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Internationale Videokonferenzen in der Lehrendenbildung

Eine multimodale Interaktionsanalyse

1125
2024
978-3-3811-3002-3
978-3-3811-3001-6
Gunter Narr Verlag 
Sabine Hoffmann
10.24053/9783381130023

Das Buch beschäftigt sich mit der Interaktion von Fremdsprachenlehrenden in internationalen Videokonferenzen, die im Rahmen einer Lehrendenbildungsmaßnahme stattgefunden haben. Mittels einer multimodalen Interaktionsanalyse werden der Aufbau und die Moderation in diesen Gesprächen, das Erteilen und Rezipieren positiven und negativen Feedbacks unter den Lehrenden und die Bedeutung beruflicher sowie nationaler Kategorien herausgearbeitet. Ziel der Veröffentlichung ist es, einen Beitrag zur empirischen Forschung in der fremdsprachlichen Lehrendenbildung zu leisten. Damit richtet sich das Buch sowohl an Wissenschaftler:innen, da es methodisch wie inhaltlich zahlreiche Anknüpfungspunkte für weitere Forschung bietet, als auch an Fortbildner:innen und Lehrende, die sich an den darin enthaltenen Erkenntnissen orientieren können.

<?page no="0"?> 25,2 ISBN 978-3-381-13001-6 Das Buch beschäftigt sich mit der Interaktion von Fremdsprachenlehrenden in internationalen Videokonferenzen, die im Rahmen einer Lehrendenbildungsmaßnahme stattgefunden haben. Mittels einer multimodalen Interaktionsanalyse werden der Aufbau und die Moderation in diesen Gesprächen, das Erteilen und Rezipieren positiven und negativen Feedbacks unter den Lehrenden und die Bedeutung beruflicher sowie nationaler Kategorien herausgearbeitet. Ziel der Veröffentlichung ist es, einen Beitrag zur empirischen Forschung in der fremdsprachlichen Lehrendenbildung zu leisten. Damit richtet sich das Buch sowohl an Wissenschaftler: innen, da es methodisch wie inhaltlich zahlreiche Anknüpfungspunkte für weitere Forschung bietet, als auch an Fortbildner: innen und Lehrende, die sich an den darin enthaltenen Erkenntnissen orientieren können. Hoffmann Internationale Videokonferenzen in der Lehrendenbildung Internationale Videokonferenzen in der Lehrendenbildung Sabine Hoffmann Eine multimodale Interaktionsanalyse <?page no="1"?> Internationale Videokonferenzen in der Lehrendenbildung <?page no="3"?> Sabine Hoffmann Internationale Videokonferenzen in der Lehrendenbildung Eine multimodale Interaktionsanalyse <?page no="4"?> Das Buch wurde durch das Programm C zur Förderung wissenschaftlicher Veröffentli‐ chungen und Übersetzungen der Università degli Studi di Palermo und des Dipartimento di Scienze Umanistiche unterstützt. DOI: https: / / doi.org/ 10.24053/ 9783381130023 © 2024 · Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5 · D-72070 Tübingen Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Überset‐ zungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Alle Informationen in diesem Buch wurden mit großer Sorgfalt erstellt. Fehler können dennoch nicht völlig ausgeschlossen werden. Weder Verlag noch Autor: innen oder Herausgeber: innen übernehmen deshalb eine Gewährleistung für die Korrektheit des Inhaltes und haften nicht für fehlerhafte Angaben und deren Folgen. Diese Publikation enthält gegebenenfalls Links zu externen Inhalten Dritter, auf die weder Verlag noch Autor: innen oder Herausgeber: innen Einfluss haben. Für die Inhalte der verlinkten Seiten sind stets die jeweiligen Anbieter oder Betreibenden der Seiten verantwortlich. Internet: www.narr.de eMail: info@narr.de Elanders Waiblingen GmbH ISBN 978-3-381-13001-6 (Print) ISBN 978-3-381-13002-3 (ePDF) ISBN 978-3-381-13003-0 (ePub) Umschlagabbildung: SDI Productions Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Natio‐ nalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http: / / dnb.dnb.de abrufbar. <?page no="5"?> 9 11 25 1 27 1.1 27 1.2 29 1.3 40 1.4 48 1.5 55 2 71 2.1 71 2.2 74 2.3 80 2.3.1 94 2.3.2 104 3 113 3.1 113 3.2 118 3.3 125 3.4 134 147 157 Inhalt Liste der Sequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Transkriptionskonventionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aufbau und Gesprächsführung in beruflichen Videokonferenzen . . . . . . Forschungsstand zu Meetings . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die technische Dimension videobasierter Interaktion . . . . . . . Aufbau und Organisation von Videokonferenzen . . . . . . . . . . Einsatz mobiler Endgeräte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Formale und informelle Elemente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kollegiales Feedback im digital gestützten Diskurs . . . . . . . . . . . . . . . . . . Definition und Forschungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Positives Feedback . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Negatives oder kritisches Feedback . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zurückweisung von kritischem Feedback . . . . . . . . . . . Reformulierung und Annahme von kritischem Feedback . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Identitätsstiftende Kategorien in der videobasierten Lehrendenbildung Kategorien in beruflichen Settings . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pre- und In-service-Lehrende im Tandem . . . . . . . . . . . . . . . . . Nationale Teams in internationalen Meetings . . . . . . . . . . . . . Übernationale Arbeitsgemeinschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schlussfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bibliographie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . <?page no="7"?> Meinem Lebensgefährten Giolo Fele <?page no="9"?> Liste der Sequenzen Sequenz 1 (27.11.2017, Min. 11: 28-11: 57) Sequenz 2 (30.01.2018, Min. 5: 32-6: 14) Sequenz 3 (31.01.2018, Min. 2: 17-3: 10) Fragment 1 Fragment 2 Sequenz 4 (31.01.2018, Min. 0: 00-0: 40) Sequenz 5 (30.01.2018, Min. 8: 19-8: 33) Sequenz 6 (31.01.2018, Min. 9: 20-9: 41) Sequenz 7 (26.03.2018, Min. 1: 13: 29-1: 13: 36) Sequenz 8 (27.03.2018, Min. 1: 07: 28-1: 07: 36) Sequenz 9 (29.01.2018, Min. 6: 10-6: 28) Sequenz 10 (31.01.2018, Min. 6: 14-6: 48) Sequenz 11 (28.11.2017, Min. 0: 01-1: 05) Fragment 1 Fragment 2 Fragment 3 Sequenz 12 (31.01.2018, Min. 8: 18-8: 59) Fragment 1 Fragment 2 Sequenz 13 (26.03.2018, Min. 12: 25-12: 40) Sequenz 14 (27.03.2018, Min. 11: 05-11: 53) Sequenz 15 (27.11.2017, Min. 57: 36-58: 33) Sequenz 16 (28.11.2017, Min. 45: 58-47: 34) Fragment 1 Fragment 2 Sequenz 17 (27.03.2018, Min. 12: 25-20: 22) Fragment 1 Fragment 2 Fragment 3 Fragment 4 Fragment 5 Sequenz 18 (28.11.2017, Min. 13: 02-14: 12) Sequenz 19 (27.11.2017, Min. 13: 42-14: 38) Sequenz 20 (31.01.2018, Min. 48: 09-50: 04) Fragment 1 Fragment 2 <?page no="10"?> Fragment 3 Sequenz 21 (30.01.2018, Min. 14: 53-17: 55) Fragment 1 Fragment 2 Fragment 3 Fragment 4 Fragment 5 Sequenz 22 (31.01.2018, Min. 12: 28-13: 36) Sequenz 23 (31.01.2018, Min. 23: 52-24: 32) Sequenz 24 (26.03.2018, Min. 8: 03-8: 43) Sequenz 25 (26.03.2018, Min. 1: 04: 01-1: 05: 45) Sequenz 26 (30.01.2018, Min. 3: 43-4: 31) Sequenz 27 (27.11.2017, Min. 43: 03-43: 25) Sequenz 28 (30.01.2018, Min. 16: 15-17: 55) Sequenz 29 (27.11.2017, Min. 45: 39-46: 48) Fragment 1 Fragment 2 Sequenz 30 (27.11.2017, Min. 7: 40-9: 41) Fragment 1 Fragment 2 Fragment 3 Fragment 4 Sequenz 31 (28.11.2017, Min. 1: 54‒2: 24) Fragment 1 Fragment 2 10 Liste der Sequenzen <?page no="11"?> 1 Davon zeugen in den letzten 2 Jahren z. B. die an der Bergischen Universität Wup‐ pertal im September 2022 durchgeführte Professionstagung „Wissen, Können, Han‐ deln für den fremdsprachlichen Unterricht“, das fast zeitgleich in der „Zeitschrift für Fremdsprachenforschung“ erschienene Themenheft „Fachdidaktisches Wissen in der Fremdsprachenlehrkräftebildung“ (2022, Bd. 33, H. 1), das im Jahr 2023 gegründete internationale Open-Access-Journal „Kontexte“ (https: / / kontexte-journal.org/ kontexte ) sowie die im Juni 2024 an der Philipps-Universität Marburg ausgerichtete Tagung „Interaktion und Kompetenzerwerb in professionellen Lerngemeinschaften in Deutsch als Fremdsprache“ (https: / / www.uni-marburg.de/ de/ fb09/ igs/ arbeitsgruppen/ dafz/ aktu elles/ nachrichten/ cfp-internationalen-tagung-zu-interaktion-und-kompetenzerwerb-in -professionellen-lerngemeinschaften-in-dafz-am-7-und-8-juni-2024 ). Einführung Dieses Buch möchte einen Beitrag zur Professionalisierung von Fremdsprachen‐ lehrenden leisten und damit dem Wunsch nach empirischer Forschung in dem Feld entgegenkommen. Der Fokus liegt dabei auf den Interaktionsprozessen in internationalen Videokonferenzen unter Lehrenden der Fremdsprache Deutsch im Rahmen einer blended durchgeführten Aus- und Weiterbildungsmaßnahme. Die Publikation fußt auf meiner langjährigen Beschäftigung mit der The‐ matik (Hoffmann 2020, 2022, 2023a/ b/ c, 2024; Hoffmann / Fele 2024; Hoff‐ mann / Kasper 2021). Die Monografie verfolgt nun das Ziel, diese verschiedenen Stränge zusammenzuführen, um darüber zu einer fächerübergreifenden Aus‐ einandersetzung mit videobasierten Aus- und Fortbildungsformaten in der Lehrendenbildung anzuregen; auch wenn die zugrunde gelegten Daten aus dem DaF-Bereich stammen und daher primär einen empirisch fundierten wis‐ senschaftlichen Beitrag zur Fortbildung von DaF-Lehrenden liefern möchten. Die Professionalisierung von Fremdsprachenlehrenden stößt seit einigen Jahren auf zunehmendes Interesse. So mehren sich Studien, Zeitschriften und Themenhefte sowie Konferenzen zur Professionalisierung von Fremdsprachen‐ lehrenden 1 und liefern einen klaren Hinweis darauf, dass sich langsam das noch bis vor Kurzem fehlende Forschungsfeld zur „Fremdsprachlichen Lehrendenbil‐ dung“ etabliert (Caspari 2016: 39; Legutke / Schart 2016a: 12). Diese Entwicklung berechtigt darüber hinaus zur Hoffnung, dass die Tendenz auch das Lehren und die Lehrenden verschiedener Fremdsprachen erfasst, denn bislang überwiegt die Forschung zu Englischlehrenden bzw. dem Unterrichtsfach Englisch als Fremd- und Zweitsprache (Caspari 2016: 42; Legutke / Schart 2016a: 10). Bei der Professionalisierung von Fremdsprachenlehrenden sind schon seit einigen Jahren verstärkt interaktionale Prozesse in den Mittelpunkt gerückt (Legutke / Schart 2016a: 28), d. h., Lernprozesse von Lehrenden werden als <?page no="12"?> ko-konstruiertes Wissen und Können konzeptualisiert. Zu ihrer Erforschung stellen qualitativ explorative Untersuchungen oder auch solche mit einem quan‐ titativen Zugang (ebd.: 13, s. auch Roters / Trautmann 2014) den vorrangigen Ansatz dar. Neben dem interactional turn kennzeichnen die aktuelle Situation in der Lehr‐ endenbildung noch zwei weitere Tendenzen oder stellen zumindest wesentliche Aspekte hierbei dar: die Internationalisierung und die Digitalisierung. Auf beide soll im Folgenden zunächst kurz eingegangen werden. Internationalisierung und Digitalisierung Die Internationalisierung der Lehrendenbildung wird als ein „Erfolgsfaktor“ im Professionalisierungsprozess angesehen (Barsch / Mahler 2015: 11). Dabei bezieht man sich vor allem auf die erste Phase der Ausbildung, wo vonseiten angehender Fremdsprachenlehrenden die Bereitschaft zum internationalen Austausch - im Unterschied zu sonstigen Lehramtsstudierenden (Baedorf 2015: 52; Engelhardt / Neubert 2015: 67) - überwiegend vorhanden ist (Gerlach / Lüke 2021: 322). Auch wenn durchaus die Weiterbildung bereits im Lehramt stehender Lehrender mit eingeschlossen wird (Baedorf 2015: 34), stehen Lehrkräften in der dritten Phase hingegen größere Hürden zur Internationalisierung im Wege, wie „strukturelle Zwänge“ und „praktische berufliche Hindernisse“, die deren Mobilität beeinträchtigen (Gerlach / Lüke 2021: 322). Neben der üblichen Unterstützung der Mobilität an den Hochschulen (ebd.: 328/ 329) durch die Erasmusprogramme erfüllen hierbei auch die durch die Europäische Kommission geförderten Projekte eine wichtige Rolle, nicht nur in der Aus-, sondern auch in der Weiterbildung von Fremdsprachenlehrkräften: Due to internationalisation, the engagement in transnational networks and the participation in third-party funded projects and initiatives is becoming steadily more important (European Commission, 2018). The German Academic Exchange Service (Deutscher Akademischer Austauschdienst [DAAD], 2019) points out that education and research are increasingly practised through the commitment to international networks. (Oesterle et al. 2020: 124) Die hier in diversen Bildungsmaßnahmen entwickelten Lernangebote wirken zwar nicht flächenübergreifend und füllen somit tendenziell eher sporadisch eine Lücke, sie leisten aber einen wichtigen Beitrag zur Internationalisierung von Fremdsprachenlehrenden und geben Impulse auf nationaler sowie lokaler Ebene. Ein Beispiel für eine solche Initiative ist die Schaffung europäischer Hochschulräume, Ziel des Erasmus+-Programms European Universities, das seit 2018 Dutzende von universitären Partnerschaften fördert und sich dabei 12 Einführung <?page no="13"?> 2 https: / / education.ec.europa.eu/ it/ education-levels/ higher-education/ european-univer sities-initiative nicht nur an Studierende, Dozent: innen, Forschende und Hochschulangestellte richtet, sondern eben auch im Schuldienst stehende Lehrkräfte in die Förderung einbindet. 2 In diesen Projekten lässt sich in den letzten Jahren, noch beschleunigt durch die Covid-Pandemie, ein Wandel in der Konzeptualisierung von Internationali‐ sierung bemerken: Während Internationalisierung noch vor ein paar Jahren mit physischer Mobilität sowohl auf der Schulebene als auch an der Universität mit dem Austausch von Lehrenden/ Dozent: innen und Schüler: innen/ Studierenden gleichgesetzt und durch entsprechende Programme gefördert wurde, ist Mobi‐ lität heute keinesfalls mehr gleichbedeutend mit einem Auslandsaufenthalt. Internationalisierung at home steht für die Erweiterung des Begriffs um die vir‐ tuelle Dimension und möchte denjenigen entgegenkommen bzw. die dazuholen, welche aus verschiedenen Gründen vor Ort bleiben müssen oder wollen. Diese Verzahnung von physischem und virtuellem Austausch liegt heute vielzähligen von der EU geförderten Projekten zugrunde, inklusive derjenigen, die der Lehr‐ endenbildung gewidmet sind bzw. diese miteinbeziehen. Durch die digitalen Kommunikationsebenen können hierbei auch vermehrt bereits im Schuldienst stehende Lehrkräfte eingebunden werden. Die Frage, wie Internationalisierung und Digitalisierung hierbei ineinandergreifen bzw. sich gegenseitig ergänzen und welche Synergieeffekte darüber (nicht nur) für die Hochschuldidaktik entstehen, stellt sicher ein neues und interessantes Forschungsfeld dar (O´Dowd 2021). Die Ausbreitung der virtuellen Dimension wird einmal durch die rasante Weiterentwicklung von digitalen Tools und der damit einhergehenden Erweite‐ rung der technischen Möglichkeiten beschleunigt; zum anderen wächst parallel zu den zunehmenden Angeboten auch generell die Bereitschaft, digitale Formate auszuprobieren und sich darauf einzulassen. Dabei ist ihr Potenzial durchaus noch nicht ausgereizt. Als Beispiel seien hierfür die MOOCs (Massive Open Online Courses) erwähnt, deren Einzug in die Universitäten vor circa 15 Jahren begann (Hochschulrektorenkonferenz 2014). Als ein schwerpunktmäßig asynchrones Aktivierungsformat videobasierter Lehre werden sie allerdings letztendlich für die curriculare Lehre sowie für die Lehrendenbildung bisher nur eingeschränkt in Betracht gezogen (O´Dowd 2021: 213), obwohl sie spe‐ ziell Seminare im Fremdsprachenbereich in vielfältiger Weise unterstützen können (z. B. Monje / Bárcena Madera 2014) und asynchrone Veranstaltungen keinesfalls auf Ablehnung bei den Studierenden stoßen (Will / Kurtz 2022: 36). Einführung 13 <?page no="14"?> 3 Dolly, Melinda A. (2011). Crossing the Intercultural Borders into 3 rd Space Culture(s): Implications for Teacher Education in the Twenty-First Century. Language and Inter‐ cultural Communication 11 (4), 319-337. Tendenziell scheinen hingegen synchrone Lehrformate, d. h. Videokonferenzen oder Webinare unter Einsatz diverser Plattformen und Videokonferenztools, größere Zustimmung und immer häufigeren Einsatz zu finden. Die Kombi‐ nation mit Präsenzveranstaltungen mutet dabei besonders vielversprechend an (O´Dowd 2021: 212; Will / Blume 2022: 99). So lässt sich in den letzten Jahren eindeutig ein Anstieg derartiger Lehr- und Lernangebote mit den sie begleitenden Erfahrungsberichten und Reflexionen zu deren Durchführung verzeichnen (z. B. Beiträge in Elsner et al. 2020; s. auch Kemmerer et al. 2021; Knaus et al. 2021; für DaF/ DaZ z. B. Ersch / Grein 2021; Reiche 2023). Sicher machen die Möglichkeiten, mehr oder weniger zeitgleich video-, audio- oder textbasiert zu chatten sowie Dokumente oder Materialien verschiedener Formate in einem geschützten Raum zu speichern und sie vor, während und nach der Lehrveranstaltung miteinander zu teilen, die videobasierte Lehre und Ausbildung zu einer mehrkanaligen und damit hochkomplexen Form digitaler Interaktion. Parallel zu dem steigenden Angebot von Online-Veranstaltungen ist, nicht zuletzt infolge der Covid-Pandemie, auch die Anzahl empirischer Studien, die sich mit der Interaktion im virtuellen Lehr- und Lernkontext beschäftigen, deutlich in die Höhe geschnellt (u. a. Feick / Rymarczyk 2022; Schwab / Hoff‐ mann 2024; Will et al. 2022). Während anfänglich hierbei die Ermittlung des Mehrwerts im Vergleich zu Präsenzveranstaltungen im Mittelpunkt stand, geht es mittlerweile zunehmend darum, die vielschichtigen Vorgänge und Interaktionsabläufe zwischen den analogen und digitalen, Face-to-Face- und Online-Ebenen zu ergründen und zu bestimmen (Balaman / Pekarek Doehler 2022). Das wachsende Interesse an dem Gegenstand lässt erwarten, dass sich auch die noch spärliche Forschung in der digitalen Lehrendenfortbildung verbessert, denn bisher mangelt es grundsätzlich an Studien, die sich mit dem virtuellen Austausch von Fremdsprachenlehrenden untereinander befassen (Benitt / Schmidt 2016: 260). So stellten Lewis und O´Dowd (2016: 48, 64) in ihrer Übersicht über Studien zur virtuellen interkulturellen Dimension beim Fremdsprachenlernen und -lehren aus den Jahren 1990 bis 2015 fest, dass sich einmal erstaunlich wenige empirische Untersuchungen mit synchroner Kommunikation befassen und dass zum anderen die Aufmerksamkeit dabei ausschließlich auf dem Lernenden liegt (ebd.: 49): In dem untersuchten Zeitraum ließ sich nur eine Veröffentlichung 3 finden, die Fremdsprachenlehrende zum Gegenstand hatte. Die verstärkte Digitalisierung von Forschung und Lehre 14 Einführung <?page no="15"?> 4 Der Sammelband enthält die Ergebnisse des Erasmus+-Projekts ConnEcTEd (Cohe‐ rence in European Teacher Education, https: / / www.face-freiburg.de/ connected/ ). 5 Für die Informationen möchte ich mich herzlich bei Sabine Jentges bedanken. in den letzten Jahren hat dann die Zahl der Untersuchungen zwar deutlich an‐ steigen lassen (die Übersicht in O’Dowd 2021 ist allerdings auf den universitären Kontext bezogen), nichtsdestoweniger bleiben dabei aber die Lehrenden immer noch deutlich unterbeleuchtet und weite Teile der Professionalisierung, speziell in DaF/ DaZ, noch unerforscht (vgl. Hoffmann 2023a). Vor allem fehlen weiterhin Studien dazu, wie die fremdsprachlichen Lehrendenbildungsprozesse ablaufen, d. h., wie Lehrende ihr Wissen und Können aufbauen, wenn sie untereinander interagieren (Wipperfürth 2015: 17, 19, 2016). Professionalisierungsphasen im europäischen Kontext Zur Vernachlässigung der dritten Phase bzw. der Weiterbildung trägt auch das Fortbestehen international uneinheitlicher Professionalisierungsphasen bei. Die großen Unterschiede bezüglich der für die Weiterbildung zuständigen Institu‐ tionen bestätigen, dass es bisher noch keine Gesamtidee in der europäischen Lehrerbildung gibt (Doetjes et al. 2024; 4 Gerlach / Steininger 2016: 198; s. auch Kricke / Kürten 2015). Dies soll am Beispiel der drei Länder exemplifiziert werden, die an dem LEELU-Projekt (s. u.) teilgenommen haben, das die Datengrundlage für die vorliegende Untersuchung lieferte: der Niederlande, Ungarns und Italiens. Dem vorangestellt sei kurz im Vergleich dazu das deutsche Dreiphasenmodell, das zunächst den Erwerb von theoriegeleiteten Kompetenzen im Rahmen einer grundständigen universitären Ausbildung zu DaF/ DaZ-Lehrenden vorsieht und dabei durch Praktika eine erste Einsicht in den Lehrberuf liefert. Dieser ersten Phase folgt eine fachdidaktische Ausbildung im Vorbereitungsdienst (ehemals Referendariat), in der die Lehramtsanwärter: innen in den Beruf eingeführt werden. Die dritte Phase der beruflichen Weiterbildung von DaF/ DaZ-Leh‐ renden übernehmen diverse Institutionen und Verbände (Roche 2010). In den Niederlanden 5 dauert ein vollständiges akademisches Bachelor- und Masterstudium der deutschen Sprache und Kultur vier Jahre. Anschließend kann eine einjährige oder zweijährige universitäre Lehrendenausbildung absol‐ viert werden, in der die Lehrberechtigung für die Sekundarstufe (I und II) erworben wird (Sars / Jentges 2018: 737/ 738; vgl. auch Jentges / Sars 2017; Tam‐ menga / Jentges 2016). Während ihrer universitären Ausbildung absolvieren die Studierenden diverse Praktika, die in unterschiedlicher Form in das Studium integriert sind, z. B. verbringen die Studierenden wöchentlich zwei Tage an der Universität und drei Tage an der Schule; oder die Praktika werden im Einführung 15 <?page no="16"?> 6 Für die Informationen möchte ich Ilona Feld-Knapp und Gabriele Perge meinen herzlichen Dank aussprechen. Block angeboten und wechseln sich im 6-bis 8-wöchigen Rhythmus mit der universitären Lehre ab. Ein Vorbereitungsdienst entfällt. Für die Fortbildung der Fremdsprachenlehrenden ist z. B. das Goethe-Institut zuständig, aber auch die Universitäten, Fachhochschulen sowie andere Organisationen bieten Veran‐ staltungen an. In Ungarn 6 besteht seit 2022 ein fünfjähriger einstufiger Studiengang für die Ausbildung von Lehrenden für die Sekundarstufe I und II. Mit dem ab‐ schließenden Staatsexamen erhalten die Studierenden die Lehrberechtigung. Während der universitären Ausbildung sind diverse Praktika vorgesehen. Fortbildungsveranstaltungen für Lehrkräfte werden von verschiedenen Institu‐ tionen organisiert; damit die Teilnahme und die dabei vergebenen Kreditpunkte anerkannt werden, müssen diese akkreditiert sein (vgl. dazu Feld-Knapp 2009, 2015; Perge 2023). Der italienische Bildungsweg für angehende DaF-Lehrende im Gymnasialbe‐ reich vollzieht sich schwerpunktmäßig im Rahmen von Masterstudiengängen im Bereich Moderne Sprachen und Literaturen sowie Sprachwissenschaft. Diese sind allerdings nicht nur auf die Ausbildung von Lehrkompetenzen ausgerichtet, sondern bereiten auch auf die Ausübung anderer Berufe vor. Schulpraktika stehen zur Wahl, sind aber nicht zwingend. Ein Vorbereitungsdienst ist nicht vorgesehen, aber ab 2024 haben zukünftige Lehrende im Anschluss an das Studium zusätzliche Kurse an der Universität zu belegen, womit sie die Lehr‐ berechtigung erhalten. Für die dritte Phase ist für DaF im Schulbereich das Goethe-Institut zuständig, während der DAAD mit diversen Förderprogrammen die berufliche Fort- und Weiterbildung von DaF-/ DaZ-Lehrenden im Hoch‐ schuldienst unterstützt. Des Weiteren organisieren Verbände wie Lend (Lingua e Nuova Didattica) oder ANILS (Associazione Nazionale Insegnanti Lingue Stra‐ niere), aber auch Lehrbuchverlage sowohl DaF-spezifische als auch sprachen‐ übergreifende Weiterbildungsveranstaltungen. Ein wesentlicher Unterschied zu den anderen erwähnten Ländern besteht in der Möglichkeit, sich an den meisten italienischen Universitäten ohne jegliche vorherige Sprachkenntnisse in den Studiengang für Fremdsprachen und Literatur einschreiben zu können, d. h., dass die Studierenden die Sprache, die sie in Zukunft unterrichten (wollen), erst während ihrer universitären Ausbildung lernen. Des Weiteren fällt im Unterschied zu anderen Modellen für die Lehrerausbildung der geringe oder mangelnde Praxisbezug auf. 16 Einführung <?page no="17"?> 7 Teils genügt das Niveau C1, z.-B. bei privaten Bildungsinstitutionen. Dieser - wenn auch nur partielle - Einblick lässt vermuten, dass in den europäischen Ländern einige Lehramtsanwärter: innen für DaF während ihres Studiums in fachspezifische und fachdidaktische Thematiken eingeführt sowie dafür sensibilisiert werden und ggf. bereits im Unterricht Erfahrungen sammeln konnten, während sich andere damit weder theoretisch auseinandergesetzt noch sie sich in der Praxis angeeignet haben, und daher mit unterrichtsinhä‐ renten Fragen erst im Beruf und in der Weiterbildung konfrontiert werden (vgl. auch in Bezug auf Japan Schart / Ohta 2018). Das zeigt sich z. B. generell an der Feedbackkompetenz. Auch wenn diese nunmehr seit Jahren länderüber‐ greifend zur Professionalisierung und Kompetenzentwicklung von Lehrenden gehört und explizit für die Fremdsprachenpädagogik sowohl in European Profile for Teacher Education: A Frame of Reference (Kelly et al. 2004) als auch in Europäisches Portfolio für Sprachlehrende in Ausbildung (Eposa) (Newby et al. 2007) Erwähnung findet, bestehen weiterhin große Unterschiede bei ihrer Implementierung und Umsetzung. Somit ist es keinesfalls in allen Ländern Europas als Normalfall vorauszusetzen, dass theoriegeleitete Kompetenzen zum Feedback im Klassenzimmer während der universitären Ausbildung zu DaF/ DaZ-Lehrenden oder im Rahmen von Zusatzqualifikationen erworben werden. Wohl noch weniger ist davon auszugehen, dass eine Reflexion dazu, wie kollegiales Feedback im Anschluss von Unterrichtsbeobachtung erteilt und rezipiert werden kann, in allen EU-Ländern während der fachdidaktischen Ausbildung (im Vorbereitungsdienst oder in Praktika) stattfindet. Auch die der Herausbildung und Schulung dieser Kompetenzen dienliche Mentor: innentätig‐ keit ist bisher weder im Schuldienst noch an den Hochschulen in allen Ländern die Regel (Gerlach / Steininger 2016: 210-212). Des Weiteren darf auch nicht übersehen werden, dass der Sprachstand der DaF-Lehrenden in den europäischen Ländern keinesfalls einheitlich ist. Mag das in der Regel geforderte Sprachniveau für Lehrende nach dem Euro‐ päischen Referenzrahmen auch bei C2 7 liegen, so gibt es in der Praxis doch erhebliche Schwankungen. All diese Unterschiede kommen in internationalen Lehrendenbildungsmaßnahmen zum Vorschein, fließen in den Diskurs unter den Lehrenden ein und bauen ihn mit auf. Einführung 17 <?page no="18"?> 8 Dieses Projekt wurde mit Unterstützung der Europäischen Kommission finanziert. Die Verantwortung für den Inhalt dieser Veröffentlichung trägt allein die Verfasserin; die Kommission haftet nicht für die weitere Verwendung der darin enthaltenen Angaben. Die Erlaubnis für die Veröffentlichung des Materials inkl. Screenshots aus den Videokonferenzen zu Forschungszwecken liegt vor. Die Namen der Lehrenden in den Transkripten wurden geändert. 9 Auf das Konzept und die theoretische Grundlage des Lehrendenbildungsmodells kann an dieser Stelle nicht näher eingegangen werden. Dafür sei auf dessen Konzeptualisie‐ rung in Dawidowicz et al. (2019) verwiesen. Das LEELU-Projekt 8 Kommen wir nun zu dem Erasmus+-Projekt LEELU (Lehrkompetenzentwick‐ lung für den extensiven Leseunterricht, 2016-2019, http: / www.leelu.eu), einem Beispiel für eine im Blended-Learning-Format konzipierte und durchgeführte internationale Lehrendenbildungsmaßnahme, die dem Grundgedanken folgte, dass die Lehrenden ihre Kompetenzen primär in kollegialer Kooperation her‐ ausbilden (Dawidowicz et al. 2019: 13). 9 Gerahmt von einer in Präsenz durchge‐ führten einwöchigen Einführungs- und einer dreitägigen Abschlussveranstal‐ tung trafen sich während des Schuljahrs 2017/ 2018 achtzehn DaF-Lehrende (jeweils drei Deutschlehrende der Sekundarstufe II und drei Lehramtsstudie‐ rende an den Standorten Utrecht, Budapest und Palermo) in unterschiedlichen Zusammensetzungen mit einer Projektmitarbeiterin zunächst an den jeweiligen Schulen (ein Lehrendentandem, bestehend aus einer erfahrenen und einer in der Ausbildung stehenden Lehrkraft) und dann vor Ort (drei Lehrendentandems) auf nationaler Ebene. Dies galt als Vorstufe für die Diskussion, die im Anschluss auf der Online-Lernplattform edubreak zusammen mit der Moderatorin (in der Mehrzahl der Fälle der Projektleiterin) und einer Projektmitarbeiterin (von den diversen Standorten) über ausgewählte Ausschnitte des eigenen Unterrichts geführt wurde (internationale Ebene: ein Lehrendentandem pro Land). Dieser dreifache Durchlauf bei der Besprechung der Videosequenzen verfolgte das Ziel des Perspektivwechsels: „Auf nationaler und internationaler Ebene werden die wichtigsten Ergebnisse dieser Lernprozesse zur Diskussion gestellt, um das jeweils zu zweit konstruierte Wissen durch die neuen Außenperspektiven zu erweitern“ (Dawidowicz et al. 2019: 33). Es handelt sich hierbei um eine phasenübergreifende Bildungsmaßnahme, in der Lehrkräfte mit Lehramtsan‐ wärter: innen zusammenarbeiten (vgl. dazu auch Dillard 2016; Will / Blume 2022) und die auf den Prinzipien eines kollaborativen und partizipativen Wissensaufbaus fußt. Trotz ihres großen Potenzials stellen derartige Projekte bisher noch eine Seltenheit in der Professionalisierung von Lehrkräften dar (Will / Blume 2022: 98/ 99). Inwieweit es sich - wie bei dem in Will und Blume (2022: 99/ 100) beschriebenen TEFLkollab-Projekt - bei LEELU auch um eine 18 Einführung <?page no="19"?> virtuelle bzw. digital gestützte community of practice handelt, soll zum Abschluss der vorliegenden Abhandlung (3.4) besprochen werden. Die dritte Ebene, also die internationalen Videokonferenzen, wurden von den Lehrendentandems dahingehend vorbereitet, dass sie die Besprechungspunkte zuvor in ein gemeinsames Arbeitsprotokoll auf der Lernplattform eintrugen und die anderen Gesprächsteilnehmenden zur Kommentierung der Videos aufforderten. Das Protokoll lag daher allen vor und strukturierte den Ablauf der Diskussionsrunde (Dawidowicz et al. 2019: 34). Die Sitzungen fanden zu einer vorher vereinbarten Zeit auf der Plattform edubreak statt und wurden von der jeweiligen Projektmitarbeiterin mit Zustimmung der Teilnehmenden aufgezeichnet. Diese Aufzeichnungen bilden die Datengrundlage der in diesem Buch analysierten Videosequenzen. Die vorliegende Untersuchung setzt nun an dem in der Evaluation hervorge‐ hobenen Bedarf an einer „vertiefenden interaktionsanalytischen Studie, die auf den Transkripten der entsprechenden Videokonferenzen beruht“ (Dawidowicz et al. 2019: 42/ 43), an und gründet auf der Mikroanalyse ausgewählter Sequenzen aus den internationalen Videokonferenzen. Sie basiert auf den im Projekt erhobenen Daten, die aus acht Videokonferenzen von einer Gesamtdauer von neun Stunden und vier Minuten bestehen, die von November 2017 bis März 2018 aufgezeichnet wurden; die vorliegende Untersuchung war aber nicht Teil des LEELU-Projekts. In Bezug auf das Datenmaterial sei angemerkt, dass nicht davon auszugehen ist, dass alle Teilnehmenden den gleichen Bildschirminhalt vor sich hatten. Für alle galt: Die Mitte des Bildschirms war durch die Videosequenzen, die Tagesordnung oder andere Dokumente ausgefüllt, während die Gesichter und Oberkörper der Teilnehmenden je nach Einstellung in unterschiedlicher Größe in einer Leiste am rechten Bildschirmrand oder am oberen Rand erschienen. Der methodische Zugriff Dieses Buch möchte dazu beitragen, die aufgezeigten Forschungslücken in der Lehrendenbildung langsam zu füllen, indem es Videokonferenzen im Rahmen einer Professionalisierungsmaßnahme von Fremdsprachenlehrenden als eine besondere Form beruflicher Zusammenkünfte untersucht. Diese finden in einem bestimmten, in dem Projekt vorgesehenen Zeitraum statt und sind dadurch gekennzeichnet, dass es sich um Besprechungen unter Personen mit dem gleichen Beruf, nämlich Lehrkräften von Deutsch als Fremdsprache, in Anwesenheit einer Moderatorin und einer Projektmitarbeiterin, handelt. Sie zielen auf die Professionalisierung der in der Aus- und Weiterbildung stehenden Lehrenden in drei unterschiedlichen Ländern. Dabei sollen die hier hervortre‐ Einführung 19 <?page no="20"?> 10 Der Begriff „Meeting“ bezeichnet hier wie bei Meier / Schwab (2024) ein Treffen mit Austausch auf beruflicher bzw. akademischer Ebene. tenden Gesprächspraktiken offengelegt werden, um darüber Merkmale der dort stattfindenden virtuellen Interaktion abzuleiten. Der Forschungsgegenstand positioniert sich damit nicht in der Unterrichtsforschung, da er sich nicht mit dem Lehrenden-Lernenden-Diskurs befasst, sondern siedelt sich im Schnitt‐ punkt zwischen Professionsforschung und der Angewandten Interaktionalen Linguistik (Imo / Lanwer 2019: 295-300) an, wobei sich die untersuchten virtuellen Meetings 10 der Lehrkräfte dem breit gefächerten Forschungsspektrum „Talk at Work“ zuordnen lassen (Arminen 2005; Arminen et al. 2016: 2/ 3). Den Gegenstand dieser Studien bildet schwerpunktmäßig die institutionelle Interaktion, wie sie von Drew und Heritage (1992: 22) definiert wurde und seither die Grundlage für die Erforschung beruflicher Gespräche liefert: 1 Institutional interaction involves an orientation by at least one of the participants to some core goal, task or identity (or set of them) conventionally associated with the institution in question. In short, institutional talk is normally informed by goal orientations of a relatively restricted conventional form. 2 Institutional interaction may often involve special and particular constraints on what one or both of the participants will treat as allowable contributions to the business at hand. 3 Institutional talk may be associated with inferential frameworks and procedures that are particular to specific institutional contexts. Bei derartigen Zusammenkünften wird tendenziell davon ausgegangen, dass sie asymmetrisch angelegt sind. Dies erweist sich allerdings auf der Gesprächs‐ ebene als deutlich vielschichtiger. Hier können sich die Teilnehmenden je nach Situation und Gegenstand im Wechsel sowohl asymmetrisch als auch symme‐ trisch zueinander positionieren, z. B. in Bezug auf deren Wissensstand oder Expertise (ebd.: 47-53). Institutionelle Gespräche weisen formale Aspekte (ebd.: 25-33) auf, wie das Vorhandensein einer Tagesordnung, bestimmte Praktiken bei der Eröffnung sowie Beendigung der Sitzungen, die Anwesenheit eines/ einer Moderator: in, einen vorgegebenen Zeitrahmen und Ort der Besprechung sowie die Aufgabenorientierung (ebd.: 40, 43). Des Weiteren sind sie durch einen vorsichtigen Umgang miteinander gekennzeichnet (ebd.: 45-47), der sowohl in den verbalen als auch in den verkörperlichten Handlungen sowie in der Abfolge, dem Wechsel der Redebeiträge und in der Organisation der Gespräche hervortritt (ebd.: 28/ 29). 20 Einführung <?page no="21"?> Vor diesem forschungstheoretischen und -methodischen Hintergrund entwi‐ ckelte sich das Forschungsgebiet der „Workplace Studies“ (Luff et al. 2010; vgl. dazu Imo / Lanwer 2019: 295/ 296), das Knoblauch und Heath (1999: 164) wie folgt umreißen: Die Workplace Studies können grob als ethnographische, naturalistische Untersu‐ chungen von Arbeitsvorgängen bezeichnet werden, die sich von der analytischen Orientierung der Ethnomethodologie, der Konversationsanalyse und der „socially distributed cognition“ (Engeström und Middleton 1997) leiten lassen. Schon von Beginn an spielte die technische Komponente bei den konkreten Arbeitsvorgängen eine herausragende Rolle. Diese wird bei den Workplace Studies in Verbindung zum sozialen Handeln gesehen, d. h., der Fokus liegt darauf, wie Menschen bei der Arbeit beim Einsatz neuer Technologien mitein‐ ander interagieren. Die erste Studie, die diesen Bezugsrahmen auf Meetings anwendete, ist die von Boden (1994), womit sich dieses neue Forschungsfeld eröffnete (Oittinnen 2020: 34). Die Arbeiten, die sich virtuellen beruflichen Besprechungen widmen, verorten sich in diesem breit gefächerten Forschungs‐ kontext und spiegeln dabei die schon von Meier (2000: 197) hervorgehobene Interdisziplinarität des Gegenstandes wider. Der methodische Zugang erfolgt dabei in Anlehnung an die ethnomethodo‐ logische (multimodale) Konversationsanalyse, ein mikroanalytisches Vorgehen, dessen Anwendungsschwerpunkt im Bereich der institutionellen Kommunika‐ tion liegt. Dieser Zugriff auf authentische Sprache wurde zur Erforschung mündlicher Kommunikation in den 1960er Jahren von Harvey Sacks, Emanuel Schegloff und Gail Jefferson (Sacks et al. 1974) entwickelt und zielt darauf, die Regelmäßigkeit bzw. die Systemhaftigkeit von Gesprächen sowohl im Alltag als auch im institutionalisierten Kontext (z. B. Klassenzimmer, Arzt-Pa‐ tient-Gespräche, Notrufzentralen usw.) offenzulegen. Letzterer weist besondere Merkmale auf: […] institutional interactions are more constrained and take place in settings with specific activity-related goals and institution-relevant identities. This involves ori‐ enting to certain institutional practices, such as those characterizing classroom or doctor-patient interaction. As proposed in the literature (Arminen 2005; see also Drew & Heritage 1992), studies on institutional interaction aim to reveal specialized uses of language and other resources, while at the same time tracking down the “fingerprint” of a given institutional practice. (Oittinen 2020: 28) Das Ziel dieses Vorgehens liegt also darin, die Kommunikationsstrukturen im lokal situierten Geschehen aufzuzeigen und darüber das zutage tretende Einführung 21 <?page no="22"?> 11 Schmitt (2015: 44/ 45) grenzt im Folgenden die multimodale Konversationsanalyse von der multimodalen Interaktionsanalyse ab, indem er hervorhebt, dass bei Ersterer die verbale Kommunikation im Mittelpunkt stehe, während die multimodale Interaktions‐ analyse keine Modalität priorisiere. In der vorliegenden Untersuchung wird der Begriff „multimodale Interaktionsanalyse“ übergreifend für beide Verfahren verwandt. Verständnis nachzuweisen, wobei Vor- oder Hintergrundinformationen zu den Kommunikationspartner: innen hierbei nur begrenzt miteinbezogen werden, da es nicht um die Herausarbeitung von individuellem Verhalten geht. Als methodischer Zugang zur videobasierten beruflichen Kommunikation wird meist die multimodale Konversationsanalyse eingesetzt, die sich als Weiterent‐ wicklung der Konversationsanalyse versteht und sich speziell zur Erfassung von videobasierter Kommunikation eignet (u.-a. Deppermann 2018; Mondada 2014, 2016; Schmitt 2005). Dieser Zugriff auf Gespräche definiert Interaktion als das Zusammenspiel diverser Modalitäten und betont damit die Ganzheitlichkeit des Kommunikationsprozesses: Multimodale Kommunikation bezeichnet eine Konzeption, die Kommunikation als einen ganzheitlichen und letztendlich von der Körperlichkeit der Beteiligten nicht zu trennenden Prozess begreift. Ganzheitlich ist der Prozess insofern, als er immer aus dem gleichzeitigen Zusammenspiel mehrerer Modalitäten besteht, die jeweils spezi‐ fische Möglichkeiten zur Verfügung stellen, sich in kommunikationsrelevanter Weise auszudrücken, Handlungsziele zu erreichen und soziale Bedeutung zu konstituieren. Zu diesen Modalitäten zählen beispielsweise: Verbalität, Prosodie, Blickverhalten, Mimik, Gestik, Körperpositur, Körperkonstellation und Körperbewegung. (Schmitt 2005: 19) 11 Dabei wird das der Konversationsanalyse zugrunde liegende Prinzip der Se‐ quenzialität beibehalten, aber um die zusätzliche Simultaneität von Handlungen erweitert (Deppermann / Streeck 2018). Videokonferenzen bauen sich danach im Zusammenspiel von verbalen und verkörperlichten Modalitäten auf (Asmuß 2015), wobei der Fokus auf unterschiedlichen Aspekten liegen kann (s. 1.1). Die Konversationsanalyse stellt den vorherrschenden Zugang in der anglo‐ amerikanischen Unterrichtsforschung bzw. in Bezug auf das Fach Englisch dar (u. a. Kunitz et al. 2021; Schwab 2009; Walsh 2013; Übersicht über diskursanalytische Auswertungsmethoden für die Unterrichtsinteraktion s. Schwab / Schramm 2016), fasst aber in den letzten Jahren auch im deutschspra‐ chigen Kontext in DaF/ DaZ langsam Fuß (u. a. Huth 2023; Schwarze et al. 2014; Skintey 2022; Spiegel 2006). Aktuell findet der Ansatz ebenso im Rahmen der Lehrendenbildung in Deutschland explizit Beachtung (z. B. Glaser et al. 2019; Kupetz 2018; Liebscher / Marsh 2019): 22 Einführung <?page no="23"?> In the framework of recent projects on the improvement of teacher education in Germany (e.g. in the context of the Qualitätsoffensive Lehrerbildung launched by the Federal Ministry of Education and Research), the potential of conversation analytic work for the training of prospective teachers has been increasingly highlighted. For instance, Sacher (2018; forthcoming) points out how CA findings and CA-oriented ways of working with videos and transcripts of classroom interaction can be employed in raising teachers’ awareness of the characteristic features of classroom interaction, be it in terms of sequential structure, of participant roles, or of language-in-interaction etc. (Glaser et al. 2019: 3) Studien, die dieses mikroanalytische Verfahren im Rahmen von Fortbildungs‐ veranstaltungen auf den Lehrenden-Lehrenden-Diskurs anwenden, sind mir al‐ lerdings nicht bekannt. Eine Ausnahme bilden lediglich die Gespräche zwischen Mentor: innen und mentees im Englischen, auf die im Kapitel zum Feedback eingegangen wird (2.1). In diesem Sinne hat die vorliegende Untersuchung explorativen Charakter. Es soll an dieser Stelle noch hinzugefügt werden, dass - auch wenn das methodische Vorgehen aufgrund der gewählten Perspektive dem Gegenstand angemessen ist - es keinesfalls den einzigen Zugang zum interaktiven Geschehen in Meetings darstellt: „CA provides, of course, only one avenue for the exploration of how individuals manage themselves in meetings“ (Raclaw / Ford 2015: 270). Zum Abschluss sollen die drei Kapitel des vorliegenden Buches kurz vorge‐ stellt werden. Das erste Kapitel zu „Aufbau und Gesprächsführung in berufli‐ chen Videokonferenzen“ zielt darauf, empirisch zu untersuchen, ob und wie sich die Merkmale institutioneller (virtueller) Interaktion in der LEELU-Bildungs‐ maßnahme nachweisen lassen. Dazu werden nach einer Übersicht über den Forschungsstand zu Meetings und den zentralen Fragestellungen sowie der Ein‐ bettung des Gegenstands als eine besondere Form professioneller Begegnungen (1.1) anhand ausgewählter Sequenzen aus dem LEELU-Korpus zunächst die technische Dimension dieser Zusammenkünfte (1.2) und danach deren Aufbau und Organisation untersucht (1.3). Anschließend folgt die für diese Treffen typische Nutzung anderer mobiler Endgeräte (1.4). Der letzte Abschnitt befasst sich mit dem Vorkommen formaler und informeller Elemente (1.5). Im zweiten Kapitel steht das „Kollegiale Feedback im digital gestützten Diskurs“ im Mittelpunkt und wie dieses in den LEELU-Sitzungen ausgehandelt wird. Der Begriff wird zunächst im Rahmen der Forschung zur Lehrendenbil‐ dung definiert und als Gegenstand eingeordnet, dem folgt dessen Konzeptua‐ lisierung im LEELU-Projekt (2.1). Vor dem Hintergrund konversationsanalyti‐ scher Studien zu Feedback und assessment erfolgt dann die Analyse positiver (2.2) sowie negativer oder kritischer Rückmeldungen (2.3) mit speziellem Au‐ Einführung 23 <?page no="24"?> genmerk darauf, wie Kritik zurückgewiesen (2.3.1) oder nach Reformulierung angenommen wird (2.3.2). Das dritte Kapitel „Identitätsstiftende Kategorien in der videobasierten Lehr‐ endenbildung“ beschäftigt sich damit, wie und welche Kategorien in den im Rahmen der internationalen Bildungsmaßnahme LEELU stattgefundenen Videokonferenzen hervortreten. Dabei wird zunächst in die Forschung zu Kategorien in beruflichen Settings eingeführt (3.1). Vor diesem Hintergrund erfolgt anschließend die Herausarbeitung von Unterscheidungsmerkmalen zwischen Pre- und In-service-Lehrenden, womit der Fokus auf den lokalen LEELU-Tandems liegt (3.2). Im nächsten Schritt geht es dagegen darum, wie diese (nationalen) Teams in den internationalen Meetings sichtbar werden. Hierbei liegt der Fokus auf den Toponymen, d. h., welche Funktion sie bei deren Herausbildung erfüllen (3.3). Im letzten Unterkapitel richtet sich der Blick schließlich darauf, wie in transnationalen und zeitlich befristeten communities Normen und Verhaltensweisen (neu) ausgehandelt werden (3.4). Die Schlussfol‐ gerungen bringen die Ergebnisse der einzelnen Kapitel zusammen und heben die Merkmale derartiger Bildungsmaßnahmen hervor, mit dem Ziel, Einblick und bessere Kenntnis von dieser besonderen Form virtueller Interaktion in beruflichen Settings zu gewinnen und darüber hinaus dazu beizutragen, dass deren Durchführung zum größtmöglichen Erfolg führt. Die Aufbereitung der Redebeiträge erfolgte in Anlehnung an die Basisversion von GAT 2 (Selting et al. 2009), für andere multimodale Praktiken wurde Mondada (2022) verwendet. In den hier folgenden Transkriptionskonventionen befinden sich die Erklärungen der Abkürzungen und Sonderzeichen. Palermo, im August 2024 24 Einführung <?page no="25"?> Transkriptionskonventionen In Anlehnung an die multimodalen Transkriptionskonventionen von Mondada (2022) werden folgende Sonderzeichen benutzt: Das Teilnehmendensigle in Großbuch‐ staben steht vor der verbalen Handlung. Die Kleinbuchstaben indizieren eine ver‐ körperlichte Handlung. Agnese (AGN/ agn), Christine (CHR/ chr), Doris (DOR/ dor), Erika (ERI/ eri), Gisela (GIS/ gis), Hannelore (HAN/ han), Ilse (ILS/ ils), Jakob ( JAK/ jak), Jessica ( JES/ jes), Katrin (KAT/ kat), Lena (LEN/ len), Mareike (MAR/ mar), Markus (MAK/ mak), Melissa (MEL/ mel), Projektmitarbeiterin (MIT/ mit), wenn namentlich im Diskurs erwähnt: Mira, Moderatorin (MOD/ mod), Ornella (ORN/ orn), Renate (REN/ ren), Silke (SIL/ sil), Stella (STE/ ste). Die Sonderzeichen indizieren den Anfang und das Ende von den in den Trans‐ kripten vorkommenden verkörperlichten Handlungen, wie Blickrichtung und -bewegung sowie Gestik und Körperbewe‐ gung. Von Katrin, Markus, Melissa und Ornella wurden keine verkörperlichten Hand‐ lungen in den Transkripten vermerkt. - agn © © chr ε ε dor & & eri ⸾ ⸾ gis ƒ ƒ han ƍ ƍ ils ^ ^ jak ˅ ˅ jes ꬹ ꬹ len ¿ ¿ mar ® ® mit * * mod + + ren §§ sil ~ ~ ste % % Handlung zieht sich über mehrere Zeilen hin. ----> Ende der Handlung ---->+ <?page no="26"?> Handung geht über die Sequenz hinaus weiter. ---->> Beginn der Handlung vor dem Beginn der Sequenz >> Vorher begonnene verkörperlichte Hand‐ lung geht weiter, eine andere kommt hinzu (hier z.-B. Lachen) ---->lacht----> 26 Transkriptionskonventionen <?page no="27"?> 1 Aufbau und Gesprächsführung in beruflichen Videokonferenzen 1.1 Forschungsstand zu Meetings Noch 2009 beklagten Asmuß und Svennevig (2009: 4/ 5), dass es einen Mangel an Untersuchungen von (beruflichen) Videokonferenzen gebe. Obwohl sicher noch weiterhin Forschungsbedarf besteht (Oittinen 2020: 17), hat sich die Situation angesichts der wachsenden Anzahl an Studien zu dem Thema deut‐ lich verbessert. Neben den bereits in der Einführung erwähnten Workplace Studies sind hier Beiträge aus der Unternehmenskommunikation im Rahmen der Angewandten Linguistik, der Diskurspsychologie und den Kommunikati‐ onswissenschaften zu nennen (für einen Überblick s. Asmuß / Svennevig 2009: 3-5). Alle genannten Wissenschaftsdisziplinen bereichern und konstituieren das mittlerweile breit aufgestellte Forschungsfeld zu „Meeting Science“ (vgl. Allen et al. 2015; Cooren 2007), vor dessen Hintergrund heute berufliche Videokonferenzen erforscht werden. Ein Großteil der mikroanalytischen Untersuchungen zu dem Thema stützt sich auf die Konversationsanalyse (u. a. Due / Licoppe 2020; Mlynař et al. 2018; Raclaw / Ford 2015; Svennevig 2012a) und greift auf die zahlreichen Studien zur Interaktion bei Face-to-Face-Meetings im Bereich der institutio‐ nellen Interaktion zurück. Zunehmend wird dabei eine multimodale Perspektive eingenommen (s. u. a. Asmuß 2015; Deppermann 2018; Due / Licoppe 2020; Mondada / Schmitt 2010a/ b), bei der auf der Diskursebene das Zusammenspiel verschiedener verbaler, verkörperlichter oder körpergebundener, materieller und technologischer Ressourcen und Praktiken analysiert wird. Dabei stehen vielfältige Aspekte im Mittelpunkt. Der Fokus kann auf dem organisatorischen Aufbau (u. a. Markaki / Mondada 2012; Mondada 2010) oder den Übergängen zwischen den verschiedenen Phasen dieser Zusammenkünfte (Bruxelles et al. 2009; Gonzalez-Martinez / Giglio 2020; Mehus 2005; Mondada 2006) liegen. Gut erforscht sind die Moderation, die Leitung von Besprechungen (u. a. Pomerantz / Denvir 2007; Schmitt 2006) oder die diversen Arten von Gesprächs‐ führung (Asmuß 2007; Svennevig 2008) bzw. die unterschiedlichen Stile im Management (Schmitt 2006). Ein zentrales Thema der Konversationsanalyse stellt übergreifend die Aushandlung von Konsens und Dissens dar (in Bezug auf Meetings z. B. Asmuß 2002; Oittinen 2018). Des Weiteren hat sich als ein wichtiges Feld die Erforschung von „Communities“ (Kangasharju 1996, 2002; Kangasharju / Nikko 2009) herausgebildet, die z. T. an die Identitätsforschung <?page no="28"?> 12 Weitere Thematiken und Aspekte werden u. a. von Deppermann et al. (2010: 1702) und von Nielsen (2013: 35) im Überblick zusammengefasst. (u. a. Antaki 2013; Antaki / Widdicom 1998) anknüpft. 12 Zusätzlich gewinnt in der Forschung zur videobasierten Kommunikation an Relevanz, wie Com‐ puter, Smartphones, Tablets usw. die Interaktion mit aufbauen bzw. in deren Analyse einbezogen werden (vgl. u. a. Day / Wagner 2019; Hazel / Mortensen 2014). So wird z. B. die zentrale Bedeutung des Aufnahmegeräts bzw. seiner Handhabung in der Studie von Licoppe (2015, 2021) deutlich. Hierbei werden Gerichtsverhandlungen untersucht, an denen die Angeklagten nicht persönlich, sondern online teilnehmen. Der Schwerpunkt liegt dabei auf der Rolle der Kameraführung, in dem Sinne, wie diese das interaktive Geschehen beeinflusst. Die Studie zeigt, wie das Ausblenden und Einschalten der Videokamera das Geschehen ko-konstruiert oder wie und in welchem Umfang bestimmte Per‐ sonen von der Kamera erfasst werden. Zum anderen sind Studien zu nennen, die den veränderten Einsatz der verbalen sowie semiotischen Ressourcen fokussieren. Zum Beispiel beschreiben Due et al. (2019) die Schwierigkeiten in videovermittelten Beratungsstellen in einer dänischen Behörde. Die dort arbeitenden Angestellten geben Anweisungen, wie nicht Dänisch sprechende Antragstellende einen Drucker zu benutzen haben. Dieser befindet sich in dem Zimmer, wo diese über Video mit den Angestellten kommunizieren. Aufgrund der nicht vorhandenen gemeinsamen Sprache sowie der Möglich‐ keit, durch Zeigen Handlungsanweisungen zu geben (Due et al. 2019: 24), machen die Angestellten einzelne Handlungsschritte vor dem Bildschirm vor, die dann von der anderen Person nachgeahmt werden. Die Untersuchung zeigt die Herausforderungen videobasierter Kommunikation, die einen hohen Interaktionsaufwand erforderlich macht, um eine Tätigkeit auszuführen. Ein weiteres Beispiel liefert Nielsens Studie (2019), die verschiedene Strategien in der Telemedizin beleuchtet. Hier wird durch die verstärkte Verbalisierung der fehlende übereinstimmende visuelle Zugang kompensiert, indem dem anderen nicht sichtbare Handlungen oder Gegenstände beschrieben werden. Das dient darüber hinaus dazu, einen gemeinsamen Aufmerksamkeitsfokus zu schaffen oder wiederherzustellen, um darüber ein effizientes und kollaboratives Arbeiten in professionellen Videomeetings zu gewährleisten (Nielsen 2019: 210-211). Neben der verstärkten Verbalisierung lässt sich in der videobasierten Interaktion auch eine höhere bzw. im Vergleich zu Face-to-Face-Besprechungen andere Gewichtung der prosodischen Elemente und Stimmmodifikationen aufzeigen, wie z. B. lauten Lachens (Oittinen 2022; nicht auf Videokonferenzen bezogen, aber zur Erforschung des Phänomens relevant: Kangasharju / Nikko 2009; 28 1 Aufbau und Gesprächsführung in beruflichen Videokonferenzen <?page no="29"?> Markaki et al. 2010; Vöge 2008, 2010; Watson / Drew 2017), sowie Schweigen als ausbleibende Antwort häufig nicht mehr als Störfaktor empfunden wird, sondern als gängige Form von Rückmeldung: „[…] not holding the distant participants accountable for the lack of verbal contribution to the closing indicates that silence is treated as acceptable and even a kind of a default display“ (Oittinen 2020: 95). Besondere Beachtung erfährt auch die Hinzunahme mobiler Endgeräte in Videokonferenzen. So zeigt u. a. die Studie von Wasson (2006), wie ihr Einsatz zwei parallele Handlungen im virtuellen Interaktionsraum schafft und wie die Verbindung beider von den Teilnehmenden ausgehandelt wird (s. ausführlich in 1.4). Aus den hier nur beispielsweise aufgeführten Forschungsergebnissen lassen sich vier übergreifende Merkmale für die videobasierte Interaktion in profes‐ sionellen Meetings ableiten: 1. die herausragende Rolle der Technik und damit auch die Wichtigkeit der dafür zuständigen Personen; 2. die veränderte oder reduzierte Rolle der semiotischen Ressourcen; 3. die verstärkte (oder veränderte) Funktion der verbalen Aussage sowie prosodischer Elemente; 4. die Integration mobiler Endgeräte oder anderer Kommunikationskanäle. In den folgenden Abschnitten geht es nun darum zu sehen, in welcher Form diese Elemente in der fremdsprachlichen Bildungsmaßnahme erscheinen. 1.2 Die technische Dimension videobasierter Interaktion Videokonferenzen stellen einen entscheidend durch die Technik geprägten Handlungskontext dar, was einen wesentlichen Unterschied zu in Präsenz stattfindenden beruflichen Besprechungen ausmacht. Die Technik sowie ihre Handhabung fungieren dabei als eine „Ressource und Beschränkung zugleich, die die Teilnehmenden selbst in die sequenzielle Organisation ihrer Aktivitäten einbeziehen“ (Mondada 2010: 282). Dem/ der Moderator: in fällt dabei (meist) die Aufgabe zu, technische Schwierigkeiten auszuloten, die z. B. durch instabile Internetverbindung oder mangelnde Routine im Umgang mit der Technik aufkommen, und mögliche Lösungsversuche anzudenken. Vor allem hat sie oder er den damit einhergehenden schwankenden und schwindenden gemeinsamen Aufmerksamkeitsfokus im Gespräch immer wieder neu herzustellen. Die Mode‐ rator: innen führen so in gewissem Sinn die Regie in dem von Licoppe definierten „dance of communication“ (2017: 385), der die videobasierte Kommunikation 1.2 Die technische Dimension videobasierter Interaktion 29 <?page no="30"?> kennzeichnet. Diese Regieführung wird ihnen einerseits im Vorfeld implizit oder explizit aufgrund der Rollenzuschreibung im Team zugewiesen, aber sie zeigt und etabliert sich auch situativ im Gespräch, ist Ausdruck eines Aushandlungsprozesses, an dem sich alle Teilnehmenden beteiligen: The role of the chairperson is institutionally recognizable in terms of the rights and responsibilities afforded to the person who is an incumbent in this role. All participants in such meeting, including the participant who occupies the role of the chairperson, bring to the meeting certain culturally and organizationally informed understandings about the kinds of activities that are anticipated from the chairperson and the kinds of activities to which the chairperson may be uniquely entitled. These understandings may not match perfectly among all participants and may, in fact, be negotiated throughout the meeting. Still, the expectation for participants is that a certain set of communicative activities will be communally understood as associated primarily with the role of chairperson. (Pomerantz / Denvir 2007: 31) Die Vorfassungen der Konzeptualisierung der LEELU-Bildungsmaßnahme ent‐ halten keine Anleitung, die die Rolle der Moderatorin beschreibt. In den Refle‐ xionen nach Abschluss des Projekts wurde dagegen ein Abschnitt „Moderati‐ onsleitfaden - Gespräche über eigene Unterrichtsvideos anleiten“ eingefügt, wo die Aufgaben: 1) organisatorische Verantwortung, 2) ggf. Information und 3) ggf. Unterstützung bei der Unterrichtsanalyse und Ko-Konstruktion (Dawidowicz et al. 2019: 33/ 34) benannt werden. Die Rolle oder die Handhabung der Technik findet keine Erwähnung. Im Folgenden sollen nun vier Sequenzen analysiert werden, die aufzeigen, wie der Umgang mit der Technik sowohl die Rolle der Moderatorin als auch die Beziehung zu ihrer Mitarbeiterin und deren Aufgaben prägen und darüber ein wesentliches Element beim Aufbau des Diskurses darstellen. Die erste Se‐ quenz stammt aus der eigentlichen Besprechung (also nicht der Anfangsphase) der ersten Sitzung der Bildungsmaßnahme. Die Moderatorin hat zuvor die Tagesordnung vorgestellt sowie das Vorgehen, wie mit den Videos umzugehen ist, dargelegt. Anschließend hat sie die beiden Lehrenden, die für das erste zu besprechende Video verantwortlich sind, gebeten, in ihren Videoausschnitt einzuführen und daran anknüpfend der Gruppe ihre Frage zu stellen bzw. diese in Erinnerung zu rufen. Es geht dabei um die Auslegung der Rollen der beiden Lehrkräfte beim extensiven Lesen. In der Mitte des Bildschirms ist das Protokoll zu sehen und rechts daneben die Köpfe von drei Lehrenden sowie der Moderatorin und der Projektmitarbeiterin. Die sprechende Lehrende Katrin ist nicht zu sehen. 30 1 Aufbau und Gesprächsführung in beruflichen Videokonferenzen <?page no="31"?> Sequenz 1 (27.11.2017, Min. 11: 28-11: 57) 01 KAT ((…)) also ergänzt ihr einander- 02 - in der stunde? 03 - oder ist das ganze ja äh- 04 - geTRENNT voneinander, 05 - wer unterrichtet- 06 - und wer +beobachtet? - mod +nickt, guckt dann nach unten----> 07 - oder (.) wer wie sieht es bei euch aus. 08 MOD ähä. (--) 09 - (1.0) 10 ja (-) bitte- 11 - +ergreift doch einfach das wort.+ - - ->+schaut auf den Bildschirm + 12 - ihr könnt natürlich auch per- 13 - +handzeichen +zeigen, - - +hebt Hand, bewegt sie nach vorne+ 14 - dass ihr was sagen wollt. 15 - #+^ist nicht so einfach- - - +lächelt----> - ils ^lächelt----> - Abb. #1 - - Abb. 1 16 - bei den videokonferenzen. 1.2 Die technische Dimension videobasierter Interaktion 31 <?page no="32"?> 17 aber ich denke- (.) 18 - wer was antworten möchte,+^ - - ---->+ - ils ---->^ 19 - meldet sich einfach. 20 - +(3.0) + - mod +guckt runter+ - - (man hört das Anschalten eines Mikrofons) 21 STE +äh: bei uns ist es so,((…)) - mod +blickt hoch auf den Bildschirm---->> Katrin stellt den Kolleginnen die Frage, wie sie die Rollenverteilung beim exten‐ siven Lesen handhaben (Z. 01-07); währenddessen unterstützt die Moderatorin die Lehrende durch Nicken und bekräftigt durch den nach unten gerichteten Blick, dass Katrin jetzt mit ihren Ausführungen an der Reihe ist. In dem Moment, in dem Katrin endet, folgt eine verbale Bestätigung (Z. 08) und nach kurzer Pause (Z. 09) ein Einschub seitens der Moderatorin, wie sie mit der Verteilung des Rederechts in der Sitzung umgehen möchte (Z. 10-14): Mit dem durch „bitte“ gedämpften, aber durch „doch“ wiederum verschärften Imperativ (zu Modalpartikeln in Imperativen vgl. Sorjonen et al. 2017) „ja (-) bitte ergreift doch einfach das wort.“ (Z. 10, 11) erteilt sie der Gruppe eine klare Anweisung, wie diese sich das Wort nehmen soll; räumt dann aber ein, dass alternativ auch das Handzeichen eingesetzt werden kann, was sie gestisch darstellt (Z. 13). Sie lässt es somit offen, wie die Teilnehmenden verfahren sollen. Diese Unklarheit ist darin begründet, dass die Handhabung des Rederechts in Online-Besprechungen schwierig ist (Z. 15, 16). Mit begleitendem Lächeln bittet sie dafür um Verständnis, aber vor allem stellt sie eine gemeinsame Erfahrungsebene mit dem besagten Problem her, die von der Lehrenden Ilse durch ein Zurücklächeln bestätigt wird (Abb. 1). Dann kommt die Moderatorin nochmals auf ihr erstes Vorgehen zurück: „aber ich denke (.) wer was antworten möchte,“ (Z. 17, 18), und unterstreicht durch das Ende des Satzes: „meldet sich einfach.“ (Z. 19), dass es sich bei diesen Videokonferenzen um informelle Besprechungen handelt, bei denen sich jede/ jeder individuell spontan zu Wort melden kann. Nach einer etwas längeren Pause (Z. 20), in der der nach unten gerichtete Blick das Signal für den möglichen Sprecher: innenwechsel (transition relevant place, TRP) signalisiert und deren Länge wohl durch das Anschalten des Mikrofons der Lehrenden Stella bedingt ist, setzt diese zur Antwort auf die Frage der Kollegin Katrin an (Z. 21). Sie zeigt 32 1 Aufbau und Gesprächsführung in beruflichen Videokonferenzen <?page no="33"?> dadurch, dass sie den Vorschlag der Moderatorin, sich spontan in das Gespräch (ohne Handzeichen) einzubringen, für sich übernimmt. In dieser Sequenz teilt die Moderatorin der Gruppe mit, wie sie in Bezug auf die Gesprächsorganisation beabsichtigt vorzugehen. Mit dem Vorschlag bzw. der Vorgabe, dass sich jede/ jeder spontan zu Wort meldet, wird ein informeller Stil gewählt, der sich an kopräsenten Gesprächen orientiert, und durch die direkte Reaktion darauf (und den fehlenden Einspruch) akzeptiert. Die Wahl der Gesprächsführung wird nicht zur Diskussion gestellt, wie z. B. bei Garcia (2024: 8), sondern den Teilnehmenden als schon zuvor getroffene Entscheidung mitgeteilt. Es wird aber eingeräumt, dass das Zeigen der Rede‐ absicht in Videokonferenzen nicht immer so klar ist und es daher noch die Option des Handzeichens gebe. Die Rolle, die die Moderatorin dabei einnimmt bzw. für sich im Auge hat, ist die des Unterstützens von Lernprozessen bei den Lehrenden, des „facilitator“: The transformative approach to conflict resolution emphasizes participant autonomy and sees the role of the facilitator as supporting participants in a conversation with each other rather than leading, directing, or controlling the interaction or its outcomes. TD/ M facilitators support participants’ empowerment, self awareness and recognition of the perspectives of others through the use of facilitation techniques such as reflection, summary, and checking in (see Bush and Folger 2005; 2012; Bush and Pope 2002). (Garcia 2024: 8) Es wird aber auch gleich miteinbezogen, dass diese ihre Rolle technikbedingte Änderungen erfahren kann, die nicht vorhersehbar sind und mit denen in den jeweiligen Situationen umgegangen werden muss. Das heißt, dass ggf. von dem ursprünglichen Verfahren und damit auch von dem angedachten Moderationsstil abgewichen werden kann. Das wird in der folgenden Sequenz deutlich. Die zweite Sequenz stammt aus der Eröffnungsphase (s. 1.3) des zweiten Mee‐ tings der zweiten Gesprächsrunde. Die Teilnehmenden sind nach und nach in den Raum getreten und die Qualität von Ton und Bild wird geprüft. Die Lehrende Erika fehlt noch, wobei ihre Tandempartnerin sagt, dass sie so bald wie möglich kommen wird. Die Moderatorin beschließt, dass sie noch auf Erika warten. Zwischenzeitlich stellt sie sicher, dass alle das Gleiche auf dem Bildschirm sehen, was ja grundsätzlich in Videokonferenzen nicht vorauszusetzen, sondern jeweils auszuhandeln ist (Heath / Luff 1992). In der Mitte des Bildschirms ist eine Bibliothek mit lesenden Schüler: innen zu sehen und darüber von links nach rechts die Köpfe der Projektmitarbeiterin (Mira), der Moderatorin und vier Lehrender. 1.2 Die technische Dimension videobasierter Interaktion 33 <?page no="34"?> Sequenz 2 (30.01.2018, Min. 5: 32-6: 14) 01 MOD ((…)) und ↑könnt ihr auch alle- 02 - den bildschirm sehen, 03 - den mira einspielt? - - (die Leiste m. d. Gesichtern der Teilnehm- - - enden verschiebt sich auf dem Bildschirm) 04 - und die kommentare? 05 STE %ähä. % - - %nickt% 06 MOD das video? 07 STE ja. 08 MOD ((…)) und ähm (1.0) ja: - (---) 09 - mira protokolliERT*so im hintergrund; (-)* - mit *lacht, n. vokalisiert * 10 - wird sich wahrscheinlich- (--) 11 - gar nicht- (-) 12 - *oder wenig in die gespräche einschalten,* - mit *lacht, nicht vokalisiert * 13 - *und ich versuch äh im wesentlichen-* - mit *lächelt * 14 - eben auch einfach nur- 15 - DIE wortbeiträge zu verTEIlen. 16 - manchmal sieht man das, 17 - <<lachend> dass jemand was sagen will; > 18 - °h manchmal auch nicht; 19 - also ich versuche das.= 20 JES =gibts(unverst.) ((…)) Die Moderatorin prüft Schritt für Schritt, ob die Teilnehmenden das Gleiche sehen wie sie selbst bzw. den Bildschirm, den die Mitarbeiterin mit allen teilt, samt den Kommentaren zu den Videos (Z. 01-04) und erfährt diesbezüglich von Stella verbal als auch durch Nicken Bestätigung (Z. 05). Daraufhin setzt die Moderatorin zögernd und etwas unsicher an: „und ähm (1.0) ja: - (---)“ (Z. 08), die Tätigkeiten der Projektmitarbeiterin in dieser Sitzung zu beschreiben, wie es auf dem Bildschirm für alle sichtbar ist. Die Aufgaben, für die die Mitarbeiterin zuständig ist, spielen sich auf einer anderen Ebene der Sitzung ab: „mira protokolliERT so im hintergrund; (-)“ (Z. 09), dazu kommt die nicht aktive Teilnahme an dem Gespräch (Z. 10, 34 1 Aufbau und Gesprächsführung in beruflichen Videokonferenzen <?page no="35"?> 11). Die Projektmitarbeiterin begleitet die Beschreibung ihrer Aufgaben mit deutlich sichtbarem, aber nicht vokalisiertem Lachen oder Lächeln, was nicht nur das Gesagte bestätigt, sondern auch eine Verbundenheit zu der Moderatorin ausdrückt und auf einen gemeinsamen Wissensstand bezüglich der erwähnten Aufgaben schließen lässt. Hier zeigt sich auch ein Unterschied zu anderen Momenten der Zusammenarbeit, wo die Kenntnis der Aufgaben, speziell im Umgang mit den Videosequenzen, geringer bzw. im Vorfeld nicht vorhanden war (Hoffmann / Kasper 2021: 156, 162). Die Moderatorin geht dann zur Be‐ schreibung ihrer Rolle über. Die besteht in der Verteilung des Rederechts: „DIE wortbeiträge zu verTEIlen,“ (Z. 15), wobei sie diese Aufgabe zweimal als Versuch abschwächt: „und ich versuch äh im wesentlichen-“ (Z. 13) und in Zeile 19 „also ich versuche das.= “, sowie mit „eben auch einfach nur“ (Z. 14) als geringfügig einstuft. Die Begründung für diese Unsicherheit ist, dass ihr die Signale einer Redeabsicht seitens der Teilnehmenden nicht immer zugänglich bzw. für sie sichtbar sind (Z. 16-18). Das sagt sie lachend (Z. 17), womit sie abermals auf das gemeinsame Wissen und die Erfahrung mit Videokonferenzen referiert bzw. auf die Unzulänglich‐ keiten im Umgang damit. Indirekt könnte damit auch die Aufforderung an die Teilnehmenden verbunden sein, sich spontan selbst zu Wort zu melden oder zumindest klare Signale bezüglich ihrer Redeintention zu geben. Der Bezug auf das mögliche Handzeichen entfällt diesmal. In den beiden Sequenzen etabliert sich die Projektleiterin als Moderatorin, die für die Gesprächsführung zuständig ist: in der ersten Sequenz, also am Anfang der Bildungsmaßnahme, indem sie die Gespräche als informell vorstellt (jede/ jeder meldet sich spontan zu Wort). Und in der zweiten Sequenz, indem sie diese dagegen dahingehend verändert, dass sie ihre Aufgabe als „Verteilerin des Rederechts“ (Asmuß 2015: 285) beschreibt, was sich stärker der „klassischen“ Moderator: innenrolle annähert, wie sie Atkinson (1982: 103) bereits definiert hat: The term ‘turn mediation’ refers to practices that are involved where one participant is recognized as having special rights to decide who may speak when, what may be talked about, when a present speaker should stop speaking, etc., a chairman being perhaps the paradigm case of ‘turn mediator’. In beiden Fällen werden die Gegebenheiten der Technik direkt in die Gesprächs‐ führung einbezogen: Es ist die in den Videokonferenzen reduzierte Sichtbarkeit der Gesprächspartner: innen, die als ausschlaggebend dafür genannt wird, wie die Moderatorin in der Lage ist, ihre Rolle auszuführen. Im Gespräch bildet sich auch der Aufgabenbereich der Projektmitarbeiterin heraus. Ihre explizit 1.2 Die technische Dimension videobasierter Interaktion 35 <?page no="36"?> benannten Aufgaben „im Hintergrund“ (Protokoll schreiben und „nicht aktive“ Teilnahme am Gespräch) weisen ihr in der Sitzung eine sekundäre Rolle im interaktiven Geschehen zu. Darüber hinaus ist sie allerdings auch verantwort‐ lich für die begleitende technische Unterstützung der Videokonferenzen, wie es in den ‚Manövern‘ auf dem Bildschirm sichtbar wird und was die folgenden Sequenzen noch weiter verdeutlichen. Die dritte Sequenz aus der dritten Besprechung der zweiten Gesprächsrunde ist der Eröffnungsphase entnommen. Im Raum befinden sich bereits die Projekt‐ mitarbeiterin, die Lehrende Christine und die gerade eingetretenen Lehrenden Hannelore und Silke, die zusammen am selben Bildschirm sitzen. Bei ihrer Begrüßung werden technische Störungen bemerkbar. Darauf reagieren die Moderatorin und die Projektmitarbeiterin. Sequenz 3 (31.01.2018, Min. 2: 17-3: 10) Fragment 1 01 HAN hört ihr uns auch? 02 MOD ja: (.) ich hab den *eindruck, - mit *wiegt den Kopf----> 03 - dass es irgendwie- 04 - so ein bisschen HALLT* oder so. - mit ---->* 05 - sagt doch nochmal- 06 - +ein bisschen was längeres, + - - +bewegt ihren Oberkörper vor und zurück+ 07 - (3.0) 08 HAN ähm. das #ε*(unv.) hier ist ε(unv.), * - mit # *verzieht Mund, Kopfschütteln* - chr εschaut nach linksε - Abb. #2 Abb. 2 09 - wir es *ganz (unv.)- - mit *nähert sich dem Bildschirm----> 36 1 Aufbau und Gesprächsführung in beruflichen Videokonferenzen <?page no="37"?> 10 und ich +würde jetzt vielleicht- - mod +dreht den Kopf leicht n. links---> 11 - die maus (unv.).+ - - ---->+ 12 HAN *[((lachen))] * - SIL [((lachen))] - mit ->*lehnt sich zurück* 13 MOD mhm= Durch die schlechte Tonqualität der Frage von Hannelore (Z. 01) bemerkt die Moderatorin ein technisches Problem und versucht dies näher zu beschreiben (Z. 02-04). Gestisch bestätigt die Projektmitarbeiterin mit ihrer Kopfbewegung, dass die Qualität der Übertragung schlecht ist. Um die Tonqualität zu über‐ prüfen, bittet die Moderatorin die Lehrenden Hannelore und Silke, etwas länger zu sprechen (Z. 05, 06), wobei die Bewegung ihrer Oberkörper leichte Nervosität signalisiert. Nach einer längeren Pause (Z. 07) erfolgt die abermals stark gestörte Antwort von Hannelore. Auf die schlechte Tonqualität reagiert die Projektmitarbeiterin, indem sie den Mund leicht verzieht, den Kopf schüttelt und sich dem Bildschirm nähert (Z. 08, 09, Abb. 2). Die Moderatorin versucht, die Äußerung akustisch besser zu verstehen (Z. 10, 11). Auf das abschließende Lachen der beiden Lehrenden (Z. 12) reagiert sie dann mit einer gewissen Ratlosigkeit (Z. 13). Fragment 2 14 HAN =also hört ihr uns? 15 MOD mira (.) +kannst du es übersetzen, - - +dreht den Kopf zum Bildschirm---> 16 - was du gehört hast? + - - ---->+ 17 MIT ich habe irgendwas am ende gehört, 18 - ich würde jetzt etwas machen, 19 - εaber das war alles. ε - chr εbewegt den Kopf kurz zur Seiteε 20 - es ist wie ein #*roboter. * - - *hebt Hand, bewegt Finger* - Abb. - - - ------#3 1.2 Die technische Dimension videobasierter Interaktion 37 <?page no="38"?> Abb. 3 21 - also die verbindung ist- 22 - sehr wahrscheinlich nicht ganz gut, 23 - εdie internetverbindung.ε - chr εguckt runter ε Die beiden Sprecherinnen fragen noch mal, ob sie verstanden worden sind (Z. 14), wahrscheinlich haben sie die Reaktion der Moderatorin nicht bemerkt. Diese schaut nun direkt auf den Bildschirm und fragt ihre Mitarbeiterin, was sie verstanden habe: „mira (.) kannst du es übersetzen, was du gehört hast? “ (Z. 15, 16). Mit dem Ausdruck „übersetzen“ deutet sie an, dass deren Äußerung für sie völlig unverständlich ist, und bittet die Mitarbeiterin, diese verständlich zu machen. Die Mitarbeiterin antwortet zunächst, dass sie auch nichts verstanden habe (Z. 17-19). Dann versucht sie, das Geräusch zu beschreiben und durch eine Geste darzustellen: „es ist wie ein roboter.“ (Z. 20, Abb. 3), und benennt die mögliche Ursache der Störung (nicht ganz gute Verbindung), indem sie diese nochmals mit dem Wort „Internetverbindung“ präzisiert (Z. 21-23). Die untersuchte Sequenz zeigt, wie die Moderatorin und ihre Mitarbeiterin in der Anfangsphase zunächst ein technisches Problem erkennen und wie sie damit umgehen. Um das Ausmaß des Problems einzugrenzen, fordert die Moderatorin die Teilnehmenden auf, etwas zu sagen. Infolge der unverständlichen Aussage bittet die Moderatorin die Projektmitarbeiterin um Hilfe. Neben dem Anliegen, das Gesagte zu verstehen, impliziert diese Bitte aber auch die Aufforderung, generell das technische Problem auszumachen und es zu lösen, um mit der Sitzung beginnen zu können. Dementsprechend reagiert auch die Mitarbeiterin, die gestisch und durch zweifache Benennung wie in der vorherigen Sequenz (Protokoll führen, Technik bedienen) die Tätigkeiten der Moderatorin unter‐ stützt und ihr darin zuarbeitet (Nielsen 2009: 47/ 48). Des Weiteren wird sichtbar, dass die aufkommenden Probleme mit der Internetverbindung in erster Linie in der Verantwortung der Moderatorin und ihrer Mitarbeiterin liegen, die nach anfänglicher Hilflosigkeit ihre ganze Aufmerksamkeit der Lösung der Probleme 38 1 Aufbau und Gesprächsführung in beruflichen Videokonferenzen <?page no="39"?> widmen: Bei ihrem Auftauchen wendet sich die Lehrende Christine durch Weggucken vom Geschehen ab (Z. 08, 19, 23). Die vierte und letzte Sequenz in diesem Abschnitt stammt wiederum aus dem dritten Gespräch der zweiten Runde, und zwar direkt vom Anfang. Bisher sind nur die Lehrende Christine und die Projektmitarbeiterin im Raum. Sequenz 4 (31.01.2018, Min. 0: 00-0: 40) 01 MOD ((…)) und christine bei dir ist- 02 - mit dem ton alles ganz angenehm und okay? 03 CHR ja (.) also für mich passt. 04 MOD ja (.) du bist auch schnell- 05 - übertragen und alles. 06 - und (2.0) mira zaubert dinge- - - (auf der Bildschirmoberflächen wird Unterschiedliches ein- und ausgeblendet) 07 - auf unserem bildschirm. 08 - <<lachend> oh.> 09 - (5.0) - - (auf dem Bildschirm erscheinen Bilder, die Leiste mit den Köpfen der Teilnehmenden wird verschoben) 10 MIT so (.) wie seht ihr eigentlich die kamera, 11 - also (.) habt ihr die bilder- 12 - so nebeneinander? 13 - wie ich? 14 - oder sind die übereinander? 15 CHR ganz oben von links nach rechts. Die Moderatorin richtet sich zu Beginn an die einzige Anwesende und fragt nach der Tonqualität (Z 01, 02). Nachdem diese erwidert hat, dass alles in Ordnung sei, bestätigt auch die Moderatorin, dass ihrer Meinung nach die Verbindung funktioniert (Z. 04, 05). Dann merkt sie zu den auf dem Bildschirm wechselnden Bilder an: „und mira zaubert auf unserem bildschirm.“ (Z. 06, 07). Der Begriff „Zaubern“ und ihr Lachen in Verbindung mit dem emotional aufgeladenen und Erstaunen ausdrückenden „oh“ (Z. 08, zu „oh“ im Diskurs s. Golato 2012) drücken Anerkennung gegenüber den technischen Kompetenzen aus, die die Mitarbeiterin an den Tag legt bzw. die als verschiedene Manöver auf dem Bildschirm sichtbar werden (Z. 09). Diese reagiert darauf, indem sie prüfend nachfragt, ob das Teilen des Bildschirms funktioniert (Z. 10-14), was Christine auch direkt bejaht (Z. 15). 1.2 Die technische Dimension videobasierter Interaktion 39 <?page no="40"?> 13 Muñoz (2016) differenziert drei verschiedene Ebenen in der Eröffnungsphase: die technische, die interaktionale und die audio-visuelle. In dieser Sequenz definiert sich der Aufgabenbereich der Mitarbeiterin und grenzt sich darüber auch weiter von dem der Moderatorin ab, wobei Erstere nicht nur für die Technik in den Sitzungen zuständig ist, sondern sich auch als Expertin dafür profiliert und darüber eine „exklusive“ Beziehung zu den Lehrenden aufbaut. In den vier Sequenzen dieses Abschnitts wurde deutlich, wie sich über die Technik und deren Management in den LEELU-Videokonferenzen die Rolle der Moderatorin und der Projektmitarbeiterin etabliert. Erstere macht von der anfänglich vorgeschlagenen Gesprächsführung, die sich an informellen, in Präsenz stattfindenden Besprechungen orientiert, aufgrund der technischen Gegebenheiten von Videokonferenzen Abstriche und nähert sich dabei der (klassischen) Rolle der Verteilerin des Rederechts; für die Technik ist sie nur bis zu einem bestimmten Punkt zuständig. Dagegen definiert sich die Projektmit‐ arbeiterin zunehmend in ihrer Rolle als Expertin (Übersetzerin und Zauberin) für die technische und organisatorische Unterstützung der Treffen, wobei sie die Gesprächsführung entscheidend mit konstruiert. 1.3 Aufbau und Organisation von Videokonferenzen In Meetings - wie auch in anderen institutionellen Settings - kommt der Anfangs- und Endphase eine besondere Funktion zu (vgl. Hazel / Mortensen 2014; Licoppe 2021; Markman 2009; Mondada 2009, 2010; Nielsen 2013; Oit‐ tinen / Piirainen-Marsh 2015; auch in Frohnen 2005: 166). Bei der sequenziellen Organisation der ersten Phase differenziert Mondada (2010: 277) zwischen Voreröffnung, Eröffnung und Beginn, 13 wobei für die Übergänge von einer Phase zur anderen meist die/ der Moderator: in zuständig ist. In der Voreröffnung nehmen die Teilnehmenden ihren Platz vor dem Com‐ puter ein, wobei sich über ihre Positionierung durchaus auch der Status in der Gruppe ausdrücken kann (Mondada 2010: 292/ 293; vgl. auch Mirivel / Tracy 2005). In dieser Vorphase werden die Bildeinstellungen überprüft, die Mikrofone ein- und ausgeschaltet. Wenn sich die Teilnehmenden in Gruppen an unter‐ schiedlichen Standorten befinden, wird in internationalen Meetings häufig auch in der eigenen Landessprache in den jeweiligen Teams gesprochen (Mondada 2010: 285; s. auch Muñoz 2016: 6). In der Regel überwiegt hierbei ein informeller Diskurs (Mondada 2010: 320, 328, s. 1.5). Ein wichtiger Aspekt ist die räumliche Dimension bzw. der Ort, wie er jeweils für die anderen sichtbar ist (oder ob 40 1 Aufbau und Gesprächsführung in beruflichen Videokonferenzen <?page no="41"?> 14 Bei den Lehrenden erscheinen dagegen während der Besprechungen manchmal Fami‐ lienangehörige (oder sind akustisch wahrnehmbar), einige Male auch Haustiere. Es kommt auch vor, dass die Teilnehmenden mit ihnen interagieren. (Zur Verwischung der Grenzen zwischen der physischen und virtuellen Dimension im Privatbereich vgl. Rosenbaun et al. 2016.) ein virtueller Hintergrund gewählt wird). So waren bei den internationalen LEELU-Videokonferenzen die Moderatorin und ihre Mitarbeiterin vorwiegend in ihren Arbeitszimmern an der Universität, während die Lehrenden und oft auch die Projektmitarbeitenden an den Partneruniversitäten von zuhause an den Besprechungen teilgenommen haben. Damit wird schon vor Beginn der eigentlichen Sitzung signalisiert, dass für Erstere ihre Teilnahme zu ihrer Arbeit gehört, während die Lehrenden die Meetings außerhalb ihrer Arbeitszeit durchführen. 14 Außerdem tritt darüber die Verantwortung tragende Rolle der Projektleitenden (unterstützt von der Projektmitarbeiterin) für alle sichtbar zutage. Diese Voreröffnung schafft die Voraussetzungen für die anschließende Eröff‐ nung, die verstärkt der gemeinsamen Überprüfung der technischen Ton- und Bildqualität dient (Arminen et al. 2016: 300). Mitunter geht dieses gemeinsame Prüfen der technischen Ausstattung auch mit der Begrüßung oder Kontaktauf‐ nahme einher, d. h., beide Handlungen sind häufig miteinander verwoben (Mondada 2010: 294; Licoppe 2017: 363). Mondada (2010: 278) definiert diese Eröffnungssequenz wie folgt: Sie ist der Moment, in dem die Teilnehmer in eine gemeinsame Interaktion eintreten, sich ihre Bereitschaft zur Interaktion anzeigen, sich wechselseitig erkennen und identifizieren, kurz: sich aufeinander einstellen, um dann gemeinsam und koordiniert die eigentliche konversationelle Aktivität zu beginnen. Es sei angemerkt, dass Begrüßungen oder Äußerungen zur Überprüfung der technischen Ausstattung zwar besonders in der Anfangsphase üblich, aber keineswegs darauf beschränkt sind. Sie erstrecken sich durchaus auf die gesamte Videokonferenz (Mondada 2010: 279; Licoppe 2017: 353). In der Eröffnungssequenz ist die Handlung auf den Beginn der Konferenz gerichtet. So finden sich hier häufig explizite Hinweise auf die Notwendigkeit, noch auf andere Teilnehmende zu warten, und/ oder es wird bei Einzelnen gestisch vermittelte Ungeduld sichtbar (Mondada 2010: 310). Hier obliegt der/ dem Moderator: in nicht nur die Aufgabe, die technischen Probleme zu erkennen und bestenfalls zu beseitigen (s. o.), sondern auch abzuwägen, ob sie/ er trotz technischer Störungen das Meeting beginnen oder ob auf die zu spät kommenden Teilnehmenden gewartet werden soll (Mondada 2010: 314/ 315). 1.3 Aufbau und Organisation von Videokonferenzen 41 <?page no="42"?> Bei LEELU dauerten die Anfangsphasen der einstündigen Videokonferenzen im Durchschnitt etwa 10-15 Minuten, also relativ lange, einmal wegen techni‐ scher Schwierigkeiten, aber vor allem, weil auf verspätet eintreffende Lehrende gewartet wurde. Der virtuelle Raum wurde von der Moderatorin oder der Pro‐ jektmitarbeiterin geöffnet. Von diesem Moment an konnten die Teilnehmenden den Raum entweder individuell oder auch im Tandem betreten (das kam nur selten vor). Die Moderatorin begrüßte die Neuankömmlinge und begann eine Art Smalltalk zur Überbrückung der Wartezeit auf später eintretende Teilnehmende oder war mit der Projektmitarbeiterin mit der Überprüfung der Technik beschäftigt. Im Folgenden sollen nun zwei Sequenzen analysiert werden, die die Über‐ gänge von der Eröffnung zum Beginn darstellen und eine weitere, die das Ende der Sitzung einleitet. Der Fokus liegt dabei darauf, ob und wie die Moderatorin diese Übergänge organisiert. Die erste Sequenz findet zehn Minuten nach dem Start der Aufnahme des zweiten Gesprächs der zweiten Sitzungsrunde statt. Wir befinden uns in der Eröffnungsphase der Sitzung. Auf dem Bildschirm sieht man eine Bibliothek, in der Schüler: innen sitzen und lesen. Seitlich davon sind diverse Anmerkungen zu der Sequenz von den Lehrenden sichtbar. In der Videokonferenz sind vier Lehrende anwesend. Im Rahmen von Smalltalk wurde die Technik bei jeder/ jedem überprüft und die Moderatorin hat alle darüber informiert, wer heute nicht zur Sitzung kommt und was in groben Zügen auf dem heutigen Programm steht. Sequenz 5 (30.01.2018, Min. 8: 19-8: 33) 01 MOD ((…))ja erika fehlt uns noch, 02 - jetzt überlege ich- 03 - ob wir STARten,(-) 04 - aber das wäre ja SCHAde- 05 - ohne die liebe erika.(---) 06 - hm: : : - (1.0) 07 - ein PAAR minuten- 08 - warten wir noch ab oder? 09 REN (ja) (.) ich rufe sie an. 10 MOD DAS wär +gut renate. - - +blickt runter----> 11 - danke. 12 - (4.0) 13 - denn das ist ja auch gleich- 42 1 Aufbau und Gesprächsführung in beruflichen Videokonferenzen <?page no="43"?> 14 das erste VIdeo ähm (1.5) genau.+ - - ---->+ 15 - +das warten +wir jetzt mal ab, - - +blickt hoch+ 16 - ob wir sie nicht noch dazu bekommen. Die Moderatorin stellt fest, dass noch eine Lehrende fehlt, wobei sie mit dem Personalpronomen „uns“ dieses Fehlen als etwas markiert, das die ganze Gruppe (negativ) betrifft (Z. 01). Daran ansetzend knüpft sie ihre Überlegungen, ob sie trotzdem mit dem Meeting anfangen sollen. Die indirekte Frage ist dabei an sich selbst gerichtet: „jetzt überlege ich ob wir STARten,(-)“ (Z. 02, 03), womit sie sich sowohl für die Gruppe als auch für den Ablauf der Sitzung verantwortlich zeigt. Das Argument dagegen ist stark emotional gefärbt einmal durch den betonten Ausdruck „SCHAde“ und seine Bekräftigung durch die Partikel „ja”: „aber das wäre ja SCHAde-“ (Z. 04) (zu „ja“ s. Averina 2019), vor allem aber durch die zweimalige Nennung des Vornamens der fehlenden Lehrenden (Erika), im Folgenden auch in Verbindung mit dem eine persönliche Beziehung ausdrückenden Adjektiv „liebe“: „ohne die liebe erika.(---)“ (Z. 05). Über die so manifestierte Wertschätzung jedes/ jeder in der Sitzung teilnehmenden Lehrenden wird die Zugehörigkeit zur Gruppe verbindlicher. Vor dem Hintergrund dieser Überlegungen wird die Entscheidung zu warten als Bestätigungsfrage formuliert und an die Gruppe gerichtet: „ein PAAR minuten warten wir noch ab oder? “ (Z. 07, 08), was Erikas Tandempartnerin Renate als Aufforderung versteht, ihre Kollegin anzurufen (Z. 09, s. 1.4), um so zur anvisierten Vollständigkeit der Gruppe beizutragen und die durch die Verspätung provozierte Verzögerung des Meetings zu beenden. Die Moderatorin akzeptiert den Vorschlag. Ihre freudige Annahme wird einmal durch die verstärkte Vokalisierung am Anfang markiert, zum anderen betont auch hier die explizite Nennung des Namens die Wertschätzung der Person und ihrer Handlung, die als eine im Dienst der gesamten Gruppe vollzogene erscheint: „DAS wär gut renate. danke“ (Z. 10, 11). In der Zwischen‐ zeit kontrolliert sie, wann das Video von Erika und Renate besprochen werden soll (Z. 13, 14). Da es am Anfang der Sitzung geplant ist, wird ihre Entscheidung zu warten noch durch ein weiteres Argument untermauert und damit als richtig erachtet: „das erste VIdeo ähm (1.5) genau.“ (Z. 14). Dann blickt sie hoch und auf den Bildschirm, womit sie allen mitteilt, dass die Entscheidung getroffen ist und gewartet wird: „das warten wir jetzt mal ab,“ (Z. 15). 1.3 Aufbau und Organisation von Videokonferenzen 43 <?page no="44"?> Die folgende Sequenz in diesem Abschnitt stammt aus der dritten Videokon‐ ferenz. Die Moderatorin hat zu einer „Vorrede“ angesetzt, in der sie die vier anwesenden Lehrenden darüber informiert, dass sie diesmal nur zwei Videos besprechen werden. Dabei beschreibt sie nochmals das Vorgehen, wie mit den Videos umzugehen ist, und wiederholt es dann zusammenfassend. In der Mitte des Bildschirms ist ein von einem Tandem ausgesuchtes Bild zu sehen, mit dem gestartet werden soll, und darüber die Köpfe der Projektmitarbeiterin, einer Lehrenden, der Moderatorin und weiterer drei Lehrender. Sequenz 6 (31.01.2018, Min. 9: 20-9: 41) 01 MOD ((…)) also meine bitte ist, 02 - dass wir uns ERST- 03 - auf das video konzentrieren, 04 - und dann von anderen erfahrungen- (---) 05 - erzählen. 06 - (1.0) 07 - °hh und +das tun wir aber alles erst- - - +lacht, nicht vokalisiert----> 08 - ƒwenn lena da ist.(--)+ ƒ ---->+ - gis ƒverzieht den Mund, blickt nach untenƒ 09 - +<<leicht lachend> oder? > + - - +nähert sich dem Bildschirm+ 10 - (2.0) 11 GIS <<leicht lachend> nein-> 12 MOD ƒäh (.)> +*nein? - - +blickt runter----> - mit *lächelt----> - gis ƒblickt nach unten auf das Handy----> 13 - εmhm: : : -* - chr εblickt nach unten----> - mit ---->* 14 - #*(5.0) * - mit #*dreht ihren Oberkörper nach links* - Abb. #4 44 1 Aufbau und Gesprächsführung in beruflichen Videokonferenzen <?page no="45"?> Abb. 4 15 ? *okay- * - mit *blickt kurz auf den Bildschirm* 16 MOD genau.+ - - ---->+ 17 - +und wir werden das so machen, - - +blickt hoch auf den Bildschirm---->> 18 - dass mira im hintergrund das video- 19 - nochmal abspielt, ((…)) Zum Schluss formuliert die Moderatorin nochmals ihre Vorgaben zum Umgang mit den Unterrichtsvideos (Z. 01-05), um dann nach einer kurzen Pause (Z. 06) die Gruppe zu fragen, ob auf die noch fehlende Lehrende Lena gewartet werden soll: „°hh und das tun wir aber alles erst wenn lena da ist.(--)“ (Z. 07, 08). Sie schaut dabei lachend auf den Bildschirm und nimmt damit der Frage den Beigeschmack eines Vorwurfs. Dennoch verzieht Gisela leicht den Mund und schaut nach unten. Sie scheint sich für das Fehlen der Tandempartnerin verantwortlich zu fühlen. Dann fragt die Moderatorin noch mal mit dem eine Alternative hypothesierenden Konnektor „oder? “ nach, wobei sie durch ihr Annähern an den Bildschirm der Frage Dringlichkeit verleiht und sie wieder mit einem hörbaren Lachen unterlegt (Z. 09). Nach einer Pause (Z. 10) antwortet Gisela - auch sie mit verhaltenem Lachen - mit „nein“ (Z. 11); sie hat die Frage der Moderatorin offensichtlich als an sie gerichtete Aufforderung zu antworten verstanden. Auch wenn ohne Tonabfall vorgebracht, wirkt ihre Reaktion, die simple Verneinung, etwas barsch (Deppermann / Blühdorn 2013). Vor allem ist sie unerwartet und bedarf als solche einer Erklärung (Antaki 1994, s. 2.3), die hier aber ausbleibt. Daher verunsichert Giselas Reaktion die Moderatorin leicht, die vom Bildschirm weg nach unten schaut und nachfragt: „äh (.) nein? “ (Z. 12). Die Projektmitarbeiterin lächelt etwas hilflos und Gisela schaut auf ihr Handy, mit dem sie wahrscheinlich die Kollegin kontaktiert bzw. schaut, ob von ihr eine Nachricht eingegangen ist. Es folgt nach einem weiteren Ausdruck anhaltender Unsicherheit seitens der Moderatorin: „mhm: : : -“ (Z. 13) eine längere Pause, in der die Anwesenden sich, wohl aus einer gewissen Verlegenheit heraus, von dem Bildschirm abwenden (Abb. 4). In 1.3 Aufbau und Organisation von Videokonferenzen 45 <?page no="46"?> dem Moment ist ein „okay“ zu hören, wobei nicht klar ist, von wem das stammt. Doch offenbar unabhängig davon schließt die Moderatorin mit „genau.“ (Z. 16) ihre Überlegungen ab und blickt dann wieder auf den Bildschirm, während sie ihre Entscheidung, wie jetzt fortzufahren ist, der Gruppe im Folgenden bekannt gibt: „und wir werden das so machen,“ (Z. 17). In der Analyse beider Sequenzen ist deutlich geworden, wie komplex und vielschrittig sich der Prozess der Entscheidungsfindung gestaltet, ob in einem Meeting aufgrund einer fehlenden Person mit dem Beginn gewartet werden soll oder nicht. Bei LEELU obliegt, wie bei anderen beruflichen Meetings, die Entscheidung prinzipiell der Moderatorin, die diese aber keineswegs allein fällt, sondern in Abstimmung mit den anderen Teilnehmenden (Pomerantz / Denvir 2007: 37). Die Tatsache, dass die Entscheidung immer auf das Warten fiel, zeigt allen Teilnehmenden, das jede/ jeder eine wichtige Funktion innerhalb der Gruppe bzw. im Projekt innehat bzw. den jeweiligen Standort repräsentiert und daher präsent sein sollte (s. Kap. 3.3). So wie in der Anfangsphase von Meetings kommt auch der/ dem Moderator: in die Aufgabe zu, die Sitzung zu beenden. Dies wird meist schon von ihr/ ihm im Vorfeld angekündigt bzw. eingeleitet (Mondada 2006; dazu auch in Pome‐ rantz / Denvir 2007: 36-38). Die beiden Sitzungen, aus denen die folgenden Sequenzen stammen, sind der dritten Gesprächsrunde entnommen. Der Bildschirm zeigt ein Klassenzimmer und rechts daneben die Köpfe von fünf Lehrenden und der Projektmitarbeiterin. Die Moderatorin selbst ist nicht zu sehen. Die erste Sequenz ist aus dem ersten Gespräch der dritten Gesprächsrunde. Die Moderatorin und Doris sprechen darüber, welchen Nutzen der Austausch über das Lesen und das Gelesene für das Lernen hat, und Doris führt diverse Argumente dafür an. Sequenz 7 (26.03.2018, Min. 1: 13: 29-1: 13: 36) 01 DOR ((…)) es ist vielleicht leichter, 02 - um etwas nicht zu vergessen, 03 - wenn du mich fragst. 04 MOD ja (.) äh also ich- 05 - mit dem blick auf zeit, 06 - wir müssen schon bald en[den], 07 DOR & [ja ]& - - &blickt hoch & 08 MOD wir haben ein bisschen später angefangen, 09 - aber wenn ich das jetzt rausfiltere ((…)) 46 1 Aufbau und Gesprächsführung in beruflichen Videokonferenzen <?page no="47"?> Die Moderatorin beginnt, der Lehrenden Doris zu antworten, hält dann aber inne (Z. 04), mit der Begründung, dass die Zeit für die Sitzung bereits fortge‐ schritten sei (Z. 05) und dem Ende zusteuere: „wir müssen schon bald en[den],“ (Z. 06). Doris pflichtet dem sofort bei, mit kurzem Blick wohl auf eine Uhr in Sichtweite, wie ihr kurzes Aufschauen vermuten lässt (Z. 07). Die Tatsache, dass die Sitzung aber dennoch nicht sofort beendet wird, rechtfertigt die Moderatorin damit, dass sie verspätet angefangen hätten. Es erfolgt keine Widerrede. Die Notwendigkeit der Rechtfertigung macht deutlich, dass es für die Besprechungen einen verbindlichen Zeitrahmen gibt, an den die Moderatorin sich zu halten hat. In der letzten Sequenz wird das abermalige Überziehen der Zeit nicht ge‐ rechtfertigt, sondern in seinem Ausmaß heruntergespielt. Die Sequenz stammt aus der zweitletzten Besprechung. Fünf Lehrende befinden sich im Raum. Die Moderatorin ist nicht zu sehen. Sequenz 8 (27.03.2018, Min. 1: 07: 28-1: 07: 36) 01 MOD ilse (.) bist zu so weit- 02 - zufrieden mit dem, 03 - was wir besprochen haben? 04 - in bezug auf deine frage? 05 ILS <<lachend> ja (.) sehr (.) ja.> 06 MOD na schön. 07 - dann will ich noch- 08 - ganz abschließend zur- 09 - allerletzten frage kommen. 10 - die ist ja auch so schön. Die Moderatorin versichert sich, dass das Thema beendet ist, und nach erfolgter Bestätigung drückt sie ihre Zufriedenheit darüber aus (Z. 06). Dann kündigt sie an, dass noch ein weiterer Punkt zur Besprechung ansteht. Dass es sich jetzt wirklich um den letzten handelt bzw. dass das Gespräch jetzt bald beendet sein wird, signalisieren Ausdrücke wie ganz „ganz abschließend“ (Z. 08) und „allerletzten frage“ (Z. 09) und dann noch spaßend, dass diese letzte Frage es Wert sei, behandelt zu werden, da sie „so schön“ (Z. 10) sei. Damit entschuldigt sie sich für das Überziehen der Zeit. Die beiden Sequenzen belegen einmal das Vorhandensein und die Akzeptanz eines vorgegebenen Zeitrahmens, insofern dessen Nicht-Einhaltung einer Ent‐ schuldigung bzw. einer Rechtfertigung bedarf. Der Moderation obliegt die Ver‐ antwortung für das Timing. Wenn davon abgewichen wird, muss das begründet werden. Auf diese Weise wird der formelle Charakter der LEELU-Sitzungen 1.3 Aufbau und Organisation von Videokonferenzen 47 <?page no="48"?> 15 Zu einer detaillierten Auseinandersetzung mit dem Thema siehe Hoffmann / Fele (2024). Aus diesem Artikel wurden hier einige Passagen übersetzt und eingearbeitet. 16 Eine andere Möglichkeit besteht darin, dass die Teilnehmenden ihre Handys von anderen unbemerkt heimlich betätigen (Ruhleder / Jordan 2001). bestätigt. Dies ist vor allem unter der Berücksichtigung der Tatsache relevant, dass bei dieser Bildungsmaßnahme die Besprechungen am Nachmittag in der „Freizeit“ der Lehrenden stattfanden und es daher umso wichtiger war, die vorgegebenen Zeitrahmen einzuhalten. 1.4 Einsatz mobiler Endgeräte 15 Generell ist die gleichzeitige Nutzung anderer Kommunikationskanäle wie Chat oder die Verwendung mobiler Endgeräte in der videobasierten Interaktion eine normale Praxis und zum kommunikativen Habitus geworden; der Gegenstand ist mittlerweile auch schon relativ gut erforscht (u. a. Asmuß / Svennevig 2009: 13; Egbert 1997: 44; Oloff 2019: 226/ 227). Grundsätzlich muss dabei allerdings unterschieden werden: In privaten Gesprächen wird ihr Einsatz tendenziell toleriert, auch wenn sie für andere, gleichzeitig ausgeführte Aktivitäten genutzt werden (Licoppe 2017: 372) und dies ein Verschieben des Aufmerksamkeitsfokus bzw. ein Rückzug aus dem laufenden Gespräch signalisiert (DiDomenico / Boase 2013). Bei beruflichen Videokonferenzen hingegen dienen sie hauptsächlich zur Bewältigung einer gemeinsamen Aufgabe (Beers Fägersten et al. 2010; Licoppe 2017: 367; Raclaw et al. 2016), d. h., sie unterstützen die Arbeit und zeigen darin die aktive Beteiligung der Teilnehmenden an der Besprechung sowie ihr Engagement. Die Hinzunahme von mobilen Endgeräten ist in beruflichen Besprechungen keineswegs der Normalfall und wird, falls sie nicht der gemeinsamen Aufga‐ benbewältigung dient, tendenziell stigmatisiert: „Other forms of interaction, such as phone calls, are treated as interruptions and need to be accounted for and maybe even apologized for“ (Asmuß / Svennevig 2009: 13), d. h., es bedarf einer Genehmigung seitens der das Gespräch leitenden Person (Egbert 1997: 44). 16 Dies geschieht z. B., wie in Sequenz 5 angedeutet, um eine noch fehlende Teilnehmende zu erreichen und die Gründe für ihr Ausbleiben zu erfahren. Der‐ artige Handlungen haben sowohl die Funktion, eine Verzögerung des Beginns der Videokonferenz zu beheben bzw. zu verkürzen, wobei die/ der Moderator: in um diese Unterstützung bittet, als sie auch von den Teilnehmenden angeboten werden können (Drew / Kendrick 2018; Kendrick 2021; Kendrick / Drew 2016). Diese Gespräche über Smartphone können parallel zu der weitergehenden 48 1 Aufbau und Gesprächsführung in beruflichen Videokonferenzen <?page no="49"?> Videokonferenz verlaufen oder Letztere kommt zum Stillstand, d. h., es wird auf das Ende des Telefongesprächs und die „Rückkehr“ der Teilnehmenden gewartet. Online-Meetings sind nun diesbezüglich besonders interessant, da der interaktionale Raum nicht mit dem physischen der Teilnehmenden über‐ einstimmt (Oshima / Asmuß 2018; Svenning / Ruchinskas 1984; Wasson 2006). Das Aus- und Eintreten in den gemeinsamen Interaktionsraum geht vorrangig mit dem sichtbaren Erscheinen und Nicht-Erscheinen auf dem Bildschirm einher (Ilomäki / Ruusuvuori 2020) und signalisiert darüber die Teilnahme oder Nicht-Teilnahme an der Videokonferenz (Mondada 2009). Dies stellt einen signi‐ fikanten Unterschied zu kopräsenten Besprechungen dar. Hier ist die An- oder Abwesenheit der Teilnehmenden offensichtlich; dagegen bedarf es im virtuellen Raum diverser Zwischenschritte zu deren Wahrnehmung. Hierbei lässt sich zeitweise eine doppelte Orientierung in der Gesprächsführung feststellen, in der unterschiedliche (verkörperlichte und verbale) Handlungen parallel laufen (Deppermann et al. 2010: 1710). Im Folgenden soll nun gezeigt werden, wie die Handynutzung zwischen den Lehrenden in den LEELU-Videokonferenzen ausgehandelt wird. Die erste Sequenz beschreibt die Initiative einer Lehrenden, ihre noch fehlende Tan‐ dempartnerin anzurufen, um Informationen zu deren Ausbleiben zu erhalten, und findet in der ersten Sitzung der zweiten Gesprächsrunde statt; in der zweiten geht es um die Entgegennahme eines Anrufs einer noch abwesenden Lehrenden. Beide Sequenzen stammen aus den jeweiligen Eröffnungsphasen. In der folgenden Sequenz sind sechs Personen anwesend. Die Moderatorin hat die Lehrenden begrüßt, die zu besprechenden Unter‐ richtsmitschnitte vorgestellt und gefragt, ob das vorgesehene Vorgehen Zustim‐ mung findet. Dann geht sie zu Smalltalk über. Vor der folgenden Sequenz ist Katrin gerade in den Raum getreten und von der Moderatorin begrüßt worden. 1.4 Einsatz mobiler Endgeräte 49 <?page no="50"?> Sequenz 9 (29.01.2018, Min. 6: 10-6: 28) 01 MOD ja katrin wir warten noch auf zwei leute, 02 - und dann gehts gleich los (.) ja? 03 KAT okay. 04 - (1.0) 05 MAR #®ich kann ja kurz mal(-) ähm- (-)® - - ®nähert sich dem Bildschirm ® - Abb. #5a/ b - - Abb. 5a Abb. 5b 06 - (1.2) 07 probieren agnese ®#anzurufen, ® - - ®nimmt d. Kopfhörer raus® - Abb. #6 - - Abb. 6 08 MOD [(ja (.) mach mal)-] 09 MAR [weil ] ich jetzt nicht weiß, 10 - ob sie es vielleicht- 11 - zufällig vergessen hat. 12 - nicht? 13 - ich gehe mal ganz kurz= 14 MOD =ja (.) ja (.) mach doch mal. 15 - das ist super. Die Moderatorin teilt Katrin kurz nach deren Ankunft und Begrüßung mit, dass die Gruppe noch auf zwei Personen wartet (Z. 01) und dass sich daher der Beginn 50 1 Aufbau und Gesprächsführung in beruflichen Videokonferenzen <?page no="51"?> der Sitzung noch verzögert, bis die beiden fehlenden Personen eintreffen (Z. 02). Neben der Information zum aktuellen Ablauf der Sitzung wird darüber - wie schon zuvor in den Sequenzen 5 und 6 - deutlich gemacht, dass diese erst be‐ ginnen kann, wenn alle Personen anwesend sein. Interessant ist hier die Reaktion auf diese Mitteilung: Katrin nimmt die vorherige Aussage lediglich zur Kenntnis (Z. 03), wohingegen Mareike nach kurzer Pause (Z. 04) reagiert, indem sie sich dem Bildschirm nähert, was Aufmerksamkeit und ihre Handlungsbereitschaft verkörpert (Abb. 5a/ b, vgl. Kendrick 2021: 70). Dann schlägt sie vor, dass sie die fehlende Tandempartnerin Agnese per Handy anrufen kann; „ich kann ja kurz mal(-) ähm- (-) (1.2) probieren agnese anzurufen,“ (Z. 05-07) (für die selbstinitiierte Nutzung eines mobilen Endgeräts, s. Oloff 2019). Ihr Angebot wird mit den Modalpartikeln „ja“ und „mal“ vorsichtig formuliert, die - wie House und Kasper (1981) hervorheben - die Funktion haben, eine Äußerung abzumildern. Außerdem wird diese Äußerung auch durch das minimierende „kurz“ abgeschwächt. Das Verb „versuchen“ kennzeichnet die Initiative als einen Versuch. Das zeigt: Mareike versteht offensichtlich die Aussage der Moderatorin als Aufforderung, etwas zu tun. Wie es sich bereits in den Sequenzen 5 und 6 zeigte, richtet sich diese Aufforderung speziell an die Tandempartner: innen, das Problem mit der fehlenden Lehrkraft zu lösen (Beispiele dafür, wie Aussagen als Aufforderungen verstanden werden können, s. z. B. Asmuß 2007; Kendrick 2021; Kendrick / Drew 2016). Indem Mareike anbietet, die fehlende Person anzurufen, zeigt sie, dass sie die Formulierung der Moderatorin als Bitte um Hilfe bei der Bewältigung des Problems verstanden hat (Kendrick 2021: 76/ 77). Gleichzeitig offenbart die Art und Weise, wie sie ihr Angebot formuliert, dass sie ihre Hilfe mit einer gewissen Vorsicht und nicht direkt anbietet, da es sich um eine mögliche Auslegung der Äußerung der Moderatorin handelt, eben als Aufforderung (Licoppe / Tuncer 2014). Die Tatsache, dass es sich um eine richtige Interpretation handelt, wird darin deutlich, dass die Moderatorin Mareikes Vorschlag annimmt (Z. 08). Diese führt dann ihr Angebot weiter aus, indem sie vorsichtig mögliche Erklärungen für die Abwesenheit ihrer Kollegin liefert; „ich jetzt nicht weiß, ob sie es vielleicht zufällig vergessen hat. nicht? “ (Z. 09-12). Indem Mareike ihre Hörer abnimmt (Abb. 6), signalisiert sie, dass sie nun ausführen wird, was sie vorgeschlagen hat. Die begleitende Erklärung „ich gehe mal ganz kurz“ (Z. 13) nimmt die Tatsache vorweg, dass sie sich von der Videokonferenz nur einen Moment entfernen wird. Mit dem wiederholten „ja“ erteilt die Moderatorin ihre Zustimmung und genehmigt Mareikes Verlassen des gemeinsamen Raums (Z. 14). Dabei bewertet sie Mareikes Angebot mit einer äußerst positiven Aussage; „das ist super“ (Z. 15). Man sieht, wie 1.4 Einsatz mobiler Endgeräte 51 <?page no="52"?> Mareike ihre Kopfhörer abnimmt, aufsteht und den Platz vor dem Bildschirm verlässt. Die Teilnehmenden können sie aber noch im Hintergrund sprechen sehen, denn der Bildschirm bleibt angeschaltet. In diesem Sinne bleibt eine Art Verbindung bestehen. Die Sitzung verharrt sozusagen in einem Wartemodus, der mit informellen Gesprächen zwischen den Teilnehmenden, die auf Neuigkeiten von Mareike warten, gefüllt wird. Kommen wir nun zur zweiten Sequenz. Die Initiative geht diesmal nicht von einer Tandempartnerin in der Sitzung aus, sondern ist eine Reaktion auf einen Anruf ihrer Tandempartnerin außerhalb des gemeinsamen Raums. Die Sequenz stammt aus der dritten Sitzung der zweiten Gesprächsrunde. Die Lehrenden Silke und Hannelore haben eine instabile Internetverbindung und loggen sich ein und aus. In der Zwischenzeit ist Gisela im Raum eingetroffen. Nun warten die Teilnehmenden auf ihre Tandempartnerin Lena. In der Mitte des Bildschirms ist ein Bild, das im Unterricht benutztes Material zeigt, und darüber sind die Köpfe der Projektmitarbeiterin und von fünf Lehrenden sichtbar. Während die Moderatorin erklärt, dass es immer noch schwierig ist, Hannelore und Silke zu verstehen, klingelt ein Telefon. Sequenz 10 (31.01.2018, Min. 6: 14-6: 48) 01 MOD ah okay. (-) es ist immer- 02 - noch ein bisschen- 03 - ƒschwer euch zu verstehen. ƒ - - (Telefon klingelt) - gis ƒschaut a. Handy, guckt a. d. Bildschirm ƒ 04 - also es geht schon, 05 - ƒaber es #hallt es fällt# immer so-------ƒ - gis ƒnimmt recht. u. link. Kopfhörer raus ƒ - Abb. #7a #7b Abb. 7a Abb. 7b 06 - ein ganz klein bisschen aus. 07 - ƒaber: gut, ƒ - gis ƒhält das Handy ans linke Ohrƒ 08 - [wir werden das schon hinkriegen] 09 GIS #[lena? ] 52 1 Aufbau und Gesprächsführung in beruflichen Videokonferenzen <?page no="53"?> Abb. #8 - Abb. 8 - - - 10 - (1.0) (Lena antwortet) 11 GIS #ƒehi (.) sì (.) io ci sono (.) e tu? ƒ - hey, ja, ich bin hier, und du? - ƒguckt auf den Bildschirm ƒ Abb. #9 - Abb. 9 - 12 LEN (Lena spricht, unverst.) 13 GIS ƒsì sì, (.) adesso è (pronto? ). - - ja, ja, jetzt ist es (im Gang) - - ƒwendet den Blick weg vom Bildschirm--> 14 - (io ci sono) perché è in corso.ƒ# - - (ich bin hier) weil wir sind schon dabei - - ---->ƒ - Abb. #10 Abb. 10 15 - (4.0) - - (Lena spricht am Handy, unverst.) 16 - ƒ(6.0 Lena spricht am handy, unverst.)ƒ - - ƒblickt kurz auf den Bildschirm ƒ 17 - ƒesatto. ƒ - - --genau - - ʃwendet den Blick vom Bildschirm ab, nicktʃ 1.4 Einsatz mobiler Endgeräte 53 <?page no="54"?> 18 ƒsì= ƒ - - --ja - - ƒguckt schnell auf den Bildschirmƒ 19 MOD =ƒalso es klingt so, - gis ƒguckt nach unten---->> 20 - als ob wir lena gleich +dabei hätten. - - +lächelt---->> In Reaktion auf das klingelnde Telefon blickt Gisela nach unten und sieht den Namen von Lena (Z. 03). Gisela nimmt ihre Hörer aus den Ohren, während sie weiter auf den Bildschirm schaut (Z. 05, Abb. 7a/ b), und führt dann ihr Mobiltelefon ans Ohr (Z. 07). In der Zwischenzeit beendet die Moderatorin ihr Gespräch mit zwei anderen Lehrenden. Gisela fragt, ob es sich bei dem/ der Anrufer: in um Lena handle (Z. 09, Abb. 8). Darüber teilt sie den anderen Teilnehmenden mit, dass sie kein Privatgespräch führt, sondern mit der noch fehlenden Kollegin spricht (Arminen / Leinonen 2006). Daraufhin fragt Lena, ob Gisela bereits im Chatraum sei. Gisela bestätigt dies auf Italienisch und blickt wieder auf den Bildschirm (Z. 11, Abb. 9). Lena möchte daraufhin wissen, ob die Sitzung bereits begonnen hat und ob alle Teilnehmer anwesend sind, was Gisela abermals bestätigt (Z. 13, 14). Der Blick ist nicht mehr auf den Bildschirm gerichtet (Abb. 10), aber während Lena am Mobiltelefon spricht und Gisela ihr zuhört, schaut sie auf den Bildschirm (Z. 16). Lena beschreibt wahrscheinlich die Schritte zum Eintritt in die Sitzung und erhält positives Feedback von Gisela „esatto“, die nickt (Z. 17), was durch ein „sì“ (Z. 18) noch verstärkt wird. Kopfhaltung und Blick wenden sich dann wieder dem Bildschirm zu. Die Moderatorin nutzt dies als Gelegenheit, die anderen Teilnehmerinnen in das Geschehen einzubeziehen, indem sie durch ihr Lächeln Vertrauen in das bevorstehende Erscheinen von Lena ausdrückt und damit allen signalisiert, dass die Sitzung bald beginnen kann (Z. 19, 20). Anschließend bedankt sie sich bei Gisela explizit für ihre Unterstützung (nicht im Transkript). In dieser Sequenz liegt der Schwerpunkt auf Problemen beim Betreten des virtuellen Raums, wahrscheinlich aufgrund mangelnder Erfahrung mit On‐ line-Anwendungen für Videokonferenzen. Diese werden durch den Einsatz der Tandempartnerin per Handy gelöst. Neben den verbalen haben verkörperlichte Handlungen eine herausragende Funktion beim Aufbau dieses Diskurses. In der Sequenz fällt auf, dass Gisela ständig zwischen dem Blick auf den Bildschirm und von ihm weg wechselt, was durch die Position ihres Kopfes und Körpers angezeigt wird. Ihr Blick dient nicht dazu, sich das Rederecht zu nehmen und damit das turn-taking zu regeln, und fungiert auch nicht als Kompensation 54 1 Aufbau und Gesprächsführung in beruflichen Videokonferenzen <?page no="55"?> 17 Zu einer detaillierten Auseinandersetzung mit dem Thema s. Hoffmann (2022). Aus dem Artikel wurden hier Teile übernommen. für den direkten Blickkontakt, wie er in der Lehrenden-Lernenden-Interaktion oft zu beobachten ist (Satar 2013: 27; auch in Wigham / Satar 2017), sondern erfüllt eine zentrale kommunikative Funktion: Er signalisiert hier Interesse, Aufmerksamkeit, Teilnahme an der gemeinsamen Aktion der gesamten Gruppe, die durch das Treffen auf der Plattform und das Telefonat verbunden ist. Die Tatsache, dass die Sprecherin diese beiden Handlungen durch den Blick verbindet, zeigt auch, dass sie die Videokonferenz als eine formelle Sitzung wahrnimmt, in der die Verwendung anderer Geräte tendenziell stigmatisiert wird und einer Genehmigung bedarf (s. o.). Die Moderatorin erteilt ihr nicht nur die Erlaubnis dazu, sondern unterstützt und bedankt sich bei ihr auch durch ihr Lächeln und später auch explizit (nicht im Transkript). Das Gespräch, das zwischen den beiden italienischen Muttersprachlerinnen auf Italienisch geführt wird, wird von den anderen mit einer gewissen Aufmerksamkeit verfolgt; in der Zwischenzeit gibt es keine anderen Gespräche und die Teilnehmenden schauen mehr oder weniger auf den Bildschirm (Abb. 10). Auch hier wird die Sitzung quasi angehalten und nicht parallel weitergeführt. In beiden Sequenzen sind es die Tandempartnerinnen, die unter der Hinzu‐ nahme eines Handys das Problem der fehlenden Kollegin lösen. Im ersten Fall erfolgte das durch Eigeninitiative, im zweiten durch ein Telefonat der Kollegin beim Betreten des virtuellen Raums. Anders als bei den technischen Problemen, deren Lösung vor allem der Moderatorin und der Mitarbeiterin obliegen, werden hier die durch das Fehlen von Teilnehmerinnen verursachten Probleme von der Lehrenden angegangen. Hierbei steht die Haupthandlung still, alle anderen warten. Die Besprechung wird so gemeinsam konstruiert und die Verantwortung geteilt. Die gegenseitige Hilfe beim Lösen nicht nur technischer Probleme verbindet die Gruppe und stabilisiert sie in dem instabilen virtuellen, interaktionalen Raum (Virtanen / Niemi 2023: 232). 1.5 Formale und informelle Elemente 17 Berufliche Besprechungen werden als formal bezeichnet, in dem Sinne, dass ihnen eine vorherige Planung zugrunde liegt (Asmuß / Svennevig 2009: 10). Die meisten Besprechungen mit formalen Strukturen weisen eine allen Teilneh‐ menden im Vorfeld zugängliche Tagesordnung (oftmals verbunden mit einem anschließenden Protokoll der Sitzung), einen zuvor festgelegten (virtuellen) Raum und Zeitpunkt, in dem die Besprechung stattfindet, die Anwesenheit 1.5 Formale und informelle Elemente 55 <?page no="56"?> einer Moderatorin oder eines Moderators (u. a. Bargiela-Chiappini / Harris 1996: 274) sowie eine zuvor festgelegte Personengruppe, deren Anwesenheit Voraussetzung für den Beginn des Meetings ist (Mondada 2010: 313), auf. Es finden sich aber auch informale (= ungeplante) sowie informelle Elemente (= nicht förmliche bzw. formelle, s. Böhle 2015: 102/ 103) wie Smalltalk und persönliche Bemerkungen (Asmuß / Svennevig 2009). Des Weiteren erfolgt die Teilnahme an beruflichen Meetings online tendenziell von einem PC aus und nicht über mobile Endgeräte. In diesen Zusammenkünften können Hierarchien zutage treten (Schmitt 2006: 75/ 76), wobei dies allerdings nicht zwingend mit formalen Strukturen und formellem Verhalten verbunden ist. So zeigt z. B. Mehus (2005: 135/ 136) in ihrer Studie, wie in einem Arbeitstreffen mit einem äußerst lockeren Umgangston die Unterbrechung der Arbeit durch eine Pause letztendlich von dem das Projekt verantwortenden Kollegen veranlasst und organisiert wird. Dies geschieht keineswegs über formelle Anweisungen oder die Erteilung einer Erlaubnis seitens des Chefs, sondern entsteht im interaktiven Geschehen selbst. Es sei hier auch angemerkt, dass sich grundsätzlich ein Verblassen dieser Unterschei‐ dungskategorien in Videokonferenzen feststellen lässt. Dazu hat auch, neben dem rasanten Anstieg videobasierter Kommunikation, die Verbreitung mobiler Endgeräte beigetragen, denn ihr simultaner Einsatz bei Videokonferenzen verbindet, wie u. a. Mlynař et al. (2018: 7) hervorheben, diverse Dimensionen und verwischt die Grenzen zwischen öffentlich und privat, online und offline, und damit auch zwischen formal/ informal und formell/ informell. Das Interesse der einschlägigen Forschungsliteratur richtet sich daher darauf, wie und wann sich formale/ informale Strukturen sowie formelles/ informelles Verhalten in beruflichen Zusammenkünften zeigen und die Interaktion prägen (Deppermann et al. 2010). Wenden wir uns nun einem der oben erwähnten Kennzeichen von koprä‐ senten sowie Online-Besprechungen zu: der (meist) allen Teilnehmenden im Vorfeld zugänglichen Tagesordnung oder dem Arbeitsprotokoll. Beides wird - wie erwähnt - im Normalfall von der/ dem Moderierenden zu Beginn der Sitzung vorgestellt. Berufliche Zusammenkünfte, ob digital oder analog, haben die Bewältigung einer oder mehrerer Aufgabe(n) zum Ziel (Boden 1994). Dafür liegen ihnen ein Zeitrahmen und eine entsprechende Planung in Form einer Tagesordnung oder eines Arbeitsprotokolls zugrunde (Svennevig 2012b). Allerdings ist dieser vor‐ strukturierte Zeitrahmen keineswegs so bindend, wie man annehmen könnte, und unterliegt häufig Änderungen (s. o.). So können Diskussionspunkte ver‐ schoben werden oder auch Unterbrechungen, z. B. aufgrund der erwähnten 56 1 Aufbau und Gesprächsführung in beruflichen Videokonferenzen <?page no="57"?> technischen Probleme oder der Verspätung von Teilnehmenden, den Beginn verzögern oder die bereits gestarteten Gespräche unterbrechen (s. 1.2, 1.3). Bei Online-Besprechungen geschieht dies sehr häufig in der Vor- und Eröffnungs‐ phase, aber auch während der Gespräche, was den vorgegebenen Zeitrahmen durchaus sprengen kann (Boden 1994: 94; Deppermann et al. 2010: 1700; Schmitt 2006: 71). Derartige organisatorische Veränderungen werden je nach Beschaffenheit und Gruppenkonstellation von dem/ der Leiter: in, Chef: in oder Moderierenden am Anfang der Zusammenkunft bekannt gegeben (Svennevig 2012a: 7). Dabei zeigt Svennevig (2012b) in seiner Studie, dass die Präsentation der Tagesordnung durch die/ den Moderierende*n keiner weiteren Diskussion in der Gruppe bedarf, wobei der auf die Tagesordnung gesenkte Blick allen zeigt, dass es sich hier um ein vorher bekanntes Dokument handelt. Anders ist es hingegen, wenn Änderungen im Protokoll bekannt gegeben werden: Thus, topics introduced as not in accordance with the agenda take forms that are tentative and are presented as contingent on acceptance by the interlocutors. They include metacommunicative prefaces, requests for permission and hypothetical constructions. The practice of seeking acceptance from the interlocutors makes these instance more like topic introductions in everyday (non-institutional) conversation (Svennevig 2012b: 63). Während also die Vorstellung der Tagesordnung dem erwartungsgemäßen Vorgang am Anfang einer formalen Besprechung entspricht und nicht weiter ausgehandelt wird, erfordern Änderungen weitaus komplexere Aushandlungs‐ prozesse, die informelle Züge aufweisen. Vorstellung und Änderung der Tages‐ ordnung, d. h. die Explizierung des Zeitrahmens, obliegen der Moderation oder Leitung. Die Art und Weise, wie sie diese Aufgabe im Zusammenspiel mit den Teilnehmenden bewältigt, zeigt ihre Rolle im Diskurs (Asmuß 2015: 297; s. auch Boden 1994: 154). Den LEELU-Besprechungen lag einige Tage zuvor ein Arbeitsprotokoll vor, das weitaus ausführlicher als eine Tagesordnung den Ablauf der Sitzung be‐ schrieb und sie strukturierte (Abb. 11a/ b, Dawidowicz et al. 2019: 34). Dieses Protokoll wurde von der Projektmitarbeiterin meist zeitgleich und allen sichtbar während der Sitzungen bearbeitet. 1.5 Formale und informelle Elemente 57 <?page no="58"?> Abb. 11a - Tagesordnung (Anfang) Abb. 11b - Tagesordnung (Verlauf) Wie schon in der Einführung erwähnt, hatten alle Lehrenden vor der Bespre‐ chung Zugang dazu bzw. sie legten selbst zuvor die Besprechungspunkte fest, trugen sie in das Arbeitsprotokoll ein und forderten damit die Kolleg: innen zur Kommentierung der Unterrichtsvideos auf. Dies allen vorher zugängliche Protokoll strukturierte den Ablauf der Diskussionsrunde vor (ebd.: 34, 35). Im Folgenden werden drei Sequenzen analysiert, die Veränderungen in der Tagesordnung zu Beginn der Sitzung zum Gegenstand haben, d. h., sie stammen aus der Anfangsphase der internationalen Videokonferenzen und kennzeichnen den Übergang von der Eröffnung zum Beginn der Besprechung (s. 1.3). Es handelt sich hierbei um jeweils eine Sitzung aus der ersten und zweiten Runde und eine aus der dritten und letzten Runde. Die folgende Sequenz stammt gleich vom Anfang der zweiten Videokonfe‐ renz der ersten internationalen Gesprächsrunde. Die Aufzeichnung setzt etwas später ein, d. h., es haben schon individuelle Begrüßungen oder sonstige Bemer‐ kungen stattgefunden. Die sprechende Moderatorin erscheint in Großaufnahme auf dem Bildschirm. In der Gruppe der sechs teilnehmenden Lehrenden wird noch auf eine weitere Person (Mareike) gewartet, um mit der Besprechung zu beginnen. 58 1 Aufbau und Gesprächsführung in beruflichen Videokonferenzen <?page no="59"?> Sequenz 11 (28.11.2017, Min. 0: 01-1: 05) Fragment 1 01 MOD ((…)) (unv.) +°hh und- (.) - - +schaut runter----> 02 - ähh vielLEICHT auch schon mal- 03 - VORbereitend die frage-+ - - ---->+ 04 - +ihr habt (doch) alle- - - +blickt auf den Bildschirm----> 05 - das (.) protokoll gesehen: ; + - - ----->+ 06 - +und äh habt gesehen- - - +schaut von l. nach r. auf d. Bildschirm--> 07 - wie wir vorgehen. 08 - oder? + - - ---->+ 09 - (0.5) 10 ERI ja: . 11 - (0.5) 12 ? ja.= 13 MOD =su+per. - - +blickt runter---->> Während noch eine Teilnehmende fehlt und sich damit der Beginn der Videokonferenz verzögert, stellt die Moderatorin den bereits Anwesenden „VORbereitend die frage-“ (Z. 03), um den gemeinsamen Kenntnis‐ stand bezüglich des Ablaufs der geplanten Sitzung sicherzustellen. Das macht sie mit Blick auf den Bildschirm in Form einer Aussage (Z. 04-07), in der sie sich durch die Wiederholung von „gesehen“ (Z. 05, 06) verbunden mit „und“ absichert, dass ihr folgender Vorschlag zur Änderung des Programms nicht unerwartet kommt. Dabei drücken der Verzögerungspartikel, die Modalpartikel und die kurze Pause Unsicherheit aus, die vielleicht die Formulierung betreffen oder die Frage, ob sie wirklich damit schon einsetzen oder doch besser noch auf die letzte Lehrende warten soll: „°hh und (.) ähh vielLEICHT auch schon mal-“ (Z. 01, 02). Sie schaut dabei zunächst auf das Protokoll oder ihre schriftliche Vorlage (Z. 01-03). Die anschließende Bestätigungsfrage mit der disjunktiven Alternative „oder“ (Z. 08) fordert tendenziell zu einer - nach dem vorhergehenden „vielLEICHT“ noch durch „auch“ verstärkten Aussage - 1.5 Formale und informelle Elemente 59 <?page no="60"?> positiven Antwort auf, die nach einer kurzen Pause (Z. 09) zunächst von einer (Z. 10), dann, nach einer erneuten Pause (Z. 11), wohl von einer weiteren Lehrenden auch erfolgt (Z. 12). Darauf reagiert die Moderatorin sofort sehr erfreut mit einem alltagssprachlichen „super.“ (Z. 13), wobei sie wieder auf ihre Vorlage blickt. Entgegen ihrer Ankündigung, auf die letzte Teilnehmende zu warten, setzt sie dann dazu an, eine Änderung im Protokoll anzukündigen: Fragment 2 14 MIT mareike ist- (-) 15 MOD also (.) (unv.)- (---) 16 - (ich möchte) +gern- - - +blickt a. d. Bildschirm--> 17 - ein+ BISSchen +umstellen, (-) - - -->+ +blickt runter----> 18 - ähm+ (-) die +THEmen, - - -->+ +blickt a. d. Bildschirm--> 19 - die an den STANDorten angesprochen werden- 20 - zum teil (.) ÄHNlich sind- (--) 21 - °h ich würd gern aus budapest- (.) 22 - die +reihenfolge- - - -->+bewegt Hände kreisförmig----> 23 - der beiden videos umdrehen,+ - - ---->+ 24 - +(1.0) - - +schaut runter----> 25 - und: gerne erst mit diesem +thema- - - ---->+ 26 - +RAUMwechsel beginnen, - - +guckt auf den Bildschirm----> 27 - (1.0) 28 ? ähä.+ - mod --->+ 29 ERI +ja.= - mod +guckt runter ---> 30 MOD =und dann: sozusagen- 31 - die AB+wahl der BÜcher, ((…)) - - ---->+ Die Moderatorin leitet die Änderung im Protokoll mit dem Diskursmarker „also“ ein (Z. 15) (vgl. Deppermann 2011). Dem folgt ein kurzes Stocken, da 60 1 Aufbau und Gesprächsführung in beruflichen Videokonferenzen <?page no="61"?> sie wohl den Redeansatz der Projektmitarbeiterin (Z. 14) realisiert hat. Als ein Wunsch: „(-) (ich möchte) gern ein BISSchen umstellen, (-)“ (Z. 16, 17) wird die Änderung als Vorschlag eingeführt und durch das betonte „ein BISSchen“ die Reichweite abgeschwächt und klargestellt, dass es sich bei der Änderung nicht um eine inhaltliche, sondern lediglich um eine organisatorische Maßnahme handelt. Diese wird im Anschluss mit dem thematischen Zusammenhang begründet (Z. 18-20). Hierbei veranschaulicht die Moderatorin die Änderung, indem sie einmal die Videos mit dem Standort benennt und in der ikonischen Geste der kreisförmigen Bewegung ihrer Hände die vorgesehene Umstellung darstellt (Z. 22, 23). In der anschließenden Pause kennzeichnet der Blick auf die schriftliche Vorlage dieses veränderte Vorgehen als von ihr vorher geplant (Z. 24). Die Nennung des dem Vorgang zugeordneten Oberbegriffs „RAUMwechsel“ (Z. 26) strukturiert das Vorgehen und schafft darüber den Bezug zu einer übergeordneten Ebene, die auf das Fachwissen der Moderatorin verweist. Der Fokusakzent auf dem Oberbegriff, die leicht ansteigende Tonhöhenbewegung am Ende der Zeile 26 sowie die folgende Pause mit Blick auf den Bildschirm (Z. 27) laden zu Feedback ein, was auch erfolgt (Z. 28, 29). Danach setzt die Moderatorin mit kurzem Rückgriff auf ihre Vorlage unmittelbar ihre Ausführungen fort, die im folgenden Fragment zum Abschluss kommen. Die Moderatorin ist in Zeile 32 nicht zu sehen. Fragment 3 32 MOD ((…)) und machen als letztes die frage- - - (a. d. Bildschirm erscheint eine Lehrende) 33 - zur interaktion(--) äh von lena und gisela. - - >>schaut lächelnd auf den Bildschirm---> 34 ? ja. 35 MOD also wir haben ein bisschen- (.) 36 - +alles (--) verÄNdert, - - +hebt kurz die Hand,schaut runter----> 37 - aber ich glaube so +FLIEßt- + - - ---->+Fließbew. m. d.Hand+ 38 - das (.) gespräch dann +besser. - - ---->+blickt a.d. Bilds.->> 39 - +(2.0) + - - +guckt hin und her, nähert s. d. Bildschirm+ 40 ? (hmhm,) 41 MOD haben wir mareike schon an bord? 1.5 Formale und informelle Elemente 61 <?page no="62"?> Die Moderatorin kommt zu dem letzten thematischen Schwerpunkt, wobei sie das Lehrendentandem namentlich nennt und ihm den Oberbegriff „Interaktion“ zuordnet (Z. 33). Damit verortet sie deren Video einmal inhaltlich, aber vor allem ordnet sie ihm ein genaues Zeitfenster in der Besprechung zu. Der Tonhöhenabfall am Ende der Zeile 33 sowie ihr Lächeln fordern zu Feedback auf, was auch gegeben wird (Z. 34). Daraufhin stellt die Moderatorin mit dem alle einschließenden „wir“ die Änderung als ein von der Gruppe geteiltes Vorgehen dar, wobei „ein bisschen“ im Kontrast zu „alles“ steht und den Vorgang relativiert: „also wir haben ein bisschen- (.) alles (--) verÄNdert,“ (Z. 35, 36). Mit der adversativen Konjunktion „aber“ (Z. 37) wird die Veränderung als notwendig für den Aufbau des Gesprächs gerechtfertigt und gestisch durch die Fließbewegung nochmals begründet, auch wenn diese Notwendigkeit durch „ich glaube“ leicht an Sicherheit verliert: „aber ich glaube so FLIEßt das (.) gespräch dann besser.“ (Z. 37, 38). Mit Abfall der Tonhöhe in Zeile 38 signalisiert sie, dass ihre Ausführungen nun beendet sind, worauf nochmals mit schwachem Feedback reagiert wird (Z. 40). Das erfolgt nach einer etwas längeren Pause (Z. 39), in der die Moderatorin auf den Bildschirm schaut, wahrscheinlich einmal, um zu sehen, ob Nachfragen bezüglich der vorgenommenen Änderungen erfolgen, aber auch, weil sie kon‐ trolliert, ob die noch fehlende Lehrende jetzt eingetroffen ist, wie aus ihrer Nachfrage ersichtlich wird (Z. 41). Die erste Sequenz zeigt, wie eine bereits im Protokoll vermerkte Veränderung von der Moderatorin angekündigt und von der Gruppe übernommen wird. Dies erfolgt durch kurze positive Feedbackmeldungen. Der häufige Blick auf die schriftliche Vorlage oder das Protokoll kennzeichnet das Gespräch als formal, und zeigt, dass die Moderatorin sich in ihrem Diskurs an eine Vorlage hält. Die hierbei eingesetzten verbalen wie verkörperlichten Handlungen beschreiben ein Vorgehen, mit dem die Moderatorin ihre Entscheidungen als abgewogen und de‐ tailliert vor dem Hintergrund ihres fachlichen Wissens begründet. Über diesen Wissensvorsprung etabliert sie sich in ihrer doppelten Rolle als Moderatorin und Fortbildnerin. Das Geschehen baut sich auch über diverse informelle Elemente auf, wie die Nennung der Vornamen der Lehrenden, die umgangssprachlichen Ausdrücke zur positiven Bewertung wie z. B. „super“ sowie das Lächeln der Moderatorin, das eine entspannte und freundliche Atmosphäre schafft. Wie die vorherige leitet auch die zweite Sequenz aus der zweiten internatio‐ nalen Gesprächsrunde den Übergang von der Eröffnungsphase zur eigentlichen Besprechung ein. Im Raum befinden sich bereits fünf Teilnehmende, die oben auf dem Bildschirm im Porträt sichtbar sind, eine von ihnen hat versucht, telefonisch ihrer Kollegin vor Ort zu helfen, auf die Plattform zu gelangen (s. 62 1 Aufbau und Gesprächsführung in beruflichen Videokonferenzen <?page no="63"?> Sequenz 10). Nun warten alle auf ihren Eintritt in den virtuellen Raum. Da es sich anscheinend nur noch um wenige Minuten handeln wird, beschließt die Moderatorin anzufangen. Sequenz 12 (31.01.2018, Min. 8: 18-8: 59) Fragment 1 01 MOD ((…)) also ich ähh fang einfach jetzt- 02 - mal (.) an mit der VORrede +(--) °h äh, - - +guckt runter-> 03 - und die besteht darin+, - - ---->+ 04 - dass ich euch (.) alle, (.) 05 - die <<all> denen ich das noch NICHT- 06 - erzählt habe herzlich von ILSE grüßen soll, 07 - die heute LEIder nicht daBEI sein kann,> 08 - °hh und ich möchte aufklären, 09 - dass wir heute nur ZWEI videos haben, (-) 10 - christine hat zwar noch eins HOCHgeladen, 11 - (.) ähh aber das werden wir heute- (.) 12 - NICHT besprechen, 13 - +weil das ein bisschen (.) SPÄT war- + - - +wiegt Kopf u. Oberk., hebt geöff. Hand+ 14 - viele von euch das vielleicht- 15 - nicht mehr geSEHen haben.(---) Die Moderatorin setzt zu den Ankündigungen an, die sie als „Vorrede“ (Z. 01) bezeichnet, und antizipiert damit den Beginn der Besprechung. Ihr kurzer Blick auf die Vorlage bestätigt dies (Z. 02, 03). Dabei überbringt sie zunächst erneut den Gruß einer heute fehlenden Teilnehmerin (Z. 04-07). Die erhöhte Sprechgeschwindigkeit signalisiert, dass diesem Teil weniger Wichtigkeit bei‐ gemessen wird. Dem folgt die Ankündigung einer Änderung im Protokoll, die sich diesmal nicht auf die Reihenfolge, sondern auf die ursprünglich geplante Anzahl der zu besprechenden Videos bezieht. Das hörbare Einatmen sowie auch das Verb „aufklären“ (Z. 08) unterstreichen die Bedeutung der Mitteilung, die die reduzierte Videoauswahl (Z. 09) aufgrund des Ausschlusses eines zu kurzfristig hochgeladenen Videos betrifft (Z. 10). Die prosodische Hervorhebung von „NICHT“ sowie das Futur drücken aus, dass die diesbezügliche Entscheidung bereits gefallen ist: „(.) ähh aber das werden wir heute (.) NICHT besprechen,“ (Z. 11, 12), und die leicht steigende Tonhöhenbewegung am Schluss kündigt an, dass Erklärungen folgen. Diese schwächen die Gründe für 1.5 Formale und informelle Elemente 63 <?page no="64"?> den Ausschluss durch: „weil das ein bisschen (.) SPÄT war-“ durch die die Aussage mildernden wiegenden Bewegungen des Oberkörpers (Z. 13) und durch das Modalwort mit relativ geringem Wahrscheinlichkeitsgrad „vielleicht“ ab: „viele von euch das vielleicht nicht mehr geSEHen haben.“ (Z. 14, 15). Der Abfall der Tonhöhe und die kurze Pause am Ende der Zeile signalisieren nun - wenn auch nur begrenzt - die Möglichkeit zu Nachfragen seitens der Teilnehmenden. Fragment 2 16 - und: äh das heißt, 17 - wir haben heute (.) ZWEI videos, 18 - °hh un: was sehr SCHÖN ist, 19 - weil wir dann mit der notwendigen RUHE- 20 - und geLASSENheitdas auch wirklich- 21 - ausführlich besprechen können; (.) 22 - +°h und das machen wir: - (1.0 ) - - +guckt runter----> 23 - ähh +in dem modus (.) wie wir- - - --->+ 24 - das in der regel immer machen- ((…)) Im Folgenden wird der Ausfall des geplanten Videos von der Moderatorin als sehr positiv bewertet, da dadurch der auch in anderen Sitzungen bemerkten Zeitknappheit begegnet wird. Die Betonung der Worte „ZWEI“ (Z. 17), „SCHÖN“ (Z. 18), „RUHE“ (Z. 19) und der Fokusakzent in „GeLASSENheit“ (Z. 20) un‐ termauern die Entscheidung für die reduzierte Videoanzahl noch dahingehend, dass sich darüber die Qualität der Besprechung verbessert. Die Moderatorin geht dann mit Blick auf das Protokoll direkt zu der Schilderung über, wie bei der Besprechung der Videos vorzugehen ist (Z. 22-24). In der zweiten Sequenz wird mit dem Ausdruck „Vorrede“ die formale Struktur der Zusammenkunft definiert und der immanente Beginn der Bespre‐ chung antizipiert. Gleichzeitig macht der Begriff auch den monologischen Charakter der Ausführungen deutlich. Diese beginnen mit der Mitteilung einer verminderten Teilnehmendenzahl, einer Information, die die Moderatorin zu übermitteln hat. In einem weiteren Schritt kommuniziert sie die Entscheidung, ein von einem Lehrendentandem ausgesuchtes Video nicht zu besprechen. Dafür führt sie als Grund an, dass es zu spät hochgeladen wurde. Dies wird zwar als Begründung für den Ausschluss erwähnt, aber nicht mit einem Vorwurf verbunden, sondern im Gegenteil als Gelegenheit gewertet, sich qualitativ besser mit nur zwei Videos beschäftigen zu können. Indem sie diese Entschei‐ 64 1 Aufbau und Gesprächsführung in beruflichen Videokonferenzen <?page no="65"?> dung trifft, bekräftigt sie ihre Rolle als Moderatorin, die für das Gelingen der Bildungsmaßnahme verantwortlich ist. Die Teilnehmenden schauen bzw. hören ihrer „Vorrede“ zu. Signale, diese zu unterbrechen bzw. die Möglichkeit von Rückmeldungen sind im Diskurs nur eingeschränkt gegeben. In den beiden folgenden Sequenzen wird die Verknüpfung der formalen Orga‐ nisation der Meetings mit informellen Gesprächselementen besonders deutlich. Die dritte Sequenz ist der Beginn der dritten internationalen Gesprächsrunde. Auf dem Bildschirm seitlich sind die Köpfe und der obere Teil der Oberkörper von sechs Teilnehmenden sichtbar. Der folgenden Sequenz geht voraus, dass die Moderatorin mitgeteilt hat, dass trotz der Verspätung von zwei Teilnehmenden die Besprechung jetzt startet. Sequenz 13 (26.03.2018, Min. 12: 25-12: 40) 01 MOD ((…)) (-) ähm ja (.) also dann noch mal- 02 - offiziell herzlich willkommen, 03 - und hallo zur eigentlich LETzten runde- 04 - der +internationalen + gespräche, - - +verzieht etwas d. Gesicht+ 05 - +LEIder, + (-) - - +öffnet die Arme+ 06 - ähm (.) aber gut, 07 - wir sehen uns natürlich EH- 08 - bald in budapest noch mal; 09 - +(0.5) - mod +schaut runter--->> Die Besprechung wird mit einer offiziellen Begrüßung begonnen (Z. 02) und die Videokonferenz im Zeitplan der Bildungsmaßnahme betont als erste der letzten Runde verortet (Z. 3). Darüber bestimmt sich die Zusammenkunft als „formal“; gleichzeitig aber macht die zweite Begrüßungsformel „hallo“ den informellen Charakter offenkundig (Z. 03). Die persönliche Ebene wird auch im Folgenden beibehalten: „LEIder,“ (Z. 05) mit der prosodischen Hervorhebung der ersten Silbe, verbunden mit der vorangegangenen Mimik (Z. 04) drückt das Bedauern über das Ende der Zusammenarbeit aus, gekoppelt mit dem tröstenden Hinweis auf ein baldiges nochmaliges Wiedersehen (Z. 07, 08). Danach folgt eine kurze Pause, in der die Moderatorin auf die Tagesordnung bzw. ihre Notizen schaut (Z. 09) und dann mit der Tagesordnung startet. Die letzte Sequenz stammt aus dem Gespräch des folgenden Tags. In ihr kündigt die Moderatorin gegen Ende ihrer Einführung eine Änderung der Rei‐ henfolge der zu behandelnden Videos an, die noch nicht im Protokoll vermerkt 1.5 Formale und informelle Elemente 65 <?page no="66"?> war. Dies begründet sie durch die Vielzahl der von den Lehrenden genannten Themen bzw. Fragen, die nun aufgrund des Zeitrahmens zu komprimieren sind. Während der Sequenz ist die Moderatorin nicht sichtbar. Rechts seitlich sind die Gesichter und teilweise die Oberkörper von sechs Lehrenden zu sehen. Sequenz 14 (27.03.2018, Min. 11: 05-11: 53) 01 MOD ((…)) °hhh und ja als ALLERletzten PUNKT- 02 - habe ich noch EINE frage von renate- 03 - und erika aufgegriffen, (.) 04 - °h nämlich: die frage- (.) 05 - was sind die (.) vorteile- 06 - des gemeinsamen lesens und wie kann- 07 - die aktivität WEITERentwickelt werden; 08 - °hh ich (.) da <<belustigt> müsst ihr- 09 - jetzt gut AUFpassen, 10 - ^§ob ich das RICHTIG interpretiert habe,>^ - ils ^lächelt ^ - ren §lächelt---> 11 - dass es hier so ein bisschen °h ähm- (-) 12 - ja globALER§ vielleicht; (.) - - ---->§ 13 - §äh ein globaler blick§ auf dieses- - ren §nickt § 14 - lese (.) programm (.) gerichtet wird, 15 - und wie kann das zukünftig °hhh äh- 16 - verlängert werden und so weiter, (.) 17 - deshalb habe ich dann gedacht- 18 - das kommt vielleicht am ende- 19 - noch mal (-) ganz gut. 20 - (1.0) 21 - ↑SO (.) gibt es EINwände? 22 - ich habe jetzt [gerast ] (.) im sprechen? 23 ILS #[((lacht))] - Abb. #12 66 1 Aufbau und Gesprächsführung in beruflichen Videokonferenzen <?page no="67"?> Abb. 12 24 - ^⸾-*§(1.0) ^ - ils ^lacht, nicht vokalisiert ^ - eri ⸾lächelt----> - mit *lächelt----> - ren §lächelt----> 25 MOD hab ich was verGESSEN? ⸾*§ - eri ---->⸾ - mit ---->* - ren ---->§ 26 - ^§(0.5) ^§ - ils ^schüttelt den Kopf^ - eri §schüttelt den Kopf§ 27 MAK äh nein. 28 MEL nee. 29 MOD konnte mir jemand nicht folgen; 30 MAK (unverst.) 31 MEL nein. 32 MOD gut. ((…)) Sich gleichsam für die lange Ausführung entschuldigend, kündigt die Mode‐ ratorin mit besonderem Nachdruck auf den „ALLERletzten PUNKT“ (Z. 01) an, dass sie jetzt zum Ende kommt. Auch die Betonung, dass es sich nur noch um „EINE frage“ handle (Z. 02), verstärkt dies. Unter namentlicher Nennung der Lehrenden (Z. 02, 03) wiederholt sie nun deren Frage (Z. 05, 06, 07) und richtet sich dann an alle mit der Aufforderung: „°hh ich (.) da <<belustigt> müsst ihr jetzt gut AUFpassen, ob ich das RICHTIG interpretiert habe>“ (Z. 08-10). Das wird in belustigtem Tonfall gesagt, sodass der an Unterrichtsverhalten von Lehrenden erinnernde Ausdruck als spaßig wahrgenommen wird, wie es das Lächeln von Ilse und Renate bestätigen (Z. 10). Die Moderatorin nennt dann den Oberbegriff für die Frage, nämlich „ein globaler blick auf dieses lese(.) programm“ (Z. 13, 14). Die Abschwächungen in Zeile 11 durch „so ein bisschen“ 1.5 Formale und informelle Elemente 67 <?page no="68"?> und in Zeile 12 durch „vielleicht“ kennzeichnen ihre Zuordnung als Interpreta‐ tion, die einer Bestätigung bedarf. Die erhält sie über Renates Nicken (Z. 13). Auf der Grundlage dieses Konsenses begründet sie anschließend ihre Entscheidung, diesen Punkt zum Abschluss der Sitzung zu behandeln: „deshalb habe ich dann gedacht das kommt vielleicht am ende noch mal (-) ganz gut.“ (Z. 17-19). Nach einer Pause (Z. 20) bittet sie mit einem durch Tonhöhensprung und -stärke betonten „↑SO“, das den Neuansatz in Bezug auf die gesamte vorherige Abhandlung kennzeichnet (Stukenbrock 2010), um Rückmeldung zu dem vorgeschlagenen Vorgehen: „↑SO (.) gibt es EINwände? “ (Z. 21); dabei antizipiert sie in ihrer direkt folgenden Frage konkrete Verständnisprobleme, die durch ihr schnelles Sprechen verursacht sein könnten: „ich habe jetzt gerast (.) im sprechen? “ (Z. 22). Das Lachen von Ilse ist eine Reaktion auf diese Formulierung (Z. 23, Abb. 12), während eine Antwort auf die beiden Fragen ausbleibt. Auch in der anschließenden Pause liefert das Lächeln der Teilnehmenden keine Antwort (Z. 24). Daher präzisiert die Moderatorin ein zweites Mal ihre Frage, indem sie einen weiteren Grund für eventuelle Einwände anführt: „hab ich was verGESSEN? “ (Z. 25), worauf sie unmittelbar sowohl durch Kopfschütteln (Z. 26) als auch verbal verneinende Antworten erhält (Z. 27, 28). Auch auf eine letzte Frage zur Verständnissicherung (Z. 29) erfolgen zwei weitere verbale Rückmeldungen (Z. 30, 31), woraufhin die Veränderungen in der Tagesordnung als angenommen gelten können (Z. 32). Das letzte Fragment zeigt, wie im Protokoll für die Teilnehmenden unvor‐ hergesehene Umstellungen in der Tagesordnung angekündigt und begründet werden, und wie diesbezüglich um Rückmeldungen gebeten bzw. Konsens eingeholt wird. In der behandelten Sequenz geschieht das abschließend durch vier an die gesamte Gruppe gerichtete direkte Fragen, auf die, nach zwei Pausen, kurz verbal sowie durch Nicken und Lächeln Zustimmung ausgedrückt wird. Die Analyse der Sequenzen in diesem Unterkapitel zielte einmal darauf, die formalen Strukturelemente sowie informelle Aspekte im interaktiven Ge‐ schehen in der LEELU-Bildungsmaßnahme herauszuarbeiten. Dabei lag der Fokus insbesondere auf dem Umgang mit der Tagesordnung bzw. darauf, wie im Protokoll im Vorfeld angekündigte und auch unangekündigte Veränderungen in der Gruppe digital ausgehandelt werden. Es wurde hierbei deutlich, dass sich die Videokonferenzen bei LEELU an der Organisation und Durchführung berufli‐ cher Gespräche orientieren, indem die Moderatorin der Gruppe Veränderungen in der Tagesordnung mitteilt. Dabei wird zunächst ein gemeinsamer Kenntnis‐ stand sichergestellt. Im Fall der ersten Sequenz wird Bezug genommen auf bereits im Protokoll vermerkte Änderungen, in der letzten Sequenz geschieht es 68 1 Aufbau und Gesprächsführung in beruflichen Videokonferenzen <?page no="69"?> für die Teilnehmenden ohne Verweis auf das Protokoll. In allen Fällen wurden die Veränderungen explizit als wichtig für den Erfolg der Sitzung bzw. des Projekts dargestellt. Diese Ausführungen sind als Monolog angelegt, so wie es bei der Vorstellung des Protokolls oder der Tagesordnung üblich ist (s. o.). Die Lehrenden nehmen hierbei in erster Linie die Rolle der Zuhörenden ein, während sich die Sprecherin in ihrer Funktion als Moderatorin und über ihren Wissensvorsprung auch in der Rolle als Fortbildnerin etabliert. Es werden aber in dafür vorgesehenen Momenten ausdrücklich Rückmeldungen eingefordert, also Möglichkeiten zur Reaktion in Form von Rednerwechsel angeboten. Obwohl formal angelegt, enthalten die Besprechungen bei LEELU aber auch zahlreiche informelle Elemente der Alltagskommunikation. Hierunter fallen emotional gefärbte Ausdrücke der Bewertung, wie z. B. „super“. Des Weiteren wird seitens der Moderatorin offen Unsicherheit gezeigt oder geäu‐ ßert, z. B. durch die Verwendung des Modalworts „vielleicht“ oder mittels Abschwächungen durch die Wendung „ein bisschen“ oder Bemerkungen wie „ich glaube“ oder „ich denke“. Diese signalisieren, dass es sich bei dem Gesagten um Interpretationen handelt. Sie erfüllen einmal im Interaktionsverlauf die Funktion, von den Lehrenden Feedback zu erhalten, zum anderen auch Ent‐ scheidungen nicht als unilateral zu präsentieren. Die aufgezeigten Elemente beschreiben eine „behutsame“ Gesprächsführung, die darauf bedacht ist, das geplante Protokoll nicht einfach „umzukrempeln“, sondern die aufgrund der Fachkompetenz und des Fachwissens der Moderatorin vorgeschlagenen Verän‐ derungen auszuhandeln. Über diesen Gesprächsverlauf konstituiert sich ein kollegialer Stil, der zum Aufbau einer Gemeinschaft von Expert: innen in dem gemeinsamen Projekt beiträgt (s. auch das in allen Besprechungen durchgängig verwendete „wir“). 1.5 Formale und informelle Elemente 69 <?page no="71"?> 18 In den Unterkapiteln 2.1 und 2.3 werden einige Passagen aus den Artikeln Hoffmann (2023a/ b, 2024) in z.-T. leicht veränderter Form übernommen. 2 Kollegiales Feedback im digital gestützten Diskurs 18 2.1 Definition und Forschungsstand Kollegiales Feedback im Rahmen von Unterrichtsbeobachtung gehört nunmehr seit Jahren fächerübergreifend zur Professionalisierung und Kompetenzent‐ wicklung von Lehrenden, und auch auf der Forschungsebene gewinnt es zunehmend an Bedeutung. Die Tatsache, dass die 42. Frühjahrskonferenz zur Erforschung des Fremdsprachenunterrichts dem Feedback beim Lehren und Lernen von Fremd- und Zweitsprachen (Burwitz-Melzer et al. 2022) ge‐ widmet war, zeugt nicht nur von diesem Interesse, sondern zeigt auch, dass es einer differenzierteren Auseinandersetzung mit dem Thema bedarf. Das Lehrendenfeedback, worunter gewöhnlich die Reaktion der Lehrenden auf Äußerungen der Lernenden im Unterrichtskontext verstanden wird, ist zwar seit Jahrzehnten Gegenstand der Unterrichtsforschung, deckt aber eben nur einen Teil des Feedbackspektrums ab. So sollte nach Klippel (2022: 61) der Wunsch nach der „Entwicklung eines breiteren Umgangs mit Feedback in der Lehrkräftebildung“ Untersuchungen anstoßen, in denen „unterschiedliche Aspekte des Feedback-Erteilens und -Rezipierens theoretisch und empirisch erforscht würden“. Das heißt, wie Feedback unter Lehrendenkolleg: innen aus‐ gehandelt wird, stellt offensichtlich noch ein Forschungsdesiderat dar, denn es gibt kaum empirisch fundierte Erkenntnisse zu diesem Lernangebot (Funk 2016: 45, 68; Salzmann 2015: 28). Es mangelt an Wirkungsstudien und insbesondere an Untersuchungen, die die Interaktions- und Verstehensprozesse in Präsenz sowie in digitalen Räumen rekonstruieren, d. h. wie (Fremdsprachen)Lehrende im Dis‐ kurs untereinander mit Feedback umgehen und dieses aushandeln. Die aus dem vorwiegend angelsächsischen Raum stammenden mikroanalytischen Studien befassen sich schwerpunktmäßig mit Gesprächen in Mentoraten (u. a. Copland 2010, 2011, 2012; Copland et al. 2009; Farr 2011; Kim / Silver 2021; Topal / Ap‐ toula 2022; Waring 2012, 2013, 2014, 2017; für das Spanische Batlle / Seedhouse 2022), Interaktionsdaten zu kollegialem Feedback unter DaF-Lehrenden liegen meines Wissens nicht vor. Als ein (mehr oder weniger institutionalisiertes) Angebot von arbeitsplatzbe‐ zogenem, kooperativem Lernen stellt das kollegiale Feedback eine Verknüpfung <?page no="72"?> der eigenen Berufspraxis mit der Fort- und Weiterbildung von Lehrenden dar. Es findet meist im Rahmen von Unterrichtsbeobachtung statt: Die Lehrenden beobachten sich erst abwechselnd gegenseitig und geben sich anschließend zu vorher gemeinsam abgesprochenen Punkten und Fragestellungen „informa‐ tionsgestützte Rückmeldung“ (Funk 2016: 11). Diese zielt darauf, „das Verhalten des Empfängers oder der Empfängerin zu beeinflussen“ (Salzmann 2015: 22). Es kann sich dabei um positives Feedback im Sinne von Bekräftigung handeln oder um ein negatives oder kritisches Feedback. Beide Formen erfüllen potenziell sowohl eine informative als auch eine emotionale und motivationale Funktion, die zur Orientierung und Unterstützung der eigenen Wissenskonstruktion sowie zu einer künftigen Regulierung des eigenen Handelns führen können (Farr 2011: 19-30). Damit ist „Feedback […] hier also vielmehr ein Element einer (mehr oder weniger zielgerichteten) Diskussion zwischen Lehrpersonen über Unterricht […]“ (Salzmann 2015: 23). Als eine Kooperation unter Gleichge‐ stellten handelt es sich um ein tendenziell symmetrisch angelegtes Lernarran‐ gement (Funk 2016: 44; Salzmann 2015: 26). Auf den ersten Blick unterscheiden sich davon andere Feedbacksituationen in der Lehrendenausbildung, z. B. die oben erwähnte Mentor: innen-Lehrenden-Konstellation, wo neben unterschied‐ licher Expertise auch hierarchische Verhältnisse mit hineinspielen (können) (Funk 2016: 43). So legt Copland (2011: 16) in ihren Untersuchungen zur Englischlehrendenausbildung Gesprächsstrukturen offen, die deutlich eine direk‐ tive Gesprächsführung und darüber ein asymmetrisches Verhältnis zwischen den Teilnehmenden kennzeichnen: „However, it is notable that trainees tend to direct both their talk and their attention to the trainer, who also has the right to self-select, interrupt, and nominate who will speak“. In den untersuchten Gesprächssequenzen weist sie Spannungen nach, die bei den Auszubildenden Reflexionsprozesse erschweren oder sogar verhindern (Copland 2010; Copland et al. 2009: 18). Zu einer Verbesserung dieser Situation könne eine gezielte Vor‐ bereitung auf die Mentor: innentätigkeit beitragen, in der die Auszubildenden in den Feedbackprozess bewusster eingebunden werden (Copland 2010: 471/ 472; Copland et al. 2009: 21). Ähnlich resümieren Kim und Silver (2021: 324) in ihrer Untersuchung zur Unterrichtsbeobachtung von Hochschullehrenden als Mentor: innen in Grundschulklassen: In other words, by enacting a feedback-provider role, the mentor contributes to shaping the interaction in a way that places the teacher in a position of responding to feedback, thus possibly inhibiting the teacher’s reflection orientation. Alternatively, an episode can be structured in a way that gives a less primary voice to the mentor and provides more space for the teacher to reflect. 72 2 Kollegiales Feedback im digital gestützten Diskurs <?page no="73"?> Dagegen ließen sich bei Waring (2012: 110) in den von ihr untersuchten Ge‐ sprächen zwischen Mentor: innen und Lehramtsstudierenden im Fach Englisch sowohl bei positivem als auch negativem Feedback durchgehend kollaborative, nicht direktive Aushandlungsprozesse beobachten: In sum, in these data, the mentor’s assessment appears to be treated by the teacher as an opportunity to share their own perspectives. A positive assessment can garner either affiliative or disaffiliative uptake, where the teacher presents an independent analysis of her success or reconsiders a pedagogical practice that has just been deemed favorable by the mentor. In the case of negative assessment, the teacher produces an account that asserts her effort at minimizing the undesirable. Such an assertion can constitute the beginning of further in-depth considerations of the nature of the difficulty as well as potential solutions. Letztgenannte Studie liefert einen Hinweis darauf, wie speziell kritisches Feed‐ back so ausgehandelt werden kann, dass es Lernprozesse anstößt, indem es eben nicht als bedrohlich rezipiert und damit zurückgewiesen wird, sondern auf einer Ebene gegenseitigen Verständnisses eine gemeinsame Aufgabe bewältigen hilft. Das kollegiale Feedback wurde bei LEELU im Rahmen eines kognitiv-kon‐ struktivistischen Lernmodells konzeptualisiert, das für die Professionalisierung von Lehrenden als vielversprechend angesehen wird und nachhaltig zu ihrer Kompetenzentwicklung beiträgt (Funk 2016: 1). Dabei sollte ein dreistufiger Perspektivwechsel (schulintern, lokal, international, s. Einführung) den Aus‐ tausch und damit die Feedbackmöglichkeiten noch erweitern. Dem sollte auch die Moderation dienen, der neben der Organisation der Gespräche und - falls erforderlich - der Informationsvermittlung (Dawidowicz et al. 2019: 34) vor allem die Aufgabe zukam, die Lehrenden bei der sich in Interaktion konstitu‐ ierenden Unterrichtsanalyse durch einen nicht-direktiven Moderationsstil zu unterstützen (Dawidowicz et al. 2019: 35; vgl. auch Siebold 2019). Dem Vorgehen lag ein Modell zugrunde, das die Lehrenden vom Beobachten über das Ver‐ stehen zum Verändern führen sollte (Dawidowicz et al. 2019: 31/ 32). Allerdings zeigten sich bei der Durchführung auch unvorhergesehene Schwierigkeiten und Grenzen, die auf den Bedarf einer tiefer gehenden Vorbereitung der kollegialen Videoanalyse und des damit verbunden Feedbackprozesses hinweisen: Für zukünftige Angebote empfehlen wir, mit Blick auf die Gespräche über Unterricht diesbezügliche Gewohnheiten und die Rolle der Kritik - sowie auch deren kulturspe‐ zifische und individuelle Ausprägungen im Team - ausführlich zu thematisieren. Es sollte bei allen Beteiligten eine klare Vorstellung davon entwickelt werden, wie man auf eine kollegiale Weise Videosequenzen kritisch analysieren und konstruktive Rückmeldungen formulieren kann (Dawidowicz et al. 2019: 37). 2.1 Definition und Forschungsstand 73 <?page no="74"?> Dies bestätigen ebenfalls sowohl die Studie von Hoffmann und Kasper (2021) zum Umgang der Lehrenden mit den Videosequenzen als auch die im Abschluss des Projekts durchgeführte Interviewstudie von Hofmann (2021: 117), in der auch Fremdheit gegenüber der anderen Lehrperson bzw. deren Gegebenheiten vor Ort aufgezeigt werden (ebd.: 113/ 114). Wenden wir uns nun der Analyse einzelner Sequenzen aus dem LEELU-Pro‐ jekt zu, in denen positives (2.2) sowie kritisches Feedback (2.3) unter den Kolleg: innen ausgehandelt wird. Speziell Letzteres soll mit Fokus auf Zurück‐ weisung als responsive Handlung (2.3.1) ausgeleuchtet werden; ebenso wird auch ein Beispiel angeführt, wie eine Reformulierung von kritischem Feedback zu seiner Annahme bei der Kollegin führt (2.3.2). Dabei wird der in der Konversa‐ tionsanalyse gängige Feedbackbegriff, womit vor allem die Aufgabe verbunden ist, den Fortgang des Gesprächs zu gewährleisten (s. u.), durch die empirische Forschung zum „assessment“ (im Sinne von wertendem Feedback) erweitert, um das wie oben definierte kollegiale Feedback angemessen zu erfassen. 2.2 Positives Feedback Rückmeldungen, wie z. B. sich zu bedanken, Ausdrücke der Wertschätzung oder generell positive Wertungen bzw. Einschätzungen sind ein wesentliches Ele‐ ment der Organisation formeller Besprechungen. Als meist kurze Äußerungen unterstützen sie den sequenziellen Verlauf der Gesprächsführung, fungieren als Überleitungen zwischen den Redebeiträgen und halten darüber den Diskurs in Gang: In studies of institutional interaction, thanking and positive assessments have been observed to be key resources in segmenting the flow of agenda-driven interaction (see e.g., Koivisto 2009; A. Lindström & Heinemann 2009; J. Lindström et al. 2019; Mikkola & Nissi, submitted). (Virtanen / Niemi 2023: 209) Darüber hinaus erfüllen sie die Funktion, eine freundliche und vertrauensvolle Atmosphäre zu schaffen, wobei die Unterschiede zwischen Komplimenten und positiven Ein- oder Wertschätzungen oft fließend sind (Clayman / Heritage 2014: 63/ 64; Golato 2005: 113-116; Virtanen / Niemi 2023: 230). Des Weiteren bestätigen Virtanen und Niemi in ihrer Studie zu positivem Feedback (2023) in einem virtuellen Workshop für Mitarbeitende in einem finnischen Kindergarten unterschiedliche Niveaustufen und Funktionen von positivem Feedback (vgl. auch Antaki 2002; Antaki et al. 2000; Lindström / Heinemann 2009): Niedrig einzustufende positive Rückmeldungen, wie z. B. „gut“, „nett“ oder „schön“ markieren die Beendigung einer kleineren Aufgabe bzw. leiten zur nächsten 74 2 Kollegiales Feedback im digital gestützten Diskurs <?page no="75"?> über, während Ausdrücke hoher Wertschätzung wie z.-B. „super“, „fantastisch“ oder „ganz herzlichen Dank“ dazu dienen, den Abschluss komplexerer und gemeinsam durchgeführter Handlungen zu signalisieren. Auf Letztere folgen meist weitere Ausführungen bzw. Begründungen, warum die Handlung eine so positive Beurteilung verdient (Virtanen / Niemi 2023: 220). In der LEELU-Bildungsmaßnahme überwiegen generell positive, z. T. kurze Formen von Feedback, die eine freundliche und kooperative Atmosphäre unter den Kolleg: innen kennzeichnen. Sie drücken z. B. das Einverständnis mit dem Handeln der Kolleg: innen aus oder loben deren Tätigkeit, indem sie sie als gutes Vorbild für den eigenen Unterricht ansehen. Neben ihrer organisatorischen Funktion in der Gesprächsführung (s. o.) dienen diese positiven Rückmeldungen der Bekräftigung des Handelns der Lehrenden im Unterricht und schaffen über die gegenseitige Anerkennung und Würdigung beruflicher Kompetenzen ein Klima des Vertrauens unter Kolleg: innen. Auf solch positive Einschätzungen oder Wertungen folgt fast ausschließlich deren (freudige) Annahme seitens der (gelobten) Lehrerkolleg: innen (vgl. Shaw / Kitzinger 2011). Die beiden folgenden Sequenzen sollen dafür als Beispiel gelten. Die erste stammt aus der ersten internationalen Videokonferenz der Bil‐ dungsmaßnahme, bei deren Ende es u.-a. um den Einsatz von Reflexionsheften zum Austausch über die Leseerfahrung in den Klassen geht. Im Anschluss an ihre Tandempartnerin ergänzt die Lehrende Doris (nicht auf dem Bildschirm sichtbar), wie sie diese Hefte in ihrer Klasse zum Ausklang der Lesephase einsetzen. Das führt sie genauer aus, während in der Mitte des Bildschirms das Protokoll von der Projektmitarbeiterin für alle ersichtlich bearbeitet wird. 2.2 Positives Feedback 75 <?page no="76"?> Sequenz 15 (27.11.2017, Min. 57: 36-58: 33) 01 DOR ((…)) und was wir noch machen? # - Abb. #13 - - - Abb. 13 02 - also (.) wie wir immer- 03 - diese phasen abschließen, 04 - äh das ende der lesephase wird- (-) 05 - durch musik (.) markiert. ((…)) 06 MOD +aha, + - - +hebt den Kopf und nickt+ 07 ISE eine tolle idee. 08 ORN #<<lachend> ja (.) ja finde ich auch.> - Abb. #14 - - - Abb. 14 09 MOD +ähä, + - - +nickt, lächelt+ Doris fügt hinzu, dass sie in ihrer Klasse die Reflexion am Ende der Lesephase mit Musik unterlegen. Sie erhöht dabei durch die steigende Intonation am Ende von Zeile 1: „und was wir noch machen? “ eine gewisse Spannung und Neugier, was sich auch in den Gesichtern der Lehrenden widerspiegelt (Abb. 13), um dann mit „also“ die konkrete Beschreibung der Tätigkeit zu beginnen. Diese 76 2 Kollegiales Feedback im digital gestützten Diskurs <?page no="77"?> wird als bereits bewährte Praxis; „also (.) wie wir immer diese phasen abschließen,“ (Z. 02, 03) ausgewiesen. Der Spannungsaufbau gelingt auch dadurch, dass das Wort „Musik“ erst am Schluss des Satzes fällt (Z. 05). Wie das Vorgehen weiter gehandhabt wird, führt Doris dann detaillierter aus (nicht im Transkript). Das Ende der Ausführung wird durch die Moderatorin bestätigt (Z. 06), die darüber den Lehrenden die Möglichkeit zu Feedback anzeigt. Das erfolgt zunächst verbal und mit sehr positiver Rückmeldung durch Ilse: „eine tolle idee.“ (Z. 07). Dem pflichtet daraufhin Ornella bei. Dies geschieht sowohl verbal: „<<lachend> ja (.) ja finde ich auch>“ als auch durch sicht- und hörbares Lachen (Z. 08, Abb. 14). In dieser Sequenz sieht man, wie die Moderatorin ihr Feedback zur Weiter‐ führung des Gesprächs einsetzt, ohne dabei zu werten (Z. 06, 09). In diesem Sinne dient es nicht nur der Rückmeldung für Doris, dass ihren Ausführungen gefolgt wurde, sondern auch als Aufforderung für die teilnehmenden Lehrenden, Dorisʼ Initiative zu beurteilen. Dies geschieht auch unmittelbar. Beide Lehrkräfte stimmen der Idee, das extensive Lesen mit Musik zu verbinden bzw. die Lesephase so ausklingen zu lassen, begeistert zu, worüber Doris (und ihre Tandempartnerin) in ihrem Handeln bestärkt werden. Das Lachen von Ornella unterstützt nicht nur ihre Zustimmung, sondern ist implizit auch eine Würdi‐ gung (Lob, Anerkennung) der Lehrkompetenzen der Kolleginnen und verbindet die Lehrenden in der gemeinsamen Aufgabenbewältigung und Zielsetzung (Gathman et al. 2008: 275/ 276). Es erfüllt darin eine vergleichbare Funktion wie in Präsenzsitzungen, indem es Zusammengehörigkeit schafft (vgl. Markaki et al. 2010: 1527). Die zweite Sequenz ist aus der Besprechung am folgenden Tag. Im letzten Teil wird auch hier über Möglichkeiten gesprochen, wie die Schüler: innen zur Reflexion bezüglich ihrer Leseerfahrungen angeregt werden können. Die Lehr‐ kraft Gisela hat erzählt, dass sie in ihrer Klasse ein Blatt, auf dem nur das Wort LEELU steht, als Gedankenanstoß eingesetzt hätten. Die Moderatorin erwähnt darüber hinaus, dass im vorangegangenen Treffen von Reflexionsheften und Blogs berichtet wurde, und schließt mit der Frage nach weiteren Möglichkeiten, wie man die Reflexionsfragen einsetzen könnte. 2.2 Positives Feedback 77 <?page no="78"?> Sequenz 16 (28.11.2017, Min. 45: 58-47: 34) Fragment 1 01 MOD ((…)) ↑hat jemand die reflexionsphasen- 02 - äh fragen noch äh- 03 - in anderer ah weise eingesetzt? 04 - ƒ(3.0) ƒ - gis ƒguckt konzentriert auf den bildschimƒ 05 MOD nein? 06 GIS <<verhalten lachend> nein.> 07 MOD °h <<verhalten lachend> okay.> 08 - (1.0) 09 ERI hm. 10 MOD +⸾gut. ⸾ - - +lächelt----> - eri ⸾lächelt⸾ 11 - +auch interessant.+ - - +nickt lächelnd + Auf die Frage der Moderatorin, ob noch andere Formen der Reflexionsfragen zum Einsatz gekommen sind (Z. 01-03), erhält sie zunächst keine Antwort (Z. 04). Das Schweigen legt sie als Verneinung aus und bittet um Rückmeldung: „nein? “ (Z. 05). Darauf erfolgt Giselas die Verneinung bestätigende Antwort (Z. 06), die von einem verhaltenen Lachen begleitet wird und kurz danach auch von der Kollegin Erika Unterstützung findet (Z. 09). Giselas Lachen könnte auf eine gewisse Verlegenheit hindeuten. Daraufhin quittiert die Moderatorin zu‐ nächst, wohl leicht überrascht, die knappe negative Antwort: „<<verhalten lachend> okay.>“ (Z. 07) und dann sogar mit einer positiven Wertung durch „gut.“ (Z. 10) gefolgt durch: „auch interessant.“ (Z. 11). Sie zeigt darin ihre offene Einstellung gegenüber dem Handeln der Lehrenden und bestätigt darüber die das Projekt leitenden Kategorien „Experimentieren“ und „Forschen“ (s. 3.4). Dies unterstreicht auch ihr Lächeln (Z. 10, 11), das von Erika erwidert (Z. 10) wird und auf ein gemeinsames Verständnis hindeutet. Fragment 2 12 - äh: warum eigentlich- 13 - +nicht? + - - +lächelt, nähert s. d. Bildschirm+ 14 - (1.0) 15 MAR also (.) ich kann relativ gut sagen, 78 2 Kollegiales Feedback im digital gestützten Diskurs <?page no="79"?> 16 warum ich bisher: NICHT so viel- 17 - reflektIERT habe und auch nicht- 18 - so viel darüber geSPROchen habe. 19 - °h weil ich einfach WOLLte- (.) 20 - dass sie lesen. 21 MOD hm. 22 MAR ((…)) ich glaube aber, 23 - dass wir ↑jetzt an den punkt kommen, 24 - wos die reflexion äh- 25 - wo die schon sinnvoll wäre- 26 - deshalb äh gefällt mir das GUT- 27 - dieses leere blatt mit leelu, (---) 28 - erst mal ohne irgendwelche fragen- 29 - einfach nur draufschreiben- 30 - was kommt in dir hoch? ((…)) 31 - (2.0) 32 ERI ja (.) dann bin ich mit euch einverstanden. Da auf die Verneinung ihrer Frage keine weitere Erklärung folgte, fragt die Moderatorin noch mal nach, warum sich die im Projektteam vorbereiteten Fragen anscheinend als nicht so nützlich erwiesen haben: „äh: warum eigentlich nicht? “ (Z. 12, 13), wobei durch die Partikel „eigentlich“ eine gewisse Verwunderung darüber ausgedrückt wird, vor allem aber der Wunsch, die Gründe zu erfahren, warum das so ist. Ihr Lächeln und die Annäherung an den Bildschirm drücken dabei das fachliche bzw. wissenschaftliche Interesse der Projektleiterin an einer Antwort auf diese Frage aus und schaffen das Vertrauen bei den Lehrenden, dass sie bzw. ihr Verhalten nicht gewertet werden. Daraufhin setzt nach kurzer Pause (Z. 14) die Lehrende Mareike an (Z. 15), die ausführlich erklärt, warum sie die Fragen bisher nicht angewandt hat (z. T. nicht im Transkript). Dabei kommt sie auf Giselas Vorschlag (nicht im Transkript) zurück, stuft ihn als gut ein: „deshalb äh gefällt mir das GUT-“ (Z. 26) und reflektiert ihn (Z. 27-30). Erika schließt sich daraufhin dem positiven Urteil an. Dabei stimmt sie sowohl der Initiative von Gisela (das Wort LEELU auf dem Blatt als Reflexionsanlass) als auch Mareikes Überlegungen bzw. Begründungen für einen späteren Einsatz der Reflexionsfragen zu. Der Bezug auf „euch“ und der Gebrauch des resümierenden „dann“ deuten darauf hin, dass die positive Einstellung zu den Überlegungen der Kolleg: innen einen eigenen Reflexionsprozess ausgelöst hat: „ja (.) dann bin ich mit euch einverstanden.“ (Z. 32). 2.2 Positives Feedback 79 <?page no="80"?> In dieser Sequenz verrät das Verhalten der Lehrkräfte anfänglich einen - wenn auch nur leichten - Rechtfertigungszwang gegenüber der Projektleitung. Interessant erscheint diesbezüglich die Zweistufigkeit in der Reaktion der Moderatorin, die auf die erhaltene negative Antwort zuerst mit einer positiven Wertung reagiert und dann erst in einem zweiten Schritt um eine Erklärung dafür nachsucht. Sie versucht dabei durch die Gesprächsführung (inklusive ihres Lächelns), Vertrauen und ein Klima der Akzeptanz zu schaffen, in dem sich die Lehrenden frei äußern können. Hierbei treten allerdings Unterschiede zutage, einmal in Bezug auf deren Reflexionsfähigkeit, aber auch bezüglich der sprachlichen Kompetenzen, Reflexionen auszudrücken. So erklärt nicht Gisela, sondern Mareike, warum die Materialien noch nicht eingesetzt wurden, und gibt dabei positives Feedback bezüglich des Unterrichtsverhaltens der Kollegin Gisela, deren Vorschlag sie reflektiert und für den eigenen Unterricht übernimmt. Die ebenfalls reflektierte Zustimmung von Erika schafft Konsens unter den Lehrenden. 2.3 Negatives oder kritisches Feedback Beim „Normalverhalten“ im Alltag wird in Anlehnung an Sacks (1987) und Schegloff et al. (1977) von einer „universellen“ Vorliebe für Kooperation bzw. einem Vorherrschen von konfliktvermeidenden Handlungen als grundle‐ gendem Prinzip ausgegangen; auch im LEELU- Gesamtkorpus lassen sich nur wenige Sequenzen nachweisen, in denen negatives oder kritisches Feedback vorgebracht wird. Auf diesem „Grundprinzip“ basierend, zeigt Antaki (1994: 80), dass die zu erwartende (präferierte) Reaktion beispielsweise darin besteht, einer Bitte oder Aufforderung nachzukommen oder eine Frage zu beantworten. Bei unerwarteten (dispräferierten) Reaktionen, wenn z. B. eine Einladung ausge‐ schlagen oder auf eine Frage keine Antwort gegeben wird, antizipiert Schweigen eine verspätete Rückmeldung bzw. signalisieren ausweichende Bemerkungen einen Einwand oder Ablehnung, auf die meist eine Erklärung folgt (s. o.). Nur im Fall einer Anschuldigung oder eines Vorwurfs ist eine direkte Zurückweisung zu erwarten (ebd.). Diese Grundregel interaktiven Verhaltens schließt natürlich nicht aus, dass es Gesprächskontexte gibt, in denen negative oder gar kontrastive Rückmeldungen eher den Normalfall darstellen, wie z. B. im akademischen Diskurs (Tannen 2002). Darüber hinaus haben kulturelle Unterschiede und die Verwendung unterschiedlicher Sprachen das Spektrum, wie Dissens ausgedrückt wird, er‐ heblich erweitert: „[…] all demonstrate that variation in disagreement strategies is even greater in cross-language, cross-cultural comparisons“ (Yaeger-Dror 80 2 Kollegiales Feedback im digital gestützten Diskurs <?page no="81"?> 19 Für eine ausführliche Behandlung der beiden Sequenzen siehe Hoffmann 2023b. 2002: 1504). So wird vor dem Hintergrund des aktuellen Erkenntnisstands davon ausgegangen, dass kulturelle Unterschiede und der jeweilige Gesprächskontext eine wichtige Rolle dabei spielen, nicht nur wie, sondern auch ob eine Ableh‐ nung erfolgt oder ein Nichteinverständnis ausgedrückt wird (Edstrom 2004: 1501; vgl. auch Holmes / Marra 2004: 456). Des Weiteren haben sich in der videobasierten Interaktion bestimmte, durch die Technik bedingte Gesprächs‐ praktiken herausgebildet (s. 1.1, 1.2, vgl. dazu auch Lamy 2004: 526). Dazu gehört beispielsweise, dass - wie bereits erwähnt - Schweigen seine Funktion erweitert hat, in dem Sinne, dass es auch Konsens ausdrücken kann. Das grundsätzliche Bestreben im Gespräch negative Reaktionen zu ver‐ meiden, zu reduzieren oder zu mildern, macht den Umgang mit negativem oder kritischem Feedback zu höchst komplexen Aushandlungsprozessen. Diese zeigen sich in diversen Strategien bzw. in den Reaktionen darauf. Dazu gehören z. B. verkörperlichte Handlungen wie Lächeln, verringerter Nachdruck beim Gebrauch von Negationen bzw. kritischen Ausdrücken (Kaufmann 2002) oder das Anführen anderer Personen, die den Einwand oder die negative Kritik teilen (Kangasharju 2002: 1466). Diese Strategien verfolgen grundsätzlich das Ziel, Gesichtsverlust zu vermeiden (vgl. z.-B. Laforest 2002). 19 Bisher gibt es, wie gesagt, noch kaum konversationsanalytische Untersu‐ chungen von Gesprächen unter Lehrenden über ihren Unterricht allgemein und zum negativen Feedback speziell (Battle / Seedhouse 2022: 1079; Topal / Aptoula 2022: 2). Im Unterschied zu dem oben erwähnten mentoring ist die Konstellation bei Besprechungen unter Kolleg: innen symmetrisch angelegt in dem Sinne, dass es sich nicht um Expert: innen, die beobachten, und Lehramtsanwärter: innen, die beobachtet werden, handelt, sondern um gleichgestellte Lehrende, die beide Beobachtungsfunktionen übernehmen. Dabei sei allerdings auf den Rol‐ lenunterschied verwiesen, der sich situativ bei Gesprächen unter Lehrenden zwischen Beobachteten und Beobachtenden ergibt und die erwähnte Symmetrie ansatzweise unterläuft: As has been stated before, PO (peer observation, SH) is in theory implemented by teachers or trainees with an equal relationship status (Gosling 2002). Teachers maintain a symmetrical relation, but their roles are temporarily different during PO: both are teachers, but one is the observer, whereas the other is the observee. Epistemically, this difference is meaningful. (Batlle / Seedhouse 2022: 1081) Aufgrund drohenden Gesichtsverlusts unter Kolleg: innen macht der gemein‐ same Expertenstatus grundsätzlich das Aushandeln negativen Feedbacks zu 2.3 Negatives oder kritisches Feedback 81 <?page no="82"?> einem vielschichtigen Interaktionsprozess (Topal / Aptoula 2022: 2). Dies be‐ legt die Studie von Batlle und Seedhouse (2022) zu negativem Feedback im Rahmen einer Fortbildungsmaßnahme von acht Lehrkräften für Spanisch als Fremdsprache. In den videografierten Gesprächsrunden kam kritisches Feed‐ back häufig vor und wurde in sämtlichen Sequenzen von den Lehrenden angenommen. Die Untersuchung offenbart eine Gesprächsstruktur, bei der die kritisierte Lehrkraft grundsätzlich ihr Einverständnis ausdrückt, worauf die/ der Kritik vorbringende Kolleg: in reagiert, indem sie/ er die gemeinsame berufliche Erfahrungs- und Handlungsebene hervorhebt. Dies trägt nach Batlle und See‐ dhouse (2022: 1095) entscheidend dazu bei, Gesichtsverlust zu verhindern: Stepping into the shoes of the observee, the observer is downgrading the negative assessment, so the performance assessed is seen as embodying fairly universal teaching problems that the observers, as teachers have experienced too. Zu einem ähnlichen Ergebnis kommen auch Topal und Aptoula (2022), die in ihrer Untersuchung neben der Solidarität zwischen den Lehrenden einen flexiblen Umgang mit den Rollen von Beobachtenden und Beobachteten sowie eine Abschwächung von kritischen Formulierungen feststellten. Aus dem LEELU-Datenkorpus wurden zwei Sequenzen ausgewählt, in denen kritisches Feedback zurückgewiesen wird. Hierbei traten unterschiedliche Aspekte hervor: Einmal, mit welchen Mitteln die initiative Kritik und die responsive Zurückweisung erfolgen und zum anderen, wie sich dabei über die unterschiedlichen Kompetenzen der Lehrenden auch unterschiedliche Rollen abzeichnen. Das Gesprächsthema in Sequenz 17 sind die Reflexionsphasen der Lernenden zu den von ihnen gelesenen Büchern. Die Moderatorin kündigt das folgende Tandempaar und dessen Video an und eröffnet die Diskussion mit der Auffor‐ derung, noch offene Fragen zu stellen. Die Unterrichtssequenz, auf die Bezug genommen wird, zeigt, wie in einer Klasse eine Aufgabe mit dem Namen „Aqua‐ rium“ durchgeführt wird. Diese Aufgabenstellung war allen Lehrenden zwecks einer möglichen Initiierung und Unterstützung von Reflexionsprozessen im Einführungsseminar zu der Bildungsmaßnahme erklärt und die Vorlage ausge‐ händigt worden. In der Mitte des Bildschirms ist zu Beginn das Standbild der zuvor besprochenen Unterrichtssequenz mit den Kommentaren der Lehrenden zu sehen; rechts davon, an der Seite, erscheinen die Köpfe der Lehrenden und der Projektmitarbeiterin. Die Moderatorin ist nicht zu sehen. 82 2 Kollegiales Feedback im digital gestützten Diskurs <?page no="83"?> Sequenz 17 (27.03.2018, Min. 12: 25-20: 22) Fragment 1 01 MOD ((…)) °h und die frage wäre vielleicht- 02 - jetzt an die gruppe, 03 - °h ähm also welche FRAgen noch OFfen- 04 - geblieben sind für euch- 05 - wenn es darum geht- 06 - wie man dies wie man- 07 - diese ph wie man diese phasen- 08 - gestalten kann. 09 - (7.0) + ^(2.0) - ils ^führt d. Mikrofon zum Mund--> 10 ILS na ja. 11 - (1.5) 12 ILS hört ihr mich? 13 MOD ja. 14 MIT? ja. 15 ILS okay.^ - - ---->^ 16 - ähm (1.0) es gab dieses aquarium- 17 - bei melissa und markus nicht? 18 - das war das aquariumverfahren, 19 - das gemacht wurde, - - (auf d. Bildsch. erscheinen Videofiles) 20 - °h ähm und ich habe eigentlich- - - (Klingelgeräusch) 21 - da: äh ähh mich abgefragt ob- (.) 22 - es tatsächlich wenn man- 23 - mit einer kleineren gruppe arbeitet, 24 - auch etwas BRINGT, 25 - m äh noch die #zuschauer(ring) zu haben, - Abb. #15 2.3 Negatives oder kritisches Feedback 83 <?page no="84"?> Abb. 15 26 - um dieser schon eigentlich- 27 - kleinen tisch (.) von äh leuten, 28 - die haben geredet, 29 - ähh also was- (.) 30 - hat das dann gebracht? 31 - habt ihr das können äh- 32 - idi identifizieren können? 33 - °h ähm äh was war: (.) ähm- 34 - ja was war eigentlich GUT daran, 35 - das so zu tun, 36 - und diese grup gruppe aufzuteilen, 37 - °h äh (1.0) ähm- 38 - denn es hat ja (---) ich,(---) 39 - [das wundert] mich eigentlich, 40 MAK [okay- ] 41 ILS einfach eine frage. 42 - (1.5) 43 MAK melissa (.) willst du sprechen darauf,((…)) Die Moderatorin richtet ihre Aufforderung, Fragen zu stellen, an die gesamte Gruppe (Z. 01-08). Während einer längeren Pause (Z. 09) bereitet sich Ilse sichtbar auf eine Äußerung vor, indem sie nach ihrem Mikrofon greift und es an den Mund führt (Z. 09-15), dabei setzt sie zunächst etwas zögernd mit „na ja.“ (Z. 10) ein. Daraufhin vergewissert sie sich nach einer kurzen Pause (Z. 11), dass man sie hört (Z. 12), was auf einen längeren Redebeitrag hindeuten könnte. Nach erhaltener Bestätigung (Z. 13, 14) und richtiger Positionierung des Mikrofons kündigt Ilses „okay.“ (Z. 15) an, dass sie nun zu ihrer Äußerung 84 2 Kollegiales Feedback im digital gestützten Diskurs <?page no="85"?> ansetzt. Diese adressiert sie namentlich an das Tandem „Melissa-Markus“ (Z. 17) und dessen Unterrichtssequenz bzw. Durchführung der Aufgabe „Aquarium“ (Z. 16, 18). Mit der Nachfrage „bei melissa und markus nicht? “ (Z. 17) vergewissert sie sich, dass es sich um den richtigen Unterrichtsmitschnitt handelt und lenkt die Aufmerksamkeit von allen verstärkt hierauf (Z. 19). Nachdem dieser gemeinsame Aufmerksamkeitsfokus hergestellt ist, setzt Ilse mit leichter Verzögerung zu ihrem Feedback an, wobei sie mit „°h ähm und ich habe eigentlich“ (Z. 20) signalisiert, dass der nun folgende Gedanke „schwerwiegender oder richtiger einzustufen ist“ (Dittmar 2002: 162) als vorher Angenommenes oder Gesagtes. Sie formuliert ihn allerdings als indirekte Frage an sich selbst, sozusagen als eine Art Selbstreflexion; „da: äh ähh mich abgefragt ob (.) es tatsächlich wenn man-“ (Z. 21, 22). Durch das die Frage verstärkende „tatsächlich“ und durch das betonte Verb „auch etwas BRINGT,“ in der folgenden Zeile 24 wird eine Verneinung der Frage antizipiert bzw. mit Bezug auf den vorherigen Wenn-Satz (Z. 22, 23) der pädagogische Nutzen der durchgeführten Aufgabe in dieser Gruppenkonstellation in Frage gestellt. Das führt Ilse dann weiter aus, indem sie konkret auf die Bildung eines Innensowie Außenkreises Bezug nimmt (Z. 25- 28), wie es auf dem Bildschirm zu sehen ist (Abb. 15). Dabei signalisiert sie noch mal mit: „um dieser schon eigentlich kleinen tisch (.) von äh leuten,“ (Z. 26, 27), dass sie die Voraussetzungen zur Durchführung der Aufgabe als nicht gegeben oder zumindest als fragwürdig einstuft. Anschließend leitet sie mit „also“ eine prospektive (Re)formulierung (Deppermann 2011) ein, und zwar in Form einer an das Tandempaar gerichteten Frage: „ähh also was (.) hat das dann gebracht? “ (Z. 29, 30); dem folgt die Frage nach deren Evaluierung der Maßnahme: „habt ihr das können äh idi identifizieren können? “, (Z. 31, 32) und letztendlich noch mal explizit nach dem geschätzten pädagogischen Mehrwert der Gruppenteilung. Wieder klingt mit „eigentlich“ ein Infragestellen der Handlung an: „°h ähm äh was war: (.) ähm ja was war eigentlich GUT daran,“ (Z. 33, 34). Das folgende Stocken in der Äußerung (Z. 37, 38) und die Kennzeichnung ihrer Beobachtungen als subjektiv: „[das wundert] mich eigentlich,“ (Z. 39, 40) mildern die kritische Anmerkung und am Schluss wird sie durch das abschwächende „einfach eine frage.“ (Z. 41) noch weiter neutralisiert. Wobei Markus schon gleichzeitig signalisiert, dass er auf die Frage antworten möchte (Z. 40). Nach einer kurzen Pause (Z. 42) und größerer Unsicherheit, wer von dem Tandempaar reagieren soll oder will (Z. 43 und dann nicht mehr im Transkript), beginnt Melissa. 2.3 Negatives oder kritisches Feedback 85 <?page no="86"?> Fragment 2 44 MEL okay. 45 - ^also wir haben ^oder besser äh, - ils ^nähert sich d. Bildschirm^ 46 - die: kleine gruppe besteht- (.) 47 - aus (.) schüler, 48 - die: frei(.)willig äh oder sponTAN ähm: , 49 - (---) wollten ähm (--) das spiel- 50 - naTÜRlich MAchen und äh- 51 - normalerWEISE sind die SCHÜler, 52 - äh die ähm immer im unterricht äh- 53 - an einem gespräch teil(.)nehmen. Melissa signalisiert mit „okay“, dass sie nun zur Antwort ansetzt (Z. 44). Das am Anfang stehende „also“ deutet wieder darauf hin, dass eine Präzisierung oder ein Nachtrag zum Geschehen folgt, woraufhin Ilse durch die Annäherung an den Bildschirm Interesse zeigt (Z. 45). In ihren Ausführungen nimmt Melissa auf die geringe Anzahl der Lernenden Bezug: „die: kleine gruppe besteht- (.)“ (Z. 46), geht aber nicht auf die Frage bzw. Einwände der Kollegin bezüglich der Eignung der Aufgabe für eine solche, d. h. kleine Gruppe ein. Sie beschreibt dagegen die Lernenden, wobei sie die Größe bzw. die Gruppenkonstellation dahingehend begründet, dass es sich hierbei um aktive und motivierte Schüler: innen handle. Im Folgenden führen sowohl Melissa als auch ihr Tandempartner Markus die Beschreibung weiter aus (nicht im Transkript). Als sie merkt, dass ihre Frage nicht beantwortet wird, setzt Ilse zu einer Nachfrage an. Fragment 3 54 - ^(1.0) ^ - ils ^nähert sich dem Bildschirm^ 55 ILS aber DENKST du dass- (.) 56 - ähhh äh die geSTALtung- 57 - dieser diskussion in (.) ZWEIERgruppen, 58 - äh dass das dabei HILFreich gewesen ist. 59 MAK °hh ähm ja: weil die gruppen waren- 60 - nicht immer dieselben gruppe. Nachdem Ilse ihre Redeübernahme durch ihre Annäherung an den Bildschirm signalisiert hat (Z. 54), wendet sie sich mit ihrer Frage direkt an Markus, den Tandempartner von Melissa. Der Einsatz ihrer Äußerung mit dem adversativen 86 2 Kollegiales Feedback im digital gestützten Diskurs <?page no="87"?> Konnektor „aber“ deutet dabei auf einen Widerspruch oder Bruch mit dem vorher Gesagten hin. Mit dem betonten „DENKST du“ (Z. 55) spricht sie den Kollegen direkt an und fordert ihn zur Reflexion bezüglich der Durchführung der Aufgabe auf. Nach einem kürzeren Wortfindungsprozess benutzt sie das Wort „geSTALtung“ (Z. 56), um die Art der Durchführung der Aufgabe zu benennen. Die betonte Anzahl der Gruppenmitglieder „ZWEIERgruppen“ (Z. 57) und der hervorgehobene Wert der pädagogischen Maßnahme mit „HILFreich“ (Z. 58) stellen nochmals die beiden Punkte ihrer Argumentation in Bezug zueinander. Markus reagiert darauf, indem er gegenargumentiert, dass die Zweiergruppen nicht festgelegt waren und insofern die geringe Anzahl der Teilnehmenden durch den Wechsel der Personen ausgeglichen wurde (Z. 59, 60). Er geht damit auf Ilses kritische Nachfrage ein, indem er sein Verständnis der vorgebrachten Kritik zeigt, dass nämlich die Gruppe zu klein für diese Aufgabe war. Dabei weist er die Kritik durch zusätzliche Informationen zur Situation zurück. Fragment 4 61 ILS ja (.) nee ich ich frage vor allem, 62 - äh weil ich weiß nicht, 63 - wie viele leute hier in der klasse SIND; 64 - aber es ich ich dachte-= 65 MAK =sie waren (.) es es fehlen- (---) - - (Klingelgeräusch) 66 - es (.) fehlen hm- 67 - viele vielleicht ähm- 68 - die mi die mitte der schüler.((…)) Ilse begründet ihre vorherigen kritischen Anmerkungen mit einer mangelnden Information hinsichtlich der Klassengröße (Z. 61-63). Das betonte „SIND“ und die indirekte Frage (Z. 62, 63) implizieren die Bitte um eine genaue Zahlenangabe, während das folgende „aber es ich ich dachte-=“ (Z. 64) ausdrückt, dass sie von den wenigen im Video sichtbaren Teilnehmenden ausgeht (zu „ich dachte“ vgl. Deppermann / Reineke 2017). Markus deutet die Frage dahingehend, dass Ilse wissen möchte, wie viele Schüler: innen norma‐ lerweise in der Klasse sind. Das heißt, er setzt Ilses Frage nach der Größe der Klasse nicht in Bezug zur vorangegangenen Beobachtung hinsichtlich der Aufgabe, sondern versteht sie als Bitte um eine davon losgelöste Information (Z. 65-68). Im Anschluss daran wird auch von Melissa betont, dass die Klasse normalerweise größer ist, genau genommen aus vierundzwanzig Schüler: innen besteht (nicht im Transkript). 2.3 Negatives oder kritisches Feedback 87 <?page no="88"?> Fragment 5 69 ILS ja (.) okay. 70 - denn (-) wenn man zum beispiel- 71 - vierundzwanzig leute- (.) 72 - in der der klasse hat °h äh ähm- (-) 73 - wäre es dann gut zum beispiel- 74 - einen innerkreis von fünf, 75 - und ein außenkreis von acht, 76 - oder so was zu wählen? 77 - #^spielen ^ - ils ^bewegt ihre Hände^ - Abb. #16 Abb. 16 78 - diese zahlen eine ROLLE? 79 - (1.5) 80 MAK äh ja wir haben SO- 81 - dies dies spiel strukturiert, 82 - die weil (1.5) das aquarium- 83 - war SO strukturiert. 84 - deswegen haben wir- (-) 85 - das spiel SO gemacht, 86 - weil (.) es WAR so. 87 - oder (.) wir haben SO dieses spiel, 88 - in dieser WEISE- 89 - dieses spiel interpretiert. 90 - (1.5) 91 ILS ok.((…)) Nach einer weiteren Bekräftigung von Melissa (nicht im Transkript), zeigt Ilse mit „okay“ (Z. 69) an, dass sie die Informationen bezüglich der genannten Klassengröße nun erhalten hat und daran jetzt ihre Überlegungen anknüpft. Dabei nimmt sie die Anzahl der Lernenden als Beispiel und relativiert damit den direkten Bezug auf die Klasse des Kolleg: innentandems: „denn (-) wenn man zum beispiel vierundzwanzig leute“ (Z. 70, 71). In der daran anknüpfenden Frage: „wäre es dann gut zum beispiel-“ (Z. 73) wird durch den Konjunktiv „wäre“ und die abermalige Nennung der 88 2 Kollegiales Feedback im digital gestützten Diskurs <?page no="89"?> Zahlen als Beispiel Distanz zu der Situation geschaffen. Diese Abwendung von dem konkreten Fall wird am Schluss auch noch durch „oder so was zu wählen? “ (Z. 76) unterstrichen. Daran setzt dann noch mal die direkte Frage an, ob die Durchführung bei so kleinen Gruppen Sinn macht: „spielen diese zahlen eine ROLLE? “ (Z. 77, 78). Die Betonung von Rolle und die das Verhältnis beider Gruppen zueinander darstellende Bewegung ihrer Hände (Abb. 16) stellen einen weiteren Versuch dar, Melissa und Markus zu einer Reflexion bezüglich des Verhältnisses der Klassengröße zur Durchführung der Aufgabe anzuregen bzw. das eigene Handeln zu hinterfragen. Die Reaktion von Markus nach einer kürzeren Pause (Z. 79) zeigt, dass er diese Aufforderung zur Reflexion verstanden hat, diese aber zurückweist: Die viermalige Betonung von „SO“ (Z. 80, 83, 85, 87) sowie die Hervorhebungen: „deswegen haben wir (-) das spiel SO gemacht, weil (.) es WAR so.“ (Z. 84-86) deuten darauf hin, dass Melissa und Markus die Aufgabe als gegeben übernommen haben. Das heißt, weitergehende Überlegungen bezüglich der Angemessenheit der Aufgabe in Bezug auf die Klassenstärke haben wohl nicht stattgefunden. Auch im weiteren Verlauf des Gesprächs (nicht im Transkript) bestätigt sich, dass die Durchführung der Aufgabe vordergründig als Redeanlass gedient hat. In dieser Sequenz formuliert die Lehrende Ilse in verschiedener Form kriti‐ sches Feedback. Dabei schwächen als subjektiv ausgewiesene Äußerungen oder an sich selbst gerichtete Fragen die Kritik ab, während die häufig benutzte Partikel „eigentlich“, die Wahl des Verbs „etwas bringen“ sowie dessen Beto‐ nung Zweifel an dem pädagogischen Mehrwert der durchgeführten Aufgabe und damit an dem Handeln des Kolleg: innentandems anklingen lassen. Die angesprochenen Lehrenden gehen zunächst nicht auf die Frage nach der Ange‐ messenheit der Aufgabe für diese spezifische Gruppe ein, sondern es werden Begründungen angeführt, warum sich diese Gruppe gebildet hat. Die Annahme liegt nahe, dass Melissa aufgrund mangelnder sprachlicher Kompetenz die Frage bzw. die hier implizite Kritik nicht verstanden hat oder nicht in der Lage ist, auf sie zu antworten. Ilse sieht wohl die Schwierigkeit (das wiederholte „okay“ vor jedem Neuredeansatz zeigt den jeweils aktualisierten Wissensstand) und versucht, sich anders auszudrücken, um damit die Absicht ihrer kritischen Rückmeldung klarer und verständlicher zu machen, was ihr auch gelingt. Da sie aber immer noch in Bezug auf die Durchführung Zweifel hegt bzw. bei der Kollegin und dem Kollegen eine diesbezügliche Reflexion vermisst und anregen möchte, benutzt sie in Fragment 5 die konkreten Schülerzahlen als Beispiel für die Beschreibung einer abstrakten Situation. Dabei schafft sie eine Art Distanz zu dem Geschehen. Die Reaktion darauf zeigt, dass die beiden 2.3 Negatives oder kritisches Feedback 89 <?page no="90"?> Lehrenden die Frage nun verstanden haben, das Angebot zu Reflexion allerdings energisch zurückweisen mit der Begründung, dass sie die Aufgabenstellung eben so durchgeführt haben, wie sie ihnen ausgehändigt worden war. In der folgenden Sequenz 18 geht es um den Raum, in dem der extensive Leseunterricht durchgeführt wird. Idealerweise ist das ein Ort, an dem die Lernenden die Möglichkeit zum ungestörten individuellen Lesen in einem vom normalen Unterricht deutlich abgegrenzten Umfeld haben sollen (Abitsch et al. 2019). Auf dem Bildschirm rechts sind von oben nach unten die Gesichter der Moderatorin und zweier Lehrender, Erika und Agnese, zu sehen. In der Mitte des Bildschirms sieht man eine Bibliothek, in der Schüler: innen sitzen oder stehen. Sequenz 18 (28.11.2017, Min. 13: 02-14: 12) 01 MOD agnese wolltest du auch noch was ergänzen? 02 AGN ja: ähm- (---) 03 - ⸾weil ich denk mir: äh- (---) - eri ⸾schaut angespannt----> 04 - ich find das ↑SCHÖN- 05 - mit der biblio↑THEK, (---) 06 - ähm das sieht doch gemütlich- 07 - #©+↑AUS- (--) - - ©lächelt----> - mod +lacht, nicht vokalisiert----> - Abb. #17 Abb. 17 08 mod [ähä.+] - - ---->+ 90 2 Kollegiales Feedback im digital gestützten Diskurs <?page no="91"?> 09 AGN [mit ] den tischen, (-) 10 - ähm der WECHsel© ähm- (1.0) - - ---->© 11 - frag ich mich- 12 - wie das dann funktionIERT, 13 - weil auch ne schulbibliothek- 14 - ist in meinen augen, 15 - hat was mit SCHUle zu tun; 16 - der ORT (1.5) (Gebäude)- 17 - bleibt SCHULE; 18 - #©hm? - - #©lächelt----> - Abb. #18 - - Abb. 18 19 - und (1.0) ©das- © - - ---->©zieht d. Schulter leicht hoch© 20 - (2.0) [( ) ] 21 ERI ⸾[eigentlich] eigentlich nicht. - - ---->⸾ 22 - also die bibliothek ist ja- 23 - ziemlich äh abseits, 24 - vom vom großen geschehen- 25 - in der schule; (--) 26 - und das ist ähh- 27 - das ist äh da da mhm- (-) 28 - da werden keine STUNden veranstaltet. Nachdem die Moderatorin Agnese direkt angesprochen und damit das Rede‐ recht erteilt hat (Z. 01), setzt diese etwas zögernd an, wobei sie ihre Äußerung als eigenen Gedanken kennzeichnet: „weil ich denk mir: äh- (---)“ (Z. 02, 03). Dabei spiegelt das Gesicht der Kollegin Erika, deren Video besprochen wird, Anspannung wider (Z. 3, Abb. 17). Dann aber unterbricht sich Agnese nach einer kurzen Pause und schiebt ein: „ich find das ↑SCHÖN mit der 2.3 Negatives oder kritisches Feedback 91 <?page no="92"?> biblio↑THEK, “ (Z. 04, 05), indem sie die Initiative der Kolleginnen, für die extensive Lesestunde in die Bibliothek überzusiedeln, mit betontem „↑SCHÖN“ lobt. Daran schließt der Deklarativsatz „das sieht doch gemütlich ↑AUS- (--)“ (Z. 06, 07) an, verstärkt durch die konsensherstellende Partikel „doch“. Durch den Tonhöhensprung bei den drei betonten Worten bzw. Silben „↑SCHÖN“, „biblio↑THEK“ und „↑AUS“, begleitet von dem Lächeln der Sprecherin, erhält die eingeschobene Aussage eine leicht ironische Note. Auch das nicht vokalisierte Lachen der Moderatorin sowie Erikas angespannter Gesichtsausdruck legen diese Auslegung nahe (Abb. 17). Nach einer kurzen Pause, gefolgt von der Aufforderung der Moderatorin, weiterzusprechen (Z. 08), schließt Agnese ihre Bemerkung bezüglich der Gemütlichkeit der Bibliothek ab. Mit der an sich selbst gerichteten Frage „ähm der WECHsel ähm (1.0) frag ich mich-“ (Z. 10, 11) kehrt sie nun zu ihrem unterbrochenen Feedback zurück und spricht den „WECHsel“ der Räume an, d. h. vom Klassen‐ zimmer in die Schulbibliothek. Dabei hinterfragt sie bzw. meldet Zweifel daran an, dass dieser Wechsel auch ein Verlassen der Institution Schule und damit freies Lesen impliziert (Z. 10-18). Das Gesagte wird hierbei durch „in meinen augen,“ (Z. 14) als persönliche Meinung gekennzeichnet. Die erstgenannte „schulbibliothek“ (Z. 13) ordnet Agnese zunächst der betonten „SCHUle“ (Z. 15) zu und bestimmt dann beide als Teil des Schulgebäudes (Z. 16). In ihrem Lächeln bei der Bestätigungsfrage „hm? “ (Z. 18, Abb. 18) verstärkt abermals ein Anflug von Ironie ihre kritische Rückmeldung, während das Hochziehen der Schulter den Fragecharakter unterstreicht. Die nachfolgende Pause lässt Raum für den Sprecherwechsel, worauf Erika mit leichter Zeitverzögerung reagiert, was wahrscheinlich an technischen Problemen liegt, wofür auch die Überlap‐ pung spricht (Z. 20, 21). Die Kollegin weist sofort mit einem „[eigentlich] eigentlich nicht.“ (Z. 21), wobei die Anspannung in ihrem Gesicht schwindet, die kritische Anmerkung der Kollegin zurück. Dann leitet sie mit „also“ ihre Gegenargumentation ein: „also die bibliothek ist ja ziemlich äh abseits, vom vom großen geschehen in der schule; (--)“ (Z. 22-25), indem sie die Schule nicht als physisches Gebäude, sondern über ihre Funktionsbereiche und damit die Schulbibliothek als einen entinstitutionalisierten Freiraum definiert (Z. 26-28). In der analysierten Sequenz wird die kritische Rückmeldung einerseits durch persönlich gekennzeichnete Ausdrücke gemildert, andererseits aber durch verbal ausgedrückte und verkörperlichte Ironie verschärft. Die Reaktion darauf zeigt, dass das Feedback auch in seiner feinen Kritik verstanden worden ist. Es wird von der Kollegin aufgrund einer anderen Vorannahme unter Anführung von Argumenten zurückgewiesen. 92 2 Kollegiales Feedback im digital gestützten Diskurs <?page no="93"?> In diesem Unterkapitel wurde an zwei Sequenzen aufgezeigt, wie in Video‐ konferenzen zwischen Lehrenden im internationalen Kontext kritisches Feed‐ back ausgehandelt wird. Generell war zu bemerken, dass die Lehrenden ihre kri‐ tischen Anmerkungen sehr behutsam und vorsichtig vorbringen: Äußerungen werden vermehrt als persönliche Meinungen ausgegeben, Konditional oder Konjunktiv gewählt, Beobachtungen relativiert und dadurch entpersonalisiert sowie die angesprochenen Lehrenden um Stellungnahmen oder Erklärungen gebeten. In der zweiten Sequenz ließ sich zudem eine feine Ironie feststellen. In diesen Merkmalen weisen die Diskurse deutlich Ähnlichkeiten zu kollabora‐ tiven Formen der Gesprächsführung in Mentoraten auf (Waring 2014). In der ersten Sequenz wurde anfänglich - höchstwahrscheinlich aufgrund sprachlicher Schwierigkeiten - die Nachfrage nicht verstanden und das kriti‐ sche Feedback als solches nicht rezipiert. Das veranlasst die Lehrende dazu, dieses umzuformulieren sowie nachzufragen, um weitere Informationen zu erhalten und anhand derer ihre kritische Rückmeldung zu veranschaulichen. Die angewandten Strategien, um die Kollegin und den Kollegen zu einer Reflexion ihres Handelns zu bewegen, führen insofern zu einer verstärkten Verbalisierung auf beiden Seiten, denn die angesprochenen Lehrenden starten verschiedene Versuche, auf die Fragen zu reagieren. Dabei bedienen sie sich u. a. der Wiederholung und Hervorhebung durch Betonung einzelner Worte. Dies macht die Sequenz „Aquarium“ verhältnismäßig lang und z. T. etwas mühsam. Dazu trägt auch die eingeschränkte Funktion semiotischer Ressourcen bei, deren Wichtigkeit gerade bei der Aushandlung von negativem Feedback u. a. bei der Untersuchung von Kim und Silver (2021) deutlich hervortritt. Sowohl die in Videokonferenzen reduzierten Interaktionsmöglichkeiten als auch die stärkere Ausrichtung auf das rein Sprachliche stellen speziell für Lehrende mit geringeren Kenntnissen in der Fremd- und Arbeitssprache eine große Herausforderung dar. Die in der Gesprächssequenz 17 zutage tretenden Handlungspraktiken zeigen, wie in der ersten Sequenz unterschiedliche Sprachkompetenzen die eigentlich symmetrisch angelegte Konstellation unter Gleichgestellten unter‐ laufen. Über die Fähigkeit, kritisches Feedback artikulieren, verstehen und darauf reagieren zu können, bauen sich im Diskurs auch unterschiedliche Rollen zwischen den Lehrenden auf, wie es ja auch von diesen selbst bemerkt wurde (Hofmann 2021: 115). Dies hängt natürlich nicht nur von sprachlichen Kompetenzen ab, sondern auch davon, wie und ob die Lehrenden gewohnt sind bzw. ob sie es in ihrer Aus- und Weiterbildung gelernt haben, mit kritischem Feedback umzugehen, also von den jeweiligen Lehr- und Lerntraditionen (Hoffmann 2023a). Insbesondere in der ersten Sequenz scheinen die Lehrenden 2.3 Negatives oder kritisches Feedback 93 <?page no="94"?> 20 Die beiden Sequenzen sind Gegenstand einer detaillierten Analyse in Hoffmann (2024), aus der einzelne Passagen übernommen wurden. nur ansatzweise an einen reflexiven Umgang mit dem eigenen Unterricht und an einen Austausch darüber gewöhnt. Noch deutlicher wird das im Vergleich zur zweiten Sequenz 18, in der die Reaktion direkt erfolgt und davon zeugt, dass das kritische Feedback als solches rezipiert wurde und die Lehrende in der Lage ist, ihr Handeln zu reflektieren. Hier ermöglichen die vorhandene Sprach- und Re‐ flexionskompetenz eine sofortige Reaktion und ein flüssiges Gespräch, worüber sich eine in diesem Sinne symmetrische Gesprächskonstellation aufbaut. Diese Verknüpfung ausbildungsbedingter und sprachlicher Verschiedenheiten tritt im Diskurs hervor und bestätigt, dass kritisches Feedback im internationalen Kontext eine erhebliche interaktionale Arbeit darstellt. 2.3.1 Zurückweisung von kritischem Feedback In der folgenden Analyse soll nun der Fokus darauf liegen, in welcher Form eine kritische Rückmeldung zurückgewiesen wird, d. h., welche Merkmale sowohl das initiative kritische Feedback als auch dessen Zurückweisung aufzeigen. Dazu wurden zwei Sequenzen ausgewählt. 20 In der ersten geht es inhaltlich um die Rolle bzw. die Funktion der beobach‐ tenden im Verhältnis zu der den extensiven Leseunterricht durchführenden Lehrkraft. Katrin hat die Kolleginnen gefragt, wie und ob sie diese beiden Rollen in ihrem Unterricht trennen können, denn sie ist sich unsicher, ob sie nur beob‐ achten oder auch „eingreifen“ soll, wenn die Tandempartnerin unterrichtet. Das Problem verdeutlicht sie an einem Beispiel aus ihrer Videosequenz, in der sie als Beobachtende einen Schüler bemerkt, der offensichtlich während des extensiven Leseunterrichts nicht liest. Daraufhin bestätigen zwei Lehrende von anderen Standorten, dass auch sie beide Funktionen getrennt halten (eine unterrichtet, die andere beobachtet). An dieser Stelle richtet sich die Lehrende Ilse an Katrin (Abb. 19). Auf dem Bildschirm sind das Sitzungsprotokoll sowie seitlich die Köpfe (von oben nach unten) der Projektmitarbeiterin bzw. Protokollführerin, der Lehrenden Ilse, der Moderatorin sowie zweier weiterer Lehrender von jeweils einem Standort zu sehen. Die Lehrende Katrin ist nicht sichtbar. 94 2 Kollegiales Feedback im digital gestützten Diskurs <?page no="95"?> 21 Doris ist die Tandempartnerin von Katrin. Abb. 19 Sequenz 19 (27.11.2017, Min. 13: 42-14: 38) 01 ILS darf ich fragen warum äh katrin, 02 - warum hast du eigentlich, 03 - nicht äh eingegriffen. 04 - [(1.0)] 05 KAT [h° ] [ja: -] 06 ILS [was-] 07 - was hast du geDACHT. 08 - (2.0) 09 KAT ja so (was) hab ich AUCH- 10 - gedacht dass- (.) 11 - ich jetzt nur- (--) 12 - beobachten (.) DARF, 13 - oder soll; 14 - ich weiß nicht. 15 - und es ja weil, (.) 16 - also wenn es anders äh ist, 17 - also wenn ICH unterrichte- 18 - und DORIS 21 beobachtet, 2.3 Negatives oder kritisches Feedback 95 <?page no="96"?> 19 machen wir (.) s so, 20 - dass ja. 21 - ich unterrichte und- 22 - doris nur beobachtet- 23 - und dann °h nach (--) der stunde- 24 - besprechen wir natürlich, 25 - was dort passiert ist und so. 26 - und ja und eigentlich, 27 - ich muss dazu noch ergänzen, 28 - dass °h ah (--) eigentlich nur- 29 - ein paar minuten- 30 - übrig geblieben sind- (.) 31 - aus dieser phase. 32 - also das war wirklich am ENDE- (-) 33 - der lesephase. 34 MOD +hm. + - - +nickt+ Ilse richtet ihre Nachfrage, warum Katrin nicht aktiv in das Geschehen einge‐ griffen hat, namentlich an die Kollegin (Z. 01). Dabei kündigt „eigentlich“ an, dass sie deren Handlung in Frage stellt (Dittmar 2002: 162) sowie sich durch die Negation der Akzent auf die unterlassene Handlung verschiebt, was die Frage „unhöflicher“ macht (zu negativen Fragen vgl. u. a. Heinemann 2006): „warum hast du eigentlich, nicht äh eingegriffen.“ (Z. 02, 03). Die folgende Pause (Z. 04) deutet auf Katrins Irritation hin, bevor sie zur Antwort ansetzt (Z. 05). Ilse mildert ihre Frage unverzüglich ab, indem sie ergänzend hinzufügt, welche Überlegungen Katrins Handlung motiviert haben: „was hast du geDACHT.“ (Z. 07). Auf das längere Schweigen (Z. 08) folgt die Erklärung von Katrin, die mit dem betonten „AUCH“ in den Zeilen 09-10: „ja so (was) hab ich AUCH gedacht dass-“ sowie durch: „DARF, oder soll“ (Z. 12, 13) auf das von den Kolleg: innen geteilte Rollenverständnis im Unterricht Bezug nimmt. Sie schwächt allerdings anschließend ihre Aussage durch „ich weiß nicht.“ (Z. 14) ab. Dann aber leitet sie zweimal durch „also“ (Z. 16, 17) eine Präzisierung (Dittmar 2002: 170) ein, in der der routinierte Rollenwechsel im Unterricht geschildert wird (Z. 16-25). Des Weiteren betont sie durch „natürlich“, dass - trotz getrennter Rollen - im Anschluss an den Unterricht ein gemeinsames Gespräch stattfindet: „und dann °h nach (--) der stunde besprechen wir natürlich, was dort passiert ist und so.“ (Z. 23-25), wodurch sie ihre 96 2 Kollegiales Feedback im digital gestützten Diskurs <?page no="97"?> Lehrendenrolle unterstreicht. Das zweite Argument für ihr Verhalten bekräftigt mit „eigentlich“ (Z. 26, 28) und beteuert mit dem Verstärker „wirklich“ und dem betonten „ENDE“: „also das war wirklich am ENDE- (-)“ (Z. 32), dass es keinen Sinn gemacht hätte, den Schüler zum Lesen zu ermahnen, da sich die Episode am Ende der Stunde abgespielt hatte. In der Sequenz folgt eine zweistufige Erklärung, die darauf schließen lässt, dass Katrin Ilses Nachfrage als Kritik an ihrem Verhalten im Unterricht wahr‐ genommen und sich dazu veranlasst gesehen hat, diese zurückzuweisen (s. auch in Hoffmann 2023b). Der mehrfache Einsatz der Partikel „eigentlich“ und „also“ signalisiert, dass zuvor ausgedrückte Annahmen revidiert oder Aussagen widersprochen wird. Das betonte „auch“ und die Modalverben „dürfen“ und „sollen“ verweisen auf eine mit den anderen Lehrenden geteilte Auffassung der Rollentrennung im Unterricht, d. h., sie referieren auf eine Norm (s. 2.2). Darüber hinaus begründet Katrin ihr Handeln mit einem Rückgriff auf ihre Expertise als Lehrkraft. Beide Argumente dienen der Legitimierung und Rechtfertigung ihres Verhaltens. Neben der kritischen Nachfrage kommt in dem Korpus noch eine weitere Form von negativer Rückmeldung vor, die darin besteht, nach Darlegung eines Problems (mit Bitte um Feedback) seitens der Kolleg: innen ein - im Gegensatz dazu - gut funktionierendes Beispiel aus dem eigenen Unterricht zu schildern. Dazu die folgende Sequenz. In der Sequenz hat das Lehrendentandem Lena und Gisela zuvor von den Schwierigkeiten gesprochen, während des extensiven Leseunterrichts (wie vorgesehen) selbst zu lesen, wobei die beiden Lehrenden betonen, dass sie meist vorne am Pult stehen, wie es auch auf dem gleichzeitig auf dem Bildschirm ablaufenden Video zu sehen ist (Abb. 20). 2.3 Negatives oder kritisches Feedback 97 <?page no="98"?> Abb. 20 Ihre Frage richtet sich nun an die anderen Lehrenden, ob und wie diese es schaffen, beim extensiven Leseunterricht selbst zu lesen. Die Lehrende eines anderen Tandems bestätigt daraufhin, dass auch sie vorne am Pult steht und es ihr dabei nicht gelingt, die gesamte Zeit zu lesen. Daraufhin wendet sich die Moderatorin an das dritte Lehrendenpaar, Hannelore und Silke. Auf dem Bildschirm läuft das Video von Lena und Gisela. Oben auf dem Bildschirm sind die Köpfe der Projektmitarbeiterin, einer Lehrenden, der Moderatorin und von vier weiteren Lehrenden sichtbar. Sequenz 20 (31.01.2018, Min. 48: 09-50: 04) Fragment 1 01 HAN ((…)) es war auch eine eine (--) äh, 02 - UNbekannte situation für UNS auch, 03 - aber mittlerweile nach- (.) 04 - drei monaten, 05 - drei vier monaten geht es- 06 - schon sehr gut, 07 - äh wir setzen uns- 08 - aber nicht unbedingt- 09 - ~um um lehrertisch,~ - sil ~nickt ~ 10 - sondern (.) wir- (-) 11 - ~vermischen <<lachend> uns- 98 2 Kollegiales Feedback im digital gestützten Diskurs <?page no="99"?> sil ~nickt, lächelt Hannelore an----> 12 - quasi mit den schülern,>~ - sil ---->~ 13 - also wir setzen uns zum beispiel, 14 - äh NEBEN einem schüler oder- 15 - neben einer schülerin, 16 - oder einfach nur äh zu einem, 17 - äh(-)leeren TISCH, 18 - oder sowas. 19 MOD ah ja. - - ((…)) Nach Erteilung des Rederechts seitens der Moderatorin räumen Hannelore und Silke zunächst ein, dass auch sie anfänglich Schwierigkeiten mit dem eigenen Lesen während des extensiven Leseunterrichts gehabt hätten (z. T. nicht im Transkript). Mit dem zweimaligen „auch“ wird die gemeinsame Erfahrung mit den anderen Kolleg: innen unterstrichen: „(…) es war auch eine eine (.) äh, UNbekannte situation für UNS auch,“ (Z. 01, 02). Dann markiert „aber“ eine Veränderung bzw. einen Unterschied (Z. 03), die die aktuelle Situation als „schon sehr gut,“ (Z. 06) kennzeichnet. Diese positive Entwicklung wird mit ihrem eigenen Unterrichtsverhalten verbunden, das in Abgrenzung (durch Verneinung) von demjenigen der Kolleginnen be‐ schrieben wird: „äh wir setzen uns aber nicht unbedingt um um lehrertisch,“ (Z. 07-09) und durch das Nicken der Tandemkollegin Silke noch Verstärkung erfährt. Eingeleitet mit der einen Gegensatz einlei‐ tenden Konjunktion „sondern“, stellt Hannelore das gelungene (Gegen-)Beispiel der Unterrichtsführung dar: „sondern (.) wir- (-) vermischen <<lachend> uns quasi mit den schülern,>“ (Z. 10-12), was sie dann noch weiter konkretisiert (Z. 13-17). Das den Gebrauch des Verbs „vermischen“ begleitende Lachen sowie die abschließende Relativierung „oder sowas.“ (Z. 18) schwächen die in der Negation zutage tretende Kritik an dem Verhalten der Kolleginnen leicht ab. Nach unterstützendem Feedback von der Moderatorin (Z. 19) führt Silke ihr Vorgehen noch weiter aus und begründet es als bewusst eingesetzte pädagogische Maßnahme im Sinne des Projekts (nicht im Transkript). Fragment 2 20 SIL ((…)) deshalb sind wir unter unter IHnen. 21 - hm also (.) in einem kreis ( )- 22 - hinter mal oder daneben, 2.3 Negatives oder kritisches Feedback 99 <?page no="100"?> 23 NICHT am lehrertisch. 24 - nicht am lehrertisch.= 25 LEN =¿ja. ¿ - - ¿nickt¿ 26 SIL wir wir sind in der situation- 27 - fast GLEICH. 28 - wir haben fast die gleiche position, 29 - und natürlich helfen wir ihnen. - - (Lena schaltet ihr Mikrofon ein.) Durch die zweifache Wiederholung mit jeweiligem Tonabfall am Zeilenende und dem betonten „NICHT“ am Anfang: „NICHT am lehrertisch. nicht am lehrertisch.=“ (Z. 23, 24) wird nochmals stark hervorge‐ hoben, dass ihrer Meinung nach die Positionierung im Raum wesentlich zum Gelingen und damit zum Überwinden des von Lena und Gisela angesprochenen Problems beitragen könnte (zur Wiederholung beim Ausdruck von Dissens s. Kakava 2002: 1548; zur Negation Deppermann / Blühdorn 2013: 19). Lena gibt verbal und durch Nicken zu verstehen, dass sie die Schilderung und damit den Vorschlag der Kolleginnen zur Lösung ihres Problems verstanden hat (Z. 25). Silkes Ausführung endet damit, dass sie unterstreicht, wie einerseits durch ihre Positionierung im Raum die Lehrenden-Schüler: innen-Konstellation über‐ wunden wird (Z. 26-28), andererseits wird mit „und natürlich helfen wir ihnen.“ (Z. 29) nochmals klargestellt und durch „natürlich“ bekräftigt, dass mit der (räumlichen) Gleichsetzung keinesfalls eine Beeinträchtigung ihrer Lehrendenrolle einhergeht. Dabei signalisiert sie durch Abfall der Stimme, dass Lena nun dazu Stellung beziehen kann. Fragment 3 30 MOD mhm. 31 LEN hannelore entschuldigung, 32 - wie VIEle schüler habt ihr- 33 - in der klasse. 34 - (2.0) 35 HAN sechzehn. 36 LEN sechzehn. 37 - ¿ach so. - - ¿nickt----> 38 - eine eine ~¿kleinere zahl.~ - - ---->¿ - sil ~nickt ~ 100 2 Kollegiales Feedback im digital gestützten Diskurs <?page no="101"?> 39 das wäre bei uns schwieriger, 40 - weil sie viel MEHR sind. 41 MOD ja. 42 - wir haben ƍ~nicht platz genug. - han ƍnickt----> - sil ~nickt----> 43 - die zimmer die klassenräume- 44 - sind KLEIner,ƍ~ - han ---->ƍ - sil ---->~ 45 - und (-) wir können nur so, 46 - äh als kleine gruppe arbeiten. 47 - wir können ~keinen großen bund-~ - sil ~nickt ~ 48 - bilden natürlich. 49 MOD hm. 50 - das ist ein problem. 51 - das hängt aber- 52 - von der zahl der schüler ab. 53 SIL hm hm. Das geschieht auch nach kurzem positiven Feedback seitens der Moderatorin (Z. 30), indem Lena eine Gegenfrage stellt, die sie an die Kollegin Hannelore richtet und mit „Entschuldigung“ einleitet (Z. 31). „Entschuldigung“ erfüllt hier nicht die Funktion des Sich-Entschuldigens, sondern antizipiert einen Einwand. Die folgende Frage nach der Anzahl der Lernenden in der Klasse: „wie VIEle schüler habt ihr in der klasse.“ (Z. 32, 33) scheint Hannelore zunächst zu überraschen, da sie erst nach einer Pause (Z. 34) die Anzahl nennt (Z. 35); wahrscheinlich auch weil die Anzahl der Schüler: innen in den einzelnen Klassen nunmehr bekannt ist und auch mehrfach Gegenstand von Gesprächen war. Lena wiederholt nun die Zahl: „sechzehn.“ (Z. 36) und zeigt mit dem folgenden „ach so.“ (Z. 37) (zu „ach so“ im Diskurs vgl. u. a. Golato 2010) und ihrem Nicken, dass ihr nun die vorgeschlagene pädagogische Maßnahme zwar durchaus einleuchtet und sie überzeugt, aber dass es jetzt auch klar ist, dass dieses Vorgehen aufgrund anderer Voraussetzungen nicht auf ihre Situation übertragbar ist. Das führt sie im Folgenden in der Gegenüberstellung von „eine eine kleinere zahl.“ (Z. 38) und dem „viel MEHR“ (Z. 40) ihrer Schüler: innen in den zu kleinen Klassenräumen (Z. 42-48) aus. Silke und Hannelore zeigen durch Nicken (Z. 38, 42, 44, 47) Verständnis für die 2.3 Negatives oder kritisches Feedback 101 <?page no="102"?> beschriebene Situation und unterstützen damit Lenas Schlussfolgerung, dass unter diesen Bedingungen nur in Kleingruppen und nicht in einem großen Kreis gearbeitet werden kann. Dass es sich hierbei um zwingende und beeinträchti‐ gende Umstände: „das ist ein problem.“ (Z. 50) handelt, wird durch „natürlich“ (Z. 48) nochmals bekräftigt. Es sind daher objektive Gründe, weshalb kein großer Kreis von Lesenden gebildet wurde, unter die sich die Lehrenden „mischen“ können. In dieser Sequenz wird von einem Lehrendentandem ein Vorschlag zur Bewältigung eines Problems gemacht. Dabei wird die zur Diskussion gestellte Handlung der um Feedback ansuchenden Kolleginnen durch wiederholte Ne‐ gation kritisiert. Auf diese Kritik gegenüber dem eigenen Verhalten reagiert die Lehrende, indem sie zwar die (pädagogische) Angemessenheit des vorgeschla‐ genen Vorgehens nicht in Frage stellt, dieses aber für die eigene Situation als ungeeignet einstuft und damit sowohl den Lösungsvorschlag als auch die darin enthaltene Kritik an dem eigenen Vorgehen ablehnt. Indem sie ihr Handeln als eine pädagogisch durchdachte Maßnahme darstellt, die bei den Kolleginnen auf Zustimmung stößt (Nicken, keine weiteren Einwände), begegnet sie einer sie bloßstellenden Situation bzw. wendet diese ab. Die zwei untersuchten Sequenzen zeigen, wie die Lehrenden sowohl durch Nachfragen (Sequenz 19) als auch durch die Schilderung einer eigenen gelun‐ genen Unterrichtsführung (Sequenz 20) kritisches Feedback geben. In beiden Fällen wurde dies von den Kolleg: innen als eine Infragestellung der eigenen Kompetenzen und damit tendenziell als bedrohlich für ihr berufliches Selbstbild wahrgenommen, worauf Erklärungen und Argumente (Normen und objektiv konträre Bedingungen) folgen, die das eigene Handeln rechtfertigen bzw. legitimieren und solchermaßen die Kritik zurückweisen. Darin unterscheiden sich die vorliegenden Ergebnisse entscheidend von den der beiden zitierten Studien zum kollegialen Feedback (s. o.), in denen deutlich unterschiedliche Ge‐ sprächspraktiken nachgewiesen wurden. Dies regt zu folgenden Überlegungen an. Erstens: In der vorliegenden Analyse machen sowohl das kritische Feed‐ back als auch dessen Zurückweisung ein Verhalten sichtbar, das wir von der Face-to-Face-Interaktion her kennen (s. o., vgl. auch Virtanen / Niemi 2023: 232). Kritische Nachfragen wie in Sequenz 19 können auch in einer Präsenz‐ veranstaltung gestellt werden. Ebenso können dort Argumente (die anderen Lehrenden machen das auch) vorgebracht werden, die das eigene Handeln rechtfertigen. Neben diesen Übereinstimmungen gibt es aber, bedingt durch das Online-Format, Unterschiede, auf die bereits in der einschlägigen empirischen Forschung hingewiesen wird, nämlich die stärkere Orientierung an der verbalen Aussage in Videokonferenzen sowie das Fehlen oder die veränderte Funktion 102 2 Kollegiales Feedback im digital gestützten Diskurs <?page no="103"?> von Blickkontakt oder Zeigegesten (u. a. ebd: 214); damit erhalten kritische Nachfragen oder Äußerungen mehr Gewicht. Daher sollten sich Lehrende und Moderierende speziell im Rahmen von Online-Bildungsmaßnahmen darüber austauschen, wie man z. B. Negationen zugunsten anderer Formulierungen vermeiden kann. Generell müssten die Funktionen von Strategien zur Milderung negativer Reaktionen überdacht werden. Zweitens: In Sequenz 20 erfolgt das kritische Feedback mit einem Beispiel aus der eigenen Unterrichtspraxis. Damit dies aber angenommen werden kann, müssten die Lehrenden an der Beobachtung der „anderen“ Situation ansetzen: The data shows that they do not merely come from the classroom experiences of the teachers, but they are products of a reflection process of the observer teacher where they consider the divergence and convergences of their practices from the observed one. (Topal / Aptoula 2022: 11) Indem sich die/ der Feedbackgebende in die Situation der anderen Kolleg: innen hineinversetzt und darauf Bezug nimmt, schafft sie/ er eine Verbindung zu deren Unterrichtsrealität, was die Annahme negativen Feedbacks begünstigt (vgl. Hoffmann 2023b). Insbesondere bei internationalen Gruppen, die ihr Wissen und Können in sehr unterschiedlichen Unterrichtskontexten erworben haben und darüber hinaus auch über unterschiedliche Kenntnisse der Arbeitssprache Deutsch verfügen, sollte daher im Vorfeld gemeinsam der Umgang mit Unter‐ richtsbeobachtung und Feedback reflektiert und ggf. vermittelt werden (vgl. Hofmann 2021; Schramm / Hofmann 2023). In diesem Sinne argumentiert auch Klippel (2022: 61): Zugleich muss in Lehrkräftebildung und Schule über Wege und sprachliche Formen von Feedback gesprochen werden, damit solche Prozesse lernwirksam sind, ver‐ nünftig und fair ablaufen und nicht zu Angriffen oder Kränkungen führen. Das erfordert eine gewisse Interaktionskultur, die man einüben muss. Dies ist beim negativen Feedback von Relevanz, denn eine Zurückweisung von negativer Kritik kann dazu führen, dass ein potenzielles Reflexions-/ Lern‐ angebot ausgeschlagen und damit der Erfolg einer Weiterbildungsmaßnahme geschmälert wird. 2.3 Negatives oder kritisches Feedback 103 <?page no="104"?> 2.3.2 Reformulierung und Annahme von kritischem Feedback In diesem letzten Abschnitt wenden wir uns einer Sequenz zu, in der - wie oben angedeutet - der Bogen zu der „anderen“ Arbeitswelt geschlagen wird. Die Episode stammt aus der zweiten internationalen Gesprächsrunde, also nach Ablauf der Hälfte der Bildungsmaßnahme. Im ersten Diskussionspunkt geht es darum, wie beim extensiven Leseunterricht kooperatives und individuelles Arbeiten verbunden werden können. Die Moderatorin richtet sich direkt an das Tandempaar, das den entsprechenden Videoausschnitt im Vorfeld hochgeladen und diese Problematik angesprochen hat. Während des Gesprächs bleibt das Standbild des Videos mit den Kommentaren seitlich unverändert (Abb. 21). Darüber sind oben auf dem Bildschirm die Köpfe der der Moderatorin sowie fünf Lehrender zu sehen. Abb. 21 - Videostandbild mit Kommentaren Nach der Aufforderung an das Tandempaar, in ihre Problematik einzuführen, beginnt Renate zunächst mit der Klarstellung, dass sie kooperative Tätigkeiten während des extensiven Leseunterrichts grundsätzlich befürwortet (nicht im Transkript). Dementsprechend reformuliert sie ihre Bitte um Feedback, das sich jetzt nicht mehr darauf bezieht, ob Zusammenarbeit toleriert wird, sondern wie man sie produktiv einsetzen kann. An dieser Stelle stellt sie nun die Frage, ob diese gemeinsamen Tätigkeiten in der Klasse zu einem bestimmten Zeitpunkt stattfinden sollen. 104 2 Kollegiales Feedback im digital gestützten Diskurs <?page no="105"?> 22 Eine ausführliche Analyse der Sequenz befindet sich in Hoffmann (2023b). Aus dem Artikel wurden hier einzelne Passagen übernommen.. Sequenz 21 (30.01.2018, Min. 14: 53-17: 55) 22 Fragment 1 01 MOD ((…)) gibt es wortmeldungen. 02 - (4.00) 03 - [einige- ] 04 JAK [(unver.)] 05 MOD stellungnahmen sind ja schon per- (.) 06 - VIDEOannotation dazugekommen (.) jakob 07 JAK ja (.) unsere erste frage war (-)ähm- 08 - (--)so ein bisschen (---) ähm: - (1.00) 09 - wie sicher SEID ihr, 10 - dass es hier um (.) äh tatsächlich- 11 - das lesen geht. 12 - dass es um den wortschatz, 13 - um lesestrukturen- (.) 14 - um leseFERTIGkeiten geht. 15 - ähm= Die Moderatorin fordert die Gruppe zu Rückmeldungen auf (Z. 01). Diese erfolgen erst nach einer längeren Pause (Z. 02) in Überlappung mit dem Redebeitrag der Moderatorin (Z. 03, 04), die wahrscheinlich durch die schlechte Internetverbindung von Jakob, einem Lehrenden aus einem anderen Tandem, entstanden ist. Er stellt dabei eine Gegenfrage: „wie sicher SEID ihr, dass es hier um (.) äh tatsächlich das lesen geht.“ (Z. 09-11), die von Jessica, Jakobs Tandempartnerin, bereits als Videoannotation gepostet worden war und während der Konferenz für alle sichtbar auf dem Bildschirm ist (Abb. 22). Abb. 22 - Videoannotation 2.3 Negatives oder kritisches Feedback 105 <?page no="106"?> Die direkte und etwas zögernd gestellte Nachfrage wird durch „unsere“ (Z. 07) als vom Tandempaar gemeinsam gestellt gekennzeichnet und bezieht sich auf die Videoannotation (Abb. 22), auf die bereits die Moderatorin hingewiesen hat (Z. 05, 06). Als direkte Frage erscheint sie aber mit dem betonten „SEID“ und durch die Partikel „tatsächlich“ im Vergleich zu der Videoannotation verschärft, insofern jetzt der eigene Zweifel an der Vorannahme der Kollegin durchschimmert. Fragment 2 16 REN =ja (.) [äh: ja- ] 17 JAK [(das ist ja-)] 18 REN ja: sie äh oder- (3.00) 19 - ↑ja (.) ⸾ALSO, - eri ⸾lächelt----> 20 - was die schüler⸾ beSPROchen haben, - eri ---->⸾ 21 - sie haben ⸾darÜBER⸾ gesprochen. - eri ⸾nickt ⸾ 22 - das ist SICHER. 23 - also wir ⸾wissen DAS. ⸾äh - eri ⸾lächelt und nickt⸾ 24 - sie sind ⸾WIRKlich⸾ HOCHbegabt. - eri ⸾nickt ⸾ 25 - sie (.) mögen lesen und- 26 - sie äh sie haben IMMER gelesen- 27 - und MANCHmal äh: besprechen sie- 28 - irgend (.) eine sache, 29 - wie zum beispiel äh: - 30 - wortschatz oder: äh strukturen, 31 - o oder äh hier (--) dieses DRITTE- 32 - mädchen äh hat auch- 33 - ein WORT (.) gefragt- 34 - und sie haben es- (.) 35 - ⸾beantwortet⸾ mit dem HANDY. - eri ⸾nickt ⸾ 36 MOD +ähä; + - - +nickt+ - - ((…)) 106 2 Kollegiales Feedback im digital gestützten Diskurs <?page no="107"?> Renates unmittelbare Reaktion zeigt eine gewisse Erregtheit (Z. 16, 18). Nachdem sie sich beruhigt hat, setzt sie mit einem Tonhöhensprung und „ALSO“ zu ihrer Erwiderung an: „↑ja (.) ALSO,“ (Z. 19). Dabei wird sie von ihrer Tandempartnerin Erika durch Nicken unterstützt. Mit den Aussagen: „was die schüler beSPROchen haben, sie haben darÜBER gesprochen. “ (Z. 20, 21) und „das ist SICHER.“ (Z. 22) bekräftigt sie dies und widerspricht Jakobs Mutmaßung. Daran anschließend untermauert sie ihre Meinung mit den eigenen guten Kenntnissen der Klasse. Dabei führt sie erstens die Begabung der Lernenden an: „sie sind WIRKlich HOCHbegabt.“ (Z. 24), zweitens deren hohe Motivation: sie (.) mögen lesen“ (Z. 25) und drittens ihre Erfahrung als Lehrende in der Klasse: „sie äh sie haben IMMER gelesen“ (Z. 26, auch noch weiter in Z. 27-30). Daran anschließend gibt sie noch das Beispiel einer Schülerin (Z. 31-35), die gemeinsam mit ihrer Nachbarin ein Wort aus ihrer Lektüre mit Hilfe des Handys ermittelt habe. Mit der Anführung diverser Argumente bzw. Belege zeigt Renate ihre starke emotionale Beteiligung. Dabei wird sie von ihrer Tandempartnerin durch Nicken und Lächeln unterstützt (Z. 19, 20, 23, 24, 35). Die Moderatorin signalisiert fortzufahren (Z. 36). Renate bittet um Rückmeldung bezüglich des Zeitpunkts für kollaborative Phasen beim extensiven Lesen, die sie allerdings nicht erhält. Vielmehr erfolgt eine Gegenfrage, in der Zweifel an ihrem Unterrichtsverhalten anklingen, was sie in eine Verteidigungshaltung drängt. Deutlich wird das in ihrer starken emotionalen Beteiligung, mit der sie ihr professionelles Wissen anführt und damit die Richtigkeit ihrer Vorannahme und ihres Verhaltens rechtfertigt. Ihre Tandempartnerin verfolgt aufmerksam den Diskurs und unterstützt ihre Kollegin durch Nicken und Lächeln. Renate fragt dann, ob die Benutzung des Handys zur Suche unbekannter Worte eingesetzt werden darf. In der Antwort darauf wird das bisher ausgeblie‐ bene Feedback nun von Jessica, Jakobs Tandempartnerin, gegeben. 2.3 Negatives oder kritisches Feedback 107 <?page no="108"?> Fragment 3 37 Ren also KANN man das machen, 38 - dass man nach handy: nachschaut, 39 - und (.) und äh- (--) 40 - und so ein wort entschließt, 41 - oder (.) ist das- (-) 42 - so probleMAtisch? 43 MOD +ähm; + - - +nickt und lächelt+ 44 JES ꬹalso- (.) ꬹ - - ꬹhebt ihren Zeigefingerꬹ 45 - ich (.) ähm ich glaub- 46 - ihr habt eine situation- 47 - dort in budapest, 48 - wovon (.) WIR in utrecht nur- 49 - ꬹ⸾%˅TRÄUMEN äh- (.) - - ꬹlacht, nicht vokalisiert----> - eri ⸾lacht, nicht vokalisiert----> - stel %lächelt---->> - jak ˅lacht, nicht vokalisiert und nickt----> 50 - #so ungefähr,ꬹ˅ - - ---->ꬹ - jak ---->˅ - Abb. #23 Abb. 23 51 - weil wir eher probleme haben- 52 - mit schülern (.) die NICHT lesen,⸾ - eri ----->⸾ 53 - und ich äh mir das- 54 - nicht vorstellen kann, 55 - dass es schüler sein °h handy ähm, 56 - ⸾naja gut⸾ doch nen schüler würde- - eri ⸾nickt ⸾ 57 - bei uns auch das handy benutzen, 108 2 Kollegiales Feedback im digital gestützten Diskurs <?page no="109"?> 58 um wörter zu suchen aber: ähm- 59 - ansonsten haben wir- 60 - die situation NICHT, 61 - dass schüler so begeistert- 62 - sind vom lesen- 63 - dass sie untereinander sich äh- 64 - über (-) wortschatz- 65 - oder strukturen- 66 - <<rall> austauschen würden.> Nachdem die Moderatorin verbal und mit Gesten Renates Äußerung bestätigt hat (Fragment 2, Z. 36), setzt diese zu einer weiteren Frage an. Diese bezieht sich grundsätzlich auf die Benutzung von Hilfsmitteln beim extensiven Lesen. Die Partikel „so“ in Zeile 40 „und so ein wort entschließt,“ und die folgende Frage: „oder (.) ist das (-) so probleMAtisch? “ (Z. 41, 42) scheinen den Rückgriff auf das Handy herunterzuspielen und darauf hinzudeuten, dass die Sprecherin selbst den Einsatz befürwortet. Nach dem Feedback der Moderatorin (Z. 43) meldet Jessica ihren Redebeitrag durch kurzes Anheben des Zeigefingers an und kündigt mit „also“ (Z. 44) eine prospektive Selbstreparatur (Pfeiffer 2017) an. Leicht zögernd und mit einer subjektiven Äußerung „ich (.) ähm ich glaub-“ (Z. 45) stellt sie im Folgenden die unterschiedlichen Lehr-/ Lernsituationen der beiden Standorte unter Zuordnung von „ihr“ (Z. 46) und „wir“ (Z. 48) (s. 3.3) gegenüber. Dabei beschreibt sie durch die Hyperbel: „wovon (.) WIR in utrecht nur TRÄUMEN äh-“ (Z. 48, 49) die Situation des anderen Standortes als beneidenswert. Sowohl sie und ihr Tandempartner Jakob als auch Erika von dem anderen Tandem lachen (nicht vokalisiert) bei der Äußerung (Abb. 23). Dieses Lachen verbindet, indem es sich auf eine gemeinsame berufliche, emotionale Sphäre bezieht. Im Anschluss daran (Z. 51-66) erklärt sie, dass die eigene Unterrichtssituation so anders sei, dass sie sich gar nicht vorstellen könnten, dass ein Handy auch inhaltsbezogen während des Unterrichts verwendet werden könnte. Damit deckt sie den Hintergrund für ihre Videoannotation und die Frage des Tandempartners auf. Die Verlangsamung ihrer verbalen Äußerung am Schluss (Z. 66) kündigt einen Themen- oder Perspektivwechsel an. Fragment 4 67 - ähmm (-) von daher (.) ich find das- 68 - sehr ↑SCHÖN (.) wenn sie das MACHEN; 69 - und wenn (.) ähm- 70 - wenn andere schüler es nicht STÖRT; 2.3 Negatives oder kritisches Feedback 109 <?page no="110"?> 71 und wenn wenn sie sich- 72 - GEGENseitig nicht stören; 73 - dann denke ich ist das- 74 - ja ganz WÜNSCHENSwert, 75 - dass (.) das gemacht wird. 76 - °hh und ähm wenn sie das handy- 77 - wirklich nur dazu benutzen, 78 - um kurz nen WORT zu suchen, 79 - finde ich das AUCH okay: , Unter diesen völlig anderen Umständen befürwortet Jessica die Handynutzung beim extensiven Lesen und bewertet damit Renates Unterrichtshandeln nicht nur betont als: „sehr ↑SCHÖN (.) wenn sie das MACHEN; “ (Z. 68), sondern beurteilt es sogar als „ja ganz WÜNSCHENSwert,“ (Z. 74). Sie führt allerdings einige Bedingungen („wenn-Sätze“) an, die erfüllt sein müssen (Z. 70-72, 76-79). Neben diesen Bedingungen werden auch noch weitere Einschränkungen gemacht. Fragment 5 80 - obwohl sie wahrscheinlich auch- 81 - mit (.) ähm- 82 - strategien auch anders das, (.) 83 - die bedeutung des wortes äh- 84 - sich erschließen könnten. 85 - also (.) hmm- (-) 86 - ob das wirklich sein MUSS; 87 - das würde ich hinterfragen; 88 REN ⸾§hm §⸾ - - §nickt kurz§ - eri ⸾nickt kurz ⸾ 89 - aber ansonsten ist es- 90 - natürlich sehr ↑SCHÖN- 91 - dass sie miteinander- 92 - ins geSPRÄCH kommen- 93 - auch WÄHREND des lesens, (-) 94 - wenns die anderen nicht stört (halt). 95 - also (.) ich denke (.) ihr könnt da- 96 - ganz FROH sein mit der situation, 97 - die ihr da habt. 110 2 Kollegiales Feedback im digital gestützten Diskurs <?page no="111"?> Im Folgenden wird eingeräumt, dass das mittels Handy gesuchte Wort wahr‐ scheinlich aus dem Kontext hätte erschlossen werden können (Z. 80-84). Jessica wendet sich daraufhin mit einem Ratschlag im Konditional an die Kolleginnen: „also (.) hmm (-) ob das wirklich sein MUSS; das würde ich hinterfragen; “ (Z. 85-87). Dem stimmen beide durch Nicken zu (Z. 88). Daraufhin geht Jessica auf die ursprüngliche Frage von Renate ein und betont nochmals, dass sie es ausdrücklich befürworte, dass die Lernenden sich auch während des extensiven Lesens austauschen: „aber ansonsten ist es natürlich sehr ↑SCHÖN-“ (Z. 89, 90) und hebt im Anschluss noch‐ mals die sehr positive Einschätzung der Unterrichtssituation der Kolleginnen hervor (Z. 95-97). In der Sequenz wurde deutlich, wie Jessica in ihrer Rückmeldung das in der Videoannotation und in der Videokonferenz hervorgebrachte kritische Feed‐ back erklärt und es insofern revidiert, als sie darlegt, vor welchem Hintergrund ihre Anmerkungen entstanden sind. Die Kolleginnen zeigen durch ihr Nicken, dass sie Jessicas Beobachtung schätzen und den daraus resultierenden Ratschlag annehmen. In ihrer Darstellung unterstreicht Jessica die unterschiedlichen Lehr-/ Lernsituationen vor Ort, indem sie den anderen Standort als „traumhaft“ und daher für sie und ihren Tandempartner als kaum vorstellbar herausstellt. Ihr Feedback, das als Ratschlag formuliert ist und an den Kompetenzen der Kolleginnen ansetzt, beruft sich auf gemeinsame berufliche Erfahrungen und Kenntnisse: Bei motivierten Lernenden kann das Handy erlaubt sein, da es nicht zur Ablenkung missbraucht wird. Diese von allen geteilte Einschätzung sowie die schmeichelnden Worte schaffen eine positive Stimmung; vor allem verwandeln sie die als negativ empfundene Kritik in einen Ratschlag, den die Lehrenden nach eigenem Gutdünken beherzigen können oder auch nicht. Dieser wird von den Lehrenden durch positive Rückmeldung (Nicken) akzeptiert. Ähnlich wir bei Batlle und Seedhouse (2022) ist hier ein Perspektivwechsel gelungen, und zwar dadurch, dass die Kollegin Jessica ihre Rückmeldungen vor dem Hintergrund der anderen Unterrichtssituation modifiziert hat. Sich in die Situation der anderen hineinzuversetzen scheint eine wichtige Vorausset‐ zung dafür zu sein, dass Lehrende untereinander kritisches Feedback nicht als bedrohlich abwehren, sondern als Anstoß zur Veränderung wahrnehmen und annehmen. Des Weiteren war nicht nur in dieser Sequenz die Unterstützung zwischen den schulinternen Tandempartnern in Bezug auf die internationale Gruppe zu bemerken. Sie helfen sich gegenseitig: Erika begleitet Renates Ausführungen höchst aufmerksam und gibt ihr dabei positives Feedback. Aber auch Jessica verwandelt das als bedrohlich empfundene kritische Feedback ihres Tandem‐ 2.3 Negatives oder kritisches Feedback 111 <?page no="112"?> partners in eine positive Rückmeldung. Im nächsten Kapitel wollen wir zum einen sehen, welche unterschiedlichen Kategorien jeweils für die Pre- und In-service-Lehrenden in der Interaktion hervortreten; zum anderen soll heraus‐ gefunden werden, ob - wie in der hier behandelten Sequenz - Anzeichen für die Bildung einer LEELU-Lehrenden-Gemeinschaft sichtbar werden und welche Merkmale sich für solche internationale Gruppen ableiten lassen. 112 2 Kollegiales Feedback im digital gestützten Diskurs <?page no="113"?> 3 Identitätsstiftende Kategorien in der videobasierten Lehrendenbildung 3.1 Kategorien in beruflichen Settings Beide in der Ethnomethodologie (Garfinkel 1964, 1967) verankert, beschäftigen sich sowohl die Konversationsanalyse als auch die Kategorisierungsanalyse (Membership Categorization Analysis) damit, wie Personen oder Personen‐ gruppen je nach Kontext und in Abhängigkeit zu den Situationen Identitäten annehmen bzw. gemeinsam aushandeln, d. h., wie Identitäten im Diskurs über Sprache und andere semiotische Ressourcen hervortreten (Antaki / Wid‐ dicombe 1998; Day 2013). Den Unterschied dieser zu anderen Perspektiven hebt u.-a. Antaki (2013: 1000) wie folgt hervor: The perspective of conversation analysis (CA) on identities can be described as social constructionist and non-essentialist. It declines to take it that the person has this or that given identity and prefers to watch as the person moves in and out of the multiple categories that society offers. That movement, CA continues, is entirely contingent on the demands of the moment, and, subject as it must be to complex social forces, is nevertheless routinely mediated by talk. Während die (multimodale) Konversationsanalyse dabei Kategorien aus dem Zusammenspiel von sprachlichen und visuell-körperlichen Handlungen in ihrer Sequenzialität sowie Gleichzeitigkeit (turn-taking-system) herausarbeitet, liegt der Fokus bei der Kategorisierungsanalyse verstärkt darauf, wie impli‐ zite Normen und die damit verbundenen Erwartungshaltungen und Zuschrei‐ bungen bei der Herausbildung von Kategorien im Diskurs mit einbezogen werden. Dazu werden z. T. auch Texte oder Dokumente zur Analyse heran‐ gezogen (Nguyen / Nguyen 2022: 262-264). In Abhängigkeit vom Forschungs‐ gegenstand und -interesse lassen sich sowohl Studien finden, die einen der beiden Ansätze wählen als auch die Kombination von beiden (Fukuda 2014: 39/ 40; zur forschungsmethodologischen Auseinandersetzung und Vertiefung: Benwell / Stokoe 2016; Hester / Eglin 1997; Pomerantz / Mandelbaum 2005; Stokoe 2012). Dabei richtet sich die Aufmerksamkeit bei beruflichen Bespre‐ chungen vornehmlich auf die Rollen und den Status von Personen innerhalb der Organisationen (u. a. Angouri et al. 2011; Hougaard 2008) oder die Teambil‐ dung (Djordjilovic 2012); im Mittelpunkt kann auch die Funktion bestimmter semiotischer Ressourcen beim Aufbau von Identität stehen, wie z. B. Lachen (Vöge 2010). Ein relevantes Forschungsthema stellt auch die Frage dar, wie <?page no="114"?> nationale Zugehörigkeiten im Diskurs hervortreten (Hester / Housley 2002; Hougaard 2008; Housley / Fitzgerald 2002). In internationalen Meetings ist zudem die Sprachwahl bzw. wie Sprachen zur Identitätsbildung beitragen ein rekurrenter Gegenstand (Mondada 2012), inklusive der Kompetenzen in der Arbeitssprache bzw. wie mit unterschiedlichen Sprachkompetenzen in den in‐ ternationalen beruflichen Gesprächen umgegangen wird. Diesbezüglich scheint sich die Tendenz zu bestätigen, (fremd)sprachliche Fehler zu übergehen, wohl prinzipiell, um Gesichtsverlust und damit auch Identitätsbedrohung zu ver‐ meiden (grundsätzlich zur Konfliktvermeidung in beruflichen Besprechungen s. Asmuß / Svennevig 2009: 17). In diesem Sinne resümiert Frohnen (2005: 187) in ihrer ethnografischen Studie: Neben dieser betonten Art zu sprechen, kommt hinzu, dass weder sprachliche Verständnisschwierigkeiten innerhalb eines Meetings thematisiert werden noch unverständliche englische Ausdrücke nachgefragt werden. Eine Ausnahme bilden ganz selten vorkommende Nachfragen innerhalb von Videokonferenzen, die von den Sprechern aber immer der schlechten Akustik der Lautsprecher und Mikrofone zugeschrieben werden und gerade nicht dem eigenen Vokabelschatz oder idiomati‐ schen Ausdrücken, die man nicht versteht. Schwierigkeiten im Ausdrücken in der Fremdsprache sind vorhanden, wie mir in Interviews berichtet wurde. Sie werden jedoch von Supervisoren und Managern ganz selten in Besprechungen - und wenn, nur sehr ungern - öffentlich gezeigt und von englischen Muttersprachlern höflich überhört und nicht weiter beachtet. Auch wenn es an diesbezüglichen empirischen Studien fehlt (Gerlach / Lüke 2021: 331; zu beruflichen Identitätsprozessen von Fremdsprachenlehrenden vgl. u. a. Ohta et al. 2023; Schultze 2018; Valadez Vazques 2014), ist von einem ähnlichen gesichtswahrenden Verhalten bei Fremdsprachenlehrenden in Videokonferenzen im Rahmen von Fortbildungsveranstaltungen (in der Unterrichtssprache) auszugehen, vor allem angesichts der Tatsache, dass ange‐ hende Fremdsprachenlehrende der Fremdsprachenkompetenz für die Ausübung ihres Berufs höchste Wichtigkeit beimessen (Gerlach / Lüke 2021: 330) und diese daher eng mit ihrer beruflichen Identität verknüpft ist. Auch für im Beruf stehende Lehrende, insbesondere für die, die im Ausland die Sprache als Fremdsprache unterrichten (und für die diese auch eine Fremdsprache darstellt), werden die sprachlichen Kenntnisse im Unterrichtsfach weiterhin zu den Kategorien gehören, über die sich ihre berufliche Identität aufbaut (Gerlach 2023: 146-148; Gerlach / Lüke 2021: 320; auch Schart / Ohta 2018: 388). Daher ist anzunehmen, dass tendenziell explizite Kritik daran als identitätsbedrohend umgangen wird. 114 3 Identitätsstiftende Kategorien in der videobasierten Lehrendenbildung <?page no="115"?> Bei LEELU war Deutsch für zwei Lehrende die Erstsprache, für eine die Zweitsprache, da sie in Deutschland aufgewachsen war. Für die anderen Lehrenden war es die Fremdsprache, die sie auf unterschiedlichem Niveau beherrschten (B2-C2). Das machte bei den internationalen Videokonferenzen, wie bereits in Sequenz 17 deutlich wurde, den Einsatz diverser Strategien zur Verständigung und Verständnissicherung notwendig. Insofern verband Deutsch als Arbeitssprache zwar die Gruppe, markierte aber auch Unterschiede (vgl. auch Hofmann 2021: 115), die beim vergleichbaren Gebrauch des Englischen wahrscheinlich weniger häufig anzutreffen sind (Oesterle et al. 2020: 126). Es wurde aber auch hier vermieden, öffentlich auf Fehler hinzuweisen oder die Unverständlichkeit von Äußerungen anzumerken. Dazu soll die folgende Sequenz als Beispiel dienen. Wir befinden uns in der Eröffnungsphase. Die Moderatorin hat Gisela gerade erklärt, was der nächste Schritt sein wird, wenn die zwei weiteren Kolleginnen mit Internetproblemen wieder im virtuellen Raum sind. Während sie wartet, schlägt die Moderatorin Lena vor, über den Alltag in ihrer Stadt zu berichten. In der Zwischenzeit prüft die Mitarbeiterin die Dokumente und Videosequenzen, die später besprochen werden sollen und die kurz auf dem Bildschirm erscheinen und wieder verschwinden. Im Raum befinden sich drei Lehrende. Sequenz 22 (31.01.2018, Min. 12: 28-13: 36) 01 MOD ((…)) was ist denn +so los in palermo? + - - +nähert s. d. Bilds.+ 02 - (1.5) 03 LEN bitte? 04 MOD ε*ƒwas gibts neues (.) bei euch? ε - chr εguckt nach links ε - mit *lächelt----> - gis ƒlächelt----> 05 GIS [nichts neues.] 06 LEN [ähh, (.) ] meinst du: - 07 - neues äh in der klasse,# - Abb. #24 - - (Es erscheint der Name von Hannelore) Abb. 24 3.1 Kategorien in beruflichen Settings 115 <?page no="116"?> 08 in der schule, 09 - <<lachend> im allgemeinen,> 10 - [über das projekt? ] 11 MOD ƒ[im allgemeinen- ]ƒ - gis ---->ƒ 12 - #ne ƒübers projekt (.) gleich äh-(---) - gis ƒdreht s. um u. spricht zu jdm.-> - Abb. #25 - - (Köpfe v. Silke u. Hannelore erscheinen) Abb. 25 13 - ich meinte mehr so [alles,]ƒ - gis ---->ƒ 14 LEN ε[ja: ] (.) - chr εnähert s. d. Bildschirm-> 15 - das projekt.ε - chr ---->ε 16 - *ich würde sagen, - mit *#lächelt erstaunt---> - Abb. #26 - - Abb. 26 17 - dass ähm es schafft sehr gut- (.) 18 - ja (.) wir wir- 19 - ja es klappt, 20 - können wir sagen. 21 - die die #*εschüler sind äh begeistert, - mit ---->*lehnt s. n. vorn, guckt n. unt.->> - chr εguckt nach links---->> - Abb. #27 116 3 Identitätsstiftende Kategorien in der videobasierten Lehrendenbildung <?page no="117"?> Abb. 27 - - ((…)) 22 - und die stimmung ist ja positiv. 23 - äh [sie sie-] 24 MOD +[super. ] + - - +lehnt sich kurz nach vorn u. zurück+ Nachdem die Moderatorin zuvor angekündigt hat, dass die Gruppe noch auf Silke und Hannelore wartet, wendet sie sich an das Team in Palermo mit einer Frage und lädt es zum Smalltalk ein: „was ist denn so los in Palermo? “ (Z. 01). Nach einer Pause (Z. 02) zeigt Lena in ihrer Nachfrage, dass sie die Aufforderung zum Smalltalk der Moderatorin nicht verstanden hat (Z. 03). Daraufhin wiederholt diese die Frage (Z. 04), indem sie sie neu formuliert. Die Tatsache, dass sie sie nicht einfach lauter wiederholt, lässt vermuten, dass die Moderatorin davon ausgeht, dass Lena die Frage aus sprachlichen Gründen nicht verstanden hat (vgl. dazu auch Wagner 2015). Während die Tandempartnerin Gisela hingegen sofort darauf reagiert (Z. 05), zögert Lena zunächst und bittet dann erneut um Informationen, um die Frage zu verstehen (Z. 06-10). Gleichzeitig erscheinen die Namen der fehlenden Teilnehmenden auf der rechten Seite der Leiste (Abb. 24). Die Moderatorin bestätigt, dass sich ihre Frage „im Allgemeinen“ auf Palermo bezog (Z. 11), und fügt hinzu, dass das Projekt erst während des anschließenden Treffens besprochen werden soll: „ne übers projekt (.) gleich äh (---) ich meinte mehr so [alles,] “ (Z. 12, 13). In der Zwischenzeit erscheinen die Köpfe der beiden noch fehlenden Lehrenden (Abb. 25). Der letzte Teil überschneidet sich mit Lenas Aussage, die beginnt, über das Projekt zu sprechen (Z. 14, 15). Die Mitarbeiterin lächelt erstaunt und scheint auf eine Reaktion seitens der Moderatorin zu warten (Z. 16, Abb. 26). Als diese ausbleibt, beschäftigt sie sich ähnlich wie Christine mit anderen Dingen (Z. 20, Abb. 27). Lenas Nachfrage (Z. 03), die auf die Einladung der Moderatorin zum Smalltalk folgt, wird als (sprachliches) Verständnisproblem interpretiert. Ob dies auch der Grund für das folgende Missverständnis (Z. 14-23) ist, bleibt ungeklärt. Wahrscheinlich kommen auch akustische Probleme hinzu, die dazu führen, dass Lena das, worum die Moderatorin gebeten hat, als formelle Nachfrage bezüglich der Projektarbeit vor Ort deutet, was sie vermutlich auch erwartet 3.1 Kategorien in beruflichen Settings 117 <?page no="118"?> hat. Dass sie in ihren Ausführungen von der Moderatorin nicht korrigiert oder unterbrochen wird, führt zunächst zu einer leichten Verunsicherung und dann zur schwindenden Aufmerksamkeit der Mitarbeiterin und Christines (Z. 16, 21, Abb. 27), die so auf das Verständnisproblem der Lehrenden und die ausbleibende Korrektur der Moderatorin reagieren. Da mit dem Erscheinen der beiden noch fehlenden Lehrenden (Abb. 24) der Grund für den Smalltalk entfällt, versucht die Moderatorin, als Lena kurz stockt (Z. 25), durch die positive Wertung „super“ vorsichtig das Ende von Lenas Bericht einzuleiten (was allerdings erst später gelingt). Die Sequenz 22 zeigt ein ‚Let-it-goʽ-Verhalten, wie es bei beruflichen Gesprä‐ chen zur Vermeidung von Gesichtsverlust den Normalfall darstellt. In diesem Fall scheint allerdings die Tatsache, dass dieses Unverständnis nicht geklärt, sondern toleriert oder ignoriert wird, wohl auch noch der Orientierung speziell in den Eröffnungsphasen von Meetings geschuldet: Die Moderatorin versucht, die durch technische Probleme verursachte Verzögerung des Meetings mit Smalltalk zu füllen, wobei der Inhalt sekundär und daher eine Klärung unnötig ist (Mondada 2010: 313). Im folgenden Kapitel soll zuerst vor dem beschriebenen wissenschaftstheo‐ retischen Hintergrund herausgearbeitet werden, wie in den Tandems, den Lehrendenteams vor Ort, unterschiedliche berufsbezogene Kategorien zutage treten (3.2), um dann in einem zweiten Schritt zu sehen, wie sich diese Tandems innerhalb der internationalen Gruppe positionieren (3.3), wobei der Gebrauch von Toponymen einmal als organisatorisches Element in der Gesprächsführung, zum anderen zur kategorischen Unterscheidung der nationalen Teams fungiert. Im letzten Abschnitt (3.4) soll mit Blick auf die noch junge Forschung zu trans‐ nationalen berufsbezogenen virtuellen Gemeinschaften untersucht werden, wie sich Normen und Handlungsanleitungen im Diskurs konstituieren und ob darüber identitätsstiftende Kategorien hervortreten. Es sei an dieser Stelle noch mal angemerkt, dass sich diese Kategorien nicht im Diskurs bilden bzw. neu entstehen. Sie existieren davon unabhängig, sind Teil unserer Lebens- und Arbeitswelt. Ziel der Untersuchung ist es aufzuzeigen, wie sie im interaktiven Geschehen ausgehandelt und dadurch sichtbar werden. 3.2 Pre- und In-service-Lehrende im Tandem Im Gegensatz zu Teilnehmenden in anderen beruflichen Videokonferenzen, die oftmals in der Organisation für diverse Aufgabenbereiche zuständig sind bzw. sich durch unterschiedliche Berufe ausweisen, unterscheiden sich die Zusammenkünfte in Bildungsmaßnahmen für Lehrende wie im LEELU-Projekt 118 3 Identitätsstiftende Kategorien in der videobasierten Lehrendenbildung <?page no="119"?> darin, dass die Lehrenden eine beruflich homogene Gruppe darstellen sowie die Moderatorin und die Projektmitarbeiterinnen dem universitären Arbeitskontext angehören. Darauf, wie sich hierbei die Rolle der Moderatorin sowie der Projektmitarbei‐ terin in den Sitzungen etablieren, wurde bereits im ersten Kapitel eingegangen. Kommen wir nun zu den Lehrenden. Dazu wurden drei Sequenzen gewählt. In der ersten Sequenz legt die Lehrende Hannelore anhand der von dem Tandem ausgewählten Videosequenz ihre Idee dar, über einen Bildinput die Lernenden zu einer Reflexion bezüglich des Projekts anzuregen. Diese Initiative wird von ihr selbst als erfolgreich eingestuft. Nach der Schilderung richtet sich die Moderatorin an Hannelores Tandempartnerin mit der Frage, ob sie noch abschließend etwas zu deren Schilderung hinzufügen möchte. Die Sequenz findet ungefähr in der Mitte der Bildungsmaßnahme statt. Sequenz 23 (31.01.2018, Min. 23: 52-24: 32) 01 MOD ((…)) silke (.) möchtest du es- 02 - noch ergänzen, 03 - bevor wir diese fragerunde beginnen? 04 SIL ja (.) also (.) ich war sehr sehr stolz- 05 - ƍauf hannelore, - han ƍlächelt----> 06 - auf diese idee (.) und auf diese- 07 MOD [hm. ] 08 SIL [idee ] von visualisierung. 09 - äh und ähm es war (.) ich meine- (.) 10 - ein richtiger erfolg, 11 - weil diese schüler, 12 - die normalerweise sehr sehr- 13 - schüchtern sind- 14 - und manchmal sehr wortkarg sind- 15 MOD ähä. 16 SIL sie meldeten sich zu worte und- 17 - sie (.) sie waren sehr offen und bereit- 18 - über ihre geDANken zu sprechen- 19 - also (-) hannelore hat ihr ziel- 20 - total erreicht.ƍ - han ---->ƍ 21 MOD ähä, 22 SIL war sehr sehr aufschlussreich- 3.2 Pre- und In-service-Lehrende im Tandem 119 <?page no="120"?> 23 [für uns- (-)] 24 MOD [ähä ähä. ] 25 SIL diese stunde. 26 MOD super (.) danke schön. Silke nimmt die an sie gerichtete Aufforderung der Moderatorin (Z. 01-03) zum Anlass, ihrer Tandempartnerin ein großes Kompliment zu machen und deren außerordentliche Leistung hervorzuheben. Dies wird als persönliche Einschätzung formuliert: „ja (.) also (.) ich war sehr sehr stolz auf hannelore,“ (Z. 04, 05), deren Initiative als „ein richtiger erfolg,“ (Z. 10) (auch hier in Verbindung mit der persönlichen Wertung „ich meine“ (Z. 09) bewertet wird. Es wird dann auch in den folgenden Zeilen weiter ausgeführt, warum Hannelores Tätigkeit so lobenswert sei (s. high-grade assessments in 2.2), und mit der Beurteilung: „also (-) hannelore hat ihr ziel total erreicht.“ (Z. 19, 20) abgeschlossen. Hannelore, die räumlich vor dem gleichen Computer sitzt wie Silke, lächelt zufrieden, während diese die anerkennenden Worte spricht (Z. 05-20). Nach nochmaligem Feedback seitens der Moderatorin (Z. 21) fügt Silke dann noch hinzu: „war sehr sehr aufschlussreich [für uns (-)] diese stunde.“ (Z. 22, 23, 25), womit hervorgehoben wird, dass die Leistung Hannelores auch eine noch über die Stunde hinausgehende Relevanz hat. Silke legt die Einladung der Moderatorin, noch etwas zu der von Hannelore geschilderten Sequenz hinzuzufügen, als Aufforderung zu einer Beurteilung aus. Sie zeigt damit, dass sie sich dazu berechtigt fühlt bzw. ihre Position sie dazu ausweist, die Sequenz, in der die Pre-service Lehrende ihren Unterricht dargestellt hat, mit einer Bewertung abzuschließen (communicative entitlement), während die Novizin das Lob dankend (Lächeln) entgegennimmt: As noted by Antaki et al. (2000) and Antaki (2002), assessing is indicative of who has control of the local sequence, or to put it differently, who has the communicative entitlement to assess and judge when a section of the interaction is completed (see Myers, 2000; also Rhys, 2016). (Lindström et al. 2019: 95) Hannelores Lächeln sowie die häufigen Rückmeldungen und das abschließende „super (.) danke schön.“ (Z. 26) der Moderatorin bestätigen Silke in ihrem Handeln. In dieser Sequenz treten deutliche Unterschiede im Lehrendenstatus zutage, die sich einmal an dem Vorrecht zeigen, die die erfahrene Lehrkraft gegenüber der/ dem Lehramtsanwärter: in hat: Die In-service Lehrende ist dazu berechtigt, die Tätigkeit der Tandempartnerin abschließend zu beurteilen. Die andere 120 3 Identitätsstiftende Kategorien in der videobasierten Lehrendenbildung <?page no="121"?> ist dagegen die Empfängerin des Lobes (Asmuß / Oshima 2012: 82/ 83; vgl. auch Lindström / Heinemann 2009). Die positive Bewertung zeigt ebenso, dass sie im Vergleich zur Lehramtsanwärter: in über einen anderen Wissensstand verfügt (sie kann beurteilen, ob Hannelore das Ziel erreicht hat oder nicht, Z. 19, 20), worüber eine asymmetrische Konstellation entsteht (Gathman et al. 2008: 292/ 293). Diese Handlungen definieren auf der einen Seite die Kategorie ‚Lehrende‘ bzw. ‚Ausbilderin‘, auf der anderen Seite ‚Studierende‘ bzw. ‚Lehr‐ amtsanwärter: in‘ und weisen Erstere als hierarchisch höher Stehende aus. Dies soll nun auch die nächste Sequenz verdeutlichen, die aus der Eröffnungs‐ phase beim ersten Treffen der Abschlussrunde stammt. Es wird noch auf einige Teilnehmende gewartet und die Zeit mit dem üblichen Smalltalk überbrückt. Im Raum sind bisher nur zwei Lehrende. In diesem Zusammenhang fragt die Moderatorin, wie die Vorbereitungen für die Abschlussveranstaltung laufen. Sequenz 24 (26.03.2018, Min. 8: 03-8: 43) 01 MOD ((…)) aber wie laufen die vorbereitungen- 02 - für budapest? 03 - (1.5) 04 DOR °h ähm (--) also wir arbeiten (.) zusammen, 05 - äh: noch immer mit katrin, 06 - katrin macht es sehr gut; 07 - also sie lädt meine videos- 08 - hoch +äh- (-) + - mod +nickt kurz+ 09 - und (--) jetzt ist sie schon fertig- 10 - mit äh: : ihrem semester- 11 - auch in dem russischen- (.) 12 - also lehrerpraktikum, 13 - also das hat sie auch bei uns gemacht, 14 - und ähm ↑ja wir haben also- 15 - verschiedene sachen- 16 - schon für den ↑messestand, 17 - also meine videos- 18 - also das habt ihr wahrscheinlich gesehen- 19 - also zum rollenverständnis- 20 - das ist ein °h äh eine abschnitt- 21 - oder ausschnittreihe- 22 - von verschiedenen tätigkeiten. 23 - also mein video. 3.2 Pre- und In-service-Lehrende im Tandem 121 <?page no="122"?> 23 Katrin ist zu dem Zeitpunkt der Sequenz noch nicht im virtuellen Raum. Die an alle in der Gruppe gerichtete Frage der Moderatorin nach den Vorberei‐ tungsarbeiten für die Abschlussveranstaltung beantwortet Doris nach kurzer Pause dahingehend, dass sie die Zusammenarbeit mit Katrin 23 beschreibt. Diese besteht darin, dass Letztere die technische Vorbereitung für die LEELU-Veran‐ staltung übernimmt (Z. 07, 08), eine Tätigkeit, für die sie gelobt wird: „katrin macht es sehr gut; “ (Z. 06). Sie fügt hinzu, dass Katrin die Studienan‐ forderungen einschließlich des Praktikums bereits absolviert habe (Z. 09-12), wodurch sie sich als fleißige Studierende auszeichnet. Das Personalpronomen „uns“ in den Zeilen 12 und 13: „also lehrerpraktikum, also das hat sie auch bei uns gemacht,“ sowie die dreimalige Wiederholung von „meine Videos“ (Z. 07, 17, 23) in Verbindung mit der Anhäufung von „also“ (Z. 07, 12, 13, 17, 18, 19, 23) unterfüttern die Kategorie ‚Lehramtsanwärterin‘ noch zusätzlich über die Zugehörigkeit zu der Schule, die mit der Erledigung be‐ stimmter Tätigkeiten, als gängige Praxis für Praktikant: innen, einhergeht. Dar‐ über wird deutlich, dass Pre- und In-service-Lehrende unterschiedliche Aufgaben übernehmen bzw. die Erwartung besteht, dass sie für bestimmte Aktivitäten im Projekt zuständig sind. Einige dieser Aufgaben der Pre-service-Lehrenden bestehen darin, die Arbeit der In-service Lehrenden zu unterstützen. Eine letzte Sequenz soll noch eine weitere Beschreibung dazu liefern, wie die beiden Kategorien im interaktiven Geschehen hervortreten. Die Sequenz stammt aus demselben Gespräch der letzten Gesprächsrunde. Thema ist die Motivation der Lernenden zum extensiven Lesen bzw. wie diese die Ziele des extensiven Lesens erkennen und übernehmen können. Sequenz 25 (26.03.2018, Min. 1: 04: 01-1: 05: 45) 01 JAK ((…)) wenn ich so etwas- 02 - (klassisch) frage, 03 - dann (.) sind die schüler davon- 04 - NICHT überzeugt. 05 - ähm und das ist natürlich- 06 - auch schwierig, 07 - wie wie (.) zeigen wir das mit- 08 - (unv.) die ziele; 09 - und das finden wir auch nicht so, 10 - ähm mit (dem druck) mal- 11 - (unv.) durchführen, 12 - das kann das (.) kann nur deutlich- 122 3 Identitätsstiftende Kategorien in der videobasierten Lehrendenbildung <?page no="123"?> 24 Die Internetverbindung von Jakob ist sehr schlecht, daher sind einige Passagen unver‐ ständlich und auch die Videoübertragung ist oft eingefroren. 13 werden so am ende, 14 JES jakob (.) ich glaube aber eigentlich, 15 - dass die meisten schüler (.) ähm- (-) 16 - schon verSTEhen, 17 - dass je mehr sie lesen, 18 - desto besser werden sie ꬹim deutschen, ꬹ - - ꬹzieht Schulter hochꬹ 19 - also das (.) ich glaube, 20 - das ist schon den meisten schon beWUSST. 21 - aber (.) es hilft nicht ˅der motivation-˅ - jak ˅wiegt den Kopf ˅ 22 - und das hilft nicht den schülern- 23 - das ziel zu erreichen. - - ((…)) 24 - aber ich denke, 25 - den meisten ist das ziel schon bewusst, 26 - aber wer sie dann trotzdem nicht ähm- 28 - kriegens trotzdem nicht hin, 29 - konzentriert zu lesen; (---) 30 - oder (.) jakob? 31 - also ich denke eigentlich schon. 32 JAK ˅ja. (.) ˅ - - ˅wiegt den Kopf seitlich˅ 33 - äh (1.0) vielleicht nicht (eins zu eins), 34 - dass das von, 35 - dass die motivation daher kommt. 36 - aber (.) also sind nicht alle- 37 - lesen motiviert, 38 - aber doch eine bestimmte menge (.) ne? 39 JES (ja ja.) Jakob 24 kommt am Ende seiner Ausführungen zu der Schlussfolgerung, dass den Schüler: innen die Ziele des Projekts momentan nicht klar und sie auch nicht son‐ derlich motiviert sind: „das kann das kann nur deutlich werden so am ende.“ (Z. 12, 13). Darauf reagiert seine Tandempartnerin, indem sie 3.2 Pre- und In-service-Lehrende im Tandem 123 <?page no="124"?> ihn direkt anspricht und sowohl durch das adversative „aber“ als auch die einen Einspruch signalisierende Partikel „eigentlich“ antizipiert: „jakob (.) ich glaube aber eigentlich“ (Z. 14), dass sie zu einer Widerrede ansetzt. In dieser vertritt sie die Meinung, dass den Lernenden das Lernziel schon bewusst sei, es ihnen aber dennoch an Motivation mangele: „aber (.) es hilft nicht der motivation-“ (Z. 21), was Jakob durch die Geste des seitlichen Kopfwiegens teilweise bestätigt. Jessica wiederholt das Gesagte in Zeile 24 und 25 nochmals und stellt daraufhin Jakob die Bestätigungsfrage: „oder (.) jakob? “ (Z. 30), um dann wiederum schlussfolgernd zu bekräftigen: „also ich denke eigentlich schon.“ (Z. 31). Jakob bejaht das dann fast gleichzeitig und gestisch unterstützt (Überlappung wohl aufgrund technischer Schwierigkeiten) und schränkt im Folgenden seine ursprüngliche Aussage ein, indem er einräumt, dass es in einigen Fällen zutreffen könnte. Dabei stellt auch er am Ende eine Bestätigungsfrage. Allerdings ist diese nicht namentlich an Jessica adressiert und er schränkt dabei die Reichweite seiner Aussage ein: „aber doch eine bestimmte menge (.) ne? “ (Z. 38). Jessica bestätigt dies unverzüglich (Z. 39). Jessica richtet ihre Widerrede zweimal namentlich an ihren Tandempartner. Dies ist einmal Ausdruck eines vertraulichen Verhältnisses, auch weil sich die Ausführungen auf eine Realität beziehen, zu der nur sie beide Zugang haben. Andererseits liegt im namentlichen Ansprechen des Partners auch eine Forderung, dass sich dieser dazu äußern soll: Im Standardfall alltäglicher Kommunikation wird die adressierte Person auf eine si‐ tuativ naheliegende, nahegelegte, geforderte, erwartete Handlung oder Unterlassung orientiert. Die auszulösende Aktion kann auch sein: Konzentration der Aufmerksam‐ keit auf das Gesagte bzw. zu Sagende oder die Übernahme des Folgeturns. Die namentliche Adressierung wird gern an Diskursstellen eingesetzt, die das Gegenüber intensiv involvieren, im Zusammenhang einer Warnung, Kritik, potentiellen Eskala‐ tion etc. (Hoffmann 1999: 230) Solche zur Reaktion auffordernde Handlungen kommen tendenziell hierar‐ chisch höher Positionierten zu, wie z. B. den Lehrenden im Unterrichtsdiskurs, und drücken auch hier eine unterschiedliche Stellung der beiden Lehrkräfte im Tandem aus. Das zeigt sich auch an der Reaktion von Jakob, d. h. in seinem partiellen Zurückziehen der ursprünglich ausgedrückten Meinung. In diesem Abschnitt lag der Fokus darauf aufzuzeigen, wie die kategoriale Zuordnung der beiden Tandempartner: innen zueinander erfolgt. Dies geschah einmal über die Beschreibung von Handlungen und Aufgaben sowie über Gesprächspraktiken auf beiden Seiten, die Lehrende von den Lehrendenan‐ 124 3 Identitätsstiftende Kategorien in der videobasierten Lehrendenbildung <?page no="125"?> 25 Zur detaillierten Analyse sei auf Hoffmann (2023c) verwiesen. Aus diesem Artikel wurden hier einzelne Passagen oder Sätze übernommen. wärter: innen deutlich unterscheiden, wie die Berechtigung und das Anrecht, die Tätigkeiten der Tandenpartnerin/ des Tandempartners zu beurteilen oder ihr/ ihm zu widersprechen sowie namentlich zu einer Stellungnahme aufzufor‐ dern. Die beiden Kategorien ‚Lehrende‘ und ‚Lehramtsanwärter: innen‘ stehen dabei in einer für Kategorien typischen „Paar-Beziehung“ zueinander: Another aspect of categories is that they may form ʽstandardized relational pairsʼ with duties and moral obligations toward each other (e.g., mother-child, teacher-student) or be positioned in a hierarchy such that expectations are applied differently to members in the hierarchical collection (e.g., ʽteenagerʼ can be accused of behaving like a ʽbabyʼ. (Nguyen / Nguyen 2022: 264) Die Tatsache, dass es im Korpus weder Sequenzen gibt, in denen Pre-service-Leh‐ rende die Tätigkeiten ihrer In-service-Partner: innen beurteilen oder Letztere Aufgaben übernehmen, die die Lehramtsanwärter: innen gewöhnlich erledigen, noch von ihrer Seite offener Widerspruch gegenüber den Äußerungen der Expert: innen geäußert wird, lässt tendenziell auf eine asymmetrisch angelegte Konstellation in den Lehrendentandems schließen. In dem folgenden Abschnitt soll nun der Frage nachgegangen werden, wie die nationale Zugehörigkeit der Lehrendentandems im Diskurs hervortritt, d. h., wie sie sowohl von der Moderatorin als auch von den anderen an der Videokonferenz teilnehmenden Kolleg: innen eingesetzt wird. 3.3 Nationale Teams in internationalen Meetings 25 Die Auseinandersetzung mit der identitätsstiftenden Funktion von Eigen- und Ortsnamen unter Berücksichtigung ihrer kotextuellen und kontextuellen Ein‐ bettung ermöglicht es, die unterschiedlichen Funktionen von Namen im Diskurs zu erfassen, um darüber Beziehungen zwischen den Gesprächsteilnehmenden sowie deren Kategorisierung zu ergründen: Eigennamen dienen nicht nur der Referenzierung, sondern auch der Organisation des Diskurses (sie treten beispielsweise gehäuft in Gesprächseröffnungen auf, dienen aber auch der Adressierung eines Redebeitrags und leiten nicht selten den Wechsel des Gesprächsthemas ein), der Definition der sozialen Beziehungen zwischen den Spre‐ chern (insbesondere im Ausdruck von Höflichkeit, Intimität und Machtverhältnissen) aber auch der Kategorisierung der Gesprächsteilnehmer. (De Stefani / Pepin 2010: 2) 3.3 Nationale Teams in internationalen Meetings 125 <?page no="126"?> Bei der Referenzierung von Personen über ihre nationale, ethnische, kulturelle oder geografische Zugehörigkeit (Day 1998) wird ein Individuum einer allgemei‐ neren übergeordneten, in diesem Fall geografischen oder nationalen, Kategorie untergeordnet. Das geschieht u. a. durch den Gebrauch von Ortsnamen (vgl. u.-a. Auer 1979; Enfield und Stivers 2007): The reformulated category device ‘anyone from Norfolk’ subsumes the individual category membership into a generalised device. […] The question is heard to catego‐ rise the caller in terms of her geographical location and also her nationality through her geographical position as somewhere that is not in Wales. (Housley / Fitzgerald 2002: 49) Diese werden einmal bei der Begrüßung in internationalen Meetings eingesetzt, worüber sich die Identität von lokalen Teams in der Voreröffnungsphase in der internationalen Videokonferenz konstituiert. Hierbei geben sich die Teilneh‐ menden oft als Standort zu erkennen, „eine typische Form der Identifizierung in Videokonferenzen, mit der der Ort als kollektiver Adressat behandelt wird“ (Mondada 2010: 299). Unten stehendes Zitat bezieht sich z. B. auf die Begrüßung „Hallo Freiburg“: Diese Begrüßung hat eine besondere Form: Der Adressat wird mit dem Namen der betreffenden Stadt angesprochen, also mit einem Toponym anstelle eines Anthropo‐ nyms. Diese Form der Referenz konstituiert die Personen in Freiburg als ein Team und behandelt sie als Gruppe. (Ebd.: 296) Bei Erasmus+-Projekten stehen die Standorte, d. h. die Orte, wo sich die Uni‐ versitäten der Antragstellenden und der Partner: innen befinden, grundsätzlich vertretend für das Land, dessen geografische Lage auch eine entscheidende Rolle bei der Wahl der Partneruniversitäten in der Projektvorbereitungsphase spielt. So werden in den LEELU-Gesprächen neben den Ortsauch Ländernamen benutzt; im Korpus finden wir sowohl „Ich würde vielleicht das Wort noch an Ungarn übergeben.“ (in der Sitzung am 27.11.2017) als auch „Wie habt ihr das gemacht in Budapest? “, oder es werden Orts- und Ländernamen zusammen eingesetzt, z. B. in: „[…] in Italien, also in Palermo.“ (beide in der Sitzung am 28.11.2017). Das heißt, die Begriffe werden synekdochisch verwendet (s. u., Sequenz 26). Damit bilden sich über die Adressierung durch das Toponym lokale bzw. nationale Untergruppen oder Teams (s. u.) in den internationalen Besprechungen, die Identifizierung der Teilnehmenden vollzieht sich über ihren lokalen Standort. Das geschieht aber nicht nur in der Voreröffnungsphase, sondern auch im Verlauf von Videokonferenzen beim Turnwechsel oder auch allgemein zur Kategorisierung. Markaki und Mondada (2012: 38) stellen fest, 126 3 Identitätsstiftende Kategorien in der videobasierten Lehrendenbildung <?page no="127"?> 26 In der ethnografischen Studie von Biebricher et al. (2024) zum Verhalten universitärer Lehrkräfte im Rahmen eines internationalen Projekts sagten die für die jeweiligen Länder zuständigen Lehrpersonen aus, dass sie sich für das Verhalten „ihrer Studie‐ renden“ gegenüber den Kolleg: innen verantwortlich fühlten. dass in beruflichen Zusammenkünften die Individuen hinter dem Standort ver‐ blassen und dabei gleichsam austauschbar werden. Sie repräsentieren das Land und stehen für dessen Lob und Tadel ein, womit sich gleichzeitig Erwartungen, Verpflichtungen oder Vorrechte verknüpfen: […] when a country is mentioned, the attention of the participants shifts to the representative of the business company in this country; moreover, special rights and obligations are made relevant - prompting this representative, for example, to self-se‐ lect and to respond to the topic raised by the previous speaker. (Markaki / Mondada 2012: 34) Dabei betont Hougaard (2008: 314), dass die nationale Zugehörigkeit auch mit einem gewissen Kenntnisstand identifiziert wird. Die Gesprächsteilnehm‐ enden werden als Expert: innen für die Situation in ihrem Land herangezogen und etablieren sich als solche (das trifft allerdings nicht immer zu: vgl. Markaki / Mondada 2012: 47, 48), d. h., die Kategorie „representative of that country“ verbindet sich mit verschiedenen Wissensständen, was situativ eine Asymmetrie unter den nationalen Gruppen erzeugen kann (Markaki / Mondada 2012: 47). 26 Auch bei LEELU waren - wie wir gesehen haben - die Tandempartner: innen die ersten Ansprechpartner: innen im Fall der Verspätung der Kolleg: innen (s. 1.4). Auch unterstützten sich die Lehrenden vor Ort gegenseitig und traten somit als (nationales) Team auf. Team wird im Vergleich zur Gruppe wie folgt definiert und abgegrenzt: Finally, when discussing ‘teams’, researchers often relate this term to a shared accountability for the produced action (Kangasharju, 1996; Lerner, 1993), in other words, a shared author/ principal status (see Goffman, 1979). Such a status implies a range of different practices, not just the affiliating ones - members of a team may monitor and repair each other’s turns. Lerner (1987) has observed two interactional environments usually associated with participants’ teaming-up - story-telling and explaining. (Djordjilovic 2012: 113; vgl. auch Pomerantz and Mandelbaum 2005) Team geht hiernach über auf einzelne Turns bezogene Allianzen und die Zuge‐ hörigkeit zu einer Gruppe hinaus. Der Begriff verbindet sich mit der gemeinsam getragenen Verantwortung und koppelt sich an Gesprächspraktiken, die die 3.3 Nationale Teams in internationalen Meetings 127 <?page no="128"?> Handlung darlegen und begründen. Die Teambildung spielt eine wichtige Rolle bei Identitätsprozessen (Oshima / Asmuß 2017: 3). Im Folgenden soll untersucht werden, wie Toponyme zur Herausbildung nationaler Teams im LEELU-Projekt beigetragen haben. Das heißt, in den folgenden drei Sequenzen soll analysiert werden, wie nationale Kategorien bei den internationalen Videokonferenzen hervortreten. Insbesondere liegt der Fokus darauf, in welchem Kontext der Gebrauch der Ortsnamen bzw. der Einwohner: innen dieser Orte steht und welche Funktion ihre Nennung in den unterschiedlichen Phasen der digitalen Besprechung erfüllt. Die folgende Sequenz stammt aus der Voreröffnung der zweiten interna‐ tionalen Gesprächsrunde. Die Moderatorin hat zunächst die nacheinander eintreffenden Lehrenden begrüßt und die technischen Vorrichtungen geprüft. Anschließend weist sie darauf hin, dass eine Lehrende nicht an der Sitzung teilnehmen wird, und nennt namentlich die beiden noch fehlenden Kolleginnen von einem anderen Standort. Im Raum befinden sich drei Lehrkräfte. Sequenz 26 (30.01.2018, Min. 3: 43-4: 31) 01 MOD ((…)) (5.0) ja: (.) ansonsten warte ich- 02 - jetzt (.) bis die beiden- (-) 03 - BUDApesterinnen (.) noch auftauchen. 04 - (3.0) +(1.0) - - +guckt nach unten---> 05 - ↑und ist es sehr stressig+ (.) bei euch? - - ---->+ 06 - seid ihr °hh auch so- 07 - in der (.) abschlussphase, 08 - des (.) kurz vor den ZEUGnissen? 09 - (3.0) 10 JAK äh wir [(haben nur)] 11 JES [unv. ] 12 - (3.0) 13 MOD wer fängt an? +stella? + - - +nähert s. d. Bildsch., lacht+ 14 - %(1.0) % - ste %lächelt, nähert sich dem Bildschirm% 15 STE ja (.) bei uns ist die schule bis ende: : - 16 - ähm anfang juni. 17 - %deswegen % hat man noch- - - %wiegt d. Kopf% 128 3 Identitätsstiftende Kategorien in der videobasierten Lehrendenbildung <?page no="129"?> 27 Indem Stella anfänglich nicht realisiert, dass es sich um Zwischenzeugnisse handelt (Z. 15-18), die es auch an ihrer Schule gibt und die für die Lehrenden wegen der Lehrendenkonferenzen mit Stress verbunden sind, weist sie sich als Praktikantin aus, die in diese schulischen Verpflichtungen nicht eingebunden ist. 18 ein bisschen zeit, 19 - aber jetzt gibt es auch zeugnisse: - 20 - ende: : (.) januar- (.) 21 - %anfang februar. % - - %wiegt den Kopf, verzieht den Mund% 22 MOD ja (.) ja (.) aus budapest wurde das gestern- 23 - nämlich berichtet, 24 - dass der termin unglücklich war, 25 - zwei tage sozusagen vor- 26 - den zeugniskonferenzen. 27 STE %hmhmm. % - - %lächelt und nickt% 28 MOD und in utrecht↑ auch stress? Die Moderatorin teilt mit, dass sich die Besprechung noch verzögert. Mit der betonten Zuordnung der beiden Personen zu dem Standort; „BUDApesterinnen“ (Z. 03) wird das fehlende Team kategorisiert. In der anschließenden Pause signalisiert der wohl auf die Tagesordnung gesenkte Blick, dass sie kontrolliert, wann das Video der Kolleginnen aus Budapest zur Besprechung vorgesehen ist. Zur Überbrückung der Wartezeit leitet die Moderatorin zum Smalltalk über, in dem sie auf den momentanen Stress wegen der Zwischenzeugnisse zu sprechen kommt: „seid ihr °hh auch so in der (.) abschlussphase,“ (Z. 06, 07). Das „auch“ bezieht sich - wie sich später herausstellen wird - auf das, was in der Sitzung am Vortag gesagt wurde. Nach einer längeren Pause (Z. 09) reagieren die beiden Lehrenden aus Utrecht auf die Frage (Z. 09, 10); durch die leichte Zeitverzögerung und die nicht einwandfreie Qualität des Videos ist nicht ganz klar, wer gleichzeitig mit Jakob zu sprechen angefangen hat. Die Moderatorin geht davon aus, dass Stella den Redebeitrag leisten wollte. Daher fordert sie diese nach einer Pause (Z. 12) namentlich zur Antwort auf (Z. 13). Ihr nicht vokalisiertes Lachen verleiht der Aufforderung eine freundlich verbindliche Note. Stella zeigt ihre Bereitschaft zum Sprechen, indem sie sich lächelnd dem Bildschirm nähert (Z. 13) und bestätigt, dass es auch bei ihr die Zeit der Zwischenzeugnisse ist (Z. 19-21). 27 An dieser Stelle ergänzt die Moderatorin: „ja (.) ja (.) aus budapest wurde das gestern-“ (Z. 22), dass in dem gestrigen Gespräch bereits 3.3 Nationale Teams in internationalen Meetings 129 <?page no="130"?> eine Art Klage bezüglich des unglücklich gewählten Termins der Besprechung kam, da in dieser Zeit die Zeugniskonferenzen stattfinden (Z. 23-26), was auch ihre Nachfrage begründet. Die Kategorie „Budapest“ bezieht hierbei auch die an anderen Sitzungen teilnehmenden Lehrkräfte am Standort ein. Stella gibt kurz Feedback dazu und vermittelt durch das Verziehen des Mundes, dass auch an ihrer Schule ein gewisser Stress wegen der Zwischenzeugniskonferenzen herrscht (Z. 27). Daraufhin wendet sich die Moderatorin mit der gleichen Frage an die Lehrenden vom anderen Standort bzw. kommt auf sie zurück, indem sie sie mit dem Namen der Stadt anspricht: „und in utrecht↑ auch stress? “ (Z. 28). In dieser Sequenz aus der Eröffnungsphase setzt die Moderatorin sowohl die Bezeichnung der Teilnehmenden als Einwohner: innen eines Standortes (Z. 03) als auch die Benutzung des Toponyms (Z. 22, 28) zur Referenzierung bei der Organisation des Gespräches ein. Darüber konstituieren sich im Diskurs nationale Teams als Einheit innerhalb der internationalen Videokonferenz, denen die einzelnen Lehrenden untergeordnet sind. Unter diese Kategorie fällt nicht nur das eine schulinterne Tandem, das an der Sitzung teilnimmt, sondern alle (auch nicht an dieser Sitzung teilnehmenden) sechs Lehrenden desselben Standortes. In der nächsten Sequenz aus der ersten LEELU-Gesprächsrunde geht es auch um das zweite oben genannte Phänomen der Adressierung durch Toponyme, diesmal aber während der Besprechung. Es wird darüber diskutiert, wie die Schüler: innen ihre Entscheidung, ein bestimmtes Buch zu lesen, reflektieren, und wie die Lehrenden diese Wahl bewusster machen können. Stella, die die Frage stellt, ist nicht sichtbar. Sequenz 27 (27.11.2017, Min. 43: 03-43: 25) 01 STE ((…)) und wir wollten (-) ähm: wissen, 02 - wie ihr das macht, 03 - ob es bei [euch] einfacher ist, 04 MOD [ja- ] 05 STE ob ihr (.) einfacher- 06 - mit schülern darüber +spricht-+ - mod +nickt + 07 - oder (.) ob es bei euch auch- 08 - ein problem ist. 09 MOD +ähä, + - - +lächelt und nickt+ 10 - (2.5) 130 3 Identitätsstiftende Kategorien in der videobasierten Lehrendenbildung <?page no="131"?> 11 wie ist das (.) in- 12 - +#budapest und in utrecht? + +lächelt + - Abb. #28 - - Abb. 28 13 - (1.0) 14 CHR ja (.) also bei εUNS (-) εähm-(.) - - εblickt nach obenε 15 - ist es ja auch ein thema: ? 16 - weil unseres video geht- 17 - eigentlich εAUCH darum, ε((…)) - - εblickt nach obenε In dieser Sequenz stellt Stella den anderen Lehrenden vier indirekte Fragen (Z. 02, 03, 05, 07), wobei sie auf ihr Tandem mit dem Personalpronomen „wir“ referiert, während sie sich an die anderen Lehrenden mit „ihr“ und „euch“ richtet. Sie wird dabei verbal sowie durch Nicken (Z. 06, 09) von der Moderatorin unterstützt. Durch ein zusätzliches Lächeln quittiert die Moderatorin den Ab‐ schluss des Turns und fordert damit die anwesenden Lehrenden auf, auf Stellas Fragen zu antworten. Als das nicht geschieht (Z. 10), richtet sie sich direkt unter Nennung der Städtenamen an die beiden anderen Standorte: „wie ist das (.) in budapest und in utrecht? “ (Z. 11, 12). Zur Verstärkung ihrer Aufforderung schaut sie auf den Bildschirm und lächelt (Abb. 28). Nach einer kurzen Pause (Z. 13) reagiert Christine. In ihrer Aussage konstituiert sich die Gruppe bzw. der Standort „Utrecht“ durch das betonte „UNS“ (Z. 14) und „unseres video“ (Z. 16), wobei das mehrfache Hochblicken die Konzentration auf diese ihre Situation vor Ort unterstreicht. In dieser Sequenz erfolgt die Antwort auf die von Stella an ihre Kolleg: innen gerichtete Frage erst nach einer längeren Pause und nachdem die zwei Standorte von der Moderatorin direkt angesprochen worden sind. Damit gewinnt die Aufforderung an Direktheit, es wird aber damit auch dem Team vor Ort die Entscheidung überlassen, wer antworten will. Dies zeigt, dass die antwortende Person gleichberechtigt in Bezug auf das lokale Team und stellvertretend für 3.3 Nationale Teams in internationalen Meetings 131 <?page no="132"?> ihren Standort spricht, wie es auch in der vorherigen Sequenz deutlich wurde. Gleichzeitig wird dem Tandem auch das Recht zugesprochen, untereinander auszuhandeln, wer antwortet. Das Toponym kann auch ohne das Ziel einer Adressierung verwendet werden. Dies lässt sich am Beispiel der dritten und letzten Sequenz zeigen, die bereits im Zusammenhang mit der Reformulierung von Feedback herangezogen wurde. Die Sequenz stammt aus der laufenden Besprechung. Auf dem Bildschirm ist das Standbild aus einem Unterrichtsvideo sichtbar, darüber die Leiste mit den Lehrenden sowie der Moderatorin. Das Thema ist, inwieweit die Schüler: innen beim extensiven Lesen unbekannte Worte nach‐ schlagen und dafür das Handy benutzen können. Renate stellt die diesbezügliche Frage. Sequenz 28 (30.01.2018, Min. 16: 15-17: 55) 01 Ren also KANN man das machen, 02 - dass man nach handy: nachschaut, 03 - und (.) und äh- (--) 04 - und so ein wort entschließt, 05 - oder (.) ist das- (-) 06 - so probleMAtisch? 07 MOD +ähm. + - - +nickt und lächelt+ 08 JES ꬹalso- (.) ꬹ - - ꬹhebt ihren Zeigefingerꬹ 09 - ich (.) ähm ich glaub- 10 - ihr habt eine situation- 11 - dort in budapest, 12 - wovon (.) WIR in utrecht nur- 13 - ꬹ⸾%˅TRÄUMEN äh- (.) - - ꬹlacht---->> - eri ⸾lacht---->> - stel %lächelt---->> - jak ˅lacht und nickt---->> - - ((…)) 14 - also (.) ich denke (.) ihr könnt da- 15 - ganz FROH sein mit der situation, 16 - die ihr da habt. ((…)) 132 3 Identitätsstiftende Kategorien in der videobasierten Lehrendenbildung <?page no="133"?> Renates direkte Frage zur Benutzung von mobilen Endgeräten wird als Aufforderung an die Gruppe formuliert, das Freie-Lesen-Konzept zu über‐ denken: „also KANN man das machen, dass man nach handy: nachschaut,“ (Z. 01, 02), wobei sie sich nicht auf die eigene Situation bezieht, sondern unter Verwendung des unpersönlichen Personalpronomens „man“ eine grundsätzliche Auseinandersetzung anstrebt. Renates Redebeitrag schließt mit der Frage: „oder (.) ist das (-)so probleMAtisch? “ (Z. 05, 06), die eine Verneinung erwarten lässt. Durch das daran anschließende Feedback der Moderatorin (Z. 07) wird die Diskussion eröffnet. Daraufhin meldet sich Jessica zu Wort und stellt nach einem etwas zögernden Beginn (Z. 09) durch Referenzierung und die betonte geografische Zuordnung: „ihr habt eine situation dort in BUDApest,“ (Z. 10, 11) die beiden Standorte gegenüber: „wovon WIR in utrecht nur TRÄUmen äh-“ (Z. 12-13). Durch die hyperbolische Formulierung „wovon wir nur träumen“ wird der Unterschied noch verstärkt, worauf Erika und Jakob mit Lachen reagieren. Zum Abschluss des Turns betont Jessica resümierend (Einleitung mit „also“) nochmals die extrem günstige Situation am anderen Standort und verleiht ihrer Aussage durch das betonte „ganz FROH“ sowie das zweimalig benutzte Personalpronomen „ihr“ Nachdruck (Z. 14-16). In dieser Sequenz wird deutlich, wie die Kategorisierung über Ortsnamen zusammen mit den Personalpronomen „wir“ und „ihr“ den Lehrenden zur Gegenüberstellung, aber auch zur Abgrenzung dient (vgl. Hoffmann 2023c). Die Reaktion darauf, nämlich das gemeinsame zustimmende Lachen von Ver‐ treter: innen beider Standorte, schlägt eine Brücke zur internationalen Gruppe, indem es ein geteiltes Verständnis der Situation schafft. Die Analyse der drei Sequenzen hatte zum Ziel, die identitätsstiftende Funktion von Ortsnamen im digitalen Diskurs zu ermitteln. Es stellt sich heraus, dass diese je nach Kontext sehr unterschiedlich ist. So dienen in der ersten Sequenz Ortsnamen der Moderatorin zur Orientierung, ob die Voraus‐ setzung für den Beginn der Sitzung, nämlich die Anwesenheit aller Standorte, gegeben ist. Die nationalen Teams sind dabei den individuellen Teilnehmenden (aber auch den lokalen Tandems) übergeordnet und ihre Konstituierung ist wesentlicher Bestandteil des internationalen Teams bzw. der internationalen Gesprächsrunde. In der zweiten Sequenz richtet sich die Moderatorin beim Turnwechsel an zwei Standorte, d. h., sie spricht die Standorte als lokale Teams an. Die darauf reagierende Sprecherin antwortet somit als Vertreterin ihres Standortes, d. h. als Teil des nationalen Teams. In der dritten Sequenz ermöglicht die Zuordnung zu Standorten seitens der Lehrenden, Unterschiede bei der eigenen und der Unterrichtssituation der anderen herauszustellen. Durch eine 3.3 Nationale Teams in internationalen Meetings 133 <?page no="134"?> 28 In Teilen wird hier auf die Untersuchung von Hoffmann / Kasper (2021) zurückgegriffen sowie Passagen daraus übernommen. Hyperbel erscheinen die beiden Situationen als extrem unterschiedlich und damit als nicht miteinander vergleichbar. Dagegen drückt das standortübergrei‐ fende nicht vokalisierte Lachen und Lächeln neben der Belustigung über den gewählten Ausdruck auch aus, dass es Konsens über diese unterschiedlichen Unterrichtsvoraussetzungen vor Ort gibt. 3.4 Übernationale Arbeitsgemeinschaften 28 Im Zuge des seit den 1990er zunehmenden Bewusstseins, dass die Lehren‐ denfortbildung an der Erfahrung und Praxis der Lehrkräfte anzusetzen und diese somit aktiv in ihren Fortbildungsprozess einzubinden habe (u. a. Le‐ gutke / Schart 2016; Zydatiß 1996), entstehen Lerngemeinschaften von Leh‐ renden, sogenannte Videoclubs, in denen Unterrichtssequenzen gemeinsam angesehen und diskutiert werden (für den englischsprachigen Raum: van Es / Sherin 2008; Sherin / van Es 2009; vgl. Hinweis in Dawidowicz et al. 2019: 14). Die gemeinsame Beobachtung von per Video aufgezeichnetem Unterricht und der Austausch von Erfahrungen in Gruppen von Gleichgesinnten stellen bei den Videoclubs den ersten Schritt und die Grundlage dar, von der ein reflexives Verhalten bezüglich eigener Handlungspraktiken seinen Ausgang nimmt. In diesem Sinne setzen sie an der in der Berufspraxis gewonnenen Erfahrung als Basis von Erkenntnis an (Dewey 1997) und verbinden diese mit dem Konzept des reflective practitioner (Schön 1983). Als treffendes Beispiel einer solchen reflexiven Lerngemeinschaft im deutschsprachigen Raum sei die Untersuchung von Wipperfürth (2015) erwähnt, die anhand von Interviews und Fragebögen sowie qualitativen videografierten Nachbesprechungen von Unterrichtssequenzen untersucht, wie Englischlehrende ihr Erfahrungswissen austauschen und wie sich dabei Professionalität aufbaut (z. B. Sieland / Rahm 2010; ebenso aus Dawidowicz et al. 2019 Untersuchungen zu Videoclubs: Krammer et al. 2006; Massler et al. 2008; Massler et al. 2009; Krammer et al. 2010). Die Videoclubs definieren sich über das gemeinsame Ziel der gelungenen Kooperation zwischen Lehrenden und dienen darin zum einen der Bewältigung und Unterstützung des Unterrichtsalltags, z. B. bei der Einführung neuer Me‐ thoden, zum anderen bieten sie die Möglichkeit zur beruflichen Weiterbildung (Dobie / Anderson 2015: 231) sowie zur Bildung von Praxisgemeinschaften (communities of practice, vgl. Lave / Wenger 1991; Wenger 1998). Ein Beispiel 134 3 Identitätsstiftende Kategorien in der videobasierten Lehrendenbildung <?page no="135"?> 29 Die Studie bezieht sich auf den universitären Kontext. hierfür liefern Will und Blume mit dem Projekt TEFLkollab, einem digital gestützten Mentoring im Kontext der universitären Lehrkräftebildung für Eng‐ lisch, das mit der Schule gekoppelt ist. Dabei weicht das Projekt von der klassischen Form von Praxisgemeinschaften leicht ab, da hier die Expert: innen und Noviz: innen keine einheitliche Form der Expertise aufweisen, dafür aber die gleichen Tätigkeiten ausführen und eine flache Hierarchie vorherrscht (Will / Blume 2022: 96-100). Diese Lerngemeinschaften können einmal selbst‐ organisiert sein oder unter Mitwirkung oder Leitung von Professor: innen als expert facilitators (Arya et al. 2014: 113) stattfinden, die die Moderation übernehmen. Ihre Anwesenheit schafft dabei eine im Vergleich zu den zuvor be‐ schriebenen Diskussionsgruppen unter Lehrenden einen veränderten Kontext, der sich einer Wissens- und Praxisgemeinschaft annähert (epistemic community, Haas 1992). Auch wenn es diesbezüglich kaum gesprächsanalytische Daten gibt, die zeigen, wie diese Personen den Diskurs mitkonstruieren und so zum Wissensaufbau der Lehrenden beitragen, scheint sich ihre unterstützende und auch lenkende Funktion in den Untersuchungen abzuzeichnen (Arya et al. 2014: 114, 123). Insbesondere im Rahmen internationaler Projekte finden in den letzten Jahren solche Formen des Austausches von Lehrenden, die sich über einen gewissen Zeitraum hinweg einer gemeinsamen Tätigkeit widmen und sich mit den damit verbundenen Aufgaben auseinandersetzen, immer häufiger online statt. Derartige Arbeitsgemeinschaften werden von Mortensen und Hazel (2017: 256) übergreifend 29 als „social configurations where people from diverse sociocultural and linguistic backgrounds come together (physically or otherwise) for a limited period of time around a shared activity“ beschrieben und als „Transient Multilingual Communities“ oder bei Oesterle et al. (2020) als „Transient International Communities“ bezeichnet. Diese unterscheiden sich von den oben genannten communities of practice einmal darin, dass man nur bedingt von einem gemeinsamen kulturellen, sozialen und sprachlichen Background ausgehen kann (s. Einführung), und damit die Einheitlichkeit der Expertise wegfällt. Ein gemeinsamer Wissensstand bezüglich lokaler und ver‐ trauter Bedingtheiten, eben des beruflichen Kontextes, ist nicht vorauszusetzen. Ein weiterer Unterschied ist, dass sich diese Gemeinschaft in einem allen noch neuen und unbekannten Raum konstituiert: Communities of practice may be transient communities and vice versa, but the two types of community are not mutually constitutive. In traditional conceptions, the community of practice approach involves an assumption that there is an established 3.4 Übernationale Arbeitsgemeinschaften 135 <?page no="136"?> community of experts that novices are initiated into. Due to their emergent nature, this does not hold for transient communities since all members are in principle novices in their understanding of the social and linguistic norms of the emerging community, although in practice there will obviously be differences between the members in terms of knowledge, status, and authority. (Mortensen 2017: 274) Damit geht einher, dass in derartigen (beruflichen) übernationalen Gemein‐ schaften geteilte Normen und Verhaltensweisen nicht oder nur eingeschränkt als gegeben angenommen werden können. Die Teilnehmenden handeln diese hingegen im interaktionalen Geschehen untereinander neu aus und bilden dar‐ über ihre Mitgliedschaft in der spezifischen Arbeitsgemeinschaft heraus. Diese schafft sich somit ihre eigene Struktur und darüber ihren zeitlich befristeten Zusammenhalt: Mastering the discursive practices of a profession is an essential part of becoming a ratified member of it. A focus on transient settings invites us to address how this works out in settings where there is potentially no pre-established shared framework for what constitutes appropriate professional conduct. (Mortensen 2017: 283) Im Folgenden soll hinterfragt werden, wie sich dies im LEELU-Projekt vollzieht, d. h., welche Normen und Handlungsanweisungen in den Videokonferenzen ausgehandelt werden oder neu entstehen. In den Besprechungen stehen dabei einmal die Vorgaben bei der Durchführung des extensiven Leseunterrichts (Sequenz 29) im Mittelpunkt, zum anderen die Anweisungen beim Umgang mit den Unterrichtsvideos in den Konferenzen (Sequenzen 30 und 31). Die erste Sequenz stammt aus dem ersten Gespräch, in dem es darum geht, ob die Lehrenden in den extensiven Leseunterricht eingreifen können oder sollen, z. B. durch Formen sprachlicher Vorentlastung. Diesbezüglich wurden von einer Lehrkraft Beispiele genannt. Im Raum befinden sich neben der Moderatorin und der Projektmitarbeiterin die drei Lehrendentandems. Sequenz 29 (27.11.2017, Min. 45: 39-46: 48) Fragment 1 01 ORN also (.) ähm: (---) eigentlich hatten wir- 02 - ähm h so uns, 03 - dass (.) wir hatten das- 04 - <<lachend> problem ähä->, 05 - ob wir das ähm TUN (.) konnten in diesem- 06 - ähm in diesem sinne. 07 - °hh ähm hm (--) ich wollte eigentlich, 08 - ich oder (.) wir hatten auch gedacht, 136 3 Identitätsstiftende Kategorien in der videobasierten Lehrendenbildung <?page no="137"?> 09 dass wir etwas °hh äh ähm: - (--) 10 - die schüler helfen sollten, 11 - das heißt etwas vorentLASten oder so. 12 - °h aber wir wussten eigentlich nicht, 13 - ob WIR hm das ↑machen konnten, 14 - ob das äh projekt so was vorgeSEhen hat- 15 - [wir ] haben uns dieses proBLEM- (-) 16 MOD [hmhm,] 17 ORN gestellt [sozusagen.] 18 MOD [ach so. ] Nachdem die Kollegin einige Übungen dargestellt hat, die sie zur Vorentlastung, d. h. zur Unterstützung des extensiven Leseunterrichts, eingesetzt haben, setzt Ornella zu ihrer Äußerung an. Mit „also“ eingeleitet und noch durch „eigentlich“ verstärkt: „also (.) ähm: (---) eigentlich hatten wir-“ (Z. 01), nimmt sie das geschilderte Vorgehen der Kolleginnen zum Anlass, ihre eigenen Zweifel bzw. die ihres Tandems (durchgängig wird „wir“ benutzt) in Bezug auf das Vorgehen bei der Durchführung des extensiven Leseunterrichts auszudrücken. Das leicht verlegene Lachen in Verbindung mit der Bezeichnung „Problem“ (Z. 04, auch in Z. 15) unterstreicht ihre Unsicherheit bezüglich dessen, was im Projekt von ihr erwartet wird, also bezüglich bestehender Anweisungen oder Verhaltensregeln: „ob wir das ähm TUN (.) konnten in diesem ähm in diesem sinne.“ (Z. 05, 06). Der Gebrauch des Modal‐ verbs „können“ wird hier wie auch wiederholt in Zeile 13 im Sinne von „dürfen“ gebraucht, d. h. sie fragt, ob ihr gewohntes Unterrichtsverhalten (Helfen, Z. 10, Stoff vorentlasten, Z. 11) im Widerspruch zu einer ihr unbekannten Norm im Projekt steht. Erst mit überlappendem Feedback (Z. 15) und dann vor allem durch „ach so“ drückt die Moderatorin Überraschen aus (vgl. u. a. Golato 2010), womit sie signalisiert, dass ihr das Problem bis jetzt nicht bewusst war. Fragment 2 19 ORN ↑dürfen wir so was machen, 20 - weil das ist das war mir nicht (.) klar, 21 - also auch in wien. 22 MOD da würde ich jetzt sozusagen doch noch mal- 23 - ähm von MEIner seite aus stellung nehmen. 24 - also wir experimentieren gemeinsam, 25 - beziehungsweise wir FORschen gemeinsam, 26 - wie es gelingen kann. (-) 27 - und ihr habt natürlich- 3.4 Übernationale Arbeitsgemeinschaften 137 <?page no="138"?> 28 sowieSO die verantwortung für eure- 29 - (.) kurse, 30 - und müsst (.) hinter dem stehen, 31 - was ihr macht, 32 - das heißt es gibt kein dürfen-(.) 33 - oder nicht dürfen. 34 ORN ↑ach so. Ornella bringt ihr Anliegen daraufhin noch mal mit der direkten Frage auf den Punkt: „↑dürfen wir so was machen, weil das ist das war mir nicht (.) klar, also auch in wien.“ (Z.19-21), wodurch klar wird, dass sie ihre Zweifel bereits zu Projektbeginn hatte. Das heißt, die im Einführungsseminar vermittelten Informationen und Handlungsanweisungen sind ihr bisher unklar geblieben. Die Moderatorin leitet ihre Antwort mit: „von MEIner seite aus stellung nehmen.“ (Z. 23) ein, womit sie als Projektleiterin und Verantwortliche hervortritt und antizipiert, dass ihre folgenden Erklärungen für das Projekt gültige Anleitungen enthalten, d. h. Normcharakter haben: „also wir experimentieren gemeinsam, beziehungsweise wir FORschen gemeinsam,“ (Z. 24, 25). Damit wird das ‚Experimentieren‘ als das für LEELU gültige Vorgehen definiert, was sich am Schluss in dem „das heißt es gibt kein dürfen (.) oder nicht dürfen.“ (Z. 32, 33) verdichtet, womit ‚keine Normen‘ sozusagen zur Norm wird. Ornellas „↑ach so.“ (Z. 34), verstärkt durch den Tonhöhensprung zu Beginn des Redebeitrags, zeigt an, dass bezüglich des Vorgehens nun Klarheit herrscht. Die durch viele Verzögerungen und Pausen gekennzeichnete Frage Ornellas nach vom Projekt vorgegebenen bindenden Normen für ihr Unterrichtsver‐ halten sind Ausdruck von Nichtwissen und einer damit verbundenen Verunsi‐ cherung und des Wunsches nach genauen Angaben. Die Moderatorin erkennt diese Unsicherheit („ach so“, Z. 18) und liefert ihr eine Antwort auf der Grund‐ lage des Projektkonzepts, indem sie ihr ‚Experimentieren‘ und ‚Forschen‘ für den extensiven Unterricht als leitende Handlungskategorien nennt, die ‚Helfen‘ bzw. ‚Vorentlasten‘ einschließen. Ähnliche Unsicherheiten aufseiten der Lehrenden lassen sich auch in Bezug auf den Umgang mit den Videoausschnitten in den Videokonferenzen feststellen und stehen in den folgenden beiden Sequenzen im Mittelpunkt. In der ersten formuliert die Moderatorin die verbindlichen Richtlinien für die Mitschnittbe‐ sprechungen, so wie sie auch in dem Konzeptpapier enthalten sind (Dawidowicz et al. 2019). Hiermit unternimmt sie eine Handlungsanweisung, die die norma‐ 138 3 Identitätsstiftende Kategorien in der videobasierten Lehrendenbildung <?page no="139"?> 30 Eine ausführliche Behandlung der Sequenzen 30 und 31 befindet sich in Hoff‐ mann / Kasper (2021). Aus dem Artikel wurden einzelne Passagen übernommen. tive Vorgehensweise für den gesamten Konferenzverlauf darlegt. Als einleitende Moderationshandlung in der initialen Runde des ersten internationalen Ge‐ sprächs kommt der Anweisung dabei ein besonders hoher Stellenwert zu. Dies wird in den Fragmenten dadurch verdeutlicht, dass die Moderatorin wiederholt auf das Modell für die Besprechung von Videomitschnitten (s. Dawidowicz et al. 2019: 11-12, 23-24) Bezug nimmt. Sequenz 30 (27.11.2017, Min. 7: 40-9: 41) 30 Fragment 1 01 MOD ( ) dann +diskutieren+ wir (.) das- - - +nickt + 02 - +video unter der perspektive dass wir-+ - - +blickt nach unten + 03 - versuchen, 04 - es +BESSER+ zu verstehen, - - +nickt + 05 - dabei ist unser ziel auch äh, 06 - +auf details aus dem video- - - +blickt nach unten----> 07 - bezug zu nehmen,+ - - ---->+ 08 - also videoinDIzien- (.) 09 - für unsere interpretation- 10 - auch (.) +anzuführen, (-) + - - +blickt nach unten+ Zunächst verknüpft die Moderatorin die übergeordnete Handlung „das Video diskutieren“ mit einer bestimmten Zielsetzung: „es BESSER zu verstehen,“ (Z. 04), um dann auf das Vorgehen einzugehen, mit dem das Ziel umgesetzt werden soll. Die Moderatorin betont den Stellenwert der Methode, indem sie die anhand des Videomaterials gemachten Beobachtungen als Grundlage für die „Interpretation“ hervorhebt (Z. 09). Dabei fällt auf, dass sie zwei Versionen benutzt, eine eher alltagssprachliche: „auf details aus dem video bezug zu nehmen,“ (Z. 06, 07) und eine zweite: „also videoinDIzien (.) für unsere interpretation auch (.) anzuführen,“ (Z. 08-10), eher fachsprachliche (Deppermann 2011), die durch die prosodische Hervorhebung der zweiten Komponente zusätzlich 3.4 Übernationale Arbeitsgemeinschaften 139 <?page no="140"?> betont wird: „videoinDIzien“. Die Verbindung durch die Diskurspartikel „also“, die - wie schon zuvor erwähnt - prospektive Selbstreparaturen (Pfeiffer 2017) und (Re)formulierungen (Deppermann 2011) einleitet, lässt die zweite Version gegenüber der ersten deutlich prägnanter wirken. Fragment 2 11 MOD und nachdem wir äh uns sehr genau- 12 - ausgetauscht haben, 13 - was wir in dem video (.) SEhen, 14 - wie wir das +interpretieren, - - +blickt nach unten----> 15 - was wir da sehen,+ - - ---->+ 16 - können wir dann am ENde jeweils versuchen, 17 - zu überlegen, 18 - was wir an (.) +verÄNderungen- + - - +Kopf nähert s. d. Bildschirm+ 19 - versuchen wollen. 20 - also wir gehen ja immer- 21 - nach diesem Dreischritt- 22 - +VerSUchen- (-) + - - +blickt nach unten+ 23 - VerSTEhen (-) VerÄNdern vor. - - ((…)) 24 - erst die skizzierung, 25 - die einbettung in den kontext, (.) 26 - +DANN + die intensivierung des verstehens, - - +nickt+ 27 - und dann der fokus auf das verändern. 28 ? ja. Zum einen stellt die Moderatorin die normativ geordnete Abfolge der Vorge‐ hensschritte heraus (Z. 11-16: nachdem + Präs. Perf.; dann am Ende + Präs.; Z. 24-27: „erst, DANN, und dann“). Hierbei hebt sie zunächst noch einmal die wesentliche Rolle der Beobachtung hervor (zweimal „sehen“, Z. 13-15), die sie nicht nur als zeitlich vorgängig, sondern als Voraussetzung für die anvisierten „verÄNderungen“ (Z. 18) herausstellt. Zum anderen markiert die Modalpartikel „ja“ in Zeile 20, dass das normative Vorgehen (immer nach diesem Dreischritt) als bekannt vorausgesetzt wird (zu „ja“ u. a. Averina 2019). Ab‐ schließend fasst die Moderatorin noch einmal die Vorgehensschritte zusammen, 140 3 Identitätsstiftende Kategorien in der videobasierten Lehrendenbildung <?page no="141"?> wobei sie deren Abfolge („erst … DANN … und dann“) explizit markiert und den zweiten Schritt (die Intensivierung des Verstehens) durch „DANN“ mit Fokusakzent bei gleichzeitigem Nicken hörbar und sichtbar verstärkt. Die zu erwartenden Rückmeldungen bzw. Verständnisbekundungen (z. B. Nicken oder Lächeln) aus der Gruppe bleiben aus (Deppermann / Cindark 2018), nur ein einzelnes Bestätigungssignal („ja“, Z. 28) erfolgt, das aber keiner/ keinem Teilnehmenden zugeordnet werden kann. Möglicherweise als Reaktion darauf ergreift die Moderatorin in ihrer nächsten Handlung selbst die Initiative zur Verständnissicherung, wobei allerdings der Ausgang ungewiss bleibt. Fragment 3 29 - gibt +es fragen zum vorgehen? + - - +berührt m. beiden Händen d. Headset+ 30 - oder scheint euch das +so: äh +klar - - +blickt n. unten+ 31 - +ihr habts ja wahrscheinlich auch-(.) - - +schaut auf den Bildschirm---->> 32 - in den lokalen- 33 - teams (.) +schon +gemacht, - - +zieht r. Schulter hoch+ 34 - (hm-) (1.0) 35 - +bekannt. + - - +dreht Kopf n. rechts, zieht Schulter hoch+ 36 - wahrscheinlich. Die Sequenz beginnt mit einer Entscheidungsfrage zur Prüfung, ob alles ver‐ standen wurde: „gibt es fragen zum vorgehen? “ (Z. 29), die eine Verneinung oder ein Nachfragen einfordert. Das Berühren des Headsets zur Kontrolle vermittelt den Eindruck, dass potenzielle Rückmeldungen als relevant erachtet werden. Eine hörbare oder sichtbare Antwort bleibt jedoch aus, worauf die Moderatorin eine disjunktive Alternative anschließt („oder“), die eine be‐ jahende Antwort wahrscheinlich macht (Z. 30). Als die zweite Frageversion wiederum erfolglos bleibt, beantwortet die Moderatorin ihre Frage selbst, sozusagen stellvertretend für die Lehrenden, indem sie auf die Vorgeschichte der internationalen Konferenzen, nämlich die Besprechungen der Videos in den Tandems und auf lokaler Ebene, zurückgreift (Z. 31-36); wobei sie allerdings nur von einer Annahme ausgehen kann (Z. 33, 36). Das Modalwort „wahrscheinlich“ indiziert eine Vermutung mit hohem Ge‐ wissheitsgrad und tritt in Zeile 31 mit der vorgestellten Modalpartikel „ja“ auf. Mit dem Wort „schon“ (Z. 33) und dem Hochziehen der Schulter, das 3.4 Übernationale Arbeitsgemeinschaften 141 <?page no="142"?> Ungewissheit ausdrückt und auf vokaler Ebene durch das nachgestellte „hm“ (Z. 34) verdeutlicht wird, zeigt die Moderatorin eine gewisse Unsicherheit oder Ratlosigkeit. Dabei ist auffällig, dass auf die Schlussfolgerung das einzige längere Schweigen in der gesamten Verständnissicherungssequenz folgt. An dieser Stelle hatten die Lehrenden noch einmal die Gelegenheit, ihr Wissen zu bekunden. Doch auch hier, wie in der vorausgehenden Verständnisprüfung, äußern sie sich nicht. Darauf schließt die Moderatorin die Sequenz mit einem knappen Fazit ab: „bekannt.“ (Z. 35), das einerseits durch die fallende Intonation als definitiv, andererseits durch gleichzeitiges Hochziehen der Schulter als ungewiss gekennzeichnet ist. Diese Unsicherheit wird dann sprachlich durch das Modalwort „wahrscheinlich“ aufgenommen (Z. 36), das an das (eigentlich abgeschlossene) Fazit angehängt ist und es retrospektiv abschwächt. Damit formuliert das „letzte Wort“ den ungewissen Ausgang der Verständnissiche‐ rungssequenz, bevor die Moderatorin dann zur Besprechung der ersten Unter‐ richtssequenz überleitet. Das folgende Fragment stammt aus derselben Sitzung zu einem späteren Zeitpunkt. Fragment 4 37 MOD ja (.) +wollt ihr ein paar einleitende- - - +legt m. beiden Händen d. Schal ab-> 38 - worte sprechen? 39 DOR ja (.) dann fange ich gleich- - - (Video erscheint auf dem Bildschirm) 40 - gerne damit an.+ - mod ---->+ 41 - +also das ist hier unsere- - mod +blickt runter, verschiebt was a. d. Tisch-> 42 - #leseklasse und ähm-+ - mod ---->+ - Abb. #29 142 3 Identitätsstiftende Kategorien in der videobasierten Lehrendenbildung <?page no="143"?> Abb. 29 - - - 43 - wir lesen gemeinsam (.) +zusammen, - mod +nickt----> 44 - ich habe+ auch mitgelesen, - mod ---->+ 45 - so wie wir das auch vereinbart haben. 46 - +und (.) ein schüler saß neben mir und- - mod +schaut ab und zu nach unten---->> 47 - äh er hat sein buch beendet, 48 - aber er hat sich kein neues gewählt, 49 - sondern er wühlte etwas äh in seiner tasche- 50 - und hat äh schon etwas für- 51 - die nächste stunde gelernt. - - ((…)) Mit der Aufforderung, „ein paar einleitende Worte“ zu sprechen, übergibt die Moderatorin die primäre Sprecherschaft an das Lehrendentandem. Gleichzeitig signalisiert sie mit einer weiteren Geste (Ablegen ihres Schals) die Übertragung des Rederechts (Z. 37). Doris versichert ihre Bereitschaft, der Aufforderung der Moderatorin nachzukommen, und damit wird das Video eingespielt (das Video erscheint auf dem Bildschirm, Z. 39). Daraufhin, zeitgleich mit Dorisʼ Verortung der zu sehenden Szene, wird die Aufmerksamkeit visuell auf den Tagesordnungspunkt „Skizzierung und Einbettung“ (im roten Rahmen) gelenkt (Z. 42, Abb. 29). Auf diese Weise wird Dorisʼ angekündigte Sprechhandlung (ein paar einleitende Worte sprechen) mit dem Tagesordnungspunkt assoziiert und als „Skizzierung“ und „Einbettung“ verständlich. Im weiteren Verlauf beschreibt Doris als Erstes die allgemeine Lesepraxis (Z. 41, 42) in ihrer Klasse 3.4 Übernationale Arbeitsgemeinschaften 143 <?page no="144"?> als projektkonform (Z. 45) und berichtet dann über das abweichende Verhalten eines Schülers (Z. 46-51), das jedoch nicht im Video beobachtet werden kann. Im weiteren Verlauf ihres Berichts nehmen weder Doris noch die anderen Teilnehmenden auf „Videoindizien“ Bezug. Die Analyse der ersten Sequenz zeigt, dass die Moderatorin zwar eingangs als die für alle verbindliche Methode des „Verstehens“ hervorhebt, spezifische Be‐ obachtungen an dem aktuell besprochenen Mitschnitt zu machen, die anschlie‐ ßende Besprechung jedoch ohne Bezugnahme auf beobachtbare Details verläuft. Die Zurückhaltung der Lehrenden bei der Verständnissicherung deutet darauf hin, dass möglicherweise vorab bereits Diskrepanzen über die Vorgehensweise bestanden. Die nächste Sequenz zeigt die Einleitung in die Besprechung der Unterrichts‐ mitschnitte am folgenden Tag, d. h. das erste Gespräch, allerdings in einer anderen Gruppe. Die Moderatorin hat der Gruppe den veränderten Ablauf der Sitzung dargelegt. Sequenz 31 (28.11.2017, Min. 1: 54‒2: 24) Fragment 1 01 MOD ((…)) wir gehen immer vor- 02 - nach dem muster ähm, 03 - dass wir das video noch mal versuchen, 04 - geNAUer zu verstehen, (.) 05 - äh auch noch mal (.) +video- + - - +blickt n. unten+ 06 - indizien indizien anführen, 07 - also auch verschiedene interpretationen- 08 - auch vergleichen (.) +miteinander, + - - +blickt n. unten+ 09 - °h und dann überlegen wir- 10 - perspektivisch immer, (-) 11 - was beDEUtet das. 12 - was wollen wir AUSprobieren, 13 - was wollen wir verÄNdern, 14 - äh gibt es ideen +dafür. (---) - - +lächelt---->> Zu Beginn des Fragments weist die Moderatorin auch in dieser Gruppe auf den Stellenwert der Mitschnitte für das „genauere Verstehen“ (Z. 04) hin. Dabei unterstreicht ihre Formulierung erstens die Verbindlichkeit des Vorgehens (immer nach dem Muster, Z. 02) und der Methode, insbesondere mit dem 144 3 Identitätsstiftende Kategorien in der videobasierten Lehrendenbildung <?page no="145"?> wiederverwendeten technischen Begriff „Videoindizien“ (Z. 05, 06), zweitens die normative Abfolge der Besprechungsschritte: „°h und dann überlegen wir perspektivisch immer, (-)“ (Z. 09, 10) und drittens den Wie‐ derholungscharakter des Vorgehens („noch mal“, Z. 03, 05). Die Anweisung ist damit, wie zuvor, als „Erinnerung“ an die bekannten Richtlinien zu verstehen und kommt in den Zeilen 11, 12 und 13 hörbar und sichtbar zum Abschluss. Fragment 2 15 MOD +dieses- (.) - - +blickt n. unten, schwenkt d. Kopf----> 16 - werd ich immer wieder anregen äh, - - (Lehrende erscheint auf dem Bildschirm) 17 - aber natürlich ähm müssen wir uns- - - (MOD erscheint auf Bildschirm) 18 - auch nicht ganz (.) +starr dran halten. - - ---->+guckt a. d. Bildschirm.>> Mit dem Abschluss wird der Übergang zur Besprechung der Mitschnitte rele‐ vant. Hierbei ergänzt die Moderatorin die einleitende Anweisung mit einem Einschub. Ihre verkörperlichte Handlung (Z. 15) deutet im Vorgriff auf die folgende Sprechhandlung hin, mit der sie die Verbindlichkeit des soeben bekräf‐ tigten Verfahrens zurücknimmt. Zunächst stuft sie das bisherige normative Vorgehen zur „Anregung“ herab (Z. 16), um dann die einleitende Anweisung mit einer allgemeinen Lizenz zur Lockerung des Vorgehens abzuschließen: „aber natürlich ähm müssen wir uns auch nicht ganz (.) starr dran halten.“ (Z. 17, 18). Aus dem unmittelbaren interaktionellen Kontext der Anweisung ist nicht ersichtlich, welchen Anlass die Zurücknahme der normativen Vorgaben haben könnte. Es ist aber wahrscheinlich, dass die Moderatorin damit den Praktiken entgegenkommt, mit denen die Lehrenden die Besprechung ihrer Unterrichtsmitschnitte in der vorausgegangenen Konferenz gestaltet haben. Aus der Analyse der Sequenz geht hervor, wie die Moderatorin zuerst nach‐ drücklich auf die „Videoindizien“ und den normativen Aufbau der Besprechung verweist, dann aber die Verbindlichkeit der Richtlinien deutlich zurücknimmt. Dabei verschiebt sich die Funktion des Videos von der Dokumentation beob‐ achtbarer Ereignisse zur Gedächtnisstütze. Die Analyse der zwei ausgewählten Sequenzen macht deutlich, dass die Moderatorin bei ihren Aufforderungen auf ein im Konzeptpapier dargelegtes und als bekannt vorausgesetztes Vorgehen bei der Besprechung der Mitschnitte Bezug nimmt, welches an der Beobachtung als ersten Schritt im Verstehensprozess ansetzt. Von diesem Verständnis rückt die 3.4 Übernationale Arbeitsgemeinschaften 145 <?page no="146"?> Moderatorin jedoch bereits am Anfang der Bildungsmaßnahme ab, indem sie die Funktion der „Videoindizien“ von der Dokumentation beobachtbarer Ereignisse zur Gedächtnisstütze abschwächt und damit die Verbindlichkeit des Vorgehens zurücknimmt. Das könnte darin begründet sein, dass die Moderatorin, im Sinne einer die Lehrenden unterstützenden Gesprächsführung (Dawidowicz et al. 2019; vgl. auch Siebold 2019), diesen entgegenkommen möchte, da sie sich kaum an das genannte Vorgehen halten. Wie in den Sequenzen ersichtlich wurde, erzeugt die Ausgestaltung dieses neuen gemeinsamen experimentellen Raumes eine gewisse Verunsicherung bei den Lehrenden. Ihre Fragen nach dem, was sie beim extensiven Lesen „dürfen“, „sollen“ oder „können“, durchziehen die gesamte Bildungsmaßnahme und sind insbesondere in der Anfangsphase häufig. In den drei behandelten Sequenzen nimmt die Moderatorin auf im Projekt festgelegte Normen bzw. Handlungsvorgaben Bezug. Sie füllt dabei konkret Wissenslücken bezüglich des Projektkonzepts (Sequenz 29), indem sie das Vorgehen mit den Begriffen ‚Ex‐ perimentieren‘ und ‚Forschen‘ belegt. Die Sequenzen 30 und 31 legen dagegen offen, wie von einem im Konzept verankerten Vorgehen Abstand genommen wird, weil es von den Lehrenden nicht übernommen wurde bzw. nicht Teil ihrer Arbeitsroutine ist. In den Videokonferenzen werden Unsicherheiten oder Verunsicherungen in Bezug auf Normen und Verhaltensweisen im Projekt sichtbar, die bestätigen, dass in „Transient Transnational Communities“ oder „Transient Multilingual Communities“ geteilte (und damit allen gleichermaßen bekannte) Normen nicht vorausgesetzt werden können, sondern neu ausgehandelt bzw. bestätigt werden müssen. Nicht nur die Lehrenden haben sich auf diese neuen Bedingungen einzustellen und müssen mit ihnen umgehen, auch die Moderatorin passt sich den Lehrenden und deren Verhaltensroutinen an. Die Frage, ob die beiden Hand‐ lungskategorien ‚Experimentieren‘ und ‚Forschen‘ identitätsstiftend sind, also für diese übernationale Arbeitsgruppe kennzeichnend, lässt sich im Rahmen der gewählten Sequenzen nur eingeschränkt beantworten. Sicher stellt die Frage, welche Kategorien zur Identitätsbildung derartiger Arbeitsgemeinschaften bei‐ tragen bzw. wie diese im Diskurs hervortreten, ein Forschungsdesiderat für die Zukunft dar. 146 3 Identitätsstiftende Kategorien in der videobasierten Lehrendenbildung <?page no="147"?> Schlussfolgerungen Die vorliegende Abhandlung beschäftigt sich mit interaktionalen Prozessen in Videokonferenzen, die im Rahmen der fremdsprachlichen Lehrendenbil‐ dungsmaßnahme LEELU (www.leelu.eu) stattgefunden haben und sich an DaF-Lehrende aus drei europäischen Ländern richteten. Ziel war es, mittels einer multimodalen Interaktionsanalyse Gesprächspraktiken offenzulegen und darüber Merkmale für den dort stattfindenden Lehrenden-Lehrenden-Diskurs abzuleiten, um damit einen Beitrag zur empirischen Forschung von Professio‐ nalisierungsprozessen von Fremdsprachenlehrenden zu leisten. Dazu wurden im Vorfeld, d. h. in der Einführung, zwei Faktoren hervor‐ gehoben, die die Lehrendenbildung in den letzten Jahren zunehmend kenn‐ zeichnen: die Internationalisierung und die Digitalisierung; insbesondere im Rahmen von Erasmus+-Projekten spielen diese beiden Themen eine wich‐ tige Rolle. Darüber hinaus erfolgte die Verortung der Videokonferenzen im Rahmen beruflicher Besprechungen, die Merkmale institutioneller Interaktion aufweisen (Drew / Heritage 1992) und zu denen die ethnomethodologische Konversationsanalyse den dominanten methodischen Zugang liefert. Dement‐ sprechend wurde den Sequenzanalysen aus dem LEELU-Projekt eine Übersicht über den einschlägigen Forschungsstand zu beruflichen Videokonferenzen vor‐ angestellt und die wesentlichen Kennzeichen dieser Zusammenkünfte anhand einiger Beispiele herausgearbeitet (1.1). Vor diesem Hintergrund nahmen die Fragestellungen für die Analyse der internationalen LEELU-Sitzungen ihren Ausgang. Im ersten Kapitel liegt der Fokus auf der Moderation. Diese war im Projekt als „Anleitung der Gespräche“ (Dawidowicz et al. 2019: 42) konzipiert. Der Moderationsstil war insofern als ein „facilitative, participatory style of chairing“ (Pomerantz / Denvir 2007: 47; vgl. auch Orland-Barak 2006) angelegt. Dies zeigte sich auch zu Beginn der Bildungsmaßnahme in dem Hinweis, dass die Lehrenden ihr Rederecht individuell aushandeln sollten (Sequenz 1). Diese Art der Moderation ist - wie Siebold (2019: 6, 9, 10) hervorhebt - im Sozialbe‐ reich vorherrschend; hier nimmt sich die moderierende Person zurück, um allen Teilnehmenden den Einsatz zu ermöglichen und von den Erfahrungen ausgehend, gemeinsam mit den Kolleg: innen konkrete Lösungen anzudenken (vgl. auch Birnbaum et al. 2016: 154). Eine solche Gesprächsführung weist auch eine gewisse Nähe zum „interpretative management“ bei beruflichen Besprechungen auf: „He is positioning himself explicitly as an observer and interpreter by producing observations and interpretations while simultaneously <?page no="148"?> stating them as such“ (Nielsen 2009: 40; vgl. auch Watson / Drew 2017: 323). In diesem Rahmen kommt den Moderierenden auch die Aufgabe zu, den Umgang miteinander möglichst entspannt zu gestalten, den Aufbau des Gesprächs zu organisieren sowie am Schluss das Verständnis und die Ergebnisse zu sichern. Grundsätzlich waltet Vorsicht im interaktiven Geschehen, wie es für die insti‐ tutionelle Kommunikation typisch ist (s. Einführung, Drew / Heritage 1992: 45-47). Als zweite Option zur Regelung der Gespräche nannte die Moderatorin auch das Handzeichen (Sequenz 1), das in Online-Sitzungen normalerweise die Redeabsicht signalisiert, wie es ja auch in formellen Face-to-Face-Treffen durchaus die Regel ist (Garcia 2024). Über diese Geste wird einmal die Redeab‐ sicht angemeldet, aber auch der Moderation die Befugnis erteilt, das Rederecht zu verwalten, es einer Person zuzubilligen oder zu verweigern (so, wie dies auch im Klassenzimmer geschieht, vgl. Park 2024). Ursprünglich wollte die Moderatorin das Rederecht nicht verteilen, d. h., sie zog eine informellere Form der Gesprächsführung vor, aber sie erwähnte das Handzeichen als eine mögliche Praxis in Videokonferenzen bzw. bat generell um Signale bei beabsichtigten Wortmeldungen (Sequenz 2). Im Lauf der acht Gespräche zeigte sich, dass das Handzeichen nur selten vorkommt (z. B. in Sequenz 21, Fragment 3, in diesem Fall Heben des Zeigefingers), sondern häufig spontane Antworten erfolgten, aber auch mit Schweigen reagiert wurde. Bei ausbleibenden Reaktionen forderte die Moderatorin unter Nennung der Standorte Rückmeldungen oder Antworten ein; oder sie formulierte die Fragen mehrfach um, woraufhin dann (meist) verbale oder an den Körper gebundene Ausdrucksmittel die erwartete Rückmel‐ dung lieferten. Die Vergabe des Rederechts fiel damit, anders als ursprünglich beabsichtigt, vermehrt der Moderation zu. Ursache dafür sind einmal die technischen Gegebenheiten (man sieht nicht, wer etwas sagen will, Sequenz 2; Audio oder Video funktionieren schlecht oder fallen aus), aber auch der den Lehrenden abverlangte, nicht nur technische, sondern auch psychologische Aufwand beim spontanen Sprechen sowie beim Anzeigen von Wortmeldungen in virtuellen Meetings; denn ähnlich wie im Unterrichtskontext symbolisiert das Handheben nicht nur die Bitte, das Rederecht zu erhalten, sondern zeigt auch die Absicht eines öffentlichen, individuellen Beitrags vor der Gruppe an (Park 2024: 257). Die technischen Gegebenheiten bedingen zum einen den Moderationsstil, zum anderen die Aufgabenverteilung zwischen der Moderatorin und Projekt‐ mitarbeiterin (1.2). Zentrale Aufgabe der Projektmitarbeiterin war die tech‐ nische Unterstützung. In den Gesprächen zeigte sich diese in zwei Hand‐ lungskategorien: im ‚Übersetzenʽ (im Sinne von: durch technische Probleme 148 Schlussfolgerungen <?page no="149"?> Unverständliches verständlich machen) und ‚Zaubernʽ (die Expertise der Mit‐ arbeiterin in der Handhabung der Technik ermöglicht etwas, was andere nicht schaffen). Darüber bildete sich ihre Rolle heraus, einmal in Bezug auf die Moderatorin und deren Tätigkeiten, zum anderen baute sich darüber die Beziehung zu den Lehrenden auf. Die Moderatorin etablierte sich als Managerin der Übergänge von Gesprächsphasen (1.3). Darüber hinaus legte sie ihre Rolle im Umgang mit dem Smartphone während der Sitzungen fest (1.4). Hier wurde grundsätzlich von den Teilnehmenden eine „Genehmigung“ für die Nutzung eingeholt, was die LEELU-Videokonferenzen als formelle, berufliche Besprechungen kennzeichnet. Interessant ist auch die Tatsache, dass es bei den Parallelhandlungen (Sitzung und Suche bzw. Kontaktaufnahme zu fehlenden Lehrenden) zu einer Priorisierung kam: Die Hauptsitzung wurde im ‚Hold-on-Modus‘ durch Smalltalk weitergeführt (Keisanen et al. 2014), d. h., es wurde gewartet, bis alle Lehrenden (falls nicht im Vorfeld entschuldigt) anwe‐ send waren und sich somit die LEELU-Gruppe etabliert hatte. Das geschieht in einem vielschrittigen Aushandlungsprozess (Relieu 2009). Hierbei kam die Aufgabe, die fehlenden Lehrenden zu kontaktieren (Sequenz 9) bzw. deren Erscheinen in dem virtuellen Raum zu unterstützen (Sequenz 10), grundsätzlich den Tandempartner: innen vor Ort zu. Das gegenseitige Sich-Helfen im insta‐ bilen virtuellen Raum leistet einen wichtigen Beitrag zur Stabilisierung der Gruppe (Virtanen / Niemi 2023: 232). Darüber hinaus war die Moderatorin für die Einhaltung des Zeitrahmens verantwortlich, der durch die Tagesordnung geregelt war (1.5). Im Fall unvorhergesehener Änderungen hatte sie dafür Begründungen zu nennen und Konsens seitens der Gruppe einzuholen. Neben diesen formalen und formellen Elementen wiesen die Sitzungen auch eine Fülle informeller Gesprächspraktiken auf, wie sie bei derartigen Zusammenkünften auch zu erwarten sind, etwa das Duzen, das Ansprechen mit dem Vornamen sowie umgangssprachliche Ausdrücke und Gesten (z. B. Daumen hoch bei Zu‐ stimmung). In diesem Zusammenhang sei auch auf die entscheidende Funktion des Lächelns und - wenn auch weniger - des stummen Lachens innerhalb der videobasierten Interaktion hingewiesen (vgl. z. B. Markaki et al. 2010): Das Lächeln der Moderatorin zeigt Interesse und ermuntert zu Äußerungen oder zu deren Weiterführung, drückt Wohlwollen und Wertschätzung gegenüber den anderen aus und schafft unter den Lehrenden Konsens und Gemeinsamkeit (z. B. Sequenzen 16, 26, 27). Der informelle Umgangston, aber auch die Kombination verbaler und verkörperlichter Handlungen sind von großer Bedeutung für den digitalen Diskurs. Sie machen ihn persönlicher und damit verbindlicher, was besonders aufgrund des Fehlens diverser gestischer Praktiken, über die physisch Anwesende zur Vermittlung der Sprechereinstellung verfügen, für Schlussfolgerungen 149 <?page no="150"?> den Interaktionsverlauf umso wichtiger ist. Sie erfüllen dabei eine wesentliche Funktion in der interaktiven Beziehungskonstitution. Im ersten Kapitel wird deutlich, dass sich die Gesprächspraktiken nach den Anforderungen im situativen Kontext (Pomerantz / Denvir 2007: 32) richten und sich an den Wünschen und Bedürfnissen der teilnehmenden Lehrkräfte (ebd.: 33) orientieren, die eine stärkere Führung in den Gesprächen zumindest teilweise einforderten und damit ein Abrücken von der anfänglich eher als informell und kopräsent konzipierten Gesprächsrunde. Diese Ergebnisse unter‐ mauern die entsprechende Anmerkung am Ende des Projekts im Abschnitt „Erfahrungen und Reflexionen der Lehrerbildungsmaßnahme“, Unterpunkt „Moderation in den Gesprächen“, die die Wichtigkeit der Moderatorin insbe‐ sondere bei den internationalen Videokonferenzen unterstreicht: Die Gespräche selbst waren so konzipiert, dass sowohl auf der schulinternen als auch auf der nationalen Ebene die Projektmitarbeiterin zwar anwesend sein, aber nicht aktiv in das Gespräch eingreifen sollte. Diese gewissermaßen widersprüchliche Konstellation bereitete den Lehrpersonen am Anfang Schwierigkeiten, doch im Laufe des Schuljahres wurden die Gespräche verstärkt unabhängig von der anwesenden Mo‐ deratorin geführt, auch wenn diese Entwicklung zum selbstverantwortlichen Handeln an den drei Standorten Unterschiede aufweist. Bei den internationalen Gesprächen per Videokonferenz koordinierte dagegen die Moderatorin die Besprechungen stärker. (Dawidowicz et al. 2019: 39) Den Wunsch nach einer Form von Führung bestätigen auch Studien aus der interkulturellen Pragmatik (Oliveira / Stevanovic 2024: 6): „In multiparty situa‐ tions, it is then specifically the "leader" who plays a central role in influencing the extent to which the decisions established in the encounter may be considered genuinely joint decisions“. Auch in Untersuchungen von Zusammentreffen in internationalen digitalen Meetings im Rahmen von Erasmus+-Projekten lässt sich Ähnliches nachweisen: Many teacher educators described that they felt more supported in case of any conflicts or misunderstandings, as the project had a clear mediator: the project leader. This was also the case for all meetings and activities, which were scaffolded and mediated by the project coordinator. In contrast to the daily work lives of many teacher educators, which is mostly reliant on the professionals’ self-organisation and management, this collectively planned setting was perceived as highly beneficial for a joint project, but also for individual learning, as well as participant satisfaction in the project. (Oesterle 2020: 130/ 131) 150 Schlussfolgerungen <?page no="151"?> Demnach scheinen sowohl die internationale Zusammensetzung als auch die digitale Dimension der Zusammenkünfte eine Verstärkung der formellen Ele‐ mente zu begünstigen. Darüber hinaus trat die Moderatorin im Unterschied zu den erwähnten Videoclubs (3.4) auch in ihrer Rolle als Fortbildnerin und ins‐ besondere als für das Projekt verantwortliche Leiterin hervor. Als solche erteilte sie nicht nur Auskünfte, sondern gab auch auf Anfrage Anweisungen (Sequenz 29). Diese Beobachtungen können zu einem Überdenken der Moderation in derartigen Projekten anstoßen und bei deren Konzeptualisierung einfließen. Im zweiten Kapitel steht das kollegiale Feedback unter Lehrenden im Mittelpunkt, so wie es in der Fremdsprachendidaktik definiert und dem LEELU-Projekt zugrunde gelegt wurde (2.1). Diesbezüglich bestätigte sich zunächst einmal, dass das positive Feedback die gängigere und wohl auch simplere Form der Rückmeldung darstellt, also verbale sowie verkörperlichte Bestätigungen von Lehrendenhandlungen überwiegen (2.2). Hierbei ließen sich einfache und höhergradige Formen von Anerkennung oder Lob unterscheiden, auf die grundsätzlich freudig reagiert wurde. Die wenigen Sequenzen, in denen kritisches Feedback (2.3) ausgehandelt wurde, legten dagegen höchst komplexe Aushandlungsprozesse offen. Um zu einem geteilten Verständnis der Situation zu gelangen, d. h., um das Feedback dem/ der Kolleg: in verständlich zu machen, sind mitunter vielzählige Strategien notwendig (Sequenz 17). Aber auch wie kritisches Feedback perzipiert bzw. darauf reagiert wird, verlangt den Teilnehmenden beträchtliches (fremd)sprachliches, fachdidaktisches sowie gesprächstechnisches Wissen und Können ab (Sequenz 18). Die erstgenannten (fremd)sprachlichen Kompetenzen spielen dabei eine nicht unerhebliche Rolle, die in Zukunft sicher weiter ausgeleuchtet werden muss (vgl. dazu auch Hofmann 2021: 115). Denn gerade die Sonderrolle von DaF (Legutke et al. 2022: 7) bedingt, dass die Sprachkenntnisse der Lehrenden keinesfalls in allen Ländern und Standorten auf dem gleichen Niveau vorliegen (s. Einführung). Darauf müssen sich die Gesprächspartner: innen einstellen, z. B. im Umgang mit Nichtverstehen oder Missverständnissen (Sequenz 22). Aber natürlich gehört dazu vor allem die Fähigkeit, Kritik angemessen zu vermitteln. So fiel bei den Zurückweisungen von negativem Feedback auf (2.3.1, Sequenzen 19 und 20), dass die initiativen sprachlichen sowie verkörperlichten Handlungen Zweifel am Verhalten der Kolleginnen andeuteten und demzufolge von den Lehrenden als Infragestellen der eigenen Lehrkompetenz verstanden (Salzmann 2015: 29‒31; Ziebell / Schmidjell 2012: 136) und darin offensichtlich als bloßstellend perzipiert wurden. Dagegen zeigte ein Beispiel für die Annahme kritischen Feedbacks (2.3.2, Sequenz 21), wie eine auf eine negative Kritik folgende Zurückweisung durch einen Perspektivwechsel revidiert wurde. Das bewusste Schlussfolgerungen 151 <?page no="152"?> Sich-Hineinversetzen in die Situation an dem anderen Standort entschärfte hier die kritische Anmerkung, verwandelte sie in einen Ratschlag und schuf darüber ein Klima der Akzeptanz. Der Gesprächsverlauf wies eine Nähe sowohl zu bestimmten Mentor: innengesprächen auf, bei denen es auch zur Annahme und zu konfliktfreien Aushandlungsprozessen von negativem Feedback (s. 2.1) kommt, als auch zu den Diskursen unter fremdsprachlichen Lehrenden in den Studien von Batlle und Seedhouse (2022) sowie Topal und Aptoula (2022). Wie die Analysen zeigten, stellt das Aushandeln negativen Feedbacks insbe‐ sondere in internationalen Gruppen aufgrund der unterschiedlichen Kenntnisse in der Arbeitssprache Deutsch sowie im Umgang mit Feedback eine erhebliche Herausforderung dar, die sich in Online-Veranstaltungen durch die größere Relevanz verbaler Handlungen und die Einschränkung oder gar den Ausfall an‐ derer semiotischer Ressourcen noch verschärft. Dies macht eine entsprechende Sensibilisierung für kollegiales Feedback erforderlich, die bereits in die erste Phase der Ausbildung und möglichst einheitlich in Europa integriert sein müsste. Des Weiteren sollten die Lehrenden gezielt darauf vorbereitet werden, wie kritisches Feedback in online stattfindenden Fortbildungsmaßnahmen so‐ wohl vorgebracht als auch perzipiert wird. Das dritte Kapitel befasst sich mit identitätsstiftenden Kategorien, wie sie im Rahmen der besagten Veranstaltung zum Vorschein traten. Dazu erfolgt zunächst eine begriffliche Klärung im Rahmen der ethnomethodolo‐ gischen Konversationsanalyse und Kategorisierungsanalyse. Daran anschlie‐ ßend demonstriert ein Beispiel von einem ‚Let-it-goʽ-Verhalten, wie mit man‐ gelnder Sprachkompetenz umgegangen und dabei Bloßstellungen bezüglich mangelnder Sprachkompetenz vermieden werden (3.1). Danach wendet sich der Blick auf das interaktive Geschehen in den lokalen schulinternen Lehrendentan‐ dems (3.2), in denen die aufeinander bezogenen Kategorien ‚Expert: innen‘ (er‐ fahrene Lehrenden/ Ausbilder: innen) und ‚Noviz: innen‘ (Studierende/ Lehramts‐ anwärter: innen) zum Vorschein kamen. Diese traten im Diskurs einmal über das Anrecht hervor, ein Lob auszusprechen (Sequenz 23), Aufgaben zuzuweisen und sie zu verteilen (Sequenz 24) sowie Stellungnahmen direkt namentlich einzu‐ fordern (Sequenz 25). Dies machte die Kategorie der erfahrenen Lehrenden aus. Das darauf reagierende Verhalten der Lehramtsanwärter: innen unterstützt diese Handlungen durch Lächeln oder teilweise Zurücknahme der ursprünglichen ei‐ genen Aussage und beschreibt darin die Kategorie der Lehramtsanwärter: innen. Dies ließ über den situativen Kontext hinaus auf Asymmetrien zwischen den Pre- und In-service-Lehrenden im Sinne hierarchischer Beziehungen schließen. Dieser Befund scheint sich auch in der Interviewstudie von Hofmann (2021: 115, 119) zu bestätigen, in der speziell in den internationalen Videokonferenzen die 152 Schlussfolgerungen <?page no="153"?> hierarchischen Beziehungen in den Lehrendentandems zur Sprache gebracht werden. Im folgenden Unterkapitel (3.3) geht es um die Teambildung, d. h., wie sich die Lehrendentandems als (nationale) Teams etablierten und welche Funktion dabei Toponyme im Zusammenspiel mit anderen verbalen und multimodalen Praktiken im digitalen Diskurs als identitätsstiftende Kategorien erfüllen. Ihr Einsatz zeigte sich bei der für Face-to-Face-Besprechungen eher unüblichen Adressierung der Standorte in der Eröffnung (Sequenz 26), aber auch in der Besprechung selbst, wo Toponyme von der Moderatorin bei stockendem Ge‐ spräch benutzt werden (Sequenz 27), da andere Modalitäten wie Blickkontakt, die den Turnwechsel bei räumlich-körperlicher Präsenz der Interagierenden einleiten können, hier wegfallen. Des Weiteren vereinfacht die Kategorisierung durch Toponyme den Diskurs. Die lokalen Teams definierten sich darüber in Abgrenzung zu den anderen Tandems sowohl über die Referenzierung durch „wir“ und „ihr“ als auch durch die Nennung der Standorte oder deren Ein‐ wohner: innen (Sequenz 28). Vor dem Hintergrund dieser Beobachtungen stellt sich die Frage, ob Toponyme die Identitätsbildung nationaler Teams verstärkt in Videokonferenzen begünstigen; und noch weitergehend, ob sie darin die Bildung einer übernationalen Gruppenidentität oder auch nur transnationalen Arbeitsgemeinschaft unterlaufen. Zum Abschluss richtet sich der Blick darauf, welche Merkmale die interna‐ tionale Arbeitsgemeinschaft aufweist, die sich in LEELU konstituiert, bzw. welche community sich herausbildet (3.4). In den Videokonferenzen nahmen diverse Tätigkeiten Form an, die im Rahmen des Projekts vorgesehen sind, und wurden zu Aufgaben, die bestimmte Teilnehmende ausführten (z. B. „Zaubern“ in Sequenz 4, „Videos hochladen“ in Sequenz 24) und die nicht alternativ von anderen übernommen werden (konnten). Des Weiteren zeigte sich das unter‐ schiedliche Kompetenzniveau der Lehrenden sowohl auf dem fremdsprachli‐ chen und fachspezifischen Niveau (z. B. beim kollegialen Feedback) als auch im unterschiedlichen Wissensstand bezüglich des Projekts im Vergleich zur Moderatorin. Angesichts dessen lässt sich die Gemeinschaft, wie sie sich in den LEELU-Konferenzen zeigt, nicht zu den im Zusammenhang mit den Videoclubs erwähnten Praxis- und Wissensgemeinschaften rechnen. Hingegen scheint die Zuordnung zu einer „Transient Transnational Community“ (Oesterle et al. 2020) oder „Transient Multilingual Community“ (Mortensen 2017) als geeigneter, denn diese zeichnet sich durch ihre internationale Zusammensetzung bedingte Notwendigkeit aus, neue Normen und Richtlinien für die befristete Dauer des Projekts auszuhandeln. Diese Suche nach gemeinsamen handlungsleitenden Kategorien, an denen sich die Lehrenden in ihrem extensiven Leseunterricht Schlussfolgerungen 153 <?page no="154"?> orientieren können, trat in den internationalen Videokonferenzen mehrfach, insbesondere zu Beginn der Fortbildungsmaßnahme, als Verunsicherung und Wunsch nach Vorgaben hervor (Sequenz 29) und zeigte sich z. B. in der Anhäufung von Fragen mit Modalverben („können wir“, „sollen wir“ oder „dürfen wir“). In diesem Zusammenhang sind die handlungsleitenden Katego‐ rien ‚Experimentieren‘ und ‚Forschen‘ relevant, wie sie in Sequenz 29 (Fragment 2) formuliert wurden und Normcharakter annahmen. Die Lehrenden setzten im Folgenden diese Anweisung in ihrem Unterricht unterschiedlich um. So lassen sich in den Videokonferenzen vielzählige Beispiele anführen, in denen die Lehrenden berichteten, was sie im Unterricht neu ausprobiert hatten, und ihr experimentierendes Handeln gemeinsam reflektierten, wie wir unter anderem in der Sequenz 16 (Reflexionsinput für die Lernenden), Sequenz 18 (geeigneter Raum für den extensiven Leseunterricht), Sequenz 19 (Handhabung der Rollen der beobachtenden und den extensiven Leseunterricht durchführenden Leh‐ renden) oder in Sequenz 28 (Handybenutzung der Lernenden im extensiven Leseunterricht) gesehen haben. Diese Handlungskategorien kennzeichnen die LEELU-Gruppe und charakterisieren ihre offene und dynamische Struktur. Inwieweit sie als identitätsstiftend für transnationale Arbeitsgemeinschaften gelten können, bedarf weiterer Untersuchungen. Transnationale Arbeitsgemeinschaften, wie sie sich in internationalen Pro‐ jekten bilden, stellen sicher einen höchst interessanten Forschungsgegenstand dar, insbesondere in Bezug darauf, inwieweit sich innerhalb dieser sozialen Ge‐ füge Gemeinsamkeiten und Zugehörigkeit entwickeln bzw. in den Zusammen‐ künften zum Ausdruck kommen. De Oliveira und Stevanovic (2024: 26) sehen in der Schaffung von gemeinsamen Routinen hierfür die Voraussetzung: „[ ] intercultural scenarios are characterized by unfamiliarity. It is through creating routines of action and behavior that familiarity (culturality) can arise (Bolten 2015a).“ Auch Väyrynen und Hekkala (2015: 437) führen in ihrer Interviewstudie diverse Belege dafür an, dass „familiarity with the other person“ wesentlich dazu beiträgt, die andere/ den anderen zu verstehen und zu akzeptieren. Diese Familiarität baut sich hauptsächlich über persönliche Kontakte und gemeinsame Erfahrungen auf. Daher bedarf es neben einer intensiven Schulung inter- und transkultureller Kompetenzen (Eisenmann et al. 2023: 29), die natürlich auch virtuelle Gesprächssituationen (Organisation, Führung) beinhalten muss, auch persönlicher Erfahrungen mit dem Arbeitskontext der Kolleg: innen. Das LEELU-Projekt hat wichtige Schritte in diese Richtung unternommen und darüber Erfolge gezeitigt (Schramm / Hofmann 2023). Gleichzeitig hat es die Ziele aufgezeigt, die es noch zu erreichen gilt. So betonten die Lehrenden nach Abschluss des Projekts, dass ihnen die lokalen Tandems sehr viel gebracht 154 Schlussfolgerungen <?page no="155"?> hätten, mehr als die internationalen Besprechungen, in denen die Fremdheit gegenüber den anderen und deren Situation überwogen habe und die daher als weniger bedeutsam für die persönliche Entwicklung gewertet wurden (Davidowitz et al. 2019: 40; auch in Hofmann 2021: 113/ 114). Vor diesem Hintergrund erscheint es förderlich, in derartigen Projekten Schulbesuche an den jeweiligen Standorten einzuplanen. Darüber hinaus sollte in allen drei Phasen der fremdsprachlichen Lehrendenbildung die Gelegenheit dazu gegeben werden, eine längere Zeit an Schulen im Ausland zu hospitieren bzw. zu arbeiten. Dabei müssten verstärkt im Beruf stehende Lehrende eingebunden werden und die Möglichkeit haben, in anderen kulturellen Kontexten Lehrerfahrungen zu machen und sich darüber mit ihren Kolleg: innen auszutauschen. Damit Fremdes familiär wird, hat die Internationalisierung in allen Ländern der europäischen Gemeinschaft möglichst früh durch den kopräsenten Austausch einzusetzen und sich durch den virtuellen zu potenzieren. Neben dem oben genannten Forschungsgegenstand bleiben Studien zu Video‐ konferenzen in der internationalen Lehrendenbildung sicher in den nächsten Jahren ein noch anhaltendes Desiderat, das sowohl gesprächsanalytische als auch qualitativ und quantitativ ausgerichtete Untersuchungen benötigt. Hier gilt es, übergreifende Handlungspraktiken aufzudecken, aber auch Verfahren anzuwenden, die die Häufigkeit, Dauer und Art der Beteiligung der Teilneh‐ menden vor dem Hintergrund der verschiedenen Lern- und Kommunikations‐ traditionen sowie des unterschiedlichen Kenntnisstandes in der Arbeitssprache Deutsch analysieren. So könnte es - wie schon anfänglich erwähnt - von besonderem Interesse sein zu untersuchen, wie kopräsente und virtuelle Bil‐ dungsmaßnahmen aufeinander aufbauen und welche besonderen Lerneffekte erzielt werden. Überhaupt eröffnen sich bei der Erforschung des digitalen Lehrenden-Lehrenden-Diskurses noch vielzählige weitere Forschungsfelder, beispielsweise wie die auf dem Bildschirm erscheinenden Dokumente den Dis‐ kursfaden ko-konstruieren. Schließlich sind mehr Studien über internationale Forschungsprojektsitzungen, insbesondere im akademischen Bereich, und mehr Untersuchungen über Videokonferenzen, die nicht nur auf Englisch abgehalten werden, erforderlich (Murray 2000: 398). Schlussfolgerungen 155 <?page no="157"?> Bibliographie Abitzsch, Doris; van der Knaap, Ewout; Abbate, Roberta; Dawidowicz, Marta; Feld-Knapp, Ilona; Hofmann, Katrin; Hoffmann, Sabine; Perge, Gabriella; Schramm, Karen (2019). Freies Lesen im LEELU-LehrerInnenbildungsprojekt, https: / / leelu.eu / wp-content/ uploads/ sites/ 164/ 2019/ 08/ Konzeptpapier-zum-Freien-Lesen-im-LEELU -Projekt-Endfassung-2019.pdf. (letzter Zugriff 11.08.2024) Allen, Joseph A.; Lehmann-Willenbrock, Nale; Rogelberg, Steven G. (Eds.) (2015). 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Mittels einer multimodalen Interaktionsanalyse werden der Aufbau und die Moderation in diesen Gesprächen, das Erteilen und Rezipieren positiven und negativen Feedbacks unter den Lehrenden und die Bedeutung beruflicher sowie nationaler Kategorien herausgearbeitet. Ziel der Veröffentlichung ist es, einen Beitrag zur empirischen Forschung in der fremdsprachlichen Lehrendenbildung zu leisten. Damit richtet sich das Buch sowohl an Wissenschaftler: innen, da es methodisch wie inhaltlich zahlreiche Anknüpfungspunkte für weitere Forschung bietet, als auch an Fortbildner: innen und Lehrende, die sich an den darin enthaltenen Erkenntnissen orientieren können. Hoffmann Internationale Videokonferenzen in der Lehrendenbildung Internationale Videokonferenzen in der Lehrendenbildung Sabine Hoffmann Eine multimodale Interaktionsanalyse