sich, auf die Typenbildung bezogen, gut in die Überlegung ein, dass die Typen auch in ihrer anderen Vergleichsdimension keine binären Pole repräsentieren. Wie ein enger Digitalisierungsbegriff nicht das Gegenteil eines weiten Digitalisierungsbegriffs ist, ist Assimilation nicht das Gegenteil der Akkommodation. Wichtig ist hier, wie bei der Metapher des Vorstellungshorizontes, wie weit Digitalisierung und Digitalität vorstellbar sind. Ist neben technischer Veränderung auch eine lernkulturelle Veränderung vorstellbar? Ist neben der Integration in bekannte Strukturen auch strukturelle Veränderung, also Akkommodation vorstellbar? Wie für Piaget kognitive Entwicklung durch Äquilibration befördert wird, wird digitale Transformation dann befördert, wenn auch strukturelle Veränderung vorstellbar ist. Wenn neue Umstände nicht nur assimiliert werden, sondern auch zur Akkommodation führen. Betrachtet man unter diesen Ausführungen den gerade gegebenen Merkmalsraum, ist zu beachten, dass die akkommodativen Ausprägungen (mediale Akkommodation und lernkulturelle Akkommodation) nicht ausschließlich Akkommodation meinen, sondern auch Akkommodation, wie die lernkulturelle Prägung nicht meint, dass ausschließlich lernkul‐ turelle Veränderungen betrachtet werden, sondern dass diese auch vorstellbar sind. Was das genau für die einzelnen Ausprägungen bedeutet, inwiefern diese trennscharf zugeordnet werden können und welche Konsequenzen sich daraus ergeben wird im weiteren Verlauf der Typenbildung und mit Blick auf die Eckbeispiele diskutiert. Der so beschriebene Merkmalsraum für die Typenbildung ist also zweidimensional und unterscheidet in den Ausprägungen zur Enge/ Weite des Begriffsverständnisses Digitalisie‐ rung/ Digitalität und dem Grad der Akkommodation, der dem Bildungssystem in Bezug auf Digitalität zugeschrieben wird. Vorstellungen können dementsprechend zu einer medialen Assimilation tendieren (Tablets anstelle von Schulbüchern, mit denen gleichen fill in the 8.5 Typenbildung 187 <?page no="188"?> gaps Aufgaben bearbeitet werden), einer medialen Akkommodation (das iPad verändert Strukturen von Schule), einer lernkulturellen Assimilation (die Bedingungen der Digitalität werden in das bestehende System eingespeist) und einer lernkulturellen Akkommodation (die Digitalität verändert grundlegend, wie schulisches Lernen strukturiert ist). Es lässt sich ggf. kritisch anmerken, wieso trotz der Verwendung polythetischer Typen lediglich ein zweidimensionaler und nicht etwa ein vier- oder fünfdimensionaler Merkmalsraum für die Typenbildung verwendet wurde. Tatsächlich würde das Vorgehen über polythetische Typen einen komplexeren Merkmalsraum grundsätzlich ermöglichen, allerdings sind bei der Wahl der Dimensionen auch zwei forschungspragmatische Punkte zu berücksichtigen. Erstens verkompliziert jede Dimension die entstehende Typik. Zwar können solche komplexen Typiken, wie z. B. bei der Betrachtung von Milieus sinnvoll sein (Kuckartz, 2018, S. 156), gleichzeitig gewinnt die Typik in ihrer Einfachheit auch an Übersichtlichkeit, Plausibilität und Nachvollziehbarkeit. Dementsprechend scheint es verkürzt anzunehmen, mit einem höherdimensionalen Merkmalsraum (und den damit entstehenden zusätzlichen Typen) auch einen erhöhten oder genaueren Erkenntnisgewinn zu erzielen. Stattdessen wird hier, wie auch an anderen Stellen der Studie der Ansatz verfolgt, eine Strukturierung zu erarbeiten, die so komplex wie nötig, aber so einfach wie möglich ist. Ein zweiter Grund für den zweidimensionalen Merkmalsraum liegt in der Natur des vorliegenden Materials. In ihrem Anspruch sind die Interviews dabei wesentlich weniger vorstrukturiert, als es beispielsweise Fragebögen oder stark fokussierte Frageimpulse gewesen wären. Das heißt aber auch, dass in den einzelnen Interviews nicht unbedingt verlässlich Informationen zu allen potenziell interessanten Merkmalsau‐ sprägungen enthalten sind. Deshalb empfiehlt sich gerade bei qualitativen Studien ein vermeintlich einfacherer Merkmalsraum (ebd., S. 155). So scheint es wenig gewinnbringend Typen mit 6 verschiedenen Merkmalsdimensionen zu erstellen, bei denen aber nur 2 der 32 Interviews empirisch zugeordnet werden können. Der gewählte Merkmalsraum bietet also den Kompromiss aus Genauigkeit der Typik bei gleichzeitiger vollständiger Zuordnung des gesamten Materials und einer möglichst genauen Strukturierung der Vorstellungsausprägungen. 8.5.3 Bestimmung und Beschreibung der Typik Nach dem Herausarbeiten des Merkmalsraums wurde sich anschließend wieder näher an dem vorgeschlagenen Vorgehen Kuckartz’ orientiert. Dafür wurden zunächst (erneut) 32 Fallporträts erarbeitet, in denen auf ca. einer Seite die wichtigsten Eigenschaften des Inter‐ views bezogen auf den Merkmalsraum komprimiert wurden. Mit Hilfe des Merkmalsraums, den (Vor)Codierungen und den 32 Fallporträts konnte anschließend mit der eigentlichen Typenbildung begonnen werden. Vor der Zuordnung der einzelnen Fälle war bereits deutlich geworden, dass insgesamt vier polythethische Typen entstehen sollten. Es ging nun also darum, die 32 Interviews empirisch begründet in jeweils eine der vier Merkmalsausprägungen einzuordnen (und gleichzeitig von den anderen drei Ausprägungen abzugrenzen). Ähnlich wie auch bei typenbildenden Verfahren in der Dokumentarischen Methode (Nohl, 2017, S. 9) spielen dabei in der QIA Kontrastierungen zwischen den Fällen eine zentrale Rolle (Kuckartz, 188 8 Qualitative Inhaltsanalyse <?page no="189"?> 2018, S. 146). Die einzelnen Fälle werden den Ausprägungen also nur zugeschrieben, wenn sie sich in die Ausprägung einordnen und von anderen Ausprägungen abgrenzen lassen. Gleichzeitig entsteht durch den systematischen Vergleich auch eine Kontrolle, ob die gewählten Ausprägungsmerkmale trennscharf sind und sich für die Typenbildung eignen. Für die Zuordnung selbst wurde sich mit leichten Modifikationen an den Ausführungen Kuckartz‘ zum Ablauf der typenbildenden QIA orientiert (ebd., S. 152-153). Die Zuordnung wurde also von einer weiteren, mit dem Projekt vertrauten Person unterstützt und jeder Einzelfall gemeinsam diskutiert. Bevor aber, wie von Kuckartz vorgeschlagen, die 32 Interviews mit Hilfe der Fallport‐ räts zugeordnet wurden, wurde zur besseren Ausdifferenzierung des Merkmalsraums dem Ablauf ein eigener Arbeitsschritt hinzugefügt. In diesem Schritt bearbeiteten beide Personen die 32 Fallporträts und markierten besonders hervorstechende Beschreibungen und Begriffe. Anschließend wurden die Begriffe von allen Fallporträts gemeinsam diskutiert, subsumiert und verschriftlich. So entstanden schließlich 18 zentrale Begriffe, die die Fälle insgesamt beschreiben. Diese 18 Begriffe wurden vor der Zuordnung der Interviews in den Merkmalsraum eingeordnet, wodurch die einzelnen Ausprägungen eine weitere inhaltliche Ausdifferenzierung erhielten. Damit wurde auch auf einer fallübergreifenden Ebene deutlich, ob sich die zentralen Merkmale der Beschreibungen in die ausgewählten Ausprägungen einordnen lassen. Durch diesen zusätzlichen unter‐ stützenden Schritt entstand eine Variante des Merkmalsraums, in der den einzelnen Ausprägungen systematisch Beschreibungen zugeordnet werden konnten. Gleichzeitig konnte bereits vor der Zuordnung betrachtet werden, inwieweit sich die Fallporträts für die folgende Zuordnung einbringen lassen. Der so entstandene Merkmalsraum, der im weiteren Verlauf „inhaltlich ausdifferenzierter Merkmalsraum“ genannt wird, lässt sich wie folgt darstellen: Abbildung 20: Inhaltlich ausdifferenzierter Merkmalsraum der typenbildenden QIA 8.5 Typenbildung 189 <?page no="190"?> In dem Schaubild finden sich, da die Fallporträts aus den gleichen Transkripten entstanden sind, logischerweise einige Begriffe, die bereits bei der ISQIA betrachtet wurden (z. B. die Differenzierung zwischen analog und digital sowie der Fokus auf mediale Veränderung). Andere Begriffe sind in der Codierung nicht deutlich geworden und entstanden erst in der intensiven Einzelfallbetrachtung. Dazu gehört bspw. Differenzbildung (die Abgrenzung von Schüler*innen als einer anderen Generation zugehörig), Digitalität = Dogma (das Gefühl, dass Digitalisierungsprozesse unaufhaltsam umgesetzt werden müssen) oder Pragmatismus, was in diesem Fall eine wertfreie Anpassung der befragten Person an Veränderungsprozesse beschreibt. Nach der so gestalteten inhaltlichen Ausdifferenzierung wurden, wie von Kuckartz (2018, S. 151) vorgeschlagen, die 32 Fälle dem Merkmalsraum zugewiesen. Die Zuordnung entsteht dabei in einem Wechselspiel aus Einzelfall (vertreten durch Fallporträt und (Vor-)Codie‐ rungen) und dem ständigen Vergleich der Gesamtfälle (vertreten durch den inhaltlich ausdifferenzierten Merkmalsraum). Konkret wurde für jeden Fall je eine Karteikarte erstellt (von K1_i1 bis K2_i16). Anschließend wurde auf einer Pinnwand die Verschriftlichung des inhaltlich ausdifferenzierten Merkmalsraums befestigt. Nacheinander wurde nun jeder Fall gemeinsam mit den Hilfsmitteln (Vorcodierung, Fallporträts, inhaltlich ausdifferenzierter Merkmalsraum) gemeinsam diskutiert und auf der Pinnwand befestigt. Dabei wurde allerdings nicht nur der Einzelfall betrachtet, sondern jeder neue Fall mit den vorherigen kontrastiert (so wurde K1_i2 mit K1_i1 kontrastiert, K1_i3 mit K1_i1 und K1_i2, …). Die Verwendung der Pinnwand bzw. eines digitalen Whiteboards erlaubt dabei das ständige Umlegen, sodass sich die genaue Zuordnung als dynamischer Prozess beschreiben lässt, bei der die Diskussion und Einordnung jedes neuen Falls auch die Einordnung der anderen Fälle anpassen kann. Spätestens hier wird deutlich, dass die typenbildende QIA (anders als bspw. eine Cluster‐ analyse) ein genuin qualitatives Verfahren beschreibt: „Das Aufstellen von Ordnungsprin‐ zipien und die nach diesem Schema vollzogene Konstruktion von Typen sind kreative Akte, die sich einer präzisen codifizierten Beschreibung verweigern“ (Kuckartz, 2018, S. 152). Zwar beschreibt die QIA für die Typenbildung ein regelbasiertes und ausdifferenziertes Verfahren, letztendlich bleibt aber die Interpretationsleistung des Forschenden (bzw. der Forschenden) unabdingbar. Es entstehen nicht notwendigerweise objektiv verifizierbare, sondern (bei Beachtung der Gütekriterien, siehe Kuckartz, 2020, S. 809) intersubjektiv nachvollziehbare Typen. Nach der so gestalteten Einordnung und 31-fachen Umordnung entstand schließlich folgende qualitative Positionierung der Interviews in den Merkmalsraum: 190 8 Qualitative Inhaltsanalyse <?page no="191"?> 84 Zur leichteren Lesbarkeit werden die eingeordneten Begriffe des inhaltlich ausdifferenzierten Merkmalsraums hier nicht dargestellt. Abbildung 21: Einordnung der Einzelfälle in den Merkmalsraum 84 Abbildung 21 bietet eine visuelle Unterstützung zur Betrachtung der Verortung einzelner Fälle im Merkmalsraum. Zum besseren Verständnis der Typik als Ganzes müssen dabei jedoch einige Dinge beachtet werden. Wie für polythetische Typen konstitutiv, zeigt sich in der Abbildung, dass die Typen sich zwar voneinander abgrenzen lassen, die einzelnen Fälle innerhalb der Typen aber keine perfekte Deckungsgleichheit besitzen. Gleichzeitig sollte die Darstellung nicht zu quantitativen Annahmen verleiten. So ist beispielsweise K1_i7 nicht ein messbares, nominal bestimmbar stärkeres lernkulturelles Verständnis von Digi‐ talisierung und Digitalität zuzuschreiben als K1_i8, nur, weil K1_i7 in der Darstellung etwas weiter links steht als K1_i8. Quantitativ messbare Unterschiede in einem n-dimensionalen Raum werden erst bei der ENA in Kapitel 9 betrachtet und können aus den bisherigen Forschungsschritten und der Darstellung nicht abgeleitet werden. Was lässt sich aber mit der Betrachtung von Abbildung 21 zeigen? In der Einordnung der Einzelfälle in den Merkmalsraum wurde deutlich, dass sich für alle vier Ausprägungen Fälle finden lassen, die sich eindeutig in die jeweilige Ausprägung einfügen und von den anderen Ausprägungen abgrenzen lassen. Wie nach der ISQIA erwartbar, lassen sich die meisten Einzelfälle (16 von 32) der Ausprägung mediale Assimilation zuordnen. Überraschend in der Zuordnung ist allerdings, dass sich zumindest 11 der Einzelfälle von der Ausprägung medial abgrenzen lassen (X-Achse) und 10 von dem Verständnis einer Assimilation (Y-Achse). Daraus ergibt sich, dass die generell festgestellte Tendenz eines Fokus auf technische und mediale Aspekte der Digitalisierung und deren Assimilation in bekannte Strukturen nur der Hälfte der Fälle vollständig zuzuschreiben ist und sich mehrere systematische Distinktionen beschreiben lassen. Der große Mehrwert der Typenbildung liegt aber nicht in der einfachen Betrachtung der Verteilung der Interviews: 8.5 Typenbildung 191 <?page no="192"?> Umgekehrt ist es so, dass die Verteilungen in einer Fallübersicht ebenso wie die zahlenmäßige Übersicht über Typen und ihre Merkmalsverteilungen für sich noch wenig Aussagekraft besitzen. Erst durch den Rückgriff auf den einzelnen Fall und den nur dort ermittelbaren subjektiven Sinn lassen sich Typen und Konstellationen verstehen und nachvollziehen, ansonsten blieben sie recht blutleere gruppierende Konstruktionen. (Kuckartz, 2018, S.-158) Die Typenbildung in der QIA ist nicht einfach eine qualitative Form der Clusteranalyse, sondern stellt den einzelnen Fall und die Betrachtung des jeweiligen „subjektiven Sinns“ ebenso in den Mittelpunkt wie das Verhältnis der Fälle zueinander. Erst in der gemeinsamen Betrachtung und dem Wechselspiel von Einzelfall und Gesamtheit entfaltet das Vorgehen das Potenzial für das Erkenntnisinteresse. Für das vollständige Verständnis der Typik und dessen Beitrag zum Erkenntnisinter‐ esse muss also betrachtet werden, was über die einzelnen Ausprägungen in Erfahrung gebracht wurde, welche Typen sich daraus bilden und was diese Typen ausmacht. Die Kapitel 8.6.1-8.6.4 widmen sich den einzelnen Ausprägungen im Detail und bestimmen den jeweiligen Typ in der Betrachtung von Einzelfall und dem Kontrast mit den anderen Fällen. Kapitel 8.6.5 zeigt schließlich die entstehende Typik in der Übersicht und diskutiert deren Beitrag zum Erkenntnisinteresse sowie den Rückbezug zur ISQIA, bevor Kapitel 9 den quantitativen Teil der Studie beginnt. 8.6 Vertiefende Einzelfallbeschreibung der Typen Eine vertiefende Einzelfallbeschreibung eines jeden der 32 Fälle würde den Rahmen des Kapitels bei weitem sprengen und wäre mit Blick auf die strukturierende Funktion der Typik nicht zielführend. Stattdessen lässt sich die Vorstellung der vier Ausprägungen anhand je einer beispielhaften Einzelfallbeschreibung vornehmen. Dies kann auf zwei verschiedene Arten geschehen. Es besteht die Wahl zwischen der Betrachtung eines Modellfalls oder eines Prototyps (Kuckartz, 2018, S. 158). Der Modellfall lehnt sich an den Idealtyp Webers (1904/ 1988) an. Hier werden aus allen Einzelfällen eines Typens jeweils die Passagen genutzt, die dem Typ insgesamt in seiner Reinform am ehesten entsprechen. Der so entstehende Modellfall existiert also nicht empirisch, sondern beschreibt die Zusammensetzung aus den Einzelteilen mit Blick auf die stärkste Merkmalsausprägung. Der Prototyp hingegen beschreibt die Wahl eines Eckbeispiels. Also eines bestehenden Interviews, dass die Merkmalsausprägung exemplarisch, also prototypisch zeigt. Für die vorliegende Arbeit werden die jeweiligen Prototypen der vier Typen vorgestellt. Diese Auswahl lässt sich damit begründen, dass insbesondere in der ISQIA, aber bis zu diesem Punkt auch in der Typenbildung, eine Dekontextualisierung des empirischen Materials zugunsten von Strukturierung vorgenommen wurde. Für qualitative Verfahren ist, wie bereits mehrfach argumentiert, aber auch die ganzheitliche Einzelfalldarstellung konstitutiv. Dementsprechend sollen an diesem Punkt nicht wieder mehrere Einzelfälle zusammengesetzt (und damit ein Stück dekontextualisiert) werden, sondern jeweils ein Einzelfall in allen seinen subjektiven Sinnzusammenhängen dargestellt werden. Für die fol‐ gende vertiefende Einzelfallbeschreibung wurde also pro Ausprägung jeweils ein Interview ausgewählt. I.d.R. wurden die Interviews danach ausgewählt, dass sie intersubjektiv der 192 8 Qualitative Inhaltsanalyse <?page no="193"?> 85 Dieser Umstand trifft auf alle Einzelfallbeschreibungen zu, wird im weiteren Verlauf allerdings nicht mehr gesondert erwähnt. Merkmalsausprägung am stärksten entsprechen, das heißt, dass in dem Einzelfall also bei‐ spielsweise am deutlichsten eine medial-akkommodative, digitalitätsbezogene Vorstellung deutlich wird. 8.6.1 Betrachtung von K1_i11: „Fortschritt durch technologische Entwicklung“ K1_i11 ist der Prototyp für eine medial-akkommodative digitalitätsbezogene Vorstellung von (schulischer) Fremdsprachenlehre. Bei Betrachtung der einleitenden theoretischen Kapitel der vorliegenden Arbeit ist diese Zuschreibung alles andere als naheliegend. Bereits in der grundlegenden Diskussion von Digitalisierung und Digitalität wurde ausführlich beschrieben, wie das Schulsystem historisch betrachtet, mediale Veränderungen langsam, aber gründlich in das bestehende System eingegliedert (assimiliert) hat. Über den Bezug zu Medienpädagogik und -didaktik wurde dabei gezeigt, wie außerordentlich stabil Schul- und Unterrichtskonstellationen trotz allen medialen Wandels geblieben sind (Herzig, 2022, S. 842). Mehr noch, die Argumentation des theoretischen Rahmens baut darauf, dass die Kultur der Digitalität eben deswegen eine strukturelle Veränderung für das Bildungssystem bedeuten könnte, weil es sich dabei nicht (nur) um einen medialen Wandel handelt. Wie passt das also mit einer medial-akkommodativen Ausprägung zusammen? Tatsächlich ist diese Ausprägung auch gerade deswegen so interessant, weil sie einen Gegenpol zur theoretischen Rahmung bietet. So sollen die einzelnen Typen die theoretische Rahmung schließlich nicht unterstützen. Stattdessen bietet die theoretische Rahmung am Ende die Reflexionsfolie zur Diskussion der einzelnen Typen. Trotzdem muss in diesem Abschnitt genau nachgezeichnet werden, wie die befragte Person zu diesem Gegenpol des theoretischen Rahmens gelangt, wie er sich in den einzelnen Aussagen ausdrückt und was das Systematische an dieser Betrachtungsweise ist. K1_i11 befindet sich zum Zeitpunkt des Interviews im Master of Education Studiengang Englisch an der Ruhr-Universität Bochum. 85 Berücksichtigt man die Vorstudie befindet sich K1_i11 in der zweiten Befragungsrunde, allerdings in der ersten, die in die Hauptstudie ein‐ fließt. Das Interview fand am 28.06.2021 statt und damit im Sommersemester 2021, welches am Englischen Seminar der Ruhr-Universität Bochum ausschließlich online geführt wurde. Zur besseren Übersicht halten sich alle Fallbeschreibungen (grob) an die vier Abschnitte des bereits bekannten Leitfadens (siehe Anhang). Die befragte Person beschreibt ihre bisherigen Studienerfahrungen unter Pandemie‐ bedingungen insgesamt positiver, als es bei einigen anderen Interviews der Fall ist. Interessanterweise werden außerdem diejenigen Aspekte, die als negativ wahrgenommen werden, normalisiert und als selbstverständlich abgewunken: „Ansonsten (…) ja ist es natürlich ein bisschen redundant, ne? “ (Pos. 4) (im weiteren Verlauf werden wiederholt auch Ausdrücke wie „klar“, „natürlich“ und „logischerweise“ genutzt). Das Digitale, hier noch bezogen auf „Zoom oder Teams oder sonstige Sachen“ (ebd.), wird als Selbstverständlichkeit dargestellt, über deren positive wie negative Auswirkungen eigentlich gar nicht weiter 8.6 Vertiefende Einzelfallbeschreibung der Typen 193 <?page no="194"?> diskutiert werden müsse. Obwohl sich im Laufe des Interviews ändert, was das Digitale für die befragte Person bedeutet, zieht sich diese Normalisierung durch das gesamte Gespräch. Damit wird ein scheinbar allgemeingültiges Verständnis der Digitalisierung und ihrer Implikationen evoziert, dass sich de facto aber stark von den anderen Ausprägungen der Typik unterscheidet. Passend für diese Normalisierung ist auch, dass auf die Frage nach besonderen Situationen, Aussagen o. Ä., die in Erinnerung geblieben sein könnten, kaum bis gar nicht eingegangen wird: „(…) [N]e, wenn ich da ehrlich antworten müsste, dann nicht.“ (Pos. 6). Auffällig ist hier auch der Konjunktiv „wenn ich müsste“, wobei an dieser Stelle nicht klar wird, ob sich der Konjunktiv darauf bezieht, dass die Person eigentlich unehrlich antworten würde, oder dass die Person sich zu dem Thema gar nicht äußern würde, wenn sie nicht „müsste“. Insgesamt ergibt sich in beiden Lesarten ein Bild von Erfahrungen, über die es sich fast nicht lohne zu sprechen. Es sei „klar“, wie bzw. was das digitale Studium sei und was dieses ausmache: Onlineunterricht, (technische) Probleme, aber auch ein Mehr an Flexibilität. Diese scheinbare Selbstverständlichkeit widerspricht den eigenen Planungsschritten im zweiten Abschnitt, bei der die Mehrdeutigkeit des Digitalen selbst thematisiert wird: „[…] was, was=also […] ist mit digitalem Unterricht gemeint, dass wir jetzt beispielsweise sowas wie über Zoom machen? Ist mit digitalem Unterricht gemeint, dass wir mit iPads arbeiten? “ (Pos. 10). Das Digitale wird hier mehrdeutig und kann sich zum einen auf Onlineunterricht und zum anderen auf Unterricht mit digitalen Medien beziehen. Insgesamt wird bei der Frage zur eigenen Planung digital-gestützter Stunden stark auf mediale Aspekte reduziert und diese werden für den Planungsprozess priorisiert: „[…] also die wichtigste Frage vorab ist: Welche Mittel stehen mir zur Verfügung? “ (ebd.). Wie im weiteren Verlauf des Abschnitts deutlich wird, bezieht sich das „Mittel“ hier auf das Medium, über das die Unterrichtstätigkeit durchgeführt wird; wird der Arbeitsauftrag also über Zoom oder in Präsenz mit einem iPad gegeben. Dabei werden die Unterschiede zwischen online oder in Präsenz mit Einsatz digitaler Medien zwar didaktisch ausgeführt, beides bleibt aber im Bereich von Medien als Handlungsfeld und nicht von Digitalität als Rahmenbedingung pädagogischen Handelns. (Reich, 1981, S.-61-63). Auch wenn im zweiten Bereich zum ersten Mal der Fokus auf technisch-mediale Aspekte der Digitalisierung deutlich wird, zeigt sich die Verbindung zur Akkommodation im Sinne einer strukturellen Veränderung hier noch nicht. Im Gegenteil scheinen Online- und Präsenzunterricht gleichgestellt zu werden: „Und schaffe ich das dadurch, die Schüler genauso bei Laune zu halten, wie ich es in einem Klassenzimmer auch schaffen würde.“ (Pos. 10). Onlineunterricht, auf den sich in der eigenen Planung bezogen wird, ist hier zunächst identisch mit Präsenzunterricht, wenn diesem auch einige zusätzlichen Herausforderungen zugeschrieben werden. Grundsätzlich scheint es in dieser Aussage aber möglich zu sein, Onlineunterricht durchzuführen, ohne mit gewohnten Strukturen des Klassenzimmers zu brechen. Dies ändert sich im dritten Abschnitt und der Betrachtung der Beziehung von Fremd‐ sprachenunterricht und Digitalisierung und Digitalität. Der Fokus auf technisch-mediale Aspekte bleibt bestehen, die hier aber (in der Selbstwahrnehmung) deutlich disruptiver beschrieben werden. Die Kombination von technisch-medial und disruptiv geschieht 194 8 Qualitative Inhaltsanalyse <?page no="195"?> 86 Siehe z. B. entsprechende Berichte im ZDF (2022) https: / / www.zdf.de/ nachrichten/ heute-journal/ digitalisierung-bundesregierung-digitalgipfel-100.html oder auch in der Tagesschau (2022) https: / / www.tagesschau.de/ inland/ innenpolitik/ digitalisierung-strategie-entwurf-101.html, die beide die Metapher nutzen, Deutschland hinke bei der Digitalisierung hinterher. allerdings nicht plötzlich, sondern wird von der eigenen Beschreibung zur Wahrnehmung von Digitalisierungsprozessen gerahmt: Ich gehe halt davon aus, dass das die Zukunft ist. Da muss man ähm gar nicht lange überlegen. […] [T]atsächlich interessiert mich das sehr, ich habe mir schon einige Dokus auch angeguckt. Das sind tatsächlich skandinavische Länder, aber auch Länder wie Estland, Lettland, Litauen, die, was die Digitalisierung angeht, echt ordentlich voranpreschen. Für mich ist das definitiv nicht nur ein Potenzial, sondern ja fast schon eine Notwendigkeit. Weil es echt nicht sein kann, dass die Digitalisierung so voranschreitet, wir aber auf der anderen Seite in der Schule, wo die jungen Menschen so viel Zeit verbringen auf der Stelle treten. (Pos. 12) Bei Position 12 des Interviews, welche bereits in der ISQIA als besonders dichte Passage (vgl. Kapitel 8.5) markiert wurde, finden sich entsprechend einige Auffälligkeiten, die einen Einblick in die Vorstellungen von Digitalisierung und Digitalität erlauben und nicht zuletzt auch die spezifische Ausprägung (mit) erklären können. Gleich zu Beginn fällt erneut die Selbstverständlichkeit ins Auge, mit der die folgenden Aussagen getroffen werden „Da muss man gar nicht lange überlegen“. Zugleich wird eben eine spezifische Form von Digitalisierung beschrieben, die - wie bei den skandinavischen Ländern - weiter vorange‐ schritten sein kann oder - wie in Deutschland - eben nicht. Das Narrativ, Deutschland hinke hinterher, erinnert an öffentlich-mediale Berichterstattungen 86 . Ein Eindruck, der sich direkt an der gleichen Stelle bestätigt, „ich habe mir einige Dokus angeguckt“. Außerdem wird eben jener Zustand - Deutschland hinke hinterher - als unzumutbar, „[w]eil es echt nicht sein kann“ beschrieben. Beachtenswert ist diese Kombination (Digitalisierung ist ein Prozess, bei dem Deutschland hinterherhinke) vor allem in Bezug zu dem gegebenen Impuls, der eigentlich nach möglichen Potenzialen digital-gestützten Unterrichts gefragt hatte. Schule müsse sich unbedingt und grundlegend technisch verändern - das pädagogische oder didaktische warum, wird an der Stelle aber nicht gegeben. Tatsächlich fehlt die Begründung im gesamten dritten Bereich. Zwar wird wiederholt betont, dass technische Entwicklung schulische Prozesse verändern müsse, allerdings nicht genauer, wie oder wieso: „[…] unter dem Einsatz von (..) Medien neuster Art. Und auch, dass man tagesaktuelle Sachen heranzieht, dass man keine Ahnung auch einfach mal eine App aufmacht, die auf Englisch ist oder die anwendet et cetera pp.“ (Pos. 22). Bis zu diesem Punkt ließe sich argumentieren, dass die befragte Person zwar behauptet, dass sich Schule aufgrund von technischen Aspekten strukturell verändern müsse, dann aber Dinge beschreibt, die sehr gut in bestehende schulische Praktiken integriert werden könnten (tagesaktuelle Sachen, Medieneinsatz, Apps). Wird hier also eigentlich das Bild einer medialen Assimilation deutlich, die nur in der Selbstwahrnehmung als mediale Akkommodation beschrieben werden kann? Abschnitt vier zeigt, dass diese Interpretation von K1_i11 vereinfacht wäre. Der vierte Abschnitt des Leitfades zeichnet sich durch den Fokus auf die Zukunft und eine maximale Öffnung der Frageimpulse aus. Wie bei der ISQIA beschrieben, wurde diese Öffnung teilweise nicht ausgefüllt. Bei K1_i11 zeigen sich 8.6 Vertiefende Einzelfallbeschreibung der Typen 195 <?page no="196"?> an dieser Stelle aber tatsächlich die offensten Beiträge. Zwar bleibt der technisch-mediale Fokus erhalten, es werden aber auch grundlegendere Veränderungen von Unterrichtsproz‐ essen mitgedacht: Also ich gehe halt davon aus, dass gerade so Sachen wie ich sag jetzt mal einfach die Tafel wegfällt. Overheadprojektoren wegfällt. Das aber auch ne viel ähm größere Eigenständigkeit der Schülerinnen und Schüler folgen wird. Was alleine dadurch ermöglicht werden kann, dass, ähm, ein Buch ist limitiert, der Rucksack eines Schülers ist limitiert, aber wenn du ein iPad in der Hand hast, steht dir ja im Prinzip die ganze Welt offen. Das heißt du kannst ja viel individueller und auch auf viel mehr Sachen zugreifen ähm und viel individueller auch fördern, als wenn du das alles analog machst, so wie es heutzutage der Fall ist, ne? (Pos. 24) Wie in den vorigen Abschnitten des Interviews liegt die Priorität auf medialer Veränderung, die den ersten Teil der Antwort ausmacht. Neu ist allerdings, dass hier zum ersten Mal stärker darauf eingegangen wird, was sich aus diesem medialen Wandel heraus ergibt: Es werden didaktische Affordanzen des iPads berücksichtigt (Materialzugang, individuelle Förderung). Auch wenn die Zuschreibung oberflächlich bleibt, „wenn du ein iPad in der Hand hast, steht dir ja im Prinzip die ganze Welt offen“, wird eine maßgebliche Veränderung der Unterrichtssituation durch das Medium antizipiert. Diese Veränderung reicht von mehr Individualität bis zu der Überlegung „[f]raglich sind natürlich auch so Sachen, wie fällt Präsenz dann [durch die Verfügbarkeit von video conferencing, Anmerkung C. K.] vielleicht teilweise weg? “ (ebd.). Technologischer Entwicklung wird zugesprochen, Unterricht individueller und inklusiver zu machen und gar Präsenz überflüssig werden zu lassen. Strukturverändert ist Digitalisierung hier also, weil sie durch die leichtere Zugänglichkeit (vgl. Urlaub & Dessein, 2022) Unterricht verbessert und optimiert, aber auch in seiner Grundform (Präsenz oder Online) verändert. Damit finden sich in der Aussage alle Bereiche, die für die Ausprägung medial-akkommodativ konstitutiv sind; die Vorstellung von Digitalisierung wird in dieser wie auch in den vorherigen Aussagen durch drei Dinge bestimmt: 1. Die Veränderung wird eng an die technisch-mediale Entwicklung (iPad, video confe‐ rencing, cloud computing,-…) geknüpft. 2. Diese Entwicklung ist für den Unterricht positiv, sie individualisiert, optimiert und differenziert. 3. Es wird die Ansicht vertreten, dass sich durch den Zugang zur Technologie auch strukturelle Aspekte von Schule verändern müssen. Betrachtet man unter diesen drei Aspekten einen letzten beispielhaften Abschnitt, lässt sich damit die Systematik des Falls gut zusammenfassen. Der letzte zu betrachtende Abschnitt antwortet auf den Impuls zum Gedankenexperiment des eigenen Unterrichts in der Zukunft, bei dem keinerlei monetäre, strukturelle oder zeitliche Einschränkungen bestehen: (4) […], also, natürlich wichtigste Voraussetzung ich habe ein intaktes Klassenzimmer, die Infra‐ struktur ist geschaffen, im Idealfall hat jeder Schüler, jede Schülerin ein iPad oder ein Pad jeder Art oder (..) Zugang zu, zu digitalen Medien. Daran anknüpfend, […] dadurch, dass mir ja da unendlich Material und Ressourcen zur Verfügung stehen, jeder Schüler anhand seines Levels, seines Niveaus vor 196 8 Qualitative Inhaltsanalyse <?page no="197"?> sich findet. Diese löst und ich diese quasi (..) ähm ja supervisen kann. Das heißt ich kann quasi den Lernerfolg meiner einzelnen Schüler betrachten. Und ich übernehme viel mehr die Rolle des Helfenden (..) […] Und, ähm ich bisschen wegkomme von der Rolle des in Anführungsstrichen Predigers, der vorne steht und denen sagt was sie zu tun und zu lassen haben, ihnen sagt was richtig und was falsch ist, sondern meine Aufgabe viel eher ist die Kinder in ihrem eigenständigen Lernen zu unterstützen. (Pos. 31) Wichtigste und erste Priorität ist in der Antwort die technische Infrastruktur, von der alle weiteren Ausführungen abhängig sind. Das konkrete Medium, z. B. das iPad ermöglicht durch den Zugang zum Material eine individuellere, differenzierte Ausgestaltung von Unterricht. Die Möglichkeiten, die durch das iPad entstehen, müssen sich nach Ansicht der befragten Person aber nicht nur auf das Material beziehen, sondern beeinflussen auch sein eigenes Handeln „Und, ähm ich ein bisschen wegkomme von der Rolle des in Anführungsstrichen Predigers […]“. Stattdessen wird es als Aufgabe und Anspruch formuliert, Kinder in ihrem „eigenständigen Lernen“ zu unterstützen. Dabei scheint in der Formulierung des „Wegkommens“ die Annahme zu bestehen, dass genau das Predigen der Modus Operandi der aktuellen Lehrenden sei. Der Abschnitt zeigt also, wie wenn alle technischen Entwicklungen und Bedingungen erfüllt sind (1), ein positiv bewerteter Wandel stattfindet, (2) ein individualisierender und differenzierender Unterricht sowie (3) eine strukturelle Veränderung von Schule und Lehrberuf antizipiert wird. Vergleicht man K1_i11 mit den anderen Fällen der Ausprägung wird deutlich, dass die anderen Fälle sich in der positiven Bewertung der medialen Veränderung ähneln und ihre Auswirkung auf Schule ebenfalls als deutlich beschreiben. Dabei differenzieren die anderen Interviews allerdings wesentlich weniger, wie sich technologischer Fortschritt unterrichtlich auswirken soll. Damit wird auch ersichtlich, wieso K1_i11 in Abbildung 21 deutlich weiter in Richtung lernkulturell-akkommodativ gelegt ist als die anderen Inter‐ views der Ausprägung. K1_11 legt zwar einen medialen Fokus, gibt aber zumindest am Ende des Interviews auch Veränderungen an, die nicht ausschließlich einen medialen Wandel beschreiben. Vergleicht man das mit Aussagen aus anderen Interviews der Ausprägung, die auf den gleichen letzten Impuls antworten, wird das besonders deutlich: […] dass man wirklich medial ganz gut ausgestattet ist und alle Schülerinnen sollten am besten ihr eigenes Tablet bekommen und andere Soundbars und alles Mögliche. […] Ja, ähm und dann immer Medien wechselt und sich ausprobiert und das so gestaltet, dass wirklich maximales Interesse an allen Schülern, von allen Schülern erreicht, dass irgendwie alle einbezogen werden und alle so kleine Experten werden, was das Digitale angeht. (K1_i16_F1, Pos. 26) Auch hier wird der Fokus auf einen medialen Wandel gelegt. Auch hier wird dieser positiv bewertet und auch hier wird sich eine notwendige Veränderung durch die technologische Entwicklung erhofft. Es wird allerdings wesentlich weniger ausdifferenziert, was diese Veränderung konkret bedeutet und wie sie sich auch auf nicht mediale Fragen auswirkt. Gemeinsam ist allen Interviews der Ausprägung der Gedanke des Fortschritts durch technologische Entwicklung, also eine positiv bewertete Veränderung von Schule durch die Verfügbarkeit von Technologien. Das heißt aber nicht, dass alle Interviews diese Vorstellung in gleichem Maße konkretisieren, was die unterschiedliche Anordnung innerhalb der medial-akkommodativen Ausprägung erklärt. 8.6 Vertiefende Einzelfallbeschreibung der Typen 197 <?page no="198"?> 87 So heißt eine Perspektive der Digitalität einzunehmen nicht, dass infrastrukturelle, technische und mediale Fragen ihre Relevanz verlieren würden. 88 Einschränkend zu betonen ist hier, dass Stalder (zumindest in seiner Grundlegung zur Kultur der Digitalität) diese nicht in erster Linie mit Schul- und Bildungsprozessen in Verbindung bringt. Stattdessen ist die Kultur der Digitalität zunächst eine deskriptive Perspektive auf soziokulturelle Entwicklungen. Die Verbindung zu Schule und Englischunterricht erfolgt aber durch die Nutzbar‐ machung der Perspektive von Seiten der Fachdidaktik, Bildungspolitik und -wissenschaft (siehe auch Kapitel-3 und 4). Während durch die erste Einzelfallbeschreibung deutlich wird, was die Interviews der typischen Ausprägung „Fortschritt durch technologische Entwicklung“ (gemeinsam) ausmacht, wird die Abgrenzung von den anderen Ausprägungen erst durch die Betrachtung letzterer deutlich. Dementsprechend werden die weiteren drei typischen Ausprägungen direkt mit den jeweils vorherigen kontrastiert. Da auch der gewählte Fall K1_i11 eher einer lernkulturellen Ausprägung entsprach als die anderen Interviews in der medial-akkommo‐ dativen Ausprägung, ist die lernkulturell-akkommodative Ausprägung ein naheliegender zweiter Prototyp. Dabei wird vor allem auch zu klären sein, wieso K1_i11 trotz des Unterschieds zu den anderen Interviews der Ausprägung prinzipiell von der lernkultu‐ rell-akkommodativen Ausprägung abzugrenzen ist. 8.6.2 Betrachtung von K2_i15: „Schule & Lernen neu denken“ In den Ausführungen zu Digitalisierung und der (Kultur der) Digitalität wurde nachge‐ zeichnet, wie komplex und langwierig die Perspektiverweiterung von Digitalisierungsa‐ spekten (technische, optimierende Fragen) zu Fragen von Digitalität (soziale und lernkultu‐ relle Fragen) war und ist. So wurde beispielsweise gezeigt, dass die KMK diese Erweiterung selbst erst mit dem Übergang ihrer Strategiepapiere von 2018 zu 2021 vollzogen hat. Auch wurde gezeigt, wie nach wie vor - sowohl bildungspolitisch, aber auch (medien-)didak‐ tisch - technische Veränderungsprozesse Diskurse (mit-)bestimmen und vielleicht auch (mit-)bestimmen müssen. 87 Schließlich wurde diskutiert, wie beide Begriffe, Assimilation und Akkommodation, ihren Teil zu Veränderungsprozessen beitragen. Dementsprechend meint die lernkulturell-akkommodative Ausprägung nicht gleich, dass die eingeordneten Fälle in Gänze eine Kultur der Digitalität fokussieren. Dieser Anspruch scheint nicht nur im Rahmen der Studie unrealistisch, er spiegelt auch nicht das an Piaget angelehnte Verständnis von Assimilation und Akkommodation wider. Eine weite bzw. lernkulturelle Ausprägung digitalitätsbezogener Vorstellungen meint stattdessen, dass die Ausführungen der eingeordneten Interviews nicht hauptsächlich technisch-mediale Überlegungen in den Vordergrund stellen, sondern (auch) Fragen einer veränderten Lern- und Unterrichtskultur im Wechselspiel mit Digitalisierungsprozessen behandeln. Wie bei Stalder (2018, 2021) 88 ist die Argumentationsfigur für die Notwendigkeit struktureller Veränderungen anders als bei der medialen Ausprägung: Die (lern-)kulturelle Veränderung steht im Vordergrund und wird mit Digitalisierungsprozessen verknüpft. Bei der technisch-medialen Ausprägung steht der mediale Wechsel im Vordergrund und wird z. T., wie bei K1_i11, mit veränderten Schul- und Unterrichtsprozessen verknüpft. Welche Relevanz dieser Unterschied der Ar‐ gumentationsrichtung besitzt, wird bei der Diskussion der Typik erläutert. An dieser Stelle 198 8 Qualitative Inhaltsanalyse <?page no="199"?> muss zunächst gezeigt werden, wie sich die lernkulturell-akkommodativ eingeordneten Fälle darstellen. K2_i15 ist das vorletzte aufgezeichnete Interview und fand ca. fünf Monate nach dem im vorigen Kapitel beschriebenen Einzelfall statt. Damit geht einher, dass die befragte Person sich zur Zeit des Interviews in der Situation des Hybridsemesters befand. Ein Unterschied, der sich allerdings nur zum Teil in der Beschreibung der Erfahrungen in den Semestern mit pandemiebedingten Einschränkungen widerspiegelt. An den Stellen, wo die Erfahrungen des Hybridsemesters in den Beschreibungen Eingang finden, wird es als Reflexionsfolie zu den Distanzsemestern genutzt. Auffällig ist dabei, dass die Person, wie auch K1_i11, die Distanzsemester auch positiv bewertet, die Gründe sind hier allerdings andere: […] dieses digitale äh, an dieses digitale Unterrichten, weil das finde ich auch (.) einige Vorteile mit sich gebracht hat […], die ich jetzt so ein bisschen, wo wieder ein paar Kurse ähm in Präsenz stattfinden, tatsächlich ein bisschen vermisse (.) so was wie, äh, ich hab das Gefühl, dass das Arbeiten viel kollaborativer war. Wenn ich jetzt zum Beispiel an Gruppenarbeiten denke, […] wo man jetzt zum Beispiel mit so digitalen Möglichkeiten wie jetzt zum Beispiel Google Docs und Etherpad, nochmal ganz ähm (.) ja, (..) ganz neue digitale Möglichkeiten hatte und auch ganz neue digitalen (.) Methoden kennengelernt hat, die man sonst gar nicht kennengelernt hat, wo man sich gedacht hat: Muss es jetzt echt Corona haben, damit äh (.) wir jetzt diese ganzen digitalen Möglichkeiten haben? (Pos. 2) Das kollaborative Arbeiten steht im Vordergrund des Vergleiches zwischen dem Distanz‐ semester und dem Arbeiten in Präsenz. Dabei ist es nicht überraschend, dass das Thema der Kollaboration positiv mit der Arbeit im digitalen Raum verknüpft wird, ist es doch eines der Kernthemen, welches Onlinearbeit zugeschrieben wird. (vgl. z. B. Jörissen & Marotzki, 2008) Es ist jedoch sehr wohl überraschend, dass die Formen der Kollaboration (hier konkretisiert durch kollaborative Schreibtools) im Hybridsemester „vermisst“ werden. Das gilt doppelt vor der Aussage „Muss es jetzt echt Corona haben […]“. Diese Aussage impliziert, dass es zwar negativ festzuhalten sei, dass erst in Corona diese Möglichkeiten des kollaborativen Arbeitens geschaffen wurden, sie aber zumindest (endlich) eingeführt wurden. Wenn gleichzeitig gesagt wird, dass sie im Hybridsemester vermisst würden, hieße dies, dass die Möglichkeiten aus irgendeinem Grund nicht weiter zur Verfügung standen. Diese Betrachtung überrascht, sind die Möglichkeiten technisch schließlich nicht an den Distanzunterricht gebunden. Es scheint also fast, als hätte es im Hybridsemester in der Erfahrung der befragten Person eine bewusste Entscheidung gegen die Tools des Distanzsemesters gegeben. Die Spezifik des Hybridsemesters im Vergleich zum Distanzsemester wird in der ENA noch systematisch betrachtet. Für das Verständnis des Falls lässt sich an dieser Stelle festhalten, dass die befragte Person ihre unterschiedlichen Erfahrungen anhand der ver‐ schiedenen Phasen der pandemiebedingten Semester bewertet und kritisiert. Mehr noch, in den ersten Aussagen zeigt sich fast eine Entrüstung über die Umstände, die sich im weiteren Verlauf der Aussage fortsetzt: Ich sag mal so, ich werde ja ähm (.) auch Lehrerin und das wird ja auch quasi hier bei der Kultusministerkonferenz 2016: Digitales Zeitalter müssen wir alles ganz viel mehr machen. (.) Und (.) dann ist es verwunderlich, dass es (.) die Universitäten oder auch nicht nur die Universitäten, aber auch die Welt an sich geschafft hat, erst quasi so eine Pandemie gebraucht hat, damit (.) überhaupt 8.6 Vertiefende Einzelfallbeschreibung der Typen 199 <?page no="200"?> mal digitale Möglichkeiten irgendwie ja (..) eingesetzt werden oder da quasi auch mal einen Wandel oder so was gibt. (Pos. 2) Grundsätzlich passt die kritische Haltung gegenüber der wahrgenommenen Ausgangslage der Digitalisierung im deutschen Bildungssystem mit den zahlreichen Herausforderungen zusammen, die öffentlichkeitswirksam angeprangert werden und empirisch wiederholt belegt wurden (vgl. die Einleitung in Kapitel 2). Bezeichnend für den spezifischen Fall K2_i15 ist aber, dass diese Kritik nicht einfach wiederholt, sondern in den Kontext ihrer eigenen Professionalisierung gesetzt wird. Dabei deckt sie die Juxtaposition auf, in der sich Lehrkräfte befinden: „müssen wir alles ganz viel machen“, die Digitalisierung habe also Priorität, aber „erst quasi so eine Pandemie gebraucht“, es sei (vorher) nichts passiert. Verbindet man dies mit der Aussage, die sie zum Hybridsemester trifft, nämlich, dass sie dort die kollaborativen Möglichkeiten, die die Pandemie gebracht habe, vermisse, zeichnet sich ein problematisches Bild: Digitalisierung sei wichtig, aber nicht nur habe es die Pandemie gebraucht, um sie in den Gang zu bringen, die Pandemie hätte in diesem Bereich keine längerfristige Wirkung. Aus der Betrachtung der pandemiebedingten Lernerfahrungen der Semester ergibt sich also die Frage, ob die gerade gegebene Interpretation der Aussagen sich auch im weiteren Verlauf des Interviews abzeichnet. Die Aussagen bieten außerdem einen qualitativen Einblick in die Beziehung der pandemiebedingten Erfahrungen und der Bewertung digitaler Technologien, die im entsprechenden Kapitel der ENA aufgenommen wird. Trotz der Kritik beschreibt die befragte Person ihre Erfahrungen insgesamt als im Rahmen der Umstände positiv (vgl. Pos. 4). So ist ungeachtet der ggf. problematischen Erfahrungen des Hybridsemesters eine vorsichtig optimistische Betrachtung der gemachten Erfahrungen vorherrschend, „Ja, wir schaffen das irgendwie alle schon“ (ebd.). Die im Vergleich zur vorherigen Einzelfallbeschreibung stark heterogenen Erfahrungen während der pandemiebedingten Semester, wie auch der Unterschied zwischen Hybrid- und Distanzlernen, drücken sich im nächsten Abschnitt des Interviews zudem in den eigenen hypothetischen Planungsentscheidungen aus: Die ersten Sachen, die mir wahrscheinlich in den Kopf gehen würden, also das hängt ein bisschen davon ab, ob wir zum Beispiel so zwischendurch so hybride Formen haben oder ob das zum Beispiel komplett digital ist. (Pos. 8) Wie auch bei einigen weiteren Interviews (z. B. K1_i1_F1; K1_i4_F1; K2_i8_F1) wird der Impuls zu einer digital-gestützten Unterrichtsstunde an dieser Stelle als eine Onlinestunde bzw. hybride Unterrichtsstunde interpretiert. Auffällig ist dabei, dass diese Interpretation, wie auch in der überwiegenden Zahl der anderen Interviews im weiteren Verlauf des Interviews nicht konstant bleibt (siehe Anhang). Es liegt nahe, dass die Interpretation des Impulses digital-gestützt an dieser Stelle aufgrund der Studienerfahrungen enger, nämlich als Online- oder Hybridlehre interpretiert wird. Dafür spricht, dass der Frageimpuls direkt an die Ausführungen zu eigenen Erfahrungen anschließt und das Phänomen der unterschiedlichen Interpretation von digital bzw. digital-gestützt zwischen Abschnitt 2 und Abschnitt 3-4 des Leitfadens in zahlreichen Interviews zu beobachten ist (siehe ebd.). Das bietet zumindest einen möglichen Hinweis darauf, warum auch bei Interviews, die in der lernkulturell-akkommodativen Ausprägung eingeordnet sind, der Fokus hier 200 8 Qualitative Inhaltsanalyse <?page no="201"?> noch auf technischen Fragen liegt. Diese Vermutung lässt sich auch durch den weiteren Verlauf der Aussage stützen, in der die befragte Person erneut herausfordernde eigene Erfahrungen - diesmal aus dem Praxissemester - mit antizipierten Herausforderungen des digital-gestützten Unterrichts (verstanden als Hybrid- oder Distanzlernen) verknüpft: Dann so mh (.) noch mehr als äh vorher, wie kriege ich so jetzt mal so ein bisschen Unterricht abseits so, wie kriege ich den Draht so zu den Schülern hin? Was irgendwie so (.) durch dieses Digitale, ähm also zum Beispiel das Praxissemester, viel schwieriger geworden ist. (Pos. 8) Die befragte Person stellt pädagogische (wie stelle ich eine Beziehung zu meinen Schüler*innen her) und im weiteren Verlauf auch didaktische Fragen (welche Methode setze ich ein, welche Arbeitsform möchte ich). Diese werden dann mit den Bedingungen der Digitalität verbunden. Da an der Stelle Digitalität aber vor dem Hintergrund der eigenen problematischen Erfahrungen mit Distanzbzw. Hybridlehre interpretiert wird, werden diese Bedingungen vor allem als zusätzliche Herausforderung verstanden „Das sind ja so Sachen, die man so, ähm, (.) viel mehr planen muss“. Im Anbetracht des zweiten Forschungsinteresses und der Frage nach der Beziehung zwischen pandemiebedingten Erfahrungen und der Bewertung digitaler Technologien muss an dieser Stelle festgehalten werden, dass durch die begriffliche Unschärfe eine Vermischung von ERT (die Erfahrungen, die weitestgehend selbst während der Pandemie gemacht wurden) und digital-gestütztem Unterricht (verstanden als pädagogisch und didaktisch durchgeplante Lehrszenarien unter Einfluss der Bedingungen von Digitalität) auffällt. Eine Mehrdeutigkeit, die sich auch auf die Bewertung digitaler Technologien (negativ) auswirken könnte und in Kapitel 8.7 erneut aufgegriffen wird. Für das erste Forschungsinteresse und im Kontext der Einzelfallbeschreibungen lässt sich in Abschnitt zwei des Interviews zu den eigenen, hypothetischen Planungen einer digital-gestützten Stunde festhalten, dass die unterschiedliche Interpretation und Verwen‐ dung der Begriffe digital und digital-gestützt nicht exklusiv für eine einzelne typische Ausprägung zu sein scheinen. Wie bei den Interviews der medial-akkommodativen Ausprä‐ gung sorgt die spezifische Interpretation des zweiten Abschnittes möglicherweise auch hier für eine stärker technische Antwort auf den Impuls. Das heißt gleichzeitig nicht, dass damit bereits die digitalitätsbezogenen Vorstellungshorizonte der Person abgedeckt wären, wird die Antwort doch explizit unter Eindruck der selbst gemachten, problematischen Erfahrungen formuliert. Das K2_i15, stellvertretend für die lernkulturell-akkommodative Ausprägung, im wei‐ teren Verlauf nicht technische Fragen in den Vordergrund stellt, wird im dritten Abschnitt zu Potenzialen und Herausforderungen sowie der Beziehung zwischen Fremdsprachen‐ lehre und Digitalität besonders deutlich: Hmm, hmm (bejahend) (#6) tja, ja (nuschelt: Fremdsprachen), dass man sich dann quasi auch noch mal mehr fragt, okay (..) ändert sich das Lernen? Wie ändert sich jetzt eigentlich das Lernen? Ich glaube, zum Beispiel, (.) Digitalität hat jetzt auch noch mal mehr gezeigt, so okay, oder zum Beispiel so Fragen aufgeworfen, okay braucht man überhaupt zum Beispiel eine Lehrkraft? Kann das nicht einfach alles so ein so ein Computer machen oder so? Aber wo man ja sagt, okay, zum Beispiel für solche Sachen wie soziale Kompetenz und Kreativität braucht man ja ähm Lehrkräfte ja auch. (Pos. 14) 8.6 Vertiefende Einzelfallbeschreibung der Typen 201 <?page no="202"?> In dem Abschnitt wird insbesondere im Kontrast zur vorherigen Einzelfallbeschreibung deutlich, was weiter oben als andere Argumentationsstruktur beschrieben wurde. Aus‐ gangspunkt der Überlegungen sind Fragen des Lernens: „Ändert sich das Lernen? Wie ändert sich jetzt eigentlich das Lernen? “, die dann mit Aspekten der Digitalität (hier, der Automati‐ sierung) verbunden werden. Das heißt nicht, dass bei dieser Ausprägung technisch-mediale Aspekte keine Rolle spielen würden (hier, der Computer), aber, dass die Art des Lernens im Vordergrund steht und nicht, wie bei der medial-akkommodativen Ausprägung, der technische Fortschritt. Anders ausgedrückt: Eine Akkommodation muss nicht aufgrund der medialen Veränderung, sondern aufgrund der Bedingungen der Digitalität erfolgen. Außergewöhnlich ist außerdem, dass die befragte Person selbst den Begriff Digitalität nutzt, was Vorwissen zu den Ausführungen Stalders vermuten lässt. Allerdings nutzen auch andere Studierende den Begriff Digitalität (K1_i2_F1 und K1_i7_F1), die nicht in die lernkulturell-akkommodative Ausprägung eingeordnet wurden. In diesen Fällen wird Digitalität scheinbar mit digital im Sinne von im digitalen Raum gleichgesetzt. Und auch K2_i15 nutzt den Begriff der Digitalität uneindeutig und nicht notwendigerweise in der in dieser Arbeit aufgestellten Beschreibung, die sich auf Stalders Ausführungen stützt. Die begriffliche Uneindeutigkeit betrifft also nicht nur digital, digital-gestützt und Digitalisierung, sondern scheinbar auch den Begriff der Digitalität selbst. Nichtsdestotrotz ist dessen Verwendung, insbesondere wie hier im Zusammenhang mit Automatisierung und damit einer der erarbeiteten Perspektivlinien, außergewöhnlich und in dieser Kombination bezeichnend für das Interview und die Ausprägung. Die in dem Zitat angelegte Argumentationsstruktur einer lernkulturellen Veränderung in Beziehung zu Aspekten der Digitalität wird im weiteren Verlauf darüber hinaus auch fachlich spezifiziert: Dass quasi auch noch mal so ganz neue Methoden oder sich quasi das Lernen von Fremdsprachen in der Hinsicht ge= ähm, verändert hat, dass (.) ganz andere Sachen wichtig werden, habe ich das Gefühl. Also mehr zum Beispiel wirklich dieses flüssige Reden, dass man jetzt zum Beispiel (.) weniger als zum Beispiel zu meiner Schulzeit solche Grammatikübungen macht. (Pos. 14) Zwar ließe sich die Aussage dahingehend kritisieren, dass sie oberflächlich bleibt (welche neuen Methoden, warum flüssiges Reden, wie soll flüssiges Reden gefördert werden, warum weniger Grammatik), dabei sollte allerdings der Kontext der Aussage betrachtet werden. Die Antwort, wie auch alle anderen Antworten der Interviews entstanden nicht etwa im Rahmen einer Verschriftlichung oder mündlichen Prüfung, auf die sich ausführlich vorbereitet wurde. Stattdessen bilden sie spontane Assoziationsketten ab, die auf Frageim‐ pulse erfolgen, die für die Studierenden zuvor unbekannt waren. Ungeachtet der Einord‐ nung in eine der vier Ausprägungen is also keineswegs eine vollständige oder bis ins Detail differenzierte Antwort erwartbar. Betrachtet man die Passage unter diesem Gesichtspunkt, ist es bemerkenswert, wie gut die Ausführungen zu den Diskussionspunkten des Kapitels zur Fremdsprachendidaktik und Digitalität passen (vgl. Kapitel 2.3). Das heißt nicht, dass diese Art von Antworten per se besser oder schlechter wären, aber dass sie ein weites Verständnis von Digitalität vermuten lassen, wie es auch in der Fremdsprachendidaktik zunehmend vertreten wird. 202 8 Qualitative Inhaltsanalyse <?page no="203"?> Der Eindruck aus den Bereichen 1-3 des Interviews einer digitalitätsbezogenen Vorstel‐ lung, die Fragen des Lernens in den Vordergrund rückt und verschiedenste Aspekte von Digitalisierung und Digitalität berücksichtigt, führt sich auch in den Ausführungen zur hypothetischen Zukunft fort (vgl. insb. Pos. 20 und Pos. 24). Nicht nur sind die Antworten wesentlich länger als in den anderen Ausprägungen, insbesondere der medial-assimilativen Ausprägung, auch werden deutlich mehr Bereiche angesprochen, die sich von einer medialen Fokussierung lösen (bspw. Automatisierung und Entgrenzung). Das heißt nicht, dass technologische Entwicklungen keine Rolle spielen würden, aber dass sie vor dem Hintergrund einer Veränderung von Lern- und Unterrichtsprozessen stehen: […] glaube wahrscheinlich so alle Sachen, die wahrscheinlich von einer Maschine übernommen werden können, wahrscheinlich von der Schule= ähm, von der Maschine übernommen werden. Also sowas wie automatisiertes Feedback […] und sowas einfach auf Seiten der Lehrkraft, also solche Sachen, die Maschinen nicht machen können, sowas einfach viel, viel wichtiger ist und quasi das glaube ich auch, so ähm (.) ein Wunsch oder eine Vorstellung für die Zukunft, dass (.) […] man mal mehr Zeit hat, sich mit den Schülern auch wirklich zu beschäftigen, mit den Schülern zu reden, dass solche Sachen (.) ja viel wichtiger wären. (Pos. 20) Nicht nur werden erneut die Aspekte der Automatisierung und dessen Wechselwirkung mit Unterrichtsprozessen aufgegriffen, auch wird technologische Entwicklung erneut mit pädagogischen Tätigkeiten verbunden, „sich mit den Schülern auch wirklich zu beschäftigen“. Hier knüpft die befragte Person direkt an die Ausführungen aus Pos. 8 an und stellt erneut die soziale Interaktion in den Mittelpunkt. Technologische Entwicklungen erlauben nicht nur effizienteres Lernen, sie ermöglichen in der Vorstellung auch das Priorisieren der pädagogischen Tätigkeit im Verhältnis zwischen der Lehrperson und den Lernenden. Auch wenn in den Ausführungen zu K2_i15 bis zu diesem Punkt die Kontinuitäten betont wurden, die die Einordnung des Interviews in eine lernkulturell-akkommodativen Ausprägung rechtfertigen, heißt das nicht, dass sich die befragte Person ausschließlich zu lernkulturellen und strukturverändernden Aspekten äußern würde. Auch in diesem Inter‐ view lassen sich Aussagen finden, bei denen vor allem eine technisch-mediale Veränderung im Vordergrund steht: Ja, ich glaube, also dann wären halt auch alle super halt ausgestattet, dann hätten al=alle alle digitalen Möglichkeiten und ähm man könnte halt auch viel mehr mit überhaupt irgendwelchen, zum Beispiel auch mit irgendwelchen Methoden arbeiten, die vielleicht Geld kosten. (Pos. 24) Ausschlaggebend für die Einordnung ist aber nicht, dass die Interviews durchgehend den Ausführungen zur Digitalisierung und Digitalität aus Kapitel 2 entsprechen, also Stalder in seiner Reinform wiedergeben. Eine solche Darstellung hätte nichts mit den angestrebten „natürlichen Typen“ (Kuckartz, 2018, S. 150-151) zu tun und ist, wie bei der vorherigen Ausprägung beschrieben, nicht mit der Anlehnung an Piaget zu vereinbaren. Es geht bei der Einordnung in die Ausprägungen digitalitätsbezogener Vorstellungen stattdessen um die Frage, wie weit und in welcher Form Digitalisierung und Digitalität gedacht werden. Und genau hier zeigt sich, dass K2_i15, insbesondere im Kontrast zu den anderen Ausprägungen wiederholt lernkulturelle Aspekte in den Vordergrund stellt und über grundlegende Veränderung von Schul- und Unterrichtsprozessen nachdenkt. 8.6 Vertiefende Einzelfallbeschreibung der Typen 203 <?page no="204"?> Von den insgesamt fünf Interviews, die in die lernkulturell-akkommodative Ausprägung eingeordnet werden konnten, hebt K2_i15 die beschriebenen Aspekte am deutlichsten hervor. Ungeachtet der leichten Unterschiede liegt aber die Gemeinsamkeit in der wieder‐ holt beschriebenen argumentativen Grundausrichtung bei der Betrachtung von Digitali‐ sierung und Digitalität. So nutzt K2_i10, die ebenfalls in die lernkulturell-akkommodative Ausprägung eingeordnet wurde, zwar nicht den Begriff der Digitalität und geht außerdem nicht auf den Aspekt der Automatisierung ein, aber auch hier zeigen sich wiederholt Überlegungen zur Veränderung von Lern- und Unterrichtsprozessen, die dann mit techno‐ logischen Entwicklungen verknüpft werden: Also ich würdealso mein idealer Unterricht würde ähm sehr kommunikativ sein. Das heißt, ich würde mir ähm (..) eine reale Kommunikation auch, wie gesagt zwischen ähm zwischen zum Beispiel Schülern vorstellen, die ähm Deutschland, England zum Beispiel, äh dass das äh einfach per per Video funktioniert, dass man das im Unterricht auch einbauen kann. (K2_i10_F2, Pos. 19) Ähnlich wie bei K2_i15 steht zunächst die Vorstellung einer Art von Unterricht (hier als „sehr kommunikativ“), die sich (auch) aus einer Vorstellung zu Digitalisierung und Digitalität speist (Grammatik wird durch technologische Entwicklung ggf. weniger wichtig, interkulturelle Kommunikation im Zuge der Globalisierung wichtiger). Davon ausgehend wird überlegt, wie sich diese Entwicklung mit Aspekten der Digitalisierung verknüpfen lässt. Wie für alle Ausprägungen gilt auch hier, dass der Typ nur zum Teil mit der Betrachtung interner Homogenität zu erläutern ist und es auch die externe Heterogenität, also die Abgrenzung von den anderen Typen braucht. Diese Abgrenzung wird insbesondere im Vergleich zum nächsten Prototyp deutlich. Hier zeigt sich auch der größte Kontrast innerhalb der Typik (lernkulturell-akkommodativ zu medial-assimilativ). 8.6.3 Betrachtung von K2_i9: „Tablet statt Schulbuch“ K2_i9 ist mit nur 12: 56 Minuten das mit Abstand kürzeste Interview in der Hauptstudie. Zwar sagt die Länge der Antworten allein nicht unbedingt etwas über die Ausprägung der digitalitätsbezogenen Vorstellung aus, bei der genauen Betrachtung der vier Bereiche des Interviews wird aber deutlich, wie sich diese Metrik in den inhaltlichen Kontrast zur lernkulturell-akkommodativen Ausprägung, der Ausprägung mit einigen der längsten Interviews, einfügt. Auch K2_i9 befindet sich zum Zeitpunkt des Interviews (09.11.2021) als Student*in im Hybridsemester. Während K2_i15, deren Interview nur zwei Wochen später erhoben wurde, das Hybridsemester bei der Beschreibung ihrer Erfahrungen aber aktiv reflektiert und problematisiert, spielt es in den Ausführungen von K2_i9 keine vordergründige Rolle. Insgesamt sind die Ausführungen zu den eigenen Erfahrungen knapp und geben kaum Einblick in das Erleben: Manchmal mit dem Internet war das halt schwierig, weil bei mir hier im Haus ist das Internet nicht so stabil, aber ähm sonst war das eigentlich ganz gut, also es hat funktioniert. (Pos. 2) Im Vergleich zu dem Interview der vorherigen Ausprägung, in dem Lernformate und Me‐ thoden thematisiert und problematisiert wurden, beschreibt K1_i9 die Erfahrungen wenig 204 8 Qualitative Inhaltsanalyse <?page no="205"?> 89 An dieser Stelle ist die Möglichkeit nicht zu ignorieren, dass die befragte Person mit der Aussage, es sei alles normal nur bezweckt, nicht tiefergehend auf die Frage eingehen zu müssen. So ist es vorstellbar, dass sie, egal aus welchem Grund, keine weiteren Informationen zu ihrem Erleben teilen wollte. Diese Möglichkeit (und was unternommen wurde, um dessen Wahrscheinlichkeit so gering wie möglich zu halten, wird in den Limitationen aufgegriffen (siehe Kapitel-8.8). informativ als „ganz gut“. Die einzige Begründung bezieht sich darauf, dass es „funktioniert“ habe. Leider wird an der Stelle nicht genauer ausgeführt, was mit „funktioniert“ gemeint ist, also ob das Internet ausreichend stabil war, ob die Kurse absolviert werden konnten oder ob die Lernprozesse (im eigenen Empfinden) angestoßen wurden. Wie im weiteren Verlauf des Interviews noch deutlicher werden wird, scheint sich die Aussage aber vor allem darauf zu beziehen, dass auch (selbst) im digitalen Semester weiter studiert werden konnte, also Credit Points erworben und Kurse abgeschlossen werden konnten. Auch auf die ergänzende Frage, ob in der gesamten bisherigen Zeit unter Pandemie‐ bedingungen etwas Bestimmtes in Erinnerung geblieben sei, wird kaum bis gar nicht eingegangen: „Es war alles normal, also es ist nichts aufgefallen“ (Pos. 4). Trotzdem ist diese kurze Aussage interessant für die weitere Interpretation des Falls. Die Selbstverständlich‐ keit, die sich in der Abwesenheit jeglicher Begründung oder Einleitung zur Aussage „Es war alles normal“ ausdrückt, steht im starken Kontrast zu der Disruption des Bildungssystems, die der Covid-19-Pandemie zugeschrieben wird (vgl. z. B. Lütge & Merse, 2021; Reintjes et al., 2021; Steiniger, 2020). Es stellt sich also die Frage, wieso die Person im Kontrast zu dem allgemeinen Diskurs die Lehre während Corona als „normal“ wahrgenommen hat und wieso diese Aussage für sie so selbstverständlich scheint. Ein Hinweis dafür findet sich in den Vorstellungen von digitaler Lehre und noch allgemeiner zu Digitalisierung und Digitalität, die im weiteren Verlauf deutlich werden. Wie zeigt sich in den Abschnitten 2-4 des Leitfadens also, dass die pandemiebedingten Erfahrungen nicht wie im vorherigen Einzelfall diskutiert und reflektiert, sondern normalisiert werden? 89 Einen ersten Eindruck dafür gibt die Betrachtung des Impulses zu den Planungsschritten einer eigenen, hypothetischen Lehrveranstaltung in Abschnitt zwei: Als erstes, ob man die (..) benötigten Medien da hat. Also, ob dann da ein Computer ist oder ob man seinen eigenen mitbringen müsste. Ob man stabiles Internet hat, da an der Schule, wo man ist. Ähm. ob man= ja generell das Medien, ob man das projizieren kann auf eine Leinwand oder ob man extra in den Computerraum dafür gehen muss. Sowas zum Beispiel. (Pos. 10) Zunächst lässt sich eine Ähnlichkeit zwischen der Aussage von K2_i9 und den vorherigen Fällen darin festhalten, dass als Erstes die technischen Grundlagen fokussiert werden. Daran scheint zunächst nichts Ungewöhnliches, wenn man bedenkt, wie uneindeutig der Impuls zu digitalen bzw. digital-gestützten Stunden interpretiert zu werden scheint. Das heißt, es liegt nahe, dass zunächst die Ausgangssituation etabliert werden muss. Ein weiterer Grund dafür könnte, wie auch in der vorherigen Beschreibung spekuliert wurde, in der Nähe der Frage zu den eigenen beschriebenen Erfahrungen während der pandemiebedingten Semester liegen. Dort hatte sich gezeigt, dass Verfügbarkeit grundle‐ gender Infrastruktur nicht selbstverständlich ist. Diese Einschätzung passt außerdem zu der bereits besprochenen öffentlich-medial diskutierten und empirisch nachgezeichneten infrastrukturellen Situation an Schulen. 8.6 Vertiefende Einzelfallbeschreibung der Typen 205 <?page no="206"?> Während K2_i15 als Beispiel für eine lernkulturell-akkommodative Ausprägung im Anschluss an die Rahmensetzung (hybrid oder online) didaktische Fragen in den Mit‐ telpunkt rückt, beschränkt sich die Antwort von K2_i9 vollständig auf die Frage der verfügbaren Medien. Die Überlegung bleibt an dieser Stelle also „Muss ich in den Compu‐ terraum? “ und erstreckt sich nicht darauf, wie die Unterrichtsstunde eigentlich aussehen würde. Eine didaktische Planung bzw. didaktische Fragen werden auf den Impuls zur hypothetischen Stundenplanung nicht bearbeitet. Betrachtet man den gegebenen Impuls wörtlich: „was wären Fragen, die sich Ihnen stellen würden? “, zeigt sich, dass Fragen zu Inhalt und Ausgestaltung digital-gestützter Stunden hier gänzlich vor den Fragen, welches Medium zu verwenden sei und wie Zugang zu dem Medium hergestellt werden könnte, zurücktreten. Es wäre an dieser Stelle ein Kurzschluss aus dem, was nicht gesagt wurde, direkt abzuleiten, wie weit der Vorstellungshorizont bezüglich Digitalisierung und Digitalität der befragten Person reicht. Es gibt aber zumindest erste Hinweise, die sich im weiteren Verlauf des Interviews mehrfach wiederholen werden: Die Frage nach digital bzw. digital-gestützt wird als technisch-mediale Frage ausgehandelt und wird, wie gerade im weiteren Verlauf zu beobachten, in den der interviewten Person bereits bekannten Schulkontext eingeordnet („Geht man in den Computerraum? “). Der Eindruck verdichtet sich, wenn man in Abschnitt drei des Leitfadens die Antworten auf den Impuls zur Beziehung zwischen Digitalisierung, Digitalität und Fremdsprachen‐ lehre betrachtet: (6) hm (.) ich würde sagen, dass im Fremdsprachenunterricht durch die entsprechenden Videos, die man zeigen könnte, die Fremdsprach (unv.) Unterricht nähergebracht werden könnte und ähm ja auch allgemein durch Youtube zum Beispiel […]. (Pos. 16) Bereits die ausgeprägte Pause zu Beginn der Antwort gibt einen ersten Hinweis darauf, dass es der befragten Person schwerfällt eine spontane Assoziation zu formulieren. Das schließlich gegebene Beispiel bleibt vage (Fremdsprachen werden durch Videos „näherge‐ bracht“), ist aber an sich nicht abwegig. So ist der einfache Zugang zu authentischem Sprachmaterial nicht nur für die Interviews ein überaus präsentes Thema, sondern auch im medien- und fachdidaktischen Diskurs der letzten Jahrzehnte wiederholt betont worden (siehe Kapitel 2.3). Bezeichnend für den Fall ist allerdings, dass die Antwort weder inhaltlich noch didaktisch - selbst auf explizite Nachfrage (vgl. Pos. 17) - ausdifferenziert wird. Stattdessen wird auf den Medienbegriff zurückgegriffen: (6) [L]assen Sie mich kurz überlegen (6), ich glaube, ich (.) als ähm Lehrerin würde (.) vermutlich, also, wenn es die Schule und alles zulässt auch viele Medien benutzen um, wie schon vorher gesagt, das den Schülerinnen und Schülern näher zu bringen. (.) Und, ähm (…) (unv.) ich bin mir da nicht genau sicher. (Pos. 18) Erneut fällt auf, dass eine spontane Formulierung von Assoziationen schwerzufallen scheint. Nicht nur werden die Aussagen auch hier durch mehrere längere Pausen unter‐ brochen, die Schwierigkeit wird explizit verbalisiert („lassen sie mich kurz überlegen“ „ich bin mir da nicht genau sicher“). Auch bleibt die Antwort auf Ebene der Mediennutzung und 206 8 Qualitative Inhaltsanalyse <?page no="207"?> wird trotz der Bitte um Explikation noch ungenauer. An dieser Stelle wird das Medium nicht einmal mehr benannt, sondern lediglich der Begriff Medien verwendet. Ein weiterer, für die Einordnung ausschlaggebender Aspekt, findet sich in der Formu‐ lierung „also, wenn es die Schule und alles zulässt“. Es ist vorstellbar, dass hier mit dem „und alles“ schulinterne Strukturen wie der Lehrplan und das Curriculum, das Kollegium oder die Ausbildungslehrer*innen gemeint sind. Unabhängig von der genauen Interpretation aber wird der Schule die Entscheidungshoheit über die Umsetzung zugesprochen: Die Schule entscheidet, ob und wieweit Digitalisierung (verstanden als medialer Wandel) umgesetzt oder eben aus der Schulpraxis exkludiert wird. In der Dimension Assimilation/ Akkommodation unterscheidet sich das Interview hier also grundlegend, sowohl von der ersten Einzelfallbeschreibung („Ich gehe davon aus, dass das die Zukunft ist“ K1_i12_F1, Pos. 26) als auch von der zweiten Einzelfallbeschreibung („[…] glaube wahrscheinlich so alle Sachen, die wahrscheinlich von einer Maschine übernommen werden können, wahrscheinlich von der Schule= ähm, von der Maschine übernommen werden“ K2_i15_F1, Pos. 20). Abschnitt drei zeigt damit, dass die Differenz zwischen K2_i9 und den vorherigen Fällen nicht nur in dem auffällig wird, was nicht gesagt wird, sondern auch in dem was und wie etwas ausgedrückt wird. Diese Feststellung kumuliert in den Abschnitten in Bereich vier, die zugleich das namensgebende Zitat für die Ausprägung enthalten. Auf die Frage, wie die Person sich die Zukunft ihres Berufes vorstellt, reagiert diese abermals mit einem (ausschließlich) medialen Fokus. Erneut sind es aber die Feinheiten der Formulierung, die zusätzlichen Aufschluss über die Ausprägung der digitalitätsbezogenen Vorstellung geben können: (5) Also die könnte ich mir so vorstellen, dass es in gegebener Zukunft so ist, dass die Schülerinnen und Schüler ihr iPad alle haben beispielsweise und dass man dann quasi nichts mehr handschriftlich schreibt, sondern alles per iPad. Und ähm, dass das alles nur noch über das Internet und über die Medien geht und weniger über (.) das Normale sag ich mal, das Handschriftliche. Ja. (Pos. 20) Während bis zu diesem Punkt vor allem argumentiert wurde, dass die befragte Person die Fragen nach Digitalisierung und Digitalität auf eine mediale Frage beschränkt, wird hier auch deutlich, wie Medien selbst verstanden werden. Wie in Kapitel 2.1 diskutiert wurde, ist der Medienbegriff keineswegs eindeutig und kann ähnlich different aufgefasst werden wie der Digitalisierungsbegriff. So kann ein Medium nicht nur ein Werkzeug zur „Weltaneignung“ (Hischer, 2016, S.-3) meinen, sondern auch das „Resevoir menschlicher Kultur“ (Schorb, 2022, S. 45) bezeichnen. Medien sind außerdem nicht ausschließlich als veräußerter, stofflicher Gegenstand zu sehen, sondern können im Verständnis der Medienpädagogik in das Denken und Handeln eines Subjekts eingebettet sein (ebd., S. 44). So sieht Hischer, in seinem Verständnis des Mediums als Werkzeug zur Weltaneignung, beispielsweise die Mathematik als Medium an (2016, S.-3). Vor diesem Hintergrund zeigt sich in dem Zitat von K2_i9 eine doppelte Verengung des Medienverständnisses. Nicht nur ist mit Medium ein stofflicher Gegenstand gemeint („über das Internet und über die Medien“), Medien scheinen auch ausschließlich digitale Medien zu meinen. So wird der Medienbegriff hier dem „Normalen“, nämlich dem Handschriftlichen gegenübergestellt. Über das Medium gehen scheint an dieser Stelle also zu heißen, dass etwas (das 8.6 Vertiefende Einzelfallbeschreibung der Typen 207 <?page no="208"?> Schreiben) über die Verwendung des iPads anstelle des „Normalen“ (beispielsweise unter Verwendung von Stift und Heft) funktioniert. Genau diese Vorstellung ist die erste (und einzige) mit der auf die Frage zur Zukunft fremdsprachlichen Unterrichts geantwortet wird, weswegen sie auch für die Bezeichnung der Ausprägung verwendet wird: Die gleiche Tätigkeit (das Schreiben) wird anstelle eines analogen Mediums über ein digitales Medium ausgeführt. Das bereits in der ISQIA als BdP markierte Zitat ist damit als exemplarisch für die typische Ausprägung medial-assimilativ zu sehen und fasst den Kern dieses, aber auch der anderen eingeordneten Interviews zusammen. So drückt sich auch in den anderen Inter‐ views der medial-assimilativen Ausprägung das spezifische, doppelt-verengte Verständnis von Medien aus: […] Unterricht, wo nicht 30 Medien eingesetzt werden, sondern ich weiß nicht, ein Arbeitsblatt. […] Mal würde ich, weiß ich nicht, den Computer einsetzen, mal den Fernseher, weiß ich nicht (..) unterschiedlich. (K1_i1_F1, Pos. 30) Auch hier ist das Medium ein stofflicher Gegenstand. Dabei gelten analoge Medien (das Arbeitsblatt) nicht als Medium, sondern ausschließlich digitale Endgeräte (Computer, Fernsehen) werden als solches verstanden. In diesem Verständnis könnte auch ein Grund für die Vorstellung von Digitalisierung und Digitalität als medialer Prozess liegen: Medien sind in dem Verständnis digital, dementsprechend ist ihr Einsatz auch ein Digitalisierungsbzw. ein Signalumwandlungsprozess. Wenn man Medien verwendet, digitalisiert man in diesem Verständnis den Unterricht. Auch wird in weiteren Interviews, genau wie in der Einzelfallbeschreibung, die Deutungshoheit deutlich, die Schule zugesprochen wird: „[…] dass wir Lehrer uns immer weiter entwickeln und dass wir den Unterricht digital und so normal gestalten können“ (K1_i15_F2, Pos. 24). Es gibt digitalen und „normalen“ Unterricht. Auch wenn das digitale mit der Formulierung „weiterentwickeln“ positiv besetzt wird, soll dabei das „Normale“, also der analoge Unterricht mit dem „Arbeitsblatt“, nicht verdrängt werden. Die Digitalisierung, verstanden als der Einsatz (digitaler) Medien wird in der Vorstellung in den „normalen“ Unterricht assimiliert. Im letzten Abschnitt und im Vergleich mit den anderen Interviews der gleichen Ausprä‐ gung wird auch deutlich, wieso bzw. was gemeint ist, wenn K2_i9 die Corona-Semester als normal bezeichnet. Die Veranstaltungen wurden im Verständnis von K2_i9 digitalisiert, fanden also mit bzw. durch ein digitales Medium statt. Der Lernprozess selbst wurde aber ohne strukturelle Veränderung in das normale Lernen assimiliert. Das normale und funktionierende Semester unter Pandemiebedingungen würde in diesem Sinne also meinen, dass die vor der Pandemie bestehenden Strukturen so weit aufrechtgehalten werden konnten, dass das Studium weitergeführt werden konnte. Eine solche Interpretation der Semester unter Bedingungen der Pandemie ist wiederum nur aufrechtzuerhalten, wenn das Digitale oder Digitalisierte als etwas verstanden wird, dass technisch (nahtlos) in bisherige Strukturen assimiliert werden kann (oder in dem Fall muss), perspektivisch aber auch wieder exkludiert werden kann. 208 8 Qualitative Inhaltsanalyse <?page no="209"?> 8.6.4 Betrachtung von K1_i7: „Neue Kultur, alte Schule? “ Die letzte typische Ausprägung und damit auch die letzte Einzelfallbeschreibung ist die vielleicht überraschendste der vier. So könnte es als intuitiver angesehen werden, dass Fälle, bei denen - vereinfacht gesprochen - ein weites und offenes Verständnis von Digitalisierung und Digitalität deutlich wird (lernkulturell-akkommodative Ausprägung) auch entsprechende Argumente für strukturelle Veränderungen in den Vordergrund rücken. Genauso mag es naheliegen, dass Fälle, bei denen ein sehr enges Bild von Digi‐ talisierung und Digitalität deutlich wird, diese als Prozess verstehen, der in vermeintlich normale schulische Praxis integriert (oder auch exkludiert) werden kann. Wie auch die medial-akkommodative Ausprägung braucht aber die letzte Einzelfallbeschreibung, die der lernkulturell-assimilativen Ausprägung zuzuordnen ist, ggf. eine stärkere Rahmung. Dadurch, dass die lernkulturell-assimilative Ausprägung als letztes vorgestellt wird, lässt sich für diese Rahmung besonders gut auf die Kontraste zu den vorherigen Einzelfallbe‐ schreibungen zurückgreifen. So wird in den folgenden Interviews deutlich, dass sich ein Kontrast zu der akkommodativ geprägten Vorstellung von K1_i11 und K2_i15 bilden lässt und auch ein Kontrast zur medial geprägten Vorstellung von K1_i11 und K2_i9. Wie bei allen Ausprägungen gilt aber auch hier, dass nur die Heterogenität zu anderen Ausprägungen und die Homogenität innerhalb der Ausprägung zusammen die Typik rechtfertigen. So wird im weiteren Verlauf neben den Kontrasten auch die Spezifik der Ausprägung aufgezeigt. Anders als in den beiden vorherigen Einzelfallbeschreibungen befand sich K1_i7 zur Zeit des Interviews (07.06.2021) noch im Onlinesemester. Trotzdem eröffnet die befragte Person, ähnlich wie K2_i15, einen Unterschied in den Erfahrungen der einzelnen Semester unter den Pandemiebedingungen. Ähm, also ich würde sagen, wir sind ja jetzt im dritten digitalen Semester mittlerweile, dass man an der Uni eine deutliche Steigerung sieht in den Seminaren vom ersten Corona Semester natürlich, wo alles dann urplötzlich auf digital umsteigen musste zu jetzt […] ich glaube, dass viele Leute einfach gelernt haben, die ähm Medien zu nutzten und auszuschöpfen so ein bisschen. (Pos. 2) In der Aussage wird implizit dem Charakter der ersten Semester als ERT „wo man alles dann urplötzlich auf digital umsteigen musste“ Rechnung getragen. So habe sich die Qualität der Lehrveranstaltungen dadurch, „dass viele Leute gelernt haben, die Medien zu nutzen“ bis zum Punkt des Interviews verbessert. Auch bei K1_i7 scheint damit ein Verständnis im Vordergrund zu stehen, das Medien als Werkzeug beschreibt. Anders als in der vorherigen Beschreibung sind hier aber auch nicht stoffliche Dinge einbezogen, etwa Zoom bzw. video conferencing auf das sich die Lehre des Onlinesemesters verlassen musste. Im weiteren Verlauf der Erfahrungsbeschreibungen wird außerdem ausdifferen‐ ziert, was mit „auszuschöpfen“ gemeint ist. Dabei wird die didaktische Aufbereitung, aber auch die Veränderung von Arbeitsformen und bessere Kommunikation hervorgehoben (vgl. Pos. 4). Anders als bei der vorherigen Einzelfallbeschreibungen erstrecken sich die pandemie‐ bedingten Erfahrungen bei K1_i7 auch direkt in den zweiten Bereich des Leitfadens und die eigene Unterrichtsplanung. Hier wird auf die Erfahrungen des (Online-)Praxissemesters verwiesen, die entsprechend die eigenen Planungsfragen prägen. 8.6 Vertiefende Einzelfallbeschreibung der Typen 209 <?page no="210"?> 90 Gerade in Pos. 40 zeigt sich dabei, wie das Digitale, verstanden als Onlineunterricht, eine Einschrän‐ kung bedingt und gleichzeitig auch genutzt wird, um mit der Einschränkung umzugehen. So werden beispielsweise Apps verwendet, die das Tafelbild simulieren, um das Fehlen einer Tafel im Onlineunterricht zu substituieren. In dem Fall stützt das Digitale also die Aufrechterhaltung des Präsenzunterrichts im digitalen Raum, was eine völlig andere Begriffsinterpretation von digital-ge‐ stützt impliziert, als es ursprünglich intendiert war (Präsenzunterricht, der durch Bedingungen der Digitalität geprägt, aber auch von diesen informiert ist und unterstützt wird). Zur Diskussion der Ambivalenz der Impulse siehe Kapitel-8.8. Die ersten Fragen, die sich gestellt haben, waren einfach, wie vermittle ich den Lernstoff, den ich normalerweise in Präsenz vermittelt hätte, online, weil das schränkt ja doch so ein bisschen ein, gerade bei den Kleineren. Wie kann ich das umsetzten, dass es trotzdem aktiv bleibt und dass nicht ein reines Fragespiel zwischen mir und den Schüler*innen bleibt, […] Das war immer so die erste Sache, die man bei der Planung, glaube ich, beachten musste. Ähm (.) ja und da haben halt vielfach auch so Apps geholfen, ähm, das heißt das war auch sowas, was ich mir mal angeguckt habe, inwiefern kann ich jetzt Apps miteinbinden. (Pos. 12) In dem Zitat zeigt sich ein Phänomen, welches bereits in der ISQIA als auffällig hervorge‐ hoben wurde. Der Impuls wird als Onlineunterricht interpretiert, der die Lehrtätigkeit (im Vergleich zur Präsenzstunde) erschwert: „das schränkt ja doch so ein bisschen ein“, „dass es trotzdem aktiv bleibt“. Das Digitale erhält hier eine negative Dimension (akti‐ vierender Unterricht trotz des Digitalen 90 ), während das Digitale im weiteren Verlauf positiv gewendet wird (aktivierender Unterricht dank des Digitalen). Abhängig scheint diese Zuordnung von dem, wie das Digitale, das Digital-Gestützte oder das Digitalisierte interpretiert wird; als ERT oder als Präsenzunterricht mit digitalen Medien bzw. unter Bedingungen der Digitalität. Eine Erkenntnis, die besonders für die Diskussion des zweiten Forschungsinteresses bezüglich der Bewertung digitaler Technologien erneute Relevanz beweisen wird. Für die Einzelfallbeschreibung ist festzuhalten, dass die befragte Person das Digitale in der schulischen Praxis als herausfordernd wahrgenommen hat und dies zum Zeitpunkt der Befragung ihre Interpretation darüber, was das Digitale ist, wie auch ihre Unterrichtsplanung zu beeinflussen scheint. Mit dem Übergang zum dritten Teil des Interviews und den Überlegungen zur Beziehung von Fremdsprachenunterricht und Digitalisierung und Digitalität findet der angekündigte positive Shift in der Bewertung von Digitalisierung bzw. des Digitalen statt. Dieses wird auch nicht mehr als Onlineunterricht interpretiert, sondern zunächst als Präsenzunterricht mit digitalen Medien: (…) Ähm, die Digitalisierung für Fremdsprachen, die bietet eindeutig Chancen meines Erachtens nach, […] gerade, wenn ich mit Tablets oder so arbeite, kann ich auch einfach Wörter oder können die Kinder sich selber Wörter anhören und wissen: okay, ich spreche das so und so aus. (Pos. 24) Zu betonen ist im Kontrast zur medial-assimilativen Ausprägung an der Interviewstelle, dass sowohl Digitalisierungsverständnis als auch die Rolle von Medien im Laufe der Aussage weiter geöffnet werden: Ähm, einer meiner Englischlehrer hat zum Beispiel auf Twitter oder so von seinen Schülern Tweets hochgestellt und haben= die haben daraus aus Amerika Antworten gekriegt. Also die haben dann 210 8 Qualitative Inhaltsanalyse <?page no="211"?> direkt, so wie so ähm Kontext gehabt, dass sie sich mit Jugendlichen in Amerika ausgetauscht haben. […] Ja und ich glaube, dadurch ist halt die Digitalisierung löst so ein bisschen die Grenzen auf und erlaubt einfach, dass man viel mehr eine Spracherfahrung hat, die nicht konstruiert ist, sondern der Wirklichkeit entsprechend. Das ist ja doch wichtig in Sprachen. (Pos. 24) Twitter wird hier als Medium der Kommunikation beschrieben, dass einen für die Bedin‐ gungen Digitalität bezeichnenden Moment der (zeitlich-räumlichen) Entgrenzung ermög‐ licht. Die Entgrenzung wird dabei auf eine typisch fremdsprachendidaktische Zielsetzung bezogen: das Erzeugen von authentischen, kommunikativen Situationen (Surkamp, 2017, S. 12). Während der Anfang von Pos. 24 also auch der medial-assimilativen Ausprägung zugeordnet werden könnte, zeigt die befragte Person in ihren weiteren Überlegungen eine Vorstellung der Beziehung von Fremdsprachenunterricht und Digitalität, die über die zuvor beschriebene technische Substitution hinausgeht. Es werden nicht nur technisch-mediale Fragen, sondern eines der konstitutiven Elemente der Digitalität reflektiert und auf den fachlichen Kontext bezogen. An dem Zitat zeigt sich außerdem, wie die dekontextualisierte Betrachtung der ISQIA von der Vertiefung der Typenbildung profitieren kann. Bei der Strukturierung wurde darauf hingewiesen, wie bei den fachspezifischen Potenzialen der Zugang zu authentischem Sprachmaterial eine von lediglich drei genannten Kategorien war. Auch dieses Zitat ließe sich dieser Kategorie zuordnen. Gerade unter der kontrastiven Betrachtungsweise wird aber deutlich, dass diese Art des authentischen Materials einen ganz anderen Bereich skizziert als beispielsweise der Zugang zu Videos oder zu englischsprachiger Musik. Das Interviewmaterial ist also (zu mindestens in diesem Fall) wesentlich vielfältiger, als es die einfache Codierung allein anzeigen kann. Abschnitt drei zeigt exemplarisch, wieso K1_i7 nicht in die mediale Ausprägung ein‐ geordnet wurde. Zwar stellt die befragte Person auch hier wiederholt Überlegungen zu Digitalisierung im engeren Sinne an, der Vorstellungshorizont reicht aber auch weiter. So meinen Medien auch Tablets und interaktive Whiteboards, so können für Überlegungen zu den Bedingungen der Digitalität auch technologische Fragen beantwortet werden, eine doppelte Verengung besteht aber erst, wenn an diese Fragen keine weiteren Überlegungen anschließen (können). Wenn doch aber weitreichende Überlegungen zur Veränderung von Schul- und Lernkontexten möglich zu sein scheinen, wieso ist K1_i7 nicht in der lernkul‐ turell-akkommodativen Ausprägung eingeordnet? Abschnitt vier zeigt zwei Bereiche, in denen sich die lernkulturell-assimilative Ausprägung grundlegend unterscheidet. Der erste Bereich wird direkt bei K1_i7 selbst deutlich: Ähm, hm. Ich frage mich einfach, ob es wirklich zu dieser digitalen Zukunft kommen wird in den Schulen, um ehrlich zu sein, denn ähm ich meine man sieht gerade mit Corona die Tablets wurden ausgeteilt, die ähm, eine Lehrperson hat das große Los gezogen und darf sich alleine damit rumschlagen […] [u]nd ich meine, es ist ausgeschrieben, ganz klar, aber wir haben auch ganz viele Lehrer*innen, die sagen: joa, WLAN ist ausgeschrieben, wir glauben an nichts. (Pos. 32) Anders als die beiden akkommodativen Ausprägungen werden die Auswirkungen, die Digitalisierung und Digitalität im Schulkontext zugesprochen werden, als vergleichsweise gering beschrieben. Auch wenn sich eine „digitale Zukunft“ vorgestellt werden kann, die sich in mehr als digitalen Endgeräten verändert, werden technische, organisatorische oder 8.6 Vertiefende Einzelfallbeschreibung der Typen 211 <?page no="212"?> bürokratische Gründe angeführt, die eine solche Zukunft unwahrscheinlich erscheinen lassen. Bezeichnend für die Ausprägung ist allerdings nicht nur, dass wenig schulische Veränderung erwartet wird, sondern auch, dass der eigene Handlungsspielraum vor dieser Veränderung an die Schulentwicklung geknüpft wird. Das lässt sich am plaka‐ tivsten in einem anderen der medial-assimilativen Ausprägung zugeordneten Interviews erkennen: (..) Ähm, also natürlich orientiere ich mich als Lehrkraft immer noch an den Kernlehrplänen und an meinen äh Fachlehrplänen und schulischen Lehrplänen ähm und ja auch im Digitalen sollen diese Kompetenzen, die da veranschlagt sind. (K1_i9_F1, Pos. 30) Während K1_i11 und K2_i15 die Veränderung also durch technologische Entwicklung respektive lernkulturelle Veränderung als ausreichende Begründung für die Annahme einer strukturellen Veränderung werten, orientiert sich der lernkulturell-assimilative Fall an dem, was auch systemisch von Schule umgesetzt wird. Die Perspektive ähnelt dabei deutlich den bei der medial-assimilativen Ausprägung hervorgehobenen Bei‐ spielen „also, wenn es die Schule und alles zulässt“ (K2_i9_F1, Pos. 18). Das Assimilative an der lernkulturell-assimilativen Ausprägung drückt sich so in zwei Aspekten aus: Bei der Umsetzung von Digitalisierung und Digitalität wird auf Schule gewartet, es wird sich also an den curricular verankerten Lern- und Unterrichtszielen orientiert und gleichzeitig ist die Erwartungshaltung bezüglich der Veränderung von Schule niedrig. Lernkulturelle Veränderungen unter Bedingungen der Digitalität sind damit z. T. denkbar, ihr Einfluss auf schulische Praktiken scheint für die befragten Personen aber unwahrscheinlich. 8.6.5 Zusammenfassung der Typik digitalitätsbezogener Vorstellungen Ziel der Einzelfallbeschreibungen war es, die systematischen Kontraste zwischen den Aus‐ prägungen digitalitätsbezogener Vorstellungen hervorzuheben. Bevor die Ausprägungen in einem Zwischenfazit im Kontext der Studie eingeordnet werden, ist es an dieser Stelle hilf‐ reich, die Typik zusammenzufassen. Nutzt man den Merkmalsraum, die eingeordneten Fälle und die Einzelfallbeschreibungen als Orientierung, lässt sich die Typik in der folgenden Abbildung zusammenfassen: 212 8 Qualitative Inhaltsanalyse <?page no="213"?> 91 Krotz selbst betrachtet Mediatisierung nicht nur als technologischen Prozess, das Technische bezeichnet an der Stelle im Text also eine Einschränkung des Konzepts der Mediatisierung, die in den Interviews der Ausprägung deutlich wird. Akkommodation Assimilation (Lern-)Kulturell Technisch-medial Fortschritt durch technologische Entwicklung Schule neu denken Neue Lernkultur, alte Schule? Tablet statt Schulbuch Schule und Unterricht verbessern sich durch technologische Entwicklung. Digitale Medien optimieren und individualisieren Unterricht. Durch den Zugang zu Technologie wird sich Schule grundlegend verändern. (5 Zuordnungen) Die veränderte gesellschaftliche Gesamtsituation bedingt in ihrem Wechselspiel mit technologischer Entwicklung eine Neuausrichtung von Schule. Neben technischen Fragen betrifft diese auch Arbeits - und Kooperationsformen, Lernziele und die Rolle der Lehrkraft. (5 Zuordnungen) Unterricht mit (digitalen) Medien ist digitalisierter Unterricht. Mediale Veränderungen sind positiv, müssen aber in den etablierten Rahmen einzufügen sein. Gelingt das nicht, lassen Sie sich als potenzielle Störquellen einordnen (16 Zuordnungen) Veränderungen von Lern- und Unterrichtsprozessen bezüglich ihrer Inhalte und Ziele sind denkbar, scheinen mit Blick auf Schulstrukturen aber unwahrscheinlich. Um Bedingungen der Digitalität zu berücksichtigen, müssen diese erst schulisch adaptiert werden (6 Zuordnungen) Deutung der Digitalisierungsimpulse Veränderung schulischer Praktiken? Abbildung 22: Typik der Ausprägung digitalitätsbezogener Vorstellungen angehender Lehrkräfte Die Abbildung bietet einen Überblick der einzelnen Ausprägungen im zweidimensio‐ nalen Merkmalsraum. In den zwei Dimensionen (Assimilation/ Akkommodation und tech‐ nisch-medial/ lernkulturell) lassen sich vier distinkte typische Ausprägungen ausweisen: • Die Ausprägung „Fortschritt durch technologische Entwicklung“ bezieht Impulse zu Digitalisierung und Digitalität vornehmlich auf technisch-mediale Fragen. Der technologischen Entwicklung wird dabei das Potenzial zugesprochen, Schule grund‐ legend zu verändern. Das Maß der Veränderung ist dabei von der Reichweite einer technischen Mediatisierung (Krotz, 2007) 91 abhängig: Wenn (und nur dann, wenn) die technologische Ausstattung an Schulen voranschreitet, werden Schulen inklusiver, wird Unterricht optimiert und verändert sich die Rolle der Lehrkraft vom Prediger in den Manager. Studierende dieser Ausprägung stellen sich Digitalisierung und Digitalität positiv, technologisch und prozesshaft vor. • Die Ausprägung „Schule neu denken“ betrachtet ebenfalls grundlegende Verände‐ rungen von Schul- und Unterrichtsprozessen. Ausgangspunkt sind dabei aber Ver‐ änderungen der Lernkultur, die dann mit den Auswirkungen technologischer Verän‐ derungen in Verbindung gesetzt werden. Beides muss zusammen pädagogisch und didaktisch reflektiert werden und kann sowohl die Rolle der Lehrkraft und ihre Bezie‐ 8.6 Vertiefende Einzelfallbeschreibung der Typen 213 <?page no="214"?> hung zu Schüler*innen, als auch fachspezifische Unterrichtsszenarien transformieren. Studierende dieser Ausprägung stellen sich Digitalisierung und Digitalität ambivalent, komplex und umfassend vor. • Die Ausprägung „Tablet statt Schulbuch“ erwartet kaum eine Entwicklung von Schule, die über die historisch bekannten Auswirkungen medialer Veränderungen hinausgeht. Fragen nach Digitalisierung und Digitalität erschöpfen sich in Fragen der medialen Gestaltung, wobei dem Medienbegriff selbst eine doppelte Verengung inhärent ist: stofflich und digital. Häufig rezipierte Potenziale digitaler Medien werden zum Teil benannt, insgesamt gilt es aber vor allem wahrgenommene Störungen des als „klas‐ sisch“ interpretierten Unterrichts zu vermeiden. Studierende dieser Ausprägung stellen sich Digitalisierung und Digitalität unsicher, technologisch und partikulär vor. • Die Ausprägung „Neue Kultur, alte Schule? “ beschreibt das Spannungsverhältnis zwischen dem Ausmaß von Digitalisierung und Digitalität und dem gefühlten Hand‐ lungsspielraum der (bzw. in der) Schule. So sind technologische als auch lernkulturelle Veränderungsprozesse denkbar, grundsätzlich aber in den schulstrukturellen Rahmen einzupassen. Veränderung durch Digitalisierung und Digitalität braucht zuerst eine Veränderung von Schule, die Veränderung von Schule scheint aber unwahrscheinlich. Studierende dieser Ausprägung stellen sich Digitalisierung und Digitalität begrenzt, komplex und langwierig vor. Eine Anordnung wie in der Abbildung ist hilfreich, um die Aufteilung der Typik auf einen Blick nachzuvollziehen. Zugleich muss dabei betont werden, dass für die vereinfachte Über‐ sicht einige Generalisierungen getroffen und Ausprägungen vereinfacht werden mussten. Aus diesem Grund ist die Übersicht im Text bewusst erst nach den Einzelfallbeschreibungen angelegt. So wurde in den Einzelfallbeschreibungen deutlich, dass die vier Ausprägungen zwar jeweils distinkt sind, was aber nicht heißt, dass sie bezüglich der Merkmalsausprä‐ gungen innerhalb der Befragung konsistent sind. Gerade bei der Interpretation der Impulse zu Digitalisierung und Digitalität zeigt sich, dass die beiden lernkulturellen Ausprägungen auch aus Perspektive der Digitalität argumentieren, aber keineswegs ausschließlich. Hier werden ebenfalls in einigen Passagen technisch-mediale Aspekte diskutiert und in den Vordergrund gestellt. Zum Verständnis scheint hier die bereits genutzte Metapher des Vorstellungshorizontes hilfreich. Die Frage ist nicht, haben die befragten Personen diese oder jene Vorstellung, sondern eher, wie weit reicht der Horizont, bzw. was ist alles vorstellbar? Daher erfolgt auch die Beschreibung der Merkmalsausprägung als eng und weit. Darüber hinaus ist die Darstellung der Unterscheidungsmerkmale selbst in der Abbil‐ dung notwendigerweise vereinfacht. So haben die Diskussionen in Kapitel 2 gezeigt, dass die Begriffe Digitisation, Digitalisierung und Digitalität nicht einfach auf einem Kontinuum von technisch-medial bis lernkulturell liegen, sondern streng genommen verschiedene Perspektiven beschreiben. Also eine streng technisch-informatische (digitisation), eine historisch medienpädagogisch und -didaktische (Digitalisierung) und eine sozial- und kul‐ turwissenschaftliche (Digitalität). Es wäre damit ungenau, aus dem Gesagten die Annahme zu treffen, die Ausprägungen „Schule neu denken“ und „Neue Kultur, alte Schule“ wären um einen quantifizierbaren, nominal-messbaren Wert offener, weiter oder lernkultureller als die anderen beiden Ausprägungen. Darüber hinaus wurde diskutiert, dass es sich bei 214 8 Qualitative Inhaltsanalyse <?page no="215"?> den Begriffen Assimilation und Akkommodation nicht um sich gegenseitig ausschließende Gegenpole handelt. Die der Akkommodation zugeordneten Ausprägungen zeigen viel eher, dass neben der Assimilation auch eine Akkommodation in neue Strukturen vorstellbar ist. Trotz dieser Einschränkungen zeigt die Abbildung, wie sich die 32 Interviews syste‐ matisch in den ausgewählten Merkmalsdimensionen unterscheiden. Dabei ist auffällig, dass zwar für alle Ausprägungen mehrere Einzelfälle eingeordnet werden konnten, die Ausprägung „Tablet statt Schulbuch“ aber mit fast dreimal so vielen Einordnungen wie die anderen Ausprägungen versehen wurde. Auch wenn eine ausführliche Diskussion der Ergebnisse der QIA mit Rückbezug zum Forschungsinteresse erst im Anschluss an die ENA erfolgt, sollen diese und weitere Auffälligkeiten, sowie offene Fragen vor dem Übergang in den quantitativen Bereich zusammenfassend diskutiert werden. 8.7 Zwischenfazit V: Diskussion der Gesamtergebnisse der QIA mit Bezug zu (typischen) Vorstellungen angehender Lehrkräfte Beim Zwischenfazit zur ISQIA wurde festgehalten, dass einige Tendenzen beobachtbar waren, es insgesamt aber starke Kontraste zwischen einzelnen Interviews gab. Insbeson‐ dere für den Bereich der Fokussierung auf technisch-mediale Aspekte, der in der ISQIA bereits als auffällig vermerkt wurde, konnte die Typenbildung wichtige Differenzierungen verdeutlichen. So lässt sich der insgesamt starke Fokus auf technisch-mediale Fragen durch mehrere Aspekte erklären und es zeigt sich keineswegs, dass alle Studierenden generell diese Dimension von Digitalisierung und Digitalität in den Vordergrund stellen. Vielmehr hat sich durch die Erarbeitung des Merkmalsraums und den Vergleich der einzelnen Ausprägungen gezeigt, dass für die Ausprägungen unterschiedlich viele Per‐ spektiven auf Digitalisierung und Digitalität formulierbar sind: Alle Studierenden reden auch über technisch-mediale Aspekte, was an dieser Stelle weder verwunderlich ist noch normativ zu bewerten wäre. Ebenso zeigt sich, dass einige der Studierenden (insbesondere der lernkulturell-akkommodativen Ausprägung „Schule neu denken“) nur kurz auf der technisch-medialen Ebene verharren, bevor auch weitere Ebenen der Digitalisierung und Digitalität bearbeitet werden. Wie stark dabei Vorstellungen formuliert werden, die sich von technisch-medialen Fragen lösen, ist nicht auf einer kontinuierlichen Skala verortbar, sondern gruppiert sich in verschiedene Ausprägungen. Diese Ausprägungen zeigen inner‐ halb ihres Typs eine Konsistenz, die in der ISQIA lediglich als Konsistenz innerhalb eines Interviews beschrieben werden konnte. Wenn die ISQIA also gezeigt hat, dass sich auffällig viele Antworten auf technisch-me‐ dialer Ebene bewegen, zeigt die Typenbildung, wieso dieser Eindruck entsteht. Tatsächlich bewegt sich ein Großteil der Interviews in diesem Bereich (medial-assimilativ und in etwas geringerem Ausmaß medial-akkommodativ). Aber auch in den anderen Interviews spielen technische und mediale Fragen, nicht zuletzt in Verbindung mit den eigenen Erfahrungen während der Pandemie, teilweise eine wichtige Rolle. Interessant ist aber nicht die Feststellung, dass viel oder oft über technisch-mediale Fragen gesprochen wird, sondern dass für einen großen Teil der Interviews keine weiteren Perspektiven - wie beispielsweise der Entgrenzung, Adaptivität oder Automatisierung - unter den Begriffen 8.7 Zwischenfazit V: Diskussion der Gesamtergebnisse der QIA mit Bezug zu (typischen) Vorstellungen angehender Lehrkräfte 215 <?page no="216"?> digital, digital-gestützt, Digitalisierung und Digitalität vorstellbar zu sein scheinen. So lässt sich insbesondere mit der medial-assimilativen Ausprägung eine Gruppierung erstellen, die konsequent und konsistent auf einer (doppelt verengten) medialen Ebene bleibt. Das ist umso deutlicher im Kontrast mit beispielsweise der lernkulturell-akkommodativen Ausprägung, die spätestens mit der progressiven Öffnung der Impulse im Verlauf des Interviews auch ihre formulierten Vorstellungen erweitert. Die Kernfrage an die Typenbildung war, ob sich hinter den einzelnen Antworten der 32 Interviews eine Systematik verbirgt, die über das Einzelinterview hinausgeht. Die erar‐ beitete Typik bejaht diese Frage, indem sie zeigt, dass zumindest für die beiden gewählten Unterscheidungsdimensionen intern homogene und extern heterogene Gruppierungen vorgenommen werden können. Während die Vergleichsdimension technisch-medial/ lernkulturell stark aus Theorie und Forschungsfragen abgeleitet ist und sich in der ISQIA bereits abgezeichnet hatte, hat die Typenbildung die Passung zu den Konzepten Assimilation und Akkommodation als zweite Unterscheidungsdimension überhaupt erst geprägt. Wie in der Genese des Merkmalsraums beschrieben, wurde die Vergleichsdimension erst in der Bearbeitung der Einzelfallbeschreibungen und des inhaltlich ausdifferenzierten Merkmalsraums deutlich. Bei der Zuordnung der Einzelfälle hat sich dann gezeigt, dass die Vergleichsdimension trägt, die Interviews also eindeutig zugeordnet und abgegrenzt werden können. Die ergänzende Dimension ist dabei auch deswegen so relevant, weil sich mit ihr Ausprägungen bilden, die vor der Bearbeitung des Materials in der Typenbildung noch überrascht hätten. Die beiden Kategorien zeigen, dass zum einen keine lernkulturelle Vorstellung von Digitalisierung und Digitalität erkennbar werden muss, damit einzelne Fälle eine strukturelle Veränderung des Bildungssystems mit den Begriffen verbinden. Andersherum ist eine lernkulturelle Vorstellung von Digitalisierung und Digitalität keine Garantie dafür, dass eine grundlegende Veränderung des Bildungssystems angenommen wird. Bereits an dieser Stelle ergibt sich aus den zusammengefassten Erkenntnissen der Typenbildung ein differenzierteres Bild der digitalitätsbezogenen Vorstellungen. Auch zeigt sich, dass sich RQ 1.1 (Lassen sich den befragten Personen spezifische Typen, das heißt intern homogene und extern heterogene Ausprägungen, von digitalitätsbezogenen Vorstellungen zuschreiben? ) bestätigen lässt. Insgesamt lässt sich zu den vier bereits in der ISQIA festgehaltenen Auffälligkeiten in den Interviews (inkonsistente Begriffsinterpretation, Fokus auf technisch-mediale Aspekte, Differenzbildung zwischen digital und analog und den kaum vorhandenen fachspezifischen Ausführungen) für die digitalitätsbezogenen Vorstellungen festhalten, dass diese sich in Form von typischen Ausprägungen in vier distinkte Ausprägungen einteilen lassen. Eine medial-akkommodative, die Schul- und Unterrichtsentwicklung in Abhängigkeit technologischen Fortschritts sieht, eine lernkulturell-akkommodative, für die Fragen gesamtgesellschaftlicher und lernkultureller Veränderung vor dem Hintergrund technologischer Veränderung diskutiert werden, einer medial-assimilativen, die Medien im doppelt verengten Sinne in bisherige Strukturen einordnet und einer lernkulturell-as‐ similativen, deren lernkulturelle Veränderungen im Anschluss an die Digitalisierung nur mit der sprichwörtlichen Erlaubnis des Systems Schule Einzug erhalten werden. An diese Betrachtung schließen sich eine Reihe von Fragen an, die von der Übertragbarkeit der Typik 216 8 Qualitative Inhaltsanalyse <?page no="217"?> bis zu Fragen nach Implikationen für den Diskurs zu Digitalisierung und Digitalität im Allgemeinen, aber auch zu Lehrkräftebildung und Englischunterrichtunterricht im Spezi‐ ellen reichen. Bevor es aber eine abschließende Einordnung der Ergebnisse in den Diskurs, eine vollständige Interpretation des Materials und damit verbunden eine Beantwortung der Forschungsfragen geben kann, wird ein letzter methodischer Schritt durchgeführt. In der Diskussion zum Konstrukt Vorstellungen wurde betont, dass diese, anders als Überzeugungen und subjektive Theorien, als weniger stark verfestigt angesehen werden können. Diese Unterscheidung ist vor allem auch deswegen wichtig, weil ein explizites Ziel der Studie darin besteht, die besonderen, temporär stark begrenzten Umstände der pande‐ miebedingten Lehr- und Lernerfahrungen der Studierenden zu bearbeiten. Die Verbindung der pandemiebedingten Erfahrungen und den Aussagen zu digitaler Technologie und Digitalität wurden bis hierhin aber nur kursorisch berücksichtigt. Dabei zeigt sich schon in dieser oberflächlichen Betrachtung, insbesondere in der inkonsistenten Interpretation der Impulse zu digital und digital-gestützt, aber auch in der scheinbar negativen Bewertung des Onlineunterrichts im Vergleich zum Präsenzunterricht mit digitalen Medien, dass die Erfahrungen der Pandemie die Interpretation der Impulse und den Inhalt der Antworten prägen könnten. Wie die Typenbildung die vereinzelten Beobachtungen der ISQIA mit Bezug zu RQ 1 und RQ 1.1 systematisch betrachtet hat, betrachtet die ENA systematisch die vereinzelten Beobachtungen der ISQIA und der Typenbildung mit Bezug zu RQ 2 und RQ 2.1. Nicht zuletzt ergibt sich hier außerdem eine Möglichkeit Typenbildung und ENA zu kombinieren, um die abschließende Gesamtinterpretation der Ergebnisse zu bereichern und zu informieren. Bevor also die abschließende Gesamtdiskussion der Ergebnisse und der systematische Rückbezug auf die Forschungsfragen erfolgt, werden im nächsten Kapitel kurz methodische Limitationen der durchgeführten QIA für diese Arbeit zusammengefasst, bevor mit der ENA der quantitative Teil der Auswertung der Studie beginnt. 8.8 Limitationen der durchgeführten QIA Mit Limitationen sind an dieser Stelle keine Punkte gemeint, die der methodologischen Verortung der QIA immanent sind und deswegen auch kein Ziel der Methode beschreiben. Limitationen meinen diejenigen Aspekte, die die Interpretation dieser spezifischen QIA im Kontext dieser spezifischen Arbeit beeinflussen könnten. Während die Limitationen des Gesamtdesigns in Kapitel 10.3 transparent gemacht und reflektiert werden, werden an dieser Stelle zwei für die Strukturierung und Typenbildung spezifische Punkte berück‐ sichtigt Der erste Punkt liegt in dem bereits mehrfach erwähnten Spannungsverhältnis zwischen möglichst großer Offenheit und notwendiger Strukturierung. Das drückt sich nicht zuletzt auch in den gegebenen Erzählimpulsen und deren Beantwortung und Auswertung aus. So wurde den Studierenden - unter dem Anspruch größtmöglicher Offenheit - vor dem Interview keine eindeutige Definition der grundlegenden Begriffe wie Digitalisierung, di‐ gital und digital-gestützt gegeben. Das sorgt zum einen dafür, dass Studierende die Begriffe selbstständig inhaltlich füllen müssen, was wertvolle Einblicke in digitalitätsbezogene Vorstellungen geben kann. Es führt aber auch dazu, dass es schwierig ist nachzuvollziehen, inwiefern die genau gewählte Formulierung des Impulses die Interpretation der Studie‐ 8.8 Limitationen der durchgeführten QIA 217 <?page no="218"?> renden gefärbt hat. Auch ist der gewählte Begriff (digital oder digital-gestützt) nicht unproblematisch und ließe sich aus verschiedenen Perspektiven kritisieren (Krommer, 2020). So könnte digital-gestützt beispielweise implizieren, dass ein grundlegend „kranker“ Unterricht gemeint ist, der durch das Digitale lediglich „aufrechterhalten“ wird (ebd.). Damit wäre der Impuls wesentlich weniger offen als vorgesehen. Tatsächlich scheinen aber alle Begriffe, auch mögliche Alternativen wie digital-angereichert, virtuell, technolo‐ giebegleitet o. Ä. Interpretationen anregen zu können, die die vorgesehene Offenheit des Impulses einschränken können. Die Limitation ist hier also nicht dem Begriff digital oder digital-gestützt inhärent, sondern den Begrifflichkeiten um Digitalisierung und Digitalität insgesamt. Dies stellt einen Punkt dar, der bereits mehrfach betont wurde und auch in der abschließenden Diskussion eine essenzielle Rolle spielen wird. Der zweite Punkt bezieht sich auf das Verhältnis zwischen qualitativ-codierenden und qualitativ-rekonstruktiven Methoden. Es wurde bereits angemerkt, dass rekonstruktive Verfahren ggf. noch genauere Interpretationen von einzelnen Passagen ermöglicht hätten. Allerdings ist hier einzuwenden, dass sich Vorstellungen in der erarbeiteten Definition in einer wesentlichen Eigenschaft von beispielsweise subjektiven Theorien unterscheiden: der zeitlichen Konstanz. Anders, als es Arbeiten zu Überzeugungen und subjektiven Theorien ggf. festsetzen, wird hier nicht argumentiert, dass die digitalitätsbezogenen Vorstellungen kaum veränderlich sein. Das würde schließlich auch nicht zur Forschungssituation und dem Forschungsinteresse passen. So werden in der Arbeit keine Konstrukte untersucht, die sich über Jahrzehnte gebildet haben können (beispielsweise subjektive Theorien von in-service-Lehrkräften zum Fremdsprachenunterricht), sondern Bereiche, die sich gerade zum Zeitpunkt der Befragung im Wandel befanden. Das gilt insbesondere für die digitale Transformation, aber auch die Kultur der Digitalität, das Lernen im virtuellen Raum und die Rolle der Pandemie. Was die QIA also gegebenenfalls an Genauigkeit in der Interpretation eines einzelnen Falls verliert, gewinnt sie durch die Kontrastierung einer Vielzahl von Fällen, die sich jeweils durch eine Vielzahl von (neuen und einzigartigen) Erfahrungen im Bereich des Forschungsinteresses rundum Digitalität auszeichnen. Die Limitation der Methode steht also in direkter Verbindung mit einer großen Stärke des Vorgehens. 218 8 Qualitative Inhaltsanalyse <?page no="219"?> 9 Epistemic Network Analysis Die ENA beschreibt eine Reihe von Techniken, mit denen Verbindungen in codiertem Material identifiziert, (quantitativ) gemessen und in dynamischen Netzwerkmodellen dargestellt werden können (Shaffer et al., 2016, S. 9-10). Nachdem in Kapitel 8 mit der ISQIA und der Typenbildung ausführlich der qualitative Zugang zu dem Material diskutiert wurde, beschreibt Kapitel 9 einen quantitativen Zugang. Damit werden im Folgenden RQ 2 und RQ 2.1 fokussiert. Im Vordergrund des Kapitels steht also die Frage, in welcher Beziehung die Erfahrungen der pandemiebedingten Semester mit der Bewertung digitaler Technolo‐ gien stehen. Außerdem sollen, wie in der ISQIA zum ersten Mal festgestellt, mögliche Unterschiede zwischen der Kohorte des Online- und des Hybridsemesters systematisch analysiert und visualisiert werden. Wie in den Qualitätskriterien zu Mixed-Methods-Studien allerdings schon festgehalten (siehe Kapitel 7.1 und 7.2), betrachten der qualitative und der quantitative Zugang nicht einfach separate, nebeneinanderliegende Forschungsinteressen, sondern beziehen sich aufeinander. Zusätzlich zu der Betrachtung von RQ 2 und RQ 2.1 ist also ein wesentlicher Aspekt des Kapitels, wie die ENA insgesamt auf die QIA aufbaut, wie die Methoden sich gegenseitig bereichern können und anschließend auch, wie ein möglicher Zugang zu den Daten durch die Synthese qualitativer Interpretation und quantitativ-statistischer Auswertung aussehen kann. Um die beiden Ziele - die Betrachtung der Forschungsfragen RQ 2 und 2.1 wie auch die Darstellung der Verbindung zur QIA - zu erreichen, gliedert sich Kapitel-9 in mehrere Unterkapitel. Kapitel 9.1 beschreibt zunächst die theoretische bzw. methodologische Rah‐ mung der ENA. Dabei wird beschrieben, wie und warum die ENA entwickelt wurde, für welche Forschungsfragen und -bereiche sie verwendet wird und welche Grundannahmen dabei bestehen. Außerdem werden einige typische Studiendesigns für die ENA vorgestellt und mit dem Design der vorliegenden Studie verglichen. In Kapitel 9.2 wird diskutiert, welche Vorteile die ENA für die weitere Bearbeitung der Daten gegenüber Verfahren wie der Clusteranalyse oder weiteren qualitativen Verfahren bietet. Die Methode wird dabei vor dem Hintergrund des Mixed-Methods-Designs und der Kombination mit qualitativen Zugängen verortet. 9.2.1 und 9.2.2 widmen sich schließlich den anwendungsbezogenen Fragen an die ENA. Hier wird zunächst erneut auf das bereits in 2.2.1 vorgestellte SAMR-T Modell ein‐ gegangen, welches eine der Grundlagen für das Codierschema der ENA bildet. Außerdem wird der Unterschied in den Codierverfahren zwischen QIA und ENA thematisiert, sowie die Überarbeitung der codierten Segmente für die Verwendung in der Epistemic Network App skizziert. Die folgende Ergebnisvorstellung differenziert zwischen verschie‐ denen Netzwerken (Gesamtnetzwerk aller Studierenden, Netzwerkvergleich K1/ K2 und Netzwerkvergleich Students/ Experts). Die Betrachtung des Gesamtnetzwerks und des Vergleichs zwischen K1/ K2 beziehen sich direkt auf RQ 2 und 2.1. Der Vergleich zwischen Studierenden und Expert*innen hingegen kontextualisiert die beschriebenen Ergebnisse in einem Exkurs vor dem Hintergrund des Expert*innenwissens (Kaiser et al., 2020). Nachdem die verschiedenen Netzwerke in einem dritten Zwischenfazit in 9.4 diskutiert <?page no="220"?> und zusammengefasst werden, endet der Ergebnisteil der ENA mit noch offenen Fragen und der Überleitung zur Gesamtdiskussion der Studie in Kapitel-10. Die Arbeit schließt mit einem Fazit in Kapitel-11. 9.1 Theoretische Rahmung und Anwendungsbereiche der ENA Anders als die QIA ist die ENA keine etablierte empirische Forschungsmethode im Bereich der Fremdsprachendidaktik. Das liegt unter anderem daran, dass die ENA, ins‐ besondere im Kontrast zur QIA, ein sehr junger Forschungszugang ist (Wei, 2022, S.-93), welcher erst im letzten Jahrzehnt eine differenzierte methodologische Grundlegung erfahren hat (siehe Shaffer et al., 2016; Shaffer, 2017; Shaffer & Ruis, 2017). Maßgeblich vorangetrieben wurde die ENA von Shaffer, der als Professor für learning sciences im Bereich educational data science bzw. learning analytics (LA) tätig ist. Diese fachliche Ausrichtung Shaffers prägt auch die Methode, die ursprünglich für die Auswertung von Daten aus dem Bereich der LA entwickelt wurde (Shaffer et al., 2017, S. 10), mittlerweile aber in einer Vielzahl von Forschungsbereichen in und außerhalb der learning sciences verwendet wird (Elmoazen et al., 2022, S. 17330). Dazu zählen unter anderem die Betrachtung von Blickkoordination während kollaborativer Arbeit (Andrist et al., 2015) oder Kommunikationsmuster medizinischen Fachpersonals (Sullivan et al., 2018). Bevor aber genauer auf die Anwendungsmöglichkeiten und Potenziale der ENA für die Bildungswissenschaft und die Fachdidaktik im Besonderen eingegangen werden kann, ist es zum Verständnis der Methode zunächst wichtig, die theoretische Grundlage der epistemic frames (Shaffer, 2006) zu skizzieren. Die grundlegende Funktion von und das Ziel der ENA ist es, die Verbindungen zwischen Codes zu quantifizieren und in Netzwerken zu visualisieren (Mazziotti et al., 2020, S. 2578). Dieser Fokus folgt aus einer Annahme in den LA, dass „the structure of connections among cognitive elements is more important than the mere presence or absence of these elements in isolation“ (Shaffer et al., 2016, S.-10). Wieso für die ENA die Beschreibung der Verbindungen zwischen einzelnen kognitiven Elementen eine derart hohe Relevanz besitzt, lässt sich wiederum mit Rekurs auf die epistemic frame theory (EFT) veranschaulichen. Die EFT, die die theoretische Rahmung der ENA bildet, nimmt an, dass der Lernprozess nicht auf isolierte Aktionen oder Elemente reduziert werden darf, sondern eine Trans‐ formation des epistemic networks des Lernenden beschreibt (Csanadi et al., 2018, S.-426). Dieses epistemic network wiederum besteht aus „the skills, knowledge, and values that a learner uses to make sense of and take action on the world“ (Shaffer, 2012, hier zitiert in Csanadi et al., 2018). Die zentrale Annahme, die die EFT (und damit auch die ENA) treffen, ist also, dass der Lernprozess weniger über isoliertes Wissen als über die Struktur der Verbindungen zwischen Wissens- und Kompetenzelementen zu beschreiben ist (Shaffer et al., 2016, S.-11). Diese Zuschreibung des Lernprozesses erinnert an Theorien zum conceptional change, bei denen das Ziel in einer Reorganisation der Wissensnetzwerke der lernenden Personen besteht (Kubsch et al., 2020, S. 3). Der Fokus auf Netzwerke findet sich außerdem 220 9 Epistemic Network Analysis <?page no="221"?> 92 Im Folgenden werden lediglich exemplarische Beispiele gegeben, für eine extensive Übersicht siehe z.-B. das systematische Review von Elmoazen et al. (2022) sowie die Arbeit von Kaliisa et al. (2021). in der Differenzierung zwischen Noviz*innen- und Expert*innenwissen (siehe auch Kapitel-9.3.4). Obwohl das Forschungskonstrukt der Vorstellungen nicht mit den von Shaffer erarbei‐ teten epistemic frames gleichzusetzen ist, lassen sich einige Parallelen zwischen dem Forschungsinteresse und den Ausführungen Shaffers ziehen, die die ENA vielversprechend erscheinen lassen (zur Diskussion siehe das anschließende Kapitel). Gleichzeitig ist die ENA in ihrer Anwendung nicht auf die Betrachtung von epistemic frames beschränkt, wie Shaffer erläutert: Importantly, ENA enables comparison of networks both directly and via summary statistics, so it can be used to explore a wide range of qualitative and quantitative research questions in situations where patterns of association in data are hypothesized to be meaningful. (Shaffer et al., 2016, S. 10) Auch wenn die ENA also vor dem Hintergrund der EFT entwickelt wurde, lässt sie sich potenziell überall da verwenden, wo die Strukturen von Verbindungen in kognitiven, so‐ zialen oder interaktionalen Daten von Interesse sind (ebd., S. 24). Genau genommen zeigen die Netzwerke schließlich erstmal nur an, was, wie stark (wann), mit was zusammengedacht wird. Neben der thematischen Vielfalt, für die die ENA eingesetzt werden kann, ergeben sich aus der Vorgehensweise einige Stärken im Vergleich zu anderen Netzwerkanalysen, die die zunehmende Popularität erklären. Dazu gehören die große Flexibilität der Methode und die kostenlose Verfügbarkeit von Anwendungen wie der Epistemic Network App (Elmoazen et al., 2022, S. 17330), die Möglichkeit, den Aspekt der Temporalität in Daten zu berück‐ sichtigen (Csanadi et al., 2014, S. 424) und die visuelle und statistische Vergleichbarkeit zwischen einzelnen Netzwerken (Wei, 2022, S. 92-93). Wie genau die Netzwerke und ihre Vergleichbarkeit entstehen, also die statistischen Grundlagen der Kreation der Netzwerke, wird in Kapitel 9.3.1 dargestellt. An dieser Stelle sollen zunächst in aller Kürze einige Studien mit der ENA vorgestellt werden, damit diese im folgenden Kapitel mit der eigenen Verwendung im Kontext des Mixed-Methods-Designs verglichen werden können. 92 Ein Beispiel, dass Shaffer selbst in seinen Erläuterungen anführt, betrifft die Untersu‐ chung kognitiver Netzwerke von Studierenden der Ingenieurwissenschaft (Chesler et al., 2015). Für den Kontext einer virtuellen Lernsituation beschreiben Shaffer et al. (2016), wie die ENA auf erhobene Interaktionsdaten angewendet wird und so kognitive Netzwerke von Studierenden modelliert werden können (ebd., S. 20-23). Im Vordergrund steht dabei die Frage, welche Verbindungen von ingenieursrelevanten Aspekten (beispielsweise fachliches oder methodisches Wissen) bei den einzelnen Studierenden deutlich werden. Dabei kann die ENA aber nicht nur vorhandene Netzwerke visualisieren, sondern auch den Einfluss von Interventionen (wie beispielsweise von Lehrveranstaltungen) darstellen. Hierbei lassen sich zum Beispiel die kognitiven Netzwerke vor, während und nach einer Intervention (hier im Rahmen der virtuellen Lehrveranstaltung) modellieren. Darüber hinaus können einzelne Studierende und Gruppen von Studierenden grafisch und statistisch verglichen werden. So kann in der Beispielstudie gezeigt werden, dass 9.1 Theoretische Rahmung und Anwendungsbereiche der ENA 221 <?page no="222"?> Studierende, die mehr Erfahrung im Umgang mit der virtuellen Lernumgebung haben, mehr oder stärkere Verbindungen zu ingenieursrelevanten Aspekten in ihrer Interaktion ausdrücken (ebd., S.-36-37). Studien mit ENA finden sich aber nicht nur in den Ingenieurwissenschaften oder der Medizin, sondern auch im Bereich der Professionalisierung von Lehrkräften. So nutzen Pantić et al. (2021) eine Kombination aus ENA und Social Network Analysis, um u. a. zu eruieren, inwiefern die agency von Lehrkräften mit ihrer Ausübung von inklusiver Pädagogik zusammenhängt. Dabei kann belegt und visualisiert werden, dass und wie sich die kognitiven Strukturen von Lehrkräften, die stärker inklusive Praktiken durchführen, im Punkt agency von anderen Lehrkräften unterscheiden (ebd., S. 165). Andere Studien in der Lehrkräftebildung betrachten mit Hilfe der ENA beispielsweise das Potenzial sogenannter teacher dashboards für naturwissenschaftlichen Unterricht (Dickler et al., 2021). Auch die Betrachtung einzelner Kompetenzmodelle wie TPACK (Zhang et al., 2019) ist unter der Verwendung der ENA denkbar. Für den spezifischen Bereich der universitären Lehrkräftebildung lässt sich als Beispiel die Arbeit von Wei (2022) anführen, der mit Hilfe der ENA das Praxiswissen angehender Grundschullehrkräfte untersucht. Wie die vorherigen Studien verfolgt Wei ein exploratives Design, welches Netzwerke kognitiver Strukturen einzelner Personen und im Vergleich zwischen Gruppen untersuchen soll (ebd., S. 93). Anders als in der vorliegenden Studie, bei der Gruppen basierend auf Erhebungszeiträumen eingeteilt werden (Onlinesemester vs. Hybridsemester), nutzt Wei die ENA, um Unterschiede in den Netzwerken von Per‐ sonen unterschiedlichen Geschlechts oder mit anderen Testresultaten hervorzuheben. So können u. a. signifikante Unterschiede in den kognitiven Strukturen männlicher und weiblicher Lehramtsstudierender aufgezeigt werden. Genauer erläutert Wei, dass weibliche Studierende stärkere Verbindungen zwischen theoretischem Wissen und prak‐ tischer Umsetzung vorweisen, männliche Studierende dafür flexiblere Denkmuster mit Bezug zu Praxiswissen zeigen (ebd., S. 104-105). Auch wenn die auf den Ergebnissen basierenden Empfehlungen Weis zur Berücksichtigung der Ergebnisse für die Gestaltung des Studiums zum Grundschullehramt nur zum Teil mitgetragen werden können, geben die methodischen Ausführungen einen guten Einblick in das Potenzial der ENA für den Vergleich von Gruppen aus der Gesamtstichprobe. Der kurze Auszug zu Anwendungen der ENA zeigt, dass einige Gemeinsamkeiten die Methode, bei aller Vielfalt der Inhalte und Forschungsinteressen, im Vorgehen vereinen. Gemeinsam ist den Studien - in- und außerhalb der Lehrkräftebildung - ein (eher) explorativer Fokus bzw. explorative Aspekte der Forschungsinteressen, die Betrachtung komplexer Situationen (beispielsweise in Interaktion, außergewöhnlichen Situationen oder Unterrichtshandeln) und der Vergleich zwischen einzelnen Personen oder Gruppen von Personen. Basierend auf diesen Gemeinsamkeiten und weiteren Überlegungen können die bisherigen Beispiele der Anwendung der ENA mit der Verwendung in der vorliegenden Studie verglichen werden. Dabei sollen nicht nur Gemeinsamkeiten und Unterschiede in der Verwendung beschrieben, sondern vor allem auch das Potenzial der Methode für das spezifische Mixed-Methods-Design expliziert werden. 222 9 Epistemic Network Analysis <?page no="223"?> 9.2 Die ENA im Rahmen des Mixed-Methods-Designs der Studie Während in Kapitel 9.1 die allgemeinen Stärken und Anwendungskontexte der ENA als Methode beschrieben wurden, liegt der Fokus nun wieder auf der vorliegenden Studie. Konkret soll dabei basierend auf den vorherigen Aussagen begründet werden, wie die ENA in das bisherige Vorgehen einzuordnen ist, welches zusätzliche Erkenntnisinteresse von der ENA (im Vergleich zur ISQIA und der Typenbildung) zu erwarten ist und inwieweit Verbindungen zu der Auswertung in der QIA gezogen werden können. Anschließend werden in Kapitel 9.2.1 und 9.2.2 die Anwendungsschritte dargestellt, bevor sich 9.3 und 9.4 schließlich der Beschreibung und Interpretation der Ergebnisse widmen. Es wurde bereits erläutert, wie die ENA für das zweite Forschungsinteresse eine ähnliche systematische Ausdifferenzierung der ISQIA erlaubt, wie es die Typenbildung für das erste Forschungsinteresse ermöglichte. So war bereits in der ISQIA auffällig, dass die pandemiebedingten Erfahrungen wiederholt in einer Beziehung zur Bewertung digitalitätsbezogener Aspekte zu stehen scheinen und vielleicht sogar die Interpretation der Impulse zu Digitalisierung und Digitalität prägen. Gleichzeitig war in der QIA noch keine systematische Analyse dieser Auffälligkeiten möglich. Auch erlaubte die bisherige Codierung nur einen ungenügenden Einbezug des Aspekts der Temporalität. So kann in der QIA zwar aufgelistet werden, wie oft über pandemiebedingte Erfahrungen gesprochen wird und wie oft digitalitätsbezogene Aspekte bewertet werden, der temporale Zusammenhang der Aussagen zu Erfahrungen mit den Aussagen zur Bewertung von digitalen Technologien kann mit der initialen Codierung aber weder berechnet noch visualisiert werden. Insbeson‐ dere auch der Vergleich der Zusammenhänge mit Bezug zum Erhebungszeitraum (Online- oder Hybridsemester) übersteigt die Möglichkeiten der initialen Analyse. Die ENA erlaubt - zumindest in der Theorie - hier eine essenzielle Ausdifferenzierung der vorherigen Ergebnisse. Gleichzeitig wird über die Möglichkeit einer statistischen Auswertung eine neue Perspektive auf das Material eröffnet, die - wie in Kapitel 10 argumentiert wird - die qualitativ-interpretative Auswertung ergänzen kann. Zunächst muss aber die Frage beantwortet werden, ob es für die vorliegende Studie auch methodisch und vor allem inhaltlich plausibel ist, die ENA zu nutzen. Mit anderen Worten, wie fügt sich die ENA mit ihren Annahmen, Anwendungsbereichen und dem Auswertungsvorgehen in das Studiendesign ein? Die Passung von ENA und Forschungsdesign kann auf drei Ebenen diskutiert werden: 1. Die Passung der Methode mit dem grundsätzlichen Forschungsinteresse: Sind durch die Verwendung der ENA Erkenntnisse zur Beziehung zwischen den pandemiebe‐ dingten Erfahrungen und der Bewertung digitaler Technologien möglich und er‐ wartbar? 2. Die Passung zwischen Methode und Erhebungsdesign: Lässt sich die ENA auf leitfa‐ dengestützte Interviews anwenden? Eignen sich die Interviews inhaltlich für eine ENA? 3. Die Passung der Methode zu den Forschungskonstrukten: Welche Form eines kogni‐ tiven Netzwerks wird mit der ENA erarbeitet? Wie passt das zu den Ausführungen zum Konstrukt Vorstellungen? 9.2 Die ENA im Rahmen des Mixed-Methods-Designs der Studie 223 <?page no="224"?> 93 Dabei besteht die Annahme, dass die zeitliche Nähe der Assoziationen etwas über die Stärke der Assoziation aussagt. Diese Annahme wird hier geteilt, insbesondere, wenn sie von einer ergänzenden qualitativen Betrachtung profitiert. Zwar ließe sich argumentieren, dass diese Fragen zum Teil nach den bisherigen Ausfüh‐ rungen bereits beantwortet sind, im Sinne des Mixed-Methods-Designs scheint es hier gewinnbringend, die Passung explizit nachzuzeichnen, zum einen, weil die Verwendung der ENA in der Fremdsprachendidaktik ein gänzlich neues Unterfangen darstellt, und zum anderen, weil die vorgestellten Studien die ENA als einzelne Methode oder aber in der Kombination mit weiteren quantitativen Methoden (z. B. der social network analysis) genutzt haben. Anspruch der vorliegenden Arbeit ist es jedoch auch, eine qualitative Typenbildung mit der ENA zu synthetisieren. Zur Diskussion des ersten Punkts lässt sich erneut auf die Flexibilität der ENA ver‐ weisen. So wurde argumentiert, dass die ENA überall dort ihr Potenzial entfaltet, wo die Verbindungen kognitiver Strukturen von Interesse sind (Shaffer et al., 2016, S. 10). Genau diese Verbindung von Erfahrung und Bewertung steht im Mittelpunkt des zweiten Forschungsinteresses. Konkret geht es darum zu analysieren, wie Assoziationen zur Pandemie mit Assoziationen zu digitalen Technologien verbunden sind, also welche Asso‐ ziationsstrukturen bestehen. Assoziationsstrukturen können wiederum in den Netzwerken der ENA modelliert werden (ebd., S. 9-10; Andrist et al., 2018). 93 Nicht zuletzt zeigt die ENA dabei durch den Fokus auf Verbindungen gerade auch eine Stärke in der Verwendung in explorativen Vorhaben. Mit Blick auf die zweite Ebene lässt sich hingegen festhalten, dass die ENA zwar, wie in einigen der aufgeführten Studien, für Interaktionsdaten verwendet wird, neben sozialen und interaktionalen Daten aber auch ein kognitiver Fokus denkbar ist. Das heißt, dass Material genutzt wird, welches sich auf die internen, kognitiven Prozesse (z. B. Assoziationsstrukturen) einzelner Teilnehmender konzentriert, und diese schließlich auf Gruppenebene aggregiert. Trotzdem ist die Verwendung der ENA für continuous narratives wie leitfadengestützte Interviews wenngleich nicht neu (für ein Beispiel siehe Mazziotti et al., 2020), zumindest (noch) rar (Zörgő et al., 2019, S. 267), was bei der Kontextualisierung der Ergebnisse im Diskurs noch eine Rolle spielen wird. Unabhängig davon zeigt sich, dass die mit continuous narratives oft verbundenen, etwas geringeren Fallzahlen für eine Verwendung der ENA nicht unbedingt untypisch sind (Elmoazen et al., 2022, S. 17337). Tatsächlich liegt die durchgeführte ENA mit 34 Teilnehmenden im Bereich der am häufigsten verwendeten Samples (ebd.). Trotz dieser Passung heißt das nicht, dass die qualitativ vorgenommenen Codierungen genauso für die ENA verwendet werden könnten. Stattessen wurde das Material für die weitere Auswertung grundlegend überarbeitet (siehe dafür die Ausführungen in Kapitel 9.2.1 und 9.2.2). Mit Hilfe einer entsprechenden Aufbereitung des Materials lassen sich leitfadengestützte Interviews wie die der vorliegenden Studie aber für die ENA nutzen, was sich auch in den entsprechenden Markern wie der goodness of fit ausdrückt (siehe Kapitel-9.3.2-9.3.4). Bereits bei Ebene 1 wurde erläutert, dass die ENA in der vorliegenden Arbeit ein kognitives Netzwerk im Sinne von Assoziationsstrukturen abbildet. Die vorzustellenden 224 9 Epistemic Network Analysis <?page no="225"?> Netzwerke zeigen also, wie weiter oben erwähnt, was, wie stark (wann), mit was zusammengedacht wird. Das heißt mit Bezug zu der dritten Ebene der Passung der ENA auch, dass sich diese kognitiven Netzwerke, oder, mit Shaffer, die cognitive frames von den Ausführungen zu Vorstellungen in RQ 1 und 1.1 unterscheiden. Insbesondere aufgrund der wiederholten Betonung des Anspruchs, den qualitativen und quantitativen Teil nicht isoliert zu betrachten, ergibt sich daraus für den Interpretationsteil der ENA auch die Frage, ob und wie die Assoziationsstrukturen mit digitalitätsbezogenen Vorstellungen zusammenhängen. Zur Beantwortung dieser Frage ist in der Arbeit ein eigenständiges Kapitel (10.1.1) mit einem entsprechenden Netzwerkvergleich angelegt. Inwiefern eine Synthese der Methoden (und damit das Einhalten der mixed methods design quality [Döring & Bortz, 2016, S.-113]) gelingen kann, wird in dem entsprechenden Kapitel noch gezeigt. Aus der Betrachtung der drei Ebenen ergibt sich, dass die Integration der ENA in das Forschungsdesign möglich, aber auch mit mehreren zusätzlichen Arbeitsschritten verbunden ist - insbesondere, wenn qualitativer und quantitativer Zugang nicht isoliert betrachtet werden sollen. Die in den folgenden Kapiteln aufgeführten Ergebnisse der ENA müssen sich also auch daran messen lassen, inwieweit sie den entsprechenden Zusatzauf‐ wand rechtfertigen. Gleichzeitig hat das Kapitel bisher bereits gezeigt, wie die ENA zwei relevante Aufgaben im Forschungsdesign bearbeiten kann. Sie ermöglicht einen Einblick in die Beziehung zwischen pandemiebedingten Erfahrungen und der Bewertung digitaler Technologien und sie eröffnet eine weitere Perspektive auf die qualitativ vorgenommene Typenbildung. Gerade auch, weil QIA und case studies im Bereich der Fremdsprachendi‐ daktik fest etabliert sind (siehe Kapitel 8.1.2), ergibt sich aus dem Versuch nicht nur eine wertvolle Alternative, sondern eine wertvolle Ergänzung bzw. Weiterentwicklung etablierter Vorgehensweisen. Nachdem nun einige Grundannahmen zur ENA allgemein und die Verortung in die vorliegende Studie vorgenommen wurden, wird zum anwendungsbezogenen Teil über‐ gegangen. Dafür wird zunächst auf die bereits erwähnte Aufbereitung des Materials eingegangen. Diese Aufbereitung betrifft einmal die zusätzliche inhaltliche Ebene, die durch RQ 2 das Codierschema verändert (9.2.1) und einmal das binäre formatting (Shaffer, 2014), welches für die Quantifizierung und Berechnung der qualitativen Codes erforderlich wird (9.2.2). Schließlich werden die erstellten Netzwerke dargestellt und diskutiert. 9.2.1 Zusätzliche Codierungen für die ENA: SAMR-T revisited Wie in der ISQIA berichtet, sind für die ENA 1280 zusätzliche Codierungen händisch vorgenommen worden. Diese Codierungen sind nicht in die QIA eingeflossen und wurden erst im Anschluss an die qualitative Auswertung festgelegt. Bevor also betrachtet werden kann, wie aus den qualitativen Codierungen quantitative Berechnungen werden, ist zu beantworten, wie diese zusätzlichen Codierungen entstanden sind und warum sie vorge‐ nommen wurden. Anders als in der Inhaltsanalyse wurden die inhaltlichen Kategorien für die ENA deduktiv bestimmt. Die deduktive Setzung der Kategorien ergibt sich dabei aus dem Forschungsinteresse. Von Relevanz sind: 9.2 Die ENA im Rahmen des Mixed-Methods-Designs der Studie 225 <?page no="226"?> 94 Digital wird hier mit Bezug zu der Diskussion aus Kapitel 2 im informatischen Sinne der digitalen (binären) Signalverarbeitung verstanden. 95 Der Kritikpunkt, dass SAMR-Modell beziehe sich ausschließlich auf Medien, wurde bereits in der Erweiterung auf SAMR-T berücksichtigt (siehe Kapitel-2.2.1). 1. Alle (expliziten) Äußerungen zu pandemiebedingten Erfahrungen 2. Alle (expliziten) Äußerungen zu digitalen Technologien 3. Alle Bewertungen von digitalen Technologien Mehr noch als bei der QIA gilt bei den Kategorien für die ENA, dass diese möglichst eindeutig zuzuordnen sein sollten. Aus diesem Grund gilt für Punkt 1 und Punkt 2, dass nur diejenigen Abschnitte codiert wurden, in denen die befragte Person explizit auf Pandemie und/ oder digitale Technologien Bezug nimmt. Dies wird in der folgenden, konservativen Codedefinition verdeutlicht: Aussagen, die sich explizit auf die Covid-19-Pandemie und ihre konkreten Auswirkungen be‐ ziehen. Diese Aussagen können sowohl auf einer persönlichen Ebene als auch auf einer profes‐ sionellen Ebene (Schule/ Universität/ Lernen und Lehren) getroffen werden. Dazu zählen auch Aussagen, die die spezifische Situation des ERT (während des Lockdowns/ der Schulschließungen) in Folge der Schutzmaßnahmen gegen die Ausbreitung des SARS Covid-19 Virus betreffen, allerdings nicht Aussagen, die sich allgemein auf digital-gestütztes Lernen beziehen. (Siehe Anhang) Die Codedefinition für digitale Technologien ist, unter dem Ziel der möglichst verlässlichen Zuordnung, ähnlich explizit: „Alle Codierungen, in denen eine explizite Nennung von digitaler Technologie 94 für Lehr-/ Lernprozesse (Softund/ oder Hardware) von der befragten Person vorgenommen wird“ (siehe ebd.). Während Punkt 1 und 2 der zusätzlichen Codierungen binäre Zusatzinformationen abbilden (wird an der Textstelle über digitale Technologien bzw. Covid-19 gesprochen, ja oder nein? ), gestaltet sich die Beurteilung der Bewertung komplexer. In einem initialen Versuch bestand die Überlegung, auch der Bewertung ein binäres System zuzuordnen, in diesem Fall also eine positive/ negative Bewertung. Dabei hat sich jedoch schnell herausgestellt, dass ein großer Teil der Urteile und der Einordnung von digitalen Techno‐ logien nicht akkurat mit positiv oder negativ erfasst werden können. Darüber hinaus erschien die Informationsreduktion, die sich aus der binären Einteilung ergeben hätte, für die Beantwortung von RQ 2, aber auch für mögliche Implikationen der ENA mit Bezug zu RQ 1 zu stark einschränkend. Als alternative Codierung der Bewertung von digitalen Technologien wurde deswegen die Vorarbeit aus dem theoretischen Teil und den Überlegungen zu digitisation, Digitalisierung und Digitalität fruchtbar gemacht. Das überarbeitete SAMR-T-Modell wurde als Grundlage für die Einordnung der Bewertungen hinzugezogen. Jede Bewertung wurde also in die Kategorien Substitution, Augmentation, Modification, Redefinition oder Transformation eingeordnet. Insbesondere vor dem Hintergrund der bereits erwähnten Kritik am ursprünglichen SAMR-Modell sind für diese Einordnung einige zusätzliche Hinweise zu berücksichtigen. Einer der deutlichsten Kritikpunkte am SAMR-Modell in seiner ursprünglichen Form liegt in der suggerierten hierarchischen Ordnung der einzelnen Ebenen 95 (Hamilton et 226 9 Epistemic Network Analysis <?page no="227"?> 96 Zierer (2018, S. 73-75) nimmt diese Hierarchisierung aufgrund erwarteter Effektstärken vor. So berichtet er, dass erst auf Ebene der Modification bzw. Redefinition ausreichende Effektstärken digitaler Medien auf Lernerfolg nachzuweisen sein. Diese Effektstärken spielen für die Betrach‐ tung der Ebenen für das Forschungsinteresse in der vorliegenden Arbeit aber keine bzw. eine untergeordnete Rolle. al., 2016, S. 433; Krommer, 2020; Muuß-Meerholz, 2020). Dieser Kritik wird insoweit zugestimmt, als dass die Verwendung des Modells als strikt hierarchisches Modell (Redefinition > Modification > Augmentation > Substitution), wie es beispielsweise bei Zierer (2018) anmutet 96 , für das eigene Vorgehen wenig zielführend zu sein scheint. Wie in der Diskussion zu Digitalisierung und Digitalität mehrfach betont wurde, geht es bei der Frage zwischen Substitution und Redefinition (bzw. Transformation) nicht um eine vermeintlich bessere oder schlechtere Verwendung von Medien, sondern um unterschiedliche Perspektiven auf digitale Technologien und ihre Wechselwirkungen mit Fachunterricht und Bildungszielen. Mit Bezug zur Bewertung von digitalen Technologien zeigt das SAMR-T-Modell also nicht, ob die Studierenden digitale Technologien negativ (substitutiv) oder positiv (transformativ) bewerten, sondern aus welcher Perspektive die jeweilige Technologie betrachtet wird. Die Frage, wie Studierende digitale Techno‐ logien bewerten, könnte also auch umformuliert werden als: ‚Aus welcher Perspektive betrachten/ diskutieren die Studierenden digitale Technologien? ‘. Wie in Kapitel 2.2.1 betont, wird in diesem Rahmen also nicht behauptet, dass diese Perspektiven in einem hierarchischen Verhältnis stünden. Gleichwohl konnte in Kapitel 2 und 3 aber zumindest argumentiert werden, dass eine einseitige perspektivische Betrachtung im Bereich digi‐ tisation (Substitution) und Digitalisierung (Augmentation - Redefinition) als unzureichend bzw. verengend zu bewerten ist, was wiederum bei der Interpretation der Netzwerke eine Rolle spielt. Wird also das SAMR-T-Modell zur Einordnung der Bewertungen genutzt, ist zu beachten, dass eine Zuordnung in Substitution nicht per se negativ wäre oder die Einordnung in eine andere Ebene per se positiver zu bewerten sei (und schon gar nicht im Sinne einer messbaren Skala). Das Verhältnis der Einordnungen erlaubt aber Rückschlüsse darauf, welche Perspektiven eingenommen werden, was wiederum mit den Ausführungen zu Digitalisierung und Digitalität kritisch reflektiert werden kann. Der Vorteil in der Verwendung des SAMR-T-Modells für die Einordnung der Bewer‐ tungen liegt neben seiner Beliebtheit bei Praktiker*innen (Hamilton et al., 2016, S. 433) darin, dass das Modell die Brücke zwischen Abstraktheit der einzelnen Perspektiven (digi‐ tisation/ Digitalisierung/ Digitalität) und der Bewertung der konkreten Nutzung digitaler Technologien schafft. Trotz seiner Einschränkungen in der Nutzung für Entwicklungs‐ fragen (Muuß-Merholz, 2020) erlaubt die überarbeitete Version des SAMR-T-Modells somit eine vielversprechende, deduktive Rahmung für die Einordnung der einzelnen Codierungen zu digitalen Technologien und damit der genannten, zusätzlichen inhaltlichen Ebenen für die ENA. Neben der bereits in der QIA bestehenden Kategorie zu Covid-19, der Kategorie zu digitalen Technologien und den jeweiligen Kategorien für die SAMR-T-Ebenen, ergab sich außerdem noch eine induktive Ergänzung der Bewertungskategorien. So wurde deutlich, dass einige Bewertungen digitaler Technologien auf einer Ebene der unzureichenden 9.2 Die ENA im Rahmen des Mixed-Methods-Designs der Studie 227 <?page no="228"?> 97 Die Kategorien zu Wünschen, Plänen und Idealvorstellungen erwiesen sich im weiteren Verlauf allerdings für das Forschungsinteresse als nicht gewinnbringend. Bei der Vorstellung der Netzwerke fließen diese drei Kategorien also nicht ein. Substitution liegen, die für das SAMR-Modell nicht berücksichtigt wird. Insbesondere durch den ERT-Charakter der pandemiebedingten Semester werden immer wieder Situationen geschildert, in denen digitale Technologien versuchten, Präsenzstrukturen zu substituieren, dies aber nur unzureichend gewährleisten konnten. Die der Kategorie unzureichende Substitution (Negative substitution) zugeordneten Abschnitte beschreiben also Aussagen, bei denen berichtet wird, wie digitale Technologien (insbesondere das video conferencing) mit dem Ziel genutzt wurden, analoge Strukturen zu ersetzen, dabei aber nur teilweise erfolgreich waren (beispielsweise, weil Aspekte der Sozialität fehlten). Zusätzlich zu den drei bis hierhin diskutierten Ebenen wurden aus der bereits in der QIA durchgeführten Codierung die Kategorien der schulischen und universitären Erfahrungen, wie auch zu Wünschen, Plänen und Idealvorstellungen in die ENA aufgenommen, sodass insgesamt 13 Kategorien berücksichtigt wurden. 97 Trotz der zum Teil induktiv vorgenommenen Ergänzungen (z. B. die Kategorie der unzureichenden Substitution) wurden diese 13 Kategorien weitestgehend deduktiv auf das Material angesetzt. Mit Blick auf die Diskussionen in der QIA und der erläuterten Kritik an deduktiven Kategoriensystemen kann diese Setzung zunächst überraschen. So wurde für die QIA die Kritik festgehalten, dass ein deduktives Kategoriensystem explorativen Er‐ kenntnisgewinn einschränken könne (weswegen sich für ein deduktiv-induktives System entschieden wurde). Während dieser Kritik für die QIA auch weiterhin zugestimmt wird, ist zu beachten, dass sich bei der ENA das Erkenntnisinteresse und auch die Hintergründe der Methode verändert haben. Wo die QIA neue inhaltliche Aspekte explorieren sollte, ist es Ziel der ENA, gesetzte Verbindungen (pandemiebedingte Erfahrungen, digitale Techno‐ logien und deren Bewertung) zu analysieren. Wo bei der QIA qualitativ-interpretierend vorgegangen wurde, soll die ENA statistisch-vergleichend Ergebnisse darstellen. Aus diesen Gründen trifft die Kritik an deduktiven Kategoriensystemen bei der QIA nicht auf die ENA im spezifischen Kontext des vorliegenden Forschungsdesigns und dem entsprechenden Forschungsinteresse zu. Nachdem nun die Genese der (zusätzlichen) Kategorien beleuchtet wurde, wird vor der Beschreibung der Netzwerke noch ausgeführt, wie aus den qualitativen Datengrundlagen quantitative Berechnungen werden können. 9.2.2 widmet sich entsprechend der (Re-)Co‐ dierung und dem formatting des Materials für die anschließenden Berechnungen und Modellierungen. 9.2.2 (Re-)Codierung des Materials und formatting für die Epistemic Network App Die ersten Schritte nach Etablierung des Kategoriensystems liefen in der vorliegenden Arbeit noch ähnlich ab, wie schon für die QIA beschrieben. Das heißt konkret, dass die 34 Interviews in MaxQDA mit den zusätzlichen Codierungen bearbeitet wurden. Dabei wurden die gleichen Gütekriterien berücksichtigt wie auch bei der qualitativen Codierung, 228 9 Epistemic Network Analysis <?page no="229"?> die Codierungen wurden also im Team vorgenommen und basierend auf den beschriebenen Berechnungen zur ICR überarbeitet. Eine Besonderheit in der initialen Codierung liegt in dem Anlegen sogenannter stanzas. Dieses zusätzliche Element erlaubt es, Temporalität im Material in der Berechnung zu berücksichtigen. Die ENA betrachtet die Beziehung von Objekten bezüglich ihrer Nähe gemessen an den gesetzten stanzas. Dabei können Objekte einzelne Personen oder auch Konzepte meinen (Shaffer, 2014, S. 2). Stanzas können zum Beispiel zeitliche Einheiten bestimmen (etwa bei der Analyse von Videos), aber auch einzelne Momente des turn takings (ebd.). In einem vereinfachten Beispiel ließen sich die stanzas in einem Gespräch zwischen zwei Personen so setzen, dass bei jedem Wechsel des Sprechenden auch ein neues stanza eröffnet wird. Damit lässt sich das Gespräch zeitlich aufteilen (beispielsweise von stanza 1 bis stanza 10) und die Objekte des Gesprächs, beispielsweise bestimmte fachwissenschaftliche Konzepte, können damit zeitlich verortet werden. Während das Setzen von stanzas für Interaktionsdaten auf diese Weise unproblematisch vorgenommen werden kann, ergibt sich in der Vorgehensweise für die Materialien der Studie ein Problem: Durch die Form des leitfadengestützten Interviews ergibt sich in dem Material kein natürliches turn taking, welches als Marker für stanzas genutzt werden könnte. Stanzas lassen sich aber auch inhaltlich setzen, was die gerade beschriebenen Probleme umgeht: In the context of an ENA analysis, relations between elements can be explicitly specified in the model, but the idea of a stanza is that elements present in the same stanza are conceptually connected, while elements in different stanzas are not. In other words, elements that co-occur in a stanza are conceptually linked. (Shaffer et al., 2016, S.-23) Stanzas müssen in diesem Verständnis keine vorgegebenen Größen (eine bestimmte Anzahl an Sekunden) oder einen externen Marker (z. B. turn taking) beschreiben, sondern können stattdessen auch inhaltlich bestimmt werden. Es muss dabei nur begründbar sein, wieso die einzelnen Elemente innerhalb des stanzas konzeptionell miteinander verbunden sein sollten. Shaffer vergleicht in dem Zitat stanzas mit Abschnitten in einem Gedicht, bei dem alle Elemente innerhalb des stanzas inhaltlich miteinander verbunden sind und sich von dem nächsten stanza abgrenzen lassen. Die Vorgehensweise lässt sich mit einem Beispiel aus dem Material der Studie veranschaulichen: Das war immer so die erste Sache, die man bei der Planung, glaube ich, beachten musste. ähm (.) Ja und da haben halt vielfach auch so Apps geholfen, ähm, das heißt das war auch sowas, was ich mir mal angeguckt habe, inwiefern kann ich jetzt Apps miteinbinden, dass das Ganze digitaler wird. Und ähm (.) eine andere Sache ist halt wie gehe ich mit Störungen im digitalen Unterricht um, denn die Störungen, die ich im Unterricht habe, dass XY mit seinen Nachbarn spricht oder äh mit dem Stuhl kippelt. (K1_i7_F1, Pos. 12) 9.2 Die ENA im Rahmen des Mixed-Methods-Designs der Studie 229 <?page no="230"?> 98 Trotzdem überschneidet sich das Setzen von stanzas oft auch mit einem neuen Impuls der interview‐ enden Person, da damit häufig auch eine neue inhaltliche Ausrichtung der Ausführungen einhergeht. Auch wenn in dem Ausschnitt kein turn taking stattfindet, also kein neuer Impuls gegeben wurde 98 , können dem Ausschnitt zwei stanzas zugeordnet werden. Bis zu dem Punkt „dass das Ganze digitaler wird“ spricht die Person darüber, wie sie im Praxissemester versucht hat, digitale Medien in ihre Planung zu integrieren. Anschließend ändert sich der Fokus inhaltlich, es geht nicht mehr um digitale Medien und das Praxissemester, sondern um Unterrichtsstörungen während ERT. Aus diesem Grund wird hier ein neues stanza gesetzt. Stanzas ließen sich in diesem Verständnis auch als einzelne Sinnabschnitte oder Gedankenschritte bezeichnen. Gerade mit Bezug zum Interesse an Assoziationsstrukturen scheint diese Art, Temporalität in dem Material zu berücksichtigen, besonders geeignet. Unter diesem Vorgehen wurden die 34 Interviews in 563 stanzas eingeteilt. Während alle Kategorien, inklusive der gerade beschriebenen stanzas, zunächst in MaxQDA codiert wurden, änderte sich ab diesem Punkt die Vorgehensweise für die ENA im Vergleich zur QIA massiv. Für die Genese der Netzwerkmodelle wurde das ENA Web-Tool (Version 1.7.0) (Marquart et al., 2021) genutzt. Dabei kann allerdings nicht direkt die MaxQDA-Datei in das Web-Tool importiert werden. Stattdessen nutzt das Web-Tool „symmetrical, stanza-based interaction data“ (Shaffer, 2014, S. 2). Dies erlaubt dem Web-Tool nicht nur, Netzwerke zu generieren (was auch MaxQDA könnte), sondern auch einen „analytic space“ (ebd.) zu bilden, in dem mehrere solcher Netzwerke statistisch verglichen werden können. Die symmetrical, stanza-based interaction data besteht aus all denjenigen Elementen, die bis hierhin besprochen wurden (vgl. ebd.): 1. Objects, also diejenigen Personen oder Konzepte, für die Netzwerke erstellt werden (hier: die Studierenden), 2. Relations between objects (hier: die Erfahrungen und die Bewertung digitaler Techno‐ logien, die bei den Objekten miteinander verglichen werden), 3. Stanzas, also temporale Einheiten (hier: die einzelnen Sinnabschnitte, in denen sich die Aussagen einteilen lassen), 4. Evidence, also Elemente in den Daten, die die Beziehungen anzeigen (hier: die Codierungen zu Covid-19 und SAMR-T). Daraus lässt sich, beispielsweise mit Microsoft Excel, eine Tabelle erstellen, die anschlie‐ ßend in das Web-Tool importiert werden kann: 230 9 Epistemic Network Analysis <?page no="231"?> Tabelle 3: Ausschnitt aus dem Datensatz für die ENA 99 9.2 Die ENA im Rahmen des Mixed-Methods-Designs der Studie 231 <?page no="232"?> 99 Einzelne Kategorien sowie Angaben zur Zugehörigkeit zu einem Typ können hier aus Platzgründen nicht dargestellt werden. Dargestellt sind 20 der 563 stanzas. Die Tabelle bietet eine Formatierung, die für den Algorithmus des Web-Tools interpretierbar ist. Dabei beschreibt jede Zeile eins der (in dieser Studie) 563 stanzas. In den Spalten sind die Metadaten (Interviewnummer, Aufteilung in Studierende/ Expert*innen, Kohorte), die originale Transkriptstelle, auf die sich das stanza bezieht, sowie alle für das Forschungsin‐ teresse relevanten Codierungen in binärer Form aufgelistet. Dabei wird jedem Code für jedes stanza ein Wert von 0 oder 1 zugeschrieben. Man könnte auch sagen, die qualitative Codierung wird digitalisiert. Aus der Frage bzw. Information, welche Codierung sich in welchem Textabschnitt befindet, wird so die Information, ob der jeweilige Code im stanza vorhanden ist (ja [1] oder nein [0]). Betrachtet man z. B. stanza 15, sieht man bei der Codierung D.tools, Augmentation und Covid eine 1. Das heißt, in stanza 15 sind diese drei (und, wie die restlichen Nullen anzeigen, nur diese drei) Codierungen gesetzt worden. Auf diese Weise wird jeder einzelnen möglichen Codierung ein distinkter Wert, 1 oder 0, ja oder nein, zugewiesen. Damit müssen insgesamt 7319 (563 stanzas × 13 Kategorien) Nullen und Einsen gesetzt werden, mit denen der Algorithmus des Web-Tools dann seine Berechnungen für die Netzwerke durchführt. Hierfür nutzt der Algorithmus für jeden binären Code die Formel H jk xi * = 1ℎ jk xi > 0 0 otℎerwise wobei H xi die Matrix beschreibt, die die Assoziationsstärke zwischen zwei Kategorien bestimmt, j und k sind jeweils als 1 (ja) gesetzt (Bowman et al., 2022, S. 96). So wird aus jeder Assoziation zwischen zwei Kategorien ein distinkter Wert; ist keine Assoziation vorhanden, wird der Wert auf 0 gesetzt. Die Tabelle mit ihren Metadaten und binären Kategorien steht im Hintergrund für alle Netzwerke, die in der Arbeit vorgestellt werden. Dabei werden, je nach Fokus des Netzwerks, einzelne Spalten aktiviert oder deaktiviert (beispielsweise die Zuordnung in Ko‐ horten), die Datengrundlage bleibt jedoch gleich. Warum dieses aufwendige formatting als zusätzlicher Arbeitsschritt durchgeführt werden muss, wird deutlich, wenn das Entstehen der Netzwerke selbst betrachtet wird. Dementsprechend widmet sich das nächste Kapitel zunächst dem Entstehen der Netzwerke und anschließend der Ergebnisbeschreibung. 9.3 Beschreibung der Netzwerke Um die Ergebnisse der ENA interpretieren zu können und zu verstehen, was die einzelnen Netzwerke und Netzwerkvergleiche anzeigen (können) - und wieso dies für das ausgewie‐ sene Forschungsinteresse Relevanz besitzt - ist es hilfreich kurz darzustellen, wie aus den formatierten Daten im ENA Web-Tool überhaupt ein Netzwerk modelliert wird. Aus diesem Grund sollen in 9.3.1 zunächst einige (mathematische) Grundlagen der Genese skizziert werden. Anschließend wird in 9.3.2 mit dem Gesamtnetzwerk aller Studierenden das einfachste Netzwerk vorgestellt, in dem die Verbindungen zwischen den Erfahrungen der Pandemie und der Bewertung digitaler Technologien dargestellt werden können. 232 9 Epistemic Network Analysis <?page no="233"?> 100 Vier Zeilen ist die standardmäßige Fenstergröße für Berechnungen der ENA. In einigen Situationen kann auch eine größere oder kleinere Fenstergröße von Vorteil sein (siehe auch Siebert-Evenstone et al., 2017; Zörgő et al., 2021), in der vorliegenden Arbeit wirkt sich eine entsprechende Veränderung der Fenstergröße allerdings nicht auf die Genauigkeit/ Konstellation der Netzwerke aus. Anschließend folgen vergleichende Netzwerke; der Vergleich von K1 und K2, der in Kapitel 9.3.3 auf RQ 2.1 antwortet und schließlich in einem Exkurs der Vergleich der Netzwerke zwischen Studierenden und Expert*innen in 9.3.4. Kapitel 9.4 endet schließlich mit einer zusammenfassenden Diskussion aller Netzwerke und ihren Implikationen für das Forschungsinteresse. 9.3.1 (Mathematische) Grundlagen für die Genese der Netzwerke Wie in den methodischen Ausführungen betont, sind für die ENA Verbindungen zwischen einzelnen Kategorien von Interesse, die die „co-concurrence of codes“ (Pantić et al., 2022, S. 158) anzeigen. Das heißt, umso stärker die Verbindung zwischen zwei Kategorien in einem Netzwerk, desto häufiger und desto näher werden die beiden Kategorien miteinander genannt. Um diese co-concurences zu berechnen, verwendet der ENA-Algorithmus ein bewegliches Fenster, um ein Netzwerkmodell für jede Zeile in den Daten zu erstellen, welches anzeigt, inwiefern die Codes der aktuellen Zeile mit den vorherigen Codes verbunden sind (Ruis et al., 2019). Der Algorithmus betrachtet genau genommen in einem Fenster von jeweils vier Zeilen 100 nacheinander jede der 563 Zeilen (=stanzas) der Tabelle. Durch die Zuordnung in units (hier, ID) wird dabei sichergestellt, dass jeweils Netzwerke für eine Person, also für eines der Interviews erstellt werden. Dafür nutzt der Algorithmus für jede einzelne unit die Formel Ω Y = ∑ X = 1 N ∑ iϵλ H xi * (Bowman et al., 2021, S. 96). Die Formel zeigt die kumulative Stärke aller Verbindungen zwischen Kategorien für eine spezifische unit ∪ y . So wird sichergestellt, dass, auch wenn in der Tabelle alle Interviews fortlaufend dargestellt werden, die ENA nicht beispielsweise die Verbindungen im letzten stanza von K1_i1 mit den Elementen des ersten stanzas von K1_i2 berechnet. Eine solche Berech‐ nung würde inhaltlich keinen Sinn ergeben, da die Netzwerke verschiedener Personen zusammengeworfen würden. Stattdessen entstehen 34 separate Netzwerke, die auf ver‐ schiedene Gruppengrößen (z. B. in den zwei verschiedenen Kohorten oder aufgeteilt nach Studierenden und Expert*innen) aggregiert werden können. Damit aus den registrierten co-concurrences aber interpretierbare, aussagekräftige und vergleichbare Netzwerkmodelle entstehen können, unternimmt der ENA-Algorithmus noch einige weitere Schritte. Bevor sie einer dimensionsreduzierenden Methode unterzogen werden, normiert das ENA-Modell die 34 Netzwerke für alle Analyseeinheiten. Das Web-Tool der ENA norma‐ lisiert die beiden Netzwerke so, dass diese gleich strukturiert sind, auch wenn sich die relative Position der Netzwerke K1 und K2 im niedrigdimensionalen Raum unterscheidet. Spezifisch werden die einzelnen Vektorlängen V υ normalisiert. So können K1 und K2 eine unterschiedliche Anzahl berücksichtigter stanzas beinhalten, aber „saying something 9.3 Beschreibung der Netzwerke 233 <?page no="234"?> twice as often does not mean that it is understood twice as well“ (Shaffer et al., 2016, S. 27). Die Verbindungen sollen also keine absoluten Häufigkeiten darstellen, sondern die relative Verbindungsstärke im Vergleich zueinander. Anders als die Projizierung, Dimensi‐ onsreduktion und die Optimierungsroutinen ist die Normalisierung der Vektoren denkbar einfach. Ähnlich wie beispielsweise bei Verfahren des natural language processing werden alle Vektoren V υ mit ihrer Länge dividiert und so der normalisierte Vektor N υ erzeugt (ebd.). Das ermöglicht den intuitiven Vergleich bei gleichzeitiger statistischer Präzision. N υ zeigt die relative Häufigkeit der co-concurrence zwischen den beiden betreffenden Kategorien an, die durch die Normalisierung unabhängig von der absoluten Anzahl der stanzas der betreffenden unit ist (ebd.). In vergleichenden Abbildungen zeigen sich also Verbindungen, die gleich lang sind, obwohl sie unterschiedlich viele stanzas berücksichtigen. Weiterhin wird mit Hilfe einer singular value decomposition eine Dimensionsreduktion angewendet und so orthogonale Dimensionen erzeugt, die die Varianzaufklärung in den einzelnen Dimensionen maximieren. (Für eine detaillierte Beschreibung der entspre‐ chenden Grundlagen siehe Bowman et al., 2021, und Shaffer et al., 2016.) Erst anschließend werden die Netzwerke mit Hilfe von Netzwerkgraphen visualisiert, wobei die einzelnen Knotenpunkte den Kategorien entsprechen und die Verbindungen die relative Häufigkeit des gemeinsamen Auftretens zweier Kategorien widerspiegeln. Das Ergebnis sind zwei koordinierte Darstellungen für jede Analyseeinheit: (1) ein eingezeichneter Punkt, der die Position des Netzwerks dieser Einheit im niedrigdimensionalen, projizierten Raum darstellt, und (2) ein gewichteter Netzwerkgraph. Die Positionen der Knoten des Netz‐ werkgraphen sind fest vorgegeben und werden von dem Web-Tool durch eine Optimie‐ rungsroutine bestimmt, die die Differenz zwischen den eingezeichneten Punkten und den entsprechenden Netzwerkschwerpunkten minimiert (Shaffer et al., 2016, S. 28). Aufgrund dieser Ko-Registrierung von Netzwerkgraphen und projiziertem Raum können die Posi‐ tionen der Knoten der Netzwerkgraphen - und die von ihnen definierten Verbindungen - verwendet werden, um die Dimensionen des projizierten Raums zu interpretieren und die Positionen der eingezeichneten Punkte in diesem Raum zu erklären. Der Vorteil des formatting und der Nutzung des Algorithmus und der Optimierungsrou‐ tinen des Web-Tools ist, dass die Visualisierung der Netzwerke direkt mit den statistischen Vergleichswerten konsistent sind (Bowman et al., 2021, S. 94). Dementsprechend erlaubt ein Blick auf die Netzwerke nicht nur einen intuitiven Überblick über den Inhalt und die Struktur der Netzwerke, sondern ist zugleich auch konsistent mit der im Hintergrund laufenden, vergleichenden Statistik (ebd.). Gerade für die vorliegende Arbeit ergeben sich dadurch zwei Vorteile, die die bisherigen qualitativen Auswertungen ergänzen können: Anders als die umfassenden qualitativen Beschreibungen gibt die ENA einen unmittelbaren Einblick in bzw. eine Zusammenfassung der Inhalte der Interviews. Außerdem erlaubt der statistische Zugang eine weitere Perspektive für den Vergleich und die Kontrastierung einzelner Interviews bzw. Gruppen von Interviews. Inwiefern die beiden Perspektiven im Sinne des pragmatischen Paradigmas einer Mixed-Methods-Studie synthetisiert werden können, wird in Kapitel 10 untersucht. An dieser Stelle sollen zunächst die Einblicke der quantitativen Perspektive beschrieben werden. 234 9 Epistemic Network Analysis <?page no="235"?> 9.3.2 Gesamtnetzwerk aller Studierenden Das Gesamtnetzwerk aller Studierenden gibt als Einstieg in die Ergebnisbeschreibung einen guten Überblick über allgemeine Verbindungen zwischen den für das Forschungsinteresse relevanten Kategorien. Es spielt also die gerade genannte erste Stärke des unmittelbaren Eindrucks aus. Alle 32 Einzelnetzwerke der Studierenden sind hier als ein Netzwerk aggregiert. Abbildung 23: Netzwerk der Studierenden K1_i1 - K2_i16 Die goodness of fit beträgt Pearson r = 0,92 und Spearman ρ = 0,92 für die erste Dimension (X-Achse) respektive Pearson r = 0,85 und Spearman ρ = 0,87 für die zweite Dimension (Y-Achse). Die Werte sind damit - im Einklang mit typischen Ergebnissen einer ENA - hoch bzw. sehr hoch (Shaffer, 2016, S. 28). Konkret zeigen die Werte, dass die Korrelation des hier abgebildeten Modells und der tatsächlichen Position der Knoten im N-dimensionalen Raum hoch bis sehr hoch ist, was die Validität der Darstellung bestätigt. Insgesamt ist die Form des Netzwerks geprägt durch die Verbindungen von Covid, Substitution, Negative substitution, und universitären Erfahrungen. Die stärksten Verbin‐ dungen liegen zwischen den Knoten Covid und Negative substitution, gefolgt von Covid und Substitution sowie universitäre Erfahrungen und Substitution. Auch die Verbindungen zwischen universitären Erfahrungen und Negative substitution wie auch zwischen Covid und Augmentation sind im Vergleich zu den restlichen Verbindungen stark, die Kategorien werden also häufig zusammen genannt. Da jeder Bewertung von digitaler Technologie 9.3 Beschreibung der Netzwerke 235 <?page no="236"?> nur ein einzelner SAMR-T-Wert zugeschrieben wurde, sind die Bewertungen selbst kaum bis gar nicht miteinander verbunden. Auffällig ist allerdings, dass auch für die Knoten Covid und universitäre Erfahrungen keine Verbindung zum Knoten Redefinition besteht, die Verbindungen zu Modification und Transformation ist außerdem unwesentlich. Aggregiert auf alle Interviews wird der Knoten Covid also mit einer unzureichend substitutiven oder einer substitutiven Bewertung digitaler Technologien verbunden. Zu einem geringeren Maße besteht außerdem eine Verbindung von Covid und Augmentation, also einer erweiternden bzw. optimierenden Perspektive auf digitale Technologien. Auch die universitären Erfahrungen, von denen in den Interviews berichtet wird, sind eng mit einer unzureichend substitutiven oder substitutiven Bewertung digitaler Technologien verbunden. Da bei dem formatting auch die Transkripte aller 563 stanzas importiert werden, erlaubt das Web-Tool nachzuverfolgen, auf welchen Textstellen die jeweiligen Verbindungen beruhen. So lässt sich für die stärkste Verbindung des Netzwerks, Covid und Negative substitution, beispielhaft die folgende Textstelle anführen: Äh, darf ich auch aus Erfahrung sprechen? Ok, also ich war schon im Praxissemester und äh der letzte Monat war auch komplett im Lockdown, dementsprechend war dann auch mein Unterricht (unv.) und meine zwei Unterrichtsbesuche auch digital. […] Welche Fragen gab es noch und ähm ja zu der didaktischen Strukturierung, also kann ich die gleichen Inhalte, die ich in Präsenz machen genauso ins Digitale übertragen, wo ich die Erfahrung gemacht habe: nein, kann ich nicht, ich muss das nochmal reduzieren in irgendeiner Art und Weise. (K1_i9 F1, Pos. 10) In dem stanza bezieht sich die befragte Person eindeutig auf eine pandemiebedingte (schu‐ lische) Erfahrung, nämlich Unterricht während des „Lockdowns“. Außerdem beschreibt sie eine Situation, in der sie die Strukturen der Präsenz nicht im digitalen Raum substituieren kann, sondern im Vergleich dazu „reduzieren“ muss. In dem Zitat wird somit auch inhalt‐ lich die Verbindung zwischen pandemiebedingten Erfahrungen und einer unzureichend substitutiven Bewertung von, bzw. Perspektive auf, digitale Technologien (hier: video conferencing) deutlich. Auch, wenn an dieser Stelle nicht alle Verbindungen mit Beispielen versehen werden sollen, da damit der unmittelbare Überblick konterkariert werden würde, zeigt das Beispiel, wie in der ENA die auf alle Fälle aggregierte Gesamtübersicht der Ver‐ bindungen immer auch individuell auf das Ausgangsmaterial zurückgeführt und inhaltlich begründet werden kann. Während das Gesamtnetzwerk einen Überblick über die allgemeinen Strukturen gibt, können hier noch keine Aussagen über die Beziehung zwischen Online- und Hybridse‐ mester benannt werden. Da sich aus den qualitativen Ergebnissen bereits Hinweise ergeben hatten, dass Unterschiede im Erleben und in der Bewertung abhängig vom Zeitpunkt der Befragung bestehen könnten, lohnt es sich entsprechend nun ein vergleichendes Netzwerk zu betrachten. Damit wird auch direkt RQ 2.1 bearbeitet. 9.3.3 Kohortenvergleich Online- und Hybridsemester Das Netzwerk K1 und K2 unterscheidet sich in seiner Genese von dem vorherigen darin, dass die Spalte für Kohorte aktiviert wurde. Dadurch wird jedes Netzwerk der einzelnen 236 9 Epistemic Network Analysis <?page no="237"?> 101 Da der Knoten Transformation aufgrund fehlender Verbindungen weit außerhalb des restlichen Netzwerks liegt, wird er zwecks besserer Sichtbarkeit nicht dargestellt. Der Knoten ist allerdings in die Modellierung eingeflossen. units den Kohorten K1 oder K2 zugeordnet und, wie in Kapitel 9.3.1 beschrieben, auf Ebene der Kohorte aggregiert. Auf diese Weise werden zwei Netzwerke erstellt, eins für K1 (rot) und eins für K2 (blau), die aus jeweils 16 Einzelnetzwerken bestehen. Dabei werden in der Darstellung zunächst die einzelnen Netzwerke angezeigt (Abbildung 24) und anschließend beide Netzwerke im Vergleich (Abbildung 25). Bei dem Vergleich werden die Verbindungsstärken zwischen den beiden Netzwerken gegeneinander aufgewogen und dann die Stärke des Unterschieds der Verbindungen zwischen K1 und K2 angezeigt. Wenn also beispielsweise K1 eine stärkere Verbindung zwischen universitären Erfahrungen und Substitution aufweist, zeigt das vergleichende Netzwerk in Farbe des Einzelnetzwerkes (für K1 = rot) die Stärke von K1 abzüglich der von K2 an. Mit anderen Worten, dass Netzwerk zeigt, wie viel stärker die entsprechende Verbindung von K1 im Vergleich zu K2 ist. Grundlegender Unterschied zum vorigen Kapitel ist außerdem, dass diese beiden Netzwerke statistisch miteinander verglichen werden können. Abbildung 24: Netzwerke K1 (rot) 101 und K2 (blau) Betrachtet man vor dem direkten Vergleich die beiden Kohorten separat, wird eine sich unterscheidende Verbindungsstärke bei mehreren Knoten augenscheinlich. Insbesondere ist bei K1 die Verbindung zwischen universitärer Erfahrung und Substitution besonders stark ausgeprägt, während in K2 vor allem die Verbindung zwischen Covid und Negative substitution dominiert. Der eigentliche Netzwerkvergleich findet aber nicht auf Ebene der einzelnen Netzwerke statt, sondern in dem comparison plot beider Netzwerke, der den direkten und statistischen Vergleich ermöglicht. 9.3 Beschreibung der Netzwerke 237 <?page no="238"?> 102 Der Knoten Redefinition liegt aufgrund fehlender Verbindungen außerhalb des hier gewählten Ausschnittes, hat aber die Modellierung des Netzwerks beeinflusst. Abbildung 25: Netzwerkvergleich K1 und K2 102 Wie bei dem Gesamtnetzwerk ist die goodness of fit entlang der X-Achse sehr hoch (Pearson r = 0,92, Spearman ρ = 0,93) und entlang der Y-Achse hoch bis sehr hoch (Pearson r = 0,87, Spearman ρ = 0,87). Für die X-Achse ergibt ein t-Test unter der Annahme ungleicher Varianz, dass K1 (M = 0,36, SD = 0,37, N = 16) sich bei einem Alpha-Wert von 0,05 signifikant von K2 (M = -0,36, SD = 0,48, N = 16) unterscheidet (t (28,87) = 4,79, p = 0,00, Cohen’s d = 1,69). Bei der Y-Achse ergibt sich hingegen kein signifikanter Unterschied (siehe Tabelle 4). - Grouping X-axis Y-axis Mean SD N t Effect Size (d) P Mean SD N T Effect Size (d) P K1 0,36 0,37 16 4,79 1,69 0 0,00 0,64 16 0,00 0,00 1,00 K2 -0,36 0,48 16 - - - 0,00 0,64 16 - - - Tabelle 4: Übersicht der Kennwerte im Vergleich der Netzwerke K1 und K2 238 9 Epistemic Network Analysis <?page no="239"?> 103 Zwecks besserer Übersichtlichkeit werden Konfidenzintervalle, mean Positionen und Kategorien, die nicht direkt zu der Bewertung gehören, nicht angezeigt. Der ermittelte Unterschied zeigt an, dass sich die Netzwerke insbesondere durch stärkere Verbindung von K1 bei universitären Erfahrungen und Substitution, und die stärkere Verbindung von K2 bei Covid und Negative substitution signifikant unterscheiden. Bei Be‐ trachtung der Einzelnetzwerke wird deutlich, dass in beiden Kohorten beide Verbindungen vorhanden sind, sich die relative Stärke aber deutlich unterscheidet. Mit anderen Worten: Bei K1 (dem Onlinesemester) besteht eine stärkere Verbindung der universitären und Covid-bedingten Erfahrungen mit einer substitutiven Bewertung digitaler Technologien, bei K2 (dem Hybridsemester) besteht eine stärkere Verbindung der universitären und Covid-bedingten Erfahrungen mit einer unzureichend substitutiven Bewertung digitaler Technologien. Dieser Unterschied ist mit einem Cohen’s d = 1,69 äußerst stark ausgeprägt (Cohen, 1992). Auffällig ist weiterhin, dass die Perspektiven Modification, Redefinition und Transforma‐ tion nicht nur eine vernachlässigbare Rolle für die Varianzaufklärung spielen, sondern, dass sie darüber hinaus kaum bis gar nicht mit universitären Erfahrungen und Covid verbunden sind. Insgesamt bezieht sich die Bewertung von und Perspektive auf digitale Technologien also fast ausschließlich auf die Ebenen des SAMR-T-Modells, die der Perspektive digitisation bzw. der (technischen) Digitalisierung zugeordnet werden können (siehe Kapitel 2.1.2). Abbildung 26 verdeutlicht dies, indem es die Netzwerke unter Einbezug der Kategorie D.tools anzeigt: Abbildung 26: Netzwerkvergleich K1 und K2 inklusive der Kategorie D.tools 103 Für beide Kohorten sieht man in den Netzwerken, dass digitale Technologien stärker mit den Ebenen der (Negative) Substitution und Augmentation genannt werden, während Modification, Redefinition und Transformation kaum eine Rolle in der Bewertung spielen. Damit spiegelt die quantitative Perspektive der ENA den Eindruck wider, dass vor allem ein verengter Fokus auf Digitalisierung im Vordergrund steht. Man sieht außerdem den bereits angesprochenen Unterschied in K1, mit der stärkeren Verbindung zu Substitution, und K2, 9.3 Beschreibung der Netzwerke 239 <?page no="240"?> mit der stärkeren Verbindung zu Negative substitution. Die Einzeldarstellung macht dabei deutlich, dass dennoch für beide Kategorien beide Kohorten starke Verbindungen besitzen, wie es sich auch in dem Gesamtnetzwerk ausdrückt. Wie bereits angeklungen, bedürfen die Interpretation der Netzwerke und ihrer statisti‐ schen Kennwerte durch die relativen Positionierungen einer besonderen Aufmerksamkeit. Bevor die vorgestellten Netzwerke aber interpretiert und diskutiert werden, soll ein Exkurs in Expert*innennetzwerke eine wertvolle Kontextualisierung der bis hierhin festgestellten Auffälligkeiten bieten. 9.3.4 Exkurs: Vergleich von Studierenden und Expert*innen Die beiden Expert*inneninterviews, die parallel zur Erhebung der Studierendeninterviews geführt wurden, wurden ursprünglich vor dem Hintergrund des Gütekriteriums der Offenheit (Helfferich, 2014, S. 561) angelegt. Da über das Konstrukt Vorstellungen untersucht wird, wie weit Studierende Digitalisierung und Digitalität denken (können), war bereits vor der Erhebung die kritische Frage an den Leitfaden zu stellen, wie weit die Impulse überhaupt zulassen, Digitalisierung und Digitalität zu denken bzw. darauf zu antworten. Neben der Vorstudie sollen die Expert*inneninterviews Hinweise darauf geben, wie unterschiedlich die Impulse beantwortet werden können. Im Hintergrund steht dabei die Annahme, dass sich Expert*innenwissen und Noviz*innenwissen grundlegend voneinander unterscheidet (Chi et al., 1981; Kubsch et al., 2020). Dieser Unterschied drückt sich darüber hinaus vor allem in den Verbindungen aus, die Expert*innen im Vergleich zu Noviz*innen zwischen für das Fach relevanten Konzepten ziehen (Kubsch et al., 2019, S. 2-3). Konkret besteht die Annahme, dass Expert*innen oberflächliche Themen nur flüchtig erwähnen, bevor zu den (aus Perspektive des Fachbereiches) Kernaspekten der Thematik übergegangen wird. Noviz*innen hingegen bleiben häufig auf der oberflächlichen Ebene (ebd.). Sollten die Expert*inneninterviews also den Interviews der Studierenden zu sehr glei‐ chen, so der daraus resultierende Schluss, würde der Leitfaden zu sehr strukturieren und lenken und müsste dementsprechend angepasst werden. Die Expert*inneninterviews sollen in ihrer ursprünglichen Funktion also einen zusätzlichen Kontrollmechanismus für das verwendete Instrument darstellen. Bei der Betrachtung der Netzwerke der Expert*innen wird allerdings schnell deutlich, dass sie darüber hinaus auch dabei unterstützen können, die Ergebnisse der Studierendeninterviews einzuordnen. Wer in einem Bereich (hier Digitalisierung in formalisierten Bildungskontexten) als Expert*in gelten darf, ist umstritten (Helfferich, 2014, S. 570). Grundlegend wird daher normalerweise für den Einzelfall entschieden. Mit dem Bezug auf Przyborski und Wohl‐ raab-Sahr (2008, S. 133, hier zitiert in Helfferich, 2014) kann über diejenigen Personen als Expert*innen gesprochen werden, „die über ein spezifisches Rollenwissen verfügen, solches zugeschrieben bekommen und eine darauf basierende besondere Kompetenz für sich selbst in Anspruch nehmen“. Für die vorliegende Studie wurden also zwei Personen ausgesucht, die eine spezifische Rolle im Bereich Digitalisierung und Digitalität in Bildungs‐ prozessen einnehmen und die sich selbst eine Kompetenz in dem Bereich zuschreiben und 240 9 Epistemic Network Analysis <?page no="241"?> 104 Hier verstanden als Selbstdarstellung über Informationen auf den eigenen Websites, Veröffentli‐ chungen, gegebenen Fortbildungen und Lehrveranstaltungen. 105 Einige inhaltliche Veränderungen wurden aufgrund der unterschiedlichen Rollen vorgenommen. So wurde beispielsweise zu den Erfahrungen der selbst gegebenen Lehre während den Covid-bedingten Einschränkungen gefragt. 106 Die Konfidenzintervalle werden hier nicht angezeigt, da bei lediglich zwei Expert*inneninterviews keine aussagekräftigen Intervalle berechnet werden können. zugeschrieben bekommen. 104 Unter dieser Voraussetzung wurden zwei Professor*innen kontaktiert, die in keiner Weise mit dem Forschungsprojekt verbunden sind und sich zueinander (innerhalb der Vorgaben) möglichst stark unterscheiden. Die Professor*innen arbeiten an unterschiedlichen Universitäten, in unterschiedlichen Fachbereichen und sind unterschiedlichen Alters und Geschlechts. Unter den genannten Zielbedingungen wurden die Leitfadeninterviews möglichst ähnlich zu den Studierendeninterviews gehalten. 105 So können Expert*innen und Studierendeninterviews nicht eins zu eins verglichen werden, aber zumindest die bis hierhin diskutierten Kategorien (universitäre Erfahrungen, Covid, digitale Technologien und die Bewertung in SAMR-T) lassen sich mit der ENA kontras‐ tieren. Dabei entsteht das folgende Netzwerk: Abbildung 27: Netzwerkvergleich Studierende (rot) und Expert*innen (blau) 106 9.3 Beschreibung der Netzwerke 241 <?page no="242"?> Anders als bei dem Vergleich zwischen K1 und K2 bieten statistische Kennwerte hier aufgrund der geringen Zahl der Expert*inneninterviews keinen Mehrwert. Auch, wenn sich die relative Position der beiden Netzwerke zueinander also deutlich unterschiedet, ist die Betrachtung der einzelnen Verbindungen an dieser Stelle aussagekräftiger. Besonders auffällig ist, dass die Verbindungen für die beiden Expert*innen fast das genaue Gegenteil der Verbindungen der Studierenden abbilden. Wo die Studierenden digitale Technologien auf der Perspektive der (Negative) Substitution und Augmentation betrachten, fokussieren die Expert*innen deutlich Modification, Redefinition und insbesondere Transformation. Wie bei der Diskussion des SAMR-T-Modells betont, ist die Betrachtung einer „höheren“ Ebene nicht per se wertiger, doch passt diese Feststellung gut zu den gerade angebrachten Überlegungen zu dem Unterschied in kognitiven Strukturen von Expert*innen im Vergleich zu Noviz*innen. Die beiden befragten Expert*innen halten sich kaum mit technischen Fragen auf und diskutieren im Kontext digitaler Technologien stattdessen Fragen zur Transformation. So ließe sich auch die fast fehlende Anbindung des Knotens Covid erklären. Bei den Studierenden ist der Knoten Covid stark mit (Negative) Substitution verbunden: Analoge Strukturen mussten substituiert werden, dabei gab es (technische) Probleme und Unzulänglichkeiten. Für die Expert*innen scheint das ERT hingegen keine key idea (Kubsch et al., 2020, S. 2) darzustellen. Im Kern der Diskussion von Digitalisierung und Digitalität in Lehr-/ Lernkontexten stehen hingegen Fragen zur mittel- und langfristigen Transformation: Und ich glaube einfach, dass man das Digitale an vielen Stellen unterschätzt, weil es einfach eine andere Lehrkultur, Evaluationskultur insgesamt bedeutet, die mit den Rahmenbedingungen, die wir heute haben null kompatibel ist. Also stell dir vor sowas wie überhaupt die Frage, also jetzt ganz (.) visionär gedacht, brauchen wir überhaupt noch Klausuren? Brauchen wir das überhaupt noch, wenn wir vielleicht ein assistives System haben, was mir sechs, sieben Mal im Semester irgendwie so eine kleine schriftliche Probe abfordert und meinen Lernfortschritt automatisiert dokumentiert und mir aber auch sagt, wo musst du dich verbessern? Brauchen wir dann noch eine Sprachklausur? (KE_i1_F1, Pos. 12) Der Vergleich betont eine Tendenz, die sich bis jetzt durch den gesamten Ergebnisbereich zieht. Die Interpretation der Impulse zu Digitalisierung und Digitalität, die begriffliche Ausgestaltung von digital und digital-gestützt, die Auswirkungen der Covid-19-Pandemie im Speziellen und der technischen Digitalisierung im Allgemeinen unterscheiden sich zwischen den Personengruppen (Onlinesemester, Hybridsemester, Expert*innen), aber auch innerhalb dieser dramatisch. Nicht zuletzt die begriffliche Unschärfe könnte zum Teil die Bewertung von und Perspektive auf digitale Technologien beeinflussen, ein Punkt, der in der abschließenden Diskussion mit Bezug auf die Forschungsfragen erneut aufgegriffen werden muss. Der Exkurs in den Expert*innenvergleich zeigt außerdem, dass Expert*innen den Raum nutzen konnten, andere Perspektiven auf Fragen der Digitalisierung und Digitalität einzunehmen, als in den Studierendeninterviews deutlich wurde. Damit lässt sich die initiale Frage, ob die Impulse des Leitfadens offen genug gestaltet sind, bejahen. 242 9 Epistemic Network Analysis <?page no="243"?> 9.4 Diskussion der Ergebnisse der ENA Zum Eingang des Kapitels zur ENA wurde die Zielsetzung aufgestellt, die ENA solle RQ 2 und RQ 2.1 bearbeiten und darüber hinaus die qualitativen Ergebnisse bereichern. Bei der Diskussion der Ergebnisse muss nun also geklärt werden, ob und inwieweit die beschriebenen Ergebnisse die Zielsetzung erreichen. Betrachtet man zunächst RQ 2 (Welchen Stellenwert haben digitale Technologien im Englischunterricht für Studierende und in welcher Beziehung steht dies zu ihren pande‐ miebedingten Lernerfahrungen? ) können bereits mit dem ersten vorgestellten Netzwerk einige Schlüsse gezogen werden. Unter den vorangestellten Annahmen der EFT, dass zeitlich/ räumlich miteinander in Bezug stehende Äußerungen stärker kognitiv miteinander verbunden sind, zeigt das Gesamtnetzwerk aller Studierenden, dass sie digitale Technolo‐ gien vor allem in Verbindung zu (unzureichender) Substitution setzen. Der Blick auf die Verbindungen zur Kategorie Covid zeigt dabei, dass diese Setzung stark von den pandemie‐ bedingten Erfahrungen geprägt ist. Zur Interpretation der Verbindungen ist es allerdings besonders wichtig, die in der qualitativen Analyse getroffene Feststellung zu beachten, dass Studierende den Impulsen zu digital(-gestützt) verschiedene Definitionen zuschreiben. Dies scheint sich in dem Netzwerk dadurch auszudrücken, dass digitale Technologien im Kontext ERT und Hybridlehre eher als negativ substituierend verhandelt werden, im Kontext anderer Onlinelehre substitutiv und im Rahmen des Präsenzunterrichts mit digitalen Medien erweiternd oder optimierend. Die besonders starke Verbindung zwischen digitalen Technologien und einer unzureichenden Substitution heißt mit anderen Worten nicht unbedingt, dass die Studierenden digitale Technologien per se negativ verhandeln. Unabhängig vom genauen Kontext ist es allerdings bezeichnend, dass kaum eine Ver‐ bindung zu den anderen Ebenen von SAMR-T gezogen wird. Für die Studierenden scheint eine modifizierende oder gar transformierende Perspektive auf digitale Technologien zum Befragungszeitraum kaum denkbzw. äußerbar zu sein. Es lässt sich zudem durch die engen Verbindungen zwischen Covid, universitären Erfahrungen und einer (unzureichend) substitutiven Perspektive vermuten, dass die pandemiebedingten Lehr-/ Lernerfahrungen der Studierenden hierfür eine wichtige Rolle spielen könnten. Umso dringlicher wäre es deswegen, in der universitären Lehrkräftebildung Begrifflichkeiten im Rahmen Digitali‐ sierung, Digitalität und digitaler Lehre zu schärfen und vor allem auch Perspektiven auf digitale Technologien außerhalb von ERT und der Substitution analoger Strukturen sichtbar zu machen (siehe auch Kapitel-10). Ergänzt man das erste Netzwerk um den Kohorten Vergleich zwischen K1 und K2, zeigt sich, dass die einzelnen Netzwerke konsistent mit dem Gesamtnetzwerk sind. So sind sowohl für K1 als auch für K2 (unzureichend) substitutive und, schwächer ausgeprägt, auch optimierende Perspektiven auf digitale Technologien dominierend. Die starke Verbindung zu Covid bleibt außerdem über die Semester bestehen. Es scheint mit dem weiteren Semester auf den ersten Blick also nicht deutlich gelungen zu sein, den Eindruck der Substitution analoger Strukturen (beispielsweise mit Hilfe der längeren Planungszeit und/ oder erweiterter didaktischer Aufbereitung) aufzuweichen. Im Gegenteil zeigt sich im statistischen Vergleich, dass sich die beiden Netzwerke ausgerechnet in der Verbindung zu unzureichender Substitution signifikant voneinander unterscheiden, unzureichende Substitution also enger und häufiger mit digitalen Technologien zusammen genannt wird. 9.4 Diskussion der Ergebnisse der ENA 243 <?page no="244"?> Das ist insofern überraschend, dass K2, also das (im Verlauf der Pandemie) spätere Semester, eine stärkere Verbindung zwischen digitalen Technologien, universitären Erfahrungen und unzureichender Substitution aufzeigt. Es wäre zu erwarten gewesen, dass diese Beziehung für K1, also das (im Verlauf der Pandemie) frühere Semester, stärker ausgeprägt wäre. So wurde vor der Analyse davon ausgegangen, dass nach dem initialen ERT mit jedem Semester strukturiertere Routinen und didaktisch durchdachtere Lehrveranstaltungen im digitalen Raum etabliert werden könnten. Es scheint zugleich ein Kurzschluss, aus dem Netzwerkvergleich abzuleiten, dass die Lehrerfahrungen der Studierenden im Verlauf der Pandemie vermeintlich (noch) schlechter geworden wären. Zwar zeigen die statistischen Kennwerte, dass der Unterschied (höchst wahrscheinlich) nicht aus einer zufälligen Varianz der Stichprobenziehung entsteht, dafür lassen sich allerdings verschiedene Erklärungen finden. Eine mögliche Erklärung liegt in dem Umstieg von Onlineauf Hybridlehre. Dieser Übergang könnte selbst als Disruption in der Disruption verstanden werden, da die bis dahin etablierten Onlinestrukturen erneut aufgebrochen und um neue Herausforderungen der hybriden Lehre (Raes et al., 2020) erweitert wurden. Die Überlegung, dass die stärkere Verbindung von K2 mit den Erfahrungen herausfordernder Hybridlehre erklärt werden könnte, zeigt sich zumindest vereinzelnd auch in der qualitativen Betrachtung der Interviews. Ein weiterer Interpretationsansatz des zunächst überraschenden Ergebnisses ergibt sich aus der Betrachtung der pandemiebedingten Semester als institutioneller Krise. Besonders relevant ist hierbei die „Zeitdimension von Krisen“ (Forell et al., 2020, S. 262-263). Demnach zeichnen sich Krisen „[d]urch die Unmittelbarkeit der sich abrupt verändernden Situation und den von Unbekanntheit geprägten Umgang“ (ebd., S. 263) aus. Diese Beschreibung lässt sich für das Konzept von ERT während der pandemiebedingten Semester übernehmen. Der Begriff ERT beinhaltet selbst die Krisenhaftigkeit als konstitutives Merkmal (Hodges et al., 2020). Durch die ungeplante und abrupte Veränderung ist dabei, anders als beim online learning, keine institutionelle und didaktische Planung des Lehrens und Lernens möglich (ebd.). Wenn diese Planung nicht möglich ist, kann sie aber auch nicht (von den Studierenden) erwartet oder kritisiert werden. Nun sind Krisen „zeitlich begrenzt und in der Regel von eher kurzer als von langer Dauer“ (Forell et al., 2020, S. 263), während die Auswirkungen der Covid-19-Pandemie für viele Semester an der Universität die Lehre beeinflussten. Es stellt sich also die Frage, ab welchem Zeitpunkt (auch aus Perspektive der Studierenden) die pandemiebedingten Semester nicht mehr als Krise oder ERT bewertet werden, sondern als „New Normal“ (Rapanta et al., 2021). Hier ließe sich spekulieren, ob Studierende mit zunehmendem Verlauf der Pandemie auch ihre Erwartungen an die pandemiebedingte Lehre angepasst haben: Situationen, die in der Kriseninterpretation noch als unvermeidlich angesehen werden mussten, können mit zunehmender Zeit stärker kritisiert werden. Die Lehre unter Pandemiebedingungen wurde, sobald sie nicht mehr als Krise, sondern als New Normal interpretiert wurde, leichter kritisierbar. Einzig mit den Daten der vorliegenden Studie bleibt eine solche Interpretation des Unterschiedes zwischen K1 und K2 allerdings weitestgehend Spekulation. So scheint es trotzdem überraschend, dass ein derart starker Unterschied besteht, insbesondere, da K1 bereits das dritte pandemiebedingte Semester darstellte. Dennoch gibt es für die zunächst überraschenden Ergebnisse zumindest Erklärungsansätze, die sich gut in die 244 9 Epistemic Network Analysis <?page no="245"?> außergewöhnliche Erhebungssituation der Studie eingliedern. Es bleibt abzuwarten, ob sich die Interpretation im Laufe der nächsten Jahre durch weitere Veröffentlichungen zur Bewertung digitaler Technologien und digitaler Lehre während der Covid-19-Pandemie bestätigt sieht. Ungeachtet dieser Erklärungsansätze lässt sich an der Stelle also nicht mit Sicherheit sagen, wieso sich die beiden Kohorten derart deutlich voneinander unterscheiden. Für RQ 2.1 (Gibt es signifikante Unterschiede in den Kohorten K1 und K2 bezüglich der Bezie‐ hung pandemiebedingter Erfahrungen und der Bewertung von digitalen Technologien? ) lässt sich hingegen mit Sicherheit festhalten, dass signifikante Unterschiede bestehen. Eindeutig scheint außerdem, dass diese Unterschiede durch die Verbindungen von Covid und (unzureichender) Substitution erklärt werden können. Bezieht man diese Erkenntnis auf RQ 2 heißt das, dass die coronabedingten Erfahrungen keine einheitliche Verbindung zu der Bewertung digitaler Technologien aufweisen. Diese Erkenntnis ist m. E. plausibel, da die Disruption der Lehr-/ Lernstrukturen nicht durch das Covid-19 SARS-Virus an sich bestimmt wurde, sondern durch die verschiedenen Formate, die in Folge der Maßnahmen zur Verhinderung der Ausbreitung des Virus getroffen wurden (ERT, Onlinelehre, Hybrid‐ lehre, Wechselunterricht). Somit scheint es naheliegend, dass verschiedene Lehrformate (hier Online- und Hybridlehre) unterschiedliche Bewertungsmuster evozieren. Das dritte vorgestellte Netzwerk, der Vergleich zwischen Expert*innen und Studie‐ renden, bezieht sich nicht direkt auf eine Forschungsfrage, kann aber dennoch die bishe‐ rigen Interpretationen ergänzen. Im direkten Vergleich der Netzwerke von Studierenden und Expert*innen zeigt die ENA Ergebnisse, die sich konsistent zu den Annahmen zum Unterschied zwischen Noviz*innen und Expert*innen verhalten. Dennoch ist auffällig, wie die einzelnen Knoten, die bei Studierenden respektive Expert*innen im Mittelpunkt stehen, sich beinahe diametral entgegenstehen. Während Transformation bei den Studie‐ renden keine Rolle spielt, ist der Knoten für Expert*innen zentral. Der Knoten Covid ist hingegen bei den Studierenden zentral für seine Verbindungen zur Bewertung digitaler Technologien und den universitären Erfahrungen, spielt für die Expert*innen hingegen kaum eine Rolle. Letzteres scheint damit erklärbar, dass die Beschäftigung mit digitaler bzw. digital-gestützter Lehre für die Expert*innen nur einen kleinen Teil der Gesamterfahrung ausmacht, während sie für die Studierenden zu dem Zeitpunkt teilweise die erste und einzige Erfahrung mit dem Themenfeld umfasst. Dass Studierende insgesamt in der Art der Bewertung digitaler Technologien bei der Beschreibung ihrer eigenen Erfahrungen, aber auch in ihren Vorstellungen von der Zukunft von Schule und (Englisch-)Unterricht gänzlich andere Ebenen betrachten als Expert*innen, verlangt dennoch weiterer Diskussion. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass alle befragten Studierenden sich dem Ende ihres Studiums näherten und die Bezeichnung der Studierenden als Noviz*innen nicht unproblematisch ist. An dieser Stelle lässt sich festhalten, dass die Ergebnisse der ENA das Erkenntnisinteresse zu RQ 2 und RQ 2.1 bedienen können. Inwiefern bereichert die ENA aber die qualitativen Ergebnisse? Die Anreicherung kann auf zwei Arten geschehen. Die qualitative Interpreta‐ tion kann über die quantitative Ebene mit einer zusätzlichen Perspektive bedacht werden. Hierbei bestünde also die Frage, in welcher Beziehung die Netzwerke der ENA zu den digitalitätsbezogenen Vorstellungen der QIA stehen. Darauf aufbauend lässt sich der Ge‐ 9.4 Diskussion der Ergebnisse der ENA 245 <?page no="246"?> danke eines Mixed-Methods-Designs allerdings sogar noch einen Schritt weitertreiben: So lässt sich ergänzend fragen, ob es eine beobachtbare Beziehung zwischen den qualitativen Ergebnissen und einer quantitativen Analyse gibt. Formuliert man diesen Gedanken für die vorliegende Studie aus, entsteht die Frage, ob die qualitativ festgestellten (typischen Ausprägungen) digitalitätsbezogener Vorstellungen in einer Beziehung mit den kognitiven Netzwerken bei der Bewertung digitaler Technologien stehen. Beide diese Fragen - wie bereichern die Netzwerke die QIA und in welcher Beziehung stehen die typischen Ausprägungen mit der Bewertung digitaler Technologien - werden in Kapitel 10.1, das sich der expliziten Synthese der Methoden widmet, diskutiert. Daraus leitet sich in Kapitel 10.2 die abschließende Gesamtdiskussion und die Betrachtung der Implikationen ab, die den Ergebnisteil beenden. Bevor sich allerdings der Synthese aus qualitativem und quantitativem Zugang gewidmet wird, werden, wie auch schon bei der QIA, kurz die Limitationen der spezifischen ENA der vorliegenden Studie transparent gemacht. 9.5 Limitationen der durchgeführten ENA Die erste Limitation ergibt sich aus der Stichprobe, die für die ENA verwendet wurde. Auch, wenn die Analyse mit N = 34 in einen typischen Bereich in der Anwendung der ENA fällt, sind Studien mit hunderten oder tausenden von Teilnehmenden denkbar (Elmoazen et al., 2022, S. 17330). Da die Studierenden darüber hinaus alle an der Ruhr-Universität Bochum eingeschrieben waren, lässt sich keine Grundgesamtheit aller Studierenden darstellen, was in der Tragweite der Implikationen berücksichtigt werden muss. M. E. lässt sich die Stichprobe aber, neben forschungspragmatischen Gründen bei der Datensammlung unter Bedingungen der Pandemie, auch mit dem Gesamtstudiendesign begründen. So ist die ENA in der vorliegenden Studie explizit eine Ergänzung zum qualitativen Zugang zu dem Mate‐ rial. Daraus folgt auch, dass für die Datengrundlage keine automatisierte Erfassung von log files verwendet wurde oder Kurzausschnitte von Gruppeninteraktionen, sondern jeweils Gesamtinterviews, die alle zunächst in ihrem subjektiven Sinnzusammenhang interpretiert wurden. Das macht die Bearbeitung für jedes einzelne Interview wesentlich aufwendiger, erlaubt aber überhaupt erst den für diese Studie gewählten Mixed-Methods-Zugang. In der ENA selbst drückt sich das dadurch aus, dass jede aggregierte Verbindung direkt zu ihren Einzelfällen und sogar einzelnen Sinnabschnitten zurückgeführt und damit erklärt werden kann. Eine weitere Einschränkung der Analyse liegt darin, dass die Ergebnisse nicht mit Material vor und nach der Pandemie verglichen werden können. Es können also keine Aussagen dazu getroffen werden, inwiefern sich die Bewertung digitaler Technologien in‐ nerhalb der Pandemie im Vergleich zu vor der Pandemie verändert haben. Diese Limitation ergibt sich aus der Natur der Erhebungssituation. Weder der Beginn noch das Ende der pandemiebedingten Einschränkungen konnten (zum Zeitpunkt der Erhebung) eingeschätzt werden. Im Rahmen eines einzelnen Promotionsvorhabens konnte die Erhebung aber auch nicht für einen unbestimmten Zeitraum fortgeführt werden, weswegen sich als Kompromiss auf die Betrachtung von zwei (bzw. drei) sehr unterschiedlichen Semestern fokussiert wurde. Es bleibt allerdings zu beobachten, wie sich die vorliegende Studie in die 246 9 Epistemic Network Analysis <?page no="247"?> zahlreichen weiteren Studien zu den Auswirkungen der Covid-19-Pandemie, die sicherlich noch veröffentlicht werden, einordnen wird. Neben diesen Limitationen bleibt für das nächste Kapitel noch die Frage offen, inwie‐ fern die Betrachtung der Netzwerke einen Schluss zu digitalitätsbezogenen Vorstellungen erlauben. Das nächste Kapitel stellt sich also als erstes der Frage, ob und inwieweit es plausibel ist, aus der Betrachtung der Netzwerke auch Schlüsse zum Konstrukt der digitalitätsbezogenen Vorstellungen zu ziehen. 9.5 Limitationen der durchgeführten ENA 247 <?page no="249"?> 10 Synthese und Diskussion der Gesamtergebnisse Kapitel 10 übernimmt für den Ergebnisteil zwei Funktionen, die auch die Struktur des Kapitels vorgeben. Der erste Teil ist der Synthese aus QIA und ENA gewidmet und liefert Antworten auf die Frage, welche Schlüsse die Ergebnisse der ENA für die Interpretation der QIA zulassen. Dabei wird die Frage nicht nur theoretisch vor dem Hintergrund des For‐ schungskonstrukts Vorstellungen behandelt, sondern auch explorativ empirisch bearbeitet. Konkret wird dafür in 10.1.1 ein Netzwerkvergleich vorgestellt, der als Gruppierungskrite‐ rium nicht den Erhebungszeitraum, sondern die qualitativ gebildeten Typen zur Grundlage nimmt. Dabei zeigt sich, wie die kognitiven Netzwerke der verschiedenen Typen sich in ausgewählten Aspekten signifikant voneinander unterscheiden. 10.1.2 verdichtet diese Ergebnisse des Netzwerkvergleichs zusammen mit den Ergebnissen aus Kapitel 8 und 9 zu einer Gesamtinterpretation. An dieser Stelle werden außerdem einige der offenen Fragen aus den vorigen Kapiteln aufgenommen und vor dem Hintergrund der Erkenntnisse der gesamten Untersuchung beantwortet. Unter Rekurs auf das Forschungsinteresse werden schließlich die vier Forschungsfragen der Studie beantwortet und deren Implikationen für die Fremdsprachendidaktik und die (Englisch-)Lehrkräftebildung ausgearbeitet. Bei der Betrachtung dieser Implikationen werden insbesondere auch theoretische Aspekte aus den ersten Kapiteln aufgegriffen und mit einigen weiteren bereichsspezifischen Konzepten und Diskursen verbunden. Bevor Kapitel 11 mit dem Fazit und Ausblick diese Arbeit abschließt, werden in 10.3 die Limitationen des Gesamtdesigns erörtert. Anders als in der Diskussion der Limitationen der QIA und ENA steht hier nicht eine einzelne Methode, sondern das gesamte Studiendesign und die gewonnenen Ergebnisse im Vordergrund. 10.1 Zur Synthese der qualitativen und quantitativen Ergebnisse In den methodologischen Erläuterungen des Studiendesigns wurde bereits hervorgehoben, wie sich Mixed-Methods-Studien neben den Gütekriterien qualitativer und quantitativer Forschung durch zwei spezifische Gütekriterien auszeichnen. Während in den jeweiligen Methodenkapiteln bereits ausführlich das erste dieser Gütekriterien, die mixed methods design quality diskutiert worden ist, steht die Diskussion des zweiten Gütekriteriums noch aus. Das Gütekriterium der Meta-Interpretationsqualität (mixed methods interprative vigor) betrachtet die Bezugnahme, Gesamtinterpretation und Konsistenz der Einzelinterpretati‐ onen (Döring & Bortz, 2016, S. 113-114). In den bisherigen Ergebnisdiskussionen konnte bereits gezeigt werden, wie sich die quantitativen Ergebnisse der ENA in die offenen Fragen der QIA einordnen lassen. So konnte insbesondere der Unterschied zwischen den verschiedenen Phasen der unter Pandemiebedingungen durchgeführten Semester (Online- und Hybridlehre) belegt werden. Darüber hinaus ergab sich aus der ENA ein ergänzender Hinweis auf mögliche Auswirkungen der begrifflichen Unschärfe digitaler bzw. digital-gestützter Lehre. Um das Gütekriterium vollumfänglich zu erfüllen, bleibt jedoch eine entscheidende Frage zu klären: Wie hängen die qualitativ-interpretativ er‐ <?page no="250"?> schlossenen digitalitätsbezogenen Vorstellungen mit den Netzwerken der ENA zusammen? Oder anders ausgedrückt, was sagen die Ergebnisse der ENA über die digitalitätsbezogenen Vorstellungen angehender Lehrkräfte aus? Zur Beantwortung der Frage ist es hilfreich, zunächst auf die Diskussion des Forschungs‐ konstrukts der Vorstellungen zu rekurrieren, um sich anschließend dem Zusammenhang der Ergebnisse von Typenbildung und ENA empirisch zu nähern. In den Ausführungen zum Forschungskonstrukt Vorstellungen wurde festgehalten, dass dieses kaum eindeutig bestimmbar ist und zahlreiche Definitionen existieren (Knüsel Schäfer, 2020; Pajares, 1992; Reusser & Pauli, 2014; Voss et al., 2011). Gleichzeitig lassen sich über die zahlreichen Defi‐ nitionen, Synonyme und unterschiedlichen Fokussierungen hinweg einige Eigenschaften von Vorstellungen festhalten, die den Vergleich mit den Netzwerken der vorgenommenen ENA ermöglichen. In Kapitel 5.1.2 wurde der Begriff Vorstellungen zusammen mit ähnlichen Begriffen wie beliefs, Überzeugungen, subjektiven Theorien und concept image als ein Konstrukt klassifiziert, das kognitive Strukturen beschreibt. Anders als beispielsweise bei Pajares (1992) und Törner (2002) wurden Vorstellungen dabei nicht direkt als Synonym zu beliefs verstanden, sondern in den Aspekten ihrer Veränderbarkeit unterschieden. Als eine für diese Arbeit besonders passende Bezeichnung wurde daraufhin die von Manderfeld (2020) unter Bezug auf Sfard (1991) vorgenommene Einordnung von Vorstellungen als „Cluster interner Repräsentationen und Assoziationen“ (Manderfeld, 2020, S. 26) hervor‐ gehoben. Diese Bezeichnung ist zwar nicht mit Shaffers’ Definition der epistemic frames gleichzusetzen, beschreibt die kognitiven Netzwerke der in der vorliegenden Untersuchung vorgenommenen ENA aber gut. Damit sei nicht gesagt, dass die ermittelten Netzwerke eins zu eins die digitalitätsbezogenen Vorstellungen abbilden, aber sie geben zumindest einen Einblick in die Assoziationsstrukturen für einen spezifischen Bereich (hier der Verbindung von pandemiebedingten Erfahrungen und den Perspektiven auf digitale Technologien). Diese Assoziationsstrukturen wiederum lassen sich unter Bezug auf die Ausführungen von Kapitel-5 als ein Bestandteil der digitalitätsbezogenen Vorstellungen deklarieren. Aus der Überlegung, dass die digitalitätsbezogenen Vorstellungen und die modellierten Netzwerke zumindest theoretisch-konzeptionell miteinander in Verbindung stehen, ergibt sich schließlich die Frage, ob die qualitativ bestimmten Typen in einer Verbindung zu ihren quantitativ modellierten Netzwerken stehen. Zur Beantwortung dieser Frage wurde ein letzter Netzwerkvergleich durchgeführt, der die typenbezogenen Netzwerke darstellt. 10.1.1 Netzwerkvergleich der qualitativ bestimmten Typen Für den Netzwerkvergleich der einzelnen Typen müssen im initialen formatting für die ENA zwei Ergänzungen vorgenommen werden. Ähnlich wie für den Kohortenvergleich und den Vergleich zwischen Studierenden und Expert*innen werden dafür zwei weitere Spalten gebildet, Typ und TypH. Die erste Spalte ordnet alle Interviews ihrem jeweiligen spezifi‐ schen Typ zu, insgesamt werden also vier Gruppen gebildet. TypH bildet wiederum nur zwei Gruppen, die sich entlang des Merkmalskriteriums zur Deutung der Digitalisierungs‐ impulse als eng oder weit sortieren. Somit werden die beiden typischen Ausprägungen lernkulturell-akkommodativ und lernkulturell-assimilativ zusammen gruppiert und die beiden Ausprägungen medial-akkommodativ und medial-assimilativ. Hintergrund für diese 250 10 Synthese und Diskussion der Gesamtergebnisse <?page no="251"?> Gruppierung ist die Überlegung, dass die Ausprägungen sich in ihrer Bewertung am ehesten in dieser Dimension unterscheiden dürften. So wurde die qualitative Zuordnung der Ausprägungen nach lernkulturell oder technisch danach vorgenommen, aus welchen Perspektiven Aspekte der Digitalisierung und Digitalität in den subjektiven Sinnzusam‐ menhängen verhandelt wurden. Ein weiterer Grund für das Vorgehen ist, dass bei der vergleichsweise geringen Zahl an Einzelfällen erwartbar war, dass bei einer Aufteilung in vier Gruppen keine statistisch relevanten Aussagen mehr getroffen werden können, da die Größe der einzelnen Gruppen (mit Ausnahme von medial-assimilativ) bei n < 6 liegt. Tatsächlich zeigt der Vergleich der Netzwerke nach dem Gruppierungskriterium Typ keine signifikanten Unterschiede in ihrer Positionierung im niedrigdimensionalen analytic space der ENA. Vergleicht man die Interviews hingegen entlang des Ordnungskriteriums TypH, lassen sich signifikante Unterschiede in den Verbindungsstärken der zwei entste‐ henden Netzwerke darstellen: Abbildung 28: Netzwerkvergleich der typischen Ausprägungen digitalitätsbezogener Vorstellungen (TypH) Die goodness of fit der dargestellten Netzwerke ist entlang der X-Achse sehr hoch (Pearson r = 0,96, Spearman ρ = 0,97), ebenso entlang der Y-Achse (Pearson r = 0,99, Spearman ρ = 0,99). Für die X-Achse ergibt ein t-Test unter der Annahme ungleicher Varianz, dass K1 (M 10.1 Zur Synthese der qualitativen und quantitativen Ergebnisse 251 <?page no="252"?> = -0,75, SD = 0,96, N = 11) sich bei einem Alpha-Wert von 0,05 signifikant von K2 (mean = -0.40, SD = 1,05, N = 21) unterscheidet (t (22.19) = -3,11, p = 0,01, Cohen’s d = 1,12). Bei der Y-Achse ergibt sich hingegen, wie schon bei dem Kohorten-Vergleich, kein signifikanter Unterschied (siehe Tabelle 5). - Grouping X-axis Y-axis Mean SD N t Effect Size (d) P Mean SD N t Effect Size (d) P TypH1 -0,75 0,96 11 -3,11 1,11 0,01 0,00 0,92 12 0,00 0,00 1,00 TypH2 0,40 1,05 21 - - - 0,00 0,88 21 - - - Tabelle 5: Übersicht der Kennwerte im Vergleich der Netzwerke TypH1 und TypH2 Auffällig in der Netzwerkdarstellung ist, dass alle Verbindungen mit Ausnahme von D.tools zu Augmentation und D.tools zu Transformation besonders schwach ausgeprägt sind. Das liegt an der Darstellungsform des comparison plot in der Epistemic Network App. Die im comparison plot dargestellten Netzwerke zeigen den Unterschied in der Stärke der Verbindungen zwischen den beiden Vergleichsgruppen an. Dementsprechend zeigt der Netzwerkvergleich hier, dass sich die beiden Netzwerke (mit Ausnahme der beiden gerade genannten Verbindungen) stark ähneln. Das wird umso deutlicher, wenn man TypH1 und TypH2 getrennt darstellt: Abbildung 29: Netzwerke TypH1 (rot) und TypH2 (blau) Der signifikante Unterschied der Positionierung der Netzwerke im analytic space entlang der X-Achse kann aus diesem Grund fast vollständig mit der Verbindungsstärke zwischen 252 10 Synthese und Diskussion der Gesamtergebnisse <?page no="253"?> D.tools zu Transformation (TypH1) und D.tools zu Augmentation (TypH2) erklärt werden. Insgesamt verbindet TypH1 digitale Technologien also stärker mit einer transformativen Ebene, TypH2 hingegen stärker mit einer erweiternden oder optimierenden Ebene. Für beide Gruppen lässt sich eine enge Verbindung zwischen digitalen Technologien und einer substitutiven Ebene sowie den pandemiebedingten Erfahrungen ziehen. Die Verbindung zu einer modifizierenden Ebene ist für beide Gruppen gering, für TypH1 allerdings etwas stärker ausgeprägt. Wie schon in den vorigen Netzwerken zeigt sich außerdem, dass alle Verbindungen zu Redefinition äußerst schwach ausgeprägt sind. Die Modellierung der Netzwerke bestätigt die Annahme, dass sich die gebildeten Typen in ihrer Bewertung von (bzw. Perspektive auf) digitalen Technologien am ehesten entlang des Merkmals der Interpretation digitalitätsbezogener Impulse unterscheiden. Es scheint zunächst naheliegend, dass diejenigen Interviews, denen in der qualitativen Auswertung bereits eine weite Perspektive auf Digitalisierung und Digitalität zugesprochen wurde, sich auch bei der Bewertung digitaler Technologien häufiger auf eine transformative Ebene beziehen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass alle für die ENA relevanten Bewertungen entlang des SAMR-T-Schemas erst im Anschluss an die qualitative Analyse vorgenommen wurden. Für die Typenbildung wurde also nicht berücksichtigt, wie häufig die betref‐ fenden Interviews sich auf einer spezifischen Ebene des SAMR-T-Modells bewegten. Der Netzwerkvergleich besitzt nicht nur einen anderen Fokus (die Bewertung digitaler Technologien) als der qualitative Zugang, er verwendet auch ein anderes Codierschema als die QIA und die Typenbildung. Dass sich die Typen TypH1 und TypH2 in den beiden genannten Verbindungen signifikant voneinander unterscheiden, ist entsprechend inhalt‐ lich begründbar, aber keineswegs selbstverständlich. Der Netzwerkvergleich zeigt, dass sich für die digitalitätsbezogenen Vorstellungen der Studierenden mit einer lernkulturellen Merkmalsausprägung ein signifikanter Zusammen‐ hang zu einer stärker transformativen Perspektive auf digitale Technologien nachzeichnen lässt. Merkmalsausprägungen der Studierenden, die Digitalisierung und Digitalität vor allem technisch-medial interpretieren, verbinden digitale Technologien hingegen stärker mit einer erweiternden oder, spezifischer, einer optimierenden Perspektive. Welche Schlüsse lassen sich aber daraus insgesamt für die Betrachtung digitalitätsbezogener Vorstellungen ziehen? Diese Frage führt zu der Gesamtinterpretation der Ergebnisse und der Synthese qualitativer und quantitativer Zugänge. 10.1.2 Verdichtung der Ergebnisse zu einer Gesamtinterpretation Das Unterkapitel betrachtet die Frage, inwiefern die Kombination qualitativer und quan‐ titativer Elemente (vor dem Hintergrund des Forschungsinteresses) gewinnbringend ist. Zu diesem Zweck lassen sich am besten die jeweils einzelnen Interpretationen der Analy‐ seschritte (QIA, Typenbildung, ENA) zusammenbringen. Bereits in der Diskussion der Ergebnisse der ISQIA (Kapitel 8.4) wurde deutlich, wie die befragten Personen insgesamt eine positive, aber kontextabhängige Bewertung von Aspekten der Digitalisierung und Digitalität vornehmen. Außerdem wurde festgehalten, dass die Interpretation des Impulses digital(-gestützt) zwischen den Studierenden, aber auch innerhalb eines Interviews wechselte. Darüber hinaus zeichnete sich ein starker Fokus 10.1 Zur Synthese der qualitativen und quantitativen Ergebnisse 253 <?page no="254"?> 107 ‚Medial‘ bezieht sich hier auf den doppelt verengten Medienbegriff, der bei der Typenbildung diskutiert wurde. der Proband*innen auf der Verhandlung technisch-medialer Aspekte der Digitalisierung ab. Im Zuge der Typenbildung konnte gezeigt werden, dass der Eindruck des technischen Fokus vor allem dadurch zustande kommt, dass alle Interviews vor dem Hintergrund der pandemiebedingten Erfahrungen auch über technische Aspekte sprechen und einige Interviews inhaltlich nur auf dieser Ebene verbleiben. Hier scheint es wichtig festzuhalten, dass die Erkenntnis, dass Studierende stark auf technisch-mediale Aspekte fokussieren, vor dem Hintergrund der pandemiebedingten Erfahrungen keineswegs überraschend ist. Über‐ raschend ist vor dem Hintergrund der Typenbildung allerdings, wie viele der Studierenden diese Ebene auch bei perspektivischen Fragen nicht verlassen. Gerade für die Ausprägung „Tablet statt Schulbuch“ scheinen Impulse zu Digitalisierung und Digitalität im Rahmen der Befragung ausschließlich Fragen technischer (Funktioniert das? ) und medialer 107 (Welches Gerät benutze ich? ) Natur evoziert zu haben. Diese Feststellung kann nicht allein mit den pandemiebedingten Erfahrungen erklärt werden, insbesondere da die anderen typischen Ausprägungen z. T. stark damit kontrastieren. Hier muss also kritisch reflektiert werden, wieso die betreffenden Studierenden ausschließlich eine technisch-mediale Perspektive auf Digitalität einnehmen - und wie im Rahmen der (Englisch-)Lehrkräftebildung damit umgegangen werden kann. Ein möglicher Erklärungsansatz liegt in der Betrachtung des Forschungskonstrukts. Trotz aller Uneindeutigkeiten und Unterschiede zwischen den diskutierten Forschungs‐ konstrukten Vorstellungen und beliefs, concept image, Haltungen, Überzeugungen und sub‐ jektive Theorien wird für ihre Genese stets auf (wiederholte) Erfahrungen in spezifischen Kontexten verwiesen (Pajares, 1992; Phipps, 2010; Schoenfeld, 1998; Van Fleet, 1979; Voss et al., 2011). Damit liegt die Interpretation nahe, dass die Ausprägung der Vorstellungen (als zeitlich sensibleres Konstrukt als z. B. Überzeugungen oder subjektive Theorien) in technisch-medialer Form den Bedingungen der Pandemie geschuldet sein könnte und sich post-Covid ggf. erledigen könnte. Allerdings wäre eine solche Schlussfolgerung gleich doppelt problematisch. Nicht nur, weil die pandemiebedingte vollständige Digitalisierung aller Lehr-Lernprozesse damit nicht den digital turn, verstanden als lernkulturellen, para‐ digmatischen Wandel, gebracht hätte. Die Erklärung über die Pandemiebedingungen kann - und genau hier gibt die ENA wertvolle Einblicke - nur ein Teil der Erklärung dafür sein, wieso ein Großteil der interviewten Personen Impulse zu Digitalisierung und Digitalität so sehr auf einer substitutiven Ebene verhandelt. So konnten die Netzwerke zeigen, dass hier tatsächlich eine enge Verbindung zwischen den pandemiebedingten Erfahrungen und einer (unzureichend) substitutiven Bewertung digitaler Technologien besteht. Damit ist aber nicht gleichzeitig auch erklärt, wieso kaum eine Verbindung zu den anderen Ebenen besteht. Das gilt umso mehr vor dem Hintergrund des Netzwerkvergleichs zwischen K1 und K2, der zeigt, dass sich die Verbindungen auch im zeitlichen Verlauf nicht auf weitere Ebenen beziehen (eher im Gegenteil). Die Ergebnisse können damit nicht als reines Phänomen der Pandemie abgetan werden. Stattdessen muss festgehalten werden, dass die befragten Personen scheinbar auch im Laufe der Zeit keine ausreichenden Erfahrungen zu digitaler 254 10 Synthese und Diskussion der Gesamtergebnisse <?page no="255"?> bzw. digital-gestützter Lehre gemacht haben oder internalisieren konnten, die eine andere Perspektive auf Digitalisierung und Digitalität hätten befördern können. Diese Frage wiederum beschränkt sich darüber hinaus ebenfalls nicht ausschließlich auf die Zeit der Covid-19-Pandemie. Zwar wäre bei einer Erhebung zum jetzigen Zeitpunkt (Stand 07/ 2023) zu erwarten, dass insbesondere die Ebene der unzureichenden Substitution weniger zentral ist. Daraus leitet sich allerdings nicht automatisch ab, dass andere Perspek‐ tiven auf Digitalisierung und Digitalität stärker vertreten wären. Unter der Annahme, dass eine (ausschließlich) substitutive und optimierende Perspektive auf Aspekte der Digitalisierung und Digitalität unzureichend verengend ist (vgl. die Zielstellungen zum Lernen in einer Kultur der Digitalität in Kapitel 4), müssen hingegen aktiv Erfahrungsräume einer transformativen Lehre geschaffen werden, die solche Perspektiven für angehende Lehrkräfte vorstellbar machen. Wenn an dieser Stelle also die Frage beantwortet werden soll, wie die Ergebnisse der QIA, die typischen Ausprägungen und auch die Netzwerke der ENA zu erklären sind, sind die Bedingungen der Covid-19-Pandemie nur eine Seite der Medaille. Über die zusätzlichen Analyseschritte hinweg wird deutlich, wie die initialen Auffälligkeiten der ISQIA über die Typenbildung systematisierbar geworden sind und sich diese Systematisierung darüber hinaus in den quantitativ modellierten Netzwerken der ENA nachzeichnen lässt. Damit zeigt sich eine Kohärenz der Einzelinterpretationen über das gesamte Studiendesign. Der Mixed-Methods-Ansatz der Studie gibt insgesamt also, zusätzlich zu den verschiedenen bearbeiteten Fragen, multiple Perspektiven auf das gleiche Untersuchungsfeld, die sich zusammen zu einem vollständigeren Bild von digitalitätsbezogenen Vorstellungen und ihrer Beziehung zu den Bedingungen der Covid-19-Pandemie zusammenfügen. Mit Hilfe dieses multiperspektivischen Bildes lässt sich schließlich auf die Forschungsfragen rekurrieren, die die Analyseschritte begleitet haben. 10.1.3 Rekurs RQ 1 und RQ 1.1 Im Laufe des Analyseprozesses hat sich der erste Bereich des Forschungsinteresses auf zwei Forschungsfragen spezifizieren lassen: RQ 1: Welche Vorstellungen vom Englischunterricht unter Bedingungen der Digitalität haben M.-Ed. Studierende in der COVID-19-Pandemie? RQ 1.1: Lassen sich den befragten Personen spezifische Typen, das heißt intern homogene und extern heterogene Ausprägungen, von digitalitätsbezogenen Vorstellungen zuschreiben? RQ 1 bildet dabei den Ausgangspunkt für die weiteren Überlegungen. Bereits im ersten Analyseschritt ergeben sich für RQ 1 einige Schlüsse, die dann spezifiziert werden können. Die befragten Studierenden weisen insgesamt Vorstellungen vom Englischunterricht unter Bedingungen der Digitalität auf, die auf eine doppelte Art medial verengt sind. Das Digitale wird in den Vorstellungen weniger in Form einer Rahmenbedingung der Lehr-Lernprozesse im Fachunterricht repräsentiert, sondern mehr als eine (stoffliche) Werkzeugfrage. Die enge Perspektive auf den Begriff der Digitalität spiegelt sich auch in den inhaltlichen Ausführungen zu den Potenzialen und Herausforderungen des Digitalen wider. In beiden Themenfeldern beziehen die Studierenden sich zumeist auf nicht fachspezifische, nicht 10.1 Zur Synthese der qualitativen und quantitativen Ergebnisse 255 <?page no="256"?> 108 Binär meint hier die binäre Trennung zwischen analogem und digitalem Unterricht, die nicht mit dem Konzept der Kultur der Digitalität vereinbar ist. wissenschaftlich-didaktisch gerahmte Aussagen, die in einzelnen Interviews stark an Narrative des öffentlich-medialen Diskurses erinnern. Das insgesamt Vorstellbzw. Denk‐ bare begrenzt sich hier stark auf die diskutierten Ebenen der digitisation und zum Teil der Digitalisierung. Assoziiert werden mit den Impulsen zu Digitalisierung, aber auch zu Aspekten der Digitalität vor allem Fragen der Funktion und Optimierung bekannter Unterrichtsstrukturen und -methoden. Trotz dieser allgemeinen Tendenzen ist besonders die Heterogenität in den Vorstellungen verschiedener Studierender und die Heterogenität in der Interpretation auch innerhalb einzelner Fälle auffällig. Beides könnte, wie argumentiert wurde, miteinander in Verbin‐ dung stehen. So scheint die Bewertung des Digitalen stark davon abhängig zu sein, wie das Digitale interpretiert wird. Diese Interpretation selbst wiederum ist keineswegs stabil. Damit lässt sich schlussfolgern, dass es fast unmöglich ist, von einer digitalitätsbezogenen Vorstellung zu sprechen; vielmehr werden in den Interviews stattdessen für jeden Fall viel‐ fältige Vorstellungen ersichtlich. Hier spiegeln die Vorstellungen der befragten Studierenden auf einer Metaebene die Heterogenität des im Fokus stehenden Begriffs der Digitalisierung (Digitalität, digital, virtuell) (siehe Dander, 2020). Von Vorstellungen der Studierenden zu sprechen, liegt auch deshalb nahe, weil diese sich trotz der festgestellten allgemeinen Tendenzen zwischen den einzelnen Studierenden stark voneinander unterscheiden. Diesen Kontrasten wird mit RQ 1.1 Rechnung getragen. Die Typenbildung hat gezeigt, dass sich die digitalitätsbezogenen Vorstellungen der Studie‐ renden systematisch entlang der Unterscheidungsmerkmale der vorstellbaren Reichweite (technisch-medial - lernkulturell) wie auch der vorstellbaren Auswirkungen (Assimilation - Akkommodation) anordnen lassen. Mindestens eine dieser Ebenen, nämlich die der vorstellbaren Reichweite, scheint darüber hinaus, wie der letzte Schritt der ENA gezeigt hat, in einer Beziehung zu der Bewertung digitaler Technologien zu stehen. Wenn RQ 1 am Ende der Studie also mit überwiegend doppelt verengt, fachunspezifisch und binär 108 beantwortet wird, gelten dabei unter Einbezug der beiden weiteren Analyse‐ schritte einige Ergänzungen. Insgesamt betrachtet zeigt die Studie ein weites Spektrum des für die Studierenden Vorstellbaren, was sich insbesondere in den Einzelfallbeschreibungen gezeigt hat. RQ 1 kann also nicht damit beantwortet werden, dass Studierende generell diese (eine) digitalitätsbezogene Vorstellung hätten, sondern dass sich in einem Spektrum des Vorstellbaren bestimmte Ausprägungen erkennen lassen. Für das Forschungsinteresse kann und sollte also zwischen der allgemeinen (doppelt-verengten) Tendenz bezüglich digitalitätsbezogener Vorstellungen und den höchst kontrastiven einzelnen Ausprägungen unterschieden werden. 10.1.4 Rekurs RQ 2 und RQ 2.1 Wie die Frage nach den Vorstellungen konnte auch der zweite Bereich und die Frage nach der Verbindung von Pandemie und Bewertung von Technologien im Verlauf der Bearbeitung in zwei Forschungsfragen ausdifferenziert werden: 256 10 Synthese und Diskussion der Gesamtergebnisse <?page no="257"?> RQ 2: Welchen Stellenwert haben digitale Technologien im Englischunterricht für Studierende und in welcher Beziehung steht dies zu ihren pandemiebedingten Lernerfahrungen? RQ 2.1: Gibt es signifikante Unterschiede in den Kohorten K1 und K2 bezüglich der Beziehung pandemiebedingter Erfahrungen und der Bewertung von digitalen Technologien? Ausgang der Überlegungen bildet zunächst die aus den Bedingungen der Erhebung entstandene Forschungsfrage RQ 2. Auch wenn diese mit RQ 1 in Verbindung steht, wird hier zur Untersuchung der Zusammenhänge der spezifischen Erfahrungen während der Pandemie durch den Blick auf digitale Technologien ein etwas engerer Fokus gesetzt. Über die ENA konnte die Verbindung zwischen pandemiebedingten Erfahrungen und einer (un‐ zureichend) substitutiven Perspektive auf digitale Technologien herausgearbeitet werden. Dieses Ergebnis lässt nicht den Schluss zu, dass die befragten Personen digitalen Techno‐ logien für den Englischunterricht ausschließlich einen substitutiven Wert zuschreiben würden, allerdings fügt sich die Betrachtung der Netzwerke mit den Erkenntnissen aus RQ 1 zu einem Gesamtbild: Die Netzwerke zeigen, dass digitale Technologien in Verbindung mit der Covid-19-Pandemie vor allem in ihrer substitutiven Funktion verhandelt wurden. Insbesondere auch der in der qualitativen Auswertung sichtbare Fokus auf Fragen der technischen Machbarkeit (‚Funktioniert das? ‘) vor dem Hintergrund problematischer Lernerfahrungen (in der Universität) und Lehrerfahrungen (im Praxissemester oder in Vertretungsstellen) legt damit nahe, dass es eine Verbindung zwischen den Erfahrungen der Pandemie und der Bewertung digitaler Technologien gibt. Betrachtet man die Genese von Vorstellungen in den (wiederholten) Erfahrungen (in spezifischen Kontexten), wird darüber hinaus deutlich, wie sich hier eine Verbindung zu den digitalitätsbezogenen Vorstellungen abzeichnen könnte. In diesem Sinne gibt die ENA zumindest ein Indiz dafür, dass die pandemiebedingte Digitalisierung der Lehr-/ Lernprozesse im Vorstellungshorizont der befragten Personen keinen paradigmatischen digital turn evoziert hat - ganz im Gegenteil. Gleichzeitig wurde in der Diskussion der ENA betont, dass die Verbindung der substitu‐ tiven Bewertung mit den pandemiebedingten Erfahrungen nicht als (temporäres) Symptom der Pandemie abgetan werden darf. So gibt die ENA einen Hinweis darauf, wieso digitale Technologien häufig auf der (unzureichend) substitutiven Ebene bewertet werden, was aber nicht mit einem Hinweis dafür gleichzusetzen ist, dass die anderen Verbindungsebenen (Modification, Redefinition, Transformation) fast gänzlich fehlen. In der Deutlichkeit des Ergebnisses spiegeln die Netzwerke den Eindruck der qualitativen Auswertung hier nicht nur wider, sondern verstärken ihn noch. Durch das Zusammenwirken der Ergebnisse aus QIA und ENA lässt sich RQ 2 also dahingehend beantworten, dass die Studierenden in der Covid-19-Pandemie digitalen Tech‐ nologien fast ausschließlich einen (unzureichend) substitutiven Stellenwert zuschreiben. In diesem Verständnis eignen sich digitale Technologien aus Sicht der befragten Personen also vor allem dazu, analoge Strukturen - mit Abzügen - zu substituieren. Passend zur technisch-medialen Verengung der Vorstellungen der befragten Personen ist eine Bewer‐ tung digitaler Technologien als optimierender Faktor ersichtlich. Digitale Technologien werden insofern positiv bewertet, als dass sie bestehende (analoge) Strukturen einfacher, motivierender und individualisierender machen. Die Rolle der pandemiebedingten Erfahrungen für diese Feststellungen zur Bewer‐ tung digitaler Technologien kann mit Blick auf die Differenzierung in RQ 2.1 genauer 10.1 Zur Synthese der qualitativen und quantitativen Ergebnisse 257 <?page no="258"?> beschrieben werden: In der Betrachtung des Netzwerkvergleichs zwischen K1 und K2 konnte festgestellt werden, dass sich die Bewertung digitaler Technologien zwischen den beiden Semestern signifikant voneinander unterscheidet. Der Unterschied läuft dabei aber entgegen der initialen Annahme, dass sich mit der zunehmenden Dauer der Pandemiebe‐ dingungen die Bewertung digitaler Technologien von der (unzureichend) substitutiven Ebene lösen würde. Tatsächlich zeigt sich das Gegenteil. Auch wenn mit den Daten der vorliegenden Studie allein keine eindeutigen Begründungen gegeben werden können, lässt sich spekulieren, dass als Grund dafür der Wechsel von Onlineauf ein Hybridsemester von Relevanz sein könnte. Schließlich ließe sich inhaltlich nicht begründen, dass K2 stärker von ERT betroffen gewesen wäre als K1. Mit anderen Worten: Der Grund für die Diskrepanz scheint weniger an dem Notfall der Pandemie als an dem entsprechenden Lehrkontext (Online oder Hybrid) zu liegen. Eine solche Annahme hat wiederum Auswirkungen auf die Interpretation der Ergebnisse in RQ 2: Wenn mit den Ergebnissen der vorliegenden Studie die Aussage getroffen wird, dass die Erfahrungen der Pandemie mit der Bewertung digitaler Technologien in Verbindung stehen, heißt das vor allem, dass die Erfahrungen aus der Online- und Hybridlehre in Verbindung mit der Bewertung digitaler Technologien stehen. Diese Beziehung wiederum lässt sich nicht ausschließlich über das ERT erklären. Führt man RQ 2 und RQ 2.1 also zusammen, ergibt sich daraus eine Ergänzung für die Aussage zur Beziehung zwischen pandemiebedingten Erfahrungen und der Bewertung digitaler Technologien: Ausschlaggebend für die Beziehung sind ggf. nicht nur die für die Pandemie spezifischen Erfahrungen wie die Lockdowns oder das ERT, sondern - vielleicht sogar in erster Linie - die Erfahrungen mit der Online- und Hybridlehre. Hier ergibt sich ein wichtiger Anknüpfungspunkt für Studien post-Covid: Es stellt sich die Frage, ob sich die Erfahrungen in online- oder hybriden Lernräumen ähnlich auf die (unzureichend) substitutive Bewertung digitaler Technologien auswirken - und wieso. Eine Frage, die von hoher Relevanz für die Adaption digitaler Technologien von Lehrkräften ist (siehe schon Kapitel-5.3). So eindeutig es in der vorliegenden Studie ist, dass eine Verbindung zwischen den pan‐ demiebedingten Erfahrungen und den Bewertungsebenen digitaler Technologien besteht, so uneindeutig ist die inhaltliche Ausdifferenzierung dieser Beziehung. Zwar geben die qualitativen Einblicke in die Interviews Erklärungsansätze, für eine eindeutige Beurteilung scheint es aber weiteren Datenmaterials post-Covid zu bedürfen. Allerdings ergibt sich gleichzeitig aus dieser Uneindeutigkeit und den - zumindest mit Bezug zum Netzwerk‐ vergleich - überraschenden Ergebnissen die Relevanz der Ergebnisse über die zeitlich begrenzte Krise der Pandemie hinaus. Zuletzt ist es sinnvoll aufzuzeigen, was das Design nicht leisten kann und soll. So wurde bereits in der initialen Diskussion des Zugangs betont, dass das Mixed-Methods-Design nicht mixed-paradigms impliziert. Die Perspektive der ENA soll keine quantitative Logik in das qualitative Forschungsinteresse bringen. Das heißt, dass der Netzwerkvergleich nicht zum Anlass genommen wird, die qualitative Zuordnung der Ergebnisse zu validieren. Es gilt in diesem Kontext die gleiche Kritik für das Gesamtstudiendesign zurückzuweisen, die bereits für die QIA im Speziellen diskutiert wurde: Wie auch die QIA nicht eine scheinbar qualitative Methode ist, die sich einer quantitativen Logik bedient, nutzt auch das Mixed-Methods-Design nicht etwa eine scheinbar qualitative Logik, um sich dann 258 10 Synthese und Diskussion der Gesamtergebnisse <?page no="259"?> quantitativer Logiken der Validierung von Ergebnissen durch statistische Kennwerte zu bedienen. Die Ergebnisse der QIA und der Typenbildung werden durch die quantitative Ergänzung also nicht validiert oder objektiver. Trotzdem konnten im Sinne des Mixed-Me‐ thods-Paradigmas des philosophischen Pragmatismus beide Zugänge genutzt werden, um den Zugang zum spezifischen Forschungsinteresse dieser Arbeit zu bereichern. 10.2 Implikationen der Ergebnisse und Kontextualisierung im Fachdiskurs Während bis zu diesem Punkt der Ergebnisdiskussion vor allem Fragen des Beschreibens und des Verstehens im Vordergrund standen, rücken nun Fragen nach Implikationen und der Kontextualisierung der Ergebnisse im Fachdiskurs in den Mittelpunkt. Wie in der gesamten Untersuchung werden auch an dieser Stelle mehrere disziplinäre Perspek‐ tiven berücksichtigt. Dementsprechend werden in Kapitel 10.2.1 Diskurse im Bereich der Fremdsprachendidaktik und Perspektiven rundum das Thema Englischunterricht und Digitalität in den Blick genommen. Während auch hier bereits die Rolle der Lehrkraft thematisiert wird, expliziert Kapitel 10.2.2 diesen Fokus unter dem Aspekt Lehrkräftebil‐ dung und berücksichtigt darüber hinaus stärker bildungswissenschaftliche und -politische Perspektiven. Bevor aber die disziplinären Diskurse und Perspektiven bedacht werden, beginnen die Ausführungen zu den Implikationen mit einigen allgemeinen Hinweisen und Schlussfolgerungen. Zunächst sollte reflektiert werden, inwiefern eine Studie, die in der (und zum Teil auch über die) Covid-19-Pandemie entstanden ist, Relevanz für fachdidaktische und bildungswissenschaftliche Perspektiven post-Covid beanspruchen kann. Diese Frage lässt sich auf zwei Arten beantworten. Die erste bezieht sich auf die Relevanz der Krise für die Zeit nach der Krise und lässt sich gut mit den Überlegungen von Kerres (2020a, S. 693) einleiten, die bereits früh in der Pandemie formuliert wurden: After the Covid-19 crisis is gone, will they [Lehrkräfte, Anmerkung C. K]. immediately return to earlier strong preference for face-to-face teaching or will they start moving towards online education (see Weller 2020)? Answers to this question will depend on teacher and student experiences during the crises. Will they perceive the remote learning experience as an ambivalent but feasible alternative? Will they remember remote teaching as a traumatic episode that needs to be quickly left behind? These questions will probably inspire a lot of postdigital research after the crisis. As Jandrić (2020) has pointed out, this historical moment challenges many common positions in research and education and calls for a lot of rethinking in and for the future. Unter Bezug auf Weller und Jandrić stellt Kerres hier die Überlegung an, dass die Frage nach zukünftiger Online- oder Hybridlehre auch eine Frage nach den Erfahrungen während der Pandemie sein wird. Diese Annahme ist unter dem Gesichtspunkt des Forschungs‐ konstrukts in seiner Genese und den verbundenen Annahmen zu handlungsleitenden Effekten plausibel. So ließe sich durchaus vorstellen, dass die in dieser Studie beschriebenen Erfahrungen die Bereitschaft der (Englisch-)Lehrkräfte zu digitaler bzw. digital-gestützter Lehre beeinflussen und beeinflussen werden. Auch wenn genaue Auswirkungen der Covid-19-Pandemie auf die (Hoch-)Schullehre noch weitestgehend in den Bereich der 10.2 Implikationen der Ergebnisse und Kontextualisierung im Fachdiskurs 259 <?page no="260"?> Spekulation fallen, muss dieser Punkt für die Implikationen der Ergebnisse dieser Untersu‐ chung zumindest diskutiert werden. Drei Jahre nach Kerres’ Überlegungen gibt es bereits erste Hinweise und Ausführungen zu den ambivalenten Auswirkungen der Pandemie (Döbeli Honegger, 2021; Jadin et al., 2022; Helbig et al., 2022; Traxler, 2022; Wong et al., 2022). Einschränkend zu erwähnen ist dabei, dass sich (Stand 07/ 2023) die meisten Studien auf die Zeit in der Pandemie und nicht auf die Auswirkungen danach fokussieren. Nichtsdestotrotz kann davon ausgegangen werden, dass die Erfahrungen der angehenden Lehrkräfte mittelfristige Auswirkungen auf ihre digitalitätsbezogenen Vorstellungen und - wie in den Studienergebnissen dieser Arbeit skizziert - auch ihre Bewertung digitaler Technologien haben können. In eine ähnliche Richtung geht die Überlegung, dass zwar keine pandemische Situation mehr besteht, Hybrid- und Onlinelehrszenarien aber nach wie vor hochaktuell für die (Hoch-)Schullehre bleiben (Castro & Tumibay, 2021, S. 1383). Auch wurde bereits in der Ergebnisdiskussion betont, wie die Netzwerkunterschiede nicht (nur) durch die Pandemie selbst, sondern vor allem auch durch den Unterschied zwischen Online- und Hybridlehre erklärbar sein könnten. Insofern kann die Studie für diesen Bereich Relevanz in den Implikationen beanspruchen. Vielleicht noch wichtiger ist aber die zweite Art, wie die Frage der Relevanz der Studie post-Covid zu begründen ist. Zwar ist die Studie unter Bedingungen der Pandemie entstanden, durchgeführt und ausgewertet worden, Hintergrund und Ausgangspunkt der Untersuchung ist aber nicht in erster Linie die Pandemie, sondern es sind die Überlegungen zur Kultur der Digitalität und der digitalen Transformation der (Englisch-)Lehrkräftebil‐ dung. So gilt das Interesse der digitalitätsbezogenen Vorstellungen in dem gespannten Rahmen zwischen Substitution und Transformation in erster Linie diesen Konzepten. Die Bedingungen der Pandemie werden berücksichtigt, bestimmen aber nicht das grundlegende Erkenntnisinteresse. Überlegungen zur Kultur der Digitalität und der digitalen Transforma‐ tion bleiben wiederum sowohl für fachdidaktische als auch bildungswissenschaftliche und -politische Perspektiven relevant - innerhalb und außerhalb von Pandemiebedingungen. So muss zwar in den Implikationen berücksichtigt werden, inwieweit die Ergebnisse auf Umstände ohne Pandemiebedingungen übertragbar sind, die theoretische Rahmung, die Erkenntnisse und, wie im weiteren Verlauf argumentiert wird, auch die abgeleiteten Impli‐ kationen bleiben aber unabhängig vom spezifischen Erhebungsrahmen von Bedeutung. Unter diesen Punkten lässt sich argumentieren, dass die Ergebnisse und Implikationen der Studie auch für Perspektiven post-Covid von Relevanz sind. Welche Implikationen ergeben sich aber aus den vorgestellten und diskutierten Ergebnissen? Bevor die fachspe‐ zifischen Perspektiven erörtert werden, lassen sich zwei allgemeine Implikationen aus den Ergebnissen betonen, die unabhängig vom disziplinären Fokus beachtet werden sollten. Die erste Implikation ergibt sich aus der Erkenntnis, dass auch eine maximale Digita‐ lisierung (zumindest bei den befragten Studierenden) scheinbar keine Transformation vorstellbar macht. Das heißt - sofern man den bildungswissenschaftlichen und -politischen sowie auch fachdidaktischen Zielsetzungen der Lehre unter Bedingungen der Digitalität zustimmt -, dass nicht nur die Mediennutzung digitalisiert werden muss, sondern auch die Lehr- und Lernkultur an die Digitalität angepasst bzw. mit ihr transformiert werden müssen. Was das im Bereich (Englisch-)Lehrkräftebildung und Unterricht heißen kann, 260 10 Synthese und Diskussion der Gesamtergebnisse <?page no="261"?> wurde bereits in den Perspektivlinien angesprochen und wird in den entsprechenden Kapiteln abschließend nochmals zusammengefasst. Allgemein kann jedoch bereits hier festgehalten und bestätigt werden, dass die technische Digitalisierung der Lehr-/ Lernpro‐ zesse keinen digital turn zu bewirken scheint. Damit reiht sich die Untersuchung in die zahlreichen Ergebnisse ein, die mit einer ausschließlich technischen Digitalisierung noch keine strukturelle oder lernkulturelle Veränderung verbinden (u. a. Dickler et al., 2021; Sailer et al., 2021). Insbesondere ist hier auch die historische Betrachtung technischer Innovationen aus medienpädagogischer und -didaktischer Perspektive zu erwähnen (Ka‐ pitel 2.1), die bereits verdeutlichte, dass technologische Innovation nicht automatisch Innovation in Lehr-Lernprozessen auslöst. Einschränkend bei der Abgrenzung von der Proklamation des digital turn in der Pandemie muss beachtet werden, wie genau dieser turn zu definieren ist. Für die vorliegende Untersuchung wurde festgesetzt, dass digital turn vor allem mit einer paradigmatischen Veränderung (ähnlich etwa dem communicative turn [Habermas, 1971; Hymes, 1972; siehe auch Schmenk, 2017]) definiert wird. Wie in den einleitenden Kapiteln dieser Arbeit diskutiert, wird in der Forschung hingegen häufig nicht deutlich, ob sich Autor*innen auf einen paradigmatischen, methodischen oder medialen turn beziehen. Diese Unklarheit leitet zugleich direkt zu dem zweiten Punkt über, der aus den Ergebnissen der Studie festgehalten werden muss: Was Digitalität, was Englischunterricht unter Bedingungen der Digitalität ausmacht, sollte einheitlich(er) definiert und vor allem vermittelt werden. Der zweite Punkt spiegelt wider, was bereits im zweiten Kapitel der Arbeit aus den unter‐ schiedlichsten disziplinären Perspektiven verdeutlicht werden konnte: Digitalisierung ist nicht gleich Digitalität. Mehr noch, Digitalisierung ist nicht gleich Digitalisierung (Dander, 2020; Irion & Knoblauch, 2021). Was die Studie ergänzend dazu leistet, ist empirisch nach‐ zuzeichnen, wie sich die Heterogenität der Konstrukte in den Vorstellungen angehender Lehrkräfte niederschlägt. Was noch bemerkenswerter ist, im Rahmen dieser Studie kann wiederholt festgestellt werden, wie die spezifische Interpretation von Digitalisierung und Digitalität in einer Verbindung mit den dazugehörigen Assoziationen und vor allem mit der Bewertung von Digitalisierung und Digitalität steht. Hier lässt sich also die Frage stellen, ob die begriffliche Uneindeutigkeit Auswirkungen auf die Bewertung und entsprechend auch die Umsetzung digital-gestützten (Englisch-)Unterrichts hat (vgl. auch Cheng & Xie, 2018). Auch wenn sich allein mit der vorliegenden Studie noch keine eindeutigen Aussagen dazu treffen lassen, geben die Ergebnisse neben den theoretischen Ausführungen somit einen ergänzenden Hinweis dafür, dass digitalitätsbezogene Lehrinhalte vor allem auch begriffliche Klarheit forcieren sollten. Dabei ist die vorliegende Untersuchung selbst ein Beispiel dafür, wie herausfordernd eine begriffliche Konsistenz für die Konstrukte um Digitalisierung und Digitalität sein kann. Zumindest innerhalb der Disziplin sollte aber ein größeres Maß an begrifflicher Kohärenz angestrebt - und vor allem vermittelt - werden, um einer rein technikzentrierten Perspektive entgegenzuwirken. Die beiden Implikationen, dass transformative Perspektiven auf Digitalität stärker erfahrbar sein sollten und begriffliche Kohärenz hergestellt und vermittelt werden sollte, beziehen sich auf den Bereich der Fremdsprachendidaktik wie auch auf die Lehrkräftebil‐ dung im Allgemeinen. Die Punkte können allerdings für beide Bereiche kontextualisiert, ausdifferenziert und ergänzt werden, was den Fokus der beiden folgenden Kapitel setzt. 10.2 Implikationen der Ergebnisse und Kontextualisierung im Fachdiskurs 261 <?page no="262"?> 109 So ließ sich die Perspektivlinie Automatisierung lediglich ein einziges Mal im Interviewmaterial der Studierenden zuordnen, die Linie Adaptivität nur zwei Mal. Darüber hinaus sollen einige spezifische Ergebnisse der Studie vor dem Hintergrund der fachlichen und thematischen Perspektive diskutiert werden. 10.2.1 Kontextualisierung der Ergebnisse im fremdsprachendidaktischen Diskurs Für die Einordnung der Ergebnisse im fremdsprachendidaktischen Diskurs wie auch für deren inhaltliche Ausdifferenzierung sollen vor dem Hintergrund der abgeschlossenen Studie einige Punkte aus dem Theorieteil (Kapitel 2-5) aufgegriffen und in Beziehung zu den Ergebnissen gesetzt werden. Zusätzlich können die Diskursfelder durch die neuen Einblicke und jüngste Entwicklungen ergänzt werden. Ein augenscheinlicher und essenzieller Anknüpfungspunkt an die Ausführungen aus dem Theorieteil ist die Beobachtung der begrifflichen Unschärfe. So wurde bereits bei der Betrachtung des Diskurses kritisch angemerkt, dass sich trotz (oder gerade wegen) der jahrzehntelangen Diskussionen zu Digitalisierung und Digitalität im Bereich der Fremdsprachendidaktik kaum ein einheitliches Verständnis dazu eruieren lässt, was unter diesen Begriffen gefasst wird. Insofern scheinen die Beobachtungen der Studie - auch wenn überraschend deutlich - kein exklusives Phänomen für angehende (Englisch-)Lehr‐ kräfte oder den spezifischen Kontext der Erhebung zu sein. Gerade deswegen muss an der Stelle betont werden, dass allgemeine Begriffe des medienpädagogischen und -didaktischen wie auch informatischen Verständnisses der Digitalisierung, aber auch das Konzept der Kultur der Digitalität für die Fremdsprachendidaktik ausformuliert und in der (Englisch-)Lehrkräftebildung vermittelt werden sollten. Dies ist eine Forderung, die in ähnlicher Form bereits im englischsprachigen Diskurs um ELT für den Begriff der digital transformation besteht (Strasser, 2023, S. 123). Die vorliegende Untersuchung hat mögliche Grundlagen für die Ausformulierung der Begriffe in der Fremdsprachendidaktik gelegt, gleichwohl sind diese Grundlagen in dem vollen Bewusstsein entstanden, nur einen (zeitlich begrenzten) Ausgangspunkt für Definitionen zur Beziehung von Digitalisierung, Digitalität und Fremdsprachendidaktik bieten zu können. Diese Feststellung gilt nicht zuletzt, da sich der Fokus der Bemühungen um Digitalität und um das Lernen von Fremdsprachen mit der explosionsartigen Entwicklung der Verfügbarkeit generativer KI (Buchholz, 2023) erneut zu verschieben scheint (vgl. z. B. die Ausführungen von Strasser, 2023). Hier gilt es, vielversprechende Studienkonzepte zu intelligenten Systemen im Fremdsprachenunterricht (Parrisius et al., 2022; Schmidt, 2022), aber auch Überlegungen zu generativer KI und Schreibdidaktik (Limburg et al., 2023) zu begleiten und für den Englischunterricht auszudifferenzieren. Tatsächlich lässt sich im Material der Studie noch sehr wenig von diesen jüngsten Entwicklungen erkennen. 109 Das ist vor dem Hintergrund der im Rahmen dieser Arbeit als Perspektivlinien deklarierten Bereiche nicht überraschend, könnte sich bei einer erneuten Erhebung allerdings bereits stark verändert haben. 262 10 Synthese und Diskussion der Gesamtergebnisse <?page no="263"?> 110 Für detaillierte Ausführungen zum Theorie-Praxis-Verhältnis vor dem Hintergrund der Kultur der Digitalität siehe Küplüce (2023). Die Ergebnisse sind auch vor dem Hintergrund des Fazits, das aus der Betrachtung des Diskurses in der Fremdsprachenforschung gezogen wurde, zu kontextualisieren. In Kapitel 2.3.1 ist unter Bezug auf Schildhauer & Bündgens-Kostens (2021) resümiert worden, dass Diskurse zu Digitalisierung und Digitalität im Bereich der Fremdsprachendidaktik nicht auf einer erweiternden oder optimierenden Ebene bleiben. Stattdessen beinhaltet die Diskussion immer auch Überlegungen zu den Zielen des Fremdsprachenunterrichts wie auch seiner gesellschaftlichen Funktion und Rolle (ebd., S. 9). Ordnet man die Ergebnisse der vorliegenden Studie vor diesem Hintergrund ein, kann und sollte der starke Fokus auf die Perspektiven der Substitution und Augmentation, aber auch das weitestgehende Fehlen grundlegender Fragen zu Rolle und Zielen des Englischunterrichts wie auch der erarbei‐ teten Perspektivlinien problematisiert werden. Insbesondere da, wie in der ENA gezeigt wurde, die Ergebnisse nicht ausschließlich mit der pandemischen Situation erklärbar zu sein scheinen. Zwar lässt sich hier die legitime Einschränkung treffen, dass die angehenden Lehrkräfte in ihrer Professionalisierung noch am Anfang stehen und nicht als repräsentativ für in-service-Lehrkräfte gelten können, trotzdem wird in den Ergebnissen in Teilen der dis‐ connect zwischen dem akademischen Diskurs und Lehrrealitäten (Capparozza & Irle, 2020, S. 104; Würffel, 2019, S. 298-299) ersichtlich. 110 Hier ist mit Bezug zum Forschungskonstrukt und der Berücksichtigung der Ergebnisse zur begrifflichen Unschärfe zu betonen, dass für eine Professionalisierung von angehenden (Englisch-)Lehrkräften neben fachlichem, fachdidaktischem und technischem Wissen auch entsprechende beliefs, Überzeugungen bzw. Haltungen ausgebildet werden müssen (Reusser & Pauli, 2014, S. 642). Grundlage dafür sind aber, wie in dieser Untersuchung argumentiert wurde, dass entsprechende Perspektiven vorstellbar werden. Die Ergebnisse der Studie geben einen Hinweis darauf, dass die technische Digitalisierung ungeachtet ihres Ausmaßes diese Vorstellbarkeit nicht gewährleistet. Mit Blick auf den bemängelten disconnect scheint es an dieser Stelle also unverzichtbar, Aspekte der Digitalität - etwa im Rahmen der Perspektivlinien dieser Arbeit - in die universitäre (Englisch-)Lehrkräftebildung zu integrieren. Die Kontextualisierung der Ergebnisse der Studie lässt bis hierher den Schluss zu, dass diese sich in bereits bestehende Diskurse einordnen lassen und kritische Hinweise wie zu der angeprangerten „Pseudodigitalisierung“ (Marx, 2019, S. 162; Rossa, 2019, S. 196) fremdsprachlicher Unterrichtsfächer unterstützen. Gleichwohl sollten die Ergebnisse nicht lediglich als Bestätigung bekannter Diskurse und Problematiken interpretiert werden, sondern können auch selbst als kritischer Hinweis an Diskurse der Fremdsprachendidaktik verstanden werden. So gibt die Studie einen Hinweis darauf, wie es nicht trotz, sondern auch gerade wegen der Covid-19-Pandemie verstärkter Bemühungen in der begrifflichen Ausdifferenzierung von Digitalität in Englischunterricht und Lehrkräftebildung bedarf. Ein weiterer kritischer Hinweis bezieht sich auf die Ausarbeitung fremdsprachendi‐ daktischer Kompetenzmodelle vor dem Hintergrund der Digitalität. Es scheint nicht verwunderlich, dass Aspekte der Digitalität in der Studie wenig mit fachspezifischen Konzepten verbunden werden. So fehlen trotz aller Bemühungen nach bestem Wissen des Autors (Stand 07/ 2023) systematische Modellierungen bestehender Kernkompetenzen wie 10.2 Implikationen der Ergebnisse und Kontextualisierung im Fachdiskurs 263 <?page no="264"?> der ICC vor dem Hintergrund der Kultur der Digitalität. Wünschenswert wären also weitere Arbeiten zur Integration digitaler und emergierender Kompetenzen in bestehende Kompe‐ tenzfelder, die sich bewusst von technischen, medialen und optimierenden Überlegungen lösen. Die in dieser Untersuchung entwickelten Perspektivlinien, aber auch die bisher benannten Diskurse der Fremdsprachendidaktik und ihrer Bezugsdisziplinen bieten dafür vielversprechende Anknüpfungspunkte. Denkbar wären z. B. Überlegungen zur Erweite‐ rung der ICC um das Konzept der AI-mediated communication (Hancock et al., 2020), die Ausarbeitung von VE und BIP (O’Dowd, 2022) in Englischunterricht und Lehrkräftebildung oder das Reformulieren von Kompetenzen und Zielen des (fremdsprachlichen) Schreibens in Zeiten von MT und generativer KI. Insgesamt spiegelt die Arbeit das in Kapitel 2 erarbeitete Verhältnis von Digitalität und fremdsprachendidaktischen Diskursen dahingehend, dass sie das Spannungsfeld zwischen der Transformation konstitutiver Tätigkeitsfelder der Disziplin und der prak‐ tischen Substitution analoger Strukturen empirisch nachzeichnet. Die Erfahrungen der letzten Jahrzehnte, insbesondere aber die beschriebenen jüngsten Entwicklungen sowie vielversprechende Arbeiten, Ansätze und Vorschläge (z. B. Mustroph, 2023; Schmidt & Strasser, 2022; Strasser, 2023) erlauben dabei dem ersichtlichen Spannungsfeld vorsichtig optimistisch zu begegnen. Es sollte aus der Untersuchung entsprechend keineswegs der Schluss gezogen werden, dass die Bemühungen zu Digitalisierung und Digitalität in der Vermittlung an künftige Agents of Change scheitern. Nicht nur hat die differenzierte Betrachtung ein wesentlich komplexeres Bild gezeichnet, auch wäre eine solche Aussage mit der Anlage dieser Studie unvereinbar. Ihr Ziel war und ist keine Bewertung der (Englisch-)Lehrkräftebildung vor dem Hintergrund der Digitalität, sondern der Versuch, das als Digitalität Vorstellbare und die Einflüsse auf das Vorstellbare zu verstehen. In diesem Sinne können die Ergebnisse eher als Aufforderung verstanden werden, die bisherigen Bemühungen aufzunehmen, begrifflich zu schärfen und zwischen technischer und lernkultureller Perspektive zu differenzieren. Gelingt eine solch systematische Aus‐ differenzierung, scheint es zugleich wahrscheinlicher, die digitale Transformation der konstitutiven Handlungsfelder der (Englisch-)Lehrkräftebildung im akademischen Diskurs sowie auch für angehende Praktiker*innen stärker ins Bewusstsein zu rücken. Dies scheint ein unverzichtbarer Schritt auf dem Weg zur Umsetzung des Englischunterrichts unter Bedingungen der Digitalität zu sein. 10.2.2 Kontextualisierung der Ergebnisse für die (universitäre) Lehrkräftebildung Die Kontextualisierung der Ergebnisse im Diskurs zur Lehrkräftebildung weist zwangs‐ läufig einige Überschneidungen mit dem Bereich der Fremdsprachendidaktik auf. So gelten Überlegungen für Englischlehrkräfte z. T. allgemein für die Lehrkräftebildung und allgemeine Aussagen zur Lehrkräftebildung können oft für die fachspezifische Ausbildung adaptiert werden. Dass die Kontextualisierung dennoch in zwei Kapiteln erfolgt, ist damit zu erklären, dass an dieser Stelle stärker auch erziehungsbzw. bildungswissenschaftliche und bildungspolitische Diskurse in den Mittelpunkt gerückt werden. Wie in der gesamten Untersuchung ist auch hier die Überlegung leitend, dass das Querschnittsthema Digitali‐ 264 10 Synthese und Diskussion der Gesamtergebnisse <?page no="265"?> sierung (bzw. Digitalität) zwar auch, nicht aber ausschließlich fachspezifisch betrachtet werden sollte. Im Zusammenhang mit bildungspolitischen Vorgaben wurde in Kapitel 4 vor allem der Übergang vom Mehrwertsdiskurs zur Betrachtung der Kultur der Digitalität beleuchtet. So verändert sich beispielsweise die Präambel der KMK-Strategien von der Digitalisierung als Werkzeug (KMK, 2017, S.-8) zur ganzheitlichen Betrachtung einer neuen Lernkultur unter Bedingungen der Digitalität (KMK, 2021, S. 3). Dieser Wandel ist in den Vorstellungen der angehenden Englischlehrkräfte der Studie nur bedingt angekommen. So kann der Fokus auf Substitution und Augmentation wie auch das Fehlen weitreichenderer Perspektiven in den Vorstellungen der Studierenden mit Blick auf die bildungspolitischen Zielsetzungen als un‐ zureichend oder zumindest verengt beurteilt werden. Gleichwohl sollte diese Feststellung nicht übermäßig negativ interpretiert werden. So zeigte der Blick in die verschiedenen bildungspolitischen Papiere auch, dass sich Zielsetzungen und Perspektiven auf Digitalität - vielleicht noch später, als es in Diskursen der Fremdsprachendidaktik der Fall war - im Wandel befinden. Anders als bei z. B. fachlichen Überzeugungen können die erhobenen Vorstellungen hier auch selbst als stärker wandelbar verstanden werden. Mit Blick auf den geringen zeitlichen Abstand zwischen der bildungspolitischen Perspektivverschiebung und der Datenerhebung dieser Studie ist es verständlich, dass dieser Perspektivwechsel in den Vorstellungen der Proband*innen nicht angekommen zu sein scheint. Daraus ergibt sich weniger, dass der Perspektivwechsel in der Englischlehrkräftebildung gescheitert wäre, als vielmehr, dass die Zielbekundungen und deren Begründungslogiken stärker erfahrbar gemacht werden müssen, um einen Einfluss auf Vorstellungen zu nehmen. Das gilt umso mehr in Anbetracht der (auch bildungspolitischen) Ausführungen zur Professionalität von Lehrkräften, die das Feld der Vorstellungen (oder seine begrifflichen Variationen) als Kernbereich der Professionalität darstellen (Baumert & Kunter, 2006; Bechtel & Rudolph, 2022; KMK, 2017; KMK, 2021). Ein weiterer Anknüpfungspunkt der Studienergebnisse und der thematisierten bildungs‐ politischen Ausführungen besteht in den Entwicklungsbereichen des MSB (2022). Insbe‐ sondere der Bereich „Veränderte Rollen und kontinuierliche Professionalisierung von Lehrkräften“ (ebd., S. 13) lässt sich auf zweifache Weise mit den Ergebnissen verknüpfen. So wurde gerade in den qualitativen Ergebnissen deutlich, dass sich das Verständnis von veränderten Rollen und kontinuierlicher Professionalisierung sehr unterschiedlich zwischen den einzelnen Studierenden darstellt. Insbesondere in den beiden medialen Ausprägungen digitalitätsbezogener Vorstellungen wurden aus Perspektive des MSB die Spezifika der eigenen Rolle als Lehrkraft in der Digitalität nur unzureichend bedacht. Die große Heterogenität, insbesondere zwischen den Typen, zeigt aber auch, dass bereits bei Studierenden diese Vorstellung von den Bestandteilen der eigenen Rolle in der Digitalität angelegt werden kann. Das eröffnet im Sinne der kontinuierlichen Professionalisierung im Kontext der Digitalität die Frage, inwieweit eine solche Anlage bereits erwartet werden muss oder erwartet werden sollte: ist es überhaupt problematisch, dass für einen großen Teil der befragten Studierenden solche Aspekte der Digitalität noch nicht vorstellbar zu sein scheinen oder zumindest nicht priorisiert werden? Ohne die Diskussion der Rolle der universitären Lehrkräftebildung an dieser Stelle wiederholen zu wollen, ist für die Kontextualisierung der Ergebnisse kurz erneut auf die 10.2 Implikationen der Ergebnisse und Kontextualisierung im Fachdiskurs 265 <?page no="266"?> Ziele der ersten Phase der Lehrkräftebildung einzugehen. Die Beantwortung der Fragen liegt dabei auch in der genauen begrifflichen Betrachtung. So spricht das MSB (2022, S. 13) von „erweiterten Mindsets und Haltungen“. Versteht man diese als (core) beliefs (Reusser & Pauli, 2014, S. 644), die sich über lange Zeiträume entwickeln, ließe sich behaupten, dass sie sich am Ende der ersten Phase der Lehrkräftebildung noch gar nicht gebildet haben könnten. Insofern wären die Ergebnisse der Studie mit den Forderungen noch kom‐ patibel, insbesondere, da das MSB von einer kontinuierlichen Professionalisierung spricht. Allerdings entspricht es nicht dem Anspruch der Studie, langfristig gebildete core beliefs zu rekonstruieren, stattdessen war das Ziel, zeitsensiblere Vorstellungen nachzuzeichnen. Diese bilden, wie in Kapitel 5.2 und 5.3 argumentiert wurde, den Ausgangspunkt für eine erfolgreiche kontinuierliche Professionalisierung im Bereich der Überzeugungen, Haltungen und Mindsets. Die Ergebnisse der Studie beziehen sich also stärker auf die spezifische Aufgabe der ersten Phase der Lehrkräftebildung, auf die Perspektiverweiterung (siehe auch Kapitel 4.2). Die Aspekte der Digitalität sollten also während des Studiums vorstellbar werden und anschließend in kontinuierlicher Professionalisierung zu Haltungen und Mind‐ sets (Überzeugungen, beliefs, subjektiven Theorien) zu Digitalität verdichtet und verknüpft werden. In diesem Verständnis muss betont werden, dass entsprechende Vorstellungen am Ende der Studienphase (also in der Phase, in der sich die interviewten Personen befanden) ausgebildet sein sollten. Insofern zeigen die Ergebnisse mit Blick auf bildungspolitische Zielsetzungen ein Desiderat auf, das sich auch, wahrscheinlich allerdings nicht nur, durch die Covid-19-Pandemie ergeben haben könnte. Neben den Auswirkungen der Pandemie geben die Ergebnisse noch einen weiteren Hin‐ weis auf die Herausforderungen der (Englisch-)Lehrkräftebildung unter Bedingungen der Digitalität. So wurde in der Diskussion der Ergebnisse der Fokus auf technische Fragen und Fragen der Funktionalität (Digitalisierung als potenziell störendes Element) der befragten Studierenden mit ihren Erfahrungen der Pandemie verbunden. Gleichzeitig wurde betont, dass diese Beobachtung nicht als Phänomen der Pandemie abgetan werden dürfe. Mit Blick auf die Diskurse der Lehrkräftebildung lässt sich dafür ein weiterer Grund finden. Wenn das/ ein Ziel der universitären Lehrkräftebildung die Vorbereitung offener Haltungen und Mindsets ist, verstanden als Erweiterungen des (im Bezug zu Digitalität) Vorstellbaren, bezieht sich diese Erweiterung automatisch auf die Zukunft. So bereitet die erste Phase den Anfang eines Karrierewegs für Lehrkräfte, die unter Umständen viele Jahrzehnte tätig sein werden. Entsprechend muss die erste Phase mit Blick auf die Perspektiverweiterung nicht nur aktuelle, sondern perspektivische Entwicklungen vermitteln. Gleichzeitig müssen Studierende in der zweiten Phase (und zum Teil bereits in der ersten Phase) in der Gegenwart mit den sehr konkreten Herausforderungen des Lehrberufs (Fütterer et al., 2021, S. 466) umgehen. Die Universität soll also auf die Zukunft vorbereiten, Studierende wollen und müssen zugleich in der Gegenwart agieren. Dass entsprechend in den Interviews die wahrgenommenen Probleme der aktuellen Lehrpraxis fokussiert werden, scheint naheliegend. Wenn somit unter bildungspolitischen Gesichtspunkten formuliert wird, dass die entsprechenden Vorstellungen der befragten Personen unzureichend oder verengt seien, sollte daraus nicht geschlossen werden, dass dies auf mangelhafte Leistungen der befragten Studierenden oder deren Ausbildung zurückzuführen sei. Vielmehr können die Ergebnisse für die Lehrkräftebildung als Anregung dazu interpretiert werden, die Erreichbarkeit 266 10 Synthese und Diskussion der Gesamtergebnisse <?page no="267"?> und Kohärenz der Ziele der einzelnen Phasen unter den Bedingungen der Digitalität zu reflektieren (genauer siehe Küplüce, 2023). Sie sind ein Hinweis darauf, wie schwierig es zu sein scheint, perspektivische Transformationsprozesse in der Gegenwart (in ihrer Tragweite) erfahrbar zu machen. Entsprechend muss auch aus diesem Grund dafür plädiert werden, digitalitätsbezogene Vorstellungen nur als ersten Schritt der ganzheitlichen Auf‐ gabe der (Englisch-)Lehrkräftebildung zu verstehen, um offene, fortbildungsorientierte und digitalitätssensible Haltungen und Mindsets (Überzeugungen, beliefs, subjektive Theorien) vorzubereiten. Nicht nur in den bildungspolitischen Positionspapieren, auch in allgemeinen bildungs‐ wissenschaftlichen Auseinandersetzungen mit Digitalität in der Lehrkräftebildung lassen sich die Ergebnisse kontextualisieren. So resümiert beispielsweise Döbeli Honegger (2021, S. 414) zu den Auswirkungen der Covid-19-Pandemie auf universitäre digitale Transforma‐ tion: „Die Erfahrungen sind für digitale Transformation nur bedingt hilfreich“. Er nennt dabei zwei Gründe für seine Einschätzung, die auch für die Ergebnisse der vorliegenden Untersuchung Relevanz besitzen: ERT sei nicht mit Hochschullehre in einer Kultur der Digitalität vergleichbar und es habe nicht genug Zeit für einen „echten Kulturwandel“ gegeben (ebd.). Während beide Punkte, wie auch sein Resümee, von den Ergebnissen der vorliegenden Studie gestützt werden, müssen sie (zumindest im Kontext der Erhebung) ergänzt und spezifiziert werden. In den Vorstellungen der befragten Personen scheint die Zeit der Covid-19-Pandemie tatsächlich kaum mit Aspekten der Kultur der Digitalität in Verbindung gebracht zu werden. Allerdings gibt die vorliegende Studie auch Hinweise darauf, dass dies nicht ausschließlich am ERT-Charakter der Onlinelehre während der Covid-bedingten Einschränkungen zu erklären ist. So lassen sich die Befunde auch oder sogar gerade auf die Hybridlehre und fortgeschrittene Semester während der Pandemie übertragen. Vor diesem Hintergrund kann dem Fazit Döbeli Honeggers zwar so weit zugestimmt werden, dass die Zeit der Covid-19-Pandemie aus Perspektive der digitalen Transformation „nur an der Oberfläche“ gekratzt habe (ebd., S. 421), dabei muss aber betont werden, dass das nicht unbedingt nur den widrigen Bedingungen dieser Zeit zugeschrieben werden kann. Das ist insofern von Relevanz, als dass das „an der Oberfläche Kratzen“ keineswegs mit einem Wegfall der Einschränkungen verschwinden muss. Vor diesem Hintergrund scheint die Erkenntnis aus der Pandemie gerade darin zu liegen, dass sie einen fehlenden (lern-)kulturellen Wandel offenlegt, der zum Teil, aber eben nicht nur, mit fehlender (Vorbereitungs-)Zeit während der Pandemie zu begründen ist. Die Schlussfolgerungen der vorliegenden Studie ähneln also denen Döbeli Honeggers, die Interpretation ist aber eine andere: Dass in der Pandemie trotz maximaler Digitalisierung keine Kultur der Digitalität entwickelt wurde, liegt nicht an den widrigen Bedingungen der Pandemie, sondern (auch) an der fehlenden Vorstellbarkeit der Auswirkungen der Digitalität jenseits der technischen Digitalisierung. Anders als in der Pandemie kann die fehlende Vorstellbarkeit der Auswirkungen der Digitalität nicht mit „fehlender Zeit zur Reflexion“ (ebd., S. 414) begründet werden. So hat Klafki für die allgemeine Didaktik bereits 1991 die „Gefahren und die Möglichkeiten der neuen technischen Steuerungs-, Informations- und Kommunikationsmedien“ (S. 59-69) angesprochen. Eine ähnlich lange potenzielle Zeit zur Reflexion konnte bereits für die Fach‐ didaktik und Mediendidaktik bzw. -pädagogik nachgezeichnet werden. Somit müsste der 10.2 Implikationen der Ergebnisse und Kontextualisierung im Fachdiskurs 267 <?page no="268"?> 111 Zählt man internationale Diskurse beispielsweise aus den learning sciences zu erziehungswissen‐ schaftlichen Arbeiten, lassen sich bereits vor über zehn Jahren Journal-Veröffentlichungen ausma‐ chen (Nash & Shaffer, 2013; Svarovsky, 2011). von Döbeli Honegger bemängelte und in der vorliegenden Studie festgestellte fehlende kul‐ turelle Wandel eher dem Fehlen des Verständnisses von Digitalität als kulturelles Phänomen zugeschrieben werden als den zeitlich begrenzten Situationen wie der Covid-19-Pandemie. So lässt sich, wie Muuß-Meerholz (2020) es formuliert, auch mit neuen (digitalen) Medien eine alte Lernkultur ausdrücken. Das Verständnis der Kultur der Digitalität hingegen kontextualisiert die zahlreichen Auflistungen der neuen Anforderungen an Lehrkräfte wie auch die geforderten Kompetenzen und Unterrichtsziele (u. a. Barkmin et al., S. 2020; Huwer et al., 2019; OECD, 2020; van Ackeren et al., 2019; Ware, 2017; Wilmers et al., 2020; De Witt, 2022) jenseits von technologischen Überlegungen. Will man für (Englisch-)Lehrkräfte also eine Lehr-/ Lernkultur vorstellbar machen, in der sich die (fremdsprachliche) Bildung von einer transmissionsorientierten Ausrichtung zugunsten ihrer transformatorischen Rolle abwendet (Gerlach, 2020, S. 9-10), die interaktive und ko-konstruktive Lernformen priori‐ siert (Sailer et al., 2021, S. 3) und Wissenskonstruktion als Diskurs- und Aushandlungspraxis betrachtet (Albrecht et al., 2020, S. 28), sollte post-Covid für eine Lehrkräftebildung plädiert werden, die stärker ein Verständnis von Digitalität jenseits von 0 und 1 forciert. 10.3 Limitationen und Transferierbarkeit der Studienergebnisse Da die Limitationen für die einzelnen Methoden bereits in ihren jeweiligen Einzelkapiteln abgehandelt wurden, betrachtet 10.3 mögliche Fallstricke des Gesamtdesigns wie auch die Reichweite der Ergebnisse für andere Kontexte. Wie bereits in den vorigen Limitati‐ onskapiteln betont wurde, stehen dabei nicht jene Limitationen im Vordergrund, die der Verortung im gegebenen epistemologischen Paradigma oder der Anlage des Studiendesigns inhärent sind. Limitationen meinen stattdessen diejenigen Einschränkungen, die sich aus dem spezifischen Ablauf und der Auswertung der Studie ergeben, die getroffenen Aussagen und Interpretationen ggf. einschränken und vor voreiligen Schlüssen schützen. Dabei wird das methodische Design reflektiert (10.3.1) und zuletzt die Reichweite der Ergebnisse diskutiert (10.3.2). 10.3.1 Zwischen bewährten Methoden und methodologischer Innovation Wie in den methodischen Ausführungen nachgezeichnet wurde, lassen sich das For‐ schungskonstrukt, die Erhebungsform und auch die Auswertung der QIA in eine lange Forschungstradition, sowohl auf Seiten der Fremdsprachendidaktik als auch für den Bereich der Erziehungswissenschaft, einordnen. Dem gegenüber steht die ENA, die im Vergleich erst vor wenigen Jahren ihre methodologische Fundierung erfahren hat. Darüber hinaus wird die ENA erst seit wenigen Jahren in erziehungswissenschaftlichen 111 Arbeiten verwendet (z. B. Brückner et al., 2020; Nachtigall, Nößler et al., 2022; Nachtigall, Yek et al., 268 10 Synthese und Diskussion der Gesamtergebnisse <?page no="269"?> 2022) und wurde, nach bestem Wissen des Autors, noch nicht für fremdsprachendidaktische Arbeiten nutzbar gemacht. Gerade auch die Kombination der QIA nach Kuckartz mit der ENA scheint (Stand 08/ 2023) noch nicht im disziplinären Kontext der vorliegenden Untersuchung verwendet worden zu sein. Durch die somit fehlenden Referenzen ergeben sich Herausforderungen, die erst im Prozess der Studie bzw. im Anschluss daran deutlich wurden. Eine dieser Herausforderungen betrifft die Verbindung qualitativer Codierungen und statistischer Auswertung in der ENA. So ist die Einteilung der Bewertungsmuster in SAMR-T keineswegs ein objektiver Marker, der mit einer Eins-zu-Eins-Übereinstimmung versehen werden könnte. Zwar lässt sich der hohe ICR-Wert der Codierungen anführen, der mit K = 0,81 als „substantial“ (O’Connor & Joffe, 2020) bezeichnet werden kann, für quantitative Studien ließen sich aber noch erheblich differenziertere ICR-Berechnungen erheben (siehe z. B. Malviya et al., 2021), die ggf. auch andere Interpretationen der Werte zulassen könnten. Darüber hinaus wird die Berechnung der ICR und deren Aussagekraft für qualitative Studien kontrovers diskutiert (O’Connor & Joffe, 2020), auch wenn sie mehr und mehr zur Norm zu werden scheint. Ohne den Diskurs um die ICR an dieser Stelle erneut genauer aufgreifen zu wollen, muss mit Blick auf Limitationen festgehalten werden, dass den Netzwerken in ihrer Reliabilität leichte Einschränkungen zugesprochen werden könnten. Es scheint gleichwohl aufgrund der Deutlichkeit der Ergebnisse und der Möglichkeit der Kontextualisierung im Transkriptionsmaterial unwahrscheinlich, dass sich die grundsätzliche Ausrichtung der Netzwerke verändern würde. Nichtsdestotrotz muss bei der Interpretation der Ergebnisse bedacht werden, dass die Zuordnung in die Bewertungsebenen ein Maß an Subjektivität enthält, die sich auch auf die Modellierung der Netzwerke ausgewirkt haben könnte. Ein weiterer potenziell einschränkender Punkt betrifft die Beziehung zwischen EFT und dem Forschungskonstrukt Vorstellungen. Wie in den Ausführungen zur ENA betont, zeigen die einzelnen Netzwerke nicht die aggregierten Vorstellungen der befragten Personen auf, sondern Assoziationsstrukturen. Auch wenn für die Verbindung der Netzwerke mit Vorstellungen argumentiert wurde, ist diese Verbindung schon allein wegen des „messy constructs“ (Pajares, 1992) herausfordernd. Genau aus diesem Grund wurde in der Un‐ tersuchung ein so großer Fokus darauf gelegt, das Forschungskonstrukt begrifflich zu schärfen und abzugrenzen, was schließlich in einer spezifischen Arbeitsdefinition von Vorstellungen mündete (siehe Kapitel 5.2). Daraus ergibt sich allerdings auch, dass die Verbindung zwischen den Netzwerken und Vorstellungen, für die in der Untersuchung argumentiert wurde, für Vorstellungen genau in diesem Verständnis gilt. Entsprechend muss auch bei ggf. folgenden Studien in einem ähnlichen Design die Beziehung zwischen Forschungskonstrukt und den erstellten Netzwerken argumentativ plausibilisiert werden. 10.3.2 Transferierbarkeit der Ergebnisse Ziel der Studie insgesamt ist es, digitalitätsbezogene Vorstellungen angehender (Eng‐ lisch-)Lehrkräfte zu verstehen, zu systematisieren und deren Beziehung zu Erfahrungen von Online- und Hybridlehre nachzuzeichnen. Dabei ergibt sich bereits aus der Anlage der Studie, dass keine Grundgesamtheit angehender Lehrkräfte dargestellt wird oder 10.3 Limitationen und Transferierbarkeit der Studienergebnisse 269 <?page no="270"?> verallgemeinerbare Aussagen getroffen werden können. Das heißt aber nicht, dass die Studie nicht in veränderten Anteilen auf andere Zeitpunkte oder Teilnehmendengruppen übertragbar sein kann. So wurde in den Kapiteln 5.3 und 7.5 bereits argumentiert, dass die Covid-bedingten Einschränkungen - trotz der Unterschiede im Umgang - verschiedenste Bildungseinrichtungen ähnlich betrafen. Insbesondere der Wechsel auf Online- oder Hyb‐ ridlehre, der einen Fokus der vorliegenden Studie beschreibt, lässt sich zum Zeitpunkt der Erhebung für fast alle Hochschuleinrichtungen in Deutschland attestieren. Dennoch ist bei der Frage nach Transferierbarkeit die in Kapitel 4.3 erörterte Eigenheit der universitären Lehrkräftebildung sowie deren standort- und fachabhängige Ausprägung als mögliche Einschränkung zu nennen. Trotz der diskutierten gemeinsamen rechtlichen Grundlagen wird sich die genaue Ausgestaltung von Bereichen wie dem der Digitalität innerhalb verschiedener Hochschulen unterscheiden. Daraus folgt auch, dass sich die gemachten Erfahrungen von Studierenden und die entstehenden Vorstellungen abhängig vom Erhebungsort unterscheiden könnten. Basierend auf den vorgestellten Diskursen zu Digitalisierung und Digitalität aus der Didaktik, Bildungswissenschaft und -politik wie auch aus den Ergebnissen lässt sich aber argumentieren, dass die grundlegenden Merkmals‐ horizonte relevant bleiben. Mit anderen Worten: es wäre erwartbar, dass auch in anderen Studien zu digitalitätsbezogenen Vorstellungen angehender Lehrkräfte technisch-mediale und lernkulturelle Perspektiven auf Digitalität nachgezeichnet werden können und sich auch entsprechende Ausprägungen aufdecken lassen (wenn auch in einer ggf. anderen Gewichtung). Es ist darüber hinaus außerdem erwartbar, dass sich die Verbindung zwischen der spezifischen Form der Online- und Hybriderfahrungen und der Bewertung digitaler Technologien bestätigen wird (siehe auch Kapitel-9.4). Aus dem Gesagten ergibt sich, dass die Ergebnisse insofern transferierbar sind, als mög‐ liche Beziehungen aufgezeigt und erklärbar gemacht wurden, Unterscheidungsmerkmale und Systematisierungsmöglichkeiten beleuchtet wurden und ein Interpretationsrahmen für die Auswirkungen der Covid-19-Pandemie und ihren notwendigen Maßnahmen auf‐ gespannt wurde. Unterschiede in der genauen Verteilung der Ausprägungen digitalitäts‐ bezogener Vorstellungen wie auch die Verbindung von universitären Onlinebzw. Hybrid‐ lehrerfahrungen und der Bewertung digitaler Technologien werden hingegen - abhängig von Erhebungszeitraum und -ort - noch genauer auszudifferenzieren sein. In jedem Fall zeigt die Studie für weitere Arbeiten im Bereich der Lehrkräftebildung allerdings, wieso die Betrachtung digitalitätsbezogener Vorstellungen, gerade auch in der Zeit post-Covid, von großem Interesse sein kann. 270 10 Synthese und Diskussion der Gesamtergebnisse <?page no="271"?> 11 Fazit und Ausblick Kapitel 11 schließt die Untersuchung in zwei Schritten ab: Zunächst legt ein komprimiertes Fazit dar, was die vorliegende Arbeit für den Diskurs zu Digitalität und (Englisch-)Lehrkräf‐ tebildung leistet; im Anschluss fokussiert der Ausblick insbesondere diejenigen Fragen, die sich aus der Untersuchung ergeben. Dabei werden nicht zuletzt auch Überlegungen zu mög‐ lichen weiteren Aufgaben der Fremdsprachendidaktik und (Englisch-)Lehrkräftebildung angestellt, aber auch Verbindungen zu potenziell gewinnbringenden Kooperationen mit Bezugsdisziplinen beleuchtet. Damit kommt die Arbeit ihrer eigenen Forderung nach, dass die Ergebnisse und Erkenntnisse aus der Zeit der pandemiebedingten Einschränkungen nur ein Startschuss für die weitere Bearbeitung des (Englisch-)Unterrichts und der Lehrkräfte‐ bildung unter Bedingungen der Digitalität sein können. 11.1 Die Reichweite der Digitalität vorstellbar machen: (k)eine Frage von Pandemie und Technologie Als wiederkehrendes Thema zieht sich durch die gesamte Darstellung - wie durch die (Englisch-)Lehrkräftebildung als Ganzes - die Omnipräsenz und gleichzeitige Unbestimmt‐ heit des Begriffs Digitalisierung (Schildhauer & Bündgens-Kosten, 2021, S. 12; Strasser, 2023, S. 123). Die Untersuchung leistet durch ihre theoretische Ausdifferenzierung und Systema‐ tisierung ebenso wie die in den Perspektivlinien beispielhaft dargestellte Ausgestaltung des Unterschiedes zwischen einer technisch-medialen und lernkulturellen Perspektive auf den Begriff einen Beitrag, diese Unbestimmtheit zu bearbeiten. Mehr noch, durch die Ergebnisse kann empirisch nachgezeichnet werden, wie sich die begriffliche Unbestimmtheit auf Vorstellungen und Bewertung von Digitalität bzw. digitalen Technologien auswirken kann. Durch die Betrachtung von Vorstellungen wie auch durch Überlegungen zu motivationalen Effekten, die sich aus den Bewertungen und Assoziationen ergeben könnten, gibt die Untersuchung damit einen wichtigen Hinweis für die Relevanz der Ausdifferenzierung der digitalitätsbezogenen (Englisch-)Lehrkräftebildung in technisch-mediale und in (lern-)kul‐ turelle Perspektiven. Nicht nur für den Digitalisierungsbegriff, auch für das „messy construct“ (Pajares, 1992) um Vorstellungen und ihre Bezugskonstrukte kann die Arbeit beanspruchen, einen Beitrag zur Ausdifferenzierung zu leisten. Besonders hervorzuheben sind hier auch die forschungs‐ methodischen Implikationen, die sich aus der Unterscheidung zwischen Überzeugungen (beliefs) und Vorstellungen ergeben. So wurde argumentiert und veranschaulicht, dass die empirische Untersuchung der Konstrukte von einer Anpassung an die Unterschiede in der Dimension ihrer zeitlichen Stabilität profitieren könnte. Der dritte Beitrag, den die Untersuchung leistet, liegt in dem Verständnis der Aus‐ wirkungen der Covid-19-Pandemie und deren Beziehung zu digitalitätsbezogener (Eng‐ lisch-)Lehrkräftebildung post-Covid. Dabei kann sie nur eine spezifische Perspektive bieten, die allein kein vollständiges Bild der kurz- und langfristigen Auswirkungen der Pandemie auf das Bildungssystem geben kann. Nichtsdestotrotz lassen sich in Theorie und <?page no="272"?> Empirie einige relevante Beobachtungen festhalten. Während sich zu Beginn der Pandemie - bei allen Herausforderungen - eine Stimmung von digitalem Aufbruch (Kerres, 2020a, S. 692; Lütge & Merse, 2021, S. 12; Steiniger, 2020, S. 69; KMK, 2021, S. 4) im Diskurs mit ernüchternden Resümees (Fütterer et al., 2021, S. 445; König & Greffin, 2021, S. 43; Tenberg, 2020) abwechselte, bietet die vorliegende Studie eine alternative Interpretation an. In der viel bemühten Metapher des „Brennglases“ (Laubenstein & Scheer, 2022, S. 92; Obermayr et al., 2021, S. 142; Rude, 2020) wird die Pandemie als Phänomen betrachtet, das bereits zuvor bestehende Probleme verdeutlicht. Diese Beobachtung lässt sich in den Ergebnissen zu den digitalitätsbezogenen Vorstellungen bestätigen. Gleichzeitig zeigt sich, dass sich aus der Lehre unter Bedingungen der Pandemie mehr ziehen lässt als die Bestätigung oder Verschärfung bekannter Probleme. Fast vier Jahre nach den initialen Reaktionen zu ERT aus Bildungswissenschaft und Didaktik können die Ergebnisse der Studie durch die Betrachtung der Empirie, aber auch anhand der systematischen Betrachtung eines Diskurses, der lange vor Covid-19 beginnt, die Dichotomie zwischen Aufbruch in und Ernüchterung durch die Bedingungen der Pandemie durchbrechen. So hat es im Bereich der Digitalisierung zweifellos (zeitweise) einen „quantitativen Schub“ (Schmelter, 2019, S. 217) gegeben. Mit Blick auf digitale Transformation scheint hingegen auch Ernüchterung gerechtfertigt. Darüber hinaus ergibt sich aber auch ein Einblick in die Beziehung zwischen dem quantitativen Schub (medialer) Digitalisierung und digitalen Transformationsprozessen vor dem Hintergrund einer Krise. So zeigt sich exemplarisch, was in dem medienpädagogischen und -didaktischen Diskurs (Kapitel 2.1) für Jahrzehnte nachgezeichnet werden konnte: Eine lernkulturelle Revolution lässt sich nicht rein medial forcieren - egal wie groß die (scheinbare) Disruption. Diese Beobachtung sollte nicht zuletzt auch vor dem Hintergrund der Diskussion um generative KI für die nächsten Jahre immer wieder betont werden. Das heißt nicht, dass die pande‐ miebedingten Einschränkungen keine langfristigen Auswirkungen gehabt hätten. Das Interessante ist aber, wie die Erfahrungen der Studierenden in der Pandemie exemplarisch zeigen, was sich theoretisch aus der Betrachtung der Kultur der Digitalität herleiten lässt: Die Kultur der Digitalität ist kein rein mediales Phänomen. Insofern kann eine digitale Transformation nicht nur medial begangen werden. Nun ist es leichter, im Nachhinein zusammenzufassen, wieso die Zeit der Covid-19-Pan‐ demie für die Englischstudierenden keine digitale Transformation vorstellbar gemacht hat, als Erkenntnisse dazu zu geben, wie dies gelingen könnte. Gleichzeitig würde die Forderung nach Gelingensbedingungen den Begriff bereits missverstehen. Der Kern der Bezugnahme auf die Kultur der Digitalität war gerade, dass die digitale Transformation (anders als die Digitalisierung) keinen linearen, abschließbaren Prozess abbildet. Genau aus diesem Grund muss ein vermeintlicher Aufbruch in der Pandemie scheitern. Wir begeben uns in der digitalen Transformation nicht von einem analogen Englischunterricht hin zum Englischunterricht unter Bedingungen der Digitalität. Nimmt man das Konzept der Digitalität ernst, befinden wir uns stattdessen bereits in einer digitalen Realität, in der KI und selbstlernende Algorithmen Kommunikation und Textproduktion beeinflussen, in der soziale Medien (in ganz ähnlicher Weise) soziale und politische Konstellationen bestimmen und in der noch viel grundlegender von jeder individuellen Person erwartet wird, sich zu unzähligen selbstgenerierten Gemeinschaften zu relationieren und darin zu agieren. Lehren 272 11 Fazit und Ausblick <?page no="273"?> und Lernen unter Bedingungen der Digitalität ist kein Aufbruch in ein unbestimmtes modernes Setting, sondern eine Anerkennung der bestehenden soziokulturellen Prozesse, die die Genese, Distribution und Evaluation von Wissen bestimmen - im Hier und Heute. Indem die Pandemie diesen Unterschied wie ein Brennglas hervorgehoben hat, ergibt sich die Relevanz der Erfahrungen für die Zeit post-Covid. Auch wenn die pandemiebe‐ dingten Einschränkungen sicherlich (und hoffentlich) als einzigartig zu beschreiben sind, sind sie bei weitem nicht die erste oder letzte (gefühlte) Disruption, die (Englisch-)Unter‐ richt und Lehrkräftebildung erwartet. Ob und wie kommende Disruptionen auch Trans‐ formationen befördern, ergibt sich dabei nicht in erster Linie aus technischer Innovation, sondern daraus, was für die Akteure in der Disruption vorstellbar wird. Wird in kommenden Disruptionen also vorstellbar, dass analoge Strukturen auch im digitalen Raum substituiert werden können? Oder wird eine Neuausrichtung des Verständnisses von Lernen (UNESCO, 2021) wie auch den Rollen der Lehrpersonen (Strasser, 2023, S. 132) unter Bedingungen der Digitalität vorstellbar? Zu Beginn der Untersuchung wurde die Erfahrung einer Studierenden zitiert, die zu den pandemiebedingten Semestern das resignierte Resümee zieht: „Also da ist mir nichts wirk‐ lich in Erinnerung geblieben“ (K2_i1_F1, Pos. 10). Unter Berücksichtigung der einzigartigen Einblicke, die zugleich erstaunlich gut auf den historischen Diskurs zu Digitalisierung und Digitalität übertragbar sind, bleibt zu hoffen, dass die Fremdsprachendidaktik und Lehrkräftebildung nicht irgendwann ein ähnliches Fazit zieht. Gleichzeitig scheint dies vor dem Hintergrund der zahlreichen wissenschaftlichen Auseinandersetzungen mit der Pandemie, vor allem aber den unzähligen Perspektiven auf Digitalisierung und Digitalität - in die sich auch die vorliegende Arbeit einreiht - unwahrscheinlich. Die digitale Realität als Lerngegenstand (Mustroph, 2023) ist im Englischunterricht angekommen. Jetzt ist es Aufgabe der Lehrkräftebildung, diese Realität für angehende Praktiker*innen vorstellbar (und umsetzbar) zu machen. 11.2 Ausblick: Ein Verständnis für die digitale Realität von (Lehrkräfte-)Bildung Nicht nur, aber vielleicht gerade für Dissertationen begleitet das it’s over, it’s done des Endes eines Forschungsprozesses immer auch ein but wait, there’s more. So hat die Untersuchung zwar dazu beigetragen, Begriffe zu schärfen, Erfahrungen zu systematisieren und Einblicke in das Feld digitalitätsbezogener Vorstellungen zu geben, dennoch stehen am Ende genauso viele (oder mehr) Fragen, die sich anschließen. Auch wenn hier nicht auf alle möglichen Anschlüsse eingegangen werden kann, werden abschließend einige besonders drängende Fragen beleuchtet. Als grobe Strukturierung lassen sich zunächst diejenigen Fragen behandeln, die besonders nah am vorliegenden Interesse liegen, um anschließend Fragen zu betrachten, die weit über das originale Forschungsinteresse hinausgehen. Aus den bereits diskutierten Limitationen lässt sich folgender erster Anschlusspunkt ableiten: Es wurde bemängelt, dass aufgrund der (zum Zeitpunkt der Erhebung) nicht vorauszusehenden Zeitspanne der Pandemie keine Forschungsdaten vor, in und nach der Pandemie verglichen werden konnten. Mit dem Auslaufen der pandemiebedingten Einschränkungen ließe sich die initiale Erhebung nun wiederholen, um deren Ergebnisse 11.2 Ausblick: Ein Verständnis für die digitale Realität von (Lehrkräfte-)Bildung 273 <?page no="274"?> mit denen aus der Pandemie zu vergleichen. Auch wenn der Vergleich nicht mit denselben Studierenden durchgeführt werden kann, könnte eine solche Folgestudie Einblicke in digi‐ talitätsbezogene Vorstellungen geben, die nicht in (direkter) Beziehung zu den Erfahrungen der Pandemie stehen. Damit könnte der Frage näher nachgegangen werden, wie sehr die Befunde eine Anomalie der Pandemie darstellen. Hält die Interpretation der vorliegenden Studie der weiteren Untersuchung stand, sollten allerdings - zumindest allein aufgrund des Zeitpunkts der Erhebung - keine stark abweichenden Ergebnisse erwartbar sein. Ein vielversprechender, wenn auch komplexer Anknüpfungspunkt liegt außerdem in der näheren Untersuchung der Beziehung zwischen digitalitätsbezogenen Vorstellungen, der Bewertung digitaler Technologien und deren unterrichtlichen Adaption. Insbesondere von Interesse könnte hier der Übergang vom Studium ins Referendariat sein: Stehen die digitalitätsbezogenen Vorstellungen von Englischstudierenden in einer Beziehung dazu, ob und wie digitale Technologien im Referendariat implementiert werden? Zwar würde in einer solchen Untersuchung der Blick erneut auf digitale Technologien beschränkt, dafür würden konkrete Praxisauswirkungen der in dieser Arbeit z. T. sehr abstrakt anmutenden Konstrukte beobachtbar. Auch ließe sich hier gut an bestehende Forschung zu handlungsleitenden Funktionen von Vorstellungen oder teacher beliefs (Cheng & Xie, 2018, S. 111; Hsu et al., 2017, S. 135; Manderfeld, 2020, S. 31, siehe außerdem bereits die Ausführungen von Bandura, 1986) anknüpfen. Bleibt man beim Thema (Lehr-)Praxis, drängt sich eine weitere Frage auf. Die Ar‐ beit argumentiert insgesamt dafür, dass die Bedingungen der Digitalität für angehende (Englisch-)Lehrkräfte vorstellbar gemacht werden sollten. Neben begrifflicher Schärfung und der Erarbeitung von Perspektivlinien konnte die Arbeit dabei aber nur skizzenhaft auf die konkrete Umsetzung für die (universitäre) Lehrkräftebildung eingehen. Eine didaktische Kernaufgabe bleibt also noch offen; wie genau sensibilisiert man angehende (Englisch-)Lehrkräfte (effektiv und nachhaltig) für die Bedingungen der Digitalität? So naheliegend aus einer didaktischen Perspektive diese Frage ist, so aufwendig könnte sich das Forschungsdesign dazu gestalten. Gerade mit Bezug auf Nachhaltigkeit (und die zeitliche Sensibilität des Konstrukts Vorstellungen) scheint die Bearbeitung hier von einer Längsschnittstudie zu profitieren, die im besten Fall alle Phasen der Lehrkräftebildung abdeckt. Auch müsste man sich erneut mit dem komplexen Verhältnis der Konstrukte zueinander beschäftigen. Wann wird also aus einer digitalitätsbezogenen Vorstellung eine digitalitätsbezogene Überzeugung? Trotz oder gerade wegen dieser Komplexität verspricht eine solche Studie aber auch wertvolle Einblicke in die Vermittlung und Entwicklung eines Konstrukts, das, wie hier argumentiert wurde, die Bedingung der Möglichkeit für eine digitalitätssensible Professionalisierung angehender Lehrkräfte beschreibt. Anschließende Fragen ergeben sich aber nicht nur für die (Englisch-)Lehrkräftebildung im Speziellen, sondern, mit Blick auf die verschiedenen Perspektiven auf Digitalisierung und Digitalität, auch für fremdsprachendidaktische Diskurse im Allgemeinen. Hier gilt es ungeachtet der jahrzehntelangen Diskurse und des vermeintlichen digital turn der Pandemie, Digitalität nicht als bereits vielfältig bearbeitetes Thema abzuschreiben. Trotz einiger Herausforderungen für die Fachdidaktiken, die sich aus der bahnbrechenden Geschwindigkeit technologischer Entwicklungen speist, muss dafür plädiert werden, dass bei der Bearbeitung scheinbarer technologischer black boxes (Stalder, 2018, S. 13) wie 274 11 Fazit und Ausblick <?page no="275"?> selbstlernender Algorithmen der Diskurs nicht (nur) Computerwissenschaftler*innen und Informatiker*innen überlassen werden sollte. Stattdessen ergeben sich gerade hier An‐ knüpfungspunkte interdisziplinärer Kooperation, die die kritische Implementation techno‐ logischer Entwicklung in fremdsprachlichen Unterrichtskontexten anreichern kann. Zum jetzigen Zeitpunkt scheint es beispielsweise im Bereich generativer KI nach dem initialen Schock an der Zeit zu sein, empirisch begründete Aussagen zu den Auswirkungen der Entwicklungen auf fremdsprachendidaktische Kompetenzen zu generieren. So reicht es für die kommenden Jahre nicht aus, von einer „digitalen Revolution“ (Grünewald, 2019, S. 80) zu sprechen. Stattdessen ergeben sich zahlreiche Möglichkeiten, den Diskurs theoretisch fundiert und empirisch informiert wissenschaftlich zu begleiten, etwa im Bereich der kri‐ tischen Medienkompetenz (Baake, 1997) oder bei den Auswirkungen generativer KI auf die Textproduktion (Limburg et al., 2023) und auf weitere fremdsprachliche Kernkompetenzen. Vor dem Hintergrund dieser Arbeit muss dabei betont werden, dass etwaige Bemühungen nicht nur den optimierenden Charakter digitaler Technologien betrachten sollten. So sind zur Kultur der Digitalität genauso theoretisch-konzeptionelle Arbeiten aus dem kultur- und literaturwissenschaftlichen Bereich von Belang, die eine weitere Perspektive auf die Beziehung der digitalen Realität zu zentralen Bereichen der Fremdsprachendidaktik aufzeigen können: Sprache, Kultur und Kommunikation. Wenn die Digitalität „unsere Vorstellung von Sprachlichkeit fundamental transformieren wird“ (Fandrych, 2019, S. 66), scheint die schier endlose Zahl an Fragen, die sich für den Bereich der Fremdsprachendidaktik ergeben, nicht überraschend. Vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass die vorliegende Studie bei allen Bemühungen nur einen spezifischen Beitrag zur Auseinandersetzung mit Digitalität in Englischunterricht und Lehrkräftebil‐ dung leisten kann. Doch mindestens ein zentraler Aspekt kann auch für alle weiteren Auseinandersetzungen mit dem Thema Relevanz beanspruchen: Digitalität ist eine beste‐ hende Rahmenbedingung, die mit allen konstitutiven Feldern der Fremdsprachendidaktik wechselwirkt. Digitalität lässt sich damit genauso wenig von dem Bereich trennen wie Oralität und Literalität. Das ist mit Blick auf die zahlreichen hier angeschnittenen Fragen gelegentlich überwältigend. Die Bearbeitung jeder dieser Fragen beginnt aber damit, dass das Lehren und Lernen unter Bedingungen der Digitalität vorstellbar wird. 11.2 Ausblick: Ein Verständnis für die digitale Realität von (Lehrkräfte-)Bildung 275 <?page no="277"?> 12 Literaturverzeichnis 3Blue1Brown (2018, 5. Oktober). But what *is* a neural network? [Video]. YouTube. https: / / www.yo utube.com/ watch? v=aircAruvnKk&; t=1014s Abelson, Robert (1979). Differences between belief systems and knowledge systems. 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Was meint Digitalität aber genau? Und warum ist der Bereich auch jenseits technischer Fragen so zentral für Lehrkräftebildung und Unterricht? Küplüce bearbeitet diese Fragen mit einer systematischen Begriffsklärung und fachlichen Verortung von Digitalität in der Fremdsprachendidaktik. Darüber hinaus werden mit den Perspektivlinien Entgrenzung, Automatisierung und Adaptivität Beispiele gegeben, wie sich das Thema konkret auf den Unterricht auswirken kann. Schließlich analysiert die Studie das zentrale Konstrukt digitalitätsbezogener Vorstellungen empirisch und gibt Hinweise, wie diese die Interpretation und Bewertung von Digitalität beeinflussen und sogar Auswirkungen auf Motivation und Unterrichtshandeln haben könnten. ISBN 978-3-381-12921-8