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Kulturelle und sprachliche Heterogenität im Englischunterricht

Die Rekonstruktion von Professionalisierungsprozessen berufsroutinierter Englischlehrkräfte

0526
2025
978-3-3811-3672-8
978-3-3811-3671-1
Gunter Narr Verlag 
Carina Leonhardthttps://orcid.org/0009-0004-1593-6036
10.24053/9783381136728

Der Umgang mit kultureller und sprachlicher Heterogenität stellt eines der zentralen Themen im Handlungsfeld Schule und Unterricht dar, bei welchem gerade berufsroutinierte Englischlehrer:innen in ihrem unterrichtlichen Handeln an Grenzen stoßen. Um diese Grenzen zu überwinden, sind Englischlehrer:innen gefordert, sich und ihr fachunterrichtliches Handeln kontinuierlich zu reflektieren und weiterzuentwickeln. Diese qualitativ-rekonstruktive Studie zeigt auf, wie Englischlehrer:innen mit kultureller und sprachlicher Heterogenität im Unterricht umgehen und welche Prozesse von Professionalisierung bzw. Deprofessionalisierung im Kontext einer Fortbildung wirksam werden.

<?page no="0"?> Giessener Beiträge zur Fremdsprachendidaktik Giessener Beiträge Giessener Beiträge zur Fremdsprachendidaktik ISBN 978-3-381-13671-1 Der Umgang mit kultureller und sprachlicher Heterogenität stellt eines der zentralen Themen im Handlungsfeld Schule und Unterricht dar, bei welchem gerade berufsroutinierte Englischlehrer: innen in ihrem unterrichtlichen Handeln an Grenzen stoßen. Um diese Grenzen zu überwinden, sind Englischlehrer: innen gefordert, sich und ihr fachunterrichtliches Handeln kontinuierlich zu reflektieren und weiterzuentwickeln. Diese qualitativ-rekonstruktive Studie zeigt auf, wie Englischlehrer: innen mit kultureller und sprachlicher Heterogenität im Unterricht umgehen und welche Prozesse von Professionalisierung bzw. Deprofessionalisierung im Kontext einer Fortbildung wirksam werden. Leonhardt Kulturelle und sprachliche Heterogenität im Englischunterricht Carina Leonhardt Kulturelle und sprachliche Heterogenität im Englischunterricht Die Rekonstruktion von Professionalisierungsprozessen berufsroutinierter Englischlehrkräfte <?page no="1"?> Kulturelle und sprachliche Heterogenität im Englischunterricht <?page no="2"?> G I E S S E N E R B E I T R ÄG E Z U R F R E M D S P R A C H E N D I DA K T I K Herausgegeben von Jürgen Kurtz, Michael Legutke, Hélène Martinez, Ivo Steininger und Nicola Würffel. Begründet von Lothar Bredella, Herbert Christ und Hans-Eberhard Piepho <?page no="3"?> Carina Leonhardt Kulturelle und sprachliche Heterogenität im Englischunterricht Die Rekonstruktion von Professionalisierungsprozessen berufsroutinierter Englischlehrkräfte <?page no="4"?> D.30 DOI: https: / / doi.org/ 10.24053/ 9783381136728 © 2025 · Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5 · D-72070 Tübingen Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Alle Informationen in diesem Buch wurden mit großer Sorgfalt erstellt. Fehler können dennoch nicht völlig ausgeschlossen werden. Weder Verlag noch Autor: innen oder Herausgeber: innen übernehmen deshalb eine Gewährleistung für die Korrektheit des Inhaltes und haften nicht für fehlerhafte Angaben und deren Folgen. Diese Publikation enthält gegebenenfalls Links zu externen Inhalten Dritter, auf die weder Verlag noch Autor: innen oder Herausgeber: innen Einfluss haben. Für die Inhalte der verlinkten Seiten sind stets die jeweiligen Anbieter oder Betreibenden der Seiten verantwortlich. Internet: www.narr.de eMail: info@narr.de Druck: Elanders Waiblingen GmbH ISSN 0175-7776 ISBN 978-3-381-13671-1 (Print) ISBN 978-3-381-13672-8 (ePDF) ISBN 978-3-381-13673-5 (ePub) Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http: / / dnb.dnb.de abrufbar. <?page no="5"?> Für meine Eltern, Petra und Michael <?page no="7"?> 11 1 13 1.1 13 1.2 18 2 21 2.1 22 2.2 25 2.3 28 2.3.1 28 2.3.2 30 2.3.3 33 2.4 36 2.4.1 40 2.4.2 46 2.4.3 52 2.5 57 3 61 3.1 62 3.2 68 3.2.1 70 3.2.2 72 Inhalt Danksagung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erkenntnisinteresse und Relevanz der Studie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aufbau der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Professionalität und Professionalisierung von (Englisch-)Lehrkräften . . . . . . . . . . . . . Profession, Professionalität und Professionalisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . Das professionelle Wissen von Lehrkräften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bestimmungsansätze zur Professionalität und Professionalisierung von Lehrkräften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der kompetenztheoretische Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der strukturtheoretische Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der berufsbiographische Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Forschung zur Professionalität und Professionalisierung von Fremdsprachenlehrkräften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Bedeutung expliziter Wissensbestände für das (professionelle) Handeln und die Professionalisierung von Fremdsprachenlehrkräften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Bedeutung von subjektiven Wissensbeständen für das (professionelle) Handeln und die Professionalisierung von Fremdsprachenlehrkräften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Bedeutung impliziter Wissensbestände für das (professionelle) Handeln und die Professionalisierung von Fremdsprachenlehrkräften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Synthese: Konkretisierung der professionstheoretischen Perspektive in Bezug auf die Professionalisierung von Englischlehrkräften . . . . . . . . . . . Sprachliche und kulturelle Heterogenität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Heterogenitätsbegriff und seine Dimensionen: -Eine begriffliche Annäherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sprachliche und kulturelle Heterogenität als Handlungsfelder im Englischunterricht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sprachliche Heterogenität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ansätze zum Umgang mit sprachlicher Heterogenität im Fremdsprachenunterricht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . <?page no="8"?> 3.2.3 75 3.2.4 78 3.3 86 3.4 94 3.4.1 96 3.4.2 98 3.4.3 101 4 103 4.1 103 4.2 105 4.3 108 4.3.1 109 4.3.2 111 5 115 5.1 115 5.1.1 115 5.1.2 116 5.1.3 118 5.1.4 125 5.2 128 5.2.1 128 5.2.2 135 5.2.3 143 5.3 148 6 151 6.1 151 Kulturelle Heterogenität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ansätze zum Umgang mit kultureller Heterogenität im Fremdsprachenunterricht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anforderungen an Fremdsprachenlehrkräfte und ihr unterrichtliches Handeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Umgang mit kultureller und sprachlicher Heterogenität im Englischunterricht: Ein Forschungsüberblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einstellungen, Haltungen, Überzeugungen sowie das Wissen von Fremdsprachenlehrkräften zum Thema kulturelle und sprachliche Heterogenität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das unterrichtliche Handeln von Fremdsprachenlehrkräften im Umgang mit kultureller und sprachlicher Heterogenität . . . . . . . . Gelingensbedingungen bzw. Hinderungsgründe für den Einbezug kultureller und sprachlicher Ressourcen der Schüler*innen . . . . . . Die Professionalisierung von Englischlehrkräften im Umgang mit kultureller und sprachlicher Heterogenität in der dritten Phase der Lehrer*innenbildung . . . . . . . . . Forschungsgegenstand und Erkenntnisinteresse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Forschungsfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Projekthintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ziele und Konzeption der Onlinefortbildung Mehrsprachigkeit und kulturelle Vielfalt im (Fremd-)Sprachenunterricht . . . . . . . . . . . . . . . Inhaltlicher Aufbau und Modulstruktur der Fortbildung . . . . . . . . Methodologie und Methodik der empirischen Studie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Methodologischer Zugang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gegenstandstheoretische Vorüberlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Grundannahmen der qualitativ-rekonstruktiven Sozialforschung Methodologische Grundannahmen und Grundlagen der Dokumentarischen Methode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Spannungsverhältnis zwischen Norm und Habitus im Umgang mit kultureller und sprachlicher Heterogenität im Englischunterricht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Methodische Durchführung: Anlage der empirischen Studie . . . . . . . . . . Forschungsinstrumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Datenerhebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Forschungsethische Maßnahmen und Selbstverortung als Forschende . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusammenschau des Untersuchungsverlaufs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Datenauswertung mit der Dokumentarischen Methode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aufbereitung und Transkription der Daten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 Inhalt <?page no="9"?> 6.2 154 6.2.1 155 6.2.2 157 6.2.3 162 6.2.4 162 6.2.5 168 6.3 173 7 175 7.1 175 7.2 177 7.2.1 181 7.2.2 189 7.2.3 194 7.2.4 198 7.2.5 203 7.2.6 210 7.3 211 7.3.1 215 7.3.2 223 7.3.3 228 7.3.4 235 7.3.5 240 7.4 241 7.5 249 7.6 272 8 275 8.1 276 8.2 280 8.3 285 8.4 296 9 303 10 309 11 341 341 343 Datenauswertung mit der Dokumentarischen Methode . . . . . . . . . . . . . . . Formulierende Interpretation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Reflektierende Interpretation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fallbeschreibung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Typenbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Analyse von Professionalisierungsprozessen im Längsschnitt Zusammenschau der Datenauswertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Typenbildungen und Ergebnisdarstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mehrdimensionale sinngenetische Typenbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Typologie zur Gestaltung des Englischunterrichts im Umgang mit Lernenden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Typik: Ausgangspunkt des Englischunterrichts . . . . . . . . . . . . . . . . Typik: Fachlicher Fokus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Typik: Lehrer*innenrolle und Selbstbild . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Typik: Schüler*innenrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Typik: Spracherwerb und Sprachenlernen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Typologie zum Umgang mit kultureller und sprachlicher Heterogenität . Typik: Einbezug kultureller und sprachlicher Heterogenität . . . . . Typik: Sprache(n) im Englischunterricht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Typik: Konzeptualisierung von kultureller und sprachlicher Heterogenität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Typik: Rahmung von kultureller und sprachlicher Heterogenität Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ergebnisse der relationalen Typenbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Längsschnittlicher Vergleich der Interviewzeitpunkte -(t1 und t2) . . . . . . Güte und Reichweite der Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusammenfassung und Diskussion der Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kulturelle und sprachliche Heterogenität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Englischunterricht und Normorientierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Professionalisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Implikationen für die (fremdsprachendidaktische) Lehrer*innenbildung Fazit und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anhang 1: Einwilligung zur Forschungsteilnahme und Datenschutzerklärung . Anhang 2: Interviewleitfäden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Inhalt 9 <?page no="10"?> 347 348 Anhang 3: Interviewprotokoll (Postskript) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anhang 4: Fallbeispielanalysedokument (adaptiert nach Gerlach 2020a) . . . . . . 10 Inhalt <?page no="11"?> Danksagung Der Weg zu dieser Dissertation war nicht immer geradlinig, sondern vielmehr ein Aben‐ teuer, das von vielen Herausforderungen und Momenten der Unsicherheit geprägt war. Doch in all diesen Phasen gab es immer Menschen, die mich unterstützten, an mich geglaubt haben, mich ermutigten und mir halfen, weiterzumachen. Ohne sie wäre diese Arbeit nicht möglich gewesen. Zunächst bedanke ich mich bei den Betreuenden meiner Arbeit, Prof. Dr. Britta Viebrock und Prof. Dr. David Gerlach. Ihr wart während des gesamten Projekts nicht nur eine wissenschaftliche, sondern auch eine persönliche Stütze und habt mir dabei geholfen, meine Gedanken zu sortieren, an meinen Ideen festzuhalten und sie weiterzuentwickeln. Hierfür danke ich Euch sehr. Ein besonderer Dank gebührt den Lehrkräften, die sich nicht nur dazu bereiterklärt haben, an meiner Studie teilzunehmen, sondern sich auch unter besonders herausfordern‐ den Bedingungen dazu entschieden, sich zu professionalisieren. Während einer Zeit, die von pandemiebedingten Unsicherheiten, Schulschließungen, Corona-Erkrankungen und täglich neuen Maßnahmen geprägt war, haben sie zum Gelingen dieser Arbeit beigetragen und ihre wertvollen Erfahrungen und Perspektiven geteilt. Ihr Durchhaltevermögen, Engagement und ihre Bereitschaft, sich trotz der schwierigen Umstände für die vorliegende Studie einzusetzen, verdienen meinen größten Dank und meine Anerkennung. Ebenso danke ich den Kolleg: innen der Abteilung Englischdidaktik des Institute of English and American Studies an der Goethe-Universität Frankfurt, die mich durch ihre kritischen und gezielten Fragen, wertvollen Rückmeldungen und Hinweise immer wie‐ der dazu angeregt haben, neue Perspektiven einzunehmen und meine Argumentation weiterzuentwickeln. Ebenso danke ich den Mitgliedern der Promotionskomission für das Interesse an meiner Arbeit und dafür, die letzten Schritte meiner Dissertation begleitet zu haben. Danke auch an die studentischen Hilfskräfte am Institut, die mich in der Phase der Datenaufbereitung unterstützt haben. Herzlichen Dank auch an Daniela, dass Du mir meinen Kopf aufgeräumt und mir vor Augen geführt hast, dass das Ziel ganz nah ist. Ein besonders großer Dank geht an meine Geschwister, an meine Schwiegereltern, meine Bonusfamilie aus Lippstadt und an die besten Freunde, die man sich wünschen kann: Anja, Simone und Simon. Ohne Eure Unterstützung, Euer Verständnis, Eure Nachsicht und offenen Ohren für meine Gedanken und Sorgen hätte ich dieses umfangreiche Projekt niemals in diesem Maße durchführen können. Dafür danke ich Euch von Herzen. Mein Mann, Jan-Erik, verdient einen ganz besonderen Platz in dieser Danksagung. Durch diese Studie durfte ich Dich nicht nur kennenlernen, sondern auch heiraten, wofür ich sehr dankbar bin. Gemeinsam haben wir uns dem Abenteuer Promotion gestellt und dabei nicht nur Wissen und Erfahrungen, sondern auch Zweifel und Erfolge geteilt. Jan-Erik, Du hast mich auch in den stressigsten Phasen mit Deiner Geduld, Deinen Ideen, Deinem Humor und Deiner Liebe unterstützt. Dafür bin ich Dir von Herzen dankbar. Ich bin stolz, dass wir diesen Weg gemeinsam gegangen und dadurch noch enger zusammengewachsen sind. <?page no="12"?> Nicht zuletzt möchte ich meinen Kolleg: innen aus den Interpretationsgruppen danken. Eure kritischen, aber stets unterstützenden Rückmeldungen, die gemeinsamen Diskussio‐ nen und die unzähligen Stunden des intensiven Austauschs haben mir nicht nur geholfen, die Arbeit auf fachlicher und methodischer Ebene voranzubringen, sondern auch immer wieder gezeigt, wie wertvoll Zusammenarbeit und kollegialer Austausch sind. Besonders danke ich Melanie und Laura. Diese Dissertation ist das Resultat vieler Menschen, die mich unterstützt haben, doch der größte Dank gilt meinen verstorbenen Eltern, Petra und Michael. Sie haben immer an mich und meine Ideen geglaubt und mich darin bestärkt, an meinen Träumen festzuhalten und meine Ziele zu verwirklichen. Durch ihre Zuversicht und ihr Vertrauen haben sie dazu beigetragen, dass ich zu dem Menschen werden konnte, der ich heute bin. Ihnen widme ich diese Arbeit. 12 Danksagung <?page no="13"?> 1 Die Phase des Berufseinstiegs beginnt „mit dem Abschluss der Ausbildung und der Übernahme der ersten Anstellung als fertig ausgebildete Lehrperson und endet mit dem subjektiv wahrgenommenen Ankommen im Beruf “ (Keller-Schneider 2020: 65; vgl. auch Keller-Schneider & Hericks 2014). 2 Im Folgenden wird die Kursivierung von Begriffen zur Hervorhebung von zu definierenden Termini sowie von fremdbzw. englischsprachigen (Einzel-)Begriffen verwendet. Weiterhin werden auch Titel von Publikationen in kursiver Schrift angeführt. 3 Der Begriff des Sprachenlernens wird für gesteuerte, explizite und in institutionellen Kontexten stattfindende Sprachaneignungsprozesse genutzt. Spracherwerb bezieht sich dagegen auf die infor‐ melle, ungesteuerte und eher implizite Aneignung von Sprachen. 1 Einleitung Die vorliegende Studie widmet sich den Fragen, welche Erfahrungen berufsroutinierte Englischlehrkräfte im Umgang mit kultureller und sprachlicher Heterogenität machen und wie sie sich im Umgang mit diesen Heterogenitätsdimensionen im Kontext einer Lehrkräftefortbildung professionalisieren. Als berufsroutiniert werden in dieser Arbeit jene Lehrkräfte bezeichnet, welche die Phase des Berufseinstiegs 1 abgeschlossen haben. Die hier genannten Forschungsfragen (die sich auch im Titel der Arbeit spiegeln) enthalten mehrere, im Kontext der Fremdsprachendidaktik voraussetzungsreiche Begriffe und lösen weiterführende Fragen aus: Was sind kulturelle und sprachliche Heterogenität und was ist deren Bedeutung für den Englischunterricht? Was bedeutet Professionalisierung von Englischlehrkräften? Neben einer Begriffsbestimmung ist von Bedeutung, warum sich eine Auseinandersetzung mit den genannten Forschungsfragen im Feld der Fremdsprachendi‐ daktik lohnt. Zuletzt stellt sich die Frage, wie die Erfahrungen von Englischlehrkräften hinsichtlich der genannten Themenfelder sowie ihrer diesbezüglichen Professionalisie‐ rungsprozesse empirisch sichtbar gemacht werden können. In dieser Einleitung erfolgt eine erste Annäherung an die genannten Fragen. Weiterhin wird ein Überblick über die Schritte der vorliegenden Arbeit gegeben, die zur Beantwortung der Fragen unternommen werden. 1.1 Erkenntnisinteresse und Relevanz der Studie Zunächst gilt es, sprachliche und kulturelle Heterogenität zu definieren und deren Bedeu‐ tung für den Fremdsprachenunterricht hervorzuheben. Unter sprachlicher Heterogenität wird in Rückgriff auf die Definition des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen  2 (2001) (GeR) „die Gesamtheit der von einer Person erworbenen Sprachen [verstanden], die in deren mentalen System interagieren und miteinander vernetzt sind“ (Leonhardt, Kreft & Viebrock 2021: 2 f.; C.L.). Hierzu zählen sowohl in institutionellen Kontexten erlernte 3 als auch familiär oder lebensweltlich erworbene Sprachen, die sich wiederum hinsichtlich des Verwendungskontextes, der Anwendungshäufigkeit sowie der Kompetenzniveaus in den Fertigkeitsbereichen Sprechen, Schreiben, Lesen und Hören unterscheiden können (vgl. ebd.; vgl. auch Elsner et al. 2020). Im Verständnis dieser Arbeit von sprachlicher Heterogenität sind die Begriffe der lebensweltlichen sowie der institutionellen Mehrsprachigkeit miteingeschlossen (vgl. Kapitel 3.2.1). Als mehrsprachig <?page no="14"?> 4 In der vorliegenden Arbeit wird sich um eine gendergerechte Sprache bemüht. Aus diesem Grund wird im Folgenden auf das Gendersternchen zurückgegriffen, um allen Geschlechtern gleichermaßen Sichtbarkeit zu verleihen. An Stellen, an welchen dies die Lesbarkeit beeinträchtigt, wird auf eine genderneutrale Schreibweise zurückgegriffen. 5 In der vorliegenden Arbeit wird mit der Bezeichnung L1, L2, L3 etc. die Erwerbsreihenfolge von Sprachen gekennzeichnet. Hierbei wird auf die Begriffe ‚Herkunfts- oder Familiensprache‘ verzichtet, um Zuschreibungen zu vermeiden. werden Individuen verstanden, die in mehr als einer Sprache mündlich oder schriftlich kommunizieren können (vgl. Bredthauer et al. 2021; vgl. auch Kapitel 3.2.1). Das Verständnis von kultureller Heterogenität geht in der vorliegenden Arbeit mit einem dynamischen, fluiden und nicht-essenzialistischen Kulturbegriff einher, demzufolge Kultur nicht an Kategorien wie Herkunft, Nationen oder Religion gebunden ist. Vielmehr wird Kultur als soziale sowie gesellschaftliche Praxis verstanden, die ein vorläufiges Ergebnis von sprachlichen Aushandlungsprozessen darstellt und von Individuen stets auf Neue konstruiert wird (vgl. König, Schädlich & Surkamp 2022). So werden ‘Kulturen‘ [als] hybride und nach außen durch offene Netzwerkverbindungen charakterisierte Kollektive [aufgefasst], die als Orientierungssystem[e] die Wahrnehmung, Werte, das Denken und Handeln sowie die Identitätsbildung und -konstruktion von Menschen beeinflussen, die sich diesen Kollektiven zugehörig fühlen. (Leonhardt et al. 2021: 3; C.L.) Schüler*innen 4 wachsen aufgrund von Globalisierung, Digitalisierung, Migrations- und Fluchtbewegungen in einer zunehmend diversifizierten und sich dynamisch verändernden Gesellschaft auf. Für den Fremdsprachenunterricht bedeutet dies, dass Fremdsprachenlehr‐ kräfte Schüler*innen unterrichten, die aufgrund der in ihren Lebenswelten gesammelten vielfältigen kulturellen und sprachlichen Erfahrungen entsprechend heterogene Lernvo‐ raussetzungen und -bedürfnisse in den Unterricht einbringen, die es als Ressource für fremdsprachliche Lernprozesse zu nutzen gilt (vgl. Europarat 2001; KMK 2015, 2019a; Kropp 2017; Elsner et al. 2020; Leonhardt et al. 2021). Zahlreiche Studien weisen auf die Potenziale des Einbezugs der kulturellen und sprachlichen Erfahrungen der Lernenden in den Fremdsprachenunterricht hin. So wer‐ den Schüler*innen mit einem mehrsprachigen Hintergrund im oben genannten Sinne häufig hohe (meta-)linguistische sowie (meta-)kognitive Fähigkeiten attestiert, die das weitere Sprachenlernen erleichtern können (vgl. z. B. Swain et al. 1990; Hufeisen & Marx 2007; De Angelis 2011; Bredthauer 2016). Insbesondere lebensweltlich mehrsprachigen Schüler*innen werden Vorteile gegenüber primär einsprachig aufgewachsenen Lernenden zugeschrieben. Zu diesen Vorteilen zählen die Steigerung der Sprachbewusstheit, der Sprachlernkompetenz sowie der Sprachlernmotivation (vgl. Bialystock 2005; Bär 2010; Marx 2010; Bredthauer 2016; Morkötter 2016; Porch & Bialystock 2017). Auch belegen Studien einen positiven Einfluss von Mehrsprachigkeit auf die kognitive Entwicklung von Kindern und Jugendlichen und heben hervor, dass ein systematischer didaktischer Einbezug der L1 5 der Lernenden positive Auswirkungen auf deren Schulerfolg haben kann (vgl. Fürstenau, Gogolin & Yağmur 2003: 161; Dirim et al. 2001). Studien zeigen jedoch auch, dass sich diese Potenziale und Vorteile nur unter bestimmten Voraussetzungen entfalten können (Elsner 2007; Engel, Groot-Wilken & Thürmann 2009; Schwippert, Wendt & Tarelli 14 1 Einleitung <?page no="15"?> 6 In der vorliegenden Arbeit werden Diskurse im Sinne Foucaults (1972) sowohl als Ausdrucksgestalten und Praktiken der Wissenskonstruktion als auch in ihrer linguistischen Funktion als zusammenhän‐ gende Äußerungen verstanden (vgl. Hallet 2017; vgl. Kapitel 3.2.3). 2012). Neben dem Spracherwerbsalter sowie der Einstellung zur eigenen Mehrsprachigkeit zählen hierzu insbesondere die Fragen danach, „wie gut die Lerner ihre bereits vorhandenen Sprachen beherrschen und wie sehr diese durch ihr häusliches und schulisches Umfeld gefördert werden“ (Elsner 2010b: 112 f.). Demnach kommt den Lehrkräften eine bedeutsame Rolle zu. Der Einbezug der kulturellen Heterogenität der Lernenden sowie die Thematisierung von Sprache und Kultur können im Fremdsprachenunterricht dazu beitragen, dass der Hybridisierung und Globalisierung von Kulturen stärker Rechnung getragen wird und vereinfachende, stereotype Zuschreibungen sowie Dichotomisierungen vermieden wer‐ den (vgl. König et al. 2022b). Lernende können für ihre Eingebundenheit in kulturelle Diskurse 6 sensibilisiert „sowie zur Teilhabe an fremdsprachigen kulturellen Diskursen [befähigt werden], die als Phänomene jenseits nationaler Grenzen ‚der Zielsprache‘ und ‚der Zielkultur‘ zum Lerngegenstand gemacht werden“ (ebd.: 15; C.L.). Durch den Einbezug von Kultur in den Fremdsprachenunterricht kann den Lernenden ein Bewusstsein dafür vermittelt werden, dass sich Kultur nicht durch Landesgrenzen ausdrücken lässt, sondern sprachlich und performativ von Menschen bedeutsam gemacht wird. Ein zentraler Aspekt im Fremdsprachenunterricht ist dabei die Bewusstmachung und Reflexion ungleicher Partizipationsmöglichkeiten an kulturellen Diskursen. Insbesondere die Frage danach, wie durch Sprache Kultur gestaltet und Macht verteilt sowie aufrecht erhalten wird, ist hierbei von Bedeutung (García García & Schädlich 2022; König et al. 2022b). Gerade in Zeiten von weiter aufstrebendem Populismus und gesellschaftlichen Spaltungen ist eine Förderung dieser Ziele bei Lernenden, die zu einer aktiven sozialen, politischen und wirtschaftlichen Teilhabe am Leben ausgebildet werden sollen, essenziell (vgl. auch Gerlach 2020b; Kreft 2020). Es zeigt sich folglich, dass sprachliche und kulturelle Heterogenität nicht nur Ausgangs‐ punkte des Fremdsprachenunterrichts sind, auf deren Basis Englischlehrkräfte differen‐ zierten und auf die Voraussetzungen der Lernenden ausgerichteten Unterricht anbieten müssen. Vielmehr sind Sprache und Kultur auch zentrale Gegenstände des Englischunter‐ richts, an welchen sich fremdsprachliche Lernprozesse der Schüler*innen entfalten. Damit wird der Einbezug der kulturellen und sprachlichen Heterogenität der Lernenden sowie von Kultur und Sprache als Gegenstände des Englischunterrichts zu einer unterrichtlichen Anforderung, aber auch zu einer Herausforderung für Lehrkräfte (vgl. Leonhardt et al. 2021). Die Anforderungen an Englischlehrkräfte, die mit dem Umgang mit kultureller und sprachlicher Heterogenität im Fremdsprachenunterricht verbunden sind, lassen sich ex‐ emplarisch aus den Bildungsstandards der Lehrer*innenbildung (KMK 2019a) entnehmen. Daneben machen bildungspolitische Papiere wie der GeR (Europarat 2001) und sein Begleitband (Companion Volume 2020) oder aber die länderspezifischen Curricula die Anforderungen an das Handeln der Lehrkräfte im genannten Themenfeld explizit. Die Bildungsstandards der Lehrer*innenbildung (KMK 2019a) heben zunächst die fächerüber‐ 1.1 Erkenntnisinteresse und Relevanz der Studie 15 <?page no="16"?> 7 Der Kompetenzbegriff wird in dieser Arbeit im Sinne Weinerts (2001) verwendet (vgl. hierzu Kapitel 2.3.1). greifenden Anforderungen hervor, eine wertschätzende, offene und anerkennende Haltung den individuellen Hintergründen und Lernvoraussetzungen der Schüler*innen gegenüber zu entwickeln und diese Haltung an die Lernenden zu vermitteln (ebd.: 9-10). Darüber hinaus gilt es, über Wissen bzgl. der jeweiligen Hintergründe und Lebensbedingungen der Schüler*innen zu verfügen und die Lernenden in ihrer individuellen Entwicklung zu unterstützen. Die Ländergemeinsamen inhaltlichen Anforderungen für die Fachwissenschaf‐ ten und Fachdidaktiken in der Lehrerbildung (KMK 2019b) definieren darüber hinaus, dass Fremdsprachenlehrkräfte eine fundierte Wissensbasis „im Hinblick auf fremdsprachliche Lehr- und Lernprozesse unter dem Gesichtspunkt von Mehrsprachigkeit, Heterogenität und inklusiven Unterricht“ erwerben sollen (ebd.: 44). Auch wird die Kenntnis von an die Lernvoraussetzungen der Schüler*innen angepasste Lehr- und Lernarrangements betont, welche der Förderung der fremdsprachlichen Kompetenzen 7 dienen, wie sie in den länderspezifischen Curricula festgehalten sind. Diese Anforderungen zielen in erster Linie auf explizite Wissensbestände und lassen die handlungspraktische Ebene weitestgehend unbeachtet. Somit obliegt es der Verantwortung der Lehrkräfte, Handlungsstrategien zu entwickeln und die kulturellen und sprachlichen Hintergründe der Lernenden zielführend für den Fremdsprachenerwerb einzusetzen. Was diese Anforderungen für den Englisch‐ unterricht jedoch tatsächlich bedeuten und wie sie aus der Perspektive der Lehrkräfte wahrgenommen, bearbeitet und umgesetzt werden, wurde bislang wenig beleuchtet (vgl. Königs 2014; Wilken 2021). Arbeiten, die sich mit der Lehrer*innenperspektive hinsichtlich des Umgangs mit kultureller und sprachlicher Heterogenität beschäftigen, beleuchten hier vorwiegend die Einstellungen und Haltungen der Lehrkräfte. Hierbei wird deutlich, dass sich Fremdspra‐ chenlehrkräfte über die Bedeutung der kulturellen und sprachlichen Hintergründe ihrer Schüler*innen für fremdsprachliche Lernprozesse bewusst sind. Auch verfügen sie über grundsätzlich positive Einstellungen und Haltungen hinsichtlich des Einbezugs dieser Hintergründe in den Fremdsprachenunterricht (vgl. De Angelis 2011; Heyder & Schäd‐ lich 2014; Jakisch 2014; Méron-Minuth 2018; Sambanis & Ludwig 2021). Studien zeigen jedoch auch, dass insbesondere in Bezug auf den Einbezug migrationsbedingter Sprachen ambivalente Einstellungen und Haltungen aufseiten der Lehrkräfte existieren und diese Sprachen oftmals als Hindernis für sprachliche Lernprozesse wahrgenommen werden (vgl. Leichsering 2003; Göbel, Vieluf & Hesse 2010; Wojnesitz 2010). Häufig fehlt es den Lehrkräften an Handlungsstrategien sowie an methodischem und didaktischem Wissen, um die kulturelle und sprachliche Heterogenität der Lernenden gewinnbringend in den Fremdsprachenunterricht einzubeziehen (vgl. Elsner & Wildemann 2012; Reich & Krumm 2013; Bredthauer & Engfer 2016, 2018; Viebrock 2018b; Kreft & Viebrock 2020). Dies führt dazu, dass die kulturellen und sprachlichen Hintergründe der Schüler*innen häufig ignoriert werden und Potenziale für sprachliches und kulturelles Lernen ungenutzt bleiben (vgl. Kropp 2017; Leonhardt et al. 2021). Diese Forschungsergebnisse lassen die Frage danach aufscheinen, welchen Beitrag die Lehrer*innenbildung leisten kann und muss, um Fremdsprachenlehrkräfte auf einen syste‐ 16 1 Einleitung <?page no="17"?> 8 Im Kontext dieser Arbeit wird die dritte Phase der dreiphasigen Lehrer*innenbildung in Deutschland betrachtet. Die Lehrer*innenbildung untergliedert sich in eine erste, universitäre Phase, die sich hieran anschließende zweite Phase des Vorbereitungsdienstes sowie die dritte und längste Phase der Fort- und Weiterbildung (vgl. hierzu auch Kapitel 4). 9 Die Lehrkräftefortbildung zum Thema Mehrsprachigkeit und kulturelle Vielfalt im (Fremd-)Sprachen‐ unterricht wurde im Rahmen des Projekts The Next Level - Lehrkräftebildung vernetzt entwickeln-an der Goethe-Universität Frankfurt am Main entwickelt, durchgeführt und evaluiert (vgl. Kapitel 4.3). The Next Level wird im Rahmen der gemeinsamen Qualitätsoffensive Lehrerbildung von Bund und Ländern aus Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung unter dem Förderkennzeichen FKZ 01JA1819 gefördert. matischen Umgang mit kultureller und sprachlicher Heterogenität im Fremdsprachenun‐ terricht vorzubereiten. Studien weisen nämlich darauf hin, dass sich Lehrkräfte im Umgang mit kulturell und sprachlich heterogenen Schüler*innen „nicht gut gerüstet“ (Gogolin 2013: 183) und häufig unsicher sowie überfordert fühlen (vgl. Siems & Granados 2014; Kropp 2017; Bredthauer 2018). Auch fehlt es in der Fremdsprachenlehrer*innenbildung an einer Qualifizierung der Lehrkräfte für den Umgang mit sprachlich und kulturell heterogenen Klassen (vgl. Gogolin 2013). Um die Potenziale sprachlich und kulturell heterogener Schüler*innen für das Fremdsprachenlernen nutzen zu können, bedarf es folglich einer zielgerichteten Professionalisierung der Lehrkräfte. Wie sich Fremdsprachenlehrkräfte - insbesondere im Rahmen der dritten Phase der Leh‐ rer*innenbildung 8 - professionalisieren und welche Professionalisierungsprozesse hierbei von Bedeutung sind, ist bislang kaum erforscht (vgl. Legutke & Schart 2016a; Biederbeck & Rothland 2017). Auch fehlt es […] generell an längsschnittlichen Erhebungen, die Entwicklungen des Denkens und Handelns von Fremdsprachenlehrpersonen über die Zeit rekonstruieren bzw. über verschiedene Etappen der Ausbildung und des Berufslebens in den Blick nehmen und die dabei institutionelle Strukturen in Beziehung zu den Akteursvorstellungen und -praktiken setzen. (Roters & Trautmann 2014: 57) An dieser Stelle setzt die vorliegende Arbeit an und nimmt die Professionalisierungspro‐ zesse von berufserfahrenen Englischlehrkräften im Umgang mit kultureller und sprach‐ licher Heterogenität im Verlauf einer siebenmonatigen Lehrkräftefortbildung 9 in den Blick. In Anlehnung an Bonnet und Hericks (2014b: 88) wird Professionalisierung als ein lebenslanger berufsbiographischer Prozess der Wahrnehmung, Deutung und Bearbeitung von allgemeinen, unterrichtssowie fachbezogenen Handlungsanforderungen verstanden, „in deren Zuge sich vorhandene Kompetenzen und Orientierungen weiterentwickeln, ausdifferenzieren und transformieren“ (vgl. Kapitel 2.5). Der Fokus dieser Arbeit liegt auf der Handlungspraxis von Englischlehrkräften im Umgang mit kultureller und sprach‐ licher Heterogenität und damit auf den Orientierungen, die diese Praxis strukturieren. Weiterhin wird auf potenzielle Veränderungs- und Stabilisierungsprozesse bezüglich der Wahrnehmung und Bearbeitung der Handlungsanforderungen von Englischlehrkräften im Umgang mit kultureller und sprachlicher Heterogenität geblickt, wie sie sich im Verlauf einer Lehrkräftefortbildung ereignen können. Wie in Kapitel 5 ausführlich dargelegt wird, befinden sich diese Prozesse auf der Ebene des impliziten Wissens, zu deren Sichtbarmachung es eines rekonstruktiven Verfahrens bedarf. Hierfür wurde die Dokumentarische Methode gewählt (vgl. Bohnsack et al. 2013). 1.1 Erkenntnisinteresse und Relevanz der Studie 17 <?page no="18"?> Die Datenbasis der vorliegenden Arbeit bilden 24 Interviews, die mit 12 berufsroutinierten Englischlehrkräften zu zwei Zeitpunkten geführt wurden. Durch die dokumentarische Auswertung der Daten wird ein systematischer Zugang zu den Wissensbeständen und Relevantsetzungen möglich, welche die Handlungspraxis der Lehrkräfte strukturieren. Die Besonderheit der Datenauswertung liegt in der Rekonstruktion von Professionalisie‐ rungsprozessen im Längsschnitt anhand von ausführlichen Einzelfallanalysen. So können tentative Aussagen darüber getroffen werden, wie sich berufsroutinierte Englischlehrkräfte im Verlauf einer Fortbildung professionalisieren können. Auch wird offen gelegt, welche Anforderungen sie hierbei hinsichtlich des Umgangs mit kultureller und sprachlicher Heterogenität wahrnehmen und wie sie diese bearbeiten. Die Ergebnisse dieser Studie geben damit einen Einblick in die Sinnstrukturierung des Handelns berufsroutinierter Eng‐ lischlehrkräfte und ermöglichen eine Annäherung an die Frage, weshalb ein systematischer Einbezug von kultureller und sprachlicher Heterogenität in den Englischunterricht trotz positiver Einstellungen bislang nicht stattfindet. 1.2 Aufbau der Arbeit Zu Beginn dieser Arbeit werden die theoretischen und konzeptionellen Überlegungen zu den für diese Arbeit zentralen Themenfeldern Professionalisierung sowie kulturelle und sprachliche Heterogenität dargelegt. Beginnend mit dem Themenfeld Professionali‐ sierung wird in Kapitel 2 der professionstheoretische Rahmen dieser Arbeit entfaltet. Hierfür werden Ansätze zur Bestimmung und Beschreibung der Professionalität und Professionalisierung von Lehrkräften aus einer schulpädagogischen Perspektive skizziert. Hieran anschließend wird eine fachspezifische Perspektive eingenommen und ein For‐ schungsüberblick über die fremdsprachendidaktische Lehrer*innenforschung gegeben. Diese beiden Perspektiven werden abschließend zusammengeführt und das dieser Arbeit zugrundeliegende Verständnis von sowie der gewählte Zugang zur Professionalität und Professionalisierung von Englischlehrkräften abgeleitet. In Kapitel 3 erfolgt eine begriffli‐ che Annäherung an den Heterogenitätsbegriff sowie die Heterogenitätsdimensionen Kultur und Sprache, um anschließend deren Bedeutung für den Fremdsprachenunterricht sowie das Handeln von Fremdsprachenlehrkräften herauszustellen. Hierbei wird zum einen eine bildungspolitische Perspektive eingenommen und Anforderungen an das unterrichtliche Handeln von Fremdsprachenlehrkräften zum Umgang mit kultureller und sprachlicher Heterogenität aus ausgewählten Curricula sowie bildungspolitischen Rahmenpapieren herausgearbeitet. Zum anderen wird aus empirischer Perspektive ein Überblick über den aktuellen Forschungsstand der Fremdsprachendidaktik zum Thema kulturelle und sprach‐ liche Heterogenität gegeben. Der Fokus liegt hierbei auf der Lehrer*innenperspektive und ihrer unterrichtlichen Handlungspraxis im Umgang mit dem genannten Themenfeld. In Kapitel 4 werden die beiden gegenstandstheoretischen Schwerpunkte zusammenge‐ führt und die Forschungslücke präzisiert, zu deren Schließung die vorliegende Arbeit beiträgt. In diesem Zuge werden die Forschungsfragen präsentiert sowie der Projektkontext erläutert, in welchem die vorliegende Arbeit durchgeführt wurde. Auch wird die Konzep‐ tion der Lehrkräftefortbildung beschrieben sowie deren inhaltliche Schwerpunkte skizziert. 18 1 Einleitung <?page no="19"?> In Kapitel 5 werden die methodologischen und methodischen Grundlagen der Datener‐ hebung und -auswertung erläutert. Hierfür werden in einem ersten Schritt gegenstands‐ theoretische Vorüberlegungen angestellt und die methodologischen Prämissen zur Bear‐ beitung der Forschungsfragen abgeleitet. In einem zweiten Schritt erfolgt die Verortung dieser Arbeit in der qualitativ-rekonstruktiven Sozialforschung sowie der praxeologischen Wissenssoziologie, die in ihren jeweiligen Grundzügen skizziert werden. In diesem Zuge wird die Dokumentarische Methode mit ihren Grundannahmen und Grundbegriffen dar‐ gestellt, die anschließend auf den Forschungsgegenstand dieser Arbeit angewendet werden. Auf den methodologischen Überlegungen aufbauend wird die methodische Durchführung der vorliegenden Studie skizziert. Hierfür werden die Grundzüge des narrativ-episodischen Interviews beschrieben sowie dessen Eignung für das Forschungsvorhaben begründet. Weiterhin wird das Vorgehen bei der Datenerhebung beschrieben und hierbei auf den Zugang zum Feld, das Sampling, die Durchführung der Interviews sowie auf forschungs‐ ethische und datenschutzbezogene Überlegungen eingegangen. In Kapitel 6 werden die Analyseschritte der Dokumentarischen Methode angewendet auf den Forschungsgegen‐ stand dieser Arbeit beschrieben. In Kapitel 7 werden die Typenbildungen und damit die zentralen Ergebnisse der vorlie‐ genden Arbeit dargestellt. In einem ersten Schritt werden grundlegende Überlegungen zum Verfahren der mehrdimensionalen sinngenetischen Typenbildung angestellt sowie die Entscheidung für dieses Verfahren begründet. In einem zweiten Schritt werden die Ergeb‐ nisse der mehrdimensionalen sinngenetischen Typenbildung entlang der rekonstruierten Typen präsentiert und anhand von ausgewählten Datenbeispielen transparent gemacht. Im Anschluss hieran werden in der relationalen Typenbildung Zusammenhänge zwischen den in der mehrdimensionalen Typenbildung rekonstruierten Orientierungsrahmen herausge‐ arbeitet und zu drei übergreifenden Typen abstrahiert. Im abschließenden Teil des Kapitels wird eine längsschnittliche Perspektive auf die Daten eingenommen. Ausgehend von den relationalen Typen werden auf der Ebene des Einzelfalls Potenziale für Professionalisie‐ rung im Sinne von Veränderungs- und Stabilisierungsprozessen der handlungsleitenden Orientierungen hinsichtlich des Umgangs mit kultureller und sprachlicher Heterogenität herausgearbeitet. In Kapitel 8 werden die Ergebnisse zusammengefasst und an den theoretischen Hin‐ tergrund dieser Arbeit zurückgebunden. Es werden drei dieser Arbeit zugrundeliegende Bezugspunkte ausgewählt, anhand derer die Ergebnisse entlang der Forschungsfragen diskutiert werden: Kulturelle und sprachliche Heterogenität, Englischunterricht und Professio‐ nalisierung. Hieran anschließend werden aus den Ergebnissen dieser Arbeit Implikationen für die (fremdsprachendidaktische) Lehrer*innenbildung gegeben. In Kapitel 9 wird auf Basis der gewonnenen Erkenntnisse ein Fazit gezogen sowie Anknüpfungspunkte für künftige fremdsprachendidaktische Forschung aufgezeigt. 1.2 Aufbau der Arbeit 19 <?page no="21"?> 10 Im Kontext dieser Arbeit betrachtet wird die dreiphasige Lehrer*innenbildung in Deutschland, welche sich in eine erste, universitäre Phase, die sich hieran anschließende zweite Phase des Vorbereitungsdienstes sowie die dritte und längste Phase der Fort- und Weiterbildung untergliedert (vgl. hierzu auch Kapitel 4). 11 Im Folgenden wird die Kursivierung von Begriffen zur Hervorhebung von zu definierenden Termini sowie von fremdbzw. englischsprachigen (Einzel-)Begriffen verwendet. Weiterhin werden auch Titel von Publikationen in kursiver Schrift angeführt. 2 Professionalität und Professionalisierung von (Englisch-)Lehrkräften Die Professionalität und Professionalisierung von Lehrkräften sind in den letzten Jahren vor allem in bildungswissenschaftlicher und schulpädagogischer Forschung zu einem vieldis‐ kutierten Thema avanciert. Auch in der Fremdsprachendidaktik lässt sich eine Hinwendung zu den Lehrkräften und ihrem unterrichtsbezogenen Handeln ausmachen. Dies gründet zum einen auf dem nachgewiesenen Zusammenhang zwischen Lehrer*innenhandeln und Unterrichtsqualität (z. B. Helmke 2015). Zum anderen machen es gesellschaftliche und (bildungs-)politische Entwicklungen, wie Migrations- und Fluchtbewegungen, Globalisie‐ rung und Digitalisierung erforderlich, sich intensiver mit der (fach-)unterrichtlichen Anforderungspraxis sowie der Perspektive der Fremdsprachenlehrkräfte zu beschäftigen (vgl. Gerlach, Roters & Steininger 2020). Der fremdsprachendidaktische Professionalisie‐ rungsdiskurs beschäftigt sich hierbei mit den folgenden Fragen (vgl. Legutke & Schart 2016a; Burwitz-Melzer, Riemer & Schmelter 2018; Gerlach, Roters & Steininger 2020): • Wodurch zeichnen sich eine professionelle Fremdsprachenlehrkraft und ihr Handeln aus? • Welche (fachspezifischen) Wissensbestände und Kompetenzen sind für die professio‐ nelle Bewältigung von berufsbzw. unterrichtsbezogenen Handlungsanforderungen nötig? • Wie können Professionalität und Professionalisierung im Rahmen der dreiphasigen Lehrer*innenbildung 10 angebahnt, gefördert und verbessert werden? Diese Fragen werden im vorliegenden Kapitel näher beleuchtet. Hierzu bedarf es zunächst jedoch der Klärung der für diese Arbeit zentralen Begriffe Profession  11 , Professionalität und Professionalisierung (vgl. Kapitel 2.1) sowie des Lehrer*innenwissens (vgl. Kapitel 2.2). Hieran anschließend wird der professionstheoretische Rahmen dieser Arbeit dargestellt und diejenigen Ansätze skizziert, die sich zur Bestimmung und Beschreibung der Professio‐ nalität und Professionalisierung von (Fremdsprachen-)Lehrkräften im deutschsprachigen Raum etabliert haben (vgl. Kapitel 2.3). Es folgt die Betrachtung von Professionalität und Professionalisierung aus einer fachspezifischen Perspektive (vgl. Kapitel 2.4). In diesem Zuge wird ein Überblick über den Forschungsstand der fremdsprachendidaktischen Pro‐ fessionsforschung gegeben und aktuelle Tendenzen herausgearbeitet, die sich im Kontext der Untersuchung der Professionalität und Professionalisierung von Fremdsprachenlehr‐ kräften herauskristallisiert haben. Hierbei wird vor allem auf die Bedeutung des expliziten <?page no="22"?> 12 Zum Normbegriff siehe Kapitel 5.1.4. Wissens (vgl. Kapitel 2.4.1), des subjektiven Wissens (vgl. Kapitel 2.4.2) sowie des impliziten Wissens (vgl. Kapitel 2.4.3) für das Handeln von Lehrkräften geschaut. Das Kapitel schließt mit der Konkretisierung des gewählten Zugangs zur Untersuchung der Professionalität und Professionalisierung von Englischlehrkräften (vgl. Kapitel 2.5). 2.1 Profession, Professionalität und Professionalisierung In einem berufssoziologischen Verständnis wird der Begriff der Profession in Abgrenzung zum Begriff des Berufs verwendet, um die Spezifität bestimmter beruflicher Tätigkeiten hervorzuheben und Berufe anhand von bestimmten Kriterien voneinander zu unterschei‐ den (vgl. Horn 2016). Berufe werden als diejenigen Tätigkeiten verstanden, die in kontinu‐ ierlicher Form an Erwerbsarbeit sowie ein Mindestmaß an Qualifikation und Schulung gebunden sind (vgl. Helsper 2021: 52; vgl. auch Kurtz 2001: 189). Professionen sind „the knowledge-based category of occupations which usually follow a period of tertiary education and vocational training and experience“ (Evetts 2003: 397). Damit können alle Professionen als berufliche Tätigkeiten, jedoch nicht alle Berufe auch als Professionen aufgefasst werden (vgl. Helsper 2016). In einem ‚klassischen‘ Verständnis, welches lange Zeit zur Beschreibung der ‚freien Berufe’, wie z. B. Ärzt*innen und Jurist*innen, herange‐ zogen wurde, lassen sich Professionen über folgende Merkmale charakterisieren (vgl. u. a. Lundgreen 2011: 9; vgl. auch Helsper 2021): • eine lang andauernde, theoretisch fundierte akademische Ausbildung, • spezifische berufsständische Normen 12 (code of ethics), • wissenschaftlich fundiertes Sonderwissen und Fachterminologie, • das Verfügen über Autonomie in der Berufsausübung, • sowie eine Orientierung am Gemeinwohl. Diese Charakteristika werden im wissenschaftlichen Diskurs jedoch zunehmend kritisiert und gerade in Bezug auf den Lehrer*innenberuf in Frage gestellt (vgl. Helsper 2021). So ist die Autonomie von Lehrkräften beispielsweise aufgrund ihrer „starken Einbindung in den hierarchisch-bürokratisch geregelten Apparat der Staatsschule“ (Terhart: 2011: 204) einge‐ schränkt. Auch aufgrund der sich stetig wandelnden gesellschaftlichen Anforderungen lässt sich die berufliche Tätigkeit von Lehrkräften nicht mit einem starren merkmals- und klassifikationsorientierten Zugang fassen. Stattdessen wird ein pragmatisches Verständnis von Professionen zugrunde gelegt: A different way of categorizing […] is to see professions as the structural, occupational and institutional arrangements for dealing with work associated with the uncertainties of modern lives in risk societies. Professionals are extensively engaged in dealing with risk, with risk assessment and, through the use of expert knowledge, enabling customers and clients to deal with uncertainty. (Evetts 2003: 397) 22 2 Professionalität und Professionalisierung von (Englisch-)Lehrkräften <?page no="23"?> 13 Eine ausführliche Zusammenfassung sowie historische Einordnung der professionstheoretischen Debatte um die Klassifikation des Lehrer*innenberufs als Profession finden sich u. a. bei Tenorth (2006), Lundgreen (2011), Terhart (2011) und Horn (2016). 14 Der Plural von Status wird in dieser Arbeit durch das diakritische Zeichen des Makrons kenntlich gemacht und verweist hiermit auf die Aussprache des langgezogenen „u“ entsprechend der lateini‐ schen u-Deklination. Weitere Anwendung findet das Zeichen beim Plural des Wortes Habitus. Da es professionell Handelnde zunehmend mit den Ungewissheiten und Risiken der modernen Gesellschaften zu tun haben, wird der Fokus auf die Einbettung der professionell Tätigen in gesamtgesellschaftliche Zusammenhänge gerichtet und die Strukturlogik der professionellen und von Unsicherheiten geprägten Handlungspraxis in den Blick genom‐ men. Mit Helsper (2021: 55) lassen sich Professionen vor diesem Hintergrund als jene Formen des beruflichen Handelns […] bestimmen, die mit der stellvertretenden Krisenlösung für Personen betraut sind, wobei sich diese Krise auf zentrale Werte bezieht: etwa auf Gesundheit, psychische Integrität, auf Gerechtigkeit, soziale Teilhabe bzw. Inklusion und Bildung. Für den Lehrberuf bedeutet dies, dass nicht mehr die Frage im Mittelpunkt steht, ob und inwiefern dieser eine Profession sei 13 (vgl. Hericks 2019: 114). Vielmehr wird versucht, die Professionalität der Lehrkräfte kontextgebunden über die „Rekonstruktion der Handlungs- und Anforderungsstruktur“ (Helsper & Tippelt 2011: 272) zu fassen. Diesem Verständnis nach „werden Profession und ‚Professionalität‘ entkoppelt: Professionalität kann sich ohne Profession und Profession ohne Professionalität ereignen“ (ebd). Professionalität lässt sich in zwei Bedeutungsvarianten ausdifferenzieren und bezieht sich im Allgemeinen auf das konkrete Handeln professioneller Akteur*innen. In einem weiteren Sinne wird Professionalität, ähnlich wie der englische Begriff professionalism, als ideologisch-normativer Begriff verwendet (vgl. Evans 2008) und in einen engen Zusam‐ menhang mit der Profession an sich sowie den damit verbundenen Statūs 14 und Privilegien der Professionsangehörigen (wie Gehalt, Macht und Ansehen) gebracht. Professionalität in diesem Sinne lässt sich als eine „Zuschreibung an die Gesamtheit der Angehörigen einer Profession“ (vgl. Horn 2016: 155) verstehen. Bezogen auf das oben beschriebene Verständnis von Professionen zeigt sich, dass Professionalität jedoch nicht notwendigerweise an Profes‐ sionen gekoppelt sein muss, denn „nicht jedes berufliche Handeln von Professionellen wäre auch als professionell im Sinne von Professionalität zu kategorisieren“ (Helsper 2021: 56). Demnach fokussiert Professionalität im engeren Sinne, ähnlich wie der englische Begriff professionality, auf die qualitätsvolle Ausübung und Erfüllung beruflicher Anforderungen sowie Aufgaben der professionell Handelnden, was bestimmte Wissensbestände und Kompetenzen erfordert (vgl. Horn 2016). Mit Helsper (2021) ist dann von Professionalität zu sprechen, wenn die professionell Handelnden […] über die entsprechenden Voraussetzungen - also über verschiedene Wissensformen, insbe‐ sondere wissenschaftlich gesichertes und feldspezifisches Wissen, erfahrungsgesättigte Praxen und Handlungsmuster, (selbst)reflexive Fähigkeiten, soziale Kompetenzen und Routinen der Inter‐ aktion und Beziehungsgestaltung, verstehende Kompetenzen der Sinnerschließung des Anderen und des Fallverstehens […] verfügen, die sie in konkreten sozialen professionellen Situationen interaktiv zur Geltung bringen können. (ebd.: 56) 2.1 Profession, Professionalität und Professionalisierung 23 <?page no="24"?> 15 Beim Identitätsbegriff handelt es sich um ein dynamisches, prozessuales und damit vielschichtiges Konstrukt, welches im fremdsprachendidaktischen Forschungsdiskurs fluide und nicht trennscharf verwendet wird (vgl. Schultze 2018). Die Entwicklung einer professionellen Identität fasst Horn (2016) unter dem Terminus ‚Professionalismus‘ und meint hierbei „das Selbstverständnis der Berufsgruppe als Ganzer“ (ebd.: 156). 16 Im englischsprachigen Raum wird Professionalisierung mit dem Begriff professional development bezeichnet, ist jedoch nicht mit dem bis hierhin entfalteten Verständnis gleichzusetzen. Professional development bezieht sich vielmehr auf das Angebot von Fort- und Weiterbildungen, in dessen Rahmen Professionalität entwickelt bzw. trainiert werden soll (vgl. OECD 2009; vgl. Farell 2015). Damit liegt Bezogen auf das Handeln von Lehrkräften sind mit Professionalität „knowledge, skills and procedures that teachers use“ (Evans 2008: 8 f.) gemeint, um die Anforderungen der Schul- und Unterrichtspraxis mit einer bestimmten Qualität bearbeiten zu können. So verstanden beschreibt der Begriff der Professionalität „einen Zustand von Beruflichkeit“ (Kemnitz & Nittel 2012: 34 f.). Wie sich in den folgenden Kapiteln zeigen wird, kommt es bei professionellem Lehrer*innenhandeln zudem vor allem auf das Reflektieren der eigenen Handlungspraxis an. Dies spielt nicht nur bei gelingender Bearbeitung von berufs- und fachspezifischen Handlungsanforderungen eine Rolle. Der reflexiven und (selbst-)kriti‐ schen Auseinandersetzung mit dem eigenen Handeln und dessen Fehleranfälligkeit kommt vor allem im Moment des Scheiterns eine zentrale Bedeutung zu (vgl. Helsper 2021: 56). Auch der Begriff der Professionalisierung lässt sich in zweierlei Hinsicht fassen. Auf einer kollektiven bzw. gesellschaftlich-institutionellen Ebene ist mit dem Begriff die Entwicklung eines meist akademischen Berufes hin zu einer Profession mit den oben genannten Kriterien gemeint. Auch wird hierunter die Erzeugung sowie die soziale Institutionalisie‐ rung der Grundlagen für Professionalität verstanden, welches beispielsweise über das Errichten spezifischer Studiengänge, Praxisphasen oder Fort- und Weiterbildungsangebote erreicht wird (vgl. ebd.: 57). Darüber hinaus bezieht sich Professionalisierung in einem gesellschaftlich-institutionellen Sinne auf die Sicherung und Etablierung von gesetzlichen Rahmenbedingungen, welche die Herausbildung von Professionalität erst ermöglichen und damit eine institutionelle Handlungsbasis darstellen. Ein Beispiel hierfür ist die Etablierung einer Schweigepflicht oder eines organisatorischen Rahmens, welcher das professionelle Handeln nicht durch widersprüchliche Vorgaben behindert (vgl. ebd.). Auf individueller Ebene meint Professionalisierung einen (berufs-)biographischen Prozess der Herausbil‐ dung von bestimmten Wissensbeständen, Kompetenzen, Motiven und Orientierungen als Voraussetzung, um die spezifischen Anforderungen eines beruflichen Handlungsfeldes bearbeiten und damit die Entwicklung von Professionalität ermöglichen zu können. Damit ist Professionalisierung in diesem Sinne ein individueller Bildungsprozess. Horn (2016) erweitert den Begriff der Professionalisierung auf der individuellen Ebene und schließt die Entwicklung, Ausbildung und Aufrechterhaltung einer professionellen Identität 15 , d. h. eines beruflichen Selbstverständnisses, mit ein. Bezogen auf das Handlungsfeld von Lehrkräften bezieht sich Professionalisierung auf die kontinuierliche (berufs-)biographische (Weiter-)Entwicklung der beruflichen Fähigkeiten zur Bewältigung schulischer und (fach-)unterrichtsbezogener Handlungsanforderungen (vgl. Helsper 2007: 579). Diese Form von Professionalisierung findet meist in institutionellen Kontexten statt und vollzieht sich im deutschsprachigen Raum im Rahmen der dreiphasigen Lehrer*innenbildung 16 . Auch mit dem Begriff der Deprofessionalisierung werden Entwick‐ 24 2 Professionalität und Professionalisierung von (Englisch-)Lehrkräften <?page no="25"?> der Fokus weniger auf dem Individuum und dessen (Weiter-)Entwicklungsprozessen als vielmehr auf spezifischen Skills und Fertigkeiten. 17 Im Zuge national und international vergleichender Studien, wie z. B. TEDS-LT oder FALKO-E, wird gerade im Bereich der fremdsprachendidaktischen Lehrer*innenforschung die Bedeutung eines fachspezifischen Professionswissens diskutiert und Versuche unternommen, dieses zu modellieren. Im Zentrum steht hier die Frage, worin die bzw. eine solide Wissensbasis für Fremdsprachenlehrkräfte bestehe (vgl. Jansing et al. 2013). lungsprozesse in den Blick genommen, allerdings mit einem gegenüber dem Verständnis von Professionalisierung negativen Vorzeichen (vgl. Helsper 2021: 58). Deprofessionalisie‐ rung bezieht sich auf die durch gesellschaftliche oder soziale Veränderungen hervorgeru‐ fene Einschränkung, Bedrohung oder Beeinträchtigung des professionellen Handelns. Dies ist zum Beispiel der Fall, wenn professionell Handelnde durch äußere Zwänge (z. B. durch eine zunehmende Bürokratisierung und Ökonomisierung) in ihrer Handlungsautonomie und -offenheit im Umgang mit ihren Klient*innen beschränkt werden. Bezogen auf das Handlungsfeld Schule und Unterricht könnte sich Deprofessionalisierung darin zeigen, dass sich Lehrkräfte gänzlich in Schule geltenden Normen unterordnen und von diesen in ihrem unterrichtlichen Handeln fremdbestimmt werden, ohne dies jedoch zu reflektieren. Die bis hierhin entfalteten Begriffsverständnisse sind für diese Arbeit insofern relevant, als mit dem Fokus auf die Professionalisierung von Englischlehrkräften im Umgang mit kultureller und sprachlicher Heterogenität individuelle Entwicklungsprozesse in den Blick genommen werden, die sich im Rahmen einer Lehrkräftefortbildung zum genannten The‐ men- und Handlungsfeld identifizieren lassen. Diese Prozesse schließen den Erwerb sowie die (Weiter-)Entwicklung spezifischer handlungsfeldbezogener Wissensbestände, Kompe‐ tenzen, Orientierungen und Haltungen mit ein, die zur Wahrnehmung und Bewältigung der Handlungsanforderungen im Umgang mit kultureller und sprachlicher Heterogenität im Englischunterricht von Bedeutung sind. Wie in Kapitel 2.5 weiter ausgeführt wird, geht es hierbei weniger darum, aus einer normativen Perspektive „die Qualität des beruflichen Könnens“ (Kemnitz & Nittel 2012: 34 f.) der in dieser Arbeit befragten Englischlehrkräfte, d. h. deren Professionalität im Umgang mit kultureller und sprachlicher Heterogenität zu messen oder zu bewerten. Vielmehr wird auf die individuellen Prozesse geschaut, die sich auf dem Weg der Herausbildung von Professionalität ereignen. Miteingeschlossen sind dabei auch Prozesse von Deprofessionalisierung. 2.2 Das professionelle Wissen von Lehrkräften Zu den zentralen Fragen der Lehrer*innenbildung zählen, was Lehrkräfte wissen und können sollen, um professionell zu handeln, und welche Art von Wissen in welchem Maße dieses Handeln beeinflusst 17 . Hierbei wird die unmittelbare Verbindung zwischen Wissen, Können und Handeln zunehmend in Frage gestellt und unter dem Aspekt des ‚Theorie-Praxis-Problems‘ bzw. des ‚Wissen-Können-Problems‘ in der Lehrkräftebildung diskutiert (vgl. Caruso et al. 2021; Neuweg 2022). Wenn in der vorliegenden Arbeit über professionelles Wissen gesprochen wird, muss zwischen verschiedenen Wissensformen unterschieden werden, die sich auf unterschiedlichen Ebenen verorten lassen: Explizites Wissen, häufig auch als deklaratives Wissen bezeichnet, meint theoretische bzw. wissen‐ 2.2 Das professionelle Wissen von Lehrkräften 25 <?page no="26"?> 18 Zur Differenzierung des impliziten Wissensbegriffs siehe Polanyi (2016). 19 Symbolische Repräsentationen umfassen visuelle Dokumente oder verbale Äußerungen, die bei‐ spielsweise in Form von Transkripten festgehalten werden können (vgl. Meuser 2011: 141). schaftliche Wissensbestände, die zumeist im Rahmen der Ausbildung erworben werden und von den handelnden Lehrkräften explizit versprachlicht werden können. Daneben bezeichnet das implizite Wissen  18 ein auf Erfahrung basierendes Wissen, welches den Lehr‐ kräften meist nicht diskursiv verfügbar ist und somit nicht unmittelbar verbalisiert werden kann. Dieses Wissen lässt sich beispielsweise durch die Beobachtung von Handeln oder dessen symbolischen Repräsentationen 19 von außen durch Forscher*innen rekonstruieren. Bezogen auf diese Wissensebenen lassen sich weiterhin unterschiedliche Wissensformen unterscheiden. Die wohl bekannteste Differenzierung des Lehrer*innenwissens stammt von Shulman (1986, 1987) und wird auch in aktuellen Studien herangezogen (vgl. z. B. Roters et al. 2011; Jansing et al. 2013; Kirchhoff 2016; König et al. 2017). Shulman setzte sich mit der grundlegenden Frage auseinander, welches Wissen bzw. welche Wissensformen für das Unterrichten von Lehrkräften essenziell sind. Hierbei stellte er fest, dass sich Forschung und Praxis vornehmlich auf Aspekte des classroom management der Lehrkräfte fokussieren und hierdurch das Inhaltswissen (content knowledge) in den Hintergrund gerät. Dieses rückte er mit seiner Taxonomie des Lehrer*innenwissens wieder in den Mittelpunkt und arbeitete daneben sechs weitere Kategorien des Lehrer*innenwissens heraus (vgl. Shulman 1987: 8): • allgemein-pädagogisches Wissen (general pedagogical knowledge) • curriculares Wissen (curriculum knowledge) • fachdidaktisches Wissen (pedagogical content knowledge) • Wissen über Lernende und ihre Eigenschaften (knowledge of learners and their charac‐ teristics) • Wissen über pädagogische Kontexte (knowledge of educational contexts) • Wissen über pädagogische Ziele und Werte (knowledge of educational ends, purposes, and values, and their philosophical and historical grounds) Besondere Beachtung hat das fachdidaktische Wissen (pedagogical content knowledge) erfahren, da es das Wissen um curriculare Inhalte und fachwissenschaftliche Konzepte mit dem Wissen um unterrichtsmethodische Aspekte, d. h. um die Vermittlung und Zugänge dieser Fachinhalte und Konzepte, verbindet. Bezogen auf das oben genannte ‚Theorie-Praxis‘ bzw. ‚Wissen-Können-Problem‘ in der Lehrer*innenbildung stellt sich die Frage, welche Wissensbestände tatsächlich für die Handlungspraxis der Lehrkräfte in welchem Maße wirksam werden. Gerade innerhalb der Wissenssoziologie wird davon ausgegangen, dass das implizite Wissen stärker handlungs‐ leitend für die Praxis der Lehrkräfte ist (vgl. Mannheim 1964; Bohnsack 2017; vgl. auch Kapitel 5). Auch Helsper (2021) arbeitet die Bedeutung verschiedener Wissensformen und deren Verortung auf unterschiedlichen Wissensebenen heraus. So differenziert er zwischen 1) einem expliziten wissenschaftlichen (Begründungs-)Wissen, welches eine Grundlage für die Begründung der Angemessenheit des professionellen Handelns darstellt; 2) einem Handlungs- und Erfahrungswissen, welches sich überwiegend auf der Ebene des Impliziten befindet und in Situationen des Entscheidungsdrucks aufgrund erworbener Handlungs‐ 26 2 Professionalität und Professionalisierung von (Englisch-)Lehrkräften <?page no="27"?> 20 Helsper (2021) sieht im rekonstruktiven Fallverstehen einen grundlegenden Bestandteil von Profes‐ sionalität und meint damit das „verstehende Erschließen des Einzelfalls“ (ebd.: 105). Es geht folglich darum, die Sinnhaftigkeit des Einzelfalls herauszuarbeiten sowie Sensibilität für die Spezifik des Einzelfalls zu entwickeln. 21 Im wissenschaftlichen Diskurs herrschen unterschiedliche und teilweise divergierende Vorstellun‐ gen zur Struktur und zum Erwerb von Lehrer*innenwissen vor, die gerade in Bezug auf das Verhältnis von explizitem und implizitem Wissen kontrovers geführt wird (vgl. Baumert & Kunter 2006; Helsper 2007). 22 Mit seinen zwölf Denkfiguren widmet sich Neuweg (2022) dem Verhältnis von Lehrer*innenwissen und -können und unterscheidet hierbei zwischen den Grundpositionen Integration und Differenz. Erstere geht davon aus, dass sich Wissen, z. B. durch Übung bzw. Training und Reflexion, in Können überführen lässt. Differenz bezieht sich auf grundlegende Unterschiede von Wissen und Können und geht davon aus, dass sich Wissen nicht automatisch in Können überführen lässt. Neuweg macht deutlich, dass es in der Lehrer*innenbildung darum gehe, alle Denkfiguren und damit Facetten von Wissen und Können zu orchestrieren. routinen dafür sorgt, dass das Handeln der Lehrkräfte aufrechterhalten wird; 3) einem (re‐ konstruktiven) Fall- und Diagnosewissen  20 , mittels dessen die Angemessenheit des eigenen Handelns für einen konkreten Fall, d. h. für die individuellen Schüler*innen überprüft und eingeschätzt werden kann; sowie 4) einem (selbst)reflexiven und biographischen Wissen, das zur Reflexion des eigenen Handelns, dessen Rahmenbedingungen und Voraussetzungen sowie den eigenen biographischen Erfahrungen befähigt (vgl. ebd.: 136 ff.). Dieses Wissen nimmt eine Zwischenposition zwischen theoretischem Wissen und Erfahrungswissen ein. In ähnlicher Weise differenziert auch Neuweg (2022) das Wissen von Lehrkräften und hebt hierbei die Bedeutung sowie das Zusammenspiel von impliziten und expliziten Wissensbeständen hervor. Unter Wissen 1 fasst er explizierbares, kodifiziertes theoretisches Wissen, welches im Rahmen der Ausbildung erworben wird und sich von Können und Erfahrung abgrenzen lässt. Dieses Wissen lässt sich nicht unmittelbar in Handlungen übersetzen. Wissen 2 bezeichnet ein subjektives Wissen, welches zumeist implizit ist. Dieses bezieht sich vor allem auf mentale Strukturen, Schemata sowie prozedurales Wissen als Ergebnis des Lernens und basiert auf Wissen 1 sowie Erfahrung. Mit Wissen 3 wiederum ist ein implizites Wissen gemeint, das sich in der Handlungspraxis der Lehrkräfte manifestiert und „nur dadurch zugänglich [ist], dass das professionelle Handeln in der Praxis selbst beobachtet wird“ (ebd.: 137; C.L.). Wissen 3 ist durch Forscher*innen beobachtbar und für die vorliegende Arbeit besonders relevant. Anhand der dargestellten Differenzierungen des Lehrer*innenwissens ist deutlich geworden, dass es sich hierbei um ein komplexes Konstrukt handelt, welches sich zwischen den beiden Polen des expliziten, theoretischen Wissens sowie des impliziten, erfahrungsbasierten Wissens bewegt. Auch schwingt die Diskussion um die Frage des Bewusstheitsgrades dieses Wissens sowie dessen Bedeutung für die tatsächliche profes‐ sionelle Handlungspraxis der Lehrkräfte mit 21 . Für die vorliegende Arbeit kommt den genannten Wissensebenen eine bedeutende Rolle zu, da untersucht wird, welche expliziten Wissensbestände zum Umgang mit kultureller und sprachlicher Heterogenität bei den befragten Englischlehrkräften vorherrschen und in welchem Verhältnis 22 diese zu ihren impliziten Wissensbeständen stehen. Dieses Verhältnis wird durch die Rekonstruktion der Spannungen zwischen Normen und Habitus sowie deren Bearbeitung durch die in 2.2 Das professionelle Wissen von Lehrkräften 27 <?page no="28"?> 23 Berücksichtigt werden an dieser Stelle nur die drei zentralen und den Diskurs der schulpäda‐ gogischen bzw. erziehungswissenschaftlichen Professionsforschung dominierenden Ansätze. Aus pragmatischen sowie gegenstandstheoretischen Gründen wird auf weitere Ansätze, wie z. B. system- (vgl. Stichweh 1996), interaktionistische (vgl. Schütze 1996) oder machttheoretische Deutungen (vgl. Abott 1988) nicht eingegangen. dieser Arbeit befragten Englischlehrkräfte in den Blick genommen, um Prozesse von Professionalisierung herauszuarbeiten (vgl. Kapitel 5.1.4 und 6.2.5). 2.3 Bestimmungsansätze zur Professionalität und Professionalisierung von Lehrkräften Im Folgenden werden die zentralen Ansätze zur Beschreibung und Bestimmung der Professionalität und Professionalisierung von Lehrkräften dargestellt, die das professionelle Wissen und Können der Akteur*innen auf je unterschiedliche Art und Weise konzeptuali‐ sieren. In der erziehungswissenschaftlichen und schulpädagogischen Professionsforschung haben sich im deutschsprachigen Raum drei zentrale Ansätze 23 zur Bestimmung und Beschreibung von Professionalität und Professionalisierung von Lehrkräften herauskris‐ tallisiert. Diese sind inzwischen auch im fremdsprachendidaktischen Professionsdiskurs etabliert (vgl. z. B. Bonnet & Hericks 2014a; Viebrock 2014; Gerlach 2020a; Püster 2021). Mit Terhart (2011) lassen sich der kompetenztheoretische, der strukturtheoretische sowie der berufsbiographische Bestimmungsansatz unterscheiden. Diese Ansätze bilden den professionstheoretischen Rahmen der vorliegenden Arbeit und dienen als Grundlage für die fachspezifische und gegenstandsbezogene Betrachtung der Professionalität und Professionalisierung von Englischlehrkräften (Kapitel 2.4). 2.3.1 Der kompetenztheoretische Ansatz Der kompetenztheoretische Ansatz legt den Fokus auf die Bestimmung von Professionalität und geht hierbei von möglichst genauen Beschreibungen der Kompetenzen und Wissens‐ bereiche aus, die Lehrkräfte für die professionelle Bewältigung ihrer berufsbezogenen Aufgaben benötigen. Im Mittelpunkt stehen hierbei die Operationalisierung, Messung und Modellierung professionellen Wissens sowie Kompetenzen, welche mit Weinert (2001) verstanden werden als die […] bei Individuen verfügbaren oder durch sie erlernbaren kognitiven Fähigkeiten und Fertigkei‐ ten, um bestimmte Probleme zu lösen sowie die damit verbundenen motivationalen, volitionalen und sozialen Bereitschaften und Fähigkeiten, um die Problemlösungen in variablen Situationen erfolgreich und verantwortungsvoll nutzen zu können. (ebd.: 27 f.) Der kompetenztheoretische Ansatz geht damit primär von expliziten Wissensbeständen aus und rahmt diese als grundsätzlich erlern- und vermittelbar. Auch ist diesem Ansatz die Idee der Steigerbarkeit inhärent, sodass sich Grade von Lehrer*innenprofessionalität unterscheiden lassen (vgl. Terhart 2011: 208). Professionalität bemisst sich einerseits am 28 2 Professionalität und Professionalisierung von (Englisch-)Lehrkräften <?page no="29"?> 24 Eines der bekanntesten Beispiele ist das Modell von Dreyfus und Dreyfus (1986), welches die Kompetenzentwicklung eines Anfängers bis hin zu einem Experten auf fünf Niveaus darstellt. Diesem Modell zufolge wird Expertenwissen durch Anleitung (z. B. in der Schule oder Ausbildung), Erfahrung und Praxis erworben, kann aber auch genauso gut wieder abnehmen, wenn entsprechende Faktoren fehlen (vgl. ebd. 19 f.). Erreichen bestimmter Kompetenzniveaus. Zum anderen ist der intendierte Effekt des Lehrer*innenhandelns, nämlich der Lern- und Erfahrungszuwachs der Schüler*innen, von Bedeutung. In diesem Zusammenhang beschäftigen sich kompetenztheoretische Ansätze insbesondere mit der „empirische[n] Erforschbarkeit des komplexen unterrichtlichen Geschehens“ (ebd.: 207; C.L.) sowie mit der Frage, welche Art von Wissen auf welche Weise in den einzelnen Phasen der Lehrer*innen(aus-)bildung vermittelt werden sollte, sodass Lehrkräfte qualitätsvollen Unterricht gestalten können. Damit verbunden ist eine empirische Forschung, […] die mit ihren Erkenntnissen über Prozesse des Wissenserwerbs während der Lehrerausbildung informiert sowie Möglichkeiten aufzeigen kann, wie solche Prozesse durch geeignete Rahmenbe‐ dingungen, curriculare Ausrichtungen, Ausbildungsstrukturen und andere Ausbildungsfaktoren gezielt unterstützt bzw. optimiert werden können. (König 2016: 138) In einem engen Zusammenhang mit diesen Überlegungen stehen die Ansätze der Exper‐ tiseforschung, welche Professionalität als Eigenschaft von Personen (in diesem Fall von Lehrkräften) auffassen, die als Expert*innen betrachtet werden (vgl. Reinisch 2009: 37). Der Grundgedanke hierbei ist, „dass die (erfolgreiche) Tätigkeit von Lehrkräften auf Wissen und Können beruht, das in der Ausbildung in theoretischen und praktischen Phasen gewonnen und dann durch Berufserfahrung weiterentwickelt wurde“ (Bromme 2008: 159). Der Erwerb sowie die Genese dieses Wissens wird in Expertiseansätzen häufig in Form von gestuften Kompetenzmodellen dargestellt, welche zwischen dem Wissen und der Kompetenzen von Laien und Expert*innen unterscheiden 24 . Eines der einflussreichsten und grundlegendsten Rahmenmodelle des kompetenztheo‐ retischen Professionsansatzes ist das Modell der professionellen Handlungskompetenz nach Baumert und Kunter (2006), welches im Zuge der COACTIV Studie entwickelt wurde. Dieses Modell geht auf die Unterteilung des Lehrer*innenwissens nach Shulman (1986, 1987; vgl. Kapitel 2.2) zurück und modelliert professionelle Kompetenz von Lehrkräften als ein mehrdimensionales Konstrukt, bestehend aus Überzeugungen/ Werthaltungen, selbst‐ regulativen Fähigkeiten, motivationalen Orientierungen sowie dem Professionswissen. Letzteres untergliedert sich in verschiedene Wissensbereiche, die auf drei der von Shulman herausgearbeiteten Wissensdomänen basieren. Diese sind das pädagogische Wissen, das Fachwissen sowie das fachdidaktische Wissen. Ergänzt werden diese Domänen um das Organisations- und Beratungswissen (vgl. Baumert & Kunter 2006: 482). Baumert und Kunters Modell fand zunächst im Rahmen großangelegter Studien zur Bestimmung der professionellen Kompetenzen von Mathematiklehrkräften in unterschied‐ lichen Phasen der Lehrer*innenbildung Anwendung (für Mathematiklehrkräfte vgl. COAC‐ TIV, Kunter et al. 2011; für angehende Mathematiklehrkräfte im internationalen Vergleich vgl. TEDS-M, Blömeke, Kaiser & Lehmann 2010; für Mathematiklehrkräfte in der Berufs‐ eingangsphase vgl. TEDS-FU, Blömeke et al. 2015). Später wurde die Kompetenzforschung 2.3 Bestimmungsansätze zur Professionalität und Professionalisierung von Lehrkräften 29 <?page no="30"?> auch auf Deutsch- und Englischlehrkräfte ausgeweitet (Blömeke et al. 2011; Blömeke et al. 2015). Mit den Ergebnissen dieser Studien geraten Lehrkräfte mit ihrem professionellen Wissen sowie entsprechender Kompetenzen gerade auch vor dem Hintergrund der Quali‐ tätssicherung in der Lehrer*innenbildung und deren Gestaltung in den Fokus. Diskutiert werden hierbei insbesondere die Fragen danach, was (angehende) Lehrkräfte wissen müssen, wenn sie die ersten beiden Phasen der Lehrer*innenbildung abgeschlossen haben und wie eine qualitätsvolle sowie kompetenzfördernde Lehrer*innenbildung gestaltet und sichergestellt werden kann (vgl. Blömeke et al. 2010). Es zeigt sich also, dass der kompetenztheoretische Ansatz auf „die Sicherung einer qualitätsvollen Lehrerausbildung“ (Baumert & Kunter 2006: 469) zielt, was mit einer normativen und auf Standards ausgerichteten Betrachtung der Professionalität von Lehr‐ kräften verbunden ist. Cramer (2012) kritisiert diese Sichtweise, indem er betont, dass „Professionalität im Lehrerberuf […] mehr [meint] als das Erreichen eines bestimmten Niveaus an professioneller Handlungskompetenz“ (ebd.: 520; C.L.). Hieran schließen sich auch Vertreter*innen der Strukturtheorie an, denn mit dem Fokus auf messbare, opera‐ tionalisierbare sowie standardisierbare Kompetenzen und Wissensbestände bleibe „das ‚Soziale‘ des Unterrichts“ (Helsper 2007: 575), d. h. die Interaktion zwischen Lehrkräften und ihren Schüler*innen, weitestgehend unberücksichtigt. Diese Interaktion ist jedoch von Unsicherheit und Unplanbarkeit gekennzeichnet (vgl. Kapitel 2.3.2), was wiederum einer Standardisierung und Normierung von professionellem Lehrer*innenhandeln entge‐ gensteht. Auch wird die Relationierung von impliziten und expliziten Wissensbeständen im kompetenztheoretischen Ansatz weitestgehend ausgeklammert. Stattdessen wird mit der Modellierung und Operationalisierung von genau bestimmbaren Kompetenzen eine „neue didaktische Illusion“ (ebd.) erzeugt, die suggeriert, dass sich explizite, theoretische und kognitiv vorhandene Wissensbestände unmittelbar in Handeln übersetzen lassen. Wie sich anhand der Darstellung des Forschungsstandes zum Umgang mit kulturel‐ ler und sprachlicher Heterogenität (vgl. Kapitel 3.4) sowie im empirischen Teil dieser Arbeit (vgl. Kapitel 7) zeigen wird, sind es vor allem die impliziten Wissensbestände, die das Handeln der befragten Englischlehrkräfte und damit deren Umgang mit kultureller und sprachlicher Heterogenität beeinflussen, weshalb der Fokus dieser Arbeit auf der Rekonstruktion von impliziten Wissensbeständen liegt. Nichtsdestotrotz spielen für die vorliegende Arbeit explizite Wissensbestände, die den befragten Lehrkräften zum Umgang mit kultureller und sprachlicher Heterogenität im Verlauf der begleiteten Fortbildung vermittelt wurden, eine Rolle. Sie dienen als (Wissens-)Basis für den Umgang mit kultureller und sprachlicher Heterogenität im Englischunterricht sowie für die Begründung und Reflexion von (bisheriger) Handlungspraxis. Auch kommt explizites Wissen in Form von institutions- und organisationsbezogenen Normen zum Tragen, die von den befragten Lehrkräften individuell gerahmt werden. Hierauf wird in Kapitel 2.4.3 näher eingegangen. 2.3.2 Der strukturtheoretische Ansatz Der strukturtheoretische Ansatz fokussiert die Strukturlogik des professionellen Handelns und geht im Anschluss an Oevermann (1996) davon aus, dass es professionell Handelnde mit „typischerweise zu lösenden Handlungsproblemen“ (ebd.: 70) zu tun haben, die in 30 2 Professionalität und Professionalisierung von (Englisch-)Lehrkräften <?page no="31"?> sich widersprüchlich und spannungsreich sind. Bezogen auf das Handeln von Lehrkräften zeigen sich diese Handlungsprobleme in der Interaktion mit Schüler*innen, nämlich bei der Wissens- und Normenvermittlung. Dies lässt das Moment der Krise in den Mittelpunkt rücken, welches im strukturtheoretischen Ansatz als konstitutiver Bestandteil von päd‐ agogischem Handeln aufgefasst wird (vgl. Oevermann 2002). Mit dem Krisenbegriff sind hierbei keine traumatischen oder therapeutischen Krisen gemeint, sondern jene Krisen im pädagogischen Handeln, die entstehen, wenn bereits etablierte Handlungsroutinen nicht mehr greifen (vgl. hierzu Heinemann 2018: 42 ff.). Diese Krisen machen sich wie folgt bemerkbar: Lehrkräfte gelten nach Oevermann (1996, 2002) als Krisenauslöser*innen. Da Unterricht darauf beruht, dass Schüler*innen bestimmte Fach- und Sachinhalte (noch) nicht wissen, kann die Handlungspraxis der Lernenden in eine Krise geraten. Die zentrale Aufgabe der Lehrkräfte besteht darin, die in die Krise geratene Praxis ihrer Schüler*innen wiederherzu‐ stellen und damit deren Autonomie zu sichern. Dies geschieht, indem sie den Lernenden Lösungsmöglichkeiten zur selbstständigen Bewältigung fachlicher und unterrichtsprakti‐ scher Probleme aufzeigen. Somit sind Lehrkräfte gleichzeitig auch Krisenlöser*innen. Jedoch kann auch die Handlungspraxis der Lehrkräfte selbst in eine Krise geraten, etwa dann, wenn eigene Handlungsroutinen und Überzeugungen nicht mehr greifen bzw. infrage gestellt werden. Im Kontext dieser Arbeit wäre es zum Beispiel denkbar, dass die in der Fortbildung vermittelten Inhalte dazu führen, dass Lehrkräfte ihren bisherigen Umgang mit kulturell und sprachlich heterogenen Schüler*innen hinterfragen. Auch wäre es denkbar, dass sich die Handlungsroutinen der Lehrkräfte in Bezug auf die (Lern-)Bedürfnisse dieser Schüler*innen als nicht mehr passend erweisen. Professionelles Lehrer*innenhandeln würde sich im Sinne des strukturtheoretischen Ansatzes dann darin erweisen, dass Lehrkräfte die eigene Autonomie wiederherstellen sowie „den ihnen [den Lehrkräften] durch ihren Berufsstand zugebilligten Ermessensspielraum […] nutzen und einzelfallbezogene Entscheidungen […] treffen“ (Bonnet & Hericks 2020: 286; C.L.). Um den Schüler*innen Lösungsmöglichkeiten für die Bewältigung ihrer Krisen zur „Aufrechterhaltung und Gewährleistung von leiblicher und psychosozialer Integrität“ (Oe‐ vermann 2002: 23) aufzeigen zu können, müssen Lehrkräfte diese Probleme zunächst ana‐ lysieren und deuten, um hierauf aufbauend entsprechende handlungspraktische Entschei‐ dungen zu treffen. Vor diesem Hintergrund unterliegen Lehrkräfte ihrer Klientel gegenüber einer gewissen Verantwortung und Begründungsverpflichtung. Dies ergibt sich daraus, dass Lehrkräfte mit ihrem Handeln aktiv in die Entwicklungs- und Bildungsprozesse ihrer Schüler*innen eingreifen und stellvertretend für diese Entscheidungen treffen müssen, was wiederum fundierten Begründungen bedarf. An dieser Stelle wird die Bedeutung von explizitem Wissen deutlich, denn um die Situation ihrer Schüler*innen einschätzen zu können, benötigen Lehrkräfte zunächst theoretisches und wissenschaftlich fundiertes Wissen (vgl. Helsper 2016). Da es sich bei Schüler*innen jedoch um Individuen handelt, deren individuellen Hintergründe sowie Krisen sich nicht einfach unter wissenschaftliche Modelle subsumieren lassen, sind Lehrkräfte gefordert, das eigene professionelle Handeln auf seine fallspezifische und situative Angemessenheit zu überprüfen. Folglich ist das rekonstruktive Fallverstehen ein weiterer Bestandteil des professionellen Handelns von Lehrkräften. 2.3 Bestimmungsansätze zur Professionalität und Professionalisierung von Lehrkräften 31 <?page no="32"?> 25 Für einen Überblick über die Antinomien des Lehrer*innenhandelns siehe Helsper (2021: 168 ff.) Die Basis für das professionelle Handeln der Lehrkräfte bildet ein Arbeitsbündnis, welches sowohl zwischen Lehrkraft und einzelnen Schüler*innen, aber auch mit der gesamten Klasse sowie den Eltern geschlossen wird (Oevermann 2008: 76). Dieses Bündnis ist jedoch nicht selbstverständlich gegeben. Vielmehr handelt es sich hierbei um einen offenen Prozess spezifischer Beziehungsgefüge, die stets ausgehandelt werden müssen und ebenfalls in eine Krise geraten können. Demnach sind gegenseitiges Vertrauen, die Verpflichtung zur aktiven Beteiligung sowie die Aushandlung von Erwartungen und Verantwortlichkeiten von zentraler Bedeutung. Mit Oevermann (1996, 2002) ist die Krise als Normalfall für das professionelle Handeln von Lehrkräften zu betrachten und macht die Annahme von Kontingenz erforderlich. Letztere wird von Combe (2015: 117) als „die Notwendigkeit [bezeichnet; C.L.], sich mit Unsicherheiten, Unwägbarkeiten und Unbestimmtheit im Lehrerhandeln bewusst ausein‐ anderzusetzen“. Die Notwendigkeit der Annahme von Unsicherheiten zeigt sich weiterhin in der Auseinandersetzung mit Antinomien, die neben potenziell krisenhaften Situationen als weiteres zentrales Strukturelement des Lehrer*innenhandelns gelten. Helsper (2016: 111) zufolge „ist eine Antinomie dadurch bestimmt, dass für das professionelle pädagogi‐ sche Handeln widerstreitende Orientierungen vorliegen, die entweder beide Gültigkeit beanspruchen können oder die nicht prinzipiell aufzuheben sind“. Für diese Arbeit bedeutende Beispiele für Antinomien sind die Differenzierungsantino‐ mie, die Symmetrieantinomie, die Sachantinomie sowie die Autonomieantinomie  25 . Die Differenzierungsantinomie bezieht sich auf die Verpflichtung der Lehrkräfte zur Gleichbehandlung und Chancengleichheit in Bezug auf die Initiierung von Bildungsproz‐ essen bei gleichzeitiger Orientierung am Individuum. Aufgrund der Heterogenität der Schüler*innen sind Lehrkräfte gefordert, unterschiedliche Förder- und Unterstützungsmaß‐ nahmen (Scaffolding) für die Schüler*innen anzubieten und ihr Handeln damit am Einzelfall auszurichten. Gleichzeitig müssen sie die gesamte Klasse im Blick haben. Dies erscheint vor dem Hintergrund der individuellen sprachlichen und kulturellen Hintergründe der Lernenden und deren hiermit verbundenen Lernbedürfnisse als besonders bedeutend für das Handeln der Lehrkräfte, denn „unterschiedliche biographische Ausgangslagen und Le‐ bensumstände machen gerade differenzierendes professionelles Handeln erforderlich, um angesichts ungleicher Voraussetzungen und Ressourcen der AdressatInnen Bildungs- oder Teilhabemöglichkeiten zu sichern“ (Helsper 2021: 172). Die Symmetrieantinomie bezieht sich auf das Machtgefälle zwischen Lehrkräften und ihren Schüler*innen. Dieses ergibt sich dadurch, dass die Lehrkräfte über Wissensbestände, Ressourcen und Erfahrungen verfügen, über welche die Schüler*innen nicht verfügen. Auch ergeben sich hierdurch Abhängigkeitsverhältnisse, indem die Lehrkräfte die Schüler*innen und deren Leistungen bewerten (vgl. ebd.: 170). Die Sachantinomie bezieht sich auf die Ausbalancierung der Vermittlung eines unterrichtlichen Gegenstandes, d. h. (Fach-)Inhalte, bestimmte Wissens‐ bestände oder Fähig- und Fertigkeiten bei gleichzeitiger Orientierung an den Lernenden mit ihren je individuellen Erfahrungen und Lebensbedingungen (vgl. ebd.: 171). Die Auto‐ nomieantinomie umfasst zum einen die Ausbalancierung des Umgangs mit Schüler*innen als unterstützungsbedürftige, aber gleichzeitig auch selbstständige Lernende. Andererseits 32 2 Professionalität und Professionalisierung von (Englisch-)Lehrkräften <?page no="33"?> bezieht sich diese Antinomie auf die Lehrkräfte selbst, ihre eigene Autonomie und damit Handlungsfähigkeit im institutionellen Rahmen der Schule zu sichern sowie aufrecht zu erhalten (vgl. ebd.: 172). Professionelles Lehrer*innenhandeln zeigt sich strukturtheoretischen Auffassungen zufolge also darin, „die vielfachen Spannungen und genannten Antinomien sachgerecht handhaben zu können“ (Terhart 2011: 206). Dies bedeutet vor allem, dass sich Lehrkräfte reflexiv mit den Antinomien ihres Handelns auseinandersetzen, diese situativ neu aushan‐ deln und so entsprechende Handlungsroutinen im Umgang mit diesen ausbilden (vgl. Helsper 2016: 111). Wissenschaftliches, explizites Wissen ist somit zwar bedeutsam für die Begründung und Reflexion der eigenen Handlungspraxis. Aufgrund der hier beschrie‐ benen Unsicherheiten des Lehrer*innenhandelns lässt es sich jedoch nicht automatisch in Handeln übersetzen. Es bedarf daher vor allem impliziten Wissensbeständen in Form von Handlungsroutinen und Erfahrungswissen, die den Lehrkräften ein Handeln in von Ungewissheit geprägten Handlungssituationen ermöglichen. Vor diesem Hintergrund wird in dieser Arbeit vornehmlich auf implizite Wissensbestände geblickt, die (berufs-)biogra‐ phisch erworben werden. Hierauf wird im nächsten Abschnitt eingegangen. 2.3.3 Der berufsbiographische Ansatz Der berufsbiographische Ansatz nimmt eine stärker auf das Individuum ausgerichtete Sichtweise in Bezug auf die Professionalität und Professionalisierung von Lehrkräften ein. Im Fokus stehen die […] Prozesse des allmählichen Kompetenzaufbaus und der Kompetenzentwicklung, die Über‐ nahme eines beruflichen Habitus durch Berufsneulinge, die Kontinuität und Brüchigkeit der beruflichen Entwicklung über die gesamte Spanne der beruflichen Lebenszeit, […] [sowie] die Verknüpfung von privatem Lebenslauf und beruflicher Karriere. (Terhart 2011: 208; C.L.) Professionalität entwickelt sich demzufolge über alle Berufsphasen hinweg und steht in Wechselwirkung mit dem gesamten Lebenslauf. Vor diesem Hintergrund sind Lehrkräfte als professionelle Akteur*innen stets als ganze Person in ihr berufliches Handeln einge‐ bunden, was eine „stärker individualisierte, breiter kontextuierte und zugleich lebensge‐ schichtlich-dynamische Sichtweise“ (ebd.) auf Professionalität und Professionalisierung erforderlich macht. Der berufsbiographische Ansatz versteht Professionalität in erster Linie als ein „be‐ rufsbiographisches Entwicklungsproblem“ (Terhart 2011: 208) sowie als eine dauerhaft gestellte Entwicklungsherausforderung. Diese ergibt sich daraus, dass Lehrkräfte aufgrund der sich stetig wandelnden gesellschaftlichen und (bildungs-)politischen Entwicklungen stets mit neuen Herausforderungen sowie Erwartungen an ihr Handeln konfrontiert werden. Gerade im Umgang mit kultureller und sprachlicher Heterogenität erfordert dies eine kontinuierliche Weiterentwicklung und Reflexion der eigenen Ressourcen sowie des fachunterrichtlichen Handelns (vgl. Kreft & Viebrock 2020; Leonhardt, Kreft & Viebrock 2021). Professionalität wird damit als ein nie abzuschließendes ‚Projekt‘ gerahmt (vgl. Berkemeyer & Mende 2018: 136). 2.3 Bestimmungsansätze zur Professionalität und Professionalisierung von Lehrkräften 33 <?page no="34"?> 26 Die methodologische Relevanz des Habitusbegriffs für die vorliegende Arbeit wird in Kapitel 5.1.3 beschrieben. Bei der Untersuchung von Entwicklungsverläufen von Lehrkräften zeigt sich in der berufsbiographischen Forschung, dass es nicht die stabilen oder geradlinigen Phasen der beruflichen Entwicklung sind, die prägend für Lehrkräfte und deren professionelles Handeln sind. Vielmehr stehen jene Situationen und Phasen im Fokus, in welchen Lehr‐ kräfte vor gewissen Brüchen und Übergängen stehen und berufliche Herausforderungen bewältigen müssen (vgl. Hericks 2006; Keller-Schneider 2010; Košinár 2014; Herzog 2014; Keller-Schneider & Hericks 2017). Damit rücken insbesondere Fragen danach in den Mittelpunkt, wie professionelle berufliche Entwicklung stattfindet, welche Faktoren dazu beitragen, dass sie gefördert oder auch behindert wird, und wie es zu erklären ist, dass Lehrkräfte unterschiedliche, auch unerwartete Entwicklungswege einschlagen (vgl. Terhart 2010a, 2014). Im Gegensatz zum kompetenztheoretischen Ansatz werden hierbei weniger die zu erwerbenden bzw. bereits erworbenen Kompetenzen fokussiert. Auch geht es im berufsbiographischen Ansatz nicht primär um die strukturellen Bedingungen professionellen Handelns. Vielmehr werden die „Entwicklungsdynamik professioneller Kompetenzentfaltung“ (Terhart 2010b: 101) und damit individuelle und institutionell gerahmte Entwicklungsverläufe sowie -prozesse fokussiert. In diesem Zusammenhang sind auch die (berufsbezogenen) Habitūs der Lehrkräfte, d. h. deren gesellschaftlich und (berufs-)biographisch vorgeformte Handlungsdispositionen (vgl. Hericks & Stelmaszyk 2010: 234), in den Blick zu nehmen. Helsper (2018) arbeitet das Konzept des Habitus begrifflich aus und legt die Entwicklung und Herausbildung eines feldspezifischen Lehrer*innenhabitus in Bezug auf weitere Habitusformen, wie dem familiär erworbenen, primären Herkunftshabitus, dem im Rahmen der eigenen Schulzeit erworbenen Schülerhabitus sowie dem in der Gesamtbiographie erworbenen individuellen Habitus dar. Diese Habitusanteile werden als miteinander verwoben betrachtet, wobei sie auch in Spannung zueinander stehen können. Für die Betrachtung des (professionellen) Lehrer*innenhandelns relevant ist, dass jeder Lehrer*innenhabitus bereits „grundlegende schul- und bildungsbezogene Orientierungen [beinhalte], die als mehr oder weniger latente Erfahrungen, Wissensbestände und Praxen“ (ebd.: 124; C.L.) aus dem in der eigenen Schulzeit erworbenen Schüler*innenhabitus hervorgegangen sind. Gleichzeitig ist in jedem Schüler*innenhabitus auch ein Lehrer*innenhabitus angelegt, da Lernende aufgrund von schul- und unterrichtsbezogenen Erfahrungen bestimmte Orientierungen und Lehrer*in‐ nenbilder sowie Umgangsweisen mit diesen entwickelt haben. Letztlich wirken auch die in der Familie erworbenen Orientierungen und Erfahrungen auf das Lehrer*innenhandeln ein. In der vorliegenden Arbeit wird der Habitusbegriff im Anschluss an Helsper (ebd.) und Bourdieu (1987: 98) verstanden und bezieht sich auf implizite Wahrnehmungs-, Denk- und Handlungsschemata, die Individuen im Verlauf ihrer (Berufs-)Biographie erwerben und welche als „Erzeugungs- und Ordnungsgrundlagen für Praktiken und Vorstellungen“ dienen 26 . Damit ist die Ausbildung eines Lehrer*innenhabitus und das hiermit verbundene berufsbezogene Handeln als Produkt individueller (berufs-)biographischer Entwicklungs‐ prozesse zu verstehen (vgl. Helsper 2018: 124). 34 2 Professionalität und Professionalisierung von (Englisch-)Lehrkräften <?page no="35"?> 27 Das Konzept der Entwicklungsaufgaben wurde ebenfalls auf die Entwicklungsprozesse von Lehr‐ kräften in verschiedenen Phasen der Lehrer*innenbildung (für Lehramtsstudierende vgl. Kahlau 2023; für Referendar*innen vgl. Košinár 2014; für berufserfahrene Lehrkräfte vgl. Wittek 2013) sowie fachspezifisch auf Englischlehrkräfte für den Bilingualen Unterricht übertragen (vgl. Heinemann 2018). Der Erforschung individueller Entwicklungsverläufe und (berufs-)biographischer Ent‐ wicklungsprozesse im Zusammenwirken mit institutionellen Anforderungen nimmt sich die Bildungsgangforschung an. Diese arbeitet unter Rückgriff auf Havighurst (1972) Entwicklungsaufgaben von Lehrkräften heraus, die sich zu unterschiedlichen Zeitpunkten in deren (Berufs-)Biographien niederschlagen (vgl. Hericks 2006). Entwicklungsaufgaben werden hierbei verstanden als […] gesellschaftliche Anforderungen an Menschen in je spezifischen Lebenssituationen, die individuell als Aufgabe eigener Entwicklung gedeutet werden können. Entwicklungsaufgaben sind unhintergehbar, d. h. sie müssen wahrgenommen und bearbeitet werden, wenn es zu einer Progression von Kompetenz und zur Stabilisierung von Identität kommen soll. (ebd.: 60) Hericks (2006) arbeitete in seiner Habilitationsstudie vier für den Berufseinstieg zentrale Entwicklungsaufgaben heraus und entwickelte sie gemeinsam mit Keller-Schneider weiter (vgl. Hericks & Keller-Schneider 2013). Diese sind: Rollenfindung im Sinne der Entwick‐ lung einer professionellen Identität als Lehrkraft, Vermittlung von Sachinhalten unter Herstellung eines Passungsverhältnisses zwischen fachlichen Anforderungen und Aneig‐ nungsprozessen der Lernenden, Anerkennung der Lernenden als „entwicklungsbedürftige und entwicklungsfähige Andere“ (Bonnet & Hericks 2019: 609) sowie Kooperation mit Kolleg*innen. Die zentrale Annahme hinter dem Konzept der Entwicklungsaufgaben ist, dass sich das Individuum in der aktiven Auseinandersetzung mit seiner Umwelt und den durch diese gestellten, teilweise widersprüchlichen und sich stets verändernden Anforderungen weiterentwickelt. Damit es zu Professionalisierung kommen kann, müs‐ sen diese Anforderungen vor dem Hintergrund individueller Zielsetzungen, Interessen, Erfahrungen und Ressourcen als berufliche Herausforderungen wahrgenommen und von den Lehrkräften auch als für ihr berufliches Handeln relevant angenommen werden (vgl. Keller-Schneider & Hericks 2014: 392; Keller-Schneider 2018: 237-240). Die Wahrnehmung und Bearbeitung von Entwicklungsaufgaben wird dabei von den (berufsbezogenen) Habitūs der Lehrkräfte bestimmt. Gleichzeitig können durch die Bearbeitung und Bewältigung dieser Anforderungen auch neue Ressourcen generiert und damit Habitūs verändert werden (vgl. Keller-Schneider & Hericks 2014). Bonnet und Hericks (2019) weiten das für den Berufseinstieg adaptierte und empi‐ risch mehrfach bestätigte Konzept der Entwicklungsaufgaben (vgl. u. a. Hericks 2006; Keller-Schneider 2010; Košinár 2014; Heinemann 2018) 27 bezogen auf die sich anschlie‐ ßenden Phasen des Lehrer*innenberufs zu vier Entwicklungsfeldern aus: Person, Sache, Schülerinnen/ Schüler und Institution. Diese Entwicklungsfelder kennzeichnen sich dadurch, dass sie über die gesamte Berufsbiographie bestehen bleiben und für Lehrkräfte 2.3 Bestimmungsansätze zur Professionalität und Professionalisierung von Lehrkräften 35 <?page no="36"?> 28 In Abgrenzung zu Kapitel 2.3 wird hier bewusst der Begriff der Lehrer*innenforschung und nicht derjenige der Professionsforschung verwendet, um zu verdeutlichen, dass es im Folgenden nicht um […] zu unterschiedlichen Zeiten unterschiedliche Herausforderungen darstellen, veränderten strukturellen Anforderungen Rechnung zu tragen, neue Kompetenzen herauszubilden, m.a.W. die eigene Professionalität weiter zu entwickeln. (Bonnet & Hericks 2019a: 609) Einem berufsbiographischen Verständnis von Professionalität und Professionalisierung zufolge sind Entwicklungsfelder und die sich hierin stellenden Entwicklungsaufgaben eine Schnittstelle zwischen gesellschaftlichen Handlungsanforderungen und deren indivi‐ duellen Wahrnehmung und Bewältigung. Dies macht einen ganzheitlichen Blick auf das Lehrer*innenhandeln und dessen (Weiter-)Entwicklung notwendig. Hiermit verbunden ist auch die Betrachtung von sowohl expliziten als auch impliziten Wissensbeständen sowie deren Relation zueinander. Dies wird in Kapitel 2.4 ausgeführt. In Zusammenfassung der bisherigen Überlegungen und im Anschluss an Keller-Schnei‐ der und Hericks (2011) wird der berufsbiographische Ansatz in dieser Arbeit als ein „mittlerer Weg“ (ebd.: 386) oder auch als verbindende Klammer zwischen einem struktur‐ theoretischen und einem kompetenztheoretischen Zugang aufgefasst. Die Krisenhaftigkeit und Unvorhersehbarkeit des Lehrer*innenhandelns, welche besonders im strukturtheore‐ tischen Ansatz vor dem Hintergrund der Auseinandersetzung mit einer antinomischen Handlungsstruktur zum Tragen kommt, wird durch die Bearbeitung von berufsphasenspe‐ zifischen Entwicklungsaufgaben auch im berufsbiographischen Ansatz hervorgehoben. In der Auseinandersetzung mit der antinomischen Handlungsstruktur des Lehrberufs kann es durch das Erkennen und Bearbeiten von Entwicklungsaufgaben im Laufe der gesamten Berufsbiographie zur (Weiter-)Entwicklung der (professionellen) Kompetenzen sowie zur Stabilisierung von Identität kommen (vgl. Hericks 2006: 60). Zu berücksichtigen sind an dieser Stelle aber auch Aspekte von Deprofessionalisierung (vgl. Kapitel 2.1). Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn Entwicklungsaufgaben nicht erkannt oder angenommen und dementsprechend nicht bearbeitet werden. Wie Gerlach (2020a) anmerkt, fällt in der Gesamtbetrachtung berufsbiographischer Forschung zum Lehrer*innenberuf auf, dass nur selten Entwicklungsverläufe von Fach‐ lehrkräften in den Blick genommen werden. Eine Ausnahme bildet hier die Arbeit von Wilken (2021), welche die Professionalisierung von Englischlehrkräften im Umgang mit der Mehrsprachigkeit von Schüler*innen basierend auf einem strukturtheoretisch-berufs‐ biographischen Professionalisierungsverständnis in den Blick nimmt und weiter unten näher beschrieben wird (vgl. Kapitel 2.5.3). Die vorliegende Arbeit knüpft hieran an. 2.4 Forschung zur Professionalität und Professionalisierung von Fremdsprachenlehrkräften Während Professionalität und Professionalisierung im vorherigen Kapitel unter generi‐ schen Aspekten betrachtet wurden, widmet sich dieses Kapitel der Fachperspektive und gibt einen Überblick über die Zugänge und Schwerpunkte der fremdsprachendidaktischen Lehrer*innenforschung 28 . Der Anspruch dieses Kapitels liegt nicht in einer vollständigen 36 2 Professionalität und Professionalisierung von (Englisch-)Lehrkräften <?page no="37"?> die Erörterung der Fragen geht, inwiefern es sich beim Fremdsprachenlehrer*innenberuf um eine Profession handelt und welche Charakteristika diese auszeichnen. Vielmehr stehen im Anschluss an Abendroth-Timmer (2017: 196) die professionell Handelnden selbst mit all ihren persönlichen und beruflichen Bezügen im Zentrum. 29 Zur Eignung des berufsbiographischen und strukturtheoretischen Ansatzes für die Betrachtung der Rolle von Fachlichkeit für die Professionalität und Professionalisierung von Lehrkräften siehe Bonnet (2019). Aufarbeitung und Systematisierung des Lehrer*innenforschungsdiskurses. Dies ist bereits an anderer Stelle geschehen (vgl. z. B. Roters & Trautmann 2014; Gerlach 2020a). Vielmehr wird der Fokus auf die (unterrichtliche) Handlungspraxis von Fremdsprachenlehrkräften sowie auf die Frage gelegt, wodurch diese beeinflusst wird. In diesem Zusammenhang interessiert besonders die Bedeutung der oben genannten Wissensebenen und -formen für das Handeln der Lehrkräfte. Das Ziel des folgenden Kapitels ist es, das Forschungsfeld abzugrenzen und die vorliegende Arbeit innerhalb des fremdsprachendidaktischen Leh‐ rer*innenforschungsdiskurses zu verorten. Weiterhin geht es darum, Forschungslücken zu identifizieren, um relevante Forschungsfragen ableiten zu können (vgl. Kapitel 4). Daher wird in einem ersten Schritt ein Überblick über den Stand sowie die Schwerpunkte der fremdsprachendidaktischen Lehrer*innenforschung gegeben und Ansätze zur Systemati‐ sierung des Lehrer*innenforschungsdiskurses vorgestellt. Hieraus wird in einem zweiten Schritt ein eigener Ansatz zur Strukturierung der Forschungslandschaft abgeleitet. Dieser fokussiert explizite (vgl. Kapitel 2.4.1), subjektive (vgl. Kapitel 2.4.2) sowie implizite Wissensbestände (vgl. Kapitel 2.4.3) und deren Bedeutung für das Lehrer*innenhandeln. Die fremdsprachendidaktische Forschung widmet sich zunehmend der Rolle und dem Handeln der Fremdsprachenlehrkraft sowie ihrer Relevanz für fremdsprachliche Lehr- und Lernprozesse. Im Anschluss an die Ergebnisse einschlägiger Bildungs- und Vergleichsstu‐ dien (vgl. z. B. PISA 2001, Hattie 2009) begann die Fremdsprachendidaktik mit der Her‐ ausbildung einer fachspezifischen, empirischen Lehrer*innenforschung. Diese orientiert sich grundsätzlich an erziehungswissenschaftlichen bzw. schulpädagogischen Ansätzen und Themen und integriert die in Kapitel 2.3 dargestellten professionstheoretischen Bestimmungsansätze (vgl. z. B. Viebrock 2014; Schultze 2018; Schädlich 2019; Gerlach 2020a). Wie Kreft und Viebrock (2020) darlegen, eignen sich diese Ansätze jedoch nur bedingt zur Betrachtung und Beschreibung der Professionalität und Professionalisierung von Fremdsprachenlehrkräften 29 . Ferner werden sie vor dem Hintergrund fachspezifischer Themen für die eigenen Kontexte umgedeutet bzw. fremdsprachendidaktisch ausgeschärft, sodass sich weitere Zugänge entwickelt haben, mit welchen Professionalität und Profes‐ sionalisierung aus einer Fachperspektive heraus betrachtet werden (vgl. Schädlich 2019; Gerlach, Roters & Steininger 2020). Einen dieser Zugänge bilden die subjektiven sowie impliziten Wissensbestände von Fremdsprachenlehrkräften. Diese haben sich als bedeutsam für die Betrachtung der Profes‐ sionalität von Fremdsprachenlehrer*innen sowie für das Verstehen der komplexen unter‐ richtlichen Praxis und den dahinter liegenden Strukturen herauskristallisiert (vgl. Caspari 2016). Arbeiten, die sich mit diesen Wissensbeständen beschäftigen, wählen meist einen qualitativ-explorativen Zugang und fokussieren neben subjektiven Theorien (vgl. Caspari 2003; Viebrock 2007) beispielsweise das Erfahrungswissen von Fremdsprachenlehrkräften 2.4 Forschung zur Professionalität und Professionalisierung von Fremdsprachenlehrkräften 37 <?page no="38"?> 30 Die Abkürzungen beziehen sich auf die folgenden Studien: 1) TEDS-LT Studie: Teacher Education Development Study: Learning to Teach ( Jansing et al. 2013; Roters et al. 2011), 2) PKE Studie: Professionelle Kompetenz von Englischlehrkräften (König 2020; König et al. 2017a, 2017b) und 3) FALKO-E Studie: Fachspezifische Lehrerkompetenzen Englisch (Kirchhoff 2017, 2016). (vgl. Appel 2000), rekonstruieren deren (berufs-)biographische Entwicklungsprozesse (vgl. Dirks 2000) oder widmen sich Reflexionsprozessen, Kognitionen und beliefs (vgl. Borg 2006; Caspari 2014 mit einem Überblick; vgl. Kapitel 2.4.2). Auch nehmen jüngst Arbeiten zu, die sich vor dem Hintergrund einer an Standards orientierten Forschung dem fachspezifischen Wissen und den Kompetenzen von Fremd‐ sprachenlehrkräften annehmen (TEDS-LT: Blömeke et al. 2013; PKE-Studie: König et al. 2016; FALKO-E: Kirchhoff 2017, 2016; vgl. Kapitel 2.4.1) 30 . Die meist quantitativ ausgerich‐ teten Arbeiten fokussieren die Modellierung und Messung von fachspezifischem Wissen sowie hierauf bezogene Kompetenzen und bringen Instrumente zu deren Messung hervor. Der Fokus auf fachspezifische, professionelle Kompetenzen sowie auf das professionelle Wissen von Fremdsprachenlehrkräften lässt sich auch bei der Durchsicht der Überblicks‐ darstellungen ausmachen, die sich der Professionalität sowie der Professionalisierung von Fremdsprachenlehrkräften aus unterschiedlichen Perspektiven widmen und hierbei die einzelnen Lehrer*innenbildungsphasen in den Blick nehmen (vgl. Legutke & Schart 2016a; Burwitz-Melzer et al. 2018; Diehr 2018a). Diese Arbeiten werden im Folgenden dargestellt. Legutke & Schart (2016a) thematisieren die Kompetenzentwicklung von Fremdsprachen‐ lehrkräften im Kontext der Aus- und Fortbildung und gehen hierbei den Fragen nach, welchen Beitrag Aus- und Fortbildungsprogramme zur Kompetenzentwicklung (angehen‐ der) Fremdsprachenlehrkräfte leisten können, wie sich das professionelle Selbstverständnis und die Lehrkompetenz derselben unter verschiedenen Kontextbedingungen in der Aus- und Fortbildung verändern lassen und wie Aus- und Fortbildung langfristig wirken können (vgl. ebd.). Die Beiträge des Sammelbandes geben einen Einblick in die Bedingungen der professionellen Kompetenzentwicklung (angehender) Fremdsprachenlehrkräfte und nehmen hier eine zunehmend kompetenz- und wissenstheoretische Perspektive ein (vgl. z.-B. die Beiträge von Hoinkes & Weigand 2016, Diener 2016 und Kirchhoff 2016). Den Stand des fremdsprachendidaktischen Lehrer*innenforschungsdiskurses vor dem Hintergrund aktueller gesellschaftlicher, fachlicher und bildungspolitischer Anforderun‐ gen diskutieren Burwitz-Melzer et al. (2018). Fokussiert werden hier insbesondere die Rolle und das Rollenverständnis von Fremdsprachenlehrkräften sowie die Fragen, worin deren fachliche Kompetenz besteht und wie diese in der dreiphasigen Lehrer*innenbildung angebahnt, (weiter-)entwickelt und erhalten werden kann. Hierdurch deutet sich an, dass Professionalität und Professionalisierung von Fremdsprachenlehrkräften immer auch mit den Strukturen der Lehrer*innenbildung zusammenhängen (vgl. Kapitel 2.2). Vor diesem Hintergrund sind auch die Besonderheiten der einzelnen Phasen sowie ihr spezifischer Beitrag zur Professionalisierung von Fremdsprachenlehrer*innen in den Blick zu nehmen. Auf die Spezifik der universitären Lehrer*innenbildungsphase und deren Beitrag zur Professionalisierung von Englischlehrkräften geht der Sammelband von Diehr (2018a) ein. Fokussiert wird das Spannungsverhältnis von Theorie und Praxis, in welchem die Englisch‐ lehrer*innenbildung im deutschsprachigen Raum stattfindet. Die Beiträge des Sammelban‐ des thematisieren die Kohärenz zwischen fachdidaktischen, fachwissenschaftlichen und 38 2 Professionalität und Professionalisierung von (Englisch-)Lehrkräften <?page no="39"?> bildungswissenschaftlichen Anteilen der universitären Englischlehrer*innenbildung auf der einen und der schulischen Praxis auf der anderen Seite. Diskutiert wird insbesondere die Frage, inwiefern die fachliche Fundierung des Studiums mit dem Professionsbezug zur Praxis verbunden werden kann (vgl. Diehr 2018b.). Gerade vor dem Hintergrund der komplexen Wissensfacetten von (angehenden) Fremdsprachenlehrkräften sei es not‐ wendig, die praktischen Anforderungen an Lehrkräfte besser mit der Vermittlung von theoretischen Wissensbeständen in der universitären Ausbildung abzustimmen, damit der Übergang bzw. der Einstieg in die Praxis gelingen kann. Daneben komme es insbesondere darauf an, die persönlichen Erfahrungen und Einstellungen der (angehenden) Lehrkräfte stärker zu thematisieren und in den Kontext der universitären Ausbildung zu integrieren (vgl. ebd.). Die Befunde der Beiträge dieses Sammelbandes sind für den Kontext der vorliegenden Arbeit insofern relevant, als sie sich auf die dritte Phase der Lehrer*innenbil‐ dung übertragen lassen: Damit Fortbildungsinhalte Eingang in die Handlungspraxis von Lehrkräften finden können, ist es von Bedeutung, eine Passung zwischen theoretischem, wissenschaftlichem Wissen sowie den unterrichtsbezogenen Anforderungen an Lehrkräfte herzustellen (vgl. Lipowsky 2014). In diesem Zusammenhang sind auch der Einbezug sowie die Thematisierung von Erfahrungen und Einstellungen zentral für die Wirksamkeit und damit das Gelingen von Lehrkräftefortbildungen (vgl. ebd.). Die hier exemplarisch angeführten Überblicksarbeiten illustrieren die Vielfalt und Komplexität der Zugänge zur Professionalität und Professionalisierung von Fremdspra‐ chenlehrkräften. Vor diesem Hintergrund haben sich erste Ansätze zur Systematisierung und Strukturierung der fremdsprachendidaktischen Lehrer*innenforschungslandschaft herauskristallisiert. So differenzieren Roters & Trautmann (2014) zwischen den oben bereits angedeuteten qualitativen und quantitativen Zugängen zur Betrachtung der Pro‐ fessionalität und Professionalisierung von Fremdsprachenlehrkräften. Gerlach (2020a) gliedert die fremdsprachendidaktische Lehrer*innenforschung nach den thematischen Forschungsschwerpunkten 1) Standards und domänenspezifisches Professionswissen, 2) Beliefs, Subjektive Theorien und Reflexivität sowie 3) Aktionsforschung und Interven‐ tionen. Püster (2021) wiederum verortet die Forschung zur Professionalisierung von Fremdsprachenlehrkräften auf der Ebene des Individuums sowie auf einer soziokulturellen Ebene. Im internationalen Diskurs nehmen Crandal und Christison (2016: 6) eine Strukturierung der anglo-amerikanischen (Englisch-)Lehrer*innenforschung vor und identifizieren die nachfolgenden Themen: • Language teacher cognition, teacher expertise, and novice teacher development • Teacher identity, globalization, and non-native English-speaking teachers (NNESTs) • Reflection and reflective teaching • Classroom research, action research, and teacher research • Language teacher learning, collaboration, communities of practice (CoPs), and professio‐ nal learning communities (PLCs) Im Vergleich zur deutschsprachigen Lehrer*innenforschung auffällig ist, dass sich die internationale Forschung stärker der individuellen Lehrkraft sowie deren Lernprozessen innerhalb von Lehrer*innenbildungsprogrammen widmet. So werden die Wirkungsmecha‐ 2.4 Forschung zur Professionalität und Professionalisierung von Fremdsprachenlehrkräften 39 <?page no="40"?> 31 Bei den schulpraktischen Studien handelt es sich um obligatorische Praxisphasen der universitären Lehramtsstudiengänge, in welchen (angehende) Lehrkräfte betreute Schulpraktika absolvieren. nismen, Inhalte sowie Lehr-Lernarrangements von Aus- und Fortbildungsprogrammen stärker in den Fokus genommen. Dies mag dem Umstand geschuldet sein, dass man im deutschsprachigen Lehrer*innenforschungsdiskurs die Angemessenheit der Inhalte sowie deren (positive) Effekte auf das Handeln der Lehrkräfte und damit auf den Lernerfolg der Schüler*innen lange Zeit als gegeben angenommen hat (vgl. Legutke & Schart 2016b). Auch im deutschsprachigen Raum gibt es Arbeiten, die sich den Bildungsprozessen in komplexen Lehrer*innenbildungsprogrammen widmen und deren Auswirkungen auf die Entwicklung professioneller Kompetenzen von Fremdsprachenlehrkräften in den Blick nehmen. Allerdings wird hier meist die universitäre Lehrer*innenbildungsphase betrachtet. (für die universitäre Phase vgl. z. B. Niesen 2018; Hoch & Wildemann 2019; Elsner et al. 2020; für den Bereich der schulpraktischen Studien 31 vgl. z. B. Elsner 2010a und Schädlich 2015; im Bereich eines Blended-learning Masterprogramms vgl. Benitt 2015 und Zibelius 2015). Das Referendariat als zweite sowie die Fort- und Weiterbildung als dritte Phase der Leh‐ rer*innenbildung stehen bisher kaum im Zentrum fremdsprachendidaktischer Forschung. Auch fehlt es an Arbeiten, welche Prozesse von Professionalisierung über einen längeren Zeitraum betrachten und mittels unterschiedlicher Instrumente und methodologischer Ansätze sichtbar sowie beschreibbar machen (vgl. Gerlach 2020a; Gerlach et al. 2020: 119). Wie sich bis hierhin gezeigt hat, beschäftigt sich die fremdsprachendidaktische Leh‐ rer*innenforschung zunehmend mit der Beschaffenheit des professionellen, fachspezifi‐ schen Wissens und Könnens sowie mit der Frage, wie dieses im Rahmen der Lehrer*in‐ nenbildung beeinflusst, (weiter-)entwickelt und aufrechterhalten werden kann. Allerdings resümiert Schädlich (2019: 54), dass „die Konkretisierung für fachdidaktische Lehrkompe‐ tenzen […] noch immer ein Desiderat“ darstellt. Neben der hiermit verbundenen Frage, wie sich das fachspezifische, professionelle Wissen und Können von Fremdsprachenlehrkräften modellieren und dementsprechend messen lässt, stehen insbesondere die Fragen danach im Zentrum, welche Wissensformen das unterrichtliche Handeln von Fremdsprachenlehrkräf‐ ten in welchem Maße beeinflussen und welche Relationen zwischen diesen Wissensformen für das Handeln der Lehrkräfte relevant werden (vgl. Püster 2021; Wilken 2021). Diesen Fragen wird in den folgenden Abschnitten nachgegangen. 2.4.1 Die Bedeutung expliziter Wissensbestände für das (professionelle) Handeln und die Professionalisierung von Fremdsprachenlehrkräften Arbeiten, die sich in der fremdsprachendidaktischen Lehrer*innenforschung mit expliziten Wissensbeständen von Fremdsprachenlehrkräften beschäftigen, verfolgen meist einen kompetenztheoretischen Ansatz. Im Zentrum steht die normative Frage danach, welches Wissen und welche Kompetenzen Fremdsprachenlehrkräfte erwerben müssen, um pro‐ fessionell handeln zu können. Ferner geht es darum, dieses Wissen und entsprechende Kompetenzen zu modellieren und mittels kognitionspsychologischen Methoden möglichst 40 2 Professionalität und Professionalisierung von (Englisch-)Lehrkräften <?page no="41"?> 32 Communites of Practice (CoPs) sind praxisbezogene Zusammenschlüsse von Personen, in welchen kollektive Wissensbestände in Form von einer gemeinsamen Praxis, einem gemeinsamen Diskurs oder gemeinsamen Artefakten vorliegen (Bloh & Bloh 2016: 215). CoPs beruhen auf gegenseitigem, systematischem Wissensaustausch und entstehen meist auf Eigeninitiative der Akteur*innen (vgl. auch Lave & Wenger 1991). valide zu testen. Im Sinne Neuwegs (2022) wird also in erster Linie Wissen 1 betrachtet (vgl. Kapitel 2.2). Mit den fachspezifischen Wissensbeständen und Kompetenzen von Fremdsprachenlehr‐ kräften sowie der für kompetentes Handeln als bedeutsam erachteten Verbindung von Wissen und Können beschäftigt sich Richards (2012). Er arbeitet die folgenden zehn Dimen‐ sionen des domänenspezifischen Wissens und Könnens von Fremdsprachenlehrkräften heraus: 1) Sprachkompetenz, 2) Fachkompetenz, 3) methodische/ unterrichtspraktische Kompetenzen, 4) fachdidaktische Kompetenzen, 5) Kontextwissen, 6) Lehrkräfteidentität, 7) Lerner*innen-zentrierung, 8) reflektierte Praxis, 9) Mitgliedschaft in einer Community of Practice  32 und 10) Professionalisierung (vgl. ebd.: 198, H.i.O.). Diesen Dimensionen ordnet er spezifische Handlungsanforderungen zu, die er im Spannungsfeld zwischen Kompetenz und Performanz verortet. Mit Kompetenz meint Richards die Wissens- und Handlungsbasis der Lehrkräfte, die neben „individuellen kognitiven, mentalen und emotionalen Dispositionen“ (Viebrock 2018a: 198) auch das fachliche, (allgemein-)pädagogische und curriculare Wissen sowie das Wissen um die Voraussetzungen, Bedürfnisse und Fähigkeiten der Lerner*innen umfasst. Performanz bezeichnet demgegenüber die auf Grundlage dieser Wissensbasis umgesetzten Handlungen und somit die Fähigkeit der Lehrkräfte, individuelles Wissen und erworbene Kompetenzen in konkrete (unterrichtliche) Handlungen zu überführen. Beispielhaft sei an dieser Stelle die für Fremdsprachenlehrkräfte als zentral erachtete Dimension der Sprachkompetenz angeführt. Diese ist mit den Handlungsanforderungen bzw. mit der performativen Dimension verbunden, eine sprachliche Vorbildfunktion im Fremdsprachenunterricht einzunehmen, den Fremdsprachenunterricht in der Zielsprache zu organisieren und durchzuführen sowie die Schüler*innen sprachlich angemessen zu korrigieren und ihnen ein entsprechendes Feedback zu geben (vgl. Richards 2012; vgl. auch Viebrock 2018a). Richards liefert mit seinen zehn Dimensionen wichtige Anhaltspunkte für die fach‐ spezifische Betrachtung der Professionalität von Fremdsprachenlehrkräften. Einige der genannten Dimensionen überschneiden sich mit generischen Professionsmerkmalen und Beschreibungen qualitätsvollen Unterrichts, wie sie beispielsweise Helmke (2015) aufführt. So sind eine reflektierte Praxis, die Mitgliedschaft in einer Community of Practice, Lerner*in‐ nenzentrierung, methodische und unterrichtspraktische Kompetenzen, das Kontextwissen oder aber Aspekte der Professionalisierung ebenso für Lehrkräfte weiterer Fächer bzw. für das allgemein-pädagogische Handeln relevant. Die Fachspezifik zeigt sich konkret in den Bereichen der Sprachkompetenz, der fremdsprachendidaktischen Kompetenzen als Alleinstellungsmerkmale der Profession der Fremdsprachenlehrkräfte sowie in der Ent‐ wicklung einer (fachspezifischen) Lehrkräfteidentität. Letzteres beinhaltet beispielsweise die Entwicklung eines Bewusstseins für die eigene Rolle als Fremdsprachenlehrkraft. Auch Wipperfürth (2009) widmet sich den für Fremdsprachenlehrkräfte als relevant erachteten Kompetenzbereichen und Kompetenzanforderungen. Die Autorin arbeitet einen 2.4 Forschung zur Professionalität und Professionalisierung von Fremdsprachenlehrkräften 41 <?page no="42"?> 33 Der Begriff der interkulturellen Kompetenz wird an dieser Stelle aus Darstellungsgründen von Wipperfürth übernommen. Die vorliegende Arbeit verortet sich jedoch in aktuellen Kulturdiskursen und legt ein performativ-diskursives Kulturverständnis zugrunde (vgl. Kapitel 3.2.3; König et al. 2022a). Für eine weiterführende und kritische Begriffsdiskussion vgl. auch Kreft & Viebrock (2020). 34 Der Begriff des Lerntyps wird an dieser Stelle aus Darstellungsgründen von Wipperfürth (2009) übernommen, wohl wissend, dass es sich hierbei um einen kontroversen Begriff handelt (vgl. Quast 2011). 35 Nichtsdestotrotz stellt insbesondere die Arbeit Wipperfürths (2009) einen wichtigen Anhaltspunkt zur Beantwortung der Frage dar, welche Kompetenzfacetten und -anforderungen an (Fremd-)Spra‐ chenlehrkräfte für einen professionellen Umgang mit kultureller und sprachlicher Heterogenität als relevant erachtet werden. Kompetenzkatalog aus, welchen sie in Form von 20 Can-Do-Statements präsentiert. So sieht Wipperfürth in den drei Bereichen 1) Lehrersprache, 2) Mehrsprachigkeit und 3) interkul‐ turelle Kompetenz 33 die Fachspezifik sowie die zentralen Ziel- und Inhaltsbereiche des (Fremd-)Sprachenunterrichts. Beispielsweise sollen Lehrkräfte im Bereich Lehrersprache „über Strategien bezüglich des angemessenen Wechsels ihrer Rollen als Kommunikations‐ partner, instructor und facilitator“ verfügen und darüber hinaus „entsprechende Phasen in ihrem Unterricht klar trennen […] und den Schülern und Schülerinnen ein hohes Maß an Redezeit in einem förderlichen Unterrichtsklima“ ermöglichen (ebd.: 10). Im Bereich Mehr‐ sprachigkeit sollten sich (Fremd-)Sprachenlehrkräfte „ein breites Repertoire an Strategien für das Lernen von Fremdsprachen angeeignet und dieses reflektiert“ haben. Ebenso sollten sie „Strategien [kennen], die ihrem eigenen Lerntyp 34 ggf. nicht entsprechen und […] diese an ihre Schüler und Schülerinnen vermitteln, um so den individuellen Lernbedürfnissen gerecht zu werden“ (ebd.: 18; C.L.). Im dritten Bereich, der interkulturellen Kompetenz, geht es vor allem darum, ein positives Arbeits- und Lernumfeld zu schaffen, um interkulturelle Lernsowie Reflexionsprozesse anzuregen. Ebenso zählt es zu den zentralen Kompetenzen von (Fremd-)Sprachenlehrkräften, geeignetes Unterrichtsmaterial zu finden, dieses zu analysieren und im eigenen Unterricht entsprechend einzusetzen (vgl. ebd.). Für die vorliegende Arbeit sind die genannten Kompetenzkataloge insofern relevant, als sie konkrete Hinweise auf von außen normativ gesetzte fachspezifische Kompetenzen und Anforderungen an (Fremd-)Sprachenlehrkräfte geben und hierbei, wie bei Wipperfürth (ebd.), insbesondere die Bereiche Mehrsprachigkeit und Interkulturalität aufnehmen. Sie stellen folglich formale Rahmungen dar, die eine normative Wirkung entfalten und das Handeln von Fremdsprachenlehrkräften explizit oder implizit beeinflussen kann. Inwiefern dies der Fall ist, ist eine empirisch zu klärende Frage. Auch bedürfen die Kompetenzkataloge einer empirischen Überprüfung, da es sich hierbei vor allem um theoretisch explizierte, aus der fachdidaktischen Literatur abgeleitete Modellierungen handelt. Gerade in Bezug auf das dynamische Handlungsfeld des Umgangs mit kultureller und sprachlicher Heterogenität bedarf es aufgrund von sich stetig verändernden Anforderungen an Lehrkräfte einer Aktualisierung sowie Überprüfung von Kompetenzstandards 35 . Der empirischen Überprüfung und Ausdifferenzierung des fachspezifischen Wissens sowie entsprechender Kompetenzen von Fremdsprachenlehrkräften zu unterschiedlichen Ausbildungszeitpunkten widmen sich im fremdsprachendidaktischen Diskurs insbeson‐ dere drei Studien: 1) Die TEDS-LT Studie (Roters et al. 2011; Jansing et al. 2013), 2) die PKE-Studie (König et al. 2017; König 2020) und 3) die FALKO-E Studie (Kirchhoff 2016, 42 2 Professionalität und Professionalisierung von (Englisch-)Lehrkräften <?page no="43"?> 36 Zu nennen sind hier insbesondere die Querschnittsstudien MT21 (Mathematics Teaching in the 21st Century) (Blömeke, Kaiser & Lehmann 2008), TEDS-M (Teacher Education Development Study: Lear‐ ning to Teach Mathematics) (Blömeke, Kaiser & Lehmann 2010) sowie die beiden Längsschnittstudien TEDS-Telekom (Buchholtz & Kaiser 2013) und LEK (Längsschnittliche Erhebung pädagogischer Kompetenzen von Lehramtsstudierenden) (König & Seifert 2012). 2017). Im Anschluss an die umfangreichen und großangelegten Studien der empirischen Bildungsforschung 36 gehen genannte Studien der Spezifität des fachlichen Wissens und Könnens von Fremdsprachenlehrkräften nach und weiten bestehende Erkenntnisse auf geringstrukturierte Domänen, wie z. B. sprachliche Fächer aus (vgl. Blömeke et al. 2011). Hierbei wird sich meist an der Wissenstaxonomie nach Shulman (1987) mit seiner Untertei‐ lung des Professionswissens in die drei Hauptbereiche des Fachwissens (content knowledge; CK), des allgemein-pädagogischen Wissens (general pedagogical knowledge; PK), sowie des fachdidaktischen Wissens (pedagogical content knowledge; PCK) orientiert. Die TEDS-LT Studie untersucht den Kompetenzerwerb von Bachelorim Vergleich zu Masterstudierenden im Verlauf der ersten Phase der Lehrer*innenbildung. Die Ergebnisse dieser Studie zeigen, dass vor allem das fachdidaktische Wissen angehender Englischlehr‐ kräfte im Laufe der universitären Ausbildung zunimmt, sich im fachlichen Wissen jedoch keine Veränderungen zeigen (vgl. Roters et al. 2013: 171). Die PKE-Studie nimmt die Kompetenzentwicklung von Masterstudierenden im Vergleich zu Lehrkräften im Vorbereitungsdienst in den Blick. Für die Untersuchung ist die Annahme leitend, dass die im Rahmen der Lehrer*innenausbildung angebotenen und von den angehenden Lehrkräften wahrgenommenen Lerngelegenheiten einen Einfluss auf die Entwicklung professionellen Wissens und entsprechender Kompetenzen haben (vgl. König et al. 2017a). Die Überprüfung dieser Annahme geschieht in Form von Wissenstests. Analog zu den Ergebnissen des TEDS-LT Projekts zeigt sich, dass angehende Lehrkräfte, die im Verlauf ihrer Ausbildung weiter fortgeschritten sind, im Durchschnitt bessere Leistungen erzielten als Studierende zu Beginn ihrer Ausbildung (ebd.: 94). Hierbei sind die Unterschiede in Bezug auf das pädagogische Wissen (PK) größer als im fachdidak‐ tischen Wissen (PCK). Weiterhin ist das fachdidaktische Wissen bei Lehrkräften im Vorbereitungsdienst erwartungsgemäß deutlich stärker ausgeprägt als bei Studierenden. Keine Unterschiede zeigen sich hingegen im Fachwissen zwischen den beiden Phasen, wohl aber zwischen den unterschiedlichen Lehrämtern: Angehende Englischlehrkräfte des Lehramts für Gymnasien übertreffen ihre Kommiliton*innen der Lehrämter für Haupt-, Real- und Gesamtschulen in den Wissenstests deutlich (vgl. ebd.). Allerdings können diese Unterschiede auch hier nicht für das pädagogische Wissen verzeichnet werden. Die Autor*innen merken einschränkend an, dass sie sich lediglich auf die kognitiven Aspekte des (professionellen) fachspezifischen Lehrer*innenwissens fokussieren und dabei andere Aspekte, wie z.-B. affektiv-motivationale Dispositionen, vernachlässigen. Im Rahmen des FALKO-E Projekts wurden Wissenstests entwickelt, die vor allem das Fachwissen und fachdidaktische Wissen von Studierenden und berufstätigen Englischlehr‐ kräften abfragten. Im Gegensatz zu den beiden zuvor genannten Studien stand für die Mes‐ sung des domänenspezifischen Professionswissen nicht nur deklaratives Wissen im Vor‐ dergrund, sondern insbesondere auch das Erfahrungswissen der (angehenden) Lehrkräfte. Um letzteres messen zu können, wurde das fachdidaktische Wissen in die drei Subfacetten, 2.4 Forschung zur Professionalität und Professionalisierung von Fremdsprachenlehrkräften 43 <?page no="44"?> 1) Wissen um schulgerechtes Erklären und Repräsentieren, 2) Wissen um Schülerkognitionen und 3) Wissen um Lehr-/ Lernpotential von Aufgaben, Übungen und Materialien untergliedert, und mittels praxisnaher Unterrichtsvignetten erfasst. Für den Kontext der vorliegenden Arbeit relevant ist das Ergebnis, dass die im wissenschaftlichen Kontext entwickelten und als für die Handlungspraxis der Lehrkräfte bedeutsam erachteten fachdidaktischen Items (z. B. zum Thema interkulturellem Lernen, Mediation und Dramendidaktik) von den Lehrkräften nur bedingt als berufsrelevant erachtet wurden (vgl. Kirchhoff 2016: 143). Hier zeigt sich das oben bereits angeführte Spannungsverhältnis zwischen wissenschaftlicher bzw. fachdidaktischer, universitärer Praxis und der Schulpraxis. Kirchhoff (ebd.) führt dies vor allem darauf zurück, dass Lehrkräfte bestimmte fachdidaktische Themen trotz ihrer Relevanz in wissenschaftlichen Diskursen nicht reflektieren und diese folglich nicht im Schul- und Unterrichtsalltag berücksichtigen. Ebenso könnte dies als ein Mangel an wirksamen Fortbildungen und deren Besuch durch die Lehrkräfte gedeutet werden, denn gerade fachdidaktisch bedeutende, innovative und aktuelle Themen gelangen häufig über Fortbildungen in den Unterricht der Lehrkräfte. Weitere Ergebnisse der FALKO-E-Studie bestätigen die bereits in der TEDS-LT und der PKE-Studie gewonnene Erkenntnis der Abhängigkeit des Professionswissens von den Schulformen der (angehenden) Lehrkräfte. Demnach erzielten auch hier Gymnasiallehr‐ kräfte bessere Ergebnisse in den Wissenstests als Kommiliton*innen und Kolleg*innen anderer Lehrämter. Interessant erscheint jedoch das Ergebnis, dass im Gegensatz zu den beiden vorherigen Studien das Fachwissen der angehenden Englischlehrkräfte während des Studiums zunimmt, nicht aber das fachdidaktische Wissen. Dieses Ergebnis trägt zu einer widersprüchlichen Befundlage bezüglich des professionellen Wissens von Englischlehr‐ kräften bei und bedarf einer näheren Betrachtung und Überprüfung in nachfolgenden Studien. Die Ergebnisse der bis hierhin vorgestellten Studien liefern wichtige Erkenntnisse be‐ züglich der fachspezifischen Ausdifferenzierung der im Rahmen der Lehrer*innenbildung erworbenen berufsbezogenen Kompetenzen sowie des expliziten Wissens. Ferner geben sie Aufschluss bezüglich dessen Entwicklung im Studienverlauf. Auch zeigen die Ergebnisse diesbezügliche Unterschiede zwischen den Lehrämtern auf und geben einen Einblick in die Zusammenhänge zwischen den jeweiligen Wissensformen. Dennoch lässt sich, obwohl diese Studien erste Versuche der Standardisierung, Operationalisierung und Messung des fachspezifischen Wissens von Englischlehrkräften darstellen, noch kein einheitliches Bild von ebendiesem Wissen zeichnen. Auch ist die Aussagekraft der Testergebnisse in Bezug auf die Unterrichtsqualität ungeklärt, denn es lässt sich nicht davon ausgehen, dass ein gutes Abschneiden in den Wissenstests der genannten Studien automatisch auch zur Gestaltung guten und qualitativ hochwertigen Unterrichts führt (vgl. König et al. 2017a). Zudem bleibt die dritte Phase der Lehrer*innenbildung in Bezug auf die Untersuchung der für die Bewältigung berufsbezogener Anforderungen relevanten Wissensbestände weitestgehend unberücksichtigt. Vor diesem Hintergrund schlagen Gerlach et al. (2020) vor, der Unterrichtsplanung als „fachdidaktisch-professionstheoretische Kategorie“ (ebd.: 120) in der fremdsprachen‐ didaktischen Lehrer*innenforschung eine größere Aufmerksamkeit zu schenken. Den Autor*innen zufolge biete sich die Betrachtung von Unterrichtsplanung zur Ausschärfung 44 2 Professionalität und Professionalisierung von (Englisch-)Lehrkräften <?page no="45"?> 37 Zum Design und zu den Gestaltungselementen der Fortbildung siehe Kapitel 4.3.1 und 4.3.2. der interdependenten Zusammenhänge von Forschung und Lehre in der Ausbildung von Fremdsprachenlehrkräften an, da sich in der Planung von Unterricht sowohl Fachkompe‐ tenz, didaktische Kompetenz als auch pädagogische Kompetenz manifestiere. Dementspre‐ chend müssen (angehende) Lehrkräfte bei der Planung ihres Unterrichts auf alle Wissens- und Kompetenzbestände zurückgreifen. Die Autor*innen ziehen weiterhin das Fazit, dass eine Fokussierung auf die Planung von Fremdsprachenunterricht dazu beitragen kann, die professionstheoretischen Bestimmungsansätze zu vereinen, denn: [n]eben der kompetenztheoretischen Frage nach der Integration von verschiedenen Wissensbe‐ ständen und ihrer Reflexion müssen strukturtheoretisch angenommene Unsicherheiten, Antino‐ mien und Krisen (vgl. auch HERICKS et al. 2019), die im Unterricht auftreten könnten, bereits in der Planung antizipiert werden. Gleichzeitig erscheint logisch, dass Unterrichtsplanung auch aus einer berufsbiographischen Perspektive relevant ist, wenn zum einen die eigene Lernbiographie der Fremdsprache mit ihren Überzeugungen und Einstellungen zum Lehren und Lernen Relevanz für die methodisch-didaktische Gestaltung hat, und zum anderen auch die Entwicklung des Fähigkeits-/ Fertigkeitsbereichs ‚Unterrichtsplanung‘ […] eine Relevanz für Unterrichtsqualität und -entwicklung, Innovation und fortlaufende Professionalisierung haben dürfte. (Gerlach et al. 2020: 125) Die Betrachtung von Unterrichtsplanung erscheint auch im Zusammenhang mit der in der vorliegenden Arbeit begleiteten Lehrkräftefortbildung sowie dem hiermit verbunde‐ nen Umgang mit kultureller und sprachlicher Heterogenität im Englischunterricht von Relevanz. So wird neben wissenschaftlich-theoretisch vermitteltem Wissen vor allem Wert darauf gelegt, berufsbiographische Erfahrungen, Einstellungen und Überzeugungen zum Umgang mit kultureller und sprachlicher Heterogenität zu reflektieren, um diese letztendlich bei der Planung von Englischunterricht zu berücksichtigen. 37 Die Betrachtung von Unterrichtsplanung kann sich mit Gerlach et al. (2020) folglich auch für den Umgang mit kultureller und sprachlicher Heterogenität sowie für eine diesbezügliche Professiona‐ lisierung als zielführend erweisen. Dies wird in der Diskussion in Kapitel 8 noch einmal aufgegriffen. Anhand der Betrachtung der bis hierhin vorgestellten Studien und konzeptionellen Über‐ legungen zu fachspezifischen Kompetenzen von Fremdsprachenlehrkräften wird deutlich, dass explizite Wissensbestände und normative Kompetenzanforderungen eine Grundlage für das unterrichtliche Handeln (und dessen Planung) von Lehrkräften bilden. Ferner sind sie im Sinne eines Begründungswissens bedeutsam für das Treffen, Begründen und Reflek‐ tieren von unterrichtsbezogenen Handlungsentscheidungen. Als operationalisierbares und damit überprüfbares Wissen sind explizite Wissensbestände zentral für die Gestaltung der an Kompetenzstandards ausgerichteten Lehrer*innenbildung. Allerdings greift die Vorstellung zu kurz, dass ein hohes Wissen sowie das Erreichen hoher Kompetenzniveaus Aussagen bezüglich einer professionellen Unterrichtsgestaltung zulassen. Wie in den Ar‐ beiten von Kirchhoff et al. (2017) sowie Diehr (2018b) angedeutet, ist gerade die subjektive Wahrnehmung hinsichtlich der Relevanz von expliziten, theoretischen Wissensbeständen für die Handlungspraxis der Lehrkräfte von Bedeutung. Auch die in Kapitel 3 vorgestellten 2.4 Forschung zur Professionalität und Professionalisierung von Fremdsprachenlehrkräften 45 <?page no="46"?> 38 Zum Einfluss von Emotionen auf die Professionalisierung von berufseinsteigenden Lehrkräften vgl. Sotzek (2019). 39 Aufgrund der Nähe der beiden Konzepte des impliziten und des subjektiven Wissens zueinander kann die hier vorgenommene Trennung dieser Wissensformen nicht immer eingehalten werden. Studien zum Umgang mit kultureller und sprachlicher Heterogenität verweisen darauf, dass es zur Betrachtung und zum Verstehen des Handelns von Lehrkräften neben expliziten vor allem der Berücksichtigung subjektiver Wissensbestände, wie Überzeugungen, Haltungen, Einstellungen, sowie impliziten Wissens bedarf (vgl. Kapitel 3.4.1; vgl. auch Crandal & Christison 2016; Püster 2021). Diesen Wissensbeständen widmen sich die folgenden Abschnitte. 2.4.2 Die Bedeutung von subjektiven Wissensbeständen für das (professionelle) Handeln und die Professionalisierung von Fremdsprachenlehrkräften Bei der Frage danach, welche Wissensbestände in welchem Maße das (professionelle) Han‐ deln von Fremdsprachenlehrkräften beeinflussen, treten vor allem die subjektiven sowie impliziten Wissensbestände von Lehrkräften als die „hidden side“ (Freeman 2002: 1) bzw. als „unseen dimensions of teachers‘ work“ (ebd.: 4) ins Blickfeld. Implizite Wissensbestände meinen in einem engen Verständnis nach den Annahmen der Wissenssoziologie (vgl. Mannheim 1964) sowie der Dokumentarischen Methode (vgl. Bohnsack 2014b; vgl. auch Kapitel 5) ein nicht zu versprachlichendes, habitualisiertes Wissen, welches sich als hand‐ lungsleitende Struktur in der unterrichtlichen Praxis der Lehrkräfte widerspiegelt. Dieses Wissen ist den handelnden Akteur*innen nicht unmittelbar bewusst zugänglich und lässt sich von Forschenden rekonstruieren (zum Vorgehen der Dokumentarischen Methode vgl. Kapitel 6.2). Subjektive Wissensbestände hingegen bezeichnen ein individuelles Wissen, welches für das handelnde Subjekt Gültigkeit besitzt und sich auf das bezieht, „was in den Köpfen von Fremdsprachenlehrerinnen und -lehrern vorgeht“ (Caspari 2014: 20). Hierunter fallen beispielsweise mentale Strukturen und Prozesse, wie berufsbiographisch erworbene Überzeugungen (auch als beliefs bezeichnet), subjektive Theorien, Erfahrungswissen aber auch Emotionen 38 . Während die impliziten Wissensbestände von Fremdsprachenlehrkräften erst jüngst in das Blickfeld der fremdsprachendidaktischen Lehrer*innenforschung geraten und hier vor allem im Rahmen von rekonstruktiven Studien untersucht werden (vgl. Bonnet & Hericks 2020; Gerlach 2020a; Püster 2021; Wilken 2021; vgl. Kapitel 2.4.3), widmete man sich in den Anfängen der Fremdsprachenlehrer*innenforschung vor allem den subjektiven Wissensbeständen der Lehrkräfte. Dieses Kapitel geht aufgrund ihrer historisch gewachse‐ nen Relevanz für die fremdsprachendidaktische Lehrer*innenforschung zunächst auf jene Forschungsarbeiten ein, die sich den subjektiven Wissensbeständen und deren Einfluss auf das Handeln von Fremdsprachenlehrkräften widmen. Kapitel 2.4.3 blickt im Anschluss hieran gezielter auf die impliziten Wissensbestände von Fremdsprachenlehrkräften und fokussiert hier vor allem auf die jüngsten Entwicklungen, die sich im Kontext von rekonstruktiven Forschungsarbeiten ergeben haben 39 . 46 2 Professionalität und Professionalisierung von (Englisch-)Lehrkräften <?page no="47"?> Demnach ist auch eindeutige Zuordnung der für diese Arbeit relevanten Forschungsarbeiten zu diesen Wissensformen nicht immer konsequent möglich. 40 Mit dem Begriff der ‚teacher cognition‘ legt Borg (2003: 82) ein weites Verständnis von impliziten, subjektiven Wissensbeständen von Lehrkräften zugrunde und bezieht sich hierbei auf „beliefs, knowledge, theories, attitudes, images, assumptions, metaphors, conceptions, perspectives […] about teaching, teachers, learning, students, subject matter, curricula, materials, instructional activities, self “. Einen zentralen Forschungsschwerpunkt der fremdsprachendidaktischen Lehrer*innen‐ forschung, die sich mit subjektiven Wissensbeständen und deren Einfluss auf das Handeln von Lehrkräften beschäftigt, bilden die beliefs bzw. berufsbezogenen Überzeugungen von (Fremd-)Sprachenlehrkräften (vgl. Caspari 2014 mit einem Überblick). In der deutschspra‐ chigen Lehrer*innenforschung hat sich im Anschluss an das Forschungsprogramm Subjek‐ tive Theorien (Groeben & Scheele 2010; FST) zudem das Konzept der Subjektiven Theorien durchgesetzt (vgl. Caspari 2003; Viebrock 2007; Heinemann 2018). Beiden Konzepten ist gemein, dass sie sich in der Mitte zwischen einer affektiv und kognitiv orientierten For‐ schung verorten lassen. Auch in Bezug auf die in der Fremdsprachendidaktik umstrittene Frage, inwiefern subjektive Theorien und beliefs den handelnden Akteur*innen bewusst zugänglich sind, nehmen die beiden Ansätze eine Mittelstellung ein (vgl. Borg 2001; Roters & Trautmann; 2014; vgl. auch Püster 2021). Mit Reusser & Pauli (2014: 642) lassen sich unter teacher beliefs bzw. Überzeugungen von Lehrpersonen […] affektiv aufgeladene, eine Bewertungskomponente beinhaltende Vorstellungen über das Wesen und die Natur von Lehr-Lernprozessen, Lerninhalten, die Identität und Rolle von Lernenden und Lehrenden (sich selbst) sowie den institutionellen und gesellschaftlichen Kontext von Bildung und Erziehung [verstehen; C.L.], welche für wahr oder wertvoll gehalten werden und welche ihrem berufsbezogenen Denken und Handeln Struktur, Halt, Sicherheit und Orientierung geben. Diese Überzeugungen können dabei sowohl auf individueller als auch auf kollektiver Ebene angesiedelt sein, sie können in sich widersprüchlich oder fragmentarisch sein und müssen der handelnden Person (hier: den Lehrkräften) nicht immer unbedingt bewusst sein, sondern können auch impliziter, intuitiver Natur sein (ebd.: 643). Ferner spielen sie eine bedeutende Rolle für die Qualität des Lehrer*innenhandelns sowie die Wahrnehmung und Deutung von (unterrichtsbezogenen) Situationen und beeinflussen die didaktischen und pädagogischen Entscheidungen der Lehrkräfte (vgl. ebd.). Dies bestätigt auch Borg in seinem umfangreichen Korpus an Publikationen und Metaanalysen der Forschung zur teacher cognition  40 (vgl. ebd. 2003, 2006, 2011, 2015), welche er unter einer fachspezifischen Perspektive bezogen auf zentrale Aspekte und Gegenstände des Fremdbzw. Zweitsprachenunterrichts zusammenfasst. Hierbei betont er insbesondere die relative Stabilität einmal ausgebildeter beliefs, was auch Rossa (2017) in seiner Studie im Kontext des 18-monatigen Vorbereitungsdienstes in NRW hervorhebt. Der Autor zeigt, dass grundlegende beliefs der von ihm befragten angehenden Englischlehrer*innen im Vorbereitungsdienst im Wesentlichen stabil bleiben, jedoch um kontext- und situations‐ spezifische beliefs ergänzt und dementsprechend modifiziert werden. Dies bezieht sich insbesondere auf unterrichtsbezogene bzw. didaktisch-methodische Überzeugungen, wie 2.4 Forschung zur Professionalität und Professionalisierung von Fremdsprachenlehrkräften 47 <?page no="48"?> 41 Für die Gestaltung wirksamer Fort- und Weiterbildungen für Lehrkräfte vgl. Lipowsky (2014) sowie Rzejak & Lipowsky (2019). z. B. die Gestaltung von Unterrichtssequenzen oder die Unterteilung von Lernprozessen in kleinere Schritte, was erst im Laufe des Vorbereitungsdienstes relevant zu werden scheint (ebd.: 205). Mit der relativen Stabilität von beliefs ist ebenso eine Resistenz und Trägheit gegenüber Veränderungen verbunden (ebd.). Dies wird gerade bei angehenden Lehrkräften deutlich, die […] bereits in ihrer eigenen langjährigen, als ‚apprenticeship of observation‘ wirkenden Schulzeit stabile Vorstellungen und Denkgewohnheiten darüber [erworben haben], wie Lernen in der Schule funktioniert und wie man unterrichtet. (Reusser & Pauli 2014: 645; C.L.) Diese Vorstellungen dienen (angehenden) Lehrkräften als Orientierung für ihr Handeln, geben ihnen Halt, Struktur und Sicherheit und können bereits im Studium als Filter oder auch Barrieren wirken, „indem fast nur solche Informationen aufgenommen werden, die sich schon in das vorhandene System von Überzeugungen einpassen lassen“ (Czerwenka & Nölle 2014: 475). Dieses stabile System von Überzeugungen lässt sich häufig nur gegen Widerstand oder durch die Erfahrung von Dilemmata bzw. krisenhaften Situationen verändern, in welchen bereits ausgebildete Handlungs- und Denkmuster auf die Probe gestellt oder als nicht mehr passend wahrgenommen werden (vgl. Reusser & Pauli 2014). Der Frage, inwiefern sich beliefs von berufstätigen Englischlehrkräften verändern lassen, geht Borg (2011) nach, indem er sechs Lehrkräfte über den Zeitraum eines achtwöchigen Zertifikatprogramms (Diploma in English language teaching to adults, DELTA) begleitet. Hierbei nimmt er insbesondere den Einfluss des Fortbildungssettings auf die beliefs der teilnehmenden Lehrkräfte in den Blick. Es zeigt sich, dass sich die am Zertifikatsprogramm teilnehmenden Lehrkräfte ihren beliefs bewusst wurden und diese besser artikulieren konnten als zu Beginn des Programms. Ebenso erkannten einige Lehrkräfte, dass beliefs einen zentralen Einfluss auf ihr Handeln im Unterricht haben und konnten letzteres vor diesem Hintergrund besser reflektieren (ebd.: 378). Dennoch ließen sich keine grundlegen‐ den Veränderungen der beliefs der Lehrkräfte durch die Teilnahme am Zertifikatsprogramm feststellen. Borg diskutiert diesen Befund abschließend in Bezug auf den impact-Begriff und weist darauf hin, dass, obwohl sich die beliefs der Lehrkräfte durch die Teilnahme am Zertifikatsprogramm nicht signifikant veränderten, dennoch Entwicklungsprozesse und Prozesse des Bewusstwerdens der eigenen beliefs erkennbar wurden. Der Autor kommt zu dem Schluss, dass es für die Lehrer*innenbildung von zentraler Bedeutung ist, beliefs von Lehrkräften zu thematisieren und diese bewusst zu machen. Fort- und Weiterbildungsprogramme können einen bedeutenden Beitrag hierzu leisten (vgl. ebd.: 379) 41 . Im deutschsprachigen Forschungsdiskurs beschäftigen sich nur wenige Arbeiten explizit mit language teacher beliefs (vgl. z. B. Rossa 2017). Dies ist mitunter auf die begriffliche Vielfalt sowie auf die Tatsache zurückzuführen, dass sich bei der Erforschung der subjekti‐ ven Wissensbestände von Lehrkräften im deutschsprachigen Raum vor allem das Konstrukt der Subjektiven Theorien durchgesetzt hat. 48 2 Professionalität und Professionalisierung von (Englisch-)Lehrkräften <?page no="49"?> Eine der ersten Arbeiten, die sich mit den subjektiven Theorien von Fremdsprachen‐ lehrkräften beschäftigte, stammt von Caspari (2003). In Anlehnung an die Annahmen des FST nimmt die Autorin in ihrer Interviewstudie das berufliche Selbstkonzept der befragten Lehrkräfte in den Blick und modelliert dieses als „subjektive Großtheorie“ (vgl. Caspari 2014: 24), die sowohl Wissen, Einstellungen und Intentionen als auch Gefühle zu den unterschiedlichen Facetten des Lehrer*innenberufs umfasst. Unter Betrachtung der Frage, wie sich Fremdsprachenlehrkräfte selbst als Fremdsprachenlehrer*innen verstehen, kann Caspari zeigen, dass den subjektiven Deutungsmustern der Lehrkräfte eine zentrale Bedeutung für die Struktur ihres beruflichen Selbstverständnisses zukommt (Caspari 2003: 270). Weiterhin modelliert die Autorin anhand dreier Einzelfälle zwei verschiedene Zugriffe auf das Selbstverständnis der Lehrkräfte und stellt die Beziehungen der einzelnen Bereiche dieses Selbstverständnisses dar. Den ersten Zugriff bildet die Berufsbiografie der Lehrkräfte, in welchem sich die eigenen schulischen Sprachlernerfahrungen aber auch außerschulische Erfahrungen, wie z. B. Auslandsaufenthalte als bedeutsam für das berufliche Selbstverständnis der Lehrkräfte erweisen. Auch die eigenen Lehrer*innen als „Vorbild oder Antibild“ (ebd.: 166) haben sich als starke Einflussfaktoren auf das berufliche Selbstverständnis sowie die berufliche Tätigkeit der Lehrkräfte herauskristallisiert. Den zweiten Zugriff modelliert die Autorin als einen kompetenztheoretischen Zugriff und nimmt in diesem Zusammenhang die von den Lehrkräften wahrgenommenen Aufgaben und Funktionen in den Blick. Es zeigt sich, dass die Lehrkräfte der Vermittlungsfunktion ihres Berufes eine zentrale Bedeutung beimessen und sich überwiegend in der Rolle der Erzieher*innen wahrnehmen (ebd.: 271). Einen weiteren zentralen Punkt stellen die Auffassungen der Lehrkräfte zur Funktion von (Fremd-)Sprachen dar. So kann die Autorin zwei gegensätzliche Haltungen der Lehrkräfte herausarbeiten: Ein Teil der befragten Lehrkräfte betrachtet Fremdsprache als Kommunikationsmittel, während der andere Teil der Befragten „Fremdsprache als Gegenstand, System und Fach“ (ebd.: 186) auffasst. Ebenfalls in Anlehnung an das FST untersucht Viebrock (2007) die subjektiven di‐ daktischen Theorien von Lehrkräften, die bilingualen Erdkundeunterricht erteilen. Die Ergebnisse ihrer Studie zeigen, dass die von ihr mittels episodischen Interviews befrag‐ ten Lehrkräfte den bilingualen Unterricht in erster Linie als Sachfachunterricht in der Fremdsprache konzeptualisieren und der fremdsprachliche Kompetenzerwerb als „[…] willkommener ‘Mehrwert‘ angesehen [wird], der sich gleichsam automatisch als Nebenef‐ fekt ergibt.“ (Viebrock 2014: 82; C.L.). Weiterhin resümiert die Autorin, dass der bilinguale Unterricht als methodisch-didaktische Innovation zwar das Potenzial zur Reflexion und Veränderung der lehrer*innenseitigen Routinen hat, dieses Potenzial jedoch von persön‐ lichkeitsbezogenen sowie pragmatischen Anforderungen überlagert wird (ebd. 83). Eine weitere Arbeit, die sich an das FST anlehnt, ist die Arbeit von Heinemann (2018). Der Autor untersucht, wie Englischlehrkräfte den bilingualen Unterricht konzeptualisieren und nimmt in diesem Zusammenhang die Bedeutung von Zertifikaten für die eigene Pro‐ fessionalisierung in den Blick. Heinemann rekonstruiert hier einen unterrichtsbezogenen Zugang der Lehrkräfte auf der Mikro-Ebene sowie einen organisationsbezogenen Zugang auf der Meso-Ebene von Schule. Während der erste Zugang sich auf die Beziehungsge‐ staltung mit den Schüler*innen bezieht und diese in den didaktischen Überlegungen der Lehrkräfte zunehmend in den Fokus rückt, orientiert sich der zweite Zugang vornehm‐ 2.4 Forschung zur Professionalität und Professionalisierung von Fremdsprachenlehrkräften 49 <?page no="50"?> lich an der Gestaltung der Beziehung und der Kooperation mit den Kolleg*innen (vgl. ebd.: 217 f.). Hier geht es vor allem darum, wie sich die Lehrkräfte als Professionelle begreifen und wie sie ihren Mitgliedschaftsentwurf im Lehrer*innenkollegium gestalten. In Bezug auf die Bedeutung von expliziten und impliziten Wissensbeständen für das Handeln von Englischlehrkräften, die bilingualen Unterricht erteilen, zieht Heinemann aus seinen Ergebnissen die Schlüsse, dass es vor allem eines reflexiven Umgangs mit diesen Wissensbeständen bedarf. Dem Autor zufolge werden deklarative Wissensbestände „für Lehrpersonen dann relevant, wenn sie vor dem Hintergrund der Praxis, in der sie benutzt werden und ggf. aus der heraus sie entstanden sind, zusammen mit den impliziten Wissensbestände[n] bewusst und reflektiert werden“ (ebd.: 224; C.L.). Zertifikate für den Bilingualen Unterricht können zwar eine Chance zur Professionalisierung darstellen, wenn entsprechendes deklaratives Wissen erworben wurde. Als zentral für das professionelle Handeln der Lehrkräfte stellen sich jedoch implizite Wissensbestände, und hier besonders die eigenen Vorstellungen von Spracherwerb sowie ein anerkennender Einbezug der Schüler*innen in die Konzeptualisierung des Bilingualen Unterrichts heraus (vgl. ebd. 223). Als weitere für das Handeln sowie die Professionalisierung von Fremdsprachenlehrkräf‐ ten relevante subjektive Wissensbestände haben sich berufsbiographische Erfahrungen und diesbezüglich erworbenes Erfahrungswissen erwiesen. Das Konzept des Erfahrungswissens erschloss Appel (2000) erstmals für die Fremdsprachendidaktik und diskutierte dessen Bedeutung für die Gestaltung von und das Handeln im Fremdsprachenunterricht. Hierbei leistete der Autor zunächst einen Beitrag zur Beschreibung der Struktur dieses Wissens als situativ und persönlich. Ferner hob er in diesem Zusammenhang die Bedeutung von Auslandserfahrungen und den hierin erworbenen Kompetenzen hervor, da letztere „als persönlich geprägte Erfahrung der anderen Kultur, als Einstellung ihr gegenüber, als persönliche Sprachlerntheorie und vor allem als praktische sprachliche Kompetenz“ (ebd.: 281) den Unterricht der Lehrkräfte beeinflussen. Analog zu den oben erwähnten Ergebnissen der Studie Casparis (2003) kann Appel weiterhin zeigen, dass Fremdsprachen‐ lehrkräfte eine typische Vorstellung von Fremdsprache als zu vermittelnden ‚Stoff ‘ bzw. als ‚Gegenstand‘ aufweisen. Der Autor führt dies darauf zurück, dass „die Vermittlung von Sprache als Stoff mit einigen Strukturen der Kultur schulischen Fremdsprachenunterrichts gut vereinbar [ist]. Solche Strukturen sind Prüfungsnotwendigkeiten, Buchbestimmtheit, Unfreiwilligkeit und Lenkung […]“ (ebd.: 286; C.L.). Auch Dirks (2000) arbeitet in ihrer Studie zur Professionalisierung von Englischlehrkräf‐ ten in den neuen Bundesländern die vorherrschenden Vorstellungen von Sprache bei den von ihr befragten Lehrkräften heraus. Sie kann zeigen, dass Lehrkräfte zwar einerseits „die Fremdsprache als ein wandelfähiges Konstrukt betrachten“, auf der anderen Seite jedoch versuchen, „den Lernenden vermeintlich ‚sicheres‘ Sprachwissen zu vermitteln“ (ebd.: 246). Dies führt sie darauf zurück, dass „statische Wissenskulturen, die von EnglischlehrerInnen gerne als ein unhinterfragt wichtiger Ruhepol genutzt werden, und dynamische kommu‐ nikationsförderliche Wissenskulturen, die mit Unwägbarkeiten und ggf. unliebsamen Überraschungen verbunden sind […] meist noch unversöhnt nebeneinander“ stünden (ebd.). In Bezug auf eine gelingende Professionalisierung bzw. Neuorientierung nach den Wendeereignissen in Ostdeutschland arbeitet die Autorin weiterhin vier zentrale Merkmale heraus. So erweisen sich eine „schülerorientierte Perspektivübernahme“, eine „kommunika‐ 50 2 Professionalität und Professionalisierung von (Englisch-)Lehrkräften <?page no="51"?> 42 In Bezug auf diesen Zusammenhang vgl. auch Schultze (2018). tionsförderliche Unterrichtsgestaltung“, eine „Selbstwert-stabilisierende Einbindung in das Kollegium“ sowie ein „pädagogisch-fachliches Selbstbewußtsein“ (ebd.: 204) als förderlich für die Innovationsbereitschaft der Lehrkräfte. Weiterhin stellt Dirks die enge Verbindung zwischen Professionalisierung und Identitätsbildung heraus 42 . Wie bis hierhin gezeigt wurde, spielt die Betrachtung der subjektiven Sichtweisen von Lehrkräften in der fremdsprachendidaktischen Lehrer*innenforschung eine zentrale Rolle. Während im wissenschaftlichen Diskurs weitestgehend Konsens darüber herrscht, dass das, was Lehrkräfte denken, glauben und wissen einen bedeutenden Einfluss auf ihr unterrichtliches Handeln hat, Überzeugungen durch (berufs-)biographische Erfahrungen geprägt werden und aufgrund ihrer tiefen Verankerung in der eigenen Persönlichkeit als resistent und stabil gegenüber Veränderungen gelten, sind die empirischen Ergebnisse diesbezüglich uneindeutig. So weisen einige der oben skizzierten Studien darauf hin, dass sich die von Lehrkräften geäußerten subjektiven Sichtweisen sowie berufsbiographisch erworbenen Erfahrungen auch in deren Unterrichtspraxis widerspiegeln, während andere Arbeiten das Gegenteil zeigen. Auch bezüglich des Bewusstheitsgrades von subjektiven Wissensbeständen sowie der Frage, inwiefern sich tiefsitzende Überzeugungen verändern lassen und sodann zu einer veränderten Handlungspraxis führen, herrscht nach wie vor Unklarheit. Caspari (2014: 24) zieht hieraus den Schluss, dass „der Zusammenhang zwischen subjektiven Sichtweisen und Lehrerhandeln außerordentlich komplex sein dürfte und unterrichtliches Handeln auf jeden Fall von weiteren Faktoren beeinflusst wird.“. Hierauf weist auch Borg (2006: 40) hin: [Teacher cognition research, CL] has provided evidence of the way in which teachers’ beliefs and knowledge influence what teachers do in the classroom, though evidence also exists that teachers’ beliefs about instruction are not always fully realized in their work. This lack of congruence between teachers’ observed practices and their explicitly stated beliefs has been attributed to the influence on teaching of the social, psychological and environmental factors which exist in schools and classrooms and which teachers may perceive as external forces beyond their control. So sind subjektive Theorien und beliefs zumindest bis zu einem gewissen Maße handlungs‐ leitend und lassen sich als Erklärungen für das professionelle Handeln von Lehrkräften heranziehen. Um das professionelle Handeln von Lehrkräften zu verstehen ist es jedoch notwendig, auch die impliziten Wissensbestände und deren Wechselwirkungen mit struk‐ turellen Rahmenbedingungen in Augenschein zu nehmen. Dem widmet sich der nächste Abschnitt. 2.4 Forschung zur Professionalität und Professionalisierung von Fremdsprachenlehrkräften 51 <?page no="52"?> 43 In diesem Kontext hat sich die Forschungsgemeinschaft Rekonstruktive Fremdsprachenforschung gebildet, die sich neben der Förderung rekonstruktiv-praxeologischer Forschung in den Fremdspra‐ chendidaktiken insbesondere der Vernetzung von rekonstruktiv Forschenden sowie der Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses verschrieben hat (vgl. Die Forschungsgemeinschaft Rekonst‐ ruktive Fremdsprachenforschung, https: / / www.rekonstruktive-fremdsprachenforschung.de, zuletzt aufgerufen am: 03.04.2025) 2.4.3 Die Bedeutung impliziter Wissensbestände für das (professionelle) Handeln und die Professionalisierung von Fremdsprachenlehrkräften Im Gegensatz zur kompetenzorientierten Lehrer*innenforschung, die vom Primat des expliziten, theoretischen Wissens ausgeht (vgl. Kapitel 2.4.1), entwickelt sich in der Fremd‐ sprachendidaktik jüngst eine rekonstruktive Fremdsprachenlehrer*innenforschung 43 , die […] hinsichtlich der Strukturierung der Handlungspraxis von vornherein keiner der beiden Wis‐ sensformen einen Vorrang [einräumt], als vielmehr ihre Wechselwirkungen und unterschiedlichen Funktionen für die Professionalisierung und Professionalität von Lehrpersonen in den Blick [nimmt]. (Bonnet & Hericks 2019: 102: C.L.) Diese Forschungsrichtung widmet sich der Rekonstruktion der hinter der Handlungspraxis liegenden Strukturen und Logiken, ermöglicht einen Zugang zu den Relevanzsystemen von Lehrkräften und deckt in diesem Zusammenhang Mechanismen auf, die subsumtionslogi‐ scher Forschung verborgen bleiben (vgl. Bonnet 2020). Gerade für die Betrachtung von Professionalität und Professionalisierung von Fremdsprachenlehrkräften haben sich die Wechselwirkungen zwischen impliziten Wissensbeständen sowie organisationalen oder in‐ stitutionellen Strukturmerkmalen (z. B. Bildungsstandards, Curricula oder high-stakes-tes‐ ting) als bedeutsam erwiesen (vgl. z. B. Asbrand, Zeitler & Heller 2012; Zeitler, Heller & Asbrand 2013). Dem impliziten Wissen nimmt man sich jüngst vor allem in der Eng‐ lischdidaktik an und rekonstruiert die Handlungspraxis von Lehrkräften unterschiedlicher Lehrer*innenbildungsphasen (vgl. Bonnet & Hericks 2019, 2020; Gerlach 2020a; Püster 2021; Wilken 2021; Lüke 2024). Der bislang nur wenig beforschten zweiten Phase der deutschsprachigen Lehrer*innen‐ bildung widmet sich Gerlach (2020a) und fokussiert die Gestaltung der Ausbildungspraxis und -didaktik von Lehrkräftebildner*innen im fremdsprachendidaktischen Vorbereitungs‐ dienst. Hierbei rekonstruiert der Autor mittels Dokumentarischer Methode vier unter‐ schiedliche Typen der Gestaltung der Ausbildungspraxis. Als Ergebnis lässt sich festhalten, dass die befragten Ausbilder*innen ihre Ausbildungspraxis an strukturellen Zwängen des Vorbereitungsdienstes ausrichten, diese Zwänge habitualisieren und mit ihrem Handeln re‐ produzieren. Rekonstruiert werden demnach kollektive Erfahrungen und Orientierungen, die zeigen, dass das System Vorbereitungsdienst ein stark reproduzierendes und gleichzeitig deterministisches Potenzial aufweist (ebd.: 369). Weiterhin kann der Autor zeigen, dass die Art und Weise, wie Ausbilder*innen im Vorbereitungsdienst ihre Handlungspraxis gestalten, von den eigenen berufsbiographisch gewachsenen lehr- und lerntheoretischen Überzeugungen abhängt. Somit haben auch die individuellen Konstruktionen und Unter‐ richtskonzepte einen entscheidenden Einfluss auf das Handeln der Lehkräftebildner*innen. 52 2 Professionalität und Professionalisierung von (Englisch-)Lehrkräften <?page no="53"?> 44 Mentor*innen sind Lehrkräfte, welche an der Schule die Betreuung der Lehrkräfte im Vorbereitungs‐ dienst übernehmen und hierbei ihre Erfahrungen weitergeben. Je nach Bundesland können hiermit unterschiedliche Aufgaben verbunden sein. In Bezug auf die Frage nach der Bedeutung fachspezifischer Themen und Schwerpunktset‐ zungen für die Gestaltung der Ausbildungspraxis lässt sich feststellen, dass die befragten Lehrkräfte die Bedeutung fremdsprachendidaktischer Themen für ihre Handlungspraxis zwar explizit äußern, sich diese jedoch bei der Betrachtung der tiefenstrukturellen Ebene des Handelns nicht als relevant für die Ausbildungspraxis zeigen. Demnach wird die fach‐ spezifische Besonderheit der Disziplin von den Lehrkräftebildner*innen weder aufgegriffen noch bearbeitet (vgl. ebd.: 361). Der sich bei Gerlach (ebd.) zeigende Einfluss struktureller Zwänge auf das Handeln von Lehrkräftebildner*innen wird auch in der Studie von Bonnet & Hericks (2020) zum kooperativen Lernen im Englischunterricht deutlich. Auf Basis von episodischen Interviews können die Autoren rekonstruieren, dass die Handlungspraxis der von ihnen über drei Jahre begleiteten Englischlehrkräfte in erheblichem Maße von einer Durchprozessierung des Lehrwerks geprägt wird. Diese steht der Umsetzung und Durchführung kooperativer Lernformen im Englischunterricht im Weg. Bonnet und Hericks stellen die von den Lehrkräften als Verpflichtung wahr- und angenommene Orientierung an der Durcharbei‐ tung des Lehrwerks in einen Zusammenhang mit der Prüfungs- und Testorientierung des Gymnasiums. Dies führe dazu, dass die Lehrkräfte in ihrem Unterricht möglichst überprüfbares Wissen vermitteln, um die wahrgenommene Prüfungslast ökonomisch zu bewältigen (ebd.: 266). Analog zur oben skizzierten Studie von Gerlach (2020a) repro‐ duzieren die befragten Englischlehrkräfte demnach auch hier strukturelle Zwänge in Form von habitualisierten Handlungsroutinen, sodass eine Öffnung des Unterrichts für Innovationen, wie die Etablierung kooperativer Lernformen, kaum möglich erscheint (vgl. Bonnet & Hericks 2020: 405 ff.). In Bezug auf die Frage, wie Englischlehrkräfte dazu befähigt werden können, kooperative Lernformen in ihrem Unterricht ein- und umzusetzen und welche Wissensformen hierbei von Bedeutung sind, schlussfolgern die Autoren, dass explizites Wissen zwar die Basis für das Handeln bildet, jedoch nicht hinreichend ist. Ob und inwiefern Lehrkräfte kooperative Lernformen tatsächlich durchführen, „entscheidet sich auf der Basis ihres impliziten bzw. habitualisierten Wissens sowie in der Art und Weise, dieses Wissen zu ihren Identitätsnormen und potenziell damit konfligierenden Institutionsnormen ins Verhältnis zu setzen“ (ebd.: 431). Die sich bei Bonnet und Hericks zeigende Dominanz von wahrgenommenen instituti‐ ons- und organisationsbezogenen Normen und deren Einfluss auf die Handlungspraxis von (angehenden) Englischlehrkräften kann auch Püster (2021) rekonstruieren. In ihrer Dissertationsstudie fokussiert die Autorin die Gestaltung von Mentoringgesprächen in Praxisphasen der Lehrer*innenbildung und widmet sich der Frage, über welche Orientie‐ rungen angehende Englischlehrkräfte sowie Mentor*innen 44 des Fachs Englisch verfügen. Weiterhin wurde gefragt, welche Wissensbestände die jeweiligen Akteur*innen hierbei einbringen und wie sie diese Wissensbestände zu denen der anderen Gesprächsteilneh‐ mer*innen in Bezug setzen (vgl. ebd.: 234). Als eines der zentralen Ergebnisse der Studie kann festgehalten werden, dass sich institutionelle Rahmenbedingungen und Normen 2.4 Forschung zur Professionalität und Professionalisierung von Fremdsprachenlehrkräften 53 <?page no="54"?> 45 Püster führt für diese Art der Gestaltung von Mentoringgesprächen die Typen I „Pendant zu Unter‐ richtsbesuchen im Vorbereitungsdienst“ und II „Eintauchen in eine institutionelle Progressionslogik“ (Püster: 235) an. 46 Diese Handlungspraxis ist charakteristisch für die Typen III „Ort des Hinterfragens von Routinen“ sowie IV „Ort des gemeinsamen Abwägens“ (Püster 2021: 204). 47 Die Studie von Wilken (2021) spielt aufgrund ihrer thematischen Nähe sowie ihrer Verortung in der praxeologisch-wissenssoziologischen Professionsforschung eine bedeutende Rolle für die vorliegende Arbeit. Da Wilken mehrere Typenbildungen vornimmt und hierbei unterschiedliche Themenschwerpunkte betrachtet, werden die Ergebnisse der Studie erneut in Kapitel 3.4 bezogen auf den Umgang mit sprachlicher Heterogenität aufgegriffen. 48 Diese Umgangsweisen typisiert Wilken (2021) als einbeziehend (Typ I), instrumentalisierend (Typ II) und auslegend (Typ III). als bedeutende Faktoren für die Art und Weise herausstellen, wie Mentor*innen und Studierende miteinander über Englischunterricht sprechen und inwiefern diese Gespräche Professionalisierungsgelegenheiten darstellen (vgl. ebd.: 237). Püster rekonstruiert vier Typen von Mentoringgesprächen und diskutiert diese in Bezug auf ihre Funktionalität für die Professionalisierung von Lehrkräften. So erweisen sich Mentoringgespräche, in wel‐ chen wahrgenommene institutionelle Normen nicht hinterfragt und von den Gesprächs‐ teilnehmenden absolut gesetzt werden, sodass das eigene Handeln weder begründet noch hinterfragt wird, als wenig professionalisierungsförderlich 45 . Auch spielen bei diesen Typen die Lernprozesse der Schüler*innen im Gegensatz zur Progression im Lehrbuch bzw. zu einer möglichst guten Bewertung der Lehrperson eine untergeordnete Rolle (vgl. ebd: 235). Als funktional für die Professionalisierung von angehenden Lehrkräften rekonstruiert die Autorin Gespräche, in welchen Normen als prinzipiell verhandelbar gelten und in welchen es sowohl auf Seiten der Studierenden als auch auf Seiten der Mentor*innen zu einem Hinterfragen etablierter Routinen kommt 46 . Insbesondere das gemeinsame Abwägen und Aushandeln methodisch-didaktischer Entscheidungen erweist sich hierbei als besonders professionalisierungsförderlich. Püster zieht den Schluss, Studierende und Mentor*innen in Praxisphasen für die Bedeutung von Normen zu sensibilisieren. Hierfür schlägt sie die kasuistische Fallarbeit am fremden Fall vor (vgl. ebd.: 236). Wilken (2021) widmet sich in ihrer Dissertationsstudie dem Umgang berufstätiger Englischlehrkräfte mit mehrsprachigen Schüler*innen im Englischunterricht und nimmt hierbei mögliche Wechselwirkungen zwischen der Wahrnehmung bzw. der Konzeptuali‐ sierung von Mehrsprachigkeit und Professionalisierung in den Blick. 47 Analog zu den oben skizzierten Arbeiten kann auch Wilken rekonstruieren, dass sich die Art und Weise, wie Lehrkräfte mit wahrgenommenen institutions- und organisationsbezogenen Normen umgehen, auf deren Handlungspraxis (in diesem Fall dem Umgang mit Mehrsprachigkeit im Englischunterricht) sowie Professionalisierung auswirkt. Als zentrales Ergebnis arbeitet die Autorin den Einfluss der Korrektheitsnorm auf den Umgang mit Mehrsprachigkeit heraus und führt diese als Erklärung für die Frage an, weshalb Englischlehrkräfte trotz positiver Einstellungen und Haltungen zu Mehrsprachigkeit diese nicht systematisch in ihrem Unterricht berücksichtigen (vgl. ebd.: 192). Darüber hinaus zeigt sie anhand der Rekonstruktion von drei verschiedenen Umgangsweisen mit Mehrsprachigkeit 48 , dass weitere institutionelle Normen den Blick auf Mehrsprachigkeit und Diversität erschweren. Auch in Bezug auf die Frage, inwiefern die Auseinandersetzung mit der Mehrsprachig‐ 54 2 Professionalität und Professionalisierung von (Englisch-)Lehrkräften <?page no="55"?> 49 Die relationale Typenbildung stellt ein ergänzendes Verfahren der Dokumentarischen Methode dar, welche es ermöglicht, verschiedene Dimensionen individueller Orientierungen in ihrem Zu‐ sammenhang näher zu beleuchten und erklären zu können. Die relationale Typenbildung wurde von Nohl (2017) entwickelt und wird in jüngsten Arbeiten häufig im Zusammenhang mit einer mehrdimensionalen Typenbildung sowie als Alternative zu einer soziogenetischen Typenbildung durchgeführt (vgl. Jacob 2021, Püster 2021, Wilken 2021). Zu den Begriffen und Vorgehensweisen der dokumentarischen Typenbildungen vgl Kapitel 6.2.4. keit der Schüler*innen zur Auslösung von Professionalisierungsprozessen führt, kann Wilken den Einfluss von wahrgenommenen Normen verdeutlichen. Im Rahmen einer relationalen Typenbildung 49 bildet die Autorin zwei Typen des Umgangs mit Normen: angleichend und übernehmend. Die Lehrkräfte, welche dem Typ angleichend zugeordnet wurden, nehmen krisenhafte Situationen (wie sie beispielsweise durch den Umgang mit Mehrsprachigkeit ausgelöst werden können) zum Anlass, die eigenen Handlungsroutinen und Normvorstellungen zu hinterfragen sowie nach alternativen Handlungsmöglichkeiten zu suchen. Auch zeigt sich bei Lehrkräften dieses Typs eine Bereitschaft zur Anpassung des eigenen Handelns an die Schüler*innen sowie die Rahmenbedingungen der Einzelschule. Lehrkräfte des Typs übernehmend zeigen sich hingegen weniger adaptiv, behalten bewährte Handlungsmuster bei und ordnen sich den wahrgenommenen institutionellen und organi‐ sationalen Normen unter. Dementsprechend weisen Lehrkräfte des Typs übernehmend ein geringeres Professionalisierungspotenzial auf als die Lehrkräfte, die dem Typ angleichend zugeordnet wurden (vgl. ebd.: 169 ff.). Wilken zieht aus ihren Ergebnissen den Schluss, dass eine Auseinandersetzung mit der Korrektheitsnorm eine veränderte Wahrnehmung von Mehrsprachigkeit und damit Professionalisierungsprozesse anstoßen kann. Jedoch bedarf es hierfür einer habituellen Passung auf Seiten der Lehrkräfte sowie günstiger Rahmenbedingungen auf der Ebene der Schule (ebd.: 195). Vor diesem Hintergrund fordert die Autorin, in der Ausbildung von Lehrkräften einen stärkeren Fokus auf das Hinterfra‐ gen von Handlungspraktiken und Normalitätsvorstellungen zu legen. Weiterhin sollten Alteritäts- und Spracherwerbserfahrungen ermöglicht und in diesem Zusammenhang die Ungewissheitstoleranz der (angehenden) Lehrkräfte sukzessive erweitert werden (vgl. ebd.). Die in diesem Unterkapitel vorgestellten Studien zum impliziten Wissen von Fremd‐ sprachenlehrkräften haben gezeigt, dass das Lehrer*innenhandeln sowie deren Profes‐ sionalisierung in erster Linie nicht durch Einstellungen, Haltungen sowie explizites, theoretisches Wissen bestimmt werden. Vielmehr wirken das implizite Wissen und tief verankerte Erwartungserwartungen in Form von wahrgenommenen institutions- und or‐ ganisationsbezogenen Normen sowie der Umgang mit diesen als zentrale Einflussfaktoren. Demnach weisen die skizzierten Arbeiten nicht nur auf die Bedeutung der Betrachtung von impliziten Wissensbeständen hin, sondern vor allem auf die Wechselwirkungen zwischen implizitem und explizitem Wissen. Um dieses Zusammenspiel auch professionstheoretisch greif- und beschreibbar zu machen, haben Bonnet und Hericks (2019) unter Rückgriff auf die Wissenssoziologie Mannheims (1964) sowie die jüngsten Entwicklungen der Dokumentarischen Methode (vgl. Bohnsack 2014b, 2017) eine wissenssoziologisch-praxe‐ 2.4 Forschung zur Professionalität und Professionalisierung von Fremdsprachenlehrkräften 55 <?page no="56"?> 50 Die Theoriebildung findet derzeit verstärkt in der Englischdidaktik statt (vgl. Bonnet & Hericks 2019). Darüber hinaus lassen sich Arbeiten aus der Sportdidaktik (vgl. Pallesen 2018) sowie eine fächervergleichende Studie zwischen Mathematik, Deutsch und Kunst finden (vgl. Wagener 2019). 51 Bonnet und Hericks (2019) fassen unter explizites Wissen sowohl Orientierungsschemata im Sinne der Dokumentarischen Methode (vgl. Kapitel 6), wie z. B. „Wissen über das ‚Funktionieren’ und die Gestaltung von Vermittlungs- und Aneignungsprozessen […], professionsethisches Wissen über die ‚eigentliche’ professionelle Aufgabe gegenüber den anvertrauten Schülerinnen und Schülern, Wissen über institutionelle und organisationale Zusammenhänge, Ressourcen und Grenzen“ (ebd.: 119). Ebenso zählen die Autoren wahrgenommene Institutions- und Identitätsnormen zu explizitem Wissen. 52 Dem Zusammenspiel zwischen expliziten und impliziten Wissensbeständen von berufserfahrenen Englischlehrkräften im Kontext einer Fortbildung zur Kritischen Fremdsprachendidaktik nimmt sich jüngst auch die Arbeit von Lüke (2024) an. Die Autorin fokussiert primär die Professionalität von Englischlehrkräften sowie die handlungsleitenden Orientierungen der von ihr befragten Lehrkräfte, die deren Handlungspraxis nach einer Fortbildung zur Kritischen Fremdsprachendidaktik struktu‐ rieren. Ausgewählte Ergebnisse der Studie werden in Kapitel 8 aufgegriffen. ologische Professionstheorie 50 ausgearbeitet. Diese ist „auf die empirische Rekonstruktion der alltäglichen Praxis von Lehrerinnen und Lehrern ausgerichtet“ und zielt darauf ab, „das für professionalisiertes Lehrerhandeln relevante Wissen und dessen Herkunft [zu] bestimmen“ (ebd.: 118; C.L.). Als bedeutsam für die Bestimmung von Professionalität sowie Professionalisierung hat sich die Rekonstruktion des Spannungsverhältnisses zwischen den Habitūs von Lehrkräften sowie den von ihnen wahrgenommenen Normen erwiesen (vgl. hierzu auch Kapitel 6.2.5). Im Fokus steht damit das Zusammenspiel von impliziten und expliziten Wissensbeständen 51 , da sich hieran die „Dynamik von Professionalisierung und die Komplexität von Professionalität zeigen“ (ebd.: 119) lässt. Laut Bonnet und Hericks (ebd.) erweist sich Professionalität darin, dass a. Lehrkräfte in ihrem Handeln bewusst auf explizites Wissen, wie z. B. Spracherwerbs‐ theorien zurückgreifen und ihr Handeln an diesen ausrichten, b. explizites Wissen als nicht funktional für die eigene Handlungspraxis wahrgenommen und entsprechend zurückgewiesen wird, c. wahrgenommene Normen angenommen werden, weil sie sich für das eigene Handeln als funktional erweisen, d. wahrgenommene Normen aufgrund ihrer mangelnden Passung für die eigene Hand‐ lungspraxis zurückgewiesen werden. Die vorliegende Arbeit knüpft an die hier skizzierten Überlegungen an und nimmt diese als Basis für die Betrachtung von Professionalisierungsprozessen von Englischlehrkräften im Rahmen einer Lehrkräftefortbildung. Da es sich beim Umgang mit kultureller und sprachlicher Heterogenität um ein normativ besetztes Thema handelt (vgl. Kapitel 3), welches das Potenzial hat, die Handlungspraxis von Fremdsprachenlehrkräften, und damit deren implizites Wissen, zu irritieren (vgl. z. B. Wilken 2021), werden Wechselwirkungen zwischen expliziten und impliziten Wissensbeständen bedeutsam 52 . Es geht darum zu klären, welche expliziten und impliziten Wissensbestände für die Handlungspraxis von Englischlehrkräften im Umgang mit kultureller und sprachlicher Heterogenität relevant werden und wie sie zu den durch die Fortbildung herangetragenen Normen in Bezug gesetzt werden. Weiterhin liegt der Fokus auf der Betrachtung potenzieller Veränderungen in der 56 2 Professionalität und Professionalisierung von (Englisch-)Lehrkräften <?page no="57"?> Wahrnehmung von und der habituellen Bezugnahme auf Normen. Dem wird in Kapitel 7.5 nachgegangen. Im folgenden Abschnitt wird das dieser Arbeit zugrundeliegende Verständnis von Professionalisierung basierend auf den bis hierhin skizzierten Professionstheorien und Erkenntnissen aus der fremdsprachendidaktischen Lehrer*innenforschung zugespitzt. 2.5 Synthese: Konkretisierung der professionstheoretischen Perspektive in Bezug auf die Professionalisierung von Englischlehrkräften Wie aus dem bis hierhin Dargestellten deutlich geworden ist, werden Professionalität und Professionalisierung von (Fremdsprachen-)Lehrkräften innerhalb der jeweiligen Bestim‐ mungsansätze unterschiedlich konzeptualisiert. Auch im fremdsprachen-didaktischen Dis‐ kurs bedient man sich bei der Betrachtung der Professionalität und der Professionalisierung von Fremdsprachenlehrkräften verschiedener Konstrukte und misst hierbei den eingangs eingeführten Wissensebenen (vgl. Kapitel 2.2) eine unterschiedliche Bedeutung bei. So folgt die empirische Bildungsforschung vornehmlich einem kompetenztheoretischen Be‐ stimmungsansatz und nimmt in erster Linie explizite, theoretische Wissensbestände in den Blick. Mittels mehrheitlich quantitativer Zugänge sowie standardisierter und hypothesen‐ prüfender Verfahren werden das Professionswissen von (Fremdsprachen-)Lehrkräften und diesbezügliche Kompetenzen operationalisiert, modelliert und messbar gemacht. Im Fokus steht die Wirkung dieses professionellen Wissens sowie der professionellen Kompetenzen auf den Unterricht und damit auf das Lernen der Schüler*innen. Wie sich anhand der Darstellung des Forschungsstandes zum Umgang mit kultureller und sprachlicher Hetero‐ genität zeigen wird (vgl. Kapitel 3.4), existieren bisher jedoch erst wenige Erkenntnisse bezüglich der Frage, wie berufsroutinierte Englischlehrkräfte mit kulturell und sprachlich heterogenen Schüler*innen in ihrem Unterricht umgehen. Auch fehlt es an Arbeiten, welche die handlungsleitenden, impliziten Wissensbestände von Englischlehrkräften im Umgang mit diesem Themenfeld in den Blick nehmen. Eine Modellierung der für diesen Umgang notwendigen Kompetenzen bzw. des erforderlichen expliziten Wissens ist demnach nicht sinnvoll für die vorliegende Arbeit. Um den Fragen nachzugehen, wie berufsroutinierte Englischlehrkräfte mit kultureller und sprachlicher Heterogenität umgehen und wie sie sich im Umgang mit den sich ihnen stellenden Anforderungen in Bezug auf dieses Handlungsfeld im Rahmen einer Lehrkräf‐ tefortbildung professionalisieren (können), bedarf es der Einnahme einer prozess- und entwicklungsorientierten Perspektive, wie sie sich im berufsbiographischen Ansatz findet. So können individuelle Auseinandersetzungsprozesse mit den Fortbildungsinhalten sowie Entwicklungsverläufe der teilnehmenden Lehrkräfte rekonstruiert werden, in welchen sich Professionalität aufbaut, weiterentwickelt oder gegebenenfalls auch verloren wird (vgl. Bonnet & Hericks 2019). Da in dieser Arbeit berufsroutinierte Englischlehrkräfte im Fokus stehen, die im Rahmen der ersten beiden Phasen der Lehrer*innenbildung bereits Erfahrungswissen und Handlungsroutinen im Umgang mit ihren berufsbezogenen Anforderungen ausgebildet sowie diesbezügliche Überzeugungen und Einstellungen ent‐ 2.5 Synthese: Konkretisierung der professionstheoretischen Perspektive 57 <?page no="58"?> 53 Mit dem Begriff des Erfahrungsraums werden in dieser Arbeit gedachte Räume sozialer Interaktion verstanden, an welchen Akteur*innen teilhaben, die bestimmte, strukturgleiche Wissensbestände miteinander teilen (vgl. Mannheim 1980; Bohnsack 2017). Der Begriff wird in Kapitel 5.1.3 hinsicht‐ lich seiner methodologischen Bedeutung ausgeführt. 54 Wilken (2021: 48 f.) arbeitet die Antinomien des Lehrberufs nach Helsper (2016) exemplarisch bezogen auf den professionellen Umgang mit mehrsprachigen Schüler*innen aus. Hieran wird in der vorliegenden Arbeit angeknüpft, wenngleich die Identifizierung und Überprüfung der Antinomien nicht im Fokus stehen. wickelt haben, sind ferner die Berufsbiographien sowie die (berufsbezogenen) Habitus der Lehrkräfte in den Blick zu nehmen. Zudem ist auch der Umgang mit Ungewissheit und Krisen, wie er im strukturtheoreti‐ sche Ansatz fokussiert wird, relevant für das professionelle Handeln berufsroutinierter Englischlehrkräfte im Umgang mit kultureller und sprachlicher Heterogenität. Dies ergibt sich aus den vielfältigen und komplexen sprachlichen sowie kulturellen Hintergründen und den hiermit verbundenen heterogenen Lernvoraussetzungen und Bedürfnissen der Lernenden. Gleichzeitig gehören die Lernenden einer Vielfalt an sprachlichen und kul‐ turellen Erfahrungsräumen 53 an bzw. fühlen sich diesen zugehörig (vgl. hierzu Kapitel 3.2). Diese Erfahrungsräume und das hierauf bezogene erfahrungsraumspezifische Wissen müssen jedoch nicht zwangsläufig mit der Lehrkraft geteilt werden, was ein Offenhalten der Antinomien des Lehrberufs 54 sowie die Reflexion der Grenzen des eigenen Wissens notwendig macht (vgl. Helsper 2002, 2021). Hiermit verbunden ist die Entwicklung von Ungewissheitstoleranz, welche vor allem in strukturtheoretisch orientierten Arbeiten als bedeutsam für das professionelle Lehrer*innenhandeln sowie den Umgang mit Heteroge‐ nität und Innovationen erachtet wird (vgl. Trumpa & Greiten 2016; Bosse et al. 2017; Faix 2020; Wilken 2022). Mit Ungewissheitstoleranz wird im Anschluss an Faix (2020: 61) ein Personenmerkmal verstanden, „das interindividuelle Unterschiede in der Wahrnehmung und Bewertung ungewisser, unstrukturierter, unvollständiger, in sich widersprüchlicher oder mehrdeutiger Situationen beschreibt“. Wie anhand der oben dargestellten fremdsprachendidaktischen Arbeiten deutlich wurde, sind auch die formalen und strukturellen Rahmenbedingungen des Lehrer*innenhandelns stärker in den Blick zu nehmen. Lehrkräfte sind als Angehörige der Institution Schule in deren strukturellen Rahmen eingebunden. Demnach wirken formale, institutionelle und bildungspolitische Vorgaben, wie z. B. Curricula, Schulordnungen oder normative Erwartungen, auf das Handeln von Lehrkräften ein und beeinflussen dieses. Inwiefern diese Strukturen als ermöglichend oder hemmend für den Umgang mit kultureller und sprachli‐ cher Heterogenität wahrgenommen werden und wie die Lehrkräfte ihren Unterricht im Umgang mit diesen Strukturen gestalten, ist eine empirisch zu klärende Frage. Diese wird im Diskussionskapitel dieser Arbeit aufgegriffen (vgl. Kapitel 8). Vor dem Hintergrund des bis hierhin Dargestellten wird in der vorliegenden Arbeit im Anschluss an Wilken (2021) eine berufsbiographische und strukturtheoretische Perspektive auf die Betrachtung der Professionalität und Professionalisierung von berufsroutinierten Englischlehrkräften eingenommen. Aus dieser gewählten Perspektive wird Professiona‐ lität in der vorliegenden Arbeit mit Helsper (2018) als die sachgerechte Handhabung der berufsbezogenen Spannungen bzw. der oben genannten Antinomien des Lehrer*in‐ 58 2 Professionalität und Professionalisierung von (Englisch-)Lehrkräften <?page no="59"?> 55 Im Rahmen der KomBest-Studie zur Professionalisierung von Lehrkräften im Berufseinstieg nehmen die Autor*innen eine längsschnittliche Perspektive auf Professionalisierung ein und fokussieren Veränderungs- und Stabilisierungsprozesse bezüglich der Handlungspraxis der Lehrkräfte. Diese Prozesse deuten sie als „dynamische Ausdrucksgestalten potenzieller Professionalisierungsprozesse“ (Wittek et al. 2020: 299; H.i.O.). nenhandelns verstanden, in deren Zuge sich die Lehrkräfte im Handlungsfeld Schule positionieren, situativ angemessene und fallbezogene Entscheidungen treffen sowie im Rahmen der Anforderungen des systemisch-organisatorischen Handlungskontexts ihre Autonomie sichern. Dies schließt einen reflektierten Umgang mit Unsicherheit sowie eine Auseinandersetzung mit den eigenen Selbst- und Weltverhältnissen ein, sodass „auch eigene ideale Ziele, normative Entwürfe und Orientierungen einer Relativierung und Geltungsüberprüfung“ (ebd.: 128) unterzogen werden können. Mit der Betrachtung von Professionalität verbunden ist eine normative Sichtweise auf das Handeln sowie die Habitūs von Lehrkräften, mit welcher danach gefragt wird, „inwieweit sie [die Habitūs der Lehrkräfte] den Anforderungen an eine professionelle Handlungspraxis entsprechen“ (ebd.: 129; C.L.). Um zu untersuchen, inwiefern berufsrouti‐ nierte Englischlehrkräfte professionell mit den Anforderungen umgehen, die sich ihnen im Umgang mit kultureller und sprachlicher Heterogenität stellen, gilt es, diese Anforderungen sowie die hierauf bezogene Handlungspraxis der Lehrkräfte zunächst zu rekonstruieren. Erst im Anschluss hieran kann diese Handlungspraxis durch eine normative Brille als professionell oder nicht-professionell bewertet werden. Dies ist jedoch nicht Gegenstand der vorliegenden Arbeit. Betrachtet wird demnach nicht die Professionalität von berufsrou‐ tinierten Englischlehrkräften als vielmehr deren Professionalisierung. Letztere wird als lebenslanger berufsbiographischer Prozess der Wahrnehmung, Deu‐ tung und Bearbeitung von allgemeinen, unterrichtssowie fachbezogenen Handlungsan‐ forderungen verstanden, „in deren Zuge sich vorhandene Kompetenzen und Orientierun‐ gen weiterentwickeln, ausdifferenzieren und transformieren“ (Bonnet & Hericks 2014b: 88). Fokussiert werden Veränderungs- und Stabilisierungsprozesse in der Wahrnehmung und Bearbeitung berufsbezogener Anforderungen sowie handlungsleitender Wissensbestände von Englischlehrkräften, die sich in einer Fortbildung zum Umgang mit kultureller und sprachlicher Heterogenität rekonstruieren lassen. Diese Prozesse werden im Anschluss an Wittek et al. (2020) als potenzielle Professionalisierungsprozesse  55 gefasst, womit deutlich gemacht wird, „dass nicht jede Veränderung und Stabilisierung einer Handlungspraxis per se bereits professionalisierend ist.“ (Wittek et al. 2020: 299). Mit diesem Verständnis von Professionalisierung sowie der gewählten strukturtheore‐ tisch-berufsbiographischen Rahmung rücken demnach sowohl explizite als auch implizite Wissensbestände der Lehrkräfte in den Blick. Damit schließt die vorliegende Arbeit an ak‐ tuelle Überlegungen hinsichtlich des Verhältnisses dieser Wissensebenen sowie deren Rele‐ vanz für das Handeln von Lehrkräften an. Auch wird die im Lehrer*innenforschungsdiskurs herausgearbeitete Bedeutung der Bearbeitung von Spannungsverhältnissen zwischen ex‐ pliziten und impliziten Wissensbeständen für die Professionalität und Professionalisierung von Lehrkräften in den Blick genommen (vgl. Rauschenberg & Hericks 2018; Bonnet & Hericks 2019; Bohnsack 2020). Die Bedeutung dieses Spannungsverhältnisses für den Kontext der vorliegenden Arbeit wird in Kapitel 5.1.4 näher ausgeführt. Erst wenn diese 2.5 Synthese: Konkretisierung der professionstheoretischen Perspektive 59 <?page no="60"?> Spannungsverhältnisse von den Lehrkräften wahrgenommen und als solche angenommen werden, können sie von diesen in Form von Professionalisierung bearbeitet werden (vgl. hierzu auch Wilken 2021). Nachdem nun die grundlegenden professionstheoretischen Annahmen sowie das Ver‐ ständnis von Professionalisierung dieser Arbeit dargelegt wurden, wird im folgenden Kapitel auf das Thema kulturelle und sprachliche Heterogenität geblickt, welches den Gegenstand der Professionalisierung von Englischlehrkräften darstellt und anhand dessen Professionalisierungsprozesse rekonstruiert werden. 60 2 Professionalität und Professionalisierung von (Englisch-)Lehrkräften <?page no="61"?> 56 Im Folgenden wird von Dimensionen im Sinne von Beschreibungselementen des Heterogenitätsbe‐ griffs gesprochen. Aspekte meinen demgegenüber Merkmalsausprägungen im Zusammenhang mit Schüler*innen- oder Lerngruppenklassifikationen. 3 Sprachliche und kulturelle Heterogenität Ziel dieses Kapitels ist es, sprachliche und kulturelle Heterogenität als zentrale Hand‐ lungsfelder des Fremdsprachenunterrichts sowie der Professionalisierung von berufsrou‐ tinierten Englischlehrkräften herauszustellen. Weiterhin geht es darum, diesbezügliche Anforderungen an das unterrichtliche Handeln der Lehrkräfte sowie die Lehrkräftebildung abzuleiten. Hierbei werden sprachliche und kulturelle Heterogenität als zwei der zahlrei‐ chen Dimensionen 56 eines Heterogenitätsbegriffes aufgefasst, welcher in erster Linie aus den deutschsprachigen Diskursen der Erziehungswissenschaften und der Schulpädagogik hervorgegangen ist. Um sowohl das Verständnis von sprachlicher und kultureller Heterogenität, wie es dieser Arbeit zugrunde liegt, nachvollziehen als auch den fremdsprachendidaktischen Heterogenitätsdiskurs besser einordnen zu können, wird sich dem Thema Heterogenität zunächst aus einer allgemeinen, schulpädagogischen Perspektive angenähert und das He‐ terogenitätsverständnis dieser Arbeit dargelegt (vgl. Kapitel 3.1). In einem nächsten Schritt werden hierauf aufbauend die beiden Heterogenitätsdimensionen ‚Sprache‘ und ‚Kultur‘ fokussiert sowie deren Relevanz für die vorliegende Arbeit aus einer fremdsprachendidak‐ tischen Perspektive dargestellt (vgl. Kapitel 3.2). Anschließend wird das dieser Arbeit zugrunde gelegte Verständnis von sprachlicher Heterogenität beschrieben (vgl. Kapitel 3.2.1). Weiterhin werden zentrale Ansätze zum Umgang mit sprachlicher Heterogenität dargelegt und erste Anforderungen an das Handeln sowie die Professionalisierung von Fremdsprachenlehrkräften hieraus abgeleitet (vgl. Kapitel 3.2.2). In einem nächsten Schritt wird die Heterogenitätsdimension ‚Kultur‘ fokussiert und das dieser Arbeit zugrunde gelegte Kulturverständnis dargestellt (vgl. Kapitel 3.2.3). Im Anschluss hieran werden die zentralen kulturdidaktischen Konzepte zum Umgang mit Kultur und kultureller He‐ terogenität im Fremdsprachenunterricht skizziert (vgl. Kapitel 3.2.4). Weiterhin werden ausgewählte bildungspolitische Dokumente in den Blick genommen, um einerseits deren Darstellung von sprachlicher und kultureller Heterogenität zu verdeutlichen (vgl. Kapitel 3.3). Andererseits werden hieraus Anforderungen an Fremdsprachenlehrkräfte und deren Unterrichtspraxis herausgearbeitet, die als potenzielle Orientierungsfolie für das Handeln der Lehrkräfte fungieren können. In einem letzten Schritt wird eine empirische Perspektive auf die Heterogenitätsdimensionen ‚Sprache‘ und ‚Kultur‘ eingenommen und ein Überblick über den aktuellen fremdsprachendidaktischen Forschungsstand gegeben (vgl. Kapitel 3.4). Hierbei liegt der Schwerpunkt vor allem auf der Lehrer*innenperspektive sowie auf Erkenntnissen bezüglich deren Wahrnehmungen, Haltungen (vgl. Kapitel 3.4.1) und der konkreten Handlungspraxis im Umgang mit kultureller und sprachlicher Heterogenität im Fremdsprachenunterricht (vgl. Kapitel 3.4.2). Das Kapitel schließt mit der Ableitung von Gelingensbedingungen sowie Hinderungsgründen für den Einbezug von kultureller und sprachlicher Heterogenität in den Fremdsprachenunterricht (vgl. Kapitel 3.4.3). <?page no="62"?> 57 Auch in den Programmen der Qualitätsoffensive Lehrerbildung spiegelt sich die Bedeutung des Themas Heterogenität insbesondere im Zusammenhang mit der Professionalisierung von Lehrkräf‐ ten wider (vgl. hierzu die Projektkarte der Qualitätsoffensive Lehrerbildung: https: / / www.quali taetsoffensive-lehrerbildung.de/ SiteGlobals/ Forms/ lehrerbildung/ projektkarte/ projektkarte_formul ar.html? nn=297658&cl2LanguageEnts_Schlagwort=heterogenitaet-inklusion; zuletzt aufgerufen am 03.04.2025). 58 Reformpädagogische Ansätze fokussieren mit ihrer ‚Pädagogik vom Kinde aus‘ die individuelle Entwicklung, Bedürfnisse sowie Interessen des Kindes und fordern im Kontext von Schule einen wertschätzenden und konstruktiven Umgang mit der Individualität der Lernenden. So soll Unter‐ schiedlichkeit als Ausgangspunkt und nicht als Problem pädagogischer bzw. schulischer Praxis betrachtet werden (vgl. Prengel 1995; von der Groeben 2008; vgl. zusammenfassend Trautmann & Wischer 2011). 3.1 Der Heterogenitätsbegriff und seine Dimensionen: Eine begriffliche Annäherung Heterogenität beschreibt ein vielschichtiges Phänomen, welches insbesondere durch die Veröffentlichung international vergleichender Schulleistungsstudien (wie z. B. PISA, TIMSS oder IGLU) sowie durch die deutsche Ratifizierung der United Nations Convention on the Rights of Persons with Disabilities (vgl. UN 2006) zu einem zentralen und vieldisku‐ tierten Thema sowohl in wissenschaftlichen als auch (bildungs-)politischen Diskursen avanciert ist (für einen Überblick zum erziehungswissenschaftlichen bzw. schulpädagogi‐ schen Heterogenitätsdiskurs vgl. Trautmann & Wischer 2011; Budde 2012; Sturm 2016; Bohl et al. 2017; Hummrich 2019; zur fremdsprachendidaktischen Auseinandersetzung mit Heterogenität vgl. Bongartz & Rohde 2015; Doff 2016; Burwitz-Melzer et al. 2017; Chilla & Vogt 2017) 57 . Während man Schule lange Zeit als „homogenisierende Institution“ (Budde 2015) betrachtete, scheint sich Heterogenität inzwischen als neue „Leitkategorie“ (Schroeder 2007) zu etablieren, sodass aktuell von einer „Heterogenitätsorientierung“ (Budde 2015) der deutschen Schule gesprochen wird, in deren Kontext die je individuelle Zusammensetzung von Heterogenitätsdimensionen bei den Lernenden hervorgehoben und als positive Orientierung stärker akzentuiert wird. Dies wird vor allem in reformpädago‐ gischen Diskursen deutlich, in welchen das Individuum und dessen Lernvoraussetzungen und -bedürfnisse ins Zentrum pädagogischen Handelns gerückt werden 58 . Daneben wird in Heterogenitätsdebatten häufig auch auf Prengels ‚Pädagogik der Vielfalt‘ (vgl. Prengel 1995) als Referenzrahmen rekurriert, welcher neben der Wertschätzung und Akzeptanz von Unterschieden insbesondere politische, demokratie- und gerechtigkeitstheoretische Fragen und damit die Auseinandersetzung mit Bildungs- und Chancengleichheit in den Mittelpunkt rückt (vgl. Trautmann & Wischer 2011, 2020). Bezogen auf das Handlungsfeld Schule und Unterricht lässt sich keine einheitliche und konsensuelle Definition des Heterogenitätsbegriffs ausmachen. Dies liegt zum einen an den zahlreichen Disziplinen, die an der wissenschaftlichen Heterogenitätsdiskussion beteiligt sind und mit unterschiedlichen Schwerpunktsetzungen, Interessen und theoreti‐ schen Bezügen auf das Thema blicken (für einen Überblick vgl. Trautmann & Wischer 2020). Zum anderen wird Heterogenität häufig mit ähnlich gelagerten Begriffen wie Diversität bzw. Diversity, Vielfalt, Inklusion oder aber Intersektionalität in Zusammenhang gebracht oder synonym hierzu verwendet, was nicht zu begrifflicher Eindeutigkeit oder Klärung beiträgt. Heterogenität wird so zu einem „Containerbegriff “ (Budde 2012), einem 62 3 Sprachliche und kulturelle Heterogenität <?page no="63"?> 59 Hiermit verbunden ist immer auch ein Bezug zum „Feld der Macht“ (Bourdieu 1992), da mit Hilfe eines Maßstabs nicht nur Unterschiedlichkeiten oder Gleichheiten, sondern immer auch Abstände oder Homologien von Personen, Personengruppen, Elementen, Artefakten o.Ä. festgestellt werden. Die Unterschiedlichkeit drückt sich folglich in unterschiedlicher Nähe zum Maßstab aus und evoziert damit Bewertungen, wobei die Gefahr besteht, geringere Abstände zum Maßstab als automatisch ‚besser‘ zu bewerten als größere Abstände. Dies gilt es zu reflektieren (vgl. Budde 2015: 23 f.). 60 Der Begriff des Tertium Comparationis wird in dieser Arbeit auch im Kontext der Typenbildung verwendet und bezeichnet das gemeinsame Dritte, welches den komparativen Vergleich strukturiert (vgl. hierzu Kapitel 6.2.4) „Catch-all-Konzept“ (Trautmann & Wischer 2011) sowie zu einem „pädagogischen Mo‐ debegriff“ (Katzenbach 2007), welcher verschiedene Positionen, Ziele und Erwartungen aufnimmt, ohne jedoch ein einheitliches Verständnis davon hervorzubringen, „in welchen theoretischen Kontexten dieses Konzept verankert werden soll“ (Koller et al. 2014: 10). Dem Heterogenitätsbegriff kann man sich jedoch anhand von vier Merkmalen annähern, die in der Forschungsliteratur als konstruktiv erachtet und auch für das Heterogenitätsver‐ ständnis dieser Arbeit zugrunde gelegt werden. Diese sind Relativität, soziale Konstruktion, sozial-kulturelle Eingebundenheit und Partialität (vgl. Prengel 2006; Wenning 2007; Lang et al. 2010; Sturm 2016). Grundsätzlich bezieht sich Heterogenität auf Unterschiede bzw. Differenzen, die in Bezug auf mindestens zwei Aspekte oder Eigenschaften miteinander verglichen und mit Hilfe eines Maßstabs, der an die zu vergleichenden Aspekte angelegt wird, beschreibbar gemacht werden (vgl. ebd.: 15) 59 . Heterogenität und analog hierzu auch Homogenität können folglich nur in Bezug auf ein Anderes, d. h. in Relation zu einem Tertium Comparationis  60 , bestimmt werden. Innerhalb dieses Vergleiches ist Heterogenität kein objektiv gegebenes Faktum, sondern ein Konstrukt, welches in sozialer Interaktion hergestellt und von außen - etwa von Beobachter*innen - zugeschrieben wird (vgl. Trautmann & Wischer 2011). Die Maßstäbe eines solchen Vergleiches hängen von indivi‐ duellen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen ab und sind damit wandelbar. Hiermit sei auch auf die sozial-kulturelle Eingebundenheit von Heterogenität und den in diesem Zusammenhang stattfindenden Vergleichen verwiesen, denn letztere sind niemals neutral, sondern stets von den Bedeutungen, Rahmenbedingungen und Normen des Kontexts abhängig: „Die Vergleiche werden aus einer Perspektive heraus vorgenommen, die durch spezifische kulturelle und soziale Bedeutungen gekennzeichnet ist, in denen die Ergebnisse mit positiverer oder negativerer Bedeutung (Wenning 2008, 6) bzw. mit Rangordnungen und Hierarchien (Prengel 2006, 34) verbunden sind“ (Sturm 2016: 17). Demnach hängen die Wahrnehmungen und Einschätzungen einer Lehrkraft in Bezug auf eine Lerngruppe beispielsweise von deren Kontext, den Rahmenbedingungen und Normen von Schule und Unterricht sowie den eigenen Einstellungen zu Unterschieden ab, welche wiederum sozial und kulturell geprägt sind (vgl. ebd.). Das Merkmal Partialität weist darauf hin, dass es sich bei Heterogenität um eine mehr oder weniger bewusst vorgenommene, momentane Zustandsbeschreibung handelt, die sowohl zeitlich als auch räumlich begrenzt ist. So kann die sprachliche bzw. leistungsbezogene Heterogenität einer Klasse beispielsweise abneh‐ men, indem Lernende durch das Lernen von Englischvokabeln ihren Englischwortschatz verbessern und sich damit die Relation zwischen den verglichenen Merkmalen verändert (hier der je unterschiedliche Wortschatz von Lernenden innerhalb einer Klasse). Darüber hinaus kann ein Vergleich aber auch durch veränderte Heterogenitätswahrnehmungen 3.1 Der Heterogenitätsbegriff und seine Dimensionen: Eine begriffliche Annäherung 63 <?page no="64"?> seitens der Lehrkräfte beeinflusst werden. So können letztere beispielsweise durch den aktuellen Heterogenitätsdiskurs für bestimmte Dimensionen, wie z. B. Behinderung oder unterschiedliche Familiensprachen, sensibilisiert werden, während andere Dimensionen eher in den Hintergrund rücken. Welche Heterogenitätsdimensionen mit ihren dazugehörigen Aspekten im Handlungs‐ feld Schule und Unterricht für das Lernen sowie die Leistungen von Schüler*innen als konstitutiv erachtet werden, ist - wie der Heterogenitätsbegriff selbst - keineswegs eindeutig. So existieren eine Vielzahl an Auflistungen und Kategorisierungen von Di‐ mensionen und Aspekten, nach welchen Lernendengruppen als heterogen klassifiziert werden (vgl. ebd.: 40 f.). In der aktuellen Heterogenitätsdebatte wird sich hier meist auf Dimensionen wie kognitive Leistungsfähigkeit (z. B. Intelligenz, fachliche Leistungen, Lernbehinderungen), Kultur bzw. ethnische Zugehörigkeiten, sozio-ökonomische (z. B. häusliche Arbeitsbedingungen, Familienstruktur, Wohnverhältnisse), sozio-kulturelle (z. B. Gender, Migration, Religion, Sozialschicht), gesundheits- und körperbezogene (z. B. kör‐ perliche oder gesundheitliche Einschränkungen und Befindlichkeiten), personenbezogene und psychische (z. B. individueller Entwicklungsstand, Alter, Interessen, Disziplin) so‐ wie sprachliche Heterogenität (z. B. Familien- und Herkunftssprachen sowie schulisch erworbene Fremdsprachen) bezogen (Alter 2017: 124 f; vgl. auch Trautmann & Wischer 2011). Damit erscheint Heterogenität zunächst als etwas, das durch die Lernenden, von außen in Schule und Unterricht hineingetragen wird. Hierbei besteht jedoch die Gefahr, Unterschiede als personale Eigenschaften des Individuums zu verstehen und dabei zu missachten, dass Heterogenität sowohl in der als auch durch die Schule selbst produziert wird. Dies geschieht etwa durch didaktische Arrangements, wie z. B. individualisierende Konzepte, jahrgangsübergreifenden oder adaptiven Unterricht, in welchen die Fähigkeit zur Selbststeuerung zum zentralen Differenzierungskriterium wird (z. B. schnelle und weniger schnelle Schüler*innen). Weiterhin wird Heterogenität durch die Leistungsordnungen und -konzepte der Institution Schule hervorgehoben, indem „in Praktiken der sozialen Kon‐ struktion von Leistung im Unterricht soziale Differenzen in Leistungskategorisierungen konvertiert und darin als soziale Differenzen reinszeniert werden“ (Rabenstein et al. 2015: 247). Auch kann Heterogenität durch die Einstellungen von Lehrkräften zu Unterschieden sowie deren Heterogenitätswahrnehmungen konstruiert werden. Dies wird beispielsweise darin deutlich, das Lehrkräfte Schüler*innen mit Migrationshintergrund binär als Fremde konstruieren, die den unterrichtlichen Anforderungen in der Wahrnehmung der Lehrkräfte aufgrund dieser Zuschreibung nicht bzw. nur bedingt gerecht werden können (vgl. Budde 2017; vgl. auch Kapitel 3.4.1). Wie oben beschrieben, wird der Heterogenitätsbegriff im wissenschaftlichen Diskurs häufig in Zusammenhang mit ähnlichen Begriffen, wie z. B. Diversity bzw. Diversität, Intersektionalität und Inklusion gebracht. Um das Heterogenitätsverständnis dieser Arbeit weiter auszuschärfen und zu begründen, wird der Begriff der Heterogenität im Folgenden von diesen verwandten Begriffen abgegrenzt. Bei Diversity handelt es sich in erster Linie um einen Begriff, der im Kontext der Sozialen Arbeit diskutiert wird und aus internationalen Diskursen stammt (vgl. Mecheril & Plößer 2011). Anwendung findet er vor allem im Kontext von Personalentwicklung und betriebs‐ wirtschaftlichen Management- und Steuerungsstrategien (vgl. z. B. Gather-Thurler 2006; 64 3 Sprachliche und kulturelle Heterogenität <?page no="65"?> Klappenbach 2009; Kimmelmann 2010). Im Fokus stehen insbesondere die Leistungssteige‐ rung und Optimierung von Organisationen und pädagogischen Zielgruppen. Weiterhin verweist Diversity auf einen (bildungs-)politischen Diskurs, der zwar, ebenso wie Hetero‐ genität, auf Differenzen und die Unterschiedlichkeit von Lernendengruppen verweist. Allerdings spielen hierbei politische bzw. ideologische Forderungen nach Chancengleich‐ heit, sozialer Anerkennung und der Vermeidung von Diskriminierung eine stärkere Rolle. Demnach geht es nicht nur um die Wertschätzung von Unterschiedlichkeit, sondern vor allem um eine Kritik an gesellschaftlichen Strukturen, „die soziale Identitäten und Zuge‐ hörigkeiten erst hervorbringen und mit unterschiedlichen Ressourcenzugängen verbinden“ (Walgenbach 2021: 44; vgl. hierzu auch Hormel & Scherr 2004). Der Diversitätsbegriff, der häufig synonym zu Diversity verwendet wird, ist nicht mit spezifischen Theorietraditionen verbunden und geht auch nicht mit einem konkreten pädagogischen Konzept einher (vgl. Walgenbach 2021). Der Begriff wird daher als besonders geeignet betrachtet, einen analytischen und neutralen Blick auf Differenz einzunehmen. Demgegenüber wird jedoch kritisiert, dass Diversität sowohl theoretisch als auch historisch und methodologisch un‐ terbestimmt ist (vgl. ebd.). Vor diesem Hintergrund wird für den Kontext der vorliegenden Arbeit nicht auf diesen Begriff zurückgegriffen. Der Begriff der Intersektionalität stammt aus der Geschlechterforschung sowie der Critical Race Theory und rekurriert insbesondere auf Arbeiten des Black Feminism (Wal‐ genbach 2007: 27-40; Knapp 2008: 34-36). Thematisch wird hier die Analyse von und die Auseinandersetzung mit Wechselbeziehungen und Überschneidungen von sozialen Macht-, Herrschaftssowie Normierungsverhältnissen bzw. Heterogenitätsdimensionen, wie z. B. Migrationshintergrund, Ethnizität, soziales Milieu, Nation, Geschlecht oder Behinderung sowie den hiermit einhergehenden sozialen Positionierungen, vorgenommen. Damit versucht Intersektionalität eindimensionale und additive Perspektiven auf soziale Ungleichheit und das simultane Zusammenwirken von Machtverhältnissen bzw. sozialen Positionierungen zu überwinden (vgl. Walgenbach 2021: 50). Darauf weist auch die US-ame‐ rikanische Juristin Kimberlé Crenshaw hin, die den Begriff Intersectionality einführte, um auf das Zusammenwirken unterschiedlicher Diskriminierungsformen aufmerksam zu machen. Letztere wirken nicht einzeln für sich und können dementsprechend nicht einfach zusammengezählt werden. Vielmehr steht die gegenseitige Beeinflussung dieser Diskrimi‐ nierungsformen im Vordergrund, wodurch sich neue Formen der Diskriminierung bilden können (vgl. Crenshaw 2013). Die Bedeutung von Intersektionalität sowie die besondere Situation, die sich durch das gleichzeitige Auftreten unterschiedlicher Diskriminierungs‐ merkmale ergibt, bringt Crenshaw (2013: 40) mit ihrer Metapher einer Straßenkreuzung auf den Punkt, bei welcher sich die Diskriminierungslinien race und gender kreuzen: Nehmen wir als Beispiel eine Straßenkreuzung, an der der Verkehr aus allen vier Richtungen kommt. Wie dieser Verkehr kann auch Diskriminierung in mehreren Richtungen verlaufen. Wenn es an einer Kreuzung zu einem Unfall kommt, kann dieser von Verkehr aus jeder Richtung verursacht worden sein - manchmal gar von Verkehr aus allen Richtungen gleichzeitig. In der Auseinandersetzung mit Intersektionalität kommt es demzufolge nicht nur darauf an, mehrere Heterogenitätsdimensionen in der Analyse von Diskriminierung bzw. Macht- und Herrschaftsverhältnissen zu berücksichtigen, sondern insbesondere deren Wechselbe‐ 3.1 Der Heterogenitätsbegriff und seine Dimensionen: Eine begriffliche Annäherung 65 <?page no="66"?> 61 Wie Gerlach und Schmidt (2021) in ihrem systematischen Review zum Stand der deutschsprachi‐ gen Fremdsprachenforschung zu den Themen Heterogenität, Diversität und Inklusion darlegen, besitzt die Diskussion um Inklusion mindestens zwei Interpretationsebenen: Die erste Ebene zielt auf ein enges Verständnis von inklusiver Beschulung ab und bezieht sich insbesondere auf die Integration von Schüler*innen mit psychischen oder physischen (Lern-)Behinderungen. Die zweite Ebene fokussiert ein weites Inklusionsverständnis, welches insbesondere einschränkende Strukturen des Systems Schule fokussiert und diese in Verbindung mit einer Vielfalt an unterschiedlichen Lernvoraussetzungen von Schüler*innen zu bringen versucht, „welche nicht notwendigerweise mit der Diagnose sonderpädagogischer Förderschwerpunkte einhergehen müssen.“ (ebd.: 12). 62 Lüttenberg (2010) unterscheidet zwischen Herkunfts- und Familiensprachen. Erstere beziehen sich auf die Standardvarietäten der Herkunftsregion. Letztere meinen die in Familien gesprochenen ziehungen bzw. Wechselwirkungen in den Blick zu nehmen. Zwar hat sich die theoretische Debatte um den Intersektionalitätsbegriff breit ausdifferenziert, jedoch existieren gerade im Kontext von Schule noch Schwierigkeiten in der empirischen Fundierung (vgl. Budde 2021). Auch hat sich der Begriff im fremdsprachendidaktischen Diskurs nicht durchgesetzt, weshalb in der vorliegenden Arbeit auf die Verwendung des Begriffs verzichtet wird. Während Heterogenität und Diversity bzw. Diversität sozial konstruierte Tatsachen beschreiben, die jedoch nicht zwangsläufig zu einer veränderten Gestaltung von Schule und Unterricht führen müssen, setzt das Konzept der Inklusion genau an dieser Stelle an und forciert die Gestaltung einer diskriminierungsfreien und demokratischen Schule (vgl. Klippel 2017: 114; vgl. auch Sturm 2016). Dieser normative Anspruch an Schule und Unterricht wird durch die Ratifizierung der UN-Behindertenrechtskonvention (vgl. UN 2009) hervorgehoben, in welcher das Recht auf den gemeinsamen Unterricht aller Schüler*innen verankert ist (vgl. ebd.: Art. 24). Hiermit wird […] der bildungspolitische Anspruch an Teilhabe auf allen gesellschaftlichen Ebenen artikuliert und mit der Forderung nach Abbau von gesellschaftlichen Barrieren insbesondere für Menschen mit Behinderungen verknüpft. Inklusion meint in dieser Sichtweise den Prozess der organisatio‐ nalen Umsetzung bildungspolitischer Ansprüche in Schule und Unterricht. Im pädagogisch-prak‐ tischen Zentrum der Aufmerksamkeit steht entsprechend die gemeinsame Beschulung von Schülerinnen und Schülern mit und ohne Behinderungen. (Budde 2017: 23) Auch in der Fremdsprachendidaktik wird Inklusion zunehmend vor dem Hintergrund der Ermöglichung von fremdsprachlichen Lernprozessen und dem Zugang zu entsprechenden Lernangeboten für Lernende mit unterschiedlichen Lernvoraussetzungen betrachtet (für einen Überblick über fachdidaktische Forschungsschwerpunkte zum Thema Inklusion vgl. Gerlach & Schmidt 2021). In diesem Zusammenhang spielt nicht nur die Integration von Schüler*innen mit physischen oder psychischen Behinderungen eine Rolle (enges Inklusionsverständnis 61 ), sondern es werden weitere Faktoren, die das Lernen von Fremd‐ sprachen im schulischen Kontext beeinflussen können, in den Blick genommen (weites Inklusionsverständnis). Bei der Analyse bzw. der Feststellung unterschiedlicher Lern- und Entwicklungsvoraussetzungen von Schüler*innen können die oben genannten Dimensio‐ nen von Heterogenität hilfreich sein. Im Zuge des Inklusionsdiskurses werden besonders Aspekte wie Lese-Rechtschreib-Schwierigkeiten, Aufmerksamkeitsschwierigkeiten, sozio‐ ökonomische Faktoren, geschlechtliche Identität oder aber die Familienbzw. Herkunfts‐ sprachen der Schüler*innen 62 , die sich von der dominanten Landessprache unterscheiden, 66 3 Sprachliche und kulturelle Heterogenität <?page no="67"?> Sprachen, die wiederum eine Varietät der Herkunftssprachen sein können. In der vorliegenden Arbeit wird auf die Bezeichnung L1, L2, L3 etc. zurückgegriffen, um die Erwerbsreihenfolge von Sprachen deutlich zu machen und diese nicht an Herkunft und familiäre Hintergründe zu binden. berücksichtigt (vgl. ebd.). Besonders die Einbindung von Herkunfts- und Familiensprachen wird gemeinsam mit den Sprachlern- und kulturellen Erfahrungen von Schüler*innen als wesentlich für die Gestaltung eines inklusionsförderlichen Fremdsprachenunterrichts betrachtet (vgl. Bongartz & Rohde 2015; Elsner 2015; Burwitz-Melzer et al. 2017). In der vorliegenden Arbeit wird Heterogenität ausgehend von einer sozial-konstruk‐ tivistischen Perspektive betrachtet, wonach Unterschiede in sozialer Interaktion und Aushandlung konstruiert werden. Gleichzeitig gerät Heterogenität jedoch auch in Form von individuellen Voraussetzungen und Ressourcen in den Blick, was in Kapitel 3.2 mit Fokus auf die Heterogenitätsdimensionen Kultur und Sprache weiter ausgeführt wird. Damit wird sich von Positionen abgegrenzt, denen zufolge Differenzen primär aufgrund von Dispositionen bestehen und damit als im Individuum angelegt sowie durch dieses in Schule und Unterricht getragen aufgefasst werden (vgl. Sturm 2016). Obwohl Begriffe wie Diversity bzw. Diversität häufig mit positiveren Konnotationen als der Heterogenitätsbegriff verbunden sind (vgl. Georgi 2015; Collenberg 2020), wird in der vorliegenden Arbeit dennoch durchgängig der Begriff der Heterogenität verwendet. Dies geschieht zum einen vor dem Hintergrund der langen Tradition des Begriffs in der deutschsprachigen Heterogenitätsdebatte, da der Diversity Begriff häufig im Kontext von internationalen Heterogenitätsdiskursen Anwendung findet. Zum anderen bildet die Analyse von und Kritik an gesellschaftlichen und politischen Strukturen, wie sie dem Diversity-Begriff inhärent sind, nicht den Fokus dieser Arbeit. Zwar richtet sich diese Arbeit ausdrücklich gegen Diskriminierung und Ausgrenzung und nimmt eine kritische Haltung gegenüber Strukturen und Handlungsweisen ein, welche diese begünstigen. Gerade weil es jedoch bisher wenig Forschung zum Umgang von Englischlehrkräften mit Heterogenität gibt (vgl. hierzu auch Kapitel 3.4), liegt der Fokus in einem ersten Schritt auf der Rekonstruktion von schulischer und unterrichtlicher Praxis, um so potenziell diskriminierende Strukturen aufzudecken und damit in einem zweiten Schritt reflektier- und bearbeitbar zu machen. Weiterhin geht es in dieser Arbeit neben der Rekonstruktion von Handlungspraxis auch um die Analyse des Spannungsverhältnisses zwischen Norm(en) und den Habitūs der Lehrkräfte, in welches der Umgang mit kultureller und sprachlicher Heterogenität eingebunden ist. Auch hierfür wird der Heterogenitätsbegriff als besonders geeignet erachtet. Dies lässt sich vor allem mit seiner (bildungs-)politischen Einbindung begründen, wodurch dem Heterogenitätsbegriff immer auch eine normative Ebene inhärent ist, die in Curricula, Bildungsstandards sowie bildungspolitischen Leitlinien ihren Ausdruck findet (vgl. KMK 2015; vgl. Kapitel 3.3) und mit hohen Erwartungen und Anforderungen an Schule, (Fremdsprachen-)Unterricht sowie das Handeln der Lehrkräfte verbunden ist. Über die Konfrontation der Lehrkräfte mit dem Begriff der Heterogenität im Rahmen der Interviewgespräche lässt sich rekonstruieren, wie sie diesen auslegen, welche Normen und Anforderungen sie in Bezug auf ihr unterrichtliches Handeln wahrnehmen und in welchen Spannungsverhältnissen sie sich hierbei sehen (vgl. Kapitel 8). Letztlich erfolgt die Begriffsverwendung mit einer positiven Haltung und hebt mit der Fokussierung der beiden 3.1 Der Heterogenitätsbegriff und seine Dimensionen: Eine begriffliche Annäherung 67 <?page no="68"?> 63 Der GeR nutzt an dieser Stelle den Begriff der Muttersprache. Dieser wird in der vorliegenden Arbeit nicht verwendet, um Zuschreibungen zu vermeiden. Stattdessen wird die Erwerbsreihenfolge von Sprachen fokussiert, die mit den Bezeichnungen L1, L2, L3 usw. angezeigt wird. Demnach bezeichnet L1 die Erstsprache, L2 die Zweitsprache, L3 die Drittsprache usw. (vgl. auch Kapitel 1). Heterogenitätsdimensionen Kultur und Sprache die Verwobenheit und Zusammenhänge der einzelnen Dimensionen untereinander hervor. Angesichts der Vielfalt an Heterogenitätsdimensionen wird es als nicht sinnvoll erach‐ tet, alle bis hierhin angeführten Heterogenitätsdimensionen sowie deren Bedeutung für den Fremdsprachenunterricht und die Professionalisierung von Englischlehrkräften zu betrachten. Vor diesem Hintergrund wird sich im Folgenden auf kulturelle und sprachliche Heterogenität fokussiert, wohlwissend, dass mit dieser Schwerpunktsetzung eine begriff‐ liche Engführung einhergeht und andere, für den Fremdsprachenunterricht und dessen Gestaltung ebenfalls bedeutsame Dimensionen in den Hintergrund geraten. Um im Laufe dieser Arbeit die Fragen bearbeiten zu können, wie berufsroutinierte Englischlehrkräfte mit kultureller und sprachlicher Heterogenität umgehen und wie sie sich im Umgang mit diesen Heterogenitätsdimensionen professionalisieren können (vgl. Kapitel 4), widmet sich der folgende Abschnitt nun der Begründung der Relevantsetzung sowie der Definition der beiden Heterogenitätsdimensionen Kultur und Sprache. 3.2 Sprachliche und kulturelle Heterogenität als Handlungsfelder im Englischunterricht Sprachliche und kulturelle Heterogenität sind zum einen Ausgangspunkte des Englisch‐ unterrichts. Im Sinne der Förderung von Mehrsprachigkeit und kulturellem Lernen (vgl. hierzu Kapitel 3.2.4) rücken die Heterogenitätsdimensionen auf der anderen Seite jedoch auch als zentrale Ziele des Englischunterrichts in den Fokus. Angesichts der sich dynamisch verändernden Lebenswelten im Zuge von Globalisierung, zunehmender Mobilität sowie Migrations- und Fluchtbewegungen ergibt sich die Notwen‐ digkeit, besonders im Englischunterricht Kompetenzen zu vermitteln, die diesen Lebens‐ welten gerecht werden und die Lernenden dazu befähigen, sich in ihnen zurechtzufinden. Vor diesem Hintergrund postuliert die EU-Sprachenpolitik das Ziel der Förderung der individuellen Mehrsprachigkeit, demzufolge die Bürger*innen Europas zusätzlich zur L1 63 mindestens zwei (Fremd-)Sprachen (M+2) erwerben sollen. In diesem Zusammenhang wird die zentrale Rolle des Fremdsprachenunterrichts hervorgehoben, der zur Erreichung dieses Ziels beitragen soll. In diesem geht es nicht mehr nur um die Förderung von funktionalen Kompetenzen in Bezug auf die zu erlernende Fremdsprache sowie um die Vermittlung von Wissen über Kulturen (vgl. Doff & Schulze Engler 2011; vgl. auch König, Schädlich & Surkamp 2022a). Auch können die Bedingungen des Aufwachsens in pluralistischen, diversifizierten und damit heterogenen Gesellschaften, die hierin gesammelten Erfahrun‐ gen sowie das Wissen der Lernenden nicht länger als binäre Konstellation zwischen dem ‚Selbst‘ und dem ‚Anderen‘ begriffen werden (vgl. ebd.). Vielmehr rücken durch Globali‐ sierungs- und Pluralisierungstendenzen der Gesellschaft vor allem die Verwobenheit und Vernetzung von Kulturen in den Mittelpunkt. Gleichzeitig bedeutet dies, dass auch das 68 3 Sprachliche und kulturelle Heterogenität <?page no="69"?> Ziel der fremdsprachlichen Diskursfähigkeit, welche die Lernenden zur kommunikativen Teilhabe an gesellschaftlichen Diskursen befähigen soll, auch im Kontext des Englisch‐ unterrichts nicht mehr nur ausgehend von und bezogen auf die Zielsprache Englisch gedacht werden kann (vgl. Hallet 2008, 2012; Dausend 2018). Im Sinne der Schaffung von lebensweltlich relevanten Aushandlungsprozessen im Fremdsprachenunterricht gilt es, Schüler*innen mit denjenigen kommunikativen, kulturbezogenen und methodischen Kompetenzen auszustatten, die es ihnen ermöglichen, in mehrsprachigen und kulturell vielfältigen Handlungssituationen zu agieren und sie so „zu kommunikationsfähigen und damit offenen, toleranten und mündigen Bürgern in einem zusammenwachsenden Europa zu erziehen“ (KMK 2003: 6). Die Relevanz der Auseinandersetzung mit kultureller und sprachlicher Heterogenität ergibt sich jedoch nicht nur auf inhaltlicher Ebene bzw. hinsichtlich der Ziele des Englisch‐ unterrichts. Vielmehr werden kulturelle und sprachliche Heterogenität vor allem auf der Ebene der Lernenden konstruiert. Diese haben im Zuge ihrer Sozialisation in den oben beschriebenen Lebenswelten vielfältige und je unterschiedliche kulturelle und sprachliche Erfahrungen gemacht sowie sprachliches Wissen auf unterschiedlichen Kompetenzniveaus erworben. Im Sinne eines heterogenitätsbewussten Fremdsprachenunterrichts sowie in Bezug auf die Bildungsziele der Förderung von Mehrsprachigkeit und der Befähigung zur gesellschaftlichen Teilhabe gilt es, die heterogenen Lernvoraussetzungen und -bedürfnisse der Lernenden als Potenziale und Bereicherung für den Fremdsprachenunterricht zu nutzen und den Schüler*innen aufzuzeigen, wie sie ihre bereits vorhandenen Kompetenzen und ihr erworbenes Wissen gewinnbringend für das Erlernen weiterer Sprachen nutzen können (vgl. Hu 2004; Jakisch 2015; Gerlach & Vogt 2021). Die Berücksichtigung der individuellen und heterogenen sprachlichen und kulturellen Ausgangslagen wird damit zu einem bedeutenden Qualitätsmerkmal des Fremdsprachenunterrichts (vgl. Kropp 2017; Elsner et al. 2020). Im Fokus der vorliegenden Arbeit stehen die kulturelle und sprachliche Heterogenität der Lernenden im Sinne von unterschiedlichen sprachlichen und kulturellen Ressourcen, die von den Schüler*innen in den Englischunterricht mitgebracht werden und ein entsprechen‐ des Handeln auf Seiten der Lehrkräfte erfordern (vgl. hierzu Kapitel 3.3). In Rückbindung an das Heterogenitätsverständnis dieser Arbeit ergibt sich die Heterogenität an dieser Stelle nicht allein aufgrund der Tatsache, dass Lernende über vielfältiges sprachliches und kulturelles Wissen und Können sowie über zahlreiche diesbezügliche Erfahrungen verfü‐ gen. Vielmehr werden kulturelle und sprachliche Heterogenität im Kontext von Schule und Unterricht konstruiert, etwa indem Leistungsunterschiede zwischen Schüler*innen mit und ohne Migrationshintergrund verglichen und in diesem Zusammenhang oftmals aus einer defizitorientierten Perspektive betrachtet werden (vgl. Hummrich 2009; Budde 2020). Weiter zu präzisieren bleibt, was konkret unter kultureller und sprachlicher Heterogenität verstanden wird und welche Bezugstheorien und Konzepte hiermit verbunden sind. Um in dieser Arbeit rekonstruieren zu können, welche Bedeutung kulturelle und sprach‐ liche Heterogenität für das Handeln und die Professionalisierung von Englischlehrkräften haben, wird im Folgenden zunächst das Begriffsverständnis der Heterogenitätsdimensio‐ nen Sprache (Kapitel 3.2.1) und Kultur (Kapitel 3.2.2) dargelegt und deren Verortung im fachdidaktischen Diskurs beschrieben. So kann zum einen die inhaltliche Konzeption der 3.2 Sprachliche und kulturelle Heterogenität als Handlungsfelder im Englischunterricht 69 <?page no="70"?> 64 In Kenntnis der inzwischen als überholt geltenden Dichotomie zwischen dem ‚Erwerb‘ und dem ‚Erlernen‘ von Fremdsprachen wird in der vorliegenden Arbeit auf ebenjene Begrifflichkeiten zurückgegriffen, um die Unterschiede zwischen der ‚lebensweltlichen‘ im Gegensatz zur ‚institutio‐ nellen‘ Mehrsprachigkeit deutlich zu machen. In diesem Sinne wird der Begriff des Spracherwerbs in Bezug auf die lebensweltliche Mehrsprachigkeit für informelle, ungesteuerte und eher implizite Sprachaneignungsprozesse genutzt. Lernen bezieht sich dagegen auf die gesteuerte, explizite und in formellen Kontexten stattfindende Aneignung von Sprachen und wird im Zusammenhang mit institutioneller Mehrsprachigkeit verwendet (vgl. auch Jakisch 2015). Lehrer*innenfortbildung, die sich mit diesen Heterogenitätsdimensionen beschäftigt und den empirischen Untersuchungsrahmen dieser Arbeit bildet, nachvollzogen werden. Zum anderen dienen die nachfolgenden Ausführungen der Einordnung und Diskussion der in dieser Arbeit rekonstruierten handlungsleitenden Wissensbestände sowie potenzieller Professionalisierungsprozesse der befragten Englischlehrkräfte im Umgang mit diesen Heterogenitätsdimensionen. Der Linearität des inhaltlichen Aufbaus dieser Arbeit folgend, werden sprachliche und kulturelle Heterogenität in den folgenden Ausführungen getrennt voneinander betrachtet. Im Sinne des Heterogenitätsverständnisses dieser Arbeit sowie der Annahme, dass Kultur und Sprache in einem engen Zusammenhang stehen, wird jedoch von einer Verwobenheit dieser beiden Heterogenitätsdimensionen ausgegangen, die in den folgenden Darstellungen stets mitgedacht wird. 3.2.1 Sprachliche Heterogenität Mit dem Begriff der sprachlichen Heterogenität bezieht sich diese Arbeit auf sämtliche sprachliche Ressourcen, die von den Lernenden in den Englischunterricht eingebracht werden. Hierbei kann es sich sowohl um die im schulischen Kontext erlernten 64 Fremd‐ sprachen als auch um diejenigen Sprachen handeln, die in familiären bzw. lebensweltlichen Kontexten erworben wurden. In der Forschung wird dieses Verständnis von sprachlicher Heterogenität häufig mit dem Begriff der Mehrsprachigkeit in Verbindung gebracht, woran sich in der vorliegenden Arbeit angeschlossen wird (vgl. z. B. Elsner et al. 2020; García & Reimann 2020). Dies geschieht weiterhin vor dem Hintergrund der Anschlussfähigkeit des Begriffs an die Mehrsprachigkeitsdidaktik, welche mit ihren Ansätzen zur Berücksich‐ tigung der sprachlichen Ressourcen der Schüler*innen einen inhaltlichen Bestandteil der in dieser Arbeit begleiteten Fortbildung bildet (vgl. Kapitel 3.2.2; vgl. auch Kapitel 4). Das Konzept der Mehrsprachigkeit hat sich z. B. in der Linguistik, den Erziehungs‐ wissenschaften, aber insbesondere auch in der Fremd- und Zweitsprachendidaktik zu einem wichtigen Forschungsgegenstand entwickelt und wird zunehmend im Hinblick auf die Bedeutung sowie die Berücksichtigung von Herkunftssprachen im Unterricht diskutiert (vgl. Hu 2017; García & Reimann 2020). Wie der Heterogenitätsbegriff umfasst auch der Mehrsprachigkeitsbegriff verschiedene Bedeutungsdimensionen und erweist sich dementsprechend als vielschichtig (vgl. Aronin 2019). In einer ersten Näherung lässt sich Mehrsprachigkeit mit dem Vorhandensein bzw. der Verwendung von unterschiedlichen Sprachen beschreiben und kann analytisch in eine gesellschaftliche (multilingualism) sowie eine individuelle (plurilingualism) Ebene differenziert werden (vgl. Europarat 2001: 17; Companion Volume 2018: 28). Gesellschaftliche Mehrsprachigkeit meint die Koexistenz 70 3 Sprachliche und kulturelle Heterogenität <?page no="71"?> 65 Dies wird in der Literatur häufig auch als symmetrische Mehrsprachigkeit bezeichnet (vgl. Grosjean 2010). verschiedener Sprachen in einer Gesellschaft, in Organisationen oder Institutionen, die oftmals eher additiv nebeneinander bestehen. Ein Beispiel hierfür ist die Schweiz, die mit Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch insgesamt vier Amtssprachen besitzt. Ebenso zählt der Europarat mit seinen Amtssprachen Englisch und Französisch sowie den Arbeitssprachen Deutsch, Italienisch und Russisch zu dieser Form von Mehrsprachigkeit. Individuelle Mehrsprachigkeit meint demgegenüber die „Kenntnis einer Anzahl von Sprachen“ (Europarat 2001: 17) und bezieht sich auf die Fähigkeit eines Individuums, sich in mehr als einer Sprache ausdrücken und kommunikativ handeln zu können. Der Erwerb dieser Sprachen kann auf unterschiedliche Art und Weise und in unterschiedlichen Kontexten erfolgen, sodass sich individuelle Mehrsprachigkeit nochmals in institutionelle und lebensweltliche Mehrsprachigkeit untergliedern lässt. Institutionelle Mehrsprachigkeit umfasst demzufolge all jene Sprachen, die ein Individuum bspw. in schulischen Kontexten wie dem Fremdsprachenunterricht erlernt. Der Begriff der lebensweltlichen Mehrsprachig‐ keit meint dagegen die in außerschulischen Kontexten erworbenen Sprachen, wie z. B. Herkunftsbzw. Familiensprachen. Daneben werden mit dem Begriff der lebensweltlichen Mehrsprachigkeit aber auch Sprachen gefasst, die ein Kind im Kindergarten, auf dem Spielplatz oder aber im Urlaub erwirbt. Charakteristisch für diese Sprachen ist es, dass sie sich in ihrem Verwendungskontext, der Häufigkeit ihres Gebrauchs sowie hinsichtlich der vorhandenen Kompetenzniveaus in den Fertigkeitsbereichen (Lesen, Sprechen, Schreiben, Hören etc.) unterscheiden können (vgl. Elsner et al. 2020). Der Europarat fasst diese Vielschichtigkeit des Spracherwerbs- und -gebrauchs von mehrsprachigen Individuen mit dem Konzept des plurilingualen Repertoires, in welchem sämtliche Sprachen und kulturellen Ressourcen eines Individuums gespeichert und mitein‐ ander vernetzt sind: Diese Sprachen und Kulturen werden aber nicht in strikt voneinander getrennten mentalen Bereichen gespeichert, sondern bilden vielmehr gemeinsam eine kommunikative Kompetenz, zu der alle Sprachkenntnisse und Spracherfahrungen beitragen und in der die Sprachen miteinander in Beziehung stehen und interagieren. In verschiedenen Situationen können Menschen flexibel auf verschiedene Teile dieser Kompetenz zurückgreifen, um eine effektive Kommunikation mit einem bestimmten Gesprächspartner zu erreichen. (Europarat 2001: 17) Mit diesem Konzept wird der Dynamik und Prozesshaftigkeit des sprachlichen und kulturellen Wissens Rechnung getragen und anerkannt, dass sich dieses stets verändern sowie an unterschiedliche Kommunikationssituationen angepasst werden kann. Auch wird das Individuum als soziale*r Akteur*in in einer mehrsprachigen und kulturell vielfältigen Gesellschaft in den Mittelpunkt gestellt (vgl. Busch 2013; vgl. auch Hu 2018). Ein derarti‐ ges Verständnis von Mehrsprachigkeit wendet sich gegen Vorstellungen, denen zufolge eine Person erst dann als mehrbzw. zweisprachig bezeichnet wird, wenn sie in ihren erworbenen bzw. gelernten Sprachen über ein möglichst vergleichbares Kompetenzniveau 65 verfügt, welches demjenigen von L1-Sprecher*innen entspricht. Diese Vorstellungen waren gerade in den Anfängen der Mehrsprachigkeitsforschung Konsens und mit dem Konzept 3.2 Sprachliche und kulturelle Heterogenität als Handlungsfelder im Englischunterricht 71 <?page no="72"?> 66 Gemeint sind hier jene Spracherwerbsprozesse, die ungesteuert und meist unbewusst, d.-h. implizit in alltäglichen kommunikativen Situationen stattfinden. der Bilingualität bzw. Zweisprachigkeit verbunden. Hier stand der simultane, natürliche 66 Erwerb zweier Sprachen in der Kindheit sowie die Betrachtung linguistischer Kompetenz‐ niveaus im Fokus, die meist anhand von monolingualen Bewertungsmaßstäben bestimmt wurden. Die aktuelle Mehrsprachigkeitsforschung betrachtet Bilingualität als Sonderform von Mehrsprachigkeit und grenzt sich damit in Teilen von der Bilingualismusforschung ab (vgl. Busch 2013; Hu 2017; Aronin 2019). Dem Phänomen Mehrsprachigkeit wird sich stattdessen aus einer holistischen Perspektive angenähert, denn “[n]icht Perfektion, sondern die Fähigkeit, kommunikative und interkulturelle Situationen konstruktiv zu bewältigen, wird zum Kriterium für mehrsprachige Kompetenz.“ (Hu 2017: 246; C.L.; vgl. auch Grosjean 2020). Dieses dynamische und holistische Verständnis von Mehrsprachigkeit bzw. sprachlicher Heterogenität wirft die Frage auf, wie Lehrkräfte mit den vielfältigen sprachlichen Res‐ sourcen der Lernenden im Fremdsprachenunterricht umgehen und diese für das (weitere) Fremdsprachenlernen nutzen können. Hiermit befasst sich der nächste Abschnitt. 3.2.2 Ansätze zum Umgang mit sprachlicher Heterogenität im Fremdsprachenunterricht Die holistische Konzeption von Mehrsprachigkeit macht deutlich, dass die Schüler*innen über vielfältige und je individuelle kulturelle und sprachliche Erfahrungen verfügen, die ein Potenzial für das (weitere) (Fremd-)Sprachenlernen darstellen können. So wird auf Grund‐ lage der aktuellen Mehrsprachigkeitsforschung davon ausgegangen, dass mehrsprachige Individuen über erhöhte (meta-)linguistische und (meta-)kognitive Fähigkeiten verfügen, die das Lernen weiterer Sprachen erleichtern können (vgl. Swain et al. 1990; Hufeisen & Marx 2007; De Angelis 2011; Bredthauer & Engfer 2016). Vor allem lebensweltlich mehrsprachigen Schüler*innen werden potenzielle Vorteile gegenüber primär einsprachig sozialisierten Schüler*innen zugeschrieben (vgl. Bialystock 2005; Poarch & Bialystock 2017). Diese Vorteile können sich jedoch nur dann entfalten, wenn die Ressourcen der Lernenden auch als solche von den Lehrkräften wahrgenommen und im Fremdsprachen‐ unterricht entsprechend genutzt werden. Möglichkeiten zur Nutzung der sprachlichen Ressourcen der Lernenden im Fremdspra‐ chenunterricht bietet die Mehrsprachigkeitsdidaktik. Letztere wird als Überbegriff für verschiedene Ansätze bzw. Unterrichtsprinzipien verwendet, deren gemeinsames Ziel die Förderung der Mehrsprachigkeit der Schüler*innen - sowohl in ihrer lebensweltlichen als auch institutionellen Dimension - ist. Fokussiert wird der Aufbau einer - im Sinne des Europarates - integrativen kommunikativen Kompetenz, zu welcher alle Sprachen und Sprachlernerfahrungen der Schüler*innen beitragen (vgl. ebd. 2001: 17). Aufgrund der Annahme, dass Lernen stets auf Basis von bereits vorhandenen Wissensbeständen und Erfahrungen stattfindet und neue Lerninhalte an diese anknüpfen, wird das sprachliche Vorwissen der Lernenden als zentrale Einflussgröße für fremdsprachliche Aneignungspro‐ zesse betrachtet (vgl. Jakisch 2015: 44). Demnach wird in mehrsprachigkeitsdidaktischen 72 3 Sprachliche und kulturelle Heterogenität <?page no="73"?> 67 Die genannten Verfahren werden unter das Konzept der ‚Pluralen Ansätze‘ gefasst (vgl. Candelier et al. 2012; vgl. auch Mélo-Pfeifer & Reimann 2018). Ansätzen nicht nur die Kompetenzentwicklung in der zu unterrichtenden Fremdsprache angestrebt. Vielmehr werden die Schüler*innen über die Nutzung von interlingualen Trans‐ fers dazu befähigt, verbindende Elemente zwischen den jeweiligen Sprachen zu erkennen und diese systematisch für ihre (weiteren) Spracherwerbs- und -lernprozesse zu nutzen. So können Synergieeffekte genutzt und das Sprachenlernen effektiviert werden (vgl. Neveling 2013: 97 f.). Damit stellen mehrsprachigkeitsdidaktische Ansätze grundsätzlich lerner*in‐ nenorientierte Ansätze dar, die über die Vermittlung von Sprachlernstrategien sowie die Förderung von Sprachlernbewusstheit auf eine größtmögliche Lerner*innenautonomie zielen. Ferner können die Schüler*innen hierdurch auf das lebenslange Sprachenlernen vorbereitet und zur Teilhabe an einer sich stetig wandelnden und komplexer werdenden Welt befähigt werden. Basierend auf diesen Grundannahmen haben sich in Deutschland für den Fremdspra‐ chenunterricht verschiedene mehrsprachigkeitsdidaktische Ansätze mit je unterschiedli‐ chen Schwerpunkten herauskristallisiert. Diese sind die Interkomprehension (z. B. Hufeisen & Marx 2014), „éveil aux langues/ awakening to languages“ (z. B. Candelier 2004), die Tertiärsprachendidaktik (z. B. Neuner 2004) sowie Bestrebungen zur Erarbeitung und Umsetzung einer integrativen Sprachdidaktik (z. B. durch die Entwicklung eines Gesamt‐ sprachencurriculums, vgl. Hufeisen 2011) 67 . Der Ansatz der Interkomprehension ist das in Deutschland am weitesten verbreitete mehrsprachigkeitsdidaktische Konzept, welches in erster Linie für die romanischen Spra‐ chen ausgearbeitet wurde (vgl. Meißner u. a. 1995). Hieran schlossen sich Erweiterungen für die germanischen (vgl. u. a. Hufeisen & Marx 2007) sowie die slawischen Sprachen an (vgl. u. a. Mehlhorn 2011). Der Fokus dieses Ansatzes liegt auf der Herstellung von interlingualen Transfers sowie der Bewusstmachung von Gemeinsamkeiten zwischen typologisch verwandten Sprachen (z. B. bezogen auf Wortschatz und Grammatik). Über die Nutzung von Vergleichsstrategien, die sich auf die Rezeption von mündlichen und schriftlichen Texten fokussieren, soll der Zugang zu einer Fremdsprache erleichtert und das gleichzeitige Erlernen mehrerer Sprachen ermöglicht werden (vgl. Meißner 2010; Hu 2017). Im fremdsprachenunterrichtlichen Kontext liegt der Fokus dieses Ansatzes auf dem Vergleich von sprachverwandten Schulfremdsprachen sowie der Umgebungs- und Schulsprache Deutsch. Herkunfts- oder Familiensprachen werden nicht berücksichtigt. Herkunfts- und Familiensprachen werden im Ansatz des éveil aux langues bzw. awa‐ kening to languages aufgegriffen, der sich vor allem im Bereich des frühen Fremdspra‐ chenlernens herausgebildet hat. Über die Begegnung mit verschiedenen Sprachen zielt dieser Ansatz in erster Linie auf die Entwicklung und Förderung der Sprachbewusstheit von Lernenden, indem alle Sprach(lern)erfahrungen und Sprachrepertoires mobilisiert werden (vgl. Mélo-Pfeifer & Reimann 2018). Der Fokus des éveil aux langues liegt auf me‐ takognitiven, metakommunikativen sowie metasprachlichen Kompetenzen, indem sowohl Gemeinsamkeiten als auch Unterschiede von Sprachen und Sprachsystemen in den Blick genommen werden. Mit Hilfe dieses Ansatzes sollen die Lernenden ein besseres Verständnis für sprachliche Phänomene erhalten, über die Begegnung und Auseinandersetzung mit 3.2 Sprachliche und kulturelle Heterogenität als Handlungsfelder im Englischunterricht 73 <?page no="74"?> verschiedenen Sprachen einen Zugang zu Mehrsprachigkeit finden, eine positive Einstel‐ lung zu Sprachen und Sprachenlernen gewinnen sowie eine Aufwertung der eigenen mehrsprachigen Kompetenzen erfahren (vgl. Mertens 2018). Dadurch, dass Herkunfts- und Familiensprachen explizit in den Unterricht einbezogen und zum Gegenstand dessel‐ ben gemacht werden, sollen die Lernenden „eine positive Haltung und Wertschätzung füreinander wie auch Selbstrespekt und Selbstachtung sich selbst gegenüber“ (ebd.: 159) entwickeln können. Damit wird sprachliche und kulturelle Diversität nicht als Störfaktor für - insbesondere das institutionelle - Sprachenlernen betrachtet, sondern als Selbstver‐ ständlichkeit aufgefasst (vgl. Candelier et al. 2003: 24). Auch wenn dieser Ansatz primär aus der Didaktik der romanischen Sprachen stammt, ist er nicht auf den Unterricht dieser Sprachen beschränkt, sondern lässt sich auch im Kontext von weiteren Sprachenfächern sowie fächerübergreifend einsetzen. Ansätze der Tertiärsprachendidaktik rücken die in institutionellen Kontexten erlernten (Fremd-)Sprachen in den Fokus und führen Erkenntnisse über den Erst-, Zweit- oder Fremdsprachenerwerb zusammen (vgl. u. a. Hufeisen & Neuner 2003; Leitzke-Ungerer et al. 2012). Diese Ansätze zielen darauf, „das fremdsprachendidaktische Gesamtkonzept im Hinblick auf die Besonderheiten des Lehrens und Erlernens von Folgefremdsprachen zu präzisieren und zu differenzieren“ (Neuner et al. 2009: 41). Ausgehend von der Frage, wie das bereits bei den Lerner*innen vorhandene Sprachwissen und die Sprachlernerfahrungen genutzt werden können, um Folgefremdsprachen zu erlernen, werden integrative Konzepte und Methodiken entwickelt, die systematisch Verbindungen zwischen den jeweiligen (Fremd-)Sprachenfächern herstellen (vgl. ebd.: 24). Demnach werden (Fremd-)Sprachen‐ lernprozesse, die zeitlich nacheinander einsetzen oder aber im institutionellen Kontext parallel verlaufen, zusammengeführt und nicht mehr isoliert voneinander betrachtet. Bestrebungen zur Entwicklung von integrativen Ansätzen zum Tertiärsprachenerwerb stellen das Curriculum Mehrsprachigkeit (vgl. Reich & Krumm 2013) sowie das Gesamt‐ sprachencurriculum (vgl. Hufeisen 2011) dar. Diesen Ansätzen ist gemein, dass sie Gemein‐ samkeiten der jeweiligen Sprachdidaktiken nutzen und linguistische, prozedurale sowie curriculare Synergien im Kontext des schulischen (Fremd-)Sprachenunterrichts schaffen und curricular verankern. Während das Curriculum Mehrsprachigkeit in erster Linie im und für den österreichischen Kontext entwickelt wurde und auf die Etablierung eines Mehrsprachigkeitsunterrichts abzielt (vgl. Reich & Krumm 2013: 17 ff.), legt das Gesamt‐ sprachencurriculum den Fokus auf die Förderung der curricularen Mehrsprachigkeit, indem sprachlernstrategische und sprachenspezifische Aspekte in den Unterricht aller Fächer aufgenommen werden (vgl. Hufeisen 2018). Bei diesen integrativen und curricularen Bestrebungen zur Förderung von und zum Umgang mit Mehrsprachigkeit handelt es sich jedoch um idealtypische Konzepte, die bislang nicht flächendeckend eingesetzt und aktuell eher im Kontext von Einzel- oder Pilotprojekten evaluiert und beforscht werden (vgl. z. B. Fasse 2015; Hufeisen 2015; Henning 2015; Kordt 2015). Auch wenn die hier vorgestellten Ansätze jeweils unterschiedliche Schwerpunkte setzen, so haben sie drei zentrale Gemeinsamkeiten. Diese sind die Anregung des interlingualen Transfers, die Vermittlung und Nutzung von Sprachlernstrategien sowie die Förderung von Sprach(lern)bewusstheit (vgl. Bredthauer 2018). Eine Herausforderung für mehrsprachig‐ keitsdidaktische Ansätze stellt jedoch der Umgang mit Herkunfts- und Familiensprachen 74 3 Sprachliche und kulturelle Heterogenität <?page no="75"?> dar, da es sich hierbei nicht nur um eine Vielfalt an unterschiedlichen Sprachen handelt, die aus verschiedenen - typologisch meist nicht verwandten - Sprachfamilien stammen. Auch werden diese Sprachen von den Lernenden meist auf unterschiedlichen Kompetenzniveaus in den jeweiligen Fertigkeitsbereichen (Lesen, Sprechen, Schreiben, Hören etc.) beherrscht, was gerade die Nutzung von und die Anknüpfung an deklaratives Sprach(en)wissen bei Sprachvergleichen erschwert. Gerade aber vor dem Hintergrund des Prinzips der Lerner*innenorientierung gilt es, sich sämtlichen Sprach(lern)erfahrungen der Lernenden zu widmen und diese als Ressource für das (Fremd-)Sprachenlernen zu nutzen (vgl. Hu 2017; Kropp 2017). Dementsprechend kann es im Fremdsprachenunterricht dann nicht mehr um die Ökonomisierung und Effizienzsteigerung von Sprachlernprozessen gehen, sondern vielmehr um die Schaffung und Entwicklung eines Sprach(lern)bewusstseins sowie Verständnisses für sprachlich-kulturelle Zusammenhänge (vgl. ebd.). Mehrsprachigkeitsdi‐ daktische Ansätze können dazu beitragen, dass das Konstrukt einer homogenen Zielsprache und Zielkultur durch Konzepte der sprachlich-kulturellen Vielfalt (z. B. Regiolekte, Dia‐ lekte, Soziolekte, Einwander*innensprachen) ersetzt und so die Hybridität von Kulturen betont wird (vgl. Hu 2017: 249). Diesem Aspekt widmet sich der nachfolgende Abschnitt. 3.2.3 Kulturelle Heterogenität Der für diese Arbeit gewählte Zugang zu kultureller Heterogenität geht mit einem semiotischen sowie performativ-diskursiven Kulturverständnis einher, wie es im aktuellen fremdsprachendidaktischen Diskurs zugrunde gelegt und für die Initiierung sprachlich-kul‐ tureller Lernprozesse im Fremdsprachenunterricht diskutiert sowie nutzbar gemacht wird (vgl. z. B. König, Schädlich & Surkamp 2022). Dieses Kulturverständnis ist in Abgrenzung zu statischen, differenzsowie nationenbasierten Auffassungen von Kultur entstanden und hebt die Bedeutung von diskursiven Aushandlungsprozessen sowie den Konstruktcharak‐ ter von Kultur hervor. Grundsätzlich steht hinter dem Kulturbegriff ein schwer zu fassendes und vieldeutiges Konstrukt, das nicht nur im alltäglichen Sprachgebrauch meist ohne feste Bestimmung bleibt. Letzteres zeigt sich beispielsweise an der Entstehung unzähliger Komposita, wie z. B. Lernkultur, Schulkultur, Esskultur oder Subkultur, um nur einige zu nennen. Auch in der fachdidaktischen Diskussion werden mit Kultur je nach Disziplin unterschiedliche Phänomene bezeichnet, was zu zahlreichen Kontroversen bezüglich der Frage nach der Sinnhaftigkeit und Brauchbarkeit sowie der Bedeutung und Beschaffenheit des Kulturbe‐ griffs geführt hat (vgl. u. a. Kramsch 1993; Edmondson & House 1998; Hu 1999; Hallet 2002; Altmayer 2006; Fäcke 2006; Plikat 2017). Konsens dieser Auseinandersetzungen bildet die Vorstellung von Kultur im weitesten Sinne als das „vom Menschen gestaltend Hervor‐ gebrachte“, das in einem „Gegensatz zu dem, was von Natur aus vorhanden ist“ (Nünning 2017: 179) steht. Gemeint sind hiermit all jene geistigen Güter, materiellen Kunstprodukte sowie die im Zuge der Sozialisation erworbenen typischen Arbeits- und Lebensformen, Denk- und Handlungsweisen, Wertvorstellungen und geistigen Lebensäußerungen einer Gemeinschaft, die durch den Menschen erschaffen wurden. Es geht folglich darum, dass der Mensch als handelndes Individuum in die Welt bzw. die Natur eingreift, sich diese zu eigen macht und sich in diesem Prozess selbst gestaltet. 3.2 Sprachliche und kulturelle Heterogenität als Handlungsfelder im Englischunterricht 75 <?page no="76"?> 68 Reckwitz (2005: 99 ff.) differenziert diese Perspektive auf Kultur weiter aus, indem er die Verortung von Wissensbzw. Bedeutungs- und Symbolsystemen näher beschreibt. Diese Systeme lassen sich der Ebene mentaler Strukturen und Prozesse, auf der Ebene von Diskursen und Texten sowie auf der Ebene der Praxeologie, d. h. von sozialen Praktiken zuordnen. Für die vorliegende Arbeit ist die Ebene der Praxeologie von Bedeutung, wonach soziale Praktiken und damit auch Kulturen sowohl Wissensordnungen als auch deren Applikation durch die handelnden Akteur*innen darstellen. Diese Praktiken sind immer nur innerhalb geteilter Wissensordnungen verständlich und tragen dazu bei, dass diese Wissensordnung überhaupt erst entstehen können. Dieses weite Begriffsverständnis wird im wissenschaftlichen Diskurs je nach Disziplin mit unterschiedlichen Schwerpunkten versehen, sodass sich inzwischen eine Vielfalt an Kulturbegriffen und -verständnissen entwickelt hat, die zur Komplexität des Kulturdis‐ kurses beitragen (vgl. ebd.). Eine Systematisierung dieser unterschiedlichen, teilweise divergierenden Kulturverständnisse nimmt Reckwitz (2004) mit seiner Typologie vor und grenzt vier zentrale Kulturbegriffe voneinander ab. Diese sind 1) der normative, 2) der totalitätsorientierte, 3) der differenztheoretische sowie der 4) bedeutungs- und wissensorientierte Kulturbegriff. Der normative Kulturbegriff umfasst all jene ästhetischen Phänomene, Objekte und Praktiken, denen gesellschaftlich ein höherer, d. h. besonderer (Bildungs-)Wert zugeschrie‐ ben wird. Hierzu zählen z. B. klassische Literatur, Kunst sowie Theaterinszenierungen, welche häufig zum Kanon ästhetischer Werke gezählt und durch Traditionsbildung bewahrt werden. Der totalitätsorientierte Kulturbegriff geht von einem weiten Kulturverständnis aus und stellt sämtliche Denk-, Handlungs- und Wahrnehmungsmuster von Kollektiven in das Zentrum, ohne hierbei Wertungen vorzunehmen. Von einem solchen weiten Verständnis grenzt sich der differenztheoretische Kulturbegriff ab und beschränkt sich ausschließlich auf intellektuelle Aktivitäten und Handlungsfelder, wie z. B. Kunst, Bildung oder Wis‐ senschaft (vgl. ebd.: 6; vgl. auch Nünning 2017: 180). Disziplin- und fachübergreifend hat sich insbesondere der bedeutungs- und wissensorientierte Kulturbegriff als relevant herauskristallisiert. Dieser beruht auf Annahmen der Semiotik sowie des Konstruktivismus und fasst Kultur als den „von Menschen erzeugte[n] Gesamtkomplex von mentalen Vorstellungen, Denkformen, Empfindungsweisen, Werten und Bedeutungen […], der sich in Symbolsystemen (z. B. in Sprache) und sozialen Institutionen (z. B. in der Schule) materialisiert“ (ebd.; C.L.). Kultur wird hier, anders als in den bis hierhin vorgestellten Kulturverständnissen, nicht von ‚außen‘ anhand von bestimmten Parametern definiert. Vielmehr wird das Individuum mit seinen Bedeutungskonstruktionen und Sinnzuschrei‐ bungen in den Mittelpunkt gestellt. Diesem Verständnis zufolge sind mit dem Kulturbegriff jene geteilten Bedeutungssysteme und Wissensordnungen gemeint, vor deren Hintergrund Individuen ihre Welt interpretieren und bestimmten Objekten bzw. Elementen ihres Lebens Sinn zuschreiben (vgl. Reckwitz 2005; vgl. auch Hu 2019) 68 . Das am Individuum und seinen Bedeutungskonstruktionen ausgerichtete Kulturver‐ ständnis wird auch im aktuellen fremdsprachendidaktischen Diskurs aufgegriffen und unter Rückgriff auf performative sowie semiotische Kulturverständnisse weiter ausdiffe‐ renziert. Im Fokus steht hierbei zum einen die mentale Dimension von Kultur, indem auf die symbolische Bedeutungskonstruktion der handelnden Individuen geschaut wird. Zum anderen werden insbesondere die Art und Weise dieser Bedeutungskonstruktion und 76 3 Sprachliche und kulturelle Heterogenität <?page no="77"?> damit die Praktiken in den Blick genommen, mit welchen Kultur hergestellt wird (vgl. Hörning & Reuter 2004; König et al. 2022b: 12). Kultur wird demnach als soziale bzw. gesellschaftliche Praxis verstanden, die stets ein vorläufiges Ergebnis von diskursiven und damit sprachlichen Aushandlungsprozessen ist und nicht unabhängig von der Perspektive der handelnden Individuen existieren kann (vgl. Hu 2019). Mit diesem Verständnis von Kultur wird die Frage danach, was Kulturen sind, abgelöst von der Frage, wie sie als Prozesse der Bedeutungsherstellung funktionieren und wie sich dies nachvollziehen lässt (vgl. König et al. 2022b: 13). Auch die Vorstellung von Kulturen als nationenbasierte, voneinander abgrenzbare Entitäten mit eindeutigen Charakteristika wird hierdurch obsolet: If culture is no longer bound to the territory of nation-state and its history, then we have to see it as a dynamic discursive process, constructed and reconstructed in various ways by individuals engaged in struggles for symbolic meaning and for the control of subjectivities and interpretations of history. (Kramsch 2013: 68) Kultur wird als von Menschen diskursiv hervorgebracht sowie als durch diese vor dem Hintergrund ihrer je individuellen Erfahrungen und Hintergründe gedeutet und bedeutsam gemacht verstanden. Auch werden die Situativität, Dynamik und Offenheit dieser sprach‐ lich-diskursiven Prozesse hervorgehoben und zu den zentralen Merkmalen von Kultur sowie kultureller Prozesse (vgl. Reckwitz 2003; König et al. 2022b). Mit diesem Verständnis lassen sich (fremd-)sprachliches und kulturelles Lernen zusammendenken, denn Sprache(n) und Kultur(en) bedingen sich in ihrer Performativität gegenseitig und sind miteinander verwoben (vgl. Hu 2017). Ansätze, die sich mit Kultur im Fremdsprachenunterricht ausein‐ andersetzen, werden dabei aktuell unter dem Begriff des kulturellen Lernens gefasst. Hallet (2022: 47, H.i.O.) argumentiert diesbezüglich, dass „weder von internoch von crossnoch von transkulturellem Lernen“ gesprochen werden sollte, da sich die genannten Ansätze zahlreicher Kritik ausgesetzt sehen (vgl. Plikat 2017; Viebrock 2018; Kreft 2020; Hallet 2022, König et al. 2022a). Mit dem Begriff des kulturellen Lernens werde hingegen der Unbestimmbarkeit und Vielzahl der kulturellen Ausgangslagen am ehesten entsprochen (Hallet 2022). Diesem Plädoyer schließt sich die vorliegende Arbeit an (vgl. Kapitel 3.2.4). Das Ziel des kulturellen Lernens im Fremdsprachenunterricht sollte es folglich nicht sein, Kulturen als voneinander abgrenzbare Gebilde vergleichend gegenüberzustellen und hierbei binäre Kategorien, wie z. B. das ‚Eigene‘ und das ‚Fremde‘ zu betonen. Vielmehr geht es angesichts der durch die Globalisierung zunehmenden Diversifizierung und Vernetzung der Gesellschaft sowie den hiermit einhergehenden sich verändernden Kommunikations‐ formen darum, den Lernenden „ihre Eingebundenheit in kulturelle Diskurse bewusst zu machen sowie sie zur Teilhabe an fremdsprachigen kulturellen Diskursen zu befähigen, die als Phänomene jenseits nationaler Grenzen ‚der Zielsprache‘ und ‚der Zielkultur‘ zum Lerngegenstand gemacht werden“ (König et al. 2022b: 15). Diskurse werden zum einen im Sinne der angewandten Linguistik als „einzelne zusammenhängende (monologische oder dialogische) Äußerung[en]“ (Hallet 2017: 48; C.L.) verstanden (discourse mit kleinem ‚d‘). Zum anderen steht zwischen Äußerungen oder Texten immer auch ein größerer kultureller Zusammenhang, der sich in „Formationen und Praktiken der Wissenskonstruktion“ (König et al. 2022b: 14) innerhalb einer discourse community konstituiert (Discourse mit großem 3.2 Sprachliche und kulturelle Heterogenität als Handlungsfelder im Englischunterricht 77 <?page no="78"?> D). Dieses Verständnis geht auf Foucault (1972) zurück. Folglich geraten die Lernenden mit ihren individuellen Erfahrungen, Hintergründen und Praktiken der Sinn- und Bedeu‐ tungsaushandlung stärker in den Blick. Sie werden nicht als Repräsentant*innen ‚fremder Kulturen‘, sondern als kulturelle Akteur*innen verstanden, die sich ihre kulturellen Bezüge selbst aussuchen und zu deren dynamischen Veränderung beitragen (vgl. Surkamp & Freitag-Hild 2022: 272). Letztlich ist mit diesem Verständnis von Kultur und kulturellem Lernen auch die Notwen‐ digkeit der Einnahme einer machtkritischen sowie -reflexiven Perspektive verbunden, denn Kultur konstituiert sich nicht allein durch das Individuum und dessen sprachlich-diskursive Aushandlungsprozesse, sondern ist immer auch an Kollektive, normative Ordnungen sowie gesellschaftliche und politische Machtverhältnisse gebunden. Vor diesem Hintergrund ist zum einen die Reflexion des eigenen sprachlichen Handelns sowie des sprachlichen Repertoires zentral: „Those who can express themselves in more than one language have greater semiotic resources to draw on to redress the balance of symbolic power“ (Kramsch 2009: 9). Zum anderen geht es darum, ein Bewusstsein dafür zu entwickeln, dass nicht alle Menschen, z. B. aufgrund ihrer sprachlichen Repertoires, ihrer religiösen, herkunftsbezoge‐ nen oder politischen Hintergründe, gleichermaßen und gleichberechtigt an allen Diskursen partizipieren können. Vielmehr geben die Diskurse vor, „welche Stimmen gehört, an den Rand gedrängt oder zum Schweigen gebracht werden“ (König et al. 2022b: 21) und lenken damit die Aushandlungsprozesse und Sinnzuschreibungen der kulturellen Akteur*innen. Das dieser Arbeit zugrunde liegende Verständnis von kultureller Heterogenität er‐ gibt sich folglich daraus, dass die Lernenden als kulturelle Akteur*innen mit ihren je unterschiedlichen Erfahrungen, Hintergründen und Ressourcen in ihren individuellen Lebenskontexten an vielfältigen Diskursen teilnehmen, die wiederum auf ihr Denken und Handeln sowie ihre Identitätsbildung zurückwirken. Gleichzeitig verändern die Lernenden hierdurch auch die Diskurse selbst, wodurch deren Dynamik, Hybridität und damit Heterogenität deutlich wird. Aufgrund der in diesen vielfältigen kulturellen Diskursen gesammelten Erfahrungen bringen die Lernenden entsprechend heterogene Vorkenntnisse und (Lern-)Bedürfnisse in den Englischunterricht ein, die wiederum diskursiv in diesem ausgehandelt und berücksichtigt werden können, ohne die Lernenden zu Repräsentant*in‐ nen von ‚einer Kultur‘, einem Land oder einer Nation zu machen (vgl. Viebrock 2018b; Küppers 2019; Kreft 2020; Leonhardt, Kreft & Viebrock 2021). Dies erfordert die Gestaltung eines lerner*innenorientierten Unterrichts, in welchem es nicht um die Vermittlung von Wissen über Kulturen geht, sondern die kulturellen Bedeutungskonstruktionen sowie Handlungen der an kulturellen Diskursen beteiligten Subjekte im Mittelpunkt stehen (vgl. Surkamp & Freitag-Hild 2022: 272). 3.2.4 Ansätze zum Umgang mit kultureller Heterogenität im Fremdsprachenunterricht Um die Entwicklungen und kulturbezogenen Annahmen der Fremdsprachendidaktik sowie ihrer Bezugswissenschaften nachvollziehen zu können, die zu dem oben skizzierten Kul‐ turverständnis geführt haben, werden im Folgenden die zentralen Ansätze zum Umgang mit Kultur und kultureller Heterogenität im Fremdsprachenunterricht beschrieben. Die nach‐ 78 3 Sprachliche und kulturelle Heterogenität <?page no="79"?> 69 Um die Entwicklungen im fachdidaktischen Kulturdiskurs besser abbilden und einordnen zu können, gehen die Darstellungen des folgenden Abschnitts an ausgewählten Stellen über die Inhalte der Fortbildung hinaus. Dies bezieht sich beispielsweise auf die Ansätze der Diskursbewusstheit sowie des kulturellen Lernens. 70 Inzwischen hat Byram (2021) eine überarbeitete bzw. revidierte Version seines Modells vorgelegt, in welcher er auf die Kritik an seinem ursprünglichen Modell reagiert und Missverständnisse aufklärt, beispielsweise in Bezug auf den Vorwurf, auf überholte Kulturverständnisse zurückzugreifen. Wei‐ folgenden Darstellungen dienen dabei als Grundlage für die Identifizierung, Einordnung sowie Diskussion potenzieller Entwicklungen und Stabilisierungen der handlungsleitenden Orientierungen der in dieser Arbeit befragten Lehrkräfte bezüglich ihres Umgangs mit kultureller und sprachlicher Heterogenität. Auch dienen sie der Schaffung von Transparenz hinsichtlich der Gestaltung der im Kontext dieser Arbeit begleiteten Lehrkräftefortbildung. Die in diesem Kapitel geschilderte Thematisierung von und kritische Auseinandersetzung mit den kulturbezogenen Annahmen und Ansätzen der Fremdsprachendidaktik sowie ihrer Bezugswissenschaften sind im Wesentlichen Bestandteile der Fortbildungsmodule, welche die in dieser Arbeit befragten Lehrkräfte bearbeiteten (vgl. Kapitel 4). Dies bezieht sich vor allem auf das Zusammenspiel zwischen inter- und transkulturellen Ansätzen sowie deren kritische Betrachtung 69 . Die Fortbildungsinhalte bilden damit zumindest theoretisch eine Wissens- und Handlungsbasis der befragten Lehrkräfte zum zweiten Interviewzeitpunkt t2. Gleichzeitig sind die in der Fortbildung thematisierten Inhalte Teil einer normativen Perspektive, die aus der fachdidaktischen Diskussion sowie aus bildungspolitischen Richt‐ linien heraus an die Unterrichtspraxis der Lehrkräfte herangetragen werden. Inwiefern sich Veränderungen sowie die Integration von Fortbildungsnormen tatsächlich in der Handlungspraxis der Lehrkräfte zeigen, ist eine empirisch zu klärende Frage, welcher im Rahmen der Datenanalyse sowie der Diskussion nachgegangen wird (vgl. Kapitel 7 und 8). Während sich im fremdsprachendidaktischen Diskurs das oben beschriebene performa‐ tiv-diskursive Kulturverständnis in Abgrenzung zu statischen, nationen- oder differenz‐ basierten Auffassungen von Kultur allmählich durchsetzt, ergibt sich für die schulische Bildungslandschaft ein anderes Bild. So sind Kulturkonzepte und Ansätze, die kulturelles Lernen jenseits von Dichotomien und Essentialisierungen ermöglichen, bislang noch nicht flächendeckend in der Unterrichtspraxis verankert, sodass sich ein Spannungsfeld zwischen kulturdidaktischen und -wissenschaftlichen Annahmen und Theorien sowie deren unter‐ richtlicher und bildungspolitischer Implementation ergibt (vgl. König et al. 2022b: 6). Zwar greifen bildungspolitische Rahmentexte und Curricula die Kritik an differenzbasierten Kul‐ turverständnissen allmählich auf und reagieren damit auf gesellschaftliche Veränderungen, indem sie mehrsprachige und mehrkulturelle Sprachlernprozesse berücksichtigen bzw. abbilden (vgl. z. B. Companion Volume 2018). Allerdings ist die begriffliche Handhabung des zugrunde gelegten Kulturverständnisses hier oftmals vage und auch die Implikationen für die unterrichtspraktische Umsetzung sind wenig konkret (vgl. hierzu Kapitel 3.3). Bildungsstandards und Curricula orientieren sich weiterhin primär an interkultureller Kompetenz als eines der zentralen Ziele des Fremdsprachenunterrichts und prägen damit den unterrichtspraktischen Umgang mit Kultur und kultureller Heterogenität. Interkulturelle Kompetenz wird ausgehend vom Modell interkultureller kommunikati‐ ver Kompetenz (IKK) von Michael Byram (1997) 70 konzipiert. Dieses bindet (inter-)kulturelle 3.2 Sprachliche und kulturelle Heterogenität als Handlungsfelder im Englischunterricht 79 <?page no="80"?> terhin hebt er insbesondere moralische und ethische Dimensionen des Sprachenlernens und -lehrens hervor, indem er die Verantwortung der Lehrkräfte betont, die Lernenden darauf vorzubereiten, sich zu unabhängigen und kritischen Bürger*innen in einer kulturell und sprachlich vielfältigen Welt zu entwickeln. 71 Unter intercultural speakers versteht Byram (1997: 71) Personen, “who are able to negotiate a mode of communication and interaction which is satisfactory to themselves and the other and they are able to act as a mediator between people of different cultural origins. Their knowledge of another culture is linked to their language competence through their ability to use language appropriately - sociolinguistic and discourse competence - and their awareness of the specific meanings, values and connotations of the language. They also have a basis for acquiring new languages and cultural understandings as a consequence of the skills they have acquired first.” 72 Explizit wird die Weiterentwicklung des IKK Modells durch Blell und Doff (2014: 86 f.) in den Teil‐ kompetenzen knowledge und education. Knowledge wird um die transkulturellen Perspektiven global knowledge und multiple literacies erweitert. Education beinhaltet die transkulturellen Perspektiven der critical transcultural awareness sowie border literacies. Kompetenzen stärker an Sprache zurück und hebt damit die interkulturelle Aushandlung zwischen Interaktionspartner*innen auf verbaler und nonverbaler Interaktionsebene her‐ vor (ebd.: 71). Ziel des Modells ist die Herausbildung von intercultural speakers  71 . IKK wird in Byrams Modell als ein Miteinander von insgesamt fünf savoirs gesehen, die auf unterschied‐ lichen Ebenen liegen und einander bedingen: attitudes (savoir être), knowledge (savoirs), skills of interpreting and relating (savoir comprendre), skills of discovery and/ or interaction (savoir apprendre/ faire) und education (savoir s’engager). Interkulturelle Kompetenz weist demzufolge eine kognitive, eine affektive, eine ethische und eine willensbezogene Kompo‐ nente auf und berücksichtigt damit die für interkulturelle Kommunikationssituationen notwendigen Handlungsfähigkeiten und Haltungen (vgl. König et al. 2022b: 8). Kritisiert wurde das Modell für sein zugrunde gelegtes homogenes, essenzialisierendes und auf Binaritäten aufbauendes Kulturverständnis, welches die Dichotomie zwischen ‚eigen‘ und ‚fremd‘ hervorhebt und damit Nationalkulturen innerhalb interkultureller Interaktions- und Verständigungssituationen eine besondere Rolle zuschreibt (vgl. Hu 2008; Kreft 2020 mit einem Überblick). Zwar betont das Modell durch seine Dimension savoir s’engager vor allem die Notwendigkeit der Entwicklung eines kritischen kulturellen Bewusstseins sowie die Bedeutung politischer Bildung (vgl. König et al. 2022b). Diese wurde jedoch bei der Implementation des Modells in die deutschen Bildungsstandards und Curricula ausgelassen. Auch werden die Problematik kulturalistischer Zuschreibung kultureller Identitäten von Fremdsprachenlerner*innen sowie deren Reduktion auf die Rolle als Repräsentant*innen ihrer nationalen Herkunft kritisiert (vgl. Altmayer 2016: 18; Viebrock 2018b). Blell und Doff (2014) reagieren auf diese Kritik und erweitern Byrams Konzeptuali‐ sierung interkultureller Kompetenz um transkulturelle Perspektiven 72 . In ihrem Model of Inter-/ Transcultural Communicative Competence (I/ TCC) legen die Autor*innen ein besonderes Augenmerk auf die Auflösung von starren Eigen- und Fremd-Binaritäten und plädieren für ein dynamisches und fluides Kultursowie Identitätsverständnis. Weiterhin werden neben Differenzen insbesondere auch Gemeinsamkeiten betrachtet sowie das Dialogische von intersowie intrakulturellen Verständigungsprozessen hervorgehoben. Besonders betonen die Autor*innen die Notwendigkeit der Reflexion von asymmetrischen 80 3 Sprachliche und kulturelle Heterogenität <?page no="81"?> 73 Zur Förderung transkultureller Kompetenzen wird insbesondere die Arbeit mit literarischen Texten im Fremdsprachenunterricht in den Blick genommen und auf das Potenzial einer veränderten bzw. erweiterten Textauswahl hingewiesen (vgl. Freitag-Hild 2010; Alter 2015; Kreft 2020). Im Fokus ste‐ hen hier Texte, sogenannte fictions of migration, welche die Hybridität und Komplexität von Kulturen deutlich werden lassen und den Lernenden hierdurch zahlreiche Identifikationsmöglichkeiten sowie Anlässe zur dialogischen Aushandlung von kulturellen Bedeutungen bieten. Machtverhältnissen, die mit oft als binär verstandenen kulturellen Kategorien, wie z. B. Geschlecht oder Hautfarbe, verbunden sind (vgl. König et al. 2022b: 9). Das Konzept der Transkulturalität wurde als Gegenvorschlag zum Interkulturalitätspa‐ radigma in den kulturwissenschaftlichen und -didaktischen Diskurs eingebracht und als Ergänzung bzw. Alternative zum interkulturellen Lernen in der Fremdsprachendidaktik angewendet 73 . Transkulturalität wird im deutschsprachigen Kulturdiskurs in erster Linie mit den Überlegungen Wolfgang Welschs (2005, 2010) in Verbindung gebracht. Dieser setzte sich mit der Verfasstheit von Kulturen in einer globalisierten und durch zunehmende Vernetzung sowie Durchmischung gekennzeichneten Moderne auseinander. In diesem Zusammenhang kritisierte er die Vorstellung von Kulturen als in sich einheitliche und nach außen hin abgrenzbare Nationalkulturen und bezeichnete diese als nicht mehr zeitgemäß, um die Entwicklungen, Dynamiken und Herausforderungen globalisierter Gesellschaften sowie deren sozialen Konstellationen abzubilden: Unsere Kulturen haben de facto längst nicht mehr die Form der Homogenität und Separiertheit, sondern sie durchdringen einander, sie sind weithin durch Mischungen gekennzeichnet. Diese neue Struktur suche ich durch den Terminus ‘Transkulturalität' zu fassen. Er soll darauf hinweisen, daß die heutigen kulturellen Determinanten über den herkömmlichen Kulturbegriff hinaus- und durch die alten Kulturabgrenzungen wie selbstverständlich hindurchgehen. (Welsch 2005: 322) Mit dem Transkulturalitätsbegriff werden statische, auf interne Zugehörigkeit und externe Abgrenzung angelegte Kulturbilder abgelöst und durch ein dynamisches und sich stets ver‐ änderndes Geflecht an kulturellen Kontexten ersetzt. Dem Konzept der Transkulturalität wohnt die Vorstellung inne, dass einem Individuum aufgrund der Pluralisierung kultureller Lebensweisen innerhalb einer Gesellschaft eine Vielzahl an Identifikationsangeboten zur Verfügung stehen. Die Wahrnehmung dieser Angebote, d. h. die Identifikation mit multiplen kulturellen Identitäten führt sodann zur Entwicklung transkultureller Identitäts‐ entwürfe, die über traditionelle Kulturgrenzen hinausgehen (vgl. Freitag 2010). Welsch zeichnet an dieser Stelle das Bild von Patchwork-Identitäten und weist damit darauf hin, dass Menschen im Zuge der Entwicklungen globalisierter Gesellschaften immer stärker „in sich transkulturell“ (Welsch 2010: 46; H.i.O.) werden. Des Weiteren rückt das Konzept der Transkulturalität die Gestaltungs- und Wahlmöglichkeiten von Individuen in den Mittelpunkt, denn an „die Stelle der kollektiven Identität tritt ein Plural individueller Iden‐ titäten, die sich überlagern und zwischen denen das Individuum nach Bedarf zu wechseln vermag“ (Sommer 2001: 52; H.i.O.). Anstelle von Eigen- und Fremd-Dichotomien treten damit Identitätskonstruktionen und Handlungsorientierungen, die aus einem konstanten Wechselspiel von individuellen und kollektiven Faktoren hervorgehen. Das Konzept der Transkulturalität hat somit zwei verschiedene Dimensionen: Auf deskriptiver Ebene werden kulturelle Hybridisierungsprozesse einer globalisierten Moderne hervorgehoben. 3.2 Sprachliche und kulturelle Heterogenität als Handlungsfelder im Englischunterricht 81 <?page no="82"?> Auf normativer Ebene wird dagegen ein neues Kulturbewusstsein propagiert, das dazu beitragen soll, monolithische Kulturauffassungen zu überwinden, die Pluralisierung der Lebensformen der Menschen anzuerkennen sowie ein friedliches Miteinander zu fördern (vgl. Volkmann 2011; Delanoy 2014). Heterogenität ist folglich ein zentraler und dem transkulturellen Kulturverständnis selbstverständlich innewohnender Bestandteil. Ähnlich wie das Interkulturalitätskonzept wird auch das Konzept der Transkulturalität im fremdsprachendidaktischen Diskurs kritisiert. Den strittigsten Punkt stellt die radikale Auflösung von Eigen-Fremd-Dichotomien dar, wodurch sämtliche positiven Aspekte, die man in Abgrenzung oder Trennung finden könnte, verneint bzw. ausgeblendet werden (vgl. Viebrock 2018b). Welsch übergeht mit seinem Konzept der Transkulturalität, dass es für viele Menschen eine zentrale Orientierung darstellt, sich Nationen oder Gruppen anzuschließen, sich mit diesen zu identifizieren und somit Teil einer Gemeinschaft zu sein (vgl. Vernal Schmidt 2021). Hiermit verbunden ist das Bestreben nach Zugehörigkeit und Zusammengehörigkeit, was einen zentralen Bestandteil der Identität eines Menschen darstellen kann. Sicherlich gilt es, starre Identitätskonzepte und Kulturvorstellungen, die auf Nationen und Herkunft basieren bzw. auf diese reduziert werden, zu überwinden (vgl. Freitag-Hild 2010). Dies erscheint gerade vor dem Hintergrund der beobachtbaren Tendenz notwendig zu sein, dass eine Vielzahl von Migrationsgesellschaften aus Angst vor ‚Über‐ fremdung‘ oder gar ‚Invasion‘ ins nationalstaatliche Denken zurückfallen und diese Ängste gerade von rechtspopulistischen und antidemokratischen Gruppierungen ausgenutzt und instrumentalisiert werden (Vernal Schmidt 2021: 42). Dennoch sind Abgrenzung, Trennung und Nationalidentitäten Teil der Orientierungen und Lebenswelt der Menschen, weshalb Welschs (2010: 63) radikaler und normativer Anspruch, dass „Transkulturalität […] zu einer neuartigen kulturellen (nicht mehr nur genetischen) Gemeinschaftlichkeit der Menschen zu führen [scheint; C.L.]“ kritisiert wird. Ein weiterer Kritikpunkt am Konzept der Transkulturalität bezieht sich auf die fehlende Berücksichtigung von gesellschaftlichen Machtverhältnissen sowie Zugehörigkeitsord‐ nungen. So stellen soziale Ungleichheit oder Benachteiligungen, wie z. B. die Ungleich‐ behandlung der Geschlechter oder aber die vielfach hervorgehobene Benachteiligung von Schüler*innen mit Migrationshintergrund im deutschen Bildungssystem (vgl. z. B. Stanat 2015; Baumert 2016; vgl. auch Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2016, 2020) alltägliche Erfahrungen einer Vielzahl von Menschen dar. Dies wird mit Welschs Kulturverständnis jedoch nicht abgebildet. Zwar reagiert Welsch in neueren Arbeiten auf diesen Kritikpunkt und erweitert sein Konzept um Ansätze, die Dimensionen von Macht kritisch hinterfragen bzw. ergänzen. Indem er jedoch darauf verweist, dass Individuen gleichermaßen von Benachteiligungen betroffen seien und selbst bei „drastische[m] Macht- und Beschränkungsdruck“ (Welsch 2009: 10; C.L.) Freiräume für ein kreatives Kombinieren kultureller Elemente bestünden, relativiert er seine Öffnung für den Machtaspekt sogleich wieder (vgl. auch Delanoy 2014: 24). Stattdessen scheint Welsch kulturellen Fortschritt mit Globalisierung gleichzusetzen, weshalb Delanoy zu Recht kritisiert, dass der Begriff der Transkulturalität vor allem einer kapitalistischen Wirtschaft als treibende Kraft der Globalisierung diene (vgl. ebd.: 25 f.). An diese Kritik anschließend haben sich im fremdsprachendidaktischen Diskurs jüngst Arbeiten hervorgetan, welche Ansätze für den Umgang mit Kultur und kultureller He‐ 82 3 Sprachliche und kulturelle Heterogenität <?page no="83"?> 74 Diesen Zusammenhängen widmen sich bspw. Leonhardt, Janßen, Leonhardt und Viebrock (2021) in ihrem Beitrag zum Spielfilm „The Boy Who Harnessed The Wind“ (2019) und stellen Unterrichtsma‐ terial zur filmbasierten Förderung (trans-)kultureller Kompetenzen in der Auseinandersetzung mit den Themenfeldern sustainability, globalization und glocalization vor. terogenität im Fremdsprachenunterricht basierend auf einem performativ-diskursiven Kulturverständnis hervorbringen. Bei diesen Ansätzen geht es nicht darum, das Konzept der Interkulturalität durch jenes der Transkulturalität zu ersetzen, schon gar nicht, wenn es sich dabei lediglich um einen Austausch von Präfixen bei gleichbleibender inhaltlicher Ausrichtung handelt (vgl. Viebrock 2018b). Vielmehr wird dafür plädiert, die interkul‐ turelle Ausrichtung des Fremdsprachenunterrichts durch transkulturelle Perspektiven zu ergänzen, indem nicht nur Verständnis und Verständigung hervorgehoben, sondern insbesondere die „Befähigung zum Handeln in globalen und damit potenziell konflikthaften Gemengelagen“ (García & Schädlich 2022: 65) in den Fokus gerückt werden. Einer dieser Ansätze ist die Global Education, welche den Fokus auf globale Themen richtet und die Verbundenheit der Menschen miteinander sowie deren Verantwortung füreinander in den Mittelpunkt stellt. Neben politischen Themen, wie z. B. Menschenrechte, die Demokratisierung der Gesellschaft oder transnationale politische Programme, werden insbesondere gesellschaftliche Entwicklungen und Erfahrungen wie Flucht, Migration oder Krieg fokussiert und zum Gegenstand diskursiver Aushandlungsprozesse im Fremd‐ sprachenunterricht gemacht. Hierbei geht es insbesondere um die Sensibilisierung der Lernenden für die Auswirkungen ihres Handelns auf Entwicklungen und (Lebens-)Situa‐ tionen auf lokaler sowie globaler Ebene 74 (vgl. Hallet 2022: 49 ff.). Weitere Konzepte, welche die Berücksichtigung globaler sowie gesellschaftlich rele‐ vanter Themen im Fremdsprachenunterricht ermöglichen und deren diskursive, mehrper‐ spektivische Aushandlung in den Mittelpunkt stellen, sind Diskursfähigkeit (Hallet 2008) und Diskursbewusstheit (Plikat 2017). Erstere hebt die Befähigung der Lernenden zur Teilhabe an sowie deren Verortung in lebensweltlichen, fremdsprachigen sowie globalen Diskursen hervor. Hallet (2008: 87) betont hierbei insbesondere die aktive Rolle der an fremdsprachigen Diskursen teilnehmenden Individuen: Wer eine sprachliche Äußerung tut, initiiert einen Diskurs, greift in einen Diskurs ein, hält ihn aufrecht oder entwickelt ihn weiter. Etwas anderes ist nicht vorstellbar. Zu dieser diskursiven Partizipation gehört neben der kommunikativen auch eine metadiskursive Kompetenz, welche die Reflexion, Hinterfragung und Kritik von Diskursverläufen, -regeln oder -verhalten ermöglicht. Für den Fremdsprachenunterricht ergibt sich daraus, dass die Lernenden Kulturen nicht ausschließlich indirekt erfahren, indem sie Wissen über ‚fremde‘ Kulturen erwerben. Vielmehr partizipieren sie aktiv an der Entstehung neuer Kulturen, da sowohl Lernende als auch Lehrende eine Vielzahl an kulturellen Erfahrungen und Deutungen sowie Denk- und Sichtweisen in den Unterricht einbringen, diese artikulieren und miteinander verhandeln. Dies führt zur Entstehung einer Vielzahl an neuen Identifikationsmöglichkeiten für die Akteur*innen sowie zur Reflexion und ggf. Veränderung von kulturellen Mustern, Erfah‐ rungen bzw. Prägungen. Mit dem Konzept der Diskursbewusstheit plädiert Plikat (2017) in erster Linie dafür, auf die Verwendung des Kulturbegriffs zu verzichten und stattdessen von Diskursen zu 3.2 Sprachliche und kulturelle Heterogenität als Handlungsfelder im Englischunterricht 83 <?page no="84"?> sprechen. Er entwickelt sein Konzept der ‚fremdsprachlichen Diskursbewusstheit‘ basie‐ rend auf vier Säulen: Diskurstheorie im Sinne der Bewusstmachung von sprachlichem und nicht-sprachlichem Handeln als Diskurse und Praxen, transformatorische Bildung im Sinne der Förderung und Bewusstmachung individueller Transformationsprozesse in und durch vielfältige Diskurse und Praxen, Bewusstmachung und kritische Reflexion von Diskursen und Praxen aus der Perspektive universeller Menschenrechte sowie Sprachbewusstheit als Bewusstmachung und Reflexion der affektiven, machtbezogenen und sprachstrukturellen Dimensionen von Diskursen (ebd.: 299). Mit seinem Konzept legt Plikat einen Vorschlag zur Neuausrichtung des interkulturellen Ansatzes vor, da für Differenzerfahrungen […] aus dieser Perspektive nicht mehr die Grenzen zwischen Sprachen und sogenannten (Einzel-)Kulturen entscheidend [wären], sondern vielmehr die Grenzen zwischen Diskursen, Diskurskategorien und Diskursordnungen. Das Entwicklungspotential für den Fremd‐ sprachenunterricht könnte dabei darin liegen, mit den Lernenden nicht mehr dichotomische Vergleiche zwischen Sprachen und ‚Kulturen‘ anzustellen, sondern mit ihnen einzelsprachliche Manifestationen von Diskursen aufzuspüren. Durch eine didaktisch anzubahnende reflexive Brechung könnte dies ein Bewusstsein dafür schaffen, dass das sprachlich Fremde sehr vertraut, das sprachlich Vertraute jedoch sehr fremd sein kann. Auf diese Weise könnte verdeutlicht werden, dass Diskurse nicht auf bestimmte Sprachen, Nationalkulturen oder geographische Räume festgelegt werden können, sondern dass sie diese als transversale Netze überlagern und durchdringen. (Plikat 2017: 222; C.L.) In der vorliegenden Arbeit wird sich dem Plädoyer Plikats, den Kulturbegriff gegen den Diskursbegriff zu ersetzen, nicht angeschlossen, da hiermit verkannt wird, dass der Rückbezug auf die ‚eigene‘ Kultur sowie auf Nationalkulturen für zahlreiche Menschen eine zentrale Orientierung sowie einen Teil ihrer Identität darstellt (vgl. Antor 2006; vgl. auch Kreft 2020). Auch erscheint die ausschließliche Verwendung des Diskursbegriffes gerade auf unterrichtspraktischer Ebene als zu abstrakt, da sowohl Schüler*innen als auch Lehrkräfte mit Kulturkonzepten sowie entsprechenden theoretischen Vorstellungen sozia‐ lisiert wurden. Demnach ist der Diskursbegriff noch zu weit entfernt von deren Lebenswelt. Auch hat sich der Verzicht auf den Kulturbegriff bislang weder in den Curricula, noch in den bildungspolitischen Rahmentexten oder Unterrichtsmaterialien durchgesetzt, sodass sich die eingangs erwähnte Spannung zwischen fachwissenschaftlichen und -didaktischen kulturbezogenen Annahmen sowie der Schul- und Unterrichtspraxis noch vergrößern würde. Stattdessen wird sich in der vorliegenden Arbeit der Forderung Hallets (2022: 47) angeschlossen, in Bezug auf den Umgang mit Kultur und kultureller Heterogenität im Fremdsprachenunterricht von ‚kulturellem Lernen‘ zu sprechen (vgl. auch Kapitel 3.2.3): Im Lichte dieser Schlussfolgerungen wird erkennbar, dass das interkulturelle Paradigma Gefahr läuft, zahlreiche andere kulturelle Erfahrungen, die Notwendigkeit der Offenheit von Orientie‐ rungen und vor allem die Vielfalt potenzieller kultureller Differenzen zu überdecken: Alter, Gender, soziale Klassen, weltanschauliche oder politische Orientierungen oder Lebensstile können viel größere Klüfte zwischen Menschen erzeugen als solche zwischen Menschen verschiedener Sprache. Umgekehrt gilt: Wenn alle kulturellen Prozesse als transkulturell verfasst gelten können, ist es didaktisch sinnvoll, weder von internoch von crossnoch von transkulturellem Lernen zu sprechen; vielmehr trägt man der Unbestimmbarkeit der kulturellen Ausgangslagen und Ori‐ 84 3 Sprachliche und kulturelle Heterogenität <?page no="85"?> entierungen sowie der Notwendigkeit der Explorierung und Aushandlung kultureller Differenzen am ehesten dadurch Rechnung, dass man einfach von ‚kulturellem Lernen‘ spricht. Mit diesem Begriff werden die ‚traditionellen‘ Kulturkonzepte sowie Zielsetzungen eines fremdsprachigen Kulturunterrichts nicht aufgegeben. Es bietet sich jedoch ausreichend Raum zur kritischen Ergänzung sowie Erweiterung dieser Konzepte, sodass der Umgang mit Kultur und kultureller Heterogenität im Fremdsprachenunterricht nicht bei der Anbah‐ nung von Verständnis und Verständigung stehenbleibt. Vielmehr geht es um das Erkennen der Komplexität globaler Diskurse sowie um die Befähigung der kulturellen Akteur*innen, an diesen zu partizipieren. Kulturelles Lernen bedeutet dann insbesondere, die Grenzen des eigenen Verstehens wahrzunehmen und benennen zu lernen. Dies schließt ebenso Nicht-Verstehen ein (vgl. García & Schädlich 2022: 65). Damit kulturelles Lernen in diesem Sinne im Fremdsprachenunterricht stattfinden kann, bedarf es vor allem Lehrkräfte, die eine diskursive Auseinandersetzung mit Kulturvers‐ tändnissen und Identitätsentwürfen ermöglichen, diese anleiten und moderieren und so dazu beitragen, dass kulturelle Essenzialisierungen und Engführungen wahrgenommen, reflektiert und letztlich überwunden werden können (vgl. Doff & Schulze-Engler 2011; Blell & Doff 2014; Kreft & Viebrock 2020; König et al. 2022a). Für den Umgang mit kultureller Heterogenität im Englischunterricht bedeutet dies, dass Lehrkräfte zunächst ihre eigenen Auffassungen von Kultur reflektieren und diese ggf. in Richtung eines hybriden, performa‐ tiv-diskursiven Kulturverständnisses erweitern. Darüber hinaus gilt es, ein Bewusstsein für die hybriden Identitäten der Schüler*innen zu entwickeln, die letztere in ihren vielfältigen Lebenskontexten ausbilden und dementsprechend heterogene Vorkenntnisse, Erfahrungen und Lernbedürfnisse in den Unterricht einbringen (vgl. Leonhardt et al. 2021). Im Umgang mit Kultur und kultureller Heterogenität im Fremdsprachenunterricht sind Fremdspra‐ chenlehrkräfte gefordert, ihr (sprachliches) Handeln sowie die im Unterricht genutzten Materialien hinsichtlich kulturbezogener Repräsentationspraktiken kritisch zu überprüfen, um kulturelle Dichotomien sowie kulturell-monolithische Stereotype zu vermeiden bzw. aufzubrechen sowie den Unterricht für Vielfalt und Pluralität zu öffnen. Dies bedeutet beispielsweise, Aspekte von religiösen Zugehörigkeiten, geschlechtlicher und sexueller Identität sowie sozioökonomischer Hintergründe zu berücksichtigen, aber auch Macht- und Hierarchieverhältnisse in den Blick zu nehmen und kritisch zu hinterfragen (Alter et al. 2021; Merse 2022). Gleichzeitig gilt es, ein Bewusstsein dafür zu entwickeln, dass sich Kultur und kulturelle Diskurse dynamisch verändern und nie absolut repräsentiert werden können. Dies ist mit der Herausforderung verbunden, Kultur im Fremdsprachenunterricht exemplarisch zu thematisieren und dementsprechend als ‚moving target‘ zu konzeptualisie‐ ren (vgl. Merse 2022: 226). Lehrkräfte sollten sich in diesem Sinne möglichst als ‚researchers of culture‘ betrachten, die in der Lage sind, eine kritische Haltung einzunehmen und darüber hinaus komplexe Konzepte zu modellieren (vgl. Doff & Schulze-Engler 2011; Blell & Doff 2014). Es zeigt sich, dass sich aus dem fachdidaktischen Diskurs zu kultureller und sprachlicher Heterogenität zahlreiche Handlungsanforderungen und -implikationen an das unterrichtli‐ che Handeln von Fremdsprachenlehrkräften ergeben. Diese werden im folgenden Abschnitt mit den Anforderungen, wie sie sich aus den bildungspolitischen Dokumenten ergeben, ergänzt, um zum einen die normative Aufladung des Themas zu verdeutlichen. Zum 3.2 Sprachliche und kulturelle Heterogenität als Handlungsfelder im Englischunterricht 85 <?page no="86"?> 75 Dies betrifft beispielsweise die Kerncurricula der Sekundarstufe I für die Modernen Fremdsprachen (HKM 2023) sowie den Begleitband des GeR (Europarat 2020). 76 Der GeR bezieht sich - insbesondere in seiner Konzeption aus 2001 - vornehmlich auf den Begriff der Interkulturalität. Letzterer wird an dieser Stelle aus den Formulierungen übernommen. Wie in Kapitel 3.2.3 dargelegt, unterliegt dem Verständnis dieser Arbeit jedoch ein komplexerer Kulturbegriff, der das Transkulturelle miteinschießt. anderen stellen diese Anforderungen eine potenzielle Interpretationsfolie für die Erzäh‐ lungen der Lehrkräfte in den Interviews dar und lassen Aussagen darüber zu, inwiefern bildungspolitische und fachdidaktische Normen die Wahrnehmungen und das Handeln der Lehrkräfte prägen bzw. beeinflussen. 3.3 Anforderungen an Fremdsprachenlehrkräfte und ihr unterrichtliches Handeln Die bildungspolitischen Dokumente und Rahmenpapiere geben in Reaktion auf gesell‐ schaftliche und politische Entwicklungen normativ ‚von außen‘ die Themen- und Hand‐ lungsfelder vor, mit denen sich (Englisch-)Lehrer*innen im Unterricht auseinandersetzen müssen. Sie bilden den formalen Rahmen für das Handeln der Lehrkräfte sowie für die Lehrer*innenbildung. Für diese Arbeit zentrale bildungspolitische Dokumente sind der Gemeinsame europäische Referenzrahmen für Sprachen (Europarat 2001; im Folgenden als GeR abgekürzt) und dessen Begleitband (Europarat 2020; im Folgenden als CV abgekürzt), die Bildungsstandards der KMK, die Kerncurricula der Länder sowie die Standards für die Lehrerbildung (KMK 2019a, 2019b). Berücksichtigt werden in diesem Kapitel die Bildungsstandards für die erste Fremdsprache für den Mittleren Schulabschluss (KMK 2023) sowie für die Allgemeine Hochschulreife (KMK 2012). Im Fall der länderspezifischen Kerncurricula werden ausschließlich die hessischen Curricula für die Primarstufe (HKM 2011), das Gymnasium der Sekundarstufe I (HKM 2018) sowie für die gymnasiale Ober‐ stufe (HKM 2022) berücksichtigt, da die Mehrzahl der untersuchten Lehrkräfte in den entsprechenden Schulstufen im hessischen Schulkontext verortet ist. Inzwischen liegen die bildungspolitischen Rahmenpapiere und Curricula teilweise in überarbeiteten Fassungen vor 75 . Da diese zum Zeitpunkt der in dieser Arbeit untersuchten Fortbildung jedoch noch nicht vorlagen, wird an gegebener Stelle auf die Unterschiede der entsprechenden Dokumente eingegangen. Auch wird dies bei der Interpretation der Daten berücksichtigt (vgl. Kapitel 7). Als eines der wirkmächtigsten bildungs- und sprachenpolitischen Dokumente auf europäischer Ebene macht der GeR deutlich, welche Rolle dem Englischbzw. (Fremd-)Spra‐ chenunterricht und mit diesem auch den Lehrer*innen im Umgang mit sprachlicher und kultureller Heterogenität zuteil wird. Als Instrument zur Beschreibung, Beurteilung und zum Vergleich von Sprachkompetenzen gibt der GeR zwar zunächst keine expliziten Hinweise für die Art und Weise seiner Nutzung. Dennoch lassen sich vor allem aus den Zielen des Referenzrahmens Handlungsanforderungen an die Unterrichtspraxis der Lehrkräfte ableiten. Eines der wichtigsten Ziele des GeR ist es, die Mehrsprachigkeit und Interkulturalität 76 der Bürger*innen Europas zu fördern. Diesem Ziel soll in einem 86 3 Sprachliche und kulturelle Heterogenität <?page no="87"?> 77 An dieser Stelle anzumerken ist, dass der GeR in seiner Fassung von 2001 zwar explizit hervorhebt, dass nicht mehr „der 'ideale Muttersprachler' als höchstes Vorbild [des Sprachunterrichts] betrachtet wird“ (Europarat 2001: 17; C.L.). Dennoch spiegelt sich dieses Ideal in den Skalen und Deskriptoren wider. Dies ändert sich erst mit dem Erscheinen des Companion Volume (2018, 2020). (Fremd-)Sprachenunterricht nachgekommen werden, der die Lernenden dazu befähigt, kommunikative Aufgaben mit Hilfe all ihrer zur Verfügung stehenden sprachlichen Mittel und sprachübergreifenden Strategien zu bewältigen (vgl. Europarat 2001: 5). Dies erfordert von Lehrkräften die Entwicklung eines Verständnisses von (Fremd-)Sprachenlernen, dem‐ zufolge Sprachen und Kulturen […] nicht in strikt voneinander getrennten mentalen Bereichen gespeichert [werden], sondern […] gemeinsam eine kommunikative Kompetenz [ausbilden], zu der alle Sprachkenntnisse und Spracherfahrungen beitragen und in der die Sprachen miteinander in Beziehung stehen und interagieren. (vgl. ebd.: 17; C.L.) In diesem Zuge gilt es, sich von der lange verfolgten Leitidee einer ausgewogenen bzw. symmetrischen Mehrsprachigkeit zu verabschieden, bei welcher Lernende möglichst vergleichbare Kompetenzniveaus in den jeweils zu erlernenden Sprachen erreichen und dementsprechend über einen gleichwertigen Sprachstand in diesen Sprachen verfügen sollen. Ebenso überholt ist das Ideal des Erreichens muttersprachlicher Kompetenzniveaus. Stattdessen wird die Fähigkeit, kommunikative und (inter-)kulturell geprägte Situationen konstruktiv und unter Nutzung sämtlicher kultureller und sprachlicher Ressourcen zu bewältigen, zum Ziel des (Fremd-)Sprachenlernens (vgl. Hu 2017: 246). Vor diesem Hinter‐ grund ist ein Umdenken bzgl. der Gestaltung der bisherigen Praxis sowie der Ziele des Fremdsprachenunterrichts erforderlich, denn das Ideal des native speaker sollte nicht mehr unkritisch als Leitbild für Sprachlernprozesse dienen. Stattdessen rücken mehrsprachige Kompetenzprofile mit unterschiedlichen Kompetenzen in den verschiedenen Fertigkeits‐ bereichen in den Fokus und werden mit Hilfe des GeR beschreibbar und messbar gemacht (vgl. Europarat 2001: 17) 77 . Im fachwissenschaftlichen und -didaktischen Diskurs wurde der GeR in seiner Fassung von 2001 viel diskutiert und ist auch aktuell Gegenstand von zahlreichen kritischen Auseinandersetzungen (vgl. z. B. Eberhardt 2013; Hu 2016; Vogt 2016; Bärenfänger et al. 2019; Burwitz-Melzer 2019). Diese beziehen sich insbesondere auf die plurikulturelle und plurilinguale Ausrichtung des Dokuments. So hebt der GeR zwar den Erwerb von mehrsprachigen Kompetenzen sowie die Vernetztheit der von den Lernenden erworbenen Sprachen und Kulturen in seinem Rahmentext hervor und legt hiermit die Grundlagen für einen sprachen- und kulturvernetzenden Fremdsprachenunterricht. Allerdings wurde dies - zumindest bis zum Erscheinen des Begleitbandes (vgl. Companion Volume 2018, 2020) - nicht in den entsprechenden Skalen und Deskriptoren abgebildet. Auch werden interkulturelle Kompetenzen trotz ihrer Hervorhebung im Rahmentext nicht modelliert; transkulturelle Kompetenzen finden keine Beachtung. Stattdessen nimmt der GeR einen eher monolingualen und eurozentrischen Blick auf Sprachenlernen und -verwendung ein und blendet insbesondere Herkunfts- und Familiensprachen weitestgehend aus (vgl. Bärenfänger et al. 2019). 3.3 Anforderungen an Fremdsprachenlehrkräfte und ihr unterrichtliches Handeln 87 <?page no="88"?> 78 Zwar heben der GeR und der Companion Volume die Bedeutung plurilingualer und plurikultureller Kompetenzen hervor, verbleiben insbesondere bei der Definition der plurikulturellen Kompetenzen jedoch vage und fokussieren in erster Linie die sprachlichen Repertoires von Lernenden. Im weitesten Sinne sind mit plurilingualen und plurikulturellen Kompetenzen sämtliche sprachlichen und kulturellen Kompetenzen gemeint, welche Lernende in schulischen und außerschulischen Kontexten erworben haben (vgl. Europarat 2001; Companion Volume 2018: 28) 79 Die Kritik bezieht sich vor allem auf eine inkonsistente und inkonsequente Modellierung plurikul‐ tureller und plurilingualer Kompetenzen, deren Bezüge zu produktiven und rezeptiven kommuni‐ kativen Kompetenzen nicht hergestellt bzw. abgebildet werden. Weiterhin wird die inkonsequente Operationalisierung von Kompetenzen auf den jeweiligen Niveaustufen bemängelt. Während die mittleren Kompetenzniveaus häufig detailliert operationalisiert wurden, trifft dies für Niveaustufen C und A meist nicht zu (vgl. Burwitz-Melzer 2019). Diese Kritik aufnehmend, rückt der 2018 erschienene und 2020 aktualisierte Begleit‐ band zum GeR „Council of Europe Companion Volume with New Descriptors“ (Europarat 2018, 2020) plurilinguale und plurikulturelle 78 Kompetenzen in den Fokus und entwirft diesbezügliche Deskriptoren und Skalen. So werden zum einen Kann-Beschreibungen für mehrsprachige Aktivitäten vorgelegt, die sich deutlicher an der Lebenswelt von mehrsprachig aufwachsenden Individuen orientieren. Ein Beispiel hierfür ist die Skala „Building on plurilingual repertoire“, die Deskriptoren in den Bereichen Code-Switching, des Rückgriffs auf bekannte Sprachen sowie der Aufrechterhaltung der Kommunikation in mehrsprachigen Dialogen enthält (vgl. ebd.: 127). Zum anderen werden erstmals in‐ terkulturelle Kompetenzen modelliert und in Form von Deskriptoren beschrieben. Die Skala „Building on pluricultural repertoire“ nennt beispielsweise Lernanforderungen, wie das Erkennen, Interpretieren und Reflektieren von Ähnlichkeiten und Unterschieden interkulturell geprägter Verhaltensmuster sowie Stereotype, das Erkennen von und den Umgang mit kulturellen, soziopragmatischen und soziolinguistischen Konventionen sowie die Entwicklung eines unvoreingenommenen und kritischen Urteilsvermögens (vgl. ebd.: 124 ff.). Daneben wird dem Konzept der Mediation eine größere Aufmerksamkeit gegeben. Mediation wird dabei als multidimensionales Konzept entworfen, das Bereiche der pluri‐ lingualen und plurikulturellen Kompetenzen integriert. Auch wenn die Skalen des CV in seiner Erstfassung aus 2018 im fachdidaktischen Diskurs ebenfalls kritisch betrachtet werden (vgl. Bärenfänger et al. 2019; Burwitz-Melzer 2019; Studer 2020) 79 , so tragen sie dazu bei, dass ein stärkeres Bewusstsein für die Bedeu‐ tung von plurilingualen und plurikulturellen Kompetenzen für das Fremdsprachenlernen geschaffen wird und diese über entsprechende Deskriptoren auch für Unterrichts- und Beurteilungspraktiken nutzbar gemacht werden können. Als Instrumente des Europarates zielen der GeR und sein Begleitband darauf ab, zu einer integrativen Bildung für alle beizutragen und hierbei Mehrsprachigkeit und kulturelle Vielfalt zu fördern (vgl. Studer 2020). Ob und inwiefern sich diese programmatischen und normativ anmutenden Ziele in der Unterrichtspraxis sowie in Bildungsplänen und Curricula wiederfinden, obliegt den Nutzer*innen sowie der Bildungspolitik. Der GeR selbst gibt hier - zumindest explizit - keine normativen Handlungsanforderungen vor, sondern versteht sich in erster Linie als ein deskriptives Dokument (vgl. Europarat 2001: 8). Die Normativität der Leitlinien und Ziele des GeR manifestiert sich in den nationalen Bildungsstandards der KMK sowie in den länderspezifischen Kerncurricula. Indem diese 88 3 Sprachliche und kulturelle Heterogenität <?page no="89"?> 80 In den Bildungsstandards der KMK sowie in den Kerncurricula der Länder werden das Konzept der Transkulturalität sowie die Förderung transkultureller Kompetenzen nicht abgebildet. Eine Ausnahme bildet das hessische Kerncurriculum für Moderne Fremdsprachen der Sekundarstufe I (vgl. HKM 2018: 14; vgl. Kapitel 3.3; vgl. auch Kreft 2020). 81 Dies stellt eine Neuerung der überarbeiteten Fassung der Bildungsstandards von 2003 dar. Letztere gingen nicht explizit auf die Bedeutung von Herkunftssprachen sowie kulturelle und sprachliche Vorerfahrungen der Schüler*innen ein und legten ein deutlich nationenbasiertes und auf Kontraste fokussiertes Kulturverständnis an. Besonders hervorgehoben wurden hierbei Dichotomie von eigen- und fremdkulturellen Perspektiven. die Förderung mehrsprachiger und interbzw. transkultureller 80 Kompetenzen curricular verankern, machen sie diese für den Fremdsprachenunterricht und damit für das Handeln der Lehrkräfte verbindlich. So heben die nationalen Bildungsstandards für die erste Fremdsprache für den Mittleren Schulabschluss (KMK 2023) die verlässliche Ausbildung kommunikativer, interkultureller und methodischer Kompetenzen für das Handeln in mehrsprachigen Situationen sowie die Herstellung von Bezügen zu bereits erlernten Sprachen hervor. Besonders betont werden jene Erfahrungen und Ressourcen, welche die Lernenden bereits vor Eintritt in die Schule erworben haben und welche ihnen als Grundlage für den Erwerb einer schulischen Fremdsprache dienen können 81 (vgl. ebd.: 7 ff.). Damit sind Lehrkräfte gefordert, in ihrem Unterricht auf sprachvernetzende und -vergleichende Unterrichtsaktivitäten zurückzugreifen und hierbei sämtliche sprachlichen und kulturellen Ressourcen der Lernenden aktiv in den Unterricht einzubinden. Weiterhin gilt es, die Lernenden durch die Vermittlung von Lerntechniken und -strategien zum Ausbau und Erwerb weiterer (fremd-)sprachlicher Kompetenzen zum selbstständigen und lebenslangen (Sprachen-)Lernen zu befähigen (vgl. ebd.). Auch die Bildungsstandards für die fortgeführte Fremdsprache für die Allgemeine Hochschulreife (vgl. KMK 2012) heben die Berücksichtigung sämtlicher sprachlicher und kultureller Ressourcen im Fremdsprachenunterricht hervor. Sie führen zum einen Sprachenbewusstheit und Sprachlernkompetenz als verbindliche Kompetenzbereiche ein. Hierunter wird „die Fähigkeit und Bereitschaft [verstanden], das eigene Sprachenlernen selbstständig zu analysieren und bewusst zu gestalten, wobei die Schülerinnen und Schüler auf ihr mehrsprachiges Wissen und auf individuelle Sprachlernerfahrungen zurückgreifen.“ (ebd.: 22; C.L.). Zum anderen konkretisieren sie die mehrsprachigen Kompetenzen der Lernenden und beziehen sich ebenfalls explizit auf Erst- und Zweitsprachen sowie weitere Fremdsprachen. Vor diesem Hintergrund sind Fremdsprachenlehrkräfte nicht nur gefor‐ dert, die institutionelle, d. h. schulische Mehrsprachigkeit zu fördern, sondern auch auf Herkunfts- und Familiensprachen der Schüler*innen zurückzugreifen und diese für das (weitere) Fremdsprachenlernen nutzbar zu machen. Ein weiterer zentraler Kompetenzbereich, der in allen Bildungsstandards als grundle‐ gend für den Erwerb von Fremdsprachen hervorgehoben wird, ist die interkulturelle Kompetenz. Zwar zeigt sich in der aktualisierten Fassung der Bildungsstandards für den Mittleren Schulabschluss (KMK 2023) mit dem Bezug auf plurikulturelle Kompetenzen ansatzweise ein weites Kulturverständnis. Beispielsweise wird die Bedeutung der Wahr‐ nehmung unterschiedlich kulturell geprägter Perspektiven hervorgehoben, die sich nicht mehr auf Herkunft und Nationen beziehen. Auch steht die Befähigung der Lernenden zur wertegeleiteten, kritisch-reflexiven sowie konstruktiven Teilhabe „an gesellschaftlichen, 3.3 Anforderungen an Fremdsprachenlehrkräfte und ihr unterrichtliches Handeln 89 <?page no="90"?> 82 Als Brückensprachen werden in dieser Arbeit Sprachen verstanden, die das Erlernen weiterer Sprachen erleichtern. Im mehrsprachigkeitsdidaktischen Diskurs wird der englischen Sprache diese Funktion zugeschrieben und oftmals als „Tor zur Mehrsprachigkeit“ (Quetz 2010: 176) bezeichnet (vgl. Jakisch 2015 mit einem Überblick). 83 Diese deuten sich lediglich für den Spanischunterricht an. So heißt es in den fachbezogenen Verlautbarungen: „Aufgrund gemeinsamer Wurzeln erleichtert die Kenntnis des Spanischen das sozialen und kulturellen Aushandlungsprozessen“ (ebd.: 6) und damit an vielfältigen Diskursen im Mittelpunkt. Nichtsdestotrotz zeigt sich in den Kompetenzbeschreibungen, dass in erster Linie die Auflösung von potenziell konflikthaften Situationen und nicht etwa das Aushalten von Differenzen, das Akzeptieren des Nicht-Verstehens sowie die Reflexion dieser Situationen betont werden, wie es für das kulturelle Lernen im Fremdspra‐ chenunterricht als zentral erachtet wird (vgl. Kapitel 3.2.3 und 3.2.4). Auch wird in den Bildungsstandards für die fortgeführte Fremdsprache für die Allgemeine Hochschulreife (vgl. KMK 2012) weiterhin ein auf Kontraste sowie die Dichotomie zwischen ‚eigen‘ und ‚fremd‘ fokussiertes Kulturverständnis vermittelt. Im Zentrum stehen hier vor allem der Erwerb von Orientierungswissen über ‚Zielkulturen‘ und dessen Anwendung, die Fähigkeit zum Perspektivwechsel sowie die Förderung von Empathiefähigkeit, wodurch Vorurteile abgebaut und Stereotype reflektiert werden sollen (vgl. ebd.: 19 f.). Die normativen Verlautbarungen der Bildungsstandards finden jedoch nur bedingt eine verbindliche Verankerung in den länderspezifischen Curricula, wobei es sowohl auf Bundeslandebene als auch innerhalb eines Bundeslandes auf der Ebene der jeweiligen Schulformen erhebliche Unterschiede gibt. Ein Blick in die hessischen Curricula für den Fremdsprachenunterricht macht deutlich, dass es sowohl hinsichtlich der Förderung von kulturbezogenen als auch mehrsprachigen Kompetenzen einige Inkonsistenzen gibt. So spiegelt sich die Bedeutung, die der GeR sowie die Bildungsstandards der Förderung von Mehrsprachigkeit sowie der Vermittlung von diesbezüglichen Kompetenzen zuschreiben, nur bedingt in den Curricula der Primarstufe sowie der Sekundarstufe I wider. Zwar wird die Funktion der modernen Fremdsprachen als Brückensprachen 82 für den weiteren Fremdsprachenerwerb hervorgehoben, die einen Beitrag zur Mehrsprachigkeit leisten (vgl. HKM 2018: 11). Jedoch wird vornehmlich die Förderung der schulischen Mehrsprachigkeit forciert und lebensweltlich erworbene Sprachen weitestgehend ausgeblendet. Auch zeigt sich, dass die Ausführungen zu Mehrsprachigkeit eher grundsätzlichen Charakter haben, d. h. die Funktion von Leitgedanken bzw. Leitbildern für den Unterricht einnehmen. Dem‐ entsprechend finden mehrsprachige Kompetenzen auch in den lernzeitbezogenen Kom‐ petenzerwartungen sowie den diesbezüglichen Kompetenzbereichen keine Erwähnung. Lediglich die Bestimmungen im Curriculum für die gymnasiale Oberstufe gehen hier einen Schritt weiter. Hier wird die Notwendigkeit des Anknüpfens an sämtliche Spracherfahrun‐ gen der Lernenden explizit im Rahmentext genannt (vgl. HKM 2022: 10). Ebenso wird die Thematisierung von „Dimensionen der eigenen Mehrsprachigkeit“ (ebd.: 19) als Bestandteil des Themenbereichs ‚Sprache(n)lernen‘ hervorgehoben. Dennoch bleiben die curricularen Vorgaben am Einzelsprachunterricht orientiert und enthalten keine sprachübergreifenden Kompetenzziele 83 . Auch finden die im CV aufgeführten mehrsprachigen Aktivitäten, wie z.-B. Code Switching, keine Erwähnung. 90 3 Sprachliche und kulturelle Heterogenität <?page no="91"?> Verstehen und Erlernen anderer romanischer Sprachen und leistet so einen wichtigen Beitrag zur angestrebten Mehrsprachigkeit.“ (HKM 2018: 13). Bezogen auf die Förderung von interbzw. transkulturellen Kompetenzen ergibt sich ebenfalls ein inkonsistentes Bild. Während die nationalen Bildungsstandards ausschließlich auf interkulturelle Kompetenzen abzielen, verwenden die Curricula für den Fremdspra‐ chenunterricht der Primarstufe sowie am Gymnasium der Sekundarstufe I den Begriff der transkulturellen Kompetenz. Das Curriculum des Gymnasiums der Sekundarstufe I (HKM 2018: 16) definiert transkulturelle Kompetenz als […] die Fähigkeit und Bereitschaft, unterschiedliche kulturelle Perspektiven wahrzunehmen, sie zu respektieren und von ihnen zu lernen. Dazu gehört die Einsicht, dass das Denken, Handeln und Verhalten zwar immer von der eigenen Kultur geprägt ist, jedoch auch verändert werden kann. Transkulturelle Kompetenz umfasst darüber hinaus das Wissen über die eigene Kultur und andere Kulturen. Sie ermöglicht einen differenzierten Blick auf ökologische und ökonomische Aspekte in einer globalisierten Welt. Eine selbstbewusste, offene und wertschätzende Haltung gegenüber anderen Kulturen zeigt sich im Denken, Fühlen und Handeln. Zwar werden eigen- und fremdkulturelle Perspektiven nach wie vor erwähnt. Aspekte eines transkulturellen Kulturverständnisses zeigen sich jedoch gerade in der Möglichkeit der Veränderung des eigenen Denkens, Handelns und Verhaltens. Demnach sind Lehr‐ kräfte gefordert, über das im GeR sowie den Bildungsstandards betonte interkulturelle Kulturverständnis und damit über die Hervorhebung von Eigen- und Fremdbinaritäten hinauszugehen. So geht es darum, den Lernenden ein Bewusstsein dafür zu vermitteln, dass durch Aushandlungsprozesse neue, hybride kulturelle Positionen und Perspektiven entstehen können. Allerdings finden sich diese programmatischen Verlautbarungen nicht im Curriculum für die gymnasiale Oberstufe wieder (HKM 2022). Hier wird sich weiterhin an der interkulturellen kommunikativen Kompetenz orientiert und interkulturelle Verstän‐ digung und Verstehensprozesse hervorgehoben. Fremdsprachenlehrkräfte sind jedoch nicht nur gefordert, die mehrsprachigen und interbzw. transkulturellen Kompetenzen ihrer Schüler*innen zu fördern. Vielmehr gehen die Bildungsstandards für die Lehrer*innenbildung davon aus, dass Fremdsprachenlehrkräfte „ihre fremdsprachliche und interkulturelle Kompetenz auf dem erworbenen Niveau […] erhalten und ständig […] aktualisieren“ (KMK 2019b: 26). Dies impliziert, dass berufsrou‐ tinierte Englischlehrer*innen in ihrer Ausbildung entsprechende Kompetenzen erworben haben und darüber hinaus bereit sind, sich weiterzubilden und Verantwortung für das eigene Lernen zu übernehmen. Die von den Lehrkräften zu erwerbenden Kompetenzen in Bezug auf den Umgang mit kultureller und sprachlicher Heterogenität werden in den Standards für die Lehrer*innenbildung im Bereich der Bildungswissenschaften (vgl. KMK 2019a: 9-10) zunächst jedoch recht allgemein aufgegriffen. So werden für den Kompetenzbereich ‚Erziehen‘ die folgenden Kompetenzanforderungen formuliert: • Kompetenz 4: Lehrkräfte kennen die sozialen, kulturellen und technologischen Lebens‐ bedingungen, etwaige Benachteiligungen, Beeinträchtigungen und Barrieren von und für Schülerinnen und Schüler(n) und nehmen im Rahmen der Schule Einfluss auf deren individuelle Entwicklung. 3.3 Anforderungen an Fremdsprachenlehrkräfte und ihr unterrichtliches Handeln 91 <?page no="92"?> • Kompetenz 5: Lehrkräfte vermitteln Werte und Normen, eine Haltung der Wertschät‐ zung und Anerkennung von Diversität und unterstützen selbstbestimmtes und reflek‐ tiertes Urteilen und Handeln von Schülerinnen und Schülern. Damit wird der Umgang mit Heterogenität als „Querschnittsaufgabe“ (Krüger-Potratz 2004: 559) für Lehrkräfte aller Fächer aufgefasst, die sich auf sämtliche individuelle Hintergründe der Schüler*innen bezieht. Die hiermit verbundenen Anforderungen an die Lehrkräfte bleiben unspezifisch und auch die Bedeutung von Mehrsprachigkeit und interbzw. transkulturellen Kompetenzen wird nicht hervorgehoben. Stattdessen beziehen sich die Kompetenzanforderungen auf die Entwicklung eines Bewusstseins für die jeweiligen Hintergründe der Lernenden sowie auf die Einnahme und Vermittlung einer diesbezügli‐ chen positiven Haltung. Welche Anforderungen sich jedoch konkret auf Unterrichtsebene stellen, z. B. in Bezug auf die Nutzung der individuellen sprachlichen und kulturellen Hintergründe der Schüler*innen für die Initiierung und Gestaltung von Lernprozessen, wird nicht spezifiziert. Auch bleibt der Umgang mit herkunftsbzw. migrationsbedingter Heterogenität unerwähnt. Diese genannten Aspekte greifen die Ländergemeinsamen inhaltlichen Anforderungen für die Fachwissenschaften und Fachdidaktiken in der Lehrerbildung (KMK 2019b) auf und formulieren spezifische Kompetenzstandards sowie Ausbildungsinhalte für Fremd‐ sprachenlehrkräfte. Im Gegensatz zu den Bildungsstandards wird hier ein differenzierterer Blick auf Heterogenität eingenommen und Aspekte von Mehrsprachigkeit, interkulturellen Kompetenzen sowie Inklusion als zentrale Ausbildungsinhalte und Handlungsfelder des Fremdsprachenunterrichts hervorgehoben. Auch werden die Kompetenzanforderungen in Bezug auf den Umgang mit heterogenen Lerngruppen konkreter auf die Ebene des Unterrichts bezogen, was sich anhand der folgenden Punkte zeigt: Die Studienabsolventinnen und -absolventen • verfügen über ausbaufähiges Orientierungswissen und Reflexivität im Hinblick auf fremdsprachliche Lehr- und Lernprozesse auch unter dem Gesichtspunkt von Mehr‐ sprachigkeit, Heterogenität und inklusiven Unterricht, • kennen Möglichkeiten der Gestaltung von Lehr- und Lernarrangements insbesondere unter Berücksichtigung heterogener Lernvoraussetzungen und Inklusion, • verfügen über vertieftes Wissen zur Entwicklung und Förderung von kommunikativer, interkultureller und textbezogener fremdsprachlicher Kompetenz, methodischer Kom‐ petenz und Sprachlernkompetenz von Schülerinnen und Schülern. (KMK 2019b: 44) Damit gehen die Kompetenzanforderungen deutlich über die Entwicklung einer offenen Haltung gegenüber den heterogenen Lebensbedingungen der Lernenden hinaus. Es wird vorausgesetzt, dass Fremdsprachenlehrkräfte mit dem Absolvieren ihres Studiums über eine fundierte Wissensbasis verfügen, die es ihnen ermöglicht, die individuellen und heterogenen Voraussetzungen der Schüler*innen in der Gestaltung ihres Unterrichts zu berücksichtigen und für fremdsprachliche Lernprozesse zu nutzen. Hierbei wird vor allem die Orientierung am Individuum sowie die Berücksichtigung migrationsbedingter Mehrsprachigkeit für die Gestaltung von Fremdsprachenunterricht hervorgehoben. Auch finden Aspekte von Interkulturalität explizit Erwähnung und werden damit als relevant für 92 3 Sprachliche und kulturelle Heterogenität <?page no="93"?> den Fremdsprachenunterricht erachtet. Fremdsprachenlehrkräfte sollen demnach „Theo‐ rien des Sprachlernens und individuelle Voraussetzungen des Spracherwerbs auch unter Berücksichtigung migrationsbedingter Mehrsprachigkeit und interkultureller Kontexte“ sowie „Theorien, Ziele und Verfahren des sprachlichen und interkulturellen Lernens und deren Umsetzung im Unterricht“ kennen (ebd.: 46). Dennoch bleiben die fachspezifi‐ schen Kompetenzstandards hier „vergleichsweise allgemein […] und verfügen über keine Dimensionalität im Hinblick auf Kompetenzbereiche und Teilkompetenzen“ (Gerlach & Steininger 2016: 186). So finden beispielsweise die Kenntnis und Nutzung von mehrspra‐ chigkeitsdidaktischen Ansätzen, wie z. B. sprachvernetzende Unterrichts-aktivitäten (vgl. Kapitel 3.2.2), keine Erwähnung und auch Aspekte von Transkulturalität bzw. einem performativ-diskursiven Kulturverständnis werden nicht berücksichtigt. Ebenso spielen die Reflexion und der Einbezug der lehrer*innenseitig vorhandenen sprachlichen und kulturellen Erfahrungen keine Rolle. Stattdessen deutet sich eine Orientierung am Ideal des native speaker an. So sind (angehende) Fremdsprachenlehrkräfte gefordert, über „[..] ein vertieftes Sprachwissen und ‚nativnahes‘ Sprachkönnen in der Fremdsprache [zu verfügen]“ (KMK 2019b: 44; C.L.). Es wird deutlich, dass der Umgang mit kultureller und sprachlicher Heterogenität in den Bildungspapieren als bedeutsam für den Fremdsprachenunterricht sowie die Lehrer*innenbil‐ dung erachtet wird. Indem Mehrsprachigkeit und Interbzw. Transkulturalität explizit in den Bildungsstandards und Curricula der Länder aufgenommen werden, wird eine (normative) Grundlage für die Handlungspraxis der Lehrkräfte und damit für die Berücksichtigung dieser Themen im Fremdsprachenunterricht gelegt. Dennoch bleiben die Anforderungen an Fremdsprachenlehrkräfte stellenweise widersprüchlich sowie unspezifisch und verbleiben - gerade in den Standards für die Lehrer*innenbildung---auf einer rein kognitiven und wissens‐ basierten Ebene. Vor allem Anforderungen in Bezug auf die Anbahnung eines systematischen Einbezugs der sprachlichen und kulturellen Ressourcen der Schüler*innen werden nicht be‐ rücksichtigt. Damit liegt es an den Lehrkräften, Strategien und Umgangsweisen zu finden, mit den heterogenen Lernvoraussetzungen und kulturellen und sprachlichen Erfahrungen ihrer Schüler*innen umzugehen und diese zielführend für den Fremdsprachenerwerb einzusetzen. Inwiefern sich die normativen bildungspolitischen und kompetenzbezogenen Anforderungen in der Unterrichtspraxis der Lehrkräfte widerspiegeln und von letzteren produktiv aufgegriffen werden, ist eine empirisch zu klärende Frage. Diese wird im Rahmen der Diskussion in Kapitel 8 wieder aufgegriffen. Zusammenfassend zeigt sich, dass der Umgang mit kultureller und sprachlicher Heterogeni‐ tät sowie die Förderung von Mehrsprachigkeit und interbzw. transkulturellen Kompetenzen sowohl vom fachdidaktischen als auch vom bildungspolitischen Diskurs als Schlüsselaufgaben von Fremdsprachenlehrkräften betrachtet werden. Hiermit verbunden ist der normative Anspruch, die heterogenen Lernvoraussetzungen und Ressourcen der Schüler*innen nicht als Hindernis, sondern als Chance für das Lernen aller Schüler*innen zu betrachten (vgl. Gogolin 2008; Trautmann & Wischer 2011; Tracy 2014; Kärner et al. 2015). Ob und inwiefern dies gelingt und Schüler*innen von ihren kulturellen und sprachlichen Erfahrungen im Fremdsprachenunterricht profitieren können, ist dabei maßgeblich von der Lernumgebung und damit vom unterrichtlichen Handeln der Lehrkräfte abhängig (vgl. Elsner 2015). 3.3 Anforderungen an Fremdsprachenlehrkräfte und ihr unterrichtliches Handeln 93 <?page no="94"?> 3.4 Umgang mit kultureller und sprachlicher Heterogenität im Englischunterricht: Ein Forschungsüberblick Nachdem sich die vorangegangenen Kapitel theoretisch und konzeptionell mit den He‐ terogenitätsdimensionen Kultur und Sprache auseinandergesetzt haben und deren Ein‐ bindung in den auch normative Perspektiven umfassenden fremdsprachendidaktischen und bildungspolitischen Diskurs dargelegt wurde, wird der Gegenstand dieser Arbeit nun aus einer empirischen Perspektive beleuchtet. Hierbei werden insbesondere jene Arbeiten berücksichtigt, die sich mit der Lehrer*innenperspektive bezogen auf die Hetero‐ genitätsdimensionen Kultur und Sprache beschäftigen. Fokussiert werden hierbei zunächst Englischlehrkräfte. Dieser Fokus wird jedoch im Verlauf des Kapitels auf Fremdsprachen‐ lehrkräfte erweitert, da sich zu Englischlehrer*innen und kultureller und sprachlicher Heterogenität bislang kaum umfangreiche Studien finden lassen (vgl. auch Wilken 2021). Blickt man auf die Forschung zu den Heterogenitätsdimensionen Kultur und Sprache, so wird deutlich, dass man sich innerhalb der Fremdsprachenforschung bisher wenig mit der Perspektive der Fremdsprachenlehrkräfte sowie deren Umgang mit kultureller und sprachlicher Heterogenität beschäftigte (vgl. Caspari 2014; Martinez 2015; Schedel & Bonvin 2017; Barras et al. 2019). Fokussiert wurden in erster Linie die Sprachenler‐ ner*innen und hier besonders a) die mehrsprachige Entwicklung des Individuums, b) Spracheinstellungen und die Bedeutung von Sprachen für die Identitätskonstruktion, c) Spracherwerbsverläufe, d) der wechselseitige Transfer zwischen Sprachen sowie e) die Bedeutung individueller Mehrsprachigkeit für die kognitiven Fähigkeiten und das (schuli‐ sche) Lernen (vgl. zusammenfassend Lengyel 2017; vgl. auch Jacob 2021). Die Ergebnisse dieser Forschungsarbeiten weisen in zwei entgegengesetzte Richtungen: Zum einen zeigen vorwiegend aus dem Bereich der Linguistik stammende Studien, dass mehrsprachige Indi‐ viduen erhöhte (meta-)linguistische und (meta-)kognitive Fähigkeiten entwickeln können und Mehrsprachigkeit das (Fremd-)Sprachenlernen erleichtern kann (vgl. z. B. Swain et al. 1990; Hufeisen & Marx 2007; Tracy 2008; De Angelis 2011; Poarch & Bialystock 2017). Demgegenüber gibt es jedoch insbesondere in der Fremdsprachendidaktik Arbeiten, die vor allem Lernenden mit Migrationshintergrund Nachteile in den rezeptiven Fertigkeiten, wie z. B. Hörverstehen und Lesen bescheinigen (vgl. z. B. Elsner 2007; Paulick & Groot-Wilken 2009; Wilden & Porsch 2015). Auch werden jene Schüler*innen häufig als ‚Bildungsverlie‐ rer*innen‘ (Terhart 2010: 98) in monolingual ausgerichteten Bildungseinrichtungen und Gesellschaften bezeichnet, was nicht zuletzt durch einschlägige Vergleichsstudien wie z. B. PISA oder DESI deutlich wurde (vgl. PISA 2009; DIPF 2006, DESI-Konsortium 2008; vgl. auch Özkul 2015a). Erst im Kontext dieser Befunde sowie der hiermit verbundenen Diskussion um Bildungs‐ gerechtigkeit (vgl. Dirim & Mecheril 2017) rückten die Lehrkräfte und deren unterricht‐ liches Handeln allmählich in das Blickfeld der fremdsprachendidaktischen Forschung. Es zeigte sich, dass die Vorteile mehrsprachiger und kultureller Erfahrungen für das (Fremd-)Sprachenlernen nur in einem sprachsensiblen und wertschätzenden Unterricht zu erwarten sind, in welchem Lehrkräfte den Schüler*innen die Möglichkeit geben, die eigenen kulturellen und sprachlichen Erfahrungen als „wertvolle Ressource[n] für den Sprachlernprozess“ (Elsner 2010b: 113; C.L.) wahrzunehmen. Allerdings dominieren 94 3 Sprachliche und kulturelle Heterogenität <?page no="95"?> 84 Gogolin diagnostizierte den monolingualen Habitus bereits in der ersten Auflage ihrer Monographie im Jahr 1991. Diese Arbeit bezieht sich auf die zweite Auflage aus 1994. 85 Gogolin prägte den Begriff des ‚monolingualen Habitus‘ und bezog sich damit auf die einsprachige Ausrichtung des deutschen Bildungssystems. Hierbei wird davon ausgegangen, dass Schüler*innen lediglich eine gemeinsame Schulsprache haben. Lebensweltliche Mehrsprachigkeit, die fester Be‐ standteil des (schulischen) Alltags der Schüler*innen ist, wird nicht berücksichtigt (vgl. auch Gogolin, Akgün & Klinger 2017). Vielmehr wird vor allem migrationsbedingte Mehrsprachigkeit häufig als Problem und Herausforderung angesehen und dementsprechend aus einer defizitorientierten Perspektive betrachtet. auf der Ebene der Schule auch fast dreißig Jahre nachdem Ingrid Gogolin (1994) 84 den monolingualen Habitus 85 des Bildungssystems diagnostizierte und dessen Überwindung einforderte, noch immer monolinguale Denk-, Wahrnehmungs- und Handlungsmuster bei den Lehrkräften (vgl. Huxel 2018; Lange & Pohlmann-Rotter 2020; Borowski 2021). Bezogen auf die Ebene des Englischunterrichts lässt sich häufig die Norm des einsprachi‐ gen Unterrichts rekonstruieren (vgl. Wilken 2021; Püster 2021). Dies führt dazu, dass insbesondere herkunftsbedingt erworbene Sprachen und kulturelle Erfahrungen, die von der Mehrheitsbzw. Schulsprache abweichen, von den Lehrkräften ausgeblendet bzw. ignoriert werden (vgl. Jessner & Allgäuer-Hackl 2015; Kropp 2017). Statt des geforderten ressourcenorientierten Umgangs mit den kulturellen und sprachlichen Erfahrungen der Schüler*innen (vgl. Kapitel 3.3) herrscht weiterhin eine Defizitorientierung vor. Um dem entgegenzuwirken, gilt es, neben der Ausbildung von methodischem und didaktischem Wissen zum Einbezug der kulturellen und sprachlichen Erfahrungen der Schüler*innen vor allem die Einstellungen, Wahrnehmungen und Überzeugungen der Lehrkräfte bezüglich dieses Handlungsfeldes in den Blick zu nehmen. Diese Wissensbestände werden als wesentliche Aspekte erachtet, die das unterrichtliche Handeln der Lehrkräfte im Umgang mit kultureller und sprachlicher Heterogenität beeinflussen (vgl. Kapitel 2.4.2). Vor diesem Hintergrund ist das Ziel dieses Kapitels die Fokussierung des Forschungs‐ diskurses im Hinblick auf die Perspektive von Fremdsprachenlehrkräften zum Umgang mit kultureller und sprachlicher Heterogenität, da diesen eine Schlüsselrolle im genannten Themen- und Handlungsfeld zukommt (vgl. Méron-Minuth 2018). Die Darstellung des Forschungsstandes gliedert sich hierbei nach inhaltlichen Schwerpunkten der Studien, welche jeweils in den folgenden Abschnitten ausgeführt werden. Die Schwerpunkte sind: 1. Einstellungen, Haltungen, Überzeugungen sowie das Wissen von Fremdsprachenlehr‐ kräften zum Thema kulturelle und sprachliche Heterogenität, 2. Das unterrichtliche Handeln von Fremdsprachenlehrkräften im Umgang mit kulturel‐ ler und sprachlicher Heterogenität, 3. Gelingensbedingungen bzw. Hinderungsgründe für den Einbezug kultureller und sprachlicher Ressourcen der Schüler*innen. Fokussiert werden im Folgenden mehrheitlich Arbeiten aus dem fremdsprachendidakti‐ schen Diskurs im deutschsprachigen Raum, da diese dem Forschungskontext dieser Arbeit am nächsten stehen. Anzumerken ist, dass entsprechende Studien vor allem auf den Aspekt der sprachlichen Heterogenität bzw. das Thema Mehrsprachigkeit fokussieren. Zwar besteht Konsens darüber, dass Kultur und Sprache unmittelbar miteinander verbunden sind. Ebenso wird immer wieder betont, dass Mehrsprachigkeit und Mehrkulturalität „im 3.4 Umgang mit kultureller und sprachlicher Heterogenität im Englischunterricht: Ein Forschungsüberblick95 <?page no="96"?> europäischen Bildungsdiskurs fest verankert […] und längst zu theoretischen Bezugspunk‐ ten für das Lehren und Lernen von Sprachen geworden“ (Schädlich 2009: 91) seien. Bei genauerem Hinsehen zeigt sich jedoch, dass der kulturelle Aspekt in zahlreichen Studien meist hinter dem Schwerpunkt Mehrsprachigkeit zurücktritt und das Entstehen von und der Umgang mit kultureller Heterogenität kaum thematisiert werden (vgl. Krumm 2019). Die Betrachtung des Umgangs von kultureller Heterogenität im Fremdsprachenunterricht stellt damit ein erstes Desiderat fremdsprachendidaktischer Forschung dar, zu dessen Bearbeitung die vorliegende Arbeit beitragen möchte. 3.4.1 Einstellungen, Haltungen, Überzeugungen sowie das Wissen von Fremdsprachenlehrkräften zum Thema kulturelle und sprachliche Heterogenität Studien, die sich mit den Einstellungen, Haltungen und Überzeugungen sowie dem Wissen von Sprachenlehrkräften zum Thema kulturelle und sprachliche Heterogenität beschäfti‐ gen, weisen auf überwiegend positive Einstellungen gegenüber dem Bildungsziel Mehr‐ sprachigkeit sowie den mehrsprachigen (und kulturellen) Ressourcen der Schüler*innen hin. Ebenso zeigen diese Studien, dass Lehrkräfte die Prinzipien der Mehrsprachigkeitsdi‐ daktik grundsätzlich befürworten und dem Einsatz derselben in ihrem Fremdsprachenun‐ terricht offen gegenüberstehen (vgl. Jakisch 2014; Méron-Minuth 2018; Barras, Peyer & Lüthi 2019; Sambanis & Ludwig 2021). So haben Sambanis und Ludwig (2021: 213) in ihrer Fragebogenerhebung unter Berliner Englischlehrkräften aller Schulformen heraus‐ gefunden, dass diese dem Englischunterricht ein großes Potenzial für die Entwicklung und Förderung von Mehrsprachigkeit zuschreiben und ein grundsätzliches Interesse an der Integration verschiedener Sprachen sowie mehrsprachigkeitsdidaktischer Ansätze im Englischunterricht zeigen. Hierauf verweisen auch die Ergebnisse von Barras, Peyer und Lüthi (2019), die in ihrer Studie 20 Fremdsprachenlehrkräfte aus der Deutschschweiz zu ihren Einstellungen und Einschätzungen hinsichtlich mehrsprachigkeitsdidaktischer Ansätze im Fremdsprachen‐ unterricht interviewt haben. Die Ergebnisse machen deutlich, dass die Prinzipien der Mehrsprachigkeitsdidaktik grundsätzlich anerkannt werden und die Lehrkräfte diese eher als Bereicherung für ihren Unterricht sowie das Lernen ihrer Schüler*innen empfinden. So konnten aus der Sicht der Lehrkräfte vor allem mehrsprachige Schüler*innen durch diese Ansätze die Erfahrung machen, dass ihre Herkunfts- und Familiensprachen eine Ressource für das Fremdsprachenlernen darstellen können, was von den befragten Lehrkräften besonders hervorgehoben wurde (vgl. ebd.: 397). In Bezug auf die Einstellungen und Haltungen gegenüber Herkunftssprachen weisen Studien darauf hin, dass Lehrkräfte diesen Sprachen eher ambivalent gegenüberstehen. So erachtet ein Teil der Lehrkräfte die Herkunftssprachen ihrer Schüler*innen als wichtige Stütze für den Erwerb von weiteren (Fremd-)Sprachen und betont ihre Bedeutung für die Persönlichkeitsbildung sowie das Selbstbild der Schüler*innen (vgl. Pölzlbauer 2011; Ekinci & Güneşli 2016). Demgegenüber sind Lehrkräfte jedoch häufig der Ansicht, dass die Verwendung und der Einbezug von Herkunftssprachen vor allem dem Erwerb des Deutschen im Weg stehe (vgl. Leichsering 2003; Göbel, Vieluf & Hesse 2010; Wojnesitz 96 3 Sprachliche und kulturelle Heterogenität <?page no="97"?> 2010). Auch gilt eine Mehrsprachigkeit in Bezug auf die schulischen Fremdsprachen, wie z. B. Englisch, Französisch, Spanisch etc. als Indikator für Kompetenz und wird dementsprechend von den Fremdsprachenlehrkräften befürwortet. Kenntnisse in weit verbreiteten Herkunftssprachen der Schüler*innen, wie z. B. Arabisch, Türkisch, Kurdisch oder Polnisch, werden dagegen als weniger relevant eingeschätzt. Hinzu kommt, dass Lehrkräfte oftmals über keinerlei Wissen bezüglich der sprachlichen und kulturellen Ressourcen ihrer Schüler*innen verfügen (vgl. ebd; vgl. auch Bredthauer 2018: 554). Eine etwas andere Perspektive nimmt Jakisch (2014) in ihrer Untersuchung ein, indem sie den Englischunterricht und dessen Potenzial für die Entwicklung von individueller Mehrsprachigkeit fokussiert. Hierbei konfrontiert sie die theoretischen, auf fachdidakti‐ scher Ebene verhandelten Perspektiven und Zielvorstellungen zum Umgang mit Mehr‐ sprachigkeit mit denjenigen der schulischen Praxis. Ausgewählte Ergebnisse ihrer Studie zeigen, dass die von ihr befragten Lehrkräfte eine Öffnung des Englischunterrichts für das Bildungsziel Mehrsprachigkeit für möglich halten und dies grundsätzlich befürworten. Jedoch sind sie bezüglich der Vorreiterrolle, welche dem Fach Englisch von fachdidaktischer Seite für das weitere Fremdsprachenlernen zugeschrieben wird, eher skeptisch. Auch hinsichtlich des Transferpotenzials von Kenntnissen aus dem Englischen auf andere Sprachen äußern die befragten Lehrkräfte Zweifel (vgl. ebd.: 207). Ebenfalls skeptisch zeigen sich die von Méron-Minuth (2018) mittels Leitfadeninterviews befragten Gymnasiallehrkräfte. In ihrer Studie zu den Einstellungen von Fremdsprachen‐ lehrkräften zum Thema Mehrsprachigkeit kann die Autorin aufzeigen, dass die Lehrkräfte zwar über ein Bewusstsein für die Bedeutung der mehrsprachigen Kompetenzen ihrer Schüler*innen sowie über eine große Bereitschaft zur Inwertsetzung von Herkunftsspra‐ chen verfügen (vgl. ebd.: 303). Dennoch äußern die befragten Lehrkräfte Zweifel gegen‐ über sprachübergreifenden Ansätzen, deren Umsetzung im Fremdsprachenunterricht vor allem durch hohe gymnasiale Leistungsanforderungen verhindert werde. Ebenso zeigt sich, dass die Lehrkräfte komplexe Nationalstereotypen und Vorurteile gegenüber den unterschiedlichen Herkunftsländern und -sprachen der Schüler*innen aufweisen. Diese beziehen sich vor allem auf türkisch- und russischsprachige Schüler*innen, die anhand von alltagsempirischen Erfahrungen mit gewissen Persönlichkeitsmerkmalen verbunden werden (vgl. ebd.: 304). Erkenntnisse zum Wissen von Englischlehrkräften zum Umgang mit kultureller und sprachlicher Heterogenität konnten in der Studie von Cutrim Schmid und Schmid (2017) gewonnen werden, in welcher neben mehrsprachigen Lerner*innen auch acht Englischlehrkräfte einer Gesamtschule zu ihren Einstellungen bezüglich der Einflüsse migrationsbedingter Mehrsprachigkeit auf das Erlernen der Fremdsprache Englisch befragt wurden. Die Lehrkräfte zeigten hierbei unzureichende Kenntnisse über Ansätze und Strategien zur Nutzung der mehrsprachigen Ressourcen ihrer Schüler*innen (ebd.: 45), wenngleich sie in den Interviews über potenzielle Ideen zum Einbezug entsprechender Ressourcen reflektierten. Auch Reviews von empirischen Studien bzw. Metastudien zum Umgang von Sprachen‐ lehrkräften mit Mehrsprachigkeit kommen zu dem Ergebnis, dass Lehrkräfte über wenig fachdidaktisches und methodisches Wissen zur Nutzung der mehrsprachigen Ressourcen ihrer Schüler*innen verfügen. Häufig mangelt es an Ideen sowie konkreten Vorstellungen, 3.4 Umgang mit kultureller und sprachlicher Heterogenität im Englischunterricht: Ein Forschungsüberblick97 <?page no="98"?> wie die mehrsprachigen Kompetenzen der Lerner*innen gewinnbringend im Unterricht berücksichtigt und gefördert werden können (vgl. Reich & Krumm 2013; Bredthauer & Engfer 2016, 2018). Auch wird in einigen Studien deutlich, dass Lehrkräfte neben einer großen Aufgeschlossenheit gegenüber dem Bildungsziel der Förderung von Mehrsprachig‐ keit bzw. dem Einbezug von kulturellen und sprachlichen Ressourcen auch Überzeugungen und Einstellungen aufweisen, die in einigen Punkten nicht mit dem wissenschaftlichen Erkenntnisstand übereinstimmen (vgl. Bredthauer & Engfer 2016; Bredthauer 2018). So weisen die Studien von Pölzlbauer (2011) und Neveling (2013) nach, dass Fremdsprachen‐ lehrkräfte häufig die Auffassung vertreten, dass Schüler*innen von Sprachvergleichen überfordert würden und vor allem das parallele Erlernen einer Herkunftssprache und des Deutschen oder einer Fremdsprache eine übermäßige Beanspruchung der Lernenden darstelle. Hiermit verbunden ist die Überzeugung der Lehrkräfte, dass Sprachvergleiche nur den leistungsstarken Schüler*innen nutzen würden und Interferenzen eher fehlergenerie‐ rend und damit lerngefährdend seien (vgl. auch Jakisch 2014). Die bis hierhin dargestellten Befunde bestätigen sich auch im internationalen Vergleich. So konnte die Studie von Haukås (2016) aus dem norwegischen Bildungskontext mit zwölf Fremdsprachenlehrkräften der Sekundarstufe I zeigen, dass diese zunächst über positive Einstellungen bezüglich der Bedeutung von Mehrsprachigkeit für das Sprachen‐ lernen verfügen. Allerdings werden der Nutzen und die Vorteile von Mehrsprachigkeit in erster Linie bezogen auf die eigenen Spracherwerbsprozesse gesehen und nicht auf die Schüler*innen übertragen. Dies führt dazu, dass mehrsprachigkeitsdidaktische Methoden sowie die sprachlichen und kulturellen Erfahrungen der Schüler*innen im Unterricht nicht berücksichtigt werden. Auch De Angelis (2011) konnte in ihrer länderübergreifenden Fragebogenstudie Studie mit 176 Lehrpersonen aus Österreich, Italien und Großbritannien zeigen, dass die Lehr‐ personen über ein ausgeprägtes Bewusstsein in Bezug auf die Rolle und Bedeutung von Mehrsprachigkeit sowie dem sprachlichen Vorwissen für das (Fremd-)Sprachenlernen ver‐ fügen. Gleichzeitig deuten die Ergebnisse aber darauf hin, dass sich die befragten Lehrkräfte der kognitiven Vorteile von Mehrsprachigkeit sowie des Nutzens der Aufrechterhaltung von Herkunfts- und Familiensprachen der Schüler*innen kaum bewusst sind (vgl. ebd.: 226). Auch sind die Lehrkräfte tendenziell nicht mit den Ergebnissen empirischer Studien vertraut, die auf die Vorteile von mehrsprachigkeitsdidaktischen Verfahren verweisen. Vor diesem Hintergrund braucht es vor allem Lehrkräftefortbildungen, die wissenschaftliche Erkenntnisse an Fremdsprachenlehrkräfte vermitteln und diese für deren unterrichtliche Handlungspraxis nutzbar machen. Hierauf wird in Kapitel 4 eingegangen. Mit dem unterrichtlichen Handeln von Fremdsprachenlehrkräften im genannten Handlungsfeld beschäftigt sich der folgende Abschnitt. 3.4.2 Das unterrichtliche Handeln von Fremdsprachenlehrkräften im Umgang mit kultureller und sprachlicher Heterogenität Bislang existieren nur wenige Arbeiten, welche die Unterrichtspraxis von Fremdsprachen‐ lehrkräften zum Umgang mit kultureller und sprachlicher Heterogenität in den Blick nehmen. Erkenntnisse zum genannten Themenschwerpunkt werden meist aus denjenigen 98 3 Sprachliche und kulturelle Heterogenität <?page no="99"?> 86 Dieser Befund widerspricht damit in Teilen den Ergebnissen der DESI-Studie, welche zeigen, dass Englisch- und Deutschlehrkräfte die Sprachtransferunterstützung im Unterricht zwar grundsätzlich als sinnvoll erachten, sie jedoch selten einsetzen (vgl. Göbel, Vieluf & Hesse 2010: 117). Arbeiten abgeleitet, die sich mit den Einstellungen und Haltungen zum Umgang mit (kul‐ tureller und) sprachlicher Heterogenität bzw. mit mehrsprachigkeitsdidaktischen Ansätzen im Fremdsprachenunterricht beschäftigen (vgl. Kapitel 3.4.1). Ein Beispiel hierfür stellt die Fragebogenstudie von Heyder und Schädlich (2014) zu den Einstellungen, Erfahrungen und dem unterrichtspraktischen Handeln von Fremdsprachenlehrkräften in Bezug auf mehrsprachigkeitsbezogene Verfahren dar. Ähnlich wie in den oben genannten Studien konnten die Autorinnen auch bei den von ihnen befragten Lehrkräften (n= 297) grundsätz‐ lich positive Einstellungen bezüglich Mehrsprachigkeit und mehrsprachigkeitsbezogenen Ansätzen für den Fremdsprachenunterricht feststellen. Darüber hinaus gibt die Mehrheit der Lehrkräfte an, nach Möglichkeit Gebrauch von sprachübergreifenden Reflexionen und kontrastiven Verfahren im Unterricht zu machen, wobei Sprachvergleiche überwiegend zwischen der Zielsprache des Unterrichts sowie der Schulsprache Deutsch vorgenommen werden 86 . Weitere Fremdsprachen oder aber Herkunfts- und Familiensprachen spielen nur selten eine Rolle. Ebenso erfolgt der Einsatz mehrsprachigkeitsbezogener Verfahren laut Selbsteinschätzungen der Proband*innen nicht systematisch, sondern eher spontan und wird bei der Planung von Unterricht meist nicht mitgedacht (vgl. ebd.: 194). Es zeichnet sich an dieser Stelle ein Spannungsverhältnis zwischen den überwiegend positiven Einstellun‐ gen sowie der konkreten Handlungspraxis der Lehrkräfte ab. Heyder und Schädlich (ebd.: 197) vermuten einen Zusammenhang „zwischen der eigenen sprach- und lernerbiographi‐ schen Prägung der Befragten und ihren Einstellungen zu Unterrichtspraktiken hinsichtlich Mehrsprachigkeit/ Mehrkulturalität“, wobei ihre Vermutung tiefergehenden Untersuchun‐ gen bedürfe. Weiterhin heben sie hervor, dass sich zukünftige Forschungsarbeiten nicht nur der sprachlichen, sondern auch der kulturellen Heterogenität widmen sollten. Dem kommt Kreft (2020) in ihrer Dissertation nach und untersucht mit dem Fokus auf transkulturelle Kompetenzen die schulischen Interaktionsprozesse zwischen Schüler*in‐ nen, Lehrkräften und fictions of migration im literaturbasierten Englischunterricht der Sekundarstufe I und II. Anders als in Fragebogen- oder zahlreichen Interviewstudien wird die Handlungspraxis der Akteur*innen im Englischunterricht hier nicht (retrospektiv) über Selbsteinschätzungen bzw. in Form von kommunikativen Explikationen erhoben. Vielmehr wird die Handlungspraxis der Lehrkräfte sowie der Schüler*innen videografiert und damit in situ untersucht. Mit Hilfe der Dokumentarischen Methode kann die Autorin Interaktions- und Sinnaushandlungsprozesse sowie habitualisiertes Wissen der beteiligten Akteur*innen sichtbar machen. Die Ergebnisse der Studie machen deutlich, dass überwiegend binäre, dichotomisierende und nationenbasierte Kulturvorstellungen bei den Akteur*innen des Englischunterrichts vorherrschen. Für den Kontext der vorliegenden Studie besonders relevant ist die Erkenntnis, dass die Lehrkräfte einen maßgeblichen Einfluss auf das Zu‐ standekommen von kulturbezogenen Interaktions- und Aushandlungsprozessen nehmen, indem sie letztere durch die Schaffung entsprechender Angebote ermöglichen oder aber unterdrücken bzw. gar nicht erst anbieten. 3.4 Umgang mit kultureller und sprachlicher Heterogenität im Englischunterricht: Ein Forschungsüberblick99 <?page no="100"?> 87 Ähnlich zu der vorliegenden Arbeit führt auch Wilken (2021) mehrere Typenbildungen durch und kann so Ergebnisse mit unterschiedlichen Themenschwerpunkten rekonstruieren. Wie bereits in Kapitel 2.4.3 dargestellt, arbeitet die Autorin im Zuge der relationalen Typenbildung zwei Typen des Umgangs mit Normen heraus. Die hier beschriebenen Ergebnisse beziehen sich auf die Ergebnisse der mehrdimensionalen Typenbildung zum Umgang mit Mehrsprachigkeit, weshalb die Ergebnisse der Autorin an dieser Stelle der vorliegenden Studie aufgrund der thematischen Nähe zum Gegenstand dieses Abschnittes nochmals beschrieben werden. Ebenfalls mit dem Aspekt des kulturellen Lernens beschäftigt sich Vernal Schmidt (2021) in ihrer Dissertation und legt den Fokus auf interkulturelle Kompetenz im Spanischunter‐ richt. Auf Basis einer videografierten Unterrichtssequenz eines Spanisch-Leistungskurses nimmt die Autorin das Handeln und die Umgangsweisen der Schüler*innen sowie ihrer Lehrkraft in der aufgabengeleiteten Auseinandersetzung mit einem Film in den Blick. Die Autorin fokussiert vor allem die Frage, welches Verständnis von Kultur und Interkultura‐ lität bei den Akteur*innen vorherrscht und mit welchen individuellen und kollektiven Orientierungen sie sich mit ausgewählten Filmszenen auseinandersetzen. Ähnlich wie in der Studie von Kreft (2020) kann auch Vernal Schmidt (2021) nationengebundene und es‐ sentialistisch-homogene Kulturverständnisse bei den Akteur*innen rekonstruieren, welche im unterrichtlichen Diskurs von der Lehrkraft weder thematisiert noch problematisiert, sondern vielmehr perpetuiert werden (ebd.: 356). Zudem zeigt sich, dass kulturelle Lern‐ prozesse durch eine Engführung und Begrenzung von Perspektiven durch die Lehrkraft eingeschränkt bzw. unterbrochen werden. Indem letztere nur diejenigen Schüler*innen‐ beiträge in den Unterrichtsdiskurs aufnimmt, die ihrer eigenen Perspektive entsprechen, unterbindet sie Perspektivenvielfalt sowie die Thematisierung von Ambiguität, was gerade im Umgang mit kultureller Heterogenität und der Förderung von interbzw. transkultu‐ rellen Kompetenzen von zentraler Bedeutung ist (vgl. Kapitel 3.2.4). Für den Kontext der vorliegenden Studie besonders interessant ist die Erkenntnis, dass das kulturelle Erfahrungslernen durch den institutionell-schulischen Rahmen und die in ihm wirkenden Normen überformt und mitunter begrenzt werden kann. So werden kulturelle Reflexions- und Aushandlungsprozesse beispielsweise durch die pragmatische, instrumentelle und routinierte Aufgabenbearbeitung der Schüler*innen sowie deren Orientierung an den Er‐ wartungen der Lehrkraft eingeschränkt. Auch konnte die Autorin herausarbeiten, dass die von der Lehrkraft vorgenommene und stets eingeforderte Normsetzung in Bezug auf die für ihren Unterricht angemessene Sprachvarietät des Spanischen dazu führt, dass insbesondere alltags-, umgangs-, jugend- und nationalsprachliche Repertoires ausgeblendet und damit inferiorisierende Differenzsetzungen begünstigt werden (vgl. ebd.: 341). Die Wirkmächtigkeit von Normen im Unterricht kann auch die in Kapitel 2.4.3 be‐ schriebene Arbeit von Wilken (2021) aufzeigen 87 . Die Autorin kann im Zuge der mehr‐ dimensionalen Typenbildung aus ihrem Datenmaterial drei Typen rekonstruieren, die auf je unterschiedliche Art und Weise mit Mehrsprachigkeit in ihrem Englischunterricht umgehen: einbeziehend, instrumentalisierend und auslegend. Der einbeziehende Typus be‐ trachtet die sprachlichen Fähigkeiten der Schüler*innen als bedeutsame Ressourcen für den Spracherwerb Englisch und macht diese im eigenen Unterricht punktuell nutzbar. Der Typus instrumentalisierend nutzt die sprachlichen Ressourcen der Schüler*innen weniger für den Englischunterricht als vielmehr für den Aufbau und die Gestaltung der 100 3 Sprachliche und kulturelle Heterogenität <?page no="101"?> Lehrer*innen-Schüler*innen-Beziehung. Im Typus auslegend wird die schüler*innenseitige Mehrsprachigkeit weitestgehend ausgeblendet und eher aus einer defizitorientierten Per‐ spektive betrachtet. Als weiteres zentrales Ergebnis kann die Studie rekonstruieren, dass das Handeln der Lehrkräfte im Umgang mit Mehrsprachigkeit von institutionellen Normen überlagert wird, die von den Lehrkräften als bedeutsamer wahrgenommen werden. Hierbei spielt die Korrektheitsnorm eine zentrale Rolle (vgl. auch Kapitel 2.4.3). Das Handeln der Lehrkräfte im Umgang mit Mehrsprachigkeit wird diesen Ergebnissen zufolge nicht durch Einstellungen, sondern in erster Linie durch implizites Wissen und tief verankerte Erwartungserwartungen, d. h. Erwartungen der Lehrkräfte dessen, was von ihnen erwartet wird (vgl. Bohnsack 2013; vgl. auch Kapitel 5), geprägt. Diese Erwartungen erschweren gemeinsam mit dominanten institutionellen Normen den Blick auf Diversität, (trans-)kul‐ turelle Identitäten sowie Mehrsprachigkeit. Die Ergebnisse der Studie von Wilken kön‐ nen folglich einen ersten Beitrag dazu leisten, das oben genannte Spannungsverhältnis zwischen positiven Einstellungen und konkretem Handeln der Lehrkräfte in Bezug auf den Umgang mit Mehrsprachigkeit zu beleuchten. Hier bedarf es jedoch insbesondere in Bezug auf den Umgang mit kultureller Heterogenität weiterer Arbeiten, die sich diesem Themenfeld annehmen. Dem möchte die vorliegende Arbeit nachkommen. 3.4.3 Gelingensbedingungen bzw. Hinderungsgründe für den Einbezug kultureller und sprachlicher Ressourcen der Schüler*innen Wie sich anhand der bis hierhin dargestellten Erkenntnisse zum Umgang mit kulturel‐ ler und sprachlicher Heterogenität angedeutet hat, gibt es eine Diskrepanz zwischen grundsätzlich positiven Einstellungen von Fremdsprachenlehrkräften auf der einen und einem wenig systematischen bzw. lernförderlichen Einbezug kultureller und sprachlicher Ressourcen auf der anderen Seite. Bisher existieren jedoch kaum Arbeiten, die sich explizit diesem Spannungsverhältnis widmen und die Ursachen für einen bisher wenig systemati‐ schen Umgang mit kultureller und sprachlicher Heterogenität im Fremdsprachenunterricht in den Blick nehmen (eine Ausnahme bildet die Arbeit von Wilken 2021 mit einem Fokus auf Mehrsprachigkeit). Erkenntnisse zu diesem Themenfeld werden auch hier bisher überwie‐ gend aus Studien zu den Einstellungen und Haltungen von (Fremd-)Sprachenlehrkräften zum Umgang mit Mehrsprachigkeit abgeleitet. So kommen Reviews dieser Studien neben den in den Kapiteln 3.4.1 und 3.4.2 bereits angeklungenen Hinderungsgründen (fehlendes didaktisches Wissen, dominante Institutionsnormen und Sorge um eine Überforderung der Schüler*innen) zu dem Ergebnis, dass die Lehrkräfte in einer unzureichenden Aus- und Fortbildung in Bezug auf das genannte Themenfeld einen der Hauptgründe sehen, weshalb die Berücksichtigung von Mehrsprachigkeit (und kultureller Heterogenität) für sie nicht möglich erscheint (vgl. Reich & Krumm 2013; Bredthauer & Engfer 2016, 2018). Bezogen auf die generelle Durchführbarkeit von mehrsprachigkeitsdidaktischen Ansätzen beklagen die Fremdsprachenlehrkräfte neben einer verbesserungswürdigen Lehr- und Lernmateriallage vor allem die Rahmenbedingungen des Fremdsprachenunterrichts, die einem effektiven Einbezug von sprachlichen (und kulturellen) Ressourcen der Lernenden im Wege stehen. So werden oftmals die große sprachliche Vielfalt in den Klassen, die eigenen fehlenden 3.4 Umgang mit kultureller und sprachlicher Heterogenität im Englischunterricht: Ein Forschungsüber‐ blick 101 <?page no="102"?> Sprachkompetenzen bezogen auf ebendiese Vielfalt, die Gruppengrößen, der erhöhte zeit‐ liche Aufwand der Unterrichtsvorbereitung sowie ein genereller Zeitmangel im Unterricht als Hinderungsgründe angeführt (vgl. ebd.; vgl. auch Pölzlbauer 2011; Ekinci & Güneşli 2016). Fehlende Unterrichtszeit wird auch in der oben bereits zitierten Studie von Barras, Peyer und Lüthi (2019) als zentraler Faktor hervorgehoben, der den Einbezug von Mehrsprachig‐ keit in den Fremdsprachenunterricht erschwert bzw. verhindert. So äußern die befragten Lehrkräfte Bedenken hinsichtlich des Einbezugs weiterer Sprachen neben der von ihnen unterrichteten Fremdsprache, da hierdurch Lernzeit für die zu vermittelnde Zielsprache verringert werde. Gerade in Bezug auf die Thematisierung von Kultur brauche es viel Zeit, da bei oberflächlicher Behandlung die Gefahr von Stereotypisierungen bestehe (vgl. ebd.: 398). Daneben nennen die Lehrkräfte bestimmte Bedingungen, die erfüllt sein sollten, damit mehrsprachigkeitsdidaktische Ansätze und die sprachlichen Ressourcen der Schüler*innen einbezogen werden und ihr lernförderliches Potenzial entfalten können. So erachten es die Lehrkräfte als notwendig, dass bei sprachvergleichenden Aktivitäten die jeweils zu vergleichenden Sprachen miteinander verwandt sind. Darüber hinaus bräuchten die Schüler*innen gefestigte Kenntnisse in den jeweiligen Sprachen, um von Sprachvergleichen profitieren zu können (vgl. ebd.). Gerade der Umgang mit Herkunfts- und Familienspra‐ chen, in welchen die Schüler*innen häufig sehr heterogene Kompetenzniveaus aufweisen, stellt vor diesem Hintergrund eine Herausforderung für die Lehrkräfte und die Gestaltung eines an Mehrsprachigkeit orientierten Unterrichts dar. Die bisherigen Forschungsergebnisse machen also deutlich, dass die positiven Einstel‐ lungen von (Fremd-)Sprachenlehrkräften in Bezug auf Mehrsprachigkeit (und kulturelle Heterogenität) sowie die wahrgenommenen positiven Auswirkungen auf die Schüler*in‐ nen und deren Spracherwerbs- und -lernprozesse in einem deutlichen Kontrast zu den wahrgenommenen Rahmenbedingungen von Schule und Fremdsprachenunterricht stehen. Ähnlich sieht es auch Huxel (2018: 112): „eigentlich wird Mehrsprachigkeit als Ressource betrachtet und die Lehrkräfte würden sie auch einbeziehen - wenn dem nicht fundamentale Regularitäten im Feld Schule entgegenstünden“. Es bedarf also weiterer Forschung, die sich der Analyse dieses Spannungsverhältnisses widmet und insbesondere auf Möglichkeiten schaut, Fremdsprachenlehrkräfte auf den Umgang mit kultureller und sprachlicher Hete‐ rogenität vorzubereiten. Mit diesem thematischen Schwerpunkt beschäftigt sich Kapitel 4. 102 3 Sprachliche und kulturelle Heterogenität <?page no="103"?> 4 Die Professionalisierung von Englischlehrkräften im Umgang mit kultureller und sprachlicher Heterogenität in der dritten Phase der Lehrer*innenbildung Anhand der in den Kapiteln 2 und 3 dargestellten Forschungsstände und -tendenzen zu den Themen Professionalisierung von Fremdsprachenlehrkräften sowie kulturelle und sprachliche Heterogenität wird im Folgenden der Forschungsgegenstand sowie das Erkenntnissinteresse dieser Arbeit dargelegt (Kapitel 4.1). Hieran anschließend werden die sich hieraus ableitenden Forschungsfragen präzisiert (Kapitel 4.2) und der Forschungsbzw. Projektkontext beschrieben, in welchem die vorliegende Arbeit verortet ist (Kapitel 4.3). 4.1 Forschungsgegenstand und Erkenntnisinteresse Die bis hierhin dargestellte Forschung zur Professionalisierung von Fremdsprachenlehr‐ kräften sowie zum Handlungsfeld des Umgangs mit kultureller und sprachlicher Hete‐ rogenität hat deutlich gemacht, dass es einer zielgerichteten Professionalisierung von Fremdsprachenlehrkräften bedarf, damit diese den vielfältigen Anforderungen, die sich ihnen im Umgang mit einer kulturell und sprachlich heterogenen Schüler*innenschaft stellen, gerecht werden und Lernende entsprechend ihrer individuellen Lernausgangslagen und Spracherwerbssowie -lernerfahrungen fördern können. Trotz der Bedeutsamkeit einer Berücksichtigung und des produktiven Aufgreifens der kulturellen und sprachlichen Ressourcen der Schüler*innen im Fremdsprachenunterricht, wurde das tatsächliche Handeln von Fremdsprachenlehrkräften im Umgang mit diesen Heterogenitätsdimensionen bislang wenig empirisch betrachtet. Dabei stellt vor allem die Beforschung des Handelns von Englischlehrkräften ein Desiderat dar. Diejenigen Erkennt‐ nisse, die zur Handlungspraxis von Fremdsprachenlehrkräften im Umgang mit kultureller und sprachlicher Heterogenität existieren, wurden überwiegend aus Studien zu deren Ein‐ stellungen und Haltungen bezüglich dieser Handlungsfelder abgeleitet, wobei der Schwer‐ punkt hier vornehmlich auf sprachlicher Heterogenität liegt (vgl. Kapitel 3). So hat die fremdsprachendidaktische Lehrer*innenforschung zeigen können, dass Fremdsprachen‐ lehrkräfte überwiegend positiv gegenüber der kulturellen und sprachlichen Ressourcen ihrer Schüler*innen sowie kulturell-sensiblen und mehrsprachigkeitsorientierten Ansätzen für den Fremdsprachenunterricht eingestellt sind. Allerdings wurde auch deutlich, dass sich diese Einstellungen nicht zwangsläufig in der unterrichtlichen Handlungspraxis der Lehrkräfte widerspiegeln und die kulturellen und sprachlichen Ressourcen der Schüler*in‐ nen bislang wenig systematisch aufgegriffen werden. Als einer der Hauptgründe hierfür wird eine unzureichende Aus- und Fortbildungspraxis von Fremdsprachenlehrkräften im Umgang mit diesem Handlungsfeld gesehen, weshalb die Lehrkräftebildung sowie die hieran beteiligten Akteur*innen in die Verantwortung genommen werden, entsprechende Ansätze und Konzepte zu entwickeln (vgl. Elsner & Wildemann 2011; Goltsev & Bredthauer 2020). <?page no="104"?> Vor allem in der Praxis der Fremdsprachenlehrer*innenbildung mangelt es an einer systematischen Qualifizierung für das Unterrichten in sprachlich und kulturell heterogenen Klassen (vgl. auch Elsner & Wildemann 2011; Gogolin 2013). Hier existieren häufig projektbasierte Ansätze, die standortspezifisch und damit nicht flächendeckend umgesetzt werden und in erster Linie in der universitären Phase der Lehrer*innenbildung verortet sind (vgl. z. B. Niesen 2018; Hoch & Wildemann 2019; Elsner et al. 2020; für den Bereich der schulpraktischen Studien vgl. z. B. Elsner 2010a; Schädlich 2015; im Bereich eines Blended-learning Masterprogramms vgl. Benitt 2015; Zibelius 2015). Diese Arbeiten leisten einen wichtigen Beitrag zu der in Kapitel 2 aufgestellten Frage, welche Prozesse von Professionalisierung sich innerhalb der jeweiligen Programme der Lehrkräftebildung ereignen (vgl. auch Legutke & Schart 2016a). Betrachtet man die Professionalisierung von (Fremdsprachen-)Lehrkräften jedoch als eine Phase des lebenslangen Lernens und kontinuierlichen (Weiter-)Entwickelns, so bedarf es vor allem einer Beforschung der dritten Phase der Lehrkräftebildung. Wie in Kapitel 2 verdeutlicht, stellt hierbei insbesondere die längsschnittliche Beforschung von Professionalisierungsprozessen und damit die Prozess‐ struktur des Lehrer*innenhandelns ein Desiderat dar. Diesem Desiderat wird sich mit der vorliegenden Arbeit angenommen und auf potenzi‐ elle Prozesse von Professionalisierung geschaut, die sich im Kontext einer siebenmonatigen Fortbildung für Englischlehrkräfte im spezifischen Handlungsfeld des Umgangs mit kultu‐ reller und sprachlicher Heterogenität ereignen (vgl. hierzu Kapitel 4.3). Wie in Kapitel 2.5 dargelegt, werden Veränderungssowie Stabilisierungsprozesse im Anschluss an Wittek et al. (2020: 299; H.i.O) „als dynamische Ausdrucksgestalten potenzieller Professionalisie‐ rungsprozesse“ verstanden. Zur Beforschung dieser Prozesse bildet die praxeologische Wissenssoziologie (vgl. Bohnsack 2017) und deren Zugang zu Bourdieus Habituskonzept den grundlagentheoretischen Ansatzpunkt (Helsper et al. 2013; Bohnsack 2017; vgl. Kapitel 6). Obwohl auf theoretisch-konzeptioneller Ebene eine Entwicklung zu einem hybriden Kulturverständnis sowie einem Verständnis von Sprache und Sprachenlernen auszumachen ist, demzufolge sämtliche Sprachkompetenzen und Sprachlernerfahrungen als relevant für die konstruktive und erfolgreiche Bewältigung von Kommunikationssituationen erachtet werden (vgl. Kapitel 3), so steht die Verknüpfung von Theorie, Lehrkräftebildung und unterrichtlicher Handlungspraxis diesbezüglich noch aus (vgl. auch Hu 2018: 167). Damit zukünftig ein sowohl für die Schüler*innen als auch für die Lehrkräfte gewinnbringender und systematischer Umgang mit kultureller und sprachlicher Heterogenität im Fremdspra‐ chenunterricht stattfinden kann, sich die in Kapitel 3 dargestellten Potenziale eines solchen Umgangs entfalten und Fort- und Weiterbildungen in Bezug auf dieses Handlungsfeld entsprechend konzipiert bzw. adaptiert werden können, bedarf es zunächst einer Analyse der Handlungspraxis der Lehrkräfte. Den Praxisbegriff nutze ich hierbei im Sinne Reckwitz‘ (2003: 290) als „kleinste Einheit des Sozialen“. Hierdurch rückt „das konkrete Tun als materielles, an Körper gebundenes und in systematischer Verbindung mit einer Fülle feldspezifischer Artefakte stehendes Phänomen in den Fokus der Betrachtung“ (Leonhard et al. 2018: 8; H.i.O.). 104 4 Professionalisierung von Englischlehrkräften <?page no="105"?> 88 Mit der Fokussierung von handlungsleitenden Orientierungen von Englischlehrkräften im Umgang mit kultureller und sprachlicher Heterogenität nimmt die vorliegende Arbeit zwar nur einen kleinen Ausschnitt von Professionalisierung in den Blick, sieht sich jedoch grundsätzlich im Professionali‐ sierungsdiskurs verortet (vgl. Leonhardt, Kreft & Viebrock 2021; vgl. auch Kapitel 2). Durch die Herausarbeitung von handlungsleitenden Orientierungen 88 und Relevant‐ setzungen von Englischlehrkräften im genannten Handlungsfeld kann darauf geschaut werden, ob und welche Anforderungen sie in Bezug auf den Umgang mit kultureller und sprachlicher Heterogenität wahrnehmen, wie sie diese bearbeiten und welche Herausfor‐ derungen sich ggf. für die Lehrkräfte im Umgang mit ebendiesen Anforderungen ergeben. Weiterhin lassen sich hierdurch die je unterschiedlichen Zugänge zur Bewältigung der Handlungsanforderungen herausarbeiten und für die Reflexion des eigenen Handelns beispielsweise im Rahmen von Fort- und Weiterbildungsveranstaltungen nutzbar machen (vgl. hierzu auch Leonhardt, Kreft & Viebrock 2021). Die so rekonstruierte Handlungspraxis der Lehrkräfte im Umgang mit kultureller und sprachlicher Heterogenität kann sodann in einem zweiten Schritt als Basis dienen, um potenzielle Veränderungsbzw. Entwicklungs‐ prozesse zu identifizieren und damit auf die Professionalisierung der Lehrkräfte zu schauen. Wie in Kapitel 2 dargestellt, werden nicht nur explizite Wissensbestände als relevant für das professionelle Handeln von (Fremdsprachen-)Lehrkräften erachtet, sondern vor allem implizites Wissen sowie dessen Zusammenspiel mit und Verhältnis zu explizitem Wissen. Die vorliegende Arbeit kommt damit folglich auch dem Desiderat nach, die potenziellen Spannungsverhältnisse zwischen expliziten und impliziten Wissensbeständen näher in den Blick zu nehmen und deren Auswirkungen auf das Handeln der Lehrkräfte sowie deren Professionalisierung zu analysieren. Hierfür wird die praxeologisch-wissenssoziologische Professionstheorie herangezogen (vgl. Kapitel 5). Durch die Betrachtung dieses Verhältnis‐ ses können mögliche Ursachen für einen unzureichenden Umgang mit kultureller und sprachlicher Heterogenität gefunden sowie Implikationen für die (fremdsprachendidakti‐ sche) Lehrkräftebildung abgeleitet werden. Im folgenden Abschnitt werden die aus dem Forschungsgegenstand abgeleiteten For‐ schungsfragen dargestellt. Sie stehen in der Logik der in Kapitel 2 ausgeführten strukturthe‐ oretischen und berufsbiographischen Ansätze zur Professionalität und Professionalisierung von Lehrkräften und berücksichtigen fremdsprachendidaktische Anforderungen zum Um‐ gang mit kultureller und sprachlicher Heterogenität (vgl. Kapitel 3). 4.2 Forschungsfragen Aus den vorherigen Ausführungen zum Forschungsgegenstand und Erkenntnisinteresse dieser Arbeit lassen sich nun die Forschungsfragen ableiten, die grundsätzlich auf zwei Ebenen verortet sind. Auf einer ersten Ebene fokussiert die vorliegende Arbeit die Handlungspraxis von berufstätigen Englischlehrkräften im Umgang mit kultureller und sprachlicher Heterogenität. Hieraus lässt sich die erste, übergeordnete Forschungsfrage ableiten: 4.2 Forschungsfragen 105 <?page no="106"?> 89 Der Begriff der Anforderungen bezieht sich in dieser Arbeit nicht auf das psychologische Konzept der Anforderungsbzw. Stresstheorie, demzufolge Anforderungen als subjektive Belastungen bzw. po‐ tenzielle Stressoren wahrgenommen werden können (vgl. Keller-Schneider 2010). Vielmehr werden Anforderungen fokussiert, wie sie im Entwicklungsaufgabenkonzept nach Hericks (2006) angelegt sind (vgl. auch Kapitel 2.3.3). Demzufolge werden Entwicklungsaufgaben als „gesellschaftliche Anforderungen an Menschen in je spezifischen Lebenssituationen, die individuell als Aufgabe eigener Entwicklung gedeutet werden können“ (ebd.: 60) verstanden. 1a) Welche Erfahrungen machen berufsroutinierte Englischlehrkräfte im Umgang mit kultureller und sprachlicher Heterogenität in ihrem Englischunterricht? Diese offen angelegte Fragestellung bietet die Möglichkeit, auf jene Themen zu schauen, welche die befragten Lehrkräfte im Zusammenhang mit dem Handlungsfeld des Umgangs mit kultureller und sprachlicher Heterogenität als prioritär wahrnehmen. Ebenso angelegt in dieser Frage ist eine Verständigung darüber, was unter kultureller und sprachlicher Hete‐ rogenität verstanden wird. Somit lassen sich die handlungsleitenden Orientierungen sowie tiefsitzende Überzeugungen zum Umgang mit kultureller und sprachlicher Heterogenität in den Blick nehmen, welche die befragten Lehrkräfte im Laufe ihrer (Berufs-)Biographie erworben haben. In der vorliegenden Arbeit wird die unterrichtliche Handlungspraxis der befragten Lehrkräfte nicht in situ beobachtet, sondern aus den Erzählungen der Lehrkräfte abgeleitet. Als Grundlage hierfür dient die praxeologische Wissenssoziologie, mit welcher davon ausgegangen wird, dass sich im Sprechen über das Handeln zentrale Orientierungen zeigen, welche die Handlungspraxis strukturieren und dementsprechend lenken (vgl. Kapitel 5.1.3). Hierauf sowie auf dem professionstheoretischen Hintergrund dieser Arbeit basierend (vgl. Kapitel 2), lässt sich die erste, allgemeiner angelegte Forschungsfrage weiter ausdifferenzieren: • Welche handlungsleitenden Orientierungen strukturieren die Handlungspraxis der Lehrkräfte im Umgang mit kultureller und sprachlicher Heterogenität? • Welche Anforderungen 89 nehmen die Lehrkräfte im Umgang mit kultureller und sprachlicher Heterogenität im Englischunterricht wahr? • Wie bearbeiten die Lehrkräfte die Anforderungen im Umgang mit kultureller und sprachlicher Heterogenität? Durch die ausdifferenzierten Unterfragen wird der Fokus auf die Rekonstruktion der Handlungspraxis der befragten Lehrkräfte im spezifischen Handlungsfeld des Umgangs mit kultureller und sprachlicher Heterogenität verdeutlicht. Mit der Beantwortung der ersten übergeordneten Forschungsfrage und den dazugehörigen Unterfragen möchte die vorliegende Arbeit dazu beitragen, dass das im schulpädagogischen Diskurs viel diskutierte Thema der Heterogenität auch in der Fremdsprachendidaktik weiter ausgeschärft und im Hinblick auf das Handeln, die Sichtweisen sowie die Erfahrungen von Englischlehrkräften betrachtet wird. Auf einer zweiten Ebene nimmt diese Arbeit nun eine Entwicklungsperspektive ein und schaut darauf, welche Prozesse von Professionalisierung bzw. Deprofessionalisierung sich im Kontext der Teilnahme an einer Lehrkräftefortbildung bei den befragten Englischlehr‐ kräften rekonstruieren lassen. Demnach lautet die zweite Forschungsfrage: 106 4 Professionalisierung von Englischlehrkräften <?page no="107"?> 1b) Wie professionalisieren sich berufsroutinierte Englischlehrkräfte im Umgang mit kultureller und sprachlicher Heterogenität? - Wie in Kapitel 2 dargelegt, werden mit dem Begriff der Professionalisierung jene Entwick‐ lungsbzw. Veränderungsprozesse in Bezug auf die Wahrnehmung und Bearbeitung berufsbezogener Anforderungen von Englischlehrkräften im Umgang mit kultureller und sprachlicher Heterogenität in den Blick genommen, wie sie sich über den Verlauf einer siebenmonatigen Fortbildung rekonstruieren lassen. In der zweiten Forschungsfrage mitangelegt sind weiterhin Prozesse der Stabilisierung von Handlungspraktiken im Um‐ gang mit kultureller und sprachlicher Heterogenität, da nicht jede Veränderung einer Handlungspraxis per se als professionalisierend bezeichnet werden kann (vgl. Wittek et al. 2020). Hierfür bedarf es der Eröffnung normativer Horizonte sowie der Betrachtung der Frage, inwieweit unterschiedliche Typen von Lehrkräftehabitūs „den Anforderungen an eine professionelle Handlungspraxis entsprechen“ (Helsper 2018: 129). In diesem Zusammenhang wird vor allem die Betrachtung des Spannungsverhältnisses zwischen Norm(en) und Habitūs sowie die Bearbeitung dieses Spannungsverhältnisses seitens der Lehrkräfte relevant (vgl. Kapitel 5.1.4). So kann darauf geschaut werden, ob und inwiefern die durch die Fortbildung an die Lehrkräfte herangetragenen Normen zum Umgang mit kultureller und sprachlicher Heterogenität das Potenzial bergen, deren Habitus zu irritieren und damit Prozesse von Professionalisierung zu initiieren. Ebenso denkbar sind vor diesem Hintergrund Prozesse von Deprofessionalisierung. Diese beziehen sich zwar ebenfalls auf die Entwicklung bzw. Veränderung von Handlungspraktiken, jedoch mit einem dem Verständnis von Professionalisierung gegenüber negativen Vorzeichen (vgl. Helsper 2018: 58; vgl. auch Kapitel 2.5). Analog zur ersten übergeordneten Forschungsfrage lässt sich auch die zweite Forschungsfrage weiter ausdifferenzieren und bringt damit die angesprochenen Forschungsperspektiven zum Ausdruck: • Welche Prozesse des Veränderns bzw. Stabilisierens lassen sich in der habituellen Aus‐ einandersetzung mit den Anforderungen des Umgangs mit kultureller und sprachlicher Heterogenität rekonstruieren? Wie die Forschungsfragen deutlich machen, handelt es sich bei dieser Studie nicht um eine Implementationsstudie im Sinne der Verankerung von Ansätzen zum Umgang mit kultureller und sprachlicher Heterogenität im Fremdsprachenbzw. Englischunterricht. Auch geht es in der vorliegenden Arbeit nicht um die Überprüfung der Wirksamkeit eines spezifischen Fortbildungsdesigns, wie dies bei Evaluations- oder Wirksamkeitsstudien der Fall ist. Vielmehr geht es um die Beforschung der Handlungspraxis von Englischlehrkräften und damit um die Herausarbeitung der Logiken von Lehrkräfteorientierungen im Kontext des Umgangs mit kultureller und sprachlicher Heterogenität sowie deren potenzieller Veränderung. Damit kann Grundlagenwissen generiert werden, welches wiederum dazu genutzt werden kann, dass Fortbildungsprogramme entsprechend der Bedarfe und Belange der Lehrkräfte konzipiert sowie anschließend evaluiert werden können. 4.2 Forschungsfragen 107 <?page no="108"?> 90 The Next Level - Lehrkräftebildung vernetzt entwickeln wird im Rahmen der gemeinsamen Qualitäts‐ offensive Lehrerbildung von Bund und Ländern aus Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung unter dem Förderkennzeichen FKZ 01JA1819 gefördert. Für weitere Informationen zum Projekt siehe https: / / www.psychologie.uni-frankfurt.de/ 113929452/ The_Next_Level__Lehrkrä ftebildung_vernetzt_entwickeln (zuletzt aufgerufen am: 03.04.2025). 91 Mit dem Begriff der Fortbildung ist in dieser Arbeit die „Erhaltung und Erweiterung der beruflichen Kompetenzen der Lehrpersonen“ (Daschner 2004: 291) vor dem Hintergrund wissenschaftlicher Erkenntnisse und der Anforderungen der Berufs- und Arbeitswelt gemeint. Lehrer*innenweiterbil‐ dung meint hier den Erwerb zusätzlicher Kompetenzen und Qualifikationen, was häufig mit einer Statuserhöhung sowie zusätzlichen Funktionen verbunden ist (Fussangel et al. 2016; Daschner 2004; Terhart 2000). 4.3 Projekthintergrund Die vorliegende Arbeit ist im Projekt The Next Level - Lehrkräftebildung vernetzt entwi‐ ckeln  90 verortet, welches im Rahmen der zweiten Förderlinie der Qualitätsoffensive Lehrer‐ bildung im Zeitraum von 2019 bis 2023 an der Goethe-Universität Frankfurt durchgeführt wurde. The Next Level stellt das Nachfolgeprojekt des im Laufe der ersten Förderlinie der Qualitätsoffensive Lehrerbildung geförderten Projekts Level - Lehrerbildung vernetzt entwickeln dar (Projektlaufzeit 2015 bis 2018). Bei Level lag der Schwerpunkt auf der Schulung und Unterstützung von Lehramtsstudierenden sowie Lehrkräften im Vorberei‐ tungsdienst (LiV) bei der Entwicklung einer professionellen Unterrichtswahrnehmung (vgl. Sherin 2001; Seidel & Stürmer 2014) im Umgang mit Heterogenität durch den Einsatz von Unterrichtsvideos. Vor diesem Hintergrund wurden videobasierte sowie fächer- und phasenübergreifende Lehr- und Lernmaterialien in einem Blended Learning-Ansatz entwi‐ ckelt (vgl. Landesstiftung Baden-Württemberg 2008; Reinmann 2011) und in der ersten und zweiten Phase der Lehrkräftebildung erprobt. Weiterhin wurden die individuellen Lernprozesse der Studierenden und LiV mit Hilfe eines ePortfolios dokumentiert und begleitet. An diese Vorarbeiten knüpfte The Next Level an und nahm die Fort- und Weiterbildung 91 von Lehrkräften stärker in den Blick. Im Fokus standen in erster Linie die Adaption, Erprobung sowie Evaluation der im Vorläuferprojekt entwickelten Lehr- und Lernmateri‐ alien für die dritte Phase der Lehrkräftebildung und damit die Professionalisierung von berufstätigen Lehrkräften im genannten Handlungsfeld. Hierbei spielten insbesondere (1) die systematische Kompetenzentwicklung bei berufserfahrenen Lehrkräften unter Berücksichtigung deren Vorwissens und Erfahrungen, (2) der produktive Umgang mit Heterogenität im eigenen Unterricht sowie die Anregung entsprechender Professionali‐ sierungsprozesse, (3) die Etablierung flexibler Aus- und Fortbildungsstrukturen durch digital gestützte Lehr- und Lernformate sowie (4) der Auf- und Ausbau von Kooperations- und Vernetzungsstrukturen zwischen den jeweiligen Lehrer*innenbildungsphasen und projektinternen Fächerverbünden eine zentrale Rolle. Die Fächerverbünde setzten die genannten Projektziele in verschiedenen Teilprojekten mit je eigenen fachspezifischen Schwerpunkten um und entwickelten Konzepte für die Aus-, Fort- und Weiterbildung von 108 4 Professionalisierung von Englischlehrkräften <?page no="109"?> 92 Mit den Projekten Level und The Next Level beteiligt sich die Goethe-Universität an einer bundeswei‐ ten Initiative aus 49 Projekten, die sich eine systematische inhaltliche sowie methodische Vernetzung der einzelnen Phasen der Lehrkräftebildung in Deutschland im Hinblick auf den Umgang mit Heterogenität zum Ziel gesetzt haben und zu deren nachhaltigen Weiterentwicklung beitragen. Hierdurch werden die Grundlagen für eine in stärkerem Maße fächer- und phasenübergreifend angelegten Lehrkräftebildung sowie einer engeren Verzahnung von Theorie- und Praxiselementen in der Lehrer*innenaus-, -fort- und -weiterbildung im Hinblick auf die systematische Kompetenzent‐ wicklung im Umgang mit Heterogenität gelegt. 93 Die Online-Fortbildung wurde nach einem ersten Durchlauf von Oktober 2021 bis Mai 2022 ein weiteres Mal durchgeführt und evaluiert. Dies ist jedoch nicht Gegenstand der vorliegenden Arbeit. Die Fortbildungsinhalte werden als Open Educational Resources (OER) veröffentlicht. 94 Bei VIGOR handelt es sich um eine moodle-basierte Online-Lehr-Lernplattform zum Einsatz von videobasierten Lehr- und Lernmaterialien in der Lehrkräftebildung. Für weitere Informationen zur Plattform und deren Einsatz in der Lehrkräftebildung vgl. auch: https: / / www.qualitaetsoffensive -lehrerbildung.de/ lehrerbildung/ shareddocs/ downloads/ files/ bmbf_fachbroschuere_lehren_forsche n.pdf ? __blob=publicationFile&v=5 (zuletzt aufgerufen am: 03.04.2025) Lehrkräften, um die lokalen und regionalen Lehrer*innenbildungsstrukturen systematisch und nachhaltig zu verbessern 92 . Eines dieser Teilprojekte stellt die Onlinefortbildung Mehrsprachigkeit und kulturelle Vielfalt im (Fremd-)Sprachenunterricht dar, welche im Fachverbund Sprachen im Zeitraum von 2019 bis 2021 entwickelt, durchgeführt und evaluiert wurde 93 . Der Fachverbund Sprachen setzte sich aus Vertreter*innen der Englischdidaktik am Institut für England- und Amerikastudien sowie des Instituts für Pädagogik der Elementar- und Primarstufe des Fachbereichs Erziehungswissenschaften zusammen. Die Ziele des Teilprojekts sowie dessen Konzeption und modularisierte Anlage werden im Folgenden dargestellt. 4.3.1 Ziele und Konzeption der Onlinefortbildung Mehrsprachigkeit und kulturelle Vielfalt im (Fremd-)Sprachenunterricht Mit dem Teilprojekt Mehrsprachigkeit und kulturelle Vielfalt im (Fremd-)Sprachenunterricht reagierte der Fachverbund Sprachen auf die Tatsache, dass der Beforschung der dritten Phase der Lehrkräftebildung gerade im Hinblick auf das hoch dynamische Feld des Um‐ gangs mit Heterogenität bisher wenig Aufmerksamkeit geschenkt wurde (vgl. z. B. Strohn 2015; vgl. auch Kapitel 2 und 3). Vor diesem Hintergrund wurde eine Lehrkräftefortbildung entwickelt, welche das Thema des Umgangs mit Heterogenität aus einer fachspezifischen Perspektive betrachtete und die für den (Fremd-)Sprachenunterricht besonders relevanten Heterogenitätsdimensionen Kultur und Sprache in den Mittelpunkt stellte (vgl. auch Kapitel 3). Ein besonderer Fokus lag auf den Konzepten Mehrsprachigkeit sowie Transkulturalität, die in insgesamt sieben Fortbildungsmodulen adressiert wurden (vgl. Kapitel 4.3.2, vgl. Abbildung 1). Das ursprünglich als Blended Learning-Fortbildung geplante Fortbildungs‐ format, welches Präsenzphasen mit virtuellen E-Learning-Elementen kombinieren sollte (vgl. Landesstiftung Baden-Württemberg 2008), wurde aufgrund der Corona-Pandemie gänzlich als Onlinefortbildung auf der eigens für das Projekt entwickelten Onlineplattform VIGOR (Videographic Online Recorder) 94 konzipiert und erstreckte sich über einen Zeitraum von sieben Monaten. Die Zielgruppe der Fortbildung umfasste Englischlehrkräfte der 4.3 Projekthintergrund 109 <?page no="110"?> Sekundarstufen I und II sowie Deutschlehrkräfte und Lehrkräfte für Deutsch als Zweitbzw. Fremdsprache (DaZ/ DaF) der Primar- und Sekundarstufe I. Primäres Ziel der Fortbildung war die Förderung von mehrsprachigkeits-sensitiven und transkulturellen Wahrnehmungssowie Handlungskompetenzen, welche mit Niesen (2018) und Kemmerer et al. (2021) als die Fähigkeit definiert werden, die kulturellen und sprachli‐ chen Hintergründe der Lernenden wahrzunehmen und zu diagnostizieren sowie Lehr- und Lernansätze mit ihren jeweiligen Lernzielen an ebendiese Hintergründe anzupassen. Des Weiteren sollten die Reflexionskompetenzen der teilnehmenden Lehrkräfte in Bezug auf den Umgang mit kultureller und sprachlicher Heterogenität gefördert werden, um bereits existierende und tiefsitzende Überzeugungen, Einstellungen und Erfahrungen in Bezug auf Kultur und Sprache bzw. den Umgang mit kultureller und sprachlicher Heterogenität bewusst zu machen und ggf. zu hinterfragen. Dies wurde mit Hilfe eines ePortfolios umgesetzt. Reflexionskompetenzen im genannten Handlungsfeld werden mit Elsner et al. (2020: 285) verstanden […] als die Fähigkeit, über die eigenen Einstellungen hinsichtlich Mehrsprachigkeit und Trans‐ kulturalität im Englischunterricht zu reflektieren, die Fähigkeit, über das eigene Wissen um Mehrsprachigkeit und Transkulturalität im Englischunterricht zu reflektieren, sowie die Fähigkeit, über die eigenen Fertigkeiten bezüglich des Umgangs mit Mehrsprachigkeit und Transkulturalität zu reflektieren. Neben der theoretisch-konzeptionellen Auseinandersetzung mit den Themen Transkul‐ turalität und Mehrsprachigkeit stellten die Analyse sowie Erarbeitung von unterrichts‐ praktischen Lehr- und Lernmaterialien und damit der Praxisbezug zentrale Elemente der Fortbildung dar. So erhielten die teilnehmenden Lehrkräfte zum einen konkrete Anregungen für die Berücksichtigung und Nutzung der sprachlichen und kulturellen Hintergründe ihrer Schüler*innen im (Fremd-)Sprachenunterricht. Zum anderen konnten sie selbst, basierend auf den theoretischen Kernkonzepten, Unterrichtsmaterialien für ihre jeweiligen Lerngruppen entwickeln und in ihrem Unterricht erproben. Die im Rahmen der Erprobung gesammelten Erfahrungen und gewonnenen Erkenntnisse wurden abschlie‐ ßend mit Hilfe des ePortfolios reflektiert. So wechselten sich im Verlauf der Fortbildung theoretische Erarbeitungsphasen mit praktischen Materialentwicklungs- und -erprobungssowie anschließenden Reflexionsphasen ab, welche die Passung zwischen Theorie und Praxis sicherstellen und den Transfer in die Unterrichtspraxis der Lehrkräfte erleichtern sollten (vgl. Abbildung 2). Durch das digitale bzw. online-basierte Fortbildungsformat wurde den teilnehmenden Lehrkräften eine bedarfsorientierte und gleichzeitig flexible Fortbildungsmöglichkeit ge‐ boten, die eine selbstgesteuerte und berufsbegleitende Auseinandersetzung mit den Fort‐ bildungsthemen ermöglichte. Um nun die Gesamtkonzeption der Fortbildung sowie deren inhaltliche Gestaltung nachvollziehen zu können, werden nachfolgend die Fortbildungs‐ module in ihrer inhaltlichen und strukturellen Gestaltung beschrieben. 110 4 Professionalisierung von Englischlehrkräften <?page no="111"?> 95 Die Fortbildung erstreckte sich über den Zeitraum von Oktober bis Mai 2020. 96 Zu den Potenzialen mehrsprachigkeitssensitiven Fremdsprachenunterrichts siehe auch Kapitel 3. 4.3.2 Inhaltlicher Aufbau und Modulstruktur der Fortbildung Die Fortbildung umfasst insgesamt sieben Module, die von den teilnehmenden Lehrkräften in einem Zeitraum von sieben Monaten auf der Online-Lehr-Lernplattform VIGOR durch‐ laufen wurden 95 . Neben einem Einführungs- und Abschlussmodul bestand die Fortbildung aus vier fachspezifischen Pflichtmodulen, die den Themenbereichen Diagnose und Evalua‐ tion (Modul 1 und 2) sowie Förderung von mehrsprachigen und transkulturellen Kompetenzen (Modul 3 und 4) zugeordnet wurden (vgl. Abb. 1). Darüber hinaus integrierte die Fortbildung ein Wahlmodul, welches sich in erster Linie an Deutschbzw. DaZ-/ DaF-Lehrkräfte richtete und das Thema Schriftspracherwerb und Alphabetisierung in den Mittelpunkt stellte. Inhaltlich fokussierte Modul 1 die Wahrnehmung, Diagnose und Evaluation der sprach‐ lichen Voraussetzungen mehrsprachiger Schüler*innen. In diesem Zusammenhang lernten die teilnehmenden Lehrkräfte Instrumente kennen, die sich zur Erfassung der schüler*in‐ nenseitigen Kompetenzen in der Zielsprache Englisch sowie in vorgelernten Sprachen vor Englisch (Erst-, Zweit- und Fremdsprachen) eignen. Weiterhin erprobten sie diese Instru‐ mente in der eigenen Unterrichtspraxis und passten sie für ihre jeweiligen Lerngruppen an. Durch die Arbeit mit Unterrichtsvideos sowie der Reflexion der erprobten Instrumente sollten die Lehrkräfte Kompetenzen darin erwerben, die mehrsprachigen Voraussetzungen ihrer Schüler*innen zu diagnostizieren sowie die Potenziale mehrsprachigkeitssensitiven Fremdsprachenunterrichts 96 zu erkennen (vgl. Kapitel 3). Die Auseinandersetzung mit dem Konzept der Transkulturalität in Abgrenzung zur Interkulturalität bildete den Schwerpunkt von Modul 2 (vgl. Kapitel 3.2.4). Hier wurden die teilnehmenden Lehrkräfte zunächst theoretisch an die Konzepte der Transkulturalität sowie transkulturellen Kompetenzen herangeführt. In einem zweiten Schritt erfolgte die Sensibilisierung für kulturell aufgeladene und stereotypisierende Situationen in deren Zusammenhang die Lehrkräfte lernten, diese auch in ihrem eigenen Unterricht zu identifi‐ zieren. Über die Auseinandersetzung mit literarischen Texten lernten die Lehrkräfte sodann die Potenziale ebendieser Texte zur Förderung transkultureller Kompetenzen kennen und bereiteten diese für den Einsatz in der eigenen Unterrichtspraxis auf. Modul 3 beschäftigte sich mit der Förderung sprachlicher Kompetenzen unter Beachtung der mehrsprachigen Voraussetzungen der Schüler*innen. Hierfür setzten sich die teilnehmenden Lehrkräfte zunächst mit den Ansätzen der Mehrsprachigkeitsdidaktik auseinander (siehe auch Kapitel 3.2.2) und lernten Möglichkeiten kennen, wie sowohl die sprachlichen Ressourcen ihrer Schüler*innen als auch ihre eigenen gewinnbringend in den Englischunterricht einbezogen werden können. Ein weiterer Fokus dieses Moduls lag auf der Entwicklung und Erprobung von lernzielorientiertem, mehrsprachigkeitssensitivem Unterrichtsmaterial, das die Lernenden zu Sprachvergleichen, Sprachtransfers und mehrsprachigen Diskursen anregt. So sollten die Lehrkräfte Kompetenzen erwerben, um die je unterschiedlichen sprachlichen Ressourcen der Schüler*innen in den Unterricht einzubeziehen. Mehrsprachige Texte und Medien stellen ein wichtiges Fundament eines mehrspra‐ chigkeitssensitiven (Fremd-)Sprachenunterrichts und Assessments dar (vgl. Elsner 2018). Vor diesem Hintergrund beschäftigte sich Modul 4 mit der Förderung sprachlicher und 4.3 Projekthintergrund 111 <?page no="112"?> 97 Mit Elsner und Lohe (2015) wird unter Language Awareness die bewusste Auseinandersetzung mit Sprach(en), deren Funktion(en) sowie Gebrauch verstanden. Diese Definition wird ergänzt durch das Verständnis von Language Awareness, wie es von der Association of Language Awareness zum Ausdruck gebracht wird: „We define language awareness as explicit knowledge about language, and conscious perception and sensitivity in language learning, language teaching and language use“ (ALA 2012). kultureller Kompetenzen auf der Grundlage von mehrsprachigen Texten und Medien und brachte diese den teilnehmenden Lehrkräften als Möglichkeiten des Scaffoldings, der Vermittlung von Sprachlernstrategien sowie der Förderung von Language Awareness  97 nahe (vgl. ebd.; Lohe 2018). Der Schwerpunkt dieses Moduls lag auf der Herausarbeitung der Funktionen mehrsprachiger Texte und Medien für einen mehrsprachigkeitssensitiven (Fremd-)Sprachenunterricht sowie auf der Analyse und Entwicklung entsprechender Unterrichtsmaterialien, die im eigenen Unterricht erprobt und abschließend mit den Fortbildungsteilnehmer*innen reflektiert werden sollten. Das Wahlmodul zum Themenbereich Schriftspracherwerb und Alphabetisierung themati‐ sierte die Anforderungen und Herausforderungen des Unterrichtens von Schüler*innen mit geringen Deutschkenntnissen im Lesen und Schreiben und vermittelte den teilnehmenden Lehrkräften ein Bewusstsein für die Lernprozesse, -bedürfnisse sowie -schwierigkeiten der Lernenden. Weiterhin lernten die Lehrkräfte, die Möglichkeiten der mündlichen Verständi‐ gung mit neuzugewanderten Schüler*innen auszuschöpfen. Sie lernten Angebote des Lese- und Schreibunterrichts zur Förderung narrativer Fähigkeiten, des Wortschatzerwerbes sowie der Lese- und Rechtschreibförderung kennen (vgl. Corvacho del Toro 2017). Letztlich setzten sich die teilnehmenden Lehrkräfte mit linguistischen Begriffen zur Beschreibung von Sprach- und Schriftsystemen sowie mit Theorien zum Erwerb des Lesens und Schreibens im mehr‐ sprachigen Kontext auseinander und nutzten diese für die Planung des eigenen Unterrichts sowie zur Gestaltung adaptiver Lernumgebungen. Abbildung-1 gibt einen Überblick über die einzelnen Fortbildungsmodule mit ihren thematischen Schwerpunkten: Abbildung 1: Gesamtübersicht der Fortbildungsstruktur und inhaltlichen Modulgestaltung 112 4 Professionalisierung von Englischlehrkräften <?page no="113"?> Die Thematisierung und Erarbeitung der bis hierhin beschriebenen Fortbildungsinhalte wurde durch die methodische und strukturelle Gestaltung der Fortbildungsmodule unter‐ stützt und gesichert. So wies jedes der Fortbildungsmodule einen einheitlichen Aufbau auf, welcher sich an den Merkmalen orientierte, wie sie im Kontext der Analyse von wirksamen Lehrkräftefortbildungen diskutiert werden (vgl. u. a. Gräsel et al. 2006; Lipowsky 2014; Rzejak & Lipowsky 2019). Ein besonderer Fokus lag auf der Verknüpfung von Input-, Erarbeitungs- und Reflexionsphasen, kollegialer Kooperation sowie dem Praxisbezug und damit der Herstellung der Passung zwischen Fortbildungsinhalten und Unterrichtspraxis (vgl. Kemmerer et al. 2021). Jedes Modul bestand aus drei aufeinander aufbauenden Phasen und begann mit einer Einführungsphase (vgl. Abb. 2). Hier wurden die Grundlagen für die Arbeit in der sich anschließenden Vertiefungsphase sowie für den Transfer in die Unterrichtspraxis gelegt. Mittels videobasierten Lerneinheiten auf der Fortbildungsplattform wurden die Lehrkräfte an die jeweiligen Modulthemen herangeführt. Weiterhin wurde das Vorwissen der Lehrkräfte durch die Bearbeitung von digitalen Lerneinheiten aktiviert und die Re‐ flexion der (bisherigen) Unterrichtspraxis durch entsprechende Reflexionsaufgaben im ePortfolio angeregt. An diese Phase schloss sich eine Vertiefungsphase an, in welcher die Modulthemen in Online-Seminaren mittels kollegialem Austausch vertieft und vor dem Hintergrund der Erfahrungen und Bedarfe der Lehrkräfte sowie ihren jeweiligen Lerngruppen diskutiert wurden. Des Weiteren erhielten, analysierten und diskutierten die Lehrkräfte Möglichkeiten zur praktischen Umsetzung der Modulinhalte im Unterricht und entwickelten Unterrichtsmaterial für ihre jeweiligen Lerngruppen. Über die Online-Semi‐ nare hinaus erhielten die Lehrkräfte in dieser Phase die Möglichkeit, sich über Foren sowie interaktive digitale Tools über die Online-Lernplattform auszutauschen sowie zu vernetzen. Die Erprobungsphase bildete den Abschluss eines jeden Moduls und fand hauptsächlich in der Unterrichtspraxis der Lehrkräfte statt. Hier wurden die in der Vertiefungsphase entwickelten Unterrichtsmaterialien in der Unterrichtspraxis der Lehrkräfte erprobt und diesbezügliche Erfahrungen im ePortfolio festgehalten. Darüber hinaus konnten sich die teilnehmenden Lehrkräfte während dieser Phase online über die Fortbildungsplattform mit Kolleg*innen sowie den Fortbildner*innen austauschen, Rückfragen stellen und sich Feedback bzgl. der entwickelten Unterrichtsmaterialien einholen. Diese Phase endete mit einem Onlineseminar, in welchem die Erfahrungen der Lehrkräfte bei der Erprobung der Unterrichtsmaterialien zusammengetragen, gelungene Unterrichtsbeispiele präsentiert sowie Herausforderungen und Hürden bei der Erprobung diskutiert wurden. Abbildung 2: Phasenmodell eines Fortbildungsmoduls Damit ist der Forschungskontext beschrieben, welcher die vorliegende Arbeit rahmt und den empirischen Zugang zu den eingangs gestellten Forschungsfragen ermöglicht. Um sich diesen nun forschungspraktisch annähern zu können, werden im folgenden Kapitel methodologische Überlegungen angestellt und die Arbeit mit ihrem Vorgehen und Design beschrieben. 4.3 Projekthintergrund 113 <?page no="115"?> 5 Methodologie und Methodik der empirischen Studie In diesem Kapitel wird ein Gesamtüberblick über die grundlegende Anlage der empirischen Studie mitsamt ihrer forschungspraktischen Entscheidungen und hiermit zusammenhän‐ genden Forschungsprozesse gegeben. Mit dem Begriff der Methodologie ist in dieser Arbeit bezugnehmend auf Doff (2012: 11) „die Beschäftigung mit dem theoretischen Fundament der Empirie“ gemeint, während sich der Begriff der Methodik auf „das konkrete […] metho‐ dische Vorgehen“ bezieht. Um dieses Vorgehen nachvollziehen sowie die Ergebnisse dieser Studie einordnen zu können, wird in einem ersten Teil des Kapitels der methodologische Zugang zur Bearbeitung der dieser Arbeit zugrundeliegenden Forschungsfragen dargelegt (vgl. Kapitel 5.1). Aufbauend auf den methodologischen Grundlagen wird im zweiten Teil dieses Kapitels die methodische Durchführung der empirischen Studie skizziert (vgl. Kapitel 5.2). Das Kapitel schließt mit einer Zusammenschau des Untersuchungsverlaufs (vgl. Kapitel 5.3). 5.1 Methodologischer Zugang Der folgende Abschnitt widmet sich dem methodologischen Zugang zum Forschungs‐ gegenstand und bietet Einblicke in die zentralen Grundlagen rekonstruktionslogischer Verfahren. Hierfür werden zunächst gegenstandstheoretische Vorüberlegungen angestellt (vgl. Kapitel 5.1.1) und das Forschungsprojekt in der rekonstruktiven Sozialforschung (vgl. Kapitel 5.1.2) sowie in der praxeologischen Wissenssoziologie verortet (vgl. Kapitel 5.1.3). In diesem Zuge wird auch auf die methodologischen Grundlagen sowie Grundbegriffe des rekonstruktiven Verfahrens der Dokumentarischen Methode eingegangen. Diese Begriffe sowie deren Weiterentwicklungen werden anschließend auf den Forschungsgegenstand angewendet und daran veranschaulicht (vgl. Kapitel 5.1.4). 5.1.1 Gegenstandstheoretische Vorüberlegungen Die in Kapitel 4.2 formulierten Forschungsfragen zielen auf die Handlungspraxis berufs‐ routinierter Englischlehrkräfte im Umgang mit kultureller und sprachlicher Heterogenität sowie auf diejenigen Erfahrungen, Wahrnehmungen und handlungsleitenden Orientierun‐ gen, die diese Handlungspraxis im genannten Handlungsfeld strukturieren. Im Fokus stehen folglich insbesondere implizite Wissensbestände. Wie im theoretischen Teil (vgl. Kapitel 3.4.1) deutlich geworden ist, fehlt es bisher an Arbeiten, die das implizite Wissen von berufsroutinierten Englischlehrkräften in den Blick nehmen und darauf schauen, weshalb die kulturellen und sprachlichen Ressourcen der Schüler*innen trotz positiver Einstellungen auf Seiten der Lehrkräfte bislang wenig systematisch in den Englischun‐ terricht einbezogen werden (vgl. Wilken 2021). Auch besteht ein Forschungsbedarf im Bereich der Sichtbarmachung und Begleitung von Professionalisierungsprozessen berufs‐ routinierter Fremdsprachenlehrkräfte, insbesondere im Handlungsfeld des Umgangs mit kultureller und sprachlicher Heterogenität (vgl. Kapitel 2). Diese Arbeit nimmt sich diesem <?page no="116"?> 98 Rekonstruktive Verfahren gewinnen insbesondere in der Unterrichts- und Akteur*innenforschung an Bedeutung. Inzwischen lassen sich auch in der fremdsprachendidaktischen Forschung zunehmend Arbeiten ausmachen, die sich den zentralen Themen des Fremdsprachenlehrens und -lernens mittels rekonstruktiver Verfahren nähern und darauf schauen, was in der Praxis des Fremdsprachenlehrens und -lernens geschieht und wie es geschieht (vgl. z.-B. Jakob 2018; Tesch 2019; Gerlach 2020a; Kreft 2020; Püster 2021; Wilken 2021). Dieses gesteigerte Interesse an rekonstruktiven Verfahren lässt Forschungsdesiderat an und fokussiert das implizite, handlungsleitende Wissen berufsrou‐ tinierter Englischlehrkräfte, wie es sich durch die Betrachtung der Handlungspraxis der Lehrkräfte im Umgang mit kultureller und sprachlicher Heterogenität rekonstruieren lässt. Weiterhin geht es aus einer professionstheoretischen Perspektive darum, mögliche Ent‐ wicklungen in der Struktur dieser Handlungspraxis als potenzielle Professionalisierungsbzw. Deprofessionalisierungsprozesse sichtbar zu machen (vgl. Kapitel 2.5). Da es sich bei diesen Prozessen um individuelle, mehrdimensionale und komplexe Prozesse handelt, ist die Wahl eines Verfahrens notwendig, welches dieser Mehrdimensionalität und Komplexi‐ tät gerecht wird und die Wahrnehmungen und Erfahrungen der individuellen Lehrkraft als Ausgangspunkt nimmt. Ausgehend von dieser Prämisse ist weiterhin das Vergleichen von Fällen zentral. Nur so lassen sich verallgemeinerbare Strukturen des Umgangs mit kultureller und sprachlicher Heterogenität sowie der Bearbeitung der Anforderungen im genannten Handlungsfeld herausarbeiten und nachvollziehen, weshalb berufsroutinierte Englischlehrkräfte unterschiedlich mit kultureller und sprachlicher Heterogenität in ihrem Englischunterricht umgehen. Dies macht ein qualitativ-rekonstruktives Verfahren mit explorativem Zugang notwendig, welches den subjektiven Sichtweisen, Wahrnehmungen und Relevantsetzungen der Lehrkräfte mit einer größtmöglichen Offenheit und Unvorein‐ genommenheit begegnet sowie die Möglichkeit bietet, die „komplexe[n] Bedingungsgefüge sowie subjektive[n] Sinnsysteme und deren milieubzw. subkulturelle Herkunft“ (Bonnet 2012: 288; C.L.) aufzuklären. Mit dem Vorhaben, implizite Wissensbestände zu rekonstru‐ ieren und die (unterrichtliche) Wirklichkeit aus Sicht der Lehrkräfte zu erfassen, lassen sich vertiefende Einblicke in das bisher wenig erschlossene Forschungsfeld gewinnen sowie Hypothesen und Theorien in Bezug auf den Forschungsgegenstand (insbesondere für zukünftige Forschung) ableiten. Eine solche grundlegende Forschungshaltung findet sich in den Ansätzen der rekonst‐ ruktiven Sozialforschung bzw. der praxeologischen Wissenssoziologie sowie konkret im Analyseverfahren der Dokumentarischen Methode. Im Folgenden werden die methodolo‐ gischen Überlegungen und Entscheidungen im Forschungsprozess dieser Arbeit dargelegt und begründet. Hierfür werden zunächst die Grundannahmen der qualitativ-rekonstruk‐ tiven Sozialforschung aufgezeigt. Im Anschluss hieran folgt die Darstellung der methodo‐ logischen Grundlagen der Dokumentarischen Methode und der ihr zugrundeliegenden praxeologischen Wissenssoziologie. 5.1.2 Grundannahmen der qualitativ-rekonstruktiven Sozialforschung Das vorliegende Vorhaben ist im Rahmen des qualitativen Paradigmas, genauer im Kontext der Methodologie rekonstruktiver Verfahren 98 , verortet. Diese begriffliche Differenzierung 116 5 Methodologie und Methodik der empirischen Studie <?page no="117"?> sich u. a. an der im Jahr 2019 gegründeten Forschungsgemeinschaft Rekonstruktive Fremdsprachen‐ forschung zeigen. 99 Auf die Begrifflichkeit des impliziten Wissens sowie die Differenzierung der für die Dokumentarische Methode zentralen Wissensebenen wird in Kapitel 5.1.3 näher eingegangen. 100 Das Analyseverfahren der Dokumentarischen Methode wird in Kapitel 6 beschrieben. wird im wissenschaftlichen Diskurs vor dem Hintergrund hervorgehoben, dass zwar alle „Forschenden, die rekonstruktiv arbeiten, […] qualitative Methoden [nutzen], aber nicht alle Forschenden, die qualitative Methoden nutzen, […] rekonstruktiv [forschen]“ (Kruse 2014: 24; ; C.L.; H.i.O.). Während sich die qualitative Forschung in erster Linie mit einer umfassenden, detaillierten und vornehmlich deskriptiven Analyse von stets sinnhafter sozialer Wirklichkeit befasst, wird mit Hilfe von rekonstruktiven Verfahren versucht, die Regelhaftigkeit dieser Wirklichkeit, d. h. „den Sinn hinter dem Sinn“ (ebd.: 25), zu erschlie‐ ßen. Zentral hierbei ist ein Verständnis von Wirklichkeit, das auf sozialkonstruktivistischen Annahmen (z. B. im Anschluss an Schütz 1971) beruht und davon ausgeht, dass Wirklichkeit stets gesellschaftlich konstruiert, d. h. in sozialer Interaktion hergestellt wird (vgl. Bohnsack 2021: 25-28). Handelnde finden ihren Alltag immer schon als sinnhaft strukturierte und durch andere gedeutete Wirklichkeit vor, welche spezifischen sozialen Regeln folgt. Diese sozialen Regeln werden von den Akteur*innen im Laufe ihrer Sozialisation erworben und verinnerlicht sowie interpretierend in Interaktion und Verständigung mit anderen ausge‐ handelt. So kommt es, dass Akteur*innen auf Basis dieser Regeln den Phänomenen ihres Alltags bestimmte Bedeutungen bzw. einen Sinn zuschreiben und auf sozial akzeptierte Weise handeln können (vgl. Bohnsack 2021). Da sich die Wirklichkeitskonstruktionen des Alltags aber meist intuitiv und unhinterfragt, d. h. routiniert vollziehen, sind sie den Akteur*innen in der Regel nicht diskursiv verfügbar. Dies bedeutet, dass die Akteur*innen die Regeln der sozialen (Alltags-)Praxis zwar beherrschen, sie aber nicht explizieren können (vgl. ebd.). Das Wissen, das die Akteur*innen folglich über ihre Handlungspraxis haben, ist - im Sinne Polanyis (2016) - ein implizites, d. h. ein nicht zu versprachlichendes Wissen 99 . Bezogen auf die Handlungspraxis der im Fokus dieser Studie stehenden berufsroutinierten Englischlehrkräfte bedeutet dies, dass letztere im Rahmen ihrer beruflichen Sozialisation bestimmte Regeln des Handelns im Handlungsfeld Schule und (Englisch-)Unterricht erwor‐ ben, verinnerlicht und infolgedessen gewisse Handlungsroutinen ausgebildet haben. Diese ermöglichen es ihnen auch in Situationen, in welchen sie unter einem gewissen Handlungs‐ druck stehen, handlungsfähig zu bleiben (vgl. u. a. Keller-Schneider 2010, 2017). Aufgabe und zentrales Forschungsinteresse der rekonstruktiven Sozialforschung ist es nun, das implizite Wissen offenzulegen, das hinter diesem routinierten Handeln der Akteur*innen steht. Hierbei stehen die handlungspraktische Herstellung dieser Wirklichkeit sowie die Rekonstruktion der lebensweltlichen Hintergründe, in welchen die Wirklichkeitskonstruktionen der Akteur*in‐ nen verankert sind, im Fokus (vgl. Bohnsack 2021). Um soziales Handeln sowie implizite Wirklichkeitskonstruktionen der Akteur*innen rekonstruieren und verstehen zu können, bedarf es eines „Nachvollzug[s] der Entwürfe derjenigen, […] die Gegenstand der Forschung sind“ (ebd.: 17; C.L.). Handlungspraxis sowie die implizite Regelhaftigkeit dieses Handelns lassen sich auf Basis der methodisch kontrol‐ lierten Interpretation dessen symbolischer Repräsentationen (z.-B. verbale Äußerungen in qualitativen Interviews oder visuelle Dokumente; vgl. auch Meuser 2011: 141) offenlegen 100 . 5.1 Methodologischer Zugang 117 <?page no="118"?> 101 Der Begriff des methodisch kontrollierten Fremdverstehens wird an dieser Stelle von der in der Fremdsprachendidaktik verwendeten Terminologie der Didaktik des Fremdverstehens abgegrenzt, wie sie vor allem im Kontext des Interkulturalitätsparadigma zur Anwendung kommt (vgl. u. a. Bredella 2010; vgl. Kreft 2020 mit Überblick). 102 Das Vorgehen bei der Datenanalyse sowie die interpretativen Schritte der Dokumentarischen Methode werden in Kapitel 6 dargestellt. Methodische Kontrolle meint hierbei den Verzicht auf strukturierende Vorgaben und erfolgt, indem „die Unterschiede der Sprache der Forschenden und Erforschten“, die „Dif‐ ferenz ihrer Interpretationsrahmen, ihrer Relevanzsysteme“ (Bohnsack 2021: 24) reflektiert werden. Vor diesem Hintergrund kommen offene Erhebungsverfahren zum Einsatz, bei welchen die Akteur*innen die Gelegenheit erhalten, „ein Thema in [ihrer] eigene[n] Sprache, in ihrem Symbolsystem und innerhalb ihres Relevanzsystems [zu] entfalten“ (ebd.: 24; C.L.), sodass hierdurch mögliche Unterschiede zu den Relevanzsystemen und der Sprache der Forscher*innen erkennbar werden. Dieser Prozess wird als methodisch kontrolliertes Fremdverstehen 101 bezeichnet. Methodische Kontrolle erfolgt jedoch nicht nur auf der Ebene der Alltagspraxis der beforschten Akteur*innen. Vielmehr gilt es im Sinne einer Rekonstruktion der Rekonstruktion auch die eigene Forschungspraxis in den Blick zu nehmen und somit die Standortgebundenheit des eigenen Denkens und Handelns zu reflektieren (vgl. Bohnsack 2021: 28 ff.). Zusammenfassend verfolgt die rekonstruktive Sozialforschung das spezifische Erkennt‐ nisinteresse, „soziale Verhältnisse als Sinnzusammenhänge [zu] erfassen“ und „auf diese Weise […] einen verstehenden Nachvollzug sozialen Handelns zu ermöglichen“ (Meuser 2011: 142; C.L.). Hierbei geht es nicht nur um den subjektiv gemeinten Sinn, sondern insbesondere auch darum, soziales Handeln eingebettet in einen Kontext als „individuellen Ausdruck überindividueller sozialer [geschlechts-, milieu- oder generationsspezifischer] Zugehörigkeiten […] und kollektiver Orientierungen“ (ebd. ; C.L.) zu betrachten. 5.1.3 Methodologische Grundannahmen und Grundlagen der Dokumentarischen Methode Um die Handlungspraxis berufsroutinierter Englischlehrkräfte rekonstruieren und damit die Frage beantworten zu können, wie diese mit kultureller und sprachlicher Heterogenität in ihrem Englischunterricht umgehen, bedarf es eines Verfahrens, welches einen Zugang zu den Sinn- und Wirklichkeitskonstruktionen und damit zu denjenigen Wissensbeständen ermöglicht, die hinter dem Handeln der Lehrkräfte stehen und dieses strukturieren. Die Dokumentarische Methode stellt als Methode der rekonstruktiven Sozialforschung ein solches Verfahren dar und wird in der vorliegenden Arbeit zur Analyse der in der Datenerhebung gewonnenen Interviewdaten herangezogen. Über das Verfahren der Typenbildung 102 und dem hiermit verbundenen Vorgang des komparativen Fallvergleichs ermöglicht es die Dokumentarische Methode, auch über eine relativ geringe Fallzahl generalisierbare Aussagen zu abstrahieren und somit zur Theoriebildung im Bereich der fremdsprachendidaktischen Lehrer*innenforschung - insbesondere im Handlungsfeld des Umgangs mit kultureller und sprachlicher Heterogenität---beizutragen. 118 5 Methodologie und Methodik der empirischen Studie <?page no="119"?> Die Dokumentarische Methode wurde in Rückgriff auf Karl Mannheims Wissenssozio‐ logie (u. a. 1964, 1980) sowie auf ethnomethodologische Konstrukte (vgl. Garfinkel 1967) maßgeblich von Ralf Bohnsack entwickelt und forschungspraktisch etabliert. Ursprünglich als Verfahren für die Interpretation von Gruppendiskussionen entwickelt, fand die Methode zunächst vornehmlich Einsatz im Bereich der Biographieforschung (vgl. Bohnsack 1989). Inzwischen existiert jedoch eine Vielfalt an Forschungsarbeiten und methodologischen Reflexionen, die dazu beitragen, dass sich die Methode stets weiterentwickelt und in viel‐ fältigen Forschungsfeldern Anwendung findet. So hat sich die Dokumentarische Methode beispielsweise für die Auswertung narrativer leitfadengestützter Interviews bewährt (vgl. Bohnsack, Nentwig-Gesemann & Nohl 2013; Nohl 2017) und wurde für die Analyse von Bild- und Videomaterial (vgl. Bohnsack 2011; Asbrand & Martens 2018) sowie für die Evaluation von (Lehrer*innen-)Fortbildungen (vgl. Bohnsack & Nentwig-Gesemann 2020) weiterentwickelt. In der Fremdsprachendidaktik lassen sich inzwischen ebenfalls vermehrt Arbeiten finden, welche die qualitativ-rekonstruktive Methode insbesondere im Bereich der Unterrichtsforschung (z. B. Bonnet 2009; Tesch 2010; Kreft 2020; Grein & Tesch 2022; Kreft & Viebrock 2022) sowie der Professionsbzw. Lehrer*innenbildungsforschung anwenden (z. B. Heinemann 2018; Bonnet & Hericks 2020; Püster 2021; Wilken 2021). Somit kann für die vorliegende Arbeit auf ein breites methodologisches sowie forschungspraktisches Gerüst zurückgegriffen werden. Ziel der Dokumentarischen Methode ist die Rekonstruktion praktischer Erfahrungen und handlungsleitender Orientierungen, welche die Handlungspraxis von Akteur*innen, Akteur*innengruppen, Milieus oder aber Organisationen strukturieren. Über die Heraus‐ arbeitung des Zusammenhangs dieser Erfahrungen und Orientierungen bietet sie einen Zugang zur Handlungspraxis der Beforschten und zielt insbesondere auf das dieser Praxis inhärente routinierte, d. h. habitualisierte Wissen (vgl. Nohl 2017: 4). Bei der Rekonstruktion dieses Wissens wird nicht davon ausgegangen, dass die Forschenden über ein gegenüber der Handlungspraxis der Akteur*innen privilegiertes Wissen verfügen. Vielmehr wird in Bezugnahme auf die Wissenssoziologie nach Mannheim (vgl. 1964, 1980) die Annahme verfolgt, dass die handelnden Akteur*innen selbst über das Wissen um ihre Strukturen verfügen, jedoch nicht genau wissen, was sie letztlich alles wissen (vgl. Bohnsack, Nentwig-Gesemann & Nohl 2013: 12). Aufgabe der Forscher*innen ist es, dieses Wissen über die Analyse von empirischen Äußerungen bzw. Repräsentationen von Handlungen (z. B. Interviewtranskripte, Bild- oder Videoaufzeichnungen) offenzulegen. Hierfür ist die Differenzierung zwischen verschiedenen Sinnebenen einer Äußerung bzw. zwischen unterschiedlichen Wissensformen zentral, die den Äußerungen der Beforschten und damit ihrer Handlungspraxis jeweils zugrunde liegen. Berichten Personen über ihre Handlungspraxis, so lassen sich in diesen Äußerungen zum einen ein immanenter, d. h. ein wörtlicher, sowie ein dokumentarischer Sinngehalt ausmachen. Ersterer lässt sich weiter differenzieren in den intentionalen Ausdruckssinn sowie in den objektiven Sinn. Der intentionale Ausdruckssinn verweist darauf, welche Motive und Absichten mit einer Äußerung verfolgt werden. Beispielsweise ließe sich auf dieser Sinnebene danach fragen, was die befragten Englischlehrkräfte in der Interviewsituation bei der Frage nach Erfahrungen im Umgang mit kultureller und sprachlicher Heterogenität mit der Darlegung ihres Verständnisses von Spracherwerb bezwecken möchten. Die Ebene 5.1 Methodologischer Zugang 119 <?page no="120"?> 103 Während explizite Reflexion auf der Ebene des kommunikativen Wissens stattfindet, ereignet sich implizite Reflexion auf der Ebene des konjunktiven Wissens und ist empirisch eng an die Wahrnehmung sowie die Bearbeitung des Spannungsverhältnisses zwischen Norm und Habitus geknüpft (vgl. weiterführend Bohnsack 2020: 56 ff.). 104 Mit Meseth et al. (2019) lassen sich Normen in einem alltagssprachlichen Sinn als Orientierung für die „Bewertung und Regulierung menschlicher Aktivitäten“ (ebd.: 6) fassen. Sie sind meist in Form von Geboten, Verboten oder Handlungsanweisungen als Sollen oder Wollen formuliert (vgl. ebd.; vgl. auch Wilken 2021). Zum methodenbezogenen Normbegriff siehe Kapitel 5.1.4. des intentionalen Ausdruckssinns spiegelt sich jedoch nicht auf der performativen Ebene des Handelns wider, sodass eine Rekonstruktion dieser Sinnebene zu Motivunterstellungen und Spekulationen führen würde. Sie ist daher nicht Gegenstand der Dokumentarischen Methode. Auch befänden sich explizierte Motive und Intentionen nicht mehr auf der Ebene des immanenten Sinns und wären somit nicht mehr vom objektiven Sinn zu unterscheiden (vgl. Asbrand & Martens 2018). Der objektive Sinn bringt die allgemeine Bedeutung einer Äußerung zum Ausdruck, d. h. das was gesagt wird. Im Rückgriff auf die Wissenssoziologie Mannheims geht es auf der Ebene des immanenten Sinns folglich um die Rekonstruktion von expliziten, kommunikativen Wissensbeständen, welche von den befragten Akteur*innen versprachlicht und reflexiv eingeholt werden können. Hierzu zählen beispielsweise das theoretische Wissen sowie die Einstellungen der Lehrkräfte zum Umgang mit kultureller und sprachlicher Heterogenität. Auch Reflexionen 103 bzgl. der eigenen Handlungspraxis, Rechtfertigungen, Rollenerwartungen sowie Normen 104 werden ebenfalls unter das kommunikative Wissen gefasst und sind damit Teil der immanenten Sinnebene. Der dokumentarische Sinngehalt verweist demgegenüber auf die Herstellungs‐ weise, d. h. auf den „modus operandi“ (Bohnsack 2021: 63) der jeweiligen Äußerungen und damit auf ein implizites, konjunktives Wissen. Dieses Wissen ist hierbei meist weder den (befragten) Akteur*innen noch den Forscher*innen unmittelbar zugänglich, sondern muss aus der Handlungspraxis rekonstruiert werden. Auf dieser Sinnebene geht es insbesondere um die Frage, wie eine Handlung bzw. Erfahrung konstruiert ist und in welchem Orientierungsrahmen ein Thema abgehandelt bzw. eine Problemstellung, wie z. B. der Umgang mit kultureller und sprachlicher Heterogenität, bearbeitet wird (vgl. Nohl 2017: 4). Orientierungsrahmen sind hierbei jene Schemata, welche die Erfahrungen der handelnden Akteur*innen strukturieren. Sie beschreiben „die Regelhaftigkeit, die der Handlungspraxis in ihrer Sequenzialität unterliegt“ (Nohl 2013: 38). Implizites, konjunktives Wissen wird im Zuge der Sozialisation eines Individuums auf Grundlage von kollektiv geteilten Erfahrungen, in der Begrifflichkeit von Mannheim in konjunktiven Erfahrungsräumen (vgl. Mannheim et al. 1980), erworben und vor diesem Hin‐ tergrund auch als erfahrungsbasiertes, habitualisiertes Wissen bezeichnet (vgl. Bohnsack 2021: 64 ff.). Konjunktive Erfahrungsräume sind gedachte Räume sozialer Interaktion, in welchen Akteur*innen über konjunktive, d. h. fundamentale, existentiell bedeutsame sowie strukturgleiche Erfahrungen miteinander verbunden sind und somit die gleichen Wissens- und Erfahrungsstrukturen miteinander teilen (vgl. Bohnsack 2006: 281). Hierbei kann es sich beispielsweise um generations-, milieu-, geschlechts- oder organisationsspezifische Erfahrungen handeln. Akteur*innen, die Teil eines bestimmten konjunktiven Erfahrungs‐ raums sind, verstehen sich auf Basis von „Gleichartigkeiten der ‚Erlebnisschichtungen‘“ 120 5 Methodologie und Methodik der empirischen Studie <?page no="121"?> 105 Im Sinne Jungs (2007) weist der Begriff der Seinsverbundenheit auf das generelle Prinzip hin, dass Denken und Wissen historisch und sozial gebunden und damit auf einen konjunktiven Erfahrungsraum verwiesen sind. Der Begriff der Seinsgebundenheit hebt demgegenüber hervor, dass sich dieses Denken und Wissen auf spezifische Standorte bezieht und dementsprechend auf je nach verschiedenen Grup‐ pierungen spezifische Unterschiede zwischen Denk- und Wissensformen verweist. (Bohnsack 2021: 66) unmittelbar und müssen sich nicht erklären, rechtfertigen oder ihr Handeln begründen. Bei diesen Erlebnisschichtungen muss es sich jedoch nicht um Erfahrungen gemeinsam erlebter Praxis handeln. Konjunktive Erfahrungen teilen auch Personen, die sich nicht kennen, wie z. B. die Gesamtheit der Englischlehrkräfte, die an einem Gymnasium im ländlichen Raum unterrichten. In der vorliegenden Studie wird in Anlehnung an Wittek (2013) davon ausgegangen, dass der Umgang mit kultureller und sprachlicher Heterogenität eine geteilte Erfahrung von Englischlehrkräften im gemeinsamen Erfahrungsraum des Englischunterrichts darstellt. Kulturelle und sprachliche Heterogenität gehören zur Realität von Schule und Unterricht und sind damit so grundlegend und existenziell, dass (Englisch-)Lehrkräfte unabhängig von einer gemeinsam erlebten Praxis strukturgleiche Erfahrungen im Umgang mit diesem Handlungsfeld machen. In ihrem täglichen Umgang mit einer heterogenen Schüler*innen‐ schaft haben (Englisch-)Lehrkräfte gewisse Handlungsroutinen ausgebildet, die es ihnen ermöglichen, ihren Unterricht zu gestalten und auch unter Handlungsdruck handlungsfä‐ hig zu bleiben. Diese Handlungsroutinen sind den Lehrkräften in der Regel jedoch nicht bewusst, da sie sich auf der Ebene des impliziten Wissens befinden. Dementsprechend können sie von den Lehrkräften nicht expliziert, jedoch anhand von Beschreibungen und Erzählungen über die Handlungspraxis rekonstruiert werden. Personen, die keine Angehörigen eines bestimmten konjunktiven Erfahrungsraums sind, müssen die Äußerungen der Mitglieder*innen dieses Erfahrungsraums interpretieren, um sich deren Sinn zu erschließen und Handlungen letztlich verstehen zu können. Bei der Erschließung der Bedeutung von Handlungen gilt es folglich, die Eingebundenheit der Akteur*innen in ihre konjunktiven Erfahrungsräume zu beachten, denn die […] Bedeutung einer Handlung, einer Äußerung oder Geste, eines Begriffs erfasse ich dann, wenn ich jenen existentiellen sozialen Zusammenhang, jenen Interaktionsprozeß mir rekonstruktiv ver‐ gegenwärtige, für den diese Äußerung einerseits Ausdruck ist, dessen Bestandteil sie andererseits aber zugleich darstellt. (Bohnsack 2006: 274) Hiermit verweist Bohnsack auf die Seinsgebundenheit bzw. Seinsverbundenheit des Wis‐ sens 105 , die zum Ausdruck bringt, dass Denken und Handeln, und damit auch Wissen, nicht freischwebend im sozialen Raum stattfinden, sondern stets auf einen sozialen Standort, auf einen konjunktiven Erfahrungsraum verwiesen und in diesem verankert sind (vgl. Mannheim 1980). Dies bedeutet, dass die Äußerungen von Akteur*innen von ihren jeweiligen Standorten bzw. von ihren Erfahrungsräumen geprägt sind, die ihre Sicht und damit auch ihre Sinn- und Wirklichkeitskonstruktionen beeinflussen. Bei der Rekonstruktion von Handlungspraxis und dem Vorhaben, diese zu verstehen, bedarf es folglich auch einer Analyse des Kontexts, innerhalb dessen Sinn zum Ausdruck kommt. In diesem Sinne gilt es ebenso, die Seinsgebundenheit der Forscher*innen im Forschungs‐ prozess zu berücksichtigen und zu reflektieren, denn auch das Denken und Handeln der 5.1 Methodologischer Zugang 121 <?page no="122"?> 106 Zur Begrifflichkeit der Norm und ihrer Bedeutung für die Professionalisierung von Englischlehrkräften vgl. Kapitel 5.1.4. Forscher*innen ist aufgrund von sozialisatorischen Prozessen sowie der Eingebundenheit in bspw. forschungsbezogene Erfahrungsräume an bestimmte Standorte sowie Kontexte und damit an Erfahrungs- und Sinnstrukturen gebunden. Die eigene Standortgebundenheit wird in Kapitel 5.2.3 reflektiert. Die Fragestellungen dieser Arbeit zielen nun auf das in konjunktiven Erfahrungsräumen erworbene standortgebundene, implizite Wissen, welches das (routinierte) Handeln der befragten Englischlehrkräfte strukturiert und damit auch deren Wahrnehmungen und Konstruktionen von Wirklichkeit bestimmt. Dieses Wissen wird in der Kategorie des Ori‐ entierungsrahmens rekonstruiert. Das Konzept der Orientierungen stellt eine für die Doku‐ mentarische Methode und der ihr zugrundeliegenden praxeologischen Wissenssoziologie zentrale Schlüsselkategorie dar und ist eng verbunden mit den bis hierhin ausgeführten Aspekten. Orientierungen lassen sich mit den von Mannheim identifizierten Wissensformen des expliziten, kommunikativen sowie des impliziten, konjunktiven Wissens in Beziehung setzen und ermöglichen es, die Zusammenhänge zwischen den beiden Wissensformen und des konjunktiven Erfahrungsraums näher zu bestimmen. In der Alltagskommunikation und (sprachlichen) Interaktion verfügen Akteur*innen stets über Zugänge zu beiden Wissensebenen des kommunikativen und des konjunktiven Wissens, denn diese sind in der Interaktion in einer „Doppelstruktur“ miteinander verwoben (Bohnsack 2013: 247; vgl. auch Asbrand & Martens 2018). Zur Verdeutlichung dieser Doppelstruktur könnten die im Rahmen dieser Studie befragten Englischlehrkräfte beispielsweise beschreiben, was für sie einen guten Umgang mit kulturell und sprachlich heterogenen Schüler*innen im Englischunterricht auszeichnet und hierbei auf explizites, kommunikatives Wissen zurück‐ greifen. Demgegenüber könnte sich jedoch in der Rekonstruktion ihrer Handlungspraxis zeigen, dass Umgangsweisen mit Heterogenität im Englischunterricht und damit implizite Wissensbestände zutage kommen, die von den Lehrkräften nicht expliziert wurden, ihre Handlungspraxis aber auf routinierte und habitualisierte Weise maßgeblich bestimmen. Diese Gleichzeitigkeit der beiden Wissensformen in einem konjunktiven Erfahrungsraum wird als Orientierungsmuster bezeichnet und stellt den Oberbegriff des Zusammenhangs zwischen Orientierungsschemata und Orientierungsrahmen dar. Orientierungsschemata beziehen sich auf die von handelnden Akteur*innen explizierbaren und auf der immanenten Sinnebene befindlichen kommunikativen Wissensbestände. Diese beinhalten neben zweckrationalen Handlungsmotiven insbesondere kommunikativ vermittelte Normen 106 bzw. normative Set‐ zungen und Common-Sense Theorien, welche die befragten Lehrkräfte entweder für sich selbst und ihre Handlungspraxis annehmen oder aber als von außen (z.-B. von der Institution Schule oder der Bildungspolitik) gesetzt konstruieren (vgl. Rauschenberg & Hericks 2018; Gerlach 2020a). Orientierungsrahmen beziehen sich demgegenüber auf das über den dokumentarischen Sinn rekonstruierbare konjunktive Wissen, welches der Handlungspraxis unterliegt und diese strukturiert. In der Auseinandersetzung mit Bourdieus Habituskonzept (1987) hat Bohnsack (vgl. 2014b: 36 f.) in seinen neueren Arbeiten das Konzept des Orientierungsrahmens weiter ausdifferenziert und die Bedeutung des Habitus als weitere zentrale Bezugskategorie der 122 5 Methodologie und Methodik der empirischen Studie <?page no="123"?> 107 Die Relevanz der Auseinandersetzung von Englischlehrkräften mit den von ihnen wahrgenommenen Normen für die Rekonstruktion von Orientierungen wird in Kapitel 5.1.4 näher ausgeführt. Dokumentarischen Methode für die Rekonstruktion von Handlungspraxis sowie dessen Relation zu Orientierungsschemata und Orientierungsrahmen herausgestellt. Bourdieu (1987) bezieht sich mit dem Konzept des Habitus auf jene „Wahrnehmungs-, Denk- und Handlungsschemata“ (ebd.: 101), die zugleich „Erzeugungs- und Ordnungsgrundlagen für Praktiken und Vorstellungen“ (ebd.: 98) sind. Sowohl mit dem Konzept des Habitus als auch mit dem des Orientierungsrahmens wird versucht, den Herstellungsprozess sozialer Praxis zu erklären. Hierbei wird von der Annahme ausgegangen, dass routiniertes, habitualisiertes Handeln auf impliziten Wissensbeständen beruht. Beide Konzepte fungieren als „modus operandi der Handlungspraxis“ (Bohnsack 2014b: 44); der zentrale Unterschied liegt jedoch in ihrer Reichweite. Orientierungsrahmen erweitern den Habitusbegriff „um den Aspekt, dass und wie der Habitus sich in der Auseinandersetzung mit den Orientierungsschemata […] immer wieder reproduziert und konturiert“ (Bohnsack 2013: 181). Hiermit gemeint ist die Art und Weise, in der sich der Habitus zu den Orientierungsschemata, wie z. B. habituell wahrgenommene Normen des Handlungsfeldes Schule und (Englisch-)Unterricht, ins Ver‐ hältnis setzt und hierbei fallspezifisch ausgestaltet sein kann (vgl. Bohnsack 2014a; Bonnet & Hericks 2019). Gerade vor dem Hintergrund der Auseinandersetzung mit normativ aufge‐ ladenen Themen, wie z. B. dem Umgang mit kultureller und sprachlicher Heterogenität, ist die Betrachtung des Verhältnisses von Orientierungsschemata und Orientierungsrahmen, d. h. der Art und Weise wie sich Englischlehrkräfte zu wahrgenommenen Normen verhalten und ggf. in ihre Handlungspraxis integrieren, zentral 107 . An dieser Stelle kommt die begriffliche Differenzierung des Orientierungsrahmens zum Tragen, wie sie von Bohnsack (2014b) in seinen neueren Arbeiten vorgenommen wird. Während der Orientierungsrahmen in einem engeren Sinne, verstanden als „die Struktur der Handlungspraxis selbst […] [,] die Funktion eines Gegenbegriffs zu demjenigen der Orientierungsschemata“ (ebd.: 35; C.L.; H.i.O.) einnimmt und in diesem Sinne synonym zum Habitus verwendet wird, kommt ihm in einem weiteren Sinne die Bedeutung eines „übergeordnete[n] Begriff[s] zu demjenigen der Orientierungsschemata“ (Bohnsack 2014b: 35; C.L.) zu. Diese zunächst widersprüchlich wirkende Begriffsverwendung wird von Bohnsack verdeutlicht, indem er ausführt, dass […] aus praxeologischer Perspektive die Orientierungsschemata ihre eigentliche Bedeutung erst durch die Rahmung, d. h. die Integration und ,Brechung‘ in und durch die […] Handlungspraxis erhalten, wie sie sich im modus operandi des Habitus oder eben Orientierungsrahmens vollzieht. (ebd.) Hierbei herrscht zwischen Orientierungsschemata und Habitus, d. h. zwischen kommu‐ nikativem und konjunktivem Wissen, ein Spannungsverhältnis bzw. eine „notorische Diskrepanz“ (Bohnsack 2017: 235). Während nämlich das kommunikative Wissen (wie z. B. habituell wahrgenommene Normen oder Rollenerwartungen) abstrakt ist und in der All‐ tagskommunikation versprachlicht werden kann, ist das konjunktive Wissen (als Habitus) im Handeln verankert. Das Spannungsverhältnis gründet folglich in der Verschiedenar‐ tigkeit der Wissensebenen sowie in unterschiedlichen Logiken der Generierung dieses Wissens: Orientierungsschemata werden als Ausdruck einer „propositionalen Logik“, d. h. 5.1 Methodologischer Zugang 123 <?page no="124"?> bezogen auf eine begrifflich-theoretische Ebene, gefasst; Orientierungsrahmen im Sinne des modus operandi der Handlungspraxis entstammen der „performativen Logik“ (ebd.). Hiermit verbunden ist die Annahme, dass der Habitus als handlungsleitende Struktur das Handeln der Akteur*innen von innen her antreibt und steuert und darüber hinaus (milieu‐ spezifische) Selbstverständlichkeiten des eigenen Handelns umfasst, weshalb er, anders als Orientierungsschemata, nicht expliziert werden kann (vgl. Bonnet & Hericks 2019). Aus diesem Grund steht jede explizite Inanspruchnahme einer Norm (als Orientierungsschema) für das eigene Handeln notwendigerweise außerhalb des bzw. in einem spannungsreichen Verhältnis zum Habitus. Der Orientierungsrahmen im weiteren Sinne bezeichnet nun die Art und Weise, in der sich der Habitus auf dieses Spannungsverhältnis bezieht und „sich in der Auseinandersetzung mit den Orientierungsschemata […] immer wieder reproduziert und konturiert und ggf. transformiert“ (Bohnsack 2014b: 44). Im Zentrum steht folglich die Bearbeitungsweise des Spannungsverhältnisses zwischen Norm bzw. Orientierungs‐ schemata und Habitus, welches wiederum habitusspezifisch ausgestaltet ist (vgl. ebd.; Rauschenberg & Hericks 2018). In Ergänzung zum Begriff des Spannungsverhältnisses verwendet Bohnsack den Begriff der ‚impliziten Reflexion‘ und meint hiermit, dass die jeweiligen Akteur*innen ein implizites Bewusstsein für das Spannungsverhältnis zwischen Orientierungsschemata bzw. Norm und Habitus haben und eine Praxis ausbilden, mit dieser Diskrepanz umzugehen. Um routiniert in der Alltagspraxis handeln zu können, wird vorausgesetzt, dass die Bewältigung des Spannungsverhältnisses selbst wiederum in eine Praxis überführt wird (Bohnsack 2017: 241). Das Verhältnis von Orientierungsschemata, Orientierungsrahmen im engeren Sinne und Orientierungsrahmen im weiteren Sinne lässt sich anhand der nachfolgenden Abbildung visualisieren: Abbildung 3: Das Verhältnis von Orientierungsschemata, Orientierungsrahmen und Habitus (adaptiert nach Bohnsack 2013: 182 und Püster 2021: 69). 124 5 Methodologie und Methodik der empirischen Studie <?page no="125"?> Ziel der vorliegenden Studie ist es, die Orientierungsrahmen und ihre Zusammenhänge auf den jeweils unterschiedlichen Sinnbzw. Wissensebenen zum Umgang mit kulturel‐ ler und sprachlicher Heterogenität der in dieser Studie befragten Englischlehrkräfte zu rekonstruieren. Hierbei stehen insbesondere die Rekonstruktion der von den Lehrkräften wahrgenommenen Normen sowie die Offenlegung des Spannungsverhältnisses zwischen Normen und den jeweiligen Habitus der Lehrkräfte im Fokus. Bevor jedoch die methodische Durchführung dieser Studie und im Anschluss hieran die einzelnen Schritte der Dokumen‐ tarischen Methode transparent dargelegt werden (Kapitel 5.2), widmet sich der nächste Abschnitt dem Spannungsverhältnis zwischen Norm bzw. Orientierungsschemata und Habitus und illustriert dessen Relevanz für den Umgang mit kultureller und sprachlicher Heterogenität im Englischunterricht. 5.1.4 Das Spannungsverhältnis zwischen Norm und Habitus im Umgang mit kultureller und sprachlicher Heterogenität im Englischunterricht Im vorangegangenen Kapitel wurde deutlich, dass die Komplexität und Weite des For‐ schungsgegenstandes sowie die Fokussierung auf insbesondere implizite Wissensbestände ein methodisches Vorgehen erfordern, welches sich durch eine größtmögliche Offenheit auszeichnet und durch die analytische Trennung von impliziten und expliziten Wissens‐ beständen einen Zugang zur Handlungspraxis von Englischlehrkräften sowie deren Sinn- und Wirklichkeitskonstruktionen eröffnet. Ebenso wurde dargelegt, dass die begriffliche Differenzierung des Orientierungsrahmens als zentrale Bezugskategorie der Dokumenta‐ rischen Methode einen fruchtbaren Ansatzpunkt für die Bearbeitung der Forschungsfragen dieser Arbeit darstellt (vgl. Kapitel 4). In diesem Zusammenhang und vor dem Hintergrund der Betrachtung des Handlungsfeldes des Umgangs mit kultureller und sprachlicher Heterogenität rückt insbesondere das von Bohnsack (vgl. 2014b) herausgearbeitete Span‐ nungsverhältnis zwischen Normen bzw. Orientierungsschemata und Habitūs in den Blick. In einem alltagssprachlichen Verständnis stellen Normen zunächst Richtlinien für menschliches Handeln dar, die sich auf bestimmte Werte beziehen und zum Ausdruck bringen, dass eine konkrete Handlung geboten, erlaubt oder verboten ist. Sie werden demnach meist in Form von Gesetzen, Handlungsanweisungen oder aber Geboten for‐ muliert und dienen als Orientierung für die „Bewertung und Regulierung menschlicher Aktivitäten“ (Meseth et al. 2019: 6). Demgegenüber werden Normen nach der sozialwissen‐ schaftlichen Handlungstheorie als Determinanten und Steuerungselemente des Handelns von Akteur*innen aufgefasst, die im Sprechen hervorgebracht und hierdurch kontinuierlich reproduziert werden (vgl. ebd.). Dies setzt voraus, dass die Normen von den handelnden Akteur*innen auch als solche wahrgenommen und interpretiert werden. Normen erhalten demzufolge ihre Bedeutung für die Struktur der Handlungspraxis erst, indem sie durch den Habitus der Akteur*innen gerahmt, integriert oder gebrochen werden (vgl. Bohnsack 2014a). Dies bedeutet, dass Normen in konjunktiven Erfahrungsräumen (wie z. B. dem Englischunterricht) je nach Habitus der Handelnden unterschiedlich wahrgenommen, gedeutet und bewertet werden und dementsprechend unterschiedliche handlungsrelevante Bezugnahmen erfahren. 5.1 Methodologischer Zugang 125 <?page no="126"?> 108 Eine Positionierung gegenüber Normen kann in Form von impliziter Reflexion erfolgen (vgl. Bohnsack 2014b: 41 f.; vgl. auch Kapitel 5.1.3). Wie im vorangegangenen Kapitel dargelegt, existiert zwischen der Struktur des Habitus und den wahrgenommenen Normen ein Spannungsverhältnis, welches die handelnden Akteur*innen in ihrer Handlungspraxis entsprechend ihrer Habitūs bearbeiten. Dieses Verhältnis ist im Anschluss an Luhmann (1997) durch „kontrafaktische Erwartungen“ gekennzeichnet, was bedeutet, dass Normen bestimmte Erwartungen darstellen, die „auf‐ recht erhalten werden, obschon sie in Diskrepanz zu den Handlungspraktiken stehen, auf die sie bezogen sind“ (Bohnsack 2017: 55). Im Kontext des Handlungsfeldes Schule und Unterricht lassen sich Spannungsverhältnisse zwischen Normen und Habitūs identifizieren, bei welchen die Handlungspraxis in Relation steht zu 1. den alltagspraktischen Motivkonstruktionen des Handelns, wie sie in Com‐ mon-Sense-Theorien zum Ausdruck kommen, 2. Institutionsnormen, d. h. z. B. rechtliche Vorgaben und Verordnungen, Curricula, Bil‐ dungsstandards oder Erwartungen der Lehrkräfte in Bezug auf das, was die Institution Schule von ihnen erwartet, sowie 3. Identitätsnormen, d. h. eigene Angemessenheitsvorstellungen und (Ideal-)Bilder des Lehrberufs, Selbstpräsentationen sowie von außen an Lehrkräfte herangetragene Fremdbilder (vgl. Bohnsack 2020; vgl. auch Bonnet & Hericks 2020). Zu diesen Normen positionieren sich Lehrkräfte z. B. in Erzählungen über ihre Hand‐ lungspraxis, indem sie sich ihnen entweder annähern oder von ihnen abgrenzen. In der Art und Weise wie diese Positionierung sowohl auf impliziter 108 als auch auf expliziter Ebene stattfindet, liegt der Ansatzpunkt für die Rekonstruktion von Habitūs bzw. der Handlungspraxis von Englischlehrkräften im Umgang mit kultureller und sprachlicher Heterogenität und hieran anknüpfend auch für deren Professionalisierung im genannten Handlungsfeld. Dies lässt sich nun mit den oben dargelegten begrifflichen Differenzierun‐ gen des Orientierungsrahmens konkretisieren und veranschaulichen. Englischlehrkräfte werden im Kontext ihres schulischen und unterrichtlichen Handelns vor eine Vielzahl an Anforderungen und Normen (Orientierungsschemata) gestellt, die eine habituelle Aushandlung erfordern. Diese Aushandlung vollzieht sich auf impliziter Ebene über die Angleichung der Handlungspraxis an diese Normen oder aber durch Abgrenzung. Dies wird als Orientierungsrahmen im weiteren Sinne bezeichnet (vgl. Kapitel 5.1.3). Eine dieser Normen, die im Fokus dieser Arbeit steht, ist der Umgang mit kultureller und sprachlicher Heterogenität. Diese wird zum einen von außen an die Lehrkräfte sowie ihre unterrichtliche Handlungspraxis herangetragen (z. B. seitens der Bildungspolitik, des fremdsprachendidaktischen Diskurses oder aber seitens der in dieser Arbeit untersuchten Lehrkräftefortbildung; vgl. Kapitel 3 und 4). Zum anderen zählen kulturelle und sprachliche Heterogenität zur Realität von Schule und Unterricht und sind diesen damit inhärent. Englischlehrkräfte haben es in ihrem Unterricht demnach mit Schüler*innen zu tun, die sich durch eine Vielfalt an kulturellen und sprachlichen Ressourcen auszeichnen und im Hinblick auf diese Dimensionen heterogene (Lern-)Bedürfnisse und (Lern-)Voraussetzun‐ gen mit in den Unterricht einbringen (vgl. Kapitel 3). Vor diesem Hintergrund kann davon 126 5 Methodologie und Methodik der empirischen Studie <?page no="127"?> 109 Arbeiten von Sotzek et al. (2018) haben gezeigt, dass es auch möglich ist, dass innerhalb eines konjunktiven Erfahrungsraumes (wie z. B. dem Englischunterricht) Normen zueinander in Spannung geraten können (ebd.: 320). Dieser Befund wird bei der Datenanalyse noch einmal aufgegriffen. ausgegangen werden, dass Lehrkräfte im Laufe ihrer beruflichen Sozialisation bestimmte Haltungen, Handlungsroutinen sowie Eigenlogiken im Umgang mit einer heterogenen Schüler*innenschaft entwickelt haben, die sich mit Institutions- und Organisationsnormen sowie fachbezogenen Anforderungen und Rollenerwartungen vermengen (vgl. Wilken 2021, 2022). Somit kann von vorherrschenden Normen und Normvorstellungen ausgegan‐ gen werden, die ihre handlungsleitende Relevanz jedoch erst durch die habitusspezifische Auseinandersetzung der Lehrkräfte mit diesen Normen (z. B. in Form von Angleichung oder Abgrenzung) erhalten. Werden Englischlehrkräfte nun, z. B. im Rahmen einer Fortbildung, mit der Norm des Umgangs mit kultureller und sprachlicher Heterogenität konfrontiert, so erfolgt eine habitusspezifische Bezugnahme auf diese Norm sowie eine Aushandlung der weiteren, auf die Lehrkräfte einwirkenden und von diesen wahrgenommenen Normen (z. B. fachbe‐ zogene Normen, wie die Norm der Einsprachigkeit). So könnte die Norm des Umgangs mit kultureller und sprachlicher Heterogenität von den Lehrkräften zwar wahrgenommen und in Erzählungen auf expliziter Ebene auch als relevant für ihre Handlungspraxis des Englischunterrichts bewertet werden (vgl. Kapitel 2.4). In der Rekonstruktion der Handlungspraxis und den dieser zugrundeliegenden handlungsleitenden Orientierungen (Orientierungsrahmen im engeren Sinne) könnte sich dann jedoch zeigen, dass diese Norm und die hiermit verbundenen Anforderungen (wie z. B. Fehlertoleranz oder Öffnung des Englischunterrichts für weitere Sprachen) in einem deutlichen Spannungsverhältnis zum Habitus der Lehrkräfte stehen - der sich z. B. an der einsprachigen Gestaltung des Englischunterrichts orientiert. In diesem Zusammenhang könnte die Norm des Umgangs mit kultureller und sprachlicher Heterogenität als nicht funktional für die unterrichtliche Handlungspraxis zurückgewiesen werden und dementsprechend im Modus der Abgren‐ zung bearbeitet werden. Des Weiteren könnten Lehrkräfte die kulturellen und sprachlichen Ressourcen ihrer Schüler*innen beispielsweise in Form von Mikromethoden, wie z. B. durch den Vergleich einzelner Vokabeln in verschiedenen Sprachen, in bestehende Strukturen ihrer Handlungspraxis einbeziehen. Auf impliziter Ebene könnte sich jedoch zeigen, dass die Norm des Umgangs mit kultureller und sprachlicher Heterogenität aufgrund der Überlagerung durch andere, im Englischunterricht wirksame und durch den Habitus der Englischlehrkräfte gerahmte Normen keine handlungsleitende Relevanz für die Handlungs‐ praxis der Lehrkräfte erfährt. Demgegenüber könnten die Lehrkräfte das Spannungsver‐ hältnis zwischen Normen und Habitus letztlich auch bearbeiten, indem sie die Norm des Umgangs mit kultureller und sprachlicher Heterogenität in ihre Handlungspraxis integrie‐ ren und sich in ihrem Handeln dieser Norm entsprechend annähern. Die wahrgenommene Norm würde demnach handlungsleitend werden, da „sie im Lichte professioneller Aufgaben und professionsethischer Ansprüche als funktional und angemessen anerkannt“ (Bonnet & Hericks 2019: 120) wird 109 . Die häufige Verwendung des Konjunktivs verweist darauf, dass diese hier ausgeführten Überlegungen insbesondere im Handlungsfeld des Umgangs mit kultureller und sprachli‐ 5.1 Methodologischer Zugang 127 <?page no="128"?> cher Heterogenität im Englischunterricht einer empirischen Überprüfung bedürfen. Zwar existieren bereits Arbeiten, die das Spannungsverhältnis von Normen und berufsbezogenen Habitūs von Lehrkräften untersuchen (z. B. Sotzek et al. 2018; Bonnet & Hericks 2020; Wittek et al. 2020; Püster 2021) und hierbei auch das Handlungsfeld des Umgangs mit Mehr‐ sprachigkeit in den Blick nehmen (vgl. Wilken 2021). Jedoch bedarf es weiterer Arbeiten, die zur empirischen Fundierung bisheriger Erkenntnisse beitragen und insbesondere auf potenzielle Veränderungen der Bearbeitungsweisen des Spannungsverhältnisses zwischen Norm und Habitus schauen. Folgt man der Argumentation von Rauschenberg und Hericks (2018), so liegt nämlich gerade in der Art und Weise der Auseinandersetzung des Habitus mit den durch ihn wahrgenommenen Orientierungsschemata das Potenzial für dessen Ausdifferenzierung, Erweiterung sowie Transformation und damit für Professionalisierung (vgl. Kapitel 6.2.5). Bei der Frage danach, wie die Struktur der Handlungspraxis im Umgang mit kultureller und sprachlicher Heterogenität hergestellt wird, erscheint die Betrachtung der Art und Weise wie Normen wahrgenommen und habitusspezifisch bearbeitet werden somit aufschlussreich für die Rekonstruktion der handlungsleitenden Orientierungen der in dieser Arbeit befragten Englischlehrkräfte. 5.2 Methodische Durchführung: Anlage der empirischen Studie Nachdem im vorangegangenen Abschnitt die methodologischen Annahmen und gegen‐ standstheoretischen Zugänge beschrieben und begründet wurden (vgl. Kapitel 5.1), widmet sich der folgende Abschnitt der Methodik der Studie und stellt das forschungspraktische Vorgehen schrittweise dar (Kapitel 5.2). Hierfür wird in einem ersten Schritt auf die Forschungsinstrumente eingegangen (Kapitel 5.2.1), indem die Grundzüge des narrativ-epi‐ sodischen Interviews skizziert und dessen Eignung in Bezug auf den Forschungsgegenstand dieser Arbeit herausgestellt werden (Kapitel 5.2.1.1). Weiterhin wird die Konstruktion der Interviewleitfäden dargestellt und begründet sowie auf zusätzlich erhobene Daten eingegangen (Kapitel 5.2.1.2 und 5.2.1.3). In einem zweiten Schritt wird das Vorgehen bei der Datenerhebung erläutert (Kapitel 5.2.2). In diesem Zusammenhang erfolgt die Darstellung des Zugangs zum Feld (Kapitel 5.2.2.1), des Samplings (Kapitel 5.2.2.2) sowie der Durch‐ führung der Interviews (Kapitel 5.2.2.3). Anschließend wird sich den forschungsethischen sowie datenschutzbezogenen Maßnahmen gewidmet, in deren Zuge die eigene Rolle als Forscherin reflektiert wird (Kapitel 5.2.3). Das Kapitel schließt mit der Zusammenschau des Untersuchungsverlaufs (Kapitel 5.3). 5.2.1 Forschungsinstrumente Wie in Kapitel 5.1.1 dargelegt, setzt die vorliegende Arbeit bei den Erfahrungen und subjektiven Sichtweisen von berufsroutinierten Englischlehrkräften in Bezug auf den Umgang mit kultureller und sprachlicher Heterogenität an. Vor diesem Hintergrund musste ein Verfahren gefunden werden, welches den Erfahrungen und subjektiven Sichtweisen der beforschten Akteur*innen einen größtmöglichen Raum bietet, die theoretischen Voran‐ nahmen der Forscherin zunächst zurückstellt und eine Vergleichbarkeit der Interviews im Rahmen der Datenanalyse ermöglicht. Gleichzeitig sollte eine thematische Steuerung in der 128 5 Methodologie und Methodik der empirischen Studie <?page no="129"?> 110 Das narrative (biographische) Interview nach Schütze (1977) gliedert sich in eine narrative (biogra‐ phische) Eingangserzählung, einen immanenten Nachfrageteil sowie einen argumentativ-beschrei‐ benden Frageteil mit vornehmlich exmanenten Fragen. 111 Durch die thematische Fokussierung des Interviews auf die interessierenden Themenbereiche entsteht deutlich weniger Interviewtext als es bei offenen narrativen Interviews der Fall ist. Erhebungssituation möglich sein, um zu verhindern, dass sich die Forschungspartner*innen in Themen verlieren, die keine oder nur geringe Bezüge zum Forschungsinteresse aufwei‐ sen (vgl. Przyborski & Wohlrab-Sahr 2014). Nach Prüfung möglicher Erhebungsverfahren, erwies sich die Wahl eines qualitativen, leitfadengestützten Interviewverfahrens mit Einzelfallbezug für das vorliegende Vorhaben als angemessen. Zwar wäre es auch denkbar gewesen, Gruppeninterviews mit den Lehrkräften zu führen. Da die Fragestellungen dieser Arbeit jedoch hauptsächlich auf die individuellen Handlungsorientierungen und Professionalisierungsprozesse in Bezug auf das genannte Handlungsfeld abzielen, bestand die Gefahr, dass diese individuelle Perspektive der Lehrkräfte aufgrund von möglicher Gruppendynamiken nicht zur Geltung kommt und damit verloren geht. Darüber hinaus wäre es zu den Zeitpunkten der Datenerhebung (August 2020 und Mai 2021) aufgrund der Coronapandemie und der damit einhergehenden Kontaktbeschränkungen sowie der sich dynamisch verändernden Hygienemaßnahmen nicht möglich gewesen, Gruppenin‐ terviews in Präsenz durchzuführen. Eine weitere Möglichkeit, die Handlungspraxis der Lehrkräfte im Umgang mit kultureller und sprachlicher Heterogenität zu rekonstruieren, wäre die teilnehmende Beobachtung sowie die Videografie von Unterricht gewesen. Da im Fokus dieser Arbeit jedoch die Relevantsetzungen und handlungsleitenden Orientierungen der Lehrkräfte und weniger die Aushandlungsprozesse mit den Lernenden stehen, wurden Unterrichtsvideografien und teilnehmende Beobachtungen nicht in Erwägung gezogen. Auch wurde sich aus Gründen der Fürsorgeethik (vgl. Kapitel 5.2.3) gegen die Aufzeichnung und Beobachtung von Unterricht entschieden, da zum einen die Lehrkräfte neben den Aufgaben und Terminen im Rahmen der Fortbildung nicht noch zusätzlich durch Video‐ aufnahmen belastet werden sollten. Zum anderen sollten auch die Schüler*innen keine Belastungen durch die Datenerhebungen erfahren. Letztlich machten es die coronabeding‐ ten Schulschließungen nahezu unmöglich, Unterricht zu videografieren. Demnach wurden Unterrichtsbeobachtungen und Videoaufzeichnungen für das vorliegende Forschungsvor‐ haben ausgeschlossen. Um den oben genannten Kriterien der Offenheit, Relevantsetzungen durch die Lehr‐ kräfte, thematische Fokussierung und Vergleichbarkeit zu entsprechen, fiel die Wahl auf eine Interviewform, welche die formale Struktur eines narrativen (biographischen) Interviews 110 , wie es von Schütze (1977, 1983) entwickelt wurde, mit Elementen eines episodischen Interviews nach Flick (2019) verbindet und damit zur Materialreduktion beiträgt 111 . Mit diesem Vorgehen schließt sich diese Arbeit an das Vorgehen Gerlachs (2020b) an, der diese Interviewform in seiner Habilitationsstudie erprobte. Durch die Kombination dieser beiden Interviewformen ist es möglich, die Erfahrungen der Lehrkräfte in Bezug auf die für das Forschungsvorhaben relevanten Themen in Form von episodischen Erzählungen zu erheben und den Relevantsetzungen der Lehrkräfte dennoch genügend Raum zu geben, da letztere die zu erzählenden Episoden selbst auswählen können. Ebenso können hier (berufs-)biographische Aspekte thematisiert werden. 5.2 Methodische Durchführung: Anlage der empirischen Studie 129 <?page no="130"?> Da das Interesse der vorliegenden Arbeit insbesondere auf möglichen Entwicklungs- und Veränderungsprozessen hinsichtlich der handlungsleitenden Orientierungen der be‐ fragten Lehrkräfte im Umgang mit kultureller und sprachlicher Heterogenität liegt, be‐ darf es einer Basis, von der aus diese Prozesse erkennbar werden können. Vor diesem Hintergrund wurden die narrativ-episodischen Interviews zu zwei Zeitpunkten geführt und unterschieden sich hierbei hinsichtlich ihrer thematischen Schwerpunkte. Um alle relevanten Themenbereiche in den beiden Erhebungssituationen abdecken zu können, kamen Leitfäden zum Einsatz, die an dieser Stelle nicht die Funktion eines standardisierten Erhebungsinstrumentes erfüllten, sondern der Forscherin als Gedächtnisstütze dienten. Da die episodischen Elemente die zentralen Bestandteile der dieser Arbeit zugrunde liegenden Interviewleitfäden darstellen, werden im Folgenden die Grundannahmen des episodischen Interviews nach Flick (2019) dargestellt sowie die Eignung der gewählten Interviewform für das vorliegende Forschungsvorhaben begründet. Hieran anschließend folgt die Skizzierung der Konstruktion der Interviewleitfäden, bei welcher die narrativen (biographischen) Elemente der gewählten Interviewform nach Schütze (1977, 1983) deutlich werden. 5.2.1.1 Das episodische Interview Das episodische Interview hat sich bereits in rekonstruktiven schulpädagogischen als auch fachdidaktischen Studien bewährt, um die Handlungspraxis von Lehrkräften sowie die hinter dieser Praxis liegenden handlungsleitenden Orientierungen bezogen auf einen kon‐ kreten thematischen Gegenstand zugänglich zu machen (vgl. Hericks 2006; Hinzke 2018; Bonnet & Hericks 2020; Jacob 2021). Das Interviewverfahren setzt bei den Erfahrungen der befragten Personen an und geht in seiner Konzeption davon aus, dass diese Erfahrungen „hinsichtlich eines bestimmten Gegenstandsbereichs in Form narrativ-episodischen Wis‐ sens und in Form semantischen Wissens abgespeichert und erinnert werden“ (Flick 2019: 238). Narrativ-episodisches Wissen bezeichnet hierbei jenes Wissen, welches aus unmittel‐ baren Erfahrungen hervorgegangen ist und sich anhand von konkreten Situationsabläufen darstellen lässt. Semantisches Wissen bezeichnet demgegenüber das aus diesen Erfahrun‐ gen abgeleitete Wissen, welches Abstraktionen und verallgemeinerte Zusammenhänge und Annahmen beinhaltet (ebd.: 273). Diese beiden von Flick differenzierten Wissensformen sind auf methodologischer Ebene an die für die rekonstruktive Sozialforschung zentralen Sinnebenen anschlussfähig (vgl. Kapitel 5.1.3). So weist das narrativ-episodische Wissen eine Nähe zum dokumentarischen, impliziten Sinn auf, während sich das semantische Wissen als Äquivalent zum objektiven, immanenten Sinn auslegen lässt (vgl. Jacob 2021). Um nun beide Wissensformen in der Erhebungssituation systematisch zugänglich zu machen, werden sowohl erzählgenerierende als auch thematisch zielgerichtete Fragen miteinander trianguliert. In Abgrenzung zum narrativen (berufsbiographischen) Interview geht es folglich nicht um in sich abgeschlossene Erzählungen in Bezug auf den gesamten Lebenslauf der befragten Personen, sondern vielmehr um „Situationen bzw. Episoden, in denen der Interviewpartner Erfahrungen gemacht hat, die für die Fragestellung der Untersuchung relevant erscheinen.“ (Flick 2017: 239). Die Auswahl der Episoden bleibt den Forschungspartner*innen überlassen, sodass diese die Möglichkeit haben, ihre eigenen Relevanzsysteme zu entfalten und erzählerisch darzulegen. Das Ziel des episodischen 130 5 Methodologie und Methodik der empirischen Studie <?page no="131"?> Interviews ist es folglich, bereichsbzw. themenbezogene Erfahrungen sowie Begriffe, Definitionen und Relationen in „allgemeinerer, vergleichender etc. Form darzustellen und gleichzeitig die entsprechenden Situationen und Episoden zu erzählen“ (ebd.). Um dieses Ziel zu erreichen, werden episodische Interviews mit Hilfe eines Leitfadens geführt, welcher entlang von thematisch relevanten Themenblöcken wiederkehrende Erzählauf‐ forderungen bezüglich konkreter Situationen enthält. Ebenso beinhaltet der Leitfaden exmanente Nachfragen, d. h. Fragen, die nicht unmittelbar an das Erzählte der Befragten anschließen. Diese zielen auf verallgemeinerte Annahmen sowie abstrahierte Aussagen „über Haltungen, Überzeugungen, Einstellungen und subjektiven Bezugnahmen zum (Forschungs-)Gegenstand“ ( Jacob 2021: 119). Die Konzeption der Interviewleitfäden wird im folgenden Abschnitt beschrieben und begründet. 5.2.1.2 Zur Gestaltung der Interviewleitfäden Wie in Kapitel 5.1 dargelegt, wird mit der Datenerhebung das Ziel verfolgt, mittels eines explorativen Vorgehens zu erforschen, welche Erfahrungen berufsroutinierte Engli‐ schlehrkräfte im Umgang mit kultureller und sprachlicher Heterogenität machen, welche handlungsleitenden Orientierungen ihre Handlungsbzw. Unterrichtspraxis strukturieren, welchen Anforderungen und Herausforderungen sie sich gegenübersehen und wie sie diese bearbeiten. Darüber hinaus geht es um die Rekonstruktion von Entwicklungs- und Veränderungsprozessen in Bezug auf die handlungsleitenden Orientierungen der Lehrkräfte, wie sie sich in der Auseinandersetzung mit den Fortbildungsthemen im Kontext der Fortbildungsteilnahme möglicherweise vollziehen. Hierfür bedarf es einer Basis, von der aus Entwicklungen und potenzielle Veränderungen dieser Orientierungen auch als solche erkennbar werden. Dies bedeutet zum einen, Interviews zu zwei verschiedenen Zeitpunkten zu führen (t1 vor der Fortbildung und t2 nach der Fortbildung; vgl. Kapitel 5.2.2.3). Auch sollten die Fragen der jeweiligen Interviews so gewählt sein, dass mögliche Entwicklungen und Veränderungen offenbar werden, die zwischen den beiden Interview‐ zeitpunkten stattgefunden haben. Dementsprechend wurden zwei verschiedene Leitfäden mit je spezifischen Themenkomplexen entwickelt, die in der Auseinandersetzung mit den Forschungsfragen der vorliegenden Arbeit sowie dem theoretischen Vorverständnis der Forscherin entstanden sind und der jeweiligen Erhebungssituation gerecht werden. Die Fragen beider Leitfäden (t1 und t2) wurden mit Forscher*innen aus dem Arbeitsbe‐ reich der Forscherin augenscheinvalidiert. Eine Pilotierung hinsichtlich des erzählgenerier‐ enden Potenzials sowie der Verständlichkeit der Interviewfragen zum Erhebungszeitpunkt t1 fand im September 2019 mit vier Englischlehrkräften unterschiedlicher Berufsphasen aus drei hessischen Schulen statt (vgl. hierzu auch Leonhardt, Kreft & Viebrock 2021). Hierbei zeigte sich, dass die interviewten Lehrkräfte Schwierigkeiten damit hatten, die Einstiegsfrage zu beantworten und in den Modus des Erzählens zu geraten, wenn das Inter‐ view unmittelbar mit dem thematischen Fokus der Studie begonnen wurde. Einschränkend muss an dieser Stelle hervorgehoben werden, dass die Interviewfragen zum Zeitpunkt t2 aufgrund ihrer fortbildungsspezifischen Fragen nicht mit Lehrkräften pilotiert werden konnten. Da sich die Interviewfragen zu t1 und t2 jedoch in großen Teilen überschnei‐ den und die Lehrkräfte während der Pilotierung vornehmlich Schwierigkeiten mit den 5.2 Methodische Durchführung: Anlage der empirischen Studie 131 <?page no="132"?> Einstiegsfragen des Interviews hatten, die daraufhin angepasst wurden, wurde bewusst auf eine zweite Pilotierung verzichtet. Auf Basis der durch die Pilotierung gewonnenen Erkenntnisse erfolgte in der sich anschließenden Überarbeitungsphase eine Reduktion des Fragenumfangs sowie eine Re‐ formulierung der Erzählaufforderungen, um Erzählungen auf Seiten der Lehrkräfte zu evozieren und so implizites Wissen für die Auswertung verfügbar zu machen. Das Ergebnis dieses Revisions- und Konstruktionsprozesses sind zwei Leitfäden (siehe Anhang 2), deren Aufbau und Themen in Tabelle 1 dargestellt sind und im Folgenden näher erläutert werden: - Erhebungszeitpunkt 1 Erhebungszeitpunkt 2 Thematischer Schwerpunkt Erfahrungen mit kultureller und sprachlicher Heterogenität als Englischlehrkraft (in der ge‐ samten Berufsbiographie) Erfahrungen in der Ausein‐ andersetzung mit den Fortbil‐ dungsthemen Eingangsimpuls Narrative Eingangserzählung Frage zu einer Stunde aus dem Englischunterricht, die im Gedächtnis geblieben ist Themenblock 1 - Erzählimpulse und Fragen zum Unterrichtsalltag im Umgang mit kultureller und sprachli‐ cher Heterogenität Erzählimpulse und Fragen zu den Erfahrungen im Umgang mit kultureller und sprachli‐ cher Heterogenität im Unter‐ richtsalltag während der Fort‐ bildung Themenblock 2 immanenter Nachfrageteil Erzählimpulse und immanente Fragen zum Studium und Vor‐ bereitungsdienst Erzählimpulse und Fragen zur Auseinandersetzung mit den Fortbildungsthemen Themenblock 3 exmanenter, agrumentativbeschreibender Nachfrageteil exmanente, argumentativ-be‐ schreibende Fragen zu den An‐ forderungen im Umgang mit kultureller und sprachlicher Heterogenität exmanente, argumentativ-be‐ schreibende Fragen zur Rolle der Fort- und Weiterbildung Abschluss In die Zukunft gerichtete Frage zum Veränderungspotenzial des Englischunterrichts und der Rolle der Lehrkraft Tabelle 1: Aufbau der Interviewleitfäden Die Fragen des Leitfadens zu Erhebungszeitpunkt t1 (etwa zwei Monate vor der Fortbil‐ dung) fokussieren die erlebte Unterrichtspraxis der Lehrkräfte, wahrgenommene Anforde‐ rungen und Herausforderungen im Umgang mit kultureller und sprachlicher Heterogenität sowie prägende Stationen ihres beruflichen Werdegangs (wie z. B. Vorbereitungsdienst und Berufseinstieg). Hierdurch können in der Datenauswertung diejenigen Orientierungen und Konzeptualisierungen in Bezug auf den Umgang mit kultureller und sprachlicher Hetero‐ genität rekonstruiert werden, wie sie vor der Fortbildung bei den Befragten vorherrschen. Gerade die berufsbiographisch ausgerichteten Fragen nach Erfahrungen, die während des Studiums und des Vorbereitungsdienstes gemacht wurden, dienen der Hervorbringung von besonders tiefsitzenden Überzeugungen und Orientierungen, die für die Gestaltung des Unterrichts der Lehrkräfte handlungsleitend sind bzw. sein können (vgl. hierzu auch Kapitel-2.4.2). 132 5 Methodologie und Methodik der empirischen Studie <?page no="133"?> Im zweiten Interview zum Erhebungszeitpunkt t2 (etwa ein Monat nach Abschluss des letzten Fortbildungsmoduls) werden Erfahrungen adressiert, welche die Lehrkräfte seit dem letzten Interviewgespräch in der Auseinandersetzung mit den Fortbildungsthemen sowie in der Erprobung der in der Fortbildung entwickelten Unterrichtsmaterialien gemacht haben. Die sich hierdurch offenbarenden Orientierungen und wahrgenommenen Normen sollen im Vergleich mit den zum Erhebungszeitpunkt t1 rekonstruierten Orientierungen sowie Bearbeitungsweisen der Spannungsverhältnisse zwischen Normen und Habitus Aufschluss über mögliche Veränderungsprozesse und damit über Professionalisierung bzw. De-Professionalisierung geben. Die Interviewleitfäden sind formal entsprechend der Erhebungslogik narrativer Inter‐ views nach Schütze (1977, 1983) aufgebaut und beginnen mit einem offenen erzählgene‐ rierenden Eingangsstimulus, welcher auf Seiten der Lehrkräfte möglichst ausführliche Erzählungen evozieren soll, sodass sich die Lehrkräfte in den Rahmen ihrer Erzählung verstricken und ein Thema entsprechend ihres Relevanz- und Symbolsystems entfalten können (vgl. Bohnsack 2014b; Nohl 2017). Dies geschieht vor dem Hintergrund der Zugzwänge des Erzählens (vgl. Kallmeyer & Schütze 1977), von welchen angenommen wird, dass sie beim Erzählen und Beschreiben von konkreten Unterrichtssituationen auf dreierlei Art und Weise wirksam werden: 1. Sofern sich die befragten Lehrkräfte auf die Interviewsituation einlassen, sind sie gefordert, ihre Gedanken in eine für die Interviewsituation und die Adressatin angemessene und nachvollziehbare Darstellungsform zu bringen (Gestaltschließungs‐ zwang). 2. Weiterhin sind die befragten Lehrkräfte „getrieben, nur das zu erzählen, was an Ereignissen als ‚Ereignisknoten‘ innerhalb der zu erzählenden Geschichte relevant ist.“ (Schütze 1977: 188). Demnach müssen Informationen selektiert, gewichtet und zusammengefasst werden (Kondensierungszwang). 3. Letztlich müssen die befragten Lehrkräfte entscheiden, welche Details ihrer Erzählung dazu beitragen, dass diese nachvollziehbar wird. Hierbei sind sie gefordert, sich an die erlebte Abfolge der erzählten Ereignisse zu halten und diese erzählerisch darzustellen (vgl. ebd.) (Detaillierungszwang). In einer ersten Version der Interviewleitfäden enthielt der Eingangsstimulus bereits einen thematischen Fokus und zielte auf die Erfahrungen der Lehrkräfte im Umgang mit kultureller und sprachlicher Heterogenität ab. Dieses Vorgehen erwies sich in der Erprobung der Leitfäden in der Pilotstudie jedoch als ungeeignet, da es den befragten Lehrkräften - vermutlich aufgrund des eher ungewöhnlichen Interviewformats - schwer fiel, selbstständig und ohne weitere Strukturierungen seitens der Forscherin ausführliche und zusammenhängende Erzählungen hervorzubringen. Die Zugzwänge des Erzählens konnten sich folglich nicht entfalten. Vor diesem Hintergrund wurde eine weniger the‐ menfokussierte Einstiegsfrage gewählt, welche die Lehrkräfte dazu auffordert, von einer Englischstunde zu berichten, die ihnen besonders im Gedächtnis geblieben ist (vgl. Anhang 2). Diese Frage, die in beiden Interviews identisch ist, soll die Lehrkräfte somit an den Modus des Interviews heranführen. Gleichzeitig lässt sich mit dieser Frage an die erlebte Unterrichtspraxis und jene Erfahrungen anschließen, die den Lehrkräften noch besonders 5.2 Methodische Durchführung: Anlage der empirischen Studie 133 <?page no="134"?> 112 Wie Przyborski und Wohlrab-Sahr (2014: 72) ausführen, fällt es wesentlich schwerer, „von einem theoretischen Diskurs, also von Erklärungen, Begründungen und (Selbst-)Einschätzungen wieder in einen erzählenden und beschreibenden Diskurs, also in die Darstellung von Erfahrungen und Erlebnissen, zu wechseln, als umgekehrt.“. 113 Zur Bedeutung von Textsorten für die Analyse der Interviews vgl. Kapitel 6.2.1. präsent sind. Diese können sodann für die anschließende Datenanalyse verfügbar gemacht und sowohl fallimmanent als auch fallübergreifend miteinander verglichen werden. Im Anschluss an den ersten Erzählimpuls werden entsprechend der Erhebungslogik narrativer Interviews immanente Nachfragen gestellt, die darauf zielen, die von den Lehrkräften in der Eingangserzählung aufgeworfenen Themen zu vertiefen und hierdurch das Erzählpotenzial dieser Erzählung erneut aufzugreifen. Sodann folgen episodisch-fokus‐ sierte Fragen mit wiederkehrenden Erzählaufforderungen konkreter Situationen (Themen‐ blöcke 1 und 2), die sich auf die Erfahrungen und den Umgang der Lehrkräfte mit kultureller und sprachlicher Heterogenität im Laufe ihrer Berufsbiographie (Erhebungszeitpunkt t1) bzw. auf die Erfahrungen in der Auseinandersetzung mit und der Erprobung der Fortbildungsinhalte (Erhebungszeitpunkt t2) beziehen. Auch hieran schließen sich zunächst immanente Nachfragen an, bevor in Themenblock 3 letztlich argumentativ-beschreibende und auf die Motive und Gründe für das Handeln der Lehrkräfte zielende Fragen adressiert werden. Diese Fragen tragen dazu bei, die von den Lehrkräften wahrgenommenen Normen in den Blick zu nehmen sowie zu untersuchen, wie und in welchem Orientierungsrahmen sie sich zu diesen Normen positionieren (vgl. Kapitel 6). Da diese Fragen die Lehrkräfte zur Selbstexplikation auffordern und sie unter Argumentationsdruck setzen können, werden sie erst gegen Ende des Interviews gestellt, um Schwierigkeiten beim Wechsel der Erzählmodi zu vermeiden (vgl. Przyborski & Wohlrab-Sahr 2014) 112 . Die zuletzt gestellte und in beiden Interviewleitfäden identische Frage nach dem Englischunterricht der Zukunft und der zukünftigen Rolle der Lehrkraft rundet das Interview ab und soll nochmals die zentralen Orientierungen der befragten Lehrkräfte hinsichtlich ihrer Unterrichtspraxis sowie ihres Lehrer*innen(selbst-)bildes hervorbringen. Zudem dient auch sie der Validierung der bereits rekonstruierten Orientierungen und soll darüber hinaus die wahrgenommene Relevanz des Themas des Umgangs mit kultureller und sprachlicher Heterogenität für das (zukünftige) Handeln der Lehrkräfte deutlich werden lassen. Abschließend wird den Lehrkräften die Möglichkeit zu selbstreflexiven Abschlussäußerungen geboten, welche ggf. ausgelassene Themen ergänzen können (vgl. Riemer 2016). In der Analyse der Interviews zeigte sich, dass die Lehrkräfte auf eigentlich erzählgene‐ rierende Fragen - insbesondere zum zweiten Interviewzeitpunkt t2 - vermehrt in Form von Argumentationen und Bewertungen antworteten 113 . Über die Gründe hierfür können an dieser Stelle nur Vermutungen angestellt werden, die im Verlauf der Analyse der Daten noch einmal genauer betrachtet werden. Beispielsweise könnten die Lehrkräfte aufgrund der Tatsache, dass die Forscherin zu den Fortbildner*innen zählte, auf die Frage nach ihren Erfahrungen, die sie in der Fortbildung gemacht haben, sozialerwünschte Antworten geben und das Bedürfnis haben, sich und das in der Fortbildung Gelernte bestmöglich zur Darstellung zu bringen. Ebenso ist es denkbar, dass die Lehrkräfte - aufgrund der üblicherweise stattfindenden Evaluationen im Anschluss einer Fortbildung - in eine Art Evaluationsmodus geraten und deshalb beginnen, die Fortbildung zu bewerten. Diese 134 5 Methodologie und Methodik der empirischen Studie <?page no="135"?> argumentativen und bewertenden Passagen werden im Rahmen der Analyse der Daten gesondert unter dem Aspekt der Verhandlung und Wahrnehmung von Normen betrachtet (vgl. Kapitel 7.2 und 7.3). 5.2.1.3 Zusätzlich erhobene Daten Im Anschluss an das Interview wurden personenbezogene Daten der befragten Lehrkräfte erhoben, um diese als Hintergrundinformationen in die vertiefende Interpretation der Interviews einzubeziehen. Aus Datenschutzgründen und um eine Zuordnung und Identifi‐ kation der Lehrkräfte zu vermeiden, werden diese Daten jedoch nur an wenigen Stellen in die Datenanalysen (vgl. Kapitel 7) einbezogen. Zu den zusätzlich erhobenen Daten zählen die folgenden Angaben: • Alter • Dienstalter (in Jahren) • Unterrichtete Fächer • Aktuelle Schule/ Schulform • Aktuelle Lerngruppen in Englisch • Besondere Funktionen/ Aufgaben an der Schule • Studienort • Ausbildungsschule Die Abfrage dieser Informationen erfolgte im Anschluss an das Interview, nachdem die Lehrkräfte nochmals mündlich über die Verwendung dieser personenbezogenen Daten aufgeklärt wurden und ihre Zustimmung gaben. So sollte eine Beeinträchtigung der Interviewsituation und des Erzählflusses durch diese persönlichen und geschlossenen Fragen vermieden werden. Zusätzlich zu den personenbezogenen Daten wurde nach jedem Interview ein Postskript angefertigt (vgl. Witzel 2000; siehe Anhang 3), welches zum einen relevante Kontextin‐ formationen zu den jeweiligen Interviews enthielt und der nachträglichen Reflexion der Interviewsituation sowie der eigenen Forscher*innenrolle diente. Darüber hinaus wurden die hier festgehaltenen Notizen ebenfalls zur vertiefenden Interpretation der Daten herangezogen. Sie enthielten Informationen zu situativen und nonverbalen Aspekten sowie Schwerpunktsetzungen der Forschungspartner*innen, zur Interviewatmosphäre, zu auffallenden oder schwierigen Themen, zur Interaktion zwischen befragter Lehrkraft und Forscherin sowie zu Störungen des Interviews. 5.2.2 Datenerhebung Nachdem im vorherigen Abschnitt das Forschungsdesign sowie die theoretischen und methodischen Grundlagen für die Durchführung der empirischen Studie dargelegt wurden, widmet sich der folgende Abschnitt dem Vorgehen der Forscherin bei der Datenerhebung. Hierfür werden zunächst der Zugang zum Feld (Kapitel 5.2.2.1), das Sampling der Studie (Kapitel 5.2.2.2) sowie die Durchführung der Interviews beschrieben (Kapitel 5.2.2.3). Im Anschluss werden die forschungsethischen sowie datenschutzbezogenen Maßnahmen 5.2 Methodische Durchführung: Anlage der empirischen Studie 135 <?page no="136"?> 114 Die in diesem Abschnitt skizzierten Prozesse und Entscheidungen in Bezug auf die Datenerhebung werden im Anschluss an Przyborski und Wohlrab-Sahr (2014) bewusst in der 1. Person Singular dargestellt, um die persönliche Involviertheit in den „Erzeugungsprozess der Forschung“ (Przyborski & Wohlrab-Sahr 2014: 404) sowie meine Doppelrolle als Fortbildnerin und Forscherin und damit auch meine Standortgebundenheit transparent zu machen. 115 Der Veranstaltungskatalog listet sämtliche Fortbildungsangebote für Akteur*innen des Handlungs‐ feldes Schule in Hessen geordnet nach Themenschwerpunkten und bietet Interessent*innen die Möglichkeit, sich online für entsprechende Angebote anzumelden: https: / / akkreditierung.hessen.de / catalog (zuletzt aufgerufen am 03.04.2025). 116 Die Goethe Lehrkräfteakademie ist die Dachorganisation und Ansprechpartnerin für sämtliche Lehr‐ kräftefortbildungsangebote der Goethe-Universität Frankfurt. Ich danke besonders Ute Kandetzki und Feyza Özturk für ihre Unterstützung bei der Bewerbung der Fortbildung. 117 Zum Zeitpunkt der Durchführung der Studie wurde das Fortbildungsprogrammheft noch in gedruck‐ ter, d. h. physischer Form an die Schulen verschickt. Inzwischen werden digitale Programmhefte erstellt, welche die Schulen per E-Mail erhalten. beschrieben und die eigene Forscher*innenrolle reflektiert (Kapitel 5.2.3). Das Kapitel schließt mit einer Zusammenschau des Untersuchungsverlaufes (Kapitel 5.3). 5.2.2.1 Zugang zum Feld Wie in Kapitel 4 dargelegt, ist die vorliegende Arbeit im Projektkontext von The Next Level entstanden, in welchem eine Online-Fortbildung für (Fremd-)Sprachenlehrkräfte entwickelt wurde. Dieser Kontext gibt neben dem Forschungsdesign auch den Rahmen für die Datenerhebung vor und beeinflusst damit sowohl den Zugang zum Feld als auch meine 114 Rolle als Forscherin (vgl. Kapitel 5.2.3). Der Zugang zum Feld erfolgte im Zusammenhang mit der Bewerbung der Fortbildung und dem Ziel, interessierte Fremdsprachenlehrkräfte für die Teilnahme am Fortbildungs‐ programm zu gewinnen. Da ich als Mitarbeiterin in verschiedenen Projektkontexten bereits Erfahrungen in der Fortbildungsbewerbung und der Teilnehmer*innenakquise sammeln konnte und vor dem Hintergrund meines Promotionsvorhabens ein Interesse daran hatte, interessierte Lehrkräfte für die Fortbildung zu finden, wurde ich auch in diesem Projekt mit der Fortbildungsbewerbung betraut. Ich begann im Herbst 2019, ein Jahr vor Fortbil‐ dungsbeginn, mit der Teilnehmer*innenakquise und beantragte in einem ersten Schritt die Akkreditierung der Fortbildungsveranstaltung bei der Hessischen Lehrkräfteakademie sowie die Aufnahme der Fortbildung in deren Online-Veranstaltungskatalog 115 . Weiterhin nutzte ich das Angebot der Goethe-Lehrkräftekademie 116 an der Goethe-Universität Frank‐ furt und ließ die Fortbildungsveranstaltung im regelmäßig erscheinenden Fortbildungs‐ programmheft, welches an ca. 2.500 Schulen in Hessen verschickt wird, bewerben 117 . In einem nächsten Schritt nutzte ich die am Institut für England- und Amerikastudien der Goethe-Universität Frankfurt etablierten Kontakte zu Schulen und Studienseminaren und nahm mit den entsprechenden Leitungspersonen per E-Mail mit der Bitte Kontakt auf, die Informationen zur Fortbildung an interessierte Kolleg*innen weiterzuleiten. Somit gestaltete sich der erste Zugang zum Feld über Gatekeeper, d. h. Personen in bestimmten Funktionen (wie z. B. Schulleitungen, Schulbehörden, Studiensemiarleitungen), die einen Kontakt zur gewünschten Zielgruppe (hier: Englischlehrkräfte) ermöglichten. Da sich in den ersten Monaten der Teilnehmer*innenakquise nur wenige Lehrkräfte für die 136 5 Methodologie und Methodik der empirischen Studie <?page no="137"?> 118 Für die Unterstützung hierbei danke ich besonders Matthias Munsch, Mariella Veneziano-Osterrath, Jules Bündgens-Kosten, Ariadne Geiling, Sven Mathy, Cora Kolb, Jan-Erik Leonhardt und Susanne Leonhardt. 119 Die ursprünglich als blended-learning Veranstaltung konzipierte Fortbildung hätte neben On‐ line-Lernelementen auch Präsenzveranstaltungen vorgesehen (vgl. Kapitel 4), wofür eine Reservie‐ rung von geeigneten Räumlichkeiten an der Universität notwendig gewesen wäre. Um die Betreuung der Lehrkräfte während der Präsenzveranstaltungen gewährleisten und entsprechende Räume nutzen zu können, wurde die maximale Zahl der Teilnehmer*innen ursprünglich auf 30 Lehrkräfte festgelegt. Diese Zahl wurde mit der Änderung des Fortbildungsformats in eine Online-Veranstaltung auf 80 Lehrkräfte erhöht. 120 Die Anmeldung erfolgte über eine Online-Anmeldemaske, welche von der Goethe-Lehrkräfteaka‐ demie sowie der zentralen E-Learning Einrichtung der Goethe Universität unter Einhaltung der geltenden Datenschutzbestimmungen eingerichtet und betreut wurde. Fortbildung anmeldeten, nutzte ich in einem letzten Schritt die Kontakte zu Lehrkräften aus meinem persönlichen Umfeld, um weitere Schulen sowie deren Schulleitungen und Lehrkräfte auf die geplante Fortbildungsveranstaltung aufmerksam zu machen und für die Teilnahme an der Fortbildung zu gewinnen 118 . Als sich im Frühjahr 2020 abzeichnete, dass die Fortbildungsveranstaltung aufgrund von COVID-19 nicht, wie ursprünglich geplant, als blended-learning Veranstaltung stattfinden konnte, sondern als Online-Fortbildung durchgeführt werden musste, wurde auch der Kontaktkreis für die Teilnehmer*innenakquise auf Schulen und Lehrkräfte im gesamten Bundesgebiet ausgeweitet. Dies geschah, da das Online-Format der Fortbildung nun eine flexible und ortsunabhängige Fortbildungsteilnahme möglich machte und dementspre‐ chend auch eine größere Anzahl an Fortbildungsteilnehmer*innen zuließ 119 . Vor diesem Hintergrund bewarb ich die Fortbildung zusätzlich in sozialen Netzwerken, um möglichst viele (Fremd-)Sprachenlehrkräfte zu erreichen. Über die hier beschriebenen Kontaktwege zu Schulen, Studienseminaren und Lehrkräf‐ ten meldeten sich im Sommer 2020 schließlich 80 Teilnehmer*innen für die Fortbildung an 120 . Da die Lehrkräfte mit ihrer Anmeldung zur Fortbildung der Kontaktaufnahme durch die Fortbildungsveranstalter*innen zu Kommunikations- und Informationszwecken zustimmten (für die ausführliche Darstellung der forschungsethischen Maßnahmen sowie Maßnahmen zum Datenschutz vgl. Kapitel 5.2.3), war es mir möglich, die angemeldeten Lehrkräfte per E-Mail auf meine geplante Studie aufmerksam zu machen. Folglich gestaltete sich der weitere Zugang zum Feld über das Anmeldesystem der Fortbildung. In meinem E-Mailanschreiben informierte ich die Fortbildungsteilnehmer*innen über das Ziel und den geplanten Ablauf meiner Studie und bat sie um ihre Teilnahme. Hierbei achtete ich darauf, das Ziel und Thema meines Forschungsvorhabens allgemein und ohne theoretische Vorannahmen darzustellen, um zu vermeiden, dass sich diese Informationen gegebenenfalls auf das Antwortverhalten und die Struktur der Erzählungen der Lehrkräfte während der Interviews auswirken. Auf meine Anfrage meldeten sich sodann 24 Lehrkräfte per E-Mail zurück und erklärten sich dazu bereit, an meiner Studie teilzunehmen. Hieran anschließend nahm ich erneut Kontakt zu den an meiner Studie interessierten Lehrkräften auf und ließ ihnen ein weiteres Informationsschreiben per E-Mail bzgl. der Datennutzung und -speicherung sowie eine Einverständniserklärung zur Erhebung ihrer Daten zukommen. Die Blanko-Versionen 5.2 Methodische Durchführung: Anlage der empirischen Studie 137 <?page no="138"?> der Einverständniserklärung sowie das Informationsschreiben zur Datennutzung und -speicherung sind dem Anhang beigefügt (vgl. Anhang 1). In einem nächsten Schritt vereinbarte ich mit den Lehrkräften individuell Termine zur Durchführung der Interviews. Da es sich aufgrund der pandemiebedingten Schulschlie‐ ßungen sowie der bundesweit geltenden Kontaktbeschränkungen als unmöglich erwies, die Interviews in Präsenz (z. B. in der Schule der Lehrkräfte oder an der Universität) durchzuführen und somit keine Möglichkeit bestand, sich persönlich kennenzulernen, bot ich den Lehrkräften an, mich ihnen telefonisch oder über ein Videokonferenztool vorzustellen. Hiermit zeigte ich den Lehrkräften gegenüber eine kommunikative Haltung und gab ihnen die Möglichkeit, Vertrauen zu mir aufzubauen. Dieses Angebot wurde von fünf Lehrkräften in Anspruch genommen. 5.2.2.2 Sampling Samplingstrategien und Auswahlentscheidungen sind im Forschungsprozess von zentraler Bedeutung, denn durch „die in Sampling-Entscheidungen getroffene Auswahl wird jeweils ein spezifischer Zugang zum Verstehen des Feldes und der ausgewählten Fälle realisiert.“ (Flick 2019: 170). Indem bestimmte Aspekte dieses Feldes durch ebendiese Entscheidungen hervorgehoben und andere ausgeblendet werden, wird die untersuchte Wirklichkeit in spezifischer Art und Weise konstruiert (vgl. ebd.). Grum und Legutke (2016: 88) schlagen deshalb vor, die Sampling-Strategie immer auf der Basis der Forschungsfrage und dem Forschungszweck auszuwählen. Ebenso wichtig ist es, die Zusammenstellung des Samples sowie die hiermit verbundenen Entscheidungen nachvollziehbar darzulegen. Dies soll im Folgenden orientiert an Flicks (2019) Ebenen der Auswahlentscheidungen im Forschungs‐ prozess geschehen (vgl. Tabelle 2). Auswahlentscheidungen im Forschungsprozess bei der … … Erhebung der Daten: Fallauswahl Fallgruppenauswahl … Interpretation von Daten: Auswahl des Materials Auswahl im Material … Darstellung von Ergebnissen: Präsentationsauswahl Tabelle 2: Auswahlentscheidungen im Forschungsprozess (Flick 2019: 12) In der vorliegenden Arbeit wurde eine erste Auswahlentscheidung hinsichtlich des zu untersuchenden Samples vor dem Hintergrund des in den Kapiteln 2 und 3 ausgeführten Forschungsinteresses sowie den hiermit verbundenen Forschungsdesiderata getroffen. Als Zielgruppe wurden dementsprechend berufsroutinierte Englischlehrkräfte der drit‐ ten Phase der Lehrer*innenbildung ausgewählt. Damit ist das Sample in einer ersten Annäherung gegenstandstheoretisch bestimmt. Weitere Auswahlentscheidungen ergaben sich durch den Projektkontext, der, wie im vorigen Kapitel dargestellt, den Rahmen des Feldzugangs und damit auch der Sampleauswahl vorgab. So konnte ich nur diejenigen Lehrkräfte kontaktieren und um ihre Teilnahme an meiner Studie bitten, die sich auch 138 5 Methodologie und Methodik der empirischen Studie <?page no="139"?> 121 Es wurden Interviews zu zwei Zeitpunkten mit den an der Fortbildung teilnehmenden Lehrkräften geführt. Die ersten Interviews wurden ca. zwei Monate vor der Fortbildung von Juli - August 2020 durchgeführt. Die zweite Datenerhebungsphase erfolgte nach dem letzten inhaltlichen Fortbil‐ dungsmodul von Mai bis Juni 2021. 122 Mit diesen Lehrkräften wurde jeweils das Einstiegsinterview vor Beginn der Fortbildung sowie ein Abbruchinterview geführt. Die Analysen dieser Daten sind nicht Gegenstand dieser Arbeit. 123 Dies zeigte sich auch bei der Gesamtteilnehmer*innenzahl der Fortbildung. Hier nahmen im Schnitt mehr Frauen als Männer teil. für die Fortbildung angemeldet hatten. Ins Sample wurden letztlich Englischlehrkräfte aufgenommen, die sich auf der Grundlage der von mir bereitgestellten Informationen zum Ziel und Ablauf der Studie als Forschungspartner*innen zur Verfügung stellten. Dies wird auch als sekundäres Sampling bezeichnet, bei welchem ein leitendes Kriterium das Prinzip der Freiwilligkeit ist (vgl. Merkens 2019 mit einem Überblick) . Vor dem Hintergrund des dargestellten Projektkontextes sowie des Forschungsdesigns dieser Studie (vgl. Kapitel 4) erwies sich das Theoretical Sampling nach Glaser & Strauss (1967), bei welchem sich das Sample in einem zyklischen und an theoretischen Gesichts‐ punkten orientierenden Verfahren erst nach und nach herauskristallisiert, für den Kontext meiner Studie als ungeeignet. Ein solches Verfahren hätte bedeutet, dass nach einer ersten Datenerhebung und -analyse weitere Personen bzw. Personengruppen in die Unter‐ suchung hätten einbezogen werden müssen. Dies war zum einen aufgrund der geplanten Interviewzeitpunkte 121 sowie den anvisierten Zeitabständen zwischen den Interviews (ca. sieben Monate) nicht möglich, da eine Hinzunahme weiterer Lehrkräfte nach der ersten Datenerhebungs- und -auswertungsphase bedeutet hätte, dass die Fortbildung bereits be‐ gonnen hat und sich die Lehrkräfte mit den ersten Fortbildungsinhalten auseinandergesetzt haben. Zum anderen konnten keine Lehrkräfte aus einer weiteren Fortbildungskohorte hinzugezogen werden, da es zum Zeitpunkt der Planungs- und Erhebungsphase der vorliegenden Arbeit unklar war, inwiefern die Fortbildung ein zweites Mal durchgeführt werden kann. Bedingt durch das Verfahren des sekundären Samplings und der damit ohnehin begrenz‐ ten Zahl der Forschungspartner*innen entschied ich mich dagegen, weitere Eingrenzungen des Samples beispielsweise hinsichtlich des Geschlechts, der Schulform, des Dienstalters oder des Bundeslandes zu treffen. Dies ermöglichte es mir zum einen, ein möglichst diffe‐ renziertes Bild von der Handlungspraxis und den -kontexten der Lehrkräfte zu erhalten, da ich annahm, dass sich deren Erfahrungen im Umgang mit kultureller und sprachlicher Heterogenität je nach Erfahrungsgrad und Schulform unterscheiden und sich entsprechend unterschiedliche Orientierungen offenbaren. Zum anderen musste ich damit rechnen, dass Lehrkräfte die Fortbildung abbrechen und damit aus dem Sample ausscheiden. Tatsächlich brachen elf Lehrkräfte aus meinem Sample die Fortbildung z. B. aufgrund von pandemie‐ bedingter Arbeitsmehrbelastung, Kinderbetreuung oder Krankheit ab 122 . Somit veränderte sich das Sample im Verlauf des Forschungsprozesses durch Ausscheidungsprozesse. Es wäre wünschenswert gewesen, eine geschlechtliche Ausgeglichenheit im Sample herzustellen. Allerdings erklärten sich mehr Frauen als Männer dazu bereit, an meiner Studie teilzunehmen 123 . Die Zusammensetzung des Gesamtsamples ist in Tabelle 3 darge‐ 5.2 Methodische Durchführung: Anlage der empirischen Studie 139 <?page no="140"?> stellt. Eine Übersicht über die in dieser Studie rekonstruierten Fälle dieses Samples findet sich in Kapitel 8.1. - 24 an der Fortbildung teilnehmende Englischlehrkräfte Durchschnittsalter 39,4 Jahre Durchschnittliche Berufser‐ fahrung 11,3 Jahre Geschlecht weiblich: 22 männlich: 2 Zweit-/ Drittfächer Französisch: 2 Spanisch: 4 Deutsch: 2 Geschichte: 2 Erdkunde: 3 Politik und Wirtschaft: 5 Mathematik: 2 Informatik: 1 Sachunterricht: 1 Biologie: 3 Kunst: 1 Musik: 1 Schulformen Grundschule: 3 Haupt-/ Realschule: 1 Gymnasium: 11 Berufsschule/ berufliches Gymnasium: 2 Gesamtschule: 5 Oberstufengymnasium: 2 Bundesland Hessen: 22 Berlin: 1 Rheinland-Pfalz: 1 Abbruch der Fortbildung 11 Tabelle 3: Übersicht über das Gesamtsample der vorliegenden Arbeit Die Auswahlentscheidungen auf der Ebene der Dateninterpretation ergaben sich entlang der Dokumentarischen Methode mit ihren Arbeitsschritten der Dateninterpretation, die in Kapitel 6 näher beschrieben werden. Da sich die Datenanalyse aufgrund der zwei Erhebungszeitpunkte in mehreren Etappen vollzog, wählte ich aus den 24 geführten, volltranskribierten Interviewtexten zunächst jene aus, die eine hohe narrative Dichte aufwiesen. Dies geschah vor dem Hintergrund, dass sich in Narrationen implizites Wissen offenbart und dementsprechende Orientierungsrahmen rekonstruiert werden können (vgl. Kapitel 5.1.3). In diesem Zusammenhang schloss ich drei Interviews aus dem weiteren Analyseprozess aus, da die Lehrkräfte hier nicht in die Zugzwänge des Erzählens (vgl. Kapitel 5.2.1.2) kamen und sich hauptsächlich argumentative und bewertende Textsorten in den Interviewtexten finden ließen. Des Weiteren kristallisierte sich im Laufe der Fortbildung heraus, dass elf Lehrkräfte die Fortbildung nicht beendeten, sodass ich auch deren Interviewtexte aus dem weiteren Analyseprozess ausschloss. Damit wurde die 140 5 Methodologie und Methodik der empirischen Studie <?page no="141"?> 124 Zur Fallbestimmung und Fallauswahl siehe Kapitel 7. Auswahl der Daten auf der Ebene der Dateninterpretation neben den methodengeleiteten Auswahlentscheidungen auch von den Forschungspartner*innen mitbestimmt. Auf der Ebene der Darstellung von Ergebnissen habe ich maximalkontrastive Daten ausgewählt, d. h. Fälle 124 , die sich in ihren Orientierungen sowie der Bearbeitung der Spannungen zwischen Normen und Habitus am deutlichsten unterschieden (vgl. Kapitel 5.1.4). So konnte ich ein gewisses Spektrum an Homologie oder Divergenz innerhalb meines Samples abbilden. Weiterhin diente diese Auswahl der Veranschaulichung und Offenlegung des Analyseprozesses sowie dem Nachvollzug der Rekonstruktionen. 5.2.2.3 Durchführung der Interviews Wie in den Kapiteln 5.2.1.1 und 5.2.1.2 dargestellt, wurden mit jeder Lehrkraft des oben beschriebenen Samples Interviews zu zwei Zeitpunkten geführt, um so Entwicklungsver‐ läufe von Professionalisierung bzw. Deprofessionalisierung rekonstruieren zu können (vgl. hierzu auch Kapitel 6.2.5). Die berufsbiographisch orientierten Einstiegsinterviews (vgl. Kapitel 5.2.1.2) wurden ca. zwei Monate vor Fortbildungsbeginn im Zeitraum von Juli bis August 2020 mit insgesamt 24 Lehrkräften geführt. Die Abschlussinterviews fanden etwa vier bis sechs Wochen nach Abschluss des letzten inhaltlichen Fortbildungsmoduls von Mai bis Juni 2021 statt. Aufgrund der Tatsache, dass 11 Lehrkräfte die Fortbildung abbrachen und dementsprechend aus dem Sample ausschieden, wurden die Abschlussinterviews mit 13 Lehrkräften durchgeführt. Die Länge der Interviews betrug minimal 36 Minuten und maximal 82 Minuten. Im Durchschnitt hatten die Interviews eine Länge von 51,3 Minuten. Nimmt man beide Interviewzeitpunkte (t1 und t2) zusammen, so liegt dieser Arbeit Datenmaterial in einem Umfang von 1334 Minuten bzw. 22 Stunden und 23 Minuten zugrunde. Um den Lehrkräften gegenüber eine möglichst große Offenheit und Flexibilität zu signalisieren, überließ ich ihnen die Terminwahl und damit den Zeitpunkt der Interviews. Ich gab ihnen lediglich eine Orientierung bzgl. des geplanten zeitlichen Umfangs und bat sie darum, sich entsprechend Zeit einzuplanen, um eventuellen Zeitdruck sowie Terminkollisionen zu vermeiden. Die meisten Interviews fanden am Nachmittag nach Schulschluss zwischen 15 und 17 Uhr statt. Zwei Interviews wurden morgens und eines am Abend gegen 20 Uhr durchgeführt. Ursprünglich war es geplant, die Interviews an den jeweiligen Schulen der Lehrkräfte oder in den Räumlichkeiten der Goethe-Universität durchzuführen. Dies war aufgrund der Coronapandemie und der geltenden Kontaktbeschränkungen zu den genannten Inter‐ viewzeitpunkten jedoch nur eingeschränkt möglich. Um die Gesundheit der Lehrkräfte sowie meine eigene nicht zu gefährden, suchte ich nach einer Möglichkeit, die Interviews zum einen möglichst kontaktlos und entsprechend der geltenden Kontaktbeschränkungen sowie Hygienemaßnahmen durchzuführen. Zum anderen sollte die Interviewatmosphäre so persönlich und offen wie möglich gestaltet werden und die Lehrkräfte dazu anregen, sich der Forscherin gegenüber zu öffnen und von ihrer Handlungspraxis zu erzählen. Vor diesem Hintergrund schlug ich den Lehrkräften die Durchführung der Interviews mittels eines Online-Videokonferenztools vor. Aufgrund der unterschiedlichen datenschutzrechtlichen 5.2 Methodische Durchführung: Anlage der empirischen Studie 141 <?page no="142"?> 125 In den meisten Fällen wurden die Interviews via Microsoft Teams oder BigBlueButton durchgeführt. Ebenso fanden Interviews auf Wunsch der Lehrkräfte via Zoom statt. Hierfür wurden die Lizenzen verwendet, die über die Universität Frankfurt zur Verfügung gestellt wurden. Bestimmungen der jeweiligen Schulen und Bundesländer überließ ich die Wahl des kon‐ kreten Konferenztools der jeweiligen Lehrkraft 125 . Drei Lehrkräfte entschieden sich gegen ein Online-Konferenztool und baten um die Durchführung der Interviews per Telefon. Bei der Interviewführung orientierte ich mich an den Empfehlungen zur Durchführung und Gestaltung narrativer Interviews (vgl. Przyborski & Wohlrab-Sahr 2014). So klärte ich die Lehrkräfte zu beiden Interviewzeitpunkten vor Beginn des Gespräches noch einmal über die Datenerhebungssituation sowie über die Nutzung, Speicherung und Anonymisierung ihrer Daten auf (zum Datenschutz siehe Kapitel 5.2.3; vgl. Anhang 1) und vergewisserte mich nun auch mündlich bzgl. ihrer Bereitschaft zur Aufzeichnung des Gesprächs mittels eines Aufnahmegerätes. Weiterhin erläuterte ich ihnen die besondere Form des Interviews, da ich annahm, dass es für die Lehrkräfte etwas ungewöhnlich sein könnte, ein derart offenes Interview zu führen. Um Erzählungen zu evozieren und den Erzählfluss während der Antworten der Lehrkräfte aufrecht zu erhalten, wies ich die Interviewpartner*innen darauf hin, dass es mir um ihre subjektiven Sichtweisen gehe, sie bei ihren Antworten so weit ausholen dürfen, wie sie möchten und ich mich mit meinen Fragen zunächst zurückhalte. Erst im Anschluss hieran signalisierte ich den Lehrkräften, dass ich die Aufnahme des Gesprächs starte und stellte ihnen die erste Frage. Zu beiden Interviewzeitpunkten stellte ich den Lehrkräften nach dem Eingangsfrageim‐ puls immanente Nachfragen, die zunächst noch keine neuen Themen aufgriffen, sondern nochmals auf das Gesagte der Lehrkräfte eingingen. Dies hatte zum Ziel, Leerstellen in den Erzählungen zu füllen, genauere Ausführungen zu Unverständlichem oder Bezügen und Verweisen zu evozieren oder aber bereits Gesagtes detaillierter darzustellen. Für die immanenten Nachfragen nutzte ich den Interviewleitfaden als Hilfestellung bzw. Gedächt‐ nisstütze (vgl. Witzel 1982), um keine bedeutenden Aspekte auszulassen. Hierbei ging ich flexibel mit den Leitfragen um und variierte deren Reihenfolge abhängig davon, welche Themen die Lehrkräfte durch ihre Antworten auf die Einstiegsfrage bereits ansprachen. Erst nachdem ich den Eindruck hatte, dass die befragten Lehrkräfte eventuelle Leerstellen ihrer Erzählungen gefüllt und angesprochene Situationen näher ausgeführt hatten, stellte ich Fragen aus dem dritten Themenblock (vgl. Kapitel 5.2.1.2), die auf explizites bzw. reflexives Wissen abzielten und der Validierung der zuvor über den narrativen Fragenteil gewonnenen handlungsleitenden Orientierungen dienten. Auch die Abschlussfrage, die auf das Zukunftskonzept der Englischlehrkräfte bzgl. des Englischunterrichts und ihre jeweilige Rolle darin abzielte, war in allen Interviews identisch. Bei der Interviewführung achtete ich darauf, eine möglichst angenehme und offene Gesprächsatmosphäre herzustellen und signalisierte den Lehrkräften Vertrauen, aktives Zuhören sowie ein Interesse an ihren Ausführungen. Auch versuchte ich den Redefluss der Lehrkräfte durch kurze Äußerungen oder Signale der Zustimmung aufrecht zu erhalten und sie nicht zu unterbrechen. Erst wenn ich durch sogenannte ‚Abschlussmarkierer‘ oder längere Pausen den Eindruck gewann, dass die Lehrkräfte ihre Erzählung beendet hatten, stellte ich eine Anschlussfrage. Hierbei arbeitete ich mit Paraphrasierungen, um 142 5 Methodologie und Methodik der empirischen Studie <?page no="143"?> sicherzustellen, dass das Gesagte von mir richtig verstanden wurde sowie ggf. weitere Anschlusserzählungen zu evozieren (vgl. Przyborski & Wohlrab-Sahr 2014). Auch wollte ich so vermeiden, dass ich den Lehrkräften meine Deutungen ihrer Erzählungen unterbreite und somit ihre Anschlussäußerungen ggf. beeinflusse. Obwohl ich das Interviewverfahren und auch die für narrative Interviews zentralen Gesprächsführungstechniken während der Pilotstudie erproben konnte, fiel es mir an manchen Stellen der Interviews schwer, mich gänzlich zurückzuhalten und den Äußerungen der Lehrkräfte lediglich mit einem Signal der Zustimmung zu begegnen. Dies traf insbesondere dann zu, wenn mich vereinzelte Lehrkräfte nach meiner eigenen Meinung zu ihren Schilderungen befragten oder aber Gegenfragen stellten. Dies wird bei der Interpretation der betreffenden Passagen berück‐ sichtigt und entsprechend reflektiert. Nach Beendigung des Interviews bedankte ich mich bei den Lehrkräften für ihre Zeit und Bereitschaft, mich bei meinem Forschungsvorhaben zu unterstützen und signalisierte ihnen, dass sie mit ihren Ausführungen zum Erreichen des Gesprächsziels beigetragen haben. Es war mir besonders wichtig, den Lehrkräften eine positive Rückmeldung sowie eine Wertschätzung für ihre Mühen entgegenzubringen, da sie durch das Interview eine zusätzliche zeitliche Belastung auf sich nahmen und bis auf diese Rückmeldung keine Gegenleistungen bzw. Aufwandsentschädigungen erhielten. Nach jedem Interview fertigte ich ein kurzes Postskript an und machte mir Notizen zu Aspekten des Interviews, die größtenteils nonverbal stattgefunden haben (siehe Anhang 3). Hierunter fielen Aspekte wie z. B. die Interviewatmosphäre, das Verhalten der Interviewerin sowie der Forschungspartner*innen während der Interviews, etwaige Störungen des Interviewverlaufs oder aber schwierige oder überraschende Themen (vgl. Friebertshäuser & Langer 2010; vgl. auch Kapitel 5.2.1.3). Dieses Postskript zog ich sodann bei der Interpretation der Daten sowie bei der Reflexion meiner Forscher*innenrolle heran. 5.2.3 Forschungsethische Maßnahmen und Selbstverortung als Forschende Die Beachtung forschungsethischer Maßnahmen sowie die Entwicklung eines forschungs‐ ethischen Bewusstseins zählen zu den grundlegenden Kriterien guter wissenschaftlicher Praxis und werden auch in der Fremdsprachenforschung als zentral erachtet (vgl. Küster 2011; Viebrock 2015; Legutke & Schramm 2016; Viebrock 2019, 2022). Forschungsethische Maßnahmen sowie deren Reflexion sind während des gesamten Forschungsprozesses, d. h. von der ersten Skizze eines Erkenntnisinteresses bis hin zur Präsentation und Publikation der Ergebnisse, von Bedeutung (vgl. Riemer 2014; Viebrock 2015; Gerlach 2020a). Auch wenn diese Maßnahmen aus Darstellungsgründen sowie aus Gründen der Leser*innenführung erst am Ende dieses Kapitels Erwähnung finden, so soll an dieser Stelle hervorgehoben werden, dass sie quer zum oben dargestellten Forschungsprozess liegen und dementsprechend in jeder Forschungsphase stets berücksichtigt wurden (vgl. auch Abb. 4). Für die forschungsethischen Überlegungen und Maßnahmen der vorliegenden Arbeit sind insbesondere die Ausführungen Küsters (2011), Viebrocks (2019) sowie die Prinzipien ethischen und verantwortungsvollen Handelns in der Fremdsprachenforschung, wie sie im Ethikkodex der Deutschen Gesellschaft für Fremdsprachenforschung (DGFF 2019) festgelegt 5.2 Methodische Durchführung: Anlage der empirischen Studie 143 <?page no="144"?> sind, von Bedeutung. Diese werden im Folgenden in aller Kürze dargestellt und auf den Forschungsprozess der vorliegenden Arbeit bezogen. Küster (2011: 139) differenziert das Thema Forschungsethik in eine prudentielle sowie eine moralische Perspektive. Während die prudentielle Perspektive die „Verantwortung des Fremdsprachenforschers vor und für sich selbst“ sowie die „Verantwortung des Fremd‐ sprachenforschers gegenüber seinem privaten Umfeld“ umfasst, verortet der Autor die nachfolgenden Aspekte innerhalb der moralischen Perspektive: • Verantwortung des Fremdsprachenforschers gegenüber der scientific community • Verantwortung des empirischen Fremdsprachenforschers gegenüber den unmittelbar Beforschten (quantitative Forschung) bzw. den am Forschungsprozess unmittelbar Beteiligten (qualitative Forschung und Handlungsforschung) • Verantwortung des Fremdsprachenforschers gegenüber gesellschaftlichen und univer‐ sitären Institutionen und deren Anforderungen (ebd.) Auch Viebrock (2019) nimmt eine Systematisierung der forschungsethischen Entscheidun‐ gen und Handlungen vor und unterscheidet mit Bezug auf Kubanyiova (2008) zwischen einer mikroethischen und einer makroethischen Dimension. Auf der mikroethischen Ebene verortet die Autorin das individuelle Handeln der Wissenschaftler*innen sowie konkrete Situationen im Forschungsprozess. Hierzu zählen beispielsweise Schutzverpflich‐ tungen der Forscher*innen, die Reflexion etwaiger Machtgefälle oder unterschiedlicher Beweggründe für die Teilnahme an einem Forschungsprojekt. Die makroethische Ebene umfasst „übergeordnete formale Regelungen und Prinzipien, die sich implizit in einem Wissenschaftsethos verbergen oder in Regelwerken explizit ausformuliert sind“ (Viebrock 2019: 55). Der Ethikkodex der Deutschen Gesellschaft für Fremdsprachenforschung (DGFF 2019) greift die genannten forschungsethischen Aspekte und Dimensionen auf und legt vier zentrale Prinzipien ethischen Handelns sowie einer verantwortungsvollen Fremdsprachen‐ forschung dar. Zu den Prinzipien zählen: 1) Respekt, 2) Integrität und Lauterkeit, 3) professionelle Kompetenz sowie 4) professionelle, wissenschaftliche und soziale Verant‐ wortung (ebd.: 2-3). Diese werden auf unterschiedliche wissenschaftliche Tätigkeitsfelder angewendet, wie z. B. Forschung, Rechte von Forschungsbeteiligten, Publikationen, Gutachten und Lehre (ebd.: 3-4). Im Kontext der vorliegenden Arbeit werden insbesondere die Prinzipien der Tätigkeitsfelder Forschung sowie Rechte von Forschungsbeteiligten relevant. Diese sind anschlussfähig an Küsters (2011: 139) moralische Perspektive sowie an Viebrocks (2019: 55) mikro- und makroethische Dimensionen. Im Sinne der Verantwortungsübernahme gegenüber der scientific community war mir während des gesamten Forschungsprozesses eine transparente und nachvollziehbare Do‐ kumentation meiner forschungsbezogenen Überlegungen, Annahmen, Argumentationen sowie Handlungen wichtig. Dies spiegelt sich in der Begründung der Relevanz meines Forschungsvorhabens sowie in der ausführlichen Darlegung und Diskussion der für diese Arbeit relevanten Theorien und Forschungsergebnisse, der verwendeten Forschungsme‐ thoden, -methodologien und -instrumente, sowie der detaillierten Beschreibung, Doku‐ mentation und Diskussion der Ergebnisse dieser Arbeit wider. Auch die Beurteilung der Qualität, Reichweite und Güte meiner Forschungsergebnisse stellen zentrale Aspekte 144 5 Methodologie und Methodik der empirischen Studie <?page no="145"?> 126 Von einem Widerruf der Einwilligung zur Forschungsteilnahme machte keine*r der Forschungspart‐ ner*innen Gebrauch. meiner forschungsethischen Maßnahmen dar. Diesen widme ich mich am Ender dieser Arbeit (vgl. Kapitel 8.6). Die Fremdsprachenforschung und damit auch meine Arbeit sind „auf die Teilnahme von Menschen als Forschungspartnerinnen und -partner“ (DGFF 2019: 4) angewiesen, um Forschungsfragen bearbeiten und entsprechend beantworten zu können. Vor diesem Hin‐ tergrund legte ich besonderen Wert auf die Beachtung der Rechte der Forschungsbeteiligten und bemühte mich darum, sämtliche Handlungen im Forschungsprozess in deren Sinne zu treffen. Oberste Priorität hatte hierbei die Einwilligung der Forschungspartner*innen zur Teilnahme an der Studie. Wie bereits in Kapitel 5.2.2 dargelegt, erfolgte die Aufklärung der Forschungspartner*innen über das Anliegen und die Ziele der Studie, die verwendeten Forschungsinstrumente, den zeitlichen und strukturellen Ablauf der Interviews sowie die Verwendung und Speicherung der erhobenen Daten im Sinne eines informed consent über ein Informationsschreiben im Vorfeld der Studie (vgl. Anhang 1). Diesem Schreiben beigefügt war die Einverständniserklärung zur Teilnahme an der vorliegenden Studie, welche schriftlich eingeholt wurde. In der Einverständniserklärung wurde besonders her‐ vorgehoben, dass die Teilnahme an der Studie freiwillig ist, die teilnehmenden Lehrkräfte zu jeder Zeit des Forschungsprozesses die Möglichkeit haben, ihre Einwilligung zu widerrufen und dass ihnen keinerlei Nachteile durch die Teilnahme oder Nicht-Teilnahme an der Studie entstehen 126 . Weiterhin wurden die an der Studie teilnehmenden Lehrkräfte über die Daten‐ schutzrichtlinien und -maßnahmen aufgeklärt, wie sie der vorliegenden Studie zugrunde liegen. Demnach enthielt die Einverständniserklärung auch Informationen zur Speicher‐ ungs- und Nutzungsdauer der Daten, zu den Maßnahmen der Anonymisierung sowie zum Umgang mit den Daten im Zuge von Publikationen. Sowohl im Informationsschreiben als auch in der Einverständniserklärung achtete ich darauf, die Forschungspartner*innen stets persönlich und adressat*innengerecht anzusprechen. Eine besondere Herausforderung in Bezug auf die forschungsethischen Maßnahmen war es, den an der Studie teilnehmenden Lehrkräften sowohl im Informationsschreiben als auch im Zuge der Datenerhebung bewusst weiterführende Informationen zum Erkennt‐ nisinteresse dieser Arbeit vorzuenthalten, um zu vermeiden, dass deren Erzählungen durch eigene bzw. forschungsbezogene Vorannahmen beeinflusst werden. Im Anschluss an die Interviewgespräche klärte ich die Lehrkräfte jedoch über das weitere methodische Vorgehen auf und bot ihnen die Möglichkeit, Nachfragen zu stellen. Da es gerade im Zuge von qualitativer und explorativer Forschung darum geht, Offenheit zu bewahren und den Relevantsetzungen der Forschungspartner*innen einen größtmöglichen Raum zu geben (vgl. Przyborski & Wohlrab-Sahr 2014; Gerlach 2020a), achtete ich stets darauf, offene und breit angelegte Fragen zu stellen und den Lehrkräften mit einer zugewandten, wertschätzenden, verständnis- und respektvollen Haltung zu begegnen. Dies bedeutete, dass ich die Lehrkräfte ausreden ließ und sie auch dann nicht unterbrach, wenn ihre Erzählungen in eine von mir nicht antizipierte Richtung gingen. Hierzu zählte auch, dass ich die Aufnahme des Interviewgespräches unterbrach, wenn die Lehrkräfte sensible Themen ansprachen oder ich spürte, dass eine von mir gestellte Interviewfrage starke Emotionen 5.2 Methodische Durchführung: Anlage der empirischen Studie 145 <?page no="146"?> 127 Bei der Transkription der Interviews wurde ich während des gesamten Erhebungszeitraums von insgesamt fünf studentischen Hilfskräften unterstützt, da nach endenden Arbeitsverträgen oder abgeschlossenen Staatsexamina die in der Englischdidaktik der Goethe-Universität zur Verfügung stehenden Stellen neu besetzt wurden (vgl. hierzu Kapitel 6.1). Diese wurden bezogen auf die forschungsethischen und datenschutzrechtlichen Maßnahmen geschult. auf Seiten der Lehrkräfte evozierte und deren Erzählverhalten maßgeblich beeinträchtigte. Auch wenn die Erzählungen der Lehrkräfte in diesen Situationen für das Erkenntnisinter‐ esse dieser Arbeit relevante Informationen erhielten, berücksichtigte ich diese im Zuge der Datenanalyse nicht und stellte dementsprechend mein Interesse als Forscherin sowie die Notwendigkeit der methodischen Kontrolle nicht über die persönlichen Belange der Forschungspartner*innen. Im Zuge der Aufbereitung und Analyse der Daten achtete ich stets auf die Anonymisie‐ rung der personenbezogenen Daten sowie auf die Unkenntlichmachung von Informatio‐ nen, die Rückschlüsse auf die Person der Forschungspartner*innen zuließen. Auch die studentischen Hilfskräfte, die mich bei der Transkription der Interviewgespräche unter‐ stützten 127 , schulte ich hinsichtlich der datenschutzrechtlichen und forschungsethischen Regeln und wies sie ausdrücklich auf den sensiblen Umgang mit den Daten hin. Im Zuge der Transkription erhielten die Forschungspartner*innen daher zunächst Nummern sowie eine Bezeichnung, die Hinweise auf das Geschlecht gaben (z. B. „Person 1w“). Im Anschluss hieran wurden sodann Pseudonyme vergeben, die ich fortan im weiteren For‐ schungsprozess verwendete. Dies diente neben der Anonymisierung sowie dem Schutz der Identität der Forschungspartner*innen auch meiner eigenen Distanzierung gegenüber dem Datenmaterial, was für das unten noch zu beschreibende Vorgehen der Dokumentarischen Methode von zentraler Bedeutung ist (vgl. Kapitel 6). Bei der Datenanalyse war es mir ein weiteres zentrales Anliegen auf einen sensiblen Sprachgebrauch zu achten und zu vermeiden, dass es zu einer Bloßstellung sowie Verur‐ teilung der Lehrkräfte durch die Art und Weise der Ergebnisdarstellung kommt. In diesem Zusammenhang achtete ich im Sinne einer Ethik der Fürsorge, in deren Zuge „eine größere Sensibilität gegenüber den Forschungsteilnehmern ebenso wie Emotionalität und Sensibili‐ tät“ (Viebrock 2015: 65) von zentraler Bedeutung sind, darauf, die Aussagen der Forschungs‐ partner*innen stets in den korrekten Kontext einzubetten. Deshalb entschied ich mich dazu, die im Zuge der Ergebnisdarstellung ausgewählten Interviewpassagen ausführlich abzubilden und im Zuge der Interpretation stets die vorangegangenen sowie Anschlussäu‐ ßerungen zu berücksichtigen. Auch die regelmäßige Teilnahme an Forschungskolloquien und Interpretationsgruppen halfen mir dabei, meinen Sprachgebrauch zu reflektieren sowie meine Interpretationen zu validieren sowie ggf. anzupassen. So konnte ich meine Stand‐ ortgebundenheit reflektieren und eine angemessene Darstellung der Ergebnisse und des forschungsbezogenen Vorgehens gewährleisten. Zum anderen dienten diese Maßnahmen der Vorbeugung eines missbräuchlichen Einsatzes von Aussagen, Interpretationen sowie Ergebnissen durch Dritte. Neben dem methodisch kontrollierten Arbeiten zählten nicht zuletzt die kontinuierliche Reflexion meiner eigenen Rolle als Forscherin sowie die Entwicklung eines Bewusstseins für asymmetrische Beziehungsgefüge zwischen Forscherin und Forschungspartner*innen zu den in dieser Arbeit ergriffenen forschungsethischen Maßnahmen. Da ich davon 146 5 Methodologie und Methodik der empirischen Studie <?page no="147"?> 128 Ich verfüge über das erste Staatsexamen und damit über eine abgeschlossene universitäre Lehramts‐ ausbildung. Den zweiten Abschnitt dieser Ausbildung, d. h. den Vorbereitungsdienst, habe ich bislang nicht absolviert, war jedoch im Rahmen der hessischen Initiative Unterrichtsgarantie Plus bzw. Verlässliche Schule als Vertretungslehrkraft im Schuldienst tätig. ausging, dass meine Doppelrolle als Forscherin und Fortbildnerin Auswirkungen auf das Antwortverhalten der Forschungspartner*innen im Verlauf der Interviewgespräche haben und sozialerwünschte Antworten evozieren könnte, stellte ich mich den an der Studie teilnehmenden Lehrkräften von Beginn an in dieser Doppelrolle vor und sorgte damit für Transparenz hinsichtlich der damit einhergehenden Rollenerwartungen. Weiterhin machte ich deutlich, dass ich sowohl in Bezug auf die Fortbildung als auch im Zusammenhang mit meiner Forschung stets darauf bedacht bin, eine wertschätzende Atmosphäre zu kreieren sowie eine Beziehung auf Augenhöhe mit den Lehrkräften zu gestalten. Dies beinhaltete, dass ich den Forschungspartner*innen gegenüber deutlich machte, dass ihre Sichtweisen, Einschätzungen und Wahrnehmungen sowie ihr schul- und unterrichtsbezogenes Hand‐ lungswissen von äußerster Wichtigkeit sowohl für mich und meine Forschungsarbeit als auch für den fachdidaktischen Diskurs und die (Weiter-)Entwicklung und Gestaltung bedarfsgerechter Fortbildungsangebote sind. Zwar begreife ich mich in meiner Rolle als Forscherin und Fortbildnerin als Expertin für die von mir bearbeiteten Forschungsthemen sowie die in der Fortbildung vermittelten Fortbildungsinhalte. Gleichzeitig sehe ich mich als Begleiterin und Beraterin der Lehrkräfte in Bezug auf die Be- und Erarbeitung der fortbildungsbezogenen Inhalte sowie die Entwicklung von mehrsprachigkeits- und kul‐ tursensiblem Unterrichtsmaterial. Dies verstehe ich jedoch nicht als Wissensvorsprung gegenüber den Forschungspartner*innen, da diese wiederum über Handlungswissen ver‐ fügen, welches ich aufgrund meiner Berufsbiographie 128 nur eingeschränkt vorweisen kann. Demnach war es mir besonders wichtig, den Lehrkräften gegenüber hervorzuheben, dass es mir sowohl im Verlauf der Fortbildung als auch im Zuge meiner Forschung um den gegenseitigen Austausch, eine beidseitige Wissensbereicherung und damit um den Abbau von Hierarchien geht. So möchte ich auch dazu beitragen, dass sich die Spannungen zwischen universitärer, fachdidaktischer und schulischer Praxis verringern (vgl. Kapitel 2). Durch meine Doppelrolle als Forscherin und Fortbildnerin ist dennoch die Gefahr eines Forscher*innenbias, d. h. die Verzerrung der Ergebnisse durch eine fehlende Distanz zu den Forschungsdaten, gegeben. Auch wenn es in der qualitativen Sozialforschung nicht darum geht, die Subjektivität der Forschenden aus dem Forschungsprozess auszuschließen und diese vielmehr in allen Phasen der Forschung zum Tragen kommt (vgl. Reichertz 2015), war es mir dennoch wichtig, meine eigene Subjektivität zu reflektieren und Maßnahmen zu ergreifen, um diese weitestmöglich zu kontrollieren. Auf der Ebene der Gestaltung und Durchführung der Fortbildung arbeitete ich mit meinen Kolleg*innen am Institut für England- und Amerikastudien der Goethe-Universität Frankfurt am Main zusammen und war demnach nicht alleine für die Recherche, Auswahl und Didaktisierung der Fortbil‐ dungsinhalte zuständig. Die Fortbildung wurde damit stets im Austausch mit Expert*innen der Fachdidaktik Englisch entwickelt, sodass meine Subjektivität als Forscherin vermindert werden konnte. Auch führte ich die Fortbildung nicht alleine durch, sondern war für das Fortbildungsmodul „Mehrsprachige Texte und Medien“ (vgl. Kapitel 4), dessen Inhalte und Fragestellungen weitestgehend losgelöst von meinen forschungsbezogenen Fragestellun‐ 5.2 Methodische Durchführung: Anlage der empirischen Studie 147 <?page no="148"?> gen waren, sowie für die Bewerbung und Administration der Fortbildung zuständig (vgl. Kapitel 5.2.2.1). Dadurch, dass die Fortbildung in einem größeren Projektkontext stattfand und übergeordnete Fragestellungen hatte, gab es auch hier keine Berührungspunkte mit den Forschungsfragen meiner Studie (vgl. Kapitel 4). Die Evaluation der Fortbildung wurde innerhalb des genannten Projektkontexts durchgeführt und ist demnach nicht Teil dieser Arbeit. Auf der Ebene der Datenerhebung und -analyse wirkte ich einem möglichen For‐ scher*innenbias zunächst dadurch entgegen, dass ich die Forschungsinstrumente, d. h. die Interviewleitfäden, stets im Austausch mit Forscher*innen aus meinem Arbeitsumfeld (wei‐ ter-)entwickelte und mir zudem Rückmeldungen von Forscher*innen aus verschiedenen Interpretationsgruppen und Forschungskolloquien einholte. Auch das Instrumentarium der Dokumentarischen Methode trug zur Kontrolle der eigenen Subjektivität bei, da es bei der Offenlegung von implizitem Wissen zunächst um Ergebnisoffenheit sowie die Rele‐ vantsetzungen der Forschungspartner*innen geht (vgl. Kapitel 5 und 6). Demnach arbeitete ich mit offenen Fragestellungen und stellte meine eigenen Forschungsinteressen und -annahmen weitestmöglich zurück. Dies spiegelt sich auch im Verzicht auf die Bildung einer Basistypik wider, deren Ausgangspunkt das Erkenntnisinteresse eines Forschungsprojektes ist (vgl. Bohnsack 2013; vgl. auch Kapitel 8). Stattdessen gab ich den Relevantsetzungen der Forschungspartner*innen einen größtmöglichen Raum, was letztlich zur Bildung einer mehrdimensionalen Typologie bezogen auf zwei Handlungsfelder führte (vgl. Kapitel 7). Auch meine Interpretationen der Daten ließ ich von Forscher*innen im Zuge meiner Teilnahme an Interpretationsgruppen validieren, sodass die Standortgebundenheit meines eigenen Denkens hinterfragt und relativiert werden konnte. Somit kann der Notwendigkeit der reflektierten Subjektivität (vgl. Przyborski & Wohlrab-Sahr 2014: 17) Rechnung getra‐ gen werden. 5.3 Zusammenschau des Untersuchungsverlaufs Um das oben beschriebene Vorgehen des Forschungsprozesses nachvollziehbar und trans‐ parent zu machen, wird der Untersuchungsverlauf im Folgenden visualisiert. Die Abbildung zeigt die einzelnen Schritte des Forschungsprozesses in chronologischer Reihenfolge von der Entwicklung der Forschungsinstrumente bis hin zur Datenaufbereitung und ersten Analyse der Interviews. Parallel zu den abgebildeten Schritten der Untersuchung verlaufen Prozesse der Entwicklung, Pilotierung und Durchführung der Lehrkräftefortbildung (vgl. auch Kapitel 4). Diese bildet den kontextuellen und forschungsbezogenen Rahmen der vorliegenden Arbeit, verfolgt jedoch eigenständige Fragestellungen. Die Evaluation der Fortbildung findet statt, ist jedoch nicht Gegenstand dieser Arbeit. Entlang des hier abgebildeten Forschungsprozesses verlaufen weiterhin die in Kapitel 5.2.3 beschriebenen forschungsethischen Maßnahmen. Im Anschluss an die hier abgebildeten Schritte fand die detaillierte Analyse der erhobe‐ nen Daten statt, welche mit der Dokumentarischen Methode durchgeführt wurde und zu einer mehrdimensionalen sowie relationalen Typenbildung führte (vgl. Kapitel 6.2.4.1 und 6.2.4.2). Die Datenanalyse erstreckte sich über einen Zeitraum von mehreren Monaten und fand stets im Austausch mit Forscher*innen sowohl aus der Fremdsprachendidaktik als 148 5 Methodologie und Methodik der empirischen Studie <?page no="149"?> auch aus nicht-sprachlichen Fächern und Disziplinen statt. Die Ergebnisse der Analysen wurden darüber hinaus in regelmäßigen Abständen in Forschungskolloquien und Inter‐ pretationsgruppen vorgestellt, diskutiert und überarbeitet. Die im Zuge der Datenanalyse ergriffenen Maßnahmen sind Gegenstand des nachfolgenden Kapitels. Abbildung 4: Skizzierung des Untersuchungsverlaufs von der Entwicklung der Forschungsinstru‐ mente bis zur Aufbereitung der Daten 5.3 Zusammenschau des Untersuchungsverlaufs 149 <?page no="151"?> 129 Häufig wird im Zusammenhang mit den Analyseschritten der Dokumentarischen Methode empfohlen, kein Volltranskript von Interviews anzufertigen, sondern lediglich die entlang des Audiomaterials als relevant markierten Passagen zu transkribieren (vgl. hierzu Nohl 2017: 30). 6 Datenauswertung mit der Dokumentarischen Methode Nachdem im vorangegangenen Kapitel die methodologischen Grundlagen und Begriffe der Dokumentarischen Methode dargelegt und die methodische Durchführung der Studie beschrieben wurden, werden diese Grundlagen im Folgenden aufgegriffen und in ihrer forschungspraktischen Umsetzung in der vorliegenden Studie beschrieben. Basierend auf dem Erkenntnisinteresse dieser Arbeit, wurde bei der Datenauswertung das Ziel verfolgt, diejenigen impliziten Wissensbestände der befragten Englischlehrkräfte zu rekonstruieren, die ihren Umgang mit kultureller und sprachlicher Heterogenität im Englischunterricht strukturieren (vgl. Kapitel 3). Zu diesem Zweck wird im Folgenden die Chronologie des Auswertungsprozesses beschrieben, welcher in seiner Darstellung einer linearen Logik folgt, sich im forschungspraktischen Vorgehen jedoch zyklisch und schleifenförmig gestaltete. Nach der Beschreibung der Datenaufbereitung sowie der Erläuterung und Begründung des gewählten Transkriptionsverfahrens (Kapitel 6.1) wird die Datenanalyse anhand der für die Dokumentarische Methode typischen vier „Stufen der Rekonstruktion“ (Bohnsack 2021: 37) beschrieben (Kapitel 6.2). Diese umfassen die formulierende Interpretation (Kapitel 6.2.1), die reflektierende Interpretation (Kapitel 6.2.2), die Fallbeschreibung (Kapitel 6.2.3) sowie die Typenbildung (Kapitel 6.2.4). Letztere wurde in der vorliegenden Arbeit in zweifacher Form durchgeführt, nämlich als mehrdimensionale Typenbildung (Kapitel 6.2.4.1) sowie als relationale Typenbildung (Kapitel 6.2.4.2). Da sich die vorliegende Arbeit neben dem Umgang mit kultureller und sprachlicher Heterogenität vor allem mit der Frage der Professionalisierung im genannten Handlungsfeld beschäftigt, werden im Anschluss Überlegungen zur Analyse des Spannungsverhältnisses zwischen Norm und Habitus und dessen Bedeutung für die Rekonstruktion von Professionalisierungsprozessen angestellt sowie das forschungs‐ praktische Vorgehen ebendieser Analyse beschrieben (Kapitel 6.2.5). Das Kapitel schließt mit einer Zusammenschau der einzelnen Analyseschritte (Kapitel 6.3). 6.1 Aufbereitung und Transkription der Daten Der Prozess der Datenanalyse begann mit der Aufbereitung der audiographierten Inter‐ views (vgl. Kapitel 5.2.2). Hierfür wurden die Audioaufnahmen beider Erhebungszeit‐ punkte (t1 und t2) vollständig transkribiert 129 , um einerseits zu verhindern, dass mögli‐ cherweise relevante Interviewpassagen zum Umgang der Lehrkräfte mit kultureller und sprachlicher Heterogenität übersehen werden. Zum anderen wird im Anschluss an Jacob (2021: 136) davon ausgegangen, dass die Äußerungen der befragten Lehrkräfte aufgrund ihres möglichen Einflusses auf den weiteren Gesprächsverlauf immer auch im Zusam‐ menhang mit dem zuvor Gesagten bzw. dem Nicht-Gesagten zu betrachten sind. Aus <?page no="152"?> diesem Grund wurden auch die Begrüßungs- und Verabschiedungsphasen der Gespräche, Hintergrundgespräche und Unterbrechungen durch Dritte (z. B. Familienmitglieder) sowie sämtliche Äußerungen der Interviewerin mit in die Transkription einbezogen. Als Richtlinie für letztere dienten die Transkriptionskonventionen des Talk in Qualitative Social Research (TiQ) (vgl. Tabelle 4), welche sich bereits in zahlreichen rekonstruktiven Arbeiten bewährt haben (vgl. z.-B. Tesch 2016; Asbrand & Martens 2018; Gerlach 2020a; Püster 2021; Wilken 2021) und sich auch für die vorliegende Arbeit als zielführend erwiesen. So konnte neben der inhaltlich-semantischen auch die formal-sprachliche sowie interaktive Ebene der Interviewsituation in den Blick genommen und für die Inter‐ pretation nutzbar gemacht werden. Dies ist insofern von Bedeutung, als dass prosodische Merkmale, wie z. B. Intonation, Sprechrhythmus oder Sprechpausen, den Sinngehalt einer Äußerung verändern können und aus diesem Grund in die Interpretation miteinbezogen werden müssen. Demnach wurde bei der Transkription der Interviews insbesondere darauf geachtet, Satzabbrüche, Pausen, Suchbewegungen, Betonungen, besonders leises oder lautes Sprechen sowie parasprachliche Elemente (wie z. B. Seufzen, Stöhnen oder Lachen) zu markieren. Wie in Tabelle 4 zu sehen, zeigen Satzzeichen demnach also keine grammatikalische Funktion an, sondern verweisen auf ebenjene prosodischen Merkmale. Lediglich Substantive und Eigennamen werden großgeschrieben (vgl. Tesch 2016). Durch dieses umfangreiche und ausführliche Transkriptionsverfahren wurde zudem dem Gütekriterium der intersubjektiven Nachvollziehbarkeit Rechnung getragen, denn mit Deppermann (2001: 47) sollte ein Transkript stets „[…] so beschaffen sein, dass es dem Leser erlaubt, die Fundierung und die Validität der Ergebnisse einzuschätzen; es muss also auch solche Aspekte enthalten, die geeignet wären, die Analyse zu widerlegen […]“. Transkriptionskonventionen └ Beginn einer Überlappung, d.-h. gleichzeitiges Sprechen von befragter Lehr‐ kraft und Interviewerin oder Personen im Hintergrund (z. B. durch Unterbre‐ chung) ┘ Ende einer Überlappung (.) Sprechpause bis zu einer Sekunde (4) Dauer einer Sprechpause in Sekunden bitte betontes Sprechen bitte lautes Sprechen (im Vergleich zur üblichen Sprechlautstärke des Sprechers/ der Sprecherin) °bitte° sehr leises Sprechen (im Vergleich zur üblichen Sprechlautstärke des Spre‐ chers/ der Sprecherin) . stark sinkende Intonation ; schwach sinkende Intonation ? stark steigende Intonation , schwach steigende Intonation 152 6 Datenauswertung mit der Dokumentarischen Methode <?page no="153"?> 130 Bei der Transkription der Interviews wurde die Forscherin von insgesamt fünf studentischen Hilfskräften unterstützt, da nach endenden Arbeitsverträgen oder abgeschlossenen Staatsexamina die jeweiligen Stellen neu besetzt wurden. Ein großer Dank gilt an dieser Stelle Renan Veiro, Calvin Bandhauer, Jonathan Siegel sowie Laura Roßkopf und Lisa Roßkopf für ihre Unterstützung. „Das kannst du“ Hinweis auf die Verwendung von wörtlicher Rede ä: : hm Dehnung eins Wortes; die Häufigkeit der „: “ weist auf die Länge der Dehnung hin oh=nee Wortverschleifung mögli- Wortabbruch (kann) Unsicherheit bei der Transkription (unv.) unverständliche Äußerung [Handy klingelt] Hinweis auf parasprachliche Äußerungen oder Hintergrundgeräusche @ja@ das Wort ‚ja‘ wird lachend gesprochen @(.)@ kurzes Auflachen @(4)@ viersekündiges Lachen Tabelle 4: Verwendete Transkriptionsregeln in Anlehnung an das Talk in Qualitative Research (TiQ) (eigene Darstellung) Die Transkripte wurden mit Unterstützung von geschulten studentischen Hilfskräften 130 mit dem Transkriptionsprogramm easytranscript angefertigt, das ein kostenfreies und benutzer*innenfreundliches Transkribieren ermöglichte, ohne hierfür umfangreiche Li‐ zenzen erwerben zu müssen. In der Literatur zur Praxis qualitativer Forschung wird häufig empfohlen, die Transkriptionen als Forscher*in selbst durchzuführen, um sich zum einen besser mit den Daten vertraut zu machen und sich einen Überblick über den Umfang des Datenmaterials zu verschaffen. Zum anderen wird hierdurch die Einschätzung und Auswahl relevanter Passagen für die sich anschließenden Schritte der dokumentari‐ schen Interpretation erleichtert (vgl. Przyborski & Wohlrab-Sahr 2014; Tesch 2016). Aus forschungspragmatischen Gründen wurde sich jedoch dagegen entschieden, die Transkrip‐ tionen in vollem Umfang selbst anzufertigen. Darüber hinaus trug die Transkription durch die studentischen Hilfskräfte zur Fremdmachung der Forscherin gegenüber den Befragten und des Datenmaterials bei, was insbesondere in Bezug auf die Seinsbzw. Standortgebundenheit der Forscherin für die dokumentarische Interpretation der Daten von Bedeutung ist (vgl. Kapitel 5.1.3 und 5.2.3). Im Anschluss an die Transkription überprüfte die Forscherin die einzelnen Transkripte im Abgleich mit den Audioaufnahmen hinsichtlich der Einhaltung der Transkriptionsre‐ geln und nahm ggf. Anpassungen vor. In diesem Zuge fand auch eine Anonymisierung der Daten statt, wobei darauf geachtet wurde, dass sämtliche Informationen, die Rückschlüsse auf die Person der befragten Lehrkräfte sowie ihr Umfeld hätten zulassen können, unkennt‐ lich gemacht wurden. So finden sich bei Orts-, Institutions- oder Personennamen neutrale Bezeichnungen im Transkript, wie z. B. „Name des Ortes“, „Name der Schule“ oder „Name 6.1 Aufbereitung und Transkription der Daten 153 <?page no="154"?> 131 In der Analyse der Daten haben sich herkunftsbezogene Hintergründe der befragten Lehrkräfte, die während des Interviews in Erzählungen oder im Zuge der Abfrage personenbezogener Daten offenbar wurden, als relevant für die Rekonstruktion ihres Umgangs sowie ihrer Erfahrungen mit kultureller und sprachlicher Heterogenität erwiesen. Vor diesem Hintergrund wurden Pseudonyme gewählt, die auf ebendiese Hintergründe der Lehrkräfte verweisen. 132 Die im Folgenden beschriebenen Interpretationsschritte wurden jeweils für die Auswertung der Interviews zu beiden Erhebungszeitpunkten (t1 und t2) durchlaufen. An Stellen, an welchen die Interpretationsschritte voneinander abweichen oder adaptiert wurden, wird dies entsprechend angezeigt. der Schülerin/ des Schülers“. Für die fallbezogenen Namen der Interviewpartner*innen wurden Pseudonyme unter Beachtung des Geschlechtes und des herkunftsbezogenen Hintergrundes der jeweiligen Personen vergeben (vgl. Tesch 2016: 83) 131 . Dies diente neben der Anonymisierung der Daten ebenfalls der Distanzierung der Forscherin gegenüber den befragten Lehrkräften, was insbesondere für die sich anschließenden Schritte der dokumentarischen Interpretation von Bedeutung ist. Diesen widmet sich der folgende Abschnitt. 6.2 Datenauswertung mit der Dokumentarischen Methode Mit der dokumentarischen Interpretation wird in der vorliegenden Arbeit das Ziel verfolgt, diejenigen Orientierungen begrifflich-theoretisch zur Explikation zu bringen, welche die Handlungspraxis der befragten Englischlehrkräfte im Umgang mit kultureller und sprachli‐ cher Heterogenität im konjunktiven Erfahrungsraum Schule und Englischunterricht struk‐ turieren (vgl. Kapitel 3). Hierfür ist die wissenssoziologisch begründete Unterscheidung der in Kapitel 5.1.3 dargestellten Sinnebenen zentral, die sich in den im Folgenden beschriebe‐ nen Analyseschritten der Dokumentarischen Methode niederschlägt. Die dokumentarische Interpretation von Interviews vollzieht sich im Wesentlichen in vier Arbeitsschritten: Auf die formulierende Interpretation auf der Ebene expliziter Sinngehalte des Materials folgt die reflektierende Interpretation, die sich dem dokumentarischen Sinngehalt widmet. Hieran schließen sich die Fallbeschreibung als abstrahierte Darstellung der herausgearbeiteten zentralen Orientierungen eines Falls sowie die Typenbildung zur Gewinnung fallübergreif‐ ender und generalisierungsfähiger Ergebnisse an. Die Darstellung der Arbeitsschritte der Dokumentarischen Methode folgt den aufeinan‐ der aufbauenden „Stufen der Rekonstruktion“ (Bohnsack 2021: 37) mit ihren jeweiligen in Tabelle 5 aufgeführten Zwischenstufen. Zur Veranschaulichung des Vorgehens bei der Analyse der Daten sowie zur Vorbereitung auf die in Kapitel 8 dargestellten Ergebnisse er‐ folgt die Darlegung der Interpretationsschritte anhand von exemplarischen Datenauszügen aus dem Forschungs- und Analyseprozess 132 . 154 6 Datenauswertung mit der Dokumentarischen Methode <?page no="155"?> 133 Passagen werden in dieser Arbeit als die kleinste Einheit der Interpretation verstanden und stellen jene Textstellen dar, innerhalb derer ein Thema verhandelt wird. Stufen der Interpretation Zwischenstufen Formulierende Interpretation Thematischer Verlauf Formulierende Feininterpretation und Auswahl der zu interpretierenden Abschnitte Reflektierende Interpretation Textsortentrennung Semantische bzw. formal-diskursive Feinanalyse Komparative Sequenzanalyse Fallbeschreibung - Typenbildung Sinngenetische Typenbildung Soziogenetische bzw. relationale Typenbildung Tabelle 5: „Stufen der Rekonstruktion“ (Bohnsack 2014b: 35) mit ihren jeweiligen Zwischenstufen (adaptiert nach Nohl 2017: 30) 6.2.1 Formulierende Interpretation Die formulierende Interpretation verbleibt im immanenten, d. h. thematischen Sinngehalt des Gesagten und fokussiert damit die kommunikative Wissensebene, also das Was einer Äußerung (vgl. Kapitel 5.1.2). Sie dient der Herausarbeitung der thematischen Struktur eines Texts und trägt zur Auswahl derjenigen Textstellen bei, die in den sich anschließenden Interpretationsschritte analysiert werden sollen. In der vorliegenden Arbeit begann die formulierende Interpretation mit der Erstellung von thematischen Verläufen, bei welchen alle Interviewtexte in thematisch zusammen‐ hängende Sinnabschnitte, d. h. Passagen 133 , untergliedert und mit zusammenfassenden Überschriften (Oberbzw. Unterthemen) versehen wurden. Die Oberthemen entsprachen hierbei größtenteils den Themen des Leitfadens (vgl. Kapitel 5.1.2.2). Die Unterthemen unterschieden sich je nach individueller Ausgestaltung durch die Lehrkräfte. Die iden‐ tifizierten Themen wurden in tabellarischer Form unter Angabe der Zeilennummern festgehalten und im Anschluss hieran paraphrasiert und zusammengefasst (vgl. Tabelle 6): 6.2 Datenauswertung mit der Dokumentarischen Methode 155 <?page no="156"?> Erzählimpuls durch die Interviewerin Oberthema: Beschreibung einer Englischstunde Zeile Unterthema Zusammenfassung 1-6 Frage der Interviewe‐ rin nach einer Eng‐ lischstunde, die im Ge‐ dächtnis geblieben ist Die Interviewerin fordert die Lehrkraft dazu auf, von einer Unterrichtsstunde aus ihrem Englischunterricht zu erzählen, die ihr im Gedächtnis geblieben ist. Aussagen der Lehrkraft Oberthema: Beschreibung einer Englischstunde Zeile Unterthema Zusammenfassung 7-21 Nachdenken über eine geeignete Stunde Die Lehrkraft richtet sich auf die Interviewsituation ein und erbittet etwas Bedenkzeit, um sich an eine Unterrichtsstunde erinnern zu können. 21-29 Berichten über das Projekt und die Ar‐ beitsweise in der Klasse Die Lehrkraft berichtet von einer Englischstunde aus dem letzten Halbjahr vor der Corona-Pandemie und erwähnt ein eTwinning Projekt zum Thema wise words, an welchem sie mit ihrer 9. Klasse teilgenommen hat. Hier haben sich alle gemeinsam mit verschiedenen Büchern auseinandergesetzt und die Ergebnisse mit anderen Projektteilnehmer*innen geteilt. 39-47 Eine Geschichte aus dem eigenen Leben er‐ zählen Die Lehrkraft erzählt, dass die Schüler*innen die Aufgabe beka‐ men, eine für sie bedeutende Geschichte aus ihrem Leben zu erzählen und diese auf freiwilliger Basis zu präsentieren. 48-62 Einsatz eines Rückmel‐ debogens Die Lernenden konnten entscheiden, ob sie nach ihren Präsen‐ tationen Fragen oder Rückmeldungen zulassen möchten. Sie erhielten einen Rückmeldebogen, bei dem es besonders um Emotionen und weniger um die Bewertung von Sprache ging. 63-72 Themen der Präsen‐ tationen und Atmo‐ sphäre in der Klasse Die Lehrkraft berichtet von den einzelnen Vorträgen der Lernen‐ den und der positiven Atmosphäre innerhalb der Klasse. 73-76 Schöne Unterrichtssi‐ tuation Die Lehrkraft bewertet die Stunde als „sehr schön“ und erwähnt, dass sie häufig an sie zurückdenken muss. Tabelle 6: Beispiel eines thematischen Verlaufs mit formulierender Feininterpretation (Material aus der Einstiegspassage mit dem Fall Dilara Altay zum Interviewzeitpunkt t1; Z.1- 76) Die so entstandene formulierende Feininterpretation verblieb dabei „konsequent innerhalb des Relevanzsystems“ (Bohnsack 2021: 37; H.i.O.) der befragten Lehrkräfte, sodass der Fremdheitshaltung der Dokumentarischen Methode Rechnung getragen werden konnte: „Ihnen [den Forschenden] wird vor Augen geführt, dass der thematische Gehalt nicht selbstverständlich, sondern interpretationsbedürftig ist.“ (Nohl 2017: 31; C.L.). Durch die Reformulierung des thematischen Gehalts der identifizierten Abschnitte wurde es darüber hinaus möglich, eine Übersicht über die Relevanz der von den befragten Lehrkräften ver‐ handelten Themen für das Erkenntnisinteresse dieser Arbeit zu erhalten. Dies erleichterte die Entscheidung für die Auswahl derjenigen Passagen, die in einem nächsten Schritt 156 6 Datenauswertung mit der Dokumentarischen Methode <?page no="157"?> 134 Das empirische Material wurde in regelmäßig stattfindenden, interdisziplinären Forschungswerk‐ stätten vorgestellt und diskutiert. So konnte die intersubjektive Nachvollziehbarkeit der interpreta‐ tiven Zuweisungen im Laufe des Analyseprozesses gewährleistet und die eigene Standortgebunden‐ heit kontrolliert werden. einer reflektierenden Interpretation unterzogen werden. Die Auswahl der Textpassagen orientierte sich in Anlehnung an Nohl (ebd.: 30) an drei wesentlichen Kriterien: 1. Thematische Relevanz: Hier stellte sich die Frage, welche der von den Lehrkräften aufgebrachten und verhandelten Themen vor dem Hintergrund des eigenen Erkennt‐ nisinteresses von Bedeutung sind. 2. Thematische Vergleichbarkeit: Von Interesse sind hier diejenigen Abschnitte, in welchen bestimmte, immer wiederkehrende Themen in unterschiedlichen Fällen gleichermaßen behandelt werden. Diese sind besonders für die komparative Analyse geeignet (vgl. Kapitel 7). 3. Interaktive und metaphorische Dichte: Letztlich werden all jene Passagen fokussiert, in welchen sich die befragten Lehrkräfte besonders ausführlich, engagiert oder in Form von metaphorischen Ausdrücken, sogenannten Fokussierungsmetaphern (Bohnsack 2021: 90), äußern. Dies sind z. B. Abschnitte wie die Eingangspassagen der Interviews sowie Erzählpassagen über konkrete Situationen aus dem Englischunterricht der Lehr‐ kräfte. Auch die Wiedergabe von wörtlicher Rede sowie die emotionale Involviertheit beim Erzählen einer Situation sind Hinweise auf interaktive und metaphorisch dichte Interviewpassagen. Die Auswahl der zu interpretierenden Passagen spielt während des gesamten Interpretati‐ onsprozesses eine wichtige Rolle, da hierdurch der Fokus der Interpretation beeinflusst und in eine bestimmte Richtung gelenkt wird. Vor diesem Hintergrund sind die Kontrolle der eigenen Standortgebundenheit sowie die Nachvollziehbarkeit der getroffenen Auswahl stets zu berücksichtigen 134 (vgl. Bohnsack 2021: 193 ff.). 6.2.2 Reflektierende Interpretation Die reflektierende Interpretation geht über die inhaltlich-thematische Ebene hinaus und zielt auf den dokumentarischen Sinngehalt (vgl. Kapitel 5.1.3), d. h. auf das Wie des Gesagten. Mit Bohnsack gesprochen geht es hierbei um das Herausarbeiten des „modus operandi“ (Bohnsack 2021: 184), also um die Art und Weise, mit der die befragten Lehrkräfte ein Thema oder eine Problemstellung bearbeiten. Die zentrale Frage, die sich auf dieser Interpretationsstufe stellt, ist, in welchem Orientierungsrahmen das entsprechende Thema bzw. das in ihm artikulierte Problem behandelt wird (vgl. Nohl 2017: 31). Um diesen Rahmen herausarbeiten zu können, vollzieht sich die reflektierende Interpretation auf drei Ebenen des Interviewtextes (vgl. Tabelle 5). Auf der ersten Ebene wird die Formalstruktur des Textes analysiert und in Anlehnung an die von Schütze (1987) entwickelte Narrationsstrukturanalyse einer Textsortentrennung unterzogen. Diese zielt auf die analytische Trennung von Erzählungen, Beschreibungen, 6.2 Datenauswertung mit der Dokumentarischen Methode 157 <?page no="158"?> 135 Bei der Identifizierung der Textsorten hat sich in der vorliegenden Arbeit die Unterscheidung von Nohl (2017: 23) als hilfreich erwiesen: Erzählungen beziehen sich auf die Darstellung von Handlungs- und Geschehensabläufen, die sowohl Zeitals auch Ortsbezüge aufweisen und einen Anfang und ein Ende haben. Beschreibungen zeichnen sich durch die Darstellung von wiederkehrenden Hand‐ lungen oder feststehenden Sachverhalten aus. In Argumentationen kommen (alltags-)theoretische Zusammenfassungen zu Motiven, Gründen und Bedingungen für eigenes oder fremdes Handeln zum Ausdruck. Bewertungen hängen eng mit Argumentationen zusammen und sind letztlich evaluative Stellungnahmen zu eigenem oder fremden Handeln. 136 Zu beachten ist hierbei, dass es sich bei der Textsortentrennung um ein rein formales Vorgehen handelt, da die Textsorten im Sprechen der Akteur*innen stets miteinander verwoben sind und in einem Vorder-Hintergrund-Verhältnis zueinander stehen. 137 Diese umfassten in einem ersten Schritt die Eingangspassagen der Interviews sowie Passagen, in welchen sich die Lehrkräfte zu konkreten Situationen aus ihrem Englischunterricht äußerten. Später wurden weitere Passagen zu den Erfahrungen mit kultureller und sprachlicher Heterogenität hinzugenommen. Argumentationen und Bewertungen 135 , da diese Textsorten in einer ersten Näherung mit den von Mannheim differenzierten Wissensebenen des konjunktiven und kommuni‐ kativen Wissens korrespondieren 136 (vgl. Kapitel 5.1.3). So verweisen Erzählungen und Beschreibungen auf das implizite, d.-h. konjunktive Wissen, denn mit Schütze wird davon ausgegangen, dass Stegreiferzählungen und in diese eingelassene Beschreibungen aufgrund der Dynamik der Zugzwänge des Erzählens (vgl. Kapitel 5.2.1.2) „besonders nahe an den Erfahrungen des Erzählers liegen“ (Nohl 2017: 31). Hierdurch werden die Deutungen und Konstruktionen der befragten Lehrkräfte in Bezug auf ihre (vergangene) Handlungspraxis offenbar und für die Rekonstruktion ihrer Orientierungsrahmen zugänglich gemacht. Demgegenüber sind Argumentationen und Bewertungen eher theoretisch und reflektiert und verweisen tendenziell auf explizites, kommunikatives Wissen. Obwohl die Dokumen‐ tarische Methode in erster Linie implizite bzw. konjunktive Wissensbestände fokussiert, ist hervorzuheben, dass auch das explizite, kommunikative Wissen für die Rekonstruktion von Orientierungsrahmen von Bedeutung ist. Über die Betrachtung der Herstellungsweise von Argumentationen kann - jenseits ihres wörtlichen Gehalts - darauf geschaut werden, auf welche Art und Weise die befragten Lehrkräfte Handlungsweisen bewerten oder rechtfertigen (vgl. ebd.). Darüber hinaus kommen in argumentativen Passagen die von den Lehrkräften wahrgenommenen Normen zum Ausdruck, die sich im Anschluss an die Ausdifferenzierung des Konzepts des Orientierungsrahmens (vgl. Kapitel 5.1.3; 5.1.4) hinsichtlich ihres spannungsreichen Verhältnisses zum Habitus (Orientierungsrahmen im engeren Sinne) betrachten lassen und Hinweise auf potenzielle (De-)Professionalisierungs‐ prozesse geben können (vgl. Kapitel 6.2.5). Auf diesen Annahmen aufbauend wurden in der vorliegenden Arbeit die in der formulie‐ renden Interpretation ausgewählten Passagen 137 (vgl. Kapitel 6.2.1) mit Hilfe von farblichen Markierungen den vier Textsorten zugeordnet. So ließen sich auf einen Blick narrative und beschreibende Textstellen identifizieren, die sodann in den sich anschließenden Analyse‐ schritten sequenzanalytisch interpretiert wurden. Durch die Trennung der Textsorten fiel jedoch auch auf, dass die Narrationen und Beschreibungen der Lehrkräfte häufig durch theoretisierende, d. h. argumentative und evaluative Abschnitte unterbrochen wurden oder aber auf narrativ angelegte Interviewfragen häufig zunächst in Form von Argumentationen, Rechtfertigungen und Bewertungen geantwortet wurde. Carlson et al. (2017) analysieren 158 6 Datenauswertung mit der Dokumentarischen Methode <?page no="159"?> und diskutieren dieses Phänomen vor dem Hintergrund der Analysen ihrer eigenen Forschungsprojekte und stellen Vermutungen für die Ursachen des vermehrten Auftretens von Argumentationen und Bewertungen in narrativ angelegten Interviews an. Sie führen dies weniger auf eine unsaubere Interviewführung als vielmehr auf habitualisierte Sprech‐ weisen bestimmter Berufsgruppen in Verbindung mit biographischen Konjunktionen zurück. Dies zeigt sich auch in der Arbeit von Gerlach (2020a) bei den von ihm befragten Lehrkräftebildner*innern. Gerade weil es sich beim Thema des Umgangs mit kultureller und sprachlicher Heterogenität um ein normativ aufgeladenes Thema handelt, welches mit Anforderungen verbunden ist, die sowohl seitens der Gesellschaft als auch der Institution Schule an die Lehrkräfte herangetragen werden (vgl. Kapitel 3) und auf Seiten der Lehrkräfte Begründungs- und Positionierungszwänge hervorrufen können, wurden argumentative und bewertende Abschnitte dezidiert in die Analyse der Interviews einbezogen. Diese Passagen dienten der Identifikation von Normen und wurden hinsichtlich der Fragen betrachtet, welche Art von Normen sich an welchen Stellen im Interview zeigen, wie diese von den Lehrkräften wahrgenommen und gedeutet werden und in welchem Verhältnis sie zu den konjunktiven Wissensbeständen, d. h. den rekonstruierten Habitūs der Lehrkräfte, stehen. So stellte sich heraus, dass sich generative Muster im Sinne von Orientierungsrahmen im engeren Sinne und Orientierungsrahmen im weiteren Sinne auch durch die Tatsache zeigen können, dass und wie argumentative und bewertende Passagen im Verlauf der Interviews und insbesondere im Vergleich der beiden Inter‐ viewzeitpunkte auftreten. Auch ließen diese Textsorten Einblicke in die Rechtfertigung von Handlungsweisen zu, woraus sich wiederum Rückschlüsse auf die Habitūs der Lehrkräfte ziehen ließen, die gerade diese Art von Argumentationen und Bewertungen hervorbringen. Unter diesen Gesichtspunkten wurden zu einem späteren Zeitpunkt auch die Interviews des Erhebungszeitpunktes t2 analysiert. Im Anschluss an die erfolgte Textsortentrennung wurden die Interviewtexte auf der zweiten Ebene der reflektierenden Interpretation einer semantischen bzw. formal-diskur‐ siven Feinanalyse unterzogen. Im Fokus standen hier syntaktische und semantische Auffälligkeiten, die Rückschlüsse auf die jeweiligen Orientierungsrahmen der Lehrkräfte zuließen. Für diesen Schritt wurde für jeden Fall in Anlehnung an Gerlach (2020a) ein Fallanalysedokument angelegt (siehe Anhang 4), in welchem neben auffälligen und im Verlauf der Interviews immer wiederkehrenden Wörtern bzw. Wortfeldern insbesondere die verwendeten persönlichen (z. B. ich, wir) oder unpersönlichen Personalpronomina (z. B. man) sowie Satzabbrüche und auffällige Suchbewegungen festgehalten wurden. Auch Selbstverständlichkeitsmarker (z.-B. immer, natürlich) oder aber bildhafte Sprache fanden hier Berücksichtigung. Dies geschah vor dem Hintergrund der Annahme, dass über die Analyse der Sprachstrukturen eines Interviewtextes ein Zugang zum „tieferlie‐ gende[n] semantische[n] Gehalt“ (Bohnsack 2021: 129; C.L.) des handlungsleitenden Wissens und damit zu den Orientierungsrahmen der Lehrkräfte möglich wird. Darüber hinaus konnte die semantische bzw. formal-diskursive Feinanalyse erste Hinweise auf das Vorhandensein eines Spannungsverhältnisses zwischen Normen und den Habitūs der Lehrkräfte sowie sich andeutende Professionalisierungsprozesse liefern. Ersteres ließ sich vor allem in narrativen und beschreibenden Passagen mit eingelagerten Argumenta‐ 6.2 Datenauswertung mit der Dokumentarischen Methode 159 <?page no="160"?> 138 In ihrer Studie untersuchen Wittek et al. (2020) aus einer längsschnittlichen, berufsbiographischen Perspektive die Prozessstruktur der Handlungspraxis von Lehrkräften im Berufseinstieg. Hierbei rekonstruieren die Autor*innen Prozesse des Veränderns und Stabilisierens in der habituellen Auseinandersetzung der Lehrkräfte mit ihren beruflichen Anforderungen und bezeichnen diese Prozesse „als dynamische Ausdrucksgestalten potenzieller Professionalisierungsprozesse“ (ebd.: 299; H.i.O.). Die vorliegende Arbeit schließt sich dieser Begriffsverwendung an. Für die genaueren Hintergründe der Begriffsverwendung siehe Kapitel 2 und 4. tionen und Bewertungen identifizieren, „deren semantischer Gehalt in auffallender Span‐ nung zum narrativ bzw. beschreibend Mitgeteilten steht“ (Rauschenberg & Hericks 2018: 115). Die von den Lehrkräften wahrgenommenen Normen konnten im Interviewtext anhand von Modalverben (z.-B. müssen, können, sollen), verallgemeinernden Aussagen (z. B. „ dieser Druck, den manchmal Lehrer haben “, Transkript Altay, t1, Z. 1065 ff.) oder aber der Verwendung des Konjunktivs identifiziert werden. Auch die Wechsel von Pronomina (z. B. von ‚ich‘ zu ‚man‘) gaben Hinweise auf die Wahrnehmung von Normen bzw. normativen Anforderungen an das Handeln der Lehrkräfte. Rückschlüsse auf Professionalisierungsprozesse ließen sich anhand von Suchbewegungen oder brüchigen Formulierungen, die sich insbesondere in Erzählungen über herausfordernde Situationen zeigten, ziehen (vgl. hierzu Wilken 2021: 87). Auch über die Analyse von Normen, etwaiger Verschiebungen in deren Wahrnehmung und Deutung durch die Lehrkräfte sowie ihrem Verhältnis zu konjunktiven Wissensbeständen, konnten im Vergleich der beiden Interviewzeitpunkte (potenzielle) Professionalisierungsprozesse 138 rekonstruiert werden (vgl. hierzu Kapitel 6.2.5). Auf der dritten Ebene, der komparativen Sequenzanalyse, wurden die Analysen der ersten beiden Ebenen zusammengeführt und die implizite Regelhaftigkeit, welche die Handlungspraxis der Lehrkräfte strukturiert, d. h. der Orientierungsrahmen dieser Handlungspraxis, rekonstruiert (vgl. Nohl 2017: 36). Um diese implizite Regelhaftigkeit herausarbeiten zu können, müssen in den Interviews über eine Abfolge von Sequenzen erzählter Handlungen hinweg Kontinuitäten identifiziert werden (vgl. ebd.). Dies erfolgt vor dem Hintergrund der Annahme der Dokumentarischen Methode, dass Menschen ein Thema bzw. eine sich hierin zeigende Problemstellung auf eine (und nur eine) bestimmte Art und Weise (d. h. in einem Rahmen) erfahren. Erzählen die befragten Englischlehrkräfte beispielsweise von ihren Erfahrungen im Umgang mit kultureller und sprachlicher Heterogenität im Englischunterricht, so wird davon ausgegangen, dass auf einen ersten Abschnitt, in dem das Thema auf eine bestimmte Art und Weise eröffnet wurde (1. Äußerung), nur ein spezifischer, nämlich ein dieser Erfahrungsweise entsprechender zweiter Abschnitt folgen kann (homologe 2. Äußerung). Der Orientie‐ rungsrahmen der Lehrkräfte lässt sich sodann bestimmen, indem man die implizite Regelhaftigkeit, die den ersten Abschnitt mit dem zweiten Erzählabschnitt verbindet, re‐ konstruiert (vgl. Bohnsack 2013; Nohl 2017: 36 f.). Hierbei kommt das sequenzanalytische und konsequent komparative Vorgehen der Dokumentarischen Methode zum Tragen, denn Orientierungsrahmen lassen sich nur dann valide rekonstruieren, wenn sowohl innerhalb des einzelnen Falls als auch fallübergreifend nach minimalen und maximalen Kontrasten gesucht wird, also nach denjenigen Abschnitten, in welchen ein Thema entweder auf eine ähnliche oder aber ganz andere Art und Weise bearbeitet wird. So 160 6 Datenauswertung mit der Dokumentarischen Methode <?page no="161"?> 139 Zur Standortgebundenheit sowie zum Gütekriterium des methodisch kontrollierten Fremdvers‐ tehens siehe Kapitel 5.1.2. 140 Im Forschungsdiskurs werden diese Vergleichshorizonte gleichermaßen als positive und negative Gegenhorizonte bezeichnet. Um die Kontraste zwischen positivem und negativem Vergleichshorizont deutlich zu machen und darzustellen, dass es sich bei positiven Vergleichshorizonten um Positionen handelt, welche die befragten Akteur*innen anstreben bzw. an welchen sie sich orientieren, werden in der vorliegenden Arbeit in Anlehnung an Sander (2017) die Begriffe der positiven Horizonte und negativen Gegenhorizonte verwendet. 141 Bei diesem Vorgehen wird sich an die Ausführungen Schäffers (2020: 9) angelehnt, welcher im Rahmen einer typenbildenden Interpretation die reflektierende Interpretation gemeinsam mit Metakommentaren, d. h. Kommentaren zu sinn- und soziogenetischen Aspekten der Interpretation, tabellarisch festhält. 142 Vom Begriff des tertium comparationis abzugrenzen ist der Begriff der Vergleichsdimension. In Anlehnung an Wilken (2021) sowie Nohl (2017) wird der Begriff des tertium comparationis auf der Ebene eines ersten Vergleichs zwischen Fällen genutzt, um die für die Fälle relevanten und wird die standortgebundene Normativität 139 der Forscherin bei der Interpretation der Daten methodisch kontrolliert und intersubjektiv nachvollziehbar sowie überprüfbar gemacht. Gleichzeitig wird sichergestellt, dass auch tatsächlich die Sinnkonstruktionen der Beforschten und nicht etwa diejenigen der Forscherin rekonstruiert werden (vgl. Bohnsack 2014b: 139). Das Vergleichen und Kontrastieren ermöglicht und erleichtert demnach nicht nur den interpretatorischen Zugriff, sondern stellt zudem eine Methode zur Validierung und Ausschärfung von Interpretationen dar (vgl. Nohl 2017: 39). Inwiefern es Übereinstimmungen bzw. Kontraste bei der fallimmanenten oder aber der fallübergreifenden Bearbeitung eines Themas gibt, lässt sich über positive und negative Vergleichshorizonte herausarbeiten. Diese stellen Vergleichsgrößen bzw. Strukturierungs‐ merkmale dar, die bei der Bearbeitung von Themen von den befragten Akteur*innen aufgeworfen werden und zwischen welchen sich ihr Orientierungsrahmen aufspannt. Es handelt sich um positive Horizonte  140 , wenn sich die befragten Akteur*innen innerhalb eines von ihnen verhandelten Themas an bestimmte Vorstellungen, Personen, Institutionen oder aber Handlungen anlehnen. Negative Gegenhorizonte sind demgegenüber explizierte Positionen, von welchen sich die Akteur*innen abgrenzen (vgl. Nohl 2017; vgl. Sander 2017; vgl. Bohnsack 2021). Diesen Ausführungen folgend wurde in dieser Arbeit zunächst bei den Interviews des ersten Erhebungszeitpunktes (t1) angesetzt, um die fallspezifischen Orientierungsrahmen der Lehrkräfte zum Zeitpunkt vor der Fortbildung zu rekonstruieren. Hierfür wurden in einem ersten Schritt die fallspezifische Herstellung und Bearbeitung verschiedener Themen anhand von ausgewählten Textstellen in einem ersten Fall, der aufgrund seiner Vielzahl an narrativ dichten Passagen für eine erkenntnisreiche Auswertung als geeignet erschien, herausgearbeitet. Dies erfolgte in Form eines Fließtextes, der tabellarisch festgehalten wurde 141 . Zusammen mit den Ergebnissen der semantischen bzw. formal-diskursiven Inter‐ pretation ließ sich der Orientierungsrahmen herausarbeiten, der in einem zweiten Schritt unter Hinzunahme weiterer Fälle im Kontrast zu diesen weiter ausgeschärft und konturiert wurde. Anhand des systematischen Fallvergleichs empirischer Vergleichshorizonte konnte das Besondere des Einzelfalls in Bezug auf seine Orientierungsrahmen und verhandelten Orientierungsschemata, d. h. Normen, herausgearbeitet werden. Auch offenbarten sich hier diejenigen Themen, die in allen Fällen relevant wurden und als tertia comparationis  142 6.2 Datenauswertung mit der Dokumentarischen Methode 161 <?page no="162"?> wiederkehrenden Themen zu identifizieren. Als Vergleichsdimensionen werden dagegen die im Rahmen der Typenbildung abstrahierten und fallübergreifenden Gemeinsamkeiten bezeichnet (vgl. hierzu auch Kapitel 7). 143 Hiervon abzugrenzen ist die Bildung von Realtypen, durch welche ein induktiver Zugang zur Wirklichkeit gewählt wird. Realtypen orientieren sich eng am empirischen Material, sodass sich „deren Fälle in der (rekonstruierten) Realität so ähnlich [wiedererkennen]“ (Bremer & Teiwes-Kügler 2010: 268) lassen. Zur Diskussion der Begriffsverwendung siehe auch Heinemann (2018). als Basis für die Typenbildung herangezogen werden konnten (vgl. Kapitel 6.2.4). Die Ergebnisse der komparativen Analyse wurden für jeden einzelnen Fall im oben bereits erwähnten Fallanalysedokument festgehalten (vgl. Anhang 4). 6.2.3 Fallbeschreibung Die Fallbeschreibung zielt auf die „vermittelnde Darstellung, Zusammenfassung und Ver‐ dichtung der Ergebnisse“ (Bohnsack 2021: 143), die bei der reflektierenden Interpretation gewonnen wurden. So kann die Logik eines Falls erfasst werden und letzterer in seiner Gesamtheit für Außenstehende, d. h. für Leser*innen von Forschungsarbeiten, zugänglich und damit nachvollziehbar gemacht werden. In diesem Zusammenhang werden die re‐ konstruierten Orientierungsrahmen und -schemata eines jeden Falls zusammenfassend dargestellt, um das Spezifische dieses Falls deutlich zu machen und ihn in seiner Gesamtheit aufzuschlüsseln. Das Anfertigen einer Fallbeschreibung ist abhängig vom jeweiligen Forschungsgegen‐ stand sowie dem verfolgten Analyseansatz. Während vor allem in rekonstruktiven Arbei‐ ten, die in der Tradition der ‚ursprünglichen‘ Dokumentarischen Methode stehen (vgl. hierzu auch Kreft 2020), Fallbeschreibungen einen eigenen Analyseschritt darstellen, wird in neueren Arbeiten hierauf weitestgehend verzichtet (vgl. Püster 2021; vgl. Wilken 2021; vgl. Kahlau 2023). Die vorliegende Arbeit orientiert sich an letztgenannten Arbeiten und verzichtet ebenfalls auf eine ausführliche Fallbeschreibung zugunsten des Nachvollzugs des Vorgehens bei der Typenbildung. Vor diesem Hintergrund wird in Kapitel 7 das Vorgehen der komparativen Analyse als Grundlage für die hierauf folgende Typenbildung ausführlich dargestellt, um die Rekonstruktion der Vergleichsdimensionen und das Zustandekommen der jeweiligen Typen nachvollziehbar zu machen. 6.2.4 Typenbildung Die Typenbildung stellt den finalen Schritt der dokumentarischen Analyse dar und dient der Ableitung von generalisierbaren Aussagen in Bezug auf den Forschungsgegenstand. Sie zielt „auf den (impliziten) modus operandi einer meist habituell verankerten Handlungs‐ praxis“ (Nohl 2013: 38) und damit auf die generativen Muster, die diese Handlungspraxis strukturieren. Es geht darum, „die Suche nach sich im Einzelfall dokumentierenden Verweisen auf allgemeine Regeln und Strukturen - auf ‚Typisches‘ - zu vollziehen, um damit wiederum auch das Einzigartige und Besondere von Einzelfällen beschreiben und erklären zu können“ (Nentwig-Gesemann 2013: 295). In diesem Zusammenhang arbeitet die Dokumentarische Methode mit der Herausarbeitung von Idealtypen 143 nach Weber (1922), 162 6 Datenauswertung mit der Dokumentarischen Methode <?page no="163"?> welche nicht gleichzusetzen sind mit Gruppen oder Individuen, sondern sich vielmehr auf die hinter deren Handeln stehenden Sinnstrukturen beziehen (vgl. Amling & Hoffmann 2013: 193). Die vorliegende Arbeit orientiert sich an der Herausbildung von Idealtypen und greift in Anlehnung an Wilken (2021) im Prozess der Typenbildung auf den Begriff des Eckfalls zurück. Hiermit werden jene Fälle bezeichnet, die einen Idealtyp besonders gut abbilden, da sich das typisierte Merkmal hier am deutlichsten zeigt. Grundsätzlich lässt sich die Typenbildung auf zwei Stufen vollziehen, wobei eine sinnge‐ netische von einer soziogenetischen Typenbildung unterschieden wird. Die sinngenetische Typenbildung fokussiert die Herausarbeitung und Abstrahierung jener Orientierungsrah‐ men, die bei der Bearbeitung eines bestimmten Themas bezogen auf ein spezifisches Sample typischerweise existieren (vgl. Nohl 2017: 9 ff.). Die soziogenetische Typenbildung befasst sich demgegenüber mit der Frage, wie sich bestimmte Orientierungsrahmen als Habitus entwickelt haben. Demnach zielt sie auf die Herausarbeitung der Genese dieser Orientierungsrahmen sowie dem sozialen Zusammenhang, in welchem diese entstehen. Um eine soziogenetische Typenbildung durchführen zu können, bedarf es jedoch eines entsprechend angelegten Forschungsdesigns sowie eines vielfältigen Samples, was in der vorliegenden Arbeit nicht gegeben ist. Auch sind die Forschungsfragen dieser Arbeit nicht auf eine Soziogenese ausgerichtet und lassen sich vielmehr mit Hilfe einer sinngenetischen Typenbildung beantworten. Um dennoch zu abstraktionsfähigen Aussagen zu gelangen, die über eine Sinngenese hinausgehen, wird auf die von Nohl (2019) entwickelte relationale Typenbildung zurückgegriffen, die in Kapitel 6.2.4.2 näher ausgeführt wird. Als Grundlage für die sinngenetische Typenbildung dienen die in der reflektierenden Interpretation und der sich anschließenden komparativen Analyse rekonstruierten Orien‐ tierungsrahmen (vgl. Kapitel 6.2.2). Diese werden in einem zirkulären Prozess der Abduk‐ tion weiter abstrahiert und zunehmend vom Einzelfall gelöst. Abduktion meint hierbei einen Weg der Erkenntnisgenerierung, bei welchem „ausgehend von der Beobachtung eines (überraschenden) Phänomens (dem ‚Resultat) nach einer Regel gefahndet wird, die dieses zu plausibilisieren, d. h. den ‚Fall‘ zu interpretieren vermag“ (Bohnsack 2003: 564). Gesucht wird daher zunächst ein Thema, welches allen Fällen gemein ist und als tertium comparationis den komparativen Vergleich zwischen ihnen strukturiert. Dieses gemeinsame Thema lässt sich im weiteren Verlauf der komparativen Analyse sodann zu einer Basistypik abstrahieren, welche mit Amling und Hoffmann (2013: 192) als ein „allen Fällen gemeinsames Orientierungsproblem oder als gemeinsame Orientierungsdiskrepanz“ verstanden wird. Die vorliegende Arbeit nutzt in Anlehnung an Fögele (2016) statt des Begriffs der Basistypik denjenigen der Erfahrungsdimension, um der Tatsache Rechnung zu tragen, dass das primäre Forschungsinteresse dieser Arbeit nicht zwangsläufig auch ein für die befragten Lehrkräfte unmittelbar relevantes Thema bzw. ein gemeinsames ‚Orientierungsproblem‘ darstellt. Auch sollte nicht die Problemhaftigkeit eines Erfahrungs‐ raums fokussiert werden, wie sie durch den Begriff des Orientierungsproblems indiziert ist, sondern vielmehr dessen Vielschichtigkeit und Mehrdimensionalität hervorgehoben werden (vgl. auch Kapitel 7). Diese Mehrdimensionalität zeigt sich im weiteren Verlauf des Typenbildungs- und Analyseprozesses, indem im komparativen Fallvergleich weitere Vergleichsdimensionen herausgearbeitet und abstrahiert werden und die Erfahrungsdi‐ mension so weiter ausdifferenziert werden kann. 6.2 Datenauswertung mit der Dokumentarischen Methode 163 <?page no="164"?> Es folgt die Suche nach homologen Orientierungsrahmen, d. h. nach gemeinsamen Bearbeitungsweisen in Bezug auf die zugrunde gelegte Erfahrungsdimension, die sich in mehreren Fällen zeigen. Ist dies der Fall, so kann dieser Orientierungsrahmen vom Einzelfall gelöst und zu einem Typ abstrahiert werden (vgl. Nohl 2017: 10). Die Aus‐ differenzierung dieses Typs erfolgt, indem hieran anschließend nicht mehr nur nach Homologien, d. h. Gemeinsamkeiten zwischen Fällen, sondern vielmehr nach Kontrasten in der Art und Weise der Bearbeitung des gemeinsamen Themas bzw. der Erfahrungs‐ dimension gesucht wird. Leitendes Prinzip ist hierbei die Suche nach Kontrasten in der Gemeinsamkeit (vgl. Bohnsack 2013, 2021). So können verschiedene Typen der Bearbeitung eines gemeinsamen und für die Typenbildung zugrunde gelegten Themas herausgearbeitet und voneinander abgegrenzt werden, welchen sich die Fälle eines Samples nach und nach zuordnen lassen. In der vorliegenden Arbeit wird das allen Fällen gemeinsame Thema, d. h. die für die sinngenetische Typenbildung zugrunde gelegte Erfahrungsdimension, zum einen durch das Forschungsinteresse bestimmt. So wird danach gefragt, welche unterschiedlichen Typen des Umgangs mit kultureller und sprachlicher Heterogenität rekonstruiert werden können. Zum anderen wurde im komparativen Fallvergleich deutlich, dass die Lehrkräfte ein weiteres Thema unabhängig von den forschungsbezogenen Relevantsetzungen der Forscherin verhandelten und sich hier ebenfalls gemeinsame Orientierungsrahmen rekon‐ struieren und abstrahieren ließen (vgl. hierzu auch Kapitel 7). Somit ergab sich eine weitere Erfahrungsdimension, welche sich auf die Gestaltung des Englischunterrichts im Umgang mit Lernenden bezog. Auch diese Erfahrungsdimension wurde über die Herausarbeitung von Vergleichsdimensionen weiter ausdifferenziert. Am Ende der Typenbildung steht die Typologie als Ergebnis der oben beschriebenen Abstraktions- und Spezifizierungsprozesse. Hier erhalten die rekonstruierten und kontras‐ tierenden Orientierungsrahmen der Fälle eine eigenständige Bedeutung und werden damit in ihrer je eigenen Sinnhaftigkeit betrachtet. Wie Schäffer (2020) in seinen Überlegungen zu einer typenbildenden Interpretation deutlich macht, lassen sich die Prozesse der Typen‐ bildung aufgrund ihrer Komplexität nur schwer methodisieren. Mit der nachfolgenden Tabelle, welche die verwendeten Begriffe noch einmal verdeutlicht, soll das Typenbildungs‐ verfahren möglichst nachvollziehbar gemacht werden: 164 6 Datenauswertung mit der Dokumentarischen Methode <?page no="165"?> Typologie (finales Ergebnis der Typenbildung) Erfahrungsdimension (fallübergreifend abstra‐ hierte Gemeinsamkeiten zwischen Fällen) Typ A (dieser steht für Fälle, die alle ein Merkmal teilen („interne Homoge‐ nität“; Nentwig-Gesemann 2013: 316) Typ B (hier werden Fälle zugeordnet, die innerhalb der Vergleichsdimension eine ganz andere Ausprä‐ gung aufweisen als Typ A („externe Heterogenität“; ebd.) Typ C Vergleichsdimension 1a (entspricht einem „mit einer Erfahrungsdimen‐ sion verknüpften Orien‐ tierungsrahmen“; Nohl 2007: 287). Handlungsorientierung 1a (bezogen auf die Ver‐ gleichsdimension 1 rekon‐ struierte Orientierung, die unterhalb des typisierten Orientierungsrahmens liegt und als Aspekt eines Habi‐ tus identifizierbar wird (vgl. Nohl 2017: 104 ff.) Handlungsorientierung 2a - Vergleichsdimension 1b usw. - - - Tabelle 7: Terminologie der (sinngenetischen) Typenbildung (adaptiert nach Wilken 2021) 6.2.4.1 Mehrdimensionale Typenbildung Wie durch die Forschungsfragen in Kapitel 4 deutlich gemacht, lässt sich das Forschungsin‐ teresse der vorliegenden Arbeit in zwei miteinander verwobenen Themenfeldern verorten. So geht es einerseits um die Frage danach, wie berufstätige Englischlehrkräfte mit kultu‐ reller und sprachlicher Heterogenität in ihrem Unterricht umgehen. Andererseits wird die Frage fokussiert, wie Englischlehrkräfte sich und ihren Umgang mit kultureller und sprachlicher Heterogenität im Rahmen einer Lehrkräftefortbildung professionalisieren können. Im Zuge der dokumentarischen Datenanalyse gilt es jedoch zunächst zu prüfen, ob diesen expliziten Forschungsinteressen auch implizite Orientierungsgehalte seitens der an der Studie teilnehmenden Englischlehrkräfte gegenüberstehen. So hat sich nämlich gezeigt, dass sich zwar kontrastierende Orientierungsrahmen in Bezug auf das Thema des Umgangs mit kultureller und sprachlicher Heterogenität bei den jeweiligen Fällen rekonstruieren und auch typisieren ließen. Im Vordergrund der Erzählungen der befragten Lehrkräfte stand jedoch zunächst das Thema der Gestaltung des Englischunterrichts im Umgang mit Lernenden, zu welchem sie sich ohne explizite Erzählaufforderungen seitens der Interviewerin narrativ äußerten (vgl. Kapitel 7.2). Somit ließen sich im Zuge des oben beschriebenen Typenbildungsprozesses kontrastierende Orientierungsrahmen in Bezug auf zwei Themenfelder rekonstruieren und entsprechend typisieren, sodass am Ende dieses Prozesses eine mehrdimensionale Typologie herausgearbeitet werden konnte. Während es bei einer eindimensionalen sinngenetischen Typenbildung darum geht, kontrastierende Orientierungsrahmen zu typisieren, innerhalb welcher Akteur*innen ein bestimmtes Thema bzw. eine Problemstellung bearbeiten, werden bei der mehrdimensio‐ nalen Typenbildung zwei oder mehr Themen in den Blick genommen. Mehrdimensionale Typologien bestehen demnach aus mindestens zwei Erfahrungsdimensionen, die analog zur 6.2 Datenauswertung mit der Dokumentarischen Methode 165 <?page no="166"?> eindimensionalen sinngenetischen Typenbildung durch verschiedene Vergleichsdimensio‐ nen ausdifferenziert werden. Somit lassen sich, bezogen auf mehrere Erfahrungsdimensi‐ onen (hier der Umgang mit kultureller und sprachlicher Heterogenität sowie der Gestaltung des Englischunterrichts im Umgang mit Lernenden), sinngenetische Typen bilden. Diese Typen wiederum können zueinander ins Verhältnis gesetzt werden, was im Kontext einer relationalen Typenbildung geschieht (vgl. Kapitel 6.2.4.2). Durch diese Typenbildungsprozesse ist angelegt, dass Erfahrungs- und Vergleichsdi‐ mensionen offenbar werden, die sich aus der theoriegeleiteten Betrachtung so nicht antizipieren ließen und damit möglicherweise über die eigentlichen Forschungs- und Leitfragen hinausgehen. Vielmehr werden sie erst durch die Typenbildung sowie die Analyse der Handlungspraxis der beforschten Akteur*innen sichtbar und in der Diskussion der Ergebnisse wieder an die Theorie zurückgebunden (vgl. Kapitel 8). Tabelle 8 stellt das Vorgehen der mehrdimensionalen Typenbildung schematisch dar. Mehrdimensionale Typologie Erfahrungsdimension 1 (fallübergreifend abstra‐ hierte Gemeinsamkeiten zwischen Fällen in Bezug auf das Themenfeld 1) Typ A1 Typ B1 Typ C1 Vergleichsdimension 1a Mit Erfahrungsdimen‐ sion 1 verknüpfte Orien‐ tierungsrahmen Handlungsorientierung 1a.1 Handlungsorientierung 1a.2 usw. Vergleichsdimension 1b usw. - - - Erfahrungsdimension 2 (fallübergreifend abstra‐ hierte Gemeinsamkeiten zwischen Fällen in Bezug auf das Themenfeld 2) Typ A2 Typ B2 Typ C2 Vergleichsdimension 2a Mit Erfahrungsdimen‐ sion 2 verknüpfte Orien‐ tierungsrahmen Handlungsorientierung 2a.1 Handlungsorientierung 2a.2 usw. Tabelle 8: Schematische Darstellung der mehrdimensionalen sinngenetischen Typenbildung (eigene Darstellung) 6.2.4.2 Relationale Typenbildung Die von Nohl (2013, 2019) entwickelte relationale Typenbildung wurde als Ergänzung bzw. als Alternative zu einer soziogenetischen Typenbildung entwickelt und hat sich inzwischen in zahlreichen Forschungsarbeiten auch in der Fremdsprachendidaktik etabliert (vgl. Gerlach 2020a; vgl. Jacob 2021; vgl. Püster 2021; Wilken 2021). Sie eignet sich insbesondere an jenen Stellen, an welchen soziale Kategorien, wie z. B. Geschlecht oder Generation, wenig Aufschluss über die Entstehung typisierter Orientierungsrahmen geben können (vgl. 166 6 Datenauswertung mit der Dokumentarischen Methode <?page no="167"?> auch Fögele 2016). Im Gegensatz zur soziogenetischen Typenbildung wird bei der relatio‐ nalen Typenbildung nicht herausgearbeitet, in welchen Erfahrungsräumen die typisierten Orientierungsrahmen verankert sind. Vielmehr geht es darum, wie Orientierungen, die sich im Zuge der sinngenetischen Typenbildung in verschiedenen Dimensionen finden ließen, miteinander in Beziehung stehen (vgl. Nohl 2017: 107). Voraussetzung hierfür ist die Rekonstruktion von Orientierungsrahmen in zwei oder mehr Erfahrungsdimensionen, die aufeinander bezogen werden können. Im Zuge der relationalen Typenbildung wird somit darauf geschaut, welche „Verbindungen zwischen einem typisierten Orientierungsrahmen in der einen Dimension […] [mit welchen] typisierten Orientierungsrahmen in einer anderen Dimension“ (Nohl 2013: 58; C.L.) bestehen und wie diese Beziehungen wiederum typisiert werden können. Mit der Rekonstruktion der beiden oben beschriebenen Erfahrungsdimensionen sind die Voraussetzungen für eine relationale Typenbildung gegeben. Forschungspraktisch orien‐ tiert sich die vorliegende Arbeit am Vorgehen von Fögele (2016), welcher die Professionali‐ sierung von Geographielehrkräften im Kontext einer Lehrkräftefortbildung untersucht und hierbei ebenfalls die Erfahrungsdimensionen zweier Typologien miteinander relationiert. Weiterhin dient die Arbeit von Wilken (2021) zum einen aufgrund ihrer thematischen Nähe als Vorbild für das Vorgehen bei der relationalen Typenbildung. Zum anderen hat sich auch bei Wilken die Untersuchung des Spannungsverhältnisses zwischen Norm(en) und Habitūs als fruchtbar für die Rekonstruktion von Professionalisierungsprozessen im Umgang mit Mehrsprachigkeit erwiesen. So typisiert die Autorin im Rahmen der relationalen Typenbildung den Umgang der von ihr beforschten Lehrkräfte mit diesem Spannungsverhältnis und kann so zwei relationale Typen rekonstruieren (vgl. Kapitel 2.4.3). Mit diesem Vorgehen können trotz der Einschränkungen hinsichtlich einer soziogeneti‐ schen Typenbildung generalisierungsfähige Aussagen zum Forschungsgegenstand getrof‐ fen werden, die sich auf einer Ebene befinden, die über das Abstraktionsniveau der sinn‐ genetischen Typenbildung hinausgehen. Damit kann ein Beitrag zur Theoriegenerierung über den Umgang mit kultureller und sprachlicher Heterogenität im Englischunterricht geleistet werden. Bevor im folgenden Abschnitt die Frage fokussiert wird, wie in dieser Arbeit die sich potenziell zeigenden Professionalisierungsprozesse der befragten Lehrkräfte analysiert werden können, sei an dieser Stelle noch auf die Kritik von Bohnsack et al. (2018) am Verfahren der relationalen Typenbildung verwiesen. So wird insbesondere problematisiert, dass durch die relationale Typenbildung kein Zugang zum konjunktiven Erfahrungsraum eröffnet und stattdessen der „Gesamthabitus des Individuums“ (ebd.: 34) in den Mittelpunkt gestellt werde. Hierdurch rücke die Analyse von konjunktiven Erfahrungsräumen und damit von kollektiven Habitūs in den Hintergrund und verlöre an Bedeutung (ebd.). Dem entgegnet Nohl (2019: 56 ff.), dass durch die von Bohnsack vorgenommene Verengung der Dokumentarischen Methode auf kollektive Habitūs und konjunktive Erfahrungsräume eine Rekonstruktion von sozialen Entitäten über diese Erfahrungsräume hinaus unmöglich ge‐ macht werde. Damit würden zwangsläufig Biographien, öffentliche Diskurse, Interaktionen oder Organisationen hinter der „Primordialität des Kollektiven“ (Bohnsack et al. 2018: 19) verschwinden. Weiterhin führt Nohl mit Verweis auf die Arbeiten Bohnsacks aus, dass es durchaus an einzelne Akteur*innen oder Gruppen von Akteur*innen gebundene Habitūs 6.2 Datenauswertung mit der Dokumentarischen Methode 167 <?page no="168"?> gebe, die sich aus der Überlagerung verschiedener Erfahrungsräume zusammensetzen, deren Relationen wiederum herausgearbeitet und typisiert werden können (Nohl 2019: 58). Die Kritik Bohnsacks und Kolleg*innen zur Kenntnis nehmend, wird in der vorliegenden Arbeit aufgrund ihres explorativen Zugangs zum Forschungsgegenstand dennoch von der Möglichkeit der relationalen Typenbildung Gebrauch gemacht. Gerade die Betrachtung von Professionalisierungsprozessen über den Verlauf einer Fortbildung macht es notwendig, sich stärker dem Individuum zuzuwenden und dessen individuelle Bearbeitungsweisen von für die Handlungspraxis als relevant gerahmte Themen in den Blick zu nehmen. Diese explorative Herausarbeitung von sich potenziell zeigenden Professionalisierungsprozessen kann in sich anschließenden Forschungsarbeiten als Grundlage für die Typisierung von Professionalisierungsprozessen und damit der Betrachtung von konjunktiven Erfahrungs‐ räumen genutzt werden (vgl. Kapitel 8). 6.2.5 Die Analyse von Professionalisierungsprozessen im Längsschnitt Neben der Betrachtung der Handlungspraxis von berufserfahrenen Englischlehrkräften im Umgang mit kultureller und sprachlicher Heterogenität und der hiermit verbundenen Rekonstruktion von handlungsleitenden Orientierungen stellt die Frage nach der Profes‐ sionalisierung der Lehrkräfte im genannten Handlungsfeld einen weiteren Forschungs‐ schwerpunkt dieser Arbeit dar. Wie in Kapitel 2.5 dargelegt, wird mit dem dieser Arbeit zugrunde gelegten Verständnis von (De-)Professionalisierung auf Prozesse des Veränderns, (Weiter-)Entwickelns, Stabilisierens sowie Stagnierens geblickt. Um diese Prozesse zu rekonstruieren, bedarf es eines längsschnittlich angelegten Forschungsdesigns, welches die Einnahme einer prozessbzw. entwicklungsorientierten Perspektive über den Vergleich zweier Erhebungszeitpunkte möglich macht (vgl. Kapitel 5.2). Längsschnittlich angelegte Studien stellen in der qualitativen Sozial- und Bildungsfor‐ schung bislang eine Ausnahme dar und finden auch im Bereich der Fremdsprachendidaktik vornehmlich in Zusammenhang mit kompetenzorientierten, quantitativ angelegten Stu‐ dien Anwendung (vgl. z. B. TEDS-LT: Blömeke et al. 2013; FALKO-E: Kirchhoff 2016, 2017; PKE-Studie: König et al. 2017a, 2017b; vgl. Kapitel 2.4.1). In der dokumentarischen Forschung hat man bislang kaum eine längsschnittliche Forschungsperspektive eingenom‐ men, was in erster Linie damit zusammenhängt, dass die Dokumentarische Methode in ihrer ‚traditionellen‘ Konzeption nicht auf die Rekonstruktion von Entwicklungs- und Veränderungsprozessen zielt. Vielmehr werden die Analyse von Handlungslogiken der Praxis, feldspezifischen Habitūs bzw. erfahrungsraumspezifischen Orientierungen und deren Genese fokussiert. Nichtsdestotrotz betonen Asbrand et al. (2013: 3) das wissensso‐ ziologische Potenzial von Studien mit einer längsschnittlichen Perspektive, welches darin liegt, dass „Aussagen über individuelle bzw. institutionelle Entwicklungsverläufe, gesell‐ schaftliche Wandlungsprozesse oder die Stabilität bzw. Veränderungen von Orientierungen und Handlungsformen“ getroffen werden können. Vor diesem Hintergrund lassen sich in jüngster Zeit gerade im Zusammenhang mit der Frage nach der Professionalisierung von (angehenden) Lehrkräften rekonstruktive Arbeiten ausmachen, die dieses Potenzial längsschnittlicher Forschung nutzen und Möglichkeiten der Rekonstruktion von Entwick‐ 168 6 Datenauswertung mit der Dokumentarischen Methode <?page no="169"?> lungs- und Veränderungsprozessen sowie der Transformation von Orientierungsrahmen bzw. Habitus ausloten (vgl. Košinár 2014, 2019; Bonnet & Hericks 2020; Wittek et al. 2020; Kahlau 2023). Potenziale für Habitustransformationen im Sinne von grundlegenden Wandlungen und tiefgreifenden Veränderungen von impliziten Wissensbeständen (vgl. Rosenberg 2011; vgl. Winter et al. 2019: 96) ergeben sich vor allem an den Schnittstellen der Lehrer*innenbil‐ dungsphasen, wie z. B. in Phasen des Eintritts in das Studium (vgl. Kahlau 2023), des Übergangs von der ersten zur zweiten Phase (vgl. Košinár 2014) oder aber in der Phase des Berufseinstiegs (vgl. Wittek et al. 2020). Die Annahme hierbei ist, dass unterschiedliche Feldlogiken aufeinander treffen und die Orientierungsrahmen der Akteur*innen sich im neuen Handlungsfeld erst bewähren müssen, sodass es zur Abstimmung von Passungsver‐ hältnissen zwischen den Anforderungen des neuen Handlungsfeldes und den Habitūs der Akteur*innen kommt (vgl. Winter et al. 2019). Welche Potenziale für Habitustransformationen sich in der ersten Phase der Lehrkräf‐ tebildung ergeben, zeigt Kahlau (2023) in ihrer Dissertationsstudie. Die Autorin geht der Frage nach, wie sich Lehramtsstudierende im Rahmen von Studien-Praxis-Projekten (SPP) professionalisieren. Hierbei wird deutlich, dass die zentralen Orientierungen der Beforschten über einen Zeitraum von etwa acht Monaten relativ stabil bleiben und sich Professionalisierungsprozesse im Sinne von Habitustransformationen nicht rekon‐ struieren lassen. Stattdessen kann die Autorin über die Herausarbeitung einer Professio‐ nalisierungstypologie Potenziale für mögliche Veränderungen und damit für erwartbare Professionalisierungs- und Transformationsbewegungen aufzeigen. Letztere sieht sie in einem Zusammenhang mit den Studierendenhabitūs sowie den typenspezifischen Bear‐ beitungsweisen von (berufs-)phasenspezifischen Anforderungen. Gerade Fälle mit einer Entwicklungsorientierung und der Bereitschaft, sich auf Neues einzulassen, zeigen größere Professionalisierungspotenziale als Fälle, die sich an Bekanntem orientieren (vgl. ebd.). Die Professionalisierungsprozesse von Lehrkräften im Vorbereitungsdienst untersucht Košinár (2014) und kann hierbei Veränderungen in den Orientierungsrahmen der beforsch‐ ten Akteur*innen rekonstruieren. Diese zeichnet die Autorin in Form von typenspezifi‐ schen Professionalisierungsverläufen nach und erarbeitet so eine Typologie, welche die Prozesshaftigkeit von Professionalisierung in der zweiten Phase der Lehrkräftebildung deutlich macht. In der Studie zeigte sich jedoch auch, dass Veränderungsprozesse häufig nur bezogen auf einzelne Habitusdimensionen rekonstruiert werden konnten, während zentrale Orientierungen der Beforschten weitestgehend stabil blieben. Mit der Phase des Berufseinstiegs beschäftigen sich Wittek et al. (2020) und fokussie‐ ren hierbei die Rekonstruktion von Veränderungs- und Stabilisierungsprozessen in der habituellen Auseinandersetzung berufseinsteigender Lehrkräfte mit ihren feldspezifischen Anforderungen. Als Ansatzpunkt für die Rekonstruktion von Veränderungs- und Stabi‐ lisierungsprozessen, die als dynamische Ausdrucksgestalten potenzieller Professionalisie‐ rungsprozesse gefasst werden, greifen die Autor*innen auf das durch Bohnsack (2014b) ausdifferenzierte Spannungsverhältnis zwischen Norm und Habitus zurück (vgl. auch Kapitel 5.1.4). Das Ergebnis der Studie bildet eine mehrdimensionale Typologie, in welcher zum einen die berufsbezogenen Habitūs der Lehrkräfte bezogen auf zwei unterschiedliche Erfahrungsräume (organisationsbezogene und unterrichtsbezogene Interaktion) sowie zum 6.2 Datenauswertung mit der Dokumentarischen Methode 169 <?page no="170"?> anderen unterschiedliche Modi der Bearbeitung des Spannungsverhältnisses zwischen Norm und Habitus (modifizierender und konsolidierender Typ) abgebildet werden (vgl. ebd.: 304 ff.). Analog zu den Befunden der bereits vorgestellten Längsschnittstudien bestä‐ tigt sich auch hier die Persistenz und Trägheit der (erfahrungsraumspezifischen) Habitus‐ formen über die verschiedenen Erhebungszeiträume hinweg. Während sich in der Studie von Košinár (2014) Veränderungen in einzelnen Habitusdimensionen verzeichnen ließen, kann dies in der Arbeit von Wittek et al. (2020) nicht rekonstruiert werden. Stattdessen arbeiten die Autor*innen unterschiedliche Qualitäten der Spannungsverhältnisse heraus, die ein je unterschiedliches Potenzial haben, die Habitūs der Lehrkräfte zu stabilisieren oder zu verändern. Dieses Potenzial erweist sich sowohl als abhängig von der Intensität und der Dauer der rekonstruierten Spannungsverhältnisse als auch von deren Bearbeitungstypen (vgl. ebd.: 307). Das Potenzial der Betrachtung der Spannungsverhältnisse zwischen berufsbezogenen Habitūs und den Normen der Institution Schule für die Professionalisierung von Lehrkräf‐ ten heben auch Bonnet & Hericks (2020) in ihrer Studie zum kooperativen Lernen im Englischunterricht hervor. Die Autoren begleiten berufserfahrene Englischlehrkräfte über einen Zeitraum von drei Jahren und fokussieren u. a. die Frage, wie sich die rekonstruierten Orientierungen der beforschten Lehrkräfte durch den Ansatz des kooperativen Lernens im Englischunterricht verändern (vgl. ebd.: 281). In diesem Zuge führen die Autoren eine fallbezogene Analyse der Interviews zweier Lehrkräfte über verschiedene Erhebungszeit‐ punkte hinweg durch, um etwaige Veränderungen in den Orientierungen der Lehrkräfte nuanciert fassen zu können. Anders als in den zuvor vorgestellten Arbeiten wird damit keine Typologie erarbeitet. Den Fokus der Professionsstudie bilden vielmehr differenzierte Einzelfallbetrachtungen sowie deren komparativer Vergleich. Bonnet und Hericks verorten das Potenzial für die Entstehung von Veränderungs- und Transformationsprozessen in ebendieser Spannung sowie deren Bearbeitung, indem sie hervorheben, dass die von den Lehrkräften wahrgenommenen Normen dem Habitus zwar nach wie vor „äußerlich bleiben, […] aber durch diesen erfahren und vermittelt [werden]“ (Bonnet & Hericks 2019: 106; C.L.). Auch in dieser Arbeit zeigt sich, dass grundlegende Habitusdimensionen der beforschten Lehrkräfte stabil bleiben und es vor allem aufgrund von strukturellen Bedingungen des Erfahrungsraums Schule nicht zur Transformation von Orientierungsrahmen kommt. Dennoch lassen sich vereinzelt Veränderungen bzw. Verschiebungen rekonstruieren, die sich vor allem in der Auseinandersetzung der Lehrkräfte mit dem Spannungsverhältnis zwischen wahrgenommenen Normen sowie ihren berufsbezogenen Habitūs zeigen (vgl. Kapitel 7.5). Die bis hierhin beschriebenen Arbeiten haben gezeigt, dass sich Habitustransformati‐ onen im oben genannten Sinne auch über einen mehrjährigen Zeitraum hinweg nicht bzw. nur ansatzweise rekonstruieren lassen. Es wurde jedoch auch deutlich, dass es unterhalb der Transformation von Habitūs Prozesse gibt, die sich mit Hilfe der Dokumen‐ tarischen Methode offenbaren und für die Analyse von Professionalisierungsprozessen von Lehrkräften nutzen lassen. So konnten verschiedene Potenziale für die Veränderung von Habitūs herausgearbeitet werden, welche wiederum einen wichtigen Ansatzpunkt für die Gestaltung der Lehrkräftebildung darstellen. Nicht zuletzt wurde die Rekonstruktion von 170 6 Datenauswertung mit der Dokumentarischen Methode <?page no="171"?> Entwicklungsprozessen bzw. Prozessverläufen im Längsschnitt methodologisch anschluss‐ fähig an die Dokumentarische Methode gemacht, was zu deren Weiterentwicklung beiträgt. Basierend auf den dargestellten Befunden wird in der vorliegenden Arbeit nicht davon ausgegangen, dass sich im Rahmen einer Fortbildung über einen Zeitraum von sieben Monaten Habitustransformationen rekonstruieren lassen. Nimmt man Lehrkräftebildung sowie den Auftrag und das Ziel von Lehrkräftefortbildungen jedoch ernst (vgl. auch Kapitel 4), so bedarf es gerade in Bezug auf berufserfahrene Lehrkräfte, die aufgrund ihrer meist mehrjährigen Berufserfahrung bereits unterrichtsbezogene Handlungsroutinen und dementsprechend stabile Habitūs ausgebildet haben, der Analyse jener Prozesse, die sich jenseits der Transformation von Habitūs ereignen. Damit wird nicht auf den Habitus als Gesamtkonzept geblickt, sondern vielmehr auf Handlungsorientierungen als Prozessstruk‐ turen, „die unterhalb des Habitus rangieren und diesen konstituieren“ (Thomsen 2020: 198). Da sich das Spannungsverhältnis zwischen wahrgenommenen Normen und Habitūs als konstitutiv für die Betrachtung von Professionalisierungsprozessen berufserfahrener Lehrkräfte im Längsschnitt erwiesen hat (vgl. Bonnet & Hericks 2020; Wittek et al. 2020; Püster 2021), wird dieses in der vorliegenden Arbeit als Grundlage für die Analyse der In‐ terviews zu Zeitpunkt t2 herangezogen. Konzeptionell wird sich hierbei an den Vorarbeiten von Bonnet & Hericks (2020) sowie Wittek et al. (2020) orientiert und auf mögliche Verän‐ derungen, aber auch Stabilisierungen in der Art und Weise der fallspezifischen Bearbeitung des Spannungsverhältnisses zwischen Normen und Habitus geblickt. Um Veränderungs- und Stabilisierungsprozesse auch als solche rekonstruieren zu können, ist es notwendig, die Einzelfälle stärker in den Fokus zu nehmen. Demnach wird in diesem Analyseschritt keine weitere Typenbildung angestrebt, sondern aufgrund des explorativen Ansatzes der vorliegenden Arbeit zunächst einzelfallspezifische Entwicklungen und Potenziale für Veränderungen aufgezeigt. Diese können in Anschlussarbeiten sodann als Ausgangspunkt dienen, um Professionalisierungsverläufe von berufserfahrenen Englischlehrkräften im Rahmen der 3. Phase weiter auszudifferenzieren und zu typisieren (vgl. Kapitel 7). In einem ersten Schritt werden die Interviews mit den zwölf an der Studie teilnehmenden Lehrkräften (vgl. Kapitel 5.2.2.2) zu Zeitpunkt t2 entlang der Einzelfälle reflektierend interpretiert. In der Analyse des Datenmaterials hat sich gezeigt, dass die Identifikation von möglichen Spannungsverhältnissen zwischen Normen und Habitus sowie den fallspe‐ zifischen Bearbeitungsweisen dieser Spannungsverhältnisse die Basis der Interpretation bildet. Als Indikatoren für das Vorhandensein ebendieser Spannungsverhältnisse dienen metaphorisch dichte Passagen in den Interviews der befragten Lehrkräfte, in welchen der semantische Gehalt des Erzählten „in auffallender Spannung zum narrativ bzw. beschrei‐ bend Mitgeteilten steht“ (Rauschenberg & Hericks 2018: 115). Dies zeigt sich besonders deutlich in der erzählten Auseinandersetzung mit herausfordernden oder schwierigen Situationen. Auch die Verwendung von Metaphern kann als Hinweis auf eine spannungs‐ reiche Auseinandersetzung der Lehrkräfte mit den von ihnen wahrgenommenen Normen dienen. Die Ergebnisse dieser Analyse werden in einem zweiten Schritt mit den Ergebnissen der komparativen Analyse der Interviews zu Zeitpunkt t1 verglichen, in deren Zuge bereits fallspezifische Spannungsverhältnisse zwischen Normen und Habitūs sowie je individuelle 6.2 Datenauswertung mit der Dokumentarischen Methode 171 <?page no="172"?> Bearbeitungsweisen herausgearbeitet wurden. Für diesen Vergleich leitend sind folgende Fragen: • Lassen sich die zu Zeitpunkt t1 rekonstruierten fallspezifischen Spannungsverhältnisse zwischen Normen und Habitūs auch zum Zeitpunkt t2 wiederfinden? • Werden diese Spannungsverhältnisse ähnlich, ganz anders oder aber gar nicht bear‐ beitet? • Ergeben sich durch die Konfrontation der Lehrkräfte mit den durch die Fortbildung an sie herangetragenen Normen zum Zeitpunkt t2 neue Spannungsverhältnisse und falls ja, wie werden sie bearbeitet? Durch diesen Vergleich lassen sich sodann Veränderungen bzw. Stabilisierungen in der Art und Weise der Bearbeitung der Spannungsverhältnisse zwischen Normen und Habitūs identifizieren und anschließend vor dem Hintergrund potenzieller Professionalisierung von berufserfahrenen Englischlehrkräften im Rahmen der 3. Phase der Lehrkräftebildung diskutieren (vgl. hierzu auch Kapitel 8.3). In Anlehnung an Wittek et al. (2020) sowie Bonnet & Hericks (2020) deuten sich Veränderungsprozesse durch ein verändertes Sprechen über die eigene Handlungspraxis an. Dieses veränderte Sprechen kann sich beispielsweise durch die Wahrnehmung von sowie Orientierung an neuen Normen offenbaren, die zum Interviewzeitpunkt t1 (noch) nicht in das Blickfeld der Lehrkräfte geraten sind und dementsprechend (noch) keine hand‐ lungspraktische Relevanz besaßen. Ein Beispiel für die Orientierung an neuen Normen bzw. einer veränderten Bearbeitung des Spannungsverhältnisses zwischen Normen und Habitūs könnte sich auf der Ebene der Erprobung von alternativen Handlungspraxen zeigen (vgl. Wittek et al. 2020: 316). Auch die explizite Reflexion von wahrgenommenen Entwicklungen oder Veränderungen in Bezug auf die Handlungspraxis der Lehrkräfte kann ein Hinweis für eine veränderte Bearbeitung der Spannung zwischen Normen und Habitūs und damit für Veränderungsprozesse sein (vgl. hierzu auch Wilken 2021). Auf der Textebene sind darüber hinaus auch auffallende parasprachliche Ereignisse, wie z. B. häufige Satzabbrüche, Suchbewegungen oder lange Pausen ein Indikator für Handlungspraktiken, für welche auf (noch) kein handlungsleitendes Wissen zurückgegriffen werden kann und welche aus diesem Grund ein besonderes Potenzial für Veränderungen besitzen. Die Stabilisierung von Orientierungsrahmen lässt sich daran erkennen, dass die befragten Lehrkräfte zum einen dieselben Spannungsverhältnisse zwischen Normen und Habitūs wahrnehmen und diese auf dieselbe Art und Weise bearbeiten wie zum Interviewzeitpunkt t1. Zum anderen zeigt sich eine Stabilisierung dadurch, dass keine neuen Normen als relevant für die eigene Handlungspraxis wahrgenommen und sich dementsprechend auch nicht zu eigen gemacht werden. Indikatoren für Stagnation können eine dauerhafte Ablehnung und Verweigerung gegenüber (neuen) Normen oder Handlungspraktiken sein. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn sich Lehrkräfte gegenüber der durch die Fortbildung an sie herangetragenen Normen des Umgangs mit kultureller und sprachlicher Heterogenität abgrenzen und verweigern. Weiterhin stellen die fehlende Wahrnehmung dieser Normen sowie die Nichtbearbeitung der Spannungsverhältnisse zwischen Normen und Habitūs Hinweise für einen stagnieren‐ den Professionalisierungsprozess bzw. für De-Professionalisierung dar. 172 6 Datenauswertung mit der Dokumentarischen Methode <?page no="173"?> An dieser Stelle ist jedoch hervorzuheben, dass stabilisierende, aber auch stagnierende Handlungspraxen nicht zwangsläufig mit Deprofessionalisierung einhergehen. So kann es beispielsweise sein, dass die befragten Lehrkräfte sich aufgrund der Schonung eige‐ ner Ressourcen gegenüber bestimmten Normen verweigern bzw. diese (noch) nicht als handlungspraktisch relevant wahrnehmen. Weiterhin ist es möglich, dass die Lehrkräfte aufgrund dieser ressourcenschonenden Haltung an Handlungspraktiken sowie Bearbei‐ tungsweisen der Spannungsverhältnisse zwischen Normen und Habitūs festhalten, die sich für sie bewährt haben. Stabilisierung ließe sich demnach auch als eine Dynamik der Professionalisierung in der 3. Phase der Lehrkräftebildung lesen, wenn man sie als einen Zwischenschritt der Sicherung eines erreichten Plateaus innerhalb der beruflichen Handlungspraxis der befragten Lehrkräfte deutet (vgl. Wittek et al. 2020: 314). Dies hebt die Notwendigkeit der intensiveren Betrachtung des Einzelfalles hervor und unterstreicht den Verzicht auf eine erneute Typenbildung. Demnach werden in der Präsentation der Ergebnisse in Kapitel 7.5 exemplarisch Einzelfälle mit ihren je individuellen Entwicklungstendenzen anhand von geeigneten Text‐ passagen dargestellt und abschließend im Hinblick auf ihr Professionalisierungspotenzial diskutiert (vgl. Kapitel 8.3). 6.3 Zusammenschau der Datenauswertung Im Folgenden werden die oben beschriebenen Analyseschritte der Dokumentarischen Methode grafisch dargestellt, wie sie in der vorliegenden Arbeit zur Analyse der Interviews durchgeführt werden. Fokussiert werden hierbei die Schritte der Auswertung der Inter‐ views zum Zeitpunkt t1, da es zum zweiten Erhebungszeitpunkt stärker um die Betrachtung des Einzelfalles geht und die Schritte der Dokumentarischen Methode hier nicht im vollen Umfang durchgeführt wurden. Abbildung 5 zeigt die Schritte der Datenanalyse beginnend bei der Audioaufzeichnung, der Erstellung des thematischen Verlaufs, der formulierenden und reflektierenden Interpretation, der Fallbeschreibung sowie letztlich der Typenbildung. Auch wenn die Analyseschritte chronologisch und linear abgebildet sind, so soll an dieser Stelle nochmals hervorgehoben werden, dass sie zyklisch und spiralförmig erfolgten. 6.3 Zusammenschau der Datenauswertung 173 <?page no="174"?> Abbildung 5: Zusammenschau der Schritte der Datenauswertung der Interviews zum Zeitpunkt t1 von der Audioaufzeichnung bis zur Typenbildung (eigene Darstellung adaptiert nach Bohnsack 2006) 174 6 Datenauswertung mit der Dokumentarischen Methode <?page no="175"?> 144 Zu den Schritten der Dokumentarischen Methode vgl. Kapitel 6.2. 7 Typenbildungen und Ergebnisdarstellung Im Folgenden werden die Typologien präsentiert, die das zentrale Ergebnis der vorliegen‐ den Studie bilden. Zur besseren Nachvollziehbarkeit der Typenbildungsprozesse erfolgt die Darstellung zunächst kleinschrittig. So wird die mehrdimensionale Typenbildung entlang der aus den Vergleichsdimensionen abstrahierten Typiken präsentiert (Kapitel 7.1). Vor diesem Hintergrund wird sich in einem ersten Schritt zunächst der Typologie zur Erfahrungsdimension der Gestaltung des Englischunterrichts im Umgang mit Lernenden gewidmet (Kapitel 7.2) bevor die Typologie zum Umgang mit kultureller und sprachlicher Heterogenität dargestellt wird (Kapitel 7.3). Basierend auf diesen Darstellungen erfolgt die Präsentation der relationalen Typologie als abstrahiertes Ergebnis der mehrdimensionalen Typenbildung (Kapitel 7.4). Das Kapitel schließt mit der Skizzierung des längsschnittlichen Vergleichs, in dessen Zuge der Einzelfall stärker in den Blick genommen wird und potenzielle Entwicklungsbzw. Veränderungsprozesse aufgezeigt werden (Kapitel 7.5). Um deutlich zu machen, dass und wie sich die ermittelten Typologien aus den Daten heraus ergeben haben, wird bei den nachfolgenden Darstellungen weitestgehend auf die in den Kapiteln 2 bis 4 dargestellten theoretischen Hintergründe und Ergebnisse empirischer Arbeiten verzichtet. Diese werden erst im Anschluss an die Ergebnispräsentation im Zuge der Diskussion wieder aufgegriffen und an die Ergebnisse der vorliegenden Arbeit zurückgebunden (vgl. Kapitel 8). 7.1 Mehrdimensionale sinngenetische Typenbildung Im Folgenden wird die mehrdimensionale sinngenetische Typenbildung präsentiert. Die Typenbildung dient dazu, die in den Einzelfällen herausgearbeiteten Orientierungen zu generalisieren, d. h. zu abstrahieren und zunehmend vom Einzelfall zu lösen, um sie letztlich zu Typen ausformulieren zu können. Wie sich im Kontext der komparativen Analyse 144 mit den Fällen des gesamten Samples gezeigt hat, ließen sich zentrale Orien‐ tierungsrahmen rekonstruieren, die bezogen auf zwei Erfahrungsdimensionen typisiert werden konnten. Diese Orientierungsrahmen beziehen sich zum einen auf das Thema der Gestaltung des Englischunterrichts im Umgang mit Lernenden. Zum anderen wurden zentrale Orientierungen in Bezug auf das Thema des Umgangs mit kultureller und sprachlicher Heterogenität im Englischunterricht deutlich. Letzteres war durch die Forschungsfragen und das Forschungsdesign der vorliegenden Arbeit angelegt. Diese beiden Themen stellen die für das Sample dieser Arbeit zentralen Erfahrungsdi‐ mensionen dar und bilden somit die Ausgangspunkte der im Folgenden noch zu beschrei‐ benden Typologien. In dieser Arbeit wird der Begriff der Erfahrungsdimension verwendet, um die fallübergreifenden und abstrahierten Gemeinsamkeiten zwischen Fällen zu be‐ schreiben und im Zuge der Typenbildung einen systematischen Vergleich auf der Ebene des Orientierungsrahmens i.e.S. zu ermöglichen (vgl. hierzu auch Kapitel 6.2.4 und 7.2). <?page no="176"?> 145 Nohl et al. (2015) sprechen in (bildungs-)theoretischer Perspektive von der gesamten Breite bzw. Totalität des Orientierungsrahmens. In Bezug auf Bohnsack (2014: 191 ff.) muss jedoch berücksichtigt werden, dass die empirische Rekonstruktion von Fällen im Rahmen einer mehrdimensionalen Typenbildung stets aspekthaft ist und z. B. aufgrund der Standortgebundenheit der Forscherin sowie der im Rahmen einer Qualifikationsarbeit nur begrenzten Möglichkeiten einer umfänglichen Datenerhebung nicht den Anspruch erheben kann, den Fall bzw. den Orientierungsrahmen eines Falls in seiner Gesamtheit zu erfassen (vgl. hierzu auch Nohl 2017: 104 ff.). 146 Der Begriff der Typik wird in der vorliegenden Arbeit mit dem Begriff der Vergleichsdimension gleichgesetzt und entspricht einem „mit einer Erfahrungsdimension verknüpften Orientierungsrah‐ men“ (Nohl 2007: 287). Innerhalb einer Typik lassen sich weitere Orientierungen bzw. Handlungso‐ rientierungen als Aspekte eines zentralen Orientierungsrahmens i.e.S. typisieren. 147 Handlungsorientierungen werden in dieser Arbeit mit Thomsen (2020) als unterhalb des Habitus liegende Orientierungen verstanden, die diesen mehrdimensional auffächern (vgl. Kapitel 6.2.5). 148 Als Eckfall wird in dieser Arbeit jener Fall bezeichnet, bei welchem sich Aspekte eines typisierten Orientierungsrahmens am deutlichsten zeigen. Siehe hierzu auch Kapitel 6.2.4. Wie unten dargelegt werden soll, stellen die auf diese Erfahrungsdimensionen bezogenen Orientierungsrahmen Ausschnitte der berufsbezogenen Habitūs 145 der befragten Lehrkräfte dar, die deren Handeln im Englischunterricht beeinflussen und sich insbesondere in den rekonstruierten Typiken 146 zeigen. Letztere differenzieren die Erfahrungsdimensionen weiter aus, sodass diesbezügliche Handlungsorientierungen 147 als Aspekte der zentralen Orientierungsrahmen typisiert werden konnten und sich so eine mehrdimensionale Typo‐ logie herausbildete. Die Ergebnisdarstellung beginnt mit der Charakterisierung der typisierten Orientie‐ rungsrahmen, die sich auf die Erfahrungsdimension der Gestaltung des Englischunterrichts im Umgang mit Lernenden beziehen. Diese Orientierungsrahmen beschreiben die Art und Weise, wie die Fälle des Samples ihren Englischunterricht gestalten und sich hierbei in je unterschiedlicher Weise auf die Lernenden beziehen (Kapitel 7.2). Um zu verdeut‐ lichen, wie sich die Typologie zusammensetzt und sich in ihrer Mehrdimensionalität auffächert, werden hierauf aufbauend die jeweiligen Typiken mit ihren entsprechenden Handlungsorientierungen dargestellt (Kapitel 7.2.1 bis Kapitel 7.2.5). Neben Verweisen auf die beiden Eckfälle 148 Altay und Schneider werden auch Schlüsselzitate und Passagen aus den Interviews des gesamten Samples angeführt. Leitend ist hierbei die Suche nach minimalen und maximalen Kontrasten. Analog erfolgt anschließend die Darstellung der zweiten Erfahrungsdimension des Umgangs mit kultureller und sprachlicher Heterogenität (Kapitel 7.3). Auch diese Erfahrungsdimension wird in ihrer Mehrdimensionalität in Form von unterschiedlichen Typiken und diesbezüglichen Handlungsorientierungen entfaltet (Kapitel 7.3.1 bis Kapitel 7.3.4). Zur besseren Einordnung der im Folgenden ausschnittweise dargestellten Fälle sowie der in den genannten Typologien rekonstruierten Orientierungen dient Tabelle 9, die einen Überblick über diejenigen Fälle des Samples gibt, die in dieser Arbeit zur Analyse ausgewählt wurden (zu den Auswahlkriterien vgl. Kapitel 5.2.2.2). Die Fälle sind in alphabetischer Reihenfolge dargestellt. 176 7 Typenbildungen und Ergebnisdarstellung <?page no="177"?> 149 Bei den Fallbezeichnungen handelt es sich um Pseudonyme (vgl. auch Kapitel 2.1, 5.2.3 und 6.1). 150 Die kooperative Gesamtschule ist eine Schulform, bei welcher der Unterricht getrennt nach Haupt-, Real- und Gymnasialklassen stattfindet. Fallbezeichnung 149 Schulform Fächer Berufser‐ fahrung Barbara Winter Gymnasium Englisch, Französisch, Spanisch 26 Jahre Charlotte Hohenstein Gymnasium Deutsch, Englisch 8 Jahre Dilara Altay Gesamtschule Englisch, Politik und Wirtschaft 16 Jahre Ella Lindner Gymnasium Englisch, Mathe 8 Jahre Emilia Kaiser Gymnasium Englisch, Spanisch 12 Jahre Julia Bauer Kooperative 150 Gesamtschule Englisch, Bio 24 Jahre Kathrin Friedrich Oberstufengymnasium Englisch, Bio 11 Jahre Kim Schneider Berufsschule Englisch, Wirtschaft 14 Jahre Regine Hofmann Grundschule Englisch 15 Jahre Shirley Pohl Oberstufengymnasium Englisch, Deutsch als Zweitspra‐ che, Politik und Wirtschaft 6 Jahre Simone Wagner Gesamtschule Englisch, Informatik 5 Jahre Thorsten Vogt Gymnasium Englisch, Musik 6 Jahre Tabelle 9: Kurzcharakterisierung der Fälle des Samples 7.2 Typologie zur Gestaltung des Englischunterrichts im Umgang mit Lernenden Die Konstruktion einer Typologie nimmt ihren Ausgangspunkt in der Suche nach sowie der Herausarbeitung einer Basistypik, welche mit Amling und Hoffmann (2013: 192) als ein „allen Fällen gemeinsames Orientierungsproblem oder als gemeinsame Orientierungsdis‐ krepanz“ verstanden wird. Die Grundlage für die Bildung einer Basistypik und die hiermit verbundene Suche nach geeigneten Vergleichsdimensionen bildet das Erkenntnisinteresse eines Forschungsprojektes - hier der Umgang von Englischlehrkräften mit kultureller und sprachlicher Heterogenität im Englischunterricht. Um jedoch der Tatsache Rechnung zu tragen, dass die eigenen forschungsbezogenen Relevantsetzungen, Erkenntnisinteressen und Orientierungsrahmen nicht zwangsläufig mit denjenigen der befragten Lehrkräfte übereinstimmen müssen, wurde bereits im frühen Verlauf der Datenanalyse nach empi‐ rischen Vergleichshorizonten und Themen gesucht, welche die interviewten Lehrkräfte unabhängig von den Erzähl- und Frageimpulsen der Forscherin äußerten und verhandelten. Es wurde deutlich, dass sich die Lehrkräfte erst im Zuge der exmanenten Nachfragen der Interviewerin zum Themenbereich des Umgangs mit kultureller und sprachlicher 7.2 Typologie zur Gestaltung des Englischunterrichts im Umgang mit Lernenden 177 <?page no="178"?> 151 Gemeint sind hiermit Identitätsnormen im Sinne Bohnsacks (2020: 30 ff.). 152 Die Benennung der Typen erfolgte induktiv aus den Daten heraus und hat sich im Rahmen von Interpretationsgruppen diskursiv ergeben. In der vorliegenden Arbeit werden die Bezeichnungen der Typen folglich nicht als theoretische Kategorie verwendet, sondern erschließen sich aus den Rekonstruktionsergebnissen (siehe Kapitel 8.2 und 8.3). Heterogenität äußerten und sich erst in einer zweiten Näherung zentrale Orientierungen der Lehrkräfte rekonstruieren und entsprechend typisieren ließen (vgl. hierzu Kapitel 7.3). Das Thema stellt folglich für die Handlungspraxis der befragten Lehrkräfte ein nur sekundär bedeutsames Handlungsfeld dar, was als erstes Ergebnis der vorliegenden Arbeit festgehalten werden kann. Wie jedoch in der komparativen Analyse deutlich wurde, findet sich bei allen Be‐ fragten des Samples ein unaufgefordertes Sprechen über die Art und Weise, wie sie ihren Englischunterricht gestalten und sich hierbei auf ihre Lernenden beziehen. In diesem Zusammenhang hat sich auch gezeigt, dass sich die Lehrkräfte immer wieder auf die spannungsreiche Aushandlung individueller, identitätsnormativer 151 und teilweise (be‐ rufs-)biographisch bedingter Schwerpunktsetzungen mit den von ihnen wahrgenommenen normativen bzw. institutionellen Anforderungen und Vorgaben beziehen. Dies hat ebenfalls Auswirkungen auf die Art und Weise der Gestaltung ihres Englischunterrichts sowie des Umgangs mit den Lernenden. Da dem Begriff der Basistypik mit der Fokussierung eines Orientierungsproblems eine Defizitperspektive innewohnt, wird in der vorliegenden Arbeit in Anlehnung an Fögele (2016) der Begriff der Erfahrungsdimension verwendet (vgl. hierzu auch Kapitel 6.2.4). Somit liegt der Fokus nicht auf der Problemhaftigkeit eines Erfahrungsraums und den diesbezüglichen Orientierungen. Vielmehr soll hierdurch die Vielschichtigkeit, d. h. die Mehrdimensionalität dieses Erfahrungsraums hervorgehoben werden. Aufgrund der Relevantsetzungen der Lehrkräfte wird die Erfahrungsdimension der Gestaltung des Englischunterrichts im Umgang mit Lernenden als Ausgangspunkt der im Rahmen dieser Arbeit entwickelten Typologie gefasst. Die rekonstruierten Typen 152 werden im Folgenden mit ihren kontrastierenden Orientierungsrahmen dargestellt. Diese charakterisieren sich wie folgt: 178 7 Typenbildungen und Ergebnisdarstellung <?page no="179"?> Gestaltung des Englischunter‐ richts im Umgang mit Lernenden Typ I - ko-konstruktiv Typ II - durchprozessiert Typ III - lenkend Charakteristika Englischunterricht als gemeinsam gestaltete Praxis Relevantsetzungen und Bedürfnisse der Ler‐ nenden stehen im Vor‐ dergrund Kommunikation und Verständigung bilden den fachlichen Fokus Schüler*innen und Lehrkraft sind glei‐ chermaßen aktiv Han‐ delnde sowie Lernende Englischlernen, um in außer-schulischer Le‐ benswelt handlungsfä‐ hig zu sein Englischunterricht als eine an institutionellen Normen und Vorgaben (z. B. Curriculum, Lehr‐ werk) ausgerichtete Praxis Abarbeitung/ Durchprozessierung des Cur‐ riculums/ Lehrwerks steht im Vordergrund Lehrkraft als Struk‐ turgeber*in; Lernende als Nutzer*innen von Lerninhalten Englischlernen, um fachliche/ curriculare Anforderungen zu er‐ füllen Englischunterricht als eine an den Relevant‐ setzungen der Lehr‐ kraft ausgerichtete Pra‐ xis Sprachrichtigkeit und Fehlerkorrektur bilden den fachlichen Fokus Lehrkraft als Expert*in für fachliche Inhalte; Schüler*innen als (pas‐ sive) Rezipient*innen Englischlernen, um Zu‐ gang zur Community von L1 Sprecher*innen zu erhalten Fälle Altay, Bauer Kaiser, Wagner, Friedrich, Lindner, Hohenstein, Pohl Schneider, Vogt, Hof‐ mann, Winter Tabelle 10: Erfahrungsdimension Gestaltung des Englischunterrichts im Umgang mit Lernenden mit den Typen ko-konstruktiv, durchprozessiert und lenkend Die Fälle, die dem Typ ko-konstruktiv zugeordnet wurden, zeichnen sich in der Gestaltung ihres Englischunterrichts dadurch aus, dass sie sich in Erzählungen über ihre Handlungs‐ praxis konsequent im Kollektiv der Lernenden verorten und unterrichtliche Aktivitäten als gemeinsam gestaltete Praxis rahmen. Letzteres wird insbesondere dadurch deutlich, dass Lernende als aktiv handelnde Individuen wahrgenommen werden, deren Interessen und (Lern-)Bedürfnisse - auch initiiert durch die Lernenden selbst - nahezu selbstverständlich im Unterricht aufgegriffen werden. Auch werden auf die Hintergründe und Lernbedürf‐ nisse der Lernenden abgestimmte Unterstützungsangebote zur Verfügung gestellt, die mit den Schüler*innen gemeinsam bearbeitet werden. Den (Lern-)Voraussetzungen und individuellen Bedürfnissen der Lernenden wird für die Gestaltung des Englischunterrichts eine größere Priorität eingeräumt als formalen und normativen Vorgaben (wie z. B. Lehr‐ werke, Curricula, Stundenphasierungen etc.). Über Letztere setzen sich die Fälle dieses Typs aufgrund der wahrgenommenen Bedürfnisse ihrer Schüler*innen weitestgehend hinweg. Auch der fachliche Fokus des Unterrichts richtet sich weniger auf formale Aspekte der englischen Sprache, wie z. B. Sprachrichtigkeit oder die Vermittlung von Sprachstrukturen. Vielmehr orientieren sich die Fälle dieses Typs in ihrem Englischunterricht an Kommuni‐ kation und Verständigung und fokussieren die Anwendung der englischen Sprache in der außerschulischen Lebenswelt ihrer Schüler*innen. Der Englischunterricht ist durch Wertschätzung, Nähe, Verständnis und einer Bereitschaft zur Anpassung gekennzeichnet. Die Fälle des Typs durchprozessiert zeichnen sich in der Gestaltung ihres Englischun‐ terrichts dadurch aus, dass sie ihre Handlungspraxis ausgehend von institutionellen 7.2 Typologie zur Gestaltung des Englischunterrichts im Umgang mit Lernenden 179 <?page no="180"?> und formalen Vorgaben sowie normativ wahrgenommenen Anforderungen gestalten (wie z. B. Lehrwerke, Curricula etc.). Charakteristisch für das unterrichtliche Handeln dieses Lehrkräftetyps sind eine Durchprozessierung von vorgegebenen Themen sowie eine Orientierung an curricularen und formalen Vorgaben. Hinsichtlich des fachlichen Fokus stellt der durchprozessierte Typ einen Mischtyp dar. So ließen sich sowohl Fälle finden, die ihren fachlichen Schwerpunkt im Englischunterricht auf das Sprechen und damit auf die Förderung der kommunikativen Kompetenzen ihrer Schüler*innen legen. Auf der anderen Seite konnten Fälle identifiziert werden, die Sprachrichtigkeit sowie die Vermittlung von formalen Strukturen der englischen Sprache priorisieren. Die Lehrkräfte rahmen sich als Strukturgeber*innen bei der Vermittlung von Unterrichtsinhalten, indem sie die Auseinandersetzung mit fachlichen Inhalten vorbereiten, initiieren sowie anleiten und damit das Voranschreiten im Curriculum ermöglichen. Die Schüler*innen werden insofern als aktiv Handelnde gerahmt, als sie sich mit den als relevant gesetzten fachlichen Inhalten auseinandersetzen und diesbezügliche Anforderungen erfüllen. Im Gegensatz zum ko-konstruktiven Typ bilden die Bedürfnisse, Interessen und individuellen Hintergründe der Lernenden nicht den Ausgangspunkt des Unterrichts. Dementsprechend wird die Relevanz des Englischlernens auch nicht in Bezug auf die Befähigung zur Teilnahme an der außerschulischen Lebenswelt, sondern vielmehr in Bezug auf die Erfüllung sowie das Erreichen fachlicher und inhaltlicher Standards relevant. Dennoch nehmen die Lehrkräfte des durchprozessierten Typs die Hintergründe und Interessen der Schüler*innen wahr und verhandeln diese in Bezug auf die Passung bzw. Nicht-Passung mit den zu vermittelnden Inhalten des Englischunterrichts. Letzteres ist durch Spannungen sowie Suchbewegungen in den Erzählungen der Lehrkräfte gekennzeichnet. Der Typ lenkend gestaltet den Englischunterricht ausgehend von eigenen Ziel- und Schwerpunktsetzungen und bringt die eigenen habituellen Orientierungen insistent zur Geltung. Die Handlungspraxis der diesem Typ zugeordneten Fälle orientiert sich weniger an den Bedürfnissen und Hintergründen der Lernenden als vielmehr an eigenen Relevant‐ setzungen sowie formalen und methodisch-didaktischen Aspekten (Curricula, Verordnun‐ gen, Unterrichtsmethoden etc.). Auch zu wahrgenommenen institutionsbezogenen Normen positioniert sich dieser Typ weniger spannungsreich und integriert diese in die eigene Handlungspraxis. Charakteristisch für die Gestaltung des Englischunterrichts dieses Typs ist die Kontrolle und Lenkung von Lern- und Unterrichtsprozessen. Dementsprechend rah‐ men sich die Lehrkräfte selbst als Expert*innen für die Vermittlung von fachlichen Inhalten sowie als Initiator*innen und Kontrolleur*innen von Lernprozessen. Die Lernenden werden demgegenüber als anonymes und von der Lehrkraft abgegrenztes Kollektiv sowie als passive Rezipient*innen von Lerninhalten kozeptualisiert. Dies wird insbesondere dadurch deutlich, dass sich die Lehrkräfte dieses Typs in ihren Erzählungen vom Kollektiv der Ler‐ nenden distanzieren und ihr eigenes Handeln konsequent hervorheben. Auch finden sich nur wenige Erzählungen über individuelle Schüler*innen, die vor allem dann Erwähnung finden, wenn sie den institutionsbezogenen Anforderungen oder denjenigen der Lehrkräfte nicht nachkommen (können). Den fachlichen Fokus des Englischunterrichts bilden die Vermittlung von Grammatik sowie die Befähigung der Schüler*innen zur Produktion von sprachlich korrekten Äußerungen. Anders als bei den beiden zuvor genannten Typen findet sich beim lenkenden Typ eine Relevantsetzung von ‚zielsprachlichen‘ Sprachvorbildern, 180 7 Typenbildungen und Ergebnisdarstellung <?page no="181"?> 153 Die native speaker-Norm bezieht sich auf das im bildungspolitischen und unterrichtlichen Kontext noch immer vorherrschenden Ideal muttersprachlicher Kompetenzen (vgl. GeR 2001; Wilken 2021). Hiermit verbunden sind meist implizite Anforderungen an Englischlehrkräfte und -lernende, die englische Sprache möglichst so gut wie native-speaker zu beherrschen und über eine dementspre‐ chende Aussprache zu verfügen (vgl. Wilken 2021). Dies geht weiterhin mit der Priorisierung des British oder American English einher. 154 Die Ausprägung „Fokus auf Gegenstand“ bezeichnet die fachliche Orientierung der Lehrkräfte auf inhaltliche Aspekte des Englischunterrichts, wogegen sich die Ausprägung „Fokus auf Stoff “ auf die Durchprozessierung von curricular vorgegebenen Inhalten bezieht. Bei letzterem geht es um das Abarbeiten eines bestimmten Pensums (vgl. auch Wilken 2021). was als eine Orientierung an der native speaker-Norm 153 gefasst werden kann (vgl. hierzu auch Kapitel 8). Nachdem nun die Erfahrungsdimension der Gestaltung des Englischunterrichts im Um‐ gang mit Lernenden in ihrer Auffächerung in verschiedene Bearbeitungstypen dargestellt wurde, wird in den folgenden Abschnitten anhand von geeigneten Textstellen illustriert, wie sich die hier beschriebenen typisierten Orientierungsrahmen in den jeweiligen Typiken zeigen. 7.2.1 Typik: Ausgangspunkt des Englischunterrichts Der Englischunterricht als zentrales Handlungsfeld von Englischlehrkräften erhält nicht nur durch das Forschungsinteresse, sondern auch durch den einleitenden Frageimpuls der Interviewerin und der sich hieran anschließenden Erzählungen der Lehrkräfte beson‐ dere Aufmerksamkeit. Im komparativen Vergleich aller Fälle ließen sich anhand der die Interpretation leitenden Frage, was die befragten Lehrkräfte beim Erzählen über ihren Englischunterricht in den Mittelpunkt stellen, zwei Typiken identifizieren, die sich auf Unterrichtsaspekte beziehen. Diese werden im Folgenden als Ausgangspunkt des Englisch‐ unterrichts sowie als fachlicher Fokus bezeichnet. Innerhalb der Typik des Ausgangspunkts des Englischunterrichts, auf welche im Folgenden als erstes eingegangen wird, ließen sich drei Handlungsorientierungen als Aspekte der typisierten Orientierungsrahmen i.e.S. identifizieren. Diese beschreiben die Gestaltungsgrundlage des Englischunterrichts der jeweiligen Typen und konstituieren sich wie folgt: Typen Typ I ko-konstruktiv Typ II durchprozessiert Typ III lenkend Typik Handlungsorientierungen Ausgangspunkt des Englischunterrichts Fokus auf Lernende Fokus auf Gegenstand 154 / Stoff Fokus auf Lehrkraft Tabelle 11: Typik Ausgangspunkt des Englischunterrichts mit den typenspezifischen Ausprägungen Fokus auf Lernende, Fokus auf Gegenstand/ Stoff und Fokus auf Lehrkraft. Der Englischunterricht des ko-konstruktiven Typs zeichnet sich dadurch aus, dass die zugeordneten Fälle ihren Unterricht als gemeinsame Praxis rahmen und sich hierbei kon‐ sequent im Kollektiv der Lernenden verorten. Innerhalb der Typik des Ausgangspunkts des 7.2 Typologie zur Gestaltung des Englischunterrichts im Umgang mit Lernenden 181 <?page no="182"?> 155 Im Folgenden werden die Interviewauszüge wie hier dargestellt angeführt. Die Zeilennummerierun‐ gen der einzelnen Passagen sowie im Text dienen der besseren Orientierung und Nachvollziehbarkeit der Interpretationen und entsprechen nicht den Zeilennummerierungen in den Originaltranskripten. Die originalen Zeilennummerierungen sind in Klammern hinter dem entsprechenden Interviewaus‐ zug angegeben. Weiterhin sind hier das Pseudonym des Falls sowie der Interviewzeitpunkt vermerkt (t1 oder t2). Englischunterrichts ließen sich für diesen Typ Handlungsorientierungen rekonstruieren, die sich dadurch charakterisieren, dass die Fälle die Bedürfnisse, individuellen Hintergründe sowie Relevantsetzungen ihrer Schüler*innen zur Gestaltungsgrundlage ihres Englisch‐ unterrichts machen. Deutlich wird dies insbesondere dadurch, dass nicht etwa formale Vorgaben und institutionsbezogene Normen für das unterrichtliche Handeln als relevant gerahmt werden. Vielmehr weichen die diesem Typ zugeordneten Fälle von ebendiesen Vorgaben ab, um auf die Bedürfnisse der Lernenden einzugehen. Weiterhin zeigt sich die Orientierung an den Lernenden dadurch, dass die Lehrkräfte aus den wahrgenommenen Bedürfnissen und Hintergründen ihrer Lernenden Anschlusshandlungen ableiten, wie z. B. die Anpassung des ursprünglich geplanten Unterrichtsvorhabens oder aber die Bereitstellung von auf die Lernenden abgestimmte Unterstützungsmaßnahmen. Dies soll exemplarisch anhand von Passagen aus dem Interview mit Frau Altay illustriert werden: 349 - ähm (4) genau ja also das (.) also das äh ich weiß nicht, ob Sie es 350 mitbekommen haben, […] in *Name der Stadt* gab es ja auch […] dieses (.) 351 Attentat (.) ja (.) und äh wir haben auch in den Englischstunden ganz, 352 ganz viel über ähm also über diesediese Geschichte, also (unv.) was 353 passiert ist gesprochen, also das war jetzt haltals ichich konnte ja 354 nicht einfach den Unterricht mit so einem Signal weiterführen als sei 355 nichts gewesen, sondern (.) die Schüler hatten ganz viel Bedarf 356 (Transkript Altay, t1, Z. 349-357) 155 In dieser Passage beschreibt Frau Altay Situationen aus ihrem Englischunterricht, die ihr in Erinnerung geblieben sind. Hierbei bezieht sie sich auf eine Englischstunde, die im Anschluss an ein Attentat, welches sich in Deutschland ereignete, stattgefunden hat. Den Fokus dieser Passage bildet das gemeinsame Sprechen mit den Schüler*innen über dieses Ereignis, was durch ihren Ausdruck „ ganz, ganz viel “ (Z. 351-352) hervorgehoben wird. Frau Altay nimmt weiterhin die Bedürfnisse ihrer Schüler*innen wahr und leitet hieraus Konsequenzen für ihre Unterrichtsgestaltung ab. Das Bedürfnis der Schüler*innen, über das Ereignis zu sprechen wird gegenüber dem ‚Weiterführen‘ des Englischunterrichts priorisiert (vgl. Z. 355 ff.). Damit macht Frau Altay einen Teil der außerschulischen Lebenswelt der Lernenden zum Unterrichtsgegenstand und verdeutlicht damit, dass sie den Relevantsetzungen ihrer Schüler*innen Bedeutung beimisst. Dass Frau Altay ihren Englischunterricht ausgehend von den Lernenden gestaltet, zeigt sich nicht zuletzt anhand ihres Ausdrucks „ als ichich konnte ja nicht einfach den Unterricht mit so einem Signal weiterführen als sei nichts gewesen “ (Z. 353-355). Hier nimmt Frau Altay ein Spannungsverhältnis zwischen der Norm der Abarbeitung eines hier nicht näher explizierten Curriculums sowie ihrer Orientierung an den Lernenden wahr, was sich an‐ 182 7 Typenbildungen und Ergebnisdarstellung <?page no="183"?> hand ihrer Suchbewegung verdeutlicht. Dieses Spannungsverhältnis löst sie für sich jedoch auf, indem sie ihrer habituellen Orientierung nachkommt und diese als Selbstverständlich‐ keit rahmt. Letzteres zeigt sich durch die Verwendung des Selbstverständlichkeitsmarkers „ ja “ (Z. 353). Ebenfalls deutlich wird die Orientierung Frau Altays an den Lernenden in der Gestaltung ihres Englischunterrichts in Situationen, in welchen sie von Schüler*innen mit Schwierigkeiten im Englischunterricht erzählt: 552 - also ich merke, dass sie große 553 Schwierigkeiten hat, ähm zum Beispiel Texte zu verstehen im Englischun- 554 terricht, ja? (.) Und ich habe dann lange überlegt, woran könnte das denn 555 liegen, dass sie so große Schwierigkeiten hat und da (.) muss ich immer 556 gucken, äh also die braucht ganz viel Unterstützung ähm im Unterricht 557 ich- (.) jetzt während Corona ist es sehr schwer, weil ich auch nicht 558 hingehen kann undäh also zu ihr, aber äh vorher bin ich dann hingegangen, 559 habe mich zu ihr gesetzt und wir haben nochmal zusammen über die Aufgabe 560 gesprochen (.) (Transkript Altay, t1, Z. 552-563) Frau Altay beginnt ihre Erzählung mit Hintergrundinformationen über eine Schülerin in ihrer achten Klasse, die „ große Schwierigkeiten “ (Z. 552-553) im Englischunterricht hat. Indem die Lehrkraft zunächst ihre eigenen Wahrnehmungen hinsichtlich dieser Schwierig‐ keiten sowie ihre Suche nach Ursachen für die Probleme der Schülerin beim Spracherwerb beschreibt, hebt sie die Relevanz der individuellen Hintergründe ihrer Lernenden für ihren Englischunterricht hervor. Aus diesen Hintergründen und individuellen Lernbedürfnissen der Schülerin leitet Frau Altay sodann entsprechende Handlungsoptionen ab, die darin bestehen, die Schülerin im Englischunterricht beim Lernen zu unterstützen und gemeinsam mit ihr über unterrichtsbezogene Aufgaben zu sprechen. Dies nimmt die Lehrkraft als selbstverständliche Anforderung an ihr Handeln wahr, was anhand des Selbstverständ‐ lichkeitsmarkers „ muss ich immer gucken “ (Z. 555-556) deutlich wird. Durch die sich anschließende Beschreibung ihres Handelns zeigt Frau Altay eine Zugewandtheit ihrer Schülerin gegenüber und konstruiert hierdurch Nähe (vgl. Z. 558-560). Diese Nähe zeigt sich auch auf räumlicher Ebene, indem die Lehrkraft es als Herausforderung wahrnimmt, „ jetzt während Corona “ (Z. 557) nicht zu ihrer Schülerin gehen und sich ihr damit physisch nicht nähern zu können (vgl. Z. 558). Es sind folglich weniger die Schwierigkeiten der Schülerin sowie die hiermit verbundene Anforderung, Differenzierungsangebote zu machen, eine Herausforderung für die Lehrkraft. Vielmehr wird die durch die Coronapan‐ demie eingeschränkte Möglichkeit, auf die Bedürfnisse ihrer Schülerin einzugehen und sich ihr individuell zuzuwenden, als negativer Gegenhorizont gerahmt. Auch hierdurch zeigt sich die Relevanz des Aufbaus von Nähe zu den Schüler*innen für die Handlungspraxis Frau Altays und damit eine Orientierung an den Lernenden. Diese Orientierung konturiert sich im weiteren Verlauf der Passage, in welcher Frau Altay Strategien für das Lesen und Verstehen von Texten beschreibt, die sie ihrer Schülerin vermittelt: 7.2 Typologie zur Gestaltung des Englischunterrichts im Umgang mit Lernenden 183 <?page no="184"?> 156 An Gesamtschulen werden die Hauptfächer Englisch, Mathematik und Deutsch häufig entlang verschiedener Leistungsniveaus in A-, B- und C-Kurse differenziert. Hierbei steht der A-Kurs für das Gymnasialniveau, der B-Kurs für das Realschulniveau und der C-Kurs für das Hauptschulniveau. 563 und äh ich habe ihr dann auch gesagt, dass sie nicht jedes einzelne Wort 564 verstehen muss zum Beispiel, wennerstmal wenn sie den Zusammenhang 565 versteht, dass das ganz, ganz toll schon ist (Transkript Altay, t1, Z. 566 563-566) Statt die Schwierigkeiten der Schülerin aus einer Defizitperspektive zu betrachten und mit den institutionsbezogenen Normen sowie fachlichen Standards zu kontrastieren (wie z. B. im Typ lenkend), bricht Frau Altay die zu erfüllenden Anforderungen in Bezug auf das Textverstehen für ihre Schülerin herunter und legt den Fokus auf die Hervorhebung bereits vorhandener Kompetenzen (vgl. Z. 563-565). Hierbei stehen Wertschätzung, Verständnis und Motivation im Fokus des Handelns der Lehrkraft und damit eine positive und der Schülerin zugewandte Haltung. Die Orientierung an den Lernenden und deren Hintergründen zeigt sich auch im Fall Bauer, welcher einen minimalen Kontrast innerhalb des ko-konstruktiven Typs darstellt. Zwar liegt der Fokus hier weniger auf den individuellen Bedürfnissen als vielmehr auf den (Lern-)Voraussetzungen und Hintergründen der Lernenden. Dennoch wird deutlich, dass die Lehrkraft auf diese Hintergründe eingeht und ihren Englischunterricht entsprechend anpasst: 170 Also wir, wir haben eher so ein bisschen Lebenstraining gemacht. Lebens- 171 und Überlebenstraining in Deutschland. (.) Ah das war eine sehr schwierige 172 Geschichte, weil ich noch deren Sprache, die sie beherrschten nicht ver- 173 stand, sie verstanden mich nicht, wir versuchten es mit Englisch und äh 174 das scheiterte, weil wir eben @auch noch keine, keine überlappenden Kom- 175 petenzen hatten@. Und wir haben dann (.) uns ähviel mit Händen und Füßen 176 und äh eben, und dann (.) erfolgreich mit Hilfen von Externen, in denen 177 nämlich äh Schülerinnen und Schüler, die schon ein bisschen (.) Deutsch 178 oder Englisch sprachen aus Parallelklassen uns dann ab und an mal besuchen 179 kamen und äh halfen beim Verständnis. (Transkript Bauer, t1, Z. 170- 180 181) In dieser Passage erzählt Frau Bauer von ihrem Berufseinstieg und den Anforderungen, vor welche sie sich im Englischunterricht in einem C-Kurs 156 der Jahrgangsstufe 5 aufgrund der heterogenen Sprachkenntnisse ihrer Schüler*innen gestellt sah. Vor dem Einsetzen der ab‐ gebildeten Passage bringt sie zum Ausdruck, dass ihr anfänglicher Anspruch des fachlichen Arbeitens „ vollkommen überlagert wurde von einer kulturellen Arbeit “ (Transkript Bauer, t1, Z. 156-157). Statt jedoch an den fachlichen Anforderungen und normativen Vorgaben des Curriculums festzuhalten und diese für die eigene Handlungspraxis als relevant zu rahmen (wie z. B. im Typ durchprozessiert), passt die Lehrkraft ihr Handeln an die Voraussetzungen der Lernenden an und führt mit diesen zunächst „ eher so ein bisschen 184 7 Typenbildungen und Ergebnisdarstellung <?page no="185"?> 157 Bei der Wahl dieses Begriffs sowie der Bezeichnung der Handlungsorientierung ‚Stoff‘ kritisch anzumerken ist, dass der Begriff in aktuellen Diskursen häufig negativ konnotiert wird (vgl. zusammenfassend Wilken 2021). In der vorliegenden Arbeit geht diese Bezeichnung jedoch nicht mit einer negativen Bewertung einher, sondern stellt eine empirisch rekonstruktiv gewonnene Kategorie dar. Letztere soll die Orientierung an der Abarbeitung eines bestimmten inhaltlichen Pensums zum Ausdruck bringen. 158 Bei The Blue Planet handelt es sich um ein durch das Kerncurriculum für die gymnasiale Oberstufe (vgl. HKM 2022: 33) vorgegebenes Thema für das zweite Halbjahr der Einführungsphase. Lebenstraining […] Lebens- und Überlebenstraining in Deutschland “ (Z. 170-171) durch. Ähnlich wie im Fall Altay erhält die außerschulische Lebenswelt der Lernenden sowie das Zurechtfinden in ebendieser Bedeutung für den Englischunterricht und wird zum inhaltlichen Gegenstand. Es geht nämlich zunächst nicht um den Erwerb des Englischen bzw. um die Vermittlung von Grammatik. Vielmehr legt die Lehrkraft den Fokus auf das Zurechtfinden in Deutschland. Wie auch im Fall Altay werden die sprachlichen Schwie‐ rigkeiten der Schüler*innen nicht aus einer defizitorientierten Perspektive betrachtet und auch nicht mit den normativen Anforderungen und Leistungserwartungen der Institution Schule kontrastiert (wie z. B. im Typ lenkend). Vielmehr wird die Entwicklungsperspektive der Schüler*innen und die Möglichkeit betont, diese Kompetenzen „ noch “ (Z. 172; 174) zu erwerben. Durch ihre Positionierung in einem kollektiven ‚Wir‘ macht sich Frau Bauer selbst zur Lernenden und wird damit Teil dieses Entwicklungs- und Lernprozesses. Letzteres zeigt sich auch in ihrem argumentativen Ausdruck „ weil wir eben @auch noch keine, keine überlappenden Kompetenzen hatten@ .“ (Z. 174-175). Das Gelingen von Unterricht bzw. der Vermittlung von fachlichen Inhalten wird von einer gemeinsamen Kompetenzbasis abhängig gemacht, die sich zunächst entwickeln bzw. die gemeinsam erarbeitet werden muss. Damit konstruiert die Lehrkraft Nähe zu ihren Schüler*innen jenseits von einem instruktivistischen Englischunterricht. Im Kontrast hierzu ist der Ausgangspunkt des Englischunterrichts im durchprozessierten Typ durch Handlungsorientierungen gekennzeichnet, die sich auf die Vermittlung von fachlichen bzw. inhaltlichen Gegenständen sowie auf die Durchprozessierung von curri‐ cular vorgegebenem Unterrichtsstoff 157 beziehen. In Erzählungen über Englischunterricht stehen Aufgabenbeschreibungen, die inhaltliche Verortung im Curriculum sowie die Hervorhebung von Fachhinhalten im Vordergrund. Dies soll anhand der Eingangspassage aus dem Interview des Falls Friedrich veranschaulicht werden: 22 und äh: m tatsächlich ist mir d: a relativ äzügig gerade eine Stunde 23 eingefallen ähm (2) und zwar ähwar es äheine Stunde in der E-Phase 24 und ähm es gin: g thematisch um um dumpster diving. Das ging um äh, (.) 25 also es ging irgendwi: e ähja The Blue Planet 158 war war gerade das Thema 26 das wir machen mussten und ähm ich hatte da eine Stunde zum zum Thema 27 dumpster diving gemacht und hatte denen halt (.) ähm ähhab mit denen 28 versucht das irgendwie mal aufzuarbeiten (Transkript Friedrich, t1, Z. 29 22-29) 7.2 Typologie zur Gestaltung des Englischunterrichts im Umgang mit Lernenden 185 <?page no="186"?> Frau Friedrich eröffnet ihre Erzählung über eine Englischstunde, die ihr im Gedächtnis geblieben ist mit der Beschreibung des thematischen Fokus der ausgewählten Stunde. Im Gegensatz zum Typ ko-konstruktiv auffällig ist zunächst die Passivität der Akteur*innen im Englischunterricht, denn weder die Lehrkraft noch die Lernenden werden initial als aktiv Handelnde beschrieben. Vielmehr hebt die Lehrkraft die curriculare Verortung der Englischstunde hervor und bringt hierdurch ihre Orientierung an institutionsbezogenen Anforderungen zum Ausdruck. Letzteres zeigt sich insbesondere anhand ihres Ausdrucks „ The Blue Planet war war gerade das Thema das wir machen mussten “ (Z. 25-26). Das Abarbeiten von curricular verorteten Themen wird von Frau Friedrich als Selbstver‐ ständlichkeit bzw. als Norm gerahmt, was sich durch den Selbstverständlichkeitsmarker „ mussten “ (Z. 26) zeigt. Diese Norm wird nicht hinterfragt, sondern als bindend für ein hier nicht näher bestimmtes Kollektiv angenommen („ wir “). Auch wird der Fokus auf das Abarbeiten von fachbezogenen Inhalten anhand der wiederholten Verwendung des Adverbs „ irgendwie “ (Z. 25, Z. 28) deutlich. In den Beschreibungen der Lehrkraft geht es weniger darum, wie das inhaltliche bzw. curriculare Ziel der Stunde erreicht wird, nämlich das Thema dumpster diving zu behandeln. Vielmehr geht es um die Tatsache, dass es thematisiert wird. Auch im Fall Hohenstein zeigt sich eine Orientierung an der Abarbeitung von curricu‐ laren Inhalten und damit eine Relevantsetzung von zu behandelnden inhaltlichen bzw. fachlichen Gegenständen. Hierbei entsteht jedoch ein minimaler Kontrast innerhalb des Typs durchprozessiert. Im Gegensatz zum Fall Friedrich erwähnt der Fall Hohenstein die Interessen sowie die außerschulische Lebenswelt der Lernenden. Diese werden jedoch nur insofern relevant, als sie zu den im Englischunterricht zu behandelnden Themen passen: 36 ich habe einen Leistungskurs Englisch und wir (.) ähm haben die Genderthe- 37 matik, ähm die kommt in der Q4 dran, durchgenommen und die Schüler sind 38 so (.) naja die sind schon musikalisch interessiert gewesen (.) Wir haben 39 eine Stunde zu Drake gemacht (.) einem Sänger, der also den sie ganz gerne 40 hören ähm da gibt es ein Video ähm zu (.) ähm ja einem Song, der heißt 41 "Nice for what? " und das hat ganz gut zum Thema gepasst (Transkript Hohen- 42 stein, t1, Z. 36-42) Die Verben ‚drankommen‘ und ‚durchnehmen‘ (vgl. Z. 37) verweisen in erster Linie auf ein lineares bzw. zügiges Abarbeiten von Themen, welche für die entsprechende Jahr‐ gangsstufe als relevant gerahmt werden. Im Gegensatz zum Fall Friedrich konstruiert die Lehrkraft Nähe zu ihren Schüler*innen, indem sie deren Interessen und Relevantsetzungen wahrnimmt und damit einen Bezug zur außerschulischen Lebenswelt herstellt (vgl. Z. 37-40). Dieser Lebensweltbezug sowie die Interessen der Schüler*innen werden für den Englischunterricht jedoch nur insofern bedeutsam, als eine Passung zu den vorgegebenen curricularen Themen besteht. Letzteres zeigt sich in ihrer Äußerung „ und das hat ganz gut zum Thema gepasst “ (Z. 41). Dass der Fokus des Englischunterrichts dieses Lehrkräftetyps auf dem Abarbeiten von inhaltlichen Vorgaben und weniger auf den Hintergründen der Lernenden liegt, zeigt sich 186 7 Typenbildungen und Ergebnisdarstellung <?page no="187"?> auch in Passagen, in welchen die Lehrkräfte sich explizit über ihren Englischunterricht äußern und ihr Handeln reflektieren: 268 es ist so eines sind eher so die (.) also mein Tagesgeschäft ist ja, 269 wenn ich so fokussiert bin auf, was weiß ich irgendwie Grammatik runter- 270 reißen und solche Texte lesen, dann weniger so welche Spuren könnte es 271 noch geben? Wer könnte noch hier irgendwelche Verknüpfungen haben? (Tran- 272 skript Hohenstein, t1, Z. 268-272) Hervorgehoben werden auch hier diejenigen Aspekte des Handelns der Lehrkraft, die sich auf das Abarbeiten von inhaltlichen Themen beziehen, wie z. B. das ‚Runterreißen‘ von Grammatik oder aber das Lesen von Texten (vgl. Z. 269-270). Sowohl der Ausdruck „ Tagesgeschäft “ (Z. 268) als auch das Verb „ runterreißen “ (Z. 269-270) machen deutlich, dass es sich bei dem von der Lehrkraft beschriebenen Handeln um ein routiniertes Handeln handelt, welches auf das Abarbeiten eines bestimmten Pensums ausgerichtet ist. Hierbei geht es weder darum, wie dieses Pensum erreicht wird, noch geht es um die Schüler*in‐ nen, deren Interessen oder Hintergründe. In Abgrenzung zum Typ ko-konstruktiv, bei welchem die Hintergründe und Bedürfnisse der Lernenden die Handlungsgrundlage für das Unterrichten und Vermitteln von Inhalten im Englischunterricht darstellen, geht bei den Fällen des Typs durchprozessiert nahezu eine Notwendigkeit des Unterrichtens aus (vgl. ‚Tagesgeschäft‘; ‚müssen‘). Für den Typ lenkend ließen sich in der Typik des Ausgangspunkts des Englischunterrichts Handlungsorientierungen rekonstruieren, die sich auf das Handeln und die Relevantset‐ zungen der Lehrkraft beziehen und diese hervorheben. Den Englischunterricht dieses Typs zeichnet aus, dass Unterrichtsprozesse sowie die Vermittlung von Unterrichtsinhalten ausgehend von der Lehrkraft gedacht und gestaltet werden und das Verhalten der Schü‐ ler*innen dementsprechend gelenkt und kontrolliert wird. Die Handlungsorientierung des Fokus auf die Lehrkraft zeigt sich am deutlichsten im Fall Schneider. Charakteristisch für diesen Fall ist ein hoher Anteil an argumentativen Textpassagen, in welchen der Fokus auf die Darstellung der eigenen Vorlieben sowie der Anforderungen, welche die Lehrkraft an ihre Schüler*innen stellt, liegt: 26 Also mir geht es da auch um Qualität (2) Ich ähm möchte, dass die Schüler 27 mal in ihren eigenen Worten den Text wiedergeben und nicht immer nur den 28 Text ablesen (.) also die sollen auch mal sinnerfassend lesen und sich 29 Notizen machen und ähm Fragen an den Text stellen (.) und das dann eben 30 halt auch präsentieren. (Transkript Schneider, t1, Z.26-31) Im Gegensatz zu den Fällen der Typen ko-konstruktiv und durchprozessiert leitet Frau Schneider ihre Antwort auf die Frage nach einer Englischstunde, die ihr im Gedächtnis geblieben ist, mit der Hervorhebung ihrer eigenen Person, ihrer Vorlieben sowie den Anforderungen, die sie an ihre Schüler*innen stellt, ein. Neben dem hohen Anteil an argu‐ mentativen und bewertenden Textsorten wird hier eine häufige Verwendung der 1. Person Singular deutlich (vgl. hierzu auch Transkript Schneider, t1, Z. 4-36). Die Schüler*innen werden nicht als aktiv Handelnde, sondern als distale Gruppe konzeptualisiert, was sich 7.2 Typologie zur Gestaltung des Englischunterrichts im Umgang mit Lernenden 187 <?page no="188"?> textuell anhand des unpersönlichen Ausdrucks „ die “ (Z. 28) zeigt. Zwar beschreibt die Lehrkraft Aufgaben, bei welchen die Schüler*innen „ in ihren eigenen Worten den Text wiedergeben “ (Z. 27) sollen. Durch die Verwendung des Modalverbs „ sollen “ (Z. 28) werden jedoch der Aufforderungscharakter der Äußerung und damit die Anforderungen und Zielsetzungen der Lehrkraft betont. Die Lernprozesse der Schüler*innen erscheinen demgegenüber nachrangig. Die Hervorhebung des eigenen Handelns sowie der Steuerung von Unterrichts- und Lernprozessen zeigt sich auch im Fall Hofmann: 4 Regine Hofmann: Okay, (.) die erste (.) Englischstunde, meine erste Prüfung 5 (1) meine erste Prüfung, also das erste Modul, ähm (.) habe ich ich bin 6 so ein Theatertyp (.) äh ich mache sehr viel theatralisch und ich liebe 7 das Theaterspiel (.) und da habe ich gedacht, kurz vor Weihnachten (.) 8 lädst du das ganze Seminar zu dir ein, ich meine das waren so 15 Leute, 9 die kommen zu dir, du gibst ne Runde aus und dann machst du deine Show. 10 (.) Ich habe die Weihnachtsgeschichte schön einfach geschrieben für eine 11 dritte Klasse; (.) hello Mary, (.) hello Joseph, look at the baby, so 12 ein bisschen ganz kindisch so ganz einfach (.) und habe wunderschön diese 13 Geschichte nachgespielt. (Transkript Hofmann, t1, Z. 4-15) Die Eingangspassage des Interviewgesprächs beginnt mit der Beschreibung einer Prüfungs‐ situation aus dem Vorbereitungsdienst der befragten Lehrkraft, bei welcher der Fokus zunächst auf der Hervorhebung von Identitätsnormen und Charaktereigenschaften liegt (vgl. Z. 5-7). Analog zum Fall Schneider fällt auch im Fall Hofmann die häufige Verwendung der ersten Person Singular auf. Indem die Lehrkraft erwähnt, dass sie „ so ein Theatertyp “ sei und „ sehr viel theatralisch “ mache (Z.6) wird die im weiteren Verlauf der Passage beschriebene Englischstunde nicht vor dem Hintergrund der Passung mit curricularen Vorgaben oder aber den Interessen der Schüler*innen gerahmt. Vielmehr ergibt sich die Auswahl des Themas sowie die methodisch-didaktische Gestaltung der Stunde vor dem Hintergrund der persönlichen Vorlieben der Lehrkraft. Durch die Verwendung des Adjek‐ tivs „ theatralisch “ (Z. 6), welches im alltäglichen Sprachgebrauch auf etwas Gekünsteltes, Aufgesetztes oder Affektiertes hinweist, deutet sich bereits an, dass die Lehrkraft die beschriebene Englischstunde als Inszenierung rahmt. Letzteres bestätigt sich in ihrer Äußerung „ dann machst du deine Show “ (Z. 9). Die Lernprozesse und das Handeln der Schüler*innen spielen hierbei keine Rolle. Dies wird dadurch deutlich, dass die Lehrkraft die Lernenden zunächst nicht erwähnt und nur indirekt auf diese durch die Nennung des Schwierigkeitsgrades der von ihr erstellten Weihnachtsgeschichte Bezug nimmt (vgl. Z. 10). Die Lehrkraft konzeptualisiert sich damit als einzige Akteurin in ihrer beschriebenen Stunde, denn sie ist diejenige, welche die Weihnachtsgeschichte schreibt und nachspielt (vgl. Z. 11-12). Auch durch den Ausdruck „ deine Show “ (Z. 9) deutet sich an, dass der Englischunterricht ausgehend von der Lehrkraft gedacht und durchgeführt wird. Für diese Lesart spricht, dass Frau Hofmann den Englischunterricht durch ihre Äußerung „ und da habe ich gedacht, kurz vor Weihnachten (.) lädst du das ganze Seminar zu dir ein, […] die kommen zu dir “ (Z. 7-9) zu einem privaten Raum macht, in welchem es weniger um das Vermitteln von fachlichen Inhalten oder aber die Lernprozesse der 188 7 Typenbildungen und Ergebnisdarstellung <?page no="189"?> Schüler*innen geht. Vielmehr stehen die Inszenierung des Englischunterrichts und damit die ‚Show‘ der Lehrkraft im Mittelpunkt. 7.2.2 Typik: Fachlicher Fokus Innerhalb der Typik Fachlicher Fokus wurden im komparativen Fallvergleich Handlungs‐ orientierungen herausgearbeitet, welche die fachlichen Spezifika des Handelns von Engli‐ schlehrkräften deutlich machen und beschreiben, welche Schwerpunkte die rekonstruier‐ ten Fälle jeweils bezüglich des Erlernens bzw. Erwerbs der englischen Sprache legen. Im Sample ließen sich zwei verschiedene Handlungsorientierungen rekonstruieren, die als Fokus auf Kommunikation und Verständigung sowie als Fokus auf Sprachrichtigkeit, Form und Struktur bezeichnet wurden. Die rekonstruierten Handlungsorientierungen stellen ein Kontinuum dar und sind als Extremausprägungen zu verstehen. Deutlich wird dies anhand des Typs durchprozessiert, bei welchem sich sowohl Fälle mit Orientierungen in Bezug auf Kommunikation und Verständigung als auch auf Sprachrichtigkeit, Form und Struktur finden ließen. In Tabelle 12 ist die rekonstruierte Typik dargestellt: - Typen Typ I ko-konstruktiv Typ II durchprozessiert Typ III lenkend Typik Handlungsorientierungen Fachlicher Fokus Kommunikation und Verständigung Sprachrichtigkeit, Form und Struktur Tabelle 12: Typik Fachlicher Fokus mit den Handlungsorientierungen Kommunikation und Verstän‐ digung und Sprachrichtigkeit, Form und Struktur Hinsichtlich des fachlichen Fokus zeichnet sich der Typ ko-konstruktiv dadurch aus, dass in Erzählungen über Unterricht mehrheitlich Situationen beschrieben werden, in welchen es um den kommunikativen Austausch mit den Lernenden über lebensweltliche, d. h. auch außerhalb des Englischunterrichts relevante Themen geht. Das Schaffen von Kom‐ munikationssituationen und Sprechanlässen wird gegenüber der korrekten Anwendung von Sprache sowie der Vermittlung von Grammatikregeln priorisiert. Zwar nehmen die zugeordneten Lehrkräfte dieses Typs den Wortschatzerwerb explizit in den Blick. Diesem wird jedoch nicht vor dem Hintergrund institutioneller Vorgaben Bedeutung beigemes‐ sen, sondern vielmehr in Bezug auf die Befähigung zur Teilnahme an außerschulischen Kommunikationssituationen (vgl. Transkript Altay, t1; Z. 1144 ff.). Auch werden Sprach‐ erwerbssituationen erwähnt, die nicht ausschließlich im Englischunterricht stattfinden, sondern sich vor allem in der außerschulischen Lebenswelt der Schüler*innen ereignen: 428 also das ist ja total spannend auch, weil wenn wir (.) keine Ahnung, wenn 429 wir über Musik sprechen, über Filme sprechen oder über äh soziale Medien 430 im Englischunterricht sprechen, die bringen einfach ganz, ganz viel Wort- 431 schatz zu diesen Themen schon mit aufgrund dessen, dass sie dalso (.) 432 60 Prozent des Tages mindestens online sind (.) und die gucken, ähm also 7.2 Typologie zur Gestaltung des Englischunterrichts im Umgang mit Lernenden 189 <?page no="190"?> 433 viele gucken sich diesedie Serie zum Beispiel nicht mehr auf Deutsch 434 an, sondern mittlerweile auf Englisch (Transkript Altay, t1, Z. 428-435) Deutlich wird hier, dass es im Englischunterricht des Falls Altay neben dem Wortschatz‐ erwerb, welcher „ einfach ganz, ganz viel “ (Z. 430) außerhalb des institutionellen Rahmens stattfindet, vor allem auch um affektive Lernziele, wie z. B. den Austausch über Filme und Musik aus dem außerschulischen Kontext der Lernenden geht. Wie bereits in der exemplarischen Falldarstellung gezeigt, erfolgt der Spracherwerb somit in erster Linie nicht in Bezug auf ein abzuarbeitendes Curriculum, wie im Typ durchprozessiert oder aber in Bezug auf kognitive Lernziele, wie im Typ lenkend. Vielmehr stehen die Teilnahme und Teilhabe an der außerschulischen Lebenswelt der Schüler*innen im Fokus, in welcher die englische Sprache eine für die Schüler*innen bedeutsame Rolle einnimmt. Auch im Fall Bauer werden mehrheitlich Situationen beschrieben, in welchen der kommunikative Austausch sowie die Verständigung mit den Lernenden im Zentrum stehen. Letzteres wurde bereits in der oben angeführten Passage deutlich (vgl. Transkript Bauer, t1, Z. 148 ff.). Auch in argumentativen und beschreibenden Passagen zeigt sich, dass Kommunikation und Verständigung mit den Lernenden einen positiven Horizont für das unterrichtliche Handeln der Lehrkraft bilden: 500 äh insbesondere auch diese Aha-Erlebnisse, die bei den Kindern dann immer 501 wieder kamen, die ja auch irgendwie, das war in *Name der Stadt*, habe 502 ich, das Referendariat gemacht, also auch viel international, wird auch 503 viel Englisch gesprochen. (.) Mhm (.) also die Momente in denen die Kids 504 dann wirklich strahlten und äh verstanden haben was ihnen so begegnete 505 in ihrem Alltag das äh waren so die besonderen Highlights schon im Refe- 506 rendariat. (Transkript Bauer, t1, Z. 500-506) Frau Bauer beschreibt Situationen aus ihrem Referendariat und rahmt die „ Aha-Erlebnisse “ (Z. 500) der Schüler*innen als besondere „ Highlights “ (Z. 505) in ihrem Englisch‐ unterricht. Bei diesen ‚Aha-Erlebnissen‘ handelt es sich um Situationen, in welchen die Schüler*innen „verstanden haben was ihnen so begegnete in ihrem Alltag “ (Z. 504-505). Durch die Hervorhebung des Verbes ‚verstehen‘ zeigt sich, dass weniger die curricular vorgegebenen Inhalte und Lernziele im Mittelpunkt stehen, sondern vielmehr Situationen, in welchen es um das Verstehen der englischen Sprache geht. Ähnlich wie im Fall Altay beziehen sich diese Verstehensprozesse nicht ausschließlich auf den Englischunterricht, sondern ereignen sich in erster Linie außerhalb des unterrichtlichen und institutionellen Rahmens (vgl. ebd.). Die bis hierhin als charakteristisch für die Handlungsorientierung Kommunikation und Verständigung herausgearbeiteten Merkmale zeigen sich teilweise auch in Fällen des Typs durchprozessiert. Letzterer stellt in Bezug auf diese Typik einen Mischtyp dar, da sich sowohl Handlungsorientierungen rekonstruieren ließen, bei welchen Kommunikation und Verständigung das Ziel des Unterrichts bilden als auch Orientierungen, bei welchen Sprachrichtigkeit sowie die Vermittlung formaler Aspekte der englischen Sprache im Zentrum stehen. Ein Beispiel für den ersten Fall stellt das Interviewgespräch mit Simone 190 7 Typenbildungen und Ergebnisdarstellung <?page no="191"?> Wagner dar. Frau Wagner bezieht sich in ihren Erzählungen vornehmlich auf curricular vorgegebene Themen und Inhalte, die sie in ihrem Englischunterricht abarbeiten ‚muss‘. Hierbei beschreibt sie jedoch zahlreiche Situationen aus ihrem Englischunterricht, in welchen es um den kommunikativen Austausch mit den Schüler*innen sowie um das Initiieren von Sprechanlässen geht, bei welchen die Lernenden die Möglichkeit erhalten, sich mitzuteilen und Gelerntes im Englischunterricht kommunikativ zum Ausdruck zu bringen: 295 Simone Wagner: Äh was mir gut gefallen hat, wa: r meiner 5. Klasse relativ 296 am Anfang des Schuljahres ähm "Where are you from? " (.) un: d wir hatten 297 am Ende die ganze Tafel vollgeschrieben mit Ländern. (.) Un: d das war 298 einfach extrem spannend. Es hat, man hat gemerkt, dass die Schüler das 299 super total toll fanden den Klassenkameraden zu erzählen: "Guck mal ich 300 komme aus (.) Vietnam, ich komme aus China, ich komme aus äh Saudi- Arabien, 301 ich komme da und da her". […] und die haben auch wirklich überlegt, so: 302 "Wenn jemand mich fragt: „Where are you from? “ was sage ich denn da? Dann 303 sage ich: „Ich komme aus *Name der Stadt*. Ja, ich komm- I'm from *Name der 304 Stadt* and I am from äh Iran“ oder so. (Transkript Wagner, t1, Z. 295-307) Auf die Frage nach positiven Erinnerungen an Situationen aus dem Englischunterricht, beschreibt Frau Wagner eine Unterrichtssituation zur Unterrichtseinheit „ Where are you from? “ (Z. 296). Damit rahmt sie die erzählte Unterrichtsstunde zunächst vor dem Hintergrund curricularer bzw. inhaltlicher Vorgaben für die entsprechende Klassenstufe. Im weiteren Verlauf der Passage zeigt sich jedoch, dass der Fokus ihrer Erzählung auf dem kommunikativen Austausch der Schüler*innen untereinander sowie den Reaktionen der Lernenden auf ebendiese kommunikative Unterrichtsaktivität liegt, was als „ extrem spannend “ (Z. 298) und „ total toll “ (Z. 299) bewertet wird. Wie auch in den Fällen Altay und Bauer wird hier deutlich, dass die Hintergründe und lebensweltlichen Relevantsetzungen der Schüler*innen zum Gegenstand des Englischunterrichts gemacht werden. Weiterhin zeigt sich, dass die Lehrkraft die Tatsache hervorhebt, dass das im Englischunterricht Gelernte eine Relevanz für die außerschulische Lebenswelt der Schüler*innen besitzt und hier Anwendung finden kann (Z. 302 ff.). Während im Fall Altay und Bauer kaum Bezüge zu inhaltlichen und curricularen Themen hergestellt werden und der Wortschatzerwerb auch nicht in Bezug auf das Ziel der Abarbeitung von curricularen Themen, sondern vielmehr vor dem Hintergrund der Teilhabe an außerschulischen Kommunikationssituationen in den Blick genommen wird, sieht dies im Fall Wagner anders aus. Im Zentrum der Erzählungen der Lehrkraft stehen primär curriculare Vorgaben und damit institutionsbezogene Normen, an welchen sich die Lehrkraft orientiert. Vor diesem Hintergrund werden Sprechanlässe im Englischunterricht auch primär als Möglichkeit zur Erweiterung und Anwendung des Gelernten Wortschatzes gerahmt (vgl. hierzu Transkript Wagner, t1, Z. 342 ff.). Damit bildet der Fall Wagner einen minimalen Kontrast innerhalb der Typik Fachlicher Fokus. Der Typ lenkend zeichnet sich in der Typik Fachlicher Fokus durch Handlungsorientie‐ rungen aus, die auf die Vermittlung sowie korrekte Anwendung von formalen sprachlichen Strukturen und Grammatikregeln abzielen. Grammatik wird als Grundlage des Spracher‐ 7.2 Typologie zur Gestaltung des Englischunterrichts im Umgang mit Lernenden 191 <?page no="192"?> 159 Die o. g. Passage lautet: „wenn ich merke, dass ein falscher Ton angeschlagen wird, dann dann gehe ich schon da hin und sage ‚Ja, da war ein falscher Ton. Du hast den Einsatz verpasst und was ist denn da los? ‘“ (Transkript Schneider, t1, Z. 316-318). werbs sowie des Englischunterrichts gerahmt, was sich auch auf expliziter Ebene zeigt (vgl. Transkript Schneider, t1, Z. 334 ff.). Weiterhin liegt der Fokus auf der Überprüfbarkeit von sprachlichen Äußerungen sowie (Lern-)Produkten der Schüler*innen, demgegenüber Kommunikation in der Fremdsprache untergeordnet wird: 324 also wir haben schon auch eine (.) eine Klassenphase, auch so eine Er- 325 gebnisphase (.) haben wir schon (.) es ist schon irgendwie auch ein Er- 326 gebnis zu sichten, obwohl die einzelnen schon auch sehr autonom arbeiten 327 können aber wir haben auch schon eine Ergebnisphase, wo man sagen kann, 328 "Ja, das halten wir in einem Mindmap fest" […] (.) aber halt so, dass die 329 dann vergleichen können, ob sie das Ergebnis richtig haben (.) (Transkript 330 Schneider, t1, Z. 324-333) Die Lehrkraft beschreibt der Interviewerin gegenüber routinierte und für sie selbstver‐ ständliche Abläufe sowie Gestaltungsgrundlagen ihres Englischunterrichts. Hierbei zeigt sich zum einen, dass Frau Schneider ihren Englischunterricht, im Gegensatz zu den Fällen des Typs ko-konstruktiv, an einem unterrichtlichen Rahmen, nämlich demjenigen der Unterrichtsphasierungen ausrichtet. Dies wird von Frau Schneider als Selbstverständlich‐ keit gerahmt, was durch die wiederholte Verwendung des Selbstverständlichkeitsmarkers „schon“ angezeigt wird. Zum anderen wird deutlich, dass die Lehrkraft den Fokus ihrer Beschreibungen insbesondere auf die Sicherung sowie die Überprüfung von (Lern-)Ergeb‐ nissen legt und damit die Phase der Ergebnissicherung ins Zentrum rückt. Letzteres ver‐ deutlicht sich anhand der wiederholten Verwendung des Wortes „ Ergebnis “ (Z. 325-26; 327; 329) sowie der normativen Äußerung „ es ist schon irgendwie auch ein Ergebnis zu sichten “ (Z. 325-326), was die Notwendigkeit des Vorhandenseins einer Ergebnissicherung im Englischunterricht betont. Hierbei deutet sich an, dass es Frau Schneider weniger um den Lernprozess der Schüler*innen oder aber um diskursive Aushandlungsprozesse geht. Vielmehr steht das Produkt dieser Prozesse, nämlich das korrekte Ergebnis im Vordergrund. Letzteres bestätigt sich anhand ihrer Äußerung „ dass die dann vergleichen können, ob sie das Ergebnis richtig haben “ (Z. 328-329). Sprachenlernen erfolgt damit explizit durch das schriftliche Festhalten von korrekten Ergebnissen und weist in der Rahmung der Lehrkraft Ähnlichkeiten zu strukturierten Domänen, wie z.-B. Mathematik auf. Ein weiteres Charakteristikum des Typs lenkend stellt die Identifikation und Korrektur von sprachlichen Fehlern dar, was eine Orientierung an Sprachrichtigkeit offenbar werden lässt und die Korrektheitsnorm zum Ausdruck bringt. Auch diese Orientierung zeigt sich am deutlichsten im Eckfall Schneider und findet ihren Höhepunkt in der Orchester-Metapher 159 (vgl. Transkript Schneider, t1, Z. 316 ff.). Hier rahmt sich Frau Schneider als Kontrolleurin von Unterrichtsprozessen und macht auch hier deutlich, dass es ihr weniger um den Prozess des Kommunizierens als um die Identifikation und Korrektur von Fehlern geht. 192 7 Typenbildungen und Ergebnisdarstellung <?page no="193"?> Letzteres zeigt sich auch in Passagen, in welchen sie über die Rolle ihrer Schüler*innen im Englischunterricht spricht. Während letztere mehrheitlich als passive Rezipient*innen von Unterrichtsinhalten gerahmt werden, wird ausgewählten Schüler*innen im Kontext der Korrektur von Fehlern eine aktive Rolle seitens der Lehrkraft übertragen: 294 (.) wir haben manchmal auch (.) ähm so Sachen, wo ich dann sage (.) wir 295 haben so jemanden in der Klasse (.) meistens so zwei, drei, die wirklich 296 sprachlich auch gut sind und das kriegt man ganz schnell auch raus und 297 mache ich dann eben halt auch oft dass sie dann so ein language watch 298 sind, dass sie darauf achten und dass sie dann auch mal zurückgeben an 299 (2) an Fehlern, was da gemacht wurde (.) (Transkript Schneider, t1, Z. 300 294-300) Auch in dieser Passage wird deutlich, dass Frau Schneider den Fokus ihrer Beschreibungen nicht etwa auf die Prozesse des Sprachenlernens sowie der Anwendung von Sprache im Englischunterricht als vielmehr auf die Identifikation von Fehlern legt. In diesem Zusammenhang überträgt sie ‚sprachlich guten‘ Schüler*innen die Rolle der „ language watch “ (Z. 297), deren Aufgabe darin besteht, ihren Mitschüler*innen die sprachlichen Fehler aufzuzeigen, die diese gemacht haben. Was im Anschluss an die Identifikation der Fehler passiert und inwiefern hier ein kommunikativer Aushandlungsprozess stattfindet, wird von der Lehrkraft nicht erwähnt. Dies zeigt und bestätigt erneut, dass Frau Schneider in ihren Erzählungen den Fokus weniger auf Lernprozesse als vielmehr auf das Produkt, nämlich das korrekte Ergebnis legt. Auch im Fall Winter wird deutlich, dass der Fokus weniger auf sprachlichen Aushand‐ lungsprozessen als vielmehr auf dem Durchsetzen von Sprachnormen sowie den als korrekt erachteten Sprachvarietäten liegt. Versuche der Schüler*innen, mit der Lehrkraft in einen kommunikativen Aushandlungsprozess zu treten, werden zugunsten der Durchsetzung der Relevantsetzungen der Lehrkraft abgebrochen: 113 (.) und ich habe im Moment (.) einen Jungen in einer sechsten Klasse 114 dessen Vater ist Amerikaner; (.) und die Mutter Deutsche und wir kommen 115 ganz oft aneinander wir geraten richtig aneinander […] weil er sagt „mein 116 Vater spricht das aber so aus. Warum ist das jetzt falsch? “ und ich ihm 117 immer wieder erklären muss „ja aber wir lernen das klassische Englisch 118 (.) das British English; und du darfst leider jetzt das American English 119 hier nicht anwenden“.(Transkript Winter, t1, Z. 113-120) In dieser Passage bringt die befragte Lehrkraft ihre Orientierung an sprachlicher Form als Priorisierung einer Varietät des Englischen zum Ausdruck. Hierbei wird die Verwen‐ dung des ‚klassischen Englisch‘ als institutionsbezogene Norm gerahmt, welche von der Lehrkraft als selbstverständlich angenommen und an ihre Schüler*innen weitergegeben wird (vgl. Z. 117). Statt den Fokus des Unterrichtsgeschehens auf die Initiierung und Auf‐ rechterhaltung von Kommunikationssituationen zu legen (wie z. B. im Typ ko-konstruktiv), wird die Varietät des British English (unhinterfragt) als einzige und für den Kontext des 7.2 Typologie zur Gestaltung des Englischunterrichts im Umgang mit Lernenden 193 <?page no="194"?> Englischunterrichts korrekte Form gerahmt und von der Lehrkraft eingefordert. Anhand des von Frau Winter wiedergegebenen Dialogs zeigt sich damit zum einen, dass das American English gegenüber der Varietät des British English abgewertet wird. Zum anderen spricht die Lehrkraft hierdurch für den Kontext ihres Englischunterrichts ein Sprachverbot aus und ignoriert die sprachlichen Hintergründe und Ressourcen ihres Schülers („ du darfst leider jetzt das American English hier nicht anwenden ‘“, Z. 118-119). Auch kommt es nicht zu einem kommunikativen Aushandlungsprozess zwischen der Lehrkraft und dem Schüler. Stattdessen wird die Norm der Verwendung des British English seitens der Lehrkraft durchgesetzt. 7.2.3 Typik: Lehrer*innenrolle und Selbstbild Innerhalb der Typik Lehrer*innenrolle und Selbstbild wurden drei typenspezifische Hand‐ lungsorientierungen offenbar, welche die Art und Weise beschreiben, wie sich die je‐ weiligen Fälle in ihrer Rolle als Englischlehrkraft konzeptualisieren und entsprechend positionieren. Die Typik lässt sich wie folgt darstellen: Typen Typ I ko-konstruktiv Typ II durchprozessiert Typ III lenkend Typik Handlungsorientierungen Lehrer*innenrolle und Selbstbild Lehrkraft als Lernpartner*in Lehrkraft als Strukturgeber*in Lehrkraft als Expert*in Tabelle 13: Typik Lehrer*innenrolle und Selbstbild mit den Handlungsorientierungen Lehrkraft als Lernpartnerin, Lehrkraft als Strukturgeber*in und Lehrkraft als Expert*in Der Typ ko-konstruktiv charakterisiert sich dadurch, dass sich die zugeordneten Fälle selbst als Lernende rahmen, die sowohl gemeinsam mit als auch von den Schüler*innen lernen. Deutlich wird dies zum einen durch die konsequente Verortung der Lehrkräfte im Kollektiv der Lernenden, wodurch Nähe zu diesen aufgebaut und der Englischunterricht als gemeinsame Handlung gerahmt wird. Auch werden die individuellen Lernprozesse sowie Schwierigkeiten der Schüler*innen mit Unterrichtsinhalten wahrgenommen und gemeinsam mit der Lehrkraft bearbeitet (vgl. Transkript Altay, t1, Z. 587 ff.). Auf der anderen Seite zeigt sich die Handlungsorientierung dieses Typs in der Bereitschaft der Lehrkräfte, von ihren Schüler*innen zu lernen. So nehmen die zugeordneten Fälle die Kompetenzen, das Wissen sowie die Stärken ihrer Schüler*innen wahr und schreiben diesen eine Relevanz für die Gestaltung ihres Unterrichts zu (vgl. Transkript Bauer, t1, Z. 183 ff.). Auch nutzen die Lehrkräfte die Wissensbestände ihrer Schüler*innen für ihre eigenen Lern- und damit Entwicklungsprozesse. So geben die Lehrkräfte des Typs ko-konstruktiv im Gegensatz zum Typ lenkend die Kontrolle bei der Initiierung und Gestaltung von Unterrichts- und Lernprozessen ab und rahmen sich als offen in Bezug auf Neues. Dies zeigt sich auch auf expliziter Ebene am deutlichsten im Fall Altay anhand einer Passage, in welcher die Lehrkraft die Rolle und Bedeutung von Online Tools für die Schüler*innen sowie die 194 7 Typenbildungen und Ergebnisdarstellung <?page no="195"?> Gestaltung des Englischunterrichts verhandelt („‘ wenn ich es nicht hinkriege, kriegt ihr das hin, dann müsst ihr das mir erklären. ‘“, Transkript Altay, t1, Z. 1023-1024). Für den Typ durchprozessiert ließen sich in Bezug auf die Typik Rollenverständnis und Selbstbild Handlungsorientierungen rekonstruieren, die deutlich machen, dass sich die zugeordneten Fälle als Strukturgeber*innen für die Initiierung und Anleitung von Unterrichts- und Lernprozessen rahmen. So bereiten die Lehrkräfte Fachwissen auf und präsentieren dieses in strukturierter Weise, um ihren Schüler*innen den Zugang zum Lerngegenstand zu ermöglichen sowie im Curriculum voranzuschreiten. In diesem Zu‐ sammenhang nehmen es die Lehrkräfte als implizite Aufgabe wahr, den Schüler*innen Hilfsmittel für die Bearbeitung unterrichtsbezogener Anforderungen bereitzustellen. Im Gegensatz zum Typ ko-konstruktiv erfolgt die Er- und Bearbeitung von Fachinhalten jedoch nicht gemeinsam mit den Lernenden, sondern ausgehend von den durch die Lehrkraft zur Verfügung gestellten (Lern-)Materialien: 184 (.) ähm und dann habe ich denen aber relativ vie: le ähm Hilfen an die 185 Hand gegeben in Form von (.) ich sag mal ähm (.) also sowas wie Selbst- 186 einschätzungsbögen im Sinne von "Ok (.) wie schreibe ich ein summary? " 187 auch wenn die im Leistungskurs daquasi wissen müssten, hatten die von 188 mir so einen Selbsteinschätzungsbogen (.) ähm wo sie eben nochmal an- 189 kreuzen konnten "ok habe ich die ganzen Punkte einfach äh alle bedacht 190 und erfüllt? " (Transkript Friedrich, t1, Z. 184-191) Vor dem Einsetzen der gewählten Passage beschreibt die Lehrkraft im Fall Friedrich der Interviewerin gegenüber eine für sie herausfordernde Situation in Bezug auf ihren Englischunterricht, bei welcher sie eine ihr zunächst unbekannte Klasse von einer Kollegin übernahm (vgl. Transkript Friedrich, t1, Z. 175-184). Hierbei rahmt sie es als besonders herausfordernd, dass sie „ nicht wusste, wie die, wie die gestrickt sind und welche (.) ja wie die vom Niveau einfach sind “ (ebd. Z. 182-183). Der Fokus der Passage liegt damit auf den Leistungen der Schüler*innen sowie der Schwierigkeit, diese auf ein gemeinsames Leistungsniveau zu bringen. Die Lehrkraft bearbeitet diese Herausforderung, indem sie den Schüler*innen „ relativ vie: le ähm Hilfen “ (Z. 184) zur Verfügung stellt, um zu gewährleisten, dass diese das Leistungsniveau eines Leistungskur‐ ses erreichen und damit die Anforderungen des Englischunterrichts erfüllen. Deutlich wird dies insbesondere dadurch, dass die Lehrkraft gewisse Wissensbestände und Leistungsni‐ veaus bei Schüler*innen eines Leistungskurses als normativ gegeben voraussetzt und die bereitgestellten Hilfsmittel als Weg rahmt, sich diesem Leistungsniveau anzunähern (vgl. Z. 187-188). Die Lehrkraft nimmt die Schüler*innen weiterhin als Hilfsbedürftige wahr, welche die Unterstützung der Lehrkraft benötigen, um an den Unterrichtsprozessen teilzunehmen. Diese Lesart wird deutlich anhand der Hervorhebung der Person der Lehrkraft sowie der Betonung ihres eigenen Handelns („ hatten die von mir “ , Z. 187-188). Die für den Typ durchprozessiert charakteristische Orientierung an vorgegebenen Strukturen zeigt sich nicht zuletzt anhand der Beschreibung des Selbsteinschätzungsbogens, den die Schüler*in‐ nen von der Lehrkraft erhalten haben, um sich bezüglich der Inhalte des Unterrichts selbst einzuschätzen („ wie schreibe ich ein summary? “, Z. 186). Im weiteren Verlauf der 7.2 Typologie zur Gestaltung des Englischunterrichts im Umgang mit Lernenden 195 <?page no="196"?> Passage wird deutlich, dass es sich hierbei weniger um einen Selbsteinschätzungsbogen im Sinne von Can-Do-Statements als vielmehr um eine Checkliste, im Sinne der Erfüllung bzw. Abarbeitung von fachlichen Anforderungen handelt („‘ ok habe ich die ganzen Punkte einfach äh alle bedacht und erfüllt? ‘“, Z. 189-190). Somit lässt sich der Einsatz dieses Selbsteinschätzungsbogens als Strukturierungssowie Orientierungshilfe für die Bearbeitung von inhaltlichen Anforderungen im Englischunterricht auffassen. Den Typ durchprozessiert zeichnet weiterhin aus, dass Unterrichtsgegenstände als ‚Rezepte‘ gerahmt werden, deren Vermittlung anhand von klaren und strukturierten Anweisungen erfolgt. Der Fokus liegt weniger auf den Lernprozessen sowie auf der Bearbeitung der unterrichtsbezogenen Inhalte. Vielmehr geht es um die Bereitstellung dieser rezeptologischen Anweisungen durch die Lehrkraft: 198 Ähm oder eine andere Sache, die ich halt immer gemacht habe wenn ich (.) 199 verschiedene Text: e ähm oder Textformen mit ihnen besprochen habe, dass 200 ich ihnen nochmal, […] so quasi ähm, ja wie so Rezepte (.) also einfach 201 nochmal so Zusammenfassungen zu einzelnen Dingen, also "Wie analysiere 202 ich einen Cartoon? ", ähm "Was kann ich mit einem Diagramm oder mit ein- 203 mit einer Grafik tun? Wie gehe ich da vor? ". Das heißt so Sachen habe 204 ich ihnen halt auch jedes Mal immer, wenn es halt gepasst hat quasi di- 205 rekt mit an die Hand gegeben (Transkript Friedrich, t1, Z. 198-208) Der Ausdruck „ direkt mit an die Hand gegeben “ (Z. 204-205) verdeutlicht noch einmal, dass die Lehrkraft im Fall Friedrich sich als diejenige rahmt, welche die Auseinandersetzung mit den fachlichen Inhalten und Anforderungen anleitet und durch die Bereitstellung von Materialien initiiert. Inwiefern hier jedoch tatsächlich eine inhaltliche Auseinandersetzung der Schüler*innen mit diesen Materialien erfolgt, wird nicht erwähnt. Damit stehen erneut nicht die Lernprozesse der Schüler*innen sowie die gemeinsame Erarbeitung dieser Inhalte im Fokus, wie im Typ ko-konstruktiv. Vielmehr werden die Strukturierung und Aufberei‐ tung von Unterrichtsgegenständen und damit die Ermöglichung von Lernprozessen betont. Einen minimalen Kontrast innerhalb des Typs durchprozessiert bildet der Fall Wagner. In ihren Erzählungen über Englischunterricht rahmt sich die befragte Lehrkraft zwar ebenfalls als diejenige, die ihren Schüler*innen einen strukturellen Rahmen vorgibt, damit diese das von der Lehrkraft gesetzte Stundenziel erreichen können. Im Gegensatz zum Fall Friedrich zeigt sich hier jedoch, dass sich die Schüler*innen innerhalb dieses Rahmens selbstständig mit den zur Verfügung gestellten Inhalten auseinandersetzen und „ so ein bisschen experimentieren “ (Z. 62, Transkript Wagner, t1) können. 56 äh dann machen wir doch einfach mal eine Stunde wo wir uns ein bisschen 57 mit diesen Argumenten beschäftigen und äh: m ich habe dann wirklich die 58 Stund: e (.) darauf auch ein bisschen reduziert. Das heißt sie haben im 59 Endeffekt mit derselben Fragestellung gearbeitet, die sie auch in der 60 Klausur schon hatten. Ich habe ihnen aber die Argumente vorgegeben, das 61 heißt sie konnten dann selber, sollten die Argumente in eine für sich 62 logische Reihenfolge bringen und so ein bisschen experimentieren (Tran- 196 7 Typenbildungen und Ergebnisdarstellung <?page no="197"?> 63 skript Wagner, t1, Z. 56-63) Die Orientierung Frau Wagners an der Strukturierung von Lerninhalten und Unterrichts‐ prozessen bei gleichzeitiger Ermöglichung des selbstständigen Arbeitens zeigt sich auch auf expliziter Ebene. Anhand ihres Ausdrucks „ Ich bin ein sehr großer Fan von ich gebe den Schülern einen Ra: hmen und sie dürfen sich ausprobieren “ (Transkript Wagner, t1, Z. 657-658) gegen Ende des Interviewgespräches wird deutlich, dass es die Lehrkraft als positiven Horizont für ihr unterrichtliches Handeln wahrnimmt, den Schüler*innen in Bezug auf die Er- und Bearbeitung von Fachinhalten eine Orientierung, d. h. einen strukturellen Rahmen zu geben. Wie die Schüler*innen diesen Rahmen nutzen, bleibt ihnen überlassen. Kennzeichnend für den Typ lenkend ist ein Rollenverständnis, welches von der Lehrkraft als Expert*in für die Vermittlung von Fachinhalten sowie die Initiierung von Unterrichts- und Lernprozessen ausgeht. Die zugeordneten Lehrkräfte dieses Typs rahmen sich als die den Englischunterricht dominierenden Akteur*innen, welche die Schüler*innen in Rich‐ tung eines zu erreichenden Unterrichtsziels lenken und ihnen dementsprechend fachliche Inhalte vermitteln. Charakteristisch für diesen Typ ist das Bild der dozierenden Lehrkraft, welche über ein umfängliches (Fach-)Wissen verfügt und dieses an die Schüler*innen wei‐ tergibt. Im Gegensatz zum Typ ko-konstruktiv wird dieses Wissen nicht gemeinschaftlich erarbeitet bzw. konstruiert. Vielmehr wird es ‚beigebracht‘, d.-h. gelehrt: 228 Ah ja ich habe auch Schulfeste gemacht mal, internationale Feste (.) 229 und das war auch ganz toll, ich bin natürlich dann als Französin aufge- 230 treten, habe französische Woche gemacht (.) und habe denen in einer 231 Woche das Wichtigste aus Frankreich beigebracht (Transkript Hofmann, 232 t1, Z. 228-232) Die Lehrkraft im Fall Hofmann berichtet von Situationen aus ihrem Englischunterricht, in welchen sie mit dem Thema kulturelle und sprachliche Heterogenität in Berührung gekommen ist. Hierbei fokussiert sie sich ausschließlich auf ihr eigenes Handeln sowie das Vermitteln von kulturbezogenen Wissensbeständen. In ihrer Äußerung „ und habe denen in einer Woche das Wichtigste aus Frankreich beigebracht “ (Z. 230-231) spiegelt sich ein Verständnis von Lehren und Lernen wider, bei welchem (explizite) Wissensbestände von einer Person auf die andere übertragen sowie passiv abgespeichert werden. Somit zeigt sich hier ein eher unidirektionaler, d. h. einseitiger Weg des Lernens und Lehrens im Englischunterricht. Deutlich wird dies auch in Bezug auf die Identifikation und Korrektur von Fehlern. Die zugeordneten Lehrkräfte dieses Typs konzeptualisieren sich nicht nur als Expert*innen für die Vermittlung von Fachwissen, sondern auch für die Identifikation und Korrektur von sprachlichen Fehlern. Dies wird besonders deutlich anhand der Orchestermetapher im Fall Schneider (vgl. Transkript Schneider, t1, Z. 316 ff.). Hier rahmt sich die Lehrkraft als Außenstehende, welche das Lernen der Schüler*innen überwacht und die von diesen gemachte Fehler identifiziert. Ein weiteres Merkmal dieses Typs ist das Rekurrieren auf fachwissenschaftliche Wis‐ sensbestände, welche insbesondere der Interviewerin gegenüber explizit zum Ausdruck gebracht werden: 7.2 Typologie zur Gestaltung des Englischunterrichts im Umgang mit Lernenden 197 <?page no="198"?> 160 Herr Vogt kontrastiert zwei Ansätze des Fremdsprachenlernens und bezieht sich zum einen auf die Möglichkeit der Gestaltung eines kommunikativen Fremdsprachenunterrichts, welcher den Fokus auf die Kommunikation und Verständigung zwischen Sprecher*innen bzw. Fremd‐ sprachenlerner*innen legt. Zum anderen rekurriert die Lehrkraft im weiteren Verlauf der Passage auf die eigene Idealvorstellung von einem Fremdsprachenunterricht, welcher sich an der Vermittlung einer ‚native-like‘ language orientiert (vgl. Transkript Vogt, t1, Z. 355 ff.) 326 äh ähm solange sich die Sprache (.) äh transportiert (.) kann man ja 327 argumentieren, das ist ja eine Möglichkeit auch in der Sprachwissenschaft, 328 weil in Phonetik und Phonologie, ja? Äh: m (.) dass man ebenes geht ja 329 um die Verständlichkeit, Verständlichkeit im Sinne von, ähm dass ich das 330 was ich sage so sagen kann, dass meine Nachricht von meinem Gegenüber 331 verstanden wird, ja? (Transkript Vogt, t1, Z. 326-333) In dieser Passage verhandelt die befragte Lehrkraft die Bedeutung von Sprache sowie den Einfluss familiärer und herkunftsbedingter Hintergründe auf den Erwerb der engli‐ schen Sprache. Hierbei rekurriert Herr Vogt auf fachwissenschaftliche Wissensbestände aus dem Bereich der Phonetik und Phonologie, um einerseits sein Argument zu unter‐ streichen und damit seine Position hinsichtlich des idealen (Fremd-)Sprachenlernens 160 zu verdeutlichen. Zum anderen deutet er durch diese Äußerungen an, dass er über explizites, fachwissenschaftliches Expert*innenwissen verfügt. Letzteres wird jedoch nicht weiter ausgeführt. 7.2.4 Typik: Schüler*innenrolle Die Typik Schüler*innenrolle ist eng mit der oben dargestellten Typik der Lehrer*innenrolle verbunden. Wie sich empirisch gezeigt hat, geht die Art und Weise, wie sich Lehrkräfte in Bezug auf ihre Rolle im Englischunterricht positionieren mit der Art und Weise einher, wie sie ihre Schüler*innen wahrnehmen und mit diesen im Unterricht umgehen. Dies wird im Folgenden illustriert. Die im Rahmen der Typik Schüler*innenrolle rekonstruierten Handlungsorientierungen sind in Tabelle 14 dargestellt: Typen Typ I ko-konstruktiv Typ II durchprozessiert Typ III lenkend Typik Handlungsorientierungen Schüler*innen‐ rolle Schüler*innen als Akteur*innen Schüler*innen als Nutzer*in‐ nen (von Lerninhalten) Schüler*innen als Re‐ zipient*innen (von Lerninhalten) Tabelle 14: Typik Schüler*innenrolle mit den Handlungsorientierungen Schüler*innen als Akteur*in‐ nen, Schüler*innen als Nutzer*innen von Lerninhalten und Schüler*innen als Rezipient*innen Bei den Fällen, die dem Typ ko-konstruktiv zugeordnet sind, zeigt sich eine Wahrnehmung der Schüler*innen als aktiv handelnde Individuen im Englischunterricht, welchen sowohl 198 7 Typenbildungen und Ergebnisdarstellung <?page no="199"?> Autonomie über die Gestaltung ihrer eigenen Lernprozesse als auch des Englischunter‐ richts zugestanden wird. Besonders deutlich wird dies anhand der bereits in Kapitel 7.3. angeführten Eingangspassage aus dem Fall Altay. Hier beschreibt die Lehrkraft eine Unterrichtssituation, in welcher die Schüler*innen die Gestaltung der Arbeitsphasen sowie den Fortgang des Unterrichts gemäß ihrer eigenen Relevantsetzungen bestimmen („ weil die keikeine Zeit verlieren wollten, sondern die Schüler wollten direkt mit ihren Präsentationen beginnen (.) “, Transkript Altay, t1, Z. 47-48). Die Lehrkraft nimmt diese Relevantsetzungen wahr und passt sich und ihr unterrichtliches Handeln entsprechend an (vgl. Transkript Altay, t1, Z. 88 ff.). Charakteristisch für diesen Typ ist weiterhin ein Sprechen über Unterricht und die Lernenden, bei welchem häufig ein aktiver Modus des Erzählens verwendet wird. So wer‐ den Dialoge mit einzelnen Schüler*innen oder aber Unterrichtsgespräche wiedergegeben, in welchen die Redebeiträge sowie Positionen einzelner Schüler*innen hervorgehoben werden: 317 da wurde eine Familiensituation beschrieben (.) und ich habe in meiner 318 Klasse ein paar Mädels, die einen türkischen Hintergrund haben und die 319 fanden- (.) diealso denen kam das gar nicht so fremd vor, aber ich weiß 320 noch, dass die Kinder, die ähm also die Kinder, ähm die keine Eltern mit 321 Migrationsgeschichte oder so haben die hatten dann gesagt ähm „also bei 322 uns ist das nicht so, wie kann man das und dasdas so machen? Und die 323 Familie bestimmt über (.) äh so vie-, also die Eltern bestimmen so viel 324 und die Kinder sind ja gar nicht frei“ und so […] ich weiß noch, dass die 325 Mädels dann gesagt haben, „das ist gar nalso wirdas ist nicht bestim- 326 men, sondern das istist einfach das gehört zur Kultur (.) dazu“ und ähm 327 ich weiß noch, dass diedass die Kinder mit deutschem Hintergrund das 328 nicht so nachvollziehen konnten, also wie unterschiedlich auch ähm so 329 (.) das Leben sein kann (.) (Transkript Altay, t1, Z. 316-331) Die Passage setzt mit der Kurzbeschreibung der Themen eines Kinderbuches ein, welches die Lehrkraft im Rahmen eines Projekts gemeinsam mit den Schüler*innen gelesen hat. In diesem Zusammenhang beschreibt sie ein Unterrichtsgespräch mit ihren Schüler*innen über eine Szene aus ebendiesem Buch, in welcher es um Familiensituationen geht. Deutlich wird hierbei, dass die Lehrkraft ihre Erzählung nicht vor dem Hintergrund von vorgege‐ benen Leitfragen rahmt (wie im Typ durchprozessiert) oder aber sich selbst in der Rolle der Moderatorin dieser Unterrichtssituation positioniert (wie im Typ lenkend). Vielmehr tritt sie als Handelnde in den Hintergrund und stellt in ihren Beschreibungen die jeweiligen Erfahrungen und Redebeiträge ihrer Schüler*innen in den Mittelpunkt. Diese gibt sie im Modus der wörtlichen Rede wieder und lässt die Schüler*innen dadurch zu Akteur*innen werden. Auch zeigt sich, dass die Relevantsetzungen und lebensweltlichen Erfahrungen der Schüler*innen, auch wenn diese konträr zueinander stehen, nicht bewertet werden, sondern gleichberechtigt nebeneinander stehen (dürfen). Darüber hinaus zeichnet den Typ ko-konstruktiv aus, dass die zugeordneten Fälle über ein umfangreiches Wissen über die je individuellen Hintergründe ihrer Schüler*innen verfügen 7.2 Typologie zur Gestaltung des Englischunterrichts im Umgang mit Lernenden 199 <?page no="200"?> und häufig die Perspektive derselben übernehmen. Hierdurch konstruieren die Lehrkräfte Nähe zu ihren Lernenden und nehmen sie ferner als Individuen wahr, deren Erfahrungen wertgeschätzt und aufgrund der Bedürfnisse und Relevantsetzungen der Schüler*innen im Unterricht aufgenommen werden: 458 und man merkt es ähm zum Beispiel, wenn sie bestimmte Dinge, emotionale 459 Dinge zum Beispiel ausdrücken wollen, dann sagen die Kinder oft „ah das 460 könnte ich jetzt viel besser auf Türkisch sagen“ zum Beispiel, ja? Also 461 geradeäh also manchmal denke ich ä: h eses geht mir auch manchmal so, 462 wenn ich über Emotionen sprechen möchte, dass ich dann Türkisch spreche, 463 weil die Wörter im Deutschen manchmal fehlen, also für mich persönlich 464 und das merke ich bei den Kindern auchauch so und ähm auch dieser 465 italienische Junge zum Beispiel von dem ich da vorhinalso diesen ital- 466 Geschwisterpaar, die sagen auch zum Beispiel auf ähm Italienisch lässt 467 es sich viel besser über etwas äh sich äh also schimpfen oder: ja be- 468 Schweren so, ne? Da kann man irgendwie das viel besser machen (.) (Tran 469 skript Altay, t1, Z. 458-470) In dieser Passage zeigt sich erneut, dass die Lernenden als aktiv Handelnde mit ihren je eigenen (Lern-)Bedürfnissen konzeptualisiert werden. Dies wird deutlich anhand der mehrfachen Verwendung der wörtlichen Rede, durch welche die Perspektive der Lernenden eingenommen und deren Relevantsetzungen in den Fokus gestellt werden. Durch den Vergleich mit eigenen Erfahrungen bringt die Lehrkraft im Fall Altay den Lernenden gegenüber Verständnis zum Ausdruck und macht damit deutlich, dass deren Erfahrungen und Sichtweisen bedeutsam sind sowie eine Daseinsberechtigung für den Englischunter‐ richt besitzen. Statt eine Defizitperspektive auf die Tatsache einzunehmen, dass ihre Schüler*innen sich in bestimmten Situationen nicht auf Englisch ausdrücken können, hebt die Lehrkraft die Hintergründe der Schüler*innen sowie deren subjektiven Sichtweisen und emotionale Involviertheit hervor. Dies lässt die Lernenden einmal mehr zu Akteur*innen im Englischunterricht werden. Für den Typ durchprozessiert ließen sich Handlungsorientierungen rekonstruieren, die deutlich machen, dass die Lernenden im Englischunterricht als Nutzer*innen von durch die Lehrkraft oder das Curriculum vorgegebenen Unterrichtsinhalten konzeptualisiert werden. So rahmen die zugeordneten Fälle ihre Erzählungen über Unterricht in erster Linie ausgehend von den Aufgaben sowie Materialien, die im Englischunterricht zur Er- und Bearbeitung eines bestimmten Themas genutzt werden. Analog zum Typ ko-konstruktiv zeigt sich in diesem Zusammenhang, dass die Fälle des Typs durchprozessiert die Lernenden zwar auch als Handelnde im Unterricht rahmen. Dies geschieht jedoch in erster Linie in Bezug auf die Bearbeitung unterrichtsbezogener Anforderungen. Ein selbstgesteuertes Handeln der Lernenden lässt sich nicht erkennen. Auch treten die Lernenden in den Erzählungen der Lehrkräfte als Kollektiv und nicht als Individuen auf: 44 also bin ich damals eingestiegen einfach mit mit quasi Bildern (.) ähm 45 ähmit vollen Containern, in denen gute Lebensmittel einfach äh noch 200 7 Typenbildungen und Ergebnisdarstellung <?page no="201"?> 46 darin waren, ähm die einfach weggeschmissen wurden (.) und ähm bi: n, habe 47 das quasi mit ihnen ähm einmal äh besprochen, beziehungsweise die haben 48 die Bilder ähm analysiert (.) und ähm ich meine mich zu erinnern, dass 49 sie als Hausaufgabe aufhatten einen Text zu lesen, […] wir hatten im 50 Vorfeld einen Artikel darüber gelesen (.) […] und dann haben wir, haben 51 wir das halt miteinander in Verbindung gebracht, eben diesen Artikel, 52 den sie gelesen haben und eben (.) ähm (.) dass das die Bilder, die ich 53 ihnen gezeigt habe und haben dann anhand des Artikels erstmal analysiert 54 was das Problem ist (Transkript Friedrich, t1, Z. 44-62) Im Fokus dieser Passage aus dem Fall Friedrich stehen das Handeln der Lehrkraft so‐ wie die Unterrichtsgegenstände und Materialien, die von dieser präsentiert und an die Schüler*innen weitergegeben werden. Im Gegensatz zum Typ ko-konstruktiv treten die Schüler*innen nicht als autonom Handelnde auf, welche ihre Lern- und Arbeitsprozesse selbst steuern. Auch werden diese Prozesse selbst nicht näher beschrieben. Stattdessen spricht die Lehrkraft über ihre Schüler*innen und beschreibt deren Handlungen in Bezug auf die bereitgestellten Materialien („ die haben die Bilder ähm analysiert (.) und ähm ich meine mich zu erinnern, dass sie als Hausaufgabe aufhatten einen Text zu lesen “, Z. 48-49). Das Handeln der Schüler*innen wird damit insofern relevant, als die im Kontext des Englischunterrichts gestellten Anforderungen und Aufgaben bearbeitet werden. Analog zum Typ ko-konstruktiv wird auch für den Typ durchprozessiert deutlich, dass sich die zugeordneten Fälle stellenweise im Kollektiv der Lernenden verorten und die Unterrichtsprozesse damit als gemeinsame Handlung rahmen. Hierdurch wird Nähe zu den Schüler*innen konstruiert. Jedoch stehen nicht das gemeinsame Handeln an sich sowie die je individuellen Bedürfnisse und Hintergründe der Schüler*innen im Fokus (wie im Typ ko-konstruktiv). Vielmehr treten die Schüler*innen als in sich homogenes und dadurch anonymes Kollektiv auf, was durch die Verwendung von kollektivierenden Äußerungen deutlich wird (vgl. z. B. „ mit ihnen “, Z. 47; „ dass sie als Hausaufgabe aufhatten “, Z. 48-49). Auch im Fall Hohenstein zeigt sich in der Weiterführung der oben bereits angeführten Passage eine Kollektivierungspraxis sowie die Konzeptualisierung der Schüler*innen als in sich homogene Gruppe (vgl. Kapitel 7.2.3). Im Gegensatz zum Fall Friedrich nimmt die Lehrkraft im Fall Hohenstein jedoch die Interessen und Reaktionen der Schüler*innen auf die behandelten Unterrichtsinhalte wahr: 39 Wir haben eine Stunde zu Drake gemacht (.) einem Sänger, der also den sie 40 ganz gerne hören ähm da gibt es ein Video ähm zu (.) ähm ja einem Song, 41 der heißt "Nice for what? " und das hat ganz gut zum Thema gepasst, weil im 42 Prinzip sieht man jede Menge Frauen, die sich bemühen (.) ihr Leben @zu 43 gestalten@ aber auch sehr attraktive Frauen in diesem Video und ähm die 44 Quintessenz ist so die Frage "Warum strengen die sich so an oder wofür 45 sind Frauen so (.) so nett? " eben und sowas @(.)@ (.) genau (.) also das 7.2 Typologie zur Gestaltung des Englischunterrichts im Umgang mit Lernenden 201 <?page no="202"?> 161 Hier deutet sich das für den Typ durchprozessiert zentrale Orientierungsproblem an, welches zwischen der typenspezifischen Orientierung am Curriculum sowie den wahrgenommenen Normen der Berücksichtigung von Schüler*inneninteressen sowie der Herstellung eines Lebensweltbezugs bei der Vermittlung von Unterrichtsinhalten besteht. Dieses Spannungsverhältnis ist Gegenstand des Kapitels 7.4 und wird an späterer Stelle näher beleuchtet. 46 hat gut so in diese Genderthematik hineingepasst und man hat schon gemerkt, 47 dass das für die Schüler ansprechend war (Transkript Hohenstein, t1, Z. 48 39-49) Zwar stehen auch im Fall Hohenstein in erster Linie die im Englischunterricht bearbeite‐ ten Themen und Materialien im Fokus der Erzählung der Lehrkraft („ Wir haben eine Stunde zu Drake gemacht “, Z. 39; „ einem Song, der heißt ‚Nice for what? ‘“, Z. 40-41; „ das hat gut so in diese Genderthematik hineingepasst “, Z. 45-46). Diese werden jedoch in Beziehung zu den Interessen der Schüler*innen gesetzt, was zeigt, dass die Lehrkraft die Interessen ihrer Schüler*innen als relevant für ihre unterrichtliche Handlungspraxis rahmt 161 . Ferner wird hierdurch Nähe zu den Lernenden konstruiert. Im Gegensatz zum Typ ko-konstruktiv sind es jedoch nicht die Schüler*innen selbst, die ihre Interessen selbstgesteuert und autonom in den Unterricht einbringen. Im Fokus steht vielmehr das Passungsverhältnis zwischen den zu behandelnden Unterrichtsgegenständen und den Interessen der Schüler*innen, was der Lehrkraft eine Legitimationsgrundlage für den Einsatz von Unterrichtsmaterialien und damit für ihr unterrichtliches Handeln bietet („ das hat ganz gut zum Thema gepasst “, Z.41; „ das hat gut so in diese Genderthematik hineingepasst “, Z. 46). Das Handeln der Schüler*innen rückt damit erneut in den Hintergrund und es zeigt sich, dass den Lernenden in erster Linie die Rolle der Nutzer*innen von zu behandelnden Unterrichtsthemen zugeschrieben wird. Die Fälle des Typs lenkend zeichnet aus, dass die Schüler*innen im Sprechen über Unterricht eine passive Rolle einnehmen und als distales, von der Lehrkraft abgegrenztes Kollektiv konzeptualisiert werden. Entsprechend der oben dargestellten Rolle der Fälle als Expert*innen für die Vermittlung von Fachinhalten zeigt sich, dass die Schüler*innen als Objekte der Wissensübertragung gerahmt werden. Dies zeigt sich im Fall Hofmann. Die Lehrkraft rahmt die Schüler*innen als passive Rezipient*innen von Unterrichtsinhalten, die von der Lehrkraft präsentiert bzw. „ durchgezogen “ (Transkript Hofmann, t1, Z. 48) werden: 40 (.) also wenn London dran war, zum Beispiel, das war in der vierten Klasse, 41 (.) äh habe ich von meinem eigenen Fundus, ich war nämlich mit meinen 42 eigenen Kindern in London, London Pass und dann haben die auch Bilder 43 gehabt und dann habe ich die ganze Stadt vorgestellt und bin dann so Art 44 ähm Stationen mit denen abgefahren (.) das habe ich gemacht, ähm ich habe 45 denen Filme gezeigt über London, ich habe immer das total angereichert 46 (.) […] und ähm also das ging immer so, ich habe immer so mein Programm 47 durchgezogen, also erst mal was wir so mussten nach dem Plan (.) aber dann 48 immer auch mein eigenes Ding durchgezogen (Transkript Hofmann, t1, Z. 49 40-52) 202 7 Typenbildungen und Ergebnisdarstellung <?page no="203"?> 162 Dies zeigt sich insbesondere in einer Passage des Falls Schneider, in welcher die Lehrkraft von einer Schülerin mit sprachlichen Schwierigkeiten erzählt (vgl. Transkript Schneider, t1, Z. 156 ff.). 163 Wie in Kapitel 3.2 bereits dargestellt verweist der Begriff des Spracherwerbs auf lebensweltliche, d. h. informelle, ungesteuerte und eher implizite Sprachaneignungsprozesse. Demgegenüber meint Lernen die gesteuerte, explizite und in formellen Kontexten stattfindende Aneignung von Sprachen (vgl. hierzu Kapitel 3.2). Ähnlich zum Typ durchprozessiert hebt die befragte Lehrkraft in ihren Beschreibungen zunächst ein hier nicht näher erwähntes Curriculum hervor, an welchem sie sich in ihrem Unterricht orientiert und dieses entsprechend abarbeitet. Deutlich wird dies an Äußerungen wie z. B. „ also wenn London dran war “ (Z. 40) oder „ erst mal was wir so mussten nach dem Plan “ (Z. 47). Während die Fälle des Typs durchprozessiert die Lernenden partiell, nämlich in Bezug auf die Bearbeitung von unterrichtsbezogenen Anforderungen als Han‐ delnde konzeptualisieren, werden sie in den Erzählungen der Fälle des Typs lenkend kaum erwähnt. So hebt die Lehrkraft im Fall Hofmann ihr eigenes Handeln sowie ihre eigenen Relevantsetzungen hervor, was durch die wiederholte Verwendung von Personal- und Possessivpronomen der ersten Person Singular deutlich wird („ meinem eigenen Fundus “, „ meinen eigenen Kindern “, Z. 41-42; „ mein Programm “, Z. 46; „ mein eigenes Ding “, Z. 48). Dementsprechend findet sich in den Interviewgesprächen der zugeordneten Fälle auch kaum eine Erwähnung von einzelnen Schüler*innen, deren Interessen oder individuellen Hintergründen. Auch Dialoge mit den Lernenden werden nur dann wiedergegeben, wenn die Schüler*innen den Anforderungen der Lehrkräfte nicht gerecht werden (können) oder die Lehrkräfte mit ihrem für den Unterricht geplanten Vorgehen aufgrund des Verhaltens ihrer Schüler*innen an ihre Grenzen stoßen 162 . Charakteristisch für den Typ lenkend ist, dass die Lern- und Verstehensprozesse der Schüler*innen gegenüber den Relevantsetzungen der Lehrkraft untergeordnet sind. Fach‐ liche Inhalte und Themen werden „ beigebracht “ (vgl. Transkript Hofmann, t1, Z. 278) und „ durchgezogen “ (ebd., Z. 48) und Schüler*innen werden dementsprechend „ geformt “ (Transkript Schneider, t1, Z. 938), ohne hierbei auf eine Passung zwischen Schüler*in‐ neninteressen und Fachinhalten zu schauen. Dies verweist auf eine Wahrnehmung der Schüler*innen als passive Rezipient*innen von Unterrichtsinhalten. Hierfür spricht auch, dass in den Erzählungen des Typs lenkend kaum Situationen beschrieben werden, in welchen es zu Interaktionen oder einem kommunikativen Austausch zwischen Lehrkraft und Schüler*innen kommt. Somit verläuft die Kommunikation im Unterricht vornehmlich unidirektional und ausgehend von den Relevantsetzungen der Lehrkraft („ ich bin jetzt die Person, die wenn ich reinkomme, dann denke ich, ich setze den Rahmen, ich strukturiere den Unterricht und lasse den Unterricht in den einzelnen Phasen leite ich es an “, Transkript Schneider, t1, Z. 309-310). Letzteres verweist sowohl auf ein implizit an Hierarchie orientiertes Verständnis von Kommunikation als auch auf eine hierarchieorientierte Rollenverteilung im (Englisch-)Unterricht. 7.2.5 Typik: Spracherwerb und Sprachenlernen Innerhalb der Typik Spracherwerb und Sprachenlernen  163 werden jene typisierten Orientie‐ rungen gebündelt, welche auf die von den Fällen des Samples konstruierten Bedeutungen 7.2 Typologie zur Gestaltung des Englischunterrichts im Umgang mit Lernenden 203 <?page no="204"?> 164 Der Begriff der Zielsprache wird hier in erster Linie in Bezug auf den Erwerb der englischen Sprache verwendet, welcher das Ziel des institutionellen Englischunterrichts darstellt. In Abgrenzung zur Bezeichnung der Handlungsorientierung des Typs durchprozessiert ist eine zielsprachenorientierte Spracherwerbsvorstellung (wie im Typ lenkend) mit der sprachlich-kompetenten Annäherung an eine Sprachcommunity verbunden, deren Erstsprache die englische Sprache darstellt. verweisen, die sie der englischen Sprache sowie deren Erwerb zuschreiben. In diesem Zusammenhang ließ sich rekonstruieren, auf welche Art und Weise die jeweiligen Fälle den Erwerb der englischen Sprache rahmen und welche Zielvorstellungen sie in Bezug auf das Lehren und Lernen des Englischen haben. Hierbei hat sich gezeigt, dass sich die Hand‐ lungsorientierungen der Lehrkräfte auf einem Kontinuum zwischen einer lebensweltlichen bis hin zu einer ‚zielsprachlichen‘ 164 Bedeutung des Englischerwerbs abbilden lassen. Die Handlungsorientierungen sind in Tabelle 15 dargestellt: Typen Typ I ko-konstruktiv Typ II durchprozessiert Typ III lenkend Typik Handlungsorientierungen Spracherwerb und Sprachenlernen lebensweltlich institutionell ‚zielsprachlich‘ Tabelle 15: Typik Spracherwerb und Sprachenlernen mit den Handlungsorientierungen lebenswelt‐ lich, institutionell und ‚zielsprachlich‘ Für die Fälle des Typs ko-konstruktiv ließen sich Handlungsorientierungen rekonstruieren, die auf eine lebensweltliche Bedeutung des Erwerbs der englischen Sprache verweisen. So rahmen die zugeordneten Fälle dieses Typs den Erwerb des Englischen vor dem Hintergrund der Befähigung ihrer Schüler*innen zum kommunikativen Austausch in der (Fremd-)Sprache Englisch als relevant. Es spielen vor allem außerschulische Spracher‐ werbs- und -anwendungssituationen eine Rolle, während institutionelle Aneignungspro‐ zesse diesen untergeordnet sind. 426 Englischunterricht heute ist ja ganz anders als der, wals wir Englisch- 427 unterricht hatten, weil die Schüler ganz, ganz viel mitbringen, also das 428 ist ja total spannend auch, weil wenn wir (.) keine Ahnung, wenn wir über 429 Musik sprechen, über Filme sprechen oder über äh soziale Medien im Eng 430 lischunterricht sprechen, die bringen einfach ganz, ganz viel Wortschatz 431 zu diesen Themen schon mit aufgrund dessen, dass sie dalso (.) 60 Prozent 432 des Tages mindestens online sind (.) und die gucken, ähm also viele gucken 433 sich diesedie Serie zum Beispiel nicht mehr auf Deutsch an, sondern 434 mittlerweile auf Englisch (Transkript Altay, t1, Z. 426-435) Anhand der in Kapitel 7.2.2 bereits angeführten Passage des Falls Altay lassen sich ebenfalls die Orientierungen der Lehrkraft hinsichtlich der Typik Spracherwerb und Sprachenlernen verdeutlichen. In dieser Passage verhandelt die befragte Lehrkraft die Bedeutung der englischen Sprache für ihre Schüler*innen. Hierbei rahmt sie ihre Beschreibung im Modus 204 7 Typenbildungen und Ergebnisdarstellung <?page no="205"?> einer Hintergrundargumentation in Form von Gegenhorizonten, indem sie einen Vergleich zwischen dem Englischunterricht, den sie erlebte und demjenigen, den ihre Schüler*innen erleben, zieht. Hierbei wird ersterer als maximaler Kontrast zum Englischunterricht gerahmt, wie er „ heute ist “ (Z. 426). Im Vergleich zu den Fällen des Typs durchprozessiert wird dieser Kontrast nicht an veränderten Curricula, inhaltlichen Anforderungen oder aber an einer Veränderung der methodisch-didaktischen Gestaltung des Englischunterrichts festgemacht. Vielmehr bezieht sich Frau Altay auf die Lernenden und deren Ressourcen, da „ die Schüler ganz, ganz viel mitbringen “ (Z. 427). Es deutet sich hier bereits an, dass die Lehrkraft den Fokus auf diejenigen Fähigkeiten, Kompetenzen, Wissensbestände und Erfahrungen legt, welche die Schüler*innen aus ihrer außerschulischen Lebenswelt in den Englischunterricht mitsowie einbringen. Diese Wissensbestände werden von Frau Altay als positiver Horizont gerahmt und werden im weiteren Verlauf der Passage konkret, indem sie den umfangreichen Wortschatz erwähnt, welchen die Schüler*innen aufgrund ihrer außerschulischen Erfahrungen und Interessen in der Fremdsprache Englisch erworben haben (vgl. Z. 429-432). Damit stellt sie außerschulische Spracherwerbsprozesse in den Fokus und rahmt diese als relevant für ihre Schüler*innen sowie für ihren Englisch‐ unterricht. Das außerschulisch erworbene Sprachwissen der Schüler*innen macht sich weiterhin im Sprechen über unterrichtsrelevante Themen bemerkbar, in diesem Fall über Musik, Filme und soziale Medien, und wird von der befragten Lehrkraft als Ausgangspunkt für Unterrichtsgespräche genutzt. Die Lehrkraft hebt die lebensweltliche Relevanz des Englischen sowie dessen Nutzung außerhalb von institutionellen Kontexten hervor, was sich in ihrer Äußerung „ viele gucken sich diesedie Serie zum Beispiel nicht mehr auf Deutsch an, sondern mittlerweile auf Englisch “ (Z. 433-434) zeigt. Damit erhält der Erwerb des Englischen eine unmittelbare Bedeutung für die Teilnahme an sowie die Gestaltung von der außerschulischen Lebenswelt der Schüler*innen, was sich auch im weiteren Verlauf des Interviewgesprächs verdeutlicht („ selbst die deutschen TikToker sprechen ja ganz viel Englisch, deshalb brauchen die diese Sprache “, Z. 450-451). Auch im Fall Bauer zeigt sich die lebensweltliche Bedeutung des Erwerbs der englischen Sprache anhand der oben bereits angeführten Passage, in welcher die befragte Lehrkraft von ihren ‚Highlights‘ aus dem Vorbereitungsdienst spricht (vgl. Kapitel 7.2.2; Transkript Bauer, t1, Z. 506 ff.). Indem sie die ‚Aha-Erlebnisse‘ ihrer Schüler*innen als positiven Horizont rahmt und nicht etwa deren sprachlichen Leistungen oder das Annähern an ein native speaker Sprachniveau (wie im Typ lenkend), stellt sie die Verknüpfung zwischen außerschulischer Lebenswelt und Englischunterricht in den Fokus. Hierdurch wird vor allem die Nutzbarmachung des Sprachwissens außerhalb des Englischunterrichts betont. Dies zeigt und bestätigt sich auch auf expliziter Ebene im Sprechen über den Wunsch der Lehrkraft, Englischlehrerin zu werden: 539 weil ich diese Freiheit, die mit dem Beherrschen des Englischen einher 540 kam sehr geliebt habe. (.) Die Möglichkeit äh in vielen, vielen Situationen 541 (.) abgesehen von der Naturwissenschaft natürlich äh in der es eben auch 542 im Studium schon notwendig war dass man Englisch beherrschte, äh aber eben 543 auch bei ähm beim Reisen oder in Begegnung mit Menschen aller äh Herkunf- 7.2 Typologie zur Gestaltung des Englischunterrichts im Umgang mit Lernenden 205 <?page no="206"?> 544 Herkünfte das Englische zu haben und zu beherrschen ähm das finde ich 545 großartig und sehr bereichernd. (.) Und so habe ich gedacht das kann man 546 doch auch anderen (.) @angedeihen lassen@ (Transkript Bauer, t1, Z. 539- 547 548). Frau Bauer rahmt die Nutzung des Englischen als Lingua Franca als positiven Horizont und hebt damit die lebensweltliche Bedeutung der Sprache hervor. Institutionelle Sprach‐ erwerbs- und -anwendungsprozesse sowie hierauf bezogene normative Anforderungen werden von Frau Bauer zwar auch erwähnt, sind der Nutzung des Englischen außerhalb des institutionellen Kontexts jedoch untergeordnet (vgl. Z. 543-544). Letzteres wird deutlich anhand der mehrfachen Verwendung von Steigerungspartikeln sowie Bewertungen, wie z. B. „ großartig “ und „ sehr bereichernd “ (Z. 545). Damit ist die außerschulische Nutzung der englischen Sprache für die befragte Lehrkraft mit positiven Emotionen verbunden, was die lebensweltliche Bedeutung der englischen Sprache noch einmal unterstreicht. Weiterhin deutet sich auch hier die für diesen Typ charakteristische Orientierung an Kommunikation und Verständigung an. Im Typ durchprozessiert ließen sich Handlungsorientierungen rekonstruieren, die auf eine institutionelle Bedeutung verweisen, welche die Fälle der englischen Sprache zuschreiben. So werden weniger lebensweltliche als vielmehr in institutionellen Kontex‐ ten stattfindende Spracherwerbs- und Anwendungsprozesse erwähnt. Hervorgehoben wird in diesem Kontext besonders das sprachliche Wissen, welches in Bezug auf die Bearbeitung unterrichtsbezogener Anforderungen relevant wird. Damit ist Englisch in erster Linie als Schulfach bedeutsam, für welches institutionelle Vorgaben und inhaltliche Anforderungen geltend sind, die an die Schüler*innen weitergegeben und von diesen erfüllt werden (sollen): 1021 aber wie gesagt (.) bei den komplexen Themen scheitert es da dann echt 1022 auch dran (.) und teilweise sage ich ihnen auch "Leute ihr müsst Voka- 1023 beln lernen. Das ist auch eure Verantwortung." ne? "Ihr kommt hier hin, 1024 ihr möchtet Abitur machen. Also irgendwo muss auch von euch irgendwie 1025 Arbeit reingesteckt werden“ und wenn das nicht passiert dann (2) das 1026 ist zwar (.) das ist dann irgendwie so der Moment, wo man so denkt "Ah, 1027 ok. Jetzt fängt die Resignation an. Schade @(eigentlich)@" aber äh dass 1028 man irgendwie teilweise auch einfach akzeptiert, "ok, an (.) dieser 1029 Person werde ich in diesem Halbjahr nicht mehr Englisch beibringen" (2) 1030 das ist dann halt jetzt so (.) Das ist zwar frustrierend aber (.) ja. 1031 (Transkript Pohl, t1, Z. 1021-1033). Charakteristisch für diesen Typ ist ein Sprechen über Englischunterricht, welches sich an Leistungsniveaus und inhaltlichen Anforderungen orientiert, die auf die Schüler*innen projiziert und an diese weitergegeben werden („ ‘Leute ihr müsst Vokabeln lernen. Das ist auch eure Verantwortung.‘ “, Z. 1022-1023). Besonders relevant werden in diesem Zusammenhang die sprachlichen Leistungen der Schüler*innen, die von den Fällen dieses 206 7 Typenbildungen und Ergebnisdarstellung <?page no="207"?> Typs häufig als nicht ausreichend gerahmt und bewertet werden. So werden im Fall Pohl in erster Linie normative Anforderungen deutlich, die von der befragten Lehrkraft als selbstverständlich wahrgenommen und nicht hinterfragt werden. Im Fokus stehen häufig explizites Regelwissen sowie das Lernen von Vokabeln, um die institutionellen und unter‐ richtsbezogenen Anforderungen zu bearbeiten. Weniger relevant ist die außerschulische Anwendung des Sprachwissens und auch die Bedeutung von Kommunikationssituationen außerhalb des Englischunterrichts wird nicht thematisch. Damit liegt der Fokus in erster Linie auf der innerschulischen Anwendung des Englischen sowie der Vermittlung von Sprachwissen im institutionellen Kontext („ ‘ok, an (.) dieser Person werde ich in diesem Halbjahr nicht mehr Englisch beibringen‘ “, Z. 1028-1029). Auch im Fall Friedrich zeigt sich, dass der Erwerb des sprachlichen Wissens in erster Linie vor dem Hintergrund der Erfüllung von fachlichen sowie institutionellen Standards bedeutsam wird. So verhandelt die befragte Lehrkraft die unterschiedlichen Sprachniveaus derjenigen Schüler*innen, die sich für die Wahl eines Englischleistungs‐ kurses entscheiden und nimmt hierbei eine Defizitperspektive auf das Sprachwissen ihrer Schüler*innen ein: 150 durch diesen lang: samen Einstieg, den wir eben in der E-Phase gewähren 151 durch eben auch einfache Lektüren, durch wirklich (.) ähm ähein relativ 152 niedriges Niveau, deshalb viele das Gefühl haben "Ja Englisch, da muss 153 ich ja nur ein bisschen schreiben und lesen, das schaffe ich schon" (.) 154 und wir qua: si eigentlich in jedem Durchga: ng an die fünf Leistungskurse 155 Englisch haben, (.) die aber halt vom Niveau dann auch (.) äh ja, was 156 halt auch schwierig ist, weil, weil, (.) weil eben viele es einfach (.) 157 sie wissen sonst nicht was man vielleicht machen kann und dann wird halt 158 Englisch gewählt, (.) weil es irgendwie vom Gefühl her das Fach mit dem 159 geringsten Widerstand sein könnte (.) ähm und dementsprechend sind die 160 Kurse immer sehr, sehr voll und sehr, sehr viele Schülerinnen und Schüler 161 sind da drin, aber in der Q-Phase merken sie dann halt auch wenn es dann 162 los geht mit Shakespeare und so dass es eben (.) nicht so einfach ist 163 und dass das doch äh eineineine hohe Herausforderung ist und vom 164 Niveau her nochmal eins draufgesetzt ist zur E-Phase (Transkript Fried- 165 rich, t1, Z. 150-168) Frau Friedrich beschreibt in dieser Passage das Verhalten der Schüler*innen in Bezug auf die Wahl ihrer Leistungskurse sowie deren Wahrnehmung des Faches Englisch. Auf inhaltli‐ cher Ebene bringt sie zum Ausdruck, dass die Schüler*innen die Leistungsanforderungen eines Englischleistungskurses unterschätzen und vor der Herausforderung stehen, das hohe Anforderungsniveau zu bewältigen (vgl. Z. 152-153). Implizit deutet sich hier der positive Horizont eines Englischleistungskurses an, dessen Kursteilnehmer*innen über ein entspre‐ chendes Sprachniveau verfügen und sich aus fachlichen bzw. inhaltlichen und weniger aus pragmatischen Gründen für die Wahl eines Englischleistungskurses entscheiden (vgl. Z. 156-159). Im Fokus der Ausführungen der Lehrkraft stehen die unterrichtsbezogene sowie 7.2 Typologie zur Gestaltung des Englischunterrichts im Umgang mit Lernenden 207 <?page no="208"?> innerschulische Bedeutung des Faches Englisch und damit das sprachliche Wissen, welches im institutionellen Rahmen erworben wird bzw. erworben werden muss, um sich „ der Herausforderung Abitur [zu] stellen “ (Z. 112; C.L.). Inwiefern die englische Sprache auch außerhalb der Schule eine Bedeutung für die Schüler*innen besitzt, offenbart sich im Fall Friedrich nicht. Auch werden keine Situationen beschrieben, aus welchen hervorgeht, dass die Schüler*innen ihr in außerschulischen Kontexten erworbenes Sprachwissen in den Englischunterricht einbringen. Der Fokus liegt auf der Erfüllung fachlicher sowie institutioneller Standards, was die institutionelle Rahmung der englischen Sprache seitens der zugeordneten Fälle des Typs durchprozessiert deutlich macht. Die Fälle, die dem Typ lenkend zugeordnet sind, betrachten den Erwerb der englischen Sprache primär vor dem Hintergrund der Annäherung an eine imaginierte ‚zielsprachliche‘ Community. So soll der Englischunterricht im institutionellen Kontext die Schüler*innen dazu befähigen, mit Sprecher*innen zu kommunizieren, deren Erstsprache die englische Sprache ist. Hierbei liegt der Fokus jedoch nicht auf der Bewältigung von Kommunikati‐ onssituationen, sondern vielmehr auf der Annäherung an das Sprachniveau eines native speaker. Somit wird bei den Fällen dieses Typs die Wahrnehmung der native speaker-Norm deutlich und als relevant für die Handlungspraxis der Lehrkräfte gerahmt. Dies zeigt sich besonders im Fall Vogt, welcher im Folgenden beispielhaft und stellvertretend für die zugeordneten Fälle dieses Typs angeführt wird. 707 Ähm weil das, was man hört, wir kategorisieren ja leider aufgrund dessen, 708 was wir hören (1) auch (.) und äh ja also ähm (.) (unv.) wenn jetzt jemand 709 mit einem starken Akzent Englisch spricht und dadurch unverständlich für 710 andere wird (.) also (.) ähm (.) ja, dann kann man da schnell auch in eine 711 Schublade gesteckt werden und ähm (.) also ich finde schon, dass es darum 712 geht, den Schülern zu ermöglichen, das Beste aus ihrem Englisch herauszu- 713 holen und ihnen auch zu ähm also (.) ja ähm zu zeigen, dass sie dadurch 714 Zugang zur Sprachgemeinschaft ähm haben. (Transkript Vogt, t1, Z. 706- 715 715) Die Lehrkraft verhandelt auf expliziter Ebene die Annäherung an die Sprachkompetenz einer Sprachgemeinschaft, deren Erstsprache das Englische ist. Hierbei bezieht sie sich auf eine wahrgenommene Leistungsnorm, welche darauf abzielt, den Schüler*innen zu einem möglichst hohen Sprachniveau bzw. einer bestmöglichen Sprachkompetenz zu verhelfen („ das Beste aus ihrem Englisch herauszuholen “, Z. 711-712). Diese Norm wird nicht hinterfragt und ist eng mit der Person der Lehrkraft verbunden, was sich in ihrer Äußerung „ also ich finde schon, dass es darum geht, den Schülern zu ermöglichen, das Beste aus ihrem Englisch herauszuholen “ (Z. 711-713) zeigt. Die Vorstellung von einer hohen Sprachkompetenz wird im weiteren Verlauf der Ausführungen der Lehrkraft konkretisiert, indem das Vorhandensein von Akzenten beim Englischsprechen erwähnt und als negativer Horizont gerahmt wird. Dies zeigt sich darin, dass Akzente als Grund für potenzielle Kommunikationsschwierigkeiten angeführt und damit aus einer defizitorientierten Perspektive betrachtet werden (Z. 707-709). Weiterhin verknüpft die Lehrkraft Akzente beim Englischsprechen mit der Möglichkeit 208 7 Typenbildungen und Ergebnisdarstellung <?page no="209"?> der Stigmatisierung und Stereotypisierung (Z. 706 ff.), was auf eine von der Lehrkraft als negativ wahrgenommene Konnotation in Bezug auf Akzente verweist. Hieraus lässt sich ableiten, dass die Vorstellung des Erreichens einer hohen Sprachkompetenz für die befragte Lehrkraft mit dem akzentfreien Sprechen des Englischen einhergeht und zum Ziel des institutionellen Englischerwerbs wird (vgl. Z. 711 ff.). In der Rahmung der Lehrkraft stellt dies ferner eine Voraussetzung dafür dar, um Ausgrenzungen und Vorurteilen zu entgehen. Im Gegensatz zum Typ ko-konstruktiv, bei welchem der Erwerb des Englischen vor dem Hintergrund der Teilnahme an der außerschulischen Lebenswelt der Schüler*innen sowie dem Ziel der Kommunikation mit Nicht-Muttersprachler*innen wahrgenommen wird, wird Englisch im Fall Vogt als Bedingung für den Zugang zu einer hier nicht näher beschriebenen Sprachgemeinschaft gerahmt (Z. 714). Hierbei positioniert sich die Lehrkraft in der Rolle derjenigen Person, die den Schüler*innen durch den institutionellen Englischunterricht einen Zugang zu ebendieser Sprachgemeinschaft ermöglicht. Das Handeln der Lehrkraft sowie der Erwerb des Englischen im Englisch‐ unterricht wird damit zum Möglichkeitsraum, um in außerschulischen Kontexten „ in einer Sprachgemeinschaft akzeptiert “ (ebd.) zu werden. Zugang zu dieser Sprachge‐ meinschaft erhalten in der Rahmung des Falls Vogt diejenigen, die akzentfreies Englisch sprechen, worin sich letztlich die Wahrnehmung von sowie die Orientierung an der native speaker-Norm andeutet. Im weiteren Verlauf des Interviewgesprächs mit der Lehrkraft im Fall Vogt zeigt und bestätigt sich die Wahrnehmung der native speaker-Norm bzw. eines Sprachideals, an welcher sich die Lehrkraft orientiert: 752 Thorsten Vogt: Ja? (2) es ist, (3) ich meine, wir haben natürlich die Mög- 753 lichkeit und das ist ja das Schöne auch über die ganzen, über die Tech- 754 niken, die authentischen Materialien, die wir haben, (.) ähm die wir 755 nutzen können, mittels YouTube und äh die ganzen Aufnahmen, die auch von 756 den Verlagen eben erstellt werden und bereitgestellt werden, (.) ähm da 757 ist es natürlich schon ein Leichtes sagen wir mal, dieses-ein gewisses 758 authentisches Ideal zu vermitteln, ja? (Transkript Vogt, t1, 752-759). In seinen Ausführungen beschreibt Herr Vogt die zahlreichen Materialien, welche den Lehrkräften für den Englischunterricht und damit für das Vermitteln der englischen Sprache zur Verfügung stehen. Hierbei bezieht sich die Lehrkraft auf die medialen Möglichkeiten, mit deren Hilfe Lehrkräfte ein „ gewisses authentisches Ideal […] vermitteln “ (Z. 757-758) können. Somit zeigt sich auch hier der positive Horizont eines englischsprachigen Ideals, welches sich unter Berücksichtigung der zuvor dargestellten Passage auf ein möglichst native-nahes und akzentfreies Sprechen der englischen Sprache bezieht. Durch das Hören von Aufnahmen sowie das Schauen von YouTube-Videos im Englischunterricht soll den Schüler*innen dieses Sprachideal vermittelt werden, um so einen Zugang zu einer Sprachgemeinschaft zu erhalten, welche ein akzentfreies Englisch spricht. Dies steht in Kontrast zu den Fällen des Typs ko-konstruktiv. Hier werden digitale Tools und soziale Medien vor dem Hintergrund der Bedeutung für die Lebenswelt der Schüler*innen betrachtet sowie als Unterrichtsbzw. Gesprächsgegenstände in den 7.2 Typologie zur Gestaltung des Englischunterrichts im Umgang mit Lernenden 209 <?page no="210"?> 165 Dies wird besonders deutlich anhand einer Passage, in welcher die Lehrkraft im Fall Altay versucht, ihren Schüler*innen zu vermitteln, dass es beim Kommunizieren in der Fremdsprache nicht um das Beherrschen eines ‚perfekten‘, d. h. akzentfreien Englisch geht als vielmehr um den Austausch sowie die gegenseitige Verständigung in der Fremdsprache: „Und dann habe ich gesagt, ‘diedie sind in der gleichen Situation wie ihr‘, weil die zum Beispiel auch sagen ‘ach was ist, wenn wir dann so die Wörter nicht finden oder wenn wir einen Akalso wenn wir einen Akzent haben oder so? ‘ Dann sage ich, ‘da sind polnische Schüler dabei, da sind griechische Schüler dabei, ihr werdet merken, die haben alle einen Adie werden einein Großteil wird einen Akzent haben‘ zum Beispiel, ja? Aber ich habe ihnen dann auch gesagt, dass es ja viel wichtiger ist (.) miteinander zu sprechen ähm als da irgendwie auf Akzente so zu achten (.)“ (Transkript Altay, t1; Z. 481-490) Englischunterricht einbezogen (vgl. Transkript Altay, t1, Z. 461 ff.). Weiterhin zeigt sich im Typ ko-konstruktiv, dass der Fokus des Englischunterrichts auf der Befähigung der Schüler*innen zur kommunikativen Teilnahme an der außerschulischen Lebenswelt liegt, in welcher sie mit Nicht-Erstsprachler*innen kommunizieren 165 . Diese Kommunikations‐ situationen spielen im Fall Vogt keine Rolle und werden ferner als negativer Gegenhori‐ zont gerahmt (vgl. Transkript Vogt, t1, Z. 561 ff.). Bedeutsam für die Handlungspraxis der Lehrkraft ist ausschließlich das native speaker-Ideal, für dessen Annäherung die genannten medialen Unterrichtsmaterialien als Hilfsmittel gerahmt werden. Damit zeigt sich, dass der Erwerb der englischen Sprache im institutionellen Kontext vor allem an das Ziel gebunden ist, mit L1 Sprecher*innen in der Art zu kommunizieren, dass man sich sprachlich an diese annähert und von diesen verstanden wird, um letztlich in deren Sprachgemeinschaft aufgenommen zu werden. Dem Englischerwerb wird damit eine ‚zielsprachliche‘ Bedeutung zugeschrieben. 7.2.6 Zwischenfazit Anhand der in Kapitel 7.2.1 bis 7.2.5 dargestellten Rekonstruktionsergebnisse konnte gezeigt werden, welche handlungsleitenden Orientierungen sich bei den Fällen des Samples der vorliegenden Arbeit zur Gestaltung des Englischunterrichts im Umgang mit Lernenden zeigen. Ferner konnten fünf Typiken als Vergleichsdimensionen herausgearbeitet werden, die den Erfahrungsraum des Englischunterrichts mehrdimensional auffächern und ihn in seiner Vielschichtigkeit darstellbar machen. Auch wurden hierdurch die maximalen und minimalen Kontraste zwischen den jeweiligen Fällen deutlich. Es konnte gezeigt werden, wie sich die Fälle in der mehrdimensionalen sinngenetischen Typenbildung verorten lassen. Tabelle 16 fasst die bis hierhin dargestellten Ergebnisse überblicksartig zusammen: 210 7 Typenbildungen und Ergebnisdarstellung <?page no="211"?> Typ Dimension Typ I ko-konstruktiv Typ II durchprozessiert Typ III lenkend I. Unterrichtsbild Ausgangspunkt des Englischunterrichts Fokus auf Lernende Fokus auf Gegen‐ stand/ Stoff Fokus auf Lehrkraft Fachlicher Fokus Kommunikation und Verständi‐ gung Sprachrichtigkeit, Form und Struktur II. Rollenverständnis im Englischunterricht Lehrer*innenrolle und Selbstbild Lehrkraft als Lernpartner*in Lehrkraft als Strukturgeber*in Lehrkraft als Expert*in Schüler*innenrolle Schüler*innen als Akteur*innen Schüler*innen als (aktive) Nutzer*in‐ nen (von Lerninhal‐ ten) Schüler*innen als Re‐ zipient*innen (von Lerninhalten) III. Bedeutung von Sprache Spracherwerb und Sprachenlernen lebensweltlich institutionell ‚zielsprachlich‘ Fälle Altay, Bauer Kaiser, Hohenstein, Wagner, Lindner, Friedrich, Pohl Vogt, Schneider, Hofmann, Winter Tabelle 16: Überblick über die mehrdimensionale sinngenetische Typenbildung zur Gestaltung des Englischunterrichts im Umgang mit Lernenden mit den Typiken Ausgangspunkt des Englischunter‐ richts, Fachlicher Fokus, Lehrer*innenrolle und Selbstbild, Schüler*innenrolle und Spracherwerb und Sprachenlernen 7.3 Typologie zum Umgang mit kultureller und sprachlicher Heterogenität Wie einleitend erwähnt, stellt das Thema des Umgangs mit kultureller und sprachlicher Heterogenität kein zentrales ‚Orientierungsproblem‘ der Lehrkräfte dar, sondern ist in erster Linie durch den Forschungsfokus der vorliegenden Arbeit normativ gesetzt (vgl. Kapitel 7.1). So wird das Thema durch explizite Nachfragen seitens der Interviewerin in den Interviewgesprächen aufgebracht und als relevant markiert. Um zu vermeiden, dass den befragten Lehrkräften in der Datenanalyse die eigenen forschungsbezogenen Schwerpunkte und Interessen ‚aufgesetzt‘ werden, wurde in einem ersten Schritt die oben dargestellte Typologie zur Gestaltung des Englischunterrichts im Umgang mit Lernenden erarbeitet (vgl. Kapitel 7.2). Erst in einem zweiten Schritt wurde das Datenmaterial nach typisierbaren Orientierungsrahmen in Bezug auf den Umgang mit kultureller und sprachlicher Heterogenität im Englischunterricht untersucht. Wie im Folgenden dargestellt wird, ließen sich hier zentrale Orientierungen rekonstruieren, welche die Erfahrungen der Lehrkräfte sowie die Art und Weise des Handelns im Englischunterricht in Bezug auf dieses Thema bündeln. Mit diesem Vorgehen orientiert sich die vorliegende Arbeit an Fögele 7.3 Typologie zum Umgang mit kultureller und sprachlicher Heterogenität 211 <?page no="212"?> 166 Eine Ausnahme bildet der Fall Pohl. Hier erwähnt die Lehrkraft von sich aus bereits in der Eingangspassage ihre Erfahrungen im Umgang mit kultureller und sprachlicher Heterogenität (vgl. Transkript Pohl, t1, Z. 6-66). 167 Die in dieser Arbeit rekonstruierten Typen zum Umgang mit kultureller und sprachlicher Heteroge‐ nität weisen mit ihren Bezeichnungen Ähnlichkeiten zu den von Wilken (2021) herausgearbeiteten Typen zum Umgang mit Mehrsprachigkeit auf. Dies ist durch die thematische Nähe zur Arbeit Wilkens begründet und spricht für die Validität der Ergebnisse dieser Arbeit. Hierauf wird in der Diskussion eingegangen (vgl. Kapitel 8). (2016), welcher ebenfalls eine mehrdimensionale sinngenetische Typenbildung in Bezug auf zwei Themenfelder vornahm. Im Anschluss an den Eingangsimpuls des Interviewgespräches sowie ggf. hierauf bezogene immanente Nachfragen wurden die befragten Lehrkräfte nach ihren Erfahrungen gefragt, die sie im Umgang mit kultureller und sprachlicher Heterogenität gemacht haben. Um eine möglichst breitgefächerte Erzählung zu evozieren, wurden seitens der Interviewerin keine zeitlichen Beschränkungen vorgegeben. Auch wurden kulturelle und sprachliche Heterogenität im Frageimpuls nicht definiert, sodass den Antworten der Lehrkräfte immer auch eine Verständigung darüber zugrunde liegt, was diese unter kultureller und sprachlicher Heterogenität verstehen. Somit dokumentiert sich in den Umgangsweisen mit kultureller und sprachlicher Heterogenität immer auch ein modus operandi der Herstellung von Heterogenität, der in der nachfolgend dargestellten Typologie mit aufgeht. Im Zuge der komparativen Analyse ließen sich drei Typen des Umgangs mit kultureller und sprachlicher Heterogenität rekonstruieren. Diese sind: Typ einbindend, Typ aushan‐ delnd sowie Typ funktionalisierend. Weiterhin haben sich vier gegenstandsbezogene Typi‐ ken ergeben, entlang derer sich sowohl die Konstruktion von kultureller und sprachlicher Heterogenität als auch die Umgangsweisen mit ebendiesen Heterogenitätsdimensionen abbilden lassen. Nahezu alle Befragten äußern sich erst auf die explizite Nachfrage der Interviewerin zum Thema des Umgangs mit kultureller und sprachlicher Heterogenität 166 . Hierbei nehmen sie keine Differenzierungen zwischen den beiden Heterogenitätsdimensi‐ onen vor, sondern beziehen sich in erster Linie auf sprachliche Heterogenität. Vor diesem Hintergrund thematisieren die befragten Lehrkräfte mehrheitlich sprachliche Unterschiede zwischen den Schüler*innen und rahmen kulturelle und sprachliche Heterogenität damit als Differenzkategorie. Auch werden familiär- und herkunftsbedingte Spracherfahrungen thematisch. Die Wahrnehmung und Thematisierung von kultureller Heterogenität zeigen sich in Ansätzen bei der Erwähnung von Themen wie Religion, Migration oder Herkunft. Analog zum Vorgehen bei der Darstellung der Typologie zur Gestaltung des Englisch‐ unterrichts im Umgang mit Lernenden (vgl. Kapitel 7.2) werden im Folgenden zunächst die rekonstruierten Typen mit ihren kontrastierenden Orientierungsrahmen im genannten Handlungsfeld des Umgangs mit kultureller und sprachlicher Heterogenität zusammenfas‐ send dargestellt. Anschließend werden die herausgearbeiteten Typiken sowie die hierauf bezogenen Handlungsorientierungen anhand von ausgewählten Textstellen illustriert und so die Mehrdimensionalität des Erfahrungsraums deutlich gemacht. Die erarbeiteten sinngenetischen Typen charakterisieren sich wie folgt 167 : 212 7 Typenbildungen und Ergebnisdarstellung <?page no="213"?> Umgang mit kultureller und sprachlicher Heterogenität Typ I -einbindend Typ II -aushandelnd Typ III -funktionalisierend Charakteris‐ tika • kulturelle und sprach‐ liche Erfahrungen als Ressourcen • bedürfnisorientierter Einbezug von kultu‐ rellen und sprachli‐ chen Hintergründen in den Englischunter‐ richt • Fokus auf Individuen und Wertschätzung der individuellen Hin‐ tergründe • Offenheit gegenüber sprachlichen und kul‐ turellen Erfahrungen • Rahmung von kultu‐ reller und sprachlicher Heterogenität auf der Ebene des Individu‐ ums • Wertschätzung der kulturellen und sprachlichen Hinter‐ gründe der Schü‐ ler*innen • Einbezug erfolgt, wenn sich eine Pas‐ sung mit dem Curri‐ culum ergibt • Beziehungs-bildung • Unsicherheit im Um‐ gang mit bzw. Einbe‐ zug von kulturellen und sprachlichen Er‐ fahrungen und Hin‐ tergründen der Schü‐ ler*innen • Fokus auf institu‐ tionelle Zwei-/ Mehr‐ sprachigkeit • distanzierter Blick auf kulturelle und sprachliche Hetero‐ genität • auf den Erwerb der Zielsprache ori‐ entierter Einbezug der kulturellen und sprachlichen Hinter‐ gründe und Erfah‐ rungen der Schü‐ ler*innen • Defizitorientierung • Zuschreibungen und herkunfts-/ mi‐ grations-bezogenes Kulturverständnis • Einsprachigkeit im Englischunterricht • Rahmung von kultu‐ reller und sprachli‐ cher Heterogenität auf der Ebene des Kollektivs Fälle Altay, Bauer Kaiser, Wagner, Lindner, Hohenstein, Pohl, Friedrich Schneider, Vogt, Hofmann, Winter Tabelle 17: Erfahrungsdimension Umgang mit kultureller und sprachlicher Heterogenität mit den Typen einbindend, aushandelnd und funktionalisierend (eigene Darstellung). Die Fälle, die dem Typ einbindend zugeordnet wurden, charakterisieren sich durch einen Umgang mit kultureller und sprachlicher Heterogenität in ihrem Englischunterricht, der sich am Individuum und dessen Bedürfnissen orientiert. Im Sprechen über Schüler*innen zeigt sich, dass die Lehrkräfte über zahlreiche Informationen bezüglich deren Hintergründe verfügen. Letztere werden als Ressourcen gerahmt und nahezu selbstverständlich in den Englischunterricht einbezogen. Hierbei zeigen die Fälle dieses Typs eine Offenheit gegenüber lebensweltlich erworbenem Sprachwissen und herkunftsbedingter Mehrspra‐ chigkeit sowie kulturellen Erfahrungen aus Erfahrungsräumen, an welchen sie selbst nicht teilhaben. Im Fokus des Handelns der jeweiligen Fälle stehen neben der Wertschät‐ zung und Anerkennung der individuellen Hintergründe insbesondere die Befähigung der Schüler*innen zur Kommunikation und zum Austausch über für sie relevante Themen im Englischunterricht. Auch distanzieren sich die Fälle z.T. explizit von Sprachverboten im Unterricht und zeigen Verständnis ihren Schüler*innen gegenüber, indem sie ihre eigenen biographischen Erfahrungen auf die Schüler*innen projizieren und sich in diese hineinversetzen. 7.3 Typologie zum Umgang mit kultureller und sprachlicher Heterogenität 213 <?page no="214"?> Werden die Fälle dieses Typs explizit mit dem normativ aufgeladenen Thema kulturelle und sprachliche Heterogenität konfrontiert, so lassen sich keine Spannungsverhältnisse zwischen den Habitūs der Fälle und dieser Norm ausmachen. Der Umgang mit kultureller und sprachlicher Heterogenität ist habitualisiert. Die Fälle des Typs aushandelnd kennzeichnet, dass sie sich im Sprechen über Englisch‐ unterricht sowie ihre Schüler*innen spannungsreich mit dem Thema des Umgangs mit kul‐ tureller und sprachlicher Heterogenität auseinandersetzen. So nehmen die zugeordneten Fälle die Bedeutung von kulturellen und sprachlichen Hintergründen sowie Erfahrungen für ihre Schüler*innen und deren Lernprozesse wahr. Auch erkennen sie die Wichtigkeit des Einbezugs dieser Hintergründe und Erfahrungen in den (Englisch-)Unterricht an und rahmen diese auf expliziter Ebene als Ressourcen. Implizit zeigt sich jedoch, dass die kulturellen und sprachlichen Hintergründe der Lernenden weniger vor dem Hintergrund der Ermöglichung von Lernprozessen im Englischunterricht als vielmehr als Möglichkeit des Beziehungsaufbaus mit diesen relevant werden. In Bezug auf den unterrichtlichen Umgang mit den kulturellen und sprachlichen Hintergründen der Schüler*innen äußern die Fälle dieses Typs häufig Unsicherheiten und verknüpfen diese mit fehlendem Wissen oder Handlungsstrategien. Des Weiteren zeigt sich, dass sich die primäre Orientierung der Fälle auf curriculare Vorgaben sowie inhaltliche Anforderungen richtet, welchen gegenüber der Einbezug von kulturellen und sprachlichen Hintergründen der Schüler*innen eine untergeordnete Rolle spielt. Letzterer wird damit als exteriore Norm erfahren, die in Spannung zur Orientierung an curricularen Vorgaben und institutionellen Anforderungen steht. Die Handlungspraxis dieses Typs ist folglich durch Ambivalenzen gekennzeichnet. Der Englischunterricht dieser Fälle wird größtenteils zweisprachig abgehalten (Englisch und Deutsch). Weitere (Fremd-)Sprachen, hier vor allem Schulfremdsprachen, finden im Englischunterricht dann Berücksichtigung, wenn die zugeordneten Fälle sich als kompetent in den jeweiligen Sprachen rahmen und eine Passung dieser Sprachen zum Curriculum wahrnehmen. Den Typ funktionalisierend kennzeichnet, dass die zugeordneten Fälle einen distanzier‐ ten Blick auf kulturelle und sprachliche Heterogenität einnehmen und die diesbezüglichen Hintergründe ihrer Schüler*innen häufig aus einer Defizitperspektive wahrnehmen. So werden in den Erzählungen der Lehrkräfte häufig die sprachlichen Schwierigkeiten oder aber mangelnden Kompetenzen der Schüler*innen hervorgehoben, von welchen angenom‐ men wird, dass sie einen Migrationshintergrund haben. Auch erzählen die Fälle dieses Typs im Vergleich zu den anderen Fällen des Samples häufiger von schwierigen Situationen im Umgang mit ebendiesen Schüler*innen. Der Umgang mit kultureller und sprachlicher Heterogenität wird damit in erster Linie als Herausforderung für die befragten Lehrkräfte und deren Englischunterricht gerahmt. Des Weiteren lassen sich in den Erzählungen der befragten Lehrkräfte Zuschreibungspraktiken sowie ein an Herkunft und Migration gebundenes Kulturverständnis identifizieren, welches nicht tiefergehend reflektiert wird. Der Englischunterricht der zugeordneten Fälle findet nahezu ausschließlich einsprachig statt. Weitere (Fremd-)Sprachen und kulturelle Erfahrungen der Schüler*innen finden nur dann Einbezug in den Unterricht, wenn diese dem primären Ziel des Englischerwerbs dienen oder geplante Unterrichtsprozesse Gefahr laufen, zu scheitern. Der Einbezug von 214 7 Typenbildungen und Ergebnisdarstellung <?page no="215"?> kultureller und sprachlicher Heterogenität wird ferner als exteriore Norm erfahren, von welcher sich die Lehrkräfte weitestgehend distanzieren. 7.3.1 Typik: Einbezug kultureller und sprachlicher Heterogenität Die Typik Einbezug kultureller und sprachlicher Heterogenität bündelt jene Handlungsori‐ entierungen, die sich auf die Art und Weise beziehen, wie die jeweiligen Fälle des Samples die kulturellen und sprachlichen Hintergründe sowie Erfahrungen ihrer Schüler*innen in den Englischunterricht einbeziehen. Innerhalb dieser Typik wird damit deutlich, inwiefern der Umgang mit kultureller und sprachlicher Heterogenität für den Englischunterricht relevant wird. Weiterhin zeigt sich, welchen Schwerpunkt die Lehrkräfte im Umgang mit diesem Thema im Englischunterricht setzen. Die rekonstruierten typenspezifischen Handlungsorientierungen lassen sich wie folgt darstellen (vgl. Tabelle 18): Typen Typ I einbindend Typ II aushandelnd Typ III funktionalisierend Typik Handlungsorientierungen Einbezug kulturel‐ ler und sprachli‐ cher Heterogenität erfolgt, … … wenn Lernende das Bedürfnis haben … wenn sich eine Passung mit dem Curriculum er‐ gibt … wenn die Vermitt‐ lung und der Erwerb des Englischen im Fo‐ kus stehen Tabelle 18: Typik Einbezug kultureller und sprachlicher Heterogenität mit den Handlungsorientie‐ rungen … wenn Lernende das Bedürfnis haben, … wenn sich eine Passung mit dem Curriculum ergibt und … wenn die Vermittlung und der Erwerb des Englischen im Fokus stehen Bei den Fällen, die dem Typ einbindend zugeordnet sind, zeigt sich ein lerner*innenorien‐ tierter Umgang mit bzw. Einbezug von kulturellen und sprachlichen Erfahrungen sowie Hintergründen der Schüler*innen in den Englischunterricht. Dieser macht sich zum einen dadurch bemerkbar, dass die befragten Lehrkräfte meist über ein umfangreiches Wissen über die je individuellen Hintergründe ihrer Schüler*innen verfügen und damit Nähe zu diesen konstruieren. Zum anderen zeigt sich, dass die Fälle dieses Typs die Hintergründe und Erfahrungen ihrer Schüler*innen insbesondere dann zum Gegenstand des Englisch‐ unterrichts machen, wenn die Schüler*innen das Bedürfnis zum Ausdruck bringen, von ihren je individuellen Hintergründen zu erzählen. So zeigt sich im Sprechen über kulturelle und sprachliche Heterogenität sowie Englischunterricht, dass es nicht die Lehrkräfte sind, welche die Thematisierung sowie den Einbezug diesbezüglicher Erfahrungen initiieren oder gar einfordern. Vielmehr sind es die Schüler*innen, die in Unterrichtsgesprächen das Thema aufbringen. 229 - es ist so, dass die Muttersprache muss ich sagen spielt immer ne 230 ganz wichtige Rolle bei den Kindern, das ist denen auch ganz wichtig ähm: 231 so in ihrer Sprache zu kommunizieren, also zum Beispiel in meiner Klasse, 232 wenn es da jemanden gibt, der die gleiche Sprache spricht, ob es nun 7.3 Typologie zum Umgang mit kultureller und sprachlicher Heterogenität 215 <?page no="216"?> 233 Polnisch ist oder (.) Italienisch, Türkisch, Arabisch oder was auch immer, 234 dann hört man die auch öfter mal in ihrer Muttersprache sprechen (.) ich 235 glaube das ist- Muttersprache spielt einfach eine ganz, ganz wichtige 236 Rolle (.) und ich glaube die finden das zum Beispiel auch toll, wenn im 237 Englischunterricht dann mal ein Mitschüler sagt „wie heißt denn das Wort 238 eigentlich in eurer Sprache“ (Transkript Frau Altay, t1, Z. 229-239) Die Lehrkraft im Fall Altay verhandelt zunächst auf expliziter Ebene die Bedeutung der Muttersprache für ihre Schüler*innen. Hierbei nimmt sie eine Außenperspektive bzw. die Rolle einer Beobachterin ein, indem sie ihre Wahrnehmungen hinsichtlich der Relevantsetzungen ihrer Schüler*innen beschreibt und dadurch selbst als Handelnde in den Hintergrund rückt. Im Gegensatz zu den Fällen des Typs lenkend wird das Sprechen der Schüler*innen in ihren jeweiligen Muttersprachen nicht bewertet oder als negativer Horizont gerahmt. Auch werden die sprachlichen Hintergründe und Erfahrungen der Lernenden nicht ausgeblendet oder gar verboten (wie z. B. im Fall Winter; vgl. Transkript Winter, t1, Z. 119-122). Vielmehr liegt der Fokus auf der Hervorhebung der Relevantset‐ zungen der Schüler*innen und damit auf deren Wahrnehmungen und Hintergründen. Auch im weiteren Verlauf der gewählten Passage zeigt sich im Sprechen über Unterricht, dass die Schüler*innen eine aktive Rolle einnehmen und ihre sprachlichen Erfahrungen sowie ihr Sprachwissen eigeninitiativ in den Englischunterricht einbeziehen und zum Gegenstand desselben machen (vgl. Z. 237-238). Damit stehen die (Kommunikations-)Bedürfnisse der Lernenden im Fokus und nicht etwa auf den Unterricht oder das Curriculum bezogene Vorgaben. Ein bedürfnissowie lerner*innenorientierter Umgang mit kultureller und sprachlicher Heterogenität zeigt sich auch im Fall Bauer. Bei diesem Fall stehen weniger die sprachlichen Erfahrungen und Hintergründe als vielmehr Aspekte von kultureller Heterogenität, näm‐ lich Religion, im Fokus. 245 also auch gerade wenn Schülerinnen und Schüler äh dann (.) zum Beispiel 246 den, den Ramadan ähm (.) achteten und äh (.) durchaus dann auch zu mir 247 kamen und sagten sie wissen dass sie nicht fit sind gerade, dass sie aber 248 zur Schule gehen und wir dann eine Vereinbarung hatten, (.) so dass na- 249 türlich sie immer noch in der Schule sein dürfen, @ja@ und auch aktiv 250 sein dürfen, äh aber dass äh dass es einfach mal, dass sie Verständnis 251 erfahren dafür (.) ähm in welcher Situation sie sich gerade befinden und 252 so habe ich auch über äh Schülerinnen und Schüler viel mehr erfahren und 253 äh weil sie mir dann ja auch eben berichteten (.) ja was sie dann gerade 254 tun und warum sie das machen (.) und äh ab und an, wenn ähm, wenn sie 255 wollten, haben wir das auch im Unterricht zum Thema gemacht. (Transkript 256 Bauer, t1, Z. 245-257) Analog zum Fall Altay stellt Frau Bauer die Hintergründe zweier Schüler*innen in den Mittelpunkt ihrer Beschreibungen, die sich aufgrund des Ramadans in einer im Vergleich 216 7 Typenbildungen und Ergebnisdarstellung <?page no="217"?> zu ihren Mitschüler*innen besonderen Situation befinden. Dies wird von der Lehrkraft nicht bewertet, sondern vielmehr als positiver Horizont sowie als Möglichkeit gerahmt, etwas über ihre Schüler*innen zu erfahren (vgl. Z. 252). Hierdurch konstruiert sie Nähe zu diesen und bringt ihre Wertschätzung sowie Verständnis für die individuellen Hintergründe ihrer Schüler*innen zum Ausdruck. Weiterhin wird deutlich, dass auch Frau Bauer in ihren Beschreibungen als Handelnde in den Hintergrund rückt und damit den Bedürfnissen sowie Hintergründen der Schüler*innen Raum gibt. So sind es die Lernenden, welche auf die Lehrkraft zugehen und das Thema Religion sowie ihre je individuellen religionsbezogenen Hintergründe ansprechen. Damit werden die (kulturellen) Hintergründe nicht durch die Lehrkraft, sondern durch die Schüler*innen selbst thematisch. Auch bezogen auf den Englischunterricht zeigt sich im weiteren Verlauf der Passage, dass es nicht die Lehrkraft ist, welche die Thematisierung von kultureller Heterogenität bzw. religionsbezogenen Erfahrungen forciert. Vielmehr erfolgt der Einbezug diesbezüglicher Erfahrungen in den Unterricht, wenn die Schüler*innen ihr Einverständnis hierfür geben (vgl. Z. 254-255). Charakteristisch für die Fälle des Typs aushandelnd ist eine im Vergleich zu den übrigen Fällen des Samples häufige Thematisierung von curricularen Themen und unterrichtsbe‐ zogenen Inhalten bei der Auseinandersetzung mit dem Thema kulturelle und sprachliche Heterogenität. So zeigt sich im Sprechen über Unterricht, dass sich die zugeordneten Fälle in der Konfrontation mit der Frage, welche Erfahrungen sie im Umgang mit kultureller und sprachlicher Heterogenität gemacht haben, oftmals im Modus einer Argumentation auf Kompetenzziele und Standards beziehen, die im Rahmen des Englischunterrichts erreicht werden sollen. Der Umgang mit kultureller und sprachlicher Heterogenität wird als exteriore Norm erfahren, zu welcher sich die Lehrkräfte meist argumentativ verhalten und versuchen, eine Passung zum Curriculum herzustellen: 61 Frau Lindner: Okay; Also das ähm Interessante ist ja, dass eine Kompetenz 62 im Englischunterricht ja ähm die interkulturelle Kompetenz ist und des- 63 wegen ist das natürlich sehr wichtig ähm, dass man da das auf jeden Fall 64 auf dem Schirm hat, […] von daher ist das schon etwas was man natürlich 65 auch immer wieder mit ins Spiel bringen kann wenn man über kulturelle 66 Unterschiede oder kulturelle Besonderheiten im englischsprachigen Aus- 67 land spricht (Transkript Lindner, t1, Z. 61-81) Auf die Frage nach den Erfahrungen, welche die befragte Lehrkraft im Umgang mit kultureller und sprachlicher Heterogenität gemacht hat, verhandelt Frau Lindner die Bedeutung der interkulturellen Kompetenz für den Englischunterricht im Modus einer Argumentation. Hierbei verknüpft sie die in der Frage der Interviewerin aufgebrachten Begriffe der kulturellen und sprachlichen Heterogenität mit der curricular als für den Englischunterricht relevant gesetzten interkulturellen Kompetenz. Diese sowie deren Förderung im Englischunterricht nimmt sie als Norm wahr, was sich anhand der Verwen‐ dung des Selbstverständlichkeitsmarkers „ ja “ (Z. 61, 62) zeigt. Anhand ihrer Äußerung „ deswegen ist das natürlich sehr wichtig ähm, dass man da das auf jeden Fall auf dem Schirm hat “ (Z. 62-64) macht sie deutlich, dass sie die Berücksichtigung der kulturellen und sprachlichen Hintergründe der Schüler*innen in erster Linie vor dem 7.3 Typologie zum Umgang mit kultureller und sprachlicher Heterogenität 217 <?page no="218"?> Hintergrund von curricularen Vorgaben und unterrichtlichen Standards als relevant für den Englischunterricht rahmt und nicht etwa als Möglichkeit der Förderung von Verstehen‐ sprozessen oder der Kommunikation und des Austauschs. Weiterhin deutet sich in dieser Passage an, dass der Einbezug und die Berücksichtigung von kultureller und sprachlicher Heterogenität an bestimmte Situationen geknüpft ist und keinen selbstverständlichen Teil des Englischunterrichts der Lehrkraft darstellt. Auf Letzteres verweist zunächst die Textsorte der Argumentation, durch welche die Lehrkraft deutlich macht, dass sie zwar um Handlungsmöglichkeiten weiß und diese explizit zum Ausdruck bringen kann. Allerdings lassen sich hieraus keine Rückschlüsse auf das tatsächliche Handeln der Lehrkraft ziehen. Vielmehr spielt sie verschiedene Möglichkeiten durch, in welchen der Einbezug und die Thematisierung von „ kulturelle[n] Unterschiede[n] oder kulturelle[n] Besonderheiten “ (Z. 65-66; C.L.) im Englischunterricht als für sie geeignet erscheint. Hierbei zeigt sich zunächst, dass sie in erster Linie Differenzkategorien sowie die Thematisierung von Unterschieden und Besonderheiten als relevant rahmt. Weiterhin bringt sie zum Ausdruck, dass die Förderung von Interkulturalität an bestimmte Situationen sowie Themen im Englischunterricht gebunden sind. Dies verdeutlicht sich auch im weiteren Verlauf des Interviewgespräches, indem die Lehrkraft die Thematisierung der kulturellen und sprachlichen Hintergründe der Lernen‐ den an ein curricular vorgegebenes Thema sowie die vorgegebenen Aufgabenstellungen des Lehrwerks knüpft: 128 ich hab das gerade tatsächlich bei meinen Neuntklässlern; […] äh: m (.) 129 und da haben wir eben das Thema USA und da geht's um immigration natürlich 130 und da wurde danalso das wird ja auch häufig in den Lehrwerken so an- 131 gelegt dass die sidas auf sich selbst und auf ihren ähm persönlichen 132 oder auf ihre persönliche Situation anwenden sollen und ich habe sie dann 133 eben gefragt "Ja wer von euch ist denn eigentlich hier in Deutschland 134 und hat ähm Migrationshintergrund oder die Großeltern oder irgendwelche 135 äh: m Vorfahren die nicht aus Deutschland kommen" (Transkript Lindner, 136 t1, Z. 128-139) Auf die Frage der Interviewerin nach konkreten Situationen aus dem Englischunterricht im Umgang mit kultureller und sprachlicher Heterogenität rahmt die befragte Lehrkraft ihre Beschreibung zunächst vor dem Hintergrund der Hervorhebung des Unterrichtsthemas. Damit steht das Thema ‚immigration‘ im Fokus ihrer nachfolgenden Ausführungen und wird ferner als unveränderliche und normative Vorgabe gerahmt. Letzteres wird deutlich anhand der Verwendung des Selbstverständlichkeitsmarkers „ natürlich “ (Z. 129). Weiter‐ hin spricht die Tatsache, dass die Lehrkraft selbst in dieser Passage als Handelnde in den Hintergrund rückt, für diese Lesart. Die kulturellen und sprachlichen Hintergründe der Schüler*innen werden damit in erster Linie in Bezug auf unterrichtsbezogene Vorgaben sowie die Thematisierung von Herkunft und Migration relevant. Weiterhin bieten die curricularen Vorgaben sowie die inhaltliche Aufbereitung der unterrichtlichen Themen in den Lehrwerken der Lehrkraft die Möglichkeit, auf die kulturellen und sprachlichen Hintergründe ihrer Schüler*innen im Englischunterricht einzugehen (vgl. Z. 132-135). 218 7 Typenbildungen und Ergebnisdarstellung <?page no="219"?> Letzteres wird anhand ihrer Äußerung „ ich habe sie dann eben gefragt “ (Z. 132-133) deutlich, wodurch sie eine für sie logische Handlungsfolge zum Ausdruck bringt. Auch im Fall Wagner wird deutlich, dass das Thema kulturelle und sprachliche Heteroge‐ nität sowie ihr Einbezug in den Englischunterricht an die Thematisierung und Aushandlung der Relevanz von unterrichtsbezogenen und curricular vorgegebenen Inhalten geknüpft ist. 207 Ähm bei den älteren Schülern von mir tritt das irgendwie wirklich stark 208 in den Hintergrund finde ich. Also die sind dann so, die sind ja so 16, 209 17, 18 plus, minus, manche sogar einen ticken älter, weil wir haben ei- 210 nige, die noch vom Realschulzweig kommen (.) und ähm da reden wir ei- 211 gentlich kaum über die unterschiedlichen kulturellen äh Eigenheiten. Ich 212 weiß nicht ob es, eieigentlich hätte es sich thematisch sogar angebo- 213 ten. Wir haben ja in der 11. Klasse auch das Thema "Growing Up" (.) ähm 214 und da hätte es auch durchaus Impulse gegeben wobei ich die jetzt nicht 215 forciert habe. (Transkript Wagner, t1, Z. 207-216) In ihrer Antwort auf die Frage nach ihren Erfahrungen im Umgang mit kultureller und sprachlicher Heterogenität spielt die Lehrkraft verschiedene Situationen durch, in welchen - hier vor allem Aspekte von kultureller Heterogenität - eine Rolle in ihrem Englischun‐ terricht spielen. Auch Frau Wagner rahmt kulturelle Heterogenität als Differenzkategorie und verbindet hiermit die Hervorhebung und Thematisierung von Unterschieden sowie „ kulturellen äh Eigenheiten “ (Z. 211). Hierbei zeigt sich, dass die Thematisierung und der Einbezug dieser Heterogenitätsdimension von außen initiiert und in den Eng‐ lischunterricht hineingetragen werden muss, um Berücksichtigung zu finden. So sind es zunächst die Schüler*innen, welche in der Wahrnehmung der Lehrkraft diesem Thema wenig Bedeutung beimessen (vgl. 207-208). Im weiteren Verlauf der Passage deutet sich an, dass die Thematisierung von „ kulturellen äh Eigenheiten “ (Z. 211) auch an inhaltliche Vorgaben sowie institutionelle Rahmungen gebunden ist, an welche sich die Lehrkraft hält. Letzteres zeigt sich in ihrem Ausdruck „ da reden wir eigentlich kaum über die unterschiedlichen kulturellen äh Eigenheiten “ (Z. 210-211). Frau Wagner rahmt die Nicht-Thematisierung von kultureller Heterogenität als feststehende Tatsache, die nicht nur für sie selbst, sondern für ein implizit bleibendes Kollektiv („ wir “, Z. 210) gilt und sich daraus ergibt, dass ihre Schüler*innen aus dem Realschulzweig kommen. Weiterhin verhandelt sie im Fortgang der Passage die Passung zu curricularen Themen, die ihr den Einbezug von kultureller Heterogenität ermöglichen (vgl. Z. 213 ff.). Den Einbezug von kultureller Heterogenität rahmt sie damit in erster Linie vor dem Hintergrund von inhaltsbzw. unterrichtsbezogenen Anforderungen und weniger in Bezug auf die Bedürfnisse der Schüler*innen. Durch die norm- und inhaltsbezogene Auseinandersetzung des Typs aushandelnd mit dem Thema kulturelle und sprachliche Heterogenität wird somit der Kontrast zum Typ einbindend deutlich. Bei Letzterem stehen weniger die Verknüpfung mit curricularen Themen sowie Standards als vielmehr die Kommunikation, das Interagieren sowie der 7.3 Typologie zum Umgang mit kultureller und sprachlicher Heterogenität 219 <?page no="220"?> Austausch mit den Schüler*innen über deren kulturelle und sprachliche Erfahrungen im Fokus. Für die Fälle des Typs funktionalisierend ließen sich Handlungsorientierungen rekon‐ struieren, die auf einen distanzierten sowie auf das Ziel der Vermittlung und des Erwerbs des Englischen bezogenen Umgang mit kultureller und sprachlicher Heterogenität verweisen. So verhandeln die befragten Lehrkräfte das Thema in der direkten Konfrontation zunächst häufig in Form von Argumentationen und Bewertungen. Dies verweist darauf, dass sich der Einbezug von kultureller und sprachlicher Heterogenität auf der Ebene des expliziten Wissens und damit auf der Ebene einer wahrgenommenen Norm verorten lässt. Das handlungsleitende Wissen bleibt zunächst eine Leerstelle, was durch die im Vergleich zu den anderen Typen des Samples wenig vorkommenden Erzählungen aus dem Englischun‐ terricht zu diesem Handlungsfeld deutlich wird. Kulturelle und sprachliche Heterogenität werden bei den Fällen dieses Typs in erster Linie vor dem Hintergrund der Wahrnehmung einer heterogenen Schüler*innenklientel relevant, welche aufgrund von zugeschriebenen Migrationshintergründen über unterschiedliche sprachliche Kompetenzen verfügt. Diese werden in den Ausführungen der Lehrkräfte häufig aus einer Defizitperspektive betrachtet und vor dem Hintergrund des Einflusses auf den Erwerb der englischen Sprache verhandelt. Dies zeigt sich am deutlichsten im Fall Vogt: 138 Thorsten Vogt: Mhm (2) mh: (3) also zunächst mal ist es so, dass wir äh 139 die Klientel an unserer Schule an der ich bin in *Name der Stadt*, wir haben 140 doch auch recht viele mit Migrationshintergrund recht viele Schülerinnen 141 und Schüler (.) u: nd ähm: dass es natürlich so ist, dass ähm das zum 142 einen (.) ähm (.) für einige den Erwerb einer weiteren Fremdsprache 143 schwieriger macht, (.) äh: m weil sie einfach Sachen durcheinander brin- 144 gen (.) ja? (.) ähm bis sich die verschiedenen Systeme quasi im Kopf 145 sortiert haben, ja? (.) Äh für andere ist es aber auch so, dass daalso 146 es sind auch einige, die dann einfach Englisch als Fremdsprache schon 147 nutzen (.) und die natürlich dann da über ein ganz anderes ähm (.) einen 148 ganz anderen Hintergrund verfügen und äh da die Fremdsprache schon an- 149 ders einsetzen können, ja? (Transkript Vogt, t1, Z. 138-151) Die Lehrkraft im Fall Vogt eröffnet die Antwort auf die Frage der Interviewerin nach seinen Erfahrungen im Umgang mit kultureller und sprachlicher Heterogenität mit der Erwähnung der Schüler*innenklientel an seiner Schule. Hierbei hebt die Lehrkraft die auffallende Anzahl an Schüler*innen mit einem zugeschriebenem Migrationshintergrund hervor (vgl. Z. 149-151). Kulturelle und sprachliche Heterogenität werden damit an Migration und Herkunft gebunden sowie als eine für den Kontext Schule feststehende Gegebenheit gerahmt („ also zunächst mal ist es so “, Z. 138). Im weiteren Verlauf der Passage werden kulturelle und sprachliche Heterogenität bzw. das Vorhandensein eines Migrationshintergrundes mit Schwierigkeiten beim Erwerb der englischen Sprache verknüpft. Diese Schwierigkeiten ergeben sich in der Rahmung der Lehrkraft aus der Vermischung verschiedener sprachlicher „ Systeme quasi im Kopf “ (Z. 144), die von den Schüler*innen nicht auseinandergehalten werden können. Implizit zeigt sich hiermit 220 7 Typenbildungen und Ergebnisdarstellung <?page no="221"?> die Vorstellung von Sprachen als voneinander unterscheidbare und separierte Systeme. Damit wird der (Fremd-)Sprachenerwerb als eine Aneinanderreihung von verschiedenen Sprachsystemen verstanden, die gemäß des positiven Horizonts der Lehrkraft sortiert, d. h. getrennt voneinander in den Köpfen der Schüler*innen abgespeichert werden. Es zeigt sich, dass der Fremdsprachenerwerb bei Schüler*innen mit zugeschriebenem Migrationshinter‐ grund zunächst aus einer defizitorientierten Perspektive betrachtet wird. Demgegenüber führt die Lehrkraft Situationen an, in welchen die Schüler*innen ihren zugeschriebenen Mi‐ grationshintergrund positiv nutzen können. Diese positive Konnotation von kultureller und sprachlicher Heterogenität ergibt sich in der Rahmung der Lehrkraft aus den Erfahrungen der Schüler*innen mit der englischen Sprache, die es diesen ermöglicht, „ die Fremdsprache schon anders einsetzen [zu] können “ (Z. 148-149; C.L.). Damit nimmt die Lehrkraft eine Differenzierung zwischen Schüler*innen mit zugeschriebenem Migrationshintergrund vor und hierarchisiert deren sprachliche Erfahrungen. Im Fokus steht der Einfluss der je individuellen sprachlichen und herkunftsbedingten Hintergründe der Schüler*innen auf den Erwerb sowie die Anwendung des Englischen. Weiterhin charakteristisch für die Fälle dieses Typs ist, dass die befragten Lehrkräfte in ihren Ausführungen den Fokus auf das Wissen legen, welches die Schüler*innen in Bezug auf die ‚Zielsprache‘ Englisch sowie die im Unterricht behandelten englischsprachigen ‚Zielkulturen‘ in den Englischunterricht mitbringen. Dieses Wissen wird im Englischunter‐ richt insbesondere dann relevant, wenn sich Schüler*innen aufgrund ihrer Erfahrungen mit der englischen Sprache zu bestimmten Aspekten des Englischunterrichts äußern (sollen). Dies zeigt sich auch im Fall Hofmann: 128 und wenn zum Beispiel einer von Australia in der Schule war, kam der dann 129 zu mir in die Klasse und das war natürlich das Highlight, der musste dann 130 erzählen, dass er Weihnachten so und so feiert (.) das habe ich natürlich 131 voll ausgenutzt, wenn jemand anders mal mit Englisch sprechen da war, 132 (.)(Transkript Hofmann, t1, Z. 128-132) Auf die Frage der Interviewerin nach den Erfahrungen im Umgang mit kultureller und sprachlicher Heterogenität zählt die befragte Lehrkraft im Fall Hofmann verschiedene Unterrichtssituationen auf, in welchen vornehmlich die sprachlichen Erfahrungen ihrer Schüler*innen mit der englischen Sprache eine Rolle für ihren Unterricht spielen. Hierbei hebt sie besonders Situationen hervor, in welchen Schüler*innen, deren angenommene Erstsprache Englisch ist, als Sprachvorbilder sowie als Expert*innen für ein englischspra‐ chiges Land im Englischunterricht dienen. Durch das Herausstellen dieser Schüler*innen sowie deren Bewertung als „ Highlight “ (Z. 129) werden sie zu maximalen Kontrasten zu denjenigen Schüler*innen, die nicht über einen englischsprachigen Hintergrund verfügen. Dies wird von der Lehrkraft als Selbstverständlichkeit gerahmt, was sich anhand der Verwendung des Selbstverständlichkeitsmarkers „ natürlich “ (Z. 129, 130) zeigt. Weiterhin werden in dieser Passage Stereotypisierungen und Zuschreibungen seitens der Lehrkraft vorgenommen, die nicht reflektiert werden (z. B. „ der musste dann erzählen, dass er Weihnachten so und so feiert “, Z. 129-130). Im Fokus steht vielmehr das sich hier andeutende Ziel der Vermittlung von ‚authentischem‘ Sprachwissen, welches die Lehrkraft durch den unterrichtlichen Einsatz von Schüler*innen aus englischsprachigen Ländern zu 7.3 Typologie zum Umgang mit kultureller und sprachlicher Heterogenität 221 <?page no="222"?> erreichen versucht. Im Gegensatz zu den Fällen des Typs einbindend stehen bei den Fällen des Typs funktionalisierend nicht die (Lern-)Bedürfnisse der Schüler*innen im Mittelpunkt. Auch geht es nicht um einen kommunikativen Austausch mit der Klasse als Kollektiv über je individuelle kulturelle und sprachliche Erfahrungen. Vielmehr werden die Eng‐ lischkenntnisse und Erfahrungen einzelner Schüler*innen in Bezug auf englischsprachige ‚Zielkulturen‘ sowie deren Demonstration vor dem Kollektiv der Englischklasse relevant. Indem die Lehrkraft einzelne Schüler*innen aufgrund ihrer sprachlichen und herkunftsbe‐ zogenen Erfahrungen herausstellt und als etwas Besonderes rahmt (vgl. Z. 175), treten die Schüler*innen selbst als aktiv Handelnde in den Hintergrund. So ist es die Lehrkraft, welche das Erzählen über sprachliche und herkunftsbedingte Erfahrungen initiiert bzw. forciert und die Situation ‚ausnutzt‘, „ wenn jemand anders mal mit Englisch sprechen da war,(.) “ (Z. 131). Damit werden die Schüler*innen zu Lernobjekten, welche dem sich hier implizit andeutenden Ziel der Vermittlung von ‚authentischem‘ Sprachwissen dienen. Auch im weiteren Verlauf des Interviewgesprächs im Fall Hofmann zeigt sich die Hervorhebung des sprachlichen Wissens sowie Erfahrungen von Schüler*innen mit Migra‐ tionshintergrund in Bezug auf die englische Sprache. 180 Und wenn wir auch mal jemanden haben, der von woanders kommt, das hatten 181 wir auch schon (.) Flüchtlinge oder so, die konnten ein bisschen Englisch 182 (.) und wenn man einen hat, der gar kein Deutsch kann, kann man mit 183 Englisch wenigstens ein bisschen was erreichen, haben sie auch kennenge- 184 lernt, wir hatten mal (.) äh ein Mädchen aus (.) Pakistan, (.) da war der 185 Vater Professor, der war gestorben und die kamen (.) nach Deutschland zur 186 Tante und konnten nur Englisch, aber super gut Englisch und da haben sie 187 gesehen, wie man mit dem Englisch zuschäh zurechtkommt(.) und wie 188 schnell hier die sich eingelebt hat, ihre Schwester ist auch in unserer 189 Klasse gewesen, die war nämlich hochbegabt, da hatten wir zwei Englisch- 190 sprechende (.) und das war richtig gut, (.) das konnte man voll ausnutzen, 191 man konnte dann auch äh sehen wie schnell die das gelernt haben, war toll 192 (Transkript Hofmann, t1, Z. 180-194) Die Lehrkraft verhandelt in dieser Passage die Bedeutung des Erwerbs der englischen Sprache und rahmt letztere als Mittel bzw. Voraussetzung für die Kommunikation zwischen Sprecher*innen verschiedener Sprachen sowie für Integration (vgl. Z. 181-183). Dies wird deutlich, indem sie zunächst das Beispiel von geflüchteten Schüler*innen anführt, die sowohl aufgrund ihrer Herkunft als auch aufgrund ihrer Sprachkompetenzen einen maximalen Kontrast zu Schüler*innen ohne einen solchen Hintergrund darstellen. Dies zeigt sich anhand der Äußerung „ der von woanders kommt “ (Z. 180), wodurch die Lehrkraft geflüchtete Schüler*innen zu ‚kulturell Anderen‘ macht und damit das Fremde hervorhebt. Dies wird nicht reflektiert. Weiterhin werden Kompetenzen in der englischen Sprache als Voraussetzung für Kommunikation und Verständigung sowie für Handlungsfähigkeit gerahmt, was sich anhand ihrer Äußerung „ und wenn man einen hat, der gar kein Deutsch kann, kann man mit Englisch wenigstens ein bisschen was erreichen “ (Z. 181-183) zeigt. 222 7 Typenbildungen und Ergebnisdarstellung <?page no="223"?> 168 Dies zeigt sich auch in den Ausführungen des Falls Vogt, in welchen die befragte Lehrkraft von einer Schülerin aus Kasachstan erzählt, die im Vergleich zu ihren deutschsprachigen Mitschüler*innen über Kompetenzen in der englischen Sprache verfügt, die „über die Norm hinaus[gehen], über das was man erwarten würde“ (Transkript Vogt, t1, Z. 247; C.L.). Die Hervorhebung und Bedeutung von Englischkenntnissen sowie Spracherfahrungen in der Fremdsprache Englisch wird auch im weiteren Verlauf der Passage deutlich. Hier beschreibt die Lehrkraft auf Inhaltsebene die Situation zweier Schüler*innen aus Pakistan, die sich aufgrund ihrer „ super gut[en] “ (Z. 186; C.L.) Englischkenntnisse vergleichsweise schnell in Deutschland eingelebt haben. Auch hier wird zum einen die englische Sprache als Voraussetzung für die (erfolgreiche) Teilhabe am gesellschaftlichen Leben in Deutschland gerahmt (vgl. Z. 187, 190-192). Zum anderen werden Schüler*innen mit einem herkunftsbe‐ dingt als ‚fremd‘ wahrgenommenen Hintergrund zu Lernobjekten sowie als Positivbeispiele im Englischunterricht eingesetzt, wenn sie über ausgeprägte Englischkenntnisse verfügen 168 . Somit werden kulturelle und sprachliche Heterogenität an Herkunft gebunden und vor dem Hintergrund der Zuordnung der Schüler*innen zu einem angenommenen englischsprachigen Erfahrungsraum relevant. Weiterhin zeigt sich die Bedeutung des Einbezugs der kulturellen und sprachlichen Erfahrungen der Schüler*innen bei den Fällen dieses Typs hauptsächlich in Bezug auf die Sprachkompetenzen der Schüler*innen in der (Fremd-)Sprache Englisch. Erfahrungen und Kompetenzen in weiteren, z. B. herkunftsbedingten Sprachen, spielen bei den Fällen dieses Typs eine untergeordnete Rolle. 7.3.2 Typik: Sprache(n) im Englischunterricht Die Typik Sprache(n) im Englischunterricht bündelt die typisierten Handlungsorientierun‐ gen, die sich auf die Art und Weise beziehen, wie die Fälle des Samples mit Sprache(n) in ihrem Englischunterricht umgehen (vgl. Tabelle 19). Typen Typ I einbindend Typ II aushandelnd Typ III funktionalisierend Typik Handlungsorientierungen Sprache(n) im Englischunterricht (lebensweltliche) Mehrsprachigkeit (institutionelle) Mehr-/ Zweisprachigkeit Einsprachigkeit Tabelle 19: Typik Sprache(n) im Englischunterricht mit den Ausprägungen (lebensweltliche) Mehr‐ sprachigkeit, (institutionelle) Mehr-/ Zweisprachigkeit und Einsprachigkeit Für den Typ einbindend ließen sich Handlungsorientierungen rekonstruieren, die darauf verweisen, dass die zugeordneten Fälle sowohl lebensweltlich als auch herkunftsbedingt erworbenen Sprachen eine zentrale Bedeutung beimessen. Lernende werden bei den Fällen dieses Typs als grundsätzlich mehrsprachige Individuen gerahmt, deren individuellen Spracherfahrungen und -kompetenzen nahezu selbstverständlich in den Englischunterricht integriert werden. Hierbei zeigen die zugeordneten Fälle eine Offenheit auch jenen Spra‐ chen gegenüber, in welchen sie sich selbst nicht als kompetent rahmen. Im Fokus des 7.3 Typologie zum Umgang mit kultureller und sprachlicher Heterogenität 223 <?page no="224"?> Handelns der Fälle dieses Typs stehen die Lernenden mit ihren individuellen Hintergrün‐ den und (Lern-)Bedürfnissen sowie das Ziel der Kommunikation und Verständigung im Englischunterricht. Auch auf expliziter Ebene zeigt sich die Bedeutung, welche die zugeordneten Fälle den herkunftsbedingt erworbenen Sprachen beimessen. So zum Beispiel im Fall Altay: 269 (.) früher war das irgendich hatte immer das Gefühl in der Schule, ich 270 muss das irgendwie verstecken (.) ähm und muss das irgendwie daheim las- 271 sen so meine Muttersprache (.) aber äh ich finde heutzutage, (.) wenn die 272 Lehrer offen damit umgehen, dann (.) ist es schön, wenn so die verschie- 273 denen Sprachen (.) anerkannt werden (Transkript Altay, t1, Z. 269-274) Die befragte Lehrkraft beschreibt ihre Erfahrungen als (mehrsprachige) Schülerin und bringt die wahrgenommene Norm zum Ausdruck, die eigenen herkunftsbedingten Sprach‐ erfahrungen im Kontext Schule ausblenden zu müssen (Z. 270-271). Dies wird als negativer Horizont gerahmt und mit ihrem wahrgenommenen Ideal eines offenen und anerkennen‐ den Umgangs mit den herkunftsbedingten Sprachen der Schüler*innen kontrastiert. Hierbei fokussiert sie sich nicht nur auf ihr eigenes Handeln, sondern spricht die Lehrer*innenschaft im Allgemeinen an. Durch die positive Bewertung dieses anerkennenden und offenen Um‐ gangs wird ihr positiver Horizont deutlich, welchem sie sich auch in ihrer Unterrichtspraxis annähert: „ (.) weil manchmal fragen die dann, ob sie die Wörter dann in den verschiedenen Sprachen aufschreiben dürfen und dann sagen wir ja klar(.) “ (Transkript Altay, t1, Z. 241-244). Auch der erzählten Handlungspraxis der Lehrkraft im Fall Bauer ist zu entnehmen, dass verschiedene Sprachen im Englischunterricht auftreten und nahezu selbstverständlich in diesen integriert werden: 257 Und dann haben sie (.) in diesem Fall auf Englisch über den Ramadan ge- 258 sprochen. Und dann aber auch eben, ne sprachlich heterogen? Zwar schon 259 auch auf Englisch äh aber dann auch in ihrer zum Teil Muttersprache die 260 Begriffe dann erklärt (Transkript Bauer, t1, Z. 257-261) Die Lehrkraft beschreibt eine Situation aus ihrem Englischunterricht in welcher zwei muslimische Schüler*innen einen Vortrag über den Ramadan halten. Zwar steht die englische Sprache hier im Mittelpunkt, dennoch zeigt sich, dass die Schüler*innen ebenso ihre herkunftsbedingten Sprachkenntnisse einbeziehen dürfen. Indem die Lehrkraft die Schülerinnen hier als aktiv Handelnde rahmt wird deutlich, dass der Einbezug der sprach‐ lichen Hintergründe nicht von der Lehrkraft forciert, sondern von den Schülerinnen selbst initiiert wird bzw. werden darf. Die Nutzung der herkunftsbedingten Sprachen der Schülerinnen wird von der Lehrkraft nicht bewertet, sondern als feststehende Tatsache gerahmt, was sich durch die Verwendung des Modalpartikels „ eben “ (Z. 270) andeutet. Damit haben neben der englischen Sprache auch weitere Sprachen der Schüler*innen ihre Daseinsberechtigung im Englischunterricht und werden in erster Linie zur Veranschauli‐ chung oder Verdeutlichung von inhaltsbezogenen Sachverhalten genutzt. Auch im weiteren Verlauf des Interviewgespräches im Fall Bauer zeigt sich, dass die Lehrkraft nicht nur zu Präsentationszwecken, sondern auch in der Bearbeitung von unterrichtsbezogenen 224 7 Typenbildungen und Ergebnisdarstellung <?page no="225"?> Aufgaben sowie bei der Thematisierung von grammatikalischen Phänomenen sämtliche Sprachen ihrer Schüler*innen im Englischunterricht zulässt: „ äh da gibt es dann eben auch Begrifflichkeiten beziehungsweise Teilsätze, die dann erstmal auf äh (.) Türkisch und Arabisch und äh: m Mazedonisch und @so weiter@ (.) äh benutzt werden. “ (Transkript Bauer, t1, Z. 295-298). Bei den Fällen des Typs aushandelnd zeigen sich Ambivalenzen im Umgang mit sowie der Wahrnehmung von Sprachen im Englischunterricht. So nehmen die zugeordneten Fälle ihre Lernenden grundsätzlich als mehrsprachige Individuen wahr, deren Sprachkompetenzen zumindest auf expliziter Ebene als bedeutsam für das Erlernen weiterer (Fremd-)Sprachen gerahmt werden. Aus der erzählten Praxis ist jedoch zu entnehmen, dass ein konstruk‐ tiver Einbezug der lebensweltlich erworbenen sowie herkunftsbedingten Sprachen der Schüler*innen kaum stattfindet. Auffällig im Vergleich zu den Fällen des Typs einbindend ist, dass sich die Fälle dieses Typs mit den eigenen Sprachkompetenzen auseinandersetzen und diese als Gründe dafür anführen, die Sprachen der Schüler*innen im Englischunterricht nur bedingt aufgreifen zu können („ weil fairerweise °ich spreche ja nichts°, @also ich spreche auch kein, kein Türkisch, Arabisch oder sonst irgendwas@ deswegen finde ich es dann (.) schwierig “; Transkript Wagner, t1, Z. 177-179). Auch thematisieren die befragten Lehrkräfte häufig fehlendes Wissen bzw. Strategien in Bezug auf die konstruktive Einbindung der sprachlichen Hintergründe der Schüler*innen in den Englischunterricht und rekurrieren häufig auf eine unzureichende Ausbildung in Bezug auf dieses Handlungsfeld: 135 Also ich, ich würde mir mehr wünschen, dass wir, dass wir das auch in- 136 tegrieren können […] Und dass man diese, diese, dieses sprachliche Vor- 137 wissen was die Schüler ja auch mitbringen vielleicht noch besser und 138 öfter im Englischunterricht nutzen kann. (.) Äh: m das ist aber bei uns 139 in der Ausbildung bei uns total vernachlässigt. Also auch äh jetzt im, 140 im Referendariat (.) ist das eigentlich kein Thema gewesen (Transkript 141 Wagner, t1, Z. 135-144). So wird im Englischunterricht in erster Linie auf das Deutsche zurückgegriffen, um Verste‐ hensprozesse anzuregen und zu sichern. Weiterhin zeigt sich, dass die Schulfremdsprachen, wie z.-B. Französisch und Spanisch, vor dem Hintergrund der Verdeutlichung von Sprachver‐ wandtschaften oder aber der Wortschatzarbeit im Englischunterricht Berücksichtigung finden: 169 Ich hatte ei: nige Muttersprachler, die vielleicht noch Französisch oder 170 Spanisch als Muttersprache also auch hatten (.) ähm, die dann manchmal im 171 Unterricht dieses, ah was weiß ich äh "das Wort, ach ja klar, das ist ja 172 in Spanisch genauso" oder ähm man kann das eben davon ableiten, also wenn 173 es so um das Verständnis von Wörtern ging (.) und teilweise auch die 174 Schüler, die dann eben Französisch im Unterricht "ah ja klar, das ist eben" 175 was weiß ich "difficult difficile, das ist irgendwie das Gleiche" oder äh kann man 176 sich irgendwie ableiten. (Transkript Pohl, t1, Z. 169- 178) 7.3 Typologie zum Umgang mit kultureller und sprachlicher Heterogenität 225 <?page no="226"?> Im Fall Pohl zeigt sich, dass die befragte Lehrkraft auf die Frage nach ihren Erfahrungen im Umgang mit kultureller und sprachlicher Heterogenität im Englischunterricht zunächst auf die zugeschriebenen L1 ihrer Schüler*innen eingeht und sich hierbei in erster Linie auf Französisch und Spanisch bezieht. Im Gegensatz zu den anderen Fällen des Samples rahmt die befragte Lehrkraft das Thema kulturelle und sprachliche Heterogenität nicht in Bezug auf ein migrationsbedingt heterogene Schüler*innenklientel. Vielmehr bezieht sie sich auf die Kompetenzen ihrer Schüler*innen in den Schulfremdsprachen Französisch und Spanisch, die in ihrem Englischunterricht im Kontext der Wortschatzarbeit relevant wer‐ den. Migrationsbedingt erworbene Sprachen finden im Englischunterricht der befragten Lehrkraft dagegen keine Berücksichtigung (vgl. auch Transkript Pohl, t1, Z. 824-826). Viel‐ mehr wird der Einbezug derjenigen Sprachen, welche die Lehrkraft selbst nicht beherrscht, aus einer problemorientierten Perspektive betrachtet und mit der unterrichtsbezogenen Anforderung der Vermittlung des Englischen verhandelt: 777 Gerade bei ähm (3) gerade bei der sprachlichen Vielfalt finde ich ist es 778 eben auch schwierig (2) ich soll ja Englisch beibringen also wie viel 779 nutze ich da denn jetzt noch andere Sprachen? Gerade wenn ich die selber 780 nicht spreche? Also je mehr eigealso je mehr Sprachen ich spreche, desto 781 mehr kann ich das nutzen, aber ich sprechalso ich zum Beispiel spreche 782 halt nur Deutsch und Englisch (.) ja und das heißt halt wenn ich die 783 Schüler frage muss ich mich auch in Anführungsstrichen darauf verlassen, 784 dass das was sie sagen, richtig ist (Transkript Pohl, t1, Z. 777-786) Anhand dieser Passage wird das aushandelnde Moment, welches für die Fälle des Typs aushandelnd charakteristisch ist, deutlich. Aus den Erzählungen und Beschreibungen der befragten Lehrkraft im Fall Pohl ist zu entnehmen, dass sie die Bedeutung der sprachlichen Vielfalt für ihren Englischunterricht sowie das Lernen ihrer Schüler*innen grundsätzlich anerkennt. In Bezug auf die praktische Einbindung der sprachlichen Hintergründe in ihren Unterricht zeigt sich jedoch, dass die an die Lehrkraft herangetragene und durch diese wahrgenommene Norm des Einbezugs der (kulturellen und) sprachlichen Hintergründe der Schüler*innen in Konkurrenz zur Norm der Vermittlung des Englischen steht. So nimmt es die Lehrkraft als ihre primäre Aufgabe wahr, die englische Sprache zu vermitteln. Der Einbezug weiterer Sprachen in ihren Unterricht würde in der Rahmung der Lehrkraft be‐ deuten, selbst über Kompetenzen in ebendiesen Sprachen zu verfügen oder aber Vertrauen den Schüler*innen gegenüber entgegenzubringen. Somit greifen die Fälle dieses Typs im Englischunterricht neben dem Deutschen entweder auf die Schulfremdsprachen oder aber jene Sprachen zurück, die sie selbst beherrschen. Die Fälle des Typs funktionalisierend gestalten ihren Englischunterricht weitestgehend einsprachig. So fällt im Vergleich zu den anderen Fällen des Samples eine häufige Hervor‐ hebung der Verwendung der englischen Sprache in Bezug auf Unterrichtsprozesse oder den Austausch über unterrichtsbezogene Themen auf: „ und das sind eben halt so Fragen, die binden sehr an die eigene (2) Sozialisation an; ich lasse dann immer so auf Englisch ein bisschen über ihre Eltern sprechen “ (Transkript Schneider, t1, Z. 181-183). Die Verwendung des Englischen wird von den befragten Lehrkräften selbst ein‐ 226 7 Typenbildungen und Ergebnisdarstellung <?page no="227"?> gefordert und als unterrichtsbezogene Anforderung an die Schüler*innen weitergegeben. Dies zeigt sich durch den Ausdruck „ ich lasse “ (ebd.) der Lehrkraft im Fall Schneider. Auch auf expliziter Ebene wird die Bedeutung der Verwendung des Englischen hervorgehoben und damit als relevant für das unterrichtliche Handeln gerahmt: „ ich sehe mich da eher wie im Austausch mit denen ähm wir sprechen Englisch, das ist die Hauptsache (.) “ (ebd., Z. 279-281). Während die Fälle des Typs einbindend im kommunikativen Austausch mit ihren Schüler*innen nahezu selbstverständlich deren Spracherfahrungen und -kompetenzen berücksichtigen und dementsprechend eine Vielzahl an Sprachen im Englischunterricht zulassen, wird dies bei den Fällen im Typ funktionalisierend nicht in Betracht gezogen. Die Verwendung des Englischen wird hier vielmehr als ein bzw. das wichtigste Kriterium im Englischunterricht gerahmt, an welches sich sowohl die Schüler*innen als auch die Lehrkraft halten (müssen). Dementsprechend lassen sich aus den Interviewgesprächen der Fälle dieses Typs kaum Hinweise darauf entnehmen, dass neben der englischen Sprache weitere Sprachen im Englischunterricht relevant werden. Stattdes‐ sen wird die Nutzung von insbesondere migrationsbedingt erworbenen Fremdsprachen als negativer Horizont gerahmt und aus einer Defizitperspektive betrachtet, wie z. B. im Fall Vogt: 286 ähm da gab es wohl eine bisschen schwierige Situation und der Schüler 287 dann eben in einer (.) Sprache zu ihm gesprochen hat, die er halt nicht 288 versteht, ja? Und er ja dann durchaus alles hätte sagen können, ja? (.) 289 Äh und ihn da auch hätte verunglimpfen können, ja? (.) Ähm und das kann 290 einen so ein bisschen auch als Lehrperson ähm (.) hilflos machen in dem 291 Moment, ja? Weil ich einfach nicht weiß, (.) äh was da gesagt worden ist, 292 ja? (Transkript Vogt, t1, Z. 286-293) Die befragte Lehrkraft im Fall Vogt beschreibt auf die Frage nach herausfordernden Situationen im Englischunterricht ein Szenario aus dem Unterricht eines Kollegen, in welchem dieser von einem Schüler in einer ihm unbekannten Sprache angesprochen wird. Indem Herr Vogt hier die Situation eines Kollegen schildert, signalisiert er zunächst Distanz zur beschriebenen Unterrichtssituation, in welche er als Lehrkraft persönlich nicht involviert ist. Statt jedoch den tatsächlichen Fortbzw. Ausgang der erzählten Unterrichtssituation darzustellen, spielt die Lehrkraft in theoretisierender Art und Weise mögliche Handlungsintentionen aus Sicht des Schülers durch. Hierbei positioniert er die betroffene Lehrkraft in der Rolle des Handlungsunfähigen, die dem Handeln des erwähnten Schülers ‚hilflos‘ gegenübersteht. Letzteres wird von der befragten Lehrkraft als Selbstver‐ ständlichkeit gerahmt, was sich anhand der Verwendung der entpersonalisierten Phrase „ Ähm und das kann einen so ein bisschen auch als Lehrperson ähm (.) hilflos machen “ (Z. 289-290) andeutet. Indem Herr Vogt in der sich anschließenden Äußerung in die erste Person Singular wechselt, deutet sich an, dass er sich von der beschriebenen Situation nicht mehr distanziert, sondern dass diese auch für seinen Unterricht eine Relevanz besitzt. Es deutet sich hier eine Orientierung an Kontrolle an, welche für die Fälle dieses Typs charakteristisch ist. Damit wird die Nutzung von Sprachen, welche der Lehrkraft unbekannt sind, zum negativen Gegenhorizont bei der Gestaltung des Englischunterrichts. 7.3 Typologie zum Umgang mit kultureller und sprachlicher Heterogenität 227 <?page no="228"?> Demgegenüber bildet die einsprachige Gestaltung des Englischunterrichts einen positiven Horizont und wird von den Fällen dieses Typs als Norm gerahmt, welche nicht hinterfragt wird: „ Ja ja, natürlich, bei mir geht es nur auf Englisch, bei mir geht gar kein Deutsch, ich mag das nicht. @(.)@ “ (Transkript Hofmann, t1, Z. 345-346). Auch die Verwendung des Deutschen wird eher als Ausnahme gerahmt und findet in Situationen Anwendung, in welchen Unterrichtsprozesse zu scheitern drohen: „ dann sage ich dann immer ‘Ja, versuche es erst mal auf Englisch und wenn das jetzt nicht geht, dann kannst du einzelne Vokabular ausnahmsweise auf Deutsch sagen‘ “ (Transkript Schneider, t1, Z. 285-287). Im Vergleich zu den anderen Fällen des Samples deutet sich damit eine Ausblendung bzw. Nicht-Berücksichtigung sowohl der sprachlichen Hintergründe der Schüler*innen als auch der Schulfremdsprachen zugunsten des Ziels der Vermittlung des Englischen an. Im Gegensatz zum Typ aushandelnd wird dieses Ziel jedoch nicht an institutionelle bzw. cur‐ riculare Vorgaben geknüpft, sondern ist eng mit der Person der Lehrkräfte verbunden: „ also am Ende möchte ich, dass meine Schülerinnen und Schüler Englisch können, (.) ja? (.) “ (Transkript Vogt, t1, Z. 565-566). 7.3.3 Typik: Konzeptualisierung von kultureller und sprachlicher Heterogenität In der Typik Konzeptualisierung von kultureller und sprachlicher Heterogenität werden jene typisierten Handlungsorientierungen abgebildet, die sich auf die Art und Weise beziehen, wie die Fälle des Samples kulturelle und sprachliche Heterogenität sowie den Umgang mit diesen Heterogenitätsdimensionen in ihrem Englischunterricht wahrnehmen. Hierbei ließen sich im Sample drei kontrastierende Handlungsorientierungen rekonstruieren, die sich auf einem Kontinuum zwischen einem ressourcenorientierten und einem eher defizitorientierten Zugang abbilden lassen. Tabelle 20 zeigt die rekonstruierten Typen mit den jeweiligen Handlungsorientierungen: Typen Typ I einbindend Typ II aushandelnd Typ III funktionalisierend Typik Handlungsorientierungen Konzeptualisie‐ rung von kul‐ tureller und sprachlicher He‐ terogenität als … … (Sprachlern-)Ressource für alle Lernenden und Lehrkraft … als Möglichkeit des Beziehungs‐ aufbaus mit Ler‐ nenden … als Herausforderung für Lehrkraft und Englischun‐ terricht Tabelle 20: Typik Konzeptualisierung von kultureller und sprachlicher Heterogenität mit den Hand‐ lungsorientierungen (Sprach-)Lernressource für alle Lernenden und Lehrkraft, Möglichkeit des Beziehungsaufbaus mit Lernenden und Herausforderung für Lehrkraft und Englischunterricht 228 7 Typenbildungen und Ergebnisdarstellung <?page no="229"?> 169 Kulturelle Hintergründe werden bei den Fällen des Typs einbindend insofern bedeutsam, als sie sich auf die Erfahrungen der Schüler*innen beziehen, die diese im Rahmen von sozialen Gruppen machen, zu welchen sie sich zugehörig fühlen (z.-B. Familie oder peers). Für die Fälle des Typs einbindend ließen sich Handlungsorientierungen rekonstruieren, die darauf verweisen, dass die kulturellen und sprachlichen Hintergründe 169 der Schüler*innen sowohl als Ressourcen für das Lernen der Schüler*innen als auch für das Handeln der Lehr‐ kräfte und deren Gestaltung des Englischunterrichts gerahmt werden. So zeigt sich bei den befragten Lehrkräften ein Sprechen über gelingende Sprachvergleiche und die Herstellung von Bezügen zu den Erstsprachen der Schüler*innen. Beispielsweise werden Vokabeln oder Redewendungen aus den (herkunftsbedingten) Erstsprachen der Schüler*innen nicht nur mündlich im Englischunterricht aufgegriffen, sondern für alle Schüler*innen verschriftlicht (vgl. Transkript Altay, t1, Z. 240 ff.). Dadurch erhalten die sprachlichen Hintergründe der Schüler*innen eine Relevanz für den Fortgang des Englischunterrichts sowie für das Lernen aller am Englischunterricht beteiligten Akteur*innen und werden zu Anknüpfungspunk‐ ten für neues Wissen. Gleichzeitig erfahren die sprachlichen Hintergründe durch das Verschriftlichen eine Legitimation für den Englischunterricht sowie Anerkennung und Wertschätzung seitens der Lehrkraft. Auch zeigt sich, dass die sprachlichen Hintergründe sowie Erfahrungen der Schüler*in‐ nen aus außerschulischen Erfahrungsräumen, wie z.-B. Familie oder peers, im Englischun‐ terricht insbesondere im Kontext von Kommunikationssituationen sowie des Austauschs über für die Schüler*innen relevante Themen in der Fremdsprache Englisch bedeutsam werden: 331 Also das weiß ich noch, dass wir auch darüber gesprochen haben ähm (.) 332 wie ist denn das bei euch, und wie wichalso zum Beispiel ist dasdass 333 diese Essenssituation, dass man gemeinsam isst, das ist ja bei vielen 334 Familien ganz, ganz wichtig zum Beispiel bei den türkischen Familien und 335 auch wewenn ich das richtig verstanden habe ist das auch bei den ita- 336 lienalso wir haben jetzt nur eine äh eine ähm also (.) Geschwister in 337 der Klasse gehabt, die einen italienischen Familienhintergrund haben, die 338 haben auch erzählt, dass das bei denen auch so wichtig ist, dass man 339 gemeinsam isst und, dass dann die Nonna da kocht und solche Sachen (Tran- 340 skript Altay, t1, Z. 331-341) Indem die befragte Lehrkraft im Fall Altay von einzelnen Schüler*innen und deren individuellen Hintergründen erzählt, schreibt sie diesen für ihren Englischunterricht eine zentrale Bedeutung zu. In ihren Beschreibungen geht es hierbei weniger um den Bezug der Schüler*innenäußerungen zu einem bestimmten Thema des Englischunterrichts (wie z. B. beim Typ aushandelnd) als vielmehr um die Schüler*innen und deren Hintergründe selbst. Letztere sind hierbei nicht nur ein Mittel für die Gestaltung von Kommunikations‐ situationen im Englischunterricht. Vielmehr dienen sie auch der Lehrkraft als Ressource, um etwas über ihre Schüler*innen zu erfahren und Wissen über deren individuelle Hintergründe zu erwerben. Dies zeigt sich auf expliziter Ebene auch im Fall Bauer in der 7.3 Typologie zum Umgang mit kultureller und sprachlicher Heterogenität 229 <?page no="230"?> oben bereits angeführten Passage zum Handeln zweier muslimischer Schüler*innen zur Zeit des Ramadans (vgl. Transkript Bauer, t1, Z. 242 ff.; vgl. Kapitel 7.3.2). Weiterhin wird das Wissen um die individuellen, in erster Linie sprachlichen und fami‐ liären Hintergründe der Schüler*innen von den Fällen dieses Typs dazu genutzt, um an die individuellen Ausgangssituationen der Lernenden angepasste Differenzierungsangebote zu machen (vgl. Transkript Altay, t1, Z. 548 ff.). Damit verdeutlicht sich, dass die kulturellen und sprachlichen Hintergründe der Schüler*innen auch als Informationsquelle für das Handeln der Lehrkräfte relevant werden. Hieran anknüpfend hat sich gezeigt, dass diese Hintergründe nicht nur zur Initiierung von Lernprozessen und als Anknüpfungspunkte für den Erwerb von neuem Wissen der Schüler*innen bedeutsam werden. Vielmehr dienen sie auch als Ressource für das Handeln und Lernen der Lehrkraft, indem beispielsweise Ursachen für ‚typische‘ Fehler im Englischunterricht gefunden und zu einem Aha-Erlebnis der Lehrkraft werden (vgl. Transkript Bauer, t1, Z. 594): 608 Und ich habe lange gebraucht zu verstehen wo das herkam, also warum (2) 609 das keine Bedeutung hatte das äh Simple Past zu nutzen. (.) Aber in dem 610 Moment wo mir das so klar wurde und wir dann eben auch mal Übersetzungen 611 gemacht haben […] äh fanden das aber doch sehr, sehr bereichernd ich sage 612 mal festzustellen wo das eigentlich herkam. (Transkript Bauer, t1, Z. 608- 613 618) In dieser Passage beschreibt die befragte Lehrkraft im Fall Bauer ihren Umgang mit Fehlern im Englischunterricht und geht hierbei auf ihre Suche nach möglichen Ursachen für bestimmte Fehler ein, die von Schüler*innen mit einer anderen Erstsprache als der deutschen Sprache gemacht werden. Auffällig im Vergleich zu den Fällen des Typs funktionalisierend ist hierbei, dass Fehler bzw. sprachliche Schwierigkeiten nicht aus einer Defizitperspektive betrachtet werden. Vielmehr versucht die Lehrkraft im Fall Bauer der Ursache für die Nicht-Nutzung des Simple Pasts bei ihren Schüler*innen nachzugehen und zu verstehen, „warum (2) das keine Bedeutung hatte das äh Simple Past zu nutzen. (.) “ (Z. 608-609). Hierbei bindet sie die Schüler*innen mit ein („wir“) und rahmt das Auffinden sowie das Verstehen der Fehlerquelle als positiven Horizont für alle am Englischunterricht beteiligten Akteur*innen (vgl. Z. 611-612). Dies zeigt sich auch auf expliziter Ebene: „ ja also, also auf die Wahrnehmung der Fehler und das Nutzen der Fehler für die Schülerinnen und Schüler zum Lernen (.) ist eine Bereicherung. Brauchen wir auch .“ (Transkript Bauer, t1, Z. 588-591). Damit wird deutlich, dass insbesondere sprachliche Heterogenität von den Fällen dieses Typs aus einer ressourcenorientierten Perspektive betrachtet wird. Bei den Fällen, die dem Typ aushandelnd zugeordnet sind, zeigt sich eine ambivalente Betrachtung von kultureller und sprachlicher Heterogenität. Wie im Rahmen der Typik Einbezug von kultureller und sprachlicher Heterogenität in Kapitel 7.3.1 deutlich wurde, nehmen die Fälle dieses Typs kulturelle und sprachliche Heterogenität zunächst themenbzw. inhaltsbezogen vor dem Hintergrund der Anbindung an das Curriculum wahr. Hierbei wird insbesondere kulturelle Heterogenität als Möglichkeit der Anknüpfung an die im Englischunterricht zu behandelnden Themen und Inhalte gerahmt: „ wenn man über 230 7 Typenbildungen und Ergebnisdarstellung <?page no="231"?> Südafrika spricht, dass man schon noch mal nachfragt, ok was für einen Background haben die Schülerinnen und Schüler “ (Transkript Friedrich, t1, Z. 234-236). Im Sprechen über Englischunterricht zeigt sich jedoch, dass hierbei weniger die Initiierung von Sprachlernprozessen sowie die Nutzung der individuellen Hintergründe der Schüler*innen für die Generierung von neuem (Sprach-)Wissen im Mittelpunkt stehen. Vielmehr legen die befragten Lehrkräfte ihren Fokus auf die Wertschätzung der schüler*innenseitigen Hintergründe und Erfahrungen sowie auf Werte wie Vertrauen, Anerkennung und Respekt: 241 Ich hatte mal letzten Herbst so eine Einladung zu so einem (.) ja (.) Ich 242 kann das gar nicht so richtig beschreiben (.) So eine ähm (.) Lesung aus 243 dem (.) ähm wie sagt man? @Aus dem Koran@ Da hat eine Schülerin gesagt 244 "Kommen Sie mal dazu und gucken Sie sich das an, wie wir das machen" und 245 so (.) Da würde ich sagen, da war die Wahrnehmung "Sie ist offen, für das, 246 was wir da machen. Sie guckt sich das auch an" ja? Ich war jetzt nicht 247 bereit, zu konvertieren @(.)@ aber eben doch, dass man gemerkt hat ähm 248 jemand hat ähm Lust auch zu hören, was der andere macht oder wie der 249 spricht oder wie der isst oder so (.) Ähm dadurch kommen auch ganz gute 250 Kontakte oder vertrauensvollere Kontakte zustande (Transkript Hohenstein, 251 t1, Z. 241-252) Die befragte Lehrkraft im Fall Hohenstein beschreibt in dieser Passage ihre Erfahrungen bei einer Koranlesung, an welcher sie auf die Einladung einer Schülerin hin teilgenommen hat. Hierbei zeigt sich eine grundsätzliche Offenheit sowie ein Interesse der Lehrkraft für die individuellen Hintergründe ihrer Schüler*innen. Ebenso wird deutlich, dass die Lehrkraft durch die Beschreibung dieser Situation eine Bereitschaft für das Kennenlernen neuer Erfahrungsräume zum Ausdruck bringt. Anhand der Verwendung von entperso‐ nalisierten Phrasen macht die Lehrkraft deutlich, dass sie Werte wie Wertschätzung, Offenheit sowie Vertrauen im Umgang mit den individuellen (kulturellen) Hintergründen der Schüler*innen als Norm wahrnimmt, welcher sie sich mit ihrem Handeln annähert (vgl. Z. 234-236). Die Äußerung der Lehrkraft „ Ähm dadurch kommen auch ganz gute Kontakte oder vertrauensvollere Kontakte zustande “ (Z. 249-250) verweist hierbei auf ein Charakteristikum des Typs aushandelnd, nämlich die Relevantsetzung von kultureller und sprachlicher Heterogenität in Bezug auf die Möglichkeit des Aufbaus von vertrauensvollen Beziehungen zu den Schüler*innen. So ist der erzählten Praxis der Lehrkräfte zu entnehmen, dass die Lehrkräfte der zugeordneten Fälle durch die Wahrnehmung und das punktuelle Aufgreifen der individuellen Hintergründe der Schüler*innen Nähe zu diesen konstruieren sowie die Bedeutung der je individuellen (sprachlichen) Fähigkeiten insbesondere für deren Identitätsbildung anerkennen und hervorheben („ weil das war halt für sie ist es eben ein wichtiger Teil ihrer Identität, dass sie eben (.) natürlich sie kommen aus Deutschland, aber eigentlich kommen sie halt eben aus der Türkei oder so “, Transkript Wagner, t1, Z. 310-313). Darüber hinaus bringen die befragten Lehrkräfte jedoch Unsicherheiten in Bezug auf die konstruktive Einbindung ebendieser Hintergründe in den Englischunterricht zum Ausdruck. Als Gründe hierfür führen sie auf expliziter Ebene beispielsweise fehlende Handlungsstrategien sowie eine unzureichende Ausbildung 7.3 Typologie zum Umgang mit kultureller und sprachlicher Heterogenität 231 <?page no="232"?> hinsichtlich des Handlungsfeldes des Umgangs mit (kultureller und sprachlicher) Hetero‐ genität an (vgl. Transkript Wagner, t1, Z. 525 ff.). Implizit zeigt sich eine Spannung zwischen der typenspezifischen Handlungsorientierung am Curriculum bzw. der Vermittlung von fachbezogenen Inhalten und der wahrgenommenen Norm des Einbezugs der kulturellen und sprachlichen Hintergründe der Schüler*innen. Dies wird besonders deutlich anhand der in Kapitel 7.2.1 bereits angeführten Passage aus dem Fall Hohenstein, in welcher die befragte Lehrkraft zum Ausdruck bringt, dass das ‚Tagesgeschäft‘ als Englischlehrerin nur wenig Raum für eine tiefergehende Berücksichtigung der individuellen Hintergründe der Lernenden lässt (Transkript Hohenstein, t1, Z. 268-271). Auch im Fall Kaiser wird dieses Spannungsverhältnis deutlich: 120 in der Schule gibt es kein Bewusstsein dafür das ist so für mich die 121 größte Anforderung (.) weil wir so einfach so tun als als gäbe es dieses 122 ä: h als gäbe es das nicht (.) und weiter einfach so unseren Stoff durch- 123 ziehen (Transkript Kaiser, t1, Z. 120-124) Die befragte Lehrkraft thematisiert die aus ihrer Sicht unzureichende Berücksichtigung der kulturellen und sprachlichen Hintergründe der Schüler*innen aufgrund eines fehlenden Be‐ wusstseins ihrer Schule für dieses Handlungsfeld sowie der Orientierung der Lehrkräfte am Curriculum. Dies rahmt sie als negativen Horizont, nimmt sich selbst hiervon jedoch nicht aus. Vielmehr positioniert sie sich im Kollektiv derjenigen, die kulturelle und sprachliche Heterogenität nicht berücksichtigen (vgl. „ wir “, Z. 121). Damit bringt die befragte Lehrkraft das ambivalente Moment zum Ausdruck, welches charakteristisch für die Handlungspraxis des Typs aushandelnd im Umgang mit kultureller und sprachlicher Heterogenität ist. Kultu‐ relle und sprachliche Heterogenität sowie die in diesem Zusammenhang wahrgenommenen Hintergründe der Schüler*innen werden von den Fällen dieses Typs zwar als bedeutsam gerahmt, vor allem für Identitätsbildungsprozesse sowie den Aufbau eines vertrauensvollen Verhältnisses mit den Schüler*innen. Allerdings ist der erzählten Praxis zu entnehmen, dass ein konstruktiver und für die Lernprozesse der am Englischunterricht beteiligten Akteur*innen förderlicher Einbezug ebendieser Hintergründe (noch) nicht stattfindet. Vielmehr löst die Konfrontation mit dem Thema kulturelle und sprachliche Heterogenität bzw. mit der an die Lehrkräfte durch die Interviewerin herangetragene Norm des Umgangs mit ebendiesen Heterogenitätsdimensionen Spannungen aus. Die Fälle des Typs funktionalisierend haben einen eher defizitorientierten Zugang zu kultureller und sprachlicher Heterogenität und rahmen diese als Herausforderung für ihr eigenes Handeln sowie ihren Englischunterricht. Im Vergleich zu den Fällen der Typen einbindend und aushandelnd lassen sich aus den Interviewgesprächen der Fälle dieses Typs wenige Erzählungen entnehmen, welche auf einen konstruktiven sowie routinierten Einbezug der kulturellen und sprachlichen Hintergründen der Schüler*innen in den Englischunterricht schließen lassen. So finden sich eher Hinweise auf den Einsatz von Mikromethoden, wie z. B. Vergleiche auf Wortebene oder das Abfragen von Erstsprachen (vgl. Transkript Winter, t1, Z. 106 ff.). Auch zeigt sich, dass die kulturellen und sprachlichen Hintergründe häufiger im Kontext von außerunterrichtlichen Angeboten, wie z. B. AGs oder Festen relevant werden: „ zu bestimmten Anlässen (.) z. B. zu Weihnachten machen wir häufig (.) wenn Zeit übrig bleibt, machen wir häufig irgendwie so 232 7 Typenbildungen und Ergebnisdarstellung <?page no="233"?> ein Frühstück miteinander und da bitte ich auch immer um kulturelle Speisen, ja? “ (Transkript Schneider, t1, Z. 554-557). In diesen Kontexten heben die Fälle des Typs funktionalisierend die Bedeutung der kulturellen und sprachlichen Hintergründe der Schüler*innen hervor, während in Bezug auf den Englischunterricht Schwierigkeiten und Herausforderungen zum Ausdruck gebracht werden. In der direkten Konfrontation mit dem Thema kulturelle und sprachliche Heterogenität zeigt sich, dass sich die Lehrkräfte in erster Linie auf sprachliche Schwierigkeiten eines als heterogen wahrgenommenen Schüler*innenklientels beziehen und Abweichungen zu wahrgenommenen und als für ihren unterrichtlichen Kontext gültig gerahmten Sprachni‐ veaus thematisieren (vgl. Transkript Vogt, t1, Z. 148 ff.). In Bezug auf ihren Englischunter‐ richt berichten die Fälle dieses Typs häufig von herausfordernden Situationen im Umgang mit Schüler*innen, welchen ein Migrationshintergrund zugeschrieben wird. Dieser Um‐ gang wird häufig als belastend oder mit Anstrengung verbunden wahrgenommen, was sich am deutlichsten im Fall Schneider zeigt: 770 (.) ja, das ist dann für die doch so ein Machtkampf und meistens ist es 771 auch so, dass die Mädels dann sagen "Ja, ich mache das ja scho: n, ist ja 772 kein Ding. Wir sind ja Freu: nde" (.) ja? und ähm (2) aber eigentlich ist 773 es genau das Signal in die entgegengesetzte Richtung, denn man erzieht ja 774 die im Sinne von Gleichberechtigung und nicht, dass einer untertänig ist 775 und äh (.) den Müll von einer anderen Person aufhebt (.) (Transkript 776 Schneider, t1, Z. 770-779) In dieser Passage beschreibt die befragte Lehrkraft im Fall Schneider eine Situation aus ihrem Englischunterricht, in welcher ein Schüler mit einem von ihr zugeschriebenen Migrationshintergrund sich weigert, seinen Müll wegzuwerfen und diese Aufgabe seiner Mitschülerin überträgt. Die befragte Lehrkraft rahmt das Handeln dieses Schülers als negativen Gegenhorizont und bringt hierdurch die wahrgenommene Norm der Erziehung zu Gleichberechtigung zum Ausdruck. Diese wird für den Kontext Schule und Unterricht als gültig gerahmt und von der Lehrkraft als solche angenommen: „ denn man erzieht ja die im Sinne von Gleichberechtigung “ (Z. 773-774). Das abweichende Handeln von dieser Norm seitens der beiden Schüler*innen wird von der Lehrkraft im Fall Schneider als ‚Machtkampf ‘ wahrgenommen, wodurch sie zum Ausdruck bringt, dass die Bearbeitung der Situation und damit ihr Handeln im Umgang mit den Schüler*innen konfliktreich und mit Anstrengung verbunden ist. Dies verdeutlicht sich im weiteren Verlauf des Interviewgesprächs, indem die befragte Lehrkraft die Kampfmetapher im Zusammenhang mit dem Thema kulturelle und sprachliche Heterogenität erneut zur Anwendung bringt: 828 dann sagen meine Kollegen aus anderen (.) oder zu anderen Kulturkreisen 829 "Ja, wenn man (.) man kann aus einem Esel keinen Rennpferd machen" ja? 830 Dann kommen eben halt auch solche Sprüche, dass sie halt nach dem Motto 831 "Ich will nicht, ich kann auch nicht und ich möchte auch nicht" ja? "Ge- 832 ben Sie mir (.) schenken Sie mir einfach die Note" und das ist natürlich 833 dann auch so ein anderer Ton, wo ich dann sage "Ne (.) möchte ich nicht" 7.3 Typologie zum Umgang mit kultureller und sprachlicher Heterogenität 233 <?page no="234"?> 170 Dies wird im Rassismus-Diskurs mit Bezug auf Kant (1802) häufig als wissenschaftlicher Rassismus oder als Rassismus der Aufklärung bezeichnet (vgl. zusammenfassend Marmer 2013). 171 Dies wird nach Edward Said (1978) und Stuart Hall (1999) als Othering bezeichnet. 834 (.) und das ist dann immer so ein Kampf, wo man dann ähm fragt, "Ok, lohnt 835 sich denn so ein Kampf oder lohnt sich der nicht? " (2) (Transkript Schnei- 836 der, t1, Z. 828-837) Frau Schneider beschreibt in dieser Passage die Einstellungen ihrer Kolleg*innen zu Schüler*innen aus „ anderen Kulturkreisen “ (Z. 828) und deren Verhalten. Hierbei zeigt sich zunächst die verallgemeinernde und mit Zuschreibungen verbundene Wahrnehmung von kultureller Heterogenität, welche charakteristisch für die Fälle des Typs funktiona‐ lisierend ist. Kulturen werden hier an Herkunft und Nationen gebunden sowie als in sich geschlossene, ‚fremde‘ Entitäten gerahmt. Weiterhin werden die hier beschriebenen Schüler*innen als Angehörige ebensolcher ‚Kulturkreise‘ als maximale Kontraste zu einem hier nicht näher beschriebenen Kollektiv derjenigen Schüler*innen dargestellt, die diesen ‚Kulturkreisen‘ nicht angehören. Durch die Verwendung der Eselmetapher bedient sich Frau Schneider, wenn auch zunächst indirekt über die Wiedergabe der Äußerungen ihrer Kolleg*innen, eines rassistischen Ausdrucks, der von ihr jedoch weder problematisiert noch reflektiert wird. Hinter dieser Metapher steht ein Hierarchie- und damit Machtgefälle, welches sich zwischen leistungsfähigen (Rennpferden) und demgegenüber weniger leis‐ tungsfähigen bzw. hier weniger leistungswilligen (Eseln) Schüler*innen aufspannt 170 (vgl. Z. 833). Auch werden die Schüler*innen aus „ anderen Kulturkreisen “ (Z. 828) als ‚Andere‘ konstruiert und damit von den als leistungsfähig gerahmten Schüler*innen abgegrenzt 171 . Indem Frau Schneider mit ihrer sich anschließenden Äußerung „ Dann kommen eben halt auch solche Sprüche, dass sie halt nach dem Motto "Ich will nicht, ich kann auch nicht und ich möchte auch nicht" ja? "Geben Sie mir (.) schenken Sie mir einfach die Note" “ (Z. 830-832) zum Ausdruck bringt, dass die als ‚Andere‘ konstruierten Schüler*innen in der Wahrnehmung der Lehrkraft nicht leistungsbereit seien, bestätigt sie damit die eingangs angeführte Äußerung ihrer Kolleg*innen und damit auch die rassistische Tiermetapher. Letztlich bringt Frau Schneider durch die Verwendung der Metapher sowie die Wieder‐ gabe der Äußerungen ihrer Schüler*innen zum Ausdruck, dass Lehrkräfte Schüler*innen aus „ anderen Kulturkreisen “ (Z. 828) nicht verändern bzw. dahingehend erziehen kön‐ nen, dass sie den Werten und grundsätzlichen Anforderungen der Institution Schule im deutschen Kontext gerecht werden. Lehrkräfte werden damit im Umgang mit Schü‐ ler*innen mit einem als ‚fremd‘ gerahmten kulturellen Hintergrund als eingeschränkt handlungsfähig gerahmt. Dies ist für die Lehrkraft mit Anstrengung und Kraftaufwand verbunden, was durch die Verwendung der Kampfmetapher zum Ausdruck gebracht wird (vgl. Z. 834-835). Bei den Fällen des Typs funktionalisierend fällt im Vergleich zu den anderen Fällen des Samples eine häufige Verwendung von Kampfmetaphern oder aber Äußerungen auf, die Anstrengung zum Ausdruck bringen. Hierin deutet sich oftmals das für die Fälle dieses Typs typische Spannungsverhältnis zwischen einem an Kontrolle und Lenkung 234 7 Typenbildungen und Ergebnisdarstellung <?page no="235"?> 172 Hierzu mag der Umstand der gleichzeitigen und nicht differenzierten Nennung der beiden Hetero‐ genitätsfacetten im Frageimpuls der Interviewerin beigetragen haben. orientierten Habitus und der Norm der Berücksichtigung der je individuellen kulturellen und sprachlichen Hintergründe der Schüler*innen im Englischunterricht an. Letzteres findet in der bereits in Kapitel 7.3.3 dargestellten und analysierten Joghurt-Metapher des Falls Schneider seinen Höhepunkt (vgl. auch Transkript Schneider, t1, Z. 939 ff.). 7.3.4 Typik: Rahmung von kultureller und sprachlicher Heterogenität Die Typik Rahmung von kultureller und sprachlicher Heterogenität bündelt jene Handlungs‐ orientierungen, die darauf verweisen, wie die Fälle des dieser Arbeit zugrundeliegenden Samples die beiden Heterogenitätsdimensionen wahrnehmen, welche Konzepte sie hiermit verbinden und wie sie Heterogenität in ihrem Englischunterricht konstruieren. Wie bereits einleitend dargestellt, lässt sich bei keinem der Fälle eine eindeutige und explizit differen‐ zierte Betrachtung der Heterogenitätsdimensionen Kultur und Sprache ausmachen 172 . So werden kulturelle und sprachliche Heterogenität von nahezu allen Fällen in der direkten Konfrontation durch die Interviewerin als familiär bzw. biografisch geprägte Phänomene verstanden, welche von einem als heterogen wahrgenommenen Schüler*innenklientel in Schule und Unterricht getragen werden. Weiterhin wird das Thema mehrheitlich mit einem angenommenen Migrationshintergrund in Verbindung gebracht und damit an Herkunft sowie an die Zugehörigkeit zu sozialen (Kultur-)Gruppen geknüpft. Im Sprechen über kulturelle und sprachliche Heterogenität zeigt sich, dass die befragten Lehrkräfte sich in erster Linie auf die verschiedenen (herkunftsbedingten) sprachlichen Erfahrungen bzw. das sprachliche Wissen sowie Erfahrungen der Schüler*innen aus den jeweiligen (Kultur-)Gruppen beziehen, welchen sie sich zugehörig fühlen. In diesem Zusammenhang ließen sich im Sample zwei kontrastierende Handlungsorientierungen ausmachen. So verortet ein Teil der Fälle kulturelle und sprachliche Heterogenität eher auf der Ebene des Individuums und legt den Fokus auf individuelle Hintergründe, Erfahrungen, Kompe‐ tenzen, Stärken oder auch Schwächen, die im Englischunterricht sichtbar sowie nutzbar werden. Demgegenüber stehen Handlungsorientierungen, welche darauf verweisen, dass kulturelle und sprachliche Heterogenität stärker auf der Ebene eines definierbaren Kollek‐ tivs verortet werden. Hier werden kulturelle und sprachliche Heterogenität häufig als Synonym für die Zugehörigkeit zu einer definierbzw. abgrenzbaren Gruppe verstanden und als eher hinderlich für die Gestaltung des Englischunterrichts wahrgenommen. Tabelle 21 zeigt die kontrastierenden Handlungsorientierungen: 7.3 Typologie zum Umgang mit kultureller und sprachlicher Heterogenität 235 <?page no="236"?> Typen Typ I einbindend Typ II aushandelnd Typ III funktionalisierend Typik Handlungsorientierungen Rahmung von kultureller und sprachlicher Hete‐ rogenität auf … … Ebene des Individuums … Ebene des Kollektivs Tabelle 21: Typik Rahmung von kultureller und sprachlicher Heterogenität mit den Handlungsorien‐ tierungen Ebene des Individuums und Ebene des Kollektivs Für die Fälle des Typs einbindend ließ sich eine Rahmung von kultureller und sprachli‐ cher Heterogenität auf der Ebene des Individuums rekonstruieren. Im Sprechen über kulturelle und sprachliche Heterogenität heben sie die individuellen (herkunftsbezogenen) Hintergründe, Erfahrungen, Kompetenzen, das Wissen, Stärken sowie Schwierigkeiten der Schüler*innen hervor, die diese in sozialen Gruppen (wie z. B. Familie, Peers etc.) erworben haben, denen sie sich zugehörig fühlen. Aus der erzählten Praxis der zugeordneten Fälle ist zu entnehmen, dass die befragten Lehrkräfte über ein teilweise detailliertes Wissen bezüglich der individuellen Hintergründe ihrer Schüler*innen verfügen. Dieses Wissen wird sowohl für die Gestaltung des Englischunterrichts als auch für das Lernen der Schüler*innen als relevant gerahmt, etwa wenn die befragten Lehrkräfte auf die Hinter‐ gründe der Schüler*innen abgestimmte Differenzierungsangebote machen (vgl. Transkript Altay, t1, Z. 587 ff.). Weiterhin wird bei den zugeordneten Fällen dieses Typs deutlich, dass die kulturellen und sprachlichen Hintergründe sowie Erfahrungen der Schüler*innen nicht nur im Kontext des Englischunterrichts wahrgenommen und relevant werden. Auch die Relevanz von außerschulischen Erfahrungsräumen für die Schüler*innen sowie deren Eingebundenheit in ebendiese Erfahrungsräume werden wahrgenommen und in den Englischunterricht einbezogen (vgl. Transkript Altay, t1, Z. 459 ff.). Im Vergleich zu den anderen Fällen des Samples zeigt sich zudem, dass die zugeordneten Fälle des Typs einbindend eigene biographische Erfahrungen (z. B. Diskriminierung, Auslandsaufenthalte oder Sprachlernerfahrungen) auf ihre Schüler*innen und deren individuelle Hintergründe projizieren und dadurch Verständnis zeigen. Aufgrund ihrer eigenen Erfahrungen rahmen sich die Lehrkräfte als in der Lage, den individuellen Bedürfnissen sowie kulturellen und sprachlichen Hintergründen der Schüler*innen begegnen sowie diesen gerecht werden zu können: „ nehme das auf jeden Fall auf, weil ich weiß, wie wichtig das mir damals war, wenn jemand mich mal gefragt hat ‚wie mh (.) wie sagt man das denn auf Türkisch? ‘“ (Transkript Altay, t1, Z. 494-496). Damit wird deutlich, dass kulturelle und sprachliche Heterogenität auf der Ebene des Individuums gerahmt und relevant werden und im Englischunterricht sowohl als individuelle Eigenschaften als auch als Ressourcen sichtbar und nutzbar werden. Wie schon in der Typik Fachlicher Fokus im Erfahrungsraum Gestaltung des Englisch‐ unterrichts im Umgang mit Lernenden (vgl. Kapitel 7.2.2) lassen sich bei den Fällen des Typs aushandelnd zwei kontrastierende Handlungsorientierungen rekonstruieren. Diese verweisen zum einen auf eine Rahmung von kultureller und sprachlicher Heterogenität auf 236 7 Typenbildungen und Ergebnisdarstellung <?page no="237"?> der Ebene des Individuums mit den oben bereits dargestellten Charakteristika. Weiterhin lassen sich Handlungsorientierungen rekonstruieren, die darauf verweisen, dass kulturelle und sprachliche Heterogenität auf der Ebene des Kollektivs gerahmt und hier verortet werden. Damit stellt der Typ aushandelnd in Bezug auf diese Typik einen Mischtyp dar. Dies bringt erneut das aushandelnde Moment dieses Typs zum Vorschein und deutet darauf hin, dass die zugeordneten Lehrkräfte (noch) über keine ausgeprägten Handlungsroutinen im Umgang mit kultureller und sprachlicher Heterogenität verfügen und sich häufig an institutionellen und strukturellen Vorgaben orientieren (vgl. z. B. Transkript Lindner, t1, Z. 598 ff). Als Beispiel hierfür lässt sich eine Passage aus dem Fall Friedrich anführen, in welcher die befragte Lehrkraft auf expliziter Ebene die Bedeutung des Einbezugs der individuellen kulturellen und sprachlichen Erfahrungen der Schüler*innen in den Englischunterricht verhandelt: 230 Ähm, natürlich gibt es, gibt es immer äh gibt es auch positive Sachen, 231 ähm weil eben äh zu, zu bestimmten Aspekten (.) eben äh Schülerinnen und 232 Schüler auch äh Privates auf Englisch berichten können (Transkript Fried- 233 rich, t1, Z. 229-231) Hierbei deutet sich an, dass die befragte Lehrkraft kulturelle und sprachliche Heterogenität zunächst auf der Ebene des Individuums verortet, nämlich in Form von individuellen bzw. privaten Erfahrungen. Diese individuellen Erfahrungen werden sowohl als Möglichkeit für die Lehrkraft gerahmt, die Schüler*innen persönlich in den Englischunterricht einzubinden, als auch als Anlass für die Schüler*innen wahrgenommen, etwas über sich zu erzählen. Aus der erzählten Handlungspraxis der Lehrkraft ist jedoch zu entnehmen, dass diese über (noch) keinen routinierten Umgang mit kultureller und sprachlicher Heterogenität verfügt und auch in ihrer Adressierung der Heterogenitätsdimensionen zwischen einem auf das Individuum bezogenen Zugang und einer kollektivierenden Rahmung von kultureller und sprachlicher Heterogenität oszilliert: 110 ähm also wir haben schon auch sehr, sehr viele Nationen und mittlerweile 111 auch immer mehr Flüchtlingskinder, die quasi sich der Herausforderung 112 Abitur stellen. (Transkript Friedrich, t1, Z. 110-113) Anhand dieser Passage wird deutlich, dass die Lehrkraft das Thema kulturelle und sprach‐ liche Heterogenität in der direkten Konfrontation durch den Frageimpuls der Interviewerin in Bezug auf ein als heterogen wahrgenommenes Schüler*innenklientel verhandelt. Hierbei macht sie von verallgemeinernden (kulturellen) Zuschreibungen Gebrauch und setzt kul‐ turelle und sprachliche Heterogenität ferner mit Nationen gleich. Indem die Lehrkraft die ‚Flüchtlingskinder‘ erwähnt, „ die quasi sich der Herausforderung Abitur stellen “ (Z. 111-112), eröffnet sie Differenzkategorien, die nicht reflektiert werden. Hierbei geht es in erster Linie nicht um die Erfahrungen oder Hintergründe des Individuums, sondern kulturelle und sprachliche Heterogenität werden an kollektiv zugeschriebenen Merkmalen und angenommenen Zugehörigkeiten festgemacht (Kollektiv der ‚Flüchtlingskinder‘ und Nationen). Dies stellt auch wesentliche Merkmale der Handlungsorientierungen des Typs funktionalisierend dar, welche im Folgenden dargestellt werden. 7.3 Typologie zum Umgang mit kultureller und sprachlicher Heterogenität 237 <?page no="238"?> Die Fälle des Typs funktionalisierend rahmen kulturelle und sprachliche Heterogenität auf der Ebene des Kollektivs. Dies äußert sich darin, dass sich die befragten Lehrkräfte in der direkten Konfrontation mit diesem Thema weniger auf das Individuum und dessen individuelle Hintergründe beziehen. Vielmehr zeigt sich im Sprechen über kulturelle und sprachliche Heterogenität, dass (kulturelle) Gruppen erwähnt und hervorgehoben werden, denen bestimmte Eigenschaften und Merkmale zugeschrieben werden und welche als Ka‐ tegorien für die Zuordnung der Schüler*innen dienen. In diesem Zusammenhang machen die zugeordneten Fälle dieses Typs von verallgemeinernden (kulturellen) Zuschreibungen Gebrauch, die nicht reflektiert werden. Auch fällt im Vergleich zu den anderen Fällen des Samples auf, dass sich die zugeordneten Fälle dieses Typs in der Auseinandersetzung mit dem Thema kulturelle und sprachliche Heterogenität in erster Linie auf Kategorien wie Nationen, Herkunft, Migration und Religion beziehen. Damit sind kulturelle und sprachliche Heterogenität in erster Linie Differenzkategorien und werden in der Rahmung der Fälle dieses Typs als Synonym für die Zugehörigkeit zu einem konstruierten Kollektiv. Am deutlichsten zeigt sich diese Rahmung von kultureller und sprachlicher Heterogenität im Fall Hofmann: 211 wenn wir zum Beispiel Christmas machen, dann können die Türken und die 212 Araber ja nicht so richtig mitmachen, (.) die feiern das ja nicht, aber 213 das macht nichts, (.) das ist kein Problem, (.) es gibt viele Türken, die 214 kaufen sich auch ein Weihnachtsbaum und spielen trotzdem mit, also können 215 wir das trotzdem auch machen, what's on your Christmas tree? Das macht 216 nichts. (1) Also ich finde es wichtig, dass sie auch unsere Kultur lernen 217 (Transkript Hofmann, t1, Z. 211-218) Auf die Frage der Interviewerin nach den Erfahrungen mit kultureller und sprachlicher Heterogenität bezieht sich die befragte Lehrkraft auf Situationen aus ihrem Englischunter‐ richt, in welchen sie bestimmte Themen, wie z. B. Weihnachten behandelt und hierbei nicht alle Schüler*innen gleichermaßen involviert werden können. Dies führt die Lehrkraft darauf zurück, dass ein Teil der Schüler*innen religiöse Praktiken ausübt, die nicht mit einer hier implizit wahrgenommenen ‚christlichen Kultur‘ kompatibel sind. In der Rahmung der Lehrkraft ergibt sich dies wiederum aus der zugeschriebenen Zugehörigkeit entspre‐ chender Schüler*innen zu nationenbasierten Kollektiven („ die Türken und die Araber “, Z. 212). Die Schüler*innen werden hier als ‚fremd‘ und damit als Differenzkategorie zu einer Schüler*innenschaft gerahmt, die Weihnachten feiert und damit einem als christlich wahrgenommenen Kollektiv angehört. Die hiermit verbundene Dichotomisierung wird von der Lehrkraft nicht reflektiert, sondern vielmehr noch verstärkt, indem sie die Norm zum Ausdruck bringt, „ dass sie auch unsere Kultur lernen “ (Z. 216). Statt ihr Handeln und ihren Unterricht an die individuellen Hintergründe und Bedürfnisse ihrer Schüler*innen anzupassen, wie z. B. im Typ einbindend (vgl. Transkript Altay, t1, Z. 378 ff.), orientiert sich die Lehrkraft im Fall Hofmann an der Behandlung von christlich geprägten Unterrichtsthemen und damit an der Vermittlung einer ‚christlichen Kultur‘. Kulturelle und sprachliche Heterogenität werden folglich in erster Linie an nationen- und 238 7 Typenbildungen und Ergebnisdarstellung <?page no="239"?> herkunftsbasierten Kollektiven sowie an diesen Kollektiven zugeschriebenen Merkmalen festgemacht. Das an Nationen und Herkunft gebundene Verständnis von kultureller und sprachlicher Heterogenität wird auch im Fall Schneider deutlich: 170 Ja, ichwir haben ja in der Klasse in der beruflichen Schule wirklich 171 ein ein (.) seabsolut heterogene Gruppe äh die kommen alle aus ver- 172 schiedenen Kulturkreisen und ähm wir haben auchwir starten in Englisch 173 auch mit einem Thema Migration (.) und das ist ja sozusagen ja multikulti 174 (Transkript Schneider, t1, Z. 170-175) Auf die Frage nach ihren Erfahrungen im Umgang mit kultureller und sprachlicher Heterogenität bezieht sich die Lehrkraft, wie es für diesen Typ charakteristisch ist, auf die heterogene Schüler*innenklientel an ihrer Schule. Hierbei verknüpft sie kulturelle und sprachliche Heterogenität mit Migration und Herkunft und macht weiterhin deutlich, dass diese beiden Heterogenitätsdimensionen mit einer zugeschriebenen und von der Lehrkraft wahrgenommenen Zugehörigkeit zu abgrenzbaren (kulturellen) Gruppen verbunden sind. Anhand dieser Passage zeigt sich das Kulturverständnis, welches für die Fälle dieses Typs charakteristisch ist. Indem die Lehrkraft von ‚Kulturkreisen‘ spricht (Z. 172) bringt sie zum Ausdruck, dass sie Kulturen als in sich geschlossene, homogene und abgrenzbare Entitäten wahrnimmt, die in enger Verbindung mit geographischen Territorien stehen. Kulturen werden hier folglich erneut an Herkunft gebunden sowie als jene Einheiten gerahmt, die nebeneinander stehen, ohne sich gegenseitig zu beeinflussen. Letzteres wird auch durch die Verwendung des Begriffs ‚multikulti‘ zum Ausdruck gebracht und von der Lehrkraft nicht reflektiert. Wie für die Fälle dieses Typs charakteristisch, beziehen sich diese im Sprechen über kulturelle und sprachliche Heterogenität nicht auf die individuellen Erfahrungen und Hintergründe der Schüler*innen, sondern heben das Thema Herkunft hervor. Auch rahmen die zugeordneten Fälle kulturelle und sprachliche Heterogenität als Differenzkategorie und machen diese an phänotypischen Merkmalen fest. Dies zeigt sich insbesondere im Fall Winter: 103 jetzt habe ich in meiner Klasse ei: ne (.) oh sie kommt von irgendeiner 104 Insel ich glaube Costa Rica, ja? also auch von der Hautfarbe her auf- 105 fallend, anders (.) (Transkript Winter, t1, Z. 103-105) Die befragte Lehrkraft im Fall Winter bezieht sich hier zwar auf eine individuelle Schüle‐ rin. Im Gegensatz zu den Fällen des Typs einbindend, die über ein detailliertes Wissen bezüglich der Hintergründe ihrer Schüler*innen verfügen, stehen diese hier nicht im Fokus. Vielmehr hebt die Lehrkraft diejenigen Merkmale hervor, aufgrund derer sie sich von ihren Mitschüler*innen unterscheidet (z. B. Hautfarbe). Damit werden kulturelle und sprachliche Heterogenität erneut zu Differenzkategorien, die mit der Wahrnehmung und Hervorhebung des ‚Fremden‘ verknüpft sind. (vgl. Z. 104). Die Lehrkraft macht von Dichotomisierungen Gebrauch, die nicht reflektiert werden. Auch verwendet sie her‐ kunftsbedingte Zuschreibungen, indem sie erwähnt, dass ihre Schülerin „ von irgendeiner Insel “ (Z. 103-104) komme. Inwiefern die Schülerin tatsächlich aus Costa Rica kommt, 7.3 Typologie zum Umgang mit kultureller und sprachlicher Heterogenität 239 <?page no="240"?> spielt in der Beschreibung der Lehrkraft keine Rolle und wird hier ebenfalls nicht reflektiert (im Gegensatz zum Fall Wagner, vgl. Transkript Wagner, t1, Z. 339-342). Stattdessen zeigt sich auch hier, dass kulturelle und sprachliche Heterogenität an phänotypischen Merkmalen festgemacht werden und an herkunftsbezogene Kollektive gebunden sind. Dementsprechend werden die individuellen Hintergründe der Schüler*innen auch nicht als im Englischunterricht nutzbare oder zu nutzende Ressourcen gerahmt. Vielmehr fallen diese Heterogenitätsdimensionen als Differenzkategorien zu einer als homogen konstruierten Schüler*innenschaft auf und dienen der Zuordnung der Schüler*innen zu abgrenzbaren, an Herkunft gebundene Gruppen. 7.3.5 Zwischenfazit Die in den Kapiteln 7.3 bis 7.3.4 dargestellten Rekonstruktionsergebnisse haben die Ori‐ entierungen der Fälle dieses Samples in Bezug auf das Handlungsfeld des Umgangs mit kultureller und sprachlicher Heterogenität deutlich gemacht. Entlang kontrastierender Vergleiche konnten Unterschiede und Gemeinsamkeiten der Fälle herausgearbeitet werden, was letztlich zu einer dreigliedrigen Typologie führte. Diese wiederum konnte anhand von vier Typiken mehrdimensional aufgefächert werden, sodass sich neben der Art und Weise des Umgangs und Einbezugs von kultureller und sprachlicher Heterogenität auch die Art und Weise abbilden lässt, wie die Fälle kulturelle und sprachliche Hetero‐ genität konstruieren und konzeptualisieren. Als fallübergreifendes Ergebnis lässt sich festhalten, dass keiner der Fälle eine eindeutige und explizite Differenzierung zwischen den Heterogenitätsdimensionen Kultur und Sprache vornimmt. So scheinen kulturelle und sprachliche Heterogenität in der Rahmung aller Fälle in erster Linie an das Vorhandensein eines zugeschriebenen Migrationshintergrunds bzw. an Herkunft geknüpft zu sein. Je nach rekonstruiertem Typ werden kulturelle und sprachliche Heterogenität entweder als individuelle (herkunftsbedingte) Erfahrungen, Hintergründe, Kompetenzen, Wissen, Stärken oder auch Schwierigkeiten der Schüler*innen im Englischunterricht relevant und nutzbar (Typ einbindend). Oder aber kulturelle und sprachliche Heterogenität werden als kollektiv zugeschriebene Merkmale von definierbaren (kulturellen) Gruppen gerahmt, die als Differenzkategorien in Kontrast zu einem als homogen konstruierten Schüler*in‐ nenklientel stehen (Typ funktionalisierend). Letzteres wird von den zugeordneten Fällen als Norm gerahmt, was dazu beiträgt, dass der Umgang mit kultureller und sprachlicher Heterogenität eher als Herausforderung wahrgenommen wird. Damit lassen sich die rekonstruierten Typen mit ihren typisierten handlungsleitenden Orientierungen auf einem Kontinuum zwischen einer am Individuum und dessen Ressourcen orientierten sowie einem an Kollektiven ausgerichteten und eher defizitorientierten Zugang zu kultureller und sprachlicher Heterogenität abbilden. Der Typ aushandelnd stellt in Bezug auf den Umgang mit kultureller und sprachlicher Heterogenität einen Mischtyp dar, da sich hier sowohl Handlungsorientierungen aus den Typiken des Typs einbindend als auch des Typs funktionalisierend finden ließen, die miteinander ausgehandelt werden. Tabelle 22 fasst die zentralen Ergebnisse des Kapitels 7.3 zusammen: 240 7 Typenbildungen und Ergebnisdarstellung <?page no="241"?> Typ Dimension Typ I einbindend Typ II aushandelnd Typ III funktionalisierend I. Einbezug der kulturellen und sprachlichen Hintergründe der Lernenden im Englischunterricht Einbezug kulturel‐ ler und sprachli‐ cher Heterogenität erfolgt, … … wenn Lernende das Bedürfnis haben … wenn sich eine Pas‐ sung mit dem Curricu‐ lum ergibt … wenn die Vermitt‐ lung und der Erwerb der englischen Spra‐ che im Fokus steht Sprache(n) im Eng‐ lischunterricht (lebensweltliche) Mehrsprachigkeit (institutionelle) Mehr-/ Zweisprachigkeit Einsprachigkeit II. Konzeptualisierung von kultureller und sprachlicher Heterogenität Konzeptualisierung von kultureller und sprachlicher Hete‐ rogenität als … … (Sprachlern-)Res‐ source für alle Ler‐ nenden und Lehr‐ kraft … Möglichkeit des Be‐ ziehungsaufbaus mit Lernenden … Herausforderung für Lehrkraft und Eng‐ lischunterricht Rahmung von kul‐ tureller und sprach‐ licher Heterogenität auf … … Ebene des Individuums … Ebene des Kollektivs Fälle Altay, Bauer Kaiser, Hohenstein, Wagner, Lindner, Friedrich, Pohl Vogt, Schneider, Hofmann, Winter Tabelle 22: Überblick über die mehrdimensionale sinngenetische Typenbildung zum Umgang mit kultureller und sprachlicher Heterogenität mit den Typiken Einbezug kultureller und sprachlicher Heterogenität, Sprache(n) im Englischunterricht, Konzeptualisierung von kultureller und sprachli‐ cher Heterogenität und Rahmung von kultureller und sprachlicher Heterogenität 7.4 Ergebnisse der relationalen Typenbildung Bereits im Zuge der mehrdimensionalen sinngenetischen Typenbildung deutete sich an, dass sich die Fälle, die den drei Typen der Erfahrungsdimension Gestaltung des Englischunterrichts im Umgang mit Lernenden zugeordnet wurden, mit denjenigen Fällen decken, die den Typen der Erfahrungsdimension Umgang mit kultureller und sprachlicher Heterogenität zugewiesen wurden (vgl. Kapitel 7.3; vgl. auch Tab. 17 ). Somit wird in der vorliegenden Arbeit davon ausgegangen, dass die in den beiden Erfahrungsdimensionen rekonstruierten Orientierungs‐ rahmen nicht unabhängig voneinander sind, sondern zueinander in Beziehung gesetzt wer‐ den können. Der Zusammenhang zwischen diesen beiden Erfahrungsdimensionen bzw. den hier rekonstruierten Orientierungsrahmen soll nun mit Hilfe einer relationalen Typenbildung untersucht werden. Wie in Kapitel 6.2.4.2 dargestellt, wird mit der relationalen Typenbildung darauf geschaut, „wie die Orientierungen, die in unterschiedlichen Dimensionen zu finden waren, miteinander zusammenhängen“ (Nohl 2017: 107, H.i.O.), d.-h. in welchem Sinnzusam‐ menhang sie zueinander stehen. Bezogen auf den Forschungsgegenstand der vorliegenden Arbeit wird im Folgenden also danach gefragt, welche Art und Weise der Gestaltung des Englischunterrichts mit Lernenden mit welcher Art und Weise des Umgangs mit kultureller 7.4 Ergebnisse der relationalen Typenbildung 241 <?page no="242"?> 173 Aus Gründen der Übersichtlichkeit und der besseren Nachvollziehbarkeit werden die in den beiden Typologien herausgearbeiteten Vergleichsdimensionen mit ihren jeweiligen Handlungsorientierun‐ gen nicht gesondert aufgeführt. und sprachlicher Heterogenität zusammenhängt. Die Ergebnisse der relationalen Typenbil‐ dung werden sodann in der längsschnittlichen Analyse zur Identifikation von erklärenden Mustern für die exemplarisch herausgearbeiteten Entwicklungen der beforschten Lehrkräfte und damit für die Rekonstruktion von Professionalisierungsprozessen herangezogen (vgl. Kapitel 6.5; vgl. Kapitel 8). Ausgehend von den im Zuge der mehrdimensionalen sinngenetischen Typenbildung rekonstruierten Orientierungen der Fälle sowie den hieraus gebildeten Typen wird in einem ersten Schritt nach typischen Verbindungen gesucht, die sich zwischen den beiden Typologien und ihren jeweiligen Dimensionen zeigen. Tabelle 23 stellt die Ergebnisse der mehrdimensionalen sinngenetischen Typenbildung in verdichteter Form dar 173 . Gestaltung des Englisch‐ unterrichts im Umgang mit Lernenden ko-konstruktiv durchprozessiert lenkend - Fälle Altay, Bauer Kaiser, Hohenstein, Wagner, Lindner, Friedrich, Pohl Vogt, Schneider, Hofmann, Winter Umgang mit kultureller und sprachlicher Hetero‐ genität einbindend aushandelnd funktionalisierend Fälle Altay, Bauer Kaiser, Hohenstein, Wagner, Lindner, Friedrich, Pohl Vogt, Schneider, Hofmann, Winter Tabelle 23: Verdichtete Übersicht der Ergebnisse der mehrdimensionalen sinngenetischen Typenbil‐ dung mit den sich andeutenden Relationen Aus der Übersicht lassen sich drei Relationen entnehmen, die sich fallübergreifend zwischen den beiden oben beschriebenen Erfahrungsdimensionen zeigen: 1. ko-konstruktiv - einbindend 2. durchprozessiert - aushandelnd 3. lenkend - funktionalisierend Bei denjenigen Fällen, die ihren Englischunterricht ausgehend von den Hintergründen, (Lern-)Bedürfnissen sowie der Lebenswelt der Lernenden gestalten, die Be- und Erarbei‐ tung von unterrichtlichen bzw. fachlichen Themen als gemeinsame, interaktive Praxis rahmen, bei welcher der Fokus auf Kommunikation sowie gegenseitiger Verständigung liegt und die sowohl sich selbst als auch ihre Schüler*innen als aktiv Handelnde konzeptua‐ lisieren, zeigt sich ein nahezu selbstverständlicher Umgang mit kultureller und sprachlicher Heterogenität im Englischunterricht. Kulturelle und sprachliche Heterogenität werden als individuelle Hintergründe und (Lern-)Ressourcen der Schüler*innen gerahmt, welchen 242 7 Typenbildungen und Ergebnisdarstellung <?page no="243"?> 174 Denkbar wäre auch, dass die Art und Weise des Umgangs mit kultureller und sprachlicher Hetero‐ genität ausschlaggebend für die Art und Weise der Gestaltung des Englischunterrichts im Umgang mit Lernenden ist. Diese Richtung der Relationierung ist für die vorliegende Arbeit jedoch nicht von Relevanz, da sich das Thema des Umgangs mit kultureller und sprachlicher Heterogenität nicht als ein genuin von den Lehrkräften aufgebrachtes Thema erwiesen hat und somit nicht als Ausgangstypik bzw. primäre Erfahrungsdimension rekonstruiert wurde. mit Wertschätzung begegnet wird, indem sie in den Englischunterricht eingebunden und damit für alle nutzbar gemacht werden. Auch die eigenen kulturellen und sprachlichen Hintergründe sowie (biographischen) Erfahrungen der Lehrkräfte werden in den Unterricht eingebracht und mit den Schüler*innen geteilt (ko-konstruktiv - einbindend). Lehrkräfte, die ihren Englischunterricht ausgehend von curricularen Vorgaben gestalten, ihren unterrichtlichen Fokus hierbei auf die Durchprozessierung von fachlichen Inhalten legen und sich selbst als Strukturgeber*innen und Initiator*innen für die Bearbeitung von unterrichtsbezogenen Lerninhalten rahmen, beziehen kulturelle und sprachliche Hintergründe ihrer Schüler*innen selektiv und in erster Linie dann in den Unterricht ein, wenn sich eine inhaltliche und thematische Passung mit dem Curriculum ergibt. Obwohl die Lehrkräfte die Relevanz der kulturellen und sprachlichen Hintergründe der Schüler*innen für deren (Identitäts-)Bildungs- und Sprachlernprozesse wahrnehmen, ver‐ bleibt der unterrichtspraktische Umgang mit diesen Hintergründen auf einer affirmativen Ebene und ist den curricularen Anforderungen gegenüber untergeordnet (durchprozessiert - aushandelnd). Demgegenüber stehen Lehrkräfte, die ihren Englischunterricht ausgehend von eige‐ nen Relevantsetzungen gestalten, eine eher distanzierte Haltung zu ihren Schüler*innen einnehmen und den fachlichen Fokus auf Sprachrichtigkeit, Form und Struktur legen. Bei diesen Lehrkräften zeigt sich, dass die kulturellen und sprachlichen Hintergründe der Lernenden kaum berücksichtigt und eher aus einer defizitorientierten Perspektive betrachtet werden. Dementsprechend findet ein Einbezug von kultureller und sprachlicher Heterogenität in den weitestgehend einsprachig gestalteten Englischunterricht nur dann statt, wenn die Vermittlung der englischen Sprache im Fokus steht. Kulturelle und sprach‐ liche Heterogenität werden von diesen Lehrkräften weniger als individuelle Ressourcen, sondern als Merkmale von Migration sowie der zugeschriebenen Zugehörigkeit zu (natio‐ nenbasierten) Kollektiven gerahmt. Auf Grundlage dieser identifizierten Relationen lässt sich annehmen, dass die Art und Weise der Gestaltung des Englischunterrichts im Umgang mit Lernenden handlungsleitend für den Umgang mit kultureller und sprachlicher Heterogenität ist 174 . Diese Zusammen‐ hänge werden in einem zweiten Schritt genauer in den Blick genommen und auf ein höheres Abstraktionsniveau gehoben. So können generalisierungsfähige Aussagen über den Forschungsgegenstand getroffen und damit das Transferpotenzial der Ergebnisse er‐ höht werden. Hierbei wird auf die Analyse des Spannungsverhältnisses zwischen Norm(en) und Habitus zurückgegriffen, welches sich bereits in mehreren Arbeiten als zielführend für die Rekonstruktion von Professionalisierungsprozessen von (Englisch-)Lehrkräften erwiesen hat und folglich auch für die vorliegende Arbeit als gewinnbringend erachtet wird 7.4 Ergebnisse der relationalen Typenbildung 243 <?page no="244"?> 175 Hierauf wird im Zuge der längsschnittlichen Analyse von Entwicklungen und Veränderungen der Lehrkräfte zurückgegriffen (vgl. Kapitel 7.5). 176 Für einen Überblick über Normen im Kontext des Englischunterrichts sowie des Umgangs mit Mehrsprachigkeit vgl. Wilken (2021). 177 Zwar handelt es sich bei der Initiierung von Sprechanlässen und der Gestaltung eines kommunika‐ tiven Englischunterrichts streng genommen auch um Institutionsbzw. fachdidaktische Normen. Diese werden von den Lehrkräften dieses Typs jedoch nicht als solche wahrgenommen und auch nicht expliziert. Vielmehr ist der kommunikative Austausch mit den Schüler*innen Teil des Habitus der Lehrkräfte dieses Typs (vgl. Kapitel 7.2.2). (vgl. Bonnet & Hericks 2020; Wittek et al. 2020; Püster 2021; Wilken 2021; Kapitel 5.1.4; Kapitel 6.2.5) 175 . Analog zur mehrdimensionalen sinngenetischen Typenbildung geht es auch bei der relationalen Typenbildung in diesem Schritt um das Aufspüren von Kontrasten in der Gemeinsamkeit. Vor diesem Hintergrund wurde danach geschaut, welche fallübergreifenden Gemeinsamkeiten sich aus den Relationen der beiden Erfahrungsdimensionen identifizieren und weiter abstrahieren lassen. Wie sich bereits bei der mehrdimensionalen sinngenetischen Typenbildung gezeigt hat (vgl. Kapitel 7.2), setzen sich alle Fälle des Samples sowohl im Sprechen über ihren Englischunterricht als auch über kulturelle und sprachliche Heteroge‐ nität mit institutionellen bzw. fachdidaktischen Normen auseinander, wie z. B. Curricula, dem Lehrbuch, Leistung und Bewertung, Lerner*innenorientierung, Sprachrichtigkeit, ziel‐ sprachliche Varietät oder Einsprachigkeit 176 , und arbeiten sich an diesen in unterschiedlicher Art und Weise (spannungsreich) ab. In Anlehnung an Wilken (2021) werden in einem nächsten Abstraktionsschritt drei übergeordnete Typen des Modus der Bearbeitung des Spannungsverhältnisses zwischen (institutionellen) Norm(en) und Habitus gebildet, die auf der Ebene des Orientierungsrahmens im weiteren Sinne verortet sind (vgl. hierzu auch Kapitel 5.1.3). Tabelle 24 fasst die Ergebnisse der relationalen Typenbildung zusammen: Modus der Bearbeitung des Spannungsverhältnisses zwischen (institutionellen) Norm(en) und Habitus adaptierend subordinierend übernehmend - Fälle - Altay, Bauer Kaiser, Wagner, Friedrich, Lindner, Hohenstein, Pohl Schneider, Vogt, Hofmann, Winter Tabelle 24: Ergebnisse der relationalen Typenbildung mit den drei übergeordneten Typen adaptie‐ rend, subordinierend, übernehmend Die Fälle, die dem Typ adaptierend zugeordnet wurden, rahmen ihre unterrichtliche Handlungspraxis als gemeinschaftliche Er- und Bearbeitung von Lerninhalten, welche ausgehend von den Schüler*innen und deren (Lern-)Bedürfnissen, Hintergründen sowie Relevantsetzungen gestaltet wird. Das Ziel des Englischunterrichts dieses Typs stellt die Befähigung der Schüler*innen zur kommunikativen Teilhabe an der außerschulischen Lebenswelt dar, was im Unterricht durch die im Vergleich zu anderen Fällen des Samp‐ les auffällig häufige Initiierung von Sprechanlässen sowie Kommunikationssituationen realisiert wird 177 . Hierbei legen die Fälle dieses Typs weniger Wert auf sprachliche Korrekt‐ 244 7 Typenbildungen und Ergebnisdarstellung <?page no="245"?> 178 Als Beispiel hierfür dient eine Passage aus dem Interview mit Frau Altay, in welcher sie von der Interviewerin nach herausfordernden Situationen im Umgang mit kultureller und sprachlicher Heterogenität gefragt. Hierbei wird deutlich, dass nicht die Tatsache, dass die Lehrkraft vor der Anforderung steht, mit kultureller und sprachlicher Heterogenität in ihrem Unterricht umzugehen als herausfordernd wahrgenommen wird, sondern vielmehr die Tatsache, dass sie in diesem Zusam‐ menhang von schwierigen Situationen erzählen soll: „von daher ist es für mich immer so schwierig das so als (.) Schwierigkeit so zu sehen also @deshalb@ (.) fällt es mir auch immer so schwer jetzt an schwierige Situationen zu denken, also mir fallen jetzt ganz viele Situationen ein, die ich mit den Schülern hatte, (.) aber nicht, dass ich irgendwie gedacht habe ‘ah wie schlimm und das kriegen wir nicht so‘“ (Transkript Altay, t1, Z. 856-861). heit, sondern fokussieren in erster Linie den kommunikativen Austausch über für die Schüler*innen persönlich relevante Themen. Dementsprechend weisen die Fälle dieses Typs eine hohe Toleranz gegenüber sprachlichen Fehlern auf und messen sämtlichen sprachlichen Erfahrungen sowie Kompetenzen der Schüler*innen eine Relevanz für den Englischunterricht bei. Dies führt dazu, dass der Englischunterricht nahezu selbstver‐ ständlich mehrsprachig gestaltet und an die Bedürfnisse der Lernenden angepasst wird. Hierdurch kommt es zu einer Öffnung des Unterrichts gegenüber Neuem, etwa dann, wenn der Lehrkraft unbekannte Sprachen und kulturelle Erfahrungshintergründe im Englischunterricht aufgegriffen und gemeinsam mit den Lernenden thematisiert werden. Dies geht mit einer Ungewissheitstoleranz der Lehrkräfte einher. Die institutionelle Norm der Lerner*innenorientierung ist damit handlungsleitend bzw. habitualisiert, d. h. sie löst keine Spannungen bei den Fällen des Typs adaptierend aus. Ebenso steht die Norm des Umgangs mit kultureller und sprachlicher Heterogenität in Übereinstimmung mit dem Habitus der Fälle dieses Typs und wird nicht spannungsreich bearbeitet 178 . Spannungsreich setzen sich die Fälle demgegenüber mit Normen auseinander, die als nicht passend zu den Bedürfnissen und Hintergründen der Lernenden und damit zum Habitus der Lehrkräfte wahrgenommen werden. Dies bezieht sich für die Fälle des Typs adaptierend in erster Linie auf Normen, wie z. B. die Erfüllung curricularer Vorgaben, die Progression im Lehrbuch sowie die Bearbeitung der in diesem vorgegebenen Aufgaben. Um die eigene Handlungsfähigkeit zu sichern und ihrer Orientierung an den Lerner*innen sowie einer ko-konstruktiven Gestaltungsweise des Englischunterrichts nachzukommen, bearbeiten die Fälle dieses Typs die zu ihrem Habitus in Spannung stehenden Normen im Modus der Adaption. So weichen die Lehrkräfte beispielsweise von fachlich und inhaltlich vorgegebenen Anforderungen ab und passen diese an die Lebenswelt, die Interessen, Lernausgangslagen sowie (Lern-)Bedürfnisse ihrer Schüler*innen an (vgl. Transkript Altay, t1, Z. 733-736; vgl. Transkript Bauer, t1, Z. 160 ff.). Auch werden fachdidaktische Normen, wie z. B. Einsprachigkeit und sprachliche Korrektheit als adaptierbar aufgefasst, wenn die Lehrkräfte eine Nichtpassung zu den Hintergründen und Relevantsetzungen der Schüler*innen wahrnehmen (vgl. Transkript Altay, t1, Z. 376 ff.). Die wahrgenommenen institutionellen Normen verlieren hierdurch zwar nicht ihre Gültigkeit für den Kontext Schule und (Englisch-)Unterricht, sind einer an den Schüler*innen orientierten sowie ko-konstruktiven Gestaltungsweise des Englischunterrichts jedoch nachgeordnet. Die Fälle des Typs subordinierend orientieren sich in der Gestaltung ihres Englisch‐ unterrichts an Normen sowie Erwartungserwartungen, welche sie als vonseiten der 7.4 Ergebnisse der relationalen Typenbildung 245 <?page no="246"?> Institution Schule an sie herangetragen wahrnehmen. Im Zentrum der Handlungspraxis der zugeordneten Fälle stehen die Abarbeitung von curricular vorgegebenen Themen sowie die Progression im Lehrbuch, was dazu führt, dass der Fokus des Englischunterrichts in erster Linie auf inhaltlichen bzw. fachlichen Gegenständen liegt. Letztere umfassen neben der Behandlung von fremdsprachlichen Lektüren sowie Filmen insbesondere auch die Vermittlung von Grammatik sowie sprachlicher Formen, welchen im Vergleich zum Typ adaptierend ein höherer Stellenwert beigemessen wird. Diese Normen werden von den Fällen des Typs subordinierend einerseits als rahmen‐ gebende Strukturen wahrgenommen, die das (unterrichtliche) Handeln der Lehrkräfte legitimieren und letzteren Sicherheit sowie Orientierung bieten. So stellen die zugeordneten Fälle in ihren Erzählungen über Englischunterricht sowie ihr diesbezügliches Handeln konsequent einen Bezug zum Curriculum her und rahmen dieses als Basis für ihr Handeln (vgl. Transkript Friedrich, t1, Z. 18 ff.; vgl. auch Transkript Hohenstein, t1, Z. 34 ff.). Wei‐ terhin greifen die Lehrkräfte auf etablierte Unterrichtsmaterialien sowie (fachdidaktische) Ansätze zurück, welche die Erfüllung der institutionell bzw. curricular vorgegebenen Anforderungen in ihrer Wahrnehmung sicherstellen (vgl. Transkript Hohenstein, t1, Z. 774 ff.; vgl. Transkript Friedrich, t1, Z. 290 ff.). Hierin zeigt sich eine Tendenz der Lehrkräfte zur Unsicherheitsvermeidung. Andererseits werden die wahrgenommenen Normen der Institution Schule jedoch auch als regulierend und limitierend für das Handeln der Lehrkräfte wahrgenommen, was sich im Sprechen über Englischunterricht durch ein explizites Distanzieren und Abgrenzen von ebendiesen Normen zeigt (vgl. Transkript Kaiser, t1, Z. 71 ff.; vgl. auch Transkript Lindner, t1, Z. 598 ff.). Die Fälle dieses Typs eröffnen gedankenexperimentell den positiven Horizont eines Englischunterrichts, welcher sich an den Interessen, Relevantsetzungen und Hintergründen der Schüler*innen orientiert. Aufgrund der handlungsleitenden Relevanz der wahrgenommenen Institutionsnormen verbleibt dieser hypothetisch entworfene Eng‐ lischunterricht jedoch auf der Ebene eines irrealen Möglichkeitsraums, was Spannungen bei den zugeordneten Fällen auslöst. Diese Spannungen bearbeiten die Fälle dieses Typs im Modus der Subordination, d. h. sie ordnen sich den wahrgenommenen Institutionsnormen und Erwartungserwartungen unter, obgleich sie sich explizit von diesen abgrenzen. Besonders deutlich wird dies im Umgang mit kultureller und sprachlicher Heterogenität. Wie auch bei den Fällen des Typs adaptierend nehmen die zugeordneten Fälle des Typs sub‐ ordinierend die individuellen sprachlichen und kulturellen Hintergründe ihrer Schüler*in‐ nen wahr und rahmen diese als Ressourcen. Auch begegnen sie diesen mit Wertschätzung, bewegen sich hier jedoch weitestgehend auf einer affirmativen, emotionalen Ebene, d. h. die kulturellen und sprachlichen Hintergründe werden als Möglichkeit des Beziehungsaufbaus mit den Schüler*innen wahrgenommen. Ein produktiver Einbezug der kulturellen und sprachlichen Hintergründe der Lernenden in den Englischunterricht findet aufgrund der als limitierend erfahrenen Institutionsnormen nicht statt. Vielmehr rahmen die zugeordneten Fälle den Umgang mit kultureller und sprachlicher Heterogenität als exteriore Norm, die hinsichtlich der Passung zu den curricular vorgegebenen Anforderungen ausgehandelt wird. So findet eine Berücksichtigung der individuellen Hintergründe der Lernenden nur dann statt, wenn die Lehrkräfte eine Passung mit dem Curriculum wahrnehmen (vgl. Transkript Lindner, t1, Z. 466; Transkript Hohenstein, t1, Z. 40 ff.). 246 7 Typenbildungen und Ergebnisdarstellung <?page no="247"?> Die Lehrkräfte priorisieren folglich die Orientierung am Curriculum sowie an der Progression im Lehrbuch, wodurch die handlungsleitende Relevanz der wahrgenommenen Institutionsnormen deutlich wird. Diese Normen gehen jedoch nicht einfach im Habitus der Fälle des Typs subordinierend auf, d. h. sie werden nicht ohne Weiteres von den Lehrkräften angenommen bzw. übernommen. Vielmehr ordnen sich die Lehrkräfte mit ihrem Handeln diesen Normen spannungsreich unter. Die Fälle des Typs übernehmend gestalten ihre unterrichtliche Handlungspraxis ausge‐ hend von Institutionsnormen, welche als persönlich relevant sowie eng mit der Person der Lehrkräfte verbunden gerahmt werden (vgl. z. B. Transkript Schneider, t1, Z. 13 ff.; vgl. auch Transkript Hofmann, t1, Z. 261 ff.). Im Fokus des unterrichtlichen Handelns der Fälle dieses Typs stehen die Vermittlung und Überprüfung von sprachlichem Regelwissen sowie sprachlich korrekten Äußerungen. Weiterhin fokussieren die Lehrkräfte in ihrem einsprachig gestalteten Englischunterricht auf die Vermittlung einer als angemessen sowie korrekt gerahmten Zielvarietät des Englischen und fordern diese von ihren Schüler*innen ein (vgl. z. B. Transkript Winter, t1, Z. 115 ff.). Dies geht mit einer im Vergleich zu den Fällen des Typs adaptierend geringen Fehlertoleranz einher. Auf habitueller Ebene zeigt sich ein Orientierungsrahmen der Lenkung, welcher mit einer Tendenz zur Schließung des Englischunterrichts sowie einer im Vergleich zu den Fällen des Typs adaptierend geringen Ungewissheitstoleranz einhergeht. So halten die Lehrkräfte beispielsweise an routinierten Handlungsabläufen sowie bewährten Unterrichtsmethoden fest und zeigen wenig Bereitschaft zur Veränderung der eigenen Handlungspraxis (vgl. z. B. Transkript Vogt, t1, Z. 788 ff.). Auch kontrollieren sie das Handeln der Schüler*innen und leiten dieses kleinschrittig an, etwa, indem sie Phasen des selbstständigen Arbeitens immer wieder unterbrechen, um die Erfüllung der unterrichtsbezogenen Zielsetzungen zu kontrollieren oder aber die Lernenden auf sprachliche Fehler hinzuweisen (vgl. z. B. Transkript Schneider, t1, Z. 68 ff.). Dies führt zu einem Englischunterricht, der sich in erster Linie nicht an den Hintergründen und (Lern-)Bedürfnissen der Schüler*innen ausrichtet, sondern die Erfüllung der lehrer*innenseitigen Ziel- und Relevantsetzungen priorisiert. Damit verbunden sind hohe Leistungsanforderungen und -erwartungen an die Schüler*innen. Somit zeigt sich die handlungsleitende Relevanz der Normen der sprachlichen Korrekt‐ heit, Einsprachigkeit sowie Leistungserbringung, welche insofern internalisiert sind, als sie von den Fällen dieses Typs als gesetzt wahrgenommen und nicht hinterfragt werden. Auch lösen sie keine Spannungen oder Irritationen bezogen auf das Handeln der Lehrkräfte aus und sind damit kongruent zum Orientierungsrahmen der Fälle dieses Typs. Spannungen ergeben sich demgegenüber in Bezug auf Normen, welche mit einem an den Schüler*innen und deren Hintergründen sowie (Lern-)Bedürfnissen ausgerichteten Handeln verbunden sind. So wird der Umgang mit kultureller und sprachlicher Hete‐ rogenität, welcher die Wahrnehmung und Berücksichtigung der schüler*innenseitigen Hintergründe sowie Lernausgangslagen erforderlich macht (vgl. Kapitel 3.), als exteriore Norm gerahmt, die dem Ziel der Vermittlung der englischen Sprache konträr gegenüber steht. Die kulturellen und sprachlichen Hintergründe der Schüler*innen werden demnach nur insofern in den Unterricht einbezogen, als sie von den Lehrkräften für die Vermittlung sowie den Erwerb des Englischen als zuträglich wahrgenommen werden. Dies bezieht sich insbesondere auf die Hintergründe sowie das Erfahrungswissen der Schüler*innen, 7.4 Ergebnisse der relationalen Typenbildung 247 <?page no="248"?> welches in englischsprachigen Erfahrungsräumen erworben wurde (vgl. z. B. Transkript Hofmann, t1, Z. 177 ff.; vgl. auch Transkript Vogt, t1, Z. 158 ff.). Kulturelle und sprachliche Hintergründe, die hiervon abweichen, werden als defizitär und für den Englischunter‐ richt als irrelevant gerahmt. Weiterhin werden den Lehrkräften unbekannte kulturelle und sprachliche Wissensbestände als Herausforderungen für die eigene Handlungspra‐ xis wahrgenommen, deren Einbezug in den Englischunterricht eher vermieden wird. Dementsprechend zeigt sich bei den Fällen dieses Typs keine Notwendigkeit, sich mit kultureller und sprachlicher Heterogenität tiefergehend auseinanderzusetzen. Die deutlich werdende Spannung zwischen der Norm des Umgangs mit kultureller und sprachlicher Heterogenität wird vielmehr mit der Durchsetzung der als etabliert wahrgenommenen Institutionsnormen bearbeitet, die von den Lehrkräften in die eigene Handlungspraxis integriert, d.-h. habitualisiert wurden. Als Ergebnis der relationalen Typenbildung lässt sich festhalten, dass sich der in der mehrdimensionalen sinngenetischen Typenbildung abzeichnende Zusammenhang zwischen den beiden Erfahrungsdimensionen der Gestaltung des Englischunterrichts im Umgang mit Lernenden sowie des Umgangs mit kultureller und sprachlicher Heterogenität für das Sample der vorliegenden Arbeit bestätigen lässt. So wurde deutlich, dass je mehr sich die Lehrkräfte bei der Gestaltung ihres Englischunterrichts an den Lernenden und deren Hintergründen orientieren, desto eher werden kulturelle und sprachliche Heterogenität in den Englischunterricht einbezogen und produktiv genutzt. Weiterhin konnte aus der Relationierung der genannten Erfahrungsdimensionen drei abstrahierte relationale Typen gebildet werden, die sich mit dem Modus der Bearbeitung des Spannungsverhältnisses zwischen (institutionellen) Normen und Habitus auf der Ebene des Orientierungsrahmens im weiteren Sinne verorten lassen: Der Typ adaptierend ist an einer ko-konstruktiven Gestaltungsweise des Englischunter‐ richts orientiert, bei welcher die Lernenden und ihre Hintergründe sowie (Lern-)Bedürf‐ nisse eine zentrale Rolle spielen. Während die Norm des Umgangs mit kultureller und sprachlicher Heterogenität in Übereinstimmung zum Habitus der Fälle dieses Typs steht, lösen wahrgenommene Institutionssowie fachdidaktische Normen (wie z. B. sprachliche Korrektheit, Einsprachigkeit, zielsprachliche Varietät, Durchprozessierung des Lehrbuchs bzw. des Curriculums sowie Leistungsbewertung und Korrektur) Spannungen aus. Diese Spannungen werden im Modus der Adaption bearbeitet, d. h. die Fälle dieses Typs passen die Normen insoweit an, dass sie ihrer Orientierung an den Lernenden und deren Hintergründen gerecht werden. Der Typ subordinierend ist bei der Gestaltung des Englischunterrichts an der Durch‐ prozessierung des Curriculums sowie des Lehrbuchs orientiert und ordnet sich den wahrgenommenen Institutions- und fachdidaktischen Normen unter. Wie auch im Typ adaptierend lösen diese Normen Spannungen aus, zu deren Bearbeitung bzw. Auflösung (noch) keine Handlungsroutinen entwickelt bzw. etabliert wurden. Die Fälle dieses Typs distanzieren sich zwar explizit von wahrgenommenen Institutionsnormen, ordnen sich diesen auf impliziter Ebene jedoch unter. Auch im Umgang mit kultureller und sprachlicher Heterogenität zeigen sich diese Ambivalenzen. Der Umgang mit kultureller und sprachli‐ cher Heterogenität wird als für die Handlungspraxis der Fälle relevante, jedoch exteriore Norm gerahmt, die in der Handlungspraxis selektiv berücksichtigt wird. Letzteres findet 248 7 Typenbildungen und Ergebnisdarstellung <?page no="249"?> vor allem dann statt, wenn eine Passung zum Curriculum und damit zur Orientierung an der Durchprozessierung von curricular vorgegebenen Inhalten wahrgenommen wird. Der Typ übernehmend integriert Institutionsnormen (wie z. B. sprachliche Korrektheit, Einsprachigkeit, zielsprachliche Varietät, Leistungserbringung und -bewertung) in die eigene Handlungspraxis und schreibt diesen eine persönliche Relevanz zu, d. h. diese Normen werden von den Fällen dieses Typs als persönliche Zielsetzungen gerahmt, die eng mit der Person der Lehrkräfte verwoben sind. Der Umgang mit kultureller und sprachlicher Heterogenität wird als exteriore Norm und für die eigene Handlungspraxis als Herausforderung gerahmt. Die sich hier zeigenden Spannungen werden im Modus der Übernahme und Durchsetzung etablierter Institutionsnormen sowie Handlungsroutinen bearbeitet. Da sich für das Sample der vorliegenden Arbeit gezeigt hat, dass eine Orientierung an den Lernenden und deren Hintergründen bei der Gestaltung des Englischunterrichts mit einer Tendenz zur Offenheit für Neues sowie einer Ungewissheitstoleranz einhergeht, lässt sich aus den Ergebnissen der relationalen Typenbildung in Übereinstimmung mit den Ergebnissen von Wilken (2021) schlussfolgern, dass der Typ adaptierend aufgrund des Zulassens von Ungewissheit sowie der Öffnung des Englischunterrichts für Unbekanntes in habitueller Übereinstimmung mit der Norm des Umgangs mit kultureller und sprach‐ licher Heterogenität steht. Demgegenüber steht der Typ übernehmend aufgrund seiner Tendenz zur Schließung des Englischunterrichts sowie der Vermeidung von Ungewissheit in Spannung zur Norm des Umgangs mit kultureller und sprachlicher Heterogenität. Der Typ subordinierend stellt einen Mischtyp dar, der im Umgang mit kultureller und sprachlicher Heterogenität noch keine etablierten Handlungsroutinen entwickelt hat und die kulturellen und sprachlichen Hintergründe der Lernenden selektiv berücksichtigt. Primär zeigt sich hier eine Unterordnung unter die als rahmengebend wahrgenommenen Institutionsnormen. Empirisch konnte somit gezeigt werden, dass die in der relationalen Typenbildung rekonstruierten Typen die hier dargelegten Spannungen mit ihren je habitusspezifischen Orientierungen bearbeiten. Hierbei weist die Tatsache, dass sich bei der Analyse der Daten keine Fälle finden ließen, welche die hier illustrierten Zusammenhänge falsifizieren, auf die Validität der Ergebnisse hin. Für letzteres spricht auch die Nähe zu den Rekonstruktionen der thematisch verwandten Dissertationsstudie von Wilken (2021). Inwiefern sich der Umgang mit wahrgenommenen Normen sowie die Bearbeitungs‐ weisen der Spannungsverhältnisse zwischen Normen und Habitus verändern, wird im nachfolgenden Kapitel in den Blick genommen. Die Rückbindung der Ergebnisse an die Forschungsfrage, wie sich berufsroutinierte Englischlehrkräfte im Umgang mit kultureller und sprachlicher Heterogenität professionalisieren können, erfolgt in Kapitel 8. 7.5 Längsschnittlicher Vergleich der Interviewzeitpunkte (t1 und t2) Während sich die in den vorangegangenen Kapiteln dargestellten Ergebnisse auf den ersten Erhebungszeitpunkt und damit auf den Status quo der handlungsleitenden Orientierungen der Lehrkräfte zum Zeitpunkt vor ihrer Fortbildungsteilnahme (t1) beziehen, werden im 7.5 Längsschnittlicher Vergleich der Interviewzeitpunkte (t1 und t2) 249 <?page no="250"?> 179 Die erste Datenerhebung fand etwa sechs bis acht Wochen vor Beginn der Fortbildung zwischen Juli und August 2020 statt. Die zweite Datenerhebung wurde vier bis sechs Wochen nach der Fortbildung zwischen Mai und Juni 2021 durchgeführt (vgl. Kapitel 5). 180 Der Begriff der potenziellen Professionalisierungsprozesse wird in Anlehnung an Wittek et al. 2020 verwendet. Zum Professionalisierungsverständnis dieser Arbeit vgl. Kapitel 2.5. Folgenden die Interviews des zweiten Erhebungszeitpunktes nach der Fortbildung (t2) 179 in den Blick genommen und hinsichtlich rekonstruierbarer Veränderungsbzw. Stabilisie‐ rungsprozesse analysiert. Wie in Kapitel 6 dargelegt, werden diese Prozesse nicht auf der Ebene von Habitustransformationen verortet, d. h. es geht nicht um die Rekonstruktion der Veränderung von Orientierungsrahmen im Sinne von grundlegenden Wandlungen impliziter Wissensbestände. Vielmehr werden Veränderungen und Stabilisierungen in der (fallspezifischen) Wahrnehmung und Bearbeitung des Spannungsverhältnisses zwischen Norm(en) und Habitus sowie das Zusammenspiel von Handlungsorientierungen als Aus‐ drucksgestalten potenzieller Professionalisierungs-prozesse 180 in den Blick genommen. Die hiermit eingenommene Entwicklungsperspektive sowie das Ziel, Professionalisie‐ rung über eine zeitliche Vergleichsdimension zu erschließen, machen es dabei notwendig, sich verstärkt dem Einzelfall zuzuwenden. Letzteres ergibt sich weiterhin daraus, dass es sich bei der Professionalisierung von Lehrkräften um hochgradig individuelle Prozesse handelt, welche auf der Ebene des Einzelfalls differenzierter in den Blick genommen und in ihrer Dynamik dargestellt werden können. Aus Gründen der Komplexitätsreduktion wird daher im Folgenden auf eine weitere Typenbildung verzichtet. Zwar können so keine über das Sample der vorliegenden Studie hinausgehenden generalisierungsfähigen Aussagen über typische Professionalisierungsverläufe von Englischlehrkräften im Kontext einer Lehrkräftefortbildung getroffen werden. Dennoch lassen sich erste Überlegungen bzgl. sich potenziell zeigenden Professionalisierungsprozessen anstellen, die in Anschlussarbeiten sodann ausdifferenziert sowie überprüft werden können. Das gewählte Vorgehen erscheint nicht zuletzt aufgrund des explorativen Forschungsansatzes der vorliegenden Arbeit sowie der Tatsache als angemessen, dass es sich bei der längsschnittlichen dokumentarischen Rekonstruktion von Professionalisierungsprozessen im Kontext einer Lehrkräftefortbil‐ dung um ein in der Englischdidaktik bislang wenig erprobtes Vorgehen handelt. Mit dem gewählten Ansatz kann die vorliegende Arbeit dazu beitragen, dass die Dokumentari‐ sche Methode für die längsschnittliche Untersuchung von Professionalisierungsprozessen berufsroutinierter Englischlehrkräfte jenseits der Rekonstruktion von Habitustransforma‐ tionen ausdifferenziert und damit forschungsmethodisch in Bezug auf fachspezifische Fragen für nachfolgende Arbeiten weiterentwickelt wird. In diesem Sinne werden im Folgenden fallspezifische Entwicklungen bzw. Veränderun‐ gen exemplarisch dargestellt, die sich im komparativen Vergleich der Fälle über die beiden Erhebungszeitpunkte hinweg am deutlichsten herauskristallisiert haben. Diese Entwicklungen und Veränderungen werden anhand von geeigneten Interviewauszügen illustriert und abschließend hinsichtlich ihres professionalisierungsfördernden Potenzials analysiert. Hierbei geht es nicht darum zu bewerten, ob und wie umfangreich die durch die Fortbildung an die Lehrkräfte herangetragenen Fortbildungsinhalte in der unterrichtlichen Handlungspraxis umgesetzt werden. Auch geht es nicht um die Evaluation der Wirksamkeit der Fortbildung. Entscheidend ist vielmehr die Betrachtung des Umgangs der Lehrkräfte 250 7 Typenbildungen und Ergebnisdarstellung <?page no="251"?> 181 Dieser Befund ist kongruent zu den Ergebnissen der KomBest-Studie (vgl. Wittek et al. 2020) und bestätigt die in Kapitel 6 beschriebene Stabilität von (erfahrungsraumspezifischen) Habitus. mit den durch die Fortbildung an sie herangetragenen Normen im Zusammenhang mit den rekonstruierten Orientierungen zur Gestaltung des Englischunterrichts im Umgang mit Lernenden. Die Befunde dieser längsschnittlichen Analyse werden in der Zusammenschau der Ergebnisse wieder aufgegriffen und abschließend diskutiert (vgl. Kapitel 8). Als übergreifendes Ergebnis der längsschnittlichen Analyse lässt sich festhalten, dass sich die Auseinandersetzung mit den Spannungsverhältnissen zwischen Habitus sowie wahrgenommenen Normen für das Sample dieser Arbeit als konstitutives Moment des unterrichtlichen Handelns im Umgang mit kultureller und sprachlicher Heterogenität erwiesen hat. Weiterhin ist das Spannungsverhältnis und dessen Bearbeitung für die Professionalisierung der Lehrkräfte im Kontext einer Fortbildung zentral. Zwar ließen sich im längsschnittlichen Vergleich der Erhebungszeitpunkte keine Habitustransformati‐ onen rekonstruieren, d. h. die zum Zeitpunkt t1 herausgearbeiteten Orientierungsrahmen blieben auch zum zweiten Erhebungszeitpunkt stabil 181 . Somit konnte kein grundlegend veränderter Umgang der Lehrkräfte mit kultureller und sprachlicher Heterogenität im Englischunterricht nach deren Fortbildungsteilnahme rekonstruiert werden. Auch ließen sich die zum Zeitpunkt t1 im Rahmen der relationalen Typenbildung identifizierten Bear‐ beitungsmodi des Spannungsverhältnisses zwischen wahrgenommenen institutionellen Normen und den Habitus der Lehrkräfte zum Zeitpunkt t2 wiederfinden. Veränderungen bzw. Entwicklungen konnten jedoch in den Spannungsverhältnissen selbst ausgemacht werden. Die Konfrontation sowie die Auseinandersetzung der Lehrkräfte mit den durch die Fortbildung an sie herangetragenen Normen haben dazu geführt, dass • sich die zu t1 rekonstruierten Orientierungen der Lehrkräfte in den jeweiligen Erfah‐ rungsdimensionen stabilisieren (vgl. Kapitel 7.2 und 7.3), • die Lehrkräfte institutionsbezogene Normen wahrnehmen, die zum Zeitpunkt t1 noch nicht wahrgenommen bzw. bearbeitet wurden, • den wahrgenommenen institutionsbezogenen Normen im Vergleich zu t1 eine verän‐ derte Relevanz zugeschrieben wird, • das Spannungsverhältnis zwischen Normen und Habitus wahrgenommen sowie (ex‐ plizit oder implizit) reflektiert wird, • sich das Spannungsverhältnis zwischen Normen und Habitus verstärkt, verringert oder aber verschiebt. Diese Veränderungen und Entwicklungen treten hierbei nicht bei allen Fällen gleicher‐ maßen und auch nicht zwangsläufig simultan auf. Inwiefern ein Zusammenhang dieser Entwicklungen und Veränderungen mit den Typenzugehörigkeiten der Fälle sowie mit ih‐ ren entsprechenden Orientierungen besteht, kann in dieser Arbeit nur gemutmaßt werden. Dies wird im Diskussionsteil dieser Arbeit wieder aufgegriffen (vgl. Kapitel 8). Vielmehr geht es im Sinne des explorativen Ansatzes dieser Arbeit darum, diese Veränderungen und Entwicklungen zunächst aufzudecken und damit für weitere Forschung zugänglich zu machen. Im Folgenden werden diejenigen Entwicklungen bzw. Veränderungen dargestellt, 7.5 Längsschnittlicher Vergleich der Interviewzeitpunkte (t1 und t2) 251 <?page no="252"?> 182 Dass es sich hierbei um Unterrichtsimpulse handelt, die in der Fortbildung an die Lehrkraft heran‐ getragen wurden, wird durch das explizite Rekurrieren der Lehrkraft auf ein Fortbildungsmodul deutlich, welches ihre nachfolgenden Erzählungen einleitet und damit rahmt (vgl. Transkript Altay, t2, Z. 19-22). die sich bei den Fällen dieses Samples im Sinne eines maximalen Kontrastes am deutlichsten gezeigt haben. Hierfür werden die Fälle Altay, Hohenstein und Schneider ausgewählt. Der Fall Altay wird als Beispiel dafür angeführt, dass die Konfrontation bzw. die Wahrnehmung von und Auseinandersetzung mit den durch die Fortbildung an die Lehrkraft herangetragenen Normen zu einer Bestätigung und damit Stabilisierung der handlungslei‐ tenden Orientierungen sowie zur Reflexion der eigenen Handlungspraxis führen (können). Weiterhin wird gezeigt, wie sich hierdurch das Spannungsverhältnis zwischen institutions‐ bezogenen Normen und Habitūs verringert. Exemplarisch wird dies daran verdeutlicht, wie die Lehrkraft aus der Fortbildung stammende unterrichtliche Impulse zum Umgang mit kultureller und sprachlicher Heterogenität situativ in ihrem Unterricht erprobt 182 . Auf die Einstiegsfrage der Interviewerin nach einer Englischstunde, welche der befragten Lehrkraft im Gedächtnis geblieben ist, beschreibt Frau Altay eine Unterrichtssituation, in welcher sie gemeinsam mit ihren Schüler*innen eine Aufgabe aus dem Schulbuch abwandelt, um diese mehrsprachig zu gestalten: 45 Dilara Altay: (.) also das war im im im Schulbuch gab es irgendwie so eine 46 Situation, dass die Schüler über sich also irgendwas über sich (.) 47 geschrieben hatten und dann gibt es ja immer diese Extraaufgaben unten 48 und da war auch tell about yourself oder sowas also tell something about yourself und 49 oder erstelle irgendwie so eine so eine Collage und dann haben wir ähm 50 (.) quasi diese Übung abäh diese Aufgabe abgewandelt und gesagt "Wir 51 schreiben was äh über uns oder ähm kreieren was über uns selbst, eine 52 kleine Geschichte oder so" und weil das Buch überhaupt nicht auf andere 53 Sprachen eingegangen ist, haben wir das dann abgewandelt und dann konn- 54 ten die Schüler dann ähm auch eben andere Sprachen miteinbeziehen, wenn 55 sie das wollten ähm (4) ich weiß es gerade gar nicht mehr, wie wir das 56 angefangen hatten ähm alsalso ich (.) also ich weiß auf jeden Fall, 57 die die haben dann direkt losgelegt und es kamen wunderschöne Sachen 58 bei raus (Transkript Altay, t2, Z. 45-60) Wie schon in der Eingangspassage zum Zeitpunkt t1, zeigt sich auch im oben angeführten Interviewausschnitt der Orientierungsrahmen einer ko-konstruktiven Gestaltung des Eng‐ lischunterrichts, welcher neben der Orientierung an den Lernenden und deren Lebenswelt vor allem ein gemeinschaftliches Er- und Bearbeiten von unterrichtsbezogenen Inhalten und Aufgaben umfasst. Deutlich wird dies, wie auch zu t1, an der kontinuierlichen Positionierung der Lehrkraft im Kollektiv der Klasse (‚wir‘) sowie an der Hervorhebung des Handelns der am Englischunterricht Beteiligten, die allesamt als Akteur*innen gerahmt werden. 252 7 Typenbildungen und Ergebnisdarstellung <?page no="253"?> Indem die Lehrkraft zu Beginn ihrer Erzählung unmittelbar auf das Schulbuch rekur‐ riert, deutet sich, wie auch schon zu t1, die Wahrnehmung der Norm an, sich bei der Gestaltung des Englischunterrichts an den durch das Schulbuch vorgegebenen Aufgaben zu orientieren (vgl. Transkript Altay, t2, Z. 45-53). Diese zu ihrer Orientierung an den Hintergründen und der Lebenswelt der Schüler*innen in Spannung stehende Norm wird von Frau Altay jedoch nicht als feststehend, sondern als Möglichkeit zur Adaption gerahmt (vgl. ebd., Z.53-56). Damit zeigt sich zwar keine Veränderung im Modus der Bearbeitung des Spannungsverhältnisses zwischen Norm und Habitus, denn auch zu t1 nimmt die Lehrkraft das Lehrbuch als rahmengebende Struktur wahr, die das unterrichtliche Handeln beeinflusst, aber dennoch Möglichkeiten zur Anpassung lässt (Typ adaptierend, vgl. Kapitel 8.4). Während diese Adaption zum ersten Interviewzeitpunkt jedoch noch als mit Druck und großer Anstrengung verbunden gerahmt wurde (vgl. Transkript Altay, t1, Z. 1146; Z. 1180-1189), scheint der Einbezug der sprachlichen Hintergründe der Schüler*innen diesen Druck und damit die Spannung zwischen Norm und Habitus nicht zu intensivieren. Vielmehr wird das Lehrbuch zur Möglichkeit, den Englischunterricht an die (sprachlichen) Hintergründe der Schüler*innen anzupassen bzw. diese miteinzubeziehen und dadurch den eigenen habituellen Orientierungen nachzukommen. Die Spannung zwischen der institutionsbezogenen Norm der Bearbeitung von lehrbuchbezogenen Aufgaben und ihrem Habitus scheint sich durch den Einbezug der Hintergründe der Schüler*innen folglich zu verringern. Während die Wahrnehmung der Fortbildungsnorm, die sprachlichen Hintergründe der Schüler*innen in den Englischunterricht einzubeziehen, in den Fällen des Typs durch‐ prozessiert und lenkend häufig zu weiteren Spannungen führt (vgl. S. 325ff. in diesem Kapitel), erweist sich die Fortbildungsnorm im Fall Altay in der situativen Erprobung im Unterricht der Lehrkraft als kongruent zu ihrem Habitus einer ko-konstruktiven sowie schüler*innenorientierten Unterrichtsgestaltung. Letzteres wird dadurch deutlich, dass sich die Lehrkraft, im Gegensatz zum Fall Schneider, nicht spannungsreich zum Einbezug der sprachlichen Hintergründe ihrer Schüler*innen positioniert und nahezu selbstverständlich mit der Norm der Einsprachigkeit bricht (vgl. Transkript Altay, t2, Z. 54-56). Weiterhin spricht die Verwendung zahlreicher positiver Adjektive (‚ wunderschön ‘, ebd., Z. 57) und Bewertungen („ richtig richtig schön “, ebd., Z. 37) für diese Lesart. Die Öffnung des Englischunterrichts für weitere Sprachen neben Englisch wird damit zum positiven Horizont des unterrichtlichen Handelns. Bereits zum Interviewzeitpunkt t1 ließ sich die Passung des Habitus der Lehrkraft zur Norm des Einbezugs der kulturellen und sprachlichen Hintergründe der Schüler*innen rekonstruieren (vgl. Transkript Altay, t1, Z. 248 ff.). Während diese Passung jedoch für die Lehrkraft zu diesem Zeitpunkt (noch) nicht bewusst zugänglich war und sich weitestgehend auf der Ebene des impliziten Wissens abspielte, kann Frau Altay sie durch die Erprobung der während der Fortbildung vermittelten Unterrichtsimpulse zum Zeitpunkt t2 nun selbst wahrnehmen und ihr Handeln entsprechend reflektieren: 121 ich fand das also ich habe auch einfach festgestellt während der Fort- 122 bildung, was ich im Unterricht unbewusst schon alles gemacht habe ne, 123 also ich habe (.) gemerkt ähm ja dadurch, dass ich ja auch Türkisch 7.5 Längsschnittlicher Vergleich der Interviewzeitpunkte (t1 und t2) 253 <?page no="254"?> 183 Hierbei handelt es sich um eine Sequenz aus der Eingangspassage, in welcher die Lehrkraft auf das Konzept der Mehrsprachigkeit anspielt und explizit eine Verbindung zu ihrem unterrichtlichen Handeln herstellt: „also (.) diese Mehrsprachigkeit ne? die ich jetzt so im Kopf habe, das war ja damals jetzt nicht s: o in meinem Kopf, dass ich dachte, ‘woah ich habe jetzt irgendwie @voll mehrsprachig gearbeitet oder so@‘“ (vgl. Transkript Altay, t2, Z. 36-39). 124 spreche, dass ich schon einmal frage "Hier wie guck mal, bei uns heißt 125 das doch so und so ne und wie heißt das denn in anderen Sprachen? ", dass 126 ich das schon unbewusst mache (Transkript Altay, t2, Z. 121-127) Diese veränderte Wahrnehmung zeigt sich zum einen durch das explizite Rekurrieren auf vergangenes unterrichtliches Handeln (vgl. Z. 121-122) sowie zum anderen durch die Ver‐ wendung von Verben, die eine Bewusstwerdung deutlich machen (‚feststellen‘, ‚bemerken‘, ebd.). Zwar erzählt Frau Altay bereits zum Zeitpunkt t1 von Unterrichtssituationen, in welchen sie die kulturellen und sprachlichen Hintergründe ihrer Schüler*innen sowie ihre eigene Mehrsprachigkeit in den Englischunterricht einbezieht (vgl. Transkript Altay, t1, Z. 494 ff.), sodass ein einbeziehender Habitus im Umgang mit kultureller und sprachlicher Heterogenität rekonstruiert werden konnte (vgl. Kapitel 8.3). Dieses Handeln verbindet sie jedoch nicht mit einer normativen Anforderung, sondern rahmt die Berücksichtigung der kulturellen und sprachlichen Hintergründe ihrer Schüler*innen als selbstverständlichen Teil ihrer Handlungspraxis (vgl. ebd.). Erst durch ihre Fortbildungsteilnahme reflektiert sie ihr unterrichtliches Handeln und bringt es mit den in der Fortbildung vermittelten Ansätzen und Konzepten in Verbindung (vgl. Transkript Altay, t2, Z. 36 ff.) 183 . Damit lassen sich im Vergleich der beiden Erhebungszeitpunkte zwar keine Veränderungen in der Handlungspraxis der Lehrkraft selbst, wohl aber im Sprechen über diese Handlungspraxis ausmachen. Auffällig im fallinternen sowie im komparativen längsschnittlichen Vergleich mit den anderen Fällen des Samples ist, dass dieses Sprechen im Fall Altay zum Zeitpunkt t2 durch einen höheren Anteil an Passagen gekennzeichnet ist, in welchen die Lehrkraft ihr Denken und Handeln reflektiert. Hierdurch zeigt sich, dass sich die Lehrkraft durch die Fortbildung in einem Prozess der Bewusstwerdung befindet, in dessen Rahmen implizites Wissen explizit wird. So rekurriert Frau Altay an zahlreichen Stellen im Interview zum Zeitpunkt t2 auf bestimmte Fortbildungsmodule und führt die Inhalte der Fortbildung als Auslöser dafür an, dass sie Unterrichtssituationen im Umgang mit kultureller und sprachlicher Heterogenität anders wahrnimmt oder bewertet. Auch zeigt sich dies in Bezug auf ihr Denken bzw. ihre Wahrnehmung der mit dem Einbezug von kultureller und sprachlicher Heterogenität verbundenen Anforderungen an das Lehrkräftehandeln: 205 also bevor ich diese Fortbildung gemacht habe immer gedacht „ok also das 206 ist jetzt alles so kompliziert ja, das ist äh dann diese Unter- 207 richtseinheit vorzubereiten“ und ich glaube, das war bei der (2) einen 208 Modul vor Ihnen war das glaube ich, wer war denn das noch einmal? (.) 209 Genau *Name der Fortbildnerin*, die hatte dann auch gesagt (.) ähm 254 7 Typenbildungen und Ergebnisdarstellung <?page no="255"?> 210 eigentlich (.) geht es gar nicht darum, dass man so viel vorbereitet, 211 sondern man muss einfach spontan auch auf Dinge mal reagieren (.) […] 212 oder sie hat noch gesagt(.) äh dass man auch gucken soll, ob äh ob es 213 den Schülern hilft, wenn die andere Sprachen (.) benutzen (Transkript 214 Altay, t2, Z. 205-219) In dieser Passage bringt Frau Altay zum Ausdruck, dass der Umgang mit kultureller und sprachlicher Heterogenität in ihrer Vorstellung mit Herausforderungen in Bezug auf die Gestaltung und Planung von Unterrichtseinheiten verbunden war (Z. 206-207). Indem sie hierbei die Vergangenheitsform nutzt, wird deutlich, dass sich diese Wahrnehmung zum Zeitpunkt des zweiten Interviews verändert hat und diese Veränderung auch von der Lehrkraft selbst wahrgenommen wird. Ebenso deutet sich hier eine Spannung zwischen der wahrgenommenen normativen Anforderung, im Umgang mit kultureller und sprachlicher Heterogenität umfangreiche Unterrichtseinheiten auszuarbeiten sowie zu planen, und den Habitusdimensionen der Lehrkraft zur Gestaltung des Englischunterrichts im Umgang mit Lernenden an. Im Gegensatz zu den Fällen der Typen durchprozessiert und lenkend (vgl. Kapitel 7.2) orientiert sich Frau Altay in der Gestaltung ihres Englischunterrichts nicht an strukturgebenden Vorgaben oder Rahmungen (wie z. B. Unterrichtsphasierungen, Bewertungsschemata oder Checklisten). Vielmehr zeichnet sich ihr unterrichtliches Han‐ deln zu t1 durch Spontaneität und Flexibilität aus, was es ihr möglich macht, auf die Hintergründe und Bedürfnisse ihrer Schüler*innen einzugehen (vgl. Transkript Altay, t1, Z. 374 ff.). Diese Spannung löst sich jedoch für sie durch die im Rahmen der Fortbildung vermittelten Normen auf, „ einfach spontan auch auf Dinge mal [zu] reagieren “ sowie darauf zu schauen, „ ob es den Schülern hilft, wenn die andere Sprachen (.) benutzen “ (Transkript Altay, t2, Z. 211-213). Dies wird zum einen daran deutlich, dass sich die Lehrkraft nicht spannungsreich zu diesen wahrgenommenen Anforderungen positioniert und diese auch nicht hinterfragt, sondern positiv bewertet („ das fand ich sehr hilfreich “, Z. 213-214). Zum anderen wird die Passung der Fortbildungsnormen sowie die Auflösung des genannten Spannungsverhältnisses dadurch deutlich, dass sie diese Normen nicht nur explizit annimmt, sondern auch situativ in ihre Handlungspraxis integriert. Hierdurch werden sodann weitere Reflexionsprozesse ausgelöst, wie sich in der nachfolgenden Passage zeigt: 229 und die hat dann einmal die Wörter, die sie nicht wusste auf Türkisch 230 hingeschrieben statt auf Deutsch ne und dann ähm das fand ich zum Beispiel, 231 das ist während der Fortbildung passiert, und das fand ich total spannend. 232 Ich weiß halt, wie ich vorher reagiert hätte, nämlich dass ich ihr gesagt, 233 dass ich sie gefragt hätte, warum das jetzt auf Türkisch dasteht und nicht 234 auf Deutsch und dann bin ich auch hingegangen und hab gesagt „hier *Name 235 der Schülerin*, warum (.) ähm schreibst du das denn immer auf also auf 236 Türkisch hin? Hilft dir das? “ und dann sagt sie ja sie übersetzt ja sie 237 übersetzt nicht vom Deutschen ins Englische, sondern vom Türkischen ins 238 Englische, die bräuchte quasi in der Prüfung ein Türkisch-Englisches Wör- 7.5 Längsschnittlicher Vergleich der Interviewzeitpunkte (t1 und t2) 255 <?page no="256"?> 239 terbuch (.) habe ich mir dann überlegt (.) ja und kein Deutsch- Englisches 240 (.) ja die wäre viel, das würde ihr viel mehr bringen (.) 241 (Transkript Altay, t2, Z. 229-243) Frau Altay erzählt von einer Unterrichtssituation, die sich während der Zeit ihrer Fortbil‐ dungsteilnahme ereignet hat. In dieser Situation nimmt die Lehrkraft die Lernstrategien einer von ihr als türkisch gelesenen Schülerin wahr, welche beim Übersetzen eines englischen Textes nicht auf das Deutsche, sondern auf die türkische Sprache zurückgreift. Dies löst bei Frau Altay einen Reflexionsprozess über ihr Denken und Handeln sowie über die Wahrnehmung von Institutionsbzw. fachdidaktischen Normen zum Zeitpunkt vor der Fortbildung aus. Es zeigt sich, dass Frau Altay durch das Handeln ihrer Schülerin wahrnimmt, dass sie sich vor der Fortbildung nahezu selbstverständlich an der deutschen Sprache als Referenzsprache für den Englischunterricht orientiert hat, ohne dies zu reflektieren. Dies wird deutlich anhand ihrer Äußerung: „ dass ich sie gefragt hätte, warum das jetzt auf Türkisch dasteht und nicht auf Deutsch “ (Z. 233-234). Diese Situation wird folglich zu einem Irritationsmoment, in welchem ihr die eigenen Orientierungen bzw. die für die eigene Handlungspraxis als relevant sowie selbstverständlich gerahmten Normen bewusst werden. Indem sie im Anschluss hieran die oben explizierten und durch die Fortbildung vermittelten Normen des spontanen Handelns sowie der Berücksichtigung der (Lern-)Bedürfnisse der Schüler*innen in ihr Handeln integriert (vgl. Transkript Altay, t2, Z. 210 ff.), bricht sie mit der wahrgenommenen Institutionsnorm der Verwendung des Deutschen als Referenzsprache des Englischunterrichts und distanziert sich damit von dieser. Letzteres wird weiterhin dadurch deutlich, dass die Lehrkraft im weiteren Verlauf der Passage alternative Handlungsmöglich‐ keiten zum Umgang mit den sprachlichen Hintergründen sowie den (Lern-)Bedürfnissen der Schüler*innen entwirft und hierbei die Perspektive der Lernenden übernimmt (vgl. ebd., Z. 246-248). Durch das Rekurrieren auf Prüfungssituationen sowie die Nichtpassung der hierbei erlaubten Hilfsmittel zu den Bedürfnissen der Schüler*innen, deutet sich an, dass der Umgang mit kultureller und sprachlicher Heterogenität bzw. der Einbezug der sprachlichen Hintergründe in den Englischunterricht mit potenziellen Herausforderungen verbunden ist. Diese Herausforderungen ergeben sich dabei jedoch nicht unmittelbar für die alltägliche unterrichtliche Handlungspraxis der Lehrkraft und beziehen sich auch nicht auf die Frage der grundsätzlichen Machbarkeit des Einbezugs der kulturellen und sprachlichen Hintergründe in den Englischunterricht. Vielmehr limitieren institutionelle Vorgaben in Prüfungssituationen (wie z. B. die Nutzung Deutsch-Englischer Wörterbücher), eine für die Lernbedürfnisse der Schüler*innen zuträgliche Berücksichtigung der sprachlichen Ressourcen. Im Gegensatz zu den Fällen des Typs durchprozessiert (vgl. z. B. Fall Lindner) führt diese wahrgenommene Limitation bzw. Irritation nicht zu einem grundsätzlichen Hinterfragen der Machbarkeit und Sinnhaftigkeit des Umgangs mit kultureller und sprach‐ licher Heterogenität im Englischunterricht. Vielmehr löst sie im Fall Altay ein Reflektieren über mögliche Handlungsalternativen sowie über das eigene Denken und Handeln aus. Auch werden die für bislang gültig und relevant gerahmten Institutionsnormen hinterfragt: 728 es kommt oft so das Persönliche in der Schule einfach viel zu kurz (.) ja 256 7 Typenbildungen und Ergebnisdarstellung <?page no="257"?> 729 und ähm (2) ja das finde ich immer sehr schade muss ich sagen, wir laufen, 730 gehen so durch die Schule gerade ähm meine Tochter, die ähm jetzt in der 731 sechsten Klasse ist, die kam von der Grundschule auf das Gymnasium, die 732 hat gesagt "Mama, keiner interessiert sich für uns. Die kommen, machen 733 ihren Unterricht und gehen" und die hatte vorher vier Jahre lang eine ganz 734 tolle Grundschullehrerin (.) und ähm (.) wenn die manchmal so sieht, was 735 ich ähm also auch mit meiner Fortbildung, wenn die so Sachen mitbekommt, 736 dann sagt die "Mama, was machst du mit deinen Schülern, das ist ja ähm 737 total krass, das hat würde bei uns nie irgendjemand machen, das interes- 738 siert die gar nicht" ne und ähm (2) ja (.) oder ich mache jetzt auch nicht 739 so viel, aber manchmal freue ich mich dann auch, wenn ich mal so eine 740 kleine (.) ähm das hatte die *Name der Fortbildnerin* auch gesagt, manchmal 741 ist es auch einfach, man muss es nicht man muss nicht jeden jeden Tag 742 irgendwie eine mega Stunde oder eine toll geplante Stunde haben, sondern 743 es sind einfach diese kleinen Stunden, die so irgendwie eingebaut sind 744 und in welchen man zeigt „Hey, ich interessiere mich für dich und das, 745 was du in den Unterricht mitbringst“ (.) ja (.) das sind einfach diese 746 kleinen Erfolgserlebnisse für Schüler und Lehrer (Transkript Altay, t2, 747 728-750) In dieser Passage verhandelt Frau Altay das Thema des Interesses an sowie der unter‐ richtlichen Berücksichtigung von den persönlichen Hintergründen der Lernenden in Form von Gegenhorizonten. So nimmt Frau Altay zunächst wahr, dass es im schulischen bzw. unterrichtlichen Alltag wenig Raum für die Schüler*innen und deren persönlichen Hintergründe gebe und rahmt dies als Selbstverständlichkeit bzw. als allgemeingültige Norm. Das Ausblenden der Schüler*innen im Schulalltag wird anhand ihrer Äußerung „ wir laufen, gehen so durch die Schule “ (Z. 729-730) deutlich, in welcher sie sich auf die Lehrer*innenschaft im Allgemeinen bezieht und sich selbst hierbei zunächst miteinschließt (‚wir‘). Dieses Handeln rahmt sie sodann jedoch als negativen Gegenhorizont und grenzt sich explizit von diesem ab (vgl. Z. 729). Ihre Orientierung an den Lernenden und deren Bedürfnissen konturiert sich im weiteren Verlauf der Passage anhand der Erwähnung des Beispiels aus dem Schulalltag ihrer Tochter. Indem Frau Altay die Wahrnehmung ihrer Tochter in Bezug auf ihre eigene unterrichtliche Handlungspraxis beschreibt („ ‘Mama, was machst du mit deinen Schülern, das ist ja ähm total krass‘ “, Z. 736-737), macht sie den extremen Kontrast deutlich, welcher sich zwischen dem als im Kontext Schule als Norm gerahmten Handeln der Lehrer*innenschaft und ihrem eigenen Handeln befindet. Die Orientierung an den Lernenden, die das Handeln der Lehrkraft maßgeblich leitet, wird dabei nicht als normative Anforderung, sondern als nahezu selbstverständlicher Teil ihrer Handlungspraxis gerahmt. Hierfür spricht, dass Frau Altay ihr Handeln nicht begründet oder bewertet, sondern es indirekt über die Wahrnehmung ihrer Tochter im Modus einer Erzählung zum Ausdruck bringt (vgl. ebd.). 7.5 Längsschnittlicher Vergleich der Interviewzeitpunkte (t1 und t2) 257 <?page no="258"?> 184 Auch im Fall Friedrich zeigt sich, dass sich durch die Fortbildungsinhalte und die durch die Fortbild‐ ner*innen vermittelten Fortbildungsnormen Reflexionsprozesse bzgl. der eigenen Handlungspraxis ereignen und die Fortbildungsinhalte als Legitimationsgrundlage gerahmt werden, um das eigene Handeln perspektivisch verändern zu können: „also was für mich so ein so ein so ein Schlüsse: lpunkt war ähm […]dass halt jemand sagt ‚hey du kannst Mehrsprachigkeit nutzen und es muss nicht immer Englisch sein und und ähm es geht gar nicht darum andere Sprachen unter den Tisch zu kehren, sondern einfach wirklich das aktiv auch einzubinden‘ fand ich total wertvoll und und total sinnvoll und ähm (2) einfach auch auch ja ein wichtiger Punkt wirklich auch da bewusster einen Blick für zu bekommen“ (Transkript Friedrich, t2, Z. 106-126). Diese Orientierung steht jedoch in Spannung zu den im Kontext Schule vorgefundenen bzw. wahrgenommenen Normen, wie z. B. der Durchprozessierung von unterrichtsbezoge‐ nen Inhalten („ ‘Die kommen, machen ihren Unterricht und gehen‘ “, Z. 732-733). Zwar grenzt sich die Lehrkraft vom Handeln der durch ihre Tochter beschriebenen Lehrkräfte ab und rahmt den Aspekt eines die Schüler*innen und deren Bedürfnisse ignorierenden Unterrichts als negativen Gegenhorizont (Z.769). Dennoch wird die Durchprozessierung von Unterrichtsinhalten per se nicht in Frage gestellt. Vielmehr zeigt sich anhand ihrer Äußerung „ ich mache jetzt auch nicht so viel, aber manchmal freue ich mich dann auch, wenn ich mal so eine kleine (.) “ (Z. 738-740) der adaptierende Modus der Bearbeitung des Spannungsverhältnisses zwischen institutionsbezogenen Normen und dem Habitus der Lehrkraft. Durch das explizite Rekurrieren auf die durch eine Fortbildnerin zum Ausdruck gebrach‐ ten Fortbildungsnormen unterstreicht Frau Altay letztlich die Relevanz dieser Normen für ihre eigene Handlungspraxis (vgl. Z. 740 ff.) und sieht sich in der Art und Weise bestätigt, wie sie auf die Hintergründe ihrer Schüler*innen eingeht (z. B. situativer Einbe‐ zug der sprachlichen Hintergründe, Berücksichtigung der Lernbedürfnisse und partielles Abweichen von fachlichen bzw. institutionellen Vorgaben). Dies wird deutlich durch die Äußerung „ ähm das hatte die *Name der Fortbildnerin* auch gesagt “ (ebd.), wodurch das von der Fortbildnerin Gesagte zur Legitimation und Bestätigung des eigenen Handelns wird 184 . Weiterhin zeigt sich, dass Frau Altay die Öffnung des Englischunterrichts für die Hintergründe und Bedürfnisse der Lernenden und damit das Abweichen von institutionsbezogenen Normen und Erwartungen an das Lehrkräftehandeln (wie z. B. „ toll geplante Stunde[n] “, Z. 742; C.L.) als positiven Horizont sowie als Ermöglichung für einen wertschätzenden Einbezug der kulturellen und sprachlichen Hintergründe der Schüler*innen in den Englischunterricht rahmt (vgl. Z. 743-745). Zusammenfassend zeigt sich im Fall Altay, wie sich durch die Wahrnehmung und Bear‐ beitung der durch die Fortbildung an die Lehrkraft herangetragenen Normen zum Umgang mit kultureller und sprachlicher Heterogenität Reflexionsprozesse in Bezug auf das eigene unterrichtliche Handeln, die im Kontext der Institution Schule wahrgenommenen und als relevant gesetzten Normen sowie die Bearbeitung des Spannungsverhältnisses zwischen diesen Normen und dem Habitus der Lehrkraft ereignen können. Zwar ließen sich keine grundlegenden Veränderungen in den zu t1 für die Handlungspraxis der Lehrkraft als zen‐ tral rekonstruierten Orientierungen identifizieren. Die Bearbeitungsweise des Spannungs‐ 258 7 Typenbildungen und Ergebnisdarstellung <?page no="259"?> verhältnisses zwischen institutionsbezogenen Normen und dem Habitus der Lehrkraft blieb weitestgehend unverändert. Deutlich wurde jedoch, dass sich durch die Auseinanderset‐ zung mit den Fortbildungsnormen die Intensität dieses Spannungsverhältnisses verringert hat. Den Einbezug der (kulturellen und) sprachlichen Hintergründe ihrer Schüler*innen rahmt Frau Altay als grundsätzlich vereinbar mit ihren Orientierungen zur Gestaltung eines ko-konstruktiven Englischunterrichts. Der Einbezug der Hintergründe ihrer Schüler*innen wird damit zum Möglichkeitsraum, diesen Orientierungen nachzukommen. Weiterhin zeigt sich durch die situative Erprobung der Fortbildungsinhalte eine Bereitschaft zur Öffnung des Englischunterrichts sowie zur Veränderung der Handlungspraxis. Der rekonstruierte Zuwachs an Reflexivität führt letztlich dazu, dass Frau Altay neue Erfahrungen machen kann, die das Potenzial besitzen, dass sich ihr Orientierungsrahmen ausdifferenziert. Der Fall Hohenstein wird im Folgenden als Beispiel dafür angeführt, wie es in der Wahrnehmung von sowie der Auseinandersetzung mit den Fortbildungsnormen zu einer Intensivierung des Spannungsverhältnisses zwischen dem Habitus der Lehrkraft sowie den wahrgenommenen institutionsbezogenen Normen kommen kann. Weiterhin lässt sich anhand dieses Falles illustrieren, wie Normen zueinander in Spannung geraten können. 388 Charlotte Hohenstein: (.) Ok (.) ähm also die letzten Monate habe ich unheim- 389 lich @defizitorientiert gearbeitet@ ähm dass jetzt in der Dreizehn der 390 der Blick auf was worüber müssen wir noch sprechen? Wawas müssen wir 391 abhaken (.) damit es ähm für das Abi passt? Und dann war dann dieses sich 392 Hineinwerfen oder ganz Hineingeben in dieses Lehrwerk und und da waren 393 dann halt eben ähm wwie ich eben gerade gesagt habe ähm diese Units so 394 vorgegeben, dass (.) ähm ja Australien jetzt im letzten Kapitel so ein 395 Thema war und da konnte ich eben nicht noch großartig was darüber hinaus 396 machen (.) also das hat nicht ähm (.) ähm (.) ähm hat nicht gezündet 397 beziehungsweise ich glaube auch, dass ich (.) h: m (.) ich glaube, dass 398 ich nicht experimentwas heißt experimentiert? Aber dass ich nicht so 399 von ähm sehr sehr gewohnten Faden abgewichen bin, lag auch an (.) an 400 meinem Eindruck, ich muss verschiedene Gruppen miteinander koordinieren 401 und mich möglichst eng an das Material halten, das die zuhause haben (2) 402 (Transkript Hohenstein, t2, Z. 388-404) In dieser Passage beschreibt die Lehrkraft ihr unterrichtliches Handeln seit dem Abschluss der Fortbildung und bringt hierbei die Relevanz der von ihr wahrgenommenen instituti‐ onsbezogenen Normen für dieses Handeln zum Ausdruck. Besonders deutlich wird hier die Relevantsetzung der Norm der Durchprozessierung von vorgegebenen Inhalten (vgl. Z. 391-396), welche bereits zum Zeitpunkt t1 das Handeln der Lehrkraft maßgeblich orientierte. Während zu diesem Zeitpunkt jedoch vornehmlich die Abarbeitung von curricular bzw. vom Lehrplan vorgegebenen Inhalten als Grundlage für die inhaltliche Gestaltung und Strukturierung des Englischunterrichts im Fokus der Handlungspraxis der Lehrkraft stand (vgl. Transkript Hohenstein, t1, Z. 34, Z. 757), rückt zum Zeitpunkt t2 die Durchprozessierung des Lehrbuchs mit dem Ziel der Vorbereitung der Schüler*innen auf 7.5 Längsschnittlicher Vergleich der Interviewzeitpunkte (t1 und t2) 259 <?page no="260"?> 185 Die wahrgenommene Anforderung der Lehrkraft, die Schüler*innen auf bevorstehende Prüfungen vorbereiten zu müssen, wird im Folgenden als ‚Prüfungsnorm‘ bezeichnet. Dies ist angelehnt an die Studie von Bonnet & Hericks (2020) zum kooperativen Lernen im Englischunterricht. Hier konnten die Autoren die Vorbereitung auf Prüfungen als eines der zentralen Anforderungen für die Handlungspraxis der beforschten Lehrkräfte rekonstruieren. Letzteres führen die Autoren auf die Prüfungsorientierung der Schule zurück (vgl. ebd.: 266). 186 Die Wahrnehmung von eingeschränkten Handlungsmöglichkeiten zeigt sich in vergleichbarer Weise auch im Fall Kaiser: „die Themen sind da ja sehr festgelegt, durch den, durch die Kern-, durch das Kerncurriculum. (.) Und da haben wir jetzt gerade "The Blue Planet" die ganze Zeit gemacht und da ist mit Transkulturalität wenig los muss ich sagen. (.) Ähm und auch mit Mehrsprachigkeit, d: a oder beziehungsweise da war ich auch so mit anderen Dingen befasst, ja weil das thematische einfach so umfangreich ist, dass ich d: a ähm gar keinen Raum hatte (.) äh noch irgendetwas einzubauen.“ (Transkript Kaiser, t2, Z. 270-278) bevorstehende Prüfungen in den Fokus. Damit gewinnt eine weitere institutionsbezogene Norm an Bedeutung für die Handlungspraxis der Lehrkraft und wird von dieser als zentrale Anforderung an ihr Handeln gerahmt. Letzteres zeigt sich durch die mehrfache Verwendung des Selbstverständlichkeitsmarkers ‚müssen‘ (vgl. Z. 390 ff.). Die Durchprozes‐ sierung von vorgegebenen Inhalten wird damit zur Notwendigkeit, den wahrgenommenen institutionellen Anforderungen nachzukommen. Weiterhin zeigt sich, wie bereits zu Zeitpunkt t1, dass sich Frau Hohenstein in ihrem Handeln den wahrgenommenen Institutionsnormen unterordnet. Während die Lehrkraft zum Interviewzeitpunkt t1 jedoch partiell auf die Hintergründe der Lernenden sowie deren Interessen eingeht und versucht, diese mit den vorgegebenen Inhalten bzw. wahrgenomme‐ nen Institutionsnormen zu vermitteln, lässt sich dies zum Zeitpunkt t2 nicht rekonstruieren. Vielmehr rahmt Frau Hohenstein das Lehrbuch als zentrales Element des Englischunterrichts, welches die zu behandelnden Inhalte vorgibt und damit das Handeln der Lehrkraft im Wesentlichen lenkt (vgl. Z. 392). Weiterhin wird deutlich, dass die Vorgaben des Lehrwerks als unhintergehbar gerahmt werden, was von der Lehrkraft nicht hinterfragt, sondern vielmehr als selbstverständlich angenommen wird. Letzteres wird durch die Verwendung des Selbstverständlichkeitsmarkers „ halt eben “ (Z. 393) unterstrichen. Während das Lehrwerk im Fall Altay als Möglichkeitsraum gerahmt wird, die (kulturel‐ len und sprachlichen) Hintergründe der Schüler*innen in den Englischunterricht einzube‐ ziehen und diesen damit an die Interessen der Lernenden anzupassen, sieht Frau Hohenstein zum Zeitpunkt t2 aufgrund der Dominanz der Prüfungsnorm 185 keine Möglichkeit, vom Lehrwerk abzuweichen und „ noch großartig was darüber hinaus [zu] machen “ (Z. 395-396; C.L.). Hierdurch werden sowohl die eingeschränkte Handlungsfähigkeit als auch Flexibilität der Lehrkraft deutlich, was in der Verwendung der Metapher des „ sich Hineinwerfen[s] oder ganz Hineingeben[s] “ (Z. 392; C.L.) seinen Höhepunkt findet 186 . Somit ist es der Lehrkraft nicht möglich, von ihrem „gewohnten Faden “ (Z. 399) abzuweichen und den Englischunterricht für Neues zu öffnen. Weiterhin deutet sich in der gewählten Passage an, dass Frau Hohenstein das Spannungs‐ verhältnis zwischen ihrem durchprozessierenden Habitus sowie der Norm der Gestaltung eines schüler*innenorientierten (Englisch-)Unterrichts, wie sie durch die Fortbildung an 260 7 Typenbildungen und Ergebnisdarstellung <?page no="261"?> 187 Der Erzählimpuls lautete: „Können Sie mir von einer Stunde berichten, in welcher ähm die Inhalte der Fortbildung eine Rolle gespielt haben? (.) Gibt es da eine Stunde? “ (Z. 359-361) die Lehrkraft herangetragen wird, wahrnimmt. Zwar bezieht sich Frau Hohenstein in der gewählten Passage nicht explizit auf diese Norm und stellt auch keine unmittelbare Verbindung zur Fortbildung und den hier vermittelten Inhalten her. Indem die Lehrkraft ihre Handlungspraxis zu Beginn ihrer Beschreibungen jedoch als „defizitorientiert“ (Z. 389) bewertet und dies mit einem Lachen betont, ironisiert und überspielt sie ihre eigene Äußerung. Hierdurch deutet sich die implizite Wahrnehmung einer Nichtpassung ihres Handelns zu den an sie gestellten, hier implizit bleibenden Erwartungen an. Diese Lesart bestätigt sich, wenn man die vorangegangene Passage betrachtet, in welcher die Lehrkraft zum Ausdruck bringt, dass sie keine der Fortbildungsinhalte „ so richtig in Anwendung [habe] bringen können “ (Z. 362-363; C.L.) und damit der durch die Erzählaufforderung 187 der Interviewerin an die Lehrkraft herangetragene Erwartungshaltung nicht nachkommen kann. Hierfür führt sie zunächst äußere Gründe an, auf welche sie keinen Einfluss hat (wie z. B. auf die inhaltlichen Vorgaben des Lehrwerks) und rahmt ihr Handeln damit als alternativlos. Im Anschluss hieran reflektiert Frau Hohenstein jedoch ihr eigenes Handeln sowie die als für dieses Handeln selbstverständlich angenommenen Normen und bringt damit zum Ausdruck, dass sie einen Teil dazu beiträgt, dass die Fortbildungsinhalte bislang keine Anwendung in ihrem Unterricht gefunden haben. So nimmt sie wahr, dass sie sich in der Gestaltung ihres Englischunterrichts an gewohnten Strukturen und Routinen orientiert und nicht von diesen abweicht (vgl. ‚gewohnter Faden‘, Z. 399). Es zeigt sich folglich erneut eine Tendenz zur Schließung des Englischunterrichts, die nun auch die Lehrkraft selbst wahrnimmt. Während die Reflexion der eigenen Orientierungen im Fall Altay zu einer situativen Erprobung alternativer Handlungsweisen und damit zu einer Ausdifferenzierung des Orientierungsrahmens führt, lässt sich dies im Fall Hohenstein nicht rekonstruieren. Vielmehr bringt die Lehrkraft die Norm zum Ausdruck, sich an das vorgegebene Unter‐ richtsmaterial halten zu müssen (vgl. Z. 401), welches es ihr nicht möglich macht „ noch großartig was darüber hinaus [zu] machen “ (Z. 395-396; C.L.). Damit werden erneut die Begrenzungen ihres Handelns hervorgehoben und die Spannung zwischen Normen und Habitus verdeutlicht. Es zeigt sich, dass sowohl der durchprozessierende Habitus Frau Hohensteins als auch die Prüfungsnorm in Spannung zu den durch die Interviewerin an die Lehrkraft herangetragenen Erwartungen hinsichtlich des Einbezugs der kulturellen und sprachlichen Hintergründe der Schüler*innen stehen. Frau Hohenstein befindet sich jedoch in einem Prozess der Bewusstwerdung, in dessen Rahmen sie diese Spannung verspürt, was durch die zahlreichen Satzabbrüche, Pausen und Suchbewegungen angezeigt wird (vgl. Z. 396 ff.). Die Wahrnehmung dieser Spannung verdeutlicht sich anhand der nachfolgenden Pas‐ sage, in welcher Frau Hohenstein die von ihr wahrgenommenen Herausforderungen des Schul- und Unterrichtsalltags beschreibt und ihre hierin begrenzten Handlungsmöglich‐ keiten argumentativ darlegt: 7.5 Längsschnittlicher Vergleich der Interviewzeitpunkte (t1 und t2) 261 <?page no="262"?> 456 also das ist schon ähm (.) wirklich so ein Punkt, dass wir in unseren 457 Unterrichts- (.) einheiten uns häufig sehr starr wahrnehmen, ja? Also dass 458 ich dann weiß ähm wenn ich beispielsweise ähm in in der Unter- oder 459 Mittelstufe bi: n, ich habe einfach ein bestimmtes äh Pensu: m, da erwarten 460 auch meine Fachkollegen, dass ich bis äh zu diesem oder jenem Punkt komme 461 und ich mich in so einem (.) ähm das musst du erfüllen Szenario sehe und 462 gar nicht so gucke ähm wie kann ich beispielsweise die Lerngruppe ähm auch 463 in ihrer Unterschiedlichkeit stärker fördern? Ja, das ist so ein Korsett, 464 in dem ich mich sehe (.) (Transkript Hohenstein, t2, Z. 456-466) Indem Frau Hohenstein auch in dieser Passage auf ein „ bestimmtes äh Pensu: m “ (Z. 459) rekurriert, welches sie in ihrem Unterricht durcharbeiten muss, wird erneut die Bedeutung der Durchprozessierung von vorgegebenen Inhalten sowie der Erfüllung institutioneller und unterrichtsbezogener Anforderungen für ihre Handlungspraxis deutlich. Ferner rahmt die Lehrkraft dies auch hier als selbstverständlich und unveränderlich, was sich anhand ihres Ausdrucks „ ich habe einfach ein bestimmtes äh Pensu: m “ (Z. 459) zeigt. Durch die Erwähnung der wahrgenommenen Erwartungen ihrer Kolleg*innen an ihr Handeln wird dies noch unterstrichen und die Notwendigkeit der Ausrichtung an den vorgegebenen Inhalten hervorgehoben (vgl. 458-460). Weiterhin bringt sie hiermit die Fremdrahmung ihres Handelns zum Ausdruck, wodurch sich ein Handlungsdruck auf Seiten der Lehrkraft andeutet. Dieser Handlungsdruck wird deutlich, indem die Lehrkraft die Nichtpassung ihres Ha‐ bitus zu den wahrgenommenen Fortbildungsnormen in der sich anschließenden Äußerung zum Ausdruck bringt (hier z. B. die Wahrnehmung und Förderung der Schüler*innen in ihrer Unterschiedlichkeit, vgl. Z. 462-463). Hier reflektiert sie die wahrgenommenen Grenzen ihrer Handlungsmöglichkeiten und nimmt die fortbildungsbezogene Erwartung an ihr Handeln wahr, auf die unterschiedlichen Hintergründe ihrer Schüler*innen eingehen und letztere entsprechend fördern zu müssen (vgl. ebd.). Aufgrund ihrer Orientierung an den institutionellen und unterrichtsbezogenen Anforderungen (z. B. ein vorgegebenes inhaltliches Pensum erfüllen, Erwartungen der Kolleg*innen erfüllen) kann sie dieser Erwartung jedoch nicht nachkommen. Somit beschreibt Frau Hohenstein ihr Handeln auch hier als in einen unveränderlichen und von außen vorgegebenen Rahmen eingebunden, welcher ihr wenig Handlungsspielraum lässt. Letzteres deutet sich durch ihre Äußerung „ und ich mich in so einem (.) ähm das musst du erfüllen Szenario sehe “ (Z. 461) an. Während der Begriff ‚Szenario‘ auf eine Abfolge von Ereignissen verweist, unterstreicht der Selbstverständlichkeitsmarker ‚müssen‘ die Unumgänglichkeit dieses Szenarios. In der sich anschließenden Äußerung findet diese wahrgenommene Begrenzung des Handelns der Lehrkraft durch die Verwendung der Metapher eines ‚Korsetts‘ ihren Höhe‐ punkt (vgl. Z. 463) und weist auf eine Intensivierung des Spannungsverhältnisses zwischen Normen und dem Habitus der Lehrkraft hin. Indem die Lehrkraft den Begriff des ‚Korsetts‘ verwendet, macht sie deutlich, dass sie sich durch die als widerstreitend erfahrenen Anforderungen sowie die Nichtpassung ihres Habitus zu den wahrgenommenen Normen eingeengt fühlt. Hierdurch ergibt sich für die Lehrkraft ein Handlungsdruck, den sie nicht 262 7 Typenbildungen und Ergebnisdarstellung <?page no="263"?> explizieren, sondern nur metaphorisch zum Ausdruck bringen kann. Anders als im Fall Altay nimmt der wahrgenommene Handlungsdruck in der Auseinandersetzung mit den Fortbildungsnormen im Fall Hohenstein damit zu. Dies lässt sich auch im weiteren Verlauf des Interviews rekonstruieren, indem Frau Hohenstein noch einmal auf die von ihr wahrgenommenen und für ihr Handeln als selbst‐ verständlich gerahmten Normen eingeht. Hierbei wird deutlich, wie die Fortbildungsnorm der mehrsprachigen Gestaltung des Englischunterrichts in Spannung zu den als selbstver‐ ständlich gerahmten institutionssowie fachbezogenen Normen gerät. Die Wahrnehmung dieser Spannung löst eine weitere Reflexion und Bewertung des eigenen Handelns aus und führt dazu, dass Frau Hohenstein die Fremdrahmung ihres Handelns und damit ihre eingeschränkte Autonomie in ihrer unterrichtlichen Handlungspraxis nun auch explizit verspürt: 672 was die Schüler: innen am Ende von mir erwarten, ist ja dass sie Englisch 673 sprechen ne? @(.)@ @also@ ähm auch ähm oder ähm wo sozusagen die, also 674 es klingt jetzt wie ein krasser Rückschritt @ja@, dass sie sagen, wofür 675 brauche ich die anderen Sprachen, sie sollen ja eigentlich das lernen, 676 aber die (.) ähm (.) dieses Produkt am Ende oder was auch immer die die 677 die Kompetenz ähm (2) da da ist so ein so ein Stück Stück weit die Frage, 678 wie vie: l ähm an an Anteilen darf ich diesem ähm Erleben von von parallel 679 (.) bebesprochenen Sprachen geben (.) ohne den großen sagen wir mal 680 Output Englisch zu (2) vielleicht ist das mein gerade mein Rückfall ja 681 in diese äh in dieses Schachteldenken, aber ähm ich weiß nicht, wie wie 682 ich es anders beschreiben soll (Transkript Hohenstein, t2, Z. 672-684) Indem Frau Hohenstein auf die von außen, d. h. vonseiten ihrer Schüler*innen an sie und ihr Handeln herangetragene Erwartung eingeht, die englische Sprache vermitteln zu müssen, bringt sie erneut eine Fremdrahmung ihres Handelns zum Ausdruck. Nicht sie ist diejenige, welche die Vermittlung des Englischen als Hauptaufgabe ihres unterrichtlichen Handelns wahrnimmt (wie z. B. im Fall Schneider), sondern die Schüler*innen fordern dies von der Lehrkraft ein. Weiterhin wird deutlich, dass die Lehrkraft die sich hieraus ergebende Spannung zwischen der Norm der einsprachigen Gestaltung des Englischunterrichts und der Fortbildungsnorm des Einbezugs der sprachlichen und kulturellen Hintergründe der Lernenden wahrnimmt. Anders als im Fall Altay findet die Lehrkraft jedoch keine Mög‐ lichkeit, diese Spannung aufzulösen und eine für sie stimmige Praxis zu entwickeln (vgl. Z. 677-680). Vielmehr lösen die als widerstreitend erfahrenen Normen eine Unsicherheit bei der Lehrkraft aus, was sich anhand ihrer Äußerung „ aber ähm ich weiß nicht, wie wie ich es anders beschreiben soll “ (Z. 681-682) zeigt. Es bleibt damit bei der Subordination unter institutionsbezogene Normen und Erwartungen sowie einer an Routinen und vorgegebenen Strukturen orientierten Gestaltung des Englischunterrichts. Letzteres wird nun auch von der Lehrkraft reflektiert, was sich anhand ihres Ausdrucks „ vielleicht ist das mein gerade mein Rückfall ja in diese äh in dieses Schachteldenken “ (Z. 680-681) zeigt. 7.5 Längsschnittlicher Vergleich der Interviewzeitpunkte (t1 und t2) 263 <?page no="264"?> Indem die Lehrkraft ihre Handlungspraxis als ‚Rückschritt‘ (vgl. Z. 674) sowie als ‚Rückfall‘ (vgl. Z. 680) bewertet, deutet sich eine Unzufriedenheit mit dem eigenen Handeln sowie ein diesbezüglich wahrgenommener Entwicklungsbedarf an. Letzterer wird von der Lehrkraft gegen Ende des Interviews auf den Punkt gebracht: 852 ich würde auch gerne ein bisschen (.) hm gelassener glaube ich werden, 853 also ähm (.) vielleicht ist das Teil der Vorbereitung, wenn ich meinen 854 Unterricht plane, schreibe ich mir einen Ablauf auf und ich schreibe den 855 auch an die Tafel und sage, dass das heute mein Plan ist und das haben 856 wir vor und das ist irgendwie Step One, Step Two und so was (.) ähm, das ergibt 857 aber dann automatisch ein Korsett so (.) ähm ich habe das so gelernt ähm 858 oder es ist eben ähm eher Teil der Ausbildung und manchmal denke ich auch 859 ähm (.) mmacht das natürlich wenig spontan ne? (.) @(.)@ (Transkript 860 Hohenstein, t2, Z. 852-862) Auf die exmanente Frage der Interviewerin, in welcher Hinsicht sich die Lehrkraft zukünftig entwickeln möchte, formuliert diese auf expliziter Ebene den Wunsch, ‚gelassener‘ zu werden (vgl. Z. 852). Der hier nicht näher beschriebene positive Horizont eines ‚gelasse‐ nen‘ Handelns wird mit der Beschreibung der unterrichtlichen (Vorbereitungs-)Praxis der Lehrkraft kontrastiert und konturiert sich hierdurch (vgl. Z. 853-856). So bringt die Lehrkraft zwar zum Ausdruck, dass sie mit ihrer strukturierten und schrittweisen Vorgehensweise für Transparenz auch für die Schüler*innen hinsichtlich der inhaltlichen Gestaltung des Englischunterrichts sorge. Gleichzeitig nimmt sie die hiermit einhergehende Einschränkung und Begrenzung ihres Handelns wahr und rahmt dieses Handeln damit als negativen Horizont. Letzteres wird durch die wiederholte Verwendung der Metapher des ‚Korsetts‘ deutlich (vgl. Z. 857). Es offenbart sich folglich die erneute Wahrnehmung einer Nichtpassung des eigenen Handelns mit den an die Lehrkraft gestellten unterrichtsbezoge‐ nen Anforderungen und Erwartung und macht die Persistenz des Spannungsverhältnisses zwischen Normen und Habitus deutlich. Während im Fall Altay die Wahrnehmung dieses Spannungsverhältnisses sowie die Reflexion ihres hierauf bezogenen Handelns dazu führt, dass die Lehrkraft situativ alter‐ native Handlungspraktiken erprobt und ihren Englischunterricht damit für Neues öffnet, ergibt sich für Frau Hohenstein ein anderes Bild. Indem die Lehrkraft auf ihre Ausbildung rekurriert und betont, dass sie das strukturierte und kleinschrittige Vorgehen im Unterricht hier gelernt habe und dies „ eben ähm eher Teil der Ausbildung “ (Z. 858) sei, legitimiert sie ihr Handeln auf der einen Seite. Auf der anderen Seite rahmt sie es als unveränderliches Produkt ihrer Ausbildungspraxis und damit als in die Strukturen der Institution Schule sowie der Lehrer*innenbildung eingebunden. Durch die Kontrastierung ihres Handelns mit der wahrgenommenen Anforderung des spontanen Agierens und Reagierens im Unterricht wird weiterhin deutlich, dass Frau Hohenstein ihre Handlungspraxis als defizitär wahr‐ nimmt (vgl. Z. 859). Im Gegensatz zu Frau Altay wird die Wahrnehmung der Anforderung des spontanen Handelns im Unterricht nicht als Entlastung für ihre Handlungspraxis im Umgang mit den kulturellen und sprachlichen Hintergründen ihrer Schüler*innen sowie den als widerstreitend wahrgenommenen Anforderungen gerahmt. Vielmehr bleibt es 264 7 Typenbildungen und Ergebnisdarstellung <?page no="265"?> bei der Subordination unter die von der Lehrkraft für ihre Handlungspraxis als relevant gesetzten Normen und damit bei einer einseitigen Bearbeitung des Spannungsverhältnisses. Zusammenfassend zeigt sich im Fall Hohenstein, dass es in der Auseinandersetzung mit den als relevant für die eigene Handlungspraxis gerahmten sowie durch die Fortbil‐ dung an die Lehrkraft herangetragenen Normen zu einer Intensivierung verschiedener Spannungs-konstellationen kommt. So nimmt die Lehrkraft zum einen eine Nichtpassung ihres an inhaltlichen und strukturellen Vorgaben orientierten unterrichtlichen Handelns zu den an sie gestellten fortbildungsbezogenen Normen wahr. Das Spannungsverhältnis zwischen Normen und Habitus wird für die Lehrkraft hierbei zunächst auf impliziter Ebene spürbar und metaphorisch verbalisiert. Zum anderen ergibt sich eine weitere Span‐ nungskonstellation zwischen den als für die eigene Handlungspraxis als relevant gesetzten fachdidaktischen Normen und der Anforderung des Einbezugs der kulturellen und sprach‐ lichen Hintergründe der Lernenden. Durch die Wahrnehmung dieser Spannung reflektiert die Lehrkraft ihre eigene Handlungspraxis. Ferner werden hierdurch die Spannungsver‐ hältnisse zwischen Normen und Habitus nun auch auf expliziter Ebene für die Lehrkraft zugänglich. Anders als im Fall Altay führen die Wahrnehmung dieser Spannungen sowie die Reflexion des eigenen Handelns im Fall Hohenstein jedoch nicht zu einer Anpassung der unterrichtlichen Handlungspraxis oder aber zur situativen Erprobung alternativer Hand‐ lungsstrategien. Vielmehr hebt Frau Hohenstein ihre eingeschränkte Handlungsfähigkeit sowie die Unveränderlichkeit der strukturellen und ihr Handeln rahmenden Vorgaben hervor. Hierdurch deutet sich an, dass die Lehrkraft in der Auseinandersetzung mit den Fortbildungsnormen sowie der Reflexion ihrer Handlungspraxis in Erfahrungskrisen gerät, die sie (noch) nicht auflösen kann. Es bleibt bei der Vermeidung von Unsicherheit in der Gestaltung ihres Englischunterrichts und damit bei der Subordination unter die von der Lehrkraft für ihre Handlungspraxis als relevant gesetzten Normen. Nichtsdestotrotz liegt in der Wahrnehmung dieser Spannungsverhältnisse ein Potenzial für die Veränderung von Handlungspraxis, was in der expliziten Formulierung von Entwicklungszielen sowie Handlungsbedarfen Ausdruck findet. Abschließend wird der Fall Schneider als Beispiel dafür angeführt, wie es in der Auseinandersetzung mit den Fortbildungsnormen zur Wahrnehmung des Spannungs-ver‐ hältnisses zwischen Normen und Habitus sowie zur Stabilisierung der eigenen habituellen Orientierungen kommt. Diese Entwicklungen ließen sich zwar bereits im Fall Altay iden‐ tifizieren (vgl. S. 365ff.), jedoch führen diese im Fall Schneider nicht zu einer Verringerung des Spannungsverhältnisses oder zur Wahrnehmung der Passung zwischen Habitus und Fortbildungsnormen. Vielmehr weisen die Entwicklungen im Fall Schneider in eine im Vergleich zum Fall Altay entgegengesetzte Richtung und führen zur Distanzierung von bzw. Zurückweisung der Fortbildungsnormen. Exemplarisch wird dies daran verdeutlicht, wie Frau Schneider von ihren Erfahrungen während der Fortbildung erzählt und sich hierbei zu den von ihr wahrgenommenen Normen positioniert: 192 Was mir eigentlich schwergefallen ist, ist ähm, da fehlt mir dazu auch 193 immer zeitlich die ähm ja die, die Möglichkeit, dass ich im Unterricht 194 verschiedene (.), das hatten wir am Anfang äh der Fortbildung gehabt, dass 195 man verschiedene (.) Übersetzungen hat. Also nicht nur Übersetzungen, 7.5 Längsschnittlicher Vergleich der Interviewzeitpunkte (t1 und t2) 265 <?page no="266"?> 196 sondern die, die Worte in verschiedenen Sprachen, aus dem Französischen 197 her ableiten und also da sehe ich immer bei mir einen Zeitmangel, dass 198 ich da (.) mehr Stoff transportieren muss (.) und Inhalte (.) und ähm ich 199 will nicht sagen, dass es (.) also es kollidiert mit, mit den (.) Inhalten 200 die ich machen muss (Transkript Schneider, t2, Z. 192-201) Frau Schneider beschreibt die Herausforderungen, die sich für sie und ihre unterrichtliche Handlungspraxis in der Auseinandersetzung mit den Fortbildungsinhalten ergeben haben. So bewertet sie die fortbildungsbezogene Anforderung des Einbezugs verschiedener Spra‐ chen in den Englischunterricht als nur schwer für sie umsetzbar und begründet dies mit der wahrgenommenen institutionsbezogenen Norm, möglichst viel ‚Stoff ‘ sowie fachliche Inhalte transportieren zu müssen (vgl. Z. 198). Die mehrfache Verwendung des Selbstvers‐ tändlichkeitsmarkers ‚müssen‘ (vgl. Z. 198, Z. 200) in der Kombination mit der ersten Person Singular machen hierbei deutlich, dass Frau Schneider diese Anforderung nicht hinterfragt, sondern als selbstverständlich für sich und ihre Handlungspraxis rahmt. Während zum Zeitpunkt t1 vor allem die Normen der sprachlichen Korrektheit, Einsprachigkeit sowie der Vermittlung des Englischen als primäres Ziel des Englischunterrichts im Vordergrund der Erzählungen Frau Schneiders standen, ist es zum Zeitpunkt t2 die Durchprozessierung von vorgegebenen Inhalten und damit die Progression im Lehrplan, welche das Handeln der Lehrkraft orientieren. Im Gegensatz zu anderen Fällen des Samples, wie z. B. im Fall Altay oder Hohenstein, löst diese Norm bei Frau Schneider keine Spannungen aus. Stattdessen wird die fortbildungs‐ bezogene Norm des Einbezugs weiterer Sprachen in den Englischunterricht als in Spannung stehend zur Durchprozessierung der fachlichen Inhalte und der Progression im Lehrplan gerahmt. Letzteres wird durch die Äußerung Frau Schneiders „ es kollidiert mit, mit den (.) Inhalten die ich machen muss “ (Z. 199-200) deutlich. Die Lehrkraft nimmt die Spannung zwischen diesen beiden Normen wahr, was jedoch nicht dazu führt, dass sie ihre eigene Handlungspraxis reflektiert (wie z. B. im Fall Altay oder im Fall Hohenstein). Vielmehr distanziert sie sich von der fortbildungsbezogenen Norm und rahmt diese, wie auch zu t1, als nicht zu ihrer unterrichtlichen Praxis passend. Dies wird deutlich im weiteren Verlauf der oben angeführten Passage, in welcher Frau Schneider die Schwierigkeiten näher ausführt, die für sie mit dem Einbezug weiterer Sprachen in den Englischunterricht verbunden sind: 204 Ja dann fehlt mir thematisch und inhaltlich ähm am Schluss (.) einige 205 Sachen wo ich dann (.) äußerst in Stress gerate, weil ich die noch nicht 206 gemacht habe, aber stattdessen irgendetwas mache was im Lehrplan nicht 207 steht und wo die Schüler dann auch sagen „Ja wieso machen wir nicht das 208 was in der Prüfung steht und wieso haben Sie das gemacht? “ Ich meine 209 mittlerweile sind die Schüler jetzt auch nicht mehr so äh klein, klein 210 und so wie früher, dass die dann sagen „Der Lehrer trägt die Fragen,“ dann 211 kommen halt manchmal auch schon so Sachen „Brauchen wir das und wofür 212 brauchen wir das? Wenn wir das nicht brauchen dann bitte weg, ja? “ @(.)@ 266 7 Typenbildungen und Ergebnisdarstellung <?page no="267"?> 213 Fangen die dann an zu argumentieren. (.) Und, und zwar genau in dem 214 Wortlaut auch noch @(.)@. (Transkript Schneider, t2, Z. 204-215) Indem Frau Schneider erwähnt, dass die Umsetzung der Fortbildungsnorm im Unterricht zu Lasten von Inhalten geht, die im Lehrplan aufgeführt sind, bringt sie zunächst den geringen Nutzen zum Ausdruck, den sie im Einbezug weiterer Sprachen in den Englisch‐ unterricht sieht (vgl. Z. 204-206). Auch wird deutlich, dass die Lehrkraft hierbei weder einen inhaltlichen noch thematischen Anknüpfungspunkt wahrnimmt (vgl. Z. 206). Die mehrsprachige Gestaltung des Englischunterrichts wird damit als Zusatz gerahmt, welcher nicht zur Progression im Lehrplan beiträgt. Auch nimmt Frau Schneider hierbei nicht die Lernprozesse der Schüler*innen in den Blick, sondern führt die Konsequenzen näher aus, die der Einbezug weiterer Sprachen neben dem Englischen für sie und ihren Unterricht hat. So bringt sie zum Ausdruck, dass ein Abweichen vom Lehrplan für sie mit großem Stress verbunden ist, was durch die Gradpartikel „ äußerst “ (Z. 205) deutlich wird. Wie zum Zeitpunkt t1 liegt der Fokus ihrer Ausführungen somit auch hier auf ihrer eigenen Person sowie den eigenen Relevantsetzungen. Die Nichterfüllung curricularer und lehrplanbezogener Vorgaben wird weiterhin zum negativen Horizont, was durch die Kontrastierung ihrer Ausführungen mit der Perspektive der Schüler*innen unterstrichen wird (vgl. Z. 206-208). Im Gegensatz zum Fall Altay finden die Schüler*innen in der Beschreibung Frau Schneiders jedoch nicht vor dem Hintergrund der Wahrnehmung, Berücksichtigung und Relevantsetzung ihrer Lernbedürfnisse Erwäh‐ nung. Vielmehr offenbaren sich in der Äußerung „ und wo die Schüler dann auch sagen: ‚Ja wieso machen wir nicht das was in der Prüfung steht und wieso haben Sie das gemacht? ‘ “ (ebd.) die Durchprozessierungslogik ihres Handelns sowie die Bedeutung der Prüfungsnorm für das Handeln der Lehrkraft sowie der Schüler*innen. Somit sieht Frau Schneider aufgrund der curricularen Vorgaben, der Prüfungsnorm sowie der Forde‐ rungen der Schüler*innen keine Möglichkeit darin, den Englischunterricht mehrsprachig zu gestalten. Anhand ihrer Äußerung „ mittlerweile sind die Schüler jetzt auch nicht mehr so äh klein, klein und so wie früher, dass die dann sagen ‚Der Lehrer trägt die Fragen‘ “ (Z. 208-210) wird weiterhin die Orientierung Frau Schneiders an Lenkung und Kontrolle deutlich. Auch deutet sich hier das zum Zeitpunkt t1 bereits rekonstruierte Spannungsverhältnis zwischen Normen und Habitus an. Dieses besteht darin, dass sich die Lehrkraft durch die mehrsprachige Gestaltung ihres Englischunterrichts und damit die Abweichung vom Lehrplan vor die Anforderung gestellt sieht, auf die Bedürfnisse bzw. die Forderungen der Schüler*innen einzugehen und sich mit diesen auseinanderzu‐ setzen. Dies ist für die Lehrkraft jedoch mit diskussionsreichen Auseinandersetzungen verbunden, was sich in der Äußerung „ Fangen die dann an zu argumentieren. (.) Und, und zwar genau in dem Wortlaut auch noch “ (Z. 212-213) zeigt. Die Schüler*innen werden damit als distales Kollektiv gerahmt, welches Anforderungen an das Handeln der Lehrkraft stellt, dieses hinterfragt und damit dazu führt, dass Frau Schneider das Unterrichtsgeschehen weniger kontrollieren und lenken kann. Gleichzeitig führt sie die Schüler*innen als Hinderungsgrund für die Umsetzung der Fortbildungsnorm in ihrem Englischunterricht an (vgl. Z. 207-208, Z. 210-212). Auffällig an dieser Passage im Vergleich 7.5 Längsschnittlicher Vergleich der Interviewzeitpunkte (t1 und t2) 267 <?page no="268"?> zu Passagen zum Interviewzeitpunkt t1 ist, dass Frau Schneider hier aus der Perspektive der Schüler*innen spricht. Im Gegensatz zum Fall Altay geschieht dies jedoch nicht vor dem Hintergrund der Berücksichtigung der Hintergründe und (Lern-)Bedürfnisse der Schüler*innen. Frau Schneider rahmt die Perspektiven der Schüler*innen vielmehr als Rechtfertigungsgrundlage für ihre Distanzierung von der Fortbildungsnorm. Dies zeigt sich auch in der nachfolgenden Passage, in welcher Frau Schneider die wahrgenommenen Fol‐ gen beschreibt, die eine Berücksichtigung der sprachlichen Hintergründe der Schüler*innen für ihren Englischunterricht hat: 323 wenn die Schüler das jetzt, so habe ich in der Fortbildung das so gelernt, 324 wenn die Schüler das jetzt in ihrer eigenen Sprache äh in Englisch nicht 325 sprechen können, dann sollen sie das in ihrer eigenen Sprache sprechen 326 und wir finden vielleicht (.) jetzt äh eine andere Schülerin oder einen 327 anderen Schüler, der das vielleicht in das Englische übersetzen kann (.) 328 aber dann verleitet das andererseits auch viele andere Schüler ihre (.) 329 sich in Englisch gar keine Mühe zu geben, sondern gleich von vornherein 330 äh polnisch reinzurufen, es könnte ja sein, dass eine andere Person das 331 eh für mich übersetzt. (.) Also diese Bequemlichkeit möchte ich einfach 332 vermeiden (Transkript Schneider, t2, Z. 323-333) In dieser Passage rekurriert Frau Schneider auf die von ihr wahrgenommene Fortbildungs‐ norm zur Nutzung der sprachlichen Hintergründe der Schüler*innen im Englischunterricht und bringt hierbei ihr Unbehagen in Bezug auf diese Norm zum Ausdruck. So rahmt die Lehrkraft den Einbezug der sprachlichen Hintergründe der Schüler*innen als Möglichkeit für dieselben, die Ziele der Lehrkraft in Bezug auf die Vermittlung des Englischen zu unter‐ laufen. Dies zeigt sich anhand ihrer Äußerung „ aber dann verleitet das andererseits auch viele andere Schüler ihre (.) sich in Englisch gar keine Mühe zu geben “ (Z. 328-329). Der Einbezug der sprachlichen Ressourcen der Schüler*innen gerät damit in Konflikt mit dem Ziel, die englische Sprache zu vermitteln. Im Gegensatz zum Fall Altay, die im Einbezug der sprachlichen Hintergründe der Schüler*innen die Möglichkeit sieht, deren Lernprozesse zu unterstützen und etwas über die Schüler*innen und deren Lebenswelt zu erfahren, rahmt Frau Schneider die sprachlichen Hintergründe ihrer Schüler*innen nicht als Ressourcen. Vielmehr stellt der Einbezug weiterer Sprachen in den Englischunterricht ein Hindernis für die Vermittlung des Englischen dar. Damit wird deutlich, dass die Wahrnehmung von und Auseinandersetzung der Lehr‐ kraft mit den Fortbildungsnormen, wie im Fall Altay und Hohenstein, zu verschiedenen Spannungskonstellationen führt. So gerät die wahrgenommene Fortbildungsnorm des Einbezugs der sprachlichen Hintergründe der Lernenden in den Englischunterricht in Spannung zu den für die unterrichtliche Handlungspraxis als relevant gesetzten Normen der Vermittlung des Englischen sowie der Durchprozessierung des Lehrplans. Anders als in den Fällen Altay und Hohenstein führen diese Spannungskonstellationen jedoch nicht dazu, dass Frau Schneider ihre eigene Handlungspraxis sowie die für ihr Handeln als relevant gesetzten Normen reflektiert. Vielmehr nimmt die Lehrkraft eine Nichtpassung der Fortbildungsnorm in Bezug auf ihre unterrichtliche Handlungspraxis wahr und grenzt sich 268 7 Typenbildungen und Ergebnisdarstellung <?page no="269"?> 188 Dies zeigt sich auch im Fall Vogt: „ich ja, finde es ist etwas Neues ähm, ähm das heißt erstmal auch bei mir jetzt nochmal verstärkt die Bereitschaft äh, ähm oder die Motivation zu erzeugen, dass ich das auch wirklich tue. (.) Ähm und ähm (.) äh diese ein-, diese Inhalte dann auch einfließen lasse, ja (.) ähm (.), weil ich so ein bisschen für mich noch im Konflikt bin“ (Transkript Vogt, t2, Z. 489-494). von dieser ab. Letzteres zeigt sich anhand ihrer Äußerung „ Also diese Bequemlichkeit möchte ich einfach vermeiden “ (Z. 331-332), in welcher sie die Fortbildungsnormen durch die Betonung der als negativ gerahmten „Bequemlichkeit“ (ebd.) negativ konnotiert. Wie bis hierhin deutlich wurde, führt die Auseinandersetzung mit der durch die Fortbildung an die Lehrkraft herangetragenen Normen zu Spannungen mit dem an Kontrolle und Lenkung orientierten Habitus der Lehrkraft sowie zu den als relevant gerahmten Institutionsnormen (Durchprozessierung des Curriculums, einsprachiger Eng‐ lischunterricht). Diese Spannungen sind im Gegensatz zum Fall Hohenstein jedoch von geringerer Intensität, sodass Frau Schneider keinen Handlungsdruck verspürt und weder ihre eigene Handlungspraxis noch die für diese Praxis als relevant gesetzten Normen hinterfragt. Auch werden die Fortbildungsnormen nicht als Entlastung für den Umgang mit kultureller und sprachlicher Heterogenität im Zusammenspiel mit den wahrgenommenen institutionsbezogenen Normen gerahmt, wie z. B. im Fall Altay. Demnach ergibt sich für Frau Schneider keine Notwendigkeit, ihr Handeln zu verändern und ihren Unterricht für Neues zu öffnen. Dies zeigt sich auch in der nachfolgenden Passage, in welcher die Lehrkraft auf expliziter Ebene die Inhalte der Fortbildung bewertet. Auf impliziter Ebene zeigen und bestätigen sich hierbei noch einmal ihre zentralen Orientierungen: 462 eigentlich ist es ja so, dass man im Unterricht auch das einsetzt (.) was 463 man ähm relativ gerne macht ja und äh wenn das jetzt wirklich etwas Neues 464 ist, dann würde ich mir das vorher mal anschauen, aber das müsste dann 465 auch konkreter sein. Ich finde in der Fortbildungs-, war-, das waren ja 466 viele Anregungen (.), aber nicht so konkret wie es im Lehrplan ist, dass 467 man sagt das und das Thema äh müsste man behandeln und ähm (.) deswegen 468 (.) finde ich das schon sehr, sehr frei (Transkript Schneider, t2, Z. 462- 469 470) Auf die exmanente Frage der Interviewerin, ob sich die Lehrkraft durch ihre Fortbildungs‐ teilnahme vor Herausforderungen gestellt sieht, bezieht sich Frau Schneider auf den Umgang mit Unterrichtsmaterialien und -methoden und erwähnt hierbei, dass die Auswahl dieser Materialien in erster Linie von den Präferenzen der Lehrkraft abhängt (vgl. Z. 462-463). Dies rahmt sie als Selbstverständlichkeit, was sich anhand des Indefinitpronomens und Selbstverständlichkeitsmarkers „ man “ (Z. 462, 467) zeigt. Indem Frau Schneider die Schüler*innenperspektive sowie deren (Lern-)Bedürfnisse ausgeklammert lässt, konturiert sich ihre Orientierung an Lenkung sowie an einer von der Lehrkraft ausgehenden Gestal‐ tung des Englischunterrichts. Auch zeigt sich in dieser Passage die Tendenz der Lehrkraft zur Schließung ihres Englischunterrichts und damit die Vermeidung von Ungewissheit 188 . Dies wird deutlich, 7.5 Längsschnittlicher Vergleich der Interviewzeitpunkte (t1 und t2) 269 <?page no="270"?> indem Frau Schneider das Verwenden von bevorzugten Unterrichtsmaterialien mit der Möglichkeit kontrastiert, etwas Neues und damit Ungewohntes im Unterricht zu behandeln (vgl. Z. 466-467). Zwar rahmt sie den Einbezug neuer Materialien in den Unterricht als möglich, jedoch nur unter der Voraussetzung, dass diese konkrete Anweisungen für die Lehrkraft enthalten („ aber das müsste dann auch konkreter sein “, Z. 464-465; „ dass man sagt das und das Thema äh müsste man behandeln “, Z. 467). Der Lehrplan wird mit seinen von Frau Schneider wahrgenommenen expliziten Anweisungen für das Unterrichten eines bestimmten Themas zum positiven Horizont, wohingegen sie sich von den weniger konkreten Anregungen der Fortbildung abgrenzt (vgl. Z. 465-466). Es zeigt sich folglich die Erwartungshaltung Frau Schneiders, im Rahmen einer Fortbildungs‐ teilnahme explizite Anweisungen für die Behandlung von unterrichtsbezogenen Inhalten zu erhalten. Auch verdeutlicht und bestätigt sich ihre Orientierung am Lehrplan und damit die Relevantsetzung vorgegebener Inhalte. Anhand ihrer Äußerung „ deswegen (.) finde ich das schon sehr, sehr frei “ (Z. 467-468) bestätigt sich ferner der oben bereits rekonstruierte negative Horizont der Abweichung von (curricular) vorgegebenen Inhalten sowie deren Adaption, wie es z. B. Frau Altay praktiziert. Dies wird durch den Selbstverständlichkeitsmarker „ schon “ (Z. 468) sowie die wiederholte Verwendung der Gradpartikel „ sehr “ (ebd.) unterstrichen. Gegen Ende des Interviews bringt Frau Schneider auf expliziter Ebene ihre Erwartungen an die Fortbildung sowie die hier vermittelten Inhalte noch einmal auf den Punkt, wodurch sich sowohl ihr Verständnis von Lehren und Lernen als auch von Professionalisierung herauskristallisiert: 606 Dass man da praktische Anleitungen ähm eins, zwei Arbeitsblätter mit an 607 die Hand gibt und sagt: „Probiert das doch mal aus.“ (.) Also das würde 608 mir sehr viel mehr nützen und ich denke ich spreche auch für manche andere 609 Kollegen, die immer dankbar sind mal konkrete Arbeitshilfen anstatt ir- 610 gendwie eine Idee (.) zu formulieren und dann muss man (.) ja meistens 611 nochmal hinsetzen und die Idee durchdringen und dann noch die Konzepte in 612 Arbeitsblättern (.) ähm niederschreiben und das finde ich ähm (.) ist für 613 anfangs ein bisschen viel. (.) Solange man das Thema noch nicht so durch- 614 drungen hat. Wir sind ja nicht äh Vollzeit (.) dafür, wir haben ja @noch 615 einen anderen Job@. (.) (Transkript Schneider, t2, Z. 606-617) In dieser Passage bezieht sich Frau Schneider auf die methodische und inhaltliche Gestal‐ tung der Fortbildung und bringt diejenigen Aspekte zum Ausdruck, die ihr in Bezug auf den Transfer der Fortbildungsinhalte in den Unterricht gefehlt haben. So nimmt sie eine Defizitperspektive ein und distanziert sich erneut vom, in ihrer Rahmung, umfangreichen, aber unterrichtspraktisch wenig konkreten Ansatz der Fortbildung (vgl. Z. 609-610). Indem sie gedankenexperimentell alternative Möglichkeiten für die Gestaltung der Fortbildung entwirft und erwähnt, dass ihr „ praktische Anleitungen […] sehr viel mehr nützen “ (Z. 606-608) würden, macht sie zum einen den als gering wahrgenommenen Nutzen der Fortbildung für ihre Unterrichtspraxis deutlich. Zum anderen zeigt sich hier der positive Horizont einer praxisorientierten Fortbildung, bei welcher statt einer intensiven 270 7 Typenbildungen und Ergebnisdarstellung <?page no="271"?> theoretischen und konzeptionellen Erarbeitung eines Themas der Fokus auf „ praktische Anleitungen “ (Z. 606) sowie „konkrete Arbeitshilfen “ (Z. 609) gelegt wird. Das selbst‐ ständige Erarbeiten sowie Entwickeln einer auf den Konzepten der Fortbildung beruhenden Unterrichtsidee sowie die dementsprechende Didaktisierung der Fortbildungsinhalte wird demgegenüber als zusätzliche Belastung für das Handeln der Lehrkraft wahrgenommen (vgl. Z. 612-613). Wie bereits zum Zeitpunkt t1 zeigt sich auch hier, dass Frau Schneider ihren Unterricht sowie den Nutzen der Fortbildungsinhalte für diesen Unterricht ausgehend von ihren ei‐ genen Relevantsetzungen aus denkt. Die (Lern-)Bedürfnisse der Lernenden spielen hierbei keine Rolle („ Also das würde mir sehr viel mehr nützen “, Z. 607-608). Im Gegensatz zum Fall Altay, in welchem es um die Unterstützung der Lernprozesse der Lernenden geht, legt Frau Schneider den Fokus ihrer Ausführungen auf ihr eigenes unterrichtspraktisches Handeln sowie hierauf bezogene ‚Arbeitshilfen‘ für den Umgang mit den durch die Fortbildung an sie herangetragenen Themen und Inhalten. Diese Unterstützung sieht sie in fertig ausgearbeiteten sowie unmittelbar um- und einsetzbaren Unterrichtsmaterialien (vgl. Z. 609-612). Gleichzeitig kristallisiert sich hier ihr teleologisches bzw. lineares Verständnis von Lehren und Lernen heraus. Dieses beruht darauf, fachliche Inhalte in Form von vorgegebenen ‚Anleitungen‘ im Unterricht zu behandeln und mittels Arbeitsblättern an die Schüler*innen weiterzugeben. Die Verwendung des Begriffs ‚Anleitung‘ deutet zudem auf den instruktiven Habitus Frau Schneiders sowie die Vorstellung hin, dass sich Lernprozesse durch das Befolgen von Anweisungen ereignen bzw. initiieren lassen. Es zeigt sich folglich, dass Frau Schneider eine Nichtpassung der Fortbildungsgestaltung sowie der hier vermittelten Inhalte und Normen zu ihrem Habitus wahrnimmt und sich infolgedessen von diesen explizit distanziert („ das finde ich ähm (.) ist für anfangs ein bisschen viel “, Z. 612-613). Die Wahrnehmung dieser Nichtpassung findet ihren Höhepunkt in der Äußerung „ Wir sind ja nicht äh Vollzeit (.) dafür, wir haben ja @noch einen anderen Job@. “ (Z. 614-615). Hierdurch bringt die Lehrkraft zum Ausdruck, dass die Teilnahme an der als umfangreich wahrgenommenen Fortbildung sowie die Auseinandersetzung mit den hier vermittelten Inhalten für sie eine weitere berufliche Tätigkeit darstellt, für welche im schulischen Alltag kein Raum ist. Ferner zeigt sich hier, dass Frau Schneider die Teilnahme an Fortbildungen und damit ihre Professionalisierung nicht als Teil des Lehrberufs rahmt. Fortbildungen sowie die hierin vermittelten Inhalte und Normen sind damit zusätzliche sowie exteriore Anforderungen, die im Vergleich zum als hauptberufliche Tätigkeit gerahmten ‚Job‘ der Lehrkraft, als weniger relevant wahrgenommen werden (vgl. ebd.). Damit distanziert sich Frau Schneider erneut von der Fortbildung und weist die hierin vermittelten Inhalte und Normen zurück. Wie zum Zeitpunkt t1 zeigt die Lehrkraft auch zum Zeitpunkt t2 keine Bereitschaft, ihre Handlungspraxis zu verändern. Vielmehr bleibt es bei der Orientierung an Lenkung und Kontrolle sowie der als relevant gerahmten Institutionsnormen. Zusammenfassend zeigt sich im Fall Schneider, dass es in der Auseinandersetzung mit den fortbildungsbezogenen Normen zu einer Wahrnehmung der Nichtpassung des eigenen Habitus zu diesen Normen kommt. Im Gegensatz zu den Fällen Altay und Hohenstein führt die Wahrnehmung dieser Spannungskonstellation jedoch nicht dazu, dass das eigene Handeln sowie die als für dieses Handeln relevant gesetzten Normen reflektiert 7.5 Längsschnittlicher Vergleich der Interviewzeitpunkte (t1 und t2) 271 <?page no="272"?> sowie adaptiert werden. Vielmehr werden die Berücksichtigung sowie der Einbezug der sprachlichen Hintergründe der Schüler*innen als unvereinbar mit den Orientierungen der Lehrkraft sowie den institutionsbezogenen Normen gerahmt. Infolgedessen kommt es zur Distanzierung von sowie Zurückweisung der Fortbildungsnormen, sodass die Anforderung des Umgangs mit kultureller und sprachlicher Heterogenität im Englischunterricht unbear‐ beitet bleibt. Wie auch zum Zeitpunkt t1 wird der Umgang mit kultureller und sprachlicher Heterogenität damit als exteriore Norm gerahmt, welche den eigenen Relevantsetzungen sowie den wahrgenommenen institutionsbezogenen Normen untergeordnet ist. Letztlich offenbaren sich im Fall Schneider die Persistenz der eigenen habituellen Orientierungen sowie die Vermeidung der Öffnung des Englischunterrichts für Neues. 7.6 Güte und Reichweite der Ergebnisse Bevor im folgenden Kapitel die Ergebnisse dieser Studie diskutiert und in die aktuellen (fremdsprachendidaktischen) Forschungsdiskurse eingeordnet werden, widmet sich dieses Kapitel den für diese Arbeit zentralen Gütekriterien sowie der Einordnung der Ergebnisse hinsichtlich ihrer Reichweite. Die Berücksichtigung und Offenlegung von Güte- und Kontrollkriterien ist in der qualitativ-rekonstruktiven Forschung wesentlich, um einerseits die Transparenz und Nachvollziehbarkeit der Studie zu erhöhen. Zum anderen wird so die „Gefahr der Belie‐ bigkeit und Willkürlichkeit qualitativer Forschung“ (Steinke 2019: 321-322) vermieden. Die für diese Arbeit zentralen Kriterien wurden aus dem Diskurs um die Gütekriterien qualitativ-rekonstruktiver Sozialforschung sowie die Methodologie und Methode der Dokumentarischen Methode abgeleitet (vgl. u. a. Przyborski & Wohlrab-Sahr 2014; Nohl 2017; Steinke 2019; Bohnsack 2021). Diese sind: 1) die Kontrolle der Standortgebundenheit, 2) die Indikation des Forschungsprozesses, 3) intersubjektive Nachvollziehbarkeit, 4) das Prinzip der Offenheit und Datengeleitetheit, 5) Selbstreflexivität und 6) Limitation. Da das Kriterium der Kontrolle der Standortgebundenheit bereits in Kapitel 5 beschrieben wurde, wird es an dieser Stelle nicht erneut aufgeführt. Mit dem Kriterium der Indikation des Forschungsprozesses wird die Notwendigkeit der umfassenden Dokumentation des gesamten Forschungsverlaufes hervorgehoben, was neben der Darlegung des zugrunde gelegten, theoretischen Vorverständnisses und der Begründung der hieraus abgeleiteten Forschungsfragen insbesondere die Erläuterung der Gegenstandsangemessenheit der gewählten Methoden sowie des methodischen Vorgehens bei der Erhebung, Aufbereitung und Analyse der Daten umfasst (vgl. Steinke 2019). Diesem Kriterium wird in der vorliegenden Arbeit nachgekommen, indem die einzelnen Schritte und ergriffenen Maßnahmen des Forschungsprojektes von Anfang an ausführlich beschrieben und transparent dargelegt werden. Hierbei wird besonderen Wert auf die detaillierte Darstellung des Analyseprozesses gelegt, um sowohl das methodische Vorgehen als auch die Interpretationen plausibel zu machen (vgl. Kapitel 6). Dies schließt an das Kriterium der intersubjektiven Nachvollziehbarkeit an. Durch die ausführliche Dokumentation der Forschungsprozesse und Ergebnisse wird gewährleistet, dass diese für ein externes Publikum nachvollziehbar sind und dementsprechend bewertet werden können (ebd.). Vor diesem Hintergrund wurden der Ergebnisdarstellung und 272 7 Typenbildungen und Ergebnisdarstellung <?page no="273"?> -interpretation in dieser Arbeit besondere Aufmerksamkeit gegeben und diese ausführlich beschrieben. Auch wurden die Interpretationen der ausgewählten Interviewpassagen in re‐ gelmäßig stattfindenden Forschungswerkstätten mit Forscher*innen aus unterschiedlichen Fachdisziplinen diskutiert, hinsichtlich ihrer Nachvollziehbarkeit überprüft und letztlich validiert. Das Prinzip der Offenheit und Datengeleitetheit ist vor allem für die dokumentarische Forschung von besonderer Bedeutung, da hierdurch vermieden wird, dass den Forschungs‐ partner*innen die theoretischen Vorannahmen und Relevantsetzungen der Forschenden aufgesetzt werden. Diese können durch das verlaufs- und ergebnisoffene sowie Theorie generierende Forschungsvorgehen hinterfragt und ggf. modifiziert werden, da Theorien „dicht an den Daten […] und auf der Basis systematischer Datenanalyse entwickelt werden“ (Steinke 2019: 328). Diesem Kriterium wurde zum einen bei der Datenerhebung durch die offene Gestaltung der Interviewgespräche Rechnung getragen (vgl. Kapitel 5.2). Zum anderen wurde in der Datenanalyse der Forschungsbereich durch einen systematischen und stets komparativ angelegten Fallvergleich erarbeitet sowie ausgeweitet (vgl. Bohnsack 2021). Hierdurch wurde deutlich, dass zwar die Frage nach dem Umgang mit kultureller und sprachlicher Heterogenität im Fokus des Forschungsvorhabens stand, diese von den Lehrkräften jedoch nicht priorisiert wurde. Auch offenbarten sich durch die offene Herangehensweise bei der Datenanalyse Themen, die im Vorfeld nicht antizipiert wurden, wie z. B. der Umgang der Lehrkräfte mit Ungewissheit (vgl. Kapitel 7.2 und Kapitel 8). Diese stellten sich erst im Verlauf der Datenanalyse als bedeutsam für die Beantwortung der Forschungsfragen der vorliegenden Arbeit heraus. Die Selbstreflexivität dient der Auseinandersetzung der Forschenden mit ihrer eigenen Rolle, da sie ebenfalls ein wesentlicher Teil des Forschungsprozesses sind (vgl. Steinke 2019). Um diesem Kriterium nachzukommen, wurde in der vorliegenden Studie ein Forscher*in‐ nentagebuch geführt. Hierin wurden die einzelnen Schritte des Forschungsprozesses, die getroffenen Entscheidungen, etwaige Herausforderungen und Lösungsansätze sowie Ver‐ änderungen im Forschungsdesign und in der Durchführung der Studie festgehalten. Ebenso diente das Forscher*innentagebuch der Selbstbeobachtung sowie der Dokumentation der Gedanken, Gefühle und Einsichten im Verlauf der einzelnen Phasen des Forschungspro‐ jekts. Die Reflexion der eigenen Rolle ist gerade vor dem Hintergrund der Doppelrolle, welche die Forscherin aufgrund ihrer Tätigkeit als wissenschaftliche Mitarbeiterin im Projekt The Next Level inne hat, von zentraler Bedeutung (vgl. Kapitel 4.3 und 5.2.3). Das Kriterium der Limitation dient dem Aufzeigen der Reichweite, d. h. des Geltungs‐ bereiches und der Verallgemeinerbarkeit der Ergebnisse sowie der im Forschungsprozess gewonnenen Erkenntnisse. Die qualitative Sozialforschung und damit auch die vorliegende Arbeit verfolgen hierbei nicht das Ziel der statistischen Repräsentativität. Somit ist es nicht der Anspruch dieser Arbeit, allgemeingültige und auf die Gesamtheit aller Engli‐ schlehrkräfte übertragbare Aussagen über die unterrichtliche Handlungspraxis sowie die Professionalisierung im Umgang mit kultureller und sprachlicher Heterogenität zu treffen. Dennoch kann mit Hilfe des Instrumentariums der Dokumentarischen Methode durch die Rekonstruktion der Struktur der Handlungspraxis „von einzelnen Beobachtungen auf allgemeine Zusammenhänge“ (Bonnet 2009: 32) geschlossen werden. Von zentraler Bedeutung sind hierbei der systematische und stets komparativ angelegte Fallvergleich 7.6 Güte und Reichweite der Ergebnisse 273 <?page no="274"?> sowie die Typenbildung (vgl. Kapitel 5). In dieser Studie konnte beispielhaft die Struktur der Handlungspraxis berufserfahrener Englischlehrkräfte im Umgang mit kultureller und sprachlicher Heterogenität rekonstruiert und hieraus Typen abgeleitet werden. Des Weiteren wurde der Generalisierungsfähigkeit der rekonstruierten Ergebnisse mit der mehrdimensionalen Typenbildung Rechnung getragen. Denn Bohnsack (2005: 76) zufolge haben Generalisierungsleistungen […] ihre Voraussetzungen darin, dass die Grenzen des Geltungsbe‐ reichs des Typus bestimmt werden können, indem fallspezifische Beobachtungen aufgewiesen werden, die anderen Typen zuzuordnen sind. Am Fall sind somit grundsätzlich unterschiedli‐ che Typen bzw. Typiken, d. h. unterschiedliche Dimensionen oder ‚Erfahrungsräume‘ auf der Grundlage komparativer Analyse […] aufzuweisen und deren ‚Überlagerungen‘ empirisch zu rekonstruieren. Mit den Ergebnissen dieser Studie nicht beantwortet werden kann die Frage nach der Ent‐ stehung der rekonstruierten handlungsleitenden Orientierungen der befragten Lehrkräfte. Auch die Frage danach, woher die in Kapitel 7 deutlich gewordene Relevantsetzung der institutionsbezogenen Normen stammt, muss an dieser Stelle offen bleiben. Hiermit zusam‐ men hängt weiterhin die Frage nach dem sozialen Zusammenhang der Rekonstruktionen, z. B. im Hinblick auf generations- oder geschlechtsspezifische Erfahrungszusammenhänge. Diesen Fragen könnte im Rahmen einer Soziogenese nachgegangen werden. Hierfür bedarf es jedoch eines Samples, welches sich durch eine größere Diversität auszeichnet, z. B. im Hinblick auf Alter, Geschlecht oder Schulformen der Lehrkräfte. Auf den Rekonstruktionen der handlungsleitenden Orientierungen zum Umgang mit kultureller und sprachlicher Heterogenität aufbauend wurden exemplarisch Professionali‐ sierungsprozesse anhand von Einzelfällen identifiziert, die einen tiefergehenden Einblick in Entwicklungs- und Veränderungsprozesse jenseits von Habitustransformationen geben (vgl. Kapitel 6.2.5 und 7.5). Diese geben einen ersten Einblick, welche Prozesse sich auf der Ebene des impliziten Wissens innerhalb einer Lehrkräftefortbildung zum Thema des Umgangs mit kultureller und sprachlicher Heterogenität ereignen können. Um zu generalisierungsfähigen Aussagen zu gelangen und damit die Reichweite der Ergebnisse hinsichtlich der identifizierten Professionalisierungsprozesse zu erhöhen, müssten diese in anschließender Forschung typisiert werden. Wie sich im Folgenden zeigen wird, weisen die Ergebnisse dieser Arbeit Übereinstim‐ mungen mit den Befunden der Arbeiten von Wilken (2021), Püster (2021) und Lüke (2024) auf. Neben der thematischen Nähe zu insbesondere Wilkens (2021) Arbeit ist dies ein deutlicher Indikator für die Validität und Relevanz der Ergebnisse dieser Arbeit. 274 7 Typenbildungen und Ergebnisdarstellung <?page no="275"?> 189 Aus Darstellungsgründen sowie aus Gründen der Übersichtlichkeit werden die Unterfragen, wel‐ che die beiden Forschungsfragen ausdifferenzieren und methodisch-methodologisch zugänglich machen, im Folgenden nicht erneut abgebildet. Dies ist bereits in Kapitel 4.1 in ausführlicher Form geschehen. Vielmehr liegt der Fokus auf den übergeordneten Forschungsfragen dieser Arbeit. Die Unterfragen werden jedoch in den Unterkapiteln des Diskussionsteils bearbeitet und sind den nachfolgenden Ausführungen damit inhärent (vgl. Kapitel 8.1 bis 8.3). 8 Zusammenfassung und Diskussion der Ergebnisse Die vorliegende Arbeit hatte zum Ziel, die Professionalisierungsprozesse von berufsrouti‐ nierten Englischlehrkräften im Umgang mit kultureller und sprachlicher Heterogenität zu rekonstruieren, wie sie sich im Verlauf einer siebenmonatigen Lehrkräftefortbildung ereignen. Im Fokus standen zwei Forschungsfragen 189 (vgl. Kapitel 4.1): 1a) Welche Erfahrungen machen berufsroutinierte Englischlehrkräfte im Umgang mit kultureller und sprachlicher Heterogenität in ihrem Englischunterricht? 1b) Wie professionalisieren sich berufsroutinierte Englischlehrkräfte im Umgang mit kultureller und sprachlicher Heterogenität? Professionalisierung wurde hierbei aus einer strukturtheoretisch-berufsbiographischen Perspektive als lebenslanger berufsbiographischer Prozess der Wahrnehmung, Deutung und Bearbeitung von allgemeinen, unterrichtssowie fachbezogenen Handlungsanforde‐ rungen betrachtet, „in deren Zuge sich vorhandene Kompetenzen und Orientierungen weiterentwickeln, ausdifferenzieren und transformieren“ (Bonnet & Hericks 2014: 88). Im Fokus standen Veränderungs- und Stabilisierungsprozesse bezüglich der Wahrnehmung und Bearbeitung berufsbezogener Anforderungen, die sich im Rahmen einer Fortbildung zum Umgang mit kultureller und sprachlicher Heterogenität rekonstruieren ließen (vgl. Kapitel 2.5). Um diese Fragen zu beantworten, wurde die unterrichtliche Handlungspraxis von zwölf Englischlehrkräften zu zwei Erhebungszeitpunkten mittels Dokumentarischer Methode rekonstruiert und so die handlungsleitenden Orientierungen herausgearbeitet, die diese Praxis strukturieren (vgl. Kapitel 7). In einem ersten Schritt wurde eine mehrdimensionale sinngenetische Typenbildung durchgeführt, deren Ergebnis die drei Typen der Gestaltung des Englischunterrichts im Umgang mit Lernenden, ko-konstruktiv, durchprozessiert und lenkend, bilden (vgl. Kapitel 7.2). Zum anderen konnten hierauf aufbauend drei Umgangs‐ weisen mit kultureller und sprachlicher Heterogenität im Englischunterricht rekonstruiert werden: einbindend, aushandelnd und funktionalisierend (vgl. Kapitel 7.3). Im Anschluss hieran zeichnete sich ab, dass der Umgang mit kultureller und sprachlicher Heterogenität für die Lehrkräfte des vorliegenden Samples mit der Art und Weise ihrer Gestaltung des Englischunterrichts zusammenhängt. Gleichzeitig konnte die Wirkmächtigkeit insti‐ tutioneller und fachspezifischer Normen sowie deren Einfluss auf die unterrichtliche Handlungspraxis der Lehrkräfte rekonstruiert werden. Diesen Zusammenhängen wurde in einem zweiten Schritt in der relationalen Typenbildung nachgegangen. Das Ergebnis bilden drei Typen des Umgangs mit institutions- und fachbezogenen Normen: adaptierend, <?page no="276"?> subordinierend und übernehmend (vgl. Kapitel 7.4). Hierbei wurde deutlich, dass der Umgang mit diesen Normen unterschiedliche Potenziale für die Professionalisierung der befragten Lehrkräfte bietet, die von der Wahrnehmung und Bearbeitung des Spannungsverhältnisses zwischen Habitus und Normen abhängen (vgl. Kapitel 7.5). Als zentrales Ergebnis dieser Arbeit lässt sich festhalten, dass sowohl die Gestaltung des Englischunterrichts im Umgang mit kultureller und sprachlicher Heterogenität als auch die Realisierung der auf dieses Handlungsfeld bezogenen Professionalisierungsprozesse der befragten Lehrkräfte durch den Umgang mit institutionellen sowie fachspezifischen Normen beeinflusst und mitunter begrenzt wird. Als relevant hat sich hierbei für die Lehrkräfte dieses Samples der Umgang mit Ungewissheit erwiesen (vgl. hierzu Kapitel 2.3.2 und 2.5). Während die Darstellung der Ergebnisse und Analyseprozesse der vorliegenden Arbeit in den vorangegangenen Kapiteln vornehmlich rekonstruktiv erfolgte (vgl. Kapitel 7), werden diese nun vor dem Hintergrund der gegenstands- und professionstheoretischen Verortung dieser Arbeit diskutiert. Hierfür ist es notwendig, normative Bezugspunkte heranzuziehen und sie an die jeweiligen wissenschaftlichen Diskurse zurückzubinden. Die für diese Arbeit relevanten Bezugspunkte lassen sich aus dem Erkenntnisinteresse ableiten (vgl. Kapitel 4). Die Bezugspunkte sind Kulturelle und sprachliche Heterogenität, Englischunterricht und Professionalisierung. Die Ergebnisse werden im Folgenden entlang der Forschungsfragen und ihrer Unterfragen diskutiert. In einem ersten Schritt werden die Ergebnisse der mehrdimensionalen sinngenetischen Typenbildung in den Blick genommen und es wird dargestellt, wie die befragten Lehrkräfte ihren Englischunterricht im Umgang mit kultureller und sprachlicher Heterogenität gestalten (Kapitel 8.1). In einem zweiten Schritt wird eine normorientierte Perspektive eingenommen und beleuchtet, welche Hand‐ lungsanforderungen die Englischlehrkräfte in der Gestaltung ihres Englischunterrichts wahrnehmen und wie sie diese bearbeiten (Kapitel 8.2). In einem dritten Schritt wird sich sodann der professionstheoretischen Perspektive gewidmet und die Ergebnisse dieser Arbeit bezogen auf die Frage diskutiert, welche Prozesse von Professionalisierung und Deprofessionalisierung sich bei den befragten Lehrkräften zeigen (Kapitel 8.3). Hierbei wird auf die Ergebnisse der relationalen Typenbildung sowie der längsschnittlichen Analyse der Interviewzeitpunkte t1 und t2 zurückgegriffen. Abschließend werden die diskutierten Ergebnisse zusammengefasst und Implikationen für die Gestaltung der fremdsprachendi‐ daktischen Lehrer*innenbildung gegeben (Kapitel 8.4). 8.1 Kulturelle und sprachliche Heterogenität Im Sample der vorliegenden Arbeit hat sich gezeigt, dass das Thema kulturelle und sprach‐ liche Heterogenität kein zentrales Orientierungsproblem der befragten Lehrkräfte darstellt. Dennoch schreiben sie dem Thema auf expliziter Ebene grundsätzlich eine Relevanz für ihre unterrichtliche Handlungspraxis sowie für die Lernprozesse ihrer Schüler*innen zu. Dies ist anschlussfähig an die Ergebnisse der in Kapitel 3.4.1 dargestellten Fragebogenstudien (vgl. z. B. Heyder & Schädlich 2014; Barras, Peyer & Lüthi 2019; Sambanis & Ludwig 2021). Auf impliziter Ebene zeigte sich, dass die beiden Heterogenitätsdimensionen Kultur und Sprache typenspezifisch wahrgenommen und dementsprechend unterschiedlich bearbeitet werden. Zunächst wird auf das Verständnis der Lehrkräfte von kultureller und sprachlicher 276 8 Zusammenfassung und Diskussion der Ergebnisse <?page no="277"?> Heterogenität eingegangen, sowie auf die Art und Weise, wie sie Heterogenität in ihrem Unterricht konstruieren. Hieran anschließend folgt die Betrachtung der Handlungspraxis der Lehrkräfte, die entlang der gebildeten Typen zum Umgang mit kultureller und sprach‐ licher Heterogenität diskutiert wird (vgl. hierzu Kapitel 7.3). Hierbei werden primär die Ergebnisse des ersten Erhebungszeitpunktes berücksichtigt und an ausgewählten Stellen mit denjenigen des zweiten Erhebungszeitpunktes ergänzt. Die Diskussion der Ergebnisse des zweiten Erhebungszeitpunktes t2 ist Gegenstand des Kapitels 8.3. Bei der Befragung der Lehrkräfte zum Thema kulturelle und sprachliche Heterogeni‐ tät wurde deutlich, dass die Lehrkräfte des Samples keine expliziten Differenzierungen bezüglich der Heterogenitätsdimensionen Kultur und Sprache vornehmen. Kulturelle und sprachliche Heterogenität werden in erster Linie als familiär bzw. biographisch geprägte Phänomene gerahmt, die von den Lernenden in den Unterricht getragen werden. Hierbei beziehen sich die Lehrkräfte vor allem auf die sprachlichen Erfahrungen und Hintergründe der Lernenden und bringen diese mit einem angenommenen Migrationshintergrund in Verbindung. Auch wenn die Lehrkräfte auf expliziter Ebene nicht zwischen sprachlicher und kultureller Heterogenität differenzieren, so lässt sich dennoch rekonstruieren, dass sie mit Kultur in erster Linie Kategorien wie Religion, Bräuche, (nationenbasierte) Herkunft sowie Sprache verbinden. Ein holistisches bzw. hybrides Verständnis von Kultur und Sprache, wie es beispielsweise durch den Europarat postuliert wird und sich auch im fachdidaktischen Diskurs etabliert hat (vgl. Hu 2017; König et al. 2022a), lässt sich bei den Lehrkräften nicht ausmachen. Somit bestätigt sich die in Kapitel 3 erwähnte Spannung zwischen fachdidaktischen Annahmen und bildungspolitischen Normsetzungen sowie deren unterrichtlicher Implementation (vgl. auch König et al. 2022a). Auch zum Zeitpunkt t2 lässt sich keine Veränderung in der Konzeptualisierung von kultureller und sprachlicher Heterogenität bei den Lehrkräften ausmachen. Zwar rekurrie‐ ren die Lehrkräfte auf expliziter Ebene vereinzelt auf das Konzept der Transkulturalität sowie mehrsprachigkeitsdidaktische Ansätze, allerdings spiegelt sich dies nicht in der rekonstruierten Struktur der unterrichtlichen Handlungspraxis der Lehrkräfte wider. Viel‐ mehr zeigt sich, dass das Denken und Handeln der Lehrkräfte in Bezug auf kulturelle und sprachliche Heterogenität (noch immer) vom Interkulturalitätsparadigma geprägt ist (vgl. Kapitel 7.3). Das Thema wird von den Lehrkräften an Herkunft sowie die Zugehörigkeit zu definier- und abgrenzbaren sozialen (Kultur-)Gruppen gebunden. Dies führt dazu, dass eine Heterogenität konstruiert wird, welche die Lernenden in Form von Differenzkategorien in Schüler*innen mit und ohne Migrationshintergrund aufteilt. So werden Schüler*innen mit einer von der deutschen Sprache abweichenden L1 als ‚Andere‘ konstruiert, was häufig mit Zuschreibungen einhergeht, die nicht reflektiert werden. Auch werden hierdurch Eigen- und Fremdbinaritäten aufrechterhalten. Dies ist anschlussfähig an die Ergebnisse von Kreft (2020) und Vernal Schmidt (2021). Ähnlich wie in der Studie von Wilken (2021) zeigte sich auch im Sample dieser Arbeit, dass die befragten Lehrkräfte auf impliziter Ebene die Vorstellung einer monolingualen, homogenen Schüler*innenschaft als Basis des Englischunterrichts teilen. Dies geht mit einer Wahrnehmung von kultureller und sprachlicher Heterogenität als Herausforderung an das Handeln der Lehrkräfte einher, welche jedoch typenspezifisch bearbeitet wird. Die Umgangsweisen mit kultureller und sprachlicher Heterogenität im Englischunterricht 8.1 Kulturelle und sprachliche Heterogenität 277 <?page no="278"?> konnten in dieser Arbeit auf der Ebene des handlungsleitenden Wissens in Form von drei Typen rekonstruiert werden: einbindend, aushandelnd und funktionalisierend. Diese lassen sich mit ihren handlungsleitenden Orientierungen auf einem Kontinuum zwischen einem schüler*innen- und ressourcenorientierten (Typ einbindend) sowie einem an (natio‐ nenbasierten) Kollektiven ausgerichteten und defizitorientierten Zugang zu kultureller und sprachlicher Heterogenität abbilden (Typ funktionalisierend). Im aushandelnden Typ ließ sich ein Oszillieren zwischen beiden Zugängen rekonstruieren. Der einbindende Typ zeichnet sich im Umgang mit kultureller und sprachlicher Hete‐ rogenität dadurch aus, dass das Individuum mit seinen Interessen, Bedürfnissen und Hintergründen im Mittelpunkt des Englischunterrichts steht. Kulturelle und sprachliche Hintergründe sowie Erfahrungen der Schüler*innen werden nahezu selbstverständlich in Unterrichtsgesprächen aufgegriffen und als Ressourcen gerahmt. Im Fokus des Englischun‐ terrichts steht der Spracherwerb sowie die Befähigung der Lernenden zur kommunikativen Teilhabe an der außerschulischen Lebenswelt, wozu sämtliche Spracherfahrungen und -fähigkeiten der Lernenden beitragen. Jedoch erfolgt der Einbezug dieser Ressourcen punktuell und vornehmlich schüler*inneninduziert, sodass sich keine systematische Nut‐ zung der kulturellen und sprachlichen Hintergründe der Lernenden ausmachen lässt, wie sie im mehrsprachigkeitsdidaktischen Diskurs gefordert wird (vgl. z. B. Neveling 2013; Heyder & Schädlich 2014; Jakisch 2015; Kropp 2017). Bei den Fällen dieses Typs finden sich vornehmlich Mikromethoden in Bezug auf die Nutzung der sprachlichen Erfahrungen und Hintergründe, die auf Sprachvergleichen sowie der Nutzung einzelner Vokabeln als Übersetzungshilfen basieren. Dies ist anschlussfähig an die Befunde der Studie von Heyder und Schädlich (2014), bei welcher die Lehrkräfte angaben, eher spontan und intuitiv, jedoch wenig systematisch auf die sprachlichen Hintergründe der Lernenden einzugehen. Im Gegensatz zu den von den Autor*innen befragten Lehrkräften wird bei den Fällen des Typs einbindend jedoch deutlich, dass auf sämtliches Sprachwissen sowie sprachliche Erfahrungen der Lernenden zurückgegriffen wird und damit auch Herkunfts- und Familiensprachen relevant werden. Dies geht mit einer Ungewissheitstoleranz der Lehrkräfte einher, denn sie zeigen eine Offenheit gegenüber Sprachwissen und kulturellen Erfahrungen aus Erfahrungsräumen, an welchen sie selbst nicht teilhaben, und sie passen ihren Unterricht entsprechend der Bedürfnisse der Lernenden an. Der Englischunterricht wird damit zu einem Raum, in welchem Offenheit, Anerkennung und Wertschätzung dominieren und Lehrkräfte und Schüler*innen gemeinsam von- und miteinander lernen (vgl. hierzu auch Kapitel 7.3). Demnach wird der Umgang mit kultureller und sprachlicher Heterogenität von den Lehrkräften des Typs einbindend nicht als exteriore Norm gerahmt, die in Spannung zu ihrem Habitus steht. Vielmehr rahmen die Lehrkräfte kulturelle und sprachliche Heterogenität im Sinne von individuellen Ressourcen der Lernenden als inhärenten Bestandteil ihres Unterrichts und damit als notwendige Handlungsanforderung, die selbstverständlich bearbeitet wird. Auch der Typ aushandelnd ist durch einen wertschätzenden und anerkennenden Umgang mit den kulturellen und sprachlichen Hintergründen der Schüler*innen gekennzeichnet. Auf expliziter Ebene werden diese Hintergründe als Ressourcen gerahmt und die Bedeutung ihres Einbezugs in den Englischunterricht betont. Auf impliziter Ebene zeigt sich jedoch, dass kulturelle und sprachliche Heterogenität weniger vor dem Hintergrund der Ermögli‐ 278 8 Zusammenfassung und Diskussion der Ergebnisse <?page no="279"?> chung von (Sprach-)Lernprozessen, sondern als Möglichkeit des Beziehungsaufbaus mit den Schüler*innen relevant werden. Damit weist dieser Typ Ähnlichkeiten zu dem von Wilken (2021) rekonstruierten Typ instrumentalisierend auf. Allerdings greift der Typ aus‐ handelnd im Gegensatz zu Wilkens Typ nicht gezielt auf die sprachlichen oder kulturellen Ressourcen der Lernenden zurück, sondern äußert Unsicherheiten und fehlendes Wissen in Bezug auf den unterrichtlichen Umgang mit diesen Heterogenitätsdimensionen. Dies ist anschlussfähig an die Befunde von Cutrim Schmid und Schmid (2017), die deutlich machen, dass es den befragten Englischlehrkräften an Kenntnissen über Ansätze und Strategien zur Nutzung der mehrsprachigen Ressourcen ihrer Schüler*innen fehlt. Anhand des Typs aushandelnd wird jedoch besonders deutlich, dass nicht das von den Lehrkräften explizierte fehlende Wissen zum Umgang mit kultureller und sprachli‐ cher Heterogenität im Unterricht ausschlaggebend für den bislang wenig systematischen Einbezug der schüler*innenseitigen sprachlichen und kulturellen Hintergründe sowie Erfahrungen ist. Vielmehr sind es die wahrgenommenen institutionsbezogenen Normen, die von den Lehrkräften unterschiedlich bearbeitet und entweder als begrenzend oder aber als strukturierender Rahmen für die Gestaltung des Englischunterrichts wahrgenommen werden (vgl. hierzu Kapitel 7.4). So richtet sich die primäre Orientierung der Lehrkräfte dieses Typs auf curriculare Vorgaben sowie inhaltliche Anforderungen, welchen gegenüber der Einbezug der kulturellen und sprachlichen Ressourcen der Lernenden untergeordnet ist. Auch zeigt sich in diesem Typ eine Tendenz zur Ungewissheitsvermeidung, da der Englischunterricht weitestgehend zweisprachig abgehalten wird (Englisch und Deutsch) und weitere (Fremd-)Sprachen nur dann aufgegriffen werden, wenn sich die Lehrkräfte als kompetent in den jeweiligen Sprachen rahmen oder eine Passung zum Curriculum bzw. Lehrplan wahrnehmen. Das zentrale Handlungsproblem dieses Typs liegt folglich in der Passungsherstellung der fachlichen und curricularen Anforderungen sowie der als exterior wahrgenommenen Norm des Umgangs mit der Schüler*innenheterogenität. Trotz der Wirkmächtigkeit und der handlungsleitenden Relevanz des Curriculums für diesen Typ, rekurrieren die Lehrkräfte nicht auf die in Kapitel 3.3 dargestellten curricularen Anforderungen an das Lehrer*innenhandeln in Bezug auf den Umgang mit kultureller und sprachlicher Heterogenität. Dies spricht dafür, dass den Lehrkräften die stellenweise Auf‐ nahme des Konzeptes der Transkulturalität sowie mehrsprachigkeitsdidaktischer Lernziele in die Curricula nicht bewusst zu sein scheint. Auch hier bestätigt sich das Spannungsver‐ hältnis zwischen fachdidaktischen Annahmen und bildungspolitischen Normsetzungen sowie deren unterrichtspraktischer Umsetzung (vgl. Diehr 2018; König et al. 2022a). Der Typ funktionalisierend hat einen eher distanzierten und defizitorientierten Zugang zu kultureller und sprachlicher Heterogenität. So wird der Einbezug der kulturellen und sprachlichen Hintergründe der Schüler*innen in erster Linie als Hindernis für den Erwerb der englischen Sprache und damit als Herausforderung für das Handeln der Lehrkräfte ge‐ rahmt. In der Auseinandersetzung mit dem Thema kulturelle und sprachliche Heterogenität heben die Lehrkräfte vor allem sprachliche Schwierigkeiten oder mangelnde sprachliche Fähigkeiten der Schüler*innen hervor, die mit einem angenommenen Migrationshinter‐ grund in Verbindung gebracht werden. Auch wird das Thema kulturelle und sprachliche Heterogenität in Form von Zuschreibungen verhandelt, die nicht reflektiert werden (vgl. Kreft 2020; Vernal Schmidt 2021). Es werden rassistische Metaphern verwendet, die von 8.1 Kulturelle und sprachliche Heterogenität 279 <?page no="280"?> 190 Ausdrücklich hervorgehoben wird an dieser Stelle, dass es sich bei diesem Befund nicht um einen kausalen Zusammenhang handelt, sondern lediglich eine systematische, die Struktur der Handlungspraxis betreffende Verbindung festgestellt wurde. 191 Anforderungen werden hier im Sinne des Entwicklungsaufgabenkonzepts nach Hericks (2006) verstanden (vgl. Kapitel 2.3.3; vgl. auch Kapitel 4.2). den Lehrkräften weder problematisiert noch als rassistisch wahrgenommen werden (vgl. Kapitel 7.3.3). Bei den Lehrkräften dieses Typs zeigt sich ein an Nationen und Herkunft gebundenes, essenzialisierendes Kulturverständnis, bei welchem Kulturen als in sich geschlossene, homogene und voneinander abgrenzbare Entitäten wahrgenommen werden. Die kulturellen und sprachlichen Hintergründe der Schüler*innen werden themenbezogen und initiiert durch das Lehrwerk oder das Curriculum in den Englischunterricht einbezo‐ gen. Im Fokus steht in erster Linie die Vermittlung von Sprachwissen im Sinne von Gram‐ matik und formalen Strukturen in Bezug auf die Fremdsprache Englisch sowie das Wissen über (Ziel-)Kulturen. Sprachliche Fähigkeiten jenseits der Fremdsprache Englisch sowie kulturelle Erfahrungen der Lernenden außerhalb von englischsprachigen Erfahrungsräu‐ men spielen im Englischunterricht der Lehrkräfte des Typs funktionalisierend keine Rolle. So wird der Englischunterricht einsprachig abgehalten und Abweichungen hiervon als Defizit gerahmt. Dies lässt sich mit den Befunden Özkuls (2015) in Beziehung setzen, denen zufolge „Migrantensprachen oft als Störfaktor“ (ebd.: 252) im Unterricht betrachtet und dementsprechend ausgeblendet werden. Dies zeigt sich bei den Lehrkräften des Typs funktionalisierend vor allem in Form von Sprachverboten, die zugunsten der Orientierung am einsprachigen Englischunterricht sowie dem Ideal des native speaker ausgesprochen werden. Diese Normen haben sich bei den Lehrkräften dieses Typs als handlungsleitend und damit als selbstverständlich für die Gestaltung des Englischunterrichts erwiesen. Somit offenbart sich der von Gogolin (1994) geprägte monolinguale Habitus der Lehrkräfte. Im Zuge der mehrdimensionalen Typenbildung hat sich herauskristallisiert, dass der Um‐ gang mit kultureller und sprachlicher Heterogenität mit der Art und Weise der Gestaltung des Englischunterrichts zusammenhängt 190 . Dieser Zusammenhang wurde in der relatio‐ nalen Typenbildung untersucht (vgl. Kapitel 7.4), deren Ergebnisse in Kapitel 8.3. diskutiert werden. Als ausschlaggebend für die Berücksichtigung der kulturellen und sprachlichen Hintergründe der Schüler*innen im Englischunterricht hat sich für das vorliegende Sample eine Orientierung an den Schüler*innen und deren (Lern-)Bedürfnissen (Typ einbindend) erwiesen, wohingegen eine Orientierung am Curriculum (Typ aushandelnd) oder an den eigenen Relevantsetzungen (Typ funktionalisierend) dem Einbezug von kultureller und sprachlicher Heterogenität eher entgegenstehen. Die Gestaltung des Englischunterrichts, wie sie sich aus der Rekonstruktion der Struktur der Handlungspraxis ergeben hat, wird im Folgenden diskutiert. 8.2 Englischunterricht und Normorientierung Bei den Fragen danach, welche handlungsleitenden Orientierungen das Handeln der be‐ fragten Lehrkräfte im Umgang mit kultureller und sprachlicher Heterogenität im Englisch‐ unterricht strukturieren und welche Anforderungen 191 sie an ihr Handeln wahrnehmen, 280 8 Zusammenfassung und Diskussion der Ergebnisse <?page no="281"?> ist der Englischunterricht zwangsläufig in den Blick zu nehmen. Dies erfolgte im Rahmen der mehrdimensionalen sinngenetischen Typenbildung, bei welcher deutlich wurde, dass der Umgang mit kultureller und sprachlicher Heterogenität für die Lehrkräfte des Samples und deren Unterricht eine eher untergeordnete Rolle spielt (vgl. Kapitel 7.2). Vielmehr standen bei der Betrachtung des Erfahrungsraumes des Englischunterrichts andere Hand‐ lungsfelder im Fokus, die dessen Vielschichtigkeit in Form von Typiken deutlich machten. Diese ursprünglich nicht antizipierte Ausdifferenzierung des Erfahrungsraums Englisch‐ unterricht ließ weiterhin offenbar werden, dass sich die Lehrkräfte bei der Gestaltung ihres Englischunterrichts spannungsreich sowohl an Institutionsals auch an fachdidaktischen Normen abarbeiten. So zeigte und bestätigte sich der bereits in verschiedenen fremdspra‐ chendidaktischen Arbeiten rekonstruierte und zunächst banal anmutende Befund, dass (Englisch-)Unterricht innerhalb eines institutionellen und normativ strukturierten Bedin‐ gungsrahmens abläuft, welcher das Handeln der Lehrkräfte ermöglicht, aber auch begrenzt (vgl. Bonnet & Hericks 2020; Püster 2021; Vernal Schmidt 2021; Wilken 2021). Hierbei spielen sowohl fachspezifische als auch fachübergreifende Normen eine Rolle, was im Folgenden anhand der rekonstruierten Typen ko-konstruktiv, durchprozessiert und lenkend sowie ihren typenspezifischen Gestaltungsweisen des Englischunterrichts diskutiert wird. Der Typ ko-konstruktiv zeichnet sich in der Gestaltung seines Englischunterrichts durch eine ausgeprägte Schüler*innenorientierung aus, die sich vor allem darin zeigt, dass der Unterricht ausgehend von den Bedürfnissen, Interessen und Relevantsetzungen der Lernenden durchgeführt und als gemeinsam gestaltete Praxis gerahmt wird. Den (Lern-)Voraussetzungen und individuellen Bedürfnissen der Lernenden wird eine größere Priorität eingeräumt als formalen und normativen Vorgaben, wie z. B. Curricula, Lehrwer‐ ken oder aber Stundenphasierungen. Diese Vorgaben werden von den Lehrkräften dieses Typs zwar als Rahmen ihres unterrichtlichen Handelns wahrgenommen, jedoch kann dieser Rahmen flexibel ausgestaltet und an die Bedürfnisse der Lernenden angepasst werden (vgl. auch Kapitel 7.4). Auch wird den Lernenden Autonomie über die Gestaltung ihrer eigenen Lernprozesse zugestanden, indem die Schüler*innen für sie relevante Themen und Inhalte in den Unterricht einbringen dürfen und diese von der Lehrkraft selbstver‐ ständlich aufgegriffen werden. Weiterhin gehen die Lehrkräfte offen mit dem eigenen Nicht-Wissen um und zeigen eine Bereitschaft, von den Schüler*innen zu lernen und Wissensbestände, über welche sie selbst nicht verfügen (z. B. aufgrund der Zugehörigkeit der Lernenden zu bestimmten Erfahrungsräumen), im Unterricht aufzugreifen. Hierin offenbart sich die Offenheit und Ungewissheitstoleranz der Lehrkräfte in der Gestaltung ihres Unterrichts, denn es gelingt ihnen, die Antinomien des Lehrberufs offenzuhalten sowie situativ auszuhandeln (vgl. Helsper 2021; vgl. hierzu auch Kapitel 2.3.2). Damit lassen sich Parallelen zu dem von Püster (2021) rekonstruierten Typ Mentoringgespräche als Ort des gemeinsamen Abwägens ziehen. Hier bilden die Schüler*innen und deren Voraussetzungen ebenfalls einen normativen Bezugspunkt für die Gestaltung des Englischunterrichts der von der Autorin befragten Studierenden. Fach- und institutionsbezogene Normen sind demgegenüber untergeordnet. Dies deutet Püster als Möglichkeit für die Entstehung von etwas Neuem, „da durch das Ausbleiben normativer Setzungen der Planungsprozess [des Unterrichts] nicht von vorneherein normativ vorherbestimmt ist“ (ebd.: 223; C.L.). 8.2 Englischunterricht und Normorientierung 281 <?page no="282"?> Der fachliche Fokus des Englischunterrichts des Typs ko-konstruktiv ist weniger auf formale Aspekte der englischen Sprache, wie z. B. Sprachrichtigkeit, die Vermittlung von Grammatik oder Sprachstrukturen als vielmehr auf die Befähigung der Lernenden zur kommunikativen Teilhabe an der außerschulischen Lebenswelt gerichtet. Dementspre‐ chend geht es um die Anwendung der sprachlichen Fähigkeiten, die Initiierung von Sprechanlässen sowie um den Austausch über für die Lernenden relevante Themen. Damit weist der Typ ko-konstruktiv hinsichtlich des fachlichen Fokus Ähnlichkeiten zu dem von Lüke (2024) rekonstruierten Typ Unterrichtliche Aushandlung auf, bei welchem der Fokus der unterrichtlichen Handlungspraxis ebenfalls auf den Bedürfnissen der Lernenden liegt. Auch zeigt der Typ ko-konstruktiv Parallelen zu dem von Wilken (2021) rekonstruierten Untertypus Verständigung auf, bei welchem die englische Sprache in erster Linie für „eine konkrete Anwendung - und nicht für den Selbstzweck eines Unterrichtsfaches“ (ebd.: 177) vermittelt wird. Während Wilken jedoch rekonstruieren kann, dass die Korrektheits‐ norm einen hohen Stellenwert für die Handlungspraxis der von ihr befragten Lehrkräfte aufweist, und damit auch für die Lehrkräfte ihres Untertyps Verständigung als notwendige Voraussetzung „für eine erfolgreiche, d. h. verständliche, Kommunikation“ (ebd.) gerahmt wird, lässt sich dies bei den Lehrkräften des Typs ko-konstruktiv nicht rekonstruieren. Vielmehr distanzieren sie sich von einem primär an der Identifikation und Korrektur von sprachlichen Fehlern orientierten Lehrer*innenhandeln und rahmen dieses als Hindernis für die Initiierung von und Teilnahme an (außerschulischen) Kommunikationssituationen. Somit zeigt sich bei den Fällen dieses Typs eine deutliche Mitteilungsorientierung, welche auch in der Studie von Bonnet und Hericks (2020) im Kontrast zu einer Formorientierung rekonstruiert wurde. Letztere erweist sich im vorliegenden Sample jedoch als bedeutsam für die Fälle der Typen durchprozessiert und lenkend. Bei den Lehrkräften des Typs durchprozessiert wurde eine deutliche Orientierung an institutionellen und formalen Vorgaben offenbar, die in der Durchprozessierung des Lehr‐ werks sowie der durch das Curriculum vorgegebenen Themen ihren Ausdruck findet. Im Fokus des Handelns der Lehrkräfte steht in erster Linie die Vermittlung von überprüfbarem Wissen, welches von den Lehrkräften rezeptartig und mit klar strukturierten Instruktionen an die Schüler*innen weitergegeben wird. Auch zeigt sich ein häufiges Rekurrieren auf Prüfungen und das Erreichen von Leistungsniveaus, welchem durch die Abarbeitung der vorgegebenen, kanonisierten und von den Lehrkräften nicht hinterfragten (Fach-)Inhalte nachgekommen werden soll. Insbesondere die für diesen Typ charakteristische Dominanz des Lehrwerks sowie die als selbstverständlich angenommene Verpflichtung, dieses durch‐ zuarbeiten, zeigt sich auch bei den Lehrkräften der Studie von Bonnet und Hericks (2020). Die Autoren stellen die These auf, dass es sich hierbei um eine Handlungsstrategie der Lehrkräfte handele, die wahrgenommene „Prüfungslast“ (ebd.: 266) ökonomisch zu bewältigen. Während die Autoren diese Orientierungen der Lehrkräfte in erster Linie im Zusammenhang mit der Prüfungsorientierung des Gymnasiums diskutieren, lässt sich diese Schulformspezifik für das vorliegende Sample nicht bestätigen. So wurden dem Typ durchprozessiert neben Gymnasial- und Berufsschullehrkräften in erster Linie Lehrkräfte der Sekundarstufe I, und hier vornehmlich des Haupt- und Realschulzweigs, zugeordnet. Dies schließt an die Befunde von Püster (2021) an, die hinsichtlich der von ihr rekonstruierten Prüfungsorientierung ihres Samples ebenfalls keine Schulformspezifik 282 8 Zusammenfassung und Diskussion der Ergebnisse <?page no="283"?> ausmachen konnte (vgl. ebd.: 218). Vor diesem Hintergrund wird sich mit der vorliegenden Arbeit der oben genannten These von Bonnet und Hericks (2020) nicht angeschlossen. Die Abarbeitung der Vorgaben des Curriculums sowie des Lehrwerks stellt für die Fälle des Typs durchprozessiert die zentrale handlungsleitende Orientierung dar, welche die Gestaltung des Englischunterrichts der Lehrkräfte strukturiert und auch den fachlichen Schwerpunkt dieses Typs plausibel macht. Letzterer liegt weniger auf der Befähigung der Schüler*innen zur kommunikativen Teilhabe an der außerschulischen Lebenswelt, sondern vielmehr auf der Vermittlung von vorgegebenen Inhalten und explizitem sprachlichen Wissen (wie z. B. Grammatik, Wortschatz, Orthographie). Zwar wird die Initiierung von Sprechanlässen und damit die Kommunikation und Anwendung der englischen Sprache auch in diesem Typ relevant gesetzt. Allerdings stehen die Erfüllung sowie das Erreichen fachlicher und inhaltlicher Standards im Vordergrund. Die Handlungspraxis der Lehrkräfte oszilliert in Bezug auf den fachlichen Fokus folglich zwischen einer Mitteilungs- und einer Formorientierung (vgl. Bonnet & Hericks 2020). Während Spracherwerb bei den Fällen des Typs ko-konstruktiv also in erster Linie durch Kommunikation stattfindet, liegt beim Typ durchprozessiert der Fokus eher auf Sprachlernen und damit auf der Vermittlung von explizitem Regelwissen sowie dem schriftlichen Festhalten von fachlichen Inhalten (vgl. Kapitel 3.2.1). Damit kann an die Ergebnisse von Caspari (2003) angeschlossen werden, die bei den von ihr befragten Lehrkräften ebenfalls zwei grundsätzliche Haltungen in Bezug auf Fremdsprache rekonstruierte. So betrachtet ein Teil ihres Samples Fremdsprache als Kommunikationsmittel, während der andere Teil „Fremdsprache als Gegenstand, System und Fach“ (ebd.: 186) wahrnimmt. Auch zeigen sich Ähnlichkeiten zu dem von Lüke (2024) rekonstruierten Typ Unterrichtliche Durchprozessierung, welcher sich bei der Gestaltung des Englischunterrichts nach einer Lehrkräftefortbildung zur Kritischen Fremdsprachen‐ didaktik primär an strukturellen Vorgaben sowie dem Curriculum orientiert und neben der Vermittlung von explizitem Sprachwissen die Normen der Institution Schule relevant setzt. Insgesamt wird bei den Fällen des Typs durchprozessiert deutlich, dass die Lehrkräfte ihr Handeln als in einen unveränderlichen und von außen vorgegebenen Rahmen eingebunden wahrnehmen. Hierin zeigt sich die Tendenz zur Ungewissheitsvermeidung der Lehrkräfte, die auch Wilken (2021) und Püster (2021) in ihrem Sample rekonstruieren konnten. Dieser Rahmen wirkt jedoch auch einschränkend auf das Handeln der Lehrkräfte zurück und lässt ihnen wenig Handlungsspielraum in Bezug auf die Thematisierung von als extracurricular wahrgenommenen Themen, wie beispielsweise der Berücksichtigung von kultureller und sprachlicher Heterogenität (vgl. Kapitel 7.3 und 7.4). In der Wahrnehmung dieses begrenzten Handlungsspielraumes liegt das zentrale Handlungsproblem der Lehrkräfte dieses Typs. Auch der Typ lenkend orientiert sich bei der Gestaltung des Englischunterrichts an for‐ malen Vorgaben. Hierbei stehen jedoch weniger die Durchprozessierung des Curriculums oder des Lehrwerks als vielmehr fachdidaktische Normen im Mittelpunkt. Diese werden von den Lehrkräften als selbstverständlich für ihre Handlungspraxis gerahmt und als per‐ sönliche Ziel- und Schwerpunktsetzungen insistent zur Geltung gebracht. Im Mittelpunkt des Englischunterrichts dieses Typs steht die Vermittlung von explizitem Sprachwissen (z. B. Grammatik, Orthographie, Wortschatz), welches durch Instruktion der Lehrkräfte an die Schüler*innen weitergegeben wird. Die Bedürfnisse und (Lern-)Voraussetzungen 8.2 Englischunterricht und Normorientierung 283 <?page no="284"?> der Lernenden spielen eine eher untergeordnete Rolle und auch eine Aushandlung der Unterrichtsgegenstände mit den Schüler*innen findet nicht statt. Der Fokus der Lehrkräfte liegt auf der Kontrolle von Unterrichts- und Lernprozessen, um das Erreichen der als rele‐ vant gesetzten inhaltlichen Ziele des Englischunterrichts sicher stellen zu können. Zudem kontrollieren die Lehrkräfte die Unterrichts- und Lernprozesse, indem sie die im Unterricht zu bearbeitenden Themen festlegen und den Schüler*innen bei der Bearbeitung dieser Themen klare Vorgaben geben. Im Gegensatz zu den Lehrkräften des Typs ko-konstruktiv zeigt sich damit eine deutliche Tendenz zur Ungewissheitsvermeidung. Hierzu passt, dass Grammatik und damit explizites und überprüfbares Wissen als Grundlage für den Sprach‐ erwerb sowie die Produktion von sprachlich korrekten Äußerungen gerahmt werden. Letzteres wird mit Kompetenz gleichgesetzt (vgl. auch Bredthauer 2018). Dementsprechend zeigt sich bei den Lehrkräften dieses Typs eine deutliche Formorientierung, welcher die Mitteilungsfunktion von Sprache untergeordnet ist (vgl. Bonnet & Hericks 2020). Ebenso zeigt und bestätigt sich das von Püster (2021) identifizierte gemeinsame Auftreten einer Lenkungs- und Formorientierung auch für die Lehrkräfte des Typs lenkend. Dies lässt sich damit auf berufsroutinierte Englischlehrkräfte ausweiten. Die Orientierung an sprachlicher Form geht für die Lehrkräfte des Typs lenkend mit der Relevantsetzung und konsequenten Einforderung von sprachlicher Korrektheit einher. Sprachliche Fehler werden aus einer defizitorientierten Perspektive betrachtet und stets korrigiert, sodass sich eine geringe Fehlertoleranz seitens der Lehrkräfte zeigt. Auch Wilken (2021) kann die Bedeutung von sprachlicher Korrektheit für die von ihr befragten Englischlehrkräfte rekonstruieren. Hier erwies sich die Korrektheitsnorm jedoch als relevant für das Handeln aller Lehrkräfte ihres Samples und konnte zu einer Basistypik ausdifferenziert werden. Weiterhin konnte die Autorin eine Verbindung zwischen der Orientierung der Lehrkräfte an sprachlicher Korrektheit sowie deren Umgang mit der Mehrsprachigkeit ihrer Schüler*innen identifizieren. Dies kann für das vorliegende Sample nicht bestätigt werden, da sich die Korrektheitsnorm überwiegend für die Lehrkräfte des Typs lenkend als handlungsleitend erwies. Ähnlich wie bei Wilken (2021) geht diese jedoch auch in der vorliegenden Arbeit mit der Einforderung sowie Priorisierung von bestimmten Varietäten des Englischen einher. So wird insbesondere British English als Standardvarietät und damit als für den Englischunterricht angemessen gerahmt. Demgegenüber wird die Verwendung des American English häufig abgewertet. Als Erklärungsansatz für die Bevor‐ zugung einer bestimmten Varietät des Englischen lässt sich die Gestaltung der universitären Lehrer*innenbildungsphase heranziehen (vgl. Wilken 2021). Hier müssen sich Studierende bei der Wahl ihrer Seminare häufig für eine Varietät entscheiden, sodass die Priorisierung einer Sprachvarietät institutionell eingefordert wird und Teil der Professionalisierung der Lehrkräfte in der dreiphasigen Lehrer*innenbildung ist. Inwiefern die Relevanz dieser Norm für die Handlungspraxis der Lehrkräfte dieses Typs tatsächlich aus der universitären Leh‐ rer*innenbildungsphase stammt, kann anhand der vorliegenden Daten nicht beantwortet werden. Dies stellt jedoch einen Ansatzpunkt für weitere Forschung dar, denn nur wenn klar ist, woher Normen und hierauf bezogene Handlungspraktiken stammen, können sie auch nachhaltig verändert bzw. bearbeitet werden. Die Einforderung einer bestimmten Varietät des Englischen geht für die Lehrkräfte des Typs lenkend mit einer einsprachigen Gestaltung ihres Englischunterrichts sowie einer 284 8 Zusammenfassung und Diskussion der Ergebnisse <?page no="285"?> Orientierung an der native speaker-Norm einher. Die Orientierung an der Einsprachigkeits‐ norm wird von Bonnet und Hericks (2020) als konjunktive Praxis von Englischlehrkräften gerahmt und zeigt sich auch in der Studie von Wilken (2021). Die Autorin führt die konse‐ quent einsprachige Gestaltung des Englischunterrichts auf das Bestreben der Lehrkräfte zurück, gemäß der Input-Hypothese nach Krashen (2004) die Kontaktzeit mit der englischen Sprache zu erhöhen und so einem natürlichen Erwerb des Englischen möglichst nahe zu kommen. Dies bestätigt sich bei den Lehrkräften des Typs lenkend jedoch nicht. Vielmehr rekurrieren sie auf ihren Vorbereitungsdienst und heben hervor, dass die einsprachige Gestaltung des Englischunterrichts ein zentrales Bewertungskriterium ihrer Unterrichts‐ entwürfe darstellte. Somit werden der Vorbereitungsdienst und dessen Anforderungen zur Legitimationsfolie für das Handeln der Lehrkräfte, was erneut auf den berufsbiogra‐ phischen sowie institutionellen Ursprung von fachdidaktischen Normen hinweist. Auch die Orientierung an der native speaker-Norm deutet mit Blick auf die Bildungsstandards für die Lehrkräftebildung (KMK 2019b) auf einen institutionellen Ursprung dieser Norm hin. So wird in den Kompetenzbeschreibungen das Verfügen über „‘nativnahes‘ Sprachkönnen in der Fremdsprache“ (ebd.: 44) als Anforderung an angehende Fremdsprachenlehrkräfte hervorgehoben und damit normativ als Grundlage für die erste und zweite Lehrer*innen‐ bildungsphase gesetzt. Diese Norm wird vornehmlich von den Lehrkräften des Typs lenkend an die Schüler*innen weitergegeben. Weiterhin bringen die Lehrkräfte dieses Typs die Relevanz der native speaker-Norm in einen Zusammenhang mit persönlichen Spracher‐ werbserfahrungen sowie Kommunikationssituationen mit L1-Sprecher*innen im Rahmen von Auslandsaufenthalten. Dies lässt sich auf die Befunde Appels (2000) beziehen, welcher die Bedeutung des Erfahrungswissens für die Gestaltung des Englischunterrichts hervor‐ hebt. So macht der Autor deutlich, dass insbesondere berufsbiographische Erfahrungen, die im Kontext von Auslandsaufenthalten gemacht wurden, „als persönlich geprägte Erfahrung der anderen Kultur, als Einstellung ihr gegenüber, als persönliche Sprachlerntheorie und vor allem als praktische sprachliche Kompetenz“ (ebd.: 281) das unterrichtliche Handeln sowie die Vorstellungen der Lehrkräfte in Bezug auf Spracherwerb und Sprachenlernen beeinflussen. Auch Heinemann (2018) sieht einen Zusammenhang zwischen informellen Lernerfahrungen und den Vorstellungen von Englischlehrkräften bzgl. des Spracherwerbs, sodass die Ergebnisse der vorliegenden Studie hieran anschlussfähig sind. Allerdings stand die Berufsbiographie der Lehrkräfte in der vorliegenden Studie nicht explizit im Fokus, sodass es zur Fundierung der sich andeutenden Beziehung zwischen institutionell und berufsbiographisch erworbenem Erfahrungswissen, dem Ursprung von fachdidaktischen Normen sowie den Gestaltungsweisen des Englischunterrichts weiterer Forschung bedarf. Inwiefern sich die in diesem Kapitel diskutierten Ergebnisse auf die Frage nach der Pro‐ fessionalisierung von Englischlehrkräften im genannten Handlungsfeld beziehen lassen, wird im folgenden Kapitel diskutiert. 8.3 Professionalisierung In diesem Kapitel werden die Ergebnisse dieser Arbeit in Bezug auf das Thema Professiona‐ lisierung diskutiert. Im Fokus steht die übergeordnete Frage danach, wie sich die befragten Lehrkräfte im Umgang mit kultureller und sprachlicher Heterogenität im Verlauf einer 8.3 Professionalisierung 285 <?page no="286"?> 192 Wie in Kapitel 7.5 dargestellt, wurde im Zuge der längsschnittlichen Analyse der Interviews zum Zeitpunkt t2 auf eine weitere Typenbildung verzichtet, um dem Einzelfall mit seinen je individuellen Wahrnehmungs- und Bearbeitungsweisen des Spannungsverhältnisses zwischen Normen und Ha‐ bitus sowie den hierauf bezogenen Entwicklungs- und Veränderungsprozessen gerecht zu werden. 193 Als Eckfall wird in dieser Arbeit jener Fall bezeichnet, bei welchem sich Aspekte eines typisierten Orientierungsrahmens am deutlichsten zeigen. Siehe hierzu auch Kapitel 6.2.4. siebenmonatigen Lehrkräftefortbildung professionalisieren. Um Zugang zu den Professio‐ nalisierungsprozessen der Lehrkräfte zu erhalten, wurden im Zuge der Datenanalyse in einem ersten Schritt die Wahrnehmungssowie Bearbeitungsweisen der unterrichts- und berufsbezogenen Anforderungen der Lehrkräfte zum Erhebungszeitpunkt t1 in den Blick genommen. Als zielführend hat sich hierbei die Betrachtung des Spannungsverhältnisses zwischen Normen und Habitus erwiesen (vgl. Bonnet & Hericks 2020; Wittek et al. 2020; Püster 2021; vgl. Kapitel 5.1.4 und 6.2.5). In einem zweiten Schritt wurde im Anschluss an Wittek et al. (2020) darauf geschaut, welche Prozesse des Veränderns, Stabilisierens, aber auch Stagnierens sich in der habituellen Auseinandersetzung der Lehrkräfte mit ihren wahrgenommenen Anforderungen im Umgang mit kultureller und sprachlicher Heterogenität zum Zeitpunkt t2 rekonstruieren lassen (vgl. Kapitel 2.5 und 6.2.5). Basierend auf den in Kapitel 8.1 und 8.2 diskutierten Ergebnissen der mehrdimensionalen sinngenetischen Typenbildung, in deren Zuge die wahrgenommenen Anforderungen der Lehrkräfte an ihr unterrichtliches Handeln deutlich wurden, werden im Folgenden die Ergebnisse der relationalen Typenbildung in den Blick genommen (vgl. Kapitel 7.4). Die hier rekonstruierten Typen adaptierend, subordinierend und übernehmend ließen je unterschiedliche Bearbeitungsweisen des Spannungsverhältnisses zwischen Normen und Habitus offenbar werden, die nun vor dem Hintergrund der professionstheoretischen Überlegungen dieser Arbeit (vgl. Kapitel 2) diskutiert werden. Orientiert an Wilken (2021) werden diese Typen zunächst aus einer strukturtheoretischen und berufsbiographischen Perspektive betrachtet, um deren Professionalisierungspotenzial einzuschätzen und so eine Basis für die Diskussion von Veränderungs- und Stabilisierungsprozessen zu schaffen. Diese Prozesse werden im Anschluss hieran auf der Ebene des Einzelfalls 192 in den Blick genommen und in Anbindung an rekonstruktive Forschungsarbeiten diskutiert. Hierfür herangezogenen werden die Fälle Altay, Hohenstein und Schneider, da sich Veränderungs- und Stabilisierungsprozesse hier am deutlichsten zeigten (vgl. Kapitel 7.5). Diese Fälle stel‐ len jeweils Eckfälle 193 der im Folgenden diskutierten relationalen Typen dar. Aufgrund der Einzelfallspezifik der Ergebnisse zum Zeitpunkt t2 können an dieser Stelle keine umfassend generalisierbaren Aussagen getroffen werden, wie es durch eine weitere Typenbildung möglich wäre. Dennoch werden sie hier aufgegriffen und diskutiert, um so dem in Kapitel 2 aufgezeigten Desiderat nach der Offenlegung jener Prozesse nachzukommen, die sich im Rahmen von Lehrkräftefortbildungen ereignen können (vgl. auch Legutke & Schart 2016b). Die hier diskutierten Ergebnisse können in Anschlussarbeiten sodann als Ausgangspunkt zur Typisierung von Professionalisierungsverläufen berufserfahrener Englischlehrkräfte genutzt werden. In den folgenden Darstellungen wird punktuell auf die Rekonstruktionen der Orien‐ tierungen zum Umgang mit kultureller und sprachlicher Heterogenität zurückgegriffen (vgl. Kapitel 7.3), wobei hervorgehoben werden muss, dass es nicht um die Bewertung 286 8 Zusammenfassung und Diskussion der Ergebnisse <?page no="287"?> 194 Zu dieser und weiteren für das Handeln von Lehrkräften relevanten Antinomien vgl. Helsper (2021) sowie Kapitel 2.3.2. der Handlungspraxis der befragten Lehrkräfte im genannten Handlungsfeld geht. Wie die Ergebnisse dieser Studie gezeigt haben, haben es alle Lehrkräfte dieses Samples mit vielfältigen Herausforderungen in der Gestaltung ihrer unterrichtlichen Praxis zu tun, die unterschiedlich wahrgenommen und bearbeitet werden. Statt also danach zu fragen, welche der rekonstruierten Orientierungen vor dem Hintergrund fachdidaktischer Annahmen zum Umgang mit kultureller und sprachlicher Heterogenität als mehr oder weniger angemessen und damit als mehr oder weniger professionell eingeschätzt werden können, sollen vielmehr jene Prozesse offengelegt werden, die dazu führen können, dass Innovationen und fachdidaktische Ansätze Eingang in den Fremdsprachenunterricht finden und die Lehrkräfte sich diesbezüglich professionalisieren können. Überlegungen dazu, wie dies in der dritten Phase der Lehrer*innenbildung geschehen kann, werden in Kapitel 8.4. angestellt. Der Typ adaptierend gestaltet seine unterrichtliche Handlungspraxis zum Zeitpunkt t1 ausgehend von den Lernenden, deren (Lern-)Bedürfnissen sowie Hintergründen und rahmt das unterrichtliche Handeln als gemeinschaftliche Er- und Bearbeitung von Lerninhalten (vgl. Kapitel 7.4). Wahrgenommene institutionelle und fachdidaktische Normen (wie z. B. die Orientierung am Curriculum oder Lehrwerk, Einsprachigkeit, native speaker-Norm etc.; vgl. Kapitel 8.2) werden als verhandelbar gerahmt und situativ an die Schüler*in‐ nen angepasst. Auch bietet dieser Typ auf die Lernenden abgestimmte Förder- und Unterstützungsmöglichkeiten an. In diesem Zusammenhang werden die sprachlichen und kulturellen Hintergründe der Schüler*innen als Möglichkeiten gerahmt, die Lernenden in ihrem (Sprach-)Lernprozess zu unterstützen. Aus strukturtheoretischer Sicht gelingt es diesem Typ, die Differenzierungsantinomie  194 auszubalancieren, da sowohl die gesamte Klasse als auch das Individuum mit seinen je individuellen Herausforderungen und (Unterstützungs-)Bedarfen in den Blick genommen werden. Hiermit verbunden ist die Offenhaltung der Sachantinomie, da bei der Vermittlung von unterrichtlichen Gegenständen und (Fach-)Inhalten stets die Relevanz dieser Inhalte für die Lernenden reflektiert und ggf. an deren Bedürfnisse und Ausganslagen angepasst wird. Auch die Symmetrieantinomie wird von den Lehrkräften ausbalanciert, denn sie rahmen sich in ihrem Unterricht als Lernpartner*innen und gehen offen mit dem eigenen Nicht-Wissen um. So sind sie beispielsweise bereit, von den Schüler*innen zu lernen, wenn diese aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu bestimmten Erfahrungsräumen über Wissens‐ bestände verfügen, über welche die Lehrkräfte nicht verfügen (z. B. Computerkenntnisse oder Kenntnisse im Umgang mit Social Media, kulturelle und sprachliche Erfahrungen etc.). Das Hierarchiegefälle zwischen Lehrkraft und Schüler*innen dreht sich um, indem die Lehrkräfte des Typs adaptierend selbst zu Lernenden werden. Hierin zeigt sich ferner die Ungewissheitstoleranz der Lehrkräfte sowie die Tendenz zur offenen Gestaltung des Englischunterrichts. Dadurch, dass der fachliche Fokus der Lehrkräfte auf der Befähigung der Schüler*innen zur (kommunikativen) Teilhabe an der außerschulischen Lebenswelt liegt, die Schüler*innen zum selbstständigen Arbeiten angeregt werden und über ihre eigenen Lernprozesse bestimmen dürfen, halten die Lehrkräfte die Autonomieantinomie 8.3 Professionalisierung 287 <?page no="288"?> offen. Dies zeigt sich auch in Bezug auf ihr eigenes Handeln, denn in Situationen, in welchen sie die Kontrolle über Lern- und Unterrichtsprozesse abgeben (wie z. B. durch das Aufgreifen von Sprachen im Unterricht, die sie selbst nicht sprechen), gelingt es den Lehrkräften, ihre Handlungsfähigkeit aufrecht zu erhalten. Zu Spannungen in der Handlungspraxis kommt es dann, wenn die Lehrkräfte durch äußere Einflüsse (wie z. B. schulische oder institutionelle Bestimmungen, Vorgaben und Regeln) in ihrer Schüler*innenorientierung beschränkt werden und die wahrgenommenen Anforderungen an ihre Handlungspraxis als nicht passend zu den antizipierten Bedürf‐ nissen der Schüler*innen rahmen. Dies führt zwar nicht zur Krise der Handlungspraxis im Sinne eines Einbruches von Handlungsroutinen, oder zur Unterordnung unter die wahrgenommenen Institutionsnormen. Dennoch löst die wahrgenommene Spannung Handlungsdruck bei den Lehrkräften aus und sie versuchen, die Anforderungen an ihre unterrichtliche Handlungspraxis (wie z. B. die Erfüllung curricularer Vorgaben oder die Progression im Lehrbuch) mit den Bedürfnissen der Lernenden zu vermitteln. So bleiben sie handlungsfähig und sichern ihre Autonomie, was jedoch mit Anstrengung verbunden ist. Aus berufsbiographischer Perspektive wird mit Bezug auf Hericks (2006) deutlich, dass die Lehrkräfte des Typs adaptierend im Umgang mit kultureller und sprachlicher Heterogenität zum Zeitpunkt t1 insbesondere die Entwicklungsaufgaben Vermittlung und Anerkennung bearbeiten (vgl. Kapitel 2.3.3). Wie oben dargestellt, werden wahrgenommene Anforderungen an die Handlungspraxis der Lehrkräfte stets vor dem Hintergrund der Passung mit den Bedürfnissen und (Lern-)Voraussetzungen der Schüler*innen verhan‐ delt und ggf. adaptiert. Auch werden die Lernenden als „entwicklungsbedürftige und entwicklungsfähige Andere“ (Bonnet & Hericks 2020: 609) wahrgenommen und mit ihren kulturellen und sprachlichen Hintergründen sowie Erfahrungen ernstgenommen. Dies deutet darauf hin, dass die Bearbeitung dieser beiden Entwicklungsaufgaben auch vor dem Hintergrund des Umgangs mit kultureller und sprachlicher Heterogenität essenziell für die unterrichtliche Handlungspraxis der Lehrkräfte ist und einen einbindenden Umgang mit den Hintergründen der Lernenden ermöglicht (vgl. Kapitel 7.4). Durch den adaptierenden Modus der Bearbeitung von wahrgenommenen Anforderungen können die Lehrkräfte den Bedürfnissen der Schüler*innen gerecht werden, aber auch auf veränderte strukturelle, institutionelle oder fachliche Anforderungen reagieren. Vor diesem Hintergrund werden die Entwicklungsaufgaben stets aufs Neue bearbeitet, sodass sie sich, bezugnehmend auf Bonnet und Hericks (2020: 609), für die Lehrkräfte dieses Typs zu Entwicklungsfeldern ausgeweitet haben. Aus strukturtheoretischer Perspektive weist der Typ adaptierend Ähnlichkeiten zu dem von Wilken (2021) rekonstruierten Typ angleichend auf, denn auch hier werden die Anti‐ nomien des Lehrberufs zugunsten eines an den Schüler*innen ausgerichteten Unterrichts ausbalanciert. Auch aus berufsbiographischer Perspektive lassen sich Parallelen zu Wilkens Typ ziehen, mit dem Unterschied, dass der Typ adaptierend der vorliegenden Arbeit die Entwicklungsaufgabe Kooperation zum Zeitpunkt t1 (noch) nicht bearbeitet. Dies lässt sich damit erklären, dass die Entwicklungsaufgaben Anerkennung und Vermittlung aufgrund der habitualisierten Schüler*innenorientierung nicht in Form von Handlungskrisen wahrge‐ nommen und bearbeitet werden, sondern Teil der Handlungsroutinen der Lehrkräfte sind. 288 8 Zusammenfassung und Diskussion der Ergebnisse <?page no="289"?> Somit bedarf es hinsichtlich der Gestaltung des Englischunterrichts keiner Unterstützung durch Kolleg*innen, die Schulleitung oder weiterer Akteur*innen des Handlungsfeldes Schule. In Bezug auf die Betrachtung der Professionalisierungsprozesse im Umgang mit kultu‐ reller und sprachlicher Heterogenität lässt sich für diesen Typ zum Zeitpunkt t1 Folgendes festhalten: Aufgrund der Offenhaltung und Ausbalancierung der genannten Antinomien, der Orientierung an den Lernenden sowie der Adaption institutioneller und unterrichtsbe‐ zogener Normen zeigt sich bei den Lehrkräften eine deutliche Ungewissheitstoleranz sowie Bereitschaft, ihren Unterricht für Neues zu öffnen. Die Lehrkräfte rahmen sich selbst als Lernende und begegnen Herausforderungen mit einem aktiven Modus der Adaption, sodass institutionelle und unterrichtsbezogene Normen als prinzipiell verhandelbar wahrgenom‐ men werden und die Handlungspraxis, wenn auch mit Anstrengung verbunden, angepasst wird. Unter Rückbezug auf den von Kahlau (2023) bei Studierenden in Praxisphasen rekonstruierten Professionalisierungstyp Orientierung am Neuen im Modus der Aktion, der berufliche Anforderungen in einem aktiven und aushandelnden Modus bearbeitet, kann dem Typ adaptierend ein hohes Professionalisierungspotenzial zugeschrieben werden. Auch in der KomBest-Typologie (vgl. u. a. Wittek et al. 2020) wird jenen Lehrkräftetypen ein Potenzial für Professionalisierung zugeschrieben, denen es gelingt, die wahrgenomme‐ nen Anforderungen an das eigene Handeln abzuwägen und mit anderen Akteur*innen auszuhandeln. Demnach verfügen die Lehrkräfte des Typs adaptierend über eine Basis, von welcher aus Professionalisierung im Sinne der Weiterentwicklung, Ausdifferenzierung und Transformation von vorhandenen Kompetenzen und Orientierungen möglich wird (Bonnet & Hericks 2014: 88). Die Lehrkräfte des Typs subordinierend gestalten ihre unterrichtliche Handlungspraxis zum Zeitpunkt t1 ausgehend von institutionsbezogenen und fachdidaktischen Normen, deren Erfüllung sie als von außen an sie herangetragene Verpflichtung rahmen. Die zentrale Handlungsanforderung an die Lehrkräfte dieses Typs stellt die Durchprozessierung von curricular vorgegebenen Themen sowie des Lehrwerks dar, sodass die Vermittlung von (Fach-)Inhalten im Fokus des Unterrichts steht. Demgegenüber sind die Interessen, Bedürf‐ nisse und Hintergründe der Lernenden untergeordnet, auch wenn sie von den Lehrkräften wahrgenommen werden. Aus strukturtheoretischer Perspektive kommt es somit zu einer einseitigen Auflösung der Sachantinomie. Auch die Differenzierungsantinomie kann als nicht ausbalanciert ange‐ sehen werden, da die Lehrkräfte die individuellen (Lern-)Bedürfnisse ihrer Schüler*innen sowie deren Herausforderungen mit den Unterrichtsgegenständen zwar wahrnehmen. Aufgrund ihres durchprozessierenden Habitus ergibt sich für sie jedoch nur dann die Möglichkeit auf diese einzugehen, wenn eine Passung mit den durch das Curriculum vorgegebenen Inhalten besteht. Dies führt zu Spannungen in der Handlungspraxis der Lehrkräfte, da letztere die institutionsbezogenen Normen einerseits als rahmengebende, Orientierung vermittelnde sowie das unterrichtliche Handeln legitimierende Strukturen wahrnehmen. Andererseits werden diese Normen jedoch gerade im Umgang mit kultureller und sprachlicher Heterogenität als limitierend und begrenzend erfahren (vgl. Kapitel 8.4). Den Lehrkräften fehlt es aufgrund ihres durchprozessierenden Habitus an Handlungsal‐ ternativen, um diese Spannungen auszubalancieren und dementsprechend flexibel mit den 8.3 Professionalisierung 289 <?page no="290"?> wahrgenommenen Normen umzugehen. Sie ordnen sich den institutionsbezogenen Nor‐ men unter und können, wenn es darum geht, auf die Bedürfnisse der Lernenden und deren Hintergründe einzugehen, ihre Autonomie im Unterricht nicht umfänglich sichern. Damit kann auch die Autonomieantinomie als nicht ausbalanciert betrachtet werden. Dadurch, dass weder die Lehrkräfte noch die Schüler*innen über die Unterrichtsinhalte bestimmen, sondern diese vielmehr als durch das Curriculum und damit von außen gesetzt gerahmt werden, zeigt sich kein eindeutiges Hierarchiegefälle zwischen Lehrkräften und Lernenden. Letztere werden vielmehr als aktiv Handelnde gerahmt und dem Beziehungsaufbau mit ihnen eine Bedeutung für den Unterricht zugeschrieben. Da die Lehrkräfte die durch das Curriculum vorgegebenen Inhalte jedoch nicht mit den Schüler*innen im Unterricht aushandeln, deutet sich in der Bearbeitung der Symmetrieantinomie eine Tendenz zur Seite der Lehrkraft an. Aus berufsbiographischer Perspektive zeigt sich für die Lehrkräfte des Typs subordi‐ nierend eine Relevanz der Entwicklungsaufgabe Vermittlung, wobei hier im Gegensatz zum Typ adaptierend eine Fachorientierung vorherrscht. Die Handlungspraxis sowie die (Lern-)Voraussetzungen der Lernenden werden mit den unterrichtsbezogenen Normen abgeglichen und auf die Erreichung der sich hierdurch ergebenden Vorgaben für den Un‐ terricht ausgerichtet. Dies macht den aushandelnden Umgang der Lehrkräfte mit kultureller und sprachlicher Heterogenität plausibel (vgl. Kapitel 7.3). Die Entwicklungsaufgabe An‐ erkennung wird ebenfalls als bearbeitungsrelevant gerahmt, jedoch geraten die Lernenden aufgrund der Sachorientierung der Lehrkräfte eher in den Hintergrund. Den Lehrkräften fehlt es zu t1 (noch) an Handlungsmöglichkeiten, um auf die Bedürfnisse ihrer Schüler*in‐ nen im Hinblick auf die Einbindung ihrer kulturellen und sprachlichen Hintergründe einzugehen und diese mit den institutionsbezogenen Normen zu verhandeln. Demnach wird diese Entwicklungsaufgabe zunächst zurückgestellt. Anhand des Bearbeitungsmodus der Spannungen zwischen Normen und Habitus zeigt sich bei den Lehrkräften des Typs subordinierend, dass die Entwicklungsaufgabe Rollenfindung noch nicht abschließend bear‐ beitet wurde. Indem sich die Lehrkräfte den institutionellen Anforderungen unterordnen, rahmen sie sich selbst als fremdbestimmt, was mit Unsicherheit und Unzufriedenheit einhergeht. Es gelingt den Lehrkräften nicht, sich mit ihrer Rolle im Unterricht eindeutig zu positionieren, da sie versuchen, sowohl den Anforderungen der Institution Schule als auch denjenigen der Schüler*innen gerecht zu werden. Auch gerät im Umgang mit kultureller und sprachlicher Heterogenität die Entwicklungsaufgabe Kooperation in den Blick. Die Berücksichtigung der individuellen Hintergründe der Lernenden im Englischunterricht wird von den Lehrkräften tendenziell dann als möglich gerahmt, wenn sich Veränderungen auf der Ebene der schulischen und institutionellen Rahmenbedingungen ergeben. Hierfür bedarf es kollegialer Unterstützung sowie der Etablierung entsprechender Strukturen. Dies wird von den Lehrkräften dieses Typs zum Zeitpunkt t1 jedoch nur hypothetisch angeführt und damit (zunächst noch) als irrealer Möglichkeitsraum verhandelt. Aufgrund der im Typ subordinierend zum Zeitpunkt t1 weitestgehend unvollständig bearbeiteten Entwicklungsaufgaben sowie der teilweise einseitig aufgelösten Antinomien, ergibt sich hinsichtlich des Umgangs mit kultureller und sprachlicher Heterogenität im Vergleich zu den Lehrkräften des Typs adaptierend ein deutlicher Professionalisierungsbe‐ darf. Die Realisierung von Professionalisierungsprozessen scheint jedoch davon abhängig 290 8 Zusammenfassung und Diskussion der Ergebnisse <?page no="291"?> zu sein, inwiefern es den Lehrkräften gelingt, von den wahrgenommenen institutionsbe‐ zogenen Normen abzuweichen, die Lernenden mit ihren Bedürfnissen stärker in den Fokus des Unterrichts zu rücken und die eigene Autonomie zu sichern. Aufgrund der deutlichen Orientierung an curricularen und lehrwerksbezogenen Inhalten ergibt sich jedoch eine geringe Ungewissheitstoleranz der Lehrkräfte, die eine Öffnung des Unterrichts für Neues erschwert (vgl. auch Bonnet & Hericks 2020). Auch ergeben sich hierdurch wenig Möglich‐ keiten, von geplanten Unterrichtsvorhaben und relevant gesetzten Normen abzuweichen. Dies kann gerade im Umgang mit kultureller und sprachlicher Heterogenität zu Handlungs‐ krisen der Lehrkräfte führen, da sich die Spannung zwischen den Habitūs der Lehrkräfte und den wahrgenommenen Anforderungen an ihre Handlungspraxis intensiviert. Auch mit dem Typ subordinierend lässt sich an die Arbeit von Kahlau (2023) anschließen. Der von ihr rekonstruierte Typ Orientierung am Bekannten und Umgang mit Neuem im Modus der Reaktion nimmt ebenfalls Spannungen zwischen feldspezifischen Normen und dem eigenen Habitus wahr. Diese werden nicht in einem aktiven Modus bearbeitet, sondern in Form von Anpassung. Die Autorin schreibt diesem Typ durch die reaktive Bearbeitung der Entwicklungsaufgaben ein geringes Professionalisierungspotenzial zu. Die Fälle des Typs übernehmend gestalten ihren Englischunterricht ausgehend von Institutions- und (fach-)unterrichtlichen Normen (vgl. hierzu Kapitel 7.4 und 8.2), die sie als persönlich relevant gerahmte Zielsetzungen mit einem Orientierungsrahmen der Lenkung an die Schüler*innen weitergeben. Hierbei halten sie an routinierten Handlungsabläufen sowie an Unterrichtsmethoden fest, die sich für sie bewährt haben. Den inhaltlichen Fokus des Unterrichts der Lehrkräfte bilden die Vermittlung und Überprüfung von sprachlichem Regelwissen, was mit einer Leistungsorientierung einhergeht. Aus strukturtheoretischer Perspektive wird deutlich, dass die Lehrkräfte dieses Typs die Sachantinomie einseitig zur Sache hin auflösen. Die unterrichtlichen Gegenstände werden in erster Linie vor dem Hintergrund der Leistungsüberprüfung sowie der Abarbei‐ tung des Curriculums im Unterricht vermittelt, weniger jedoch im Hinblick auf deren lebensweltlichen und außerschulischen Bedeutungen für die Schüler*innen. Auch wird die Differenzierungsantinomie aufgrund der Leistungsorientierung nicht ausbalanciert, da die Lehrkräfte kaum auf die individuellen Lernvoraussetzungen und -bedürfnisse der Schü‐ ler*innen eingehen und dementsprechend auch keine Differenzierungsangebote machen (wie im Typ adaptierend). Vielmehr gestalten sie einen Englischunterricht, in welchem für alle dieselben Anforderungen gelten. Aufgrund der deutlichen Lenkungsorientierung der Lehrkräfte wird die Symmetrieantinomie ebenfalls nicht balanciert, da die Lehrkräfte ein Machtgefälle zwischen Lehrer*in und Schüler*innen markieren, aufrechterhalten und als gegeben akzeptieren. Dies zeigt sich anhand der Rolle, in welcher sich die Lehrkräfte im Unterricht positionieren. Sie rahmen sich als Expert*innen der Vermittlung von (fach‐ lichen) Unterrichtinhalten, welche sie in Form von Instruktionen an ihre Schüler*innen weitergeben und diesen gegenüber damit über einen deutlichen Wissensüberschuss ver‐ fügen. In Bezug auf die Autonomieantinomie zeigt sich bei den Lehrkräften des Typs übernehmend, dass sie aufgrund der deutlichen Lenkungsorientierung und der Orientierung an routinierten Handlungsabläufen ihre eigene Autonomie im Unterricht sichern können, indem sie ihre eigenen Zielsetzungen und relevant gesetzten Normen durchsetzen und damit auch ihre habituellen Orientierungen insistent zur Geltung bringen. Jedoch kommt 8.3 Professionalisierung 291 <?page no="292"?> es zu Irritationen der Handlungspraxis, wenn sich die Schüler*innen nicht an die von den Lehrkräften gestellten Anforderungen halten und diesen zuwiderhandeln. Ursachen und Auslöser für diese krisenhaften Situationen werden nicht bei den Lehrkräften selbst, sondern bei den Schüler*innen gesucht. Letzteres kann die Autonomie der Lehrkräfte ins Wanken bringen. In Bezug auf die Autonomie der Schüler*innen wird deutlich, dass die Lehrkräfte diese aufgrund ihres lenkenden Habitus einschränken, da sie die Lernprozesse der Schüler*innen kontrollieren und intervenierend in diese Prozesse eingreifen. Obwohl die Lehrkräfte auf expliziter Ebene das selbstständige Lernen und damit die Entwicklung von Autonomie auf Seiten der Schüler*innen betonen, zeigt sich dies auf impliziter Ebene nicht. Aus berufsbiographischer Perspektive wird deutlich, dass die Lehrkräfte des Typs übernehmend die Bearbeitung der Entwicklungsaufgabe Rollenfindung weitestgehend ab‐ geschlossen haben, da sie klare Rollenvorstellungen von den und -erwartungen an die Akteur*innen im Englischunterricht haben und diese konsequent einfordern. So rahmen sich die Lehrkräfte als Expert*innen für die Vermittlung von (fach-)unterrichtlichen Inhal‐ ten, welche sie an die Lernenden weitergeben und hierbei auf die (korrekte) Bearbeitung und Umsetzung der unterrichtlichen Anforderungen achten. Die Schüler*innen sind dem‐ gegenüber passive Rezipient*innen dieser Unterrichtsinhalte, welche die Anforderungen der Lehrkräfte erfüllen und dementsprechende Leistungen erbringen (müssen). Diese Rollen werden nicht gemeinsam ausgehandelt (wie im Typ adaptierend), sondern als gesetzt wahrgenommen. Hiermit zusammen hängt die Bearbeitung der Entwicklungsaufgabe Aner‐ kennung, welche von den Lehrkräften zurückgestellt und als weniger relevant eingeschätzt wird. Dies zeigt sich insbesondere im Umgang mit kultureller und sprachlicher Heteroge‐ nität. Indem die Schüler*innen mit ihren individuellen Hintergründen und (Lern-)Voraus‐ setzungen in der Gestaltung des Englischunterrichts der Lehrkräfte wenig berücksichtigt werden, werden diese Hintergründe auch nicht produktiv im Unterricht aufgegriffen und für die Sprachlernprozesse der Schüler*innen nutzbar gemacht. Die Entwicklungsaufgabe Vermittlung wird von den Lehrkräften in Form von Stabilisierung bearbeitet. Dadurch, dass die Lehrkräfte die Unterrichtsinhalte auf Basis ihrer eigenen Relevantsetzungen und der in die Handlungspraxis integrierten institutionellen und unterrichtsbezogenen Normen vorgeben und diese nicht mit den Schüler*innen aushandeln, bedarf es für die Lehrkräfte keiner Anpassung der eigenen Handlungspraxis. Auch die Orientierung an Handlungsroutinen und etablierten Unterrichtsmethoden spricht für eine im Modus der Stabilisierung bearbeiteten Vermittlungsaufgabe. Die Entwicklungsaufgabe Kooperation tritt zum Zeitpunkt t1 (noch) nicht in den Fokus der Lehrkräfte. Da sich die Erzählungen der Lehrkräfte dieses Typs weitestgehend um das eigene Handeln drehen, geraten andere Akteur*innen des Handlungsfeldes Schule und Unterricht, wie z. B. Kolleg*innen oder Eltern, aus dem Blickfeld. Vielmehr grenzen sich die Lehrkräfte teilweise explizit vom Handeln ihrer Kolleg*innen ab, wenn dieses von den eigenen Handlungsweisen und Relevantsetzungen abweicht. Aus strukturtheoretischer und berufsbiographischer Perspektive weist der Typ überneh‐ mend deutliche Überschneidungen mit dem namensgleichen Typ von Wilken (2021) auf. Im Anschluss an die Ergebnisse der Autorin lässt sich annehmen, dass eine an Lenkung orientierte Handlungspraxis, in welche institutions- und unterrichtsbezogene Normen 292 8 Zusammenfassung und Diskussion der Ergebnisse <?page no="293"?> unhinterfragt integriert und als selbstverständlich sowie unveränderlich gerahmt werden, mit einem Ausblenden der Lernenden einherzugehen scheint. Ähnlich wie bei Wilken lässt sich auch bei diesem Typ eine geringe Veränderungsbereitschaft in Bezug auf die eigene Handlungspraxis rekonstruieren, worin sich die Vermeidung von Ungewissheit widerspiegelt. Dies lässt auch den funktionalisierenden Umgang der Lehrkräfte mit kultureller und sprachlicher Heterogenität plausibel erscheinen (vgl. Kapitel 7.3). Die Erfahrungen und Hintergründe der Schüler*innen werden nur dann in den Englischunter‐ richt einbezogen, wenn sie dem Erreichen der Unterrichtsziele, d. h. dem Wissens- und Kompetenzerwerb in der englischen Sprache dienen, was wiederum überprüft und damit kontrolliert werden kann. Wissensbestände und Erfahrungen, die aus Erfahrungsräumen stammen, an welchen die Lehrkräfte nicht teilhaben, werden eher nicht einbezogen. Dies erschwert die Veränderung, Anpassung oder Weiterentwicklung der Handlungspraxis der Lehrkräfte. Das Professionalisierungspotenzial in Bezug auf den Umgang mit kultureller und sprachlicher Heterogenität dieses Typs lässt sich daher als eher gering einschätzen, da die Bearbeitung diesbezüglicher Anforderungen „[nicht] als Aufgabe eigener Entwicklung gedeutet“ wird und es im Zuge dessen auch nicht „zu einer Progression von Kompetenz und zur Stabilisierung von Identität“ (Hericks 2006: 60; C.L.) kommen kann. Dies deckt sich ebenfalls mit Kahlaus (2023) Typ Orientierung am Bekannten im Modus des Erhalts, denn auch hier wird die Bearbeitung von Entwicklungsaufgaben zurückgestellt oder gar nicht erst realisiert, was sich als wenig professionalisierungsförderlich erweist. Abschließend wird sich der längsschnittlichen Betrachtung von Professionalisierungs‐ prozessen gewidmet, die anhand der in Kapitel 7.5 herausgearbeiteten Veränderungs- und Stabilisierungsprozesse auf der Ebene des Einzelfalls diskutiert werden. Als übergrei‐ fendes Ergebnis wurde herausgearbeitet, dass sich keine grundlegenden Veränderungen der handlungsleitenden Orientierungen und damit keine Habitustransformationen der Lehrkräfte dieses Samples zum Zeitpunkt t2 nach der Fortbildung rekonstruieren ließen. Somit bestätigt sich die in bereits zahlreichen rekonstruktiven Arbeiten herausgearbeitete Stabilität erfahrungsraumspezifischer Habitusformen auch für das Sample der vorliegenden Arbeit (vgl. z. B. Sotzek et al. 2018; Wittek et al. 2020; Kahlau 2023). Ebenso blieben die typenspezifischen Bearbeitungsmodi der Spannungsverhältnisse zwischen Normen und Habitūs der Lehrkräfte konstant. Veränderungen bzw. Stabilisierungen konnten jedoch in den Spannungsverhältnissen selbst identifiziert werden, sodass mit den Ergebnissen dieser Arbeit an die Befunde von Wittek et al. (2020) angeschlossen werden kann. Weiterhin bestätigen sie das Potenzial der differenzierten Betrachtung der Spannungsverhältnisse zwischen Normen und Habitus für die Rekonstruktion von Professionalisierungsprozessen im Längsschnitt. Die Ergebnisse der vorliegenden Arbeit erweitern die Erkenntnisse von Wittek et al. (ebd.) insofern, als sie sich auf berufserfahrene Englischlehrkräfte in der 3. Phase der Lehrkräftebildung beziehen und damit über den Berufseinstieg hinausgehen. Im kontrastierenden Fallvergleich der Interviews zum Zeitpunkt t2 ließen sich zwei zentrale Entwicklungen bzw. Prozesse identifizieren, die ein unterschiedliches Potenzial für die Professionalisierung der Lehrkräfte bergen. Zum einen führt die Auseinandersetzung mit den durch die Fortbildung an die Lehrkräfte herangetragenen Normen dazu, dass sich die handlungsleitenden Orientierungen der Lehrkräfte stabilisieren und sie sich in ihrem Handeln bestätigt sehen (Fall Altay und Fall Schneider). Es kommt somit nicht zu einer 8.3 Professionalisierung 293 <?page no="294"?> Intensivierung des Spannungsverhältnisses zwischen Norm und Habitus. Demgegenüber wurde im Fall Hohenstein deutlich, dass die Konfrontation der Lehrkraft mit den Fortbil‐ dungsnormen das Spannungsverhältnis zwischen Normen und Habitus intensiviert und es infolgedessen zur Reflexion der eigenen Handlungspraxis kommt. Während der Fall Altay sich offen gegenüber der Erprobung der Fortbildungsnormen im Englischunterricht zeigt, hierdurch eine Passung des eigenen Habitus zu diesen Normen erfährt sowie neues Erfahrungswissen generieren kann, weisen die Entwicklungen im Fall Schneider in eine entgegengesetzte Richtung. Zwar stabilisieren sich die Orientierungen der Lehrkraft in der Auseinandersetzung mit den Fortbildungsnormen auch hier. Dies geschieht jedoch nicht aufgrund der Wahrnehmung einer Passung zwischen diesen Nor‐ men und dem Habitus der Lehrkraft. Vielmehr nimmt die Lehrkraft im Fall Schneider die Spannung zwischen den Fortbildungsnormen und ihrem an Lenkung und Leistung orientierten Habitus wahr und weist die Normen vor diesem Hintergrund als nicht passend für ihre Handlungspraxis zurück. Die Wahrnehmung des Spannungsverhältnisses führt damit nicht zu einer nachhaltigen Irritation des Handelns der Lehrkraft, sodass sich das im Professionalisierungsdiskurs häufig betonte Potenzial von Irritationen der Handlungspraxis im Hinblick auf die Veränderung von handlungsleitenden Orientierungen für den Fall Schneider nicht entfalten kann (vgl. u. a. Kramer & Pallesen 2019; vgl. auch Kahlau 2023 mit einem Überblick). Dieser Befund lässt sich im Anschluss an Wittek et al. (2020) dadurch erklären, dass es unterschiedliche Intensitäten von Spannungsverhältnissen gibt, die wiederum unterschiedliche Potenziale für die Veränderung von Habitūs aufweisen. Da die Lehrkraft im Fall Schneider ihren Englischunterricht ausgehend von den eigenen Relevantsetzungen sowie den in die Handlungspraxis integrierten fachdidaktischen und institutionsbezogenen Normen gestaltet, nimmt sie die Relevanz der Berücksichtigung der kulturellen und sprachlichen Hintergründe der Schüler*innen für ihren Unterricht nicht wahr. Das Spannungsverhältnis zwischen Fortbildungsnorm und Habitus der Lehr‐ kraft ist folglich von geringer Intensität und führt aufgrund der Zurückweisung der Fortbildungsnormen letztlich zur Stagnation der Professionalisierung der Lehrkraft im Umgang mit kultureller und sprachlicher Heterogenität. Hier bedarf es weiterer Forschung, welche die Spannungskonstellationen und deren Potenziale für die Professionalisierung von Fremdsprachenlehrkräften im Allgemeinen und Englischlehrkräften im Besonderen in den Blick nimmt, um die Ergebnisse dieser Studie zu typisieren und damit Aussagen treffen zu können, die über den Einzelfall hinausgehen. Auch mit den Befunden des längsschnittlichen Vergleichs dieser Arbeit lässt sich an die oben bereits erwähnten Ergebnisse der KomBest-Studie anschließen (vgl. Sotzek et al. 2018; Wittek et al. 2020). So weist der Fall Altay aufgrund der Aushandlung von Normen sowie der Bereitschaft zur Veränderung und Anpassung des eigenen Handelns Parallelen zum modifizierenden Typ auf, bei welchem alternative Handlungsweisen durchgespielt und das eigene Handeln hinterfragt werden. Dies erweist sich als professionalisierungsförderlich. Der Fall Schneider zeigt aufgrund seiner Tendenz zur Durchsetzung der eigenen Rele‐ vantsetzungen sowie des Ausblendens der (Lern-)Voraussetzungen der Schüler*innen im Unterricht hingegen Ähnlichkeiten zum konsolidieren Typ. Letzterer macht sich Normen, die von außen an ihn herangetragen werden, eher nicht zu eigen und versucht, den „eigenen 294 8 Zusammenfassung und Diskussion der Ergebnisse <?page no="295"?> berufsbezogenen Habitus in Abgrenzung zu solchen Normen durchzuhalten“ (Wittek et al. 2020: 304). Hierdurch wird Professionalisierung eher erschwert. Neben diesen Übereinstimmung weisen die Ergebnisse dieser Arbeit jedoch auch darauf hin, dass es einen weiteren Bearbeitungsmodus des Spannungsverhältnisses zwischen Nor‐ men und Habitus gibt, der Einfluss auf die Realisierung von Professionalisierungsprozessen haben kann. So wurde im Fall Hohenstein deutlich, dass die Lehrkraft Normen weder adaptiert, wie im Fall Altay oder im modifizierenden Typ der KomBest-Studie, noch als selbstverständlich für die Handlungspraxis annimmt, wie im Fall Schneider oder im konso‐ lidierenden Typ der genannten Studie. Vielmehr ordnet sich die Lehrkraft spannungsreich den wahrgenommenen Institutionsnormen unter und rahmt ihr Handeln als alternativlos. Dies ist mit Unzufriedenheit und Widerwillen auf Seiten der Lehrkraft verbunden. Die wahrgenommenen Institutionsnormen werden als Begrenzung des eigenen Handelns gerahmt und nicht als Möglichkeit, die habituellen Orientierungen durchzusetzen (wie im Fall Schneider). Der Fall Hohenstein wurde vor diesem Hintergrund dem relationalen Typ subordinierend zugeordnet (vgl. Kapitel 7.4), dessen zentrales Charakteristikum die span‐ nungsreiche Unterordnung unter wahrgenommene institutionsbezogene Normen darstellt. Dies kann die Ergebnisse der KomBest-Studie erweitern und macht die Notwendigkeit deutlich, in Anschlussarbeiten die Tragfähigkeit dieses Typs zu überprüfen. Weiterhin ist bei der Frage nach der Professionalisierung von (Fremdsprachen-)Lehrkräften besonders auf die strukturellen Rahmen von Schule und Unterricht sowie deren Einfluss auf das Handeln der beteiligten Akteur*innen zu blicken. Hinsichtlich der Realisierung von Professionalisierungsprozessen lässt sich im Fall Ho‐ henstein feststellen, dass die Intensivierung des Spannungsverhältnisses zwischen Normen und Habitus durch die Auseinandersetzung mit den Fortbildungsnormen das Potenzial hat, Veränderungsprozesse anzustoßen. So kann die Lehrkraft ihr Handeln reflektieren und die Eingeschränktheit dieses Handelns durch die Unterordnung unter wahrgenommene Institutionsnormen wahrnehmen. Dies führt zwar nicht zu einer veränderten Wahrneh‐ mung und Bearbeitung der Institutionsnormen und dementsprechend auch nicht zu einer Anpassung des eigenen Handelns. Dennoch formuliert Frau Hohenstein Entwicklungsziele und Handlungsbedarfe und zeigt damit eine grundsätzliche Bereitschaft für Veränderung und damit für Öffnung. Die Realisierung von Professionalisierungsprozessen scheint für den Fall Hohenstein somit damit zusammenzuhängen, inwiefern es ihr gelingt, sich von den als begrenzend und einschränkend wahrgenommenen Institutionsnormen zu lösen und ihren Unterricht entsprechend zu öffnen. Dies ist anschlussfähig an Wilkens (2021, 2022) Überlegungen, die einen Zusammenhang zwischen dem Umgang mit Ungewissheit sowie den Bearbeitungsweisen des Spannungs‐ verhältnisses zwischen Normen und Habitus sieht. So zeigt sich analog zu den Befunden der vorliegenden Arbeit auch in ihren Ergebnissen, dass Lehrkräfte eine Passung ihrer Handlungspraxis mit Normen wahrnehmen, die Öffnung erfordern. Dies wird in der vorliegenden Arbeit bei den Fällen des Typs adaptierend insbesondere im Umgang mit den Fortbildungsnormen deutlich. Durch die habituelle Orientierung an den Schüler*innen ist diesem Typ eine Toleranz gegenüber Ungewissheit inhärent, was es möglich macht, offen mit den kulturellen und sprachlichen Hintergründen der Schüler*innen umzugehen, diese situativ und bedürfnisorientiert in den Unterricht einzubinden und letzteren dementspre‐ 8.3 Professionalisierung 295 <?page no="296"?> 195 Der Umgang mit kultureller und sprachlicher Heterogenität wird hier eingeklammert, da sich die Ausführungen dieses Kapitels zwar zunächst auf Implikationen für die Professionalisierung von Fremdsprachenlehrkräften im genannten Themen- und Handlungsfeld beziehen. Gerade wenn es jedoch um die institutionelle und strukturelle Ebene geht, gerät die Themenspezifik zugunsten einer allgemeineren Betrachtung der Gestaltung der Lehrer*innenbildung und diesbezüglichen Handlungsempfehlungen in den Hintergrund. 196 Auch die Fachspezifik wird an dieser Stelle eingeklammert, da die hier diskutierten Aspekte, insbe‐ sondere in Bezug auf institutionelle und strukturelle Aspekte, potenziell auch eine fachübergreifende Relevanz haben. chend anzupassen. Demgegenüber werden bei diesem Typ Spannungen sichtbar, die eine Schließung des Unterrichts erfordern, wie z. B. bei der Abarbeitung curricularer Vorgaben oder der Prüfungsvorbereitung. Umgekehrt kommt es bei den Fällen des Typs übernehmend, wie auch bei den Fällen von Wilken, zu Spannungen im Umgang mit kultureller und sprachlicher Heterogenität. Dies erfordert aufgrund der Diversität der Hintergründe und (Lern-)Voraussetzungen der Schüler*innen ein Zulassen von Ungewissheit, da die indi‐ viduellen Spracherwerbsprozesse nicht homogenisiert und kontrolliert werden können. Passungen werden bei diesem Typ dagegen im Umgang mit Normen sichtbar, die Kontrolle und Lenkung und damit Schließungen des Unterrichts ermöglichen und dementsprechend in die Handlungspraxis integriert werden. Somit deuten die Ergebnisse dieser Arbeit ebenfalls auf den oben genannten, von Wilken (2021, 2022) vermuteten Zusammenhang hin und machen die Notwendigkeit von Anschlussforschung in diesem Bereich insbesondere hinsichtlich der Frage deutlich, „ob die Spannungen und Passungen gegenüber bestimmten Normen von der Orientierung an Gewissheit/ Schließung und Ungewissheit/ Öffnung abhängen bzw. ob darüber weitere Zusammenhänge erklärbar werden“ (Wilken 2022: 143). Als ein fruchtbarer Ansatzpunkt für zukünftige Forschung erscheint demnach eine intensivere Betrachtung des Umgangs mit Ungewissheit. Dies wird insbesondere im Hinblick auf die Frage danach als aufschluss‐ reich erachtet, wie innovative Ansätze für den Fremdsprachenunterricht Eingang in die Handlungspraxis der Lehrkräfte finden können. Weiterhin kann dieser Ansatz der Beantwortung der Frage dienen, wie die (fremdsprachendidaktische) Lehrer*innenbildung gestaltet werden müsste, damit sich die Lehrkräfte dementsprechend professionalisieren können. Diesen und weiteren Implikationen der vorliegenden Studie widmet sich das folgende Kapitel. 8.4 Implikationen für die (fremdsprachendidaktische) Lehrer*innenbildung In diesem Kapitel werden die Ergebnisse dieser Arbeit hinsichtlich der Frage diskutiert, wie sich berufserfahrene Englischbzw. Fremdsprachenlehrkräfte (im Umgang mit kultureller und sprachlicher Heterogenität) 195 professionalisieren können und welche Implikationen für die (fremdsprachendidaktische) 196 Lehrer*innenbildung sich hieraus ableiten lassen. Als Ausgangspunkt dieser Überlegungen dienen die unterschiedlichen Potenziale für Pro‐ fessionalisierung, welche im vorigen Kapitel 8.3 anhand der rekonstruierten relationalen Typen diskutiert wurden (zur relationalen Typenbildung vgl. Kapitel 7.4). Damit sich 296 8 Zusammenfassung und Diskussion der Ergebnisse <?page no="297"?> diese Potenziale entfalten können, bedarf es typenspezifischer Unterstützungsmaßnahmen, welche jedoch in einem ganzheitlichen Professionalisierungskonzept aufgehen. Als An‐ satzpunkt hierfür wird die Zusammenarbeit von Lehrkräften (sowie weiteren Akteur*innen im Bildungsbereich) in professionellen Lerngemeinschaften (PLGs) vorgeschlagen. Letztere stellen eine Verstetigungsmöglichkeit der in Kapitel 4 beschriebenen Fortbildung dar. Hübner et al. (2010: 2) definieren PLGs als […] Lehrer-Gruppen, die gemeinsam ihren Unterricht reflektieren und dabei das Ziel verfolgen, ihre eigene Unterrichtspraxis zu verbessern. Bezugspunkt ist die Verbesserung der Lernergebnisse der Schüler und Schülerinnen aufgrund der Verbesserung der Unterrichtsqualität. […] In der PLG geht es darum, dass die Lehrkräfte Unterrichtsstunden oder ganze Unterrichtseinheiten entwickeln, diese in ihren Klassen umsetzen und anschließend gemeinsam über die Einheiten reflektieren. Herzstück solcher Lerngemeinschaften ist die konsequente Fokussierung der gemein‐ samen Entwicklungsbemühungen auf das Lernen der Schüler und Schülerinnen. Somit können PLGs als Motor für Schul- und Unterrichtsentwicklung verstanden werden. Sie unterstützen das kollaborative Arbeiten von Lehrkräften und regen die gemeinsame Reflexion und (Weiter-)Entwicklung von Unterricht an (vgl. Bonsen & Rolff 2006; Holtap‐ pels 2013; Kansteiner, Stamann & Rist 2020). Studien wie die von Holtappels (2013) belegen, dass die Arbeit in PLGs positive Auswirkungen auf die Unterrichtsqualität haben kann. Des Weiteren werden die Vorteile von PLGs in der Verbesserung der Lehr-Lern-Kultur durch eine auf die Lernprozesse der Schüler*innen ausgerichtete Unterrichtsgestaltung, der Arbeitsentlastung der Lehrkräfte durch kollegiale Unterstützung und Beratung sowie in der Stärkung positiver Einstellungen zu Kooperation gesehen (vgl. Massenkeil & Rothland 2016 mit einem Überblick; Steinkühler 2022). Es ist die Aufgabe der Fachdidaktik, weiterführende Konzepte für PLGs zu entwickeln, in welchen sowohl fachdidaktische Fragestellungen als auch berufsbezogene Anforderungen bearbeitet werden können. Weiterhin ist es die Aufgabe der Fachdidaktik, die entwickelten Konzepte zu erproben und deren Wirksamkeit empirisch zu prüfen. Ausgehend von den Professionalisierungspotenzialen der rekonstruierten relationalen Typen werden nun Vorschläge für die Gestaltung von PLGs unterbreitet. Der Fokus dieser Vorschläge liegt gemäß des Forschungsgegenstandes dieser Arbeit auf dem fachspe‐ zifischen Umgang mit kultureller und sprachlicher Heterogenität im Englischunterricht. Aufgrund des flexiblen und offenen Umgangs des Typs adaptierend mit den wahrgenom‐ menen institutionsbezogenen Normen sowie der Anpassung des Englischunterrichts an die (Lern-)Voraussetzungen und Bedürfnisse der Lernenden wurde diesem Typ ein hohes Professionalisierungspotenzial bescheinigt (vgl. Kapitel 8.3). Die Berücksichtigung der kulturellen und sprachlichen Hintergründe der Lernenden zählt aufgrund ihres schüler*in‐ nenorientierten Habitus nahezu selbstverständlich zur unterrichtlichen Handlungspraxis der Lehrkräfte. Diese Hintergründe versuchen die Lehrkräfte mit den wahrgenommenen Institutionsnormen zu vermitteln, was jedoch mit Anstrengung und Druck verbunden ist (vgl. z. B. Fall Altay, t1, Z. 1144 ff.). Dieser Druck ergibt sich aus der Wahrnehmung der Lehrkräfte, sich selbstständig Freiräume für den Einbezug der schüler*innenseitigen Hintergründe schaffen zu müssen. 8.4 Implikationen für die (fremdsprachendidaktische) Lehrer*innenbildung 297 <?page no="298"?> Der Typ adaptierend könnte in seinem Professionalisierungsprozess im Umgang mit kultureller und sprachlicher Heterogenität unterstützt werden, indem die Bearbeitung der Entwicklungsaufgabe Kooperation stärker angeregt wird. So können in Form von PLGs Räume geschaffen werden, in welchen sich die Lehrkräfte hinsichtlich der Möglichkeiten eines sinnstiftenden und systematischen Einbezugs der kulturellen und sprachlichen Hintergründe ihrer Schüler*innen mit Kolleg*innen austauschen und beraten können. Des Weiteren bräuchte es für die Lehrkräfte dieses Typs Angebote und Strukturen, welche die Auseinandersetzung mit dem Verständnis von Schulentwicklung fördern und es ihnen ermöglichen, gemeinsam mit Kolleg*innen die Gestaltungsmöglichkeiten des Umgangs mit kultureller und sprachlicher Heterogenität bei gleichzeitiger Berücksichtigung der fachli‐ chen und institutionellen Vorgaben auszuloten. Aufgrund ihrer schüler*innenorientierten und ungewissheitstoleranten Gestaltung des Englischunterrichts können die Lehrkräfte des Typs adaptierend andere Akteur*innen in PLGs dazu anregen, ihren Unterricht zu öffnen und Innovationen zu implementieren. Dies kann beispielsweise durch gemeinsame Unterrichtsplanungen, -hospitationen und -reflexionen gelingen. Diese Überlegungen sind anschlussfähig an Gerlach et al. (2020), die Unterrichtsplanung als zentrales Element von Professionalisierung fassen. Weiterhin weisen u. a. Schmid (2014) und Timperley et al. (2007) darauf hin, wie Reflexionsprozesse und Unterrichtshospitationen in PLGs für Lehrkräfte wirksam werden können. Beim Typ subordinierend ergibt sich aufgrund der spannungsreichen Unterordnung unter institutionsbezogene Normen ein deutlicher Professionalisierungsbedarf, da die als Verpflichtung wahrgenommene Erfüllung dieser Normen das Handeln der Lehrkräfte begrenzt und dazu führt, dass die Schüler*innen zugunsten der Durchprozessierung inhalt‐ licher Vorgaben häufig aus dem Blickfeld geraten. Gerade im Umgang mit kultureller und sprachlicher Heterogenität ergibt sich daher im unterrichtlichen Handeln der Lehrkräfte wenig Handlungsspielraum, um auf die Hintergründe der Lernenden einzugehen und diese für (Sprach-)Lernprozesse nutzbar zu machen. Weiterhin sind die Lehrkräfte in ihrem unterrichtlichen Handeln deutlich an Sicherheit und Struktur orientiert und weichen eher nicht von wahrgenommenen Vorgaben ab. Der Typ subordinierend könnte in seinem Professionalisierungsprozess zunächst dadurch unterstützt werden, indem explizites Wissen über Mehrsprachigkeits- und Kulturdidaktik vertieft und Kenntnisse hinsichtlich der Methoden zum systematischen Einbezug der kul‐ turellen und sprachlichen Hintergründe der Lernenden in den Englischunterricht erweitert werden. Aufgrund der Tendenz der Lehrkräfte zur Vermeidung von Unsicherheit könnte ihnen dieses theoretische und methodische Wissen als (Orientierungs-)Grundlage für den unterrichtspraktischen Umgang mit kultureller und sprachlicher Heterogenität dienen. Mit Bonnet & Hericks (2020) muss jedoch darauf hingewiesen werden, dass explizites Wissen zwar notwendig, aber nicht hinreichend ist, um das unterrichtliche Handeln von Lehrkräf‐ ten zu verändern und Professionalisierungsprozesse anzustoßen (vgl. auch Kapitel 2). Vor diesem Hintergrund könnte es für diesen Lehrkräftetyp in einem weiteren Schritt hilfreich sein, das eigene Handeln zu reflektieren und sich über die relevant gesetzten Normen be‐ wusst zu werden. Dies kann in PLGs durch Unterrichtshospitationen sowie anschließende Reflexionen geschehen. Auch kollegiale Fallberatung und gemeinsame Unterrichtsplanung können dazu beitragen, dass unterrichtliche Handlungsprobleme kooperativ reflektiert und 298 8 Zusammenfassung und Diskussion der Ergebnisse <?page no="299"?> analysiert werden und fallspezifische, anwendungsbezogene Lösungsansätze erarbeitet werden können (vgl. z. B. Preuß et al. 2020). Zentral für die Professionalisierung dieses Typs ist die Bearbeitung der Entwicklungsaufgaben Anerkennung und Vermittlung, was hiermit angestoßen werden kann. Dem Typ übernehmend wurde aufgrund seiner unhinterfragten Verabsolutierung von fachdidaktischen und institutionsbezogenen Normen ein geringes Professionalisie‐ rungs-potenzial zugeschrieben, da im Fokus des Unterrichts in erster Linie die Vermittlung und Überprüfung von sprachlichem Regelwissen und eher weniger die Schüler*innen mit ihren (Lern-)Voraussetzungen stehen. Demnach werden auch die kulturellen und sprachlichen Hintergründe der Lernenden weitestgehend ausgeblendet, da deren Einbezug in den Englischunterricht in der Rahmung der Lehrkräfte dem Ziel des Erwerbs der englischen Sprache entgegensteht. Auch die Tendenz zur Schließung des Englischunter‐ richts und die hiermit verbundene Ungewissheitsvermeidung erweist sich als wenig professionalisierungsförderlich, da die Lehrkräfte aufgrund ihres lenkenden Habitus den Relevantsetzungen der Schüler*innen wenig Raum geben und dementsprechend auch keine Themen in den Unterricht aufnehmen, die über ihre eigenen unterrichtlichen Zielsetzungen hinaus gehen. Die zentralen zu bearbeitenden Entwicklungsaufgaben dieses Typs sind Anerkennung und Vermittlung. Professionalisierungsprozesse könnten bei den Lehrkräften dieses Typs dadurch ange‐ regt werden, dass die eigene Handlungspraxis sowie die als unhintergehbar angenomme‐ nen Selbstverständlichkeiten irritiert und dadurch für Reflexion zugänglich werden. Dies könnte beispielsweise durch das Kennenlernen von alternativen Handlungspraktiken und Unterrichtsmethoden geschehen, bei welchen Englischunterricht stärker ausgehend von den Lernenden gestaltet und für deren Relevantsetzungen geöffnet wird. Da zwei der Kernmerkmale von PLGs die Fokussierung der Lernenden und deren Lernprozesse sowie die Deprivatisierung des Unterrichts sind (vgl. u. a. Kansteiner et al. 2020), könnten die Lehrkräfte dieses Typs durch Unterrichtshospitationen bei Kolleg*innen zu einem Perspektivwechsel angeregt werden. Weiterhin kann eine anschließende kritisch-reflexive Auseinandersetzung mit alternativen Handlungspraktiken dazu führen, dass die Lehrkräfte eine reflexive Distanz zu ihrem eigenen Handeln gewinnen, die eigenen Selbstverständ‐ lichkeiten und Interaktionsmuster erkennen und hinterfragen. Gerade weil sie sich als Expert*innen für die Vermittlung von (Fach-)Inhalten rahmen, den Schüler*innen häufig mit Misstrauen begegnen und stets deren Lernprozesse kontrollieren (vgl. z. B. Transkript Schneider, t1, Z. 77), ist es für die Lehrkräfte des Typs übernehmend zentral, dass sie lernen, „los[zu]lassen, geschehen [zu] lassen, der nachwachsenden Generation Handlungs‐ spielräume [zu] geben“ (Bonnet & Hericks 2020: 438; C.L.). Dies könnte in PLGs über Fallreflexionen, Supervision sowie Coachings geschehen. Wie die Ergebnisse der Typologie zum Umgang mit kultureller und sprachlicher Hete‐ rogenität deutlich gemacht haben, herrscht bei der Mehrheit der Lehrkräfte ein vorrangig nationenbasiertes, essentialistisches Kulturverständnis vor und auch der sprachlichen Heterogenität der Schüler*innen wird häufig aus einer defizitorientierten Perspektive begegnet. Die hier vorgeschlagenen Gestaltungsweisen und Arbeitsformen innerhalb von PLGs können zur kulturellen und sprachlichen Sensibilisierung der Lehrkräfte beitragen, indem die eigenen Verständnisse von Sprache und Kultur reflektiert und gemeinsam mit 8.4 Implikationen für die (fremdsprachendidaktische) Lehrer*innenbildung 299 <?page no="300"?> 197 Bei den Open Educational Resources handelt es sich um Handreichungen, Materialsowie Litera‐ tursammlungen, welche die Themen und Inhalte der Fortbildung in aufbereiteter Form enthalten sowie Anregungen zur Weiterarbeit im Fremdsprachenunterricht bieten. Die OERs wurden den an dieser Studie teilnehmenden Lehrkräften unter einer freien Lizenz zur kostenlosen Nutzung und Weiterverbreitung Verfügung gestellt (vgl. Kapitel 4). 198 Siehe hierzu den Sammelband „Was ist der Fall? Kasuistik und das Verstehen des pädagogischen Handelns“ (Hummrich et al. 2016). Kolleg*innen ausgehandelt werden. Hierfür können die in der Fortbildung zur Verfügung gestellten Open Educational Resources (OER) 197 als Diskussions- und Arbeitsgrundlage dienen. In diesem Zusammenhang ist auch die reflexive Auseinandersetzung mit Zuschrei‐ bungs- und Diskriminierungspraktiken sowie Marginalisierungen von zentraler Bedeutung (vgl. Schondelmayer 2016; Vernal Schmidt 2021). Die Ergebnisse dieser Arbeit haben weiterhin gezeigt, dass insbesondere die Lehrkräfte des Typs funktionalisierend stereotype Wahrnehmungen in Bezug auf Kultur, Migration und Herkunft haben und die Schüler*in‐ nen häufig zu Repräsentant*innen ‚einer‘ Kultur oder zu ‚kulturellen Expert*innen‘ machen (vgl. Viebrock 2003; Küppers 2019). Diese Zuschreibungspraktiken, die häufig auf impliziter Wissensebene liegen, gilt es aufzudecken und so die Wirkmacht von Sprache bewusst zu machen. Hiermit verbunden ist auch die Einnahme einer machtkritischen Position, denn Sprache ist nicht nur Kommunikationsmittel, sondern kann auch ein Differenzmerkmal sein, wodurch Sprachgemeinschaften hierarchisiert und Individuen ausgegrenzt werden können (vgl. Dirim 2017; Vernal Schmidt 2021). Vor diesem Hintergrund gilt es, den eigenen Sprachgebrauch zu reflektieren. Hierzu zählen ebenfalls das Bewusstmachen und kritische Hinterfragen der für den Englischunterricht als selbstverständlich angenommenen Nor‐ men, wie z.-B. die Einsprachigkeits- oder native speaker-Norm sowie das Präferieren einer bestimmten Varietät des Englischen (wie z. B. im Typ funktionalisierend; vgl. Kapitel 7.3). Dies geht häufig mit Sprachverboten, der Abwertung von Akzenten und Sprachvarietäten sowie einer defizitorientierten Wahrnehmung von sprachlicher Heterogenität einher. Weiterhin kann dies dazu führen, dass sich Schüler*innen im Unterricht ausgegrenzt oder nicht gehört fühlen, da sie sprachlich von der präferierten Varietät abweichen (vgl. Vernal Schmidt 2021). Auch kann dies zur Hierarchisierung von Sprachen führen (vgl. Settinieri 2011; Dirim 2016), indem z. B. bestimmte Varietäten des Englischen oder Schulfremdsprachen als höher wertig angesehen und im Englischunterricht daher eher akzeptiert werden als herkunfts- und migrationsbedingte Sprachen. Dem kann, und hiermit schließt sich diese Arbeit den Überlegungen Vernal Schmidts (2021) an, durch die reflexive Auseinandersetzung mit der eigenen Sprachbiographie, den Spracherwerbsvorstellungen sowie -praktiken entgegengewirkt werden. In PLGs kann dies beispielsweise durch Fallar‐ beit oder kasuistische Ansätze 198 geschehen. Die bis hierhin diskutierten Ergebnisse dieser Studie lassen die Schlussfolgerung zu, dass sich das Professionalisierungspotenzial der Lehrkräfte sowie das Potenzial der Veränderung des Umgangs mit kultureller und sprachlicher Heterogenität im Englischunterricht aus dem Zusammenspiel zwischen expliziten und impliziten Wissensbeständen, dem Umgang mit Normen sowie der Bereitschaft der Lehrkräfte ergibt, ihren Unterricht ausgehend von den Schüler*innen zu gestalten und damit Ungewissheit zuzulassen. Weiterhin haben die Ergeb‐ nisse dieser Arbeit gezeigt, dass sich alle befragten Lehrkräfte in unterschiedlichem Maße 300 8 Zusammenfassung und Diskussion der Ergebnisse <?page no="301"?> an Institutions- und fachdidaktischen Normen abarbeiten und hierbei unterschiedliche Normen als relevant für ihre Handlungspraxis rahmen. Wie bis hierhin argumentiert, kann die Kooperation von Lehrkräften in PLGs dazu beitragen, dass die eigenen Selbstverständ‐ lichkeiten sowie der Umgang mit Normen reflektiert werden. Auch können PLGs in der Verhandlung von Normen wirksam werden, da die Basis einer erfolgreichen und wirksamen Kooperation das Vorhandensein gemeinsam geteilter Normen und Ziele darstellt, die miteinander vereinbart und kommuniziert werden müssen (vgl. z.-B. Bonsen 2005). Damit PLGs jedoch ihre Wirkungen entfalten und Lehrkräfte in der (Weiter-)Entwicklung ihres Unterrichts sowie in ihren Professionalisierungsprozessen unterstützen können, müssen sie zu einem festen Bestandteil von Schule und deren Strukturen werden. Wie die Studie von Richter und Pant (2016) deutlich macht, sind die strukturellen Bedingungen an deutschen Schulen im Hinblick auf Kooperationsmöglichkeiten für Lehrkräfte bislang jedoch wenig unterstützend. Hier besteht folglich Handlungsbedarf, um zu verhindern, dass die Teilnahme und Zusammenarbeit von Lehrkräften in PLGs nicht als zusätzliche Belastung erfahren wird und auf der Initiative von vereinzelten Lehrkräften beruht. Hierfür bedarf es Unterstützungs- und Entlastungsstrukturen an der Einzelschule sowie seitens der Bildungspolitik, damit Professionalisierung und die kontinuierliche (Weiter-)Entwicklung von Lehrkräften zu einem integralen und damit selbstverständlichen Bestandteil des Lehrberufs werden können. Dies ist anschlussfähig an die Forderung von Richter und Pant (ebd.: 32 f.), feste Kooperationsstrukturen in den Schulen zu etablieren und Kooperationszeit als selbstverständlichen Teil der Arbeitszeit in den Schulalltag zu integrieren. Letztlich gilt es, einen systematischen und sinnstiftenden Umgang mit kultureller und sprachlicher Heterogenität sowie hiermit verbunden, einen kritisch-reflexiven Umgang mit Institutions- und fachdidaktischen Normen nicht nur in der dritten Phase der Lehrkräfte‐ bildung zu etablieren. Vielmehr muss dies bereits von Beginn an in der universitären Aus‐ bildung angebahnt, über den Vorbereitungsdienst weitergetragen sowie in der Schulpraxis kontinuierlich (weiter-)bearbeitet werden. Hierfür bedarf es einer engeren Verzahnung und Zusammenarbeit der Lehrkräftebildungsphasen, in deren Zuge sowohl inhaltliche als auch konzeptionelle Abstimmungen getroffen werden. Wie die Ergebnisse dieser Studie gezeigt haben, spielt der Umgang mit kultureller und sprachlicher Heterogenität im Englischunterricht der in dieser Studie befragten Lehrkräfte eine eher untergeordnete Rolle und die Lehrkräfte äußern, dass sie in ihrer Ausbildung wenig Erfahrungen mit mehrsprachigkeits- und kulturdidaktischen Methoden sowie Ansätzen gemacht haben. Im Umgang mit kultureller und sprachlicher Heterogenität rekurrieren die meisten Lehrkräfte auf Erfahrungen und Praktiken, die sie während ihrer eigenen Schulzeit erfahren haben und reproduzieren diese in ihrer eigenen Unterrichtspraxis, da sie als implizites Wissen vorliegen (wie z. B. im Fall Altay, vgl. Kapitel 7.3.2 und 7.3.4). Oder aber sie grenzen sich explizit von diesen Praktiken ab und schlagen einen eigenen Weg ein (wie z. B. im Fall Hofmann, vgl. Kapitel 7.2.4; vgl. hierzu auch Wilken 2021). An dieser Stelle ist es von zentraler Bedeutung, die eigenen (berufs-)biographischen Erfahrungen, daraufhin entwickelte Handlungsroutinen und Selbstverständlichkeiten zu reflektieren und für Ver‐ änderung zugänglich zu machen. Dies kann neben den bereits erwähnten Maßnahmen in PLGs auch in Form eines phasenübergreifenden (digitalen) Portfolios geschehen. Dieses 8.4 Implikationen für die (fremdsprachendidaktische) Lehrer*innenbildung 301 <?page no="302"?> kann in der universitären Lehrkräftebildungsphase begonnen und kontinuierlich über die sich anschließenden Phasen weitergeführt werden (vgl. Viebrock 2018a). Damit kulturelle und sprachliche Heterogenität eine systematische Berücksichtigung im Englischunterricht erfahren und Lehrkräfte sich entsprechend professionalisieren können bedarf es - insbesondere in Bezug auf die zugrunde gelegten Konzepte von Kultur und Sprache - aufeinander abgestimmte Curricula. Wie in Kapitel 3.3 dargelegt, gehen die Kerncurricula in Hessen bislang nicht von einem einheitlichen Kulturverständnis aus, sondern verwenden hier unterschiedliche Terminologie. Um die in Kapitel 2 angesproche‐ nen Spannungen zwischen Theorie und Praxis, zwischen fachdidaktischen Überlegungen, bildungspolitischen Anforderungen und der Schulpraxis zu verringern, braucht es einheit‐ liche Begriffsverständnisse sowie -verwendungen in den jeweiligen Bildungspapieren. Diese Begriffsverständnisse müssen den Lehrkräften zudem zugänglich gemacht und durch Fortbildungen kommuniziert werden. So kann verhindert werden, dass die Einführung neuer Konzepte zum Umgang mit kultureller und sprachlicher Heterogenität nicht nur auf dem Austausch von Präfixen bei gleichbleibender inhaltlicher Ausrichtung beruht (vgl. Viebrock 2018b). Auch hier ist eine Zusammenarbeit sowie Abstimmung zwischen den Akteur*innen der Fachdidaktik, der Bildungspolitik sowie der Schulpraxis sinnvoll, um Innovationen in Schule und Unterricht zu verankern. 302 8 Zusammenfassung und Diskussion der Ergebnisse <?page no="303"?> 9 Fazit und Ausblick Im Zentrum der vorliegenden Arbeit standen die Fragen, wie berufserfahrene Englischlehr‐ kräfte mit kultureller und sprachlicher Heterogenität umgehen und wie sie sich im Umgang mit diesem Themenfeld im Rahmen einer siebenmonatigen Lehrkräftefortbildung professionalisieren. Die Relevanz dieser Fragestellungen ergab sich aus der Tatsache, dass der Umgang mit kultureller und sprachlicher Heterogenität eines der zentralen Themen im Handlungsfeld Schule und Unterricht darstellt, das mit zahlreichen Anforderungen verbunden ist, auf welche sich insbesondere berufserfahrene (Fremd-)Sprachenlehrkräfte nicht ausreichend vorbereitet fühlen (vgl. Kapitel 3). Trotz überwiegend positiver Einstel‐ lungen der Lehrkräfte gegenüber kultureller und sprachlicher Heterogenität sowie einem Bewusstsein hinsichtlich der Bedeutung der kulturellen und sprachlichen Hintergründe für die Lernprozesse der Schüler*innen, lässt sich bislang kein systematischer Einbezug dieser Hintergründe in den Englischunterricht ausmachen. Dies hat zur Folge, dass „die schüler*innenseitigen Ressourcen häufig ignoriert werden und damit Potenziale für sprachliches und kulturelles Lernen im Fremdsprachenunterricht ungenutzt bleiben“ (Leonhardt et al. 2021: 3; vgl. auch Kropp 2017). Auf Basis des hieraus resultierenden Professionalisierungsbedarfs wurde die Beforschung der Professionalisierungsprozesse von berufserfahrenen Englischlehrkräften in Bezug auf das genannte Themenfeld als ein Forschungsdesiderat identifiziert (vgl. Kapitel 2 und 3). Professionalisierung wurde in einem berufsbiographisch-strukturtheoretischen Ver‐ ständnis als lebenslanger Prozess der Wahrnehmung, Deutung und Bearbeitung von allgemeinen, unterrichtssowie fachbezogenen Handlungsanforderungen verstanden, „in deren Zuge sich vorhandene Kompetenzen und Orientierungen weiterentwickeln, ausdif‐ ferenzieren und transformieren“ (Bonnet & Hericks 2014: 88; vgl. auch Kapitel 2). Um die Professionalisierungsprozesse der an dieser Studie teilnehmenden Englischlehrkräfte über den Verlauf einer Lehrkräftefortbildung in einen Zeitraum von sieben Monaten rekonstru‐ ieren zu können, wurde dem Ansatz von Wittek et al. (2020) gefolgt und auf Veränderungs- und Stabilisierungsprozesse in der Wahrnehmung und Bearbeitung berufsbezogener sowie fachspezifischer Anforderungen geblickt. Mit der vorliegenden Arbeit konnten erstmals Professionalisierungsprozesse von berufserfahrenen Englischlehrkräften im Umgang mit kultureller und sprachlicher Heterogenität im Längsschnitt rekonstruiert werden. Insgesamt wurden 24 Interviews zu zwei Zeitpunkten mit zwölf Englischlehrkräften geführt, die an einer siebenmonatigen Lehrkräftefortbildung teilgenommen haben. Diese Interviews wurden audiographiert, vollständig transkribiert und mittels Dokumentarischer Methode in einem dreischrittigen Verfahren ausgewertet. In einem ersten Schritt wurden im Zuge einer mehrdimensionalen sinngenetischen Typenbildung handlungsleitende Ori‐ entierungen hinsichtlich der Themenfelder der Gestaltung des Englischunterrichts im Umgang mit Lernenden sowie des Umgangs mit kultureller und sprachlicher Heterogeni‐ tät rekonstruiert. Hierbei ist deutlich geworden, dass der Umgang mit kultureller und sprachlicher Heterogenität eine eher untergeordnete Rolle für die Lehrkräfte und deren Englischunterricht spielt und insbesondere von institutionsbezogenen und fachdidakti‐ schen Normen überlagert wird. Das Ergebnis des ersten Themenfeldes bilden die drei <?page no="304"?> Typen ko-konstruktiv, durchprozessiert und lenkend (vgl. Kapitel 7.2). Diese Typen geben Aufschluss darüber, wie Englischlehrkräfte ihren Unterricht gestalten und wie sie hierbei mit den Lernenden umgehen. Der Typ ko-konstruktiv gestaltet seinen Englischunterricht ausgehend von den (Lern-)Voraussetzungen und (Lern-)Bedürfnissen der Schüler*innen, welchen gegenüber formale und normative Vorgaben untergeordnet sind. Der Typ durch‐ prozessiert orientiert sich bei der Gestaltung des Englischunterrichts an institutionsbezo‐ genen Normen, insbesondere an der Durchprozessierung curricular vorgegebener Themen. Der Typ lenkend gestaltet den Englischunterricht ausgehend von eigenen Ziel- und Schwer‐ punktsetzungen, welchen gegenüber die Schüler*innen und deren (Lern-)Bedürfnisse sowie (Lern-)Voraussetzungen untergeordnet sind. Auch im zweiten Handlungsfeld des Umgangs mit kultureller und sprachlicher Heterogenität konnten drei Typen rekonstruiert werden: einbindend, aushandelnd und funktionalisierend (vgl. Kapitel 7.3). Lehrkräfte des Typs einbindend rahmen die kulturellen und sprachlichen Hintergründe der Lernenden als Ressourcen und beziehen diese nahezu selbstverständlich in den Englischunterricht ein. Der Typ aushandelnd zeigt ein Bewusstsein hinsichtlich der Relevanz der sprachlichen und kulturellen Hintergründe für die Lernprozesse der Schüler*innen und begegnet diesen Hintergründen im Englischunterricht mit Wertschätzung. Eine systematische und didakti‐ sche Einbeziehung von kultureller und sprachlicher Heterogenität zeigt sich nicht. Der Typ funktionalisierend nimmt einen distanzierten und defizitorientierten Blick auf kulturelle und sprachliche Heterogenität ein. Die diesbezüglichen Hintergründe der Schüler*innen werden nur in den Englischunterricht einbezogen, wenn dies dem Erwerb der englischen Sprache dient. In einem zweiten Schritt wurden in einer relationalen Typenbildung systematische Zu‐ sammenhänge zwischen den in der mehrdimensionalen Typenbildung rekonstruierten Ori‐ entierungen herausgearbeitet (vgl. Kapitel 7.4). Es hat sich gezeigt, dass eine systematische Verbindung zwischen der Art und Weise der Gestaltung des Englischunterrichts im Umgang mit Lernenden sowie des Umgangs mit kultureller und sprachlicher Heterogenität besteht. Demnach beziehen Englischlehrkräfte, die sich bei der Gestaltung ihres Unterrichts an ihren Schüler*innen, deren (Lern-)Voraussetzungen und (Lern-)Bedürfnissen orientieren, die kulturellen und sprachlichen Hintergründe der Lernenden eher in den Englischunterricht ein und nutzen diese produktiv als Lehrkräfte, die ihren Unterricht ausgehend von instituti‐ onsbezogenen Anforderungen oder eigenen Ziel- und Relevantsetzungen gestalten. Aus der Relationierung der genannten Orientierungen konnten drei abstrahierte relationale Typen gebildet werden: adaptierend, subordinierend und übernehmend. Diese geben Aufschluss darüber, wie Lehrkräfte mit den von ihnen wahrgenommenen institutionsbezogenen sowie fachdidaktischen Normen umgehen. Letztere haben sich als zentraler Einflussfaktor auf das Handeln sowie auf die Professionalisierung der befragten Lehrkräfte erwiesen (vgl. Kapitel 7.4). Lehrkräfte des Typs adaptierend nehmen institutionsbezogene Normen als verhandelbar wahr und passen diese an die (Lern-)Voraussetzungen und (Lern-)Bedürfnisse ihrer Schüler*innen an. Hieraus resultiert eine flexible und offene Gestaltung des Englisch‐ unterrichts, die sich durch eine hohe Ungewissheitstoleranz auszeichnet. Die Lehrkräfte des Typs subordinierend nehmen Normen als zu erfüllende Verpflichtung wahr, die das Handeln der Lehrkräfte einerseits legitimieren, andererseits jedoch regulieren und limitieren. Sie ordnen sich diesen Normen spannungsreich unter und sehen (noch) keine Möglichkeit, von 304 9 Fazit und Ausblick <?page no="305"?> der Erfüllung derselben abzuweichen. Lehrkräfte des Typs übernehmend gestalten ihren Englischunterricht ausgehend von institutionsbezogenen und fachdidaktischen Normen, die sie als selbstverständlich rahmen und nicht hinterfragen. Sie halten an routinierten Handlungsabläufen fest und distanzieren sich von Normen, die eine Öffnung des Englisch‐ unterrichts sowie eine schüler*innenorientierte Unterrichtsgestaltung erfordern. In einem dritten Schritt wurden die Ergebnisse der relationalen Typenbildung als Ausgangspunkt für die Identifikation von Professionalisierungsprozessen der befragten Lehrkräfte genommen und auf Ebene des Einzelfalls auf Veränderungs- und Stabilisierungs‐ prozesse in der Wahrnehmung und Bearbeitung des Spannungsverhältnisses zwischen Normen und Habitus geblickt (vgl. Kapitel 7.5). Es ist eines der zentralen Erkenntnisse dieser Arbeit, dass das Professionalisierungspotenzial der Lehrkräfte mit der Art und Weise des Umgangs mit institutionellen und fachdidaktischen Normen sowie der Bereitschaft zusammenhängt, den Englischunterricht ausgehend von den Schüler*innen zu gestalten und für Ungewissheit zu öffnen. Es zeigte sich, dass diejenigen Lehrkräfte, die Normen mit ihren Schüler*innen aushandeln und an deren (Lern-)Voraussetzungen und (Lern-)Bedürf‐ nisse anpassen, ein größeres Professionalisierungspotenzial aufweisen als Lehrkräfte, die sich an Normen als zu erfüllende Verpflichtung orientieren, von welcher nicht abgewichen werden kann oder aber Normen als persönlich relevante Zielsetzungen unhinterfragt für ihre Handlungspraxis übernehmen und diese als nicht verhandelbare Anforderungen an ihre Schüler*innen weitergeben (vgl. Kapitel 8.3). Mit diesen Ergebnissen konnte die vorliegende Arbeit Erkenntnisse zum handlungs‐ leitenden Wissen von berufserfahrenen Englischlehrkräften im Umgang mit kultureller und sprachlicher Heterogenität sowie zu diesbezüglichen Professionalisierungsprozessen gewinnen. Auch wurde hierdurch die Bedeutung von implizitem Wissen für das Lehrer*in‐ nenhandeln deutlich und gezeigt, dass explizite Wissensbestände zwar notwendig, aber nicht hinreichend sind, um das unterrichtliche Handeln im Umgang mit kultureller und sprachlicher Heterogenität zu verändern und diesbezügliche Professionalisierungsprozesse anzustoßen. Als zentrale Einflussfaktoren haben sich vielmehr der Umgang mit instituti‐ onsbezogenen und fachdidaktischen Normen sowie mit Ungewissheit erwiesen. Demnach kann sich das Professionalisierungspotenzial im genannten Handlungsfeld nur in dem Maße entfalten, in welchem sich die Lehrkräfte aktiv und bewusst zu institutionellen Normen positionieren und deren Gültigkeit sowie Angemessenheit im Hinblick auf die (Lern-)Voraussetzungen und (Lern-)Bedürfnisse ihrer Schüler*innen aushandeln. Mit diesen Ergebnissen reiht sich die vorliegende Studie in die Reihe derjenigen Arbeiten ein, welche auf die begrenzende Wirkung von institutionellen Normen und strukturellen Zwängen für die Implementation von Innovationen sowie die Veränderung von Handlungspraktiken hingewiesen haben (vgl. z. B. Bonnet & Hericks 2020; Wilken 2021; Lüke 2024). Vor diesem Hintergrund sieht die Autorin dieser Arbeit die Akteur*innen der Lehrkräftebildung in der Verantwortung, nachhaltige Konzepte für die Aus-, Fort- und Weiterbildung zu entwickeln, in welchen (angehende) Lehrkräfte für die Wirkmacht von institutionsbezogenen und fachdidaktischen Normen sensibilisiert und zu einem offenen, flexiblen und adaptiven Umgang mit diesen angeregt werden. Weiterhin müssen (angehende) Lehrkräfte darin unterstützt werden, Strategien im Umgang mit impliziten Wissensbeständen und institutionsbezogenen Normen zu entwickeln sowie die eigenen 9 Fazit und Ausblick 305 <?page no="306"?> 199 Die Kooperation von Lehrkräften in PLGs ist nicht nur für berufserfahrene Lehrkräfte der dritten Phase der Lehrkräftebildung relevant, sondern kann sich bereits in der universitären Phase als wirksame Unterstützungsmaßnahme der Professionalisierungsprozesse von angehenden Lehrkräf‐ ten erweisen (vgl. z.-B. Steinkühler 2022; Theurl et al. 2023). Handlungs-, Zuschreibungspraktiken und Normalitätsannahmen kontinuierlich zu hinter‐ fragen. Gerade vor dem Hintergrund der in dieser Arbeit rekonstruierten defizitorientierten Wahrnehmung von kultureller und sprachlicher Heterogenität sowie der hiermit häufig verbundenen unreflektierten Aufrechterhaltung von Eigen- und Fremdbinaritäten gilt es […] professionelle Handlungen und Strukturen daraufhin zu befragen, inwiefern sie zu einer Ausschließung derer, die nicht ohne weiteres den impliziten Normalitätserwartungen der Schule entsprechen, und/ oder zu einer Herstellung dieser Schüler*innen als nicht normale, als andere Schüler*innen beitragen. (Heinemann & Mecheril 2018: 264) Demnach ist es von zentraler Bedeutung, in allen Phasen der Lehrer*innenbildung die (Lern-)Voraussetzungen, (Lern-)Bedürfnisse sowie Lernprozesse der Schüler*innen zum Ausgangspunkt des Fremdsprachenunterrichts zu machen und die Fähigkeit zur Perspek‐ tivübernahme sowie Reflexion auf Seiten der Lehrkräfte zu fördern. Hiermit verbunden ist die Sensibilisierung für Ungewissheit sowie die Ermöglichung und Begleitung der Entwicklung von Ungewissheitstoleranz. So kann der Englischunterricht für kulturelles sowie mehrsprachigkeitssensibles (Fremdsprachen-)Lernen geöffnet werden und Fremd‐ sprachenlehrkräfte können sich dementsprechend professionalisieren. Als Ansatz hierfür schlägt die Autorin die Kooperation von Fremdsprachenlehrkräften in PLGs 199 vor (vgl. Kapitel 8.4) und erachtet die Betrachtung der sich hierin ereignenden Kooperationsformen als einen lohnenswerten Ansatzpunkt für die fremdsprachendidakti‐ sche Lehrer*innenforschung. Hierbei kann es um die Fragen danach gehen, wie sich die Kooperationsformen innerhalb von PLGs auf das unterrichtliche Handeln von Fremdspra‐ chenlehrkräften im Umgang mit kultureller und sprachlicher Heterogenität auswirken. Auch kann untersucht werden, welchen Einfluss die Kooperation von Fremdsprachenlehr‐ kräften auf deren Ungewissheitstoleranz hat. In diesem Zusammenhang erscheint es für die fremdsprachendidaktische Lehrer*innenforschung als gewinnbringend, sich intensiver mit dem Konzept der Ungewissheit zu beschäftigen und dieses hinsichtlich fachdidaktischer Themen und Fragestellungen auszudifferenzieren (erste Ansätze hierzu finden sich z. B. bei Bonnet, Paseka & Proske 2021; Wilken 2022). In Bezug auf den in dieser Arbeit gefundenen Zusammenhang zwischen einer schüler*innenorientierten Gestaltung des Eng‐ lischunterrichts und einer ausgeprägten Ungewissheitstoleranz müsste weiterhin eruiert werden, inwiefern sich dieser Zusammenhang auch in anderen fremdsprachendidaktischen Arbeiten oder aber für Lehrkräfte weiterer, nicht-(fremd-)sprachlicher Fächer bestätigen lässt. Aufgrund der herausgearbeiteten Wirkmächtigkeit von institutionsbezogenen und fach‐ didaktischen Normen gilt es letztlich, deren Ursprung genauer in den Blick zu nehmen. Hier ist insbesondere zu klären, wo und wie die native speaker-Norm sowie die Relevantsetzung und Durchprozessierung des Curriculums entstehen. Es ist deutlich geworden, dass im Rahmen einer siebenmonatigen Lehrkräftefortbil‐ dung zum Thema Mehrsprachigkeit und kulturelle Vielfalt Professionalisierungsprozesse 306 9 Fazit und Ausblick <?page no="307"?> angestoßen werden können, deren Realisierung davon abhängig ist, inwieweit es den Lehrkräften gelingt, adaptiv und flexibel mit institutionsbezogenen und fachdidaktischen Normen umzugehen, ihren Unterricht ausgehend von den Schüler*innen zu gestalten und für Ungewissheit zu öffnen. An dieser Stelle muss noch einmal betont werden, dass alle an dieser Studie teilnehmenden Lehrkräfte aufgrund ihrer Teilnahme an der Lehrkräftefortbildung eine grundsätzliche Bereitschaft zeigten, sich zu professionalisieren und ihre Handlungspraxis im Umgang mit kultureller und sprachlicher Heterogenität weiterzuentwickeln. Inwiefern sich die durch die Fortbildung an die Lehrkräfte herange‐ tragenen Professionalisierungsimpulse, die sowohl auf expliziter als auch auf impliziter Ebene wirksam geworden sind, nachhaltig auf das unterrichtliche Handeln der Lehrkräfte auswirken, muss an dieser Stelle offen bleiben. Dies müsste in anschließenden Forschungs‐ arbeiten untersucht werden. Damit sich (Fremdsprachen-)Lehrkräfte jedoch auch zukünftig mit den dynamischen und sich stetig wandelnden Anforderungen ihres Berufs auseinan‐ dersetzen und sich und ihr Handeln entsprechend weiterentwickeln können, müssen von Seiten der Bildungspolitik entsprechende Strukturen geschaffen werden. Hierfür bedarf es keiner weiteren Anforderungen oder Bildungsstandards, die von außen an die Lehrkräfte herangetragen werden. Vielmehr müssen Fort- und Weiterbildung sowie Kooperation zu einem integralen Bestandteil von Schule und Unterricht und damit des Lehrberufs werden. 9 Fazit und Ausblick 307 <?page no="309"?> 10 Literatur Abendroth-Timmer, Dagmar (2017). Lehrerforschung. In Carola, Surkamp (Hg.) Metzler Lexikon Fremdsprachendidaktik: Ansätze - Methoden - Grundbegriffe (S.-196-199). Stuttgart: J.B. Metzler. Abott, Andrew D. (1988). The System of Professions. Chicago, London: University of Chicago Press. Allemann-Ghionda, Cristina (2013). Bildung für alle, Diversität und Inklusion: Internationale Perspek‐ tiven. Paderborn: Schöningh. Allemann-Ghionda, Cristina (2017). Zur diversitätsgerechten Professionalisierung angehender Lehr‐ personen. Beiträge zur Lehrerinnen- und Lehrerbildung 35(1), S.-139-151. Alter, Grit (2015). Interand Transcultural Learning in the Context of Canadian Young Adult Fiction. Münster: LIT. Alter, Grit (2017). Heterogenität. 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Zwar gibt es mittlerweile Fort- und Weiterbildungen auf diesem Gebiet, doch leider weiß man bisher nur wenig darüber, mit welchen Anforderungen es Sprachenlehrkräfte im Umgang mit kultureller und sprachlicher Heterogenität im Sprachenunterricht zu tun haben und wie sie in der Bearbeitung dieser Anforderungen professionelle Kompetenzen entwickeln können. Im Rahmen meiner Dissertation möchte ich herausfinden, welche Anforderungen Sie als Englischlehrer*in im Umgang mit sprachlicher und kultureller Heterogenität wahrnehmen, wie Sie diese Anforderungen bearbeiten und wie Sie in der Auseinandersetzung mit diesen Anforderungen professionelle Kompetenzen entwickeln können. Ich bitte Sie daher um Ihre Mitarbeit an diesem Projekt und würde mich sehr freuen, Sie bezüglich der oben angesprochenen Thematik interviewen zu dürfen. Insgesamt werden zwei ca. 45-minütige Interviews geführt, in welchen Fragen zur Bedeutung von sprachlicher und kultureller Heterogenität für Ihren Englischunterricht sowie für Sie persönlich als Englischlehrer*in zur Sprache kämen. Weiterhin würde ich gerne die von Ihnen in diesem Zusammenhang wahrgenommenen Herausforderungen thematisieren und dabei auch auf Ihre Berufsbiografie schauen. <?page no="342"?> Die Teilnahme an der Studie ist selbstverständlich freiwillig und auch der Inhalt unseres Gespräches wird von mir vertraulich behandelt. Aufgrund der aktuellen Situation im Zusammenhang mit Covid-19 kann ein persönliches Gespräch leider nicht stattfinden, weshalb sich entweder ein Telefonat oder ein Gespräch via eines Konferenztools anbietet. Um die Gesprächssituation bestmöglich zu analysieren, möchte ich das Interview mit einem Diktiergerät aufzeichnen. Ihre Daten werden hierbei - wie für solche Untersuchungen üblich - sorgfältig und gemäß der DSGVO anonymisiert. Was und wie viel Sie mir in unserem Interview von sich erzählen, bestimmen Sie selbst. Mir liegt an dem Hinweis, dass Ihre Daten ausschließlich im Rahmen meines wissenschaftlichen Forschungsprojektes genutzt, nicht an Dritte weitergegeben und - sollten aus diesem Projekt Veröffentlichun‐ gen entstehen - ausschließlich anonymisiert verwendet werden. Nach der Analyse des Interviews werden sämtliche Audiodateien vernichtet. Zu Ihrer Information lege ich eine Skizze meines Dissertationsprojektes inklusive For‐ schungsdesign bei. Auch eine Einverständniserklärung über Ihre Teilnahme an der Pilotie‐ rung finden Sie anbei. Sollten Sie darüber hinaus weitere Fragen haben, stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung. Ich bedanke mich im Voraus für Ihre Unterstützung und Ihr Interesse an meinem Projekt und würde mich freuen, Sie in einem virtuellen Gespräch kennenlernen zu dürfen. Mit freundlichen Grüßen Carina Leonhardt - Einverständniserklärung Hiermit erkläre ich mich mit der Teilnahme an der Studie im Rahmen des Dissertations‐ projektes zur Erforschung der Professionalisierungsprozesse von Englischlehrer*innen einverstanden. Ich wurde über das Ziel der Studie aufgeklärt. Weitere Fragen ergeben sich zum jetzigen Zeitpunkt nicht. Mir ist bekannt, dass die Teilnahme freiwillig ist und jederzeit ohne Angabe von Gründen abgebrochen werden kann. Hieraus ergeben sich keine Nachteile für meine Person. Ich wurde ebenfalls darüber informiert, dass alle während der Untersuchung erhobenen Daten streng vertraulich behandelt und gemäß der DSGVO anonymisiert werden. Ich bestätige durch meine Unterschrift, dass ich mit der Teilnahme an der Vorstudie einverstanden bin. - ----------------------------------------------------------------- (Ort/ Datum/ Unterschrift) 342 11 Anhang <?page no="343"?> Anhang 2: Interviewleitfäden Interviewleitfaden - 1. Interview (t1) Zustimmung Gesprächsaufzeichung Um unser Gespräch auswerten zu können, würde ich es gerne (mit diesem Diktiergerät) aufzeichnen. Die Aufzeichnung wird nur zu Forschungszwecken verwendet und nicht an Dritte weitergegeben. Alles, was Sie mir in unserem Gespräch erzählen, wird selbstver‐ ständlich vertraulich behandelt. Auch wird unser Gespräch in der Transkription anonymi‐ siert, sodass Ihre Aussagen nicht mehr auf Sie zurückzuführen und Sie als Person nicht identifizierbar sind. Stimmen Sie einer Aufnahme und der anschließenden Verwendung der Daten zum Zwecke meiner Forschung zu? Informationen zum Forschungsvorhaben In unseren E-Mails habe ich Ihnen ja schon einmal grob den Hintergrund meiner Forschung genannt. Ich promoviere an der Goethe-Universität und interessiere mich besonders dafür, welche Anforderungen und Herausforderungen Sie als Englischlehrkraft im Umgang mit kultureller und sprachlicher Heterogenität in Ihrem Englischunterricht wahrnehmen und wie Sie mit diesen Anforderungen umgehen. Wichtig ist mir hierbei besonders Ihre Rolle als Englischlehrer*in. Informationen zum Ablauf des Interviews Ich möchte Ihnen nun noch ein paar Informationen zum Ablauf des Interviews geben. Es handelt sich nicht um ein klassisches Interview, im Sinne eines „Frage-Antwort-Verfah‐ rens“. Vielmehr werde ich zu Beginn eine sehr breite Frage stellen, die Sie so ausführlich beantworten können, wie sie möchten. Was Sie mir erzählen, entscheiden Sie selbst. Hierbei werde ich Sie nicht unterbrechen und erst im Anschluss ein paar Nachfragen stellen. Deshalb werde ich mir hin und wieder ein paar Stichworte notieren. Mir kommt es darauf an, dass Sie mir möglichst viel von sich, Ihren Erfahrungen und Sichtweisen erzählen, die für Sie in Verbindung mit dem Thema des Interviews relevant sind. Einstiegsfrage(n) 1. Berichten Sie mir von einer Unterrichtsstunde aus Ihrem Englischunterricht, welche Ihnen besonders im Gedächtnis geblieben ist. Sie können hierbei irgendeine Stunde wählen und so weit ausholen, wie Sie möchten. 2. Wie bereits erwähnt, interessiere ich mich für die von Ihnen wahrgenommenen Anforderungen im Umgang mit kultureller und sprachlicher Heterogenität in Ihrem Englischunterricht. Ich würde Sie daher bitten, mir zu beschreiben, welche Erfahrun‐ gen Sie mit kultureller und sprachlicher Heterogenität als Englischlehrer*in gemacht haben. Mich interessiert, welche Bedeutung die Themen für Sie als Englischlehrer*in insbesondere im Laufe Ihres beruflichen Werdegangs haben (bzw. hatten). Gerne können Sie hierbei so weit ausholen, wie Sie möchten. Anhang 2: Interviewleitfäden 343 <?page no="344"?> Fragen für den Nachfrageteil (wenn nicht bereits immanent beantwortet) Schulalltag • Erzählen Sie mir von Situationen im Schulalltag/ Englischunterricht, in denen kulturelle und sprachliche Heterogenität eine Rolle spielen? • Erzählen Sie mir von einer Situation aus Ihrem Englischunterricht im Umgang mit kultureller und sprachlicher Heterogenität, die Sie als schwierig und/ oder belastend empfanden. • Erzählen Sie mir von einer Situation aus Ihrem Englischlehrer*innenalltag, welche Ihnen im Umgang mit kultureller und sprachlicher Heterogenität positiv in Erinnerung geblieben ist (z. B. die Zusammenarbeit/ ein Gespräch mit Kollegen*innen/ Eltern/ SuS; eine gelungene Unterrichtsstunde; Projekte etc.) Studium • Haben Sie während Ihres Studiums bereits mit den Themen der Fortbildung zu tun gehabt? Inwiefern? ▷ Falls ja: Erzählen Sie mir von einer Situation/ einem Erlebnis während Ihres Englischstudiums, in welcher/ in welchem Sie Schwierigkeiten oder Herausforde‐ rungen im Zusammenhang mit kultureller und sprachlicher Heterogenität erlebt haben. Wie sind Sie mit diesen Schwierigkeiten umgegangen? Vorbereitungsdienst • Versetzen Sie sich einmal in die Phase Ihres Berufseinstieges als Englischlehrer*in zurück. Welche Themen/ Bereiche/ Aufgaben erlebten Sie in dieser Phase als prioritär? Warum? • Erzählen Sie mir von Ihrem Berufseinstieg als Englischlehrer*in. Wie erlebten Sie diesen und die hiermit verbundenen Anforderungen? • Erzählen Sie mir von einer Situation/ von Situationen, in welcher die Themen der Fortbildung in Ihrem Vorbereitungsdienst für Sie eine Rolle spielten. • Gab es Situationen, die für Sie als angehende Englischlehrkraft während des Vorberei‐ tungsdienstes in Bezug auf die Themen der Fortbildung besonders schwierig oder belastend waren? Erzählen Sie mir von diesen Situationen. Exmanente Fragen • Warum haben Sie sich für das Englischstudium entschieden? • Wie bewerten Sie Ihre Berufs-/ Fachentscheidung rückschauend, heute als ausgebildete Englischlehrkraft? • Gibt es Anforderungen/ Aufgaben/ Schwierigkeiten im Umgang mit kultureller und sprachlicher Heterogenität, auf die Sie sich nicht ausreichend vorbereitet fühlen? Erzählen Sie mir von diesen. • Welche Kompetenzen und Fähigkeiten erachten Sie für eine Englischlehrkraft als wichtig im Umgang mit kultureller und sprachlicher Heterogenität? • Mit welchen Erwartungen nehmen Sie an dieser Fortbildung teil und welche Ziele haben Sie sich für die Teilnahme an dieser Fortbildung gesetzt? 344 11 Anhang <?page no="345"?> Abschlussfrage Abschließend möchte ich Sie bitten, sich einmal in die Zukunft zu denken. Wie sehen Sie den Englischunterricht der Zukunft und Ihre Rolle darin? Welche Herausforderungen ergeben sich für Sie als Englischlehrer*in als auch für den Englischunterricht? Wie bewerten Sie die Herausforderung des Umgangs mit kultureller und sprachlicher Heterogenität in Relation zu anderen Herausforderungen? Interviewleitfaden - 2. Interview (t2) Zustimmung Gesprächsaufzeichung Um unser Gespräch auswerten zu können, würde ich es gerne (mit diesem Diktiergerät) aufzeichnen. Die Aufzeichnung wird nur zu Forschungszwecken verwendet und nicht an Dritte weitergegeben. Alles, was Sie mir in unserem Gespräch erzählen, wird selbstver‐ ständlich vertraulich behandelt. Auch wird unser Gespräch in der Transkription anonymi‐ siert, sodass Ihre Aussagen nicht mehr auf Sie zurückzuführen und Sie als Person nicht identifizierbar sind. Stimmen Sie einer Aufnahme und der anschließenden Verwendung der Daten zum Zwecke meiner Forschung zu? Informationen zum Forschungsvorhaben In unseren E-Mails habe ich Ihnen ja schon einmal grob den Hintergrund meiner Forschung genannt. Ich promoviere an der Goethe-Universität und interessiere mich besonders dafür, welche Anforderungen und Herausforderungen Sie als Englischlehrkraft im Umgang mit kultureller und sprachlicher Heterogenität in Ihrem Englischunterricht wahrnehmen und wie Sie mit diesen Anforderungen umgehen. Wichtig ist mir hierbei besonders Ihre Rolle als Englischlehrer*in. Informationen zum Ablauf des Interviews Ich möchte Ihnen nun noch ein paar Informationen zum Ablauf des Interviews geben. Es handelt sich nicht um ein klassisches Interview, im Sinne eines „Frage-Antwort-Verfah‐ rens“. Vielmehr werde ich zu Beginn eine sehr breite Frage stellen, die Sie so ausführlich beantworten können, wie sie möchten. Was Sie mir erzählen, entscheiden Sie selbst. Hierbei werde ich Sie nicht unterbrechen und erst im Anschluss ein paar Nachfragen stellen. Deshalb werde ich mir hin und wieder ein paar Stichworte notieren. Mir kommt es darauf an, dass Sie mir möglichst viel von sich, Ihren Erfahrungen und Sichtweisen erzählen, die für Sie in Verbindung mit dem Thema des Interviews relevant sind. Einstiegsfrage(n) 1. Ich möchte mich mit meinen Fragen zunächst zurückhalten und Sie bitten, mir von einer Unterrichtsstunde aus Ihrem Englischunterricht zu berichten, welche Ihnen besonders im Gedächtnis geblieben ist. 2. Erzählen Sie mir von Ihrer Teilnahme an unserer Fortbildung. 3. Anschlussfrage: Können Sie mir von einer Stunde berichten, in welcher die Inhalte der Fortbildung eine Rolle gespielt haben? Anhang 2: Interviewleitfäden 345 <?page no="346"?> Fragen für den Nachfrageteil (wenn nicht bereits immanent beantwortet Professionsspezifische Herausforderungen im Umgang mit Fortbildungsthemen • Erzählen Sie mir von einer Situation, die Sie als positiv und/ oder gelungen in Bezug auf die Auseinandersetzung mit den Fortbildungsinhalten und -themen empfunden haben oder empfinden. ▷ Falls zutreffend: Erzählen Sie mir von einer Unterrichtsstunde, in welcher Sie die Inhalte der Fortbildung erprobt haben. • Erzählen Sie mir von Schwierigkeiten/ Herausforderungen, die es bei der Erprobung der Fortbildungsinhalte in Ihrem Englischunterricht gab. • Wie gehen Sie mit diesen Herausforderungen/ Schwierigkeiten um? • Erzählen Sie mir von den Herausforderungen, die sich ggf. für Sie in der Ausein‐ andersetzung mit den Fortbildungsinhalten im Zusammenhang mit kultureller und sprachlicher Heterogenität ergeben haben. ▷ Wie sind Sie damit umgegangen? • Erzählen Sie mir von einer Situation während der Fortbildung in der Sie evtl. ins Nachdenken gekommen sind. • Wenn Sie einmal an die Anforderungen/ Aufgaben denken, die sich Ihnen als Eng‐ lischlehrer*in stellen, welchen Stellenwert/ welche Bedeutung messen Sie hierbei den Fortbildungsthemen zu? • Sehen Sie sich durch die Teilnahme an der Fortbildung und der Auseinandersetzung mit kultureller und sprachlicher Heterogenität vor Anforderungen, Aufgaben oder Schwierigkeiten gestellt, mit denen Sie vorher nicht gerechnet haben? Beschreiben Sie mir diese. Professionsspezifische Kompetenzen und Eigenschaften • Welche Kompetenzen und Fähigkeiten erachten Sie für eine Englischlehrkraft als wichtig im Umgang mit kultureller und sprachlicher Heterogenität? ▷ Gibt es Ihrer Ansicht nach Kompetenzen/ Fähigkeiten/ Haltungen einer Engli‐ schlehrkraft im Umgang mit kultureller und sprachlicher Heterogenität, die sich von denjenigen anderer (Fach)Lehrkräfte unterscheiden? Inwiefern? Rolle der beruflichen Weiterentwicklung • Welche Bedeutung hat die berufliche (Weiter-)Entwicklung für Sie als Englischlehr‐ kraft? • Welche Herausforderungen ergeben sich für Sie in Bezug auf den Besuch von Fort- und Weiterbildungen? • Welche Rolle spielt die berufliche Fort- und Weiterbildung in Bezug auf den Umgang mit kultureller und sprachlicher Heterogenität für Sie? • In welcher Hinsicht möchten Sie sich als Englischlehrkraft in der nächsten Zeit gerne weiterentwickeln? Abschlussfrage: Abschließend möchte ich Sie bitten, sich einmal in die Zukunft zu denken. Wie sehen Sie den Englischunterricht der Zukunft und Ihre Rolle darin? Welche Herausforderungen ergeben 346 11 Anhang <?page no="347"?> sich für Sie als Englischlehrer*in als auch für den Englischunterricht? Wie bewerten Sie die Herausforderung des Umgangs mit kultureller und sprachlicher Heterogenität in Relation zu anderen Herausforderungen? Anhang 3: Interviewprotokoll (Postskript) Interview-Protokollbogen Interviewnr. - Interviewerin - Ort - Datum - Dauer Forschungspartner*in: Name, Vorname: - - Weitere Informationen 1. Angaben zum Kontaktweg - - 2. Teilnahmemotivation (falls bekannt) - - 3. Interviewatmosphäre - - 4. Stichworte zur personalen Beziehung - - 5. Interaktion im Interview - - 6. Schwierige Passagen/ Momente Anhang 3: Interviewprotokoll (Postskript) 347 <?page no="348"?> Anhang 4: Fallbeispielanalysedokument (adaptiert nach Gerlach 2020a) Offene Fragen an den Text • Welche Orientierungen zeigen sich im Umgang mit kultureller und sprachlicher Heterogenität? • Wie geht die LK mit kultureller und sprachlicher Heterogenität um? • Wie nimmt die LK die kulturellen und sprachlichen Ressourcen/ Hintergründe der Schüler*innen wahr? • Welche Orientierungsschemata zeigen sich? • Gibt es Spannungsverhältnisse zwischen Habitus (Orientierungsrahmen i.e.S.) und Normen (Orientierungsrahmen i.w.S.)? Wo zeigen sie sich? Analysefokus: • lexikalischer Analyse - Welche Worte, welcher Wortschatz, welche Wortfelder werden in bestimmten Abschnitten oder über das ganze Interview hinweg benutzt? • Wichtige/ wiederkehrende Themen • Welche positiven Horizonte und negative Gegenhorizonte (andersartige Vergleichs‐ hintergründe) zeigen sich innerhalb des Interviewmaterials? • Negative Gegenhorizonte: • Positive Gegenhorizonte: • Gibt es Metaphern bzw. symbol-/ stilmittelhafte Sprache im Material? • Werden in Beschreibungen oder im Allgemeinen bestimmte Normen aufgetan? Fallspezifische handlungsleitende Orientierungen • Welche Orientierungen lassen sich für diesen Fall rekonstruieren? Mögliche Handlungsprobleme/ Spannungen zwischen Normen und Habitus • Zeigen sich Spannungen zwischen Normen und Habitus im Erzählen der Lehrkräfte? • Lassen sich Handlungsprobleme identifizieren? Umgang mit kultureller und sprachlicher Heterogenität • Welche Umgangsweisen mit kultureller und sprachlicher Heterogenität lassen sich rekonstruieren? • Welche Themen werden hier relevant? 348 11 Anhang <?page no="349"?> Giessener Beiträge zur Fremdsprachendidaktik Giessener Beiträge Giessener Beiträge zur Fremdsprachendidaktik ISBN 978-3-381-13671-1 Der Umgang mit kultureller und sprachlicher Heterogenität stellt eines der zentralen Themen im Handlungsfeld Schule und Unterricht dar, bei welchem gerade berufsroutinierte Englischlehrer: innen in ihrem unterrichtlichen Handeln an Grenzen stoßen. Um diese Grenzen zu überwinden, sind Englischlehrer: innen gefordert, sich und ihr fachunterrichtliches Handeln kontinuierlich zu reflektieren und weiterzuentwickeln. Diese qualitativ-rekonstruktive Studie zeigt auf, wie Englischlehrer: innen mit kultureller und sprachlicher Heterogenität im Unterricht umgehen und welche Prozesse von Professionalisierung bzw. Deprofessionalisierung im Kontext einer Fortbildung wirksam werden. Leonhardt Kulturelle und sprachliche Heterogenität im Englischunterricht Carina Leonhardt Kulturelle und sprachliche Heterogenität im Englischunterricht Die Rekonstruktion von Professionalisierungsprozessen berufsroutinierter Englischlehrkräfte